Netzwerkmanagement
Thomas Becker€•Â€Ingo Dammer Jürgen Howaldt • Achim Loose (Hrsg.)
Netzwerkmanagement Mit Kooperation zum Unternehmenserfolg Dritte, überarbeitete und erweiterte Auflage
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Herausgeber Dr. Thomas Becker, M.A. btc-projects Orchideenweg 6 53123 Bonn Deutschland
[email protected] Dr. Ingo Dammer conpara Gesellschaft für Unternehmensberatung Venloer Str. 241-245 50823 Köln Deutschland
[email protected]
Prof. Dr. Jürgen Howaldt Sozialforschungsstelle Dortmund Evinger Platz 17 44339 Dortmund Deutschland
[email protected] Dr. Achim Loose KOKON Consult Wupperstr. 95 42651 Solingen Deutschland
[email protected]
ISBN 978-3-642-19332-3â•…â•…â•…â•… e-ISBN 978-3-642-19333-0 DOI 10.1007/978-3-642-19333-0 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2005, 2007, 2011 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Geleitwort
Die Märkte der Welt sind in ständiger, mitunter von Krisen begleiteter Bewegung. Die Bedingungen und Herausforderungen unternehmerischen Handelns verändern sich in rasantem Tempo. Auch in Zukunft werden uns diese Entwicklungen stark fordern. Wer sich in der Welt des intensiven Wettbewerbs sowie des sozialen und technischen Wandels behaupten will, muss sich permanent Kompetenz- und Konzeptvorsprünge erarbeiten. Auch der Kooperationsmarkt wächst schnell, sowohl quantitativ wie an Bedeutung. Diese wachsende Bedeutung spiegelt sich u.€a. in der europäischen Wirtschaftspolitik wieder: die Entwicklung regionaler Wirtschaftscluster wird zu einem wichtigen Mittel der Entwicklung des „Standorts Europa“ als place of excellence im globalen Wettbewerb. Gefragt sind hierbei intelligente Kooperationsformen und professionelles Management von Clustern und Netzwerken. In diesem Umfeld können sich nur solche Unternehmen behaupten, die sich schnell und fortlaufend anpassen – ihre Märkte und Zielgruppen, ihre Produkte, ihre Arbeitsweisen sowie ihre Krisenbewältigungsstrategien erneuern und dabei die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit potenziellen Partnerbetrieben zielstrebig ausloten und bewerten. Mittelständler müssen sich immer gegen die Großen ihrer Branche behaupten. Isoliertes Vorgehen ohne nach links und rechts zu schauen und Partner mit ins Boot zu nehmen, hat schon oft geradewegs in die Versenkung geführt. Dabei bieten sich genug Themenfelder an, um in Kooperationen mit Gleichgesinnten die Herausforderungen und Hürden der Märkte zu meistern. Die Beteiligung an Netzwerken und Kooperationen wird gerade für kleine und mittlere Unternehmen immer wichtiger. Netzwerke bieten ihren Partnern ein hochflexibles Geflecht von Kooperationsbeziehungen. Sie eröffnen gute Chancen, die eigenen Geschäftsziele mit Hilfe strategischer Allianzen gut gewappnet anzugehen. Benötigte Ressourcen können zusammen getragen, bei der Suche nach neuen Lösungen Ideen außerhalb des eigenen Erfahrungsspektrums einbezogen werden. Man muss das Rad nicht jedes Mal neu erfinden, auch in der Synthese unterschiedlicher Wissensbestände mehrerer Unternehmen kann die Ziellinie des eigenen Betriebes wiederholt erfolgreich durchlaufen werden. Netzwerke sind dann überlebensfähig, wenn es gelingt, Konkurrenz und Zusammenarbeit miteinander zu vereinbaren und Stabilität sowie Wandel durch gegenseitiges Vertrauen zu gewährleisten. Erfolgreiche Kooperationen benötigen mehr als guten Willen. Sie setzen sorgfältige Planung, engagierte Promotoren, qualifizierten Umgang mit verbundtauglichen Arbeitsformen und ein kompetentes Netzwerkmanagement voraus.
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Geleitwort
Netzwerke müssen Raum haben, um zu wachsen, sie müssen gehegt und gepflegt werden. Sie erfordern als Netzwerkmanager Menschen mit Bodenhaftung und Stallgeruch, die sich nicht durch die Interessen unterschiedlicher Betriebe verwirren lassen, sondern integrieren und koordinieren können und die Klaviatur des Netzwerkmanagements beherrschen. Netzwerkmanager alleine können keine Verbünde aufbauen. Andere regionale Akteure wie die Verbände, die Bildungswerke der Wirtschaft, Berater, Trainer oder die Wissenschaft und Wirtschaftsförderung sollten sinnvolle Unterstützung leisten. Aber letztlich sind wir es als Unternehmer, die entscheiden müssen, ob wir zu Kooperationen bereit sind! Unser Unternehmen hat schon vor Jahren den in diesem Band vorgestellten regionalen Qualifizierungs- und Personalentwicklungsverbund MACH1 Weiterbildung & MACH2 Personalentwicklung mitbegründet und profitiert von den gemeinsamen einzel- und überbetrieblichen Aktivitäten auf dem breiten Feld der beruflichen Weiterbildung - mit sehr guter Resonanz bei unseren Mitarbeitern. Synergieeffekte aus den gemeinsamen Aktivitäten und dem ständigen Erfahrungsaustausch sind eine hervorragende Basis für das entscheidende Quäntchen Überlegenheit. Nur wenn wir unsere Kenntnisse in der ständigen Reflexion mit anderen systematisch entwickeln und pflegen, können wir neue Impulse aufnehmen und den nötigen Fortschritt in Gang bringen. Dies gilt im übrigen auch für ‚Netzwerke an sich‘. Netzwerke unterschiedlicher Couleur und Modernisierungsvision können und sollten voneinander lernen, um die entstandene Kooperationslandschaft weiter zum Wachsen zu bringen. Die Herausgeber und Autoren dieses Bandes haben sich im Kompetenzzentrum Netzwerkmanagement zusammen geschlossen. Ihre Praxiserfahrungen und Konzepte haben sie in der hier vorgelegten dritten Auflage dieses Readers aktualisiert und ergänzt. Weitere Aspekte aus der jüngeren Netzwerkforschung und -praxis sind hinzu gekommen: zum einen werden – aus der Perspektive eines erfahrenen Unternehmers – Lust und Leid von 10 Jahren Netzwerkarbeit in einem persönlichen Interview dokumentiert. Zum anderen bekommt die Clusterpolitik eine neue Fokussierung und wird vermehrt auf die nachhaltige Umstellung der Wirtschaft ausgerichtet. Der erweiterte Serviceteil am Ende des Bandes weist auf Weiterbildungsmöglichkeiten und hilfreiche Online-Tools hin. Er bietet allen Netzwerk-Enthusiasten, die sich praktisch erproben wollen, Know-how, um Netzwerke für ihre eigenen Ziele und Zwecke aufzubauen und mit Leben zu füllen. Ich lade alle Leser ein, an diesem Wissen zu partizipieren und das Angebot des Kompetenzzentrums Netzwerkmanagement anzunehmen, dieses Wissen zu teilen. Martin Kannegiesser Unternehmer und Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall
Vorwort zur 3. überarbeiteten Auflage
Mit der Aussage „Den Netzwerken gehört die Zukunft!“ begann vor nunmehr sechs Jahren die erste Ausgabe unseres Buches „Netzwerkmanagement – Mit Kooperation zum Unternehmenserfolg“. Das Thema Netzwerke hat seitdem nichts von seiner Bedeutung verloren. Im Gegenteil: Ohne Netzwerke und Kooperationen geht heute fast nichts mehr. Dies gilt für Wissenschaft und Forschung ebenso wie für die Wirtschaft. So betont Bundesforschungsministerin Annette Schavan in ihrem Vorwort zur Hightech-Strategie für Deutschland, die darauf zielt, eine nationale Strategie zu entwickeln, um Deutschland wieder an die Weltspitze der wichtigsten Zukunftsmärkte zu führen: „Wir schlagen Brücken zwischen Wissenschaft und Wirtschaft: Kooperationen und Gemeinschaftsprojekte werden so stark gefördert wie noch nie.“ Aber auch in der deutschen Wirtschaft werden Kooperationen und Netzwerke immer mehr zentraler Bestandteil einer Strategie, die auf Erhalt und Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit zielt. In seinem Aufsehen erregenden Bestseller „Die Welt ist flach“ beschreibt Thomas L. Friedman, als Kolumnist der New York Times ein weltweit angesehener Journalist, die Folgen der 3. Phase der Globalisierung. Mit ihr ist durch die Entwicklung neuer Technologien seit der Jahrtausendwende ein neues globales Spielfeld entstanden, in dem die Ausgangsbedingungen aller Mitspieler angeglichen wurden und die Herausbildung neuer Kompetenzen und Geschäftspraktiken nötig wurde, „um diese globale Plattform der flachen Welt optimal zu nutzen“. Dies schaffte „eine ganz neue, webbasierte Plattform der globalen Kooperation, die es Individuen, Gruppen, Unternehmen und Universitäten überall auf der Welt ermöglichte, in einem nie dagewesenen Maße miteinander zu kooperieren.“ Hans-Jörg Bullinger, Präsident der renommierten FraunhoferGesellschaft, spricht vor diesem Hintergrund von einem Paradigmenwechsel des Innovationssystems, in dessen Mittelpunkt immer mehr flexible Innovationsnetzwerke stehen. Für Friedman gehört das Herstellen und Fruchtbarmachen von Partnerschaften somit zu einer Kernkompetenz der heutigen Geschäftswelt (Friedmann 2006, 535). Gerade aber im Hinblick auf das Management von Kooperationen und Netzwerken lassen sich noch deutliche Defizite feststellen. So verwies eine gemeinsame Studie von Mercer Management Consulting und TU München zu Netzwerken im Automobilbereich aus dem Jahr 2005 auf deutliche Defizite im Hinblick auf deren Management (Mercer Management Consulting 2005). Das Management solcher Netzwerke – so die Studie – erfordert neue Kompetenzen, die heute nur in Ausnahmenfällen in den beteiligten Unternehmen vorhanden sind. Um ihre Leistungsfähigkeit ausschöpfen zu können brauchen Netzwerke jedoch ein professionelles Netzwerkmanagement, das sich von traditionellen
VIII Vorwort zur 3. überarbeiteten Auflage
Formen des Managements eines Unternehmens deutlich unterscheidet. Denn Netzwerke sind komplexe soziale Systeme, deren Management weitgehend ohne formales Direktionsrecht auskommen muss. Notwendig sind deshalb Managementkonzepte, die für die spezifischen Bedingungen von Netzwerken ‚gemacht‘ und in solchen Strukturen erprobt wurden. Und genau mit diesen Konzepten und Methoden beschäftigen sich die Beiträge dieses Buches. Dabei arbeiten sie, wie es im Einführungsbeitrag heißt, „aus der Praxis stammende Erfahrungen für die Praxis systematisch auf“. Dies war in der ersten und zweiten Auflage so und wird als erfolgreiches und bisher einzigartiges Konzept in der dritten Auflage beibehalten. Dass das Thema „Netzwerkmanagement“ immer stärker an Bedeutung gewinnt, zeigt sich nicht zuletzt in der wachsenden politischen Unterstützung. Seit Sommer 2008 kann das Netzwerkmanagement für Verbünde mittelständischer Unternehmen finanziell gefördert werden. Das Bundeswirtschaftsministerium hat zu diesem Zweck eine bundesweite Förderlinie lanciert, und dies nicht zufällig im Rahmen seines Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand. Denn immer deutlicher kristallisiert sich ein Thema heraus, für dessen komplexe Problemstellungen Unternehmenskooperationen sich als qualitativ hochwertiger Lösungsweg erweisen: Innovation in ihrer vollen Bedeutung von der Idee bis zur erfolgreichen wirtschaftlichen Verwertung. Dazu mehr in diesem Band. Das Kompetenzzentrum Netzwerkmanagement begrüßt diese Entwicklung. Es hat mit dem Versuch, die vorhandenen Kompetenzen im Bereich des Netzwerkmanagements zu bündeln und aufeinander abgestimmte Dienstleistungen für unterschiedliche Zielgruppen und Zwecke anzubieten, schon früh die Zeichen der Zeit erkannt und fühlt sich durch die steigende Zahl gleichsinniger Initiativen in seiner Einschätzung der zukünftigen Entwicklung bestätigt. Mit der Herausgabe der ersten Auflage wollte das Kompetenzzentrum Netzwerkmanagement dazu beitragen, die Lücke zu schließen, die zwischen der wachsenden Häufigkeit und zunehmenden Wichtigkeit von Kooperationen auf der einen und fehlender praxisorientierter Literatur auf der anderen Seite entstanden war. Mit der Zielgruppe der Praktiker der Netzwerkarbeit aus Wirtschaft und öffentlichen Institutionen vor Augen, sollte das Buch einen Überblick über den momentanen state of the art und ein Nachschlagewerk zur Beantwortung konkreter Fragen der Praxis des Netzwerkmanagements bieten. Angesichts der positiven Aufnahme der ersten beiden Auflagen können wir heute feststellen, dass sich sowohl die Grundidee als auch das Konzept des Buches, zugleich Überblicks- und Nachschlagewerk sein zu wollen, bewährt haben. Und da Bewährtes nur seine Qualität halten kann, wenn es sich verändert, nehmen wir auch in die dritte Auflage wieder neue Themen auf und aktualisieren einzelne Beiträge, wenn die Entwicklung der vergangenen vier Jahre dies nahelegt. Denn selbstverständlich ist bei aller Kontinuität, die die weiterhin wachsende Bedeutung von Kooperationen signalisiert, auch viel Neues, und darunter manch Unvorhergesehenes, geschehen. Wir haben uns daher entschlossen, dem Buch eine differenziertere Gliederung zu geben, um insbesondere der politischen Behandlung des Netzwerkthemas gerecht zu werden, soweit sie
Vorwort zur 3. überarbeiteten Auflage ╅╇╛╛IX
Konsequenzen für die Praxis hat. Die Leser finden die Artikel dieses Bands jetzt also vier statt drei Kapiteln zugeordnet. Ein Sektor, der beständig mit Innovationen auf sich aufmerksam macht, ist bekanntermaßen die Online-Technologie. Wir haben deshalb einige Beiträge neu aufgenommen, die sich mit netzwerkbezogenen Tools beschäftigen: entweder mit solchen, die das Netzwerkmanagement operativ erleichtern und daher im Serviceteil zu finden sind, oder mit Instrumenten, die das Arbeiten in und mit Kooperation unterstützen, wie das im Rahmen von INQA-Bauen entwickelte „KOOP-bauen“ im Kapitel „Prozesse und Tools“. Neu aufgenommen haben wir im weiteren einen Beitrag zum bereits kurz angesprochenen Thema „Innovationsnetzwerke“, das aktuell viel Raum in der Netzwerkdiskussion einnimmt. Und wir werfen einen ersten Blick über die Landesgrenzen auf klima:aktiv, ein österreichisches Netzwerk, das im Spannungsfeld von politischen und wirtschaftlichen Interessen angesiedelt ist und unter diesen (nicht immer einfachen) Bedingungen seit Jahren erfolgreich seine Ziele in Hinblick auf energiesparendes Bauen verfolgt – ein Beispiel, das Nachahmung verdient. Die Entwicklung von Kooperationen kann mittlerweile auf eine (wenn auch noch recht kurze) Geschichte zurückblicken. In diesem Kontext haben wir als letzten neuen Beitrag ein Interview mit dem Geschäftsführer einer seit 10 Jahren erfolgreich am Markt agierenden, mehrfach ausgezeichneten Handwerkskooperation aufgenommen. Die darin geschilderten praktischen Erfahrungen mit den Aufs und Abs, mit Schwierigkeiten und Lösungen vermitteln exemplarisch ein sehr gutes Gefühl dafür, worauf es bei dauerhaft arbeitenden Kooperationen konkret ankommt. Viele Bereiche, die bereits in früheren Auflagen behandelt wurden, haben sich so intensiv weiterentwickelt, dass die entsprechenden Beiträge aktualisiert wurden. Das betrifft im einzelnen die Clusterpolitik des Landes Nordrhein-Westfalen, im methodischen Bereich die Soziale Netzwerk-Analyse als Instrument des Kooperations-Controlling, die Kooperationen in den Branchen Medien und Gesundheitswirtschaft und schließlich die net’swork, die nach wie vor die einzige (Groß-)Veranstaltung ist, die sich ausdrücklich dem Netzwerkthema widmet. Die ersten beiden Auflagen haben viel Resonanz bei der Leserschaft hervorgerufen, und wir möchten uns an dieser Stelle ausdrücklich für die zahlreichen Anregungen bedanken, von denen diese Auflage ebenso profitiert hat wie von der Kritik, die, wenn sie geäußert wurde, immer berechtigt war. Wir hoffen auf eine ebenso freundliche Aufnahme des hiermit vorgelegten Bandes, den wir als unseren Beitrag dazu verstehen, dass es mit dem Thema Netzwerkmanagement in den kommenden Jahren so weitergeht wie in den zurückliegenden: vorwärts. Die Herausgeber
Inhaltsverzeichnis Geleitwort������������������������������������������������������������������������������������������������������ V Vorwort zur 3. überarbeiteten Auflage���������������������������������������������������� VII Autorenverzeichnis������������������������������������������������������������������������������������ XV
Teil 1: Strukturen erfolgreicher Kooperation Netzwerke – praktikabel und zukunftsfähig����������������������������������������������� 3 Thomas Becker, Ingo Dammer, Jürgen Howaldt, Stephan Killich, Achim Loose Formen der Unternehmenskooperation ��������������������������������������������������� 13 Stephan Killich Entwicklungsphasen von Netzwerken und Unternehmenskooperationen���������������������������������������������������������������������� 23 Jürgen Howaldt, Frank Ellerkmann Gelingende Kooperation („Effizienz“)������������������������������������������������������� 37 Ingo Dammer
Teil 2: Kooperationen im Fokus der Politik Clusterpolitik: Gestaltung und Erfahrungen in NRW����������������������������� 51 Ingo Dammer Cluster und Kompetenzstandorte: Wie identifiziert man Potenziale für regionale Kooperationen und Netzwerke?������������������������ 63 Peter Vieregge Innovationsnetzwerke – ein (nicht nur) wirtschaftliches Erfolgsmodell ����������������������������������������������������������������������������������������������� 77 Jürgen Howaldt, Ingo Dammer klima: aktiv – Netzwerkbildung zwischen Politik und Wirtschaft ��������� 87 Alexander Schmidt
Teil 3: Erfolgreiches Netzwerkmanagement: Prozesse und Tools Leitbildentwicklungen in Kooperationen������������������������������������������������ 105 Thomas Becker Geschäftsprozesse in Kooperationen optimieren������������������������������������ 117 Thomas Becker, Frank Ellerkmann Qualitäts- und Integrierte Management Systeme in Unternehmensnetzwerken ������������������������������������������������������������������������ 131 Stephan Killich, Iris Bruns, Alexander Künzer
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Inhaltsverzeichnis
Wirksames Wissensmanagement in Netzwerken������������������������������������ 143 Stephan Killich, Ralf Kopp Nachhaltige Entwicklung in nachhaltigkeitsorientierten Netzwerken������������������������������������������������������������������������������������������������� 155 Georg Unger, Achim Loose Rechtliche Gestaltung von Unternehmensnetzwerken��������������������������� 163 Achim Loose, Ralph Schlüter, Georg Stoffels, Georg Unger Wer spricht mit wem? Kooperations-Controlling per Netzwerkanalyse���������������������������������������������������������������������������������������� 171 Ralph Klocke
Teil 4: Kooperation konkret Kreativität – Konvergenz – Kooperation: die Medienbranche������������� 191 Ingo Dammer, Achim Loose Wissensbasierte Dienstleistungen������������������������������������������������������������� 205 Jürgen Howaldt, Ralf Kopp Kooperationsnetze in der Gesundheitswirtschaft����������������������������������� 215 Arno Georg Logistik als Bindeglied in Produktionsnetzwerken�������������������������������� 229 Frank Ellerkmann Unternehmenskooperationen und Netzwerke im Handwerk���������������� 243 Peter Flocken, Achim Loose 10 Jahre Unternehmenskooperation im Handwerk – ein Gespräch mit einem verantwortlichen Netzwerker der ersten Stunde������������������ 253 Achim Loose KOOP- bauen – Eine INQA-Bauen-Praxishilfe für die erfolgreiche Organisation von Kooperationen in der Bauwirtschaft������������������������� 259 Peter Flocken, Ingo Dammer Vernetzt – Kooperationen in der Textil- und Bekleidungsindustrie������ 263 Thomas Becker Personalentwicklung im Mittelstand – Synergien im regionalen Verbund������������������������������������������������������������������������������ 271 Bernd Helbich Kooperative Dienstleistungserbringung im Bereich der Fabrikplanung������������������������������������������������������������������������������������� 283 Asli Sagirli net’swork – Willkommen in der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts������ 291 Gabriele Nitsch
Inhaltsverzeichnis ╅╇╛╛XIII
Serviceteil Lust und Last der Netzwerkberatung������������������������������������������������������ 301 Jürgen Howaldt, Ralf Kopp, Achim Loose Seminare und Workshops zum Netzwerkmanagement�������������������������� 311 Bernd Helbich Online-Tools für Kooperationen��������������������������������������������������������������� 321 Ralph Klocke Partnerprofile des Kompetenzzentrums netzwerkmanagement����������� 331 Index������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 345
Autorenverzeichnis Dr. Thomas Becker Dr. Thomas Becker Training & Consulting, Johann-Bieser-Str. 21, 53123 Bonn, Deutschland,
[email protected] Dr. Iris Bruns ConSense GmbH, Sonnenweg 11, 52070 Aachen, Deutschland
[email protected] Dr. Ingo Dammer conpara Gesellschaft für Unternehmensberatung mbH Venloer Str. 241–245, 50823 Köln, Deutschland
[email protected] Dr. Frank Ellerkmann Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik, Dortmund, Joseph-von-Fraunhofer-Straße 2–4, 44227 Dortmund, Deutschland
[email protected] Dr. Peter Flocken Peter Flocken Beratung & Weiterbildung, Fehmarnstraße 19, 40468 Düsseldorf, Deutschland
[email protected] Arno Georg Sozialforschungsstelle Dortmund – Zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Universität Dortmund, Evinger Platz 17, 44339 Dortmund, Deutschland
[email protected] Dr. Bernd Helbich MACH 2 Personalentwicklung, Mittelweg 28, 32051 Herford, Deutschland
[email protected] Prof. Dr. Jürgen Howaldt Sozialforschungsstelle Dortmund – Zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Universität Dortmund, Evinger Platz 17, 44339 Dortmund, Deutschland
[email protected] Dr. Stephan Killich ConSense GmbH, Sonnenweg 11, 52070 Aachen, Deutschland
[email protected]
XVI Autorenverzeichnis
Ralf Klocke PZN Kooperationsberatung, Poloweg 6, 33649 Bielefeld, Deutschland
[email protected] Dr. Ralf Kopp Sozialforschungsstelle Dortmund – Zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Universität Dortmund, Evinger Platz 17, 44339 Dortmund, Deutschland
[email protected] Dr. Alexander Künzer ConSense GmbH, Sonnenweg 11, 52070 Aachen, Deutschland
[email protected] Dr. Achim Loose KOKON Consult, Wupperstr. 95, 42651 Solingen, Deutschland
[email protected] Gabriele Nitsch Institut für Innovationstransfer an der Universität Bielefeld GmbH, Postfach 100131, 33501 Bielefeld, Deutschland
[email protected] Thomas Poutas THOMAS POUTAS consulting & training Otto-Brenner-Str. 209 33604 Bielefeld
[email protected] Asli Sagirli Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft der RWTH Aachen, Bergdriesch 27, 52062 Aachen, Deutschland
[email protected] Ralph Schlüter Handwerkskammer Düsseldorf, Georg-Schulhoff-Platz 1, 40221 Düsseldorf, Deutschland
[email protected] Dr. Alexander Schmidt osb Wien Consulting GmbH, Volksgartenstraße 3/1. DG, 1010 Vienna, Austria
[email protected] Georg Stoffels Handwerkskammer Aachen, Sandkaulbach 21, 52062 Aachen, Deutschland
[email protected]
Autorenverzeichnis ╅╇╛╛XVII
Georg Unger KOKON Consult, Wupperstr. 95, 42651 Solingen, Deutschland
[email protected] Prof. Dr. Peter Vieregge Forschungsinstitut für Regional- und Clustermanagement GmbH, Arnsbergerstrasse 80, 58802 Balve, Deutschland peter.vieregge@institut-clustermanagement
Teil 1: Strukturen erfolgreicher Kooperation
Netzwerke – praktikabel und zukunftsfähig Thomas Becker, Ingo Dammer, Jürgen Howaldt, Stephan Killich, Achim Loose
1 Den Netzwerken gehört die Zukunft! Das jedenfalls behaupten zahlreiche Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Das Spektrum möglicher Verbundaktivitäten ist breit. Dabei sind in den letzten Jahren z.€ T. mit Unterstützung durch öffentliche Mittel vielfältige Netzwerke und Kooperationsverbünde entstanden, die sich nicht nur mit der direkten Kooperation von Unternehmen, sondern auch mit der Bündelung regionaler und überregionaler Weiterbildungs- und Beratungstätigkeiten sowie mit der Zusammenarbeit von Akteuren der Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklung beschäftigen oder gar Mischformen aus all diesen Aktivitäten hervorgebracht haben. Die Diskussion um Netzwerke als eine spezifische Koordinierungsform menschlichen Handelns jenseits von Markt und Hierarchie hat inzwischen nahezu alle gesellschaftlichen Teilbereiche erreicht. Zwischen Netzwerk als neuem Mythos einerseits und Netzwerken als „zentralem Begriff einer anderen Moderne“ (sfs 1998, Howaldt et al. 2001) andererseits changieren dabei die Einschätzungen. Renommierte Autoren wie der Soziologe Manuel Castells gehen inzwischen sogar so weit, die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts als „network society“ zu bezeichnen, in der sich alle relevanten Prozesse in Wirtschaft und Gesellschaft um die Organisationsform Netzwerk gruppieren (Castells 2000). Gleichzeitig aber ist Literatur, die das Phänomen „Netzwerke“ unter praktischen Gesichtspunkten behandelt, noch dünn gesät und nicht immer leicht zu finden. Worin besteht die konkrete Bedeutung von Netzwerken im Rahmen von betrieblichen und regionalen Innovationsprozessen, wo sind die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit und worin liegen ihre spezifischen Erfolgsfaktoren? Welche Netzwerktypen sind eigentlich in den letzten Jahren entstanden, für welche Ziele eignen sie sich und wie werden sie gemanagt und organisiert? Mit diesen Fragen beschäftigen sich die Beiträge des vorliegenden Bandes; sie arbeiten dabei, wie es sich schon in den ersten Auflagen bewährt hat, aus der Praxis stammende Erfahrungen für die Praxis systematisch auf.
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T. Becker, I. Dammer, J. Howaldt, S. Killich, A. Loose
„Wo die Großen fusionieren, müssen die Kleinen kooperieren.“ Diese Einsicht setzt sich bei Entscheidungsträgern in Unternehmen und Institutionen zunehmend durch. Sie formuliert präzise den Kern dessen, was für die kleinen und mittelgroßen Unternehmen als „Globalisierung“ bzw. als deren Folgen wirksam wird. Die bestehen nämlich weniger in einer tatsächlichen Erweiterung der Absatzmärkte mit der Tendenz ‚weltweit’, wie es der Begriff „Globalisierung“ nahe legt, sondern vielmehr in zunehmender Komplexität und Verdichtung der für die kleinen und mittleren Unternehmen relevanten Marktstrukturen sowie in zunehmender Beschleunigung der Marktprozesse. Manche Konzepte, die als erste zur Bewältigung dieser Entwicklung eingesetzt wurden, sind mittlerweile in vielen Hinsichten an ihre Grenzen gestoßen: Kostensenkung und Verschlankung der Unternehmensstrukturen gefährden ab einem gewissen Punkt Leistungsfähigkeit und Elastizität des Unternehmens, zu weit getriebene Spezialisierung wird zu einem Wettbewerbsnachteil, wenn die Kunden wieder stärker nach komplexen, aber weiterhin passgenauen Leistungen Ausschau halten. Netzwerke und Kooperationen sind, richtig gehandhabt, praktische Instrumente für den Mittelstand, den Anforderungen der so verstandenen Globalisierung nachkommen zu können. Sie erlauben es, notwendig werdende Entwicklungen mitzuvollziehen, für die die Kraft des einzelnen Unternehmens sehr oft nicht ausreicht, ohne auf der anderen Seite die Eigenständigkeit aufgeben zu müssen, die viele der kleinen und mittleren Unternehmen erst zu ihren spezifischen Leistungen befähigt. Und nicht nur das. Netzwerke, Kooperationen und Verbünde mittelständischer Unternehmen sind noch in einem weiteren wichtigen Aspekt analog zu den Fusionen der großen Konzerne zu betrachten: Auch sie fungieren als strategische Mittel, um die aktiven Gestaltungsmöglichkeiten der Beteiligten hinsichtlich ihrer Märkte zu vergrößern. Dies ist eine psychologisch nicht zu unterschätzende Leistung von Netzwerken und Kooperationen, gerade in Hinblick auf einen Mittelstand, der sich in den letzten Jahren, was Marktentwicklungen betraf, zunehmend als mit dem Rücken zur Wand stehend und eher als Spielball der Mächte denn als aktiver Marktteilnehmer erlebte. In diesem Rahmen gewinnt die Arbeit in Netzwerken und Kooperationsverbünden für kleine und mittelgroße Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Viele Beispiele zeigen, dass die Arbeit in Netzwerken immer mehr zu einem wichtigen positiven Wettbewerbsfaktor wird, sozusagen zu erfolgreicher ‚Globalisierung vor Ort’. Einige Beiträge in diesem Band illustrieren das anschaulich. Was Netzwerke leisten können Am Anfang steht in der Regel die Frage, welche Vorteile solche Netzwerke dem eigenen Unternehmen, der eigenen Institution konkret bringen. Die Leistungsfähigkeit von Netzwerken hat viele Facetten. Die flexiblen Kooperationsbeziehungen ermöglichen es den Partnern beispielsweise,
Netzwerke – praktikabel und zukunftsfähig ╅╇╛╛5
• die eigenen Geschäftsziele mit Hilfe strategischer Allianzen erfolgreicher anzugehen; • Unterstützung durch erfahrene Partner für eigene Innovationsprozesse sicherzustellen; • benötigte Kompetenzen und Ressourcen zusammenzuführen, für die beteiligten Unternehmen nutzbar zu machen und dadurch Kosten zu sparen; • Ideen und Anregungen von jenseits des eigenen ‚Tellerrands’ zu bekommen; • Leistungen zu erbringen, die die Wettbewerbsfähigkeit am Markt entscheidend erhöhen, aber von keinem Partner aus eigener Kraft erbracht werden können. Anforderungen an Netzwerkarbeit Andererseits fällt erfolgreiche Netzwerkarbeit nicht vom Himmel. Zahlreiche kooperationsspezifische Aspekte müssen berücksichtigt werden, mit denen die Partner im betrieblichen Alltag zuvor keine Erfahrungen machen konnten. So müssen • zunächst die geeigneten Partner gefunden, • unterschiedliche Interessen und Erwartungshaltungen unter einen Hut gebracht, • geeignete Arbeitsformen entwickelt und spezielle Arbeitsmethoden gelernt, • eine netzwerktragende Infrastruktur aufgebaut, • Spielregeln definiert und Kooperationsvereinbarungen getroffen, • sowie Vertrauen zwischen den Kooperationspartnern aufgebaut und kontinuierlich weiterentwickelt werden. Insofern verwundert es nicht, dass viele Kooperationen trotz des guten Willens aller Beteiligter weit unter ihren Möglichkeiten bleiben, mit großen Problemen zu kämpfen haben oder sogar scheitern. Aufbau und Betrieb erfolgreicher Kooperationen sind eben an spezifische Voraussetzungen gebunden. Den durchaus anspruchsvollen Anforderungen an die Gestaltung von Netzwerken steht aber erfahrungsgemäß eine weitgehende Unkenntnis im Hinblick auf das „praktische Management der Netzwerkstrukturen und -prozesse“ gegenüber. So greift das Management von Netzwerken im Wesentlichen auf die im betrieblichen Projektmanagement entwickelten Konzepte und Instrumente zurück. Hier ist die Entwicklung von eigenen Methoden und Instrumenten notwendig. Sie steckt jedoch noch ebenso in den Kinderschuhen wie die Entwicklung von spezifischen Beratungs- und Qualifizierungsangeboten für Netzwerkmanager (vgl. Flocken et al. 2001). Das Kompetenzzentrum Netzwerkmanagement An dieser Problemlage setzt das Kompetenzzentrum Netzwerkmanagement an. Ziel des im Jahr 2001 gegründeten Kompetenzzentrums ist es, das vorhandene Know-how im Bereich des Netzwerkmanagements zu bündeln und
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T. Becker, I. Dammer, J. Howaldt, S. Killich, A. Loose
aufeinander abgestimmte Dienstleistungen für unterschiedliche Zielgruppen anzubieten. Das Kompetenzzentrum möchte hierzu Lernprozesse zwischen den beteiligten Partnern initiieren und zu gemeinsamen Reflexionsprozessen beitragen. Es bietet darüber hinaus umsetzungsorientierte Leistungen an, die die Kunden bei Aufbau und Betrieb von Netzwerken und Verbünden gezielt unterstützen. Außerdem werden offene Fragen zum Thema Netzwerkmanagement durch eigene Forschungsarbeiten behandelt. Das Kompetenzzentrum Netzwerkmanagement richtet sich mit seinen Angeboten an: • kleine und mittlere Unternehmen, die Geschäftskooperationen aufbauen; • Institutionen und öffentliche Einrichtungen, die Innovationsverbünde planen; • Personen, die mit der Steuerung von Netzwerken betraut sind. Das Angebot versteht sich als Hilfe zur Selbsthilfe und soll potenzielle Kunden bei der Gestaltung eigener Lösungen nachhaltig unterstützen. Die Struktur Elf renommierte Partner aus Forschung und Beratung arbeiten aktiv im Kompetenzzentrum mit. Ein Kernteam fungiert als zentrale Koordinierungsstelle mit den Aufgaben Öffentlichkeitsarbeit, Akquisition, Qualitätssicherung, Produktgestaltung und strategische Weiterentwicklung des Zentrums. Die Partner bringen ihre netzwerkbezogenen Beratungs- und Forschungskompetenzen in das Zentrum ein und bieten netzwerkspezifische Leistungspakete an, die im Serviceteil dieses Bandes aufgelistet sind. Das Kompetenzzentrum Netzwerkmanagement stellt eine bisher einzigartige Bündelung von NetzwerkKnow-how dar, zu dessen weiterem Ausbau es die kontinuierliche Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Netzwerkexperten anstrebt. Im Februar 2007 haben die Partner die Vereinsgründung vollzogen, um Verbindlichkeit, Effektivität und Effizienz des Kompetenzzentrums Netzwerkmanagement, das seitdem also als e.€V. firmiert, weiter zu erhöhen. Aktivitäten Im Mittelpunkt der Aktivitäten des Kompetenzzentrums stehen konkrete Projekte zur Unterstützung von Unternehmen und regionalen Akteuren bei Aufbau und Weiterentwicklung von Netzwerken. Die Partner des Kompetenzzentrums sind dabei in vielfältigen Branchen und Bezügen tätig. Einen Überblick über das breite Tätigkeits- und Kompetenzspektrum der im Kompetenzzentrum aktiven Partner geben die hier versammelten Aufsätze. Dabei ist die Arbeit ausgesprochen erfolgreich. So wurde die von KOKON Consult und Dr. Flocken betreute Wuppertaler „Raumfabrik“ in einem bundesweiten Wettbewerb von einer hochrangig besetzten Expertenjury zur „Kooperation des Jahres“ für den Bereich Handwerk gewählt. Die Partner sind in ihrer gemeinsamen Arbeit an einem einheitlichen Beratungsleitbild orientiert, das eine reibungslose Kooperation sicherstellt. Regel-
Netzwerke – praktikabel und zukunftsfähig ╅╇╛╛7
Die Leistungsbausteine des Kompetenzzentrums
Baustein 3
Baustein 1
Baustein 2
Diagnose des Verbundvorhabens und Potentialplanung
Einstieg in die Grundlagen der Netzwerkarbeit
Baustein 6
Baustein 7 Arbeitstechniken • Moderation • Präsentation • Problemlösetechnik • Konfliktberatung • Mediation • Gesprächsführung
Baustein 5
NW-Management • Steuerungsmodelle • Projektmanagement • Budgetierung • Controlling • Koordination • Nutzenanalyse • Evaluation
Baustein 8 Technischer Support • Internet • Workspaces • Intranet • Dokumentverwaltung
Verbundplanung • Zielfindung • Partnersuche • Arbeitsformen • Verbundsteuerung • Aufwandsplanung • Finanzierung
Verbundarbeit • Reorganisation • Zielvereinbarungen • Umsetzung • Ergebnissicherung • Information • Anpassungen
Baustein 4 Verbundaufbau • Kooperationsprofile • Partnerakquise • Spielregeln • Teambildung • Rechtsformen • Vereinbarungen
Baustein 9 Organisatorische Hilfe • Dienstleister finden • Fördermittelberatung • Veranstaltungen • Öffentlichkeitsarbeit • Pressearbeit • Transfer
Baustein 10 Auditierung der Maßnahmen
Abb.€1:╇ Kooperationsmerkmale
mäßige Netzwerktreffen garantieren dabei einen kontinuierlichen Erfahrungsund Know-how-Austausch. Sie dienen gleichzeitig der Sicherung der Qualität der Beratungs- und Qualifizierungsangebote (Abb.€1). Projektteams und gemeinsame Workshops zu bestimmten Aspekten der Netzwerkarbeit haben die Aufgabe, die angewandten Konzepte und Instrumente kontinuierlich weiter zu entwickeln. Gezielt werden in Kooperation mit renommierten Forschungseinrichtungen neue Themen bearbeitet und innovative Dienstleistungsangebote entwickelt. So steht aktuell die Frage nach geeigneten Konzepten für ein erfolgreiches Wissensmanagement in Netzwerken im Zentrum von Forschungs- und Beratungsprojekten, die von verschiedenen Partnern im Rahmen des Kompetenzzentrums durchgeführt werden. Unternehmensnetzwerke im Rahmen von Clusterentwicklungen sind ein weiteres wichtiges Thema.
2 Zu diesem Band Mit der Herausgabe der dritte aktualisierten und erweiterten Auflage des Buches möchte das Kompetenzzentrum Netzwerkmanagement dazu beitragen,
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T. Becker, I. Dammer, J. Howaldt, S. Killich, A. Loose
die bedauerlich große Lücke zu schließen, die zwischen der wachsenden Häufigkeit und zunehmenden Wichtigkeit von Kooperationen auf der einen und fehlender praxisorientierter Literatur auf der anderen Seite entstanden ist. Dieser Band wendet sich an Praktiker aus Wirtschaft und öffentlichen Institutionen. An solche, die bereits mit operativen Fragen des Netzwerkmanagements beschäftigt sind; ihnen wird ein Überblick über den momentanen state of the art und ein Nachschlagewerk zur Beantwortung konkreter Fragen der Praxis des Netzwerkmanagements geboten. Und an solche, die sich mit dem Gedanken an zukünftige Kooperationen beschäftigen; ihnen wird die Möglichkeit gegeben, sich vorab ein Bild von der Leistungsfähigkeit und den Anforderungen zu machen, die mit Gründung und Betrieb einer Kooperation einhergehen. Um diesem doppelten Anspruch – Überblicks- und Nachschlagewerk – gerecht zu werden, ist der vorliegende Band in nunmehr vier Abschnitte eingeteilt. Der erste Abschnitt „Strukturen erfolgreicher Kooperation“ beginnt mit einem Überblick über die verschiedenen möglichen „Formen der Unternehmenskooperation“ (Stephan Killich). Dieser Beitrag kann Netzwerkinteressierte insbesondere in der Planungsphase bei grundsätzlichen Entscheidungen unterstützen. Der Beitrag „Entwicklungsphasen von Netzwerken und Unternehmenskooperationen“ (Jürgen Howaldt/Frank Ellerkmann) schildert die unterschiedlichen Schwerpunkte und Strategien, die durch die Entwicklung von Kooperationen, angefangen bei der Partnersuche bis hin zur Auflösung, erforderlich werden. Hier finden vor allem erfahrene Praktiker wichtige Hinweise für ihre alltägliche Arbeit im Netzwerkmanagement. „Gelingende Kooperation“ (Ingo Dammer) gibt einen Einblick in die verzwickte Struktur der so genannten ‚weichen’ Faktoren, die über das Gelingen von Kooperationen entscheidet. Netzwerkmoderatoren können sich hier erfahrungsgestützte Anregungen für die Bewältigung der psychologischen Aspekte ihrer Arbeit holen. Den zweiten Abschnitt eröffnet der Beitrag „Clusterpolitik: Gestaltung und Erfahrungen in NRW“, in dem Ingo Dammer ein Resümme der ersten Jahre offizieller Clusterpolitik im bevölkerungsreichsten Bundesland zieht. Stärken und Erfolge werden beschrieben, aber auch Verbesserungsmöglichkeiten, insbesondere mit Blick auf den Mittelstand, skizziert. Peter Vieregge stellt in seinem aktualisierten Artikel „Cluster und Kompetenzstandorte“ die Frage, wie man Potenziale für regionale Kooperation und Netzwerke identifiziert. Im Zentrum seiner Überlegungen steht die Bedeutung der Clusterpolitik für die Wettbewerbsfähigkeit von Regionen. Am Beispiel unterschiedlicher regionaler Cluster arbeitet er die Potenziale einer strategisch orientierten Clusterpolitik heraus. Dem Zusammenhang zwischen Innovation und Unternehmensnetzwerken widmet sich der Beitrag „Innovationsnetzwerke – ein (nicht nur) wirtschaftliches Erfolgsmodell“ von Jürgen Howaldt und Ingo Dammer. Darin werden sowohl die spezifischen Stärken von Netzwerken beleuchtet, die sie für Innovationsprozesse im Mittelstand besonders geeignet machen, als auch eine Förderlinie des Bundeswirtschaftsministeriums vorgestellt, die das Netzwerkmanagement (!) für solche Unternehmenskooperationen finanziell fördert.
Netzwerke – praktikabel und zukunftsfähig ╅╇╛╛9
Mit einem Erfolgsmodell für „Netzwerkbildung zwischen Politik und Wirtschaft“ schließt der zweite Abschnitt. Hier schildert Alexander Schmidt die Entwicklung der österreichischen Initiative „klima:aktiv“ im Spannungsfeld zwischen politischer Steuerung und wirtschaftlichen Gewinnerwartungen bis zur Etablierung einer national anerkannten Marke für qualitätshaltiges energieeffizientes Bauen und Sanieren. Der dritte Abschnitt beschreibt zentrale Prozesse und Instrumente, die für ein erfolgreiches Netzwerkmanagement von Bedeutung sind. Der erste Aufsatz befasst sich mit dem Thema „Leitbildentwicklung in Kooperationen“ (Thomas Becker), einem anspruchsvollen, aber häufig vernachlässigten Teilbereich des Netzwerkmanagements. Der Artikel „Geschäftsprozesse in Netzwerken optimieren“ von Frank Ellerkmann und Thomas Becker beschäftigt sich mit der Notwendigkeit der Professionalisierung der Gestaltung von Geschäftsprozessen in Netzwerken und gibt einen Überblick über Praxisbeispiele und praxisnahe Vorgehensmodelle. Abschließend werden Hemmnisse und Risiken vorgestellt, die während der Geschäftsprozessoptimierung in Kooperationen auftreten können. Das Management der Qualität der Produkte und Leistungen eines Netzwerkes steht in dem Beitrag „Qualitäts- & Integrierte Managementsysteme in Unternehmensnetzwerken“ von Stephan Killich im Mittelpunkt. Dabei werden die spezifischen Anforderungen an Managementsysteme in Unternehmensnetzwerken aufgedeckt und entsprechende Vorgehensweisen sowie Unterstützungsmöglichkeiten beschrieben. Eins der aktuell meist besprochenen, aber nur selten befriedigend geregelten Themen beleuchtet der Beitrag „Wirksames Wissensmanagement in Netzwerken“ (Stephan Killich/Ralf Kopp). Hiervon ist jede Kooperation mehr oder weniger intensiv betroffen und wird mit einiger Sicherheit praktikable Lösungsansätze für ihre Probleme im Bereich Wissensmanagement finden. Der vierten von Georg Unger und Achim Loose nimmt das Thema „Nachhaltigkeit“ unter dem Fokus der Bedeutung für Unternehmensnetzwerke und Kooperationen auf. Vor dem Hintergrund praktischer Beispiele konstatieren die Autoren einen wachsenden Bedarf an netzwerkförmigen Kooperationsstrukturen unter Einbezug relevanter Akteure aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, um den Anforderungen nachhaltigen Wirtschaftens gerecht werden zu können. Der folgende Beitrag liefert detaillierte Ausführungen über die „Rechtliche Gestaltung von Unternehmensnetzwerken“ (Achim Loose/Ralph Schlüter/ Georg Stoffels/Georg Unger). Im Artikel „Wer spricht mit wem?“ von Ralph Klocke wird dargestellt, wie sich die Methode der Netzwerkanalyse für die Erfolgskontrolle beim Aufbau und Management von Kooperationen einsetzen lässt. Im Mittelpunkt des Artikels steht eine konkrete Netzwerkanalyse für ein regionales Branchennetzwerk. Den vierten Abschnitt, „Kooperationen konkret“, eröffnet der Beitrag „Kreativität – Konvergenz – Kooperation“ (Ingo Dammer/Achim Loose). Die Medienbranche, ob audiovisuell oder IT, ist für das Thema ‚Kooperation’ aus zwei
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Gründen besonders interessant: zum einen arbeitet die Branche schon lange mit informellen Netzwerken, zum anderen aber werfen Kreativität und Individualismus trotz technologischer Konvergenz Probleme für Kooperationen in der Branche auf. Innovative Lösungsansätze sind gefragt. Über „Wissensbasierte Dienstleistungen“ schreiben Jürgen Howaldt und Ralf Kopp. Auch hier steht, neben den Beratungsinstituten, die Informationstechnologie im Zentrum. Die Autoren gehen dabei speziell auf eine Besonderheit der vielbeschworenen Ressource ‚Wissen’ ein: Sie erzeugt gleichzeitig Nichtwissen. Arno Georg berichtet in seinem aktualisiertem Beitrag über „Kooperationsnetze in der Gesundheitswirtschaft“. In dieser beschäftigungs- und wachstumsstarken Branche findet sich ein breites Spektrum unterschiedlich anspruchsvoller Kooperationen. Gleichzeitig hemmen aber wichtige Faktoren eine effizienzorientierte Intensivierung der Bemühungen, Netzwerke im Gesundheitswesen auf breiterer Front als Leitbild zu verankern. Der Beitrag über „Logistik als Bindeglied in Produktionsnetzwerken“ (Frank Ellerkmann) beschreibt eins der komplexesten Handlungsfelder. Gleichzeitig aber ist hier die Kooperationspraxis sowohl bereits sehr weit gediehen als auch vorbildlich dokumentiert und analysiert, so dass andere Branchen von den Erfahrungen in der Logistik reichhaltig profitieren können. Geradezu als Lehrstück für die Zukunftsfähigkeit kompetent gemanagter Verbünde können „Kooperationen und Netzwerke im Handwerk“ (Peter Flocken/ Achim Loose) gelten. Hier wird ersichtlich, wie eine konjunkturell arg gebeutelte Branche durch intelligente Kooperation den Markt mithilfe von Knowhow-Erweiterung und wachsendem Dienstleistungsangebot aktiv gestalten kann – was trotz anziehender Konjunktur langfristig eine attraktive Option bleibt. Wie so etwas konkret aussehen kann und was man als Unternehmer in solchen Kooperationen erlebt, das schildert Klaus Braun, Geschäftsführer der Raumfabrik Wuppertal, in einem Interview (Achim Loose), das einen Rückblick auf „10 Jahre Unternehmenskooperation im Handwerk“ wirft. Hier werden Höhen und Tiefen des Kooperierens anschaulich, und es wird deutlich, wie Kooperationserfolg konkret zustande kommt. Daran schließt sich die kurze Darstellung eines neuen Instruments, das aus der Initiative INQA-Bauen heraus speziell als Praxishilfe für Gründung, Organisation und Management von Kooperationen in Bauwirtschaft und Handwerk entwickelt wurde: „KOOP-Bauen“ (Peter Flocken/Ingo Dammer) Für eine weitere Branche, die vom Strukturwandel voll getroffen wurde, erläutert. Thomas Becker anhand eines Best-practice-Beispiels die Erfolgsbedingungen für Kooperationen: „Vernetzt – Kooperationen in der Textil- und Bekleidungsindustrie“. Ebenfalls regional orientiert, wenn auch durch unternehmerische Eigeninitiative getragen, ist die „Personalentwicklung im Mittelstand – Synergien im Verbund“ (Bernd Helbich). Eine für sehr viele Unternehmen hochinteressante Option wird hier anschaulich und umfassend geschildert. Zur Nachahmung empfohlen!
Netzwerke – praktikabel und zukunftsfähig ╅╇╛╛11
Asli Sagirli beschreibt in dem Artikel „Kooperative Dienstleistungserbringung im Bereich der Fabrikplanung“ einen konkreten und zukunftsweisenden An-
wendungsbereich der Netzwerkarbeit. Dabei stehen insbesondere die Herausforderungen internationaler Zusammenarbeit im Vordergrund. Diesen Abschnitt beschließt der Beitrag von Gabriele Nitsch zur net´swork, einer Initiative, die seit einigen Jahren für Praktiker und Wissenschaftler Zugang zur zunehmend unübersichtlichen Welt der Netzwerke und Kooperationen zu schaffen versucht. Dabei bedienen sich die Veranstalter einer wandlungsfähigen Kombination von Kongress, Messe und Ausstellung. Und dies mit zunehmendem Erfolg beim Publikum. Im letzten Abschnitt dieses Bandes, dem Servicesteil, fragen Jürgen Howaldt, Ralf Kopp und Achim Loose nach den Möglichkeiten und Grenzen der Netzwerkberatung. In diesem Beitrag werden die Grenzen konventioneller Einzelberatung skizziert und Vorteile von Beratungsnetzwerken herausgearbeitet. An einem beispielhaft ausgewählten erfolgreich erprobten Instrument, dem Partner-Rating, soll gezeigt werden, wie die Arbeitsteilung im Netzwerkmanagement trotz begrenzter Selbstorganisation verbindlich geregelt werden. Danach stellt Bernd Helbich die Workshop- und Seminarangebote des Kompetenzzentrums dar, Ralph Klocke erläutert im Anschluß einige Online-Tools für Kooperationen und ihre Einsatzmöglichkeiten. Im Serviceteil finden interessierte Leser zudem Adressen und Ansprechpartner für Fragen rund ums Netzwerkmanagement. Die Partner des Kompetenzzentrums Netzwerkmanagement stehen gerne zur Verfügung, wenn es gilt, dem Gedanken von Kooperation und Verbundbildung mit Rat und Tat praktischen Vorschub zu leisten.
3 Literatur Castells M (2000) The rise of the network society, 2. Aufl. Oxford University Press, Oxford Flocken P et al (2001) Erfolgreich im Verbund. Die Praxis des Netzwerkmanagements. RKW, Eschborn Howaldt J et al (Hrsg) (2001) Kooperationsverbünde und regionale Modernisierung – theorie und Praxis der Netzwerkarbeit. Gabler, Wiesbaden Nalebuff B, Brandenburger AM (1996) Coopetition – kooperativ konkurieren. Mit der Spieltheorie zum Unternehmenserfolg. Frankfurt a. M/New York sfs Sozialforschungsstelle Dortmund (1998) Netzwerkbildung als Innovationsstrategie. Sozialforschungsstelle Dortmund, Dortmund Sydow J (2010) Management von Netzwerkorganisationen – Zum Stand der Forschung. In: ders. (Hg.): Management von Netzwerkorganisationen, 5. Aufl. Steiner, Wiesbaden Sydow J, Windeler A (1999) Steuerung von Netzwerken. Westdeutscher Verlag, Opladen/Wiesbaden Wassermann W (1997) Stärken und Schwächen kleiner Betriebe – Zum Stand der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Kleinbetriebsforschung. Gutachten im Auftrag des Landesinstituts Sozialforschungsstelle Dortmund, Dortmund
Formen der Unternehmenskooperation Stephan Killich
Unter dem Begriff der Unternehmenskooperation wird im Allgemeinen die Zusammenarbeit zwischen meist wenigen, rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Unternehmen zur Steigerung der gemeinsamen Wettbewerbsfähigkeit verstanden (Gabler 2009). Es handelt sich dabei also um zwei oder mehrere Unternehmen, die ihre Handlungen bzw. Nutzung von Ressourcen aufeinander abstimmen, um somit gegenüber den ‚Einzelgängern‘ einen Wettbewerbsvorsprung zu erlangen. Alternativ zur kooperativen Vorgehensweise kann die dazu notwendige Leistung auch im ‚Alleingang‘ im eigenen Unternehmen erbracht werden. Dies setzt voraus, dass die dazu notwendigen Ressourcen und Kompetenzen im eigenen Unternehmen vorhanden sind, oder beschafft bzw. aufgebaut werden können. Darüber hinaus hat ein Unternehmen die Option, die notwendige Leistung am freien Markt einzukaufen. Die zwischenbetriebliche Kooperation ist somit als Alternative zu diesen beiden Koordinationsformen anzusehen. Das Spektrum zwischen dem Fremdbezug einer Leistung und der Eigenfertigung ist dabei aufgrund zahlreicher unterschiedlicher Kooperationsformen sehr breit (vergleiche Killich/Luczak 2003) (Abb.€1).
Supply Chain Management Arbeitsgemeinschaft/ Konsortium Fremdbezug
Strategische Allianz
Franchising Interessengemeinschaft
Markt
Grenze: Bewußte und explizit vereinbarte Zusammenarbeit
virtuelles Unternehmen Kooperation
Joint Venture
Eigenfertigung
Hierarchie
Grenze: Jederzeit einseitig kündbare Zusammenarbeit
Abb. 1:╇ Zwischenbetriebliche Kooperation als alternative Organisationsform (vgl. Rotering 1993,€14)
Markt– Kooperation– Hierarchie
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1 Interessengemeinschaft Durchsetzung gemeinsamer Interessen
Eine Interessengemeinschaft setzt sich die Vertretung und/oder Durchsetzung gemeinsamer Interessen mehrerer Unternehmen zum Ziel. Eine Interessengemeinschaft kann dabei beispielsweise in Form eines gemeinsamen Einkaufs oder Vertriebs sowie einer Arbeitgebervertretung auftreten
Beispiel VIA
Der vom Verbund Innovativer Automobilzulieferer (VIA) initiierte Einkaufspool für Unternehmen aus der Automobilzulieferbranche stellt in diesem Zusammenhang eine Interessengemeinschaft dar. Der Einkauf unterschiedlicher Ressourcen, wie beispielsweise Strom, Gas oder Kleinwerkzeuge, wird dabei gebündelt vom Verbund für die beteiligten Unternehmen organisiert und durchgeführt. Durch die damit verbundenen Synergien bzw. Skaleneffekte können für alle Kooperationspartner günstige Einkaufspreise erzielt werden.
2 Franchising Franchise-Geber und Franchise-Nehmer
Unter Franchising wird ein Vertriebssystem verstanden, durch das Waren, Dienstleistungen und/oder Technologien vermarktet werden. Rechtlich und finanziell selbständige und unabhängige Unternehmen, der Franchise-Geber und seine Franchise-Nehmer, arbeiten dabei eng zusammen, indem der Franchise-Geber Planung, Durchführung und Kontrolle eines erfolgreichen Betriebstyps übernimmt. Er erstellt ein unternehmerisches Gesamtkonzept, das von seinen Geschäftspartnern, den Franchise-Nehmern, selbständig an ihrem Standort umgesetzt wird.
Beispiel OBI
Das Unternehmen OBI stellt in diesem Zusammenhang einen Franchise-Geber dar, das einem Franchise-Nehmer, dem eigentlichen OBI-Baumarkt, die Lizenz für das bekannte Waren- und Dienstleistungsangebot überträgt. Dieser verpflichtet sich seinerseits dazu, 2,5% seines Umsatzes an den Franchise-Geber zu zahlen.
3 Arbeitsgemeinschaftâ•›/â•›Konsortium Projektgemeinschaft/ Projektnetzwerk
Konsortien werden in der Regel für eine begrenzte Dauer gegründet, die Partner bleiben unabhängig. Ein Konsortium ist dementsprechend eine Projektgemeinschaft in der sich die kooperierenden Unternehmen verpflichten, ein oder mehrere Projekte gemeinsam durchzuführen. Die Arbeitsgemeinschaft setzt sich gleichermaßen zum Ziel, eine bestimmte Aufgabe gemeinsam zu lösen.
Beispiel: Hamburger Baumodell
Arbeitsgemeinschaften sind häufig in der Baubranche anzutreffen. Dabei schließen sich mehrere Unternehmen zur Durchführung komplexer Bauvorhaben freiwillig zu einer sogenannten ARGE (Arbeitsgemeinschaft) zusammen. Dieser Zusammenschluss gilt dabei meist für die gemeinschaftliche Durchführung eines Bauprojektes. Beispielsweise haben sich 10 Hamburger Hand-
Formen der Unternehmenskooperation ╅╇╛╛15
werksfirmen sowie ein Ingenieur- und ein Architekturbüro temporär zu einem Unternehmensnetzwerk zusammengeschlossen. Die Kooperation mit dem Namen „Hamburger Baumodell“ ist dabei schon vor der Vergabe eines Auftrages, nämlich zur Teilnahme an dem vorgeschalteten Wettbewerb, ins Leben gerufen worden. Das Ziel der Zusammenarbeit in dieser Phase ist es, durch eine intensive Abstimmung von planenden und ausführenden Unternehmen, den Bauablauf intensiver und reibungsloser zu gestalten. Ein weiteres Beispiel ist die Raumfabrik Wuppertal. Die ‚Raumfabrik‘ ist ein Verbund von 21 Betrieben des Bau- und Ausbauhandwerks. Die Partner bieten gemeinsam alle Leistungen rund ums Bauen und Wohnen – vom neuen Badezimmer bis zum ganzheitlich sanierten Altbau zum Festpreis aus einer Hand an. Die Raumfabrik hat im Jahr 2003 den bundesweiten Wettbewerb „Die beste Kooperation“ in der Kategorie „Handwerk“ gewonnen.
Beispiel Raumfabrik
4 Virtuelle Unternehmen/Organisationen Bei einem virtuellen Unternehmen tritt die zwischenbetriebliche Kooperation am Markt als eigenständiges Unternehmen auf. Dies beinhaltet, dass die daran beteiligten rechtlich selbständigen Unternehmen nicht mit dem eigenen Firmennamen in Erscheinung treten, sondern „lediglich“ Teil des virtuellen Unternehmens sind. Dabei wird auf die Institutionalisierung zentraler Funktionen des virtuellen Unternehmens wie Marketing oder Service verzichtet.
Eigenständiges Unternehmen
Die Merkmale eines virtuellen Unternehmens können dabei folgendermaßen beschrieben werden (Wolter et al. 1998, 7€f.): • „Ein Netzwerk aus Unternehmensteilen, die nicht ausschließlich rechtlich und wirtschaftlich voneinander abhängig sind. • Projektbezogene Konfiguration des Netzwerkes. • Fortwährende Kommunikation und Abstimmungsprozesse zwischen den Netzwerkteilnehmern. • Offene, dynamische Strukturen innerhalb des Netzwerkes, je nach Projekt wechselnde Partnerschaften. • Keine ‚per-se-Dominanz‘ eines Partners. • Ein einheitliches Erscheinungsbild gegenüber den Kunden. • Weitgehender Verzicht auf Institutionalisierung und Hierarchiebildung.“
Merkmale eines virtuellen Unternehmens
Als Beispiel für ein virtuelles Unternehmen kann das als Plattenspielerhersteller bekannt gewordene Unternehmen Dual angeführt werden. Das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 70 Mio. DM (35,79 Mio. EUR) im Jahre 1996 besteht aus lediglich 4 Mitarbeitern: Einem Unternehmer, einem Juristen, einer Sekretärin und einem Marketingspezialisten (Linden 1997). Das virtuelle Unternehmen besteht dabei aus einem Netzwerk, das 25 selbständige Partnerfirmen aus Europa, Asien und Nordamerika umfasst, die ihrerseits Forschung und Entwicklung, Konstruktion und Vertrieb der Produkte übernehmen. Dual hingegen übernimmt die Steuerung des Netzwerkes und stellt den Firmennamen für die Produkte bzw. das virtuelle Unternehmen. Bereits wenige Monate nach der Gründung des virtuellen Unternehmens konnte Dual auf diese Weise
Beispiel: Dual
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eine Produktpalette von rund 60 Geräten und Komponenten auf den Markt bringen.
5 Supply Chain Management (SCM) Der gesamte Geschäftsprozess
Beispiel: Dell
SCM ist die prozessorientierte Gestaltung, Lenkung und Entwicklung aller Aktivitäten des Geschäftsprozesses von der Beschaffung der Rohmaterialien bis zum Verkauf an den Endverbraucher. Das beinhaltet, dass das Konzept nicht innerhalb einer Abteilung oder eines Unternehmens endet, sondern die an dem Wertschöpfungsprozess beteiligten Unternehmen mit einbezieht. Das Ziel ist es dabei, langfristige und partnerschaftliche Win-Win-Beziehungen zwischen den Unternehmen aufzubauen und in das Wertschöpfungssystem des Unternehmens mit seinen unterschiedlichen Aktivitäten zu integrieren. Supply Chain Management kann somit als die logische Weiterentwicklung des logistischen Managements betrachtet werden (Luczak/Schiegg 2001, 5). „Der Computerkonzern Dell hat ein erfolgreiches Supply Chain Management umgesetzt. In der von Dell betriebenen OptiFlex-Fabrik werden pro Tag etwa 20.000 Computer kundenorientiert gefertigt. Der Lagerbestand des Unternehmens ist so dimensioniert, dass eine Fortführung der Fertigung für lediglich zwei Stunden garantiert wird. Der Bestand an gelagerten Fertigprodukten tendiert praktisch gegen null. Die fertigen Produkte, wie PCs und Server, werden sofort nach der Produktion verladen und an den Kunden ausgeliefert. Dies erfordert eine extrem enge Anbindung der Lieferanten, die meist lokale Lager in unmittelbarer Umgebung der OptiFlex-Fabrik vorhalten. Um die minimalen Bestände von Lieferteilen und Fertigprodukten zu erreichen, werden einmal pro Stunde eingehende Aufträge in das Produktionsplanungssystem geladen. Alle zwei Stunden wird auf dieser Basis ein neuer Produktionsplan erstellt. Die Lieferanten werden anschließend online darüber informiert, welche Komponenten von Dell benötigt werden. Innerhalb von 15 Minuten wird von den Lieferanten die Verfügbarkeit der Teile bestätigt, und weitere 75 Minuten später ausgeliefert. Bei unerwarteten Bedarfsspitzen kann Dell zusammen mit seinen Lieferanten geeignete Maßnahmen im Produktionssystem des Lieferanten in kürzester Zeit einleiten. Diese kurzen Reaktionszeiten sind somit nur durch eine enge Zusammenarbeit der an der Supply Chain beteiligten Unternehmen zu erzielen.“ (Killichâ•›/â•›Luczak 2003, 5)
6 Strategische Allianzen Zusammenarbeit in Geschäftsfeldern derselben Branche
Der Begriff der strategischen Allianz ist nicht eindeutig abgegrenzt. Backhaus und Piltz (1990, 2) definieren, dass „unter einer strategischen Allianz, Koalitionen von zwei oder mehr selbständigen Unternehmen verstanden werden, die mit dem Ziel eingegangen werden, die individuellen Stärken in einzelnen Geschäftsfeldern zu vereinen“. Eine strategische Allianz ist somit auf bestimmte
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Geschäftsfelder von Unternehmen derselben Branche beschränkt und stellt daher eine besondere Form der Unternehmenskooperation dar. Die Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen einer Strategischen Allianz findet auf der gleichen Wertschöpfungsebene, also zwischen aktuellen oder zumindest potenziellen Konkurrenten, und oftmals zeitlich befristet statt. Ein bekanntes Beispiel für eine strategische Allianz ist die von Air Canada, Lufthansa, SAS, Thai Airways und United Airlines im Mai 1997 lancierte Star Alliance. Die Star Alliance ist bis heute mit 14 Mitgliedern zur größten globalen Airline-Allianz herangewachsen. Sie fliegt mit einer Flotte von 2058 Flugzeugen 729 Flughäfen in 124 Ländern an, beschäftigt über 270.000 Menschen und transportiert jährlich über 290 Millionen Passagiere. Die Kooperation der Star Alliance reicht dabei sehr weit. Beispielsweise haben die Allianzpartner ihre Flugpläne so aufeinander abgestimmt, dass die Gesamtreisedauer bei Umsteigeverbindungen häufig verkürzt wurde. Darüber hinaus erhalten die Kunden in den meisten Fällen bei Reiseantritt auch schon die Bordkarte für den Weiterflug, selbst wenn sie dabei am Umsteigeort von einem Allianzpartner auf einen anderen wechseln. Weiterhin ist es für die Kunden möglich, Flugmeilen innerhalb der Star Alliance zu sammeln und wieder abzufliegen.
Beispiel: Star Alliance
7 Joint Venture/Gemeinschaftsunternehmen Die Gründung eines gemeinsamen, rechtlich selbständigen Unternehmens im Rahmen einer zwischenbetrieblichen Kooperation wird Joint Venture oder Gemeinschaftsunternehmen genannt. Dabei bringen die einzelnen Unternehmen unterschiedliche Ressourcen in das neu gegründete Unternehmen ein. Das Konzept der Joint Ventures ist in nahezu allen Industriebranchen eine weit verbreitete Form der zwischenbetrieblichen Kooperation.
Gemeinsames rechtlich selbständiges Unternehmen
„Ein bekanntes Beispiel für die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens ist die beinahe baugleiche Entwicklung des VW Sharan und Ford Galaxy. Das Ziel dieser Kooperation von Ford und VW war es, die Entwicklungskosten der Fahrzeuge im 1995 noch neuen Modell-Segment zu teilen. Die Fahrzeuge sind allerdings nicht nur gemeinsam entwickelt worden, sie werden darüber hinaus auch alle in der Autoeuropa-Fabrik in Portugal gefertigt. Dass die Zielsetzungen, die mit der Gründung eines Joint Ventures verfolgt werden, sehr unterschiedlich sein können, zeigt das folgende Beispiel. Das Heidelberger Universitätsklinikum hat mit der Cytonet-Gruppe, einem Unternehmen der pharmazeutischen Industrie, ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem Namen ‚Cytonet Heidelberg GmbH‘ gegründet. Cytonet bietet dabei langjährige Erfahrung in der industriellen pharmazeutischen Produktion und Vermarktung sowie ausreichende Finanzmittel für Forschung und Entwicklung, die der Universität zugute kommen. Die Universität wiederum bringt, über die Grundlagenforschung hinaus, ihre produktorientierten Forschungsergebnisse sowie die Wissenschaftler mit ihrem innovativen Potenzial ein. Sind die Produkte dann erfolgreich, werden beide Partner am Gewinn beteiligt und profitieren somit von der Kooperation.“ (Killichâ•›/â•›Luczak 2003, 7)
Beispiel VW Sharan und Ford Galaxy
Beispiel: Cytonet
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8 Kooperationsmerkmale Unabhängig von der Kooperationsform kann eine Unternehmenskooperation durch ihre Merkmale unterschieden werden. In diesem Zusammenhang werden beispielsweise Richtung, Ausdehnung, Bindungsintensität, Zeitdauer einer Kooperation und die an der Kooperation beteiligten Abteilungen bzw. Unternehmensfunktionen unterschieden (Abb.€2). Merkmale einer Kooperation
Merkmal Richtung Ausdehnung Bindungsintensität Verbindlichkeit Zeitdauer Zielidentität Koop. Abteilungen
Ausprägung horizontal vertikal diagonal lokal national global regional gering moderat hoch Absprache Vertrag Kapitalbeteiligung temporär unbegrenzt redistributiv reziprok F&E Vertrieb Einkauf MarkeProdukSonsting tion tige
Abb. 2:╇ Kooperationsmerkmale
Richtung einer Kooperation Die Richtung der Kooperation gibt an, auf welcher Wertschöpfungsstufe und in welcher Wirtschaftsbranche die beiden Kooperationspartner agieren. Horizontale, vertikale und diagonale Kooperation
Sind beide Unternehmen in derselben Branche und auf gleicher Wertschöpfungsebene tätig, so spricht man von einer horizontalen Kooperation. Sie sind oft Konkurrenten, die die Ausschaltung der bisher bestehenden Konkurrenz zwischen den kooperierenden Unternehmen, eine größere Marktmacht gegenüber Kunden und Lieferanten oder die Koordinierung bzw. Durchführung bestimmter Funktionen suchen. Kooperationsbeziehungen zwischen Partnern in derselben Branche, aber auf unterschiedlicher Wertschöpfungsebene (klassische Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen), werden vertikale Kooperationen genannt. Bei Kooperationspartnern aus unterschiedlichen Branchen spricht man von diagonaler Kooperation. Dieser letzte Fall tritt z.B. ein, wenn die kooperierenden Unternehmen in zwei verschiedenen Branchen, auf zwei verschiedenen Niveaus der Wertschöpfungskette arbeiten und nur aus finanziellen Gründen zusammen arbeiten (sie wollen beispielsweise die Investitionskosten teilen, und die erworbenen Ressourcen zur Herstellung verschiedener Produkte benutzen). Ausdehnung einer Kooperation In der räumlichen Betrachtungsebene sind gemäß dem Wirkungsgebiet lokal begrenzte, regionale, nationale und internationale Kooperationen anzuführen. Lokal begrenzte Kooperationen finden in der unmittelbaren Nachbarschaft der beteiligten Unternehmen statt, wohingegen die Partner bei regionalen Koope-
Formen der Unternehmenskooperation ╅╇╛╛19
rationen in der näheren Umgebung anzusiedeln sind. Nationale Kooperationen beziehen sich auf Kooperationspartnerschaften innerhalb desselben Staates. Globale Kooperationen sind länderübergreifend. Entsprechend der räumlichen Ausdehnung einer Kooperation variiert üblicherweise auch die damit verbundene Zielsetzung. Während bei lokalen und regionalen Kooperationen eher die gemeinsame Nutzung von standortgebundenen Ressourcen im Vordergrund steht, verliert diese Zielsetzung bei nationalen und globalen Kooperationen an Bedeutung (Killich 2002, 14).
Lokale, regionale, nationale und globale Kooperationen
Bindungsintensität einer Kooperation Die Intensität einer Kooperation kann u.a. durch die Anzahl kooperativer Funktionsbereiche, den Entscheidungsgrad oder die Geschäftsbeziehungen beschrieben werden. Man kann in der Literatur verschiedene Skalen für die Einschätzung der Intensität finden. Aus diesen Skalen kann eine einfache Einteilung in die Kategorien einer geringen, moderaten und hohen Bindungsintensität vorgenommen werden: • Eine Kooperation besitzt eine geringe Bindungsintensität zwischen den Partnern, wenn über die in den Unternehmen stattfindenden Prozesse lediglich ein Informations- bzw. Erfahrungsaustausch stattfindet. • Müssen die kooperationsrelevanten Aktivitäten der Unternehmen teilweise abgestimmt werden, so wird von einer moderaten Bindungsintensität gesprochen: z.B. eine gegenseitige Zulieferer-/Kundenkooperation. • Werden alle kooperationsrelevanten Aktivitäten aufeinander abgestimmt, so liegt eine hohe Bindungsintensität vor.
Geringe, moderate und hohe Bindungsintensität
Verbindlichkeit einer Kooperation Die Verbindlichkeit einer Kooperation kann unterschieden werden nach schriftlicher und nicht schriftlicher Form sowie kapitalmäßiger Verflechtung. Während lose Kooperationen mit geringem Risiko eher auf mündlichen Absprachen beruhen, werden engere Bindungen mit einem stärkeren Engagement durch Kooperationsverträge geregelt. Dabei steht ein wirkungsvoller Abstimmungsmechanismus im Vordergrund. Im Rahmen der vertraglichen Regelung sollten die Ziele der Kooperation definiert, die Aufgaben klar verteilt und eine Verrechnung der Aufwände und Erträge geregelt werden. Weiterhin muss darauf geachtet werden, dass jeder Partner einen Nutzen entsprechend seinen Aufwänden hat. Denn nur wenn die Partner im gleichen Maße von der Kooperation profitieren, ist eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit geschaffen (‚Win-Win-Situation‘). Die intensivste Form der Bindung ist die kapitalmäßige Verflechtung zwischen den Partnern. Die Verflechtung kann dabei soweit gehen, dass die wirtschaftliche Selbständigkeit verloren geht und
Absprache, Vertrag oder Kapitalbeteiligung
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damit nicht mehr von Kooperationen, sondern von Unternehmenszusammenschlüssen gesprochen wird. Zeitdauer einer Kooperation Bei der Zeitdauer einer Kooperation kann generell zwischen einer zeitlich begrenzten, also temporären, und einer zeitlich unbegrenzten Zusammenarbeit unterschieden werden. Temporär oder unbegrenzt
Eine zeitlich begrenzte Kooperation birgt immer das größere Risiko, dass die Kooperationspartner sich gegen Ende des gemeinsamen Projektes opportunistisch verhalten, da dies keine Auswirkungen auf zukünftige Kooperationsaktivitäten hat. Bei zeitlich unbegrenzten Kooperationen hingegen sind sich die Partner im Allgemeinen darüber bewusst, dass „eigennütziges“ Verhalten, das den anderen Unternehmen schadet, sich auch auf eigene Handlungen in der Zukunft negativ auswirken kann. Zielidentität
Redistributive oder reziproke Kooperation
Die Ausgestaltung einer Kooperation hängt weiterhin davon ab, ob die Kooperationspartner durch die Kooperation dasselbe Ziel ansteuern, also die gleichen Schwächen im eigenen Unternehmen durch die Zusammenlegung der Ressourcen gemeinsam beheben wollen (redistributive Kooperation), oder ob die Unternehmen von unterschiedlichen Zielen geleitet werden, das heißt, im Kooperationspartner jeweils einen optimalen Lieferanten für die Lösung des eigenen Problems sehen (seine Stärken liegen dort, wo die eigenen Schwächen gefunden wurden), so dass es zum Austausch von Leistungen kommt (reziproke Kooperation) (vgl. Rotering 1993, 53 ff.). Kooperierende Abteilungen Eine weitere Strukturierung einer Kooperation kann durch Betrachtung der kooperierenden Abteilungen vorgenommen werden. Im Normalfall erfolgt eine Kooperation durch die Beteiligung einer oder mehrerer Abteilungen aus dem Bereichen F&E, Vertrieb, Einkauf, Marketing und/oder Produktion (Killich 2002, 15).
9 Vor- und Nachteile von Kooperationen Die Vor- und Nachteile einer Kooperation sind im Vergleich zu den alternativen Koordinationsformen, also dem Einkaufen der erforderlichen Leistung am Markt und dem Alleingang im eigenen Unternehmen, zu betrachten. In diesem
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Zusammenhang bietet die zwischenbetriebliche Kooperation folgende Vorteile (Killichâ•›/â•›Luczak 2003, 8 f.): • „In der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen sind Ergebnisse realisierbar, die durch eine alleinige Vorgehensweise gar nicht oder nur in einem wesentlich längeren Zeitraum realisierbar wären. • Die Kooperation kann sukzessive aufgebaut werden. Auf diese Weise kann das mit Kooperationen verbundene Risiko reduziert werden. Zu Beginn einer kooperativen Beziehung zwischen zwei Unternehmen werden Aufgaben bearbeitet, die sich nicht auf die Kernprozesse der beteiligten Unternehmen beziehen. Erst wenn sich ein Vertrauensverhältnis zwischen den Kooperationspartnern ausgebildet hat, werden die ‚sensiblen’ Bereiche eines Unternehmens mit zum Gegenstand der zwischenbetrieblichen Kooperation. • Die Unternehmen behalten ihre Selbständigkeit und somit auch ihre Flexibilität, die gerade klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) auszeichnet.“ Der letzte Punkt beinhaltet, dass sich zwischen den Kooperationspartnern, die ja eigenständige Unternehmen darstellen, ein Abhängigkeitsverhältnis entwickelt. In einer ‚normalen‘ Geschäftsbeziehung wird dazu eine Leistung und eine entsprechende Vergütung für den Erwerb dieser Leistung vereinbart und meist vertraglich festgehalten. Auf diese Weise werden die Risiken, die sich aus dem Abhängigkeitsverhältnis ergeben, minimiert. Bei Unternehmenskooperationen kann dies meist nicht vorab durchgeführt werden, da die Zusammenarbeit und der damit verbundene Nutzen nicht im Vorfeld genau bestimmt werden kann. Daher ergeben sich aus dem Abhängigkeitsverhältnis auch Nachteile: • Es sind besondere Abstimmungs-, Planungs- und Steuerungsvereinbarungen zu treffen, die nicht nur das kooperationsfördernde Verhalten der Partner regeln, sondern auch die Möglichkeit kooperationshemmenden Verhaltens einbeziehen. • Da nur in sehr seltenen Fällen alle Eventualitäten in den Vereinbarungen abgedeckt werden können, besteht immer noch die Möglichkeit, dass einer der Partner ‚nur‘ seinen eigenen kurzfristigen Vorteil aus der Kooperation zieht und beispielsweise die Kooperation nach Erreichung seines Zieles vorzeitig beendet, unabhängig davon, welche weiteren Kooperationsaktivitäten noch geplant waren.
10 Literatur Backhaus K, Piltz K (1990) Strategische Allianzen – eine neue Form kooperativen Wettbewerbs? In: Strategische Allianzen. Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Sonderheft 27, 1–10 Gabler Wirtschaftslexikon (2009) 17. Aufl. Gabler, Wiesbaden
Vorteile einer Unternehmenskooperation
Nachteile einer Unternehmenskooperation
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S. Killich
Killich S (2002) Grundlagen der Unternehmenskooperation. In: Luczak Holger (Hrsg) Unternehmenskooperation in Theorie und Praxis. Stephan, Düsseldorf, 4–16 Killich S, Luczak H (2003) Unternehmenskooperation für kleine und mittelständische Unternehmen. Lösungen für die Praxis, Berlin Linden FA (1997) Wachsen im Netz. Manager Magazin 27(7):102–113 Luczak H, Schiegg P (2001) Supply chain management – characteristics and implications for IT-support. In: Klarin MM, Bulat V, Cvijanovic JM, Milanovic DD (Hrsg) SIE 2001 – 3rd International symposium of industrial engineering. 18–20, October 2001. Belgrade, 2001, 5–9 Rotering J (1993) Zwischenbetriebliche Kooperation als alternative Organisationsform: ein transaktionstheoretischer Erklärungsansatz. Schäffer-Poeschel, Stuttgart Wolter H-J, Wolff K, Freund W (1998) Das virtuelle Unternehmen. Dt. Universitäts-Verlag, Wiesbaden
Entwicklungsphasen von Netzwerken und Unternehmenskooperationen Jürgen Howaldt, Frank Ellerkmann
1 Einführung Netzwerke und Unternehmenskooperationen sind eine Organisationsform eigener Art zwischen Hierarchie und Markt mit spezifischen Strukturmerkmalen, Regulierungsformen und Gesetzmäßigkeiten. Diese haben wesentlichen Einfluss auf die Entwicklungsdynamik von Netzwerken. Bisher finden wir kaum aussagekräftige Beschreibungen der Besonderheiten der Entwicklungsdynamik von Netzwerken und Unternehmenskooperationen. Mit ihrer wachsenden praktischen Bedeutung wird jedoch die Frage, wie sie aufgebaut und weiterentwickelt werden können, immer dringender. Um diese Frage beantworten zu können, ist der Blick auf die unterschiedlichen Entwicklungsphasen der Netzwerkbildung und deren Kernelemente unerlässlich. Die Beschreibung dieser Entwicklungsphasen ist Gegenstand dieses Beitrages. Dabei lassen sich folgende Phasen unterscheiden (vgl. Flocken et al. 2001): • Idee und Anstoß; • Aufbau der Kooperation; • Konstituierungsphase; • die Arbeit im Netzwerk; • Evaluation und Bewertung; • Metamorphosen; • Abschluss.
Entwicklungsphasen kaum untersucht
Phasen
2 Idee und Anstoß Am Anfang der Kooperation steht die Idee einer oder mehrerer Promotoren. Eine tragfähige Idee verbindet in der Regel konkrete Eigeninteressen der Promotoren mit Handlungsproblemen möglicher Kooperationspartner und übergreifenden Zielsetzungen. Neben einer guten Idee bedarf es zur erfolgreichen Netzwerkbildung jedoch auch ausreichender zeitlicher, finanzieller und ‚sozialer‘ Ressourcen und Kompetenzen der Promotoren. Die Anstöße zur Kooperation gehen in der Regel von solchen Promotoren aus. Diese Promotoren kommen häufig aus den beteiligten Unternehmen. Anstöße
Promotoren
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Motive
Ressourcen
J. Howaldt, F. Ellerkmann
zum Aufbau von Kooperationsbeziehungen können aber auch von Beratungseinrichtungen, Weiterbildungsträgern oder regionalen Wirtschaftsförderern kommen. Die Motive zum Aufbau von Kooperationen sind vielfältig und eng mit den konkreten Interessenlagen der beteiligten Partner verbunden. So stellen Kooperationen insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen ein Selbsthilfe-Instrument dar, mit denen größenbedingte Entwicklungsbarrieren (z. B. Finanzen) ausgeglichen werden können, sich Innovationsrisiken auf mehrere Schultern verteilen sowie Zeitvorteile in der Umsetzung strategischer Zielvorgaben realisieren lassen. Eine andere, besonders kooperationsfördernde Motivation ergibt sich aus dem zunehmenden Wettbewerbs- und damit Kostendruck, der zu einer Konzentration auf die Kernkompetenzen eines Unternehmens führt und der Anspruchshaltung des Marktes, Komplettleistungen aus einer Hand zu empfangen. Diese Anforderungen lassen sich nur in einer kooperativen Zusammenführung der Leistungen einzelner Partner erfüllen. Damit diese Motivlage jedoch in Aktivitäten zur Netzwerkbildung umgesetzt werden kann, müssen beim Anstoßgeber ausreichende zeitliche, finanzielle und ‚soziale‘ Ressourcen sowie entsprechende Kompetenzen im Hinblick auf den Aufbau und das Management von Netzwerken vorhanden sein. Erst diese Kombination bietet die notwendigen Voraussetzungen zum erfolgreichen Aufbau von Unternehmenskooperationen. Für die Promotoren solcher Unternehmenskooperationen ist es wichtig, im Vorfeld der konkreten Aufbauaktivitäten eine erste Zielklärung vorzunehmen. In diesem Kontext sollten auch Chancen und Risiken sowie der erwartete Aufwand und Nutzen für die eigene Institution abgewogen werden. Auch sollten bereits in dieser Phase erste Überlegungen zu den möglichen Partnern der Kooperation sowie zu dessen Struktur und Arbeitsweise gemacht werden. Bereits in dieser Phase können Gespräche mit Netzwerkberatern oder erfahrenen Netzwerkmanagern anderer Unternehmenskooperationen wertvolle Hilfestellung bieten.
3 Aufbau der Kooperation Der Aufbau von Unternehmenskooperationen ist zeit- und ressourcenintensiv. Wichtige Elemente in der Aufbauphase sind die Auswahl und Gewinnung geeigneter Partner sowie die Sicherstellung der Unterstützung von Multiplikatoren. Zentrale Aufgabe ist in dieser Phase die Absicherung der finanziellen Grundlagen der Kooperation (Beiträge der Partner, Akquisition von Fördermitteln). Der mühevolle Weg der Partnersuche Der lange Marsch
Von der Idee zum Aufbau von Unternehmenskooperationen ist es oft ein langer Weg. In der Regel sind hier umfangreiche und zeitaufwendige Vorbereitungen
Entwicklungsphasen von Netzwerken und Unternehmenskooperationen ╅╇╛╛25
notwendig, bevor es zur eigentlichen Konstituierung des Netzwerkes kommen kann. Die Partnersuche ist dabei der entscheidende Meilenstein für den Erfolg von Kooperationen und sollte dementsprechend sorgfältig betrieben werden. Dabei muss der Promotor in dieser Phase Partner finden, • die die gleichen Ziele verfolgen oder sich für sie gewinnen lassen, • die ihre Stärken in den Bereichen haben, in denen das eigene Unternehmen Defizite aufweist und, • die ein gewisses Maß an Kooperationsbereitschaft, -bewusstsein und -fähigkeit besitzen. Wichtigstes Element in dieser Phase sind Gespräche mit den potenziellen Kooperationspartnern sowie Multiplikatoren (Verbände, Gewerkschaften, Kammern). Da jedoch kein transparenter ‚Markt‘ für Kooperationen besteht, wird in der Regel auf bestehende Kooperationskontakte zurückgegriffen, und – ausgehend von diesem Kern – werden weitere Partner gesucht. Große Bedeutung kommt bei der Partnersuche bestimmten Persönlichkeiten/Institutionen zu, die über eine gewisse Ausstrahlungskraft verfügen und eine Leitfunktion beim Aufbau der Kooperation übernehmen können. Verwenden Sie ausreichend Zeit bei der Suche nach geeigneten Kooperationspartnern. Gehen sie dabei von vorhandenen Kontakten aus und suchen Sie zugkräftige Partner, deren Profil den Zielen des Netzwerkes entspricht. Versuchen Sie wichtige Multiplikatoren und Leitbetriebe zu gewinnen.
Pragmatisches Vorgehen
Die Auswahl der Partner ist kein am Reissbrett zu planender Prozess der Zusammenstellung eines ‚idealen Netzwerkes‘, sondern wird durch bereits bestehende persönliche Kontakte beeinflusst. Der Partnersuche liegt aber das Soll-Profil des idealen Kooperationspartners vor, das auch als Suchraster genutzt werden kann (vgl. Ellerkmann 2003): • Geschäftsfeld: Aus welchem Geschäftsfeld sollen ihre Partner kommen? Wie viele Partner benötigen Sie aus diesem Bereich? • Unternehmensgröße: Wie groß darf Ihr Partner maximal sein, um einseitige Abhängigkeitsverhältnisse zu vermeiden (Gefahr der Übernahme)? • Standort: Wie weit wollen Sie Ihre Partnersuche räumlich ausdehnen? Gibt es bestimmte Regionen, in denen Ihr Partner angesiedelt sein soll (strategische Überlegungen, Vermeidung von Konkurrenzdenken)? • Ressourcen: Welche Stärken soll Ihr Partner mitbringen? Können diese in Muss- und Kann-Anforderungen differenziert werden? Welche Stärken sollte Ihr Partner nicht besitzen (Element der Zusammenarbeit: gegenseitige Abhängigkeit)? • Unternehmensführung: Welche(n) Führungsstil und -strukturen erwarten Sie von Ihrem Ideal-Partner? • Kooperationskultur: Welches Verständnis sollte der Partner hinsichtlich der Qualität der Zusammenarbeit mitbringen?
Profil des Kooperationspartners
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Konkretisierung der Idee
J. Howaldt, F. Ellerkmann
Die einzelnen Partner benötigen eine gezielte Ansprache. Unterschiede lassen sich hierbei zwischen den Unternehmen, den institutionellen Trägern (Weiterbildung, Beratung, Forschung) sowie den regionalen Akteuren ausmachen. Insbesondere die Gewinnung von Partnern aus Unternehmen setzt überzeugende Ideen und Konzepte voraus, die einen wirtschaftlichen Nutzen der Kooperation deutlich erkennen lassen. Im Zuge dieser Vorbereitungsarbeiten wird die ursprüngliche Idee konkretisiert und weiterentwickelt. Die Partner bringen ihre Interessen und Sichtweisen ein, formulieren ihre Anforderungen an die Kooperation und verweisen auf ihre spezifischen Kompetenzen. Insofern werden in diesen Gesprächen wichtige Grundsteine für die nächste Phase der Netzwerkentwicklung gelegt. Sie bereiten die notwendigen Zielvereinbarungen und Festlegungen zu den Spielregeln der Kooperation und ihren organisatorischen Strukturen vor. Zugleich wird hier die Basis für zukünftige vertrauensvolle Beziehungen geschaffen. Der erste Eindruck in diesen vorbereitenden Gesprächen ist meist der entscheidende. Gehen Sie beim Aufbau des Netzwerkes pragmatisch vor. Seien sie offen für die Ansprüche und Forderungen möglicher Kooperationspartner und Multiplikatoren. Begreifen Sie die Kooperationsidee als Ausgangspunkt eines Aushandlungsprozesses, in dessen Verlauf sich der Gegenstand des Netzwerkes konkretisieren wird. Aber werfen Sie ihren persönlichen Kompass nicht über Bord und vermeiden Sie ein Abdriften ins Unverbindliche.
Wege der finanziellen Absicherung
Finanzielle Absicherung der Kooperation Neben der Partnersuche vermag die Sicherstellung der finanziellen Grundlagen der Arbeit einen wichtigen Impuls zu geben. Hier finden wir in der Praxis drei (Finanzierungs-)Wege. Der eine Weg setzt von Anfang an auf die finanzielle Eigenbeteiligung der Kooperationspartner. Ein zweiter Weg strebt eine öffentliche Anschubfinanzierung der Verbundaktivitäten an. Ziel ist es, eine Initialfunktion zu erreichen, die perspektivisch auf den Aufbau von selbsttragenden Strukturen zielt. Ein dritte Variante zielt explizit auf die Schaffung eines zeitlich befristeten, entweder durch Beiträge der Partner oder öffentliche Fördermittel finanzierten Projektverbund, der sich nach Zielerreichung wieder auflöst. Die Sicherung der finanziellen Grundlage der Kooperationsarbeit läuft in der Regel parallel zur Partnersuche. Die Vorbereitung eines Netzwerkes braucht einen langen Atem. Die Sicherstellung der finanziellen Basis und die Akquisition von Fördermitteln kann hier wichtige Impulse setzen.
4 Die Konstituierung des Netzwerkes Die Konstituierung des Netzwerkes ist ein erster wichtiger Meilenstein der Netzwerkbildung mit Wirkungen nach innen (Identitätsbildung) und außen (öffentlichkeitswirksamer Auftritt). Identitätsbildung
Der nächste Schritt auf dem Weg zur erfolgreichen Kooperation ist die Konstituierung. Die Konstituierung des Netzwerkes ist eine eigenständige Phase, in
Entwicklungsphasen von Netzwerken und Unternehmenskooperationen ╅╇╛╛27
der wichtige Entscheidungen für die weitere Kooperation fallen. Hier werden die Ziele zwischen den Partner vereinbart, die organisatorischen Strukturen festgelegt und grundlegende Spielregeln der Kooperationsarbeit definiert. In vielen Fällen ist die Konstituierung des Verbundes auch mit einer öffentlichen Selbstdarstellung verbunden. Diese zeitlich kurze Phase ist ein bedeutender Schritt zur Herausbildung einer gemeinsamen Identität der Kooperationspartner. Die Konstituierungsphase kann – je nach Zielen und Interessenlagen der Kooperationspartner – in Form eines mehr oder weniger offiziellen Gründungsaktes abgeschlossen werden. Unterschiedliche Formen wie ein Auftakt- oder Kick-off-Workshop, eine öffentlichkeitswirksame Konferenz, eine konstituierende Mitgliederversammlung etc. sind denkbar. Für einige Unternehmenskooperationen ist die Installierung eines Gründungsteams bzw. einer Projektorganisation der Beginn der Netzwerkarbeit. In anderen Unternehmenskooperationen vollzieht sich der Beginn eher als fließender Übergang von der Vorbereitungsphase in die Arbeitsphase. Ausgehend von der Konzeptentwicklung oder Zielklärung liefert die gemeinsame Gestaltung der Aufbau und Ablauforganisation eines Netzwerkes eine erste Arbeitsprobe der zukünftigen Zusammenarbeit. Diese gemeinsame Konstituierung des Netzwerkes unter Einbeziehung aller Partner ist ernst zu nehmen: Erfolgreiche Unternehmensnetzwerke zeichnen sich durch eine produkt- und damit prozessorientierte Gestaltung der Wertschöpfungsprozesse aus. Auf das eigene Unternehmen beschränkte Sichtweisen müssen über Bord geworfen werden. Dazu gehört auch die Aufgabe der Schaffung eines kooperationsförderlichen Klimas. Kooperationen werden von den Mitarbeitern getragen. Bringen diese nicht die erforderliche Offenheit und Motivation mit, ist die Zusammenarbeit bereits im Vorfeld zum Scheitern verurteilt (vgl. Ellerkmann 2003).
Unterschiedliche Formen
Kooperationsgrundlagen schaffen
Nutzen Sie diese Phase zur Zielklärung und Identitätsbildung. Entwickeln Sie ein Kooperationsleitbild. Verbinden Sie die Konstituierung des Verbundes mit öffentlichkeitswirksamen Auftritten.
5 Die Arbeitsphase Nach der Konstituierung beginnt die eigentliche Arbeit der Unternehmenskooperationen. Zur Zielerreichung müssen Akteure aus unterschiedlichen Unternehmen und Institutionen zusammenarbeiten. Um dies zu ermöglichen, müssen geeignete Arbeitsformen auf den unterschiedlichen Ebenen des Netzwerkes – betrieblich, zwischenbetrieblich und netzwerkübergreifend – entwickelt, erprobt und optimiert werden. Zu diesen vielfältigen Arbeitsformen, die je nach Zielstellung, Organisationsstruktur und beteiligten Partnern variieren, gehören (in der Reihenfolge zunehmender Kooperationsintensität): • Erfahrungsaustausch; • Einrichtung von Kommunikationsplattformen; • Netzwerktreffen; • unternehmensübergreifende Workshops;
Die Arbeit kann beginnen
Arbeitsformen, Produkte und Dienstleistungen
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J. Howaldt, F. Ellerkmann
• gemeinsame Qualifizierungsmaßnahmen; • übergreifende Projektteams; • Abstellung von Mitarbeitern; • dauerhafte Ausgründung der Kooperation als eigenständige Rechtsform. Kosten und Risiken
Darüber hinaus zählt auch die Entwicklung gemeinsamer Produkte und Dienstleistungen zu den zentralen Anforderungen an die Arbeit von Unternehmenskooperationen. Die Zusammenarbeit in Netzwerken stellt jedoch nicht nur ein „Erfolgsmodell“ zur Bewältigung des zunehmenden Innovations- und Modernisierungsdrucks dar. Die Zusammenarbeit in Netzwerken bietet nicht nur Chancen, sondern ist zugleich mit Kosten und Risiken verbunden. Dies gilt bereits für die Arbeit in reinen Unternehmensnetzwerken (vgl. Sydow 2010). Umso problematischer ist die Koordination von Akteuren aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen mit je spezifischen Funktionslogiken, Sprachen etc. Vor diesem Hintergrund spielen in der konkreten Arbeit des Netzwerkes zwei Aspekte eine besonders wichtige Rolle. Der erste Aspekt ist das Vertrauen; der zweite die Sicherstellung einer effizienten Arbeit des Netzwerkes.
Vertrauen
Vertrauen ist die zentrale Voraussetzung der Kooperationsarbeit. Es muss in der konkreten Arbeit ständig neu hergestellt werden. Zentral ist hierbei – neben persönlichen Faktoren – insbesondere die Realisierung des erwarteten Nutzens der Kooperationspartner. Dabei muss Vertrauen als wichtige Voraussetzung der Kooperationsarbeit immer wieder neu geschaffen werden. Zentral für die Herstellung von Vertrauen ist die Erfahrung, dass die Arbeit im Verbund den unterschiedlichen Erwartungen der Netzwerkpartner gerecht wird.
Meilensteine
Um in solchen Netzwerken sinnvolle Kooperation zu gewährleisten, bedarf es organisatorischer Strukturen, die einerseits hinreichend offen sind, um den unterschiedlichen, z. T. divergierenden Interessenlagen der Partner gerecht zu werden, und andererseits zugleich so effizient, dass sie ergebnisorientiertes Handeln ermöglichen. Zentrale Aufgabe des Netzwerkmanagements ist es, die Komplexität der ‚Arbeit im Netz‘ abzufedern und eine hohe Effektivität der Arbeit sicherzustellen. Dabei lassen sich in erfolgreichen Kooperationen spezifische Faktoren herausfiltern, die einen positiven Einfluss auf deren effiziente Arbeit haben. Sie tragen zur Entwicklung und Festigung des Vertrauens der Kooperationspartner bei, sind Ausdruck einer professionellen Arbeit im Netz und Zeichen der öffentlichen Anerkennung. Wir bezeichnen diese Aspekte als Meilensteine der erfolgreichen Kooperation. Meilensteine erfolgreicher Kooperation
Finanzierung sichern
• Die finanzielle Absicherung der Kooperation durch Beiträge der Partner bzw. die Akquisition von Fördermitteln. Die Sicherung der finanziellen Basis stellt häufig nicht nur den ersten Erfolg des sich konstituierenden
Entwicklungsphasen von Netzwerken und Unternehmenskooperationen ╅╇╛╛29
Netzwerkes dar, sondern bildet zugleich die Grundlage zur Verwirklichung wichtiger Kooperationsvorhaben. • Die Erreichung zentraler Kooperationsziele. Hierzu gehört die erfolgreiche Entwicklung von gemeinsamen Produkten ebenso wie die Sicherstellung der Qualität der im Verbund angebotenen Dienstleistungen (Qualifizierung, Beratung etc.). In diesem Zusammenhang kann auch die Gewinnung wichtiger Partner der Verbundarbeit neue Impulse geben. • Die Entwicklung und Aufrechterhaltung einer eigenen Identität durch die Schaffung von gemeinsamen Broschüren, Selbstdarstellungen, Kommunikationsforen etc. ist wichtiger Bestandteil erfolgreicher Kooperationen. • Die Durchführung gemeinsamer Veranstaltungen und Events spielen bei der Herausbildung und beständigen Wiederherstellung von vertrauensvollen Kooperationsbeziehungen zwischen den Partnern eine wichtige Rolle. Vertrauen konstituiert sich im persönlichen Kontakt der Beteiligten und festigt sich durch erfolgreiche gemeinsame Aktionen. • Neben diesen, die interne Kooperation berührenden Faktoren, fördert auch die öffentliche Anerkennung und Aufmerksamkeit die Arbeit des Verbundes. • Schließlich und endlich trägt die erfolgreiche Entwicklung gemeinsamer Produkte zur Festigung der Arbeit der Kooperationspartner bei.
Ziele erreichen
Identifikation ermöglichen Vertrauen stets neu erarbeiten
Öffentliche Anerkennung sichern Produkte entwickeln
Krisen und Konflikte Die Arbeit in Unternehmenskooperationen ist nicht nur durch Erfolge und gelingende Kooperation geprägt. Auch Konflikte und Krisen gehören zum Alltag. Erfolgreiche Konflikt- und Problemlösung ist ein wichtiger Bestandteil jeder erfolgreichen Kooperation. Das größte Krisenpotenzial in der Kooperationsarbeit liegt im Wechsel der Ansprechpartner bei den beteiligten Institutionen und Unternehmen. Auch schnell sich verändernde Problemlagen bei den beteiligten Unternehmen und Institutionen erschweren die entstandenen Arbeitszusammenhänge. Aber auch bei personeller Kontinuität können Probleme der Kooperation und Konkurrenz auftreten. Als ein zentrales Problem erweist sich die Frage nach den Verwertungsrechten und dem Eigentum an den in die Kooperationsarbeit eingebrachten Dienstleistungen und Produkten. In vielen Untersuchungen zu Unternehmenskooperationen stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Chancen und Risiken insbesondere im Hinblick auf den Verlust von zentralen Kompetenzen des eigenen Unternehmens und damit der Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit (vgl. Sydow 2010). Diese mit Kooperation verbundenen Risiken sind – neben den fehlenden Ressourcen und Kompetenzen – eine zentrale Barriere zur Nutzung der in solchen Kooperationen liegenden inhärenten Möglichkeiten. Insofern bleibt für viele Unternehmen der Aufbau von Kooperationen bis heute leider noch eine zweitrangige Option (vgl. Wassermann 1997). Damit werden jedoch wichtige Chancen verspielt. Insofern ist es von zentraler Bedeutung, Regelsysteme zu entwickeln, die die mit Kooperationen verbundenen Risiken kalkulierbar machen und Win-Win-
Personen
Konkurrenz
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Unprofessionelle Arbeit
Krisen und Konflikte müssen nicht sein
J. Howaldt, F. Ellerkmann
Situationen für alle Beteiligten schaffen. Die in diesem Kontext entwickelten Formen der Kooperation zwischen Konkurrenten werden inzwischen unter dem Stichwort der „coopetetion“ (kooperativ, konkurrierend) (Nalebuff/Brandenburger 1996) zusammengefasst. Besonders negativ wirken sich auf die Arbeit von Unternehmenskooperationen unzureichende interne „Dienstleistungen“ (Schulungen, betriebliche Maßnahmen) und fehlende Verlässlichkeit aus. Diese gehören zu den häufigsten Ursachen für Krisen und Konflikte in der Kooperationsarbeit. Auch Unklarheiten im Hinblick auf die Finanzierung der Aktivitäten können die Kooperationsarbeit negativ beeinflussen. Auch ein hoher Aufwand der Netzwerkarbeit und dadurch bedingte Ineffizienz kann zu Krisen- und Konflikten innerhalb der Netzwerke führen. Dabei muss jedoch die in der Regel zeit- und ressourcenintensive Aufbauphase als Investition in die Zukunft betrachtet werden, die erst mittelfristig in konkreten Nutzen mündet und langfristig zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Partner beitragen wird. Aber nicht in jedem Netzwerk gibt es Krisen und Konflikte. Viele Unternehmenskooperationen entwickeln effiziente Kooperationsformen, ohne in ernsthafte Krisen zu geraten.
6 Evaluation der Kooperation Die Evaluation und das Monitoring der Arbeit ist ein oft vernachlässigter, aber unverzichtbarer Bestandteil einer erfolgreichen Kooperation.
Prozessbegleitendes Monitoring
Im Hinblick auf die Evaluation von Kooperationen lassen sich zwei Grundmuster ausmachen: • das prozessbegleitende Monitoring; • einmalige oder wiederkehrende Bewertung mittels spezifischer Evaluationsverfahren. Ein prozessbegleitendes Monitoring der Kooperationspraxis ist der Normalfall und in jedem Netzwerk als mitlaufender Prozess vorfindbar. Die Kriterien bleiben dabei in der Regel implizit. Eine solche Reflexion der geleisteten Arbeit erfolgt im Kontext der normalen Arbeit des Netzwerkes in den Gremien der Projektorganisation (Steuerkreise, Mitgliederversammlungen, Arbeitskreise etc.) unter Nutzung der üblichen Moderationsmethoden. Besser lassen sich solche Reflexionsprozesse jedoch mit spezifischen Methoden bewältigen. Zu diesen Methoden gehört bspw. die im Rahmen der Arbeit des Kompetenzzentrum Netzwerkmanagement erprobte Methode der kollegialen Fallberatung (vgl. Franz/Kopp 2003). Empfehlenswert ist es darüber hinaus, an bestimmten Sollbruchstellen gezielt Evaluationsprozesse einzubauen. Ein in diesem Zusammenhang zu erwähnendes Hilfsmittel zur Betreuung von Kooperationsnetzwerken stellt das von der Sozialforschungsstelle Dortmund und dem Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik entwickelte Instrument zur Messung des Kooperationsklimas dar. „Scope“ ist eine bewusst sehr knapp gehaltene Fragensammlung, die dem Anwender einen Überblick über die Stimmung und den Grad der Zufriedenheit in der Leistungsgemeinschaft geben soll. Dabei werden sowohl wirtschaftliche
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als auch soziokulturelle Faktoren erfasst, die dem Betreuer Hinweise für eine gezielt verstärkte Betreuung geben (vgl. Kloep et al. 2003).
7 Metamorphosen Netzwerke und Unternehmenskooperationen haben flexible Strukturen und müssen sich kontinuierlich verändern. Die Aufgabe des Netzwerkmanagements besteht darin, dieses Spannungsfeld zwischen notwendiger Kontinuität und Flexibilität zu meistern und eine hohe Effizienz sicherzustellen. Wenn man sich mit der Entwicklung von Unternehmenskooperationen beschäftigt, so wird man feststellen, dass sie lebendige, sich ständig verändernde Gebilde sind. Diese Metamorphosen der Unternehmenskooperationen, ihre fließenden Formen und Grenzen sind eines der wichtigen Wesensmerkmale. Die Grenzen zur Außenwelt sind weniger geschlossen als bei Organisationen. Ihre Arbeitsschwerpunkte und Zielstellungen können sich im Verlaufe der Entwicklung ebenso verändern wie ihre Arbeitsformen und internen Regelsysteme und Strukturen. Sie sind gestaltbarer als bestehende Institutionen. Dies macht die spezifische Leistungsfähigkeit von Netzwerken aus. Sie erlauben es, bestimmte neue Arbeits- und Kooperationsformen zu erproben und mit wechselnden Partnern gemeinsame Lernprozesse zu vollziehen. Sie ermöglichen ebenso Kooperationen auf eine klar definierte Zeit- bzw. Zielstellung hin wie dauerhafte Formen der Zusammenarbeit. Es lassen sich folgende typischen Veränderungsmuster von Unternehmenskooperationen ausmachen: • die Veränderung der Zielstellung und Arbeitsschwerpunkte; • der Wandel von zeitlich befristeten zu dauerhaften Unternehmenskooperationen; • die Schaffung von rechtlich-verbindlichen Strukturen; • kontinuierliche Entwicklung in offenen Strukturen.
Metamorphosen
Veränderungsmuster
Die Veränderung der Zielstellung und Arbeitsschwerpunkte Die Veränderung der ursprünglichen Zielstellungen und Arbeitsschwerpunkte ist die häufigste Form des Wandels von Unternehmenskooperationen. Solche Umgewichtungen sind häufig natürliche Prozesse, in denen sich die realistischen Möglichkeiten der Kooperationsarbeit herauskristallisieren. Wenn sie auch intensive Diskussionen im Netzwerk voraussetzen, so sind sie dennoch notwendig, um die Lebensfähigkeit des Verbundes zu sichern. Der Wandel von befristeten zu dauerhaften Unternehmenskooperationen Viele Unternehmenskooperationen wurden mit einer konkreten zeitlich befristeten Zielstellung (Entwicklung eines gemeinsamen Produktes, Durchfüh-
Zielstellungen und Arbeitsweisen
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Einziehen dauerhafter Strukturen
J. Howaldt, F. Ellerkmann
rung eines zeitlich befristeten Projektes etc.) gegründet. In solchen Fällen ist es sinnvoll, wenn nach Erreichung des gemeinsamen Ziels die Partner wieder ihre eigenen Wege gehen. Allerdings stellt sich in manchen Fällen heraus, dass auch zukünftig eine Kooperation der Partner im Hinblick auf bestimmte Fragestellungen sinnvoll sein kann. Ein solcher Übergang von einem zielorientierten, zeitlich befristeten Projektverbund zu einem auf Dauer gestellten Netzwerk vollzieht sich jedoch nicht im Selbstlauf. Hier müssen die Akteure frühzeitig geeignete Strategien entwickeln, um die Kooperation zu verstetigen. Wichtige Aufgaben sind die Klärung der neuen Ziele, einer möglicherweise veränderten Arbeitsweise und – last but not least – der Finanzierung der weiteren Arbeit. Gerade die Finanzierung durch eine erhöhte Eigenbeteiligung der Kooperationspartner ist eine häufig nicht überwundene Hürde beim Aufbau selbsttragender Strukturen. In einem solchen Fall kann dann die mangelnde Bereitschaft der Kooperationspartner, selbst ‚Geld in die Hand zu nehmen‘, zu internen Konflikten führen. Die Schaffung von rechtlich-verbindlichen Strukturen
Kooperationsverträge
Vertraglich geregelt ist in vielen Fällen bereits die projektförmige Kooperation von Partner. Hier werden Ressourcenzuweisung und Arbeitsteilung im Rahmen von zeitlich befristeten Projektverträgen rechtlich verbindlich geregelt. Soll die Arbeit auf Dauer gestellt werden, so kann sich je nach Zielstellung und Partnerstruktur die Frage nach der Schaffung rechtlich verbindlicher Strukturen über die Projektlaufzeit hinaus stellen. Insbesondere wenn es um die Abwicklung gemeinsamer Geschäftsprozesse geht, bietet sich dies an. So haben sich in vielen Handwerkskooperation, die auf die Entwicklung von angemessenen handwerksinternen Kooperationsformen zielen, unterschiedliche Rechtsformen herausgebildet. Unterscheiden lassen sich dabei: • handwerksinterne Zusammenarbeit in Form einer GmbH oder AG; • handwerksübergreifende Zusammenarbeit zwischen Handwerk, Handel, Architekten sowie Ingenieuren in Form einer GmbH; • Franchiseunternehmen im (Bau-)Handwerk. Jede dieser Kooperationsformen hat eigene organisatorische und rechtliche Grundlagen. Kontinuierliche Entwicklung in offenen Strukturen
Offene Strukturen
Viele Netzwerke und Unternehmenskooperationen haben jedoch auf eine rechtliche Regelung ihrer Kooperation verzichtet und sich auf die interne Vereinbarung von mehr oder weniger flexiblen Kooperationsregeln beschränkt. Aufgrund der spezifischen Zusammensetzung der Unternehmenskooperationen bedarf es organisatorischer Strukturen, die einerseits hinreichend offen sind, um den unterschiedlichen z. T. divergierenden Interessenlagen der Partner gerecht zu werden, und andererseits zugleich so effizient, dass sie ergebnisorientiertes Handeln ermöglichen. Das Fundament der Netzwerke besteht daher weder aus hierarchisch legitimierten Verfügungsrechten noch aus justiziablen Regelungen oder detaillierten Verhaltensvorschriften. Die netzwerkförmige Organisation ist in der Regel ein auf Interessenausgleich zielendes,
Entwicklungsphasen von Netzwerken und Unternehmenskooperationen ╅╇╛╛33
temporäres Aushandlungssystem, in dem vertrauensbasierte Beziehungen und persönliche Kommunikation eine zentrale Rolle spielen. Gerade in diesen so entstehenden Entwicklungsspielräumen für Innovationen liegen die Stärken der Netzwerke.
8 Abschluss Die letzte Metamorphose einer jeden Kooperation ist deren Beendigung. Ob diese nun wie geplant nach Ende eines gemeinsamen Projektes geschieht oder aus anderen Gründen; wichtig ist, diesen Abschluss ‚gebührend‘ zu gestalten. Sinnvoll ist es, die Kooperationserfahrungen auszuwerten und sich über Unterschiede und gemeinsame Sichtweisen zu verständigen. Insofern sollte am Abschluss eine Bewertung der Zusammenarbeit erfolgen. Der Abschluss sollte formal dokumentiert und verbleibende Aufgaben erledigt werden. Die Palette möglicher Formen, in denen der formale Abschluss erfolgen kann, ist weit. Sie reicht von Dankesschreiben durch den Netzwerkmanager an die Kooperationspartner über formale Abschlussgespräche bei den beteiligten Organisationen bis hin zu öffentlichen Veranstaltungen. Eines sollte jedoch nicht geschehen: den Kooperationsverbund ‚sang und klanglos‘ auslaufen zu lassen.
9 Materialien
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J. Howaldt, F. Ellerkmann
Abb. 1:╇ Fahrplan Netzwerkaufbau
Entwicklungsphasen von Netzwerken und Unternehmenskooperationen ╅╇╛╛35
10 Literatur Ellerkmann F (2003) Horizontale Kooperationen in der Beschaffungs- und Distributionslogistik. Entwicklung eines Gestaltungsleitfadens unter besonderer Berücksichtigung verhaltensorientierter Gesichtspunkte. Verlag Praxiswissen, Dortmund Flocken P, Hellmann-Flocken S, Howaldt J, Kopp R, Martens H (2001) Erfolgreich im Verbund. – Die Praxis des Netzwerkmanagements. RKWVerlag, Eschborn Franz H-W, Kopp R (Hg) (2003) Kollegialefallberatung. State of the art und organisationale Praxis. In: Edition Humanistische Psychologie (EHP) Köln Kloep H-A, Kopp R, Puchmüller K (Hg) (2003) Die Erfolgsfaktoren einer leistungsgemeinschaftsbasierten Systemzentrale im Handel – Das Beispiel NORDWEST. In: Internationale Zeitschrift für Veränderung, Lernen, Dialog, Heft 4, 79–88 Nalebuff B, Brandenburger A (1996) Coopetition – kooperativ konkurrieren. Mit der Spieltheorie zum Unternehmenserfolg. Frankfurt a. M., New York Sydow J (2010) Management von Netzwerkorganisationen – Zum Stand der Forschung. In: Sydow J (Hg) Management von Netzwerkorganisationen, 5. Aufl. Gabler, Wiesbaden Wassermann W (1997) Stärken und Schwächen kleiner Betriebe – Zum Stand der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Kleinbetriebsforschung. Gutachten im Auftrag des Landesinstituts Sozialforschungsstelle Dortmund. Verlag Praxiswissen, Dortmund
Gelingende Kooperation („Effizienz“) Ingo Dammer
Dieses Kapitel handelt nicht von den Möglichkeiten, die Effektivität von Kooperationen zu steigern, also das Richtige zu tun. Alles was dazugehört, wird in anderen Kapiteln behandelt und hier vorausgesetzt. Thema dieses Kapitels ist vielmehr die Effizienz, also das, was man tut, richtig zu tun. Es geht hier um das Gelingen, nicht um den Erfolg von Kooperationen. „Kooperationskultur“ ist in diesem Zusammenhang der zentrale Begriff.
Kooperationskultur
1 Kooperationskultur: die Faktoren im Überblick Ob Kooperationen gelingen, ist weniger eine Frage der Fachkompetenzen der Beteiligten, als vielmehr eine Frage ihrer Haltung zur Kooperation selbst. Sie lässt sich in einer Struktur ‚weicher‘ Faktoren darstellen, die in der folgenden Graphik zusammengefasst ist. Als Modell betrachtet, beschreibt sie das Spannungsgefüge „Kooperationskultur“, als reales Kräftespiel der Faktoren in einer konkreten Kooperation bestimmt sie Qualität und Wirksamkeit der Kultur dieser Kooperation (Abb.€1). Kommunikation
Transparenz
Kooperationskultur
Vertrauen
Verbindlichkeit
Frage der Haltung
Konfliktfreundlichkeit
Lösungsorientierung
Abb. 1:╇ Gelingende Kooperation: die Faktoren der Kooperationskultur im Überblick
Eine kurze Erläuterung zum Verständnis dieses Modells vorab. Es funktioniert im strengen Sinne ganzheitlich, d.€h.: Sinn und Wert der Faktoren enthüllen
Ganzheitliches Modell
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Konkrete Maßverhältnisse
I. Dammer
sich ausschließlich in ihrem Zusammenspiel, niemals in der Betrachtung eines Faktors ‚für sich‘. Daher kann auch kein Faktor eliminiert werden (‚Transparenz brauchen wir in unserer Kooperation nicht, wir kommen auch so klar‘), ohne das Gefüge im Ganzen zu zerstören. Die Faktoren ergänzen und fördern sich gegenseitig, stehen aber auch in Spannung zueinander. Transparenz kann z.€B. das Bemühen um Lösungen stören, Verbindlichkeit manche notwendige Kommunikation erschweren. Solche Paradoxien sind keine Betriebsunfälle im Kooperationsgeschehen, sondern ereignen sich alltäglich und sind sogar, quasi als Paradox der Paradoxien, konstitutiv für das Gelingen. Denn ohne Spannung keine Entwicklung. Es kommt also nicht darauf an, die Spannungen zwischen den Faktoren als den Anforderungen an das Kooperationsgelingen zu neutralisieren – dann bewegt sich nämlich gar nichts mehr. Entscheidend ist vielmehr die gegenseitige Regulierung der Faktoren, ihr jeweiliges konkretes Maß im Zusammenspiel. Diese Maßverhältnisse im Blick zu behalten und bei Bedarf zu steuern, ist die zentrale Aufgabe des Managements in Hinblick auf das Gelingen der Kooperation. Dazu später mehr.
2 Die Faktoren im Einzelnen Vertrauen Vorschuss
Vertrauen ist tatsächlich „der Anfang von allem“, soll heißen, die unverzichtbare Basis für gelingende Kooperation. Es umfasst das Vertrauen zu den Partnern, zur Kooperation und – was meist übersehen wird – zu sich selbst. Es trägt den Charakter eines Vorschusses, dessen Laufzeit mit jeder Rückzahlung verlängert wird. Vertrauen ist immer dann besonders gefragt, wenn eine für den Einzelnen nicht völlig beherrschbare, berechenbare, steuerbare oder verständliche Situation in der Kooperation eintritt – und das ist sehr oft der Fall. Prototypisch formuliert, bedeutet Vertrauen dann infolge seiner optimistischen Grundtendenz: man glaubt, dass das, was einzelne Partner tun oder insgesamt geschieht, zum Nutzen der Kooperation und im Sinne ihrer Ziele ist. Statt beständig Glaubwürdigkeits-
Strukturelle Offenheit
beweise von anderen zu verlangen oder solange vorab nachfragend ins Detail zu gehen, bis alle anderen genervt sind. Ohne dass es dadurch im übrigen zu einer faktischen Vorabklärung käme. Denn Struktur und Dynamik von Kooperationen sind immer – und insbesondere in den ersten Entwicklungsphasen – offen für Unvorhergesehenes und Unerwartetes, auch wenn eine Kooperation ihre Zukunft klug und sorgfältig plant. Mit „Vertrauen“ ist also in erster Linie gemeint, diese strukturelle Offenheit im Sinne des skizzierten Optimismus auszuhalten. Der Gegenbegriff lautet insofern auch nicht „Misstrauen“, sondern „wasserdichte Absicherung“. Sie führt in Kooperationen zu schweren Lähmungserscheinungen und einem qualvollen Tod.
Gelingende Kooperation („Effizienz“) ╅╇╛╛39
Konfliktfreundlichkeit Konflikte sind, ähnlich wie Offenheit, strukturell in Kooperationen angelegt. Sie ausschließen oder auch nur prinzipiell minimieren zu wollen, hat als angewandte Harmoniesucht ähnlich fatale Konsequenzen wie die erwähnten überzogenen Absicherungstendenzen. Der Umgang mit Konflikten sollte in einer Kooperation unter der Maxime stehen: ‚wir profitieren von unseren Konflikten‘. Dazu muss man sie aber erst einmal zulassen. Was ja insofern nicht so problematisch sein sollte, als die Beteiligten genügend Vertrauen aufbringen, um allen konfligierenden Positionen in der Kooperation eine kooperationsförderliche Absicht zu unterstellen. Es kommt dann darauf an, etwas aus dem Konflikt zu machen. Konflikte sind in mehreren Hinsichten essentiell für das Gelingen von Kooperationen: • sie spiegeln – ‚ehrlicher‘ als die meisten Absichtsbekundungen – das reale Total der Kräfte und Tendenzen in der Kooperation; • sie helfen, die Grenzen – Belastbarkeit, Kooperationsbereitschaft usw. – der Kooperation genauer auszuloten, fördern aber auch evtl. bisher unbekannte Ressourcen zu Tage; • sie sind der wichtigste interne Motor der Veränderung.
Von Konflikten profitieren
Damit Konflikte nicht zerstörerisch wirken, geben Kooperationen sich ein internes Regelwerk (s. auch „Verbindlichkeit“), eine Verfassung, die einerseits flexibel genug ist, um Konflikten ausreichenden Spielraum geben zu können, andererseits aber auch so stabil, dass sie von Konflikten nicht ohne weiteres zu sprengen ist1. Unter dieser Voraussetzung sind Konflikte ein wertvolles Agens in Kooperationen.
Regelwerk
Lösungsorientierung Z.€B. für den fruchtbaren Umgang mit Konflikten ist Lösungsorientierung eine unabdingbare Voraussetzung. Aber sie geht in ihrem Beitrag zum Gelingen von Kooperationen weit darüber hinaus, denn über die Frage, wie sie auszurichten ist (‚welche Lösungen wollen wir?‘), betreten die (externen) Kooperationsziele oder -teilziele die Bühne des Geschehens. Selbstverständlich entscheiden diese Ziele darüber, in welcher Richtung eine Kooperation ihre Problem- oder Konfliktlösungen sucht, findet und umsetzt. Durch ihren engen Zusammenhang mit den Kooperationszielen repräsentiert die Lösungsorientierung immer auch einen gewissen Pragmatismus, der die Ziele des Ganzen im Auge behält und sie gegenüber allen denkbar aufkommenden Partikularinteressen (und der ihnen eigenen Tendenz zum Selbstzweck) wirksam vertritt. Andererseits gehört zur Lösungsorientierung auch die praktische Analyse von Fehlern, Problemen und Konflikten (und, was meist schwieriger ist, von Erfolgen). „Praktisch“ wird die Analyse hier des1╇
Denn schließlich bedeutet „Konfliktfreundlichkeit“ nicht „Streitsucht“.
Kooperationsziele
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Pragmatische Analyse
I. Dammer
wegen genannt, weil ihr praktische, eben lösungsorientierte Grenzen gesetzt sind. Und das heißt in erster Linie: die Analyse muss soweit gehen, dass eine Wiederholung des zu lösenden Problems in Zukunft möglichst verhindert, die Bedingungen für sein Zustandekommen ggf. produktiv verändert werden – und weiter nicht. In allen Kooperationen wird man eine mehr oder weniger ausgeprägte Spannung feststellen können zwischen einem Pragmatismus, der ohne groß links und rechts zu gucken ‚weiterkommen‘ will, und einer gewissen Verliebtheit in Hintergründiges, die ganz zufrieden ist, wenn sie genau genug weiß, warum etwas problematisch ist. Lösungsorientierung leistet in diesem Spannungsfeld zweierlei: sie verhindert, dass aus dem zielbezogenen Pragmatismus ein rabulistisches ‚Schwamm drüber, Augen nach vorn‘ oder gar ‚positives Denken‘ wird, und durch ihre praktischen Grenzen gleitet sie nicht in die gänzlich fruchtlose Sündenbocksuche ab, die bei analytischen Aufbereitungen zuweilen offen, häufiger aber heimlich die Feder führt. Transparenz
Transparenz hat Grenzen
Den notwendigen Grad von Transparenz zu definieren und ihn herzustellen ist eine, wenn nicht die Kernaufgabe von Kooperationen, deren Bewältigung (oder Nichtbewältigung) oft genug langfristig über ihr Schicksal entscheidet. Denn gemäß Brechts Bemerkung, man sehe immer nur die im Licht und die im Dunkeln eben nicht, kann als tatsächlicher Wirkungsraum einer Kooperation nur das gelten, was allen Partnern gemeinsam transparent, d.€h. bekannt und verständlich ist. Dabei ist es vorderhand unwichtig, ob es um schamvoll verschwiegene Organisationsdefizite im Einzelunternehmen, um ‚geheime‘ strategische Absichten eines Partners, um das schlichte Gefühl, dass bestimmte Dinge die anderen ‚nichts angehen‘, oder um einen nicht hinreichend ausdrücklich gemachten Konsens geht, den schließlich jeder Partner interpretiert, wie es ihm passt oder zu Gebote steht – dies alles sind beispielhafte Phänomene von Intransparenz, die die Aktionsfähigkeit der Kooperation einschränken und ihr Gelingen gefährden. Hier ist in Rechnung zu stellen, dass es Grenzen der Transparenz auch bei bestem Willen aller Beteiligten immer geben wird. Denn keinem Beteiligten sind alle bei und mit ihm wirksamen Kräfte bekannt und verfügbar, so dass bewusste Absichten hier wenig zählen. Eine ideale Totaltransparenz kann daher nicht eingefordert werden (und wäre als völlige Distanzlosigkeit der Partner auch wahrlich nicht wünschenswert). Die herausragende Bedeutung der Transparenz ist darin begründet, dass sie der genaueste Indikator für das Verhältnis der Kooperation zu den einzelnen Partnerunternehmen (und umgekehrt) ist. Dieses Verhältnis ist nämlich in der Regel zwiespältig: im Grunde sollen und wollen die Einzelunternehmen von der Kooperation und die Kooperation von den Einzelunternehmen profitieren (win-win), gleichzeitig wird diese Gegenseitigkeit aber erfahrungsgemäß häufig recht asymmetrisch kultiviert. Die Einzelunternehmen fühlen sich ten-
Gelingende Kooperation („Effizienz“) ╅╇╛╛41
denziell als ‚Geber‘ und sehen die Kooperation hauptsächlich als ‚Nehmer‘, dem sie nur soviel zu ‚geben‘ gewillt sind, wie er ihnen auch wirklich zurück ‚geben‘ kann, um mit dieser Zurückhaltung die wahrgenommene Asymmetrie zu beheben. Der qualitative Grad der Transparenz innerhalb einer Kooperation bildet quasi den Grad der Symmetrie im Geber-Nehmer-Bild ab: je intransparenter eine Kooperation intern gehandhabt wird, desto asymmetrischer das Verhältnis und desto machtloser die Kooperation. Denn (s.€o.) die Reichweite, der Spielraum und die Handlungsmacht einer Kooperation hängen vom Reichtum der intern zulässigen und verfügbaren Informationen und Strategien ab. Unter funktional-operativen Aspekten kann man sagen: das Einzelunternehmen fängt da an, wo die Transparenz in der Kooperation aufhört. Und von dieser Grenze an ist das Einzelunternehmen, unbeschadet seiner Beteiligung an der Kooperation, faktisch ein Konkurrent, sogar ein Gegner der Kooperation. Denn es bringt dann statt der Win-win-Logik das klassische Nullsummenspiel zur Geltung: ‚Was die Kooperation gewinnt, ist mein Verlust’. Und hält sein Kooperationsengagement entsprechend niedrig.
Win-win-Situation
Symmetrie zwischen Kooperation und Partnern
Verbindlichkeit In der Verbindlichkeit kommt die Intensität zum Ausdruck, mit der sich Partner an die Kooperation – und damit auch aneinander – gebunden fühlen. Sie ist vor allem auch Ausdruck der Bereitschaft, das, was Partner im Namen der Kooperation tun oder die Kooperation im Ganzen bewerkstelligt, für sich als bindend zu akzeptieren. Was ggf. bedeuten kann, aktiv die entsprechenden Konsequenzen mitzutragen, obwohl man nicht deren Urheber war. Explizit sollte ein von allen Partnern erarbeitetes ausformuliertes Regelwerk („Satzung“, „Geschäftsordnung“…; s. auch „Konfliktfreundlichkeit“) den Rahmen der Verbindlichkeit in einer Kooperation darstellen. So wird allen Beteiligten deutlich, welche Erwartungen sie an die Partner legitimerweise stellen dürfen und welche sie selber zu erfüllen haben. Ein solches Regelwerk ist notwendig für das Gelingen einer Kooperation, aber nicht hinreichend. Es stellt eine Art Gerüst dar mit Grundsätzen und Fixpunkten, die alle Partner verpflichten. Damit Verbindlichkeit in einer Kooperation tatsächlich lebt, bedarf es darüber hinaus einer grundsätzlichen Zuverlässigkeit auf Seiten aller Partner dahingehend, die Tendenzen und die Sinnrichtung des Regelwerks auch tatsächlich umzusetzen. Was oft impliziert, dass Partner aus eigener Initiative mehr tun, als das Regelwerk ausdrücklich verlangt. Als Vorbild für diese Zuverlässigkeit kann (meist) das Verhalten der Einzelfirmen gegenüber ihren Kunden dienen. Was auf die letzte Facette dieses Abschnitts verweist: die Verbindlichkeit, die faktisch innerhalb einer Kooperation herrscht, lässt auf die Wichtigkeit schließen, die die Partner der Kooperation tatsächlich beimessen. Kundenbedürfnisse genießen in Unternehmen gewöhnlich höchste Priorität – die Bedürfnisse der Kooperation sollten dem nicht weit nachstehen.
Regelwerk
Vorbild: Kundenbeziehung
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I. Dammer
Kommunikation
Selbstverständliches hinterfragen
Atmosphärischer Mehrwert
Die Notwendigkeit regelmäßiger, ausreichender und angemessener Kommunikation erklärt sich angesichts der bisherigen Ausführungen weitgehend selbst: alle Faktoren brauchen Kommunikation als Medium und als ‚Klebstoff‘. Darüber hinaus erfüllt Kommunikation aber noch zwei grundlegende Funktionen innerhalb von Kooperationen. Die erste betrifft die Frage, inwieweit die Kooperationspartner bereit oder in der Lage sind, ihre gewohnten einzelperspektivischen Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen. Alle Unternehmen bilden solche Selbstverständlichkeiten aus, die unausdrücklich, aber wirkungsvoll darüber entscheiden, was man der Kommunikation für wert hält und was nicht, weil man es entweder für bereits mitausgesagt hält oder aber es zu den Dingen gehört, ‚über die man bei uns nicht spricht‘. Für die Entwicklung einer gemeinsamen Kooperations-Perspektive ist es enorm hilfreich, wenn den Partnern ihre Selbstverständlichkeiten und blinden Flecke zumindest in Teilen bewusst werden. Und dies geschieht im wesentlichen qua Kommunikation, oft vielleicht dadurch, dass unterschiedliche Selbstverständlichkeiten aufeinanderprallen und dann daraus i.€S. der Lösungsorientierung eine gemeinsame, transparentere Form entwickelt werden muss. Insofern ist auch Kommunikation ein zentrales Hilfsmittel, die faktische Kooperationsbereitschaft der Partner klarer werden zu lassen und ggf. zu erhöhen. Die zweite Funktion der Kommunikation betrifft den atmosphärischen Mehrwert, der in jeder Kommunikation entsteht. Das Kooperationsklima, die ‚Chemie‘ zwischen den Partnern drückt sich einerseits wesentlich in der Art der Kommunikation aus, wird aber umgekehrt auch durch sie geschaffen. Diese Dialektik beschreibt jenes Mehr an Lebendigkeit, das jede – auch eine ausdrücklich auf pragmatische Funktionalität beschränkte – Kooperation gegenüber ihrer funktionalen Darstellbarkeit produziert. Und oft genug entscheidet dieses schwierig zu fassende Mehr über Wohl und Wehe einer Kooperation. Denn auch in Kooperationen macht der Ton die Musik.
3 Die Verantwortung des Netzwerkmanagements Mit diesem Faktorengefüge, das in seinem komplexen Wechselspiel das Gelingen einer Kooperation beschreibt, haben es Netzwerkmanager zu tun. Sie insbesondere tragen Verantwortung dafür, die Netzwerkprozesse in ihrem Bezug zum Gelingen zu beobachten und zu steuern. Und jede einzelne Aktivität zur Steuerung greift in das Gefüge ein, balanciert es neu – und immer nur vorläufig – aus. Das ist ohne Zweifel eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die von den Managern ein hohes Maß an Komplexitätstoleranz, Scharfsinn und Fingerspitzengefühl verlangt. Ihre diesbezügliche Arbeit wird allerdings enorm erleichtert, wenn in der Kooperation zwei übergreifende Bedingungen erfüllt sind: die Eigenständigkeit der Kooperation und ihre grundsätzliche Entwicklungsorientierung. Bei-
Gelingende Kooperation („Effizienz“) ╅╇╛╛43
de fungieren als orientierender Rahmen und als direkt handlungsleitende Perspektiven zugleich. Was damit gemeint ist, wird im folgenden kurz erläutert. Eigenständigkeit Eine These vorab: eine Kooperation gelingt nur, wenn alle Partner ihr einen eigenständigen Stellenwert jenseits ihrer direkten Funktionalität für jedes einzelne Partnerunternehmen zubilligen und ihn aktiv zur Geltung bringen. Ohne diese Eigenständigkeit, ohne eine solche funktionale Autonomie der Kooperation gegenüber den Einzelunternehmen wird keine Kooperation ihre Potentiale und Ressourcen optimal ausschöpfen und den ihr maximal möglichen Erfolg haben können. Von den Einzelunternehmen verlangt das ein erhebliches Maß an taktischer Versiertheit und strategischer Souveränität – die aufzubringen sie oft genug nicht bereit oder in der Lage sind. Schließlich investieren sie Zeit und Geld in die Kooperation und verlangen zu Recht, dass diese Investition sich in der einen oder anderen Weise auszahlt. Kooperationen können nicht einfach ‚machen, was sie wollen‘, und daher ist aus der Sicht der Unternehmen – wiederum zu Recht – eine gewisse Kontrolle nötig. Die Frage ist hier, wie die Kontrolle gestaltet wird. Oft ist bei den Führungskräften der Partnerunternehmen eine gehörige Portion Angst im Spiel, die Kooperation könnte, gemessen an den eigenen, meist kurzfristigen Zielen, aus dem Ruder laufen. Was vor allem heißt: kurzfristig keine Entlastung bringen, sondern erst einmal nur als Kostenfaktor zu Buche schlagen. Oder aber – zweite Variante – sie fürchten, die ebenfalls in der Kooperation vertretene Konkurrenz quasi am eigenen Busen zu nähren. Dementsprechend reserviert betrachten sie die Kooperation und bleiben ihr gegenüber im Grundsatz misstrauisch. Eine zu enge Kontrolle der Kooperation durch die Partnerunternehmen behindert aber ernsthaft die Entwicklung der Kooperation und mindert ihre Leistungsfähigkeit entscheidend. Es ist klar, dass eine kleine, im Aufbau befindliche Organisation kaum eine tragfähige Entwicklungschance hat, wenn drei oder sieben große und bewährte Organisationen gleichzeitig in verschiedenen Richtungen, nämlich gemäß dem jeweiligen Eigeninteresse, an ihr zerren. Diese Überlegungen führen direkt zum Kern dessen, was Eigenständigkeit bei Kooperationen ausmacht. Auch hier geht es nämlich nicht um Fachkompetenzen oder gar Recht und Unrecht, sondern in erster Linie um die grundsätzliche Wahrnehmung der Kooperation: betrachtet man sie als ein Gebilde, das versucht, additiv (was konkret meist bedeutet: subtraktiv nach dem unfruchtbaren Prinzip des ‚kleinsten gemeinsamen Nenners‘) eine Anzahl von Einzelinteressen zusammenzuführen und herauszufinden, welcher Spielraum dann am Ende noch bleibt2? Oder sieht man sie als eine Organisation, deren Strategie und Konzept von ihren eigenen Zielen und Aufgaben bestimmt werden? Beispielhaft treffen diese beiden Sichtweisen bei der Leitbildentwicklung von Kooperationen aufeinander. Es ist mehr als schwierig (und auf jeden Fall zäh 2╇
Nicht ganz frei von Bosheit könnte man dies das „EU-Prinzip“ nennen.
Funktionale Autonomie
Kontrolle durch die Partner
Von der Kooperation aus denken
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Anwälte der Kooperation
Transparenz nach außen
I. Dammer
und unnötig mühsam), ein Kooperationsleitbild zu entwickeln, wenn man von den einzelnen Leitbildern der Partnerunternehmen ausgeht und daraus ein gemeinsames Leitbild zu machen versucht. Einfacher und für die Kooperation gesünder ist die Erarbeitung eines Leitbildes entlang der Leitlinie, die durch die Zielperspektiven der Kooperation selbst beschrieben wird. Und niemand sorge sich darum, dass das Ergebnis am Ende womöglich inkompatibel mit einem oder mehreren der Einzelleitbilder sein könnte. Denn zum einen ist es nicht die primäre Aufgabe einer Kooperation, sich den Unternehmenskulturen der Partner als genehmer Sprößling zu präsentieren, vielmehr soll sie die gewünschten Ergebnisse produzieren; und zum anderen, platt empirisch gesehen, ist mir ein solches Problem noch nie zu Ohren gekommen. Es gehört zu den Grundaufgaben von Netzwerkmanagern, als ‚Anwälte der Kooperation‘ beständig um die Anerkennung dieser Eigenständigkeit zu kämpfen. Wie ihnen dies gelingen kann? Zuerst einmal müssen sie selbst grundsätzlich von den Belangen der Kooperation aus denken, planen und handeln und dürfen sich nicht zu früh die Köpfe der Partnerunternehmen zerbrechen. Dafür produziert eine gelingende Kooperation ja auch einen erheblichen Mehrwert, und es ist eine zentrale interne Vermarktungsaufgabe der Netzwerkmanager (eigentlich sogar aller Netzwerkakteure), die Partner zu einer offiziellen Anerkennung dieses Mehrwerts als Leistung der Kooperation zu bewegen. Haben die Partnerunternehmen erst einmal so viel Committment gezeigt, ist in punkto Eigenständigkeit für die Kooperation schon viel gewonnen. Um das Vertrauen der Partner in die Kooperation weiter zu stärken, empfiehlt sich analog zum kooperationsinternen Vorgehen ein möglichst transparenter Umgang mit den Partnern. Die Netzwerkmanager sollten deshalb auf die Umsetzung folgender Punkte hinarbeiten: • Entscheidungsbefugnisse der Kooperation genau beschreiben und mit allen Partnern abstimmen; • alle Kooperationsaktivitäten (inkl. interner Zielkontrolle) dokumentieren; • ein Berichtswesen schaffen und mit den Partnern abstimmen, so dass sie immer auf dem Laufenden sind; • regelmäßige Zielkontrolle gemeinsam mit den Partnern durchführen und bei Bedarf neue Zielvereinbarungen treffen. Ist dies alles gewährleistet, haben die Partner erfahrungsgemäß weniger Probleme mit der Eigenständigkeit von Kooperationen. Entwicklungsorientierung
Entwicklung als Tatsache
In mancher Hinsicht heißt, Entwicklungsorientierung auf die Agenda des Netzwerkmanagements zu setzen, nicht viel mehr, als aus der Not eine Tugend zu machen. Denn Veränderung widerfährt Kooperationen – wie überhaupt allen Organisationen – ohnehin, und zwar jederzeit, auch wenn das nicht immer ohne weiteres bemerkbar ist. Selbst eine über, sagen wir, drei Jahre mit gleicher Aufgabe, gleichen Regeln und identischer personeller Besetzung arbeitende Kooperation ist am Ende der drei Jahre nicht die gleiche wie zu Anfang. Mindestens die Einstellung der Akteure hat sich infolge der Routinisierung
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gegenüber der anfänglichen gespannten Aufmerksamkeit erheblich gewandelt; vermutlich hat es aber noch viel mehr Änderungen gegeben als bloß diese. Dass Entwicklungsorientierung hier als eine entscheidende Haltung des Netzwerkmanagements zur Sprache kommt, ist darin begründet, dass Entwicklung mehr und anders ist als Veränderung. Als anschauliches Beispiel hierfür kann ein Kaleidoskop dienen: wenn man es schüttelt, verändert sich das Muster. Man kann das beliebig oft wiederholen und bewirkt jedes Mal eine Veränderung. Entwickelt hat sich dabei allerdings gar nichts. Von Entwicklung zu sprechen, heißt nämlich, Kohärenz in der Veränderung zu unterstellen. Aufgabe des Netzwerkmanagements ist es dann, den Zusammenhang im Nacheinander der Kooperationsprozesse zu erkennen, also zu rekonstruieren, wie es vom einen zum anderen gekommen ist, um die Prozesse angemessen steuern zu können. Und hinter dieser Rekonstruktionsanforderung steckt letztlich die Behauptung, die Prozesse verliefen sinnhaft, eine Voraussetzung, die keineswegs unumstritten ist. Man lebt in vielen Hinsichten bequemer, wenn man das beobachtbare Kooperationsgeschehen nicht einheitlich als sinnhaft auffasst, sondern zweiteilt in zweckdienliche und dysfunktionale Prozesse, und letztere – die oft in ihrer Entstehung unklar und rätselhaft bleiben, weil alle Beteiligten ja nur ‚das Beste wollen‘ – dem Zufall oder unglücklichen Umständen zuschreibt. Fruchtbarer für die Kooperation ist es allerdings, wenn das Netzwerkmanagement nach der Devise des Polonius vorgeht, der nach einem längeren, höchst skurrilen Vortrag des Prinzen Hamlet vermutet: „Ist dies auch Wahnsinn, so ist doch Methode drin.“ Kohärenz im vollen Sinne bedeutet, eine solche heimliche Methode auch dann als gegeben anzunehmen, wenn die Geschehnisse in der Kooperation einmal besonders ‚wahnsinnig‘ wirken. Analytisch auf der Höhe der Kooperationsentwicklung als sinnhaftem Gesamtprozess zu bleiben, ist also die eine Facette der Entwicklungsorientierung als Aufgabe des Netzwerkmanagements. Die andere besteht natürlich in der Steuerung der Kooperationsprozesse mit dem Ziel, die Kooperation entwicklungsoffen zu halten, dafür zu sorgen, dass sie sich gegenüber dem Grundanliegen des KVP nicht verschließt. Denn wie alle Organisationen tendieren auch Kooperationen zu Stabilisierung und Routinisierung, wogegen, für sich genommen, nichts einzuwenden ist. Aber wenn Stabilität und Routine überhandnehmen, erfüllt die Kooperation ihre Zwecke in Folge zunehmender Erstarrung immer schlechter, und es ist Sache des Netzwerkmanagements, dem wirksam vorzubeugen. Wie kann ihm das gelingen? Grundsätzlich sollte es regelmäßig, intern ebenso wie bei den Partnern, die Kooperation als zukunftswichtig und -fähig kommunizieren, die dauerhafte Ausrichtung auf die Zukunft quasi zu einem Markenzeichen der Kooperation machen. Einen solchen Anspruch öffentlich zu machen, erschwert es der Kooperation, unbemerkt einzuschlafen. Darüberhinaus kann das Netzwerkmanagement im Sinne der Entwicklungsorientierung folgendes anregen bzw. umsetzen: • flexible interne Strukturen etablieren; • Bereitschaft zur weiteren Qualifizierung bei den Netzwerkakteuren schaffen und sie bei der Umsetzung unterstützen;
Entwicklung ist...
...Kohärenz in der Veränderung
Alle (!) Prozesse sind sinnhaft
Entwicklung als Ziel
Zukunftsorientierung als Markenzeichen
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I. Dammer
• Produktentwicklung (i.€w.€S.) regelmäßig zum Kooperationsthema machen; • Organisationsentwicklung regelmäßig zum Kooperationsthema machen. Bleiben diese Aspekte in einer Kooperation dauerhaft lebendig, dann hat sie gute Aussichten, sich angemessen und nachhaltig entwickeln und zukünftige Herausforderungen meistern zu können. Der Beitrag des Netzwerkmanagements Arbeit, die Arbeit erleichtert
Eigenständigkeit und Entwicklungsorientierung umzusetzen, bedeutet zweifellos Arbeit für das Netzwerkmanagement – Arbeit allerdings, die sinnvoll investiert ist, denn ihr Erfolg erleichtert die alltägliche Netzwerkarbeit in vielen Hinsichten erheblich. Letztlich macht sich das Netzwerkmanagement damit das eigene Leben einfacher, das auch bei guter strategischer Vorarbeit noch anstrengend genug ist. Die folgende, auch als Zusammenfassung gemeinte Liste der wesentlichen Beiträge des Netzwerkmanagements zum Gelingen von Kooperationen macht das wohl deutlich: • Anregung und Moderation eines Leitbildprozesses • angemessenes Marketing der Kooperation extern und bei den Partnern • konsequentes zielbezogenes Controlling der Kooperationsaktivitäten • Moderation (evtl. Supervision) der Teamentwicklung • Anregungen hinsichtlich Weiterbildung, Produkt- und Organisationsentwicklung • regelmäßige zielbezogene Kommunikation mit den Partnern • Einbindung der Kooperation in externe Unterstützungsstrukturen (Netzwerke, Erfa-Runden usw.).
Externe Hilfe holen
Und dann wäre noch ein eminent wichtiger Beitrag des Netzwerkmanagements zum Gelingen zu nennen: es muss erkennen, wann externe Hilfe für die Kooperation nötig wird, und dafür sorgen, dass diese Hilfe dann auch eingekauft wird. Viele Manager halten das Anfordern externer Unterstützung für ein Zeichen von Schwäche, schämen sich nachgerade, dass sie ihren Verantwortungsbereich offenbar ‚nicht im Griff haben‘, und warten deshalb oft zu lange, bis sie tatsächlich Hilfe suchen. Selbstverständlich sollen zur Lösung von Problemen erst die Bordmittel ausgeschöpft werden. Aber wenn die nicht ausreichen (und das kann man oft absehen, bevor man es ausprobiert), dann ist es ein Kennzeichen von Managementstärke, sich Hilfe in geeigneter Form zu holen. Denn die tatsächliche Schwäche von Managern besteht häufig darin, die Demonstration eigener Unverwundbarkeit und Alleskönnerei mit kompetentem Management zu verwechseln – und dies zu Lasten ihres Verantwortungsbereichs. Kompetente Unterstützung in Fragen des Netzwerkmanagements wird mittlerweile reichhaltig angeboten (s. Service-Teil in diesem Band). Die entsprechenden Ressourcen zu kennen, gehört zu den Schlüsselqualifikationen von Netzwerkmanagern.
Ressourcen kennen
Gelingende Kooperation („Effizienz“) ╅╇╛╛47
4 Erfolg und Gelingen Bleibt anzumerken, dass die Unterscheidung von Effektivität und Effizienz, also von Erfolg und Gelingen, selbstverständlich in erster Linie aus Gründen der prägnanten Darstellbarkeit geschehen ist und keineswegs die Möglichkeit unterstellen soll, man könne Gelingen und Erfolg faktisch voneinander trennen. Im Gegenteil zeigt z.€B. die Liste auf der vorhergehenden Seite (die nämlich auch einige Eckpfeiler des Kooperationserfolges enthält), dass beide unauflöslich voneinander abhängen: eine nicht effektiv arbeitende Kooperation wird kaum effizient sein können, und umgekehrt wird ein Mangel an Effizienz auch immer negativ auf die Effektivität durchschlagen. Wenn das Netzwerkmanagement die Kooperation als ein strategisch wichtiges, offensives und gestaltungsorientiertes Instrument handhabt, dann hat sie ebenso gute Aussichten auf Gelingen wie auf Erfolg.
Untrennbarkeit von Erfolg und Gelingen
Teil 2: Kooperationen im Fokus der Politik
Clusterpolitik: Gestaltung und Erfahrungen in NRW Ingo Dammer
Die Umstellung der EU-Strukturpolitik auf den Schwerpunkt Clusterentwicklung, der zum Jahreswechsel 2007 erfolgte, markierte eine bedeutsame Änderung in Ausrichtung und Philosophie der Strukturförderung. Hier soll zur Halbzeit der aktuellen Förderphase am Beispiel eines Bundeslandes (Nordrhein-Westfalen) eine kurze Bestandsaufnahme hinsichtlich Gestaltungsmöglichkeiten und bisherigen Wirkungen der neuen Förderstrategie aus der Netzwerkperspektive erfolgen. Denn nicht zuletzt wurde mit dem Oberthema „Clusterentwicklung“ zum ersten Mal ein prinzipiell netzwerkbasiertes Vorgehen in den Mittelpunkt der europäischen Strukturpolitik gerückt, eine Neuerung, die sicher eines genaueren Blickes wert ist.
1 Der europäische Rahmen Im März 2000 verabschiedete der Europäische Rat in Lissabon seine neue Strategie, deren Ziel es war, die Europäische Union bis 2010 zum dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Es sollte ein Wirtschaftsraum entstehen, der ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt verband. Damit wurde der eng mit Innovation in Zusammenhang stehende Faktor Wissen die wichtigste Ressource der visionären Zielsetzung der EU und deren wirtschaftlicher Entwicklung. Auf dem Treffen in Göteborg im Jahr 2001 wurden die wirtschaftlichen und sozialen Dimensionen dieser Strategie um die gleichrangige Umweltdimension ergänzt. Um die Ziele zu erreichen, wurde der Förderung von Innovationen und dem Wachstum der wissensbasierten Wirtschaft durch den Ausbau der Forschungsund Innovationskapazitäten ein wichtiger Stellenwert eingeräumt. Die Gründe für den Wechsel der Förderphilosophie lagen in der veränderten internationalen Arbeitsteilung und der steigenden globalen Mobilität des Kapitals: eine breite Standortkonkurrenz im internationalen Maßstab und die Ausgliederung der standardisierten Produktionsteile in Länder mit niedrigen Arbeitskosten (meist Schwellenländer) bezeichneten eine wesentlich andere Bedingungskonstellation für den wirtschaftlichen Wettbewerb, als sie noch 15 Jahre zuvor geherrscht hatte. Die wachsende Bedeutung neuer, kurzzyklisch
Strategiewechsel auf EU-Ebene
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Regionale Stärken ausschlaggebend
Förderschwerpunkte EFRE 2007–2013
I. Dammer
produzierender Branchen, die übergreifende Disziplinen beanspruchen (Biotechnologie, Kommunikationstechnologie oder Elektrotechnik), hatte den Lebensrhythmus der gesamten Wirtschaft beschleunigt. Die moderne Ökonomie, so die grob vereinfachende Zusammenfassung, unterlag einem ständigen technologischen Wandel, den die EU in ihrer wirtschafts- und strukturpolitischen Strategie für die Zukunft angemessen berücksichtigen musste. Die neue und bis heute gültige Strategie behandelt nicht mehr alle Regionen gleich, vielmehr wird der Investitionsmix von den Stärken und Schwächen der einzelnen Regionen abhängig gemacht. Die Bedeutung der Region als Interaktionsebene für Innovation war bereits 1995 im „Green Paper on Innovation“ deutlich geworden, wo es hieß: „The local or regional level is in fact the best level for contacting enterprises and providing them with the necessary support for external skills they need (resources in terms of manpower, technology, management and finance). It is also the basic level at which there is a natural solidarity and where relations are easily forged. It is therefore the level at which small enterprises can be encouraged and helped to pool their strength in partnership in order to compete with bigger enterprises with greater resources or to make the most of the opportunities which these enterprises can offer. These issues are of special importance in less favoured regions“ (45). Die strategische Neuorientierung der Europäischen Union hatte auch Auswirkungen auf die Strukturpolitik. Sie sollte sich künftig stärker an den Lissabon- und Göteborg-Zielen einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen wissensbasierten Wirtschaft orientieren, wachstumspolitische Aspekte waren in die Neuausrichtung der Strukturfonds eingegangen. In den Beitrittsländern der EU wurde bald sichtbar, dass es zunächst darum gehen würde, die Wachstumskerne auszubauen. Der vom finanziellen Volumen größte Fonds, der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), konzentriert seine Unterstützung in der aktuellen Förderphase auf folgende Schwerpunkte: • Gezielte Investitionen in Forschung und technologische Entwicklung. Dazu zählt die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen sowie zwischen Unternehmen und öffentlichen Forschungsinstitutionen, die Förderung der FuE-Tätigkeit in KMU’s, die Förderung regionaler grenzüberschreitender und transnationaler Initiativen. • Innovationen erleichtern und unternehmerische Initiativen fördern. Hierfür sollen Unternehmensdienste zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen bereitgestellt werden. Die Gründung von neuen Firmen und deren Expansion und die Förderung von Spin-off-Unternehmen, von Forschungseinrichtungen oder Firmen soll erleichtert werden. • Besserer Zugang zu Finanzmitteln. Zuschussfreie Finanzinstrumente sollen vor allem für den Bau und Erhalt von spezifischer Infrastruktur (d.€h. Technologietransferbüros, Gründerzentren, Business-Angels-Netzwerke) geschaffen werden. Der Aspekt der Bedeutung der Region als Ebene zur Förderung von Innovation wurde durch die Europäische Kommission seit den 90er Jahren zunehmend in politische Konzepte aufgenommen. Heute steht auch im Zuge der LissabonStrategie Innovationsförderung im Mittelpunkt der politischen Agenda. Das
Clusterpolitik: Gestaltung und Erfahrungen in NRW ╅╇╛╛53
globale Ziel liegt in dem Abbau von Innovationsdefiziten gegenüber Japan und den USA. Wissensbasierte Industrie als Basis für nachhaltige Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung ist eine Strategie, um im Wettbewerb der Ökonomien langfristig bestehen zu können. Die aktuelle Ziel 2-Förderung stellt Wettbewerbsfähigkeit und Innovation in den Mittelpunkt, wobei die Orientierung an Clustern durch die Unterstützung ihrer Entwicklung als regionaler Wachstumskerne eine große Rolle spielt.
Leitlinien: Wettbewerbsfähigkeit und Innovation
2 Umsetzung auf Landesebene: das Beispiel NRW Im Rahmen der von der Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember 2005 festgelegten Nationalen Handlungsfelder zur Umsetzung der Lissabon-Strategie in der Bundesrepublik haben die Bundesländer als exekutive Einheiten jeweils eigene Operationelle Programme entwickelt und seit 2007 zur Umsetzung gebracht. Als Beispiel für die damit einhergehenden Veränderungen sei hier das bevölkerungsstärkste Bundesland Nordrhein-Westfalen näher betrachtet. Dort wiesen die weniger verdichteten Regionen in der Mehrzahl geringere Arbeitslosenquoten und auch günstigere Bevölkerungsprognosen als der Landesdurchschnitt auf. Strukturprobleme konzentrierten sich in NRW seit geraumer Zeit vor allem auf das altindustrielle Ruhrgebiet, in dem unter der Fahne des „Strukturwandels“ große Modernisierungsanstrengungen unternommen worden waren, um die durch den weitgehenden Ausfall der Schwerindustrie entstandenen Strukturschwächen auszugleichen. Die neue Förderstrategie stellte die Landesregierung vor die Frage, ob die strukturpolitischen Mittel wie bisher auf die strukturschwachen Regionen vor allem im Ruhrgebiet konzentriert werden sollten, oder ob eine Konzentration der Mittel auf international herausragende Wachstumsfelder, unabhängig von regionalen Grenzen, im Sinne der Lissabon-Kriterien mehr Erfolg, also mehr Innovation und Wachstum versprach. Mit ihrem Kabinettbeschluss „Der Beitrag des Landes Nordrhein-Westfalen zur Umsetzung der Lissabon-Strategie“ konkretisierte die Landesregierung die Handlungsfelder des Nationalen Reformprogramms und skizzierte die Umsetzungsmaßnahmen. Ein großer Teil der Maßnahmen wurde im Rahmen des EFRE Ziel 2-Programms verortet. Wirtschaftspolitisch sollten vor allem die Weiterentwicklung der bisherigen branchen- und technologieorientierten Schwerpunktsetzungen (Kompetenzfelder) und die Umsetzung zu einer ressortübergreifenden Clusterstrategie im Zentrum der Aktivitäten für mehr Innovation und Wachstum stehen. Die Landesregierung wollte damit bestehende Netzwerke und regionale Cluster thematisch konzentrieren, besser untereinander abstimmen und über die Einrichtung von unterstützenden Clustermanagement-Maßnahmen auf Landesebene eine effektivere Koordination und Kooperation ermöglichen. Übergeordnetes Ziel der Clusterpolitik war es, ein günstiges Umfeld für Innovationen zu schaffen und damit die Wettbewerbsfähigkeit der NRW-Wirtschaft
Clusterstrategie
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Erfolgsfaktoren der Innovationsförderung
Doppelstrategie: Unterstützung exzellenter Regionen...
…und Integration kleiner Wachstumskerne
Clusterkonzept NRW 2007–2013
I. Dammer
zu stärken sowie die Voraussetzungen für Wachstum und Beschäftigung zu verbessern. In der regionalökonomischen Diskussion ist es unstrittig, dass Innovationen zentrale Determinanten der unternehmerischen Wettbewerbsfähigkeit sind. Als wesentliche Erfolgsfaktoren hierfür gelten zum einen der Technologie- und Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, zum anderen die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte sowie enge Netzwerke, die Kooperationen ermöglichen. Daher zielt auch das Ziel 2-Programm darauf ab, regionale Innovationsnetzwerke zu fördern, um Innovationen schneller und erfolgreicher realisieren zu können. Ein zielgerichteter Ausbau bestehender Infrastrukturen ist notwendig, da angesichts der insgesamt rückläufigen externen Ansiedlungen insbesondere Existenzgründungen als ein Faktor für neue Beschäftigung gelten. Junge Unternehmen aus dem Technologie- und Dienstleistungsbereich haben eine hohe Bedeutung für die regionale Wirtschaftspolitik, da sie den Strukturwandel vorantreiben. Maßnahmen zur Aktivierung des regionalen Gründerpotenzials leisten erfahrungsgemäß einen wichtigen Beitrag zu Wachstum, Beschäftigung und Innovation. Im Sinne dieser Erfolgsfaktoren stand die Konzeption der strukturpolitischen Förderung in NRW vor einer größeren Aufgabe. Sie musste sich einerseits auf Regionen mit zumindest national, wenn nicht international herausragenden Kompetenzen konzentrieren. Eine professionelle Unterstützung von Clustern kann positive Effekte haben, wenn die wesentlichen Aspekte eines erfolgreichen Clustermanagements berücksichtigt werden: • realistische Einschätzung der Position innerhalb der jeweiligen Wertschöpfungskette und realistische Zielsetzungen; • kontinuierliches Monitoring, das Auskunft über effektive Veränderungen geben kann; • Beteiligung der Unternehmen an der Finanzierung des Clustermanagements; • Offenheit nach Außen zur Verhinderung von Lock-in-Effekten. Da es andererseits nur wenige herausragende Standorte in einem Sektor gibt, war dieser Ansatz nur für ausgewählte Regionen, nicht als flächendeckendes Konzept geeignet und konnte daher nicht die einzige strategische Ausrichtung in der Strukturpolitik sein. Ein umfassendes Konzept stand hier vor der Aufgabe, auch Bottom-up-Ansätze, z.€ B. in Gestalt von Initiativen wachstumsfähiger regionaler Schwerpunkte, strategisch zu integrieren, um nicht ‚die Bodenhaftung zu verlieren‘, sprich: um nicht die spezifische Beitragsfähigkeit der Regionen zur Erreichung der übergeordneten Lissabon-Ziele systematisch zu übersehen. Das strategische Konzept musste also beide Schwerpunkte integrieren. Es sah in seinen Hauptelementen schließlich so aus: • 16 branchenspezifische „NRW-Cluster“, verteilt auf 5 Leitmärkte; • 16 Landesclustermanager, die, beim jeweils federführenden Ministerium angesiedelt, die Clusteraktivitäten landesweit koordinieren und kommunizieren; • Vergabe der Fördergelder über terminierte, innerhalb der Clusterbranchen thematisch spezifizierte Wettbewerbe, deren Juries die eingereichten Beiträge bewerten und die in ihren Augen besten zur Förderung empfehlen;
Clusterpolitik: Gestaltung und Erfahrungen in NRW ╅╇╛╛55
• ein zusätzlicher „Regio-Wettbewerb“ für wachstumsorientierte Initiativen aus anderen als den 16 Clusterbranchen; • Stellung von Förderanträgen durch die Wettbewerbsgewinner bei den jeweiligen Bezirksregierungen oder der NRW-Bank; • Bildung der Marke „Exzellenz NRW – Cluster Nordrhein-Westfalen“ als zentralem Marketinginstrument; • zentrales Monitoring und Evaluation des gesamten Förderprogramms durch das Clustersekretariat NRW. Die Ausschreibung der ersten Wettbewerbe erfolgte noch 2007, 2008 kamen die ersten Wettbewerbsgewinner in den Genuss der Förderung. Zu den Zahlen später mehr.
3 Stärken stärken und vom Besten lernen Mit diesem Konzept hielt eine neue Qualität der Wettbewerbsorientierung Einzug in die Förderlandschaft. Das entsprach zwar den Vorgaben der EU und der Logik des Lissabon-Prozesses, führte aber – nicht ganz unerwartet – zu Irritationen bei vielen Akteuren. Im Mittelpunkt stand dabei die Neuausrichtung der Förderphilosophie, wie oben bereits im groben beschrieben. Man war es gewohnt gewesen, dass Förderung zum Ausgleich von Schwächen vergeben wurde, nun sollte das Prinzip „Stärken stärken“ gelten. Nicht mehr mahlte zuerst, wer zuerst kam, also den Förderantrag stellte (oder wer die besten Beziehungen im Fördergetriebe hatte), sondern es wurde gefördert, wer von einer Expertenjury im Rahmen eines ausgeschriebenen Wettbewerbs nach transparenten Kriterien für förderfähig gehalten wurde. Der Bruch mit der Fördertradition war offensichtlich und führte zu den Friktionen, die bei Neuerungen dieser Art üblicherweise (und besonders wenn Geld im Spiel ist bzw. dessen mögliche Umverteilung auf der Agenda steht) zu beobachten sind. Dass den ohnehin Starken jetzt noch gegeben und den Schwachen, die bei Wettbewerben nun einmal die schlechteren Karten haben, Unterstützung entzogen werden sollte, rief bei nicht wenigen Akteuren – bisherigen Förderempfängern, Intermediären, aber durchaus auch bei Mitgliedern der politischen Verwaltung, also Fördergebern – ablehnende Reaktionen hervor. Das war vermutlich für die eine oder andere unnötige Verzögerung in der Umsetzung verantwortlich, änderte aber natürlich nichts an der grundsätzlichen Neuausrichtung der Ziel-2-Förderung unter EFRE. Und die zeigt ein stimmiges Gesamtbild der rahmenden wirtschaftspolitischen Konzeption. Letztlich bezeichnet sie den Wechsel in der Funktion von Förderung, der deren bisherigen (hauptsächlichen) Stellenwert als Unterstützung des Staates für schwache Sektoren der Wirtschaft ablöst durch eine Kooperation von Staat und Wirtschaft, d.€h. durch die Arbeit beider gesellschaftlicher Bereiche auf ein gemeinsames Ziel hin, auf innovationsbasiertes Wachstum. Cluster sind sicher ein geeigneter dynamischer Leitbegriff, um Staat und Wirtschaft gemeinsam auszurichten und dabei Synergien zu erzeugen, also übersummative
Irritationen durch Umstellung der Förderphilosophie
Gezielte Kooperation von Staat und Wirtschaft
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Unternehmenskooperationen als operative Clusterkerne
Aufgaben der Landes� clustermanager
I. Dammer
Effekte zu erzielen („eins plus eins gleich drei“), statt wirtschaftspolitische Förderung wie bisher als Kompensation für wirtschaftlich unerwünschte Effekte wie Branchen- oder Strukturschwächen einzusetzen („minus eins plus eins gleich null“). Im Mittelpunkt des Konzepts stehen dabei Unternehmenskooperationen. Sie erfüllen den ja schon vom Wortsinn her Formlosigkeit anzeigenden Begriff „Cluster“ durch praktisches Handeln mit konkretem Sinn und Leben. Die nordrhein-westfälische Clusterpolitik zielt darauf ab, diese Kernfigurationen – starke, kooperierende Untenehmen – intensiver mit Forschung, Kapitalgebern, Fachmedien und Öffentlichkeit zu vernetzen. Es geht also auch immer um Standortmarketing für NRW, ein Faktor, dessen Bedeutung für Wachstum in einer globalisierten Wirtschaftswelt zunimmt. Den Landesclustermanagern fällt daher auch die Aufgabe zu, NRW an die übergreifenden aktuellen Trends der jeweiligen Branche anzuschließen bzw. als relevanten Standort für diese Trends jenseits der Landesgrenzen zu kommunizieren. Außerdem sollen sie gezielte Unterstützung dabei leisten, den Wissenstransfer zwischen Mittelstand und Forschung zu verbessern und damit eine notorische Schwäche des Innovationsgetriebes langfristig zu beheben. Gleichzeitig steht diese Clusterkonzeption selber im Wettbewerb mit den Konzeptionen anderer Bundesländer, die ganz unterschiedlich an die Verwirklichung der Lissabon-Ziele herangehen. Hier wird erst die Zukunft zeigen, welches Konzept am besten geeignet ist, diese Ziele zu verwirklichen. Es ist allerdings kaum zu erwarten, dass sich ein eindeutiger ‚one best way‘ aufdrängt, vielmehr werden wohl verschiedene Formen der Umsetzung ihre praktischen Stärken und Schwächen zeigen, so dass langfristig ein Strauss von Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung steht, aus dem sich zukünftige Initiativen je nach konkreter Zielsetzung passgenau bedienen können.
4 Zwischenfazit Was sagen die Zahlen? Die Neuheit der Clusterpolitik bringt es mit sich, dass die vorliegenden Zahlen über deren bisherige Ergebnisse, einzusehen unter www.exzellenz.nrw. de, infolge fehlender Vergleichsdaten kaum eine sinnvolle Interpretation zulassen, inwieweit hier von Erfolg oder Misserfolg gesprochen werden kann. Und insofern Langfristigkeit ein zentrales Merkmal der Initiative ist, dürfte es dafür ohnehin zu früh sein. Immerhin weist die Landesregierung in ihrem Bericht „Stand der Ziel 2-Förderung zum Stichtag 31.12.2009“ aus, dass bis dahin 886 Projekte mit einer Fördersumme von fast 900 Millionen Euro bewilligt worden sind. Damit sei „fast die Hälfte der verfügbaren Programmittel gebunden“. Das deutet auf eine gute Akzeptanz der neuen Förderphilosophie bei der Wirtschaft, die ihrerseits etwas über 300 Millionen Euro in die bewilligten Projekte investiert.
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Solche Zahlen sind im Sinne der Rechenschaftspflicht notwendig und vermitteln einen Eindruck von den Dimensionen, in denen sich die Clusterförderung bewegt. Sie geben aber kein Gefühl für das interne Getriebe, das sich mit der neuen Förderlinie etabliert hat, für die realen Stärken und Schwächen dieses wichtigen Aspekts der Landeswirtschaftspolitik. Daher seien im folgenden einige Aspekte qualitativ beleuchtet, die für die konkrete Netzwerkarbeit im Rahmen von Ziel 2-Clustern von zumindest zeitweiliger Bedeutung sind, ohne damit den Anspruch einer umfassenden Analyse zu erheben. Anlaufschwierigkeiten Die neue Förderlogik mit ihrer inhaltlichen und formalen Wettbewerbsorientierung stellte die fördernde Seite, also Politik und bewilligende Stellen, anfangs offensichtlich vor einige Probleme. Hier wirkten mehrere Faktoren zusammen, die, angefangen bei mangelnder Erfahrung in der Organisation der Förderwettbewerbe über langwierige Auswahlprozesse bis hin zu erheblichen Verzögerungen bei der letztendlichen Förderbewilligung, der jetzigen EFREFörderphase in NRW unter dem Strich einen schleppenden Start bescherten. Die Schwierigkeiten wurden auch von der Landesregierung wahrgenommen, und mit der Zeit wurde der ganze Prozess verbessert, so dass die Verläufe heute deutlich glatter geworden sind. Probleme gab es aber auch oft genug auf Seiten der Wettbewerbsteilnehmer. Abgesehen von dem beachtlichen Aufwand im Vorfeld, den eine Wettbewerbsteilnahme von den Akteuren verlangt, war es vor allem die Kofinanzierung, der zu leistende finanzielle Eigenanteil an den Projektkosten (bis zu 50%), der manche Wettbewerbsgewinner bei genauerem Nachrechnen offenbar überforderte. So stellten einige Gewinner schließlich keinen Förderantrag, da es ihnen nicht gelang, die Kofinanzierung zu sichern. Daran zeigt sich die Doppelgesichtigkeit der neuen Förderphilosophie. Einerseits ist es im Sinne der Lissabon-Ziele und des Exzellenzgedankens plausibel, Förderung nur an solche Akteure zu vergeben, die stark genug sind, den von ihnen verlangten Eigenanteil auch zu leisten; die oben angesprochene Kooperation zwischen Staat und Wirtschaft meint schließlich nicht finanzielles Engagement des Staates anstelle der Wirtschaft. Andererseits ist es für die notorisch kapitalschwachen kleinen und mittelgroßen Unternehmen, auch wenn sie sich zu Verbünden zusammenschließen, nicht immer leicht, einen solchen Eigenbeitrag zu leisten, so dass hier eine unausdrückliche Selektion droht oder bereits stattfindet, die es ‚den Großen‘ leichter macht, von der Förderung zu profitieren.
Probleme bei der Abwicklung
Stolperstein Kofinanzierung
Großunternehmen im Vorteil
Branchenstruktur und Förderlogik Ein weiterer Punkt wird anhand der bisherigen Erfahrungen deutlich: trotz einheitlicher Förderlogik wirkt die Förderung je nach Branchenstruktur ganz unterschiedlich. Entsprechend kommen Branchen mehr oder weniger gut mit
Branchenstruktur entscheidend für Förderwirkung
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Beispiele: Energiewirtschaft…
…und Kreativwirtschaft
I. Dammer
den Vorgaben der Förderung zurecht, was hier typisierend an zwei Branchen erläutert werden soll, die in NRW als Landescluster mit EFRE-Mitteln gefördert werden: Energiewirtschaft und Kreativwirtschaft.1 Der sofort ins Auge fallende Unterschied zwischen beiden Branchen ist, dass die Energiewirtschaft eine vergleichsweise übersichtliche Zahl von tendenziell großen Akteuren aufweist, die Kreativwirtschaft hingegen eine unübersichtliche Zahl von kleinen und Mikrounternehmen. Desweiteren arbeitet die Energiewirtschaft auf der Basis (trotz aller Veränderungsprozesse) stabiler Unternehmensstrukturen und kontinuierlich, die Kreativwirtschaft in der Hauptsache projektförmig und insofern diskontinuierlich. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass die Energiewirtschaft an einer zentralen Position der gesamten Wertschöpfung steht und das Funktionieren unserer ganzen Gesellschaft wesentlich vom Funktionieren der Energiewirtschaft abhängt, während die Kreativwirtschaft weit unten in der wirtschaftlichen Nahrungskette steht, was sie im Verlauf der Finanz- und Wirtschaftskrise seitens ihrer Kunden auch einschneidend zu spüren bekommen hat. So passt die Energiewirtschaft mit ihren zumeist auf Umwelt und Nachhaltigkeit bezogenen Innovationsthemen sehr gut in die Lissabon-Perspektive und damit auch in die Clusterförderung. Hier stößt man im Zuge der Entwicklung und Erprobung von Innovationen schnell in Größenordnungen vor, die selbst für ein einzelnes Großunternehmen nicht mehr ohne weiteres zu bewältigen sind und daher ein Cluster wie „EnergieRegion.NRW“ und die damit verbundene Clusterförderung in vielen Hinsichten sinnvoll und angemessen erscheinen lassen. Geradezu prototypisch wird hier offenbar Porters Clustertheorie, die das wissenschaftliche Fundament der Brüsseler Strategie bildet, Praxis, sowohl was die brancheninterne Innovationskompetenz betrifft als auch hinsichtlich der zahlreichen Kooperationsperspektiven mit anderen Clustern wie z.€B. „Umwelttechnologien.NRW“. Die Kreativwirtschaft bietet da ein anderes Bild. Als äußerst kleinteilig strukturierte Branche weist sie einen niedrigen Organisationsgrad auf und lässt eine nur geringe Neigung zu dauerhaften operativen Vernetzungen erkennen, auch wenn bewährte Partnerkonstellationen wiederholt zur Abwicklung von Projekten zusammengestellt werden. Das führt dazu, dass im Rahmen der Clusterwettbewerbe CREATE.NRW im wesentlichen traditionelle Projekte eingereicht werden, die zwar durchaus mehrere Partner für die Durchführung vorsehen, aber kaum einen Bezug zu den für das Branchenwachstum notwendigen strukturbildenden Aspekten des Clustergedankens haben – wegweisende Ausnahmen wie der Kölner Musik- und Veranstaltungscluster „Sound of Cologne“ bestätigen hier die Regel. Zudem sind kreativwirtschaftliche Innovationen im allgemeinen nicht technologisch orientiert, die Förderprogramme aber schon. Für die Branche ist es 1╇
Mit Kreativwirtschaft ist hier ausdrücklich nicht der öffentlich subventionierte Kulturbetrieb gemeint, sondern die Branchen Musik/Veranstaltungen, Design, Modedesign, Buchmarkt, Kunstmarkt und Werbung, soweit sie Produkte und/oder Dienstleistungen wirtschaftlich, also mindestens kostendeckend an den Markt bringen.
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nicht leicht, sich im Rahmen von Vorgaben als förderwürdig darzustellen, die eindeutig den vorherrschenden technologiezentrierten Innovationsbegriff und die damit verbundenen Anforderungen und Nachweislasten transportieren. Hier passen Fördermimik und Branchenlogik nicht gut zusammen und können, wie Beispiele zeigen, nur mit sehr gutem Willen aller Beteiligten zur Deckung gebracht werden. Das wiederum strapaziert, zusätzlich zu allen sonstigen Stolperstellen, die Nerven der Förderer ebenso wie die der Geförderten. Schließlich weisen mehrere Teilbranchen der Kreativwirtschaft eine Besonderheit auf, die mit einem ehernen Grundsatz der Förderung, dem Subsidiaritätsprinzip, kollidiert: sie leben zu einem guten Teil von Einnahmen, die sie mit eben den Veranstaltungen (Konzerten, Ausstellungen usw.) erzielen müssen, die sie eventuell gerade als innovative Formate zur Förderung beantragt haben2. Das Subsidiaritätsprinzip sagt nun aber (für die Zwecke dieses Beitrags abgekürzt), dass jeder Euro, der im Rahmen eines geförderten Projekts als Einnahme erzielt wird, im Verhältnis 1:1 von der Förderung abgezogen werden muss, was im Grundsatz ja auch sinnvoll und richtig ist. Allerdings kommt die Kreativwirtschaft damit schnell in Schwierigkeiten. Ein fiktives Beispiel: ein neues Veranstaltungsformat im Designbereich wird zur Förderung beantragt und bewilligt. Für die Veranstaltung (die ja nachhaltig etabliert werden soll, sonst wird sie nicht gefördert) muss Eintritt erhoben werden, damit sie sich refinanziert. Die so erzielten Einnahmen werden dann aber wieder von der Förderung abgezogen, ohne die es die Veranstaltung gar nicht gegeben hätte, d.€ h. die Förderung muss zumindest in Teilen zurückgezahlt werden. Damit stehen die Veranstalter im zweiten Jahr vor genau demselben Finanzierungsproblem wie beim ersten Mal, denn sie können keine Rücklagen bilden. Gerade die Nachhaltigkeit der Veranstaltung, eins der wesentlichen Förderziele, wird so torpediert. Es geht, wie gesagt, nicht darum, das Subsidiaritätsprinzip im ganzen zu kritisieren, nur hat es hier, unter den konkreten Bedingungen einer speziellen Branche, fatale Auswirkungen. Zielführende Ausnahmeregelungen wie z.€B. die Einzahlung der Einnahmen auf ein Treuhänderkonto mit entsprechenden Auflagen für die Verausgabung im nächsten Jahr sind bisher nicht zulässig. Die Alternative, eine solche Veranstaltung am freien Markt zu kapitalisieren, funktioniert trotz der sinnvollen Einrichtung des Kreativwirtschaftsfonds bei der NRW-Bank nicht gut; die Kreativwirtschaft ist kein Lieblingskind der Banken und privaten Investoren. Was hier an der Kreativwirtschaft in Kürze dargestellt wurde, gilt mit branchenspezifischen Modifikationen im Grundsatz auch für die Medien- und mit Abstrichen für die IT-Branche. Die Frage liegt nahe, was unter den Bedingungen solcher Branchen – Kleinteiligkeit, niedriger Organisationsgrad, Kapitalschwäche und nicht zuletzt ein stolzer Eigensinn, der für ‚typisch kreativ‘ gehalten wird und wirtschaftlichen Erwägungen oft nur wenig zugänglich ist 2╇
Natürlich muss jede Branche ihre Produkte verkaufen, aber wenn die Entwicklung eines Werkstoffs oder die Konzeption eines Versuchsreaktors gefördert wird, dann kann man während der Förderphase nicht mit Einnahmen rechnen – die fließen erst später und sind dann nicht mehr förderschädlich.
Kleinteilige und kapitalschwache Branchen…
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…stellen neue Fragen an Theorie und Praxis der Cluster
I. Dammer
– denn sinnvollerweise mit dem Begriff „Cluster“ gemeint sein kann, wenn Innovation und Wachstum sich offenbar unter anderen Bedingungen vollziehen als in technologie- und/oder klassisch produktionsorientierten Branchen, anhand derer die Clustertheorie ja entwickelt wurde. Es wäre in dieser Hinsicht mit Sicherheit hilfreich, einige weniger prominente Aspekte des Clustergedankens näher zu betrachten. Wie wirkt z.€B. der Faktor „Nähe“ im ‚Kreativschwarm‘ auf die Wirtschaftlichkeit? Greift das Modell der „Wertschöpfungskette“ für solche Branchen überhaupt? Welchen Einfluss hat die spezifische Beschäftigungsstruktur (hoher Anteil projektbezogen beschäftigter freier Mitarbeiter) auf Innovationstempo und Wachstumsfähigkeit der Branchen? Die Antworten auf solche Fragen würden dazu beitragen, die Clustertheorie und die darauf basierende Strukturpolitik soweit zu flexibilisieren, dass auch ‚eigenartige‘, aber in vielen Punkten zukünftige Entwicklungen vorwegnehmende Branchen geschmeidiger in die Strukturpolitik integriert werden können. Netzwerke und nachhaltige Strukturbildung
Nachhaltigkeit der Netzwerkstrukturen oft nicht gesichert
Schon die bisher behandelten Aspekte – und sie erheben bei weitem keinen Anspruch auf Vollständigkeit – lassen erkennen, dass eine einheitliche Beurteilung der clusterpolitischen Erfolge kaum möglich ist. Allerdings ist unter dem Gesichtspunkt „Kooperation“ doch eine wichtige Frage zu stellen, die vor allem den Zielkorridor der Nachhaltigkeit betrifft. Legt man Porters Erkenntnisse und Theorie über die Wettbewerbsvorteile von Clustern zugrunde, dann findet man im operativen Zentrum der Cluster Unternehmensnetzwerke, die im Idealfall die ganze Wertschöpfungskette abdecken. Stabilität, Adaptionsfähigkeit und Wachstumsorientierung dieser Netzwerke entscheiden wesentlich über die Nachhaltigkeit des wirtschaftlichen Erfolgs von Clustern. Dass sie qua Clusterpolitik in NRW besser mit potenziell wachstumsförderlichen Partnern vernetzt werden sollen, wurde bereits gesagt – wieweit dies gelingt, ist der Evaluation auf Landesebene bisher leider nicht zu entnehmen. Es wäre nicht zuletzt für die wirtschaftspolitische Steuerung der Clusterpolitik von großem Nutzen, mehr über das faktische Funktionieren der Netzwerke und Verbünde von Unternehmen als Kerneinheiten der Cluster zu wissen. Damit ist eine Ebene diesseits von Clusterbüro und Landesclustern, deren Manager ja mit definierten, aber eben nicht-operativen Aufgaben betraut sind, und jenseits der einzelnen Netzwerke angesprochen, die ihrerseits im Operativen aufgehen und darüber hinaus oft faktische Projektnetzwerke sind, es also fraglich erscheinen lassen, ob sie die notwendigen Schritte in Richtung auf nachhaltige Strukturbildung überhaupt im Blick bzw. auf ihrer Agenda haben. Beide Ebenen, Bundesland und Netzwerke, hin und wieder auf Konferenzen zusammenzuführen, sie im Alltag aber faktisch unvermittelt nebeneinander mit ihren eigenen, vom jeweils anderen gänzlich unabhängigen Vorhaben und Sorgen arbeiten zu lassen, reicht nicht per se aus, um eine solche Struktur entstehen zu lassen. Mehr Wissen über die operativen Netzwerke und ein zielführendes Unterstützungsangebot für deren Manager wären hier sicher hilfreich,
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für die langfristige Unabhängigkeit zumindest einiger Cluster vielleicht sogar notwendig, und sie würden die bisherige Landesclusterpolitik in NRW sinnvoll ergänzen.
5 Und die Zukunft? Die Bürger in NRW haben 2010 ihre Landesregierung ab- und eine neue ins Amt gewählt. In solchen Fällen, das lehrt die Erfahrung, dauert es meist eine Weile, bis über neue fachpolitische Ausrichtungen entschieden ist, die Entscheidungen kommuniziert sind und schließlich Taten folgen. Die neue Landesregierung hat angekündigt, die zukünftige Clusterpolitik stärker auf die allmähliche Umstellung der Wirtschaft gemäß den Prinzipien der Nachhaltigkeit auszurichten, ansonsten aber bisher keine Signale für einen nennenswerten Kurswechsel in der Clusterpolitik gegeben. Es erschiene auch, von außen betrachtet, einigermaßen fragwürdig, mitten in der aktuellen Förderphase eine Förderlinie zu stoppen oder einschneidend umzustrukturieren, die gerade die nötigen Abwicklungsroutinen entwickelt hat, offenbar auf Akzeptanz stößt, funktionierende Arbeitsnetzwerke in den Regionen erzeugt hat und last but not least der langfristigen wirtschaftspolitischen Ausrichtung der EU entspricht. Es dürfte daher insgesamt schwierig sein, die Entwicklung der letzten vier Jahre in dieser Hinsicht rückgängig zu machen. 2011 werden die Wettbewerbe in den Clustern Medien und Kreativwirtschaft zu einem Wettbewerb zusammengefasst. Es lassen sich also Ansätze für eine Zentralisierung erkennen. Ob das Sinn macht, bleibt abzuwarten. Entscheidend für Effektivität und langfristigen Erfolg der Landesclusterpolitik werden aber weniger Maßnahmen innerhalb der politischen Verwaltung sein, sondern der Ausbau der gezielten Interaktion zwischen politischer Clusterverwaltung und konkreter Netzwerkpraxis. Die in diesem Band beschriebene österreichische Initiative klima:aktiv, die ähnlich wie die Clusterinitiative in NRW ausdrücklich im Spannungsfeld zwischen Politik und Wirtschaft angesiedelt ist und dort einen klaren Auftrag zu erfüllen hat, kann dafür als anregendes Vorbild gelten.
Cluster und Kompetenzstandorte: Wie identifiziert man Potenziale für regionale Kooperationen und Netzwerke? Peter Vieregge
Zu Beginn der Globalisierungsdebatte gab es eine Diskussionsrichtung, die davon ausging, dass durch die Globalisierung der Standort eines Unternehmens austauschbar und damit unbedeutend wird. Heute hat sich die Diskussionsrichtung umgekehrt und es wird deutlich, dass es gerade das regionale Umfeld ist, das wichtige Erfolgsfaktoren für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens beisteuert. Das regionale Umfeld besteht nicht nur aus „Hardware“ (Autobahnen etc.) sondern auch aus „Software“, deren Bedeutung steigt. Zu diesen weichen Faktoren eines Unternehmensstandortes zählt z.€ B. die Fähigkeit der Unternehmen, Netzwerke zu bilden. Alles, was ein Unternehmen global einkaufen kann, ist auch für seine Konkurrenz zugänglich. Wettbewerbsvorteile für Unternehmen ergeben sich zusätzlich durch die Nähe und Fühlungsvorteile zu anderen Unternehmen am Standort. Hinzu kommt, dass nach einer jahrelang andauernden Konzentration auf Kernkompetenzen im Mittelstand sowie in konzernabhängigen Unternehmensteilen diese abhängig von einem funktionierenden Zuliefer- und Partnernetzwerk vor Ort sind. Nach der Optimierung betriebsinterner Wertschöpfungsketten liegen besondere Wettbewerbspotentiale in der Optimierung unternehmensübergreifender Geschäftsprozesse. Die Wiederentdeckung des Standortfaktors „Nähe“ durch die Unternehmen (vgl. Porter 1991) sowie neue Organisationsformen der Unternehmen (vgl. Sydow 1999) spielen ebenfalls eine wichtige Rolle für die Regionalentwicklung und die Wirtschaftsförderungseinrichtungen. Nicht jeder Standort ist in der Lage, seinen Unternehmen ein Umfeld zu bieten, das diese Optimierung innerhalb bestimmter Branchen und Wertschöpfungsketten zulässt. Es gibt Standorte, die in bestimmten Wertschöpfungsbereichen Alleinstellungsmerkmale besitzen und den Unternehmen für den Aufbau von Netzwerken einen nicht kopierbaren Vorteil bieten. Das Prinzip ist bekannt. Es gibt Wirtschaftsstandorte, deren Namen fast zum Inbegriff für bestimmte Wirtschaftskompetenzen geworden sind. Medien aus Köln, Biotechnologie aus München, Uhren aus der Schweiz, „Marketingstadt Düsseldorf“, Klingen aus Solingen, Schlösser und Beschläge aus Velbert, Software aus Silicon Valley, hier sind Produkte und Standort kaum zu trennen. Je
Wettbewerbsfähigkeit durch Nähe
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Netzwerke mit hoher Marktreichweite entscheidend für Standorte
Definition „Cluster“
Der ganze Cluster
P. Vieregge
spezialisierter ein Standort ist, desto stärker muss er darauf achten, nicht mit der Branche „unterzugehen“. Wirtschaftsforscher haben entdeckt, dass sich solche Kompetenz-Standorte (sogenannte Cluster) nicht nur durch geschichtliche Zufälle entwickeln, sondern gezielt aufgebaut und weiterentwickelt werden können. Kompetenzstandorte sind in der Lage, international führende Leitunternehmen und Unternehmensnetzwerke einer Branche hervorzubringen, sich ihre eigene, leistungsfähige Zulieferlandschaft zu schaffen, die fähigsten Gründer und die interessantesten Investoren anzuziehen. Dies ist gerade in der Globalisierung unternehmerischer Aktivitäten und bei der Verschärfung des internationalen Standortwettbewerbs ein Wettbewerbsvorteil. Entscheidend für die Zukunft eines Standortes ist die Struktur seiner Wirtschaft und seine Fähigkeit, reife und junge Branchen miteinander zu verknüpfen. Neueste Forschungsergebnisse zeigen, dass Unternehmen mit nationalen und internationalen Märkten zwar nur 30% der Beschäftigten auf sich vereinigen, aber führend im Bereich Patente und Lohnwachstum sind. Diese Unternehmen bestimmen das Lohnniveau des lokalen Handels und Handwerks. Je höher die Löhne der internationalen Cluster vor Ort, desto höher die Löhne der lokalen Wirtschaft. Die beste Wirtschaftsförderung für lokale bzw. regionale Strukturen ist demnach die Förderung der Clusterformationen und Netzwerke mit hoher Markt-Reichweite. Das sich daraus ergebende wirtschaftspolitische Konzept ist die „Clusterpolitik“. Zur Verdeutlichung des Konzeptes dient die folgende Definition: • Ein Cluster ist eine räumliche Konzentration von miteinander in Beziehung stehenden Unternehmen aus Produktion und Dienstleistung, öffentlichen Organisationen und wirtschaftsnahen Einrichtungen in einer Region. • Die gegenseitigen Beziehungen tragen zu einer Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Beteiligten und des gesamten Systems bei. • Die Clustermitglieder können wechselnd mal Zulieferer oder Abnehmer, Wettbewerber oder Partner sein. Die Teilnehmer am Cluster sehen die Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette als Erfolgsfaktor ihrer Entwicklung an. Der Cluster hat positive Auswirkungen auf die Unternehmensstrategie. • Für die Wettbewerbsfähigkeit eines Clusters ist das Vorhandensein eines Clustermanagements ein wesentlicher Entwicklungsfaktor. Aufgabe des Clustermanagements ist die Formulierung einer Zukunftsperspektive, Organisation von Serviceleistungen und die Standortvermarktung. Eine zentrale Serviceleistung in diesem Zusammenhang ist die Unterstützung von Unternehmen bei der Entwicklung von Unternehmensnetzwerken. Das Vorhandensein eines Clusters muss nicht die Bildung von Netzwerken nach sich ziehen. Deshalb müssen verschiedene netzwerknahe Begriffe in diesem Zusammenhang unterschieden werden. • Der Cluster selbst bildet die Summe der Unternehmen und Einrichtungen, die zu einem bestimmten Kompetenzfeld zählen oder sich dazugehörig fühlen. Der Cluster hat unklare Grenzen und keine Organisation. Die Beziehung zwischen den Mitgliedern ist eher zufällig und läuft ohne „Spielregeln“ ab. Die meisten Mitglieder verhalten sich passiv.
Cluster und Kompetenzstandorte ╅╇╛╛65
• Die „Lenkungsgruppe“ eines Clusters ist die Summe der Unternehmen und Einrichtungen, die zum Kompetenzfeld zählen und dem Cluster aktiv eine bestimmte Entwicklungsrichtung geben wollen. Die Lenkungsgruppe hat klare Grenzen und eine bestimmte Zahl von Mitgliedern, ist locker organisiert und hat wenig formalisierte Spielregeln. Die Intensität der geschäftlichen Verbindungen zwischen den Unternehmen ist nicht hoch. • „Unternehmensnetzwerke“ innerhalb eines Clusters sind die Summe der Unternehmen, die zum Kompetenzfeld zählen und innerhalb des Clusters bestimmte unternehmerische Ziele in Kooperation mit anderen Unternehmen erreichen wollen. Die Netzwerke haben klare Grenzen und eine bestimmte Zahl von Mitgliedern, sie sind nach einer Anfangsphase formal und dauerhaft organisiert und geben sich selbst Spielregeln. Die Intensität der geschäftlichen Verbindungen zwischen den Unternehmen ist hoch und die Mitglieder sind aktiv.
1 Identifizierung von potentiellen Kompetenznetzwerken in Regionen Ziel jedes Standortes ist die Verbesserung seiner Wettbewerbsfähigkeit, um Arbeitsplätze zu sichern bzw. die Schaffung von Arbeitsplätzen zu unterstützen. Die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit bezieht sich auf den immer härter werdenden internationalen Wettbewerb um Unternehmen, Investitionen, Bürger, Forschungseinrichtungen, Gründer, Touristen usw. zwischen den Standorten. Da die Ziele von Wirtschaftsstandorten ähnlich sind, unterscheiden sich erfolgreiche von weniger erfolgreichen Standorten vor allen Dingen durch ihre wirtschaftspolitischen Strategien. Wie in der Privatwirtschaft dienen Strategien der Schaffung einer einzigartigen und wertvollen Standort-Positionierung im Wettbewerb (Alleinstellungsmerkmale) und beruhen auf differenzierenden wirtschaftspolitischen Aktivitäten. Unter Wettbewerbsgesichtspunkten geht es darum zu analysieren, • mit welchen Wirtschaftsleistungen (Unternehmen und Netzwerken) und • mit welchen Wirtschaftsförderungsleistungen sich der Standort gegenüber anderen kommunalen und regionalen Konkurrenten profilieren kann. Da nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen, müssen sich Wirtschaftsförderungseinrichtungen auf bestimmte strategische Zielgruppen und Wirtschaftsförderungsangebote konzentrieren. Die strategischen Zielgruppen ergeben sich aus den wirtschaftlichen Alleinstellungsmerkmalen und Kernkompetenzen des Standortes. Wie erkennt man aber, wo die Unternehmenskonzentrationen liegen, wie die Zukunft der Branchen aussieht und welche Unternehmen darin arbeiten, um Unternehmensnetzwerke aufzubauen? Eine Methode ist das RegioRating, das nach folgender Methodik angefertigt wird:
Clustersteuerung
Unternehmensnetzwerke als operative Ebene eines Clusters
66 RegioRating: Methode der Clusterbewertung
P. Vieregge
• Die analysierten Daten beziehen sich auf Unternehmen oder genauer auf die Tätigkeitsfelder (Geschäftsbereiche) von Unternehmen. So kann ein Unternehmen in zwei „Branchen“ tätig sein (z.€B. Maschinenbau und Kunststoffverarbeitung). Diese Unterteilung wird in der offiziellen Statistik nicht berücksichtigt, so dass bestimmte Kompetenzen eines Standortes erst durch diese Art der Unternehmensanalyse „sichtbar“ gemacht werden können. • Die Daten beziehen sich nur auf die handelsregisterlich eingetragenen Unternehmen, da zu den restlichen Unternehmen keine vergleichbaren Daten erhältlich sind. Somit liegt die Anzahl der Unternehmen am Standort um den Faktor 1,5–2,5 höher als in der Analyse angegeben. Die Handelsregisterunternehmen sind aber der Schwerpunkt der Wirtschaftskraft (80– 90%) und somit auch eine gute Grundlage für eine Analyse. • Die Sortierung der folgenden Tabelle ergibt sich aus der zweiten Spalte (Cluster-Index, grün). Der Cluster-Index gibt an, wie stark die Konzentration einer bestimmten Kompetenz innerhalb eines Wirtschaftszweiges (Spalte 1) im Vergleich zu Westdeutschland ist. Wenn der Wert größer als 1 ist, liegt eine überdurchschnittliche geographische Konzentration von Unternehmenskompetenzen vor (Spalte 2). Bei lang anhaltenden, sehr hohen Werten haben Standorte die Chance, Markenstandorte zu werden. • Die siebte Spalte gibt das Feri-Branchen-Rating wieder, das alle 3 Monate aktualisiert wird. Das Rating gibt an, wie „wettbewerbsfähig“ eine Branche im Vergleich zu den anderen Branchen ist. Die Wettbewerbsfähigkeit einer Branche setzt sich zusammen aus verschiedenen Faktoren. Klasse
Prognose Bewertung
A
Außergewöhnlich erfolgreiche bis erfolgreiche Branche
B
Sehr stabile Branchenentwicklung bis stabile Branchenentwicklung
C
Befriedigende Branchenentwicklung
D
Gefährdete Branche bis deutlich gefährdete Branche
E
Erheblich gefährdete bis außergewöhnlich gefährdete Branche
Cluster und Kompetenzstandorte ╅╇╛╛67
Die folgende Tabelle gibt eine Beispielanalyse wieder (Abb.€1).
Abb. 1:╇ RegioRating
Auf der Basis dieses RegioRatings können die Stärken und Schwächen des Standortes und seine Zukunftsfähigkeit eingeschätzt werden. Die Wirtschaftsstruktur des Beispielstandortes ist gegenüber Westdeutschland wettbewerbsfähiger. Der Anteil der Branchen mit erfolgreichen bis befriedigen Aussichten am Standort beträgt 16% gegenüber 13% in Westdeutschland. Insgesamt hat der Standort aber ein Lohnniveau, das unter dem von Westdeutschland liegt. Durch ihre Wettbewerbspositionen sind folgende Kompetenzbereiche besonders in der Lage, einen Beitrag zum Arbeitsplatzaufbau und zur Beschäftigtensicherung zu leisten: Herstellung von Kfz und Kfz-Teilen, Sonstige Dienstleis-
RegioRating: Ein Beispiel
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Wertschöpfungsketten: Der Zusammenhang zwischen Branchen
P. Vieregge
tungen, Geräte der Elektrizitätserzeugung, Energieversorgung, Maschinenbau, Sonstiger Fahrzeugbau, Herstellung von Büromaschinen/DV, Papiergewerbe, Recycling, und das Versicherungsgewerbe. Bei der „Eingrenzung“ von Clustern, in denen Netzwerke aufgebaut werden können, spielt weniger die Branchenzugehörigkeit eines Unternehmens die entscheidende Rolle. Zentrale Gesichtspunkte sind • die Verknüpfung bestimmter Branchen über Wertschöpfungsketten hinaus, sowie • die Funktion von Unternehmen. So kann ein Unternehmen aus der Branche „Chemie“ zu einem Gesundheitscluster gehören (Funktion: Herstellung pharmazeutischer Produkte) oder zu einem Automobilcluster (Funktion: Herstellung von Automobillacken). Der Beispielstandort weist Cluster in zwei bis drei Feldern auf, in denen die Entwicklung von Kompetenznetzwerken eine gute Basis finden würde: • Cluster Automotive: Dazu würden folgende Branchen zählen: Herstellung von Metallerzeugnissen, Metallerzeugung und -bearbeitung, Herstellung von Kfz und Kfz-Teilen, Sonstiger Fahrzeugbau, Geräte der Elektrizitätserzeugung, Herstellung von Gummi und Kunststoffen, Maschinenbau, Recycling und Landverkehr. Die sonstigen Dienstleistungen deuten darauf hin, dass es eine größere Anzahl von Industrie-Service Unternehmen gibt. Insgesamt dürfte eine strategische Chance der Region darin bestehen, die Gründung und Ansiedlung von industrienahen Dienstleistern zu fördern. Das Vorhandensein solcher Dienstleister wäre eine Unterstützung für die Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit der hervorragenden Industriebasis. • Weitere Cluster dürften sich in den Feldern „Holz“ und „Gesundheitswirtschaft / Freizeitwirtschaft“ finden. Um genauer sehen zu können, wo die Schwerpunkte eines Clusters liegen und wo die Standortstrategie ansetzen muss, um die Wertschöpfungsketten weiterzuentwickeln (Gründung und Ansiedlung neuer Unternehmen), muss ein Wertschöpfungsmodell erarbeitet werden. Das folgende Modell zeigt die Wertschöpfungsketten eines Kompetenzstandortes im Bereich der Gesundheitswirtschaft. Rund 88 Leitunternehmen aus der Branche arbeiten in der Stadt. Sie repräsentieren 80.000 Mitarbeiter weltweit und besitzen eine überdurchschnittliche Unternehmensgröße von rund 900 Mitarbeitern je Unternehmen, das Umsatzvolumen von rund 11 Milliarden Euro wird unter anderem von internationalen Marktführern am Standort sowie von innovativen Forschungs- und Prüfinstituten erwirtschaftet. Innerhalb dieser Unternehmenslandschaft baut der Standort Unternehmensnetzwerke auf (Abb.€2).
Pharma-Produktion / Produkte - diätische / pharmazeutische Medikamente - Kosmetik
Komponenten
-Speicher -Handhelds, ...
DV-Komponenten / Geräte
Verpackung
Gesundheitseinrichtungen - Kur / Reha - Kliniken / Labore - Wellness - Seniorenheime
Systeme
Automobil-Komponenten - Hydraulik - Bremsen - Motoren
Finanzierung - Leasing: Gebäude, Liegenschaften Techn. Anlagen, DV Anlagen, Mobilien - elektronischer Zahlungsverk. - Absatzfinanzierung (Medizintechn.) - Vermögensverwaltung - Beteiligungsgesellschaften (Chemie / Pharma)
Medizin-/ Messtechnik - med. / wiss. Geräte - Dialyse / Diagnostik - Pharmamesstechnik - Robotik - Zeitmesstechnik - Lokalisierungsmesstechnik
Automobil-Teile - Schläuche - Reifen - Leuchten - Verbundstoffe
Gummiherstellung
Chemie - Rohstoffe - Halbprodukte
Teile
Produktion mit vor-und nachgelagerten Bereichen
Abb. 2:╇ Wertschöpfungsmodell: Beispiel eines Gesundheitsstandortes
= Relevanz für Gesundheitswirtschaft
Consulting - Medizin / Pharma - Gesundheitswirtschaft - Hotellerie - Marktforschung / Werbung - Vermögen - Automobil
Ing.-Service - Planung Pharma Anlagen - Umwelttechnik - Krankenhaushygiene - Laborservice - Energie
SoftwareEntwicklung - Chemie / Pharma - e-commerce - Kommunikation - Internet - Vermögensverwaltung
F&E - Organische / anorganische chem. Erzeugnisse - Arzneimittelprüfung - klinische Studien - Analyseservice
Produktentwicklung Produktionsvorbereitung
Vertrieb - Telefonmarketing - Direktmarketing - e-commerce
Bildungsanbieter
- Medizintech .
Export-Import
Großhandel - Arzneien - Pharmaprod.
- Reformwaren - Röntgen - Diät
Gesundheitsvereinigungen
Fachpresse - Medizin - Chemie / Kunstst. - Gesundheitseinrichtungen
Vermarktung / Markt
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70 Wertschöpfungs-modell: Beispiel eines Gesundheitsstandortes
P. Vieregge
Es ergeben sich Potentiale für den Aufbau von Kompetenznetzwerken innerhalb einzelner Segmente aber vor allem entlang der Wertschöpfungskette mit der Möglichkeit ungewöhnlicher Kombinationen. So kann die Kompetenz im Bereich der Finanzierung genutzt werden, um Leasingmodelle für medizintechnische Geräte zu entwickeln, die den Kunden aus der Branche der Krankenhäuser Kostenvorteile bringen. Natürlich ist es in diesem Falle möglich, ein Netzwerk mit Finanzierungsspezialisten, Geräteherstellern und Krankenhäusern am Ort aufzubauen, um die neue Dienstleistung zu testen, bevor sie an den Markt geht. Der Netzwerkaufbau wird erleichtert, weil die Entwicklung der Kommunikationskanäle zu geringen Zeit-Kosten „vor der Haustür“ möglich ist. Dieser Wettbewerbsvorteil liegt damit rein in der Umgebung und kann nicht ohne weiteres von anderen Unternehmen und Standorten kopiert werden.
2 Beispiele regionaler Kompetenznetzwerke und Aufgaben der Startphase Beispiele für die inhaltlichen Ergebnisse der Startphase Wirtschaftsförderungen: Wichtige Prozess-Promotoren
Den meisten Unternehmen und vor allem Mittelständlern sind die oben gezeigten Daten fast völlig unbekannt. Gerade im Mittelstand gibt es kaum die Ressourcen, sich systematisch über sein Unternehmensumfeld zu informieren. Der Aufbau von Unternehmensnetzwerken gestaltet sich besonders in der Anfangsphase schwierig, da ein einzelnes Unternehmen nur sehr schwer andere Unternehmen ansprechen kann, mit dem Ziel, ein Netzwerk aufzubauen. Der Grund dafür liegt oft darin, dass in solchen Fällen ein als neutral angesehener Moderator fehlt. Gibt ein einzelnes Unternehmen beim Aufbau eines Netzwerkes den Ton an, handelt es sich schnell nicht mehr um einen Netzwerktyp, bei dem die Machtverhältnisse gleich verteilt sind. Die Angst anderer Unternehmen, in der Kosten-Nutzen-Bilanz des Netzwerkes schlecht wegzukommen und durch das Leitunternehmen ‚ausgenutzt‘ zu werden, kann eine kooperative Entwicklung verlangsamen oder sogar verhindern. Wirtschaftsförderungseinrichtungen haben in dieser Situation den Vorteil, als neutrale und vertrauensvolle Partner angesehen zu werden. Neuere Untersuchungen zeigen, dass das Vorhandensein so genannter „Kooperations-Institutionen“ ein wichtiger Erfolgsfaktor für das funktionieren von Clustern und Cluster-Netzwerken sind. Die folgenden Beispiele wurden von Wirtschaftsförderungseinrichtungen initiiert und vom Autor begleitet. Sie sollen schlaglichtartig verdeutlichen, wie der Einstiegsprozess bei der Bildung von Netzwerken innerhalb von Clustern ablaufen kann.
Cluster und Kompetenzstandorte ╅╇╛╛71
Bielefelder IT-Kompetenznetzwerk (BIKONET), Bielefeld Im Rahmen der Bielefelder Initiative PRO Mittelstand, wurde von der Wirtschaftsförderungseinrichtung WEGE GmbH der Clusteransatz in den Kompetenzfeldern vor allem über Unternehmensnetzwerke realisiert. Bielefeld ist ein starker IT- und Softwarestandort, er belegt Rang 3 im NRWStandortvergleich. Rund 400 Unternehmen sind im weiteren Sinne dieser Standortkompetenz zuzuordnen. Sie werden ergänzt um weitere 400-800 kleine Unternehmungen, die freiberufliche Unternehmensformen haben. In einem ersten Treffen von Unternehmen der Branche wurde die Idee entwickelt, gemeinsam einen „Zukunftsworkshop“ durchzuführen, bei dem sich die Unternehmen über ihre gegenseitigen Visionen und Zukunftsstrategien informieren. Daraus sollen sich gemeinsame Vorhaben und Geschäfte entwickeln. Im ersten Workshop am 30.9.2002 wurden folgende Schwerpunkte herausgearbeitet: • Ziel des Netzwerkes: Ziel ist es, ein Kompetenznetzwerk von IT-/Softwarefirmen aufzubauen, das es den Mitgliedern erleichtert, • innerhalb des Netzwerkes sowie mit externen Kunden Kontakte und Geschäftsbeziehungen aufzubauen. • Die Schwerpunktstrategie besteht darin, o zunächst durch die Arbeit/das Kennenlernen innerhalb des Netzwerkes Transparenz in die unterschiedlichen Leistungsprofile zu bringen. Auf dieser Basis sollen folgende Vertriebs- und Geschäftstypen verstärkt werden: Netzwerk-Binnengeschäft, Netzwerk-Außengeschäft (im Sinne von Generalunternehmer-Projekten sowie dem Aufbau einer „Marke“), innerhalb der Marktgebiete OWL und nationale/internationale Märkte (OWL als Markttestgebiet). • Folgende Themenblöcke standen im Mittelpunkt der ersten Betrachtungen: o strategische Partnerschaften und Kooperationen o Positionierung der Anbieter und der Produktleistungen o Vertriebsinstrumente o Personalrekrutierung und -entwicklung/Unternehmenskultur o Finanzen/Finanzierung Nur 5 Monate später hatte sich nach verschiedenen Sitzungen eine Arbeitsteilung innerhalb der Unternehmen ergeben, um an verschiedenen Netzwerkthemen zu arbeiten. Es bildeten sich die Arbeitsgruppen: • „Ziele/Selbstverständnis/Profil“, • „Marke/Namensgebung“, • „Maschinenbau (als Markt)“. Mitte 2003 bildete sich aus der Gruppe ein Verein, der schon kurze Zeit später im Internet einen eigenen Auftritt entwickelte (www.bikonet.de). Das heißt, dass kaum ein Jahr nach der Auftaktveranstaltung 2002 ein Netzwerk existierte, das folgende zentrale Mission und Vision verfolgte: • „Moderne Informationstechnologien (IT) sind durch eine starke Dynamik geprägt. Bei einer Vielzahl von Produkten, Standards und Trends wird es
Von der Idee zur ausformulierten Mission
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P. Vieregge
zunehmend schwieriger, den Überblick zu behalten. Gut, wenn man dann ein Netzwerk aus kompetenten IT-Partnern kennt, auf die man sich verlassen kann, die die Anforderungen der eigenen Branche verstehen und die Herausforderungen am regionalen Standort und internationalen Markt aus erster Hand beherrschen.“ Consulting Netzwerk, Wiesbaden
In vier Sitzungen zum Unternehmensnetzwerk
Der Standort Wiesbaden und die Rhein-Main Region sind ein führendes Zentrum der europäischen Consultingindustrie. Das Projekt KompetenzNetzConsulting WiesbadenRheinMain (www.consultingregion.net) hat das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der Consultingregion zu verbessern und zu dem führenden Zentrum in Europa auszubauen. Die Wirtschaftsförderung der Stadt Wiesbaden unterstützt diesen regionalen Prozess. Konkret bedeutet dies, dass die Wirtschaftsförderung als operativer Dienstleister/Moderator zur Unterstützung des Netzwerkmanagements zur Verfügung steht. Die Zahlen, die Wiesbaden in diesem Bereich aufweist, belegen den Anspruch, ein führendes Consultingzentrum zu sein: • Von den 8.945 Arbeitsplätzen, die seit 1980 in Wiesbaden geschaffen wurden, sind 48%! (4.288) in der Beratung aufgebaut worden. • International bekannte Unternehmen, wie ADL und CSC Ploenzke AG, Marktführer, wie concept AG und Plenum AG, sind am Standort vertreten. • Die rund 400 Beratungsunternehmen aus Wiesbaden beschäftigen 20.000 Mitarbeiter und erwirtschaften einen Umsatz ca. 3 Milliarden Euro. • Der Anteil der Branche an den Gesamtbeschäftigten in Wiesbaden liegt bei 4,5%, in Hessen liegt er bei 3,5%, in Westdeutschland bei 2,5%. • Die Wachstumsdynamik der Branche ist in Wiesbaden besser als in Hessen und Westdeutschland. So wuchs der Umfang der Beschäftigung in Wiesbaden in der Branche seit 1991 um 278%, in Deutschland um 250% und in Hessen um 243%. • Wichtige Nachfragemärkte der Beratung wie die Kredit- und Versicherungsbranche, das Verarbeitende Gewerbe sowie die Nachrichtenübermittlung liegen direkt ‚vor der Haustür‘. Diese Branchen machen 65% der Nachfrage aus. • Das Wirtschaftsklima und die Lebensqualität der Stadt mit Anbindung an einen internationalen Flughafen sind in Deutschland einzigartig. Im Juni 2003 trafen sich Unternehmensvertreter zu einem ersten Workshop, der die Möglichkeiten für den Aufbau eines Unternehmensnetzwerkes identifizieren sollte. Grundsätzlich haben sich die Unternehmen auf zunächst folgende Ausrichtung der Zusammenarbeit geeinigt: • Eine Initiative/ein Netzwerk („Consulting-Marke“) aufbauen, die durch Qualitäts- und Vertrauens-Elemente eine positive Marketingwirkung erzeugt. • Darauf aufbauend soll die Marke als „Plattform“ dienen, um konkrete Geschäftsvorhaben zu verwirklichen.
Cluster und Kompetenzstandorte ╅╇╛╛73
I n der ersten Sitzung wurden 6 Handlungsfelder für das Netzwerk herausgearbeitet: • notwendige vorbereitende Analysen • Transparenz der Kompetenzen herstellen • persönliche Kontakte schaffen • Entwicklung von Projektgeschäft • Vertrieb/Marketing • „interne“ Projekte entwickeln Diese Unternehmen benötigten lediglich 4 Sitzungen, um im Oktober 2003 die durch Arbeitsgruppen formulierten Visionen und Ziele zu beschließen. Ein Grund hierfür ist sicherlich, dass die Zielgruppe „Consulter“ aus beruflichen Gründen die Methodiken und unternehmensübergreifenden Denkansätze beherrscht. Normalerweise ist ein solcher Prozess in 5 Monaten kaum möglich. Die Vision des Netzwerkes lautet: „Vielfalt und Kompetenz – über die Grenzen hinaus“ Als Mission wurde folgendes Statement entwickelt: „Wertvoll für die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit unserer Kunden und unseres Wirtschaftsstandortes. Das KompetenzNetz wird den komplexer werdenden Anforderungen an Beratungsleistungen gerecht: • vielfältige Beratungs- und Lösungskompetenz • prozessorientierte Wertschöpfung und Nachhaltigkeit • Innovationsfähigkeit und Praxisorientierung • Individualität und Größe. Neben der Formulierung des gedanklichen Überbaus war es innerhalb des Prozesses ebenfalls wichtig, konkrete und leicht umsetzbare Projekte zu finden. So war z.€B. das Thema „Ausbildung im Verbund“ ein Ansatz, der versprach, schnell konkreten Nutzen zu stiften. Aufgaben und Schwierigkeiten der Startphase Die Gründung, Entwicklung und das Management von Kompetenz-Netzwerken stellt hohe Anforderungen an die Netzwerkmanager der Wirtschaftsförderungseinrichtungen. Ob es möglich ist, ein Netzwerk innerhalb des kurzen Zeitraumes von 9–12 Monaten zu schaffen, hängt entscheidend vom „Alter“ der Kernbranche des Netzwerkes sowie vom Kommunikationsklima am Standort ab. „Alte“ Branchen sind meist im Lebenszyklus so weit fortgeschritten, dass sie auf „schrumpfenden“ Märkten bzw. Märkten mit abnehmenden Renditen arbeiten müssen. Diese Branchen sind durch einen seit langem andauernden harten Konkurrenzkampf gekennzeichnet, der sich bei vielen Unternehmen so auswirkt, dass in Kooperationen eher Gefahren gesehen werden. Das Kommunikationsklima an einem Standort wirkt sich auf alte, wie neue Branchen aus. Ein Standort mit reifen Branchen und schlechtem Kommunikationsklima hat kaum Möglichkeiten, kurzfristige Erfolge bei der Bildung von Netzwerken zu erzielen. Hier müssen die Unternehmen zunächst wieder lernen, über die Grenzen des eigenen Unternehmens hinaus zu denken.
74 Die Leitfragen für den Start
Erfolgsfaktoren für das Management
P. Vieregge
Unabhängig von diesen Voraussetzungen gibt es aber einige Managementfaktoren und -fragen, die generelle Bedeutung beim Aufbau von regionalen Netzwerken haben: • Welche Typen von Unternehmen nehmen an Netzwerken teil? o Im Vergleich sind die Unternehmen innovativer, jünger und haben mehr Mitarbeiter als der Branchendurchschnitt. o Sie zeichnet eine höhere Anzahl von Mitarbeitern mit Universitätsabschluss aus, sie haben höhere F&E-Ausgaben und einen höheren Umsatz als der Durchschnitt. o Oft ist die Unternehmensphilosophie auf Offenheit und Lernen ausgerichtet. • Welche Ausrichtung wird von den Unternehmen in der Netzwerkorganisation gefordert? o Innerhalb der Wertschöpfungskette: Kunden, Zulieferer, Wettbewerber (Reihenfolge nach Wichtigkeit). o Bei Wertschöpfungspartnern: Technologieeinrichtungen, Universitäten, Wirtschaftsförderungen, Berater, Finanzierungsinstitutionen. • In welchen geografischen Räumen sind Unternehmensnetzwerke realisierbar? o Erreichbarkeit: 30 bis 45 Minuten maximale Fahrzeit, um kommunikationsintensive „Netzwerke mit Grenzen“ (Gegensatz dazu: Netzwerk ohne Grenzen, z. B. Bundesverband) zu realisieren. o Kleinere Unternehmen sind stärker in intraregionale Netzwerke eingebunden als größere Unternehmen, die stärke in interregionale Netzwerke einsteigen. o Regionale Netzwerke sind stabiler, weil in ihnen „Vertrauensbruch“ bzw. der Ausstieg aus dem Netzwerk durch das „Gesetz des Wiedersehens“ eher verhindert wird. • Welche Erfolgsfaktoren kennzeichnen das Management von Unternehmensnetzwerken? o Management der Erwartungsspanne: Die Erwartungsspanne der Unternehmen reicht von der kurzfristigen Lösung eines technischen Problems bis hin zur langfristigen Lösung strategischer Fragen. Der Erfolgsfaktor im Management liegt darin, für die jeweiligen Erwartungen kundenspezifische Angebote zu entwickeln. Die Konsummentalität der Netzwerkmitglieder muss dadurch überwunden werden, dass sie gefordert werden bzw. aktiv Aufgaben übernehmen. o Teilnehmerzahlen: Die Zahl der Betriebe, die aktiv im Netzwerk mitwirken, darf nicht zu groß sein (maximal 30 bis 50). o Themenspektrum: Netzwerke müssen langfristig, ergebnisoffen und themenflexibel angelegt sein. Sie sollten Raum für Lernprozesse bieten. Netzwerke zu Einzelthemen, wie Qualitätsmanagement, werden nicht dauerhaft sein. o Größenmix: In den Netzwerken sollten sich wenige Leitbetriebe befinden und eine größere Anzahl kleinerer Unternehmen. Leitbetriebe können mit folgenden Themen gewonnen werden: Verbesserung des Investitionsklimas, Entwicklung einer wahrnehmbaren Kompetenz-
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region, Verbesserung der Fähigkeit der Zulieferer, Verbesserung des Netzwerkes zwischen den Leitbetrieben, Aufbau eines Netzwerkes qualifizierter Betriebe für ein verlässliches Outsourcing, regionale Personalentwicklung. Der Zeiteinsatz für Arbeits- und Lenkungsgruppen sollte überschaubar bleiben, alle 4 bis 6 Wochen zwei bis drei Stunden sind in der Startphase ausreichend. Teilnehmergebühren: Das Zahlen einer Teilnehmergebühr, die im wesentlichen beeinflusst wird durch die Zahl der Mitarbeiter, ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Das übliche Gebührenniveau für KMU liegt bei 250,– bis € 500,– € pro Jahr. Für Großunternehmen kann dies bis auf 5.000,– bis 10.000,– € pro Jahr steigen. Einbeziehung der Politik: Der wesentliche Beitrag der Politik konzentriert sich auf die Formulierung wirtschaftspolitischer Ziele. Die Politik sollte wenig bis keinen Einfluss auf das Netzwerkmanagement haben. In der Politik sollte aber verstanden werden, dass der Faktor „Nähe“ ein wesentlicher Erklärungsbeitrag für die technologische Leistungsfähigkeit einer Region ist und das der Politikansatz, an intraregionalen Innovationssystemen anzuknüpfen, gerechtfertigt und erfolgreich ist . Vermarktung des Netzwerkes: Die Netzwerkarbeit und das Netzwerkmanagement sollten nach einer Phase der nach innen gerichteten Arbeit unbedingt nach außen treten, um die Gesamtleistung des Netzwerkes wirkungsvoll zu vermarkten. Im besten Fall profiliert die Vermarktung der Unternehmen die Region und es entsteht eine „Leistungsmarke“. Verhältnis von Unternehmensleitung und Mitarbeitern: Um die Idee des Unternehmensnetzwerkes zu realisieren, ist es wichtig, dass in den einzelnen Unternehmen die Mitarbeiter in den Netzwerkprozess mit einbezogen werden. Informelle Kontakte: Zur Festigung der Kontakte zwischen den Unternehmen des Netzwerkes ist es wichtig, neben den formellen Sitzungen auch informelle Treffen zu organisieren (Stammtisch, Feiern, …).
3 Literatur Porter ME (1991) Nationale Wettbewerbsvorteile. Erfolgreich konkurrieren auf dem Weltmarkt. Frankfurt, Main Sydow J (Hrsg) (1999) Management von Netzwerken. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden
Der Prüfstein: Bringen die Unternehmen Ressourcen ein?
Innovationsnetzwerke – ein (nicht nur) wirtschaftliches Erfolgsmodell Jürgen Howaldt, Ingo Dammer
1 D ie Bedeutung von Netzwerken im Innovationsprozess Die Diskussion zum Thema Netzwerke hat inzwischen alle gesellschaftlichen Bereiche erreicht. Die Leistungsfähigkeit von Netzwerken ist vielfältig. Netzwerke helfen Unternehmen beispielsweise dabei, neue Märkte zu erschließen, Kosten zu senken, Risiken zu minimieren und sich an veränderte Kundenwünsche anzupassen (vgl. BMWi 2003). Sie können helfen, mit der zunehmenden Komplexität von Unternehmensumwelten umzugehen. Vor allem aber sind sie eine effektive Organisationsform, um den vom Wirtschaftssystem ausgehenden – verstärkt auch andere gesellschaftliche Teilsysteme erfassenden – steigenden Innovations- und Modernisierungsdruck zu bewältigen. Die besondere Leistungsfähigkeit von Netzwerken besteht in neuartigen Möglichkeiten zur Organisation von Wissensprozessen über die Grenzen der Einzelorganisation hinaus. Aus diesem Grund wird ihnen auch in der Innovationsdebatte ein großer Stellenwert eingeräumt. Der Präsident der Fraunhofer Gesellschaft, HansJörg Bullinger, spricht in diesem Zusammenhang von einem „Paradigmenwechsel des Innovationssystems. […] An die Stelle der traditionellen großen Unternehmen und staatlichen Forschungseinrichtungen treten flexible Innovationsnetzwerke.“ (Bullinger 2006, 14) Auch in der internationalen sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung stehen die Komplexität und der systemische Charakter von Innovationsprozessen im Mittelpunkt des Interesses. Kennzeichnend für diese Debatte ist vor allem eine zunehmende Thematisierung der Vielzahl und Heterogenität der am Innovationsprozess beteiligten Akteure, Organisationen und Institutionen, die damit verbundene Schwerpunktverlagerung auf Netzwerke und (nationale, regionale, lokale) Innovationssysteme sowie auf neue Formen der Innovation, wie z. B. Open Innovation (vgl. Reichwald/Piller 2005), die auf die Kommunikation den mit Wissensträgern aus Wirtschaft, Bildung, Politik und eine aktive Rolle der Nutzer bzw. Endverbraucher im Innovationsprozess setzen. Inhaltlich treten zunehmend Themen wie Netzwerksteuerung, neue Formen der Wissensproduktion und -logistik, Prozesse des interaktiven, interund intraorganisationalen, koevolutionären Lernens sowie transdisziplinäre
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J. Howaldt, I. Dammer
Kommunikations- und Kooperationsbeziehungen als Forschungsfelder in den Vordergrund Bis in die 1980er Jahre hinein steht die Vorstellung eines klar abgrenzbaren, linear ablaufenden Vorgangs, der mit Wissenschaft und Forschung beginnt und mit marktfähigen Produkten und Dienstleistungen endet, im Vordergrund. Durch Forschungsergebnisse aus den 90er Jahren wird zunehmend deutlich, dass man es bei Innovation mit einem komplexen sozialen Prozess zu tun hat, in dem das netzwerkförmige Zusammenwirken der vielen am Innovationsprozess Beteiligten die zentrale Rolle spielt. Daher gelten Netzwerke gegenüber anderen Optionen als überlegene Koordinations- bzw. Steuerungsmechanismen für Innovationsprozesse (vgl. z. B. Rammert 1997). Begriffe wie Innovations- und Lernnetzwerke, Learning Communities, Communities of Practice etc. sind Vorboten eines neuen Innovationsparadigmas, welches die wachsende Bedeutung von Netzwerken im Innovationsprozess widerspiegelt und die enge Kooperation zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft als deren Grundlage betrachtet. Insofern verwundert es nicht, dass wir Netzwerke und Kooperationen zunehmend sowohl in traditionellen Branchen wie der Automobilindustrie oder dem Handwerk ebenso wie im Bereich der wissensintensiven Dienstleistungen und der Medien finden. An Bedeutung gewinnen solche Netzwerke auch im Bereich der Gesundheitswirtschaft sowie im Bereich der Bildung und Weiterbildung (vgl. die Beiträge in diesem Band).
2 Die Stärken von Innovationsnetzwerken
Reduktion von Risiken
abgestimmte regionale Entwicklung Verständigung unterschiedlicher Akteure
Zusammenspiel von Politik und Wirtschaft
Die spezifische Leistungsfähigkeit von Netzwerken im Innovationsprozess liegt insbesondere in vier Aspekten: • In Bezug auf Innovationsprozesse, die mit hohen Unsicherheiten und Risiken verbunden sind, ermöglichen sie die Bündelung unterschiedlicher Kompetenzen und Ressourcen sowie gemeinsame Lern- und Entwicklungsprozesse, die helfen können, Unsicherheiten zu reduzieren. • Im Hinblick auf die wachsende Bedeutung regionaler Standortfaktoren für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen erlauben sie eine abgestimmte Entwicklung von (Produktions-) Unternehmen, unternehmensnahen Dienstleistern und regionalen Akteuren. • Durch die gemeinsame Arbeit tragen sie zur Entwicklung einer Kooperationskultur, gemeinsamer Sichtweisen und (regionaler, sektoraler) Identitäten bei. So ermöglichen sie den Austausch unterschiedlicher Rationalitäten sowie die Einbettung wirtschaftlicher Effizienzkriterien in einen erweiterten Referenzrahmen. • Aus Sicht der Politik stellen Netzwerke ein Erfolg versprechendes Modell moderner Innovationspolitik dar, welches eine Initiierung von Entwicklungsprozessen durch gezielte Impulsgebung, Netzwerkbildung und Aktivierung der Akteure jenseits traditioneller Formen politischer Steuerung ermöglicht und bei den angestoßenen Aktivitäten zur Sicherung der Nachhaltigkeit beizutragen vermag.
Innovationsnetzwerke – ein (nicht nur) wirtschaftliches Erfolgsmodell ╅╇╛╛79
Insbesondere für kleinere und mittelgroße Unternehmen, die in der Regel nicht über die ausreichenden Ressourcen verfügen, die sie dazu befähigen würden, den wachsenden Innovationsanforderungen im Alleingang gerecht zu werden (vgl. Wassermann 1997), ist die Generierung von Innovationen im Netz eine attraktive Alternative. Viele Beispiele zeigen, dass die Arbeit in Netzwerken immer mehr zu einer wichtigen Voraussetzung für den Ausbau der Innovationsfähigkeit wird. Dabei weisen Innovationsnetzwerke häufig auch einen regionalen Bezug auf. Sie sind damit zugleich Ausdruck eines Prozesses, in dessen Folge Netzwerke auch auf regionaler Ebene wachsende Bedeutung erlangen. Dabei spielt u. a. die zunehmende Popularität von Clusterstrategien als Instrument kommunaler Wirtschaftsförderung eine wichtige Rolle (vgl. Porter 1999 sowie Vieregge in diesem Band). Eine Reihe von Untersuchungen zeigen, dass solche Netzwerke durchaus die Erwartungen der beteiligten Akteure erfüllen (vgl. Flocken et al. 2001).
3 Die Kehrseite: Netzwerke stellen Ansprüche Die Arbeit in Netzwerken bietet aber bekanntermaßen ihre Vorteile nicht gratis an. Sie stellt zugleich Ansprüche und ist mit einigen Kosten und Risiken verbunden. Die wesentlichen Risiken solcher Netzwerke für die beteiligten Partner können sein: • Einschränkung der Selbständigkeit, • Erhöhung der Abhängigkeit von Partnern, • komplizierte Abstimmungs- und Controllingprozesse, • zusätzliche Aufgaben und Kosten sowie • Abfluss von Wissen (womöglich an direkte Konkurrenten). Insbesondere in der Aufbauphase ist Netzwerkarbeit mit einer Reihe von neuen Anforderungen und Aufgaben für die beteiligten Unternehmen verbunden. Insofern verwundert es nicht, dass viele Kooperationen trotz des guten Willens aller Beteiligten scheitern. Und so lassen sich neben den vielen Erfolgsstories, die inzwischen die Netzwerkliteratur durchziehen, eine große Anzahl von gescheiterten Versuchen der Netzwerkbildung ausmachen, die die beteiligten Akteure ratlos und frustriert zurücklassen. Dazu kommt eine unbekannte, aber sicher nennenswert große Zahl von Netzwerkversuchen, die von vornherein auf der Illusion der Akteure beruhten, sie könnten ohne weiteres eigenes Engagement mithilfe des Netzwerks ein paar ‚Vorteile pur’ realisieren – so als seien Netzwerke ein Raum, um den die Wirklichkeit, in der nun einmal nichts keinen Preis hat, einen Bogen macht. Netzwerke sind auch hinsichtlich Innovation kein Passepartout und erst recht kein gefälliges Giveaway der modernen Wirtschaftsentwicklung, die quasi en passant die drängenden Probleme mittelständischer Wettbewerbsfähigkeit lösen. Sie sind ein professionelles Instrument mit umschriebener Leistungsfähigkeit und müssen wie jedes Instrument dieser Art professionell gehandhabt und eingesetzt werden.
Anforderungen in Netzwerken
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J. Howaldt, I. Dammer
4 V on der Bedeutung eines professionellen Netzwerkmanagements
Professionelles Netzwerkmanagement…
…ist eine andere Form von Management, die ohne Weisungsbefugnis... …vielfältige Spannungen ausgleichen muss
Netzwerke und Kooperationen entstehen also nicht im Selbstlauf. Angesichts der vielfältigen und durchaus ambivalenten Erfahrungen hat sich vielmehr die Erkenntnis durchgesetzt, dass zu ihrer erfolgreichen Entwicklung und Steuerung nicht nur Visionen notwendig sind, die Ziele setzen und zu motivieren vermögen, sondern konkrete Instrumente benötigt werden, die eine angemessene (Kontext-)Steuerung der Aktivitäten erlauben (vgl. Schmid et al. 2009, 14). Um ihre Leistungsfähigkeit auszuschöpfen, brauchen Netzwerke deshalb ein professionelles Netzwerkmanagement dessen Beitrag zum Innovationserfolg von Netzwerken Knödler jüngst erstmals genauer analysiert hat (Knödler 2011). Professionelles Netzwerkmanagement bedeutet jedoch nicht einfach die Anwendung ‚bewährter’ Managementprinzipien auf einen neuen Gegenstand. Schaut man zurück auf die Geschichte und Herkunft des Managementbegriffes, so stellt man fest, dass er ein Produkt der industriellen Revolution ist. Die klassischen Funktionen des Managements sind Kontrolle, Überwachung und Verwaltung der Arbeitsprozesse in einer Organisation (vgl. Staehle 1989, 4€ff.). Man erkennt leicht, dass es sich bei diesen Funktionen um etwas völlig anderes handelt als beim Management von Kooperationen zwischen rechtlich selbstständigen Unternehmen, und dass sich die in der klassischen Funktion (mehr oder weniger) bewährten Prinzipien nicht einfach auf die neue Aufgabe übertragen lassen. Insofern geht es beim Netzwerkmanagement nicht um eine Übertragung eingespielter Prinzipien auf einen neuen Gegenstand. Notwendig ist vielmehr ein Wandel der Funktionsbeschreibung des Managements selbst. Der wesentlichste Unterschied ist darin zu sehen, dass das Management von Netzwerken weitgehend ohne formales Direktionsrecht auskommen muss. „Par ordre de mufti“ läuft in Netzwerken nichts. Netzwerkmanagement bedeutet vielmehr anforderungsreiches Management ohne Direktionsrecht und Anweisungsbefugnis. Von zentraler Bedeutung werden deshalb Aspekte wie Selbstverpflichtung, Vertrauen und Managing Diversity. Sydow, der sich schon Mitte der neunziger Jahre mit den spezifischen Anforderungen an das Management von Netzwerken beschäftigt hat, arbeitet vier zentrale Funktionen des Netzwerkmanagement heraus (Sydow 2006, 62€ff.). Er führt aus: „Das Management von Netzwerken, die Wahrnehmung der genannten Managementfunktionen, erfordert entsprechende ‚Managementkapazitäten’“. Zugleich verweist er darauf, dass in diesem Zusammenhang „sowohl eine (inter-)organisationale als auch eine (inter-)personale Fähigkeit angesprochen“ (Sydow 1999, 299) ist. Das spezifische der Managementkompetenz sieht Sydow in der Balancierung der in Netzwerken in besonderer Weise ausgeprägten Spannungsverhältnisse (vgl. ebd., 300). 4.1 Das Versprechen von Innovationsnetzwerken Dass Netzwerke, richtig gemanaget, innovationsförderlich sein können, wird mittlerweile allgemein anerkannt (s.€ o.). Aber wie gelingt ihnen das? Was
Innovationsnetzwerke – ein (nicht nur) wirtschaftliches Erfolgsmodell ╅╇╛╛81
macht Netzwerke zu geeigneten Brutstätten für Innovationen im Mittelstand? Und es ist der Klarheit halber anzumerken, dass mit ‚Innovation’ hier immer der volle Zyklus von Idee über Forschung und Entwicklung bis zur erfolgreichen Vermarktung gemeint ist.1 Zweifellos sind die Bündelung von Ressourcen und der relativ problemfreie Zugang zu komplementären, für Innovationen benötigte Kompetenzen im Rahmen eines Netzwerks wichtige förderliche Faktoren, die auch dementsprechend die Literatur zu Innovationsnetzwerken dominieren. Bei Lichte betrachtet ist allerdings zu fragen: Warum klappt das? Und warum hat es vor den Netzwerkzeiten nicht (so gut) geklappt? Mittelständische Unternehmer hätten doch schließlich längst auf die Idee kommen können, horizontal nachzuahmen, was ihnen große Kunden wie z.€B. die Automobilindustrie vertikal schon lange vorexerzieren, nämlich andere Unternehmen in die eigenen Innovationsprozesse aktiv einzubinden. Niemand weiß, wieviele Versuche in dieser Richtung tatsächlich gestartet worden sind, aber ihre Zahl übertrifft die der schließlich erfolgreich arbeitenden Netzwerke sicher um ein Vielfaches. Denn in einem Netzwerk mitzuarbeiten, heißt nicht nur, andere Unternehmen in die eigenen Absichten einzubinden, sondern eben auch, in die Absichten anderer, der Netzwerkpartner, eingebunden zu werden. Und diese ‚passive’ Seite der Medaille machte Netzwerke lange Zeit zu einem relativ seltenen Phänomen im Mittelstand. Hier kommt die spezifische Kompetenz des Netzwerkmanagements ins Spiel, die bereits mit dem Ausbalancieren von in besonderer Weise ausgeprägten Spannungsverhältnissen zusammengebracht wurde (s.€ o.; Sydow, 300). Das angesprochene – und für Unternehmer fundamentale – Spannungsverhältnis liegt zwischen den Aspekten, die man ‚in der Hand hat’, möglichst frei gestalten kann, und ‚beherrscht’, und denen, die einen beeinflussen, bedrängen, zu Aktivitäten zwingen, die man gar nicht tun will. Etwas dramatisch zugespitzt: es handelt sich um die Spannung zwischen Macht und Ohnmacht. Darauf bezogen, muss das Netzwerkmanagement ein zentrales Versprechen von Innovationsnetzwerken einlösen: Den beteiligten Unternehmen eine größere wirtschaftliche Reichweite zu ermöglichen und gleichzeitig ihre Existenz als selbständige Einheit zu garantieren. Netzwerke, die dieses doppelte Versprechen nicht geben, kommen nicht zustande, Netzwerke, die es nicht halten, scheitern. In der Arbeit an der Einlösung des Versprechens steckt die oben angesprochene Notwendigkeit professionellen Netzwerkmanagements und seine Kunst.
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Dieser Zyklus ist idealtypisch zu verstehen, denn selbstverständlich kann auch eine ‚gute’ Innovationsidee an jeder Position des Zyklus scheitern. Oft genug werden sinnvolle Ansätze z.€B. deswegen nicht weiter verfolgt, nicht umgesetzt oder sogar aktiv verhindert, weil sie die wirtschaftlichen Interessen mächtiger Konkurrenten bedrohen. Trotzdem macht es Sinn, dem Nachdenken über Innovation den vollen Zyklus zugrunde zu legen.
Was Mittelständler an Netzwerken stört
Das Versprechen von Innovationsnetzwerken
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J. Howaldt, I. Dammer
4.2 Offene Netzwerkkultur: Der interne Erfolgsfaktor Netzwerke brauchen eine offene Kultur
Offenheit nach außen: Lock-in vermeiden
Offenheit nach innen
Der Teufel steckt (meist) in den Kleinigkeiten,…
…denn sie zerstören auf Dauer die Motivationsbalance im Netzwerk.
Innovationsnetzwerke brauchen neben den bereits erwähnten Bedingungen komplementärer Kompetenzen und erweiterter Ressourcen vor allem eine offene Netzwerkkultur. Nur in einer solchen Atmosphäre, in der das Vertrauen in die Partner und in das Geschehen im ganzen dominiert, äußern die Beteiligten ihre Ideen einigermaßen vorbehaltlos, lassen sich auf die Ideen anderer ein, ‚spinnen’ Ansätze weiter und entwickeln schließlich gemeinsam Lösungen, die in jeder Hinsicht, also auch wirtschaftlich, funktionieren. Eine innovationsfreundliche Kultur ist immer eine offene Kultur. Dem Netzwerkmanagement kommt damit zum einen die Aufgabe zu, das Netzwerk als ganzes offen zu halten und dem Lock-in-Effekt entgegenzuwirken. Damit ist eine Tendenz von Gruppen aller Art gemeint, sich nach einer Findungs- und Verständigungsphase nach außen hin abzuschließen. Das hat durchaus seinen Sinn, ist aber je nach Zweck der Gruppe gleichzeitig eine Problemquelle, was für Innovationsnetzwerke in hohem Maße zutrifft. Denn gerade mittelständische Unternehmen beziehen die meisten Anregungen zu Innovationen vom Markt, sprich: von den Kunden (Dammer 2009, 38). Dieser Weg muss offen gehalten und darf nicht durch die eventuell sich einstellende Selbstzufriedenheit eines Netzwerks blockiert werden, dem die eigenen Einfälle zur hinreichenden Innovationsgrundlage geworden sind. Zum anderen aber steht das Netzwerkmanagement in der Pflicht, die Offenheit der Netzwerkkultur intern aufrecht zu erhalten; für das Thema Innovation ist dieser Aspekt von ebenso großer Bedeutung wie die Offenheit gegenüber äußeren Anregungen. Denn Gruppen haben viele Möglichkeiten, sich selbst ‚stillzulegen’, und die meisten beginnen im Kleinen. Diffuse Unzufriedenheit oder allgemeine Bedenken werden geäußert, Deadlines nicht eingehalten, Aufgaben ‚vergessen’ usw.; jeder Manager mittelständischer Netzwerke kennt die vielen, einzeln und für sich genommen unkritischen Stolperstellen in der täglichen Arbeit. Das Problem liegt in ihrer kontextuellen Einbettung: Die Akteure mittelständischer Netzwerke, die sehr häufig die Unternehmer selbst sind, erleben diese ‚Kleinigkeiten’ in einem Rahmen, der ihnen ohnehin schon viel abverlangt. Die Notwendigkeit, alle wichtigen Entscheidungen mit den Partnern abzustimmen, beschneidet ihre gewohnte Entscheidungsmacht (‚das letzte Wort’), und oft greifen die operativen Prozesse, die im Rahmen kooperativer Innovationen notwendig werden, sogar in die bewährten Routinen des eigenen Unternehmens ein – beides passt in aller Regel nicht ohne weiteres in das Selbstbild eines mittelständischen Unternehmers. Wenn ein Unternehmer sich also so weit auf die Logik eines Netzwerks einlässt, dann will er selbstverständlich, dass alle anderen Partner dies auch tun, und bleibt obendrein sehr wach für die Verletzung von Regeln, denen er sich selber nicht ohne (zumindest inneren) Widerstand unterworfen hat. Deshalb wirken die beschriebenen ‚Kleinigkeiten’ in ihrer Summe auf Dauer destruktiv für Netzwerke: Zusätzlich zu Verzögerungen, Mehrarbeit u.€ ä., die sie verursachen, zerstören sie das delikate Gleichgewicht der Netzwerkmotivation, also die Balance zwischen den Vorteilen (‚Versprechen’) und den Nachteilen (‚Einschränkungen’), die für die Akteure mit dem Netzwerk verbunden sind.
Innovationsnetzwerke – ein (nicht nur) wirtschaftliches Erfolgsmodell ╅╇╛╛83
Konsequenz: Die Akteure ‚verschließen’ sich gegenüber dem Netzwerk, es geschieht nicht mehr viel, und schon gar nichts innovationsförderliches. Das Netzwerkmanagement ist gehalten, solchen Entwicklungen frühzeitig gegenzusteuern. Dabei kann es, wie schon erwähnt, nicht autoritativ auftreten, muss aber trotzdem dafür sorgen, dass die interne Offenheit, vor allem also das Vertrauen der Partner in Integrität und Engagement der anderen Partner und in die Gemeinsamkeit der Interessen, erhalten bleibt. Nimmt man hinzu, dass auch die praktische Zielführung des Netzwerks (Entwicklung von Innovationen) eine beständige, durch interne Konflikte nicht aufgehobene Aufgabe des Managements bleibt, wird deutlich, wie anspruchsvoll die Anforderungen an das Management von Innovationsnetzwerken sind, auch wenn deren Aufzählung hier natürlich bei weitem nicht vollständig ist.
5 Das Management von Netzwerken in Programmen der Innovationsförderung Vor dem Hintergrund der besonderen Eignung von Netzwerken für die Entwicklung von Innovationen verwundert es nicht, dass viele Forschungs- und Innovationsförderprogramme der öffentlichen Hand inzwischen einen starken Fokus auf die Bildung von Netzwerken und Kooperationen legen. So betont Bundesforschungsministerin Annette Schavan in ihrem Vorwort zur HightechStrategie für Deutschland, die darauf zielt, eine nationale Strategie zu entwickeln, um Deutschland wieder an die Weltspitze der wichtigsten Zukunftsmärkte zu führen: „Wir schlagen Brücken zwischen Wissenschaft und Wirtschaft: Kooperationen und Gemeinschaftsprojekte werden so stark gefördert wie noch nie […]“ (BMBF 2006, 2). Auch in sozialen Unternehmen kommt solchen Organisationsformen, zum Teil gezielt gefördert durch politische Programme wie EQUAL oder Lernende Region, eine wachsende Bedeutung zu (vgl. Wolf/ Matalik 2006). Inzwischen gehen manche Förderprogramme sogar dazu über, explizit das Netzwerkmanagement in aussichtsreichen FuE-Kooperationen zu fördern. Hier sticht das Förderprogramm „Netzwerkmanagement Ost“ (NEMO) des Bundeswirtschaftsministeriums hervor, das nach vier erfolgreichen Förderrunden in den neuen Bundesländern Mitte 2008 als Bestandteil des neuen „Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand“ (ZIM) auf das ganze Bundesgebiet ausgeweitet wurde (vgl.: http://www.zim-bmwi.de/). Die Evaluation der vierten Förderrunde (2004–2007) lässt dabei neben den dort erfassten positiven wirtschaftlichen Auswirkungen der Innovationsnetzwerke auf die beteiligten Unternehmen einige interessante Aspekte erkennen, die die Netzwerke selbst und ihr Management betreffen (Braßler et al. 2009, 9€ff.): • „Nach der Zuwendungsphase reduziert sich die Teilnehmerzahl auf einen ‚harten Kern’.“ Das ist ein bei geförderten Projekten übliches Phänomen, allerdings liegt die Quote der aus den Netzwerken ausscheidenden Unternehmen hier nur bei einem Drittel. Zwei Drittel der Betriebe machen auch
Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand
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Förderung des Netzwerkmanagements ist nachhaltig erfolgreich
Entlastung der Unternehmen von Förderbürokratie
J. Howaldt, I. Dammer
nach Auslaufen der Förderung im Verbund weiter, wobei die Verbünde sogar zu drei Vierteln weiter bestehen. • Die weiter arbeitenden Netzwerke zeigen nicht nur ein breites Spektrum an gemeinsamen Aktivitäten (FuE-Projekte, Beantragung weiterer Fördermittel, gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit, kooperative Auftragsabwicklung u.€a.€m.), sie entwickeln sich auch strategisch weiter, etwa in Richtung auf die Anerkennung als Kompetenznetzwerke (vgl. BMWi 2008) oder auf die Teilnahme an sonstigen Exzellenzinitiativen (z.€B. Spitzencluster-Wettbewerb des BMBF). • Elf der vierzehn weiter bestehenden Netzwerke bezahlen weiterhin einen Netzwerkmanager mit unterschiedlichem Aufgaben- und Arbeitsumfang. Die Innovationssaat, so könnte man sagen, ist offenbar in vielen dieser Netzwerke aufgegangen und trägt nachhaltig Früchte. Die Arbeit des Netzwerkmanagements erfährt dabei große Anerkennung, sonst würden die Unternehmen es nicht aus eigener Tasche weiterfinanzieren. Ein charmanter und trotz scheinbarer Nebensächlichkeit wichtiger Aspekt der Förderung von Netzwerkmanagement zum Schluss. Er betrifft die unabdingbare Bürokratie, die mit Förderprogrammen verbunden ist und viele mittelständische Unternehmen von der Teilnahme an solchen Programmen abschreckt (vgl. Dammer 2009, 39). In der Tat ist der Aufwand für Antragstellung, Reporting und Controlling erheblich. Und auch wenn er gerechtfertigt sein mag, weil es immerhin um die Verwendung von Steuergeldern geht, sind die allermeisten mittelständischen Unternehmen nicht bereit, ihn zu leisten. So kommen auf Dauer, noch stärker als bisher schon, nur noch Großunternehmen in den Genuss von Förderungen aller Art, denn diese Unternehmen verfügen über den nötigen Overhead, um sich erfolgreich mit der staatlichen Bürokratie auseinanderzusetzen. Im Rahmen der ZIM-Netzwerkprojekte erledigen die Netzwerkmanager den allergrößten Teil der ungeliebten Verwaltungsarbeit und werden im Rahmen der Förderung dafür bezahlt. Die Unternehmen sind von Arbeiten befreit, die sie zumeist als überflüssig und sinnlos erleben, und können sich ganz ihrer Aufgabe in den Netzwerken widmen, nämlich innovationsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen und damit Innovationen zu generieren. Der Projektträger (VDI/VDE) hat kürzlich einen weiteren wichtigen Schritt getan. Er unterstützt und berät seit 2011 auch die Netzwerke bei der Beantragung der anschließenden Förderung von in den Netzwerken entwickelten Innovationsprojekten, die in anderen ZIM-Linien bei anderen Projektträgern geschieht. An dieser Schnittstelle hat es nämlich in der Vergangenheit bisweilen beachtlich geknirscht, weil Förderanträge aus ZIM-Netzwerken abgelehnt wurden. Das Problem lag dabei nicht in der Ablehnung selbst. Es gibt kein Recht auf Förderung, und jedes Netzwerk steht mit seinem Antrag in einem Wettbewerb mit vielen anderen Anträgen, in dem ihm immer das Schicksal des zweiten Siegers widerfahren kann. Die Schwierigkeit lag vielmehr in Art und Begründung der Ablehnungen, die bisweilen den Eindruck erweckte, dass es insbesondere für nicht traditionelle Branchen und bei Anträgen von Netzwerken
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kleiner Unternehmen strukturell schwierig ist, ihre Ideen verständlich und ihre Kompetenz glaubhaft zu machen. Es ist sicher hilfreich, wenn jetzt ein Projektträger den Netzwerken hilft, mit einem anderen Projektträger so zu kommunizieren, dass das gemeinsame Ziel aller Beteiligten, nämlich Innovationen zu entwickeln und erfolgreich an den Markt zu bringen, effizienter verfolgt werden kann. Insgesamt ist bei der ZIM-Netzwerkförderung, auch wenn im Detail noch einiger Spielraum für Optimierungen besteht, der viel strapazierte Begriff ‚mittelstandsfreundlich’ denn doch einmal angebracht. Und er erklärt wahrscheinlich auch einen beachtlichen Teil der Innovationserfolge der geförderten Netzwerke. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, ist es eben leichter, gut zu arbeiten. Das mag trivial klingen. Aber der Mittelstand wäre sicher förderungsfreundlicher eingestellt, wenn sich mehr Förderlinien in dieser Hinsicht ein Beispiel an den ZIM-Netzwerkprojekten nähmen. Das käme der Wirtschaft im Ganzen zugute, und mancher Fördereuro könnte vielleicht sinnvoller verwendet werden als bisher.
6 Literatur Braßler A, Möller W, Voigt I (2009) Wirtschaftliche Wirksamkeit des Förderprogramms Netzwerkmanagement Ost (NEMO). Expertise 1/2009 im Auftrag des BMWi. RKW Kompetenzzentrum Eschborn Bullinger H-J (2006) Verdammt zur Innovation. In: RKW-Magazin, Nr. 1, 57. Jg., 12–14 Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (2006) Die HightechStrategie für Deutschland. Bonn, Berlin Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) (2003) Kooperationen planen und durchführen. Ein Leitfaden für kleine und mittlere Unternehmen. Druckschrift, Berlin Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) (2008) Jahresbericht 2008/2009. Die Initiative Kompetenznetze Deutschland im Überblick, 15. Juli 2008, Berlin Dammer I (2009) Die Grauzone. Zur Bedeutung von Wissenstransfer und Forschungseinrichtungen für innovative KMU. In: Technische Universität Dresden (CIMTT): Innovation durch Kooperation. Szenarien für erfolgreichen Transfer. Forschungsbericht im Auftrag des BMBF, 31–48 Flocken P, Hellmann-Flocken S, Howaldt J, Kopp R, Martens H (2001) Erfolgreich im Verbund – Die Praxis des Netzwerkmanagements. RKW-Verlag, Eschborn Howaldt J, Kopp R, Schwarz M (2008) Innovationen (forschend) gestalten – Zur neuen Rolle der Sozialwissenschaften. In: WSI Mitteilungen 2/2008, 63–69 Knödler D (2011) Einflussfaktoren auf die Innovationsleistung von Netzwerken. Dresden Discussion Papers of Organization Research, No. 2/11
ZIM: ein Beispiel für mittelstandsfreundliche Förderung
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J. Howaldt, I. Dammer
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klima: aktiv – Netzwerkbildung zwischen Politik und Wirtschaft Alexander Schmidt
1 Einführung Die funktionale Differenzierung moderner Gesellschaften führt in vielen Aufgabenbereichen zum Versagen der bisherigen Steuerungsmechanismen der Politik. In der Vergangenheit wurden zentralisierte, hierarchische Steuerungsinstrumente der Politik wie z.€B. Vorgabe von Grenz- oder Zielwerten durch Gesetze, Anreize für Investitionen oder der Einsatz neuer Technologien durch Förderungen erfolgreich eingesetzt. Komplexere Aufgabenstellungen können durch derartige Instrumente jedoch nicht bewältigt werden. Ziel des Staates muss zukünftig viel mehr sein, Selbstorganisation zu fordern und zu fördern. Um Selbstorganisation entwickeln zu können liegt daher die besondere Aufgabe des Staates darin, die Reflexionsfähigkeit von Teilsystemen zu steigern und Selbstorganisation zu ermöglichen. Diese neue Rolle des Staates gilt es zu üben und laufend weiter zu entwickeln. Im vorliegenden Text ist am Beispiel der österreichischen Klimaschutzinitiative klima:aktiv ein fünfjähriger Entwicklungsprozess beschrieben: Die Selbstorganisationsfähigkeit dieses Netzwerkes im Spannungsfeld zwischen Politik und Wirtschaft wurde an mehreren Stellen auf Grund turbulenter Veränderung im Umfeld auf den Prüfstand gestellt. Wie es diese Prüfungen sowie eine externe Evaluation überstanden hat, ist nachfolgend beschrieben. Der Autor begleitete diesen Netzwerk-Entwicklungsprozess als Berater und Moderator über insgesamt fünf Jahre.
2 Ziele, Struktur und Rahmen der Klimaschutzinitiative klima:aktiv Im Sektor des Klimaschutzes waren, wie schon erwähnt, herkömmliche Steuerungsformen der Politik wie z.€ B. die Verschärfung von Ordnungsrahmen, die Setzung von Anreizen durch Förderungen oder Steuerung der Marktpreise über Steuern in der Vergangenheit hoch erfolgreich. So konnten gewisse Schadstoffe ganzer Industrien auf ein vertretbares Maß reduziert werden oder
Politische Steuerung und…
…Selbstorganisation von Netzwerken…
…am Beispielthema „Klimaschutz“
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Das Ziel: tragfähige Lösungen für komplexe Anforderungen
Der Weg: Anregung und Bündelung durch Vernetzung
A. Schmidt
spezifische Emissionsgrenzwerte für neue Heizanlagen in Haushalten wirksam eingeführt werden. Die aktuellen Aufgabenstellungen im Kontext des Klimaschutzes wie z.€ B. Bewusstseinsbildung bei der Bevölkerung für Energieeffizienz und sorgsamen Umgang mit vorhandenen Energieträgern oder auch die Steigerung der Qualität von Produkten in bestehenden Märkten, geschweige denn ein fundamentaler Umbau des Wirtschaftssystems, können mit klassischen Instrumenten kaum mehr gelöst werden. Um derartige Aufgabenstellungen bewältigen zu können, braucht es ein komplexes Zusammenspiel einer Vielzahl von Akteuren aus Politik, politiknahen Institutionen sowie Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen. In dieser Landschaft sowohl kooperierender als auch konkurrierender Akteure mit ihren unterschiedlichen Interessen gilt es, tragfähige Lösungen zu entwickeln. Die österreichische Klimaschutzinitiative klima:aktiv wurde im Jahr 2004 mit dem Anspruch ins Leben gerufen, einen Brückenschlag zwischen Politik und Wirtschaft zu vollziehen. Das zentrale Ziel von klima:aktiv ist die Markteinführung und rasche Verbreitung von klimafreundlichen Technologien und Dienstleistungen in den Bereichen Bauen und Sanieren, Mobilität, Energiesparen und Erneuerbare Energien. Dabei werden auf der Nachfrageseite sowohl Konsumenten als auch investierende Unternehmen adressiert. Auf der Angebotsseite werden Impulse zur Transformation des Angebots gesetzt. Die wichtigsten Impulse zur Markttransformation sind die Aktivierung und Vernetzung der Marktpartner, die Qualifizierung der Dienstleister, das Etablieren von Qualitäts-Standards, die Information und Motivation zum Umdenken sowie Beratung und Unterstützung. So ergänzt die Klimaschutzinitiative klima:aktiv die bestehenden, klassischen Instrumente wie Gesetze, Verordnungen und Förderungen im Bereich des Klimaschutzes. klima:aktiv unterstützt dabei auch die Aktivitäten der Partner aus den Bundesländern und der Wirtschaft. Die Struktur von klima:aktiv zum Zeitpunkt des Starts
Themenbereiche
themenspezifische Programme
operative Schwerpunkte
klima:aktiv ist die Initiative des Lebensministeriums. Die Austrian Energy Agency setzt klima:aktiv um und koordiniert die verschiedenen Maßnahmen in den vier Themenbereichen Mobilität, Energiesparen, Bauen & Sanieren und Erneuerbare Energie. Der offizielle Start der Klimaschutzinititative war im Jahr 2004 und ist bis ins Jahr 2012, dem Ende der Kyotovertragsperiode, konzipiert. Die ersten Vorbereitungen bei relevanten Stakeholdern haben bereits im Jahr 2002 begonnen. klima:aktiv wurde als eine Vielzahl von themenspezifischen Programmen gestartet. Die Themenschwerpunkte der Programme sind teilweise technologieorientiert (Solarwärme, Biomasse, Biogas,…) und teilweise produkt- bzw. zielgruppenorientiert (Bundesgebäudecontracting, klima:aktiv Haus, energieeffiziente Geräte,…). Im Kern setzen diese Programme mit unterschiedlicher Gewichtung an folgenden Hebeln an: • Aus- und Weiterbildung • Qualitätssicherung
klima: aktiv – Netzwerkbildung zwischen Politik und Wirtschaft ╅╇╛╛89
• Standards entwickeln und implementieren • Information und Beratung • Marktbearbeitung mit Partnern aus der Wirtschaft und den Ländern. Jedes Programm ist als projektförmig geplantes Vorhaben zu verstehen, dessen Auftraggeber das Lebensministerium, vertreten durch die Austrian Energy Agency, ist. Heute managt das klima:aktiv Dachmanagement insgesamt 22 Programme, mehr als 150 Unternehmenspartnerschaften, 400 Projektpartnerschaften und rund 3.000 Kompetenzpartner (www.klimaaktiv.at). Als Grundstruktur war in der Startphase, wie aus den folgenden Abbildungâ•›en gut ersichtlich, die hierarchische Steuerung dominant (Abb.€1 und 2). Zu Beginn: stärker hierarchische Steuerung
Lebensministerium Strategische Steuerung
klima:aktiv Dachmanagement (Austrian Energy Agency) Programmentwicklung, Monitoring und strategische Koordination der Programme, Bildungskoordination und Öffentlichkeitsarbeit
Programmmanager
Programmmanager
Programmmanager
Programmmanager
Programmmanager
Programmmanager
Abb. 1:╇ Struktur klima: aktiv in der Anfangsphase (2004) Schwerpunkte und Programme klima : aktiv
Bauen
eco:facility
Mobilität
mm betriebe
Unternehmen Gemeinden
Stromsparen
Energieeff.Betriebe en.eff.beschaffung
Erneuerbare
biogas
wohnungswirtschaft
mm siedlungen
e5
programm:S_2
solarwärme
eigenheim
programm:M_3
programm:U_3
programm:S_3
QM heizwerke
bundescontracting
programm:M_4
programm:U_4
programm:S_4
energieholz
passivhaus
programm:M_5
programm:U_5
programm:S_5
holzwärme
Abb. 2:╇ Schwerpunkte und Programme klima:aktiv
90 Rollenverteilung
A. Schmidt
Die Rollenverteilung zwischen den unterschiedlichen Akteuren war bereits grob definiert: • Lebensministerium: Strategische Steuerung • klima:aktiv Management: Programmentwicklung, Monitoring und strategische Koordination der Programme, Bildungskoordination und Öffentlichkeitsarbeit • Programm-Manager: Projektförmige Steuerung des Programms Rahmensetzung für die Programme und konsequente Anwendung des Logic Models
Methode
In jährlichen Arbeitsprogrammen wurden die Ziele und erwarteten Outcomes des jeweiligen Programms definiert. Basis dafür ist das Logic Model. Logic Models machen transparent, wie die einzelnen Aufgaben und Teile eines Programmes zur Zielerreichung beitragen, in welcher Beziehung sie zueinander stehen und welche kurz-, mittel- und langfristigen Ergebnisse erwartet werden können.
Quelle: www.evalguide.ethz.ch Die Einführung und konsequente Einforderung zur Anwendung des Logic Models erzeugte in den Programmen und bei den verantwortlichen ProgrammManager/innen bereits frühzeitig eine ausgeprägte Ergebnisorientierung. Das Logic Model dient sowohl als Grundlage für die jährliche Programmplanung als auch für die angekündigte regelmäßige Evaluation.
klima: aktiv – Netzwerkbildung zwischen Politik und Wirtschaft ╅╇╛╛91
Die Phasen des Entwicklungsprozesses Im Rückblick lässt sich der Entwicklungsprozess von klima:aktiv über den Zeitraum von 2004 bis 2009 in drei zentrale Phasen teilen: Startphase Die Startphase lässt sich entlang folgender Herausforderungen grob skizzieren: • detailliertes Umsetzungskonzept erarbeiten zur Sicherung eines schnellen Starts • von Beginn an partizipative Elemente integrieren – Chance und Risiko zugleich • Vertrauen der (politischen) Hierarchie in das Dachmanagement schaffen und pflegen • Selektion der Player (= Programm-Manager) für klima:aktiv und die damit verbunden Konsequenzen managen • wirksame Standards für die Programm-Steuerung etablieren und gleichzeitig Ownership erzeugen. Das Ende der Startphase wurde nach knapp einem Jahr sichtbar. Die projektförmige Steuerung kam an ihre Grenzen – erste Zielkonflikte der Programme wurden spürbar. Mehrere Programme kontaktierten zeitnah dieselben Zielgruppen und einzelne Wirtschaftspartner wurden von mehreren Programmen angesprochen. Das Risiko, dass klima:aktiv von außen als unkoordiniert wahrgenommen wird, wurde größer. Die Koordination der Zielgruppenansprache und der Öffentlichkeitsarbeit als Querschnittsaufgabe über alle Programme tauchte als neue Herausforderung für das klima:aktiv Management auf.
Herausforderungen beim Start
Komplexität markiert das Ende der Startphase
Aufbauphase Die Aufbauphase fokussierte auf folgende zentrale Hauptaufgaben für das Dachmanagement: • Starten weiterer Programme • horizontale Vernetzung zwischen den Programmen etablieren und stärken • neue Standards entwerfen, bestehende Standards weiter entwickeln. Mittelfristig sollte klima:aktiv seine Qualitäts-Standards insbesondere über die Partnerschaften mit Unternehmen verbreiten und seine Wirkung entfalten. Dazu war es wichtig, starke, glaubwürdige Standards zu setzen und zu pflegen und klima:aktiv als starke Marke am Markt zu etablieren. Über die Partnerschaften mit den Wirtschaftsunternehmen sollte die Marke klima:aktiv und die damit verbundenen Standards verbreitet werden. Die Partnerschaft eines Wirtschaftsunternehmens mit klima:aktiv erlaubt dem Unternehmen das klima:aktiv Logo zu nutzen, und beinhaltet auch die SelbstVerpflichtung der Unternehmen, die von klima:aktiv entwickelten QualitätsStandards auf die eigenen Produkte und Dienstleistungen anzuwenden. Der Übergang von der Aufbauphase in die nächste Phase wurde dadurch deutlich, dass das Interesse seitens der Wirtschaftsunternehmen an einer Kooperation mit klima:aktiv immer stärker wurde. Nun galt es den Fokus noch stärker
Zentrale Aufgaben der Aufbauphase
92
A. Schmidt
von ‚innen‘ (das klima:aktiv Netzwerk) nach ‚außen‘ (das Netzwerk der Wirtschaftsunternehmen) zu richten. Keep it running – und die erste externe Evaluation Stand nach 3 Jahren
Nach mehr als drei Jahren Laufzeit von klima:aktiv ließ sich der Status folgendermaßen skizzieren: • Zunehmend mehr Unternehmen zeigten Interesse an einer Kooperation mit klima:aktiv, um als Wirtschaftspartner das Image der Marke von klima:aktiv zu nutzen und an der Verbreitung der Ziele von klima:aktiv mitzuwirken. Nach der Festigung von klima:aktiv nach innen ging es nun darum, das Netzwerk nach außen zu erweitern. Die Kooperationen mit Partnern und Ländern wurden proaktiv weiterentwickelt. • Die Verträge mit einzelnen Programmen wurden erneuert. Die ersten Rahmenverträge näherten sich dem Ende ihrer Laufzeit. Die Ergebnisse wurden evaluiert und bei den meisten Programmen wurde eine Verlängerung um weitere zwei Jahre zugesagt. Das Dachmanagement musste wieder eine Vielzahl neuer Verträge erstellen und freigeben. • Die beiden Themenbereiche Energie und Mobilität wurden bisher von unterschiedlichen Abteilungen im Ministerium mit unterschiedlichen Steuerungslogiken geführt. In Zukunft sollten diese beiden Bereiche enger abgestimmt agieren und die Kooperationen verbessert werden. • Im Jahr 2007 wurde vom Lebensministerium eine externe Evaluierung von klima:aktiv beauftragt. Damit stand ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung von klima:aktiv bevor. Zentrale Frage war: Wie wird das Vorhaben von einer unabhängigen Stelle beurteilt?
3 Der Netzwerk-Entwicklungsprozess im Rückblick (2004–2009) ‚Innen‘ und ‚außen‘: Veränderungen bewältigen
Insbesondere in den Jahren 2006–2008 prägte eine Vielzahl von Veränderungen und Unsicherheiten das Umfeld von klima:aktiv: • Die kurzfristig extreme Verteuerung der Holz-Pellet-Preise in Österreich die steigenden Ölpreise am Weltmarkt steigerten das Interesse an den Leistungen von klima:aktiv, vor allem in den Themenbereichen Heizen und Energieeffizienz. • Immer mehr Konsument/innen suchten nach hochwertiger Beratung zu Energiesparmaßnahmen und alternativen Energieträgern. • Jene Unternehmen, die in diesen Themenfeldern am Markt waren, versuchten ihre Sichtbarkeit zu erhöhen und das Vertrauen potenzieller Kunden zu gewinnen. Die Verbindung der Unternehmen mit der Marke klima:aktiv war dabei ein möglicher Stellhebel. • Neue Mitarbeiter/innen waren in Dachmanagement-Team zu integrieren und auch bei den Programmen änderten sich viele Leitungsstellen.
klima: aktiv – Netzwerkbildung zwischen Politik und Wirtschaft ╅╇╛╛93
• Politische Prioritäten wurden neu gesetzt. Mit dem Klima- und Energiefonds wurde von der Politik eine neue Institution etabliert, bei der anfangs nicht klar war, ob hier ein Mitspieler oder ein Gegenspieler zu klima:aktiv positioniert werden sollte. Speziell in dieser Phase wurde sichtbar, wie weit die Reflexionsfähigkeit und, damit verbunden, die Lern- und Leistungsfähigkeit von klima:aktiv in einem immer turbulenter werdenden Umfeld gesichert werden konnte. Resümierend lassen sich folgende Erfolgsfaktoren von klima:aktiv identifizieren: Von Beginn an ein partizipativer Kern – Chance und Risiko zugleich Form und Inhalt von Aktivitäten sollten zusammenpassen. Daher sollten Organisation und Kommunikationsarchitektur zur Aufgabe des Aufbaus eines starken interorganisationellen Netzwerkes passen. Es war dabei wesentlich, dass von Beginn an partizipative Elemente in den Prozess eingebaut waren. In einem open space workshop konnten die Akteure/innen ihre Ideen einbringen. In der Analysephase wurden viele künftige Partner von klima: aktiv interviewt und die Businesspläne für die spezifischen Programme wurden zusammen mit den relevanten Akteure/innen erstellt. Aber die partizipative Entwicklung machte auch Spannungsbereiche und Interessengegensätze sichtbar. Die Wirtschaftsverbände suchten vor allem nach dem Ausbau der Marktanteile, was nicht immer mit den Klimaschutzzielen konform geht. Zentraler Faktor für das Gelingen war demnach, in der weiteren Folge angemessene partizipative Verfahren zur Verfügung zu stellen und als Berater die Klarheit über den jeweiligen konkreten Einbindungsgrad und die passende Einbindungsform mit den Kunden zu erarbeiten.
Erfolgsfaktor Partizipation
Vertrauen der Hierarchie in das Projektteam Die Energieabteilung des Lebensministeriums war das Labor, in dem das Programm entwickelt und gestaltet wurde. Die verschiedenen Ideen wurden in einen Programmentwurf gegossen. Es gab einen klaren Willen, das Projekt umzusetzen. Aber viele gute Projekte bleiben in der Schublade, wenn das Vertrauen und der Glaube der Führungsebene fehlen. In diesem Fall gab es einen großen Gestaltungsspielraum für das Projekt und den Mut, das neue Instrument im Klimaschutz umzusetzen und zu erproben. Der Sektionschef sorgte für eine mittelfristig gesicherte Finanzierung und für das politische Committment. So entstand ein geschützter Raum für das Ausbrüten und die Geburt des Projekts. Die Hierarchie hatte den Mut, sich auf einen offenen Prozess einzulassen. Im laufenden Beratungsprozess war es an mehreren Stellen wichtig, den Vertrauensvorschuss in das Vorhaben seitens der Hierarchie zu bewahren. Allfällige bei den Auftraggebern auftauchende Irritationen wurden zeitnah bearbeitet. Ein zentraler Aspekt dabei war, die unterschiedlichen Steuerungs- und Ent-
Erfolgsfaktor Vertrauen
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A. Schmidt
scheidungslogiken zwischen Ministerium, Dachmanagement und ProgrammPartnern zu thematisieren und verständlich und besprechbar zu machen. Wirksame Standards für die Programm-Steuerung etablieren und gleichzeitig Ownership erzeugen Erfolgsfaktor Steuerung und Monitoring
Neben der projektförmigen Steuerung der einzelnen Programme ging es darum, wie das Dachmanagement den Gesamtprozess steuern kann. Damit verbunden war die Frage, wie viel Ergebnisverantwortung bei den Programmen bleiben und wie viel Steuerungsverantwortung das Dachmanagement übernehmen sollte. In der klassisch hierarchischen Steuerungslogik von öffentlichen Auftraggebern würde die Gesamtverantwortung beim Dachmanagement liegen. Dies hätte naturgemäß zu einem sehr umfangreichen Reporting zwischen den Programmen und dem Dachmanagement geführt. Das Risiko, das Vorhaben mit Dokumentation und Bürokratie zu überfrachten, wäre dann rapide gestiegen. Im Rahmen der Beratung wurden daher mehrere Szenarien zu möglichen Ausprägungen von hierarchischer und partizipativer Steuerung entworfen und diskutiert. Als Ergebnis entstanden schriftliche Standards für das Monitoring der Programme. Das Monitoring wurde so konzipiert, dass möglichst viel Verantwortung für die Ergebniserreichung der Programme an die Programm-Verantwortlichen übergeben werden konnte. Damit war eine Grundlage für die zwei Mal jährlich stattfindenden Monitoring-Gespräche zwischen dem Dachmanagement und den Programm-Verantwortlichen gelegt. Die Monitoringstandards werden seitdem kontinuierlich überprüft und weiterentwickelt. Diese partizipative Form der Steuerung erzeugte naturgemäß anfangs viel Unsicherheit bei den Auftraggebern und schaffte ein hohes Maß an Eigenverantwortung bei den Programm-Verantwortlichen. Reisevorbereitungen für die Reise ins neue Land – Standards etablieren und laufend weiter entwickeln
Erfolgsfaktor Standards und Tools
Bei einer Reise in ein fremdes Land kennt niemand die genaue Route und die Risiken. Um für so ein Abenteuer gut gerüstet zu sein, ist es wichtig, eine funktionierende Ausrüstung zu haben und die Abläufe auf operationaler Ebene möglichst in eine Routine zu bringen. Um funktionierende Unternehmensnetzwerke zu etablieren ist es wichtig, die geplanten Kommunikationswege zu standardisieren. Die zentralen Empfehlungen dazu sind: Schaffen Sie Standards für alles, was Sie standardisieren können, reduzieren Sie Komplexität dort, wo es sinnvoll ist. Standards zu setzen und Qualität zu sichern, waren auch zentrale Stellhebel für den Erfolg von klima:aktiv. Es wurden Standards entwickelt, die sowohl nach innen (im Netzwerk) als auch nach außen (bei den Partnern) wirksam etabliert wurden. Es wurde sehr früh deutlich, dass die Kooperation mit diesen Partnern ein wesentliches Asset von klima:aktiv ist.
klima: aktiv – Netzwerkbildung zwischen Politik und Wirtschaft ╅╇╛╛95
Heute kommen im Netzwerk unter anderem folgende Standards zur Anwendung: • Musterverträge für die Programme • Vorlagen für die Logic Models sowie die jährlichen Arbeitsprogramme und Berichte • Standards und Leitfäden für das Monitoring • Leitlinien für Länderkooperationen • Standards für die Kooperation mit Wirtschaftspartnern als Bestandteil des laufend weiterentwickelten Partnermanagements in Form von Kooperationsverträgen und Logonutzungsverträgen • CD-Manual für alle Partner von klima:aktiv. Nach außen wurden die Kommunikationswege zu den Multiplikatoren so weit wie möglich und sinnvoll standardisiert. Multiplikatoren für die Markttransformation sind sowohl auf der Angebotsseite (Produzenten und Dienstleister) als auch auf der Nachfrageseite (Konsumenten/innen). Um bei diesen Multiplikatoren Impulse zur Qualitätssteigerung und Bewusstseinsbildung setzen zu können, wurden folgende Standards etabliert (auszugsweise): • Qualitäts-Standards für Produkte, Dienstleistungen sowie für die Einführung von Qualitätsmanagementsystemen z.€B. klima:aktiv Haus, biomass district heating systems, u.€v.€a.€m.; • Standards und Leitfäden zur Qualitätssicherung für z.€B. für Installateure und Planer oder für die Althaussanierung; • Checklisten für Konsumenten/innen um die Qualität von Produkten und Dienstleistungen einschätzen zu können sowie • Audits für komplexere Anlagen (e.g. solar thermal systems, Druckluftsysteme, Gebäudechecks,…). All diese Standards werden konsequent weiterentwickelt und laufend an die aktuellen Herausforderungen von klima:aktiv angepasst. Eine Kooperationskultur entwickeln und das Netzwerk aufbauen – you need a reason why… Netzwerkbildung kann niemals ein Selbstzweck sein. Ein wichtiger Erfolgsfaktor für Netzwerkbildung ist, bei allen Beteiligten Klarheit über den Anlass und die Ziele des Vernetzungsvorhabens zu erzeugen. Wie bereits beschrieben, war jedes Programm bereits für sich erfolgreich unterwegs. Der Bedarf nach einer verbesserten Koordination in der Ansprache von gemeinsamen Zielgruppen sowie bei öffentlichkeitswirksamen Auftritten der einzelnen Programme war im Jahr 2005 bereits deutlich geworden. Damit war auch konkreter Handlungsbedarf für die Netzwerkbildung entstanden. Dazu wurde das Format der Netzwerkkonferenzen entwickelt.
Erfolgsfaktor Kooperationskultur
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A. Schmidt
Eine angemessene Architektur von Beteiligung schaffen – Die Rolle der Netzwerkkonferenzen Erfolgsfaktor Netzwerkkonferenz
Netzwerkkonferenzen sind spezielle Kommunikationsformen mit Elementen von Großgruppeninterventionen wie Open Space, World Café oder Zukunftskonferenz. Dabei sollten folgenden Hauptziele erreicht werden: • ein gemeinsames Verständnis für das Gesamtprojekt und seine Herausforderungen zu schaffen; • Transparenz darüber zu schaffen, wer welchen Beitrag leisten kann; • eine Kultur der persönlichen Verantwortung bei den Programm-Managern zu schaffen; • den Raum zu schaffen, dass die Betroffenen eigene Problemlösungen entwickeln können; • die Rolle des Dachmanagement und der Standards zu vermitteln; • Identität und Identifizierung für das gemeinsame Vorhaben zu fördern. Großgruppeninterventionen sind gut geeignet, um komplexe soziale Systeme von Akteuren/innen mit unterschiedlichen Zielen und Interessen zu aktivieren und Kooperationsmöglichkeiten zu generieren. Die Netzwerkkonferenzen ermöglichten es den Programmmanagern, in regelmäßigen Abständen eine Helikopterperspektive über Ziele und Strategie des Gesamtprogramms einzunehmen, die gesetzten Standards zu verstehen und Feedback dazu zu geben. Neue Personen konnten in den Netzwerktreffen gut in das Projekt integriert werden, und die Identifikation mit dem Programm wurde verstärkt. Die Netzwerktreffen ermöglichten eine positive Kooperationserfahrung zwischen den handelnden Akteuren. So konnte eine Kultur der Kooperation zwischen den Programmen entwickelt werden. Außerdem wurden auch die Akteure/innen der Länder adressiert, um die Synergie mit deren Aktivitäten zu stärken. Auf jeder Netzwerkkonferenz war daher ein halber Tag ausschließlich dafür vorgesehen, diesen Stakeholdern Kontakt und Austausch mit den Programm-Managern zu ermöglichen. So wurde die Skepsis bei den Verantwortlichen aus den Bundesländern gegenüber klima:aktiv kleiner, und schrittweise entstand Vertrauen in diese Inititative des Bundes. Die Paradoxie balancieren: Projektlogik versus Netzwerk
Die zentrale Kunst: balancieren zwischen…
klima:aktiv ist ein Projekt mit einem klaren Auftraggeber, dem Lebensministerium, und einer Vielzahl von Verträgen mit unterschiedlichsten Unternehmen und Institutionen, um das Bündel von ‚weichen‘ Klimaschutzmaßnahmen erfolgreich umsetzen zu können. Diese Verträge ermöglichten die Steuerung in einer Projektlogik. Logic Models, Jahresarbeitsprogramme und entsprechende Berichte und Finanzberichte waren dabei die verbindliche Basis (Abb.€3 and 4).
klima: aktiv – Netzwerkbildung zwischen Politik und Wirtschaft ╅╇╛╛97
klima
: aktiv Programme
Mobilität
Gemeinden
ecofacility
betriebe
e5-gemeinden
bio gas
wohn modern
spritsparen
klima:aktiv vorort
solarwärme
Energieeffizienz
Erneuerbare
klima:aktiv haus
schulen
qmheizwerke
bundescontracting
verwaltung
energieholz
klima:aktiv leben
freizeittourismus
holzwärme
kommunal regional
wärmepumpe
raumplanung
solarstrom
topprodukte.at energieeffiziente betriebe energieeffiziente geräte
stromeffizient
nawaro
sanierungsprofi Steuerungsgruppe, 6. November 2006
www.klimaaktiv.at
Abb. 3:╇ Programme
Steuerung
Netzwerk
L
KP
KP
WP
L
L P
Strategie Budget Programme Standards
P
Wirtschaftspartner Wohnbauträgerverbände, Erste Bank,…
WP P
Koordination Bildung Partner PR Gemeinden Zielgruppen
KP P WP P
wohnmodern Länder Wohnbauträger NutzerInnen Hausverwaltungen
L
P WP
Sanierungsprogramme Wohnbauförderung, Kompetenzpartner Modernisierungsmanager, wohnmodern Berater
KP L
Abb. 4:╇ Struktur klima:aktiv, November 2006
Um insgesamt erfolgreich zu sein, sprich Impulse für eine Markttransformation zu geben, brauchte es allerdings ein gesundes Maß an horizontaler Kooperation und eigenverantwortlicher Koordination zwischen diesen Akteuren. Damit dieses Netzwerk funktionierte, benötigte es eine andere Steuerungslogik als in Projekten. Netzwerke brauchen mehr Flexibilität abseits von Projektplänen sowie ein hohes Maß an Eigenverantwortung bei den Akteuren, um einen eigenen Weg zur Zielerreichung zu entwickeln. Netzwerke brauchen Kommunikationsgefäße, Freiheit und Dialog, damit gemeinsame Lösungen für erkannte Probleme gefunden werden können. Netzwerke leben stark von individuellen Vorschüssen
…vertikaler Steuerung und horizontaler Kooperation …kurzfristigem Ausgleich und langfristiger Kontextgestaltung
98
A. Schmidt
einzelner Akteure. Ein adäquater Ausgleich kommt zumeist nicht direkt zustande, da diese Leistungen auch nur schwer monetär bewertbar sind. In der Praxis ‚passiert‘ Ausgleich oftmals unverhofft und von einer anderen Stelle des Netzwerkes. Um Netzwerke zu steuern, gilt es also vor allem den Kontext zu gestalten. Ein funktionierendes Netzwerk der Akteure ermöglicht, dass Multiplikationseffekte entstehen können. Stephan Fickl, der Gesamtmanager von klima:aktiv, resümiert dazu: „Dass die Programme mit ihrer Projektlogik im Grundkonflikt mit dem formulierten Ziel seitens des Ministeriums stehen, wurde uns in den Vorbereitungsworkshops für die Netzwerkkonferenzen deutlich. Das, was im Auftrag verlangt war, konnte über die reine Projektlogik nicht erreicht werden. In der für die Zielerreichung unbedingt notwendigen Vernetzung zwischen den Akteuren lag jedoch viel Potenzial für Irritationen bei den Auftraggebern. Aus Sicht der Hierarchie wird Entscheidungsspielraum und Autonomie als Chaos und Unsteuerbarkeit wahrgenommen. Das Risiko, dass unsere Auftraggeber das Vertrauen in unsere Managementleistung verlieren, war zu diesem Zeitpunkt groß. So war vor allem in der Aufbauphase unsere Aufgabe, die Hierarchie vor dem scheinbaren Chaos und gleichzeitig das Netzwerk vor zu punktuellen Interventionen aus der Hierarchie zu schützen. Es galt eine gute Balance zwischen diesen beiden Logiken zu finden. Auch beim Monitoring der Programme durch das Dachmanagement war es wichtig, dass dabei Überlappungen zum Controlling auf der Ebene der Programme vermieden wurden. Die Verantwortung für das Programm-Controlling musste ganz bei den Programm-Verantwortlichen bleiben. Das Monitoring fokussierte daher vor allem auf die Wirkungsorientierung, auf funktionierende Prozesse und allfälligen Koordinationsbedarf zwischen den Programmen.“
Das Netzwerk gleichzeitig robust und flexibel halten Robustheit durch Flexibilität
Eine Vielzahl von Faktoren hat dazu beigetragen, dass klima:aktiv trotz turbulenter Kontexte (personelle Veränderungen auf der politischen Ebene und politische Interventionen) leistungsfähig bleiben konnte. Einige aus aktueller Sicht besonders wichtige Aspekte sollen hier hervorgehoben werden: • Das Netzwerkmanagement war von den Programmen und der Hierarchie gut akzeptiert. • Innerhalb des Netzwerkes herrschte eine Kultur des Vertrauens. Dieses Vertrauen wurde sowohl den zentralen Funktionen wie z.€ B. Öffentlichkeitsarbeit oder Bildungskoordination als auch den anderen Programmen geschenkt. • Im Entwicklungsprozess auftauchende Konflikte wurden professionell bearbeitet und führten zumeist zu tragfähigen Lösungen. • Die Flexibilität der handelnden Akteure, die etablierte Selbstreflexion und die starke Feedbackkultur waren eine wichtige Basis, um einen geeigneten Umgang mit den auftauchenden Unsicherheiten und Veränderungen zu finden.
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Insgesamt kann klima:aktiv als eine gelungene Mischung aus Robustheit des Netzwerkes bei gleichzeitiger Flexibilität der handelnden Akteure beschrieben werden. Einen Mehrwert für Wirtschaftspartner schaffen Ein funktionierendes Partnernetzwerk ist ein deutlicher Mehrwert für klima:aktiv. Damit der Mehrwert für die Wirtschaftspartner sichergestellt werden konnte, waren die für das Partnermanagement verantwortlichen Personen laufend auf der Suche nach einem attraktiven Mehrwert für potenzielle und bestehende Wirtschaftspartner. Mehrwert wurde je nach Partner z.€ B. durch die Dokumentation von best practices, durch die Schaffung neuer Qualitätsstandards und neuer Marktzugänge, aber auch durch die Beratung von Betrieben erzielt. Ganz andere Möglichkeiten zeigten sich in der Entwicklung komplementärer Angebote für Partnerunternehmen. So wurden z.€B. für Banken Standards entwickelt, die bei der Kreditvergabe für den Hausbau zur Anwendung kamen.
Attraktive Angebote für die Wirtschaft
klima:aktiv als starke Marke etablieren Auch eine starke Marke ist ein Mehrwert für die Partner von klima:aktiv und für die Programme selbst. Durch eine frühzeitige Definition des corporate designs und dessen kontinuierlicher Verbreitung war der professionelle Auftritt für alle Programme in der Öffentlichkeit gesichert. Obwohl die CD-konforme Nutzung der Marke anfangs auf Widerstände gestoßen ist, konnten diese Vorbehalte durch konsequentes Aufklären und Einfordern des Dach-Managements ausgeräumt werden.
Eine starke Marke braucht Konsequenz
Regelmäßige Reflexion und Evaluierung klima:aktiv wurde im Jahr 2007 vom Wuppertal Institut evaluiert. Damit war die Chance gegeben, neue Impulse zu bekommen, um das Netzwerk weiter zu entwickeln. Als Basis für die externe Evaluation dienten folgende Quellen: • die Sichtung bestehender Dokumente • eine Teilnahme an einem Netzwerktreffen • eine Vielzahl qualitativer Interviews mit Programmbeteiligten • eine schriftliche Befragung aller Programm-Manager/innen sowie • eine online-Befragung der Zielgruppen von klima:aktiv. Aus der Evaluation ließen sich folgende Kernbotschaften ableiten: • klima:aktiv ist eine vorbildhaft integrierte nationale Klimaschutzinitiative – einzigartig in der EU. Dies gilt sowohl in Hinblick auf die Dachmarke, die Motivations- und Multiplikatorfunktion als auch für die Qualitätsfunktion. • Es existieren exzellente Managementstrukturen, v.€a. Monitoring und Berichte.
Ergebnisse der externen Evaluation
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A. Schmidt
• klima:aktiv hat eine überdurchschnittlich hohe Marktwirkung – dies wird auch von den Marktpartnern attestiert. Auch bei den Endkunden ist eine spürbare Veränderung des Marktverhaltens festzustellen. Die Empfehlungen aus der Evaluation fokussierten vor allem auf: • die Restrukturierung der Außendarstellung in eine zweidimensionale Matrix nach Themen und Zielgruppen; • noch mehr Fokussierung auf die Qualitätssteigerung und Standardisierung in ausgewählten Themenbereichen bei gleichzeitiger Rücknahme von Werbemaßnahmen in anderen Themenbereichen; • Stärkung der Multiplikatorenwirkung durch begleitende Öffentlichkeitsarbeit; • einige inhaltliche Anregungen in einzelnen Programmen. Die Evaluation war ein wichtiger Lernimpuls für klima:aktiv und stärkte die Legitimation für das Gesamtvorhaben. Die Anregungen wurden zeitnah aufgegriffen. Die Struktur von klima:aktiv als zweidimensionale Matrix wurde außenwirksam abgebildet und findet sich auch als neue Struktur innerhalb des Dachmanagements.
4 Rückblick auf die Beratung und ihre Herausforderungen Anforderungen an die Netzwerkberatung
Jedes Netzwerk ist anders! Netzwerke besitzen eine Vielfalt an Kommunikationsmustern, Steuerungslogiken und Formen der Entscheidungsfindung. Diese Vielfalt macht das Geschehen in Netzwerken lebendig und oft auch abenteuerlich. Auch die Beratung von Netzwerken hat dabei immer wieder abenteuerliche Aspekte. Die Vielzahl der geforderten Rollen und damit verbundenen Aufgaben zeigt dies. Im beschriebenen Projekt galt es folgende Aufgaben seitens der Beratung zu erfüllen: • das laufende Coaching des klima:aktiv Managements zur Reflexion des Gesamtprozesses und zu seiner strategischen Positionierung; • Moderation und Coaching zur Aufgaben- und Rollenverteilung innerhalb des klima:aktiv – Dach-Managements sowie zwischen dem Dach-Management und seinen Umwelten; • Unterstützung für das Management-Team bei der Teambildung; • Fachberatung zur Entwicklung einer wirksamen Steuerung der Programme; • die Beratung des Dach-Managements und des Regieteams bei der laufenden Weiterentwicklung der Steuerungsprozesse und Netzwerkstrukturen; • die Konzeption und Moderation der Netzwerkkonferenzen mit klima:aktiv Programm-Manager/innen sowie Bund und Ländervertreter/innen zur Entwicklung eines lernenden Netzwerkes mit einer starken Kooperationskultur. Die Netzwerkbildung zwischen Politik und Wirtschaft scheint bei klima:aktiv gelungen zu sein. Die Rolle der Beratung bei der Entwicklung eines solchen Netzwerkes ist speziell:
klima: aktiv – Netzwerkbildung zwischen Politik und Wirtschaft╅╇╛╛101
• Möglicherweise geht es als Berater darum, den Kunden frühzeitig über die zu erwartenden Paradoxien zu informieren und für mögliche Auswirkungen auf das Umfeld zu sensibilisieren. • Wahrscheinlich geht es in der Beratung darum, ein Netzwerk in seiner Vielgestalt zu unterstützen. Das hier beschriebene Netzwerk ist sehr hierarchisch und ermöglicht gleichzeitig viel Freiraum in der Kooperation der Akteure. Die Kooperation im Netzwerk basiert auf Freiwilligkeit, wird von den Wirtschaftspartnern jedoch mittlerweile eingefordert. klima:aktiv ist robust und reagiert trotzdem dynamisch auf Interventionen von außen. • Sicher muss man als Berater mehr Führung als in klassischen systemischen Organisationsentwicklungsprozessen übernehmen und die Umsetzung der gemeinsam mit dem Kunden entwickelten Netzwerksteuerung konsequent einfordern. • Ganz sicher braucht es dazu viel Kontinuität und einen langen Atem. Nur wenn es gelingt, an den richtigen Stellen eine straffe Steuerung zu etablieren und Sicherheit durch Kontinuität zu erzeugen, kann der Raum für Netzwerkbildung geöffnet werden. Dieser offene Raum ermöglicht, dass sich das Netzwerk in seiner eigenen Gestalt ausformen kann und lebendig wird. Dieses Fallbeispiel lässt außerdem erkennen, wie hilfreich es ist, wenn Politik gerade in der ersten Phase solch eines Vorhabens einen intensiven Vertrauensvorschuss gibt und Selbststeuerung zulässt. So kann sich ein relativ stabiles System etablieren, dass in weiterer Folge Entwicklung auch aus eigener Kraft ermöglicht.
5 Weiterführende Literatur Fickl S, Schmidt A (2009) Government as a change agent towards a sustainable economy. In: European Council for an Energy Efficient Economy, eceee summer study, Côte d’Azur, June 2009 Grossmann R, Lobnig H, Scala K (2007) Kooperation im Public Management. Theorie und Praxis erfolgreicher Organisationsentwicklung in Leistungsverbünden. VS-Verlag, Wiesbaden Kruse P (2004) Next practice: Erfolgreiches Management von Instabilität. Gabal Management, Offenbach Lohmer M, Lohmer M (2005): „Room to move“ – Die Psychodynamik von Fusionen. In: osb Reader 2005, 174€ff, Berlin Loose A (2006) Organisationen und Netzwerke, Beratende und Beratene. In: Sydow J, Manninger S (Hrsg) Netzwerke beraten – Über Netzwerkberatung und Beratungsnetzwerke. VS-Verlag, Wiesbaden Mildenberger U (1998) Selbstorganisation von Produktionsnetzwerken. Erklärungsansatz auf Basis der neueren Systemtheorie. VS-Verlag, Wiesbaden Schmidt A (2002a) Kooperatives Leben im Cluster. Oder: Wie Ideen ihre Interessenten finden. In: Holz & Co, 12/2002, 26–28 Schmidt A (2002b) Was systemische Prozessberatung leisten kann. In: Holz & Co, 11/2002, 28–31
Lebendigkeit zwischen Sicherheit und Offenheit
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A. Schmidt
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Teil 3: Erfolgreiches Netzwerkmanagement: Prozesse und Tools
Leitbildentwicklungen in Kooperationen Thomas Becker
Leitbilder erfreuen sich als Steuerungsinstrument für Organisationen aktuell einer gewissen Beliebtheit: sie organisieren und strukturieren Zieldefinitionsprozesse in Organisationen, sie können – richtig eingesetzt – stark identitätsstiftend wirken und somit unnötige Transaktionskosten in Prozessen verringern, oder aber letztlich nicht mehr sein als künstliche Floskeln, die in Form von Hochglanzbroschüren in Schreibtischen verstauben – und das gilt gleichermaßen für die Entwicklung von Leitbildern für Netzwerke. „Leitbilder bieten insbesondere in Veränderungsprozessen, die von großer Offenheit und Unsicherheit für die Beteiligten geprägt sind, richtungweisende und handlungsleitende Vorstellungen von Normen, Werten und Arbeitsweisen. Sie ermöglichen damit eine Orientierung, Motivation und Koordination der Tätigkeiten der einzelnen Mitarbeiter in ihren Funktionsbereichen und Unternehmen. Leitbilder lenken dabei nicht über Gesetze oder Vorschriften. Sie basieren auf Überzeugung und Freiwilligkeit.“ (Ellerkmann 2003, 84) Die besondere Herausforderung für Kooperationen bei der Leitbildentwicklung besteht nicht zuletzt darin, dass ein gemeinsames Leitbild unter Umständen mit den Leitbildern der Einzelorganisationen kollidiert, wobei in der Regel davon auszugehen ist, dass die Bindung der Akteure an die Einzelorganisationen stärker ist als an die Kooperation. In allen beteiligten Organisationen existieren bereits Leitbilder – teils formell verabschiedet, teils unausgesprochen, innerhalb von Netzwerken ist die Formulierung eines Leitbildes deshalb in der Regel schwieriger, weil Partner aus unterschiedlichen Organisationen und mit unterschiedlichen Interessen beteiligt sind; Kooperationen besitzen in der Regel auch keine Organisationsgeschichte, aus der heraus sich vermittelt über ‚Legenden‘ häufig unausgesprochene Leitbilder entwickeln. Leitbilder können allerdings gerade für Kooperationen Fragen nach dem Sinn und der Funktion des Netzwerks, den Werten, die gelebt werden, den Entwicklungszielen, den Spielregeln der Zusammenarbeit und des Führungsstils sowie der Netzwerkkultur beantworten. Die Wirkung von Leitbildern wird dabei im Wesentlichen bestimmt von der Art und Weise, wie sie entwickelt, implementiert und gelebt werden. Die Entwicklung und Implementierung ist somit die Chance, ein gemeinsames Verständnis der Kooperation und deren zukünftiger Strukturen zu entwickeln, dabei unterschiedliche ‚Bilder‘ einzubringen und zu einer weitgehend verbindlichen Leitlinie für alle werden zu lassen.
Leitbild als Steuerungsinstrument
Leitbildprozess als Chance für Kooperationen
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T. Becker
1 Phasen der Leitbildentwicklung in Kooperationen Drei Phasen der Leitbildentwicklung
Aufbauend auf den Erfahrungen im Kompetenzzentrum Netzwerkmanagement beim Aufbau von Leitbildern für Kooperation lassen sich systematisch drei Phasen abgrenzen: 1. Initialisierungsphase: Mit den Akteuren der Kooperation werden die einzelorganisatorischen und persönlichen Leitbilder und der Rahmen, in dem das Leitbild für die Kooperation geklärt bzw. weiterentwickelt werden soll, erarbeitet. Die Ziele der Leitbildentwicklung werden definiert und das Einverständnis über den Prozess bei den Partnern eingeholt. 2. Entwicklungsphase: Mit einer Arbeitsgruppe unter Beteiligung der relevanten Akteure aus den Einzelorganisationen wird der erste Entwurf eines Leitbilds erarbeitet. Dabei werden die Geschichte der Kooperation, die Leistungen und die Erwartungen der Kooperationspartner einbezogen, aber auch visionäre Aspekte berücksichtigt. Anschließend wird das Ergebnis innerhalb der Kooperation und der Einzelorganisationen konsolidiert. 3. Implementierungsphase: Mit der Arbeitsgruppe wird entschieden, in welcher Form das Leitbild implementiert wird. Hierzu eignen sich partizipative Methoden, wie z.€B. Open Space etc., aber auch Arbeit in Teams bzw. Einzelunternehmen. Beim letzteren Vorgehen kann ein gemeinsames, Schnittstellen übergreifendes Erlebnis der Leitbildimplementierung geschaffen werden. Dies kann auch mit einem ansonsten im Netzwerk üblichen Anlass verknüpft sein.
2 Der Nutzen von Leitbildern Nutzen von Leitbildern
Das Ergebnis dieses Entwicklungsprozesses ist ein konkretes, schriftlich festgehaltenes, transparentes und von den Akteuren getragenes Leitbild. Das Netzwerk definiert damit das Ziel der weiteren Entwicklung, orientiert und positioniert die Kooperation am Markt (hinsichtlich Absatzmärkten und Wettbewerb) und definiert Erfolgskriterien und Benchmarks sowohl für das Innen- als auch für das Außenverhältnis – das Leitbild wirkt somit identitätsstiftend und ist Grundlage für die gemeinsame konkrete Strategieentwicklung. Leitbilder helfen somit gerade Kooperationen in der Anfangsphase oder in konfliktgeladenen Situationen, Klarheit und Transparenz nach innen und außen zu vermitteln und sich dadurch verstärkt auf das Wesentliche in ihrer Arbeit zu konzentrieren. Ein Leitbildprojekt ist häufig der Auslöser für weitere Entwicklungsmaßnahmen innerhalb der Kooperation. Neben dem eigentlichen Leitbild gibt es zum Abschluss einer Leitbildentwicklung als Ergebnis meist weitere Projektideen, die helfen, interne operative Prozesse zu optimieren. Das bedeutet, dass dem Prozess im Rahmen eines Leitbildprojekts große Wichtigkeit beigemessen werden muss. Folgende Fragen können dabei als Orientierung dienen: • Wie können wir sowohl unsere Verhaltens- als auch unsere Geschäftsziele transparenter formulieren?
Leitbildentwicklungen in Kooperationen╅╇╛╛107
• Wer sind unsere Kunden? Wen identifizieren wir als relevante Stakeholder und welche Strategien verfolgen wir ihnen gegenüber? • Welche Werte bilden die Grundlage unserer Entscheidungen und Handlungen innerhalb der Kooperation? • Welche Abgrenzungen und Schnittmengen gibt es mit dem Selbstverständnis der Einzelorganisationen?
3 Detaillierte Vorgangsweise und Arbeitsschritte Im Rahmen des Kompetenzzentrums Netzwerkmanagement wurden in einer Arbeitsgruppe Module und konkrete Arbeitsschritte entwickelt, die Entwicklungsprozesse für Kooperationsleitbilder strukturieren können. Denn wie wir bereits erläutert haben, müssen wirkungsvolle Leitbilder von den relevanten Akteuren im Netzwerk akzeptiert sein. Um dies zu ermöglichen, sollte eine möglichst intensive Einbeziehung der Kooperationspartner in die Leitbildentwicklung gewährleistet sein. Dafür schlägt die Arbeitsgruppe folgende Arbeitsschritte vor, die als Grundlage für konkrete Entwicklungsprozesse dienen kann. Im Einzelfall werden die einzelnen Arbeitsschritte an die Situation und die Ziele der Kooperation angepasst. Vorgangsmodell zur Leitbildentwicklung in Kooperationen 1. Vorklärung (Prozessziele, Einverständnis der Beteiligten einholen etc.) 2. Vision entwickeln (im Sinne von: was gewinnen wir mit einem Leitbild?) 3. Gemeinsame Analyse der externen Chancen, Trends und Risken und der internen Stärken und Schwächen der Kooperation 4. Erarbeitung des Selbstbilds der Kooperation 5. Fremdbild von relevanten Stakeholdern formulieren (sowohl interne als auch externe Akteure, Aufnahme von Leitbildern der Einzelorganisationen) 6. Vision überprüfen, Ziele definieren 7. Leitbildentwurf in einer dafür geschaffenen Projektgruppe 8. mehrere Feed-back-Schleifen innerhalb der Kooperation und mit den beteiligten Personen und Organisationen zur Konsolidierung des Leitbilds 9. Formulierung und formale Verabschiedung einer Endfassung 10. Konkrete Umsetzungsmaßnahmen ableiten Diese Arbeitsschritte beschreiben ein allgemeines Vorgangsmodell und müssen auf die spezifischen Anforderungen eines Netzwerkes angepasst werden. Dieses Vorgehen kann somit als Grundlage für einen erfolgreichen Leitbildprozess und für die Einführung des Leitbildes dienen. Effekt des hier beschriebenen beteiligungsorientierten Modells ist ein Leitbild, das • sich an den individuellen Gegebenheiten des Netzwerks orientiert; • unterschiedliche Interessen der Netzwerkpartner berücksichtigt;
Arbeitsschritte Leitbildentwicklung
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T. Becker
• Ergebnis eines geregelten Diskurses im Netzwerk ist; • unter ganzheitlichen Aspekten erarbeitet wird, d.€h. es wird nicht nur Wert auf die Qualität des Ergebnisses, sondern auch auf die Qualität des Prozesses gelegt; • die Ausformulierung einer transparenten Gesamtstrategie für das Netzwerk unterstützt. Der Leitbildprozess wird somit auch zu einem Instrument der strategischen Führung innerhalb von Organisationsformen, die sich aufgrund ihrer internen Strukturen nicht für die Anwendung von klassischen Führungsinstrumentarien eignen, die auf einer Ungleichverteilung von Macht basieren. Damit schafft nicht nur das eigentliche Leitbild sondern auch der Prozess eine Grundlage für Führung und Zielorientierung in Kooperationen.
Nutzen von Leitbildprozessen
Auswirkungen von strukturierten Leitbildprozessen in Kooperationen • Erhaltung von Motivation für die Arbeit innerhalb der Kooperation; • Schaffung eines gemeinsamen Orientierungsrahmens und damit erhöhte Sicherheit; • Standortbestimmung, Perspektivenklärung und Zielfindung; • Verbindung von Zukunftsvorstellungen mit konkreten Grundlagen und Handlungsvoraussetzungen; • Basis für das strategische und normative Management; • größere Entscheidungssicherheit; • Profilbildung und Signalwirkung; • Anstöße für die Entwicklung von Qualitätsstandards Die Umsetzung von Maßnahmen, die innerhalb des Prozesses der Leitbildentwicklung erarbeitet wurden, sollte fester Baustein im Rahmen des Prozesses sein. Denn die Umsetzung ist Prüfstein für die Qualität der Ergebnisse und des Prozesses. Sie kann bereits parallel mit der Erarbeitung des Leitbildes im Netzwerk beginnen und führt somit schon relativ früh zu Erfolgserlebnissen und kann dazu beitragen, die Kooperationspartner weiterhin zu motivieren. Der Leitbildentwicklungsprozess ist in aller Regel nicht frei von Konflikten und organisatorischen Schwierigkeiten. Einige Punkte sind aus unseren bisherigen Erfahrungen besonders kritisch.
Risiken der Leitbildentwicklung
Risiken bei der Leitbildentwicklung in Kooperationen • Unternehmensleitbilder werden von einzelnen starken Kooperationspartnern weitgehend vorgegeben; • unzureichende Beteiligung der wichtigen Akteure innerhalb der Kooperation; • fehlende Akzeptanz des Leitbildes durch zentrale Akteure; • unrealistische Formulierungen; • unzureichende Organisation des Prozesses; • unzureichende Maßnahmen der netzwerkintern und -externen Verbreitung; • unzureichende Maßnahmen der Information und Aufklärung intern und extern.
Leitbildentwicklungen in Kooperationen╅╇╛╛109
Auf Grundlage der bisherigen Ausführungen können entsprechende praxisnahe Module für einen Leitbildentwicklungsprozess angeboten werden. Die folgende Beschreibung gibt einen Überblick über Ziele, mögliche Strukturierungen und Methodiken; außerdem werden Anhaltspunkte für den mit den einzelnen Modulen verbunden Aufwand gegeben. Selbstverständlich variiert der Aufwand in Abhängigkeit von den Bedingungen innerhalb der konkreten Kooperation. Praxismodule für die Leitbildentwicklung in Kooperationen Modul A: Vorgehenskonzept (umfasst die Arbeitsschritte 1–2) Ausgangsbasis: Die an der Leitbildentwicklung beteiligten Personen verfügen über eine unterschiedliche Wissensbasis, die Ziele für einen Leitbildentwicklungsprozess sind unklar, die Zustimmung für einen Leitbildentwick-lungsprozess ist nicht bei allen Partnern vorhanden. Ziel: ein tragfähiges Fundament für die anstehende Leitbildentwicklung schaffen. Inhalt: Das Modul A bringt alle Beteiligten auf den gleichen Wissensstand bezüglich der Funktion des Leitbilds, den Phasen der Leitbildentwicklung und den Auswirkungen auf Arbeitsprozesse, Organisationsgestaltung und Kommunikation. Etablierung einer Arbeitsgruppe und Anbindung an die Einzelorganisationen. Der Nutzen einer Leitbildentwicklung und die Ziele werden geklärt, Visionen entwickelt und Widerstände erkannt und aufgegriffen. Dauer: ca. ein bis zwei Monate, evtl. einzelne Auftaktveranstaltung Modul B: Entwurf des Netzwerkleitbildes (umfasst die Arbeitsschritte 2–6) Ausgangslage: Die an der Leitbildentwicklung beteiligten Personen verfügen über das notwendige Wissen bezüglich Leitbildentwicklung, die Ziele für eine Leitbildentwicklung sind geklärt, die einzelnen Partner sind mit der Entwicklung einverstanden. Ziel: Aufbau eines effizienten Prozesses, Beteiligung aller relevanten Kooperationsakteure und die Erarbeitung eines ersten Entwurfs. Inhalt: Durchführung von verschiedenen Workshops, Konsolidierung der Vorstellungen nach innen, Abgleich des Selbstbildes mit unterschiedlichen Fremdbildern. Durch externe Moderation kann dieser Prozess unterstützt werden. Dauer: ca. zwei Monate Modul C: Leitbildentwicklung (umfasst die Arbeitsschritte 7–9) Ausgangslage: Die beteiligten Partner haben die Grundlage für ein Leitbild erarbeitet, ein erster Entwurf liegt vor. Ziel: Präzisierung des Leitbildes und Verabschiedung Inhalt: Das Leitbild muss in Zusammenarbeit mit den Einzelorganisationen abgestimmt werden. Zielkonflikte werden aufgedeckt und geklärt. Die Ergebnisse werden aus den vorhandenen Materialien kondensiert und die Kernaussagen einprägsam formuliert und unter Kommunikationsaspekten gestaltet.
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Dauer: Arbeitsschritt 7 je zwei Tage bei den Beteiligten; Arbeitsschritt 8 erfordert betriebsbezogenes Arbeiten, mind. ½ Tag pro Betrieb; Arbeitsschritt 9 ca. je einen Tag. Modul D: Leitbildimplementierung (umfasst den Arbeitsschritt 10) Ausgangslage: Das Leitbild ist durch die Partner und gemeinsam mit den Einzelorganisationen erarbeitet und formuliert worden. Ziel: Nicht direkt an der Kooperation beteiligte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Einzelunternehmen lernen das Leitbild und seine Bedeutung kennen, das Leitbild wird gegenüber Kunden und Öffentlichkeit kommuniziert. Inhalt: Das Modul ermöglicht den beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Einzelorganisationen die Auswirkungen des Netzwerkleitbilds auf ihre Arbeitssituation zu definieren (Pflichten, Möglichkeiten, Rechte); zum Beispiel durch Open Space Veranstaltungen o.€ä.) Außerdem können konkrete Maßnahmen identifiziert und umgesetzt werden, die die weitere Kooperationsarbeit unterstützen. Die Ergebnis- und Prozessqualität hängt dabei entscheidend von der Partizipation der Beteiligten ab. Somit haben Leitbilder in Kooperationen häufig einen stärkeren Verbindungs- und Orientierungscharakter als Leitbilder in Einzelorganisationen, da der Aushandlungsprozess bewusster und offener gestaltet werden muss, als dies in der Regel in traditionellen Organisationstypen geschieht. Leitbilder sind somit ein zentrales Arbeitsmittel für die Ausgestaltung von Kooperationsbeziehungen.
4 Projektmanagement in Kooperationen Gerade für arbeitsteilig organisierte Kooperationen, in denen besonders die Komplementarität der Einzelleistungen die spezifische Qualität der Leistungsangebote im Außenverhältnis bestimmt, ist ein professionelles Projektmanagement notwendig, um sorgfältig bearbeitete und qualitativ hochwertige Produkte und Dienstleistungen anbieten zu können. Dabei ist die Situation von Kooperationen auf den ersten Blick vergleichbar mit stark diversifizierten Großunternehmen, die für die Durchführung von Kundenprojekten ebenfalls auf in der Organisation verteilte Ressourcen angewiesen sind, ohne dass die Projektleitung auf disziplinarische Weisungsbefugnisse zurückgreifen könnte. Dennoch gibt es im Vergleich wesentliche Unterschiede, (a) verfügen Großunternehmen in der Regel über organisatorische Lösungen, um Probleme z.€B. bei der Ressourcenbereitstellung zu lösen, und (b) können die Einzelinteressen der Kooperationspartner insbesondere auch in Hinblick auf wirtschaftliche Ziele divergieren. Dabei meinen wir hier, wenn wir von Kooperationen sprechen, Netzwerke aus Einzelunternehmen, die über eine Kooperationsvereinbarung oder ähn-
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liche Instrumentarien eine Zusammenarbeit anstreben, die von den komplementären Kompetenzen der Partner profitieren. Weniger im Fokus stehen hingegen formale Kooperationen wie z.€B. eine Arbeitsgemeinschaft oder eine auf Zeit gegründete GmbH für die Abwicklung eines spezifischen Projekts, da dann in diesen Fällen andere organisatorische Rahmenbedingungen gelten, die sich enger an Projektmanagementprozessen in den Einzelunternehmen orientieren. Ausgangspunkt beim Aufbau von Projektmanagementstrukturen für Kooperationen muss demnach in einem ersten Schritt die Festlegung einer Projektorganisation sein. In den meisten Fällen wird sich eine Organisationsform in Anlehnung an eine Matrixorganisation als praktikabel herausstellen: Mitarbeiter aus den Einzelunternehmen wenden einen bestimmten Anteil ihrer Arbeitszeit für Leistungen der Kooperation auf. In Hinblick auf eine klare Ausarbeitung der Projektstruktur und vor allem auch kaufmännischer Aspekte der Projektabwicklung sind in diesem Zusammenhang vor allen Dingen folgende Fragen zu klären: • Gibt es eine klare Zielformulierung für das Projekt, die von allen Partnern getragen wird? • Übernimmt ein Partner die Rolle der Projektleitung und wenn ja, mit welchen Rechten und Pflichten wird er gegenüber den Kooperationspartnern und gegenüber einem externen Kunden ausgestattet? • Werden die Anteile der Arbeitszeit der einzelnen Mitarbeiter, die für das Einzelprojekt aufgewendet werden, pauschal abgerechnet oder in Höhe und Leistungsumfang nachgewiesen? Eine klare Rollendefinition zu Beginn des Projektes kann spätere Verzögerungen und Unklarheiten vermeiden. Hilfreich ist dafür im Vorfeld eines Projektes auch eine ausführliche Stakeholder-Analyse, die bei der Identifizierung und frühzeitigen Einbindung von unterschiedlichen Interessen innerhalb und außerhalb der Kooperation helfen kann. Klar definierte Strukturen zu Projektbeginn sind eine wichtige Vorraussetzung für den Erfolg von Kooperationsprojekten. Ein besonderes Problem ergibt weiterhin aus der Ermittlung der Projektkosten, sowohl im Hinblick auf die Aufstellung eines entsprechenden Gesamtbudgets als Planungsgrundlage und somit auch als Grundlage für eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, als auch im Hinblick auf die Ermittlung der Ist-Kosten während der Projektabwicklung. Denn es ist in der Regel davon auszugehen, dass die beteiligten Kooperationspartner über unterschiedliche Kostenrechnungsund Controllingverfahren verfügen, die nicht ohne weiteres zusammengeführt werden können. Unterschiedliche Stundensätze, Gemeinkostenanteile und Controllingformate machen die Aufstellung eines Projektbudgets und ein anschließendes Projektcontrolling schwierig. Eine Lösung besteht darin, das Projekt unter Kostengesichtspunkten als Einzelunternehmen zu betrachten, das bestimmte Leistungen bei den Kooperationspartnern einkauft und entsprechend Leistungen an Dritte verkauft. Damit sind aber zentrale Fragen nach wie vor ungelöst, (a) zu welchen Preisen wird
Projektorganisation
Projektcontrolling
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intern verrechnet und wie transparent werden diese internen Preise kalkuliert?, (b) welche Erwartungen an Ergebniskennziffern werden definiert, z.€B. EBITVorgaben, und welche Anteile an solchen Vorgaben werden für die einzelnen Kooperationspartner wie verbindlich vorgegeben?, (c) wie werden ggf. Gewinne auf die beteiligten Kooperationspartner verteilt? Projektvereinbarung Sowohl die Projektorganisation als auch die Regelungen für Budgetierung und Controlling sollten nach Möglichkeit in einer Projektvereinbarung festgelegt werden. Darin legen alle beteiligten Kooperationspartner fest, welche Rahmenbedingungen für das konkrete Projekt vereinbart worden sind, z.€ B. Ergebnisziele, Verrechnungssätze, Rechte und Pflichten der Projektleitung, Kalkulationsgrundlagen und Budget etc.. Nachzudenken wäre in verschiedenen Konstellationen über die Einrichtung eines Entscheidungsgremiums, äquivalent zu einem Steering Committee oder Lenkungskreis, die in Einzelunternehmen mit Projektgeschäft häufig als Eskalationsmöglichkeit eingerichtet werden. Grundlagen der Geschäftsgestaltung sollten bereits in einer Kooperationsvereinbarung allgemein festgelegt sein. Die Projektleitervereinbarung regelt dann Einzelheiten für ein einzelnes konkretes Projekt. Die Projektleitervereinbarung regelt im Gegensatz zu einem Vertrag mit einem Kunden das Innenverhältnis, insbesondere Vereinbarungen über Verantwortungsbereiche der Beteiligten, zugesicherte Ressourcen und Ergebnisziele (sowohl Geschäfts- als auch Verhaltensziele). Die Projektvereinbarung regelt die Ziele, Verantwortungsbereiche und Verpflichtungen der Kooperationspartner für ein konkretes Projekt. Für das Projektmanagement in Kooperationen ist neben der Aufstellung von Budgetplanungen auch die Erstellung von Termin- und Ressourcenplänen eine besondere Herausforderung. Meilensteine, Projektphasen, die Terminierung von Arbeitsschritten müssen mit verschiedenen Partnern abgestimmt werden, genauso wie die Verfügbarkeit von Ressourcen. Da mit der Beteiligung von mehreren Unternehmen auch die Komplexität der Projekte steigt, bedeutet Termin- und Ressourcenplanung einen Mehraufwand gegenüber Projektplanungen, die für Einzelunternehmen aufgestellt werden. Gerade in der Planungsphase ist demnach die Beteiligung aller beteiligten Kooperationspartner besonders wichtig, insbesondere z.€B. bei der Durchführung von Schätzklausuren und anderen Planungsrunden. Für Kooperationen mit komplexem und wiederkehrendem Projektgeschäft lohnt es sich unter diesen Voraussetzungen sicherlich über geeignete verteile Softwarelösungen nachzudenken. Mehrere Anbieter sind mit verschieden Lösungen und unterschiedlichen finanziellen und administrativen Ansprüchen am Markt vertreten. Mindeststandard sollte dabei eine webbasierte Groupwarelösung sein, die zumindest eine gemeinsame Terminkoordination, eine Aufgabenverwaltung sowie Dateiaustausch und –archivierung beinhaltet. Komplexere Lösungen wie z.€B. die Microsoft Project Umgebung bieten ebenfalls skalierbare Alternativen (Abb.€1). Software löst allerdings keine organisatorischen und strukturellen Probleme. Mit dem Einsatz einer Groupware wird aus Einzelunternehmen noch keine erfolgreiche Kooperation für das Projektgeschäft.
Leitbildentwicklungen in Kooperationen╅╇╛╛113
Abb. 1:╇ Ressourcenplanung mit MS Projekt
Auch für die Nutzung von derartigen elektronischen Lösungen für das Projektgeschäft müssen aber innerhalb der Kooperation Regeln vereinbart werden: welche Informationen werden wie und von wem gesammelt, aufbereitet und elektronisch verfügbar gemacht. Um das Projektgeschehen aktuell abzubilden und ein Controlling des Projektfortschritts zu ermöglichen, müssen alle Kooperationsbeteiligten aktuelle Daten liefern. Insbesondere bei kooperierenden kleinen und mittleren Unternehmen, die in dynamischen Umfeldern agieren müssen, wird die regelmäßige Datenpflege für Kooperationsprojekte dem Tagesgeschäft des Einzelunternehmens jedoch häufig untergeordnet. Das sind allerdings Schwierigkeiten, die nicht exklusiv innerhalb von Kooperationen auftauchen: „Die Vorstellung, dass alle im Unternehmen beschäftigten Projektleiter ihre Projekte detailliert planen, auf Aktivitätsstufe Aufwände schätzen, Ressourcen zuweisen und das System alle derart geplanten Projekte konsolidiert und schließlich die Ressourcenbelastung über sämtliche – kleinen und großen – Projekte zusammenträgt, muss zu den organisatorischen Fiktionen gezählt werden“ (Scheuring 2008, 214€f.). Für Projekte innerhalb von Kooperationen gilt so die Beobachtung, die auch für sonstige Aktivitäten innerhalb von Kooperationen gemacht werden kann: Das Tagesgeschäft des Einzelunternehmens hat – verständlicherweise – in der Regel Vorrang vor Kooperationsaktivitäten. Für Projekte, die von einzelnen Unternehmen durchgeführt werden, kann dem durch die Zuordnung von Prioritäten begegnet werden. Dies ist in der Regel innerhalb von Kooperationen nicht möglich. Aus den vorangegangenen Überlegungen wird deutlich, dass Kooperationsprojekte häufiger größeren Risiken unterliegen, als Projekte, die in Einzelunter-
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T. Becker
nehmen durchgeführt werden. Worin liegt dann der Vorteil bei der Abwicklung von Projekten innerhalb von Kooperationen? Der Vorteil liegt in der langfristigen Vertrauensbeziehung, die zwischen den Beteiligten innerhalb von Kooperationen besteht. Dies sichert im dynamischen Projektumfeld schnellere Lösungen als die, die mit Partnern realisiert werden können, die nur aufgrund von Vertragsbeziehungen agieren und sich notfalls auch auf die darin vereinbarten Klauseln zurückziehen. Das erklärt zum Teil auch die zunehmende Bedeutung von Claim-Management-Prozessen nicht nur im Kundenverhältnis, sondern auch im Verhältnis zwischen Vertragspartnern, z.€ B. innerhalb von Konsortien und zu Zulieferern. Kooperationen senken die Transaktionskosten von Projektmanagementprozessen unter Inkaufnahme von erhöhten Projektrisiken. Zwei Handlungsfelder für Kooperationen, die gemeinsam Projekte abwickeln wollen, sind demnach besonders wichtig: 1. Der Aufbau eines Projektmanagementprozesses, der folgende Kriterien erfüllen muss: (a) Transparenz im Sinne von dokumentiert und bewusst vereinbart, (b) Einfachheit im Sinne von beherrschbar und komplexitätsreduzierend und nicht im Gegenteil neue Komplexität schaffend und (c) Controlling-Fähigkeit im Sinne von Hilfestellungen für die konkrete Abwicklung. 2. Der Aufbau eines Risikomanagements, das nach Möglichkeit über das Einzelprojekt hinausreicht. Der Risikomanagementprozess ist demnach zum Teil ein Prozess der allgemeinen Kooperationsarbeit, auf dessen Ergebnisse der Projektmanagementprozess zugreifen kann (vgl. nachfolgende Abbildung ). Allen Kooperationspartnern muss vor diesem Hintergrund klar sein, dass der Aufbau von klaren Projektmanagementprozessen und begleitenden Prozessen erheblich dazu beitragen kann, die Erfolge der gemeinsamen Projekte zu sichern. Mit dem Aufbau solcher Strukturen sollte möglichst schon mit den ersten Projekten begonnen werden, um Lerneffekte so früh wie möglich nutzen zu können (Abb.€2).
allgemeine Kooperationsprozesse
Risikomanagement
Projekt B Projetmanagementprozesse
Projekt A
Projekt C
Projekt D
Abb. 2:╇ Risikomanagement für Projekte in Kooperationen
Projekt E
Leitbildentwicklungen in Kooperationen╅╇╛╛115
5 Literatur Ellerkmann F (2003) Horizontale Kooperationen in der Beschaffungs- und Distributionslogistik – Entwicklung eines Gestaltungsleitfadens unter besonderer Berücksichtigung verhaltenstheoretischer Gesichtspunkte. Diss. Univ. Dortmund. Scheuring H (2008) Der www-Schlüssel zum Projektmanagement. 4. korr. Aufl. Zürich.
Geschäftsprozesse in Kooperationen optimieren Thomas Becker, Frank Ellerkmann
1 Überblick Die zunehmende Dynamisierung der Märkte mit immer kürzeren Produktlebenszyklen, die weiter steigenden Kundenanforderungen hinsichtlich Preis, Qualität und Spezifität der Leistung und die Globalisierung des Wettbewerbs haben den Kostendruck auf die Unternehmen in einem Maße erhöht, dass es kaum noch Organisationen gibt, die völlig autark am Markt operieren können. Die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, sei es im Bereich der Entwicklung, der Beschaffung oder der Leistungserbringung, ist vielmehr ein Bestandteil der Unternehmensstrategie geworden und inzwischen auch fest im Tagesgeschäft verankert. Diese zunehmende Bedeutung von Kooperationen hat auch zu einer Professionalisierung in der Gestaltung der Geschäftsprozesse zwischen den Partnern geführt. Akteure sowohl in bilateralen Kooperationen als auch in Unternehmensnetzwerken erkennen die Notwendigkeit, neben einer Optimierung der Tätigkeiten im eigenen Unternehmen auch die Geschäftsprozesse zwischen miteinander agierenden Organisationen in Kooperationen oder Netzwerken zu analysieren und zu verbessern. Der folgende Beitrag stellt dar, wie Kooperationen vor diesem Hintergrund ihre Geschäftsprozesse den Markterfordernissen anpassen können. Dazu gibt der erste Abschnitt einen Überblick über verschiedene Praxisbeispiele, bei denen unterschiedliche Aufgaben von mehreren Partnern kooperativ abgewickelt werden. Im Anschluss daran beschreiben die Autoren ein praxisnahes Vorgehensmodell, das es Kooperationen ermöglicht, ihre Geschäftsprozesse zu analysieren und zu modellieren. Im abschließenden Kapitel werden mögliche Hemmnisse und Risiken vorgestellt, die während einer Geschäftsprozessoptimierung in Kooperationen auftreten können.
2 Beispiel für Geschäftsprozesse in Unternehmen Ausgangspunkt für die Initiierung von Kooperationen ist das Ziel mehrerer Partner, Kundenwünsche gemeinsam möglichst umfassend und effizient zu befriedigen. Demzufolge steht auch die gemeinsame Nutzung der verschie-
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T. Becker, F. Ellerkmann
dener Ressourcen der unterschiedlichen Partner im Vordergrund. Dies setzt eine Kooperation der einzelnen Partner voraus, da diese sich nicht nur informationstechnisch miteinander verbinden, sondern auch zahlreiche Aufgaben gemeinsam oder zumindest in Abstimmung miteinander planen und umsetzen müssen. Grundsätzlich kann jede Teilaufgabe eines Unternehmens auch Gegenstand einer Kooperation sein. Dementsprechend viele unterschiedliche Inhalte und Ausgestaltungsformen von Kooperationen sind bereits heute in der Praxis anzutreffen. Entwicklung: Kooperationen im Bereich der Entwicklung sind eine Folge der sich immer weiter reduzierenden Fertigungstiefe. Neuentwicklungen müssen z.€B. bei einem Pumpenhersteller in enger Abstimmung mit den Produktmodifikationen des Gehäuselieferanten erfolgen. Diese Abstimmungsprozesse beziehen sich nicht nur auf konstruktive Fragestellungen wie Geometrien, Maße oder verwendete Werkstoffe, sondern betreffen auch die zeitliche Zusammenführung der Entwicklungsprozesse, beginnend mit dem ersten Prototypen über die Vorserienmodelle bis hin zum Serienanlauf. Beschaffung: Kooperationen im Bereich der Beschaffung sind in den unterschiedlichsten Branchen anzutreffen. Liegen die Motive von Einkaufskooperationen im Handel in der Verbesserung der Verhandlungsposition gegenüber den Lieferanten, werden Beschaffungskooperationen bei produzierenden Unternehmen häufig auch im Zusammenhang mit Entscheidungen über eine Verringerung der Fertigungstiefe aufgebaut. Als Ergebnis dieser Strukturentscheidungen werden z.€ B. ausgewählte Fertigungsfunktionen an Kooperationspartner ausgelagert, die dann oft auch gemeinsam geplant und überwacht werden. Derartige Entscheidungen haben wiederum einen unmittelbaren Einfluss auf die Geschäftsprozesse im eigenen Unternehmen, da es innerbetrieblich zu einer Verlagerung von Aufgaben aus der Produktion in den Verantwortungsbereich der Beschaffung kommt. Einkaufsportale in verschiedenen Branchen: In diesem Zusammenhang werden digitale Marktplätze und Einkaufsportale immer wichtiger. Beispielsweise betreiben die Automobilhersteller Mercedes Benz, Ford und General Motors seit einiger Zeit den gemeinsamen Marktplatz „Covisint“, auf dem sie in Zukunft ihre Zulieferer versammeln wollen, um Roh-, Hilfs- oder Betriebsstoffe einzukaufen. Hier erzwingt die große Einkaufsmacht dieser Hersteller die Teilnahme der Zulieferer, die sich einem sich daraus ergebenden erheblichen Bedarf an Neuorganisation gegenübersehen, um ihre Vertriebsprozesse über den Marktplatz abwickeln zu können. Aber auch die Automobilzulieferer schaffen eigene Marktplätze, über die sie gemeinsam ihre Beschaffung vereinfachen wollen. Prominentes Beispiel ist hier der Marktplatz SupplyOn, dessen Entwicklung von Automobilzulieferern wie Bosch vorangetrieben wird. Dies betrifft jedoch nicht nur die Automobilindustrie: in fast allen Branchen werden augenblicklich derartige Marktplätze aufgebaut – angefangen von der Chemieindustrie bis hin zum Anlagenbau. Trotz Prognosen, die nur einer kleineren Zahl dieser Marktplätze eine Zukunft geben, etabliert sich hier doch eine immer relevanter werdende Größe in der horizontalen, aber auch vertikalen Kooperation von Unternehmen.
Geschäftsprozesse in Kooperationen optimieren╅╇╛╛119
Produktion: Gegenstand einer Kooperation im Produktionsbereich kann z.€B. die Abstimmung der Produktionsprogramme sein, indem sich mehrere Partner auf die Fertigung von Produktgruppen spezialisieren. Diese unterschiedlichen Produktgruppen ergeben zusammen entweder eine Produktpalette, die gemeinsam auf dem Markt angeboten wird, oder die einzelnen Teile werden anschließend zu einer kompletten Komponente (Komponentenlieferanten) oder sogar zu verkaufsfähigen Produkten kombiniert. Dadurch besteht für die Partner auch die Möglichkeit zur Produktdiversifikation. Eine andere Möglichkeit ist die kooperative Produktion sich ergänzender Produkte, wie z.€B. bei Großprojekten. Zur Erzielung von Degressionseffekten werden in Produktionskooperationen häufig Produktionsanlagen gemeinsam genutzt, um somit eine optimale Kapazitätsauslastung zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere für Betriebsmittel, die hinsichtlich der Kosten für Anschaffung und laufenden Betrieb von einem Partner allein nicht getragen werden können, sowie für neue kostenintensive Verfahren und Technologien. Vertrieb: Arbeiten Unternehmen im Bereich des Vertriebs zusammen, kann das z.€ B. bedeuten, dass sie gemeinsame Werbung und Öffentlichkeitsarbeit betreiben oder Markengemeinschaften bilden. Ebenso können Marktforschung und Erschließung neuer Märkte gemeinsam durchgeführt werden. Im Bereich der Vertriebsorganisation werden häufig Vertriebskanäle gemeinsam genutzt, gemeinschaftliche Ausstellungen, Verkaufsstellen und Niederlassungen gebildet oder gemeinsame Verkaufsaktionen und Messekooperationen realisiert. Dazu gehört auch das gemeinschaftliche Betreiben eines Außen- und Kundendienstes. Bei der physischen Distribution von Produkten können so z.€B. der Transport und die Lagerhaltung gemeinsam durch die Partner erfolgen. Der Transport kann aber auch an eigenständige, spezialisierte Logistikdienstleister übergeben werden. Bei Kooperationen zwischen Herstellern und Handel wird der Vertrieb teilweise vollständig von Handelsunternehmen durchgeführt (z.€B. unterstützt durch ECR- oder VMI-Systeme). In diesem Bereich haben sich mittlerweile unterschiedliche, erfolgreiche Kooperationsformen etabliert. Einen Sonderfall einer Vertriebskooperation stellt die vermehrte Vermarktung von Produkten in Kombination mit Dienstleistungen dar, deren Erbringung in der Regel jedoch nicht Gegenstand des Kerngeschäfts des Produktherstellers ist. Über Kooperationen mit Dienstleistungsunternehmen werden deshalb Dienstleistungen konfiguriert und beschafft. Derartige Ansätze bieten sich bei Produkten an, vor deren Nutzung erst die Installation bzw. Inbetriebnahme beim Kunden ansteht. Sonstige Bereiche: Außer in den genannten Bereichen kann auch bei der gemeinsamen Beschaffung von Informationen und Marktdaten, bei Konjunkturund Strukturanalysen sowie beim Benchmarking kooperiert werden. Hinsichtlich der Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter können Partner gemeinsame Schulungen und Veranstaltungen von Seminaren und Kursen durchführen. Dazu gehört auch das gemeinsame Betreiben von Ausbildungsstätten, Bildungszentren und Bibliotheken. In der Datenverarbeitung finden sowohl Kooperationen bei der Nutzung von Hardware (z.€B. gemeinsames Rechenzentrum und Nutzung der DV-Anlagen des Partners) als auch bei der Entwicklung und Nutzung der SCM-Software (z.€B. gemeinschaftliche Programmierung und
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T. Becker, F. Ellerkmann
Programmaustausch) statt. Informationssysteme unterstützen damit zum einen Kooperationen und sind zum anderen selbst Gegenstand einer Kooperation.
3 Prozesskettenmanagement für Kooperationen Ziele von Prozesskettenmanagement Transparente Strukturen
Verbesserte Kundenorientierung
Kostensenkung
Mitarbeiterorientierung
Identifikation von Schwachstellen
Ziel einer systematischen Prozessanalyse für Kooperationen ist es, alle zur Erfüllung eines Kundenauftrages durchgeführten Prozesse bzw. Tätigkeiten zu erkennen und mit bestehenden Abhängigkeiten abzubilden. Die Durchführung einer Prozessanalyse hat dabei für Kooperationen verschiedene Vorteile. Zum einen werden (a) in Kooperationen transparente Strukturen mit Prozessorientierung identifiziert, aufgebaut und dokumentiert. Damit wird Transparenz in der Aufbau- und Ablauforganisation durch graphische, leicht verständliche Darstellung sichergestellt. Außerdem wird eine Beurteilung von prozessorientierten EDV-Systemen (bei bestehenden Systemen oder für Neuanschaffungen) ermöglicht. Die Transparenz dient auch der Analyse über Unternehmensgrenzen hinaus mit dem Ziel, die Kommunikation zwischen den Kooperationspartnern zu verbessern. Kooperationen verbessern durch ein systematisches Prozesskettenmanagement (b) ihre Kundenorientierung, d.€h. zum einen dient sie der Verbesserung des Service für externe Kunden (durch optimierte Abläufe, weniger Reibungsverluste etc.), aber auch der Verbesserung des Service für interne Kunden (z.€B. Nutzung von Prozesskettenplänen für Schulungszwecke für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter). Kooperationen optimieren mit Hilfe von Prozesskettenmanagement (c) die Marktfähigkeit ihrer Produkte durch die Reduzierung der Durchlaufzeiten, die Verringerung von Prozesskosten und eine interne Qualitätssicherung. Ein bewusstes und transparentes Prozesskettenmanagement erhöht darüber hinaus (d) die Mitarbeiterorientierung in den beteiligten Unternehmen durch die Beurteilung einer ganzheitlichen Arbeitsgestaltung und die Festlegung von eindeutigen Verantwortungsbereichen und Schnittstellen in der Kooperation. Eine Prozessanalyse kann vor diesem Hintergrund unter unterschiedlichen Gesichtspunkten durchgeführt werden. Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass gerade in Kooperationen besondere Schwierigkeiten bestehen, ineffiziente Prozesse zu identifizieren. Das liegt zum einen daran, dass diese Prozesse zum großen Teil zwischen Unternehmen ablaufen und sich damit der Kontrolle der Einzelorganisationen entziehen, und zum anderen daran, dass diese Prozesse in Kooperationen häufig informell verabredet wurden und die Beteiligten dadurch ebenfalls Beziehungen thematisieren müssten. Deshalb ist gerade für Kooperationen eine systematische Analyse und Bewertung dieser Prozesse wichtig. Für Kooperationen kristallisieren sich ausgehend von den bisherigen Erfahrungen folgende Schwerpunkte heraus. Das ist (a) die Identifikation von Schwach-
Geschäftsprozesse in Kooperationen optimieren╅╇╛╛121
stellen. Mit einer Prozesskettenanalyse werden nicht optimierte Prozesse, unklare Absprachen und unpassende Abläufe identifiziert und offen angesprochen. Insbesondere dann, wenn nicht klar ist, warum es an bestimmten Stellen in den Abläufen nicht optimal funktioniert, kann ein transparentes Verfahren helfen, diese Schwachstellen zu identifizieren. (b) ist ein Schwerpunkt die Definition von Verantwortlichkeiten. Gerade in nicht vollständig formal organisierten Kooperationen fällt es häufig schwer, klare Verantwortlichkeiten für verschiedene Prozessschritte zu definieren. Sind die Kooperationsprozesse visualisiert, können Verantwortlichkeiten abgegrenzt und definiert werden. Ein dritter Schwerpunkt ist (c) die Datengenerierung für die Leistungsverrechnung zwischen den Kooperationspartnern. Während die Leistungsanteile der Einzelunternehmen an der direkten Leistungserstellung häufig einfacher zu bestimmen sind, sind gerade Overhead-Prozesse wie z.€B. Kommunikationsaufwände, Rechnungsprozesse etc. nicht eindeutig zuordbar. Nur durch eine klare Prozessbeschreibung können Leistungsanteile klar zugeordnet und verrechnet werden.
Verantwortlichkeiten in der Kooperation
Leistungsverrechnung
Vorgehensmodell für die Prozesskettenoptimierung Für eine Geschäftsprozessoptimierung schlagen die Autoren ein Vorgehensmodell vor, in dem sich fünf Hauptphasen unterscheiden lassen (Tab.€1). Tabelle 1:╇ Schritte einer Prozesskettenoptimierung
1.╇ Vorbereitung 2.╇ Prozessaufnahme und -analyse a.╇ Durchführung der Aufnahme in Einzelgesprächen o. Workshops b.╇ Zusammenführung der Ergebnisse c.╇Konsolidierung und Verifizierung der Ergebnisse mit allen Beteiligten in einer geeigneten Visualisierung (Ist-Zustand) 3.╇ Prozessoptimierung (Erstellung Soll-Konzept) a.╇ Optimierungspotenziale identifizieren und analysieren b.╇Soll-Prozesse ggf. in Einzelgesprächen mit den Beteiligten entwickeln und ggf. zusammenführen und konsolidieren c.╇Maßnahmen mit den Beteiligten definieren (Aufwand, Zeitraum, Verantwortlichkeiten etc.) 4.╇ Realisierung 5.╇ Monitoring (Erfolgskontrolle)
Inhalte und Arbeitsschritte der einzelnen Phasen sollen im Folgenden näher beschrieben werden. Vorbereitung Ein Ziel der Prozessaufnahme für Kooperationen ist, wie bereits ausgeführt, die Analyse und Optimierung von Geschäftsprozessen. Die Prozessanalyse wird dabei in Kooperationen als mehrstufiges Verfahren durchgeführt, um
Arbeitsphasen der Prozesskettenoptimierung
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T. Becker, F. Ellerkmann
Prozesse zu identifizieren, zu bewerten und zu optimieren. Mit der ersten Phase „Vorbereitung“ werden die Grundlagen für die folgenden Schritte gelegt: im Vordergrund steht dabei eine klare Zieldefinition, die von allen relevanten Akteuren der Kooperation getragen werden muss. Als Methode, die während dieser Phase verwendet werden kann, hat sich ein Workshop bewährt. In einem solchen Workshop werden zentrale Arbeitsergebnisse zusammengetragen, die als Input für die Weiterverarbeitung dienen. Ziel eines solchen Workshops ist die Abgrenzung der Kernprozesse und der dazugehörigen Teilprozesse, die während der nächsten Schritte bearbeitet werden sollen, und die Auswahl des in Frage stehenden Untersuchungsbereiches. Denn nicht immer ist es sinnvoll, alle Geschäftsprozesse der Kooperation gleichzeitig zu bearbeiten. Es ist wichtig, in einem ersten Schritt die Methode und Darstellungsweise einer Prozesskettenanalyse vorzustellen. Alle Beteiligten müssen die Methode kennenlernen, um zu erwartende Ergebnisse abschätzen zu können. Danach geht es um die Darstellung der Akteursstruktur (z.€B. durch ein Organigramm), des Produkt-, Angebots- und Leistungsspektrums des Kernprozesses und der Teilprozesse. Damit wird eine gemeinsame Datengrundlage geschaffen, die alle Beteiligten kennen. Im zweiten Teil dieses Workshops oder in einem Folgetermin werden die beteiligten Kooperationspartner in die oberste Ebene eines Netzwerkreferenzmodells eingeführt; dazu haben die Autoren ein Basismodell entwickelt (vgl. u.). Ein solches Referenzmodell bildet generische Sollprozesse ab, die als Folie für die realen, später aufzunehmenden Kooperationsprozesse dienen können. Für die Kernprozesse werden dabei auch Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten definiert. Grundlage für eine erste Betrachtung ist dabei das bereits erwähnte generische Prozessmodell für Kooperationen, das im Kompetenzzentrum Netzwerkmanagement entwickelt wurde (Abb.€1):
Abb. 1:╇ Schematische Übersicht über unterschiedliche Prozessebenen in Kooperationen
Geschäftsprozesse in Kooperationen optimieren╅╇╛╛123
Leser finden eine druckbare Version dieser Darstellung auf den Webseiten der Autoren. Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Prozessbeschreibung können (a) fehlende Prozesse identifiziert und (b) ungeklärte Rollen abgegrenzt werden. Dies geschieht während Prozessaufnahme und -analyse. Prozessaufnahme und -analyse Für die Vorbereitung der Ist-Aufnahme wurden einige Leitfragen definiert, die für die Durchführung hilfreich sind und die Diskussion während des Erhebungsprozesses strukturieren können. Bevor eine Prozessanalyse aufgenommen und analysiert wird, müssen diese Fragen geklärt werden (Tab.€2): Tabelle 2:╇ Leitfragen für die Vorbereitung einer Prozessaufnahme in Kooperationen
• Wer sind die richtigen Ansprechpartner für die Prozessaufnahme? (Kooperationsverantwortliche, Ansprechpartner in den beteiligten Betrieben) • Wer ist der Ansprechpartner? (Funktion, Aufgabenbereiche, Kompetenz, wie lange in der Funktion, frühere Aufgabenbereiche) • Welche Kooperationsbereiche sind zu betrachten? • Welcher Detaillierungsgrad wird angestrebt? • Welche Prozesse sollen mit welchen Ansprechpartnern aufgenommen werden? Welche Prozesse sind relevant? • Welche Alternativprozesse gibt es möglicherweise auch noch? (Beispiele aus anderen Kooperationen können hilfreich sein.) • Welche Kernprobleme sind offensichtlich? • Was sind erwartete Ziele der Aufnahme? Welches Ziel wird verfolgt bzw. welches Ergebnis wird angestrebt? • Gibt es konkurrierende Ziele der Kooperationspartner? • Welche Hierarchieebenen müssen beteiligt sein? • Wo sind Quelle und Senke (Start und Ende von Prozessschritten)? • Welche Veränderungen haben in letzter Zeit stattgefunden und welche sind geplant? • Welche Entwicklungen sind für die Kooperation geplant? Die Antworten auf diese Fragen helfen, ein Untersuchungsdesign festzulegen und mit den Kooperationspartnern abzustimmen. Die folgende Prozessaufnahme untersucht unterschiedliche Aspekte, die für eine vollständige Beschreibung der Abläufe wichtig sind (Tab.€3): Tabelle 3:╇ Dimensionen der Prozessaufnahme
Prozesse ╅ a.╇ Koordinierungsprozesse ╅ b.╇ Leistungsprozesse Verantwortlichkeiten Aufwand Schnittstellen
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Für die Analyse dieser verschiedenen Kategorien müssen mehrere Fragen geklärt werden. Welchen Tätigkeiten und Aufgaben gehen die Befragten in den einzelnen Prozessen nach? Was gehört zu welchem Verantwortungsbereich und welche Aufgaben werden in den untersuchten Prozessen erfüllt? Weitere Fragen sind: Welche Entscheidungen werden wann durch wen getroffen? Wie ist der genaue Prozessablauf aus Sicht der befragten Person? Damit können auch unterschiedliche Sichtweisen zwischen den Beteiligten transparent gemacht werden. Geklärt werden muss auch, welche Aktivitäten im Prozess parallel laufen und welche Prozesse zwingend sequenziell sind, d.€h. welche Aktivitäten benötigen ein Ergebnis aus einer vorgelagerten Aktivität? Während der Prozessaufnahme wird auch identifiziert, welche Informationen für einzelne Aufgaben bei der Kooperationsgestaltung benötigt und tatsächlich verwendet werden. (Woher bekommen die Beteiligten diese Informationen? Wie werden diese bearbeitet? Wohin werden diese weitergeleitet? Sind alle notwendigen Informationen für die Prozessabwicklung verfügbar?) Neben Verantwortlichkeiten und Wissensmanagement werden auch Aspekte der Ressourcenverwaltung aufgenommen: Welche Ressourcen sind in welchem Umfang im Teilprozess eingebunden? Welche Informationen werden während der Prozessabwicklung erzeugt, an wen werden sie weitergeleitet, und welche Auswirkungen haben diese Informationen auf die weitere Prozessabwicklung? Gibt es eine Rückmeldung auf das Ergebnis des Prozesses? Auch die Dokumentation der Prozesse und deren bestehende Verwaltung werden ausgewertet, um alle Prozessschritte vollständig dokumentieren zu können: Welche Dokumente oder Formblätter und Verfahrensanweisungen sind bekannt, und wie werden sie genutzt? Welche IT-Systeme werden genutzt und wie die Erfahrungen in der Anwendung dokumentiert? Wie hoch ist der Aufwand für die Datenerhebung? Ein weiterer Aspekt, der bei der Prozessaufnahme berücksichtig werden kann, ist das Qualitätsmanagement einer Kooperation. Wie werden Ergebnisse kontrolliert? Welche Qualitätskriterien existieren? Wer ist dafür verantwortlich? Welche Indikatoren und Kennzahlen werden dafür genutzt, und wie wird mit Ergebnissen umgegangen, die durch die Kontrolle als negativ bewertet werden? Auch erkennbare Potenziale werden wenn möglich schon in dieser Phase identifiziert: Welche erfolgskritischen Punkte (Ereignis, Prozessschritt) sind Teil eines Prozessschrittes? Welche Verbesserungspotenziale im Informationsfluss bzw. Informationsaustausch können identifiziert werden? Was kann oder muss aus der Sicht der Akteure im Prozess verbessert werden und was davon ist im jeweiligen Einflussbereich veränderbar?Auch im Rahmen der Analysephase sind die unterschiedlichen Perspektiven der verschiedenen Akteure interessant. Diese unterschiedlichen Schwerpunkte sind im Rahmen einer Analyse zwischen den Beteiligten zu identifizieren und entsprechend während der Analyse zu berücksichtigen. Folgende Aufnahmeschwerpunkte können z.€B. berücksichtigt werden (Tab.€4):
Geschäftsprozesse in Kooperationen optimieren╅╇╛╛125 Tabelle 4:╇ Schwerpunkte in der Prozessanalyse
• • • • • • •
Ablaufbeschreibung und Ablaufstruktur (Integration von Teilprozessen) Steuerungsmechanismen Kontrollmechanismen Entscheidungsmechanismen Integration von parallelen Prozessen Schnittstellenprobleme (z.€B. zwischen Abteilungen, mit der Verwaltung) Randparameter des Prozesses, wie z.€ B. die Bereitstellung von Finanzmitteln bei Änderungen • Organisations- und Medienwechsel (bei der Weitergabe von Informationen über z.€B. Telefon, E-Mail, IT-Systeme) • Unterstützung durch IT-Systeme
Abschließender Bestandteil der Prozessaufnahme und -analyse ist eine adäquate Prozessvisualisierung. Für die Visualisierung wird an dieser Stelle auf bekannte Verfahren verwiesen. Prozessbeginn und -ende, Aufwand, benötigte Daten, Rollen etc. werden grafisch dargestellt. Dabei ist zu beachten, dass die Visualisierung allen Beteiligten ermöglicht, die Informationen zu bewerten, und somit eine Grundlage für eine Diskussion der Ergebnisse darstellt. Neben technischen Fragen der Darstellung (Symbole etc.) muss auch geklärt werden, wer die Prozessaufnahme moderiert – Moderationserfahrungen sind hier hilfreich, falls die Darstellung im Rahmen eines Kooperationsworkshops erarbeitet wird. Die Qualität der Visualisierung entscheidet dabei auch über die Ergebnisse der folgenden Phasen, die Visualisierung muss daher entsprechend sorgfältig vorgenommen werden. Prozessoptimierung: Erstellung des Soll-Konzepts Für die konkrete Umsetzung lässt sich diese Phase in die folgenden Ablaufschritte untergliedern (Abb.€2):
SollKonzeptErstellung
Betrachtung Betrachtung der der Ist-Situation Ist-Situation
Erstellung von Lösungsalternativen
Identifikation Identifikation & & Klassifikation Klassifikation von von Schwachstellen Schwachstellen
Auswahl einer möglichen Lösung
Betrachtung Betrachtung der der Restriktionen Restriktionen
Abstimmung Abstimmung und und BeBewertungdes wertungdes Soll-Konzeptes Soll-Konzeptes
Soll-KonzeptSoll-KonzeptErstellung Erstellung (Kreativitäts(Kreativitätstechnik) technik)
SollKonzept fertig
Abb. 2:╇ Bausteine der Sollkonzepterstellung
Auf Grundlage der ermittelten Prozesse werden die Kooperationspartner im Anschluss an die erste Phase daran arbeiten, ihre Prozesse zu optimieren, um gemeinsam Verbesserungen zu erreichen. Wie können nun – ausgehend von
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der identifizierten Ist-Situation – Optimierungsansätze identifiziert werden? Folgende Handlungsmöglichkeiten zur Prozessoptimierung haben sich in der Praxis als bedeutsam erwiesen: • Zusammenfassen, das bedeutet z.€ B. die Komplettbearbeitung eines Prozesses durch einen Kooperationspartner, anstatt bestimmte Prozessstränge auf verschiedene Partner aufzuteilen. Das reduziert Overhead- und Abstimmungskosten. • Parallelisieren: häufig werden Prozesse sequentiell bearbeitet, obwohl dafür keine zwingende Notwendigkeit besteht. Durch die Zuordnung der Prozesse zu verschiedenen Kooperationspartner wird eine Parallelisierung ermöglicht. Damit werden Durchlaufzeiten verkürzt und unnötige Wartezeiten vermieden. • Erweitern der Prozessmenge durch die Übernahme von Prozessen und Leistungen in die Kooperation, die bisher außerhalb der Kooperation erstellt wurden. Das kann z.€ B. durch die Nutzung bisher nicht berücksichtigter Kompetenzen geschehen, durch die Qualifizierung eines bestehenden Partners oder durch die Einbeziehung eines neuen Partners, der die benötigte Kompetenz bereits besitzt. • Im Gegensatz dazu können Prozessumfänge gegebenenfalls verkürzt werden, das bedeutet die Vergabe von bisher kooperationsinternen Leistungen nach außen. Prozesse, die nicht zu den Kernkompetenzen der Kooperation gehören, werden dabei ausgelagert. Ein Beispiel ist z.€B. die Beauftragung einer Steuerberatung oder eines Büroservices mit buchhalterischen Aufgaben oder die Beauftragung eines Callcenters für den Kundenkontakt. • Häufig ergibt sich bei genauerer Analyse auch die Möglichkeit, Prozesse zu eliminieren, also auf bestimmte Prozesse zu verzichten, wie z.€B. auf unnötige Kontrollprozesse oder ähnliche Leistungen. • Auch das Vertauschen von Elementen kann zu einer Optimierung der Effizienz beitragen. Dabei werden Ort und Zeitpunkt in der Prozesskette verändert, um Ergebnisse schneller zu erzielen. Die Kooperationspartner arbeiten so gemeinsam daran, die identifizierten Prozesse zu überprüfen und passende Optimierungsmöglichkeiten auszuwählen. Auch für diese Erarbeitung von Sollabläufen sind bestimmte Leitfragen hilfreich, um Optimierungspotenziale identifizieren zu können und nutzbar zu machen. Dabei können die folgenden Fragen helfen, effizientere Prozesse zu definieren (Tab.€5): Tabelle 5:╇ Leitfragen für die Erstellung eines Soll-Konzepts
• • • • • • • •
Welche Ziele werden mit dem Prozess verfolgt? Welche Tätigkeiten sind für den Prozessschritt notwendig? Wer führt die Tätigkeit aus? Welche Vorarbeiten und Inputs werden benötigt? Welche Prozessoutputs werden erwartet? Welche Hilfsmittel oder Materialien sind für den Prozessschritt notwendig? Wie wird die Prozessleistung überprüft? Welche ergänzenden Abwicklungskriterien (z.€B. Richtlinien, Arbeitsanweisungen, gesetzliche Vorgaben, Kundennormen etc.) sind zu beachten?
Geschäftsprozesse in Kooperationen optimieren╅╇╛╛127
Konkret kann dabei die im Folgenden beschriebene Vorgehensweise bei der Erstellung eines Soll-Konzepts genutzt werden, dabei basiert diese Soll-Konzept-Erstellung selbstverständlich auf der identifizierten und grafisch repräsentierten Ist-Situation. Mit Hilfe der Prozessverantwortlichen werden die identifizierten Ist-Prozessketten betrachtet und Schwachstellen identifiziert und klassifiziert. Danach werden Restriktionen identifiziert, die bei der SollKonzept-Erstellung berücksichtigt werden müssen. Denn unter Umständen müssen Randbedingungen für das Soll-Konzept berücksichtigt werden, die die Gestaltungsmöglichkeiten einschränken: Kann die Kooperation wachsen? Welche Marktbedingungen sind zu berücksichtigen? Gibt es Kostenvorgaben? In Teamarbeit werden dann Schwachstellen z.€ B. mittels Kreativitätstechniken durch neue und bessere Abläufe ersetzt und ein mögliches Soll-Konzept erstellt. Es ist ratsam, mehr als eine Lösungsalternative zu entwickeln, um verschiedene Möglichkeiten hinsichtlich ihres Nutzens und des notwendigen Aufwands bewerten zu können. Danach können die besten Alternativen mit Hilfe von Entscheidungstechniken ausgewählt werden. Die Integration aller Kooperationspartner im Vorfeld dient dabei zur Absicherung der Akzeptanz der identifizierten Alternativen. Die Visualisierung der Soll-Prozessketten erfolgt zwecks Vergleichbarkeit mit der gleichen Symbolik, die bei der Darstellung der Ist-Prozesse benutzt worden ist. Um die Beschreibung des Soll-Zustandes realitätsnah zu gestalten, können einige Leitfragen helfen, um zwischen den beteiligten Kooperationspartnern Verständigung darüber zu erzielen, wie Arbeitsabläufe innerhalb der Kooperation zukünftig gestaltet werden sollen und welche Rahmenbedingungen bei der Definition zu berücksichtigen sind (Tab.€6): Tabelle 6:╇ Leitfragen für die Rahmenbedingungen bei der Soll-Konzept-Erstellung
• Wie hoch ist die Veränderungsbereitschaft der beteiligten Kooperationspartner? • Welche Restriktionen, die durch die Partner definiert werden, müssen berücksichtigt werden? • Wie werden zukünftiger Planungen im Bereich EDV und Materialfluss berücksichtigt? • Wie werden Kooperationsziele und -strategien berücksichtigt? Passt das Soll-Konzept dazu? • Können personelle Ressourcen flexibler, z.€B. über Unternehmensgrenzen hinweg eingesetzt werden? • Gibt es produktionstechnische oder -spezifische Rahmenbedingungen? • Gibt es finanzielle Einschränkungen? • Gibt es standardbezogene Restriktionen? • Welche anderen möglichen Lösungen gibt es? Gibt es in dieser Hinsicht Vorschläge seitens der Kooperationspartner? • Wie können einzelne Prozesse sicherer gemacht werden? • Wie kann die Kette kostenoptimiert dargestellt werden?
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• Wo lagen die Probleme im Ist-Zustand (z.€ B. großer Abstimmungsaufwand)? Werden mit dem angedachten Soll-Konzept diese Probleme bzw. Schwachstellen gelöst? • Ist die Idee bzw. das Soll-Konzept realisierbar? (unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeit, Anpassbarkeit der IT-Landschaft, Qualifikationen, Ausstattung, Ressourcen, Kapazitäten, Investitionshöhe) • Wollen die Kooperationspartner das Soll-Konzept? Und wie überprüfen sie zukünftig, dass die Anforderungen an Prozesse (Ziel, Qualität…) von allen Beteiligten eingehalten werden?
Realisierung Auf Basis des definierten Soll-Konzepts können die Beteiligten nun ein Projekt definieren, in dessen Rahmen die festgelegten Verbesserungen umsetzt werden. Dabei werden in der Regel Standardprojektplanungen genutzt. Für die Realisierung werden Zeitabläufe und Meilensteine definiert, um Teilziele festzulegen und planbar zu machen. Wichtig für die Einführung des Soll-Konzepts ist die klare Regelung und Zuweisung von Verantwortlichkeiten. Ohne eine regelmäßige Fortschrittsüberwachung durch die verantwortlichen Kooperationsmitglieder tendieren Beteiligte in Veränderungsprozessen wie einer Prozessoptimierung dazu, geplante Ziele nur teilweise umzusetzen oder das Projekt sogar ganz zu beenden. Falls notwendig, kann die Umsetzung durch einen externen Berater begleitet werden. Für die Umsetzung umfassenderer Prozessveränderungen werden Teilprojekte definiert. Dazu werden in einem ersten Schritt die wichtigsten Prozessketten bearbeitet, um möglichst schnell messbare Ergebnisverbesserungen zu erreichen. In einem zweiten Schritt folgen dann weitere Prozessketten, die aufbauend auf den bereits überarbeiteten Prozessen optimiert werden. Monitoring Nach einer erfolgreichen Geschäftsprozessoptimierung in Kooperationen werden die erzielten Verbesserungen kontinuierlich überwacht. Dazu können Kooperationsaudits genutzt werden, in deren Rahmen der gegenwärtige Stand der Prozessqualität bewertet wird. Dazu können z.€B. die Methoden verschiedener Maturity Modelle genutzt werden, die zwar in Hinblick auf Einzelorganisationen entwickelt wurden, sich aber doch auch auf Kooperationen übertragen lassen. Im Rahmen dieser Audits wird auch festgestellt, ob weiterer Verbesserungsbedarf besteht – auch Kooperationen können so kontinuierliche Verbesserungsprozesse für ihr Prozessmanagement entwickeln und umsetzen. Für diese Aufgabe wird ebenfalls eine Person bestimmt, die für die Einhaltung der Prozesse, die Vor- und Nachbereitung der Audits und die Überwachung der sich daraus ergebenden Aufgaben verantwortlich ist.
Geschäftsprozesse in Kooperationen optimieren╅╇╛╛129
4 Hemmnisse und Risiken bei der Umsetzung von Geschäftsprozessoptimierungen in Kooperationen Bei der Umsetzung einer Prozesskettenoptimierung können verschiedene Schwierigkeiten auftreten, die im Prozess von den Beteiligten berücksichtigt werden müssen. Im Folgenden werden einige Risiken aufgezeigt, die Ursache für unbefriedigende Projektergebnisse sein können. Hemmnis 1: Es werden keine ehrgeizigen Ziele definiert: Um Gewohntes in Frage zu stellen, können ehrgeizige Ziele (wie z.€ B. 40% Durchlaufzeitverkürzung, 20% Kostensenkung, 30% Umsatzsteigerung) helfen, die beteiligten Kooperationspartner zu motivieren. Sinnvoll ist ebenfalls die Festlegung von Teilzielen, um Erfolge schneller für alle Beteiligten der Kooperation sichtbar werden zu lassen. Allerdings müssen die Ziele realistisch bleiben – unrealistisch ehrgeizige Ziele demotivieren. Hemmnis 2: Die wesentlichen Entscheider fehlen als Promoter: Bei der Projektinitialisierung sind zentrale Akteure und Entscheider aktiv dabei, aber häufig wird die operative Verantwortung zu frühzeitig verteilt oder nicht klar definiert. In vielen Kooperationen – wie in jeder Organisation – gibt es formelle und informelle Rollen. Hier ist es wichtig, auch Personen zu involvieren, die vielleicht nicht formal entscheidungsbefugt sind, die aber aufgrund ihrer Kontakte zu anderen Beteiligten Interessen und damit auch Entscheidungsprozesse beeinflussen können. Hemmnis 3: Bei der Projektdefinition wird der Kundennutzen nicht genügend berücksichtigt. Dabei müssen gerade Zielgrößen, die am Markt auch honoriert werden, verfolgt werden. Daher empfiehlt es sich, im Vorfeld durch Kundenbefragungen und Benchmarking geeignete Ansatzpunkte für das Prozesskettenmanagement zu ermitteln. Der Kundennutzen ist ein wichtiges Bewertungskriterium für die Kooperationsprozesse, daran werden alle Prozesse gemessen werden. Durch Kundenbefragungen können im Anschluss an die Prozessoptimierung die Ergebnisse überprüft und gemessen werden. Hemmnis 4: Das Prozesskettenmanagement orientiert sich in der Zieldefinition und in der Umsetzung an den Interessen eines oder mehrerer Kooperationspartner, ohne den Gesamtnutzen im Blick zu haben. Wenn es in Kooperationen zu Problemen in der Abwicklung kommt, werden oftmals nur Einzelabläufe oder Teilketten in Einzelunternehmen neu gestaltet. Dadurch werden große Verbesserungspotenziale nicht genutzt. Eine weitere Gefahr ist, dass nur an Symptomen gearbeitet wird, häufig am Ende der Prozesskette. Die Ursachen für Fehler sind aber in der Regel zeitlich vorgelagert. Daher muss die Betrachtung des vollständigen Auftragsdurchlaufs in der Kooperation im Blickpunkt der Optimierung stehen. Hemmnis 5: Bei der Optimierung wird das Zusammenwirken der unterschiedlichen Einflüsse vernachlässigt. Die Effekte, die sich aus dem Zusammenwirken der verschiedenen Einflussgrößen und komplexen Abhängigkeiten ergeben, müssen bei der Gestaltung der neuen Prozessketten berücksichtigt werden. Dabei spielen auch arbeitsorganisatorische Aspekte sowie Motivation und Qualifikation eine große Rolle.
Ehrgeizige, aber realistische Ziele definieren
Verantwortung richtig verteilen
Kundennutzen als entscheidende Zielgröße
Gesamtprozesskette als Lösungsfolie
Zusammenwirken der Einflüsse entscheidet!
130 Offene Kooperationskultur
T. Becker, F. Ellerkmann
Hemmnis 6: Die Beteiligten pflegen keine offene Kooperationskultur und zeigen keine ausreichende Veränderungsbereitschaft. Eine offene Kooperationskultur, die auch in den Einzelunternehmen wirksam wird, ist ein kritischer Erfolgsfaktor für das Prozesskettenmanagement. Deswegen sollten möglichst viele Mitarbeiter aus den Partnerunternehmen eingebunden werden, indem gezielt Projektteams gebildet werden, die aus Mitarbeitern aus verschiedenen Kooperationspartnern bestehen. Grundsätzlich ist es ein Kennzeichen für eine erfolgreiche Kooperation, wenn kontinuierliche Verbesserung eine wesentliche Geschäftsaktivität im Rahmen ihrer Zusammenarbeit ist. Fazit Trotz der beschriebenen Probleme und Risiken werden Analyse und Optimierung der Geschäftsprozesse immer mehr zu einer zentralen Voraussetzung für den Erfolg von Unternehmensnetzwerken, denn die professionelle Gestaltung von Wertschöpfungsleistungen, der effiziente Aufbau von Dienstleistungsprozessen und die gerechte Bilanzierung von Binnenleistungen unterstützen die Partner bei der internen Koordination und beim Aufbau von langfristigen Kundenbeziehungen. Die hier beschriebenen Vorgehensmodelle und Methoden können Partnern in Unternehmenskooperationen helfen, die bestehenden Prozesse zu analysieren, zu optimieren und nachhaltig zu verankern.
5 Literaturverzeichnis Becker T (2004) Kooperationen erfolgreich (projekt)managen. Projektmagazin 22/2004 Killich S, Luczak H (2003) Unternehmenskooperation für kleine und mittelständische Unternehmen. Lösungen für die Praxis. Springer, Berlin Ellerkmann F (2003) Horizontale Kooperationen in der Beschaffungs- und Distributionslogistik. Entwicklung eines Gestaltungsleitfadens unter besonderer Berücksichtigung verhaltensorientierter Gesichtspunkte. Verl. Praxiswissen, Dortmund
Qualitäts- und Integrierte Management Systeme in Unternehmensnetzwerken Stephan Killich, Iris Bruns, Alexander Künzer
Ein zertifizierter Nachweis über ein Qualitätsmanagement oder Integriertes Management System ist für viele Unternehmen eine notwendige Voraussetzung für die Ausübung der Geschäftstätigkeit. Dies kann sich aus Forderungen der Kunden oder aus gesetzlichen Auflagen ergeben. Darüber hinaus ist die Qualität eines Produktes oder einer Dienstleistung ein wichtiger Wettbewerbsfaktor, der neben den traditionellen Faktoren wie Zeit und Kosten immer mehr an Bedeutung gewinnt. Zentraler Aspekt ist dabei die Definition von Standards in Form der Beschreibung von Zielen, Vorgehensweisen und Verantwortlichkeiten. Dadurch wird die Voraussetzung geschaffen, einen einheitlichen Standard zu realisieren und im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses stetig anzuheben. Diesen Potenzialen steht allerdings in der Praxis der damit zusammenhängende Aufwand für die Definition, Beschreibung und Zertifizierung von Standards gegenüber. Der kann dem Wunsch nach einer lückenlosen und vor allen Dingen realistischen Beschreibung der Ziele, Vorgehensweisen und Verantwortlichkeiten eines Unternehmens entgegenstehen. Dies ist auf die Komplexität zurückzuführen, die mit diesen Zielen einhergeht, denn die Anzahl der Informationen, die beschrieben werden müssen, ist häufig sehr groß. Darüber hinaus bilden diese keinen statischen Zustand ab, sondern unterliegen einem ständigen Prüf- und Veränderungsprozess, der organisiert, umgesetzt und dokumentiert werden muss. Und letztendlich müssen die entsprechenden Veränderungen den Mitarbeitern transparent gemacht werden, so dass die Maßnahmen im Unternehmen umgesetzt werden können. Eine Verteilung auf mehrere Standorte oder Unternehmen sowie die Sicherstellung der Konformität zu mehreren Normen im Sinne eines Integrierten Management Systems erhöht diese Komplexität zusätzlich. Dennoch können und müssen in Zukunft auch Unternehmensnetzwerke sich diesen Problemen stellen, denn die dadurch zu erschließenden Potenziale, wie beispielsweise durch die Schaffung von gemeinsamen Standards, eine Zertifizierung oder eine kontinuierliche und strukturierte Verbesserung, sind gerade in Kooperationen kritische, aber erfolgsrelevante Faktoren. Darüber hinaus eignet sich diese Dokumentation dazu, potenziellen Kunden die Kooperation und ihre Bestandteile transparent zu machen und von ihrer Leistungsfähigkeit zu überzeugen.
Qualitätsmanagement und Integrierte Management Systeme
Managementsysteme und Unternehmensnetzwerke
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S. Killich, I. Bruns, A. Künzer
1 Qualitätsmanagement und Integrierte Management Systeme
=> gestern => heute =>Vision
Ab Ende der 80er Jahre wurden in vielen Unternehmen, vor allem auf den „Wunsch“ ihrer Geschäftskunden, normierte Qualitätsmanagementsysteme und etwas später (ab 1995) normierte Umweltmanagementsysteme aufgebaut. Ab etwa 1990 wurden diese in einigen Branchen zur Voraussetzung für ein Kunden-Lieferantenverhältnis. Dies bezog sich insbesondere auf Qualitätsmanagementsysteme in der Automobilindustrie und kombinierte Systeme zu Arbeitssicherheit und Umweltschutz in der Petrochemie. Hintergrund war die in Deutschland festgeschriebene Beweislastumkehr bei der Produkthaftung. Die Hersteller waren nun im Streitfall verpflichtet, die Fehlerfreiheit ihrer Produkte nachzuweisen. Diese Forderung lässt sich insbesondere bei komplexen und/oder sicherheitsrelevanten Produkten nur durch einen lückenlosen Nachweis des gesamten Herstellungsprozess erreichen. Dies schließt auch die Produktion der Zulieferteile mit ein, so dass sich dieser Nachweis auf die komplette Zulieferkette bezieht. Unternehmen, die mehreren Normen und Gesetzen gerecht werden mussten, hatten in der Regel voneinander getrennt aufgebaute Managementsysteme. Überschneidungen, unklare Schnittstellen oder auch konträre Regelungen dieser ‚parallelen Welten‘ führten (und führen auch noch heute z.€T.) dazu, dass ein (wirtschaftlicher) Nutzen verschiedener Managementsysteme nicht immer gewährleistet war. Seit Anfang der 1990er Jahre wurden daher in vielen Unternehmen diese ‚parallelen Welten‘ in sog. Integrierte Management Systeme (IMS) umgewandelt. In diesen Integrierten Management Systemen wird ein prozessorientiertes Abbild eines Unternehmens erstellt, das auf die Erfüllung der unterschiedlichen Normen hin betrachtet wird. Das General Management, also die eigentliche Steuerung eines Unternehmens ist davon jedoch noch weitestgehend entkoppelt. Die Anzahl der Normen, Gesetze und Regelungen wird auch in Zukunft steigen, und für die bestehenden Normen wird der Gültigkeitsbereich permanent ausgedehnt. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die in der Gesundheitsreform 2004 definierte Verpflichtung aller niedergelassenen Ärzte, ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement einzuführen. Darüber hinaus beinhaltet die Beschreibung von Unternehmensprozessen enorme Potenziale, da im Gegensatz zur Aufbauorganisation die Wertschöpfung selbst beschrieben wird. Die Steuerung eines Unternehmens kann somit direkt dort ansetzen, wo Verbesserungen umgesetzt werden: an den Tätigkeiten der Mitarbeiter. Die Vision integrierter Managementsysteme ist somit die Fusion von prozessorientierten Managementsystemen mit der Unternehmenssteuerung (Abb.€1).
Qualitäts- und Integrierte Management Systeme in Unternehmensnetzwerken╅╇╛╛133 Fokus 1 Parallel
QualitätsASGS management Management z.B. ISO 9001 General WissensUmweltmanagement Management management z.B. ISO 14001
Integration
General Management
heute
IMS QualitätsQualitätsmanagement management
gestern
UmweltUmweltmanagement management
ASGS ASGS Management Management
2
Zeit
WissensWissensmanagement management
3 Vision Fusion General Management
Abb. 1:╇ Ausgangssituation – die Entwicklung integrierter Managementsysteme
Allerdings ist die Integration von Qualitätsmanagement oder Integrierten Management Systemen in Unternehmensnetzwerken gar nicht oder nur sehr selten anzutreffen. Eine Verbundzertifizierung mag vom Begriff her auf die Zertifizierung eines Unternehmensverbundes, also einer kooperativen Tätigkeit, schließen lassen. Dieser Ansatz dient allerdings zur Reduzierung von Kosten durch eine gemeinsame Zertifizierung und nicht der Zertifizierung gemeinsamer Aktivitäten.
2 Prozessorientierung Die Anzahl der Normen und Richtlinien ist in der Vergangenheit permanent gewachsen. Ist im Jahre 1927 die 3000. Norm erschienen, so erschienen allein im Jahr 2004 2339 Normen und Vornormen. Insgesamt lag in diesem Jahr der Bestand an vorhandenen Normen bei über 28.900 (DIN 2005). Diese Entwicklung zeigt, wie stark Auflagen durch Normen an Bedeutung gewonnen haben. Welche Auflagen für die Dokumentation für ein Unternehmen relevant sind, hängt überdies von der jeweiligen Branche, den Produkten sowie Absatzmärkten ab. Der Betrieb von Kernkraftwerken ist beispielsweise stärker durch Auflagen geregelt, als dies in vielen anderen Bereichen der Fall ist (Abb.€2).
Verbundzertifizierung und Zertifizierung im Verbund
Externe Prüflabore
Dienstleistungen
Lebensmittel
Telekommunikation
Medizintechnik
Luft- und Raumfahrt
Forderungen an QM Systeme
Automobilbau
S. Killich, I. Bruns, A. Künzer Maschinen und Anlagenbau
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DIN EN ISO 9001 QS 9000 TE Tooling VDA 6.1 VDA 6.2 VDA 6.4 DIN EN ISO 46001 DIN EN ISO 13485 ALS 9100 TL 9000 HACCP DIN EN ISO 45002 EFQM
Abb. 2:╇ Branchenspezifische Forderungen an QM-Systeme (Pfeifer 2001,€75) Kern-, Stütz- und Managementprozesse
Ein wichtiges Kriterium bei der Beschreibung eines Unternehmens ist in heutigen Managementsystemen die Prozessorientierung. Strukturgebendes Merkmal bei der Beschreibung sind dabei die einzelnen Prozesse. In der Regel wird dabei eine Prozesslandschaft aufgebaut, die aus unterschiedlichen Ebenen und untereinander verknüpften Prozessen besteht. Auf der obersten Ebene hat sich eine Unterteilung in Kern-, Management- und Stützprozesse etabliert. Der Kernprozess ist dabei der Prozess, in dem die Wertschöpfung eines Unternehmens erfolgt. Oder einfacher ausgedrückt: Hier wird das Geld verdient! Prozesse wie Lagerhaltung, Personaleinstellung, Gebäudemanagement etc. sind in der Regel Stützprozesse. Managementprozesse (Strategie, Planung etc.) hingegen sind ebenfalls indirekt wertschöpfend. Sie werden benötigt, um die direkte Wertschöpfung der Kernprozesse für den Kunden zu erbringen. Die Beschreibung von Prozessen kann sowohl in Textform als auch in Form von Flussdiagrammen erfolgen. Flussdiagramme besitzen den Vorteil, dass sie einfacher und schneller zu lesen sind als textuelle Beschreibungen dies in der Regel ermöglichen. In Flussdiagrammen kommen hierzu unterschiedliche Elemente zur Visualisierung von Abläufen zur Anwendung. Diese Elemente werden durch Pfeilverbindungen in eine zeitliche Reihenfolge gebracht (Killich et al. 2007) (Abb.€3).
Qualitäts- und Integrierte Management Systeme in Unternehmensnetzwerken╅╇╛╛135
Aktivität
Aktivitäten sind die am Häufigsten verwendeten Prozesselemente. Mit ihnen werden die einzelnen Aktivitäten bzw. Prozessschritte visualisiert.
Die Synchronisation erlaubt das Visualisieren eines zwingenden Zusammenlaufens von verschiedenen vorangehenden Aktivitäten, d. h. das nach dem Synchronisationspunkt kommende Prozesselement kommt erst dann zum Einsatz, wennalle vor dem Synchronisationspunkt stehenden Aktivitäten bzw. sonstige in Prozesselementen dargestellMotor anlassen Sicherheitsgurt anlegen ten Tätigkeiten abgeschlossen sind (UNDSynchronisation Verknüpfung). Alternativ kann mit der ODER-Verknüpfungdargestellt werden, dass mindestens eine der ein- und vorher-gehenden Aktivitäten abgeschlossen sein muss. Losfahren
Entscheidung
Bei dem Entscheidungselement können zusätzliche Informationen bzw. dazugehörige Dokumente hinterlegt werden, um z. B. Handlungshilfenfür die Entscheidung zu geben.
Kundenanfrage
Absage an Kunden
Lokrativ?
NEIN
ja Angebot erstellen
Prozess
Dokumente
Ereignis
Zuständigkeit
Mit dem Element „Prozess“ ist es möglich, auf einen ande ren definierten Prozess bzw. zu einem Unterprozess zu verweisen.
Mit dem Element „Dokumente“ können relevante mitgeltende Unterlagen in Prozessen gesondert gekennzeichnet werden. Daneben kann bei Aktivitäten darauf aufmerksam gemacht werden, dass an der entsprechenden Stelle ein bzw. mehrere Dokumente als Input- in den Prozess bzw. als Output (Ergebnis) aus dem Prozess hervorgehen. Formular Kundenanfrage
Sind Prozessschritte von etwaigen (Eingangs-) Bedingungen bzw. Ereignissen abhängig, so kann dies mit diesem Prozesselement dargestellt werden. Ebenso kann dieses Prozesselement als Zwischenbedingung verwendet werden, welches zuerst erfolgt sein muss, bevor der nachfolgende Prozessschritt ausgeführt werden soll bzw. darf.
Angebot erstellen
Angebot
Interne Anfrage
Externe Anfrage
Vorgehensweise 1
Vorgehensweise 2
Vorgehen Zusammen
Liegen stark arbeitsteilige Prozesse vor und diese sollen auf einen Blick im Prozessablauf kenntlich gemacht werden, so können die Zuständigkeiten in sogenannten „Swimlanes“ eintragen werden. Für den Betrachter des Prozesses wird so direkt erkenntlich, welche Aktivitäten von wem bearbeitet werden müssen.
Abb. 3:╇ Elemente zur Erstellung von Flussdiagrammen (Beispiele aus der Software ConSense IMS|QMS|PMS)
Beschreibung von Aktivitäten und Prozessen
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S. Killich, I. Bruns, A. Künzer
3 Managementsysteme und Unternehmensnetzwerke
Anforderungen aus der Praxis
Die Beherrschung von Qualitätsmanagement und Integrierten Management Systemen stellt häufig ein Problem dar. Auch in einzelnen Unternehmen, die nicht im Netzwerk agieren, ist die Komplexität sehr hoch, so dass ein hoher Aufwand betrieben wird, der nicht immer zum Erfolg führt. Die Potenziale bspw. eines Qualitätsmanagements kann man erst dann erschließen, wenn die Abläufe und Strukturen, die in diesem System abgebildet werden, den Mitarbeitern transparent sind. Allgemein lassen sich daher einige Anforderungen beschreiben, die sich aus der betrieblichen Praxis ergeben und über die Anforderungen aus Normen und Gesetzen hinaus reichen: • Das Management muss aktiv eingebunden werden. • Der Dokumentationsaufwand ist durch organisatorische Maßnahmen sowie entsprechende softwaretechnische Unterstützung zu reduzieren. • Es muss ein Verantwortungsbewusstsein bzgl. des Managementsystems sowie der Dokumentation bei den Mitarbeitern geschaffen werden. • Es sind der Realität entsprechende Informationen (Ziele, Prozesse, Anweisungen etc.) zu beschreiben. • Flexibilität und Aktualität der Dokumentation müssen der Veränderungsgeschwindigkeit im Unternehmen angepasst sein. Für Unternehmensnetzwerke sind diese Anforderungen gleichermaßen gültig. Die Erfüllung ist allerdings ungleich schwieriger. Die Mitarbeiter, denen die Prozesse transparent gemacht werden sollen, kommen aus unterschiedlichen Unternehmen. Darüber hinaus muss die Unternehmensleitung damit einverstanden sein, dass dokumentierte Vorgehensweisen der eigenen Organisation an andere Unternehmen weitergegeben werden. Dies ist insbesondere dann von hohem Stellenwert, wenn neben der Prozessbeschreibung Kennzahlen in das Managementsystem integriert werden, die die eigene Leistungsfähigkeit widerspiegeln. Diesen Problemen steht allerdings die Chance einer Kooperation gegenüber, die sich durch gemeinsame Standards, eine kontinuierliche Verbesserung und somit eine hohe Produkt- und/oder Dienstleistungsqualität auszeichnet. Den Problemen der Einführung und des Betriebes eines Integrierten Management Systems in Unternehmensnetzwerken kann durch zwei unterschiedliche Bereiche begegnet werden. Dabei sind zunächst organisatorische und das Vertrauen betreffende Aspekte relevant. Diese sind unabhängig von einem Managementsystem in einer zwischenbetrieblichen Kooperation zu gestalten und durch entsprechende Maßnahmen zu unterstützen (siehe z.€ B. die Beiträge „Leitbildentwicklung“ und „Gelingende Kooperation“ in diesem Band). Darüber hinaus ist durch eine entsprechende Softwareunterstützung die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass ein Managementsystem über Organisationsgrenzen hinweg gelebt werden kann, also die Komplexität des Systems für die jeweiligen Mitarbeiter beherrschbar gemacht wird.
Qualitäts- und Integrierte Management Systeme in Unternehmensnetzwerken╅╇╛╛137
4 Softwareunterstützung Die softwaretechnische Unterstützung eines Integrierten Management Systems kann unterschiedliche Funktionalitäten beinhalten. Die einfache und intuitive Bedienung der Software ist an dieser Stelle von besonderer Bedeutung, da die Komplexität des Systems an sich nicht noch durch eine schwierige oder umständliche Bedienung erhöht werden darf. Weiterhin ist es ein Ziel, vielen Mitarbeitern die gemeinsam definierten Standards und Vorgehensweisen zu vermitteln, und das über Organisationsgrenzen hinweg. Personalisierung Die Nutzung eines Managementsystems ist je nach Aufgaben, die darin übernommen werden, sehr unterschiedlich. Z. B. benötigen Managementbeauftragte andere Funktionen als Prozessverantwortliche oder Mitarbeiter, die ‚lediglich‘ Informationen aus dem System erhalten und nicht an der Pflege des Systems beteiligt sind. Aus diesen Gründen sollten unterschiedliche Benutzeroberflächen angeboten werden, die jeweils die Bedürfnisse der Zielgruppen optimal angepasst sind. Die Nutzer bzw. Informationskonsumenten eines Managementsystems können eine vereinfachte Benutzungsoberfläche angeboten bekommen, um eine einfache und intuitive Benutzung zu ermöglichen sowie die Fokussierung und Transparenz der Informationen zu erhöhen. Darüber hinaus müssen Managementbeauftragten und Prozessverantwortlichen zusätzliche Funktionalitäten angeboten bekommen, die sie bei der Pflege des Managementsystems unterstützten. Dazu kann ein eigenes Werkzeug aufgebaut werden, mit dem folglich nur ausgewählte Mitarbeiter eines Unternehmens, die eine Verantwortung im Managementsystem übernehmen, arbeiten. Die Minimierung des Verwaltungsund Pflegeaufwandes sowie das Sicherstellen der Normkonformität sind dabei zentrale Unterstützungsaspekte. Auf diese Weise erfolgt eine Komplexitätsreduktion durch das Anpassen angeboten Softwarefunktionalitäten an die Aufgaben, die ein Mitarbeiter in dem Integrierten Management System übernimmt. Im Weiteren kann die Informationsvielfalt durch eine automatisch erstellte, personenspezifische Zusammenstellung relevanter Informationen erfolgen. In dem in Abb.€ 4 dargestellten Beispiel werden dem Mitarbeiter „Herrn Müller“ Informationen darüber zusammengestellt, welche Prozesse und welche Veränderungen in dem Managementsystem für ihn relevant sind. Außerdem werden ihm relevante Kennzahlen in ihren aktuellen Ausprägungen mit Zielerreichungsgraden zusammengestellt.
Nutzung oder Pflege?
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S. Killich, I. Bruns, A. Künzer relevante Prozesse (personenspezifisch)
relevante Ziele (personenspezifisch)
relevante Veränderungen (personenspezifisch)
Abb. 4:╇ Automatisch generierte, personenspezifische Übersicht eines Qualitätsmanagementsystems (Killich et al. 2007)
Plattformunabhängigkeit Da das Werkzeug in unterschiedlichen Organisationen genutzt wird und diese nicht per se ein gemeinsames IT-Netzwerk haben, muss die Anwendung unabhängig von der IT-Plattform der Einzelbetriebe sein. Dennoch müssen allen beteiligten Personen die gleichen Informationen vorliegen. Dies kann durch unterschiedliche Konzepte erfolgen. Zum Einen kann eine zentrale Datenbank installiert sein, auf die über das Internet zugegriffen wird. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, in jedem der Unternehmen eine eigene Datenbank zu installieren. Diese Datenbanken replizieren sich in einem definierten Zeitraum, gleichen also ihre Änderungsstände regelmäßig ab. Beide Konzepte sind gleichermaßen umsetzbar. Welche Variante letztendlich gewählt wird, hängt von Kriterien der Sicherheitsansprüche, den Kosten und den IT-technischen Voraussetzungen in den einzelnen Unternehmen ab (Abb.€5).
Qualitäts- und Integrierte Management Systeme in Unternehmensnetzwerken╅╇╛╛139
Abb. 5:╇ Inter- oder Intranetdarstellung eines Integrierten Management Systems (ConSense GmbH)
Pflege eines Integrierten Management Systems Die Pflege eines Integrierten Management Systems ist häufig ein wichtiger Faktor dafür, ob das System von den Mitarbeitern gelebt wird oder nicht. Denn nur der Realität entsprechende und somit aktuelle Informationen können dazu führen, dass sich die Mitarbeiter mit dem System überhaupt identifizieren können. Die Pflege des Systems kann allerdings sehr zeitaufwendig sein. In einzelnen Unternehmen wird dies teilweise durch eigens eingerichtete Stellen abgebildet. Dies ist häufig in Unternehmensnetzwerken nicht möglich, da eine Aufteilung der dadurch entstehenden Kosten problematisch ist. Die Lösung liegt in einer dezentralen Pflege, in der alle Unternehmen gleichermaßen einen Teil übernehmen. In dem in Abb.€6 dargestellten Beispiel wird die Pflege des Prozesses „Beschaffung“ auf zwei Unternehmen verteilt. So ist beispielsweise das Unternehmen 1 für die Prüfung und Freigabe des Prozesses verantwortlich, wohingegen Unternehmen 2 die Änderungen und die Konformitätsprüfung übernimmt. Dieses Konzept ist für alle Prozesse und Dokumente, die den Standard der Kooperation abbilden, anwendbar und entsprechend umzusetzen. Weiterhin können Zugriffsberechtigungen (also die Sichtbarkeit von Prozessen und Dokumenten) für Mitarbeiter oder Organisationseinheiten in einzelnen Unternehmen definiert werden. Die letzte Stufe der Dezentralisierung ist die Angabe eines Geltungs-bereiches, in dem festgelegt wird, welcher Mitarbeiter in welchem Unternehmen den Prozess oder eine einzelne Aktivität innerhalb eines Prozesses durchführt, wer dabei mitwirkt und wer über Änderungen davon in Kenntnis gesetzt werden muss.
Dezentrale Pflege
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S. Killich, I. Bruns, A. Künzer
Abb. 6:╇ Dezentrale Pflege der Daten (ConSense GmbH) Unterstützung von Routinetätigkeiten
Neben der dezentralen Pflege der Daten ist es erforderlich, die anfallenden Aufgaben durch eine Automatisierung weitestgehend zu erleichtern oder aber ganz abzunehmen. Ein aktives Arbeiten mit Unternehmensstandards bedingt beispielsweise eine Fortschreibung der unterschiedlichen Revisionen bei Ergänzung und Änderung der Inhalte. „Dies beinhaltet die Verwaltung weiterer für das QM notwendiger Parameter, wie beispielsweise Autor, Erstellungsdatum, Änderungsdatum, Freigebende Person, Freigabedatum. Diese Daten wurden häufig manuell gepflegt und in das jeweilige Dokument z.€ B. in Kopf- und Fußzeilen integriert. Die Revisionen wurden dann durch ein entsprechendes Nummernsystem, das im Namen des Dokumentes verankert wird, vorgehalten. Dies führte zu einem hohen Pflegeaufwand, bei dem es mit zunehmender Anzahl von Dokumenten schwer und selten möglich ist, ein konsequentes Grundlayout der Dokumente (Kopf- und Fußzeilenbereich) zu erreichen.“ (Killich et al. 2007) Diese Aufgaben können von entsprechenden Softwarelösungen übernommen werden. Dies umfasst sowohl das Revisionieren aller Dokumente als auch das Aktualisieren aller Parameter samt Protokollierung im Sinne einer Historienverwaltung. Ein weiteres Beispiel für Arbeitsschritte, die häufig einen hohen Aufwand beinhalten, ist es, die freigegebenen Änderungen in Prozessen oder Dokumenten den Mitarbeitern so zur Verfügung zu stellen, dass diese schnell nachvollzogen werden können. Neben einer automatischen Be-
Qualitäts- und Integrierte Management Systeme in Unternehmensnetzwerken╅╇╛╛141
nachrichtigung per Email und einem entsprechenden Hinweis auf der personalisierten Übersichtsseite kann der Mitarbeiter die durchgeführten und freigegebenen Änderungen direkt im System einsehen, wie in Abb.€7 anhand eines Prozesses zur Angebotserstellung beispielhaft dargestellt ist.
Abb. 7:╇ Visualisierung von Veränderungen eines Prozesses, Beispiel Angebotserstellung (ConSense GmbH)
Es gibt darüber hinaus zahlreiche weitere Routinetätigkeiten, die bei der Pflege eines Integrierten Management Systems anfallen und entsprechend unterstützt oder automatisiert werden können: • Anpassen von Kopf- und Fußzeilen für ein einheitliches Layout; • Audit-Protokolle zu einem bestimmten Prozess oder Dokument abspeichern; • die Kenntnisnahme, ob einzelnen Mitarbeiter im Veränderungen im System bekannt sind, sichern (bspw. via Bestätigungs-Button); • Workflow zur Dokumentenlenkung steuern (z.€B. Änderung => Prüfung => Freigabe); • Zusammenstellen von Papierordnern für einzelne Organisationseinheiten (Abteilungen, Gruppen, Personen etc.) und Überprüfung der Aktualität der Ordner; • …
Änderungen transparent machen
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S. Killich, I. Bruns, A. Künzer
5 Zusammenfassung Die Grundprinzipien von Qualitäts- oder Integrierten Management Systemen, nämlich das Definieren, Überprüfen und kontinuierliche Verbessern von (Kooperations-) Standards beinhaltet gerade für Unternehmensnetzwerke große Potenziale. Diese bestehen sowohl darin, die Arbeit in dem Netzwerk transparent zu machen und einen hohen Qualitätsstandard zu erreichen als auch darin, potenziellen Kunden gegenüber diese Leistungsfähigkeit zu vermitteln. Allerdings sind die dafür zur Verfügung zu stellenden Kapazitäten aufgrund des hohen Zeitbedarfs groß. Um dennoch diese Potenziale erschließen zu können, wurden einige softwaretechnische Konzepte und Funktionalitäten anhand von Beispielen dargestellt.
6 Literatur DIN (2005) Normen sind das Öl im Getriebe des Welthandels. Pressemitteilung DIN Verlag 14.04.2005 Killich S, Bruns I, Künzer A (2007) Dokumentation. In: Pfeifer T, Schmitt R (Hrsg) Masing Handbuch Qualitätsmanagement. Hanser, München Pfeifer T (2001) Qualitätsmanagement – Strategien, Methoden, Techniken. Hanser, München
Wirksames Wissensmanagement in Netzwerken Stephan Killich, Ralf Kopp
1 Einleitung Die Notwendigkeit effizienterer Wissenskoordination und -nutzung ist unumstritten, konfrontiert jedoch Organisationen im Allgemeinen und Netzwerke im Besonderen mit neuartigen Problemen. Sicherlich ist der Forderung zuzustimmen, dass es Wissensmanagement gelingen muss, aus der „Zumutung des Wissens“ (Baecker 2000) eine Ermutigung zu machen (Romhardt 2002, 120). Dies praktisch einzulösen fällt jedoch angesichts ernüchternder Versuche der Einführung von Wissensmanagement in Organisationen schwer. Die Beratungsbranche entwickelte zwar eine Fülle konkurrierender Konzepte und Methoden des Wissensmanagements, konnte jedoch weder bei ihren Kunden noch in ihren eigenen Reihen befriedigende Lösungen in größerem Umfang etablieren. In Netzwerken ist das Missverhältnis zwischen Bedarf und praktikablen Organisationsformen besonders eklatant. Insgesamt legt der negative Befund sogar die Feststellung nahe, die „Mode Wissensmanagement“ (Kieser 1999) habe die zu lösenden Probleme eher erhöht als beseitigt (Katenkamp 2003). Die Hauptursache liegt, zugespitzt formuliert, in der vielfach eingeschlagenen falschen Suchrichtung. Gescheitert sind die ambitionierten Versuche angesichts der Informations- und Wissensflut einen „enzyklopädischen Ansatz“ der Wissensarchivierung aufrecht zu halten und potenziellen Nutzern mittels Informationstechnologie schnelle und qualitativ hochwertige Zugriffsmöglichkeiten zu ermöglichen. In dieser Perspektive wurde darauf gezielt, dem Chaos aus persönlichen Erfahrungen sowie „privaten Ansichten, selbstgebastelten Zettelkästen und unstrukturierten Gesprächsfetzen (…) in denen sich die Organisationsbasis manifestiert“ (Romhardt 2002, 118) durch verschriftlichte Darstellungsformen zu entkommen. Unterschätzt wurden dabei die finanziellen, zeitlichen und personellen Anforderungen der Systempflege und Systemnutzung. Die Aufwände zum Erstellen nachvollziehbarer formalisierter Beschreibungen individueller Erfahrungen bzw. das Einpflegen dieser Wissensbestände in das elektronische Speichermedium einerseits und zum Auffinden und Abrufen relevanten Wissens andererseits überstiegen schon bald den konkreten Nutzen.
Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet die radikale Umkehr der Suchrichtung, im Sinne einer „intelligenten Askese“. Hier geht es darum, dem drohen-
Wirksames Wissensmanagement ist selten
Von der Wissensarchivierung ...
144 ... zur intelligenten Askese
Orientierung durch Leitlinien Mitarbeiterzentriertes Wissensmanagement
S. Killich, R. Kopp
den Informationskollaps und „Wissensoverload“ durch die Etablierung von scharfen Auswahl- und Selektionsmechanismen zu begegnen. Gefragt sind Formen des Wissensmanagements, welche es erlauben, die Gesamtzirkulation von Informationen, Wissen, Erfahrungen etc. hochselektiv anzuzapfen und die Konzentration auf die Ausbeutung des fokussierten Wissensausschnitts zu richten. Um einen derartigen Weg einzuschlagen, bedarf es weniger der Entwicklung elaborierter Methoden und Instrumente. Eher mangelt es an einer einfachen Orientierungshilfe für betriebliche Praktiker in Form von Leitlinien. Darüber hinaus sind in der Vergangenheit in dem enzyklopädischen Ansatz die Informationstechnologien und insbesondere deren Fortschritte als ein wesentlicher Aspekt für den Erfolg von Wissensmanagementmaßnahmen angesehen worden. In Studien konnte jedoch aufgezeigt werden, dass insbesondere den humanorientierten Kriterien, wie beispielsweise der Motivation der Mitarbeiter und entsprechenden Anreizsystemen, im Wissensmanagement eine hohe Bedeutung zukommt (Heisig et al. 2001; Bullinger et al. 2001). Die Fokussierung auf einen relevanten Wissensausschnitt ist dabei gleichermaßen von der Beteiligung und somit Motivation der jeweiligen Personen in einem Unternehmen abhängig. Daher ist eine mitarbeiterzentrierte Betrachtung des Wissensmanagements notwendig. Leitlinien für ein wirksames Wissensmanagement Einige zentrale Leitlinien, die im Kontext von Netzwerken der wissensintensiven Dienstleistungsbranche erfolgreich erprobt wurden, werden im Folgenden erläutert. Leitlinie 1:â•…Es sollte ein gemeinsames Verständnis von Wissensmanagement entwickelt werden Leitlinie 2:â•…Die Einführung von Wissensmanagement sollte sich an netzwerkspezifischen Prinzipien orientieren Leitlinie 3:â•…Wissensmanagement sollte strategieorientierte und zielbezogene Handlungsfelder definieren Leitlinie 4:â•…Wissensmanagement sollte relevante Wissensformen und Wissensinhalte unterscheiden Leitlinie 5:â•…Wissensmanagement sollte Wissen zur Wirkung bringen und nicht konservieren Leitlinie 6:â•…Wissensmanagement sollte regelmäßig einem Funktionscheck unterworfen werden
Wirksames Wissensmanagement in Netzwerken╅╇╛╛145
Leitlinie 1: Es sollte ein gemeinsames Verständnis von Wissensmanagement entwickelt werden Die Entwicklung eines gemeinsamen Grundverständnisses von Wissensmanagement ist unabdingbar, um Wissensziele und Formen der Wissenszirkulation zu präzisieren. Allerdings zeigen bereits erste Verständigungsdiskussionen im Netzwerk, wie disparat die damit verbundenen Vorstellungen, Interessen und Erwartungshaltungen sind. Vergegenwärtigt man sich, dass die Akteure in den Netzwerken oft unterschiedliche Funktionen (bspw. Netzwerkmanager, einfaches Mitglied, Promotor) haben, dass ihre prägenden Vorerfahrungen mit Wissensmanagement sehr heterogen sind, dass ihre Meinungen über die Leistungsfähigkeit von elektronischen Kommunikationsmedien breit divergieren (ebenso die damit verbundenen Kompetenzen) und die individuellen Vorlieben (direkte face-to-face-Kommunikation, technische vermittelte Kommunikation) ebenso uneinheitlich sind, wird erahnbar, wie voraussetzungsreich eine wechselseitige Annäherung ist. Selbst in Bezug auf die Notwendigkeit von Wissensmanagement ergibt sich eine Bandbreite, die von der Auffassung, Wissensmanagement sei überflüssig (da integraler Bestandteil des üblichen Projektmanagements), über Vertreter von technikoptimistischen Sammlern (Motto: ‚Viel hilft viel‘) bis hin zu Befürwortern der angedeuteten „intelligenten Askese“ (Motto: ‚Weniger ist mehr‘) reicht. Aber selbst Letztere formulieren in einer Art Anfangseuphorie schnell eine große Anzahl von Wünschen, was alles an Wissen und Informationen gesammelt werden soll. Das ist besonders dann der Fall, wenn es zunächst so erscheint, als würde sich das Wissensmanagement als Serviceleistung (des Netzwerkmanagements) etablieren lassen. Dies ist ein Trugschluss! Richtig ist zwar, dass die Einführung von Wissensmanagement zentraler Koordination bedarf. Gerade in Netzwerken bedarf es jedoch der aktiven Mitwirkung aller Partner.
Widersprüchliche, oft überzogene Erwartungen
Wissensmanagement bringt immer Informationspflichten für alle Netzwerkmitglieder mit sich. Je höher die Ansprüche, desto größer die Aufwände! Oft erweisen sich besonders begeisterte Vertreter aufwendiger Systeme als besonders nachlässig in der Systempflege.
Dann bleibt zweierlei: Entweder wird der Mitwirkungszwang erhöht (was aber in Netzwerken oft nicht möglich oder nicht sinnvoll ist) oder aber das Wissensmanagementsystem muss abgespeckt werden. Beides ist kontraproduktiv und kann durch eine frühzeitige Grundsatzdiskussion vermieden werden. Leitlinie 2: Die Einführung von Wissensmanagement sollte sich an netzwerkspezifischen Prinzipien orientieren Die Einigung auf netzwerkspezifische Prinzipien, die das Wissensmanagementsystem erfüllen soll, ist äußerst hilfreich. Aufgrund der Eigendynamik bei der Gestaltung von Wissensmanagement schleichen sich immer wieder Verfahrensregeln und Vorgehensprinzipien ein, die eigentlich vermieden werden sollten. Oft geraten die konkret beschlossenen Maßnahmen dann doch zu techniklastig, zu intransparent, zu pflegeintensiv, zu teuer und beginnen bereits in der Implementationsphase zu versanden. Um ‚Rückfälle‘ hinter das gemein-
Eigendynamik treibt den Aufwand an
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S. Killich, R. Kopp
sam erzielte Grundverständnis zu vermeiden, eignen sich netzwerkspezifische Prinzipien. Bewährt haben sich beispielsweise.: • Prinzip der Weiterentwicklung bewährter Praxis Es kommt nicht darauf an eine gesonderte Funktion „Wissensmanagement“ zu schaffen, sondern es geht vielmehr darum festzustellen, welche wissensrelevanten Aktivitäten bereits im Netzwerk laufen und welche Strukturen sich bewährt haben. Diese sollten weiterentwickelt und ggf. vorsichtig ergänzt werden. • Prinzip des langsamen Wachstums Das Prinzip des langsamen Wachstums korrespondiert mit dem der Weiterentwicklung bewährter Praxis. Der Rückbau überdimensionierter Wissensmanagementsysteme verweist nicht nur auf überflüssige Arbeit, sondern bedeutet immer auch enormen Motivationsverlust und Frustrationen für die Betroffenen. Häufig gerät Wissensmanagement irreversibel in Misskredit. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, bescheiden und mit dem Mut zur (Wissens)Lücke anzufangen. Erst wenn sich erfolgreiche Routinen etabliert haben kann, über Erweiterungsschritte nachgedacht werden. • Prinzip des geringsten Aufwandes ‚So wenig wie möglich und so viel wie unbedingt nötig‘ muss die Devise heißen. Netzwerke dulden keine Überstrukturierung bzw. werden ansonsten durch Zerfall bedroht. Das Engagement in Netzwerken ist bereits für die Netzwerkakteure Zusatzarbeit. Überflüssige Anforderungen werden zunächst unengagiert abgewickelt und schließlich gar nicht mehr erfüllt • Prinzip der Zuständigkeit Das Prinzip der Zuständigkeit unterstützt das Prinzip des geringsten Aufwandes beträchtlich. Gerade in Netzwerken ist Wissensmanagement auf Selbstorganisation angewiesen und soll diese gleichzeitig stärken. Dies bedeutet, dass für jede Wissensmanagementfunktion bzw. -aktivität ein Verantwortlicher gefunden werden muss. Wird bspw. der Vorschlag gemacht, „gelbe Seiten“ für das Netzwerk zu erstellen, um Transparenz über Wissenspotentiale/Kompetenzen zu schaffen, steht und fällt die Maßnahme schlicht damit, dass sich jemand findet, der die Idee umsetzt und das erreichte System kontinuierlich aktualisiert (Systempflege!). Während es an Ideengebern meistens nicht mangelt, sind Umsetzer und Pfleger rar. Dem Prinzip zufolge gilt: Erklärt sich niemand für die Umsetzung für zuständig, stirbt die Idee!
Leitlinie 3: Wissensmanagement sollte strategieorientierte und zielbezogene Handlungsfelder definieren Auf prioritäre Handlungsfelder fokussieren!
Allzu leicht verselbständigt sich die Debatte um Wissensmanagement. Der eigentliche Bezugspunkt von Wissensmanagement gerät aus dem Blick, und die angestrebten Maßnahmen erzeugen überflüssiges Wissen, welches keinen erkennbaren Beitrag zum Erreichen der Netzwerkziele leistet. Nichts ist jedoch schlimmer, als dass Wissensmanagement unnötigen Zusatzaufwand erzeugt. Aus diesem Grunde empfiehlt sich die Vergegenwärtigung der Strategie und der Ziele des Netzwerkes bei der Klärung geeigneter Schritte zur Optimierung der Wissensorganisation. Dabei zeigt sich zudem, ob das Netzwerk überhaupt
Wirksames Wissensmanagement in Netzwerken╅╇╛╛147
auf Basis klarer Ziele und einer damit verbundenen Strategie operiert, bzw. führt der Rückverweis zur Überprüfung derselben. Sind Ziele und Strategie präsent, sollten sämtliche Initiativen und Aktivitäten zunächst auf ein bis maximal zwei zentrale Ziele konzentriert werden. Damit sind die prioritären Handlungsfelder des Wissensmanagements definiert.
Es wurde somit ein Relevanzfilter errichtet, der eine Vielzahl prinzipiell möglicher Wissensmanagementaktivitäten auf Maßnahmen mit hohem Wirkungsgrad konzentriert. Leitlinie 4: Wissensmanagement sollte relevante Wissensformen und Wissensinhalte unterscheiden Stehen die prioritären Handlungsfelder einmal im Fokus, lassen sich Aufgaben/Maßnahmen zur Zielerreichung ableiten und das hierfür erforderliche Wissen spezifizieren, d.€h. erst jetzt ist präzisierbar, welches Wissen von wem zur Erfüllung dieser Aufgaben benötigt wird und wie dieses Wissen aktiviert, gebündelt, verteilt, ggf. archiviert werden soll. Dies kann in einfacher Matrixform transparent gemacht werden. Die folgende Abbildungâ•› zeigt am Beispiel des Kompetenzzentrums, wie eine derartige Matrix aussehen kann (Abb.€1).
Handlungsfeld 1: Entwicklung von Geschäften und Akquisition
Zeil 1: Trensparenz über Wissenspotenziale vergrößern Aufgabe A1: Kernkompetenzen identifizieren
A2: Personen besser Kennen lernen
Nertzwek/Einzelne Partner
Kernteam/AGWissensmanagement
Arbeitsgruppen
Kurze Partnerprofile erstellen In Kompetenzlandkarte KNM einordnen
Vorschlag/Controlling
Jährlich Aktualisieren
Controlling
Netzwektreffen
Vorbereitung
2-Tagesveranstaltung/Übung
Vorbereitung in Kooperation mit SchulzAlgie
Kooperation in Arbeitsgruppen
Abb. 1:╇ Aufgabenmatrix
Bei der Erstellung einer derartigen Matrix ist es hilfreich zunächst zu berücksichtigen, welche Wissensformen relevant sind, da dies erhebliche Auswirkungen auf die einzelnen Maßnahmen haben kann. In Beraternetzwerken hat das personengebundene und nur schwer übertragbare implizite Wissen große Bedeutung. Damit ist eine prinzipiell andere Ausrichtung des Wissensmanagement geboten als bspw. in Netzwerken von IT- und Multimediadienstleistern, deren spezifisches Wissen sich wesentlich besser mittels IT-Technologie kommunizieren lässt. Kulturelle Unterschiede verschärfen diesen Unterschied.
Wissensformen
148 Wissensinhalte
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Des Weiteren hilft es, die grundsätzlich relevanten Wissensinhalte zu kennen. In Netzwerken gehören dazu in aller Regel: • Übersichtswissen bzw. Verzeichniswissen über die Kompetenzen • Leistungsangebote/Produktpalette der Netzwerkakteure • Wissen über laufende netzwerkrelevante Aktivitäten • netzwerkrelevantes Grundlagenwissen (Wissen über Arbeitsroutinen und -regeln/Arbeitsweisen/Arbeitsergebnisse). • Wissen über die Mechanismen des Wissensaustauschs. Zudem ist in Netzwerken zu berücksichtigen, auf welcher Ebene Wissen benötigt wird. Die Informations- und Wissensflüsse sind nicht nur auf Ebene eines einzelnen Betriebes zu organisieren, sondern sie benötigen die Einwirkung auf mehrere Betriebe gleichzeitig. Neben die betriebliche Ebene treten zudem die zwischenbetriebliche und die überbetriebliche Ebene, jeweils mit eigenen Wissensanforderungen und Spezifika der Wissensorganisation. Leitlinie 5: Wissensmanagement sollte Wissen zur Wirkung bringen und nicht konservieren
Wissen als Tiefkühlkost
Direkte Vernetzung
Verhängnisvollerweise wird mit Wissensmanagement nicht selten versucht, jegliches potenziell wertvolle Wissen aus den Köpfen der Wissensträger zu holen, dieses zu dokumentieren, zu kategorisieren, zu archivieren und vermeintlich für Dritte leicht und schnell per EDV zugänglich zu machen. Dieser Versuch erinnert an ein Kühlschrankmodell: Wissen wird wie Tiefkühlkost abgepackt und tiefgefroren; bei Bedarf taut man sich eine Packung auf und verleibt sich den erwärmten Inhalt ein. So funktioniert es jedoch nicht. Um im Bild zu bleiben: Da mein Kühlschrank laufend von anderen weiter bestückt wird, erweist sich dieser schon bald als zu klein und zu unübersichtlich. Ich finde immer seltener was ich suche! Zudem bin ich weniger mit der Lösung meiner Probleme beschäftigt, sondern ich habe zudem die Pflicht, dauernd die Kühlschränke anderer zu füllen. Der Kardinalfehler am Kühlschrankmodell liegt in der Annahme, Wissen ließe sich prinzipiell auf diese Weise behandeln. Es gibt weite Bereiche des Wissens, die sich einer derartigen Behandlung verschließen oder wo entsprechende Versuche jegliches Kosten-Nutzenverhältnis sprengen würden. Dort wo die Bedeutung von Erfahrungswissen, d. h. die Bedeutung von Personen als Wissensträger hoch ist, erweist sich die Vernetzung von Experten und die direkte face-to-face-Kommunikation als überlegen. Netzwerke sind Erfahrungsdrehscheiben, die nur in Schwung bleiben, wenn es dem Wissensmanagement gelingt, die jeweiligen Wissensträger bzw. – geber und Wissensempfänger bzw. – nehmer zu identifizieren, zu aktivieren und so über geeignete Kommunikationsformen zu verlinken, dass eine problemadäquate Wissensaggregation für unterschiedliche, situativ wechselnde Bedürfnisse ermöglicht wird. Die Beziehungen der Netzwerkakteure zueinander unterliegen einer hohen Dynamik, in der die Rollen als Wissensgeber und -nehmer ständig wechseln. Insofern stellt gutes Wissensmanagement sicher, genügend Situationen und Anlässe zur effektiven Wissenszirkulation zu organisieren und methodisch zu unterstützen. Bspw. eignen sich hierzu einfache Übersichten über die im Netzwerk verfügbaren Kompetenzen und zum anderen intelligente Formen des Wissensaustauschs wie die kollegiale Fallberatung (vgl. Franz/Kopp 2003).
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Die Qualität des Wissensmanagements muss sich also weniger daran messen lassen, wie viel potenziell wertvolles Wissen es zu speichern vermag, sondern wie viel Wissen zur Wirkung gebracht werden kann. Maßstab ist nicht das Potenzial, sondern der realisierte Nutzen (Performance).
Dies ist kein Plädoyer gegen Archivierung und EDV-technologische Unterstützung. Nur sollte Archivierung kein Selbstzweck werden, sondern sich auf ein Minimum beschränken (Regeln, Vertragsformulare, Protokolle, Produktdokumentation, Statusberichte, Controllinglisten etc.). Und Technologie sollte ihrer Unterstützungsfunktion gerecht werden. Dabei ist Zurückhaltung das oberste Gebot. Diese beginnt bereits bei der Auswahl des Zeitpunkts der Technikeinführung. Angesichts der verlockenden Leistungsversprechen wird oft viel zu früh viel zu viel Aufmerksamkeit absorbiert, während für dringendere Aufgaben zu wenig Zeit bleibt. Netzwerke kommen nicht selten (inklusive Wissensmanagement) eine ganze Weile oder sogar ganz ohne eigenes Intranet (bscw, sharepoint etc.) aus.
Zurückhaltung beim Technikeinsatz!
Leitlinie 6: Wissensmanagement sollte regelmäßig einem Funktionscheck unterworfen werden Ebenso wie andere Aspekte der Netzwerkarbeit, sollte das Wissensmanagement regelmäßig geprüft werden. Dies sollte in größerem Turnus erfolgen, oder wenn sich gravierende Veränderungen der Netzwerkziele einstellen. Zur Prüfung der Qualität des Wissensmanagements bieten sich u. a. folgende Fragen an: • Erfüllt das Wissensmanagement die Anforderungen? (adäquates KostenNutzen-Verhältnis) • Welches Wissen wird in welcher Form wie oft genutzt? • Welches Wissen wird kaum genutzt? (Wissen als Müll) • Wo sind geplante Aktivitäten nicht umgesetzt worden oder ‚versandet‘? • Wo haben sich Funktionen herausgebildet, die nicht genutzt werden? Woran liegt das? • Welches Wissen fehlt noch? Die genannten Leitlinien können einen entscheidenden Beitrag zu einem wirksamen Wissensmanagement leisten. Dabei ist zu unterstreichen, dass Wissensmanagement in Netzwerken in besonderer Weise auf die Mitwirkung der Netzwerkmitglieder angewiesen ist. Angemessene Unterstützung durch die Akteure kann jedoch nur erwartet werden, wenn deren Leistungsbereitschaft, Leistungsfähigkeit und Leistungsmöglichkeiten aufeinander abgestimmt werden.
2 Mitarbeiterzentriertes Wissensmanagement Neben den Leitlinien, die für die Planung und Durchführung eines Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken beschrieben worden sind, spielen die organisatorischen Rahmenbedingungen innerhalb des Unternehmensnetzwerkes eine wichtige Rolle für den Erfolg von Wissensmanagementaktivitäten. Innerhalb eines Unternehmens bzw. einer Organisation besteht im
Rahmenbedingungen
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S. Killich, R. Kopp
Allgemeinen die Möglichkeit des operativen Durchgriffs. Dies bedeutet, dass die Umsetzung von Maßnahmen jeglicher Art durch Anweisungen oder das Einräumen von Handlungsspielräumen für alle Beteiligten gleichermaßen unterstützt werden kann. Dies ist in Unternehmensnetzwerken in der Regel nicht der Fall. Jedes Wissensmanagementprojekt ist allerdings letztlich davon abhängig, in wie fern die beteiligten Mitarbeiter entsprechend der gesetzten Wissensmanagement-Ziele (siehe auch Leitlinie 3: Wissensmanagement sollte strategieorientiert und zielgerichtet sein) handeln. Dieses ‚erwünschte‘ Verhalten kann beispielsweise beinhalten, dass Wissen weitergegeben wird, dass eine Dokumentation neu erworbenen Wissens nach vorgegebener Struktur erfolgt oder dass mit fremdem Wissen richtig umgegangen wird. In diesem Zusammenhang können im Wesentlichen die drei Einflussfaktoren Leistungsbereitschaft (Wollen sich die Mitarbeiter entsprechend verhalten?), Leistungsfähigkeit (Haben die Mitarbeiter die Kompetenz/Fähigkeit, sich entsprechend zu verhalten?) und Leistungsmöglichkeit (Lassen die organisatorischen und kulturellen Rahmenbedingungen überhaupt ein entsprechendes Verhalten zu bzw. ermöglichen sie dieses?) unterschieden werden (Abb.€2). Wissensmanagement-Ziele
(erwünschtes) Verhalten
Leistungsbereitschaft Anreizsystem für Wissensmanagement
Leistungsfähigkeit Kompetenzen für Wissensmanagement
Leistungsmöglichkeit Organisation, Machtstrukturen, Werte und Normen
Abb. 2:╇ Einflussfaktoren der humanzentrierten Gestaltung eines unternehmensübergreifenden Wissensmanagements (Killich/Peters 2003, 374)
Leistungsbereitschaft Anreizsysteme
Intrinsische und Extrinsische Anreize
Die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter wird durch entsprechende Anreizsysteme unterstützt. Über die in diesem Zusammenhang häufig anzutreffenden monetären Anreize hinaus gibt es eine Reihe weiterer Möglichkeiten, die Leistungsbereitschaft positiv zu beeinflussen. Dabei wird zwischen intrinsischen und extrinsischen Anreizen unterschieden. Die intrinsischen Anreize, bei der die Ausführung einer Handlung aus sich heraus eine Belohnung darstellt (z.€B. Neugier, Spaß oder Interesse), sind dabei von der Arbeitsperson selbst sowie den Arbeitsinhalten, der Arbeitsverantwortung und der Kenntnis über das Arbeitsergebnis abhängig. Extrinsische Anreize können neben den bereits angesprochenen finanziellen Faktoren auch soziale Aspekte beinhalten. Beispielsweise kann ein gutes Arbeitsklima, die
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Möglichkeit neue Kontakte zu knüpfen, oder die Mitgliedschaft des jeweiligen Mitarbeiters in einer neuen Gruppe dazu führen, dass das Wissensmanagement von den relevanten Akteuren gelebt wird. Zusätzlich sind organisatorische Anreize zu nennen, die sich z.€B. auf neue Karrieremöglichkeiten, Weiterbildungsmaßnahmen sowie zusätzliche oder flexiblere Freizeitansprüche beziehen (Bullinger et al. 2001; North 2002). Die Auswahl und der letztendliche Einsatz der ‚richtigen‘ Anreizmöglichkeiten stellt in der Regel ein Problem dar: Das grundsätzliche Dilemma von Anreizsystemen ist, dass deren Erfolg zum Einen von zahlreichen Faktoren und dabei insbesondere personenbezogenen Eigenschaften abhängt und zum Anderen im Unternehmen bzw. Netzwerk gerecht und somit für viele Personen gleichermaßen gültig sein muss.
Daher werden häufig finanzielle Anreizsysteme favorisiert, da angenommen wird, dass sie für viele Personen einen wirklichen Anreiz darstellen und weiterhin auch über Unternehmensgrenzen hinaus vergleichbar sind. Der davon erhoffte Erfolg blieb oftmals aus. Ein Anreizsystem für Wissensmanagementprojekte in Unternehmensnetzwerken muss daher eine Reihe unterschiedlicher Anreizarten beinhalten, um den unterschiedlichen organisatorischen und personenbezogenen Bedürfnissen gerecht zu werden. Neben der Frage, was den eigentlichen Anreiz darstellen kann (dies wird auch als Instrumentaldimension von Anreizsystemen bezeichnet), ist die Bemessungsgrundlage wichtig, also die Frage, was zu dem eigentlichen Anreiz führen soll. Dies stellt sich gerade im Bereich des Wissensmanagements problematisch dar, weil der Wert eines Wissensobjektes oder einer Information sich auf einen bestimmten Einsatzkontext bzw. eine spezifische Fragestellung bezieht und somit nicht allgemein gültig bestimmt werden kann. Darüber hinaus muss die Bewertung des Wissens möglichst wenig Aufwand für die beteiligten Personen nach sich ziehen.
Dilemma von Anreizsystemen
Bemessungsgrundlage
Leistungsfähigkeit Während bei der Leistungsbereitschaft die Frage im Vordergrund steht, ob die Mitarbeiter sich entsprechend verhalten wollen, ist hier die Fähigkeit bzw. Kompetenz der Personen von besonderem Interesse. Es können dabei folgende Kompetenzklassen unterschieden werden (Erpenbeck 2007; Erpenbeck/von Rosenstiel 2007): • Personale Kompetenz: In wie weit kann die Person selbstorganisiert handeln (d.h. sich selbst einschätzen, produktive Einstellungen, Werthaltungen, Motive und Selbstbilder entwickeln)? • Aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenz: Kann die Person aktiv und gesamtheitlich selbstorganisiert handeln (d.h. Absichten, Vorhaben und Pläne für sich selbst oder auch für andere umsetzen)? • Fachlich-methodische Kompetenz: In wie weit kann die Person zur Lösung eines sachlich-gegenständlichen Problems geistig und psychisch selbstorganisiert handeln (d.h. fachliche und instrumentelle Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten einsetzen)?
Kompetenz
Kompetenzklassen
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• Sozial-kommunikative Kompetenz: In wie weit kann die Person kommunikativ und kooperativ selbstorganisiert handeln (d.h. sich kreativ mit anderen auseinander- und zusammensetzen, gruppen- und beziehungsorientiert handeln)? Diese Einteilung in Klassen stellt dabei die gesamte Breite der potenziell relevanten Kompetenzen dar. Welche der jeweiligen Kompetenzen für das spezifische Wissensmanagementprojekt im Vordergrund steht, kann nicht allgemein gültig angegeben werden, sondern ist von der Zielsetzung und den daraus abgeleiteten Maßnahmen abhängig. Diese Klassifikation dient dementsprechend eher dazu, bei der Planung und Gestaltung eines Wissensmanagementprojektes zu überprüfen, welche spezifischen Kompetenzen notwendig und an den erforderlichen Stellen im Unternehmen auch vorhanden sind. Die Unternehmensstruktur und -kultur hat dabei einen großen Einfluss auf die vorhandenen Kompetenzen. Beispielsweise fördern Team- und Gruppenarbeitsstrukturen sowohl die sozial-kommunikative als auch aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenz der beteiligten Mitarbeiter, so dass in einem Unternehmensnetzwerk die Voraussetzungen sehr unterschiedlich sein können. Vor dem Hintergrund, dass die Messung und Vermittlung von Kompetenzen mit einem großen Aufwand verbunden ist, ist auch in diesem Zusammenhang die Umkehrung der Suchrichtung zur „intelligenten Askese“ empfehlenswert. Leistungsmöglichkeit
Aufbauorganisation
Ablauforganisation
Während sich die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit auf personenbezogene Aspekte bezieht, stehen bei der Leistungsmöglichkeit die Voraussetzungen bzw. Rahmenbedingungen für die jeweilige Person im Vordergrund. Die Leistungsmöglichkeit kann dabei in die relevanten Aspekte der Organisation und der Werte/Normen unterteilt werden. Unter Organisation wird die aufbau- und ablauforganisatorische Planung und Umsetzung eines Wissensmanagementprojektes zusammengefasst. Die Aufbauorganisation eines Netzwerkes bzw. einer zwischenbetrieblichen Kooperation bestimmt dabei, wie eng die Vernetzung der Kooperationspartner ist und wie die Machtstrukturen in dem Netzwerk verteilt sind. Beispielsweise ist ein so genanntes Einfluss-Projektmanagement dadurch gekennzeichnet, dass die disziplinarische Unterstellung der an der Kooperation teilnehmenden Mitarbeiter ausschließlich in den einzelnen Unternehmen verbleibt (Killich/ Luczak 2003, 182). Bei dem reinen Kooperationsmanagement hingegen wird ein unternehmensübergreifender Projektleiter bestimmt, der auch der disziplinarische Vorgesetzte aller am Kooperationsteam partizipierenden Mitarbeiter ist. Die Wahl der Aufbauorganisationsform hängt sehr stark von dem eigentlichen Kooperationsziel und den damit verbundenen Kooperationsaktivitäten ab. Das Wissensmanagement spielt im Allgemeinen dabei eine untergeordnete Rolle. Dennoch ist bezogen auf Wissensmanagement ein reines Kooperationsmanagement zu bevorzugen, da in dieser Koordinationsform in der Regel eine engere Bindung zwischen den einzelnen Personen besteht. Die relevanten Aspekte der Ablauforganisation sind bereits durch die sechs Leitlinien für das Wissensmanagement dargestellt worden.
Wirksames Wissensmanagement in Netzwerken╅╇╛╛153
Werte und Normen sind in Unternehmensnetzwerken von besonderer Bedeutung, da die in einem Unternehmen etablierten Standards nicht direkt auf das Netzwerk übertragen werden und sich auch stark voneinander unterscheiden können. Für ein erfolgreiches Wissensmanagement über Unternehmensgrenzen hinweg sind die folgenden kulturellen Werte/Normen von zentraler Bedeutung: • Zusammengehörigkeitsgefühl Wird Wissen gerne geteilt? Geschieht dies auf spontaner Basis oder müssen von außen Anstöße gegeben werden? Werden die gleichen Wissensziele verfolgt? • Fehlertoleranz Werden Fehler als Nutzen angesehen? Entsteht durch einen Fehler eine Benachteiligung eines Mitarbeiters? • Vertrauen Ist man bereit, von anderen zu lernen? Kann Wissen mitgeteilt werden, ohne zu fürchten, dass dies der Kooperationspartner zu eigenen Zwecken ausnutzt oder an externe weitergibt? • Aufgeschlossenheit für Neues Wird von der Führung Kreativität geschätzt und werden Freiräume geschaffen? • Selbstverantwortung Hier stehen neben den bereits beschriebenen personalen Kompetenzen die organisatorischen Freiräume im Vordergrund, ob die Mitarbeiter Entscheidungen selber treffen können. • Mitarbeiterorientierung Werden die Mitarbeiter qualifiziert bzw. geschult oder in die Planung des Wissensmanagementprojektes einbezogen? Die beschriebenen Faktoren beziehen sich dabei sowohl auf die einzelnen Unternehmen und deren kulturellen Unterschiede, als auch auf das Netzwerk und die Werte und Normen, die sich in der Kooperation zwischen den Unternehmen ausbilden.
3 Fazit Das Scheitern von Wissensmanagement war bisher wahrscheinlicher als das Gelingen. Dies lag weniger an fehlenden Tools, Instrumenten und Methoden als vielmehr an Managementfehlern bei der Einführung von Wissensmanagementsystemen (vgl. Howaldt et al. 2003). Dazu gehören u. a. mangelnde Zielorientierung und Zielbindung, falsche Prioritätensetzung, suboptimaler Technikeinsatz, Unterschätzung der Aufwände und vor allem Archivorientierung (Wissen speichern) anstelle von Nutzenorientierung (Wissen zur Wirkung bringen). Diese Probleme lassen sich vermeiden oder reduzieren, indem die genannten Leitlinien als Orientierungshilfe genutzt werden. Wissensmanagement gelingt es aber erst dann, aus der Zumutung des Wissens eine Ermutigung zu machen, wenn die Mitarbeiter bei der Planung und Gestaltung des unter-
Werte und Normen
154
S. Killich, R. Kopp
nehmensübergreifenden Wissensmanagements berücksichtigt werden. Dabei steht im Vordergrund, dass die jeweiligen Personen entsprechend der gesetzten Ziele handeln wollen (Leistungsbereitschaft) und können (Leistungsfähigkeit und Leistungsmöglichkeit). Da Unternehmensnetzwerke und die darin umzusetzenden Wissensmanagementaktivitäten sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können, ist die Vorgabe einer standardisierten Vorgehensweise nicht zielführend. Daher sind in diesem Beitrag die zu beachtenden Einflussfaktoren im Rahmen von Leitlinien und Gestaltungshinweisen aufgeführt.
4 Literatur Baecker D (2000) Die „andere Seite“ des Wissensmanagements. In: Götz K (Hrsg) Wissensmanagement. Zwischen Wissen und Nichtwissen. Verlag Rainer Hampp, München/Mehring, 99–111 Bullinger H-J, Rüger M, Koch A, Staiger M (2001) Knowledge meets Motivation – Anreizsysteme im Wissensmanagement. Poeschel, Stuttgart Erpenbeck J (2007) Die Kompetenzbiographie – Wege der Kompetenzentwicklung. Waxmann, Münster Erpenbeck J, von Rosenstiel R (2007) Handbuch Kompetenzmessung. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart Franz H-W, Kopp R (Hrsg) (2003) Kollegiale Fallberatung. State of the art und organisationale Praxis. In: Edition Humanistische Psychologie (EHP), Köln Heisig P, Vorbeck J, (2001) Benchmarking Survey Results. In: Mertins K, Heisig P, Vorbeck J (Hrsg) Knowledge management – best practices in Europe. Springer, Berlin, 97–123 Howaldt J, Klatt R, Kopp R (2003) Interorganisationales Wissensmanagement im Kontext wissensintensiver Dienstleistungen. In: Peter G, Katenkamp O (Hrsg) Medienzukunft heute. Die Praxis des Wissensmanagement. LitVerlag, Münster, 196–194 Katenkamp O (2003) Quo vadis Wissensmanagement? Eine Literaturübersicht zur Einführung von Wissensmanagement in der Wirtschaft. In: Arbeit, H.1,16–35 Killich S, Luczak H (2003) Unternehmenskooperation für kleine und mittelständische Unternehmen. Lösungen für die Praxis. Springer, Berlin Killich S, Peters M (2003) The Interest of employees in Knowledge Sharing. In: Luczak H, Zink KJ (Hrsg) Human factors in organizational design and management – VII. Santa Monica, CA, 373–378 Kieser A (1999) Wie managt man die Managementmethode Wissensmanagement? Ratio, Nr. 3 North K (2002) Wissensorientierte Unternehmensführung – Wertschöpfung durch Wissen. Gabler Verlag, Wiesbaden Romhardt K (2002) Wissensgemeinschaften. Orte lebendigen Wissensmanagements. Dynamik – Entwicklung – Gestaltungsmöglichkeiten. Versus, Zürich
Nachhaltige Entwicklung in nachhaltigkeitsorientierten Netzwerken Georg Unger, Achim Loose
1 Nachhaltige Entwicklung im Fokus der öffentlichen Diskussion Spätestens seit der UNCED-Konferenz von Rio de Janeiro im Jahr 1992 ist das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung, die angesichts zunehmender Probleme soziale, ökonomische und ökologische Zielsetzungen integrieren will, weltweit auf der Ebene von Regierungen, Unternehmen sowie sozialen Bewegungen verankert (Schachtschneider 2005, 9). Nachhaltige Entwicklung wird hier definiert als eine Entwicklung, die für alle heutigen Menschen und künftigen Generationen hohe ökologische, ökonomische und sozial-kulturelle Standards im Rahmen der Grenzen und Begrenztheiten des Umweltraums anstrebt (Abb.€1).
Startschuss Rio de Janeiro 1992
Ökologie
Ökonomie
Soziales
Nachhaltigkeit
Abb. 1:╇ Dimensionen der Nachhaltigkeit
In diesem Kontext geht es in erster Linie um die Abschwächung der negativen Folgen des sog. „global change“. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) „versteht unter globalen Veränderungen der Umwelt solche, die den Charakter des Systems Erde zum Teil irreversibel modifizieren und deshalb direkt oder indirekt die natürlichen Lebensgrundlagen für einen Großteil der Menschheit spürbar beeinflussen. Globale Veränderungen der Umwelt können sowohl natürliche als auch an-
global change und die Folgen
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Lösungsperspektive Transdisziplinarität
Rolle der Unternehmensnetzwerke
Integration der drei Zieldimensionen
G. Unger, A. Loose
thropogene Ursachen haben. Um diesen Gesamtzusammenhang zu kennzeichnen, wird der Begriff des Globalen Wandels verwendet“ (WBGU 1993, 10). Die Folgen des Globalen Wandels haben weltweite Konsequenzen und umfassen unterschiedlichste, miteinander systemisch in Verbindung stehende Prozesse und Faktoren. Die Eingriffe des Menschen in die natürliche Umwelt haben inzwischen ein globales Ausmaß erreicht. Besonders der Klimawandel, die Schädigung der Ozonschicht, der Verlust biologischer Vielfalt, die Bodendegradation, die Verknappung und Verschmutzung von Süßwasser sowie die Verschmutzung der Weltmeere zählen zu den weltweit voranschreitenden kritischen Veränderungen der natürlichen Umwelt. Beschleunigt werden diese Eingriffe in die natürliche Umwelt durch die anhaltende Ausbreitung nicht nachhaltiger Lebensstile, die anhaltende absolute Armut sowie das Bevölkerungswachstum und die Migration (www.wbgu.de/wbgu_globalerwandel. html/14.02.2007). Zur Überwindung dieser Probleme gewinnt eine interdisziplinäre bzw. transdisziplinäre Zusammenarbeit (nicht nur im Bereich der Forschung) aller beteiligten Akteure zunehmend an Bedeutung. Im Besonderen nachhaltigorientierte Unternehmensnetzwerke können in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle übernehmen, da es notwendig ist, die Partikularinteressen aller betroffenen Akteure in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft unter Berücksichtigung der Ansprüche zukünftiger Generationen aufeinander abzustimmen. Aufgrund ihrer umfassenden Gestaltungsmöglichkeiten haben Unternehmen in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit eine große ökonomische, ökologische und soziale Verantwortung. Nachhaltigkeitsorientierte Netzwerke umfassen alle Formen der Zusammenarbeit zwischen gesellschaftlichen, staatlichen und wirtschaftlichen Akteuren mit dem Ziel der Umsetzung des normativen Leitbildes des Sustainable Development Ansatzes. Einerseits gibt es in diesem Kontext politische Netzwerke auf nationaler und internationaler Ebene sowie den Zusammenschluss von Anspruchsgruppen (Stakeholder) in Netzwerken zur besseren Durchsetzung ihrer Ziele gegenüber Unternehmensleitungen. Andererseits gewinnt die horizontale und vertikale Vernetzung von Unternehmen in nachhaltigorientierten Netzwerken zur Sicherung des wirtschaftlichen Erfolgs zunehmend an Bedeutung. Neben Politik und Gesellschaft kommt den Unternehmen eine entscheidende Rolle bei der Realisierung einer nachhaltigen Entwicklung zu. Sie können durch die Integration von Nachhaltigkeitsstrategien in ihre Unternehmensstrategien eine zentrale Verantwortung bei der Umsetzung des Leitbildes des Sustainable Development übernehmen. Einerseits geht es dabei um die ökonomischen Auswirkungen der eigentlichen Unternehmenstätigkeit, ihre Einflusspotenziale auf Beschaffungs- und Absatzmärkte sowie zunehmende Machtkonzentration und Globalisierung. Andererseits auch um den Grad der Naturinanspruchnahme durch Ressourcennutzung und Freisetzung von Stoffen und Energie sowie um die Beeinflussung von Lebensstilen, Konsummustern und regionalen Entwicklungsperspektiven (Kirschten 2003, 171). Im Vergleich zu klassischen Unternehmensnetzwerken werden in nachhaltigorientierten Netzwerken die Zieldimensionen über die ökonomische hinaus um die ökologische und soziale erweitert. In nachhaltigen Netzwerken erfolgt kei-
Nachhaltige Entwicklung in nachhaltigkeitsorientierten Netzwerken╅╇╛╛157
ne eindimensionale ökonomische Optimierung, sondern auf Basis einer multidimensionalen Perspektive werden ökonomische, ökologische und soziale Aspekte integriert. Aufgrund der drei simultan zu optimierenden Dimensionen nimmt in Folge die Komplexität zu (Goldbach 2001, 34). Ein Netzwerk sollte nur dann als nachhaltig bezeichnet werden, wenn es mehr als eine Dimension berücksichtigt. Die ökologische Dimension zielt dabei auf die Bewahrung und die Verbesserung der natürlichen Lebensgrundlagen, die ökonomische Dimension auf die Sicherung der wirtschaftlichen Basis sowie die effiziente Gestaltung von Produktionsprozessen und die soziale Dimension auf Herstellung und Erhalt des gesellschaftlichen Zusammenschlusses (Dybe/Rogall 2000, 103). Im Unterschied zu Einzelunternehmen bietet die Vernetzung die Chance, die Herausforderungen nachhaltigen Wirtschaftens gemeinsam zu meistern. Zu denken ist in diesem Kontext unter anderem an die gemeinsame Erarbeitung und Umsetzung nachhaltigkeitsgerechter produktionstechnologischer Entwicklungen, an eine Optimierung der wertschöpfungsübergreifenden Produktion unter Berücksichtigung ökologischer und sozialer Aspekte oder an gemeinsame Entsorgungs- bzw. Recyclingprozesse (Kirschten 2003, 177). Im Folgenden soll gezeigt werden, wie und welche Unternehmensnetzwerke zu einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung beitragen können.
2 Unternehmensnetzwerke und Nachhaltigkeit Zielsetzung nachhaltigorientierter Netzwerke ist es, durch Zusammenarbeit eine Unternehmens- bzw. Netzwerkentwicklung voran zu treiben, die nicht nur ökonomisch tragfähig ist, sondern auch im Einklang steht mit den sozialen Wertvorstellungen und der natürlichen Umwelt. Durch eine vertikale bzw. horizontale Vernetzung sehen diese Unternehmen die Möglichkeit, die mitunter gegensätzlichen Ansprüche des Marktes, der Politik und der Gesellschaft besser zusammenzuführen und nicht zuletzt Wettbewerbsvorteile gegenüber ihren Konkurrenten zu generieren. Insgesamt unterscheiden Schaltegger und Petersen vom Center for Sustainability Management an der Universität Lüneburg fünf unterschiedliche Zielfelder einer derartigen Partnerschaft: • „Direkte Stärkung der unternehmerischen Effizienz- und Wettbewerbsvorteile (marktorientiert) • Entwicklung, Etablierung und Einhaltung verbindlicher Normen und Standards (normorientiert) • Wandel der öffentlichen Wahrnehmung, Aktivierung des Umwelt- und Sozialbewussteins sowie Wahrung der gesellschaftlichen Legitimität (soziokulturell) • Bildung interessenpolitischer Koalitionen zur Erweiterung des eigenen Handlungsspielraums (interessenpolitisch) • Erweiterung der betrieblichen Lern- und Handlungsfähigkeit“ (Schaltegger/Petersen 2005, 34). Je nach Zielsetzung, Zusammensetzung, regionaler Ausdehnung und Organisation der Zusammenarbeit können unterschiedliche Typen von Unterneh-
Zielfelder nachhaltigkeitsorientierter Netzwerke
158
G. Unger, A. Loose
mensnetzwerken zur Umsetzung des Nachhaltigkeitsgedankens identifiziert werden (Abb.€2). Ökonomischer Ursprung
Produktionsnetzwerke, Zulieferernetzwerke
Gesellschaftlicher Ursprung
Regionale Netzwerke (LEDS)
LocalExchange Trading Systems (LETS)
Innovationsnetzwerke
Wertschöpfungsnetzwerke
Nachhaltigkeitspotenziale von Unternehmensnetzwerken
Lokale Agenda 21 – Initiativen
I+K-Netzwerke Stoffstromnetzwerke, Verwertungsnetzwerke Ökologisch orientierte Unternehmensnetzwerke Ökologisch Beraternetzwerke
Erzeuger-VerbraucherNetzwerke
Ökologischer Ursprung
Abb. 2:╇ Einordnung ausgewählter Unternehmensnetzwerke mit Potenzialen für nachhaltiges Wirtschaften nach ihrem Ursprung (Kirschten 2003) Netzwerke bewältigen höhere Komplexität
Die Zusammenarbeit im Netzwerk ermöglicht die Bündelung spezifischer Kernkompetenzen und Ressourcen und führt zu einer erhöhten Komplexitätsverarbeitung. Gerade für die Bewältigung von Problemstellungen eines nachhaltigen Wirtschaftens ist dies von besonderer Relevanz, da sie aufgrund der Vielfalt zu berücksichtigender ökologischer, ökonomischer und sozialer Aspekte sowie der Einbeziehung von Akteuren der gesamten Wertschöpfungskette eine viel höhere Komplexität aufweisen als die Zusammenarbeit in anderen Bereichen, wie z.€ B. in rein ökonomieorientierten Zuliefernetzwerken (Kirschten 2003, 173). Zusätzlich wird die Komplexität einer nachhaltigen Wirtschaftsweise dadurch gesteigert, dass sie sich durch die Berücksichtigung sowohl der Wertschöpfung als auch der absoluten Schadschöpfung auszeichnet.
3 Nachhaltigkeitsorientierte Unternehmensnetzwerke in der Praxis Beispiel Life-CycleAssessment
Als Beispiel einer lebenswegbasierten Analyse produkt- und prozessbezogener Umwelteinflüsse kann die Öko-Effizienzanalyse (Life-Cycle-Assessment) des Chemiekonzerns BASF herangezogen werden (‚von der Wiege bis zur Bahre‘). Von entscheidender Bedeutung ist bei diesem Instrument, dass die Analyse
Nachhaltige Entwicklung in nachhaltigkeitsorientierten Netzwerken╅╇╛╛159
neben der Gesamtkostenermittlung auch die ökologischen Belastungen über den gesamten Lebensweg eines Produktes erfasst, d.€h. auch die Rückführung der Stoffe in den Naturkreislauf berücksichtigt. Ziel dieser Untersuchung ist u.€a. die Verbesserung der Umwelteigenschaften von Produkten, die Unterstützung der Entscheidungsfindung in der Beschaffung sowie die umweltorientierte Verbesserung von Produktionsprozessen. Grundvoraussetzung der Anwendung der Öko-Effizienzanalyse ist die Zusammenarbeit aller am Entstehungsprozess sowie am Entsorgungsprozess eines Produktes beteiligten Akteure. Eine glaubwürdige Zusammenarbeit setzt ein hohes Maß an Vertrauen und offenen Informationstransfer voraus und geht somit weit über klassische Kunden-Lieferanten- bzw. Kunden-Entsorgungsunternehmen-Beziehungen hinaus. Ziel der Öko-Effizienzanalyse ist es, Ökonomie und Ökologie in Einklang zu bringen. Als Form der Kooperation bietet sich erster Linie die Zusammenarbeit in
Rohstofferschließung, -aufbereitung
Produktion
Distribution
Produktgebrauch, -verbrauch
Entsorgung
Recycling
Abb. 3:╇ Ökologischer Produktlebenszyklus (Möller 2000)
einem langfristig ausgerichteten (Unternehmens-) Netzwerk an (Abb.€3). Als weiteres Beispiel kann die Zusammenarbeit von Unternehmen in der Papierherstellung am Beispiel einer Kooperation zwischen dem Otto Versand und dem Axel Springer Verlag mit 8.900 norwegischen Waldbesitzern und dem Papierhersteller Norske Skog aufgezeigt werden. Ziel der Kooperation war bzw. ist: • Schaffung von Transparenz über alle Stufen der Papierkette, • ökologische Verbesserungen in wichtigen Bereichen der Papierkette, • Entwicklung von umweltorientierten Kooperationsmodellen, • proaktives Handeln auf dem Zukunftsfeld „ökologische Produktgarantien“, • Stärkung der Produktakzeptanz auf den jeweiligen Märkten. Laut Axel Springer Verlag ist die aktive Integration von Nachhaltigkeitsstrategien in die eigene Wirtschaftsweise eine wichtige Voraussetzung, wenn Unternehmen für die ökologische Optimierung der eigenen Produkte auf zugelieferte Rohstoffe bzw. Maschinen angewiesen sind, oder wenn die Optimierung von den Entsorgungs- und Recyclingprozessen am Ende der Wertschöpfungskette abhängt. Immer dann wird es notwendig, auf vor- bzw. nachgelagerte Unternehmen Einfluss zu nehmen bzw. Kooperationen aufzubauen. Vor diesem Hintergrund wächst die Bedeutung von Netzwerken entlang der Wertschöpfungskette. Mit zunehmender internationaler Arbeitsteilung nimmt die Notwendigkeit nachhaltigorientierter Netzwerke entsprechend zu (Axel Springer Verlag 2005, 15) (Abb.€4).
Beispiel Wertschöpfungskette „Papier“
160
G. Unger, A. Loose
In Norwegen - Nedre Glommen
Norske Skog Halden, Oslo
Axel Springer Verlag, Hamburg
Axel Springer & Otto Versand, Hamburg
Drucker
Verlag / Versandhaus
- Halden Vasdraget - Nidarn
Forstwirtschaft
Implementierung ökologischer Standards Rückverfolgung
Papierproduzent
Rückverfolgung des Holzes von der Papierrolle bis zum Wald RessourcenEffizienz in der Papier produktion
Optimierung des Druckverfahrens
Marketingkonzept Kommunikation vom Waldbesitzer bis zum Endverbraucher
Abb. 4:╇ Kooperationspartner am Beispiel der Papierkette (http://www.axelspringer.de/ inhalte/umwelt/pdf/service/opti_short_long12.pdf, 3)
Beispiel WBCSD: Unternehmen kooperieren weltweit
Darüber hinaus wurden weitere innovative, grenzüberschreitende Kooperationen zur Förderung ökologischer und sozialer Standards durch den Axel Springer Verlag, wie z.€B. „From Russia with Transparency“ und „Tracing Russian Wood Imports“ initiiert. Eine andere Form der Zusammenarbeit in Netzwerken stellt der im Januar 1995 gegründete World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) mit mittlerweile mehr als 170 internationalen Mitgliedsunternehmen dar. Der WBCSD hat regionale Netzwerke in Afrika, Nord- und Südamerika, Asien, Europa und Ozeanien. Eine Reihe großer deutscher Unternehmen sind Mitglied im WBCSD (adidas AG, Allianz, BASF, Bayer, Continental AG, DaimlerChrysler, Degussa, Deutsche Bank, E.ON, HeidelbergCement, Henkel und Volkswagen). Der WBCSD versteht sich als Vorreiter und Katalysator auf dem Weg zur Umsetzung des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung. Ziel des Council ist es, die Rolle von Ökoeffizienz, Innovation und gesellschaftlicher Unternehmensverantwortung voranbringen. Im Einzelnen bedeutet dies: • Business leadership: Bei sämtlichen Unternehmensfragen bezüglich des Leitbildes „sustainable development“ will der WBCSD einer der führenden Sprecher sein. • Policy development: Partizipation an relevanten politischen Entwicklungen, um an Rahmenbedingungen für Unternehmen mitzuwirken, die nachhaltiges Wirtschaften fördern. • Best practice: Einsatz des Konzeptes praxisbewährter Standardverfahren, um den Fortschritt auf Unternehmensseite bezüglich des Umwelt- und Ressourcenmanagements sowie Corporate Social Responsibility zu demonstrieren und die besten Methoden unter den Mitgliedern zu verbreiten. • Global outreach: Für Entwicklungs- und Transformationsländer soll ein wirksamer Beitrag zu einer tragfähigen Zukunft durch die Mitglieder geleistet werden. (www.econsense.de/_csr_info_pool/_int_vereinbarungen/20.01.2007)
Nachhaltige Entwicklung in nachhaltigkeitsorientierten Netzwerken╅╇╛╛161
Der WBCSD knüpft an die Ergebnisse der Konferenz von Rio und die Agenda 21 an. Die Entwicklung muss danach so gestaltet werden, dass ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Zielsetzungen gleichrangig angestrebt werden. Zur Zielerreichung will der WBCSD die Zusammenarbeit von Wirtschaft, Regierung und Nichtstaatlichen Organisationen verstärken (www.nachhaltigkeit.info/artikel/wbcsd_world_business_council_894. htm/21.01.2007). Zur ÜberÂ�windung vielfältiger Probleme, resultierend aus einer rasant zunehmenden globalen Mobilität (Treibhausgase, Feinstaub, Lärmbelästigung, Ressourcenverbrauch, Flächenversiegelung etc.), haben sich unter der Schirmherrschaft des WBCSD einige der größten Energieanbieter und Automobilhersteller sowie Teilelieferanten der Welt (BP, DaimlerChrysler, Ford, General Motors, Honda, Nissan, Michelin, Norsk Hydro, Renault, Shell, Toyota, VW) im Jahr 2000 zu einem Kooperationsprojekt zusammen geschlossen. Resultat der Zusammenarbeit von über 200 Experten aus den beteiligten Unternehmen war die gemeinsame Erstellung der Studie „Nachhaltige Mobilität 2030 – Die Herausforderung der Nachhaltigkeit meistern“. Eines der wesentlichen Ergebnisse lautet: „Einzelne Unternehmen können viel zum Erreichen von Nachhaltigkeit beitragen. Die Herausforderungen sind jedoch selbst für die größten Unternehmen zu vielschichtig, um sie allein meistern zu können. Es kommt deshalb darauf an, geeignete Rahmenbedingungen zu entwickeln – dies kann nur von Unternehmen geleistet werden, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammenarbeiten. Darüber hinaus ist ein intensiver Austausch mit Stakeholdern erforderlich, um ein gemeinsames Verständnis dafür zu entwickeln, wie diese Herausforderungen gemeistert werden können“ (WBCSD 2004).
4 Fazit Die zunehmende Integration des Leitbildes „Nachhaltigkeit“ in das Management von Unternehmen und die damit verbundene Erhöhung der Komplexität scheint derzeit nachhaltig orientierten Netzwerken zum Durchbruch zu verhelfen. D.€h. der Übergang von einer hochkomplexen Industriegesellschaft hin zu einem nachhaltig ausbalancierten Wirtschaftssystem bedarf zunehmend netzwerkartiger Kooperationsstrukturen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Nachhaltigkeitsorientierung ist natürlich keine Eigenschaft von Unternehmensnetzwerken per se. Aber wenn sich solche Zusammenschlüsse für die Leitlinie der Nachhaltigkeit entscheiden, bietet sich ihnen eher als Einzelunternehmen die Chance der simultanen Optimierung der drei Dimensionen der Nachhaltigkeit. Immer mehr Unternehmen erkennen dies, und so scheint aktuell ein Paradigmenwechsel stattzufinden, der auf zwei Trends basiert: Einerseits einem allgemeinen Wertewandel, der von reinen Umweltthemen wegführt und hinleitet zu Nachhaltigkeitsthemen im Sinne einer Koordination zwischen Ökologie, Ökonomie und sozialen Fragen. Andererseits eine zunehmend professionalisierte Vernetzung der für Nachhaltigkeitsthemen verantwortlichen Unternehmensvertreter zur Identifikation von Problemfeldern und der Erarbeitung von nachhaltigen Lösungskonzepten (Hermani 2005, 11).
162
G. Unger, A. Loose
Abschließend soll noch angemerkt werden, dass die Gründung von bzw. das Agieren in Netzwerken nicht nur für nachhaltigorientierte Unternehmen an Bedeutung gewinnt, sondern auch relevante Stakeholder (Interessenverbände, Bürgerinitiativen, NGO’s etc.) die Vorteile von Netzwerken zur Erhöhung ihrer Durchsetzungsfähigkeit erkannt haben und diese strategisch nutzen.
5 Literatur Axel Springer Verlag (2005) Nachhaltigkeitsbericht 2005. Springer, Hamburg Aulinger A (1996) (Ko-)Operation Ökologie. Kooperation€en im Rahmen ökologischer Unternehmenspolitik. Metropolis, Marburg Hermani G (2005) Netzwerker im Globalisierungsprozess. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.01.2005 Kirschten U (2003) Unternehmensnetzwerke für nachhaltiges Wirtschaften. In: Linne G, Schwarz M (Hrsg) Handbuch Nachhaltige Entwicklung. Wie ist nachhaltiges Wirtschaften machbar? Leske und Budrich, Opladen, 172–182 Möller A (2000) Grundlagen stoffstrombasierter betrieblicher Umweltinformationssysteme. Projekt, Bochum Schaltegger S, Petersen H (2005) Kooperatives Nachhaltigkeitsmanagement. Centre for Sustainability Management, Lüneburg Schachtschneider U (2005) Nachhaltigkeit als geänderte Moderne? Lang, Frankfurt am Main WBCSD (2004) Mobilität 2030: Die Herausforderungen der Nachhaltigkeit meistern. (www.wbcsd.org/web/publications/mobility/german-summary. pdf /21.01. 2007) WBGU (1993) Welt im Wandel. Grundstruktur globaler Mensch-Umwelt-Beziehungen. Economica Verlag, Bonn
Rechtliche Gestaltung von Unternehmensnetzwerken Achim Loose, Ralph Schlüter, Georg Stoffels, Georg Unger
1 Gesellschaftsformen im Überblick Wer sich über die Gründung eines Netzwerkes Gedanken macht, wird mit einer Vielzahl möglicher Gesellschaftsformen konfrontiert. Das Netzwerk ist kein juristisch definierter Begriff. Für die rechtliche Betrachtung muss auf die gesellschaftsrechtlichen Typen zurückgegriffen werden. Welche Gesellschaftsform für das jeweilige Netzwerk die richtige Form darstellt, lässt sich letztendlich nur im Einzelfall entscheiden. Bei den Gesellschaftsformen wird zwischen Personen- und Kapitalgesell schaften sowie dem eingetragenen Verein, der Genossenschaft und der Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) unterschieden. Die EWIV ist ein grenzübergreifender Zusammenschluss von Unternehmen, die in Deutschland als Handelsgesellschaften dem HGB unterliegen (Abb.€1). Gesellschaftsformen Personengesellschaften GbR
OHG
Kapitalgesellschaften KG
GmbH
kleine AG
sonstige Gesellschaften
Mischformen
GmbH & Co. KG
e.V.
eG
EWIV
Abb. 1:╇ Gesellschaftsformen
2 Wo fängt das Gesellschaftsrecht an? Eine Gesellschaft entsteht immer dann, wenn die Netzwerkpartner sich für die Gründung entscheiden; manchmal aber auch, ohne dass sie es wollen. Das heißt im ersten Fall: Mehrere Unternehmer, Institutionen etc. sitzen zusammen und beschließen die Gründung eines Netzwerks in einer bestimmten Rechtsform. Im anderen Fall arbeiten die Netzwerkpartner zusammen – eventuell auch mit einem gemeinsamen Auftritt beim Kunden – ohne sich vorher über das Thema
Eine Gesellschaft ist schneller gegründet als man denkt
164
A. Loose, R. Schlüter, G. Stoffels, G. Unger
Gesellschaftsform und Vertragsgestaltung Gedanken gemacht zu haben. Auch dann ist in der Regel eine Gesellschaft entstanden. Das heißt: das Netzwerk ist als Gemeinschaft gegenüber Dritten (Auftraggebern, Lieferanten etc.) aufgetreten, ohne es zu wollen oder zu wissen. Das kann Konsequenzen insbesondere bei der gemeinschaftlichen Haftung nach sich ziehen. Umgekehrt lässt sich durch die Wahl der Rechtsform sowie in einer Vereinbarung festgelegte organisatorische Regelungen auch das Haftungsrisiko begrenzen. Neben der Haftung spielen zudem weitere Aspekte eine Rolle, die über den Erfolg eines Netzwerkes mit entscheiden und deshalb im Vorfeld geregelt werden sollten.
3 Worauf es bei der Wahl der Gesellschaftsform ankommt Nicht alles ist mit jeder Rechtsform möglich
Grundsätzliche Fragen bei der Rechtsformwahl
Im Vorfeld der Auswahl einer geeigneten Rechtsform müssen sich die Netzwerkpartner über den Zweck und die Aufgaben der Kooperation im Klaren sein. Auch wenn innerhalb der Rechtsformen an vielen Punkten Gestaltungsspielraum besteht, haben alle Rechtsformen ihre bestimmten Vor- und Nachteile, die nicht im Gesellschaftsvertrag individuell gestaltet werden können. Zu nennen sind hier beispielsweise: • Nicht jeder Zweck kann mit jeder Rechtsform verfolgt werden. • Bestimmte Rechtsformen schreiben zwingend eine Kapitaleinlage vor. • Die Rechte und Pflichten der Netzwerkpartner sind unterschiedlich detailliert und auch unterschiedlich in ihrem Umfang geregelt. • Insbesondere die Vertretungsbefugnisse im Außenverhältnis und ihre Möglichkeit der einzelvertraglichen Begrenzung sind im Gesetz umfassend geregelt. • Die Gesellschaften haben je nach Rechtsform und Größe klar im Gesetz geregelte Pflichten zur Buchführung, Rechnungs- und Offenlegung von Bilanzen. • Einige Rechtsformen schließen regelmäßige Entnahmen aus. Die Verteilung des Gewinns bzw. Endvermögens der Gesellschaft erfolgt erst bei ihrer Auflösung. • Die Haftung kann bei einigen Rechtsformen vertraglich nicht generell begrenzt werden. In die Überlegungen sollten darüber hinaus weitere Faktoren einbezogen werden: • unternehmerische Fragen: Netzwerkvorhaben, Marktauftritt, weitere strategische Überlegungen, • betriebswirtschaftliche Fragen: Investitionsbedarf, Finanzierungsmöglichkeiten, Gewinnentstehung und -verteilung, Buchführungspflicht/Rechnungslegung/Publizität, • gesellschaftsrechtliche Fragen: Befugnisse der Unternehmensleitung, Kontroll- und Einflussnahmemöglichkeiten der Gesellschafter, Haftungsrisiken, Gründung, Gesellschafterwechsel und Beendigung,
Rechtliche Gestaltung von Unternehmensnetzwerken╅╇╛╛165
• steuerrechtliche Fragen: Gründung, laufende Besteuerung, Gesellschafterwechsel und Beendigung der Kooperation. Dementsprechend sollten die Netzwerkpartner schon im Vorfeld der Gründung folgende Punkte abschließend klären: a)â•… Ziel und Zweck der Zusammenarbeit Nicht alle Ziele können mit allen Rechtsformen umgesetzt werden. Der „eingetragene Verein“ darf keine wirtschaftlichen Zwecke verfolgen, die „Offene Handelsgesellschaft“ erfordert einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb. Ein Netzwerk, das beispielsweise nur zur gegenseitigen Empfehlung und Vermittlung von Aufträgen gegründet wird, ist somit in der Rechtsform der OHG nicht zu führen. Kapitalgesellschaften können zu jedem Zweck gegründet werden. b)â•… Organisatorische Rahmenbedingungen Jedes Netzwerk ist ein Zusammenschluss von Personen und/oder Organisationen, die einen gemeinsamen Zweck verfolgen. Dazu sind organisatorische Regelungen notwendig, um das Zusammenspiel der Beteiligten zu koordinieren und innerhalb der Gesellschaft sowie gegenüber Dritten zu gewährleisten. Dazu gehören die Befugnisse der Kooperationsleitung, die Willensbildung und Beschlussfassung sowie Informations- und Kontrollrechte – insbesondere der nicht an der Leitung beteiligten Gesellschafter. Wird dem Kunden eine Leistung aus einer Hand angeboten, stellt sich die Frage, wer gegenüber dem Kunden der Ansprechpartner ist, wer die Planung und Koordinierung der Netzwerkpartner vornimmt. Bei kleineren Netzwerken können sich die Partner noch untereinander absprechen, mit zunehmender Größe wird dies jedoch schwieriger. Auch stellt sich die Frage, welche Aufgaben intern gebündelt und in Kooperation abgewickelt werden sollen: beispielsweise eine gemeinsame Rechnungsstellung, verbunden mit einem zentralen Mahnwesen. Mit zunehmender Größe und Zusammenfassung von Aufgaben bietet sich die Einrichtung eines gemeinsamen Unternehmens, eventuell sogar mit einem Fremdgeschäftsführer, an. Erforderlich wird die zentrale Koordination und Planung auch, wenn die Partner regional oder städteübergreifend verteilt sind. Mit zunehmender Größe steigt auch der Koordinations- und Abstimmungsaufwand. Die Geschäftsführungsbefugnisse sind in der Regel frei gestaltbar. Die Vertretung gegenüber Kunden, also der Außenauftritt, ist eindeutig festzulegen. Soll ein Fremdgeschäftsführer eingesetzt werden, kommen Personengesellschaften nicht in Frage. Besonders die nicht an der Leitung beteiligten Kooperationspartner sind an der Transparenz der Geschäftsführungsaktivitäten interessiert. Größeren Kooperationen bieten die Kapitalgesellschaften – insbesondere die Kleine Aktiengesellschaft – Informations- und Kontrollrechte, die detailliert im Gesetz geregelt sind.
Wissen, was man mit dem Netzwerk erreichen will
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A. Loose, R. Schlüter, G. Stoffels, G. Unger
Der Kooperationsvertrag kann in vielen Bereichen individuell ausgestaltet werden. Für GmbH und AG gilt darüber hinaus ein „Mindestinhalt“ in der Satzung, der sich aus den gesetzlichen Bestimmungen ergibt. Zwingend sind in der Regel alle Bestimmungen, die die Beziehungen der Gesellschafter bzw. der Gesellschaft zu Dritten regeln. Im Innenverhältnis besteht insbesondere bei Personengesellschaften und der GmbH Gestaltungsfreiheit. Bei der AG sind auch die Inhalte der Satzung weitgehend festgelegt. Unabhängig davon können aber notwendige ‚Spielregeln‘ der kooperativen Zusammenarbeit in einer Kooperationsvereinbarung – auch außerhalb eines Gesellschaftsvertrages – verbindlich festgelegt werden. Beispielhaft hierfür sind Kalkulations- und Angebotsverfahren, Qualitätsstandards, Termintreue, Prioritäten, Koordination und Information, Sanktionsmöglichkeiten und Schiedsgerichtsverfahren. c)â•… Risiken durch die gemeinsame Arbeit Welche Haftungsrisiken können bestehen und wie hoch sind diese? Das hängt zum einen von der Art der Zusammenarbeit ab, zum anderen davon, welche Leistungsinhalte angeboten werden und in welcher Größenordnung die Aufträge liegen. Aufgrund der gemeinschaftlichen Haftung in einer Kooperation ist abzuwägen, ob eine Haftungsbegrenzung durch eine bestimmte Rechtsform zwingend erforderlich ist. Bei Personengesellschaften kann die Haftung grundsätzlich nicht begrenzt werden (Ausnahme: Kommanditisten bei der KG, einzelvertragliche Abrede in der GbR). d)â•… Steuerfolgen Steuerfolgen ergeben sich bei der Gründung, dem laufenden Betrieb, beim Verkauf des Geschäftsanteils, bei Ausscheiden eines Gesellschafters und bei Beendigung der Zusammenarbeit. Dabei ist auch zu berücksichtigen, wo der Gewinn entstehen soll: in der Netzwerkgesellschaft oder bei den einzelnen Netzwerkpartnern. Entscheidend ist die Rechtsformwahl unter steuerlichen Gesichtspunkten, sobald die Gesellschaft selbst höhere Gewinne – oder auch Verluste – erzielt und im Laufe der Zeit einen Wertzuwachs erfährt. Personengesellschaften haben Vorteile durch die Anrechnung der Gewerbesteuer und die Inanspruchnahme von Freibeträgen auf die Einkommenssteuerschuld, Kapitalgesellschaften haben dafür Gestaltungsmöglichkeiten bei schuldrechtlichen Verträgen; das bedeutet, dass z.€B. Geschäftsführergehälter als Betriebsausgaben sich steuermindernd auswirken. e)â•… Kapitalbedarf Es ist zu prüfen, welche Ausgaben beispielsweise für Werbemaßnahmen oder zusätzliche Mitarbeiter für Zentralaufgaben auf das Netzwerk zukommen
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und ob weitere Investitionen, beispielsweise für den Aufbau eines neuen Geschäftsfeldes oder für die Büroausstattung, notwendig werden. Hierbei spielt die Kapitalausstattung der Gesellschaft ebenso eine Rolle wie die Finanzierungsmöglichkeiten über Dritte. f)â•… Gründungs- und laufender Aufwand Die Gründungskosten sollten bei langfristigen Überlegungen nicht im Vordergrund stehen. Wird aber ein Netzwerk auf Probe eingegangen, bietet sich zunächst eine kostengünstige Variante an. Auch die laufenden Kosten sollten berücksichtigt werden. Je nach Rechtsform ist eine eigene Buchführung, Bilanzaufstellung und zum Teil auch eine Veröffentlichung der Bilanzen im „Bundesanzeiger“ erforderlich. Grundsätzlich ist der Aufwand bei Personengesellschaften geringer. g)â•… Nachhaltige Sicherung des Netzwerkes Ist eine nachhaltige Sicherung überhaupt von den Netzwerkpartnern gewünscht oder soll lediglich temporär kooperiert werden? Diese Frage sollte schon frühzeitig zwischen den Netzwerkpartnern diskutiert werden, da die zukünftige Ausrichtung eines Netzwerkes bei der Organisationswahl von entscheidender Bedeutung sein kann. Für manches Netzwerk stellen sich dementsprechend folgende Fragen: • Welche Wachstumsperspektiven sehen wir? • Werden weitere Partner zur Vervollständigung des Leistungsangebotes benötigt? • Ist die Entwicklung neuer Geschäftsfelder geplant?
4 Personen- oder Kapitalgesellschaft Für viele Netzwerke ist in erster Linie die Frage nach der Haftungsbegrenzung relevant. Soll eine Personen- oder Kapitalgesellschaft gegründet werden? Exemplarisch hierfür kann die Auswahl beschränkt werden auf die Rechtsformen der GbR und GmbH. Die Praxis zeigt, dass oftmals Kooperationen auch in der Rechtsform des e.€V. gegründet werden. Nicht selten auch als Vorstufe einer späteren GmbH. Aus Kooperationssicht wesentliche Stichworte zu den einzelnen Gesellschaftsformen sind: Gesellschaft bürgerlichen Rechts – GbR/BGB-Gesellschaft • Grundform der Personengesellschaft • geringer Gründungsaufwand (formloser Vertrag)
Nicht nur die Haftungsfrage entscheidet
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A. Loose, R. Schlüter, G. Stoffels, G. Unger
• Haftung ist unbeschränkt und gesamtschuldnerisch • Haftung kann ausschließlich durch einzelvertragliche Abrede beschränkt werden • keine Fremdgeschäftsführung • Gesellschafterwechsel: zustimmungspflichtig, Anteile grundsätzlich nicht übertragbar • Aufnahme neuer Gesellschafter: nur mit Zustimmung aller Gesellschafter, abweichende Regelung im Gesellschaftsvertrag möglich (Mehrheitsbeschluss), Haftung beachten • Auflösung und Beendigung unkompliziert Gesellschaft mit beschränkter Haftung – GmbH • Kapitalgesellschaft • Leistung einer Mindesteinlage von 25.000,- Euro • Gründungsaufwand: Satzung mit notarieller Beurkundung und Eintragung ins Handelsregister • Haftung ist auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt • Fremdgeschäftsführung möglich • Laufender Aufwand: Bilanzierungs-, Prüfungs- und Publizitätspflicht • Gesellschafterwechsel: grundsätzlich nicht zustimmungspflichtig, Geschäftsanteile sind übertragbar • Aufnahme neuer Gesellschafter: Gesellschafterbeschluss, Kapitalerhöhung oder Teilung der vorhandenen Anteile • Auflösung und Beendigung langwierig (Sperrjahr aus Gründen des Gläubigerschutzes) Kleine Aktiengesellschaft (AG) • Kapitalgesellschaft • Grundkapital von 50.000,- € • Die Gesellschafter sind als Aktionäre mit Kapitalanteilen am Grundkapital beteiligt • Organisation: Vorstand, Hauptversammlung, Aufsichtsrat • Der Vorstand leitet die Geschäfte und vertritt die AG nach innen und außen • Die AG wird im Handelsregister eingetragen • Die AG haftet unbegrenzt mit dem Gesellschaftsvermögen • Laufender Aufwand: Kaufmännische Buchführung und Bilanzierung Genossenschaft (eG) • Mindestens 7 Gründungsmitglieder • Das Genossenschaftsgesetz erlaubt ausdrücklich – im Gegensatz zum eingetragenen Verein – die Verfolgung eines wirtschaftlichen Zwecks mit gemeinsamer Gewinnerzielung
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• Es ist keine gesetzliche Mindesteinlage vorgeschrieben • Der Vorstand – mindestens zwei Personen – führt die Geschäfte und vertritt die Genossenschaft nach außen • Eine Fremdgeschäftsführung ist ausgeschlossen • Die Genossenschaft haftet mit ihrem Genossenschaftsvermögen unbeschränkt • Gesellschafterwechsel und Aufnahme neuer Gesellschafter unkompliziert • Organisation: Vorstand, Generalversammlung, Aufsichtsrat • Laufender Aufwand: GuV, Publizitätspflicht eingetragener Verein – e.€V. • mindestens 7 Gründer • nur ideeller Zweck, aber wirtschaftlicher Nebenzweck • Gründungsaufwand: Satzung und Eintragung ins Vereinsregister • Haftung auf das Vereinsvermögen beschränkt • Fremdgeschäftsführung möglich • Gesellschafterwechsel und Aufnahme neuer Gesellschafter unkompliziert • Auflösung und Beendigung: wie bei der GmbH Berücksichtigung des Sperrjahrs
5 Regelwerk eines Netzwerkes Haben sich die Netzwerkpartner auf eine bestimmte Gesellschaftsform geeinigt sowie ihre gemeinsamen Ziele und organisatorischen Rahmenbedingungen erarbeitet, sollten die wichtigsten Regelungen vertraglich fixiert werden. • Gesellschaftsvertrag • ggf. Beirats- oder Aufsichtsratsvertrag • Geschäftsführervertrag/Angestelltenverträge • Kooperationsvereinbarung bzw. Rahmenvertrag • Werkverträge Auf der einen Seite umfassen die Regelungen die gesellschaftsrechtlich ‚typischen‘ Elemente. Auf der anderen Seite kommen besondere Aspekte hinzu. Insbesondere die Vermarktungsstrategie, die Einbringung von Ressourcen, die projektspezifische Zusammenarbeit der Netzwerkpartner, Vereinbarungen über den Informationsfluss, die Finanzierung des Netzwerkes, die Qualitätssicherung sowie der Umgang mit Konflikten im Netzwerk sollten verbindlich geregelt werden. Eine klare Definition der genannten Bereiche trägt i.€ d.€R. nachhaltig zum Erfolg eines Netzwerkes bei.
Ein Regelwerk ist mehr als ein ‚typischer‘ Gesellschaftsvertrag
Folgende Grundsätze sollten dabei beachtet werden • Nehmen Sie sich ausreichend Zeit für die Ausarbeitung. Hierbei gehören alle wichtigen – auch unbequemen – Punkte auf den Tisch.
Tipps für die konkrete Umsetzung
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A. Loose, R. Schlüter, G. Stoffels, G. Unger
• Erarbeiten Sie ‚Ihre‘ relevanten Regelungen. Musterverträge können sicherlich einige Anhaltspunkte liefern, ersetzen aber nicht die individuelle Gestaltung. • Lassen Sie Ihre Verträge und Vereinbarungen in jedem Fall durch einen Spezialisten im Gesellschaftsrecht überprüfen oder binden Sie ihn von Anfang an in die Vertragsgestaltung ein. Für die inhaltliche Ausgestaltung gilt Kooperationsvereinbarung und Gesellschaftsvertrag
• Die Zusammenfassung von verbindlichen Regelungen, wie z.€B. der Kooperationsvereinbarung und dem Gesellschaftsvertrag ist nur dann sinnvoll, wenn die Rechtsform der GbR gewählt wird. • Bei Gründung einer GmbH oder AG sollte zwischen den o.€ g. Verträgen und Vereinbarungen sowie dem Gesellschaftsvertrag unterschieden werden. Grund: sobald ein notarieller Vertrag erforderlich ist, ist jede Änderung mit einem Notartermin und entsprechenden Kosten verbunden. • Auch bei einem e.€V. und bei der e.€G. ist eine Änderung des Vereins- oder Genossenschaftsstatuts dem Register anzuzeigen und in Folge dessen mit zusätzlichem Aufwand und Kosten verbunden.
6 Fazit Alles in der richtigen Reihenfolge
Zum Schluss noch einmal in Stichworten diejenigen Aspekte, auf die geachtet werden sollte: • Entscheidung für die Kooperationsart • Beschreibung der Organisation und Beziehungen • Analyse der haftungsrelevanten Aspekte • Rechtsformwahl • Ausarbeitung des Regelwerks Neben der rechtlichen Gestaltung des Netzwerkes sind für den Erfolg der Zusammenarbeit die Kooperationskultur und das gemeinsam entwickelte Leitbild der beteiligten Partner von entscheidender Bedeutung. Diese entziehen sich letzten Endes der ‚reinen‘ vertraglichen Gestaltung, sondern müssen von den Partnern ‚gelebt‘ werden
Wer spricht mit wem? KooperationsControlling per Netzwerkanalyse Ralph Klocke
In diesem Beitrag wird dargestellt, wie sich die Methode der Netzwerkanalyse für die Erfolgskontrolle beim Aufbau und Management von Kooperationen einsetzen lässt. Nach einer kurzen Erläuterung der Methode wird die konkrete Netzwerkanalyse eines regionalen Branchennetzwerks zusammenfassend dargestellt Der Beitrag schließt mit der Darstellung von Möglichkeiten, die Soziale Netzwerkanalyse in ein umfassendes Netzwerk-Controlling zu integrieren und dabei als Instrument weiterzuentwickeln.
1 Netzwerkanalyse – was ist das? Die Analyse Sozialer Netzwerke beruht auf der Annahme, dass Beziehungen zwischen Personen ebenso wie zwischen Organisationen von entscheidender Bedeutung sind, weil sie Verhalten, Einstellungen, Kommunikation, Informationen oder Warenflüsse darstellen. Die Netzwerkanalyse bietet geeignete Verfahren, diese sozialen Beziehungen zu untersuchen, zu bewerten und weiter zu entwickeln. Kurz gesagt: Die Soziale Netzwerkanalyse untersucht die sozialen Beziehungen zwischen Akteuren. Ihr Hauptziel ist es, Muster von Beziehungen zwischen den Akteuren heraus zu arbeiten. Die untersuchten Beziehungsmuster können z.B. den Austausch von Informationen und Waren, die Ausübung von Einfluss oder Verbindungen anderer Art darstellen. Die Absicht, diese Beziehungen zu untersuchen, resultiert aus der Annahme, dass die vorhandenen Muster der sozialen Verbindungen das Leben der Akteure prägten. Im Fall von Organisationen als Akteuren wird angenommen, dass Erfolg oder Scheitern in einem hohen Maß von ihren internen und externen Netzwerkbeziehungen bestimmt wird. Die historischen Ursprünge der systematischen Netzwerkanalyse liegen in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Vierzig Jahre später machte die Methode einen Entwicklungssprung, als neue Ansätze der mathematischen Graphentheorie und die Verbreitung schnellerer Computer aufeinander trafen. Heutzutage ist die Netzwerkanalyse als interdisziplinäre Wissenschaft vor allem in den USA und Europa verankert und wird zunehmend in der Organisationsentwicklung eingesetzt. Dort findet sich die ursprünglich abstrakte mathemati-
Die Methode
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R. Klocke
sche Theorie in einer Reihe von praxisrelevanten Anwendungen, die bisher in Deutschland erstaunlich wenig Aufmerksamkeit geweckt haben. Wenn im Folgenden von Netzwerkanalyse gesprochen wird, ist damit die Organizational Network Analysis (ONA), eine auf Unternehmen und andere Organisationen ausgerichtete Spezialform der Social Network Analysis (SNA), gemeint. Die Bezeichnung „Netzwerk“-Analyse führt leicht zu einem Missverständnis – alle Organisationen, nicht nur solche, die sich ausdrücklich als Kooperationen verstehen, lassen sich mit dieser Herangehensweise betrachten und verbessern. Der Netzwerkbegriff wird verwendet, weil die ONA Organisationen, also auch Einzelunternehmen, grundsätzlich als Netzwerke betrachtet.
2 Netzwerkanalyse – wofür?
Vielfalt der Anwendungsmöglichkeiten
Es gibt eine Vielzahl von Anwendungsbereichen für Netzwerkanalysen. Die Bandbreite reicht von der Untersuchung der Verbreitung von Krankheiten und Seuchen über das Aufdecken terroristischer Netzwerke und die Small-WorldThematik bis hin zum Aufspüren von Expertenwissen in Unternehmen. Eine kleine Auswahl von Anwendungsgebieten der ONA: • Teamentwicklung • Expertenwissen finden • Führungskräfteauswahl und -entwicklung • Organisationsdesign • Innovationsverbreitung • Post-Merger Integration • Wissensmanagement • Meinungsführer lokalisieren • Aufspüren von „Communities of Practice“ • Informationsflüsse darstellen Im hier betrachteten Fall wurde die Methode eingesetzt, um den Erfolg des Netzwerkaufbaus in einem regionalen, branchenorientierten Wirtschaftsförderungsprojekt zu untersuchen. Gegenstand der Untersuchung können z.B. sein: Austausch- und Kommunikationsbeziehungen • Wer beeinflusst wen bei einer Entscheidung? • Wer ist Handelspartner / Kunde von wem? • Woher bezieht jemand seine Informationen? • Wer wird bei fachlichen Problemen um Rat / Unterstützung gefragt? • Wer kommuniziert wie, wann, wie oft, worüber mit wem? Kooperationsbeziehungen • Wer unterhält mit wem eine strategische Partnerschaft? • Wer sponsert wen? • Wer hat bereits mit wem zusammen gearbeitet?
Wer spricht mit wem? Kooperations-Controlling per Netzwerkanalyse╅╇╛╛173
Formelle Beziehungen • Wer ist an welchem Unternehmen beteiligt? • Wer sitzt im Aufsichtsrat welcher Organisation? • Wer ist wem berichtspflichtig? Teilnahme an Veranstaltungen und Mitgliedschaften • Wer nimmt an welcher Messe teil? • Wer stand bei welchem Event auf der Gästeliste? • Wer pflegt welche persönlichen Netzwerke? Ein weiteres wesentliches Element der Netzwerkanalyse ist die Visualisierung von Beziehungen, eine Funktion, die von Netzwerkberatern und -managern bisher vermisst wurde oder durch manuelle Erstellung aufwändiger Darstellungen mittels Grafikprogrammen ersetzt wurde. Die Visualisierung dient vor allem der anschaulichen Darstellung komplexer Informationen. Die im Weiteren folgenden Beispiele werden das verdeutlichen.
3 Controlling der Netzwerkentwicklung – dargestellt am Beispiel der NIWE Das untersuchte Projekt, die Netzwerk-Initiative Wirtschaft Eschwege (NIWE), ist ein im Januar 2003 gegründetes Unternehmensnetzwerk im Wirtschaftsraum Eschwege (Osthessen). Sie arbeitet als direktes, flexibles und kreatives Kooperationsnetzwerk ohne starre Struktur und auf freiwilliger Basis. Das Netzwerkbüro der NIWE ist bei der Wirtschaftsförderung im Rathaus der Stadt Eschwege angesiedelt und fungiert als starker Koordinator und Motor der Netzwerkentwicklung. Im Jahr 2006 fanden mit finanzieller Unterstützung der EU eine Reihe von Netzwerkmaßnahmen (Workshops und Arbeitsgruppen) statt, die für die Teilgruppe der metallverarbeitenden Betriebe eine tiefergreifende Kooperation initiieren sollten. Für die NIWE wurde projektabschließend eine Netzwerkanalyse erstellt, um die vorhandenen sozialen (beruflichen) Beziehungen zwischen den am Netzwerk beteiligten Personen zu erheben, zu visualisieren und im Anschluss an eine Analyse diverser Aspekte eine Einschätzung zur Qualität des Netzwerks und zu Defiziten und Entwicklungspotenzialen des Netzwerkmanagements abzugeben. Vorgehensweise Es gibt unterschiedliche Methoden, die Daten für eine Netzwerkanalyse zu erheben. In diesem Fall wurde ein Fragebogen entwickelt, der an die Mitglieder der Teilgruppe „metallverarbeitende Betriebe der NIWE“ versandt wurde. Zuvor wurde in einem ersten Schritt die Gruppe der zu befragenden Perso-
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R. Klocke
nen durch den Netzwerkkoordinator der NIWE festgelegt. Der Fragebogen in Form einer Excel-Datei wurde per Email verschickt, von den Teilnehmern am Bildschirm ausgefüllt und auf dem gleichen Weg zurück gesandt. Die Daten der einzelnen Fragebögen wurden nach Abschluss der Befragung zu verschiedenen Matritzen zusammengefasst und für die Datenanalyse aufbereitet. Für die eigentliche Datenanalyse wurden mehrere Verfahren der multivariaten Statistik, der Graphentheorie und der Matrix-Algebra verwendet. Neben dem erwähnten Excel wurde hierzu das Programmpaket Ucinet heran gezogen. Die folgenden Fragen waren zu beantworten: • Zulieferung: Wie oft haben Sie die Person kontaktiert, um Teile zu beziehen, bzw. bearbeiten zu lassen? • Problemlösung: Wie oft haben Sie die Person kontaktiert, um ein Problem zu lösen, das bei Ihrer Arbeit aufgetreten ist? • Zusammenarbeit: Wie oft haben Sie die Person kontaktiert, um gemeinsam an einem Auftrag (oder einer Entwicklung) zu arbeiten? • Empfehlung: Wie oft haben Sie die Person kontaktiert, bzw. empfohlen um einem Kunden weiter zu helfen? Die Antwortmöglichkeiten (bezogen auf das Jahr 2006): • Nie/so gut wie nie (0) • Ca. 1–3 mal im Jahr (1) • Ca. 4–8 mal im Jahr (2) • Ca. einmal im Monat (3) • Häufiger als einmal im Monat (4) 3.1
Analyse der Befragungsergebnisse
Allgemeine Ergebnisse Befragt wurden 65 Personen in 30 Organisationen. 31 Personen aus 19 Organisationen haben den Fragebogen zurück gesandt, eine Person hat angegeben, nicht teilnehmen zu wollen. Die Quote der zu berücksichtigenden Fragebögen liegt bei der personellen Analyse somit bei 47,7%, bei der organisationellen Analyse beträgt sie 63,3%. Beide Werte liegen (knapp) innerhalb der erwarteten bzw. angestrebten Quoten. Dennoch können durch die angewandte Methode sinnvolle Aussagen über das Netzwerk abgeleitet werden. Veranschaulicht wird das dadurch, dass mit einer Ausnahme alle Personen bzw. Unternehmen von mindestens einer anderen befragten Person als Kontakt genannt wurden. Der Unterschied zu einer Vollerhebung besteht im wesentlichen darin, dass im Idealfall die erfassten Vernetzungsgrade höher ausgefallen wären.
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Auswertung der Ergebnisse Zu unterscheiden ist grundsätzlich zwischen der Vernetzung von Unternehmen und der zwischen Personen in Unternehmen. Kooperationen basieren immer auf persönlichen Kontakten und hängen stark von der Kooperationswilligkeit, der Kooperationsfähigkeit, der Vertrauenswürdigkeit und dem Einsatz einzelner Menschen ab. Dennoch kann die zweite Komponente, die Vernetzung zwischen Unternehmen, in der Analyse aussagekräftiger sein. Für die Betrachtung der organisatorischen Vernetzung spricht, dass diese Daten „stärker“ sind, weil mehr Kontakte zwischen Unternehmen aufgedeckt werden als bei der Befragung eines mehr oder weniger „zufällig“ ausgewählten Ansprechpartners. Andererseits bevorzugt die Addition mehrerer Antworten aus einem Unternehmen die größeren Organisationen und führt insofern zu einer gewissen „Verzerrung“ im Unternehmensvergleich. Für das unternehmensbezogene Vorgehen spricht auch, dass interorganisatorische Kooperationen, die nicht nur von einer Person abhängig gemacht werden, belastbarer sind, weil sicher gestellt ist, dass mit dem Ausscheiden dieser einen Person nicht die Zusammenarbeit zum Erliegen kommt. Im Zuge des unternehmerischen Wissensmanagements muss es geradezu angestrebt werden, Netzwerkstrukturen, sofern sie zu den strategischen Unternehmenszielen zählen, auf den Schultern mehrerer Personen zu entwickeln. Was kann anhand der Daten ermittelt werden? • Die Vernetzungsgrade der Akteure (befragte Personen bzw. beteiligte Unternehmen) • Die Zentralität einzelner Akteure • Die Dichte des Netzwerks • Die Qualität der Egonetze einzelner Akteure Diese ‚technischen‘ Analysen führen direkt zu Interpretationen über die Güte des Netzwerks, wie anhand der Beispiele gezeigt wird. Vergleiche der Ergebnisse bei diesen Werten mit anderen Netzwerken, führen, sofern möglich, zu einem Benchmarking der Netzwerkqualität. Zieht man vorhandene frühere Analysen des selben Netzwerks heran, sind automatisch Aussagen über Erfolg oder Misserfolg der Weiterentwicklung des Netzwerks ableitbar. 3.1.1 â•› â•›Erster Analyseschritt: Summe der Kontakte zwischen den Unternehmen und Vernetzungsgrade Die hier verwendeten Daten ergeben sich aus der Summe der Einzeldaten zu den Fragen 1 (Zulieferung) bis 4 (Empfehlung). Bei der Frage nach dem Vernetzungsgrad der Unternehmen wurde nach eingehender und ausgehender Vernetzung unterschieden. Wie die Auswertung des Vernetzungsgrades zwischen den Unternehmen zeigt, hatten die beteiligten Betriebe in ihrem Geschäftsalltag durchschnittlich regel-
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mäßigen Kontakt zu jedem dritten Unternehmen der NIWE. Die große Übereinstimmung der Werte für eingehende und ausgehende Vernetzungsgrade deutet auf eine relativ hohe Validität der Ergebnisse hin. Diese Werte zeigen das Vorhandensein einer überdurchschnittlichen Vernetzung auf und können als Ergebnis der Netzwerkarbeit angesehen werden. Die großen Differenzen zwischen den Vernetzungsgraden sowohl im Vergleich der Unternehmen als auch beim betriebsspezifischen Vergleich von eingehender und ausgehender Vernetzung bedürfen weiterer Beachtung. Ein hoher eingehender Vernetzungsgrad weist darauf hin, dass dieses Unternehmen aus Sicht der anderen ein wichtiger Partner ist, dessen Leistungen benötigt werden, und dass es sich um einen vertrauenswürdigen Partner handelt. Ein hoher ausgehender Vernetzungsgrad spricht für das Bemühen des jeweiligen Unternehmens, im Netzwerk zu arbeiten. Dieses Bemühen ist eine weitere Voraussetzung für eingehende Vernetzung.
3.1.2 ╛╛Zweiter Analyseschritt: Auswertung der Einzelfragen Für alle Bereiche zeigt sich, dass es eine gewachsene Vernetzung gab, besonders ausgeprägte Netzwerkstrukturen fanden sich bei den Themen „Zulieferung“ und „Zusammenarbeit“. Bei letzterem Thema muss berücksichtigt werden, dass hier die Netzwerkkoordinatoren eine prägende Rolle innehaben. Zulieferung Frage: „Wie oft haben Sie die Person kontaktiert, um Teile zu beziehen, bzw. bearbeiten zu lassen?“ 27 von 30 Unternehmen (Organisationen) verfügen beim Thema Zulieferung über eingehende und/oder ausgehende Kontakte innerhalb des Netzwerkes. Problemlösung Frage: „Wie oft haben Sie die Person kontaktiert, um ein Problem zu lösen, das bei Ihrer Arbeit aufgetreten ist?“ Wiederum 27 von 30 Unternehmen (Organisationen) verfügten beim Thema Problemlösung über eingehende und/oder ausgehende Kontakte innerhalb des Netzwerkes. Die Vernetzung ist geringfügig schwächer ausgeprägt als bei der Zulieferung.
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Abb. 1:╇ Visualisierung des Netzwerks ‚Empfehlung‘
Zusammenarbeit Frage: „Wie oft haben Sie die Person kontaktiert, um gemeinsam an einem Auftrag (oder einer Entwicklung) zu arbeiten?“ 29 von 30 Unternehmen verfügten beim Thema Zusammenarbeit über eingehende und/oder ausgehende Kontakte innerhalb des Netzwerkes. Die Vernetzung ist zu diesem Thema am stärksten ausgeprägt. Die beiden Netzwerkkoordinatoren stehen deutlich erkennbar im Zentrum des Netzwerks. Empfehlung Frage: „Wie oft haben Sie die Person kontaktiert, bzw. empfohlen, um einem Kunden weiter zu helfen?“ 26 von 30 Unternehmen (Organisationen) verfügen beim Thema Empfehlung über eingehende und/oder ausgehende Kontakte innerhalb des Netzwerkes (Abb.€1). Allerdings spielten hier die Koordinatoren eine zentrale Rolle, wie die Graphik zeigt. In einem solchem Fall kann es von Interesse für die weitere NetzwerkArbeit sein zu analysieren, wie die Beziehungsstruktur ohne die Koordinato-
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Abb. 2:╇ Visualisierung des Netzwerks ‚Empfehlung‘ ohne Koordinatoren
ren, also ausschließlich zwischen den Unternehmen selbst, aussieht. Um dies darstellen zu können, wurden die über die Koordinatoren ermittelten Empfehlungen ausgewechselt (s. Abb. 2). Es wird deutlich, dass das NIWE Netzwerk stark von einzelnen Akteuren abhängt. Entfernte man nach den Koordinatoren noch die Unternehmen 04, 12 und 17, würde die Struktur in einzelne, weitestgehend zusammenhanglose Fäden zerstückelt. Allerdings ist positiv zu vermerken, dass keine weiteren Akteure aus dem Netzwerk heraus fallen, d.€h. kein Unternehmen ist hier ausschließlich durch die Koordinatoren eingebunden. Fazit: Das Netzwerk ist auch beim ‚schwächeren‘ Thema Empfehlung zu er-
kennen, weist aber gerade hier noch deutliche Verbesserungspotenziale auf. Die Ego-Netze aller beteiligten Unternehmen
Ego-Netze zeigen die Netzwerkbeziehungen eines einzelnen Akteurs. Dazu werden seine direkten Beziehungen dargestellt, zuzüglich der direkten Beziehungen seiner verbundenen Akteure. Konkret: Welche anderen Unternehmen kann das jeweilige betrachtete Unternehmen direkt oder über höchstens einen Zwischenschritt erreichen?
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Relevant ist diese Fragestellung in Netzwerken, bei denen es um den Zugriff auf Ressourcen wie z.B. Informationen geht. Fragt das Unternehmen A dazu bei seinem direkten Kontakt B nach, so bekommt es als Antwort entweder dessen Informationen oder aber die Aussage „wir können die Antwort nicht geben, aber unser direkter Kontakt C kann helfen“. Ego-Netze zeigen sehr anschaulich, wie gut die einzelnen Unternehmen innerhalb des Netzwerks vernetzt sind. Als Basis dienen die aggregierten Kontakte zwischen den Unternehmen. 3.2 Resümee der Netzwerkanalyse NIWE Ziel dieser Analyse war es, zu ermitteln, ob sich Netzwerkstrukturen heraus gebildet haben, die über das normale Maß zwischen ‚verwandten‘ Unternehmen einer Region hinausgehen. Als übergreifendes Ergebnis lässt sich feststellen, dass dem so ist. Eine Netzwerkstruktur lässt sich am deutlichsten am Vernetzungsgrad der Unternehmen erkennen und dieser beträgt innerhalb der untersuchten Gruppe etwas über 34 Prozent – im Durchschnitt hat jedes Unternehmen signifikante Kontakte zu jedem dritten Unternehmen dieses Sektors der NIWE. Belastbare Zahlen einer echten Vergleichsgruppe liegen zwar nicht vor, doch kann bei vorsichtigen Annahmen davon ausgegangen werden, dass ein Vernetzungsgrad von über 20 Prozent auf erfolgreiche Kooperationsanbahnungen zurückzuführen ist. Es ist davon auszugehen, dass diese Zahlen noch etwas besser ausgefallen wären, wenn es gelungen wäre, weitere Akteure für die Beantwortung der Fragen zu motivieren. Zwei verspätet eingegangene Fragebögen, die nicht mehr für die Auswertung berücksichtigt werden konnten, belegen weitere Kontakte zwischen NIWE Unternehmen. Der Ausgangspunkt dieser Maßnahmen ist aus den vorliegenden Zahlen eindeutig bei den Netzwerkkoordinatoren zu lokalisieren, die selber Vernetzungsgrade um 90 Prozent (ausgehend) aufweisen. An einem eingehenden Vernetzungsgrad von 78 Prozent ist abzulesen, dass die eigenen Bemühungen um die Schaffung eines Kooperationsklimas Früchte tragen. Thematisch ist die Netzwerkstruktur bei der Frage nach „Zusammenarbeit“ am stärksten entwickelt, gefolgt von „Problemlösung“ und „Zulieferung“. Das Thema „Empfehlung“ bildet hier insofern das Schlusslicht, als seine Vernetzung sehr stark durch die Koordinatoren geprägt ist. Weiterhin fällt auf, dass es hinsichtlich der Netzwerkeinbindung große Unterschiede zwischen den Akteuren gibt – sowohl bei den eingehenden als auch bei den ausgehenden Kontakten. Neben den sehr zentralen Koordinatoren finden sich eine Reihe von Akteuren (Personen wie Unternehmen), die eindeutig das Netzwerk durch ihre Kontakte mit gestalten. Andere Akteure hingegen sind nur vereinzelt eingebunden. Sie verfügen z.B. nur über Kontakte zu einem der Koordinatoren oder einem anderen Unternehmen, nicht aber zu einer Vielzahl von Netzwerkpartnern.
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Auch wenn die Entwicklung eines echten Netzwerks messbar stattgefunden hat, lassen sich aus diesen Aussagen einige Ansätze für die Weiterentwicklung ableiten. 3.3 Welche Maßnahmen lassen sich aus den Daten ableiten? Auch wenn die Methode der Netzwerkanalyse durch die Möglichkeit der anschaulichen Visualisierung von Beziehungen zwischen den beteiligten Akteuren bereits einen Nutzen bietet, ist jede Analyse nur so gut wie die Schlussfolgerungen, die sich aus den Ergebnissen ziehen lassen. Hierzu ist es wichtig, dass die durchführenden Personen über Erfahrungen mit der untersuchten Thematik, in diesem Fall dem Aufbau und Management von Unternehmensnetzwerken, verfügen. Im Folgenden soll ein Auszug aus den Empfehlungen der präsentierten Analyse wiedergegeben werden, um zu belegen, dass diese Form der Analyse eng mit der jeweiligen Praxis verbunden ist und nicht nur Daten, sondern einen echten Mehrwert produzieren kann. Als Kernziele für die weitere Gestaltung der Kooperation innerhalb der NIWE wurden vorgeschlagen: • Erhalt und Stärkung des „Kernteams“ Die Netzwerkanalyse hat deutlich gezeigt, dass es neben den zentralen Koordinatoren Mitglieder gibt, die über eine Vielfalt von Kontakten innerhalb der untersuchten Gruppe verfügen und diese auch nutzen. Es ist davon auszugehen, dass diese Akteure bereits von der Sinnhaftigkeit des Arbeitens in Netzwerken überzeugt sind. Daher sollte ihre Position genutzt werden, um dem Netzwerk auf der Ebene der Unternehmensvertreter eine stärkere Eigensteuerung zu verleihen. Maßnahme: Einrichtung eines Kernteams, das Aufgaben innerhalb der Netzwerksteuerung übernimmt. Umsetzung: Die Bildung eines „Netzwerkvorstands“, besetzt durch aktive Netzwerker der NIWE, ist vorgeschlagen. Vorteilhaft für die Annahme dieser neuen, tendenziell hierarchischen Struktur, wäre eine Form der Wahl, an der sich alle Mitglieder beteiligen können (z.€B. mindestens durch Annahme eines Gesamt-Vorschlags). Die aktuellen Koordinatoren sollten in dieser Gruppe ebenfalls vertreten sein. • Aktivierung der Mitglieder am Rand des Netzwerks Es hat sich gezeigt, dass ca. die Hälfte der Personen, die befragt wurden, nur über eine schwache Anbindung an das Netzwerk verfügt. Diese Tatsache ist insofern nicht überraschend, als es in Netzwerken immer unterschiedliche Eigeninteressen gibt, die mal zu mehr, mal zu weniger
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Kooperationsneigung führen. Zudem ist die engere Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen hinweg immer auch von persönlichen Eigenschaften und von den spezifischen Unternehmenskulturen geprägt. Ungeachtet dieser natürlichen Unterschiede in den Kooperationspräferenzen, hat die Einbindung der passiveren Mitglieder eine große Bedeutung für eine erfolgreiche Weiterentwicklung des Netzwerks, zumal das Wachstum per Aufnahme weiterer Mitglieder durch Branchen- und Regionengrenzen eingeschränkt ist. Maßnahmen und Umsetzung: Direkte Ansprache von Unternehmen mit geringen Vernetzungsgraden, vorzugsweise durch andere Mitglieder (z.B. aus dem Vorstand). Den Angesprochenen sollte verdeutlicht werden, dass die Aktiven überdurchschnittlich vom Netzwerk profitieren können. • Darüber hinaus sollten alle Mitglieder regelmäßig auf die Möglichkeiten hingewiesen werden, eigene Präferenzen einzubringen. Der Gedanke dahinter: Wenn das Netzwerk (auch) die eigenen Ziele verfolgt, entsteht eine starke Motivation zur Eigeninitiative. Ebenfalls in diese Richtung zielt die Einrichtung einer Form überbetrieblichen Vorschlagswesens. Diese Aufgabe wurde auch bisher durch vielfältige Kontakte der Koordinatoren geleistet; nachgedacht werden könnte aber über eine deutlichere Institutionalisierung. Diese kann z.€B. darin bestehen, dass einmal jährlich entweder ein Netzwerktreffen dieser Thematik gewidmet wird, oder aber dass eine Befragung mit dem Inhalt „was erwarte ich von der NIWE“ regelmäßig durchgeführt wird. • Thematisch wird der Ausbau der Zusammenarbeit bei den gegenseitigen Empfehlungen und der Zulieferung empfohlen. Bei diesen beiden Themen ist die Entwicklung der Netzwerkstruktur noch ausbaufähig. Maßnahmen: Zunächst gilt es, heraus zu finden, wo die Ursachen für die unter den Erwartungen liegende Vernetzung bei diesen Themen zu finden sind. Bei den Empfehlungen könnten zwei Ursachen mangelndes Vertrauen in die in Frage kommenden Betriebe und/oder Konkurrenzbedenken aufgrund einer zu großen Ähnlichkeit sein. Beide Ursachen sind für die Entwicklung des Netzwerkgedankens nicht unproblematisch und sollten auf jeden Fall thematisiert werden. Als eine weitere denkbare Ursache könnte angenommen werden, dass die Akteure einfach zu wenig über andere Unternehmen wissen, als dass sie diese ihren Kunden empfehlen könnten. Diese Annahme scheint zwar nach Kenntnis der Lage eher unwahrscheinlich, könnte aber dennoch zumindest für die oben angesprochenen „Rand-Mitglieder“ zutreffen.
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Umsetzung: Der Kern dieses Themas ist Vertrauen. Einen eventuell vorhandenen Mangel an Vertrauen offen auszusprechen, ist auch und gerade in Netzwerken problematisch. Die Entwicklung von Vertrauen ist zudem zeitintensiv. Daher liegt die hauptsächliche Richtung von Lösungsansätzen auch darin, die Zeit wirken zu lassen und die Maßnahmen zur Kooperationsentwicklung fort zu führen. Der regelmäßige Austausch, die kleinschrittige gemeinsame Arbeit an Verbesserungen im Alltag der Unternehmen, führt automatisch zur Vertiefung der Vertrauensbasis. • Darüber hinaus ist als spezielle vertrauensbildende Maßnahme die Verabschiedung von Kooperationsregeln ein wichtiger Ansatz. Gemeinsam diskutierte und beschlossene Regeln ermöglichen den Austausch über das sensible Thema Vertrauen. Sie tragen auch zur Klärung offener, aber häufig nicht ausgesprochener Fragen z.B. zum Umgang mit Konkurrenz unter Mitgliedern bei. • Letztlich tragen gemeinsame Aktionen zur Entwicklung einer Kooperationsdynamik bei. Neben den bereits eingesetzten Arbeitsgruppen, den geplanten Marketingmaßnahmen und anderen Aktionen, wirken insbesondere gemeinsame ‚öffentliche‘ Auftritte verbindend. Das Spektrum solcher Auftritte beginnt mit einem gemeinsamen Logo und einer NIWE Corporate Identity, und kann fortgesetzt werden mit einem gemeinsamen Motto, einem Netzwerk-Leitbild bis hin zu Messeauftritten als Kooperation. • Zum Abschluss dieses Resümees bleibt zu erwähnen, dass der persönliche Wohlfühlfaktor in jeder Kooperation einen häufig unterschätzten Stellenwert hat. Darum sollten, neben allen unternehmerischen Ansätzen auch Aktivitäten, die einen halb-privaten Charakter haben, nicht vernachlässigt werden. Veranstaltungen in angenehmer Umgebung, die Verbindung von fachlichen Inhalten mit anschließendem gemütlichen Beisammensein, sind erfahrungsgemäß wirksame Maßnahmen.
4 Einordnung der sozialen Netzwerkanalyse in das Controlling-Instrumentarium Die Beziehungen zwischen den Kooperationspartnern bilden das Rückrad einer jeden Kooperation. Die thematisch differenzierte Analyse dieser Beziehungen mithilfe der sozialen Netzwerkanalyse deckt also einen zentralen Bereich des Kooperations-Controllings ab, das allerdings noch mehr relevante Aspekte umfasst, z. B.: Zielerreichung, Prozessoptimierung, Zufriedenheit der Mitglieder. Die Inhalte erstrecken sich von den strategischen Zielen über die finanzielle Ebene der Kosten- und Leistungsrechnung, den Prozessverlauf einzelner Aufträge, Kundenfeedback etc. bis zur Einhaltung der Kooperationsregeln. Die meisten dieser Aspekte sind auch für die tägliche Arbeit von Einzelunternehmen von Bedeutung und werden dort dementsprechend im Controlling verwendet.
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Kooperationen und Unternehmensnetzwerke sollten ebenfalls über vergleichbare Controllingsysteme verfügen. Sie unterscheiden sich aber in einer Ausprägung deutlich von Einzelunternehmen, denn sie entwickeln mehr und in ihrer Qualität andere Beziehungssysteme. Es stellt sich die mithin Frage, wie die soziale Netzwerkanalyse als zwar wichtiges, aber nicht einziges Instrument in ein Controllingsystem für Kooperationen integriert werden kann und wie sie dabei weiterentwickelt werden kann oder muß. Dass interne und externe Netzwerke für den Erfolg der meisten Unternehmen zunehmend von Bedeutung sind, ist mittlerweile eine allgemein akzeptierte Tatsache. Unternehmer und Manager, die in oder mit Netzwerken arbeiten, wissen sehr gut, dass sie sich um Aufbau und Pflege ihrer wertvollen Netzwerke kümmern müssen und in der Folge entsprechende Steuerungsinstrumente benötigen. Für die erwähnte Gruppe der KMU wird aber auch in Zukunft gelten, dass Managementinstrumente handhabbar sein müssen und dass sie bei vertretbarem Aufwand zufriedenstellende Ergebnisse liefern müssen. Ein Instrument, das diese Bedingungen weitgehend erfüllt und in vielen Unternehmen bereits bekannt ist, ist die Balanced Scorecard. Es liegt also nahe, das Kooperationscontrolling in bestehende BSC zu integrieren, bzw. eine daran angelehnte Network Scorecard einzusetzen. Ein Vorteil dieses Instrumentes liegt in seiner Skalierbarkeit, d.h. man kann unterschiedlich komplexe Lösungen realisieren, wie die folgende Mindmap zeigt. Finanzen
Traditionelle BSC Ergänzt um Netzwerkfaktoren
Prozesse
Potenziale
Umsatzanteil durch Partner Kosten für Partnerpflege Standardisierung der Kooperationsabläufe germeinsame Innovationen Lerneffekte durch Zusammenarbeit Marktabdeckung durch Partner
Network Scorecard Kunden
Mehrdimensionales Steuerungsinstrument für Unternehmen in der Network Economy
Alles aus einer Hand - Nutzen Gemeinsame Kunden
Personal NWA Dashboard aus Netzwerkanalysen
Wissens-NWA Innovations-NWA Vertriebs-NWA Controlling NWA
Abb. 3:╇ Zwei Typen von Network Scorecards
Unterscheiden kann man das Konzept Network Scorecards in zwei grund-sätzliche Typen, zum Einen die Ergänzung der üblichen Balanced Scorecard um Netzwerkfaktoren (Ziele des Netzwerkmanagements mit daran ausgerichteten Kennzahlen, Vorgaben und Maßnahmen) und das NetzwerkmanagementDashboard. Letzteres wird mit Instrumenten des Netzwerkmanagements gefüllt, die im Wesentlichen aus Netzwerkanalysen bestehen, aber natürlich auch um die üblichen unternehmensrelevanten Zielkategorien ergänzt werden.
Scorecards
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Beide Typen sind meines Wissens nach bisher nicht vollständig im Einsatz, es bleibt also noch Entwicklungs- und Überzeugungsarbeit zu leisten. Sie stecken aber einen realistischen Rahmen für die Steuerung des Netzwerkma-nagements ab. Im folgenden beschreibt dieser Beitrag Einsatzmöglichkeiten des Dashboards als Modul im Rahmen des Controllings von Kooperationen.
5 Analyseziele und Indikatoren Seit 2006 hat die PZN Kooperationsberatung mehrere Kooperationscontrollingprojekte per Netzwerkanalyse durchgeführt, mit Unternehmensnetzwerken unterschiedlicher Größe (zwischen 12 und 60 Mitgliedsunternehmen), unterschiedlicher Ausrichtung und Dichte und mit unterschiedlichen Analysezielen. Die wesentlichen Hauptindikatoren für die Beurteilung des Netzwerkmanagements durch eine Soziale Netzwerkanalyse sind dabei mit variierender Gewichtung: Indikatoren
Optimierung statt Maximierung
• • • •
Vernetzungsgrad optimale Netzwerkdichte Informationsfluss im Netzwerk Stabilität und Engpässe im Netzwerk.
Bei allen Aspekten steht nicht die Maximierung, sondern die Optimierung bezogen auf die Netzwerkziele im Mittelpunkt. Netzwerkgröße und -wachstum spielen in den Analysen meist eine unter-geordnete Rolle, auch wenn Wachstum ein wichtiges Ziel sein kann. Viele be-stehende Netzwerke streben aber keine Mitgliederzunahme an, sei es, weil die als optimal empfundene Größe bereits erreicht wurde, sei es, weil in vielen Fällen ein Zielkonflikt zwischen Größe und Qualität herrscht und es zu-vorderst auf die richtige Zusammensetzung ankommt. Je spezialisierter ein Netzwerk ist, umso eher ist die sinnvolle Mitgliederzahl erreicht. Vernetzungsgrad und Netzwerkdichte Wir sprechen hier über Netzwerke, die existieren, um geschäftlichen Nutzen für Ihre Mitglieder zu generieren. Dazu gehören Netzwerke, die den Wis-sensaustausch in den Mittelpunkt stellen, solche, deren Mitglieder über ge-genseitige Empfehlungen Aufträge gewinnen, ebenso wie Netzwerke, die sich der gemeinsamen Akquise und/oder Auftragsbearbeitung verschrieben haben (Alles-aus-einer-Hand, virtuelle Fabriken, …). Diese Vereinigungen können nicht funktionieren ohne ein gewisses Maß an gegenseitigem Wissen der Mitglieder übereinander. Niemand wird ernsthaft seinen Kunden oder Partnern ein Unternehmen empfehlen, das er nur na-mentlich kennt, weil er das Logo auf der Website seiner Kooperation gesehen hat. Das spricht für den positiven Effekt, aber auch für die Notwendigkeit einer Intensivierung der internen Vernetzung.
Wer spricht mit wem? Kooperations-Controlling per Netzwerkanalyse╅╇╛╛185
Dagegen spricht der Aufwand, den die Kontaktpflege bedeutet - je größer die Vernetzung, desto mehr Kontaktpflege. In einem kleinen Netzwerk mit fünf Partnern wird jeder zu jedem Mitglied den Kontakt zu pflegen. Wie sieht es aber in einer Kooperation mit 50 Partnern aus? Will man jedes Mitglied nur einmal monatlich kontaktieren, um z.B. für 25 Minuten über Geschäfte zu sprechen und ein wenig Smalltalk zu halten, ist schon eine halbe Arbeitswoche nur für die Netto-Gesprächszeit verbraucht. So ein Netzwerk muss schon sehr wertvoll sein. Dazu kommen natürlich noch die externen Kontakte, die sowohl für das einzelne Mitglied, als auch für die Gemeinschaft ungemein wichtig sein können. Ein geschlossenes Netzwerk ohne vielfältige Außenkontakte wird kaum schlagkräftig sein. Auch unterschiedliche Netzwerkaufgaben bedingen unterschiedliche Organisationsmodelle und bringen unterschiedliche optimale Vernetzungsgrade mit sich. Es kommt nicht in erster Linie auf die Menge der Links zu Netzwerkpartnern an, sondern auf die Qualität der Links. Es geht also vorrangig dar-um, • durch die Gestaltung der Verbindungen reibungsarm an die wesent-lichen Informationen, Aufträge etc. zu gelangen, • den Aufwand für Netzwerkpflege auf die konkreten Ziele abzu-stimmen und •â•‡ ‚die richtigen‘ Kontakte zu haben. Informationsfluss In der Regel steht die Qualität von Beziehungen über deren Anzahl. Es gibt viele mögliche Ausprägungen von Beziehungsqualität; in einem Vertriebsnetzwerk wird das z.B. der generierte Umsatz sein. In allen Fällen fließen über diese Verbindungen Informationen (auch im Vertriebsnetzwerk), daher konzentriert sich der Beitrag hier auf diese Eigenschaft. Gemessen wird die Fähigkeit eines Netzwerkes, einen guten InformationsÂ�fluss herzustellen. Dazu genügt es zunächst, die durchschnittliche sowie die maximale Entfernung zwischen den beteiligten Knoten zu erkunden. Verbindungen ersten und zweiten Grades sind optimal, über weitere Entfernungen verläuft die Kommunikation nicht mehr zuverlässig. Im weiteren erfolgt eine Anreicherung um weitere Qualitätsfaktoren (wie den Umsatz), um das Bild vom Informations- und Kommunikationsnetzwerk abzurunden und Erklärungsbeziehungen zwischen dem Ergebnis und der vorgefundenen Netzwerkstruktur herstellen zu können. Ergänzend sei noch einmal erwähnt: Auch die Bedeutung des Indikators Informationsfluss hängt entscheidend von den Zielen des Netzwerkes ab. Stabilität und Engpässe Engpässe (sog. Bottlenecks oder Flaschenhälse) entstehen, wenn ein Netzwerkknoten überlastet wird, weil ein Großteil der Beziehungen (nur) über ihn
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R. Klocke
verläuft. Dieser Knoten wird sehr schnell zur Bremse im Netzwerk, wenn er die erforderlichen Transaktionen (welcher Art auch immer) nicht in der notwendigen Zeitspanne abarbeiten kann. Fatal wird ein Flaschenhals immer dann, wenn er teilweise oder vollständig ausfällt, was z.B. durch Krankheit oder Ausscheiden aus dem Netzwerk geschehen kann. Warum entstehen Bottlenecks? • Expertenwissen, das im Netzwerk häufig benötigt wird, aber nur einmal vorhanden ist (und als ‚Königswissen’ evtl. bewusst nicht geteilt wird). • Überengagierte Kümmerer neigen ebenso wie Menschen mit star-kem Kontrollbedürfnis dazu, Prozesse an sich zu ziehen. Netzwerk-manager und andere ‚Netzwerkhäuptlinge’ können so zur Gefahr für den Netzwerkerfolg werden, den sie mit ihrem Einsatz eigentlich sichern wollen. • Bürokratische Prozesse, in denen eine Entscheidung, eine Veröffent-lichung oder eine Lieferung erst von einer zuständigen Stelle geprüft werden muss. • Stellenabbau und Unterbesetzung von Abteilungen. Sichtbar werden solche Engpässe bei der Visualisierung von Netzwerken, spürbar werden sie durch unzureichende Ergebnisse der Netzwerkarbeit und durch Unzufriedenheit unter den Mitgliedern. Messbar sind sie zum einen durch normale Methoden der Netzwerkanalyse, zum anderen durch die Erhebung von Durchlaufgeschwindigkeiten. Netzwerk-Instabilität entsteht aber nicht nur durch Engpässe, sondern auch durch das Gegenteil: Einheiten oder Gruppen, die nur schwach in das Netzwerk eingebunden sind. Solche Gruppen können von außen oder durch eigenen Antrieb relativ leicht aus dem Verbund gelöst werden. Durch den Einsatz einer Sozialen Netzwerkanalyse werden Werte für diese Indikatoren errechnet und die Beziehungen visualisiert. Der Detailliertheit sind keine Grenzen gesetzt, wobei es von den richtigen Fragestellungen ab-hängt, wie nutzbar die Ergebnisse sind. Vorab zu klären ist, ob die Quantität oder die Qualität der Beziehungen wichtiger ist, welche Akteure zum Bezie-hungsnetzwerk gehören und welche Art von Beziehungen (Information, Kommunikation, Akquise, Auftragsbearbeitung, ...) analysiert werden soll.
6 Ausblick – die weitere Entwicklung Eine lesenswerte Analyse der Deutschen Bank Research (vgl. Deutsche Bank Research 2007) prognostiziert Deutschlands Wirtschaft und insbesondere dem Mittelstand gute Wachstumschancen bis zum Jahr 2020. Dafür wurden mehrere Szenarien verfasst und ihre Auswirkungen auf die Entwicklung von Ökonomie und Gesellschaft untersucht. Eine wesentliche Voraussetzung für diese positive Entwicklung sehen die Forscher in der Gestaltung einer Projektwirtschaft, in der Unternehmen zunehmend kooperativ arbeiten. Dieser Trend
Wer spricht mit wem? Kooperations-Controlling per Netzwerkanalyse╅╇╛╛187
zur kooperativen Projektwirtschaft unterstützt die Forderung nach geeigneten, auch für KMU handhabbaren Instrumenten für Unternehmensnetzwerke. Nachdem die Methode der Sozialen Netzwerkanalyse in mehreren Projekten auf Ihre Verwendbarkeit für das (Ziel-) Controlling von Netzwerken überprüft und dabei weiterentwickelt wurde, beginnt derzeit gemeinsam mit Partnern der Ausbau zu einem umfassenderen Instrumentarium im beschriebenen Kontext des Balanced-Scorecard-Ansatzes. Lesern, die an weiteren Informationen über die Anwendung der Sozialen Netzwerkanalyse in Organisationen interessiert sind, seien neben der aufgeführten Literatur (Laszlo-Barabasi liefert den idealen Einstieg in das Thema) vor allem drei Webseiten empfohlen: • Connectedness, http://connectedness.blogspot.com, ein sehr informatives Blog von Bruce Hoppe; • Leadership Networks, http://link-to-results.com; • Organisationen neu sehen, http://netzwerkanalyse.org, Blog des Autors dieses Beitrags mit Anwendungsbeispielen und weiterführenden Informationen. Daher greife ich an dieser Stelle vor und stelle für die Verantwortlichen des beschriebenen Projektes der Netzwerk Initiative Wirtschaft Eschwege fest, dass die beschriebene Untersuchung die formulierten Fragen zur vollen Zufriedenheit beantworten konnte und eine Reihe von neuen Einblicken in das Netzwerk und Anregungen für die zukünftige Ausgestaltung des Netzwerkmanagements gegeben hat.
Literatur Borgatti SP, Everett MG, Freeman LC (2002) Ucinet 6 for Windows: Software for Social Network Analysis, Harvard, Natick, Analytic Technologies Cross R, Parker A (2004) The Hidden Power of Social Networks – Understanding how work really gets done in organizations. Harvard Business School Press, Boston Deutsche Bank Research (2007) Deutschland im Jahr 2020. Frankfurt Hess T (2002) Netzwerkcontrolling: Instrumente und ihre Werkzeugunterstützung. Wiesbaden Kilduff M, Tsai W (2007) Social Networks and Organizations. London Laszlo-Barabasi A (2003) Linked. New York Nooy W De, Mrvar A, Batagelj V (2005) Exploratory Social Network Analysis with Pajek. Cambridge University Press, New York
Teil 4: Kooperation konkret
Kreativität – Konvergenz – Kooperation: die Medienbranche Ingo Dammer, Achim Loose
1 Wissensintensive Dienstleistungen – wissensintensive Unternehmen Dass die Ressource Wissen in modernen „Wissensgesellschaften“ (Stehr 1994) ein relevanter Produktionsfaktor ist und ein wissender Umgang mit Wissen ein zentraler Wettbewerbsvorteil für Unternehmen sein kann, ist gegenwärtig eine weithin akzeptierte Tatsache. Natürlich ist der Stellenwert dieser Ressource in unterschiedlichen Branchen und/oder Unternehmen differenziert zu beurteilen. Nicht grundsätzlich ist Wissen oder vernetztes Wissen die zentrale Grundlage für erfolgreiches unternehmerisches Handeln. Wirft man einen genaueren Blick auf den Bereich der Dienstleistungsproduktion, so lassen sich zahlreiche Tätigkeiten identifizieren, die als „wissensintensiv“ charakterisiert werden können. Hierzu gehören beispielsweise die Leistungen von Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung, Unternehmensberatung, beratenden Ingenieurbüros, Rechtsanwaltskanzleien sowie von Medienunternehmen. In diesen Bereichen spielt neben dem Vorhandensein von individuellem, personalisiertem Fachwissen die Wissensorganisation eine wichtige Rolle. Soll die Organisation von Wissen gelingen, so muss in der Regel mit folgendem Widerspruch umgegangen werden: „Auf der einen Seite sind wissensintensive Unternehmungen mehr als andere auf Expertenwissen und damit – wegen der mangelnden Kodifizierbarkeit dieses Wissens – auf Experten angewiesen. Auf der anderen Seite werden diese Unternehmungen versuchen, sowohl die Generierung als auch die Speicherung von Expertenwissen ein Stück weit von den Personen loszulösen, um nicht selbst von den Experten abhängig zu sein“ (Sydow/van Well 1996, 193). Ein Aspekt, der auf explizites oder implizites Wissen als Machtressource anspielt, die sowohl für die Beziehungen in Organisationen und/oder Netzwerken als auch für die Beziehungen zu weiteren externen Akteuren bedeutsam sein kann.
Ressource Wissen
Wissensintensive Tätigkeiten
Machtressource Wissen
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I. Dammer, A. Loose
2 Medien: alt – neu – wissensintensiv? Die Begriffe der „alten“ und „neuen“ Medien sind den Lesern vielleicht noch in Erinnerung, auch wenn der (Wachstums-)Mythos der „New Economy“ längst verblasst ist. „Medium“ bedeutet ursprünglich „das Vermittelnde“, was unverzüglich zu der Frage führt, zwischen wem oder was welche Inhalte wie vermittelt werden. Dies wird deutlicher, wenn man statt von Medien von Informations- und Kommunikationsprodukten spricht. Dann können drei Kernbereiche unterschieden werden: • Informations- und Kommunikationstechnik sowie -dienstleistungen: Datenverarbeitung • Telekommunikationsdienstleistungen: Datenübertragung (u.€ a. Kabel, Funk, Satellit) • Produktion von Inhalten („content“) Typen von Medienunternehmen
Inhalte erzeugen
Inhalte bündeln
Inhalte verteilen
Autoren Redakteure
ZeitungsZeitschriftenBuchverlage
Druckereien Logistiker Handel
Rundfunk
Künstler Reporter
Radiosender Fernsehsender
Netzbetreiber (Kabel, Satellit)
CD/DVD
Autoren Künstler
CD-/DVDProduzent
Hersteller Logistiker Handel
Online
Content Provider
Broker
Service Provider
Print
(Zeitungen, Zeitschriften, Bücher)
(Radio, Fernsehen)
Abb. 1:╇ Typen von Medienunternehmen
Konvergenz auf der digitalen Plattform
Obwohl noch nicht einmal vollständig (z.€ B. fehlen die TV-Produktion und der ganze Mediendesignbereich), gibt die vorstehende Abbildungâ•› doch einen guten Eindruck von der Vielfalt, die mit dem Übergang von der analogen bzw. prä-digitalen zur digitalen Technik in der Medienwirtschaft entstanden ist. Die Konvergenz auf der digitalen Plattform ermöglicht dabei die Nutzung neuer (!) Medien, die die alten Kanäle ergänzen oder ersetzen, sowie einen erheblich höheren Vernetzungsgrad der Produktion, Distribution und Nutzung von Medien als unter den Bedingungen analoger Technik (Abb. 1).
Kreativität – Konvergenz – Kooperation: die Medienbranche╅╇╛╛193
Und diese Umstellung bleibt nicht auf die nutzbar gemachte Kompatibilität ursprünglich inkompatibler Medien beschränkt. Sie hat darüber hinaus einen ähnlichen Konvergenztrend im Makrobereich ausgelöst: Technologie-, Informations-, Medien- und Entertainmentbranche rücken auf der nunmehr gemeinsamen digitalen Plattform immer enger zusammen und werden unter dem griffigen Akronym „TIME“ als eine Art Mega-Branche der Zukunft gehandelt. Die solchen Prognosen gegenüber erfahrungsgemäß angebrachte Skepsis einmal hintangestellt, zog die technologische Veränderung ohne Zweifel massive Konsequenzen für Medien- und IT-Branche nach sich und wird dies auch weiterhin tun. Dazu später mehr (Kap.â•›5).
3 Vernetzung und Kooperation in der Medienwirtschaft Die eigentliche Medienproduktion ist vor allem gekennzeichnet durch das Zusammenwirken zahlreicher Spezialisten wie beispielsweise
Spezialisten der Medienproduktion
– Projektleitung (Koordination und Überwachung des Medienprojekts) – Autor und Texter (Entwurf und Verfassen des Exposés bzw. Drehbuchs) – Screen-Designer und Grafiker (Konzeption, Entwurf, Design der Benutzeroberfläche; Gestaltung der Grafiken; Erstellung der Animationen; Textgestaltung) – Sprecher (Sprechertext) – Übersetzer (Übersetzung der Sprechertexte und aller Texte) – Videoteam (Produktion der Video- bzw. Filmaufnahmen; Mischung und Digitalisierung der Filmsequenzen) – Programmierer – Screen Designer. Diese branchenspezifische Kompetenz-Vielfalt spiegelt sich auch in den einschlägigen Stellenangeboten (vgl. Schellmann et al. 2001, 64). In der Regel sind diese diversen Kompetenzen nicht in einem einzigen Unternehmen verfügbar, sodass zahlreiche spezialisierte, oftmals kleine und mittlere sowie Kleinst-Unternehmen im Rahmen einer Medienproduktion zusammen wirken müssen, in einem Projektnetzwerk aktiv werden (vgl. zur Notwendigkeit der Netzwerkformierung zwischen KMU in der IT- und Multimediabranche auch Howaldt/Kopp in diesem Band). Dies gilt im besonderen immer dann, wenn die Medienproduktion als „cross media production“ organisiert wird, das heißt alle verfügbaren Medien (Print-, Audiovisuelle-, Offline- und Online-Medien) parallel genutzt werden: Film zum Buch, (Video-) Spiel zum Film, Zeitschrift zum Film, Musik zum Film, DVD zum Film und Apps zu allem und jedem. Ein Blick auf die Wertschöpfungskette der Medien zeigt nochmals die Vielzahl der ggf. beteiligten Partner (Abb.€2).
Projektbezogene Netzwerke
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I. Dammer, A. Loose
Idee
Medienkonzeption und -kreation
Wirtschaft
Akquisition Finanzierung Wirtschaftlichkeit Produktivität
Recht
Medienrecht
Inhalte
Gestaltung
Kreative Schöpfung Autoren
Künstlerische Realisierung
Produktion
Technische Realisierung
Distribution
Techn. Distribution, Vermarktung, Logistik
Rezeption
Nutzung, Pädagogik, Medienkultur
Abb. 2:╇ Wertschöpfungskette Medien
Hinderliche Selbstverständlichkeit
Beispielsweise arbeiten im Bereich der Content-Produktion – etwa bei Fernsehproduktionen – „Produzenten bzw. Produktionsfirmen, die teilweise Medienkonzernen angehören, mit freien Mitarbeitern, Technikdienstleistern und künstlerischen Dienstleistern in sog. ‚Projektnetzwerken‘ (Sydow/Windeler 1999) zusammen und produzieren Programminhalte“ (Sydow/Wirth 2000, 1). Allerdings werden diese Netzwerke, in denen es zu durchaus stabilen Kooperationsbeziehungen kommen kann, von der Branche nicht als solche behandelt. Im Vordergrund steht die Projektlogik, nicht die Netzwerklogik, und wenn diesen „Projektnetzwerken“ (was keineswegs die Regel ist) bewusste Managementaktivitäten gewidmet werden, dann solche des Projektmanagements, nicht des Netzwerkmanagements. Hier schlägt sicher die Tatsache zu Buche, dass die Branche ‚immer schon‘ in netzwerkartigen Strukturen gearbeitet hat. Diese geschichtlich gewachsene Selbstverständlichkeit hindert die Medienwirtschaft offenbar daran, das Besondere an Netzwerken wahrzunehmen und die Nutzung ihrer Potenziale zu optimieren.
4 Das Spannungsverhältnis zwischen Kreativität und Wirtschaftlichkeit in der Medienwirtschaft Wirtschaftlichkeit als relevantes Kriterium
Die unerfreuliche wirtschaftliche Entwicklung der Jahre 2000–2005 hatte auch den einstmaligen Hoffnungsträger und Wachstumsgaranten, die Medienbranche, voll erfasst. Insbesondere die KMU der Branche wurden im Zuge dieser Entwicklung in immer stärkerem Maße mit der Anforderung konfrontiert, ihre Produkte und Leistungen unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit zu analysieren und neu zu formatieren. Natürlich war Wirtschaftlichkeit keine tatsächlich neue Anforderung für die Unternehmen. Aber das traditionelle, für selbstverständlich gehaltene Übergewicht der Kreativität im Verhältnis zur Wirtschaftlichkeit wurde zunehmend in Frage gestellt. Anders gesagt: die Produkte mussten schärfer kalkuliert werden und bei den branchenüblichen Versuchen der Kunden, unbezahlte Zusatzleistungen (am liebsten während der Auftragsbearbeitung) durchzudrücken, galt es nun, statt dem Ansinnen einfach nachzugeben, mindestens die Frage nach einem Nachtrag zu stellen.
Kreativität – Konvergenz – Kooperation: die Medienbranche╅╇╛╛195
Auch für die internen Prozesse der Leistungserbringung gewannen die Kriterien der Wirtschaftlichkeit an Bedeutung. Ohne Rücksicht auf das Budget zu arbeiten, bis das Produkt den eigenen kreativen Ansprüchen genügte (der klassische Normalfall), drohte angesichts sinkender Preise, die am Markt noch zu erzielen waren, zur Kostenfalle mit ungewissen, aber sicher unangenehmen Folgen zu werden. Die prägnanter ins Bewusstsein rückende Notwendigkeit, sich in Marktverhalten und Arbeit stärker wirtschaftlich orientieren zu müssen, traf nun die Branche tief in ihrem Selbstverständnis. Wie in keiner anderen Branche repräsentiert der schnöde Mammon hier die erdenschwere Dumpfheit, die die schaffenden Künstler daran hindert, ihrer kreativen Inspiration angemessenen Ausdruck zu verleihen. Ohne Zweifel würde kaum ein Mitglied der Branche dieser Formulierung seinen Segen erteilen, aber sie beschreibt die wirksame Irritation ziemlich genau, und zwar im AV- wie im IT-Bereich. In Letzterem betraf sie vor allem die ungebremste Spiellust zahlreicher Jungprogrammierer, die sich statt an Kundenbedürfnissen an den immensen Möglichkeiten zeitgenössischer Computertechnik orientierten. Der Konflikt zwischen einem im Grunde künstlerischen Selbstverständnis und den demgegenüber als banausische Einengung auftretenden wirtschaftlichen Notwendigkeiten ist so alt wie die Branche. Auch heute noch erzählt man sich dort gerne, wie es Fritz Lang seinerzeit schaffte, mit einer einzigen Produktion drei Produktionsfirmen in den Ruin zu treiben. Die Erinnerung an diesen Triumph des Künstlers über den Krämer mag Balsam für die Seele der verunsicherten Branche sein, unterm Strich setzt sich jedoch immer stärker die nüchterne und meist schmerzhafte Einsicht durch, dass man, im Unterschied zu Fritz Lang, mit unwirtschaftlichem Arbeiten vor allem sich selber trifft.
Aktualisierter Grundkonflikt
5 Unternehmen – Projekt – Netzwerk Die in Kap.â•›3 bereits erwähnte doppelte Konvergenz (Technologie und Branchen) verkürzt nun auch in der Medienbranche die Innovationszyklen und macht Veränderung zu einem ständigen Begleiter der täglichen Arbeit. Dies im Besonderen, da sich aufgrund dieser veränderten Rahmenbedingungen auch die Formen der Projektorganisation vervielfältigen, wobei Netzwerke eine zentrale, aber nicht notwendigerweise die dominierende Rolle spielen (vgl. Windeler/Sydow 2004, 3€f.). Die für Netzwerke konstitutiven Koordinationsmechanismen, die auch eine zielführende Projektsteuerung erst möglich machen, sind u.€a. Vertrauen, Verlässlichkeit, Ver- und Aushandlung, Selbstverpflichtung, Loyalität, Reziprozität bzw. Gegenseitigkeit sowie, fast schon selbstverständlich, ein gemeinsamer Erwartungshintergrund – im Besonderen hinsichtlich der unternehmensindividuellen Gewinn- und Nutzenkriterien (vgl. ebd. 10, 12). Eine „koordinierende Führung“ von (Medien-)Netzwerken muss also Bezug nehmen auf diese Mechanismen, wobei es vorkommen kann, dass „die Distribution und Vermark-
Von der Projekt- zur Netzwerkorientierung
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Management der Content-Produktion
Zeitrahmen – Kostenstrukturen – Ressourcenverfügbarkeit
I. Dammer, A. Loose
tung von Content durchaus unter straffer Kontrolle erfolgen kann, während im kreativen Bereich eher ‚lose Kopplungen‘ (Weick 1976) anzutreffen sind“ (ebd. 7). Auch zukünftig werden die unterschiedlichen Eigenschaften der Wertschöpfungskette im Medienbereich – etwa bei Fernseh- oder Internetproduktionen – das Management der Content-Produktion an zentraler Stelle beeinflussen (ebd. 8). Dem Management im Allgemeinen sowie dem Medienmanagement im Besonderen kommt somit die Aufgabe „der bewussten strategischen Ausgestaltung allgemeiner Handlungsbedingungen auf der Grundlage ausgefeilter Beobachtungen der internen Prozesse und externen Kontexte der Organisation (wie von Wertschöpfungsketten) zu“ (ebd. 9). Konkret bedeutet dies für ein medienspezifisches Management von Projektnetzwerken die Beschäftigung mit Planungs-, Steuerung- und Kontrollaufgaben – und dies mit Blick auf den vorgegebenen Zeitrahmen, die entstehenden Kosten sowie der verfügbaren bzw. aktivierbaren Ressourcen. Hierbei spielen zum einen persönliche Koordinationselemente (z.€B. Anweisung und/oder Selbstabstimmung), zum anderen unpersönliche Koordinationsinstrumente wie Pläne und Programme eine zentrale Rolle (vgl. Sydow/ Windeler 2004, 49€ f.). Festzustellen ist hierbei eine Entwicklung, die den Schwerpunkt „von der Definition möglichst klarer Projektrollen auf eine ‚fuzzy role strategy‘ (Goodman 1981) verlagert, die Rolle des Projektmanagers als ‚Animateur‘, ‚Integrator‘, ‚Disseminator‘, ‚Mentor‘, ‚Broker‘ und ‚Developer‘ herausstellt und auf die Entwicklung einer entsprechenden Projektkultur Wert“ legt (ebd. 50). Und zusätzlich erfordert das Management des Projektnetzwerkes eine reflexive Berücksichtigung der qualitativen und quantitativen Beziehungen zwischen den Akteuren und der dort wirksamen sozialen Mechanismen. Am Beispiel einer Fernsehproduktion identifizieren Sydow/Windeler (ebd. 51) folgende Anforderungen an ein praktisches Netzwerkmanagement: – die systematische, wiederkehrende Einbindung ‚guter‘ Geschäftspartner in neue Projekte; – die Entwicklung eines Projektportfolios, d.€h. eines Projektmix, das einer Stabilisierung von Geschäftsbeziehungen dienlich ist; – die bewusste Zusammenarbeit mit freien Mitarbeitern und Unternehmern, um sich das Spektrum der Möglichkeiten unterschiedlicher Vertragsbeziehungen im Netzwerk offen zu halten; – die Reflexion auf die im Netzwerk vorhandenen Ressourcen, z.€B. auf das dort ‚versammelte‘ Wissen; – die systematische Ergänzung des Netzwerks mit entsprechenden Ressourcen durch Kooperation mit neuen Partnern, wobei diese Kooperation nicht nur durch das aktuelle Projekt motiviert ist; – die redundante Vorhaltung kritischer Ressourcen im Netzwerk, z.€B. durch alternierende Zusammenarbeit mit verschiedenen Autoren, Kameraleuten etc.; – die Festlegung grundlegender Regeln der Netzwerkkooperation; – die Entwicklung von ‚Abnahmeprozeduren‘ über die aktuellen Drehs hinweg zwischen den an der Produktion beteiligten Unternehmungen inkl. des die Drehs ‚abnehmenden‘ Senders.
Kreativität – Konvergenz – Kooperation: die Medienbranche╅╇╛╛197
Dass diese Anforderungen nicht leicht unter einen Hut zu bringen sind, erhellt sofort. Im Grunde setzen sie eine prosperierende wirtschaftliche Lage der Branche voraus, wovon aber seit einiger Zeit für KMU der AV-Branche kaum die Rede sein kann. Außerdem beziehen sie sich auf den ohnehin weniger problematischen Fall (quasi) vertikaler Netzwerke mit direktem wirtschaftlichem Bezug. Wie sieht es aber mit horizontalen Netzwerken zwischen KMU in der Medien- und IT-Branche aus? Finden sich hier vergleichbare Anforderungen an ein gelingendes Netzwerkmanagement sowie eine dem Zugriff des Managements verfügbare integrationsfördende Netzwerkkultur? Und welche Probleme stellen sich in der Praxis überhaupt?
6 Hemmnisse auf dem Weg zur Kooperationskultur In diesem Kapitel werden die insgesamt dreijährigen Erfahrungen mit zwei Verbünden von KMU der Medien- und IT-Branche (insgesamt 14 im Wachstum befindliche Unternehmen) aus der Sicht des Netzwerkmanagements auf die Schwierigkeiten hin typisierend untersucht, die sich (immer wieder) in Hinblick auf effektive, effiziente und nachhaltige Kooperation konkret ergaben.1 Hauptthemen der Verbünde waren Personal- und Organisationsentwicklung. An Ideen für mögliche weiterführende Kooperation mangelte es den beteiligten Geschäftsführern nicht, wohl aber, zusammengefasst, an der Konsequenz in der Umsetzung. Das war eine auffällige Parallele zur Arbeit in und mit den Einzelunternehmen, wo es ebenfalls immer wieder an der konsequenten Umsetzung einmal beschlossener Maßnahmen haperte. Der Geist war allenthalben willig, aber das Fleisch bedauerlich schwach. Woher kam die Inkonsequenz? Hinter der üblichen Deckgeschichte, dass man als Geschäftsführer vor lauter Tagesgeschäft nicht zum Wesentlichen käme, zeigte sich meist eine grundlegende Unsicherheit in Bezug auf die eigenen Fähigkeiten als Unternehmer. Im fachlich-kreativen Bereich, aus dem die Geschäftsführer ursprünglich alle kamen, waren sie selbstbewusst, und auf ihn zogen sie sich offenbar gerne zurück. Damit mischten sie sich dann häufig in Prozesse ein, die (mittlerweile) gemäß Absprache in der Verantwortung von Mitarbeitern lagen – ein grober Führungsfehler. Auf der anderen Seite stellten die Geschäftsführer auch oft die Bedingungen – nicht absichtlich, aber erfolgreich– her, die ihnen die Vorwände zum operativen Eingreifen lieferten. Problematischen, konflikthaltigen Situationen im Unternehmen gingen sie eher aus dem Weg, und zwar solange, bis ein Eingreifen absolut notwendig geworden war, das dann branchentypisch in Form des legendären ‚Machtworts‘ erfolgte, mit zum Teil desaströsen Konsequenzen für die Motivationslage der Mitarbeiter. Das heißt auch, dass hier nicht über die vielfältigen Erfolge der Arbeit mit den Medien-KMU gesprochen wird. 1╇
Das Problem: inkonsequente Umsetzung von Maßnahmen
Der Hintergrund: Rollenunsicherheit der Geschäftsführer
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Das Ergebnis: ein Teufelskreis
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Gemessen an den beiden Führungsstilen, die in der aktuellen Diskussion als praktikabel angesehen werden, nämlich dem partizipatorischen und dem konstruktiv-autoritären, lautet der Befund zusammengefasst: die Geschäftsführer schwankten zwischen beidem hin und her, was dazu führte, dass der partizipatorische Stil oft als konturloses Laissez-faire wirksam wurde und dem Autoritären das Konstruktive abging. Der Gesamtmechanismus war der eines Teufelskreises: Führungsfehler verstärken die Unsicherheit im Führungsverhalten, die Unischerheit produziert weitere Fehler und erschwert die Fehlerbehebung. Und dieser generelle Zwiespalt, der fast alle Geschäftsführer betraf, setzte sich mit seinem Kardinalsymptom, der Inkonsequenz, in der Netzwerkarbeit gleichsinnig fort. Was kann das Netzwerkmanagement in einem solchen Fall tun?
7 Lösungswege
Ideale können destruktiv sein
Auf der Suche nach Lösungen sieht man sich schnell mit den Grenzen der üblichen Strategien konfrontiert. Zwei nahe liegende Optionen wurden umgesetzt: Führungskräfte-Coaching und Begleitung zentraler personalbezogener Prozesse vor Ort wie etwa Mitarbeitergespräche. Beides brachte in Einzelfällen Erfolg, mehrheitlich aber – und für den Verbund im ganzen– nicht. Weiteres Nachdenken über Lösungen führte zu der Frage, ob es funktionieren könnte, wenn man stärker auf die branchentypischen Eigenheiten eingeht. D.€h. wenn man den Hang der KMU-Geschäftsführer zur fachlich-kreativen Mitarbeit stärker zulässt, statt sie ständig ‚zwingt‘, Dinge zu tun, zu denen sie sich (im Wortsinn) nicht berufen fühlen. Damit steht das Idealbild eines ‚Unternehmers‘ zur Diskussion: Unternehmer ist derjenige, der in Letztverantwortung für das Ganze steht und dieser Verantwortung jederzeit in allen Facetten der Unternehmens- und Mitarbeiterführung kompetent gerecht wird. Der (Selbst-)Anspruch, der in diesem Ideal zum Ausdruck kommt, ist die wesentliche Wurzel der geschilderten Probleme, mit denen sich Geschäftsführer (und in der Folge dann auch die Mitarbeiter) herumschlagen. Anders gesagt: die Geschäftsführer verlangen durchaus selber von sich, all das zu bewältigen, was sie erlebtermaßen immer wieder nicht wirklich gut bewältigen, und überfordern sich selbst damit. Diese Überforderung wird zur Sackgasse mit eventuell fatalen Konsequenzen für das Unternehmen, wenn es nicht gelingt, den Anspruch auf ein realistisches Niveau zu ermäßigen. Soll heißen: eine praktikable Rolle im Unternehmen einzunehmen, die Verantwortlichkeit und Arbeitslust versöhnt, und die Erledigung der übrig bleibenden Aufgaben eines ‚Unternehmers‘ anderen zu übertragen. Es ist zudem gerade in einer wesentlich von ihrer Kreativität lebenden Branche nicht unbedingt opportun, Geschäftsführer, die meist tatsächlich besonders im kreativen Bereich brillieren, zu sehr in die Rolle eines General Managers zu drängen. Dabei verlieren die Unternehmen an wirtschaftlich relevanter Subs-
Kreativität – Konvergenz – Kooperation: die Medienbranche╅╇╛╛199
tanz, nämlich das kreative Kapital ihrer führenden Köpfe. Was also kann man konkret tun? Die Lösung, die hier vorgeschlagen wird, ist selber keine primär netzwerkbezogene, soviel vorab. Da aber in diesem Fall die (fast) kollektive Problematik der Einzelunternehmen entscheidend hinderlich für den Erfolg des Verbundes im ganzen ist, scheint der Umweg über die einzelnen Unternehmen zwingend zu sein. Entlastung für die Geschäftsführung kann relativ einfach durch externe Manager geschaffen werden. Dabei stehen zwei Möglichkeiten zur Wahl, die je nach konkreter Lage im Unternehmen geeignet sein können. Eine Option ist der „Manager auf Zeit“, d.€h. die Einstellung eines Managers für eine im Voraus festgelegte Frist mit im Voraus festgelegten Aufgaben. Diese Option ist geeignet für Unternehmen, in denen zwar die Personalkapazität für bestimmte Aufgaben vorhanden ist (Qualitätsmanagement, Projektmanagement usw.), die betrieblichen Strukturen aber erst geschaffen und Mitarbeiter für die entsprechenden Aufgaben noch qualifiziert werden müssen. Der Manager auf Zeit erledigt beides und hinterlässt, wenn er geht, funktionierende neue Strukturen; das Unternehmen hat einen überschaubaren Kostenaufwand und einen klar kalkulierbaren Nutzen. Dieses Modell ist in anderen europäischen Ländern sehr erfolgreich, Deutschland hinkt, wie in so vielen Dingen der praktischen Wirtschaftsorganisation, hinterher. Der Hauptwiderstand hier: Geschäftsführer sehen in der Einstellung eines Managers auf Zeit häufig das implizite Eingeständnis der eigenen Inkompetenz, was ihr Selbstbild so stark kränkt (s.€o.: Idealbild), dass sie vor einer solchen Maßnahme zurückschrecken, obwohl sie ihrem Unternehmen entscheidend weiterhelfen könnte. Die andere Option ist das Management-Sharing: Mehrere Unternehmen teilen sich einen Manager, z.€B. für Rechnungswesen und Controlling. Das ist für KMU in der Regel finanzierbar, auch wenn es natürlich Fixkosten produziert. Hier kann dann auch wieder ein Kooperationsaspekt ins Spiel kommen, wenn nämlich der Manager in seinem Aufgabengebiet koordinierende Funktionen übernimmt wie z.€B. den gemeinsamen Einkauf von Software für alle Unternehmen, in denen er arbeitet. Hier ist, noch stärker als beim Manager auf Zeit, das gegenseitige Vertrauen der Unternehmen der entscheidende Faktor. Denn der Manager erlangt natürlich intime Kenntnisse aus jedem Unternehmen, die sich alle darauf verlassen können müssen, dass keinem von ihnen daraus ein Nachteil erwächst. Aus Sicht des Netzwerkmanagements ist die Rechnung hinter beiden Optionen dieselbe: Wenn Unternehmen und Unternehmer von dem grundsätzlichen Unbehagen befreit sind, das Selbstanspruch und Selbstzweifel der Geschäftsführer mit sich bringen, können notwendige Maßnahmen konsequent umgesetzt werden – in den Unternehmen wie im Netzwerk. Damit wird viel nutzlos oder sogar hinderlich gebundene Energie freigesetzt, und die guten Ideen, an denen es ja nicht mangelt, haben eine viel bessere Chance auf Verwirklichung. Das wäre gerade für KMU der Branche hilfreich. Es ist ja das unbefriedigte Bedürfnis nach kreativer Tätigkeit und das erlebte Übergewicht rein kommerziell orientierter Dienstleistung, das die geschilderten Schwierigkeiten (oft un-
Pragmatischer Umweg über die Einzelbetriebe
Management auf Zeit...
...oder ManagementSharing
Das Ziel: Kreativität freisetzen – Wirtschaftlichkeit erhöhen
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bewußt) verursacht. Paradoxerweise verstärken aber diese Schwierigkeiten die wirtschaftlichen Probleme und führen so immer tiefer in die Abhängigkeit von Auftraggebern, deren Blick ausschließlich auf relativ einfach reproduzierbare Dienstleistungen gerichtet ist. Dass Medien-KMU diesem Teufelskreis entrinnen, liegt in ihrem ureigenen Interesse. Es ist, das sollte man vielleicht an dieser Stelle nicht vergessen, aber auch für alle diejenigen von uns wünschenswert, die mit medialen Angeboten von der Stange nicht immer in Frieden leben. Kreativität macht schließlich nicht nur denen Spaß, die sie in die Welt setzen.
8 Verschwindet die Medienbranche? Diese Frage mag auf Anhieb Unverständnis ob ihrer offensichtlichen Absurdität hervorrufen: wenn es Branchen gibt, die keine existentiellen Zukunftssorgen hegen müssen, dann sind die Medien doch wohl ganz bestimmt darunter. Stimmt. Gleichwohl soll hier abschließend ein kleines Schlaglicht auf eine Entwicklung geworfen werden, die sich aufmerksamkeitsstark in aller Öffentlichkeit abspielt, dabei aber, so denken wir, in ihren weiterführenden Perspektiven für die betreffenden Branchen kaum je diskutiert wird. Die Rede ist von der auch in diesem Artikel schon ausgiebig strapazierten „Konvergenz auf der digitalen Plattform“. Die Produkte und Dienstleistungen, die diesen Begriff begründen, können als bekannt vorausgesetzt werden. Einige von ihnen durchdringen den Alltag in Wirtschaft und Gesellschaft immer stärker und werden in wenigen Jahren für die Mehrheit der (z.€B.) Deutschen das sein, was sie in manchen Teilgruppen bereits sind: selbstverständliche Accessoires des Lebens. Mit „Konvergenz“ wird ausgesagt, dass die Einheitlichkeit, die einen solch vereinheitlichenden Begriff rechtfertigt, technologischer Art ist und in der Digitalität besteht. Diese im Begriff ausgesagte Fokussierung auf Technologie rief und ruft aber eben auch Unbehagen hervor. Es stammt zum einen aus klassischen Diskussionssträngen wie der Herr-Knecht-Dialektik und der Zauberlehrlingsproblematik; hierfür stehen die zahlreichen Kontroversen um den ‚gläsernen Menschen‘, Google Streetview, Sicherheit im Internet usw. Zum anderen ist Konvergenz auch auf wirtschaftlichem Gebiet nicht unproblematisch, insofern sich gezeigt hat, dass das, was technisch möglich ist, noch lange nicht am Markt reüssieren muss. Die riesigen Fehlinvestitionen in die UMTS-Lizenzen stehen dafür, ebenso das interaktive Fernsehen, das mangels Nachfrage in den Kinderschuhen stecken bleibt bzw. nur in schmalen Sektoren geschäftsfähig ist, und auch die Wirtschaft selbst verhält sich z.€B. gegenüber businessbezogenen Angeboten auf Basis des Cloud Computing sehr reserviert. Diese bunte Melange aus durchaus grundsätzlichem Unbehagen und offenbar falsch eingeschätzten oder unberücksichtigten Nutzungsmotiven wirkt gegenüber den Möglichkeiten, die die digital basierte Technologie bereits bietet und zukünftig bieten könnte, als Verwirklichungsbremse, sorgt aber auch dafür,
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dass Differenzierungen innerhalb des technologisch einheitlich Produzierten wichtig bleiben und nicht einfach im Sog der digitalen Megaplattform nivelliert werden. Mittlerweile ist allerdings ein zweiter Begriff in den öffentlichen Diskussionen aufgetaucht, der eine ähnlich starke Vereinheitlichungstendenz aufweist wie die „Konvergenz“ und dabei den Vorteil hat, sich gänzlich untechnologisch, oft genug sogar antitechnologisch zu gebärden. Gemeint ist die letzthin auch im wirtschaftlichen und politischen Diskurs ungemein hofierte „Kreativität“. Mit ihr, bzw. mit den sie auslebenden Menschen, den seit Floridas Bestseller urplötzlich allenthalben beschworenen „Kreativen“, soll die Wirtschaft am Standort Europa ihren nicht einfachen Auftrag leichter erfüllen können, schnelles „Wachstum durch Innovation“ zu schaffen und damit im globalen Wettbewerb ‚Vorsprung durch Technik‘ zu halten oder auszubauen. Und gut für die urbane Lebensqualität sind die Kreativen obendrein. Einmal die Frage beiseite gelassen, wie realistisch die wirtschaftsbezogene Perspektive ist, die mit der „Kreativität“ verbunden wird, und auch davon absehend, dass gerade die „Kreativen“ nur mäßig begeistert von den Ansinnen sind, die in eins mit der öffentlichen Aufmerksamkeit an sie gestellt werden, lässt sich an der ausgiebigen und nicht von Zweifeln gestörten Diskussion über „Konvergenz“ und „Kreativität“ doch ein offenbar tief verwurzeltes Bedürfnis erkennen, das seinerseits kaum je thematisiert wird. Denn es passt nicht so recht in eine Zeit, die sich selbst gerne als äußerst dynamisch, vielfältig, innovativ und zukunftsorientiert versteht, dieses Bedürfnis nach Übersicht und Ordnung. Trotzdem ist es gerade in der Vorliebe für und dem scheinbaren Gesamtkonsens über die Begriffe „Konvergenz“ und „Kreativität“ das beherrschende Motiv und beginnt, kulturelle Denkformen zu prägen. In all dem farbenfrohen Durcheinander unserer Welt, das undurchschaubare Krisen und sinnlose Kriegseinsätze ebenso umfasst wie Nachbarschaftshilfe und Flatrates, fühlt man beim Nachdenken darüber, ‚wie es weitergeht‘ beruhigende Orientierung, wenn man die beiden Worte hört. Und umgekehrt schätzt man Vorhaben schnell als uninteressant und chancenlos ein, wenn sie weder digital technisierbar noch „kreativ“ sind. Die Zusammenarbeit beider Vokabeln ist kongenial: „Kreativität“ löst das oben geschilderte Problem der „Konvergenz“, indem es deren pur technischen Charakter vermenscht, vom Odium des bloß Kalt-Funktionalen befreit. Einer Zukunftsperspektive, die neben der digital-technischen Entwicklung auch Kreativität als Leitwert ausweist, kann man sich doch einigermaßen beruhigt anvertrauen. Die Medienbranche steht nun traditionell an einem herausgehobenen Schnittpunkt von Technologie (Produktion, Distribution) und Kreativität (Inhalt). In den Jahren, als sie aus der Beschaulichkeit der Trias Druck-Radio-Film heraustrat, erst wucherte („video kills the radio star“) und sich dann unter dem Eindruck der Digitaltechnik immer stärker veränderte, fühlte sie sich jung, stark und immer hart am wind of change segelnd. Der Preis, den sie dafür zahlte, an etwas wie der digitalen Technologie teilzuhaben, das sich ohne große Scheu als zeitgenössische Universalie aufspielt, war nicht unbeträchtlich, wurde aber im wesentlichen ins Reich des Wirt-
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I. Dammer, A. Loose
schaftlichen verbannt. Wenn im Grunde jedes mediale Erzeugnis auch kostenlos über’s Internet konsumiert werden kann, ist das natürlich ökonomisch sehr ärgerlich… …aber es kratzt nicht am Selbstverständnis. Das besorgen vielmehr Manager, die ihre alltägliche und sehr umfangreiche Mediennutzung nicht als solche verstehen, sondern von Tools, Features usw. sprechen, weil ihnen „Medien“ nicht professionell genug klingt; das besorgen (spät-)jugendliche Gamer, die ebenfalls keine Medien nutzen, sondern WLAN-Parties feiern, weil „Medien“ nun einmal das ist, wovon sich die legendären couch potatoes berieseln und verblöden lassen. So ganz allmählich entziehen die Nutzer dem Begriff „Medien“ ihre Gefolgschaft und entwickeln stattdessen eigene Etiketten für ihre Nutzungsmotive, mit denen sie sich im digitalen Globalbrei profilieren, abgrenzen und gleichzeitig ‚dabei sein‘ können. Es ist also vorstellbar, dass die Medienbranche in genau der Produktionsweise, nämlich der digitalen, verschwindet, die sie für ihre größte Verheissung seit Gutenberg gehalten hat und mit der sie endgültig das „Medienzeitalter“ hat anbrechen sehen. Kein Medienkongress in den letzten zehn Jahren, auf dem sich die Branche nicht nickend bestätigt hat, dass sie sich verändere und irgendwie auf dem Weg in die Zukunft sei. Vielleicht inszeniert sie dieses Ritual ja deshalb so häufig, weil sie dunkel ahnt, dass sie dabei ist, der Medienschwanz zu werden, der in der Erinnerung an alte Popularität versucht, mit dem Digitalhund zu wedeln. Während ihr tatsächlich auf Dauer nur die bei aller Buntheit eher eintönige Nische des „Entertainment“ bleibt. Oder die „Hintergrundinformation“, deren Wert „Der Spiegel“ zu betonen nicht müde wurde, nachdem er im vorigen Dezember die Wikileaks-Dokumente veröffentlichte. Oder…oder…oder… Natürlich wird es auch weiterhin genügend Motive für Mediennutzung und damit Betätigungs- und Geschäftsanlässe für die Medienbranche geben, nur scheinen die eher nach dem Prinzip des bei seinen Leisten bleibenden Schusters zu funktionieren. Innovation ist woanders. Oder wie man auch sagen könnte: die Medienbranche wird reif und gesetzt und macht im wesentlichen das, was sie gut kann. Die Ambition des kulturellen Trendsetting zu verfolgen, könnte sie auf Dauer jedenfalls überfordern. Die Medienbranche reif und gesetzt? Das wäre in der Tat eine Veränderung, aber wer in der Branche würde sie zugeben?
9 Literatur Schellmann B et al (2001) Medien verstehen – gestalten – produzieren. Europa-Lehrmittel, Haan-Gruiten Schumann M, Hess T (2000) Grundfragen der Medienwirtschaft. Springer, Berlin Stehr N (1994) Arbeit, Eigentum und Wissen. Suhrkamp, Frankfurt a.€M. Sydow J, van Well B (1996) Wissensintensiv durch Netzwerkorganisation – strukturationstheoretische Analyse eines wissensintensiven Netzwerkes.
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In: Schreyögg G, Conrad P (Hrsg) Managementforschung 6. Wissensmanagement. Suhrkamp, Frankfurt a.€M., 191–234 Sydow J, Windeler A (1999) Projektnetzwerke: Management von (mehr als) temporären Systemen. In: Engelhard J, Sinz E (Hrsg) Kooperation im Wettbewerb. Gabler, Wiesbaden, 211–235 Sydow J, Wirth C (2000) Produktionsformen von Mediendienstleistungen im Wandel – Von einer Variante der Netzwerkorganisation zur anderen. In: Kaluza B, Blecker T (Hrsg) Produktions- und Logistikmanagement in Unternehmensnetzwerken und Virtuellen Unternehmen. Springer, Berlin, 147–174
Wissensbasierte Dienstleistungen Jürgen Howaldt, Ralf Kopp
1 Einleitung Die Entwicklung wissensintensiver Dienstleistungen und Produkte stellt das Netzwerkmanagement in doppelter Hinsicht vor Herausforderungen. Zum einen reicht der Rückgriff auf die Wissensressourcen einer Organisation alleine nicht mehr zur Bewältigung der anspruchsvollen, schnell wechselnden Anforderungen aus. Der steigende Innovationsdruck erzeugt wachsenden Bedarf an unverbrauchten Ideen und Wissen, welcher die Leistungsfähigkeit kleiner und mittelgroßer Organisationen zu überfordern droht. Es entstehen fast zwangsläufig wandlungsfähige Netzwerke, in denen sich Akteure verschiedener Organisationen projektförmig zusammenschließen und nach Beendigung von Aufträgen neu formieren. Einigkeit dürfte wohl darüber bestehen, dass sich im Wettbewerb um Aufträge und bei der Entwicklung attraktiver neuer Dienstleistungsangebote in Zukunft immer weniger Organisationen als Einzelkämpfer gegenüberstehen, sondern zunehmend Netzwerke miteinander konkurrieren. Damit verschärft sich die Konkurrenz insofern, da bereits die Mitgliedschaft im Netzwerk Ausleseprozessen unterliegt. Zum anderen ist der zentrale Produktionsfaktor für den Wertschöpfungsprozess in derartigen Netzwerken „Wissen“ (vgl. Stewart 1998; Sydow/van Well 1996). Gegenüber der optimalen Kombination von Wissen und Information, verlieren traditionelle Produktionsfaktoren (Boden, Kapital, Maschinen) an Bedeutung. Das Wissen über „Wissen als Ressource“ und dessen netzwerkförmigen Organisationsprinzipien ist jedoch noch gering und bedarf weiterer Durchdringung praktischer Erfahrungen (vgl. Howaldt/Klatt 2003). Die Defizite haben bisher bspw. zu verheerenden Konsequenzen im Umgang mit Wissensmanagement geführt. In diesem Beitrag sollen ausgewählte Ergebnisse des Projektes cross company knowledge management (kurz: crosscomp) vorgestellt werden. Das Projekt zielt auf die Erforschung und Erprobung neuer Konzepte und Methoden der Wissensgenerierung in organisationsübergreifenden Kooperationsnetzwerken entlang der „Wertschöpfungskette Wissen“. Das besondere Interesse richtet sich auf den Modus der Wissensintegration unter Perspektive der effizienten
Wissensintensität erfordert Grenzüberschreitung
Wenig Wissen über Wissen als Ressource
Das crosscomp-Projekt
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J. Howaldt, R. Kopp
Entwicklung qualitativ hochwertiger Dienstleistungsangebote bei kleinen und mittelgroßen Dienstleistungsunternehmen im Bereich Organisationsberatung und Multimedia.1 Im Rahmen unserer empirischen Vorarbeiten (Expertengespräche, Fallstudien, Intensivfallstudien) konnten wir erste Belege dafür sammeln, dass insbesondere für die kleineren, mittelständischen Unternehmen in wissensintensiven Branchen Netzwerkbildung und kooperatives Verhalten über Unternehmensgrenzen hinaus eine – wenn auch nicht die einzige – Handlungsstrategie ist, um Probleme der Wissensdynamik, der Personengebundenheit des Wissens und der Kontextabhängigkeit des Wissens unter der Voraussetzung begrenzter Ressourcen (Geld, Zeit) aufzulösen. Bei der Auswahl der Branchen war daher für uns entscheidend, dass Produkte oder Dienstleistungen zu einem überwiegenden Teil notwendig mit individuellem oder kollektivem Wissen im Sinne einer spezifischen Expertise oder Kompetenz verknüpft sind. Im Vergleich zu Unternehmen aus standardisierter Low Tech und/oder Massenproduktion mit hoher (Sach-)Kapitalquote stehen in der Beratungs- und IT-/Multimediabranche gleichermaßen das „Humankapital“, also das Wissen in den „Köpfen“ der Mitarbeiter, und das kollektive Wissen des Unternehmens, das über weitgehend immaterielle Dienstleistungen an Kunden vermittelt wird, im Vordergrund. Ein indirekter Indikator für die Wissensintensität ist im Verhältnis der Sach-/Anlagen-Kapitalquote und der Wertschöpfung eines Unternehmens zu finden. Je geringer diese Quote bei gleichzeitig hoher Wertschöpfung, desto „wissensintensiver“ das Unternehmen. Unstrittig scheint uns jedenfalls zu sein, dass Berater- und IT-/Multimedia-Dienstleister das Kriterium der Wissensintensität erfüllen und insbesondere die kleineren unter ihnen zur Bildung von Netzwerken neigen, um Probleme der Wissensgenerierung und –nutzung zu lösen.
2 Branchenspezifische Netzwerktypen
Drei Netzwerktypen
Vor dem Hintergrund unserer Fallstudien lassen sich drei zentrale Netzwerktypen ausmachen, die sich im Hinblick auf die Variablen Akteure, Kooperationsrichtung und Ziele unterscheiden lassen. Es sind dies: • Strategische Netzwerke • Virtuelle Unternehmen • „Communities“ 1╇Fallstudien
wurden u. a. durchgeführt beim Managementzentrum St. Gallen, Kienbaum Consulting, Kompetenzzentrum Netzwerkmanagement, Knowledge Park AG, Multimedia Community Märkische Region. Im Rahmen der Durchführung von vier Fallstudien in den USA nach der von Roth und Kleiner entwickelten Methode der „learning histories“ sind Interviews mit Peter Senge, (Society of Organizational Learning, Massachusetts Institute of Technology), Edgar H. Schein (Massachusetts Institute of Technology), George Roth (Massachusetts Institute of Technology) und Jean Mc Donald (Society of Organizational Learning) geführt worden.
Wissensbasierte Dienstleistungen╅╇╛╛207
Während es sich bei den ersten beiden Typen um Formen von Unternehmenskooperationen handelt, die eine Reihe von Ähnlichkeiten mit den Netzwerken in anderen Branchen aufweisen, bilden die „communities“ ein stark auf den Bereich IT-/Multimedia fokussiertes Phänomen (vgl. Klatt 2000). Strategische Netzwerke Strategische Netzwerke sind vertikale Kooperationen von Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette des Wissens. Zentraler Akteur dieser Netzwerke ist ein Unternehmen, welches Struktur und Arbeitsweise des Netzwerkes bestimmt. Dieses Unternehmen wird auch fokales Unternehmen genannt. Innerhalb des Netzwerks unterhält das fokale Unternehmen Beziehungen zu anderen Mitgliedern, die Merkmale marktlicher und hierarchischer Koordination enthalten. Ziel strategischer Netzwerke aus Perspektive des fokalen Unternehmens ist die Sicherung bzw. der Ausbau seiner Wettbewerbsposition durch eine kontinuierliche Innovation seiner „Produkte“.
Vertikale Kooperation von Unternehmen
Die Erhöhung der eigenen Reputation durch die Kooperation mit kompetenten Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft steht hierbei im Vordergrund.
So bauen erfolgreiche Beratungsunternehmen wie Kienbaum, Diebold Consult oder das systemisch ausgerichtete OSB aus Wien seit Jahren systematisch ihre Netzwerke mit Kooperationspartnern aus Wissenschaft und Wirtschaft aus. Virtuelle Unternehmen (Beratungs- und IT-/Multimediaverbünde) Typisch für die Kooperation vieler kleiner bis mittelgroßer Unternehmen sind horizontale, gleichberechtigt kooperierende Beratungs- und IT-/Multimediaverbünde Hierbei handelt es sich um Kooperationsformen, deren zentrales Motiv die Schaffung von Synergien im Hinblick auf eine gemeinsame Produktentwicklung und Markterschließung ist. Eine besondere Bedeutung hat hierbei die Bündelung unterschiedlicher Kompetenzen, die es den beteiligten Partnern erlaubt, ihren Kunden umfassende Angebote „aus einer Hand“ anzubieten.2
Im Gegensatz zu den strategischen Netzwerken steht hier kein „beherrschendes“ Unternehmen im Zentrum. Vielmehr treten die beteiligten Unternehmen in der Regel als gleichberechtigte Partner auf, die ihre Kooperation nach vereinbarten Spielregeln gestalten. In der Regel orientieren sich die Partner dabei an gemeinsamen Leitbildern bzw. greifen auf ein gemeinsames Repertoire an Methoden, Instrumenten etc. zurück. Insbesondere im IT-/Multimediabereich 2╇Hierbei
weisen diese Verbünde deutliche Ähnlichkeiten mit virtuellen Unternehmen auf, wie wir sie in den letzten Jahren in vielen KMUs und verstärkt auch im Handwerk vorfinden.
Horizontale Kooperation von Unternehmen
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J. Howaldt, R. Kopp
basiert diese Kooperation häufig auf einer räumlichen Nähe im Rahmen von Medienzentren etc. Es stellt sich die Frage, wie diese Gebilde zusammenhalten, ohne dass die Marktprinzipien aus der Kooperation eine maßlose Konkurrenz erwachsen lassen, die zu einem Auseinanderbrechen des Netzwerkes führt. Virtuelle Unternehmen verfügen über wenig formale Koordinations- und Lenkungsstrukturen. Sie benötigen eine integrative Vision, die das Netzwerk zusammenhalten. Zudem ist es ratsam, bestimmte Spielregeln aufzustellen, um eine gemeinsame Grundlage zu schaffen. Sanktionsregeln eignen sich i.€ d.€ R. jedoch wenig. Wichtiger ist die Gewährleistung einer professionellen Koordination, die für eine adäquate Organisation der Wissensflüsse zwischen den Mitgliedern sorgt. Der Gefahr des unkontrollierten Know-how-Abflusses lässt sich nur begrenzt entgegenwirken. So können Trittbrettfahrer ausgeschlossen werden, jedoch wichtige Wissensträger kaum am Verlassen des Netzwerkes gehindert werden. In der Regel ist es einfacher, Ersatz zu finden, als zu versuchen, entsprechendes Know-how im Vorfeld zu archivieren.
Communities
Horizontale Kooperation von Personen
Anders als in den beiden oben beschriebenen Netzwerken sind die Partner in den „communities“ nicht Unternehmen, sondern einzelne Personen. Communities sind nach außen nicht durch klar definierte Zielsetzungen oder Mitgliedschaftsregeln abgegrenzt. Im Wesentlichen dienen communities dem Wissens- und Informationsaustausch. Dabei kann sich der Kontakt einzelner Personen fallweise zur konkreten Kooperation zwischen Unternehmen verdichten.
Insbesondere das Internet mit seinen Potenzialen, Information und Wissen unabhängig von Zeit, Raum und sozialer Herkunft frei verfügbar zu machen, hat im Medien/IT-Bereich die Bildung einer gemeinschaftsorientierten Branchenkultur unterstützt. Diese bildet den sozial-kulturellen Boden für lose gekoppelte, an den Rändern stark ausgefranste und oft über Einzelpersonen mediatisierte Netzwerke im Medien-/IT-Bereich. Dabei ist der Einfluss der normativen Muster der weltweiten Internet-Community nicht so groß, dass ökonomische Fragestellungen damit außer Kraft gesetzt werden. Aber begünstigt wird durch den gemeinsamen Erfahrungshintergrund dieser globalen Kultur der informelle Wissensaustausch, der Aufbau persönlicher Bekanntschaften und eine zwischen den Unternehmen und Mitarbeitern herrschende grundsätzliche Bereitschaft der Wissensweitergabe und des Wissenstausches. Auf die gemeinsamen Werte und Normen – zum Beispiel die freie Zugänglichkeit zu Information und Wissen und den ‚Glauben‘ an eine umfassende informationstechnische Durchdringung und Optimierung der Gesellschaft – kann der Wissensaustausch in communities zwischen Multimedia- und IT-Unternehmen aufbauen, um funktionierende Kooperationen und entsprechende Netzwerk-Institutionen zu entwickeln.
Wissensbasierte Dienstleistungen╅╇╛╛209
Communities stellen einen Netzwerktyp dar, bei dem die impliziten kulturellen Normen und Werte die Basis für eine explizite Gemeinschaft von mehreren, meist kleinen und jungen Unternehmen bilden.
Ökonomischer Nutzen ist in diesen Netzwerken nicht der erste und primäre Zweck. Er ergibt sich oft erst im Nachhinein als ein Nebeneffekt gegenseitigen Informations- und Wissensaustausches.
3 Besonderheiten der „Ressource“ Wissen In den von uns untersuchten Netzwerken hat sich gezeigt, dass der selbstverständliche Umgang mit der „Ressource“ Wissen kaum zum tieferen Verständnis derselben beigetragen hat. Insbesondere beim organisierenden Umgang mit Wissen haben traditionelle Vorstellungen (Wissen kann nie schaden; Viel hilft viel) zu Archivierungsexzessen geführt, die Innovationen, schnelle Reaktion und brauchbare Systemleistungen eher blockiert als gefördert haben (vgl. Kopp/Killich in diesem Band). Auf vier zentrale Besonderheiten des Wissens sei an dieser Stelle hingewiesen: Wissen ist dynamisch Während technisierbares Wissen (z.€B. technische Anleitungen, Wissen über Routinetätigkeiten) vergleichsweise leicht gesammelt, archiviert, abgerufen und gelernt werden kann, weil es statisch, ohne Kontext und auch in Zukunft unter veränderten Bedingungen gültig ist, ist das Medien-, IT- und Beratungswissen in den von uns untersuchten Netzwerken zu einem großen Teil einem ständigen, kontextabhängigen Erneuerungsprozess unterworfen. Dies führt im Multimedia-/IT-Bereich und in der Beraterbranche zur ständigen Entwertung und Veränderung brauchbaren Wissens. Wissensentwicklung wird zur Daueraufgabe.
Die Vernetzung mit anderen Unternehmen wird zu einem wichtigen Bestandteil der Reduzierung von Unsicherheit im Innovationsverhalten und zu einem Medium effektiver Wissensgewinnung, ohne das die kleinen, wenig kapitalkräftigen Unternehmen auf teure Weiterbildungsveranstaltungen oder auf den Einkauf externer Expertise über neue Fachleute angewiesen wären.
Wissen wird entwertet
Wissen ist personengebunden Sowohl in den Medien/IT- als auch in den Beraternetzwerken wird „Wissen“ zuerst als eine personale „Kategorie“ oder „Eigenschaft“ verstanden. D.€h. relevantes Wissen und Erfahrungen sind personengebunden und nur in geringem Maße und mit erheblichem Aufwand „abspaltbar“.
Wissen nicht von Personen trennbar
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J. Howaldt, R. Kopp
Der prioritäre Weg zur Gewinnung von neuem Wissen führt daher über die Kontaktaufnahme zu personalen Wissensträgern im eigenen oder in anderen Unternehmen. Daraus resultiert die wichtige Funktion informeller Erfahrungsaustausche, da diese die „doppelte Barriere“3 der Weitergabe von Wissen in Netzwerken am wirkungsvollsten umschiffen.
Das spricht dafür, dass insbesondere das Fach-, Spezial- und Erfahrungswissen der IT-Experten, aber auch das kontextsensitive Erfahrungswissen der Berater sehr schwer standardisierbar ist, sich der Dokumentierbarkeit weitgehend entzieht und mithin über technische Datenträger kaum verfügbar wird. Viele der kontextsensitiven, personenorientierten Instrumente des Wissensmanagements sind für Einzelunternehmen entwickelt worden wie z.€B. De-Briefings, lessons learned oder Mentoring-Modelle. Für Netzwerke sind sie oft ungeeignet, weil sie auf den zeitlichen und örtlichen Erfahrungszusammenhang und die Kultur einer Einzelunternehmung zugeschnitten sind. Techniken, die eine interorganisatorische Perspektive voraussetzen oder zumindest zulassen (z.€ B. Interorganisationale kollegiale Fallberatung), sind dagegen noch kaum verbreitet. Wissen ist kontextgebunden
Wissen nicht verallgemeinerbar
Kontexte sind in dem hier zugrunde liegenden Verständnis immer dreierlei. Erstens „situativ“, das heißt nicht beliebig reproduzierbar und wiederholbar: Im Beratergeschäft hat jeder Kunde seine besondere Problemsituation, Marktlage, Persönlichkeit. Zweitens „individuell“, das heißt abhängig auch von der jeweiligen Erfahrungsgeschichte und den durchlaufenen Bildungsprozessen des Einzelnen. Drittens als Folge daraus: Kontexte enthalten nur eine begrenzte Anzahl an „generalisierbaren“ Elementen, die für Lernen und Wissenstransfer herausdestilliert werden können. Die untersuchten Netzwerke haben in der Regel keine gemeinsame Unternehmensgeschichte. „Kulturelle“ Verbindungen gibt es eher über gemeinsame universitäre Wurzeln oder – im Falle der Multimedia-/IT-Unternehmen – über Teilhabe an der Internet-community oder gleicher Problemhorizonte (Probleme mit Behörden, Firmensitz in derselben Immobilie). Diese Faktoren können die natürlichen Schranken der Kontext- und damit auch Unternehmens- und Personengebundenheit für das „Wissensmanagement“ in Netzwerken partiell abschwächen. Aber das Problem spiegelt sich dennoch in Verständigungsschwierigkeiten – etwa bei Arbeitskreissitzungen, in denen die Akteure häufig ihre Sicht der „Realität“ 3╇In
Netzwerken ist gegenüber dem Wissensmanagement in Einzelunternehmen eine doppelte Barriere auf zwei Akteursebenen zu überwinden: Wie in Einzelunternehmen müssen die Mitarbeiter vor den Ängsten des Wertverlustes durch die Weitergabe von Wissen geschützt werden. Darüber hinaus sind aber von Unternehmen zu Unternehmen die durch Konkurrenz und Sicherung eigener Kernkompetenzen bedingten Barrieren des Wissenstransfers und des Aufbaus einer gemeinsamen Wissensbasis zu überwinden. Diese Problemlage hat das Einzelunternehmen nicht, wenn auf einer gemeinsamen Unternehmenskultur und – identität aufgebaut werden kann.
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vermitteln und keine Möglichkeit haben, die Problemsicht der anderen Unternehmen zu verstehen.
Viele der vorhandenen Wissensmanagementkonzepte, -rezepte und –systeme, die das Problem der Kontextgebundenheit einbeziehen, sind auf die Belange von großen Einzelunternehmen zugeschnitten und müssen für Netzwerke völlig neu „erfunden“ werden. Dabei sind die Ressourcenknappheit (Personal, Zeit, Geld) von KMUs und die je spezifische Typik der Netzwerke (strategisches Netzwerk, virtuelles Unternehmen, Community) zentrale Rahmenbedingungen.
Belange von KMUs und Netzwerktypik zu wenig berücksichtigt
Wissen hat eine „andere Seite“ Ein angemessenes Verständnis des Wissens darf nicht allein an den beschriebenen Spezifika des Wissens und den teilweise in der Tradition der Aufklärung stehenden überhöhten Erwartungen an dessen Problemlösungspotential anknüpfen, sondern muss auch die „andere Seite des Wissens“ einkalkulieren (vgl. Baecker 2003). Im Rahmen des crosscomp-Projektes wurden eine Reihe derartiger Ambivalenzen und Paradoxien aufgedeckt bzw. empirisch unterfüttert. Dazu gehören u.€a. • das exponentielle Wachstum von Informationen, das zum „Overload“ auf Seiten der Empfänger (Personen, Organisationen, Netze) führt und deren Verarbeitungskapazitäten um ein Vielfaches überschreitet. Wissen wird zur Last, bremst die Innovationsgeschwindigkeit und droht Kreativitätsimpulse zu erdrücken; • die erhöhte Komplexität der Wissensproduktion in wissensintensiven Branchen, das die Aufwände und Kosten enorm in die Höhe treibt. Insbesondere innovationsrelevantes Wissen unterliegt einer sinkenden Halbwertzeit. In der Beratungsbranche veraltet Wissen offenbar derart schnell, dass sich zumindest auf individueller Ebene der Aufbau von Fachwissen (Wissen erster Ordnung) kaum noch lohnt. Inhaltliches Wissen ist nicht mehr zu bewältigen. Aufgrund seiner Kurzlebigkeit kann dies aber verkraftet werden; • die Tatsache, dass Phänomene der wissensbedingten Nichtwissenserzeugung (Wissen produziert immer auch Nichtwissen) sowie Phänomene unbeabsichtigter Folgen der Wissensexplikation (s.€o.) unberücksichtigt bleiben. Organisationen können nur überleben, indem sie hoch selektiv mit Wissen umgehen, Daten nicht zur Kenntnis nehmen und aus Informationen keine Schlüsse ziehen. Das erfordert eine „positive Strategie“ im Umgang mit Nichtwissen. Es geht insofern im betrieblichen Kontext der Wissensorganisation immer auch um den bewussten Umgang mit Nichtwissen.
4 Fazit Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse lassen sich einige thesenförmige Schlussfolgerungen formulieren:
Wissen ist nicht per se „gut“
Overload
sinkende Halbwertzeit
Wissen erzeugt Nichtwissen
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J. Howaldt, R. Kopp
• Die Bildung von Netzwerken im Bereich von Beratungs- und IT-Dienstleistern ist primär eine Reaktion auf Wissensprobleme, die alleine nicht zu bewältigen sind. Wissensaustausch und Generierung wird deshalb zur zentralen Zielsetzung der Akteure.
• Versuche, personengebundenes Wissen zu explizieren, sind enorm aufwendig und verfehlen oft ihren Zweck. Die Stärke von Netzwerken ist die Herstellung unmittelbarer Verbindungen zwischen Wissensgebern und –nehmern. • Die Ausformung und Arbeitsweise in Wissensnetzwerken ist kulturabhängig. Networking, Thinking in Networks und gewachsenes Community-Denken (im Medien-/IT-Bereich) ist bspw. so stark in den Alltagsstrukturen verankert, dass Wissensaustausch über Unternehmensgrenzen hinweg quasi zum selbstverständlichen Verhaltensrepertoire gehört. Es bedarf keinerlei besonderer Anreize. Freier Zugang und freie Weitergabe von Wissen gehört vielfach zum unhinterfragten Leitbild. Dazuzugehören und Ruhm (fame) für guten Ratschlag und intelligente Lösungen zu gewinnen, reichen oft aus. • Wissensnetzwerke ersetzen keine konventionellen Unternehmensstrategien. Sie ergänzen sie! Markt- und hierarchieorientiertes Organisationshandeln wird nicht außer Kraft gesetzt. Networking ist niemals die einzige Handlungsmaxime, sondern sie wird als zusätzliches Instrument der Wissensgenerierung genutzt. • Die Bildung von zwischenbetrieblichen Wissensnetzen steht in Wechselwirkung mit der internen Struktur der beteiligten Unternehmen. Je stärker sie nach innen netzwerkförmig aufgebaut sind, desto höher ist ihre Anschlussfähigkeit an externe Netze. Umgekehrt wirkt die Mitarbeit in Netzwerken auf die Einzelorganisationen zurück und fördert auch dort dezentrales Arbeiten. • Die Qualität der Wissensbasis von Netzwerken liegt in der Qualität ihrer Verbindungen. Es kommt dabei nicht darauf an, dass alle Netzwerkpartner ihre Kompetenzen wechselseitig angleichen, sondern ihre Unterschiede optimal nutzen. Als gemeinsame Wissensbasis reichen häufig Verzeichniswissen (Wer kann was?), Wissen über die Arbeitsweise und Arbeitsergebnisse im Netzwerk und Vernetzungswissen aus (Schaffung projektbezogener Schnittstellen und effiziente Verknüpfung der Schnittstellen auf Basis des Modularitätsprinzips).
5 Literatur Baecker D (2003) Theorie und Praxis des Nichtwissens. In: Franz H-W, Howaldt J, Jacobsen H, Kopp R (Hrsg) (2003) Forschen – Lernen – Beraten. Der Wandel von Wissensproduktion und – transfer in den Sozialwissenschaften. Sigma, Berlin, 93–101 Howaldt J, Klatt R (2003) Netzwerke des Wissens – Kooperationen im Kontext von Beratungs- und IT-/Multimediaunternehmen. In: Hirsch-Kreinsen H, Wannöffel M (Hrsg) Netzwerke kleiner Unternehmen. Praktiken und Besonderheiten internationaler Zusammenarbeit. Sigma, Berlin, 133–150
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Klatt R (2000) Innovative Unternehmensnetzwerke in der Medienwirtschaft. Ein Essay über die seltsame Struktur wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Wandlungsprozesse am Beispiel eines Modellprojektes. In: Walter RH, Kotthoff H, Peter G (Hrsg) Soziale Räume, global players, lokale Ökonomien – Auf dem Weg in die innovative Tätigkeitsgesellschaft? LitVerlag, Münster, 100–117 Stewart TA (1998) Der vierte Produktionsfaktor. Wachstum und Wettbewerbsvorteile durch Wissensmanagement. Carl Hanser Verlag, München, Wien
Kooperationsnetze in der Gesundheitswirtschaft Arno Georg
1 Einführung Die Managementliteratur nennt eine Reihe differenzierter zwischenbetrieblicher Kooperationsformen auf einem Kontinuum zwischen unsystematischem punktuellem Zusammenwirken bis zur Bildung eines „Gemeinsamen Betriebes“. Allen freiwilligen Kooperationen geht die Einsicht voraus, dass die gemeinsame Leistungsfähigkeit größer ist als die Summe der Einzelleistungen (Synergie) und damit geeignet, eine bessere Wettbewerbsposition zu erreichen. Auch wenn die Sozialökonomie die Leistungen des Gesundheitssystems insgesamt als meritorische Güter deklariert, die sich aus dem Sozialstaatsprinzip ergeben und daher – verkürzt – den Mechanismen des Marktes weitgehend entziehen, finden sich auch im Gesundheitssystem, oder neuerdings: in der Gesundheitswirtschaft Kooperationsnetzwerke, in denen zwischenbetrieblich Wissen, Technik oder Finanzen gebündelt werden, um Erfahrungstransfer, Leistungssteigerung und Kostensenkung zu bewirken. In dem traditionell stark verrechtlichten und vermachteten System gibt es starke Barrieren, die einer sachorientierten Kooperation im Wege stehen können. Und wenn sich umgekehrt Netzwerke in der Gesundheitswirtschaft derzeit einer gesteigerten Beliebtheit erfreuen, so ist dies auch vor der „Drohkulisse“ zunehmender Deregulierung zu sehen (Rosenbrock 2003). Bei der folgenden Darstellung praktischen Netzwerkens wollen wir in Anlehnung an Staudt et al. (1992) drei Kooperationsformen unterscheiden: Horizontale Kooperationen zwischen Unternehmen derselben Markt- oder Versorgungsstufe (etwa zwischen Arztpraxen), deren Produkte und Dienstleistungen ähnlich sein können. Dadurch ergeben sich Chancen der gemeinschaftlichen Aufgabenerfüllung: Austausch und konsiliare Beratung, gemeinsamer Einkauf, gemeinschaftliche Nutzung von (Groß-)Geräten etc. Vertikale Kooperationen (z.€ B. zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern) führen Unternehmen unterschiedlicher Versorgungsstufen zusammen. Dadurch sollen Patientenströme besser gesteuert und Versorgungsprozesse besser koordiniert werden. Durch Know-how-Transfer werden darüber hinaus integrierte Verbundleistungen mit größerem Patientenservice angeboten.
Vielfalt der Kooperationen in ‚vermintem Gelände‘
Horizontale Kooperation
Vertikale Kooperation
216 Diagonale Kooperation
A. Georg
Diagonale Kooperationen sind immer dort gegeben, wo Unternehmen branchenübergreifend zusammen arbeiten (z.€ B. Ärzte und Medizintechniker). Seltener geht es dabei um standardisierte Leistungen, vielmehr wird die Integration verschiedener Wissensbestände zur Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen (Entwicklung bildgebender Verfahren in der Diagnostik) oder spezieller betriebsindividueller Problemlösungen genutzt.
2 Strukturprobleme des deutschen Gesundheitssystems Sektorale Abschottung produziert Über-, Unter- und Fehlversorgung
Integrierte Versorgung ist nicht nur mit Geld zu bezahlen
In internationalen Vergleichen der letzten Jahre ist mehrfach gezeigt worden, dass Deutschland weltweit hinter den USA und der Schweiz die höchsten ProKopf-Ausgaben für sein Gesundheitssystem hat, hinsichtlich vieler OutputIndikatoren allerdings kein qualitativer Vorsprung erkennbar ist (bei einem mittleren Rangplatz in der Lebenserwartung). Experten kritisieren die starke Orientierung auf die kurative Versorgung zu Lasten von Prävention und Gesundheitsförderung. So hat der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2005 in seinem Bericht (erneut) „Über-, Unter- und Fehlversorgung“, insbesondere die defizitäre Versorgung chronisch Erkrankter, kritisiert. Die sektorale Abschottung von ambulanter, stationärer, rehabilitativer und pflegerischer Versorgung behindere eine effektive wie effiziente Versorgung (nicht nur) dieser vielfach multimorbiden Patientengruppe, deren Lebensqualität nur durch planvolle, Institutionen übergreifende Behandlung erhöht werden könne. Nun ist die Idee von der „integrierten Versorgung“ nicht neu, aber bisher immer wieder gescheitert. Dafür werden viele Gründe versicherungs- und leistungsrechtlicher, organisatorischer oder qualifikatorischer Art angeführt, deren Stichhaltigkeit hier nicht weiter diskutiert werden kann. Nach Schönbach „fehlen für die Ärzte bis heute mit positiven Zielen motivierende Programme“ zur Beteiligung an Modellen zur sektorübergreifenden Behandlung. Entsprechend hat primär die Realisierung von Verteilungszielen Bestand und unterbleibt die „Entmüllung der Medizin“ (Schönbach 2003, 607). Die Debatte über Optimierungen des Gesundheitswesens ist seit Jahren von Debatten über seine Finanzierbarkeit überlagert. Wenn die Gesundheitsreformen nun den Wettbewerb der Krankenhäuser untereinander fördern (mit den Folgen Verweildauersenkung und reduziertes Patientenaufkommen) dürften sich krankenhausintern zwar Controlling, Prozessstandardisierung und Qualitätsmanagement verbessern, nachhaltige regionale Kooperationen werden dadurch aber nicht gerade erleichtert. Inwieweit es vor dem Hintergrund von gleichzeitigen Schließungen (Bettenabbau) zu einer stärkeren Bildung von Netzwerken kommt, bleibt abzuwarten.
Kooperationsnetze in der Gesundheitswirtschaft╅╇╛╛217
Mit Blick auf den demographischen Wandel ist zukünftig im Gesundheitswesen (bei PatientInnen wie Beschäftigten!) zwar eine Bedarfsentwicklung im Sinne der Vernetzung von Einrichtungen zu erwarten, aber auch hier sind noch erhebliche Schnittstellenprobleme zwischen Kranken- und Pflegeversicherung zu lösen. So wird sich der Gesundheitszustand der nachkommenden Generationen langfristig verbessern, gleichzeitig aber auch mit steigender Lebenserwartung der Anteil gesundheitlich beeinträchtigter und pflegebedürftiger älterer Menschen zunehmen. Basis der meisten noch zu lösenden Aufgaben ist die Schaffung von „guter Arbeit“ und „guter Zusammenarbeit“ auf allen Ebenen der Gesundheitswirtschaft der Region.
Mehr Vernetzung durch demografischen Wandel zu erwarten?
3 Das Kooperationsfeld Gesundheitswirtschaft Derzeit existiert (noch) keine einheitliche Definition des relativ neuen Begriffes „Gesundheitswirtschaft“. Vielfach wird der ‚weite‘ Gesundheitsbegriff der Ottawa-Charta der Weltgesundheitsorganisation zugrunde gelegt, der Gesundheit als „Zustand eines vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein [als] das Fehlen von Krankheiten und Gebrechen“ definiert. Entsprechend dem ‚vergesellschaftlichenden‘ Aspekt dieser Definition, nach der auch die allgemeinen Lebensverhältnisse (Wohnen, Ernährung, Bildung etc) als Faktoren der Sicherung und Verbesserung von Gesundheit in den Blick kommen, können auch bisher häufig ausgeblendete Branchen und Branchensegmente mit eher unspezifischem Gesundheitsbezug zur Gesundheitswirtschaft gezählt werden. Im Kern der Gesundheitswirtschaft sind die „klassischen“ Leistungserbringer des Gesundheitssystems verortet: niedergelassene (Zahn-)Ärzte, Krankenhäuser, Apotheken etc. Sie erbringen Leistungen zu Prävention, Diagnose, Therapie, Rehabilitation und Pflege, i.€d.€R. als Vertragspartner der Gesetzlichen Krankenversicherung. Darum gruppieren sich Einrichtungen behandlungsnaher ambulanter Pflege und Rehabilitation sowie die vielfältigen Einrichtungen der nichtärztlichen medizinischen Berufe wie auch der Patientenselbsthilfe. Hinzu kommen Einrichtungen der Forschung und Beratung, privatwirtschaftliche Anbieter gesundheitsorientierter Produkte und Dienstleistungen (Medizin- und Gerontotechnik, pharmazeutische Industrie, Biotechnologie, Orthopädieprodukte etc.). Im o.€g. Sinn werden auch solche Unternehmen dazu gerechnet, die nur z.€ T. Bezüge zu gesundheitsrelevanten Aspekten haben, wie die Bereiche Ernährung, Freizeit und Tourismus, Lifestyle, Immobilien, Möbel. Die folgende Abb.€1 zeigt, dass 2005 in Nordrhein-Westfalen etwa eine Million Beschäftigte in der Gesundheitswirtschaft tätig waren.
Gesundheitswirtschaft: noch kein einheitlich definierter Begriff
Wer und was gehört dazu?
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A. Georg
1 Million Beschäftigte in der Gesundheitswirtschaft NRW 2005
Altenhilfe 157.000 (15,5%)
90.000 (8,9%) 45.000 (4,4%) 43.000 (4,2%) 34.000 (3.3%) 19.000 (1,8%)
Ambulante Versorgung 261.000 (25,7%)
Verwaltung / Versicherung Apotheken Medizin-Gerontotechnik, Gesundheitshandwerk Handel mit Gesundheitsprodukten Pharmazeutische Industrie Sonstige (Forschung, Sport, Freizeit, Wellnessu.a.)
(Teil-)Stationäre Versorgung 330.000 (32,3%)
Abb. 1:╇ Beschäftigte in der Gesundheitswirtschaft NRW nach Teilbereichen; Quelle: Redders (2008) Heimlicher Superstar der Wachstumsbranchen
Zwischen 1999 und 2003 stieg z.€B. im Ruhrgebiet die Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse bereits um 6,4% auf knapp über 300.000 an (MedEcon 2005). Von zahlreichen Experten wird die Gesundheitswirtschaft als eine weiterhin stark wachsende Branche angesehen. Optimistische Prognosen gehen für den Ballungsraum Ruhrgebiet von einem Beschäftigungswachstum bis 2015 von bis zu 55.000 neuen Arbeitsplätzen aus. Ein bedeutsamer Wachstumsmotor dürfte im steigenden Stellenwert von gesundheitlichem Wohlbefinden und Lebensqualität in der Bedürfnis- und Wertehierarchie der Bevölkerung liegen (Schönheitschirurgie, Lifestyle-Medikamente wie Viagra oder Anti-Ageing-Salben). Bei gestiegener Lebenserwartung ist außerdem eine verstärkte zahlungsfähige Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungsangeboten für die ‚aktiven Alten‘ erkennbar. Einrichtungen der ‚traditionellen‘ Gesundheitswirtschaft sind auf diese Entwicklung noch nicht ausreichend vorbereitet.
4 Das Spektrum der Kooperationsnetzwerke Vielfalt der Netzwerke
Für die buntscheckige Vielfalt der meist horizontalen Netzwerke in der Gesundheitswirtschaft erscheint ein vierstufiger Sortierungsvorschlag von Lingenfelder und Kronhardt hilfreich, die in ihrer Arbeit nach Erfolgsfaktoren medizinischer Versorgungsnetze gesucht haben. Auch wenn Netzwerke nicht immer trennscharf zugeordnet werden können oder auch ihren Charakter dynamisch verändern, hilft diese Gliederung doch, Reichweite und Verbindlichkeit zu differenzieren (ohne dabei den spezifischen Nutzen für die Beteiligten zu bewerten).
Kooperationsnetze in der Gesundheitswirtschaft╅╇╛╛219
In die Kategorie Informeller Erfahrungsaustausch fallen Kontakte geringer Verbindlichkeit, wie z.€B. „Ärztestammtische“. Kurzfristige monetäre Ziele stehen im Vordergrund der Kooperation, wenn Netzwerke zu Beschaffungs- oder Gerätegemeinschaften, zur gemeinsamen Buchhaltung oder dem Personalpooling gebildet werden. Zahlreiche Netzwerke, die hinsichtlich Aufbau, Größe und Beteiligtengruppen stark differieren können, verfolgen gemeinsame Qualitäts- und Serviceziele. Sie können z.€B. gemeinsame Bereitschaftsdienste oder eine gemeinsame Leitstelle betreiben. Hier finden sich darüber hinaus Protagonisten engagierter Qualitätsmanagement-Programme und Bemühungen, Medizin „evidence-based“ zu betreiben. Die größte Verbindlichkeit, den höchsten Aufwand, die höchsten Ansprüche an effiziente Versorgung, aber auch das größte (Scheiterns-)Risiko bieten Netzwerke mit strukturvertraglichen Zielen. Dazu gehören finanzielle Kooperationen mit Kostenträgern, die gemeinsame Durchführung von Disease-ManagementProgrammen (DMP), Kombinierte Budgets- und Managed-Care-Programme. Etwa in dieser Reihenfolge sind auch die Beispiele netzwerkförmiger Kooperation dargestellt. Zuliefernetze und regionale Netzinitiativen folgen abschließend, jenseits der Systematik als zukünftig an Bedeutung gewinnende Netze.
Reichweite und Verbindlichkeit als Sortierkriterien
Medizinische und gesundheitsbezogene Kompetenznetze Auf zahlreichen Fachgebieten haben sich Ärzte, Kliniken, (universitäre) Forschungseinrichtungen und Hersteller zu medizinischen Kompetenznetzwerken zusammengeschlossen. In diesen Netzwerken stehen Austausch oder Entwicklung fachpolitischer Empfehlungen im Vordergrund (selten: gemeinsame Forschung/Evaluation). Zentral für den Informationsfluss sind dabei in steigendem Maß Inter- und Intranets. Neben einem offenen Bereich, der jedem Interessierten/Laien die Möglichkeit gibt, sich z.€B. über neue diagnostische oder therapeutische Methoden zu informieren, gibt es vielfach einen geschlossenen Bereich, der telemedizinische Dienstleistungen anbietet und dem fachlichen Austausch autorisierter Fachnutzer vorbehalten ist.
Zwischen fachlichem Austausch und Laieninformation
Deutsches Gesundheitsnetz (D/G/N) Ausgehend von Diskussionen innerhalb des von BMBF und BMG gegründeten Forums ‚Info 2000‘ haben Einrichtungen der medizinischen Selbstverwaltung das „Deutsche Gesundheitsnetz“ gegründet. Als erstes Projekt dieser Art versuchte es, auf breiter Basis die Interessen der beteiligten Gruppen und die ministeriellen Vorstellungen umzusetzen und ein attraktives Angebot telemedizinischer Dienste anzubieten. Das D/G/N-Konzept umfasste ursprünglich zwei – mittlerweile getrennte – Ebenen: ein Serviceangebot für Patienten (inzwischen lifestyleorientiert in der Regie von „Lifeline“) und ein intranetbasiertes medizinisches Informationszentrum als Service- und Kommunikationsforum für Ärzte, Apotheker und Zahnärzte. Das inhaltliche Angebot des D/G/N enthält derzeit die Bereiche Intranet/Internet, Finanzen und Medizin. Neben 12 Fachportalen mit über 100 ansprechbaren Experten werden tägliche Nachrich-
Beispiel Deutsches Gesundheitsnetz
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ten aus Medizin und Gesundheitspolitik angeboten sowie monatlich über 50 internationale Studien komprimiert. „Kollegenforen“ dienen dem Austausch ‚aus der Praxis für die Praxis‘. Ergänzt wird das Angebot durch Finanz- und Steuerinfos und betriebswirtschaftliche Beratungswerkzeuge. Bereits seit 1999 werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) „Kompetenznetze in der Medizin“ gefördert. Im Fokus steht der Aufbau überregionaler, vor allem klinischer, medizinischer Netzwerke zu definierten Krankheitsbildern, die durch eine hohe Morbidität oder Mortalität gekennzeichnet sind. Für zahlreiche Krankheiten bzw. Fachgebiete haben sich darüber hinaus (z.€T. regionale) Gruppierungen gebildet, wie das WINHO für niedergelassene Onkologen, oder Patienten-Verbünde, wie die FibromyalgieLiga für eine noch relativ wenig erforschte Erkrankung. Auf das weite Feld der Selbsthilfekooperationen und ihr Zusammenwirken mit den medizinischen Professionen und der Wirtschaft kann hier nicht weiter eingegangen werden (bereits Badura/von Ferber 1981). Dortmunder PragMaGus-Netzwerk Beispiel Regionales Präventionsnetzwerk
Hohe Aufwände für Betreiber virtueller Netze
Arbeitsweltbezogene Prävention im Verbund zu organisieren ist der Zweck des PragMaGuS-Netzwerkes. Dortmunder Kleinunternehmen und alle für Gesundheit und Sicherheit im Betrieb kompetenten regionalen Handlungsträger (Berufsgenossenschaften, Amt für Arbeitsschutz, IHK, DGB, AOK, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin etc.) entwickeln und betreiben ein internetgestütztes und auf die besonderen Bedarfe von Kleinbetrieben zugeschnittenes Modell des Gesundheits- und Sicherheitsmanagements (Dechmann et al. 2004). Es wird ergänzt um ein bürgernahes Gesundheitsportal, das in seiner Aufbereitung regionaler Angebote arbeits- und lebensweltliche Bezüge integriert und Anbieter und Nutzer, gewerbliche und Non–profit–Organisationen, professionelle Versorgung und Selbsthilfe, Gesunde und Kranke adressiert. Zahlreiche Kompetenznetze mussten bereits die Erfahrung machen, dass ihre Attraktivität für Experten wie Laien nur durch Aktualität dauerhaft gesichert werden kann. Finanzielle Aufwände des Dauerbetriebs wurden unter- und das konkurrenzfreie Interesse der ‚community‘ im vermachteten Gesundheitsbereich überschätzt, so dass thematische Umorientierungen erfolgen und neue finanzstarke Partner gesucht werden mussten. Krankenhaus – Netzwerke
Arbeitsteilung zur Verbesserung von Wirtschaftlichkeit und/oder Qualität
Neben der Nutzung betriebsgrößenbedingter Kostenvorteile in einem Verbund (Ressourcenpool, gemeinsamer Einkauf etc.) liegen horizontale Kooperationsnetze zwischen Krankenhäusern im medizinischen Bereich häufig in der Form vor, dass Krankenhäuser (einer Region) ihre Leistungskataloge so koordinieren, dass z.€B. ein Krankenhaus alle operativen Fachrichtungen vorhält, ein anderes nur konservativ tätig ist und die Patienten entsprechend gesteuert werden. Die Koordination kann sich auch nur auf ausgewählte Leistungsarten beziehen. So kooperieren die Kliniken Essen Mitte (EM) in einem onkologischen Klinikverbund mit dem Alfried-Krupp-Krankenhaus: Dieses übernimmt die
Kooperationsnetze in der Gesundheitswirtschaft╅╇╛╛221
Strahlentherapie, die Kliniken EM erbringen internistische onkologische Leistungen. Radiologie und Nuklearmedizin werden in Kooperation mit einer Gemeinschaftspraxis betrieben, wobei die Kliniken EM die Spitzendiagnostik in der Praxis einkaufen. Im Rahmen der existierenden Schlaganfallverbünde (z.€ B. in Mülheim seit 2003) werden vorhandene Institutionen zu einem übergreifenden und interdisziplinären Netzwerk zusammengebunden, um die schnelle und effektive Versorgung der Patienten weiter deutlich zu verbessern. Die Krankenhäuser des Deutschen Netzwerkes Gesundheitsfördernder Krankenhäuser orientieren sich an der Ottawa-Charta der Weltgesundheitsorganisation und sehen ihre Aufgaben als Gesundheitsmanager für Patienten (Information), MitarbeiterInnen (gesundheitsfördernde Arbeitsumgebung) wie auch für die Region (Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe). Gesundheitsnetze und Praxisnetzwerke Vielerorts haben sich lokale Gesundheitsnetze vorrangig zwischen niedergelassenen Ärzten und anderen medizinischen Einrichtungen gebildet, um die Lücke zwischen Fachinformationssystemen, den (geschlossenen) Klinik- und Praxisnetzen und den Patienten zu schließen. Sie bieten unverbindlich und ohne Zugangsbarrieren über Internet oder Infotelefone ein weites Spektrum meist gemischter Teledienstleistungen: von der reinen Patienteninformation über standespolitische Koordination bis zum Fachaustausch. Allerdings können sie auch die „Keimzelle“ für prozessoral dichter werdende Kooperation sein. So bauten einige Netzwerk-Initiativen im ambulanten Sektor auf dem sog. „Hausarztmodell“ auf, das die Steuerung zwischen Hausund Fachärzten verbessern soll. Wo der Hausarzt zunächst nur „Lotse“ durch das Gesundheitswesen sein sollte, ist in vernetzten Praxen durch den höheren Grad der Leistungsintegration und weitergehend: der gemeinsamen Qualitätssicherung oftmals eine enge und verbindliche Koordination und Kooperation, bis hin zur Erarbeitung gemeinsamer Behandlungsleitlinien, erreicht worden. Chancen für größere Stabilität entstehen, wo das Netzwerk über ein eigenes Budget zur Steuerung der verordneten Leistungen verfügt. Ärztliche Standeseinrichtungen beraten mittlerweile intensiv zu den vielfältigen Formen von Praxisnetzwerken, die von der einfachen Praxisgemeinschaft über partielle Kooperationen, privatärztliche Behandlungszentren, bis zu ambulanten OPZentren oder Praxiskliniken reicht. Im Folgenden sollen zwei Beispiele ärztlicher Praxisnetze vorgestellt werden, ein existierendes und ein gescheitertes Projekt, die versuch(t)en, durch wirtschaftliche Synergieerzeugung und fachlichen Austausch gute Versorgungsqualität für ihre Patienten zu gewährleisten.
Ein weites Feld mit starker Dynamik
Die „Ärztliche Qualitätsgemeinschaft Ried“ (ÄQR) Die ÄQR beschreibt die im Ried vernetzten Arztpraxen als eine Gruppe von Arztpraxen, die sich zusammengesetzt und sich vertraglich zur verbesserten Versorgung ihrer Patienten verpflichtet haben. Im Vordergrund steht die huma-
Der Klassiker I: Ärzte im Ried für Qualität
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ne Krankenversorgung durch Vermeidung aller unnötigen Krankenhauseinweisungen. Dies wird erreicht durch eine gemeinsam betriebene Koordinationsstelle außerhalb der Sprechstundenzeiten, die eine lückenlose wohnortnahe Präsenz aller für die Akutversorgung notwendigen Fachgebiete bei zeitlicher Entlastung der Einzelpraxis sicherstellen soll. Um die angezielte qualitätsgesicherte und zuwendungsorientierte Versorgung auch realisieren zu können, setzt die Initiative auf eine weit reichende schriftliche Selbstverpflichtung aller teilnehmenden Ärzte. Sie beinhaltet die Aufstellung von Präsenzplänen außerhalb der normalen Sprechstunden, Mitarbeit bei der Erstellung von Behandlungsempfehlungen, sofortige Konsiliartätigkeit bei Anforderung, den Einsatz von Patientenbüchern, Nutzung moderner Kommunikationsmedien, Kommunikation mit nichtärztlichen Heilberufen sowie regelmäßige interne Weiterbildung. Das Praxisnetz Berliner Ärzte Der Klassiker II: Berliner scheitern an internen Defiziten
Möglichkeiten von Netzwerken nicht vorschnell überschätzen!
Die Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung: keine glückliche Entwicklung
Das Praxisnetz Berliner Ärzte war 1997 als Modellvorhaben nach §§ 63 ff. SGB V gestartet und lief bis 2001 (seitdem Weiterführung als Praxisnetz Berlin e.€V.). Vertragspartner waren die Kassenärztliche Vereinigung Berlin, der BKK-Landesverband Ost und die Techniker Krankenkasse. Der Zugang zum Netz war freiwillig. Insgesamt beteiligten sich etwa 600 Ärzte aller Facharztrichtungen, die sich in elf regionale Teams organisierten und ca. 25.000 Patienten versorgten. Das Netzwerk erreichte zwischenzeitlich eine verbesserte Kommunikation der beteiligten Ärzte, organisierte eigene Hausbesuchsdienste und eine verlängerte Bereitschaft. Netzärzte trafen sich zu Netzkonferenzen und Qualitätszirkeln und erarbeiteten Behandlungsleitlinien. Krankenhauseinweisungen und Doppeluntersuchungen konnten vermindert werden und der Strukturvertrag machte zwei Jahre lang den wirtschaftlichen Betrieb möglich. Letztlich scheiterte das Netzwerk aber an der nicht dauerhaft stabilisierbaren Verbindlichkeit der Netzstrukturen, dem Fehlen klarer strategischer Steuerung und dem Scheitern der Übernahme von Budgetverantwortung. Mittlerweile sind zwar Praxisnetze fast flächendeckend in der BRD entstanden und leisten gute Arbeit. Für eine aus der Sicht mancher Netzwerke formulierte „Reform von unten“ sind sie allerdings oft zu wenig marktmächtig. Mangelnde Verbindlichkeit, lokale Wettbewerbskonflikte mit eigenen Verbänden und anderen gesundheitspolitischen Institutionen und die Tatsache, dass Netzarbeit Mehrarbeit ist, sind limitierende Bestandsfaktoren. Netzwerke zur Kooperation von ambulanter und stationärer Versorgung Durch sozialpolitische Steuerung und standespolitische Egoismen haben sich vertragsrechtliche und Angebotsstrukturen wie Vergütungssysteme im deutschen Gesundheitssystem in den letzten Jahrzehnten überwiegend isoliert voneinander weiterentwickelt. Insbesondere die Trennung von ambulanter und
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stationärer Versorgung kann zu Behandlungsdiskontinuitäten, Fehl-, Über- und Unterversorgungslagen führen. Persönlich erfahrbar sind medizinisch nicht immer begründbare Wiederholungen von Untersuchungen oder Behandlungen im Krankenhaus, die bereits in der ärztlichen Praxis erfolgt sind. Suboptimale Versorgungsqualität für den Patienten kann auch entstehen, wenn in der Behandlungskette – 1. erste Diagnose: niedergelassener Arzt, 2. Behandlung im Krankenhaus, 3. Nachbehandlung durch den einweisenden Arzt – keine ausreichende Kommunikation zwischen den Leistungserbringern stattfindet. Neben den medizinischen Problemen ergeben sich durch die Trennung der Versorgungssektoren negative Auswirkungen auf die Kosten im Gesundheitssystem durch Doppelvorhaltung von Personal wie Großgeräten. Dabei bietet die Kooperation des stationären mit dem ambulanten Bereich entlang der Versorgungskette zahlreiche Ansatzpunkte zur vertikalen Zusammenarbeit der ambulanten, prä-, teil-, voll- und poststationären Behandlung, Rehabilitation und Pflege. Tatsächlich existieren auch zahlreiche kleinräumig organisierte Netzwerke von Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten, die zumindest partiell kooperieren, sei es auch ‚nur‘ durch die zeitnahe Erstellung und Besprechung von Entlassungsbriefen oder die Organisation gemeinsamer Fortbildungsveranstaltungen. 2005 gab es bundesweit bereits 341 Medizinische Versorgungszentren mit 1.300 ÄrztInnen. Auf kommunaler Ebene in privater Trägerschaft verwaltet bieten sie eine neue Organisationsform ambulanter und fachübergreifender Zusammenarbeit. Das Modell der mit dem Krankenhaus vernetzten Praxen erlaubt ausgewählten niedergelassenen Ärzten den Zugriff auf elektronische Patientendaten des Krankenhauses. So können schnell und ‚kostenlos‘ Ergebnisse bildgebender Verfahren ausgetauscht, ggf. der Rat des im Krankenhaus arbeitenden Spezialisten eingeholt werden oder durch Zugriff auf das Terminsystem ein freier OPTermin per E-Mail blockiert werden. Neben der Steigerung der Versorgungsqualität ist dies eine gute Möglichkeit zur ‚Kundenbindung‘ einweisender Ärzte an das Krankenhaus. Denn bei allen tatsächlichen Kapazitätsrückgängen in Krankenhäusern wird der Arzt als ‚gate-keeper‘ bei der Krankenhauswahl durch den Patienten von (auslastungs-) strategischer Bedeutung. Eine weitere Option zur Zusammenarbeit ist die Vermietung von Klinikräumen an niedergelassene Ärzte, die dort – im Unterschied zu Belegärzten – ihre eigene Praxis führen, klinikeigene Einrichtungen nutzen oder sogar selbst betreiben. Krankenhäuser versuchen auf diese Weise eine Diversifizierung ihrer Angebotspalette anzubieten, die u.€U. Marktvorteile schafft (z.€B. Dialyseeinrichtungen, Orthopädiehandlungen). Netzwerke in Disease Management Programmen (DMP) Nach einigen Misserfolgen hat das Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) einen weiteren Versuch gestartet, eine integrierte Versorgung von Patienten möglich zu machen. War in der Vergangenheit kritisiert worden, versorgungspolitische Visionen seien rechtlich nicht so unterfüttert worden, dass sie auch
Viele Ansatzpunkte und unausgeschöpfte Potentiale
Medizinische Versorgungszentren
Mit dem Krankenhaus vernetzte Praxen
Niedergelassene Ärzte im Krankenhaus
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Ein viel versprechendes Konzept
Neue Chancen für DMP-Qualitätsnetze
Beispiel „Brust-Kompetenzzentrum“
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alltagstauglich seien, es seien zu wenig oder falsche Leistungsanreize für Leistungserbringer gesetzt oder nicht ausreichende Information der Patienten erfolgt, so könnte mit den DMPs in Zukunft mehr vernetzte Versorgung möglich sein. Mit dem GMG hat der Gesetzgeber den Krankenkassen die Möglichkeit gegeben, DMPs für spezielle Krankheiten (zunächst für Diabetes mellitus Typ 2 und Brustkrebs) anzubieten. Damit kann eine systematische, evidenzbasierte Versorgung der Patientengruppen qualitativ hochwertig und effizient erbracht werden. Alle Maßnahmen zu Prävention, Diagnostik, Behandlung, Rehabilitation und Pflege werden dauerhaft einbezogen und aufeinander abgestimmt. Die Form der Koordinierung kann über Versorgungsnetzwerke oder Klinikkooperationen bis hin zur Eigeneinrichtung erfolgen, die auf unterschiedlichen Formen der Organisation beruhen (Ärztenetzwerke, Kooperationen von Kliniken u.€a.€m.). Die Anzahl der IV-Verträge ist zwar seit 2005 erheblich gestiegen (BQS), ihre zukünftige Entwicklung ist aufgrund gesetzlicher Regelungen allerdings unklar. Die Steuerung der Behandlung erfolgt auf der Grundlage des besten aktuell verfügbaren Wissensstandes. Dazu formulieren medizinische Experten Mindestanforderungen, die ein DMP erfüllen muss, sowie evidenzbasierte Behandlungsleitlinien. Parallel zur verpflichtenden Weiterbildung der Leistungserbringer sollen auch die Patienten, mit Unterstützung ihrer Krankenkassen, zum eigenverantwortlichen Umgang mit ihrer Krankheit befähigt werden. Damit DMPs angeboten werden können, sind Verträge mit Patienten und Ärzten erforderlich: Die Einschreibung der Patienten in ein Programm soll sie stärker an die besonders kompetenten Ärzte und Einrichtungen des DMPNetzwerkes binden; Behandler verpflichten sich vertraglich, die definierten wissenschaftlich gesicherten Standards anzuwenden. Schließlich sind Qualitätssicherungsmaßnahmen und Evaluationen Teil aller DMPs. So startete 2004 das DMP im „Brust-Kompetenzzentrum Frankfurt/ RheinMain“. Das Zentrum basierte auf der Kooperation von 10 Kliniken der Region, niedergelassenen Gynäkologen und Krankenkassen. Neben Routine in Diagnostik und OPs müssen alle beteiligten Klinikärzte über fundierte Spezialkenntnisse in der Versorgung von Brustkrebs verfügen. Regelmäßige TumorKonferenzen im Universitätsklinikum Frankfurt, Qualitätszirkel, gemeinsame Fallbesprechungen und strukturierte Patientengespräche sollen die Koordination der Leistungsprozesse im Netzwerk von Klinik und niedergelassenen Ärzten verbessern. Die Qualitätssicherung der medizinischen Leistungen erfolgt über eine gemeinsame Einrichtung. Case Management (CM)
Mit allen geeigneten Mitteln …
Was in den DMPs erst noch aufgebaut werden soll, hat sich vereinzelt bereits kleinräumig mehr oder weniger selbständig als „case management“ in robusten, aber sehr anspruchsvollen vertikalen Kooperationsnetzen entwickelt. Unter Case Management wird ein Ansatz verstanden, als erweiterte Einzelfallhilfe unter komplexen Bedingungen alle für bestimmte Zielgruppen erforderlichen medizinisch-pflegerischen oder psycho-sozialen Hilfemöglichkeiten zu identifizieren, zu koordinieren und so einen ungehinderten Zugang
Kooperationsnetze in der Gesundheitswirtschaft╅╇╛╛225
zu allen gesundheitsrelevanten Dienstleistungen innerhalb und außerhalb des Gesundheitssystems zu schaffen. CM soll das richtige Dienstleistungsbündel für den Menschen und seine spezielle Problemlage mit seiner Beteiligung zusammenstellen und Zusammenarbeit organisieren sowie darüber hinaus den optimalen Einsatz von Ressourcen im Gesundheits- und Sozialwesen sichern helfen. Dies ist insbesondere bei Erkrankungen wichtig, bei denen der Verlauf mehrfach neue, d.€h. angepasste Diagnostik und Therapie erfordert. Dort hat der behandelnde Arzt neben seinen ‚üblichen‘ eine zusätzliche koordinierende Managementaufgabe in Richtung auf andere Fachärzte, Kliniken, nicht-ärztliche Berufe und Angehörige/Selbsthilfe. Diese sektorübergreifende Leistungserbringung erfolgt üblicherweise unter Federführung der Krankenkassen in freiwilliger Beteiligung von Ärzten und Patienten (Abb.€2).
Familienpflege Pflegedienste Private Pflege Nachbarschaftshilfe Sozialstationen
Niedergelassene Ärzte und nichtärztliche Therapeuten, Nervenärzte, psychiatrische und psychotherapeutische Fachgruppen, Ambulante Physio- und Ergotherapie, Ambulante Rehabilitation, Soziotherapie
Selbsthilfegruppen für Angehörige, Beratungsstellen Sozialpsychiatrischer Dienst der Gemeinden oder des Kreises, AlzheimerSprechstunde, MemoryKlinik, AlzheimerGesellschaften
Beispiel „Case-Management Demenz“
Abb. 2:╇ Versorgungsnetz für alte Menschen mit Demenzsyndromen („Case-Management Demenz“)
Zulieferbeziehungen in der Gesundheitswirtschaft Die Analyse und Optimierung von Zulieferbeziehungen mit dem Ziel der Integration externer Leistungserbringer in die eigene Organisation ist von Krankenhäusern in der Vergangenheit überwiegend zugunsten des internen Qualitätsmanagements vernachlässigt worden. Dabei können diese komplexen Beziehungen gravierende Auswirkungen auf Qualität und Kosten der Geschäftsprozesse haben. Schließlich hat ein Krankenhaus ca. 300 bis 500 Lieferanten pro Woche. Zwar liegen durch die Praxis des Outsourcing „patientenferner“ Dienste (Gebäudereinigung, Sondermüllentsorgung, Wäscherei) bereits langjährig überwiegend gute Kooperationserfahrungen vor, es ist aber auch deutlich geworden, dass mit der Ausgliederung von Leistungen Schnittstellenprobleme entstehen können, deren Bearbeitung „neue“ Kompetenzen voraussetzt. Entsprechend behutsam entwickeln sich langfristige Partnerschaften zwischen Kliniken und Lieferanten (wie sie etwa aus dem Supply Management der Elektroindustrie bekannt sind), in denen gemeinsame Problemlösungsteams von Klinik und Zulieferer ihre Systemlösungen passgenau an den Bedürfnissen der Krankenhäuser orientieren. Insbesondere für Klein- und Mittelbetriebe liegen Chancen in der Einbindung in regionale Cluster vernetzter Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft entlang der gesamten Wertschöpfungskette, einschlägiger Verbände, Forschungseinrichtungen oder anderer regionaler Institutionen, um die besonderen An-
Gute Zulieferbeziehungen wachsen langsam
Chancen für Kleinund Mittelbetriebe
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forderungen (komplexe Produkte und Dienstleistungen mit immer kürzeren Innovationszyklen) zu bewältigen. Demografischer Wandel und Gesundheitswirtschaft Seniorenwirtschaft: Qualitätsorientierte Ansprüche kaufkräftiger „Best-Ager“
Die kaufkräftige Gruppe älterer Bürger erwartet mehr denn je ein auf ihre Bedürfnisse abgestimmtes Produkt- und Dienstleistungsangebot (Radtke 2002). Dazu gehören zum Beispiel seniorengerechte Wohnungen mit ergänzenden Dienstleistungen, die eine möglichst lange Selbstbestimmung ermöglichen. Eine Wohnungsbaugesellschaft erprobt mit zwei wissenschaftlichen Einrichtungen zusätzliche Dienstleistungen „rund um das Wohnen“: Vor der Hausmodernisierung werden die Wünsche der älteren MieterInnen bzgl. Technik, Sicherheit und haushaltsbezogenen Dienstleistungen erhoben und nach Möglichkeit berücksichtigt. Dabei werden Infrastruktur und Angebote eines benachbarten Seniorenheims ebenso wie IT-gestützte Dienstleistungen integriert. Altersgerechtes Wohnen und Bauen zeigt nicht nur das erhebliche ökonomische Potential des demografischen Wandels, sondern birgt auch Chancen neuer Netzwerkbildungen (spezialisierte Handwerkerverbünde) im Randbereich der Gesundheitswirtschaft. Regionale Profilierung
Wettbewerb der „gesunden Regionen“ Beispiel: Gesundheitswirtschaft und innovative Regionalpolitik
Nadelöhr für Netzwerkentwicklungen: qualifizierte Mitarbeiter/innen
„Bundeshauptstadt der Gesundheit und Medizin“ Erlangen, die „Gesundheitsregion Ostwestfalen-Lippe“ oder die „Gesundheits- und Fitnessregion Kreis Ahrweiler“ kennzeichnen Aktivitäten der Gesundheitswirtschaft in Kombination mit innovativer Regionalpolitik, um Marktchancen zu verbessern. Das Innovationszentrum Nordstadt in Dortmund unterstützt die Sanierung und strukturelle Wiederaufbereitung der Dortmunder Nordstadt zur Förderung der lokalen Ökonomie (Ansiedlungs- und Gründungsberatung, Initiierung von Unternehmensnetzwerken in der Gesundheitswirtschaft). Ein zentraler Baustein und „Clustermittelpunkt“ soll dabei ein geplantes Kompetenz- und Gesundheitszentrum zur Kooperation zwischen den verschiedenen Beschäftigtengruppen stationärer und ambulanter Versorgung werden. Gesundheitsbezogener Know-how-Export, stärkere Vermarktung eigener Gesundheitseinrichtungen über die Region hinaus oder der Aufbau neuer Geschäftsfelder (gesundheitsbezogene Angebote im Fremdenverkehr) funktionieren per se nur im Verbund erfolgreich.
5 „Netzwerkwissen“ als Schlüsselqualifikation in der Gesundheitswirtschaft Netzwerke in der Gesundheitswirtschaft sind an wesentliche Voraussetzungen gebunden. Dazu zählen ausreichende und qualifizierte Fachkräfte, die Verbes-
Kooperationsnetze in der Gesundheitswirtschaft╅╇╛╛227
serung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten vor Ort, wie auch neue Wege in der Kooperation der beteiligten Berufsgruppen. Derzeit präsentieren sich Arbeitsgestaltung und Qualifizierung jedoch noch mehr als Achillesferse denn als Innovationsmotor. So wachsen durch Qualitätsansprüche und Marktvorgaben („Kundenorientierung“) die Anforderungen an die Belegschaft und an das Management (Führung, Personalentwicklung), denen aber ein weitgehend restriktiver Kosten- und Finanzierungsrahmen gegenüber steht (INQA 2005). Die bisherige Arbeitsteilung der Berufsgruppen erweist sich als Engpass für die Bewältigung komplexer Anforderungen, die sich aus medizinischen Innovationen, integrierter Versorgung oder dem demografischen Wandel ergeben. Was als erfolgreiche Modernisierung von Einrichtungen propagiert wird, erleben Beschäftigtengruppen vor Ort u.€U. gleichzeitig als Leistungsverdichtung oder Entwertung von Berufen (vgl. Hilbert/Evans 2008). Fachliche Qualifizierungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten sind selten darauf bezogen und (noch) in hohem Maße standardisiert und formalisiert. „Netzwerkwissen“ als Schlüsselqualifikation für die Arbeit in Modellen derzeitiger integrierter Versorgung fehlt ebenso wie Konzepte zur qualifikatorischen on-the-job-Bewältigung der aus Netzwerken zukünftig entstehenden Anforderungen. Außerdem stellen sich vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des Anteils der MigrantInnen zunehmend Fragen von Diversity und „interkulturellen Kompetenzen“.
„Netzwerkwissen“
6 Fazit Unternehmen in Netzwerken stehen trotz einer Kooperation in Teilbereichen ihres Aufgabenfeldes weiterhin in einem Konkurrenzverhältnis zueinander. Trotz der zahlreichen Beispiele guter Praxis ist es in der Gesundheitswirtschaft bisher noch nicht gelungen, Kooperation als tragfähiges Leitbild breit zu etablieren. Vertrauen erarbeiten, klare Konzepte entwickeln und stringent steuern sowie „klein anfangen“ dürften erfolgsförderliche Vorgehensweisen bei Netzaufbau und –betrieb sein. Entsprechend sind Anreizsysteme zur Förderung des Aufbaus medizinischer Versorgungsnetze, Netzwerkkompetenz, Bedingungskonstellationen des netzkonformen Verhaltens der Leistungserbringer sowie die Weiterentwicklung von Evaluationsinstrumenten für Versorgungsnetzwerke der Gesundheitswirtschaft wichtige Themen weiterer Forschungsarbeit.
7 Literatur Badura B, von Ferber Chr (Hrsg) (1981) Selbsthilfe und Selbstorganisation. Oldenbourg, München, Wien Dechmann U, Georg A, Peter G, Schlotmann B (2004) PragMaGuS: Ein Internetportal für alltagstaugliche kleinbetriebliche Prävention im regionalen Netzwerk; in: ARBEIT 2004/4, 403–407
Kooperation als zukunftsfähiges Leitbild etablieren
Es gibt noch viel zu tun …
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Hilbert J, Evans M (2008) Achillesferse einer Zukunftsbranche: Schlechte Arbeitsbedingungen und Fachkräftemangel bedrohen das Wachstum der Gesundheitswirtschaft; in: Mitbestimmung 54(6) INQA Initiative Neue Qualität der Arbeit (Hrsg) (2005) Gesund Pflegen in der Altenpflege – Analyse und Maßnahmenentwicklung zur Reduzierung der Arbeitsbelastung in der stationären Altenpflege. Springer, Dortmund, Berlin Lingenfelder M, Kronhardt M (2001) Marketing für vernetzte Systeme. In: Kreyher V (Hrsg) Handbuch Gesundheits- und Medizinmarketing. Decker’s Verlag, Heidelberg, 124–145 MedEcon (Hrsg) (2005) Gesundheitsmetropole Ruhr – Wachstumschancen und Entwicklungsperspektiven der Gesundheitswirtschaft. Koordinierungsstelle, Bochum, Gelsenkirchen Radtke U (2002) Demografischer Wandel -Konsequenzen für den Einzelhandel in den Städten–; www.statistische-woche.de/Archiv/braunschweig/ tagungsbeitraege/v_ 16_radtke_gfk_270905.pdf Redders M (2008) Innovative Gesundheitswirtschaft NRW; http://www. bvmed.de/stepone/data/downloads/db/bd/00/Redders.pdf Zugriff am 24.06.09 Rosenbrock R (2003) Primäre Prävention, Begriffe und Begrenzungen, Konzepte und Klassifikationen, http://www.bvgesundheit.de/dokumente/primaerepraevention.pdf Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2006) Koordination und Qualität im Gesundheitswesen. Stuttgart Sackett DL et al (1997) Was ist Evidenz-basierte Medizin und was nicht? In: Münchner medizinische Wochenschrift 139(44): 644–645 Schönbach K-H (2003) Verbesserte Bedingungen für dieIntegrierte Versorgung. BKK 12: 601–607 Staudt E et al (1992) Kooperationshandbuch: Ein Leitfadenfür die Unternehmenspraxis. VDI-Verlag, Düsseldorf
Logistik als Bindeglied in Produktionsnetzwerken Frank Ellerkmann
1 Bedeutung der Logistik als Bindeglied in Produktionsnetzwerken Die Logistik bildet mit ihrer Aufgabe der Planung, Durchführung und Kontrolle des Material- und Informationsflusses vom Lieferanten zum Unternehmen, innerhalb des Unternehmens sowie vom Unternehmen zum Kunden hin das Bindeglied zwischen verschiedenen Akteuren in einer Wertschöpfungskette. Die Ausgestaltung dieser Produktionsnetzwerke hat mit der zunehmenden Dynamisierung der Märkte einen immer größeren Stellenwert erhalten. So hat sich das Handlungsumfeld der meisten Unternehmen in den letzten zehn Jahren grundlegend gewandelt. Der Konkurrenzdruck ist nicht zuletzt durch die Internationalisierung der Märkte enorm gestiegen. Eine Vielzahl von Firmen kämpft mit ihren Produkten um die Konsumenten und bietet ihnen ein immer größer werdendes Angebot von Produkten an, verbunden mit ergänzenden Dienstleistungen. Das Ziel der Unternehmen, mit ihren Produkten möglichst als erste die Bedürfnisse der Konsumenten zu erfüllen, führt dabei zu einem Wettlauf, der in immer kürzer werdende Produktlebenszyklen mündet. Diese Entwicklungstendenzen führen dazu, dass die Produkte und die dahinter stehenden Wertschöpfungsketten mehr und mehr von den Konsumentenwünschen gesteuert werden. Der wettbewerbsentscheidende Faktor, dem Käufer sein individuelles Produkt so schnell wie möglich zu liefern, kann aber nicht mehr alleine von den letzten Gliedern der Kette, den Endproduzenten oder dem Handel, umgesetzt werden. Die Unternehmen des gesamten Produktionsnetzwerkes müssen Hand in Hand arbeiten, um die Ziele der Befriedigung des Kundenbedarfs im Hinblick auf Produktauswahl, Verfügbarkeit und Preis bei gleichzeitig rationellem Ressourceneinsatz und möglichst geringen Beständen zu erreichen. Mit dieser Entwicklung ist inzwischen auch ein Bewusstseinswandel bei der Gestaltung der Netzwerke zu beobachten. So hat sich das geistige Umfeld der Logistik als Bindeglied zwischen den verschiedenen Akteuren in den Wertschöpfungsketten von einer einfachen Kunde-Lieferanten-Beziehung hin zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit entwickelt. Haben in der Vergangenheit Hersteller ihre Zulieferer häufig geknebelt und als lästiges Übel angesehen, dem sämtliche Kostenkonzessionen abzuringen sind, baut sich in den Netzwerken inzwischen ein kooperativer Geist auf, der den Namen auch
Bewusstseinswandel in der Netzwerkgestaltung
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verdient. Ausgehend von den Bedürfnissen der Kunden gilt es nun, Bedarfsprognosen auf Endproduktebene über alle Wertschöpfungsstufen bis zum Lieferanten des Rohmaterials aufzulösen, die Kapazitätsplanungen für eine Koordination offen zu legen und Ereignisse, die eine Anpassung der Planung erfordern, den anderen Partnern sofort mitzuteilen. Im Gestaltungsansatz für Produktionsnetzwerke nimmt diese unternehmensübergreifende und prozessorientierte Optimierung der Material- und Informationsflüsse entlang der Wertschöpfungskette die zentrale Rolle ein. Diese vertikalen Partnerschaften erfahren durch die zuvor beschriebenen Veränderungstreiber noch eine weitere Dimension. Der gestiegene Kostendruck forciert die Konzentrationsbestrebungen auf die eigenen Kernkompetenzen und damit die Verlagerung bzw. Einbindung von Logistikdienstleistern in die Netzwerke. Diese Unternehmen möchten dabei sämtliche auszulagernden Funktionen aus einer Hand empfangen, um die Zusammenarbeit nicht zu kompliziert zu gestalten. Bei der immer größer werdenden Bandbreite logistischer Aufgaben führt dies wiederum auf der Anbieterseite zu der Notwendigkeit, über Kooperationen mit dem Wettbewerb diesem hinsichtlich Umfang und Vielfalt gestiegenen Bedarf gerecht werden zu können. Das „Angebot an Komplettlösungen“ führt zu dem, was auch „Systembeschaffung“ genannt wird. Ein Beispiel aus der Automobilindustrie ist das FrontEnd, das mittlerweile als komplettes System geliefert und montiert wird. Die unterschiedlichen Komponenten, die in ein solches System integriert sind, machen eine ebenso frühzeitige wie reibungslose Abstimmung der Lieferanten notwendig. Beginnend mit dem Engineering, über Produktion und Logistik bis zum technischen Service müssen alle Tätigkeiten eng verzahnt werden: eine enorme Herausforderung für die Zulieferbetriebe (Abb.€1).
Zulieferer
Beschaffung
Produktion
Verteilung
Händler
Abb. 1:╇ Logistik als Bindeglied in Produktionsnetzwerken
Kunde
Logistik als Bindeglied in Produktionsnetzwerken╅╇╛╛231
Die Aufgabe der Logistik, die Planung, Durchführung und Kontrolle von Material- und Informationsflüssen zwischen verschiedenen Akteuren in einer Wertschöpfungskette, führt damit neben der vertikalen auch zu einer horizontalen Verknüpfung einzelner Unternehmen. Es entstehen komplexe Unternehmensnetzwerke, deren Erfolg in starkem Maße von der Qualität ihrer Zusammenarbeit abhängt. So sehen einzelne Autoren inzwischen einen Wandel vom Wettbewerb der Unternehmen zu einem Wettbewerb konkurrierender Unternehmensnetzwerke erreicht. In der Zukunft werden vor allem die Unternehmen erfolgreich sein, die Bestandteil eines funktionierenden Unternehmensnetzwerkes sind bzw. in der Lage sind, sich in erfolgreiche Netzwerke einbinden zu können. Kennzeichen und zugleich Wettbewerbsvorteil erfolgreicher Unternehmensnetzwerke sind: • Die prozessorientierte Gestaltung der Wertschöpfungskette Entsprechend dem Ansatz, dass das Gesamtoptimum immer besser als die Summe der Einzeloptima ist, kann nur eine unternehmensübergreifende Gestaltung der Aktivitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette dazu führen, dass Produkte schneller und kostengünstiger an den Markt gebracht werden. Die Prozessorientierung stellt sicher, dass die Produkte und die zu ihrer Erstellung erforderlichen Aktivitäten im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. • Eine Kooperationskultur zur Förderung der Interaktion zwischen den Partnern Mit der Sichtweise eines Wandels des Wettbewerbs der Unternehmen zu einem Wettbewerb der Netzwerke müssen die Unternehmen jederzeit in der Lage sein, Kooperationschancen zu erkennen und partnerschaftlich zu nutzen. Die Aufgabe der Entwicklung und Förderung einer Kooperationskultur ist daher als ein permanenter und iterativer Prozess zu verstehen. • Ein Kooperationsmanagement als Motor für den Kooperationsbetrieb Der Teufel steckt im Detail, und letzteres zeigt sich erst im Betrieb. Individuelle Ziele einzelner Partner müssen immer wieder auf ein Minimum an Konsens zusammengeführt werden, die Leistungsbeiträge der Akteure eingefordert und vor allem Vorteile der Partnerschaft aufgezeigt werden. Das Management der Unternehmensnetzwerke kann dabei aber nicht auf Weisungsbefugnisse zurückgreifen. Überzeugungsarbeit ist gefragt, das Ausbalancieren aller Interessen. Diese drei Säulen erfolgreicher Unternehmensnetzwerke sollen im Folgenden eine genauere Betrachtung erfahren.
Wettbewerb der Netzwerke
Kennzeichen erfolgreicher Netzwerke
2 Erfolgsfaktor Nr. 1: Unternehmensübergreifende, prozessorientierte Gestaltung der Wertschöpfungsketten Wer heutzutage dynamisch, wandlungsfähig, mit seinen Produkten schnell am Markt sein oder schnell auf Veränderungen reagieren möchte, der ist gut beraten, in Prozessen zu denken und seine Organisation auch so aufzustellen. Dennoch sind die meisten Unternehmen noch immer funktional anstatt nach dem Fluss der wertschöpfenden Schritte (und damit prozessorientiert) aufgebaut. In
Folgen isolierten unternehmerischen Handelns
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der Regel findet man niemanden, der für den vollständigen Material- und Informationsfluss zuständig ist oder diesen zumindest auf operativer Ebene kennt. Eine prozessorientierte Betrachtung des Unternehmens ist dabei sehr einfach herzustellen. Der Beobachter muss nur einen Kundenauftrag von seinem Eingang im Unternehmen bis zu seiner Fertigstellung und Übergabe des Produktes an den Kunden entlang der daran durchgeführten Tätigkeiten durch das Unternehmen begleiten und dokumentieren. Jeder Wechsel eines Bearbeiters, Funktionsbereiches oder einer Abteilung stellt eine Schnittstelle dar. Jeder dieser Übergabepunkte ist mit Wartezeiten und potenziellen Informationsverlusten verbunden. Machen Sie sich einmal die Mühe, die Zeiten für jede wertschöpfende Aktivität entlang des Auftragsabwicklungsprozesses aufzuzeichnen und aufzuaddieren. Der Vergleich von gesamter Wertschöpfungs- oder Verarbeitungszeit mit der gesamten Durchlaufzeit deckt ein krasses Missverhältnis auf: Bei einem Unternehmen kann es durchaus vorkommen, dass die gesamte Verarbeitungszeit für ein Werkstück beispielsweise nur 188 Sekunden beträgt (etwas mehr als drei Minuten). Aber dieses Werkstück braucht 23,6 Tage, um das Werk zu durchlaufen. Und dies ist nur eine Bestandsaufnahme für ein Unternehmen innerhalb einer gesamten Wertschöpfungskette. Welche Liegezeiten und Zwischenlagerbestände entstehen erst an den Übergängen von einem Unternehmen zum anderen im Produktionsnetzwerk? Welche Optimierungspotenziale können die Unternehmen aufdecken, wenn sie sich mit allen ihren Partnern einmal zusammensetzen, um die Material- und Informationsflüsse unternehmensübergreifend zu analysieren und zu optimieren? Vor allem den Informationsflüssen und den dadurch bereitgestellten Informationen als Basis unternehmerischer Entscheidungen kommt ein besonderer Stellenwert zu, wie eine Beobachtung der Praxis immer wieder zeigt: Ein Unternehmen produziert aufgrund einer isolierten Betrachtung und unvollständigen Informationsbasis mehr, früher und schneller, als es der nächste Prozess eigentlich benötigt. Überbestände und gebundenes Kapital sind die Folge. Die Menge von Teilen muss irgendwo gelagert werden. Dafür benötigt man Lagerplatz. Sie müssen hin- und herbewegt werden. Dafür benötigt man Mitarbeiter und Einrichtungen. Womöglich werden sie noch sortiert und nachbearbeitet. Diese Überproduktion führt letzten Endes zu einer Mangelsituation, da sie Kapazitäten für die eigentlichen Bedarfe blockiert. Dadurch verlängert sich die Gesamtdurchlaufzeit, und die Reaktionsfähigkeit der Unternehmen auf Kundenanforderungen wird weiter herabgesetzt. Von Flexibilität keine Spur. Die unternehmensinterne isolierte Betrachtung der Prozesse führt, wie man in der Praxis sehen kann, zu gesamtsystemrelevanten Problemen. In den traditionellen Bestandsmanagementsystemen, bei der jedes Unternehmen seinen eigenen Bedarf plant und Bestellungen an die jeweils nächste Stufe liefert, treten erhebliche Schwankungen in der Kette auf. Denn durch die lokale Optimierung, durch nicht abgestimmtes Drehen an unterschiedlichen Stellschrauben in der Wertschöpfungskette und durch ungenügende Informationsweitergabe zwischen den Kettenpartnern kommt es sehr häufig zum so genannten „Peitscheneffekt“. So führen kleine Änderungen des Bedarfes beim Endkunden zu immer größeren Schwankungen in den Bedarfen, je weiter man die logistische Kette zurückverfolgt (Abb.€2).
Logistik als Bindeglied in Produktionsnetzwerken╅╇╛╛233 Einzelhändler 1.einmalige Bedarfsänderung 2.Erhöhung des Mindestbestands
Grosshändler Aufträge
3.verzögerter Eingang der Änderung 4.Unklarheit über 1. und 2. 5.Erhöhung des Bestands => Auftragsvolumen + 40%
Logistikdienstleister 6.Siehe 3. und 4. 7.Erhöhung des Bestands => Auftragsvolumen + 50%
Produzent wie bei Logistikdienstleister
Zeit
Abb. 2:╇ Die Nachfrageverstärkung entlang der Wertschöpfungskette (Peitscheneffekt/ Bullwhip-Effekt)
Der exakte Verlauf des Peitschenendes ist für den Betrachter der Kette nicht genau zu berechnen, da sich mehrere Effekte gegenseitig überlagern und dabei oft aufschaukeln (Lee et al. 1997). Um wettbewerbsfähig zu bleiben und vorhandene Vorteile weiter auszubauen, müssen die wertschöpfenden Prozesse daher über die gesamte Wertschöpfungskette – vom Rohstofflieferanten bis zur Serviceleistung beim Endkunden des Produktes – betrachtet werden. Die Abläufe zwischen den Partnern in diesem Netz dürfen nicht mehr unberücksichtigt bleiben, damit ein Optimum nicht länger nur aus der Sicht jedes einzelnen Unternehmens, sondern über das ganze Netz hinweg erzielt wird. Erst diese globale Sicht erlaubt es, gegenüber den Kunden mit international wettbewerbsfähigen Leistungen und Preisen aufzutreten. Ausgangspunkt sind die zukünftigen Bedarfe der Kunden. Die systematische Verzahnung aller Prozesse der Wertschöpfungskette über die beteiligten Unternehmen hinweg ermöglicht die Gestaltung, Lenkung und Weiterentwicklung des gesamten Produktionsnetzwerkes. Dies beinhaltet die integrierte Bearbeitung aller Aktivitäten innerhalb der Logistikkette, angefangen von der Prognose der Kundenbedürfnisse über die Auftragsverteilung und logistische Warenversorgung, die Produktion bis hin zum Teile- und Rohstoffeinkauf und deckt damit alle wichtigen logistischen Aufgaben ab. Übergeordnetes Ziel ist die Verringerung von Beständen bei gleichzeitiger Erhöhung der Lieferbereitschaft und einer verbesserten Kapazitätsausnutzung. Hier geht es vor allem darum, Zeit(en) zu verkürzen, schneller zu werden, alles im Fluss zu halten. Dabei helfen die Prozesskettenmethodik und die Referenzmodelle. Hier werden Kernprozesse definiert und nichtwertschöpfende Prozesse eliminiert, um partnerschaftlich abgestimmte stabile, robuste, stromlinienförmige, schlanke Geschäftsprozesse zu schaffen. Die Gestaltung und Steuerung von Prozessketten bzw. Geschäftsprozessen wird seit langem als wichtigste unternehmerische Organisationsaufgabe betrachtet. Prozesskettenmanagement nutzt die Synergieeffekte sowohl bei der Integration einzelner Unternehmensbereiche als auch mehrerer Unternehmen in einem Netzwerk und hilft beim Abbau von Problemen an Schnittstellen und beim Informationsfluss. Potenziale zur Optimierung liegen in der Verbesserung der organisatorischen und informatorischen Verknüpfung unterschiedlicher Unternehmen bzw. Wertschöpfungskettenpartner.
Prozessorientierte, integrierte Gestaltung der Wertschöpfungsketten
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3 Erfolgsfaktor Nr. 2: Die Schaffung eines kooperationsförderlichen Umfelds als iterativer Prozess der Kooperationsgestaltung Kooperationskultur zur Steigerung des Â�Kooperationserfolgs
Der Stellenwert kultureller Faktoren für den Erfolg einer Kooperation ist sowohl in der Wissenschaft als auch in der Kooperationspraxis inzwischen unumstritten. So identifizierte Fontanari (1995, 184) in einer empirischen Studie unter anderem die Vernachlässigung so genannter „Softfacts“ als Hauptursache einer hohen Misserfolgsrate. Ihr Stellenwert lässt sich daran erkennen, dass Kooperationen, auch wenn sie zwischen Organisationen eingegangen werden, von ihren Mitarbeitern getragen werden müssen. Daher kommt auch der ‚Chemie‘ zwischen den Mitarbeitern, der Harmonie ihrer Zusammenarbeit, eine entscheidende Rolle zu. Diese wird in erster Linie vom Unternehmen und der dort vorhandenen Bereitschaft und Befähigung zur Zusammenarbeit geprägt (Abb.€3). Unternehmen A
Normen Werte Verhaltensweisen
Kooperationskultur
Unternehmenskultur
Unternehmen B
Kooperationskultur
Unternehmenskultur
Abb. 3:╇ Die Kooperationskultur als Bestandteil der Unternehmenskultur
Die unter dem Begriff der Kooperationskultur zusammengefassten Normen, Werte und Verhaltensweisen, die unabhängig vom Kooperationszweck und den aufeinander treffenden Kulturen eine Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen unterstützen, sind nicht gottgegeben, sondern durchaus positiv beeinflussbar. Die Aufgabe der Entwicklung und Förderung einer Kooperationskultur ist dabei als ein permanenter und iterativer Prozess zu verstehen. Vergleichbar mit einem Regelkreislauf müssen die Ausprägungen der Merkmale einer Kooperationskultur erfasst und durch gezielte Maßnahmen optimiert werden. Das Verständnis dieser Aufgabe als eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) ist damit zu begründen, dass Kulturen durch Meinungs-, Normen- und Wertgefüge oft über Jahre gewachsen sind und daher auch nur entsprechend langsam verändert werden können. Aus diesem Grund empfiehlt sich auch eine frühzeitige, gesteuerte Entwicklung einer Kooperationskultur in den Unternehmen, da eine zwischenbetriebliche Zusammenarbeit in der Zukunft einen immer größeren Stellenwert in der strategischen Planung erhalten wird. Eine ausgeprägte Kooperationskultur stellt dann einen strategischen Wettbewerbsvorteil dar, der nicht so ohne weiteres kopiert werden kann.
Logistik als Bindeglied in Produktionsnetzwerken╅╇╛╛235
Eine Optimierung der Kooperationskultur kann immer nur individuell, in Abhängigkeit von den identifizierten Defiziten in der Kooperationskultur erfolgen. Folgende Maßnahmen bieten sich jedoch besonders zu Beginn und auch während der Phase der Kooperationsgestaltung an (Abb.€4). Kooperationsbereitschaft (dürfen) Handlungsempfehlung Entwicklung einer die Kooperationsbereitschaft fördernden Unternehmensphilosophie
Ziel Schaffung eines Handlungs- und Verhaltensrahmens für die Mitarbeiter für die Interaktion mit anderen Unternehmen
Beschreibung und Vorgehen Integration von Kooperationsbereitschaft signalisierenden Aussagen in die Unternehmensphilosophie Signalwörter: Marktoffenheit, Vertrauen, unternehmerisches Denken Veröffentlichung des Jahresabschlussberichtes mit strategischem Ausblick auf das nächste Jahr (Bsp. Wir wollen demnächst mit der Firma XY zusammen unsere Marketingaktionen bündeln)
Kooperationsbewusstsein (wollen) Entwicklung eines unternehmensinternen Anreizsystems für besondere Erfolge und Verdienste in Kooperationsprojekten
Verdeutlichung des Interesses des Unternehmens an Kooperationsprojekten
Mögliche Maßnahmen könnten sein: öffentliche Prämierung besonderer Verdienste Entwicklung einer kooperationsspezifischen Karriereplanung Beispiel: Einbindung von Kooperationsprojekten in Karriereplanung (Berücksichtigung individueller Interessen bei Auswahl der Projekte, Angebot einer Führungsposition in neu gegründeten Gemeinschaftsunternehmen, Verkürzung der Beförderungszyklen) Einführung eines kooperationsspezifischen Weiterbildungskonzeptes (fachliche Schulungen, kooperationskulturfördernde Maßnahmen)
Maßnahmen zur Förderung der Kooperationskultur
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F. Ellerkmann
Kooperationsfähigkeit (können) Förderung der Interaktion zwischen den Partnern auf allen Hierarchieebenen
Erhöhung des Lerneffektes, stärkere Verbreitung einer Kooperationskultur im Unternehmen, Beschleunigung der Abläufe, frühzeitige Ausräumung von Missverständnissen
Unterstützung der Interaktion durch anfänglichen sanften Druck zur Zusammenarbeit:
Steigerung des Bekanntheitsgrades
Durchführung von Informationsveranstaltungen, Veröffentlichung (Aushängen) der Abteilungsziele
Steigerung der Kooperationsfähigkeit
Kennzeichen einer kooperationsfördernden Personalpolitik:
Einführung von Arbeitskreisen gemeinsame Teilnahme/Durchführung von Schulungs- und Vorbereitungsmaßnahmen grundsätzlich eher mehr als weniger Mitarbeiter in ein Kooperationsprojekt mit einbinden)
Zielorientierung Offenlegung der Zielpolitik des Unternehmens
Management-Know-how Einführung kooperationsfördernder Personalsysteme (Personalauswahl, Einsatz und Entwicklung)
Auswahl von Führungskräften mit hoher Entscheidungskompetenz im eigenen Unternehmen (Hintergrund: Beschleunigung der Entscheidungsprobleme pro Kooperation) karriereförderndes Engagement der Mitarbeiter in Kooperation Sicherstellung der Wiedereingliederung in Unternehmen trotz Kooperationsscheitern
Kooperationsförderndes Führungsverhalten Motivation der Mitarbeiter in einem (neuen) Kooperationsumfeld
Sicherstellung der Unterstützung der Kooperation durch die Belegschaft
Im Gegensatz zu Appellen positiv wirkende Motivationstechniken: Schaffen von Einsicht für Veränderungen (nicht zu
Logistik als Bindeglied in Produktionsnetzwerken╅╇╛╛237 verwechseln mit Überzeugung) gemeinsame Entwicklung neuer, strategieunterstützender Verhaltensweisen Vorbildfunktion der Führungskräfte Erarbeitung/Gewährung von Vorteilen für die Betroffenen Positive Verstärkung (Lob) als Anstoß zur Wiederholung Delegationsfähigkeit Verständnis der Kooperation in erster Linie als Lernprozess
Entwicklung eines Umfelds geprägt von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung der Partner (mit dem Ziel einer gleichberechtigten Partnerschaft)
Einstieg in die Kooperation mit der Einstellung/Willen, vom Partner etwas lernen zu können (Managementtechniken, Struktur des Unternehmens, etc.)
Entwicklung und Sicherung eines offenen und von Vertrauen geprägten Betriebsklimas
Eine Auswahl von Maßnahmen, um das Verhältnis der Mitarbeiter untereinander zu verbessern:
Offenheit/Vertrauen Förderung der Zusammenarbeit und des Austauschs der Mitarbeiter untereinander
offene Informationspolitik über Tätigkeiten, Probleme, Neuigkeiten in verschiedenen Bereichen Abbau von Konkurrenzdenken durch die Betonung der Gruppenleistung Honoration gemeinsamer Problemlösungen, Förderung gemeinsamer Lösungsversuche (Einrichtung von Freiräumen im Tagesablauf) Teamfähigkeit Durchführung begleitender Schulungen/Seminare zur Förderung der Teamfähigkeit
Vermittlung verhaltenstheoretischer Grundlagen für ein Arbeiten in einer Mannschaft
Mögliche Schulungsinhalte können sein: Teamverhalten, Teammanagement, Konfliktmanagement Gemeinsame Erarbeitung teamfördernder Verhaltens-
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F. Ellerkmann und Einstellungsmerkmale (Offenheit, Zuverlässigkeit, Kritikfähigkeit, Konfliktoffenheit etc.)
Kooperationserfahrung Unterstützung bei Kooperationsgestaltung durch externe Berater
Vermeidung “typischer Anfängerfehler”, beschleunigter Aufbau von Kooperationskenntnissen
Beispiel: methodische Unterstützung bei der Partnersuche durch: gemeinsame Aufstellung eines Sollpartner-Profils Zugriffsmöglichkeit auf und Auswertung von Kooperationsdatenbanken und -börsen Unterstützung/Abnahme erster Kontaktgespräche bei Partnerauswahl und Gewinnung
Abb. 4:╇ Maßnahmen zur Förderung der Kooperationskultur
4 Erfolgsfaktor Nr. 3: Kooperationsmanagementsysteme als Motor der Kooperation Kooperationen in Wertschöpfungsketten zeichnen sich durch ihre ausgeprägte Intensität und Dauer der Zusammenarbeit aus. Die regelmäßig auftretenden Warenaustauschbeziehungen und damit verbundenen internen Verrechnungen der Leistungen zwischen wechselnden Partnern führen zu einer starken Abhängigkeit weiterhin autonomer Unternehmen und eine häufig anzutreffende hohe Intransparenz der Geschäftsbeziehungen und bergen damit ein hohes Konfliktpotenzial (Abb.€5).
Logistik als Bindeglied in Produktionsnetzwerken╅╇╛╛239
Kooperationsmanagementsystem Information Planung
Organisation
Führung
Kontrolle
strategische Planung Informationsdienste Ressourcenverteilung Kostenverrechnung Schlichtungsfunktion Motivation
Steuerung Kooperationspartner
Mandantenfähige Distributionsdienste
Prozess
Distributionsaufträge
Lagerdienste
Steuerungsdienste
Kommissionierdienste
Versorgungsdienste
externe Kunden
Teilhaber
Abb. 5:╇ Kooperationsmanagement zur Aufrechterhaltung des Kooperationserfolgs
Zur Sicherstellung der Handlungsfähigkeit von Kooperationsnetzwerken müssen daher zielorientierte, individuelle Managementkonzepte geschaffen werden, die in der Lage sind, die unterschiedlichen Interessen zusammenzuführen, um auf diese Weise gerade in Krisensituationen die Geschäftsfähigkeit der Kooperationsgemeinschaft aufrecht zu erhalten. Gelingt es dem Management als Motor der Kooperation nicht, die Partner zusammenzuhalten und unterschiedlichen Unternehmensinteressen gerecht zu werden, ist die Kooperation existentiell bedroht. Deshalb ist eine sensible Gestaltung und Steuerung erforderlich, die die Kooperation unter Berücksichtigung ihrer Vieldimensionalität so weit als möglich unter Kontrolle bringt. Kooperationen sind dabei aufgrund ihres spezifischen Zwecks, den sie verfolgen, der Individualität der beteiligten Unternehmen und Unternehmensvertreter einzigartige Gebilde. Aus diesem Grund kann es nicht ein einziges Kooperationsmanagement für alle Kooperationsfälle geben. Diese müssen den individuellen Bedürfnissen des jeweiligen Verbundes und seiner beteiligten Unternehmen angepasst werden. Der Erfolg eines Kooperationsmanagements lässt sich daran messen, wie es Kooperationsverbünden gelingt, : – durch eine geeignete Informations- und Kommunikationsstruktur Schnittstellenverluste aufgrund unterschiedlicher EDV-Systeme zu vermeiden. Die Bereitstellung sämtlicher erforderlicher Informationen (Bestände, Reservierungen, Warenverbräuche etc.) für den gesamten Verbund ist ein wichtiger Bestandteil zur Schaffung der notwendigen Transparenz im Netzwerk. Besondere Anforderungen sind auch an die Qualität der Daten (Aktualität) als Grundlage sämtlicher unternehmerischer Entscheidungen zu stellen. – durch ein umfassendes, aber dennoch leicht nachvollziehbares Controlling eine verursachungsgerechte Erfassung und Verrechnung kooperationsinterner Kosten auf die Partner sicherzustellen, Leistungsanreize zu schaffen und eine
Maßgeschneidertes Kooperationsmanagement
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F. Ellerkmann
Kooperationskultur aufzubauen. Die Aufgabe der Führung bezieht sich dabei nicht nur auf die Mitarbeiter, die unmittelbar in die Kooperation eingebunden sind. Die Zusammenarbeit mit einem anderen Unternehmen betrifft sämtliche Bereiche, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Der Wille zur Unterstützung der Kooperation muss daher bei allen Mitarbeitern vorhanden sein. – eventuellen Kooperationsmüdigkeiten bei den Partnerunternehmen durch ein Aufzeigen quantitativer Kooperationspotentiale entgegenzutreten. Lässt sich ein Ausstieg aus der Partnerschaft dennoch nicht vermeiden, der gerade bei einer hohen Vernetzung der beteiligten Unternehmen die gesamte Kooperation existentiell gefährdet, ist es Aufgabe der Planung, möglichst schnell einen Ersatz zu finden. An diesen neuen Partner sind, aufgrund der Notwendigkeit, ihn in eine bereits bestehende Struktur einzubinden, wesentlich schärfer formulierte Anforderungen zu stellen. Nur so ist es möglich, für den gesamten Verbund und damit auch für das neue Mitglied, die identifizierten Potentiale zu sichern. – im Rahmen der Organisation über die Festlegung einer eindeutigen Struktur die betrieblichen Tätigkeiten, Rechte, Pflichten und Aufgaben der Kooperationspartner festzulegen und auf diese Weise präventiv Konflikte und Missverständnisse so weit es geht zu vermeiden. Mit der Einbindung einzelner Mitarbeiter und Bereiche in eine Kooperation muss unter Umständen auch in den Unternehmen eine neue Aufgabenverteilung vorbereitet werden. Die Mitarbeiter müssen mit höherer Eigenverantwortung die Informationsflüsse auf der Basis der vorhandenen Informationssysteme nach innen wie zu den Verbundpartnern sichern und verbessern. Daraus können sich Kompetenz- (und Macht-) Verlagerungen zu den Mitarbeitern und damit eine Verflachung von Hierarchien ergeben, die die gesamte Unternehmenskultur verändern. Die Aufgabe der Organisation eines Kooperationsverbundes bezieht sich damit wie auch die der Führung auf das gesamte Unternehmen und nicht nur auf die unmittelbar involvierten Bereiche.
5 Literatur Beckmann H (2003) Supply Chain Management – Strategien und Entwicklungstendenzen in Spitzenunternehmen. Springer, Heidelberg Bleicher K (1992) Der Strategie-, Struktur- und Kulturfit strategischer Allianzen als Erfolgsfaktor. In: Bronder/Pritzl: Wegweiser für strategische Allianzen. DUV, Wiesbaden Bronder C, Pritzl R (1992) Wegweiser für strategische Allianzen – Meilenund Stolpersteine bei Kooperationen, Frankfurt a. M. Drucker P (2003) Management im 21. Jh., Econ Verlag, München, Econ Verlag Ellerkmann F (2003) Horizontale Kooperationen in der Beschaffungs- und Distributionslogistik – Entwicklung eines Gestaltungsleitfadens unter besonderer Berücksichtigung verhaltenstheoretischer Gesichtspunkte. Verl. Praxiswissen, Dortmund
Logistik als Bindeglied in Produktionsnetzwerken╅╇╛╛241
Fontanari M (1995) Voraussetzungen für den Kooperationserfolg - Eine empirische Analyse. In: Schertler W (Hrsg) Management von Unternehmenskooperationen. Manz Verlag, Wien Goldmann SL, Nagel RN, Preiss K, Warnecke HJ (1996) Agil im Wettbewerb. Springer, Berlin, Heidelberg Kuhn A (1995) Prozessketten in der Logistik – Entwicklungstrends und Umsetzungsstrategien. Verl. Praxiswissen, Dortmund Lee HL, Padmanabhan P, Whang S (1997) Information distortion in a supply chain: the Bullwhip Effect. Management Science, Chicago Oetinger BV (2000) Das Boston Consulting Group Strategie-Buch. Econ Verlag, Düsseldorf Poirier CH, Reiter SE (1997) Wie Lieferanten, Produzenten und Handel bestens zusammenarbeiten. Frankfurt, Campus Verlag, New York Riggs DA, Robbins SL (1997) Building Supply Chain Thinking into all Business Processes. The Free Press, New York Rother M, Shook J (2000) Mit Wertstromdesign die Wertschöpfung erhöhen und Verschwendung beseitigen. Log_X Verlag, Stuttgart
Unternehmenskooperationen und Netzwerke im Handwerk Peter Flocken, Achim Loose
Das Handwerk – als der vielseitigste Wirtschaftsbereich in Deutschland – bildet mit seinen kleinen und mittleren Unternehmen einen Kernbereich der deutschen Wirtschaft. In rund 988.000 Betrieben arbeiten ca. 4,73 Millionen Menschen und erhalten 440.000 Lehrlinge eine qualifizierte Ausbildung. Damit sind 11,7 Prozent aller Erwerbstätigen und 29,3 Prozent aller Auszubildenden in Deutschland im Handwerk beschäftigt. Im Jahr 2010 erreichte der Umsatz im Handwerk rund 413 Milliarden Euro. Die Anzahl der Unternehmen ist im Jahr 2009 moderat um 0,8 Prozent gewachsen, und entgegen dem Trend der vergangenen Jahre hat sich das Wachstum nicht verlangsamt, sondern leicht beschleunigt. Trotz der in den vergangenen Jahren befriedigenden Entwicklungszahlen stehen auch die Handwerksbetriebe weiterhin vor der Herausforderung einer neuen Beweglichkeit hinsichtlich ihrer Entwicklungspotentiale, ihrer Wettbewerbsfähigkeit, ihrer Innovationskraft sowie ihres Umgangs mit dem demografischen Wandel. Unternehmenskooperationen und Netzwerke haben sich im Besonderen für kleine und mittlere Betriebe des Handwerks als gut geeignetes Mittel herausgestellt, um neue Geschäftsfelder zu schaffen, die Kundenstämme zu vergrößern und die Auftragsentwicklung mittel- bis langfristig zu sichern. In der Kooperation ergeben sich speziell für Klein- und Kleinstbetriebe (Mikrounternehmen) neue Möglichkeiten, Zugang zu sonst nicht verfügbaren Ressourcen zu erhalten, wichtige strategische Aufgaben neben dem operativen Geschäft anzugehen und Marktversprechen an die Kunden auch einzuhalten. Darüber hinaus verschaffen sie dem Handwerk erhöhte Chancen, sein schlechtes Image vor allem im Service, bei der Kundenfreundlichkeit sowie der Termin- und Preiszuverlässigkeit zu verbessern. Allerdings ist die Kooperation und Zusammenarbeit von kleinen und mittleren Unternehmen im Handwerk kein grundsätzlich neues Thema. Immer schon war und ist beispielsweise die Bau- und Ausbaubranche geprägt von unterschiedlichsten Formen der Zusammenarbeit wie beispielsweise Bieter- und Arbeitsgemeinschaften, Einkaufsgenossenschaften oder Werbe-/Marketinggemeinschaften. Aufgrund der in der Handwerksordnung geregelten Arbeitsteilung bzw. arbeitsteiligen Spezialisierung – nicht nur im Bau- und Ausbauhandwerk
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Kooperation: Ein aktuelles Thema
Neue Kundenerwartungen
P. Flocken, A. Loose
– bieten sich Maßnahmen einer unternehmensübergreifenden Koordination und gewerkeübergreifenden Zusammenarbeit an. Traditionell wurde allerdings die hierfür erforderliche, zwischenbetriebliche Koordinationsleistung nur selten von den ausführenden Handwerksunternehmen erbracht. Das anhaltende Interesse, mit dem Themen wie die gewerkeinterne und/oder gewerkeübergreifende Kooperation sowie die Zusammenarbeit mit den Partnern der Wertschöpfungskette aufgegriffen und unter verschiedenen Gesichtspunkten und Fragestellungen diskutiert bzw. bearbeitet werden, dokumentiert den ungebrochenen Kooperationstrend in der Branche. Verändert hat sich die Rolle des Handwerks bzw. das Selbstverständnis der Handwerker in dieser Diskussion. Diese wollen die Verantwortung für den Ablauf eines Produktionsprozesses sowie dazu gehörige Dienstleistungen zunehmend weniger den Partnern der Wertschöpfungskette überlassen, sondern entdecken aktiv neue Zuständigkeiten und Aufgabenbereiche, gestalten neuerdings die hiermit verbundenen Tätigkeiten eigenverantwortlich (mit) und besetzen kompetent die sich hierdurch ergebenden kundenorientierten Serviceangebote. Neue Anforderungen wie die – von den Kunden des Handwerks zunehmend erwartete – Ausweitung des vorhandenen Know-hows und der angebotenen Dienstleistungen gehen Hand in Hand mit der Notwendigkeit einer umfassenden Verfügbarkeit und Kontrolle über zwar handwerksspezifische, aber oftmals gewerkeübergreifende Ressourcen, die von einzelnen kleinen und mittleren Handwerksunternehmen nicht, nur unvollständig und/oder nicht kurzfristig ihren Auftraggebern zur Verfügung gestellt werden können. Ein vielversprechender Weg, der u.€ a. zu einer Lösung derartiger Ressourcenprobleme in mittelständischen Unternehmen führen kann, liegt – wie bereits angedeutet – in der Kooperation zwischen kleinen und mittleren Handwerksunternehmen, liegt in der Etablierung regionaler Netzwerke im Handwerk zur gemeinsamen Akquisition und Abwicklung von innovativen Projekten.
1 Das ist ein Stück Zukunft …! Organisation von Expertise
„Das ist ein Stück Zukunft!“ – mit diesen Worten kommentieren Handwerker wiederkehrend sowohl erste Überlegungen, als auch weitergehende konzeptionelle Ansätze und praktische Versuche einer unternehmens- und gewerkeübergreifenden Kooperation und Zusammenarbeit. Werden Handwerker als Initiatoren einer dauerhaft angelegten Zusammenarbeit bzw. als Netzwerkorganisatoren ‚in eigener Sache‘ tätig und knüpfen sie u.€a. Beziehungen zu anderen Handwerksbetrieben, so experimentieren sie immer auch mit einer „kooperativen Organisation von Expertise“ (Sydow et al. 1995, 345). Gleiche und/oder unterschiedliche Gewerke werden projektspezifisch gebündelt, kundenindividuell zusammengestellt, und die Leistungserbringung wird auf mehrere Handwerksunternehmen verteilt. Das Engagement eines Handwerkers zur Gründung einer Kooperation im Handwerk kann – so unsere Erfahrungen
Unternehmenskooperationen und Netzwerke im Handwerk╅╇╛╛245
im Verlauf zahlreicher Beratungsprojekte – unterschiedliche Ursachen haben. Wiederholt wurden entsprechende Initiativen und Aktivitäten mit folgenden Argumenten begründet: 1. Die zunehmende – auch internationale – Konkurrenz durch Großunternehmen. 2. Die Abwicklung von Großaufträgen, die ohne – in der Regel horizontale, das heißt gewerkeinterne – Kooperation nicht realisiert werden können. 3. Die steigenden Ansprüche der Kunden, die zunehmend qualitativ hochwertige und zugleich kostengünstige Leistungen aus einer Hand, mit nur einem Ansprechpartner erwarten. 4. Die Akquisition neuer Kunden und Aufträge durch gegenseitige Vermittlung und Empfehlung (‚Kundenpooling‘) sowie gemeinsame Marketingmaßnahmen. 5. Die Entwicklung weiterer, innovativer und kundenorientierter Dienstleistungen.
Warum Kooperation?
Oftmals ist von der Kooperationsidee bis zum ersten gemeinsamen Projekt ein langer Weg zurückzulegen, der viel Geduld und Durchhaltevermögen bei allen beteiligten Partnern erfordert. Im Verlauf eines derartigen Gründungsprozesses sind zahlreiche Fragen zu beantworten, Probleme zu lösen und Aufgaben abzuarbeiten, auf die im folgenden genauer eingegangen werden soll.
Geduld und Durchhaltevermögen
2 Ziele Kooperationen sind jedoch nicht jedes Handwerkers Sache. Zunächst einmal müssen passende Kooperationspartner gefunden werden, die einerseits das Leistungsspektrum der Kooperation durch ihren Beitrag sinnvoll ergänzen, die andererseits von ihrem unternehmerischen Selbstverständnis und von der Leistungsfähigkeit ihrer Organisation her kooperationsfähig sind und die drittens zur vertrauensvollen Zusammenarbeit in der Lage sind. Von diesen Grundsatzproblemen lassen sich viele Handwerksunternehmer zunächst abschrecken. Sie fürchten den Verlust ihrer unternehmerischen Selbständigkeit, haben Angst vor zusätzlichen und unkalkulierbaren finanziellen sowie administrativen Belastungen und sind selten in der Lage, ein entsprechendes Netz von Partnern aus eigener Kraft und auf eigene Initiative hin zu organisieren. Darüber hinaus muss geklärt werden, welche Rechts- oder Gesellschaftsform eine solche Kooperation haben soll. Hinzu kommt, dass mit der Gründung einer Kooperation die sachlichen Probleme eigentlich erst richtig anfangen. Die Form der Zusammenarbeit, das gemeinsame Generieren von Geschäft, die Vereinheitlichung von Angebot und Kalkulation, der interne Leistungsausgleich bis hin zum gemeinsamen Projektmanagement – für all dies müssen entsprechende Regelungen gefunden und Vereinbarungen getroffen werden.
Was gilt es zu berücksichtigen?
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Leistungen aus einer Hand
P. Flocken, A. Loose
Aber die Betriebe müssen diese Probleme nicht alleine lösen. Sie können sich durch die Möglichkeit regionaler Verbundprojekte Hilfe bei der Gründung einer Kooperation oder für den Einstieg in eine solche verschaffen. Sie erhöhen damit ihre Chancen, in einem längerfristigen Entwicklungsprojekt die Weichen von Anfang an richtig zu stellen und die Grundvoraussetzungen für das spätere Gelingen der Kooperation zu legen. Wichtigstes Ziel einer Handwerkskooperation ist und bleibt es aber, dem Kunden Leistungen aus einer Hand anzubieten und sich so für den Markt im Vergleich zu Einzelkämpfern attraktiver zu machen. Dies erhöht die Zukunftschancen der Betriebe und hilft, dauerhaft Beschäftigung zu sichern.
3 Chancen und Risiken von Unternehmenskooperationen Chancen
Risiken
Dem zuvor bereits erwähnten Wunsch der Kunden nach Leistungen aus einer Hand können derzeit in der Regel nur Großunternehmen entsprechen. Nur diese sind zur Zeit in der Lage, die von den Kunden geforderten ganzheitlichen Dienst- Leistungen zu erbringen. Daher stehen zahlreiche Handwerksbetriebe vor dem Problem, zukünftig einen Großteil ihrer potenziellen Aufträge an Komplettanbieter zu verlieren. Um diesem Trend entgegenzuwirken bzw. um bereits verlorene Marktanteile zurückzugewinnen, eröffnet die zuvor skizzierte gewerkeübergreifende Kooperation oder auch die Zusammenarbeit gleicher Gewerke Handwerksunternehmen die Chance, ihre gemeinsame Konkurrenzfähigkeit zu erhöhen. Zudem bietet eine Kooperation den einzelnen Unternehmen die Chance, am Markt als Komplettanbieter aufzutreten und somit dem Wunsch des Kunden nach Leistungen aus einer Hand zu entsprechen. Ebenso können durch bessere Kapazitätsauslastung und Kostensenkungen sowie durch eine verbesserte Koordination der Leistungserstellung dem Kunden konkurrenzfähige Preise angeboten werden. Darüber hinaus besteht für Kooperationen die Möglichkeit der Akquisition und Abwicklung größerer Projekte, an denen ein einzelner Handwerksbetrieb bisher nur als Subunternehmer beteiligt worden ist (Abb.€1). Neben den zuvor skizzierten Chancen bestehen ebenso Risiken der Zusammenarbeit. Entscheidendes Erfolgskriterium der Zusammenarbeit – rechtlich und wirtschaftlich selbständig bleibender Handwerksbetriebe – ist die Wahl der richtigen Partner. Ein erfolgreiches Agieren am Markt setzt die Fähigkeit und die Bereitschaft der einzelnen Partner zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit sowie den Willen zum gemeinsamen Erfolg voraus. Dies bedeutet insbesondere, dass die gemeinschaftlich vereinbarten Ziele der Kooperation den Eigeninteressen der einzelnen Handwerksbetriebe übergeordnet werden müssen. Zur Sicherung einer dauerhaften Zusammenarbeit ist daher der Abschluss entsprechender Kooperationsvereinbarungen unverzichtbar. Je enger die wirtschaftlichen Verflechtungen der Partner werden, um so detaillierter sollten die Rechte und Pflichten der Partner einvernehmlich vereinbart werden. Grundvoraussetzung einer erfolgreichen Kooperation ist jedoch das Vertrauen der einzelnen Betei-
Unternehmenskooperationen und Netzwerke im Handwerk╅╇╛╛247
Chancen Angebot umfassender und gebündelter Fachkompetenz „aus-einer-Hand“ Zurückgewinnung verlorener und/oder Stabilisierung bedrohter Märkte Erschließung neuer Märkte oder Marktsegmente Gewinnung neuer Kundengruppen durch Kundenzusammenführung Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit Vernetzung von Kompetenzen ermöglicht die Konzentration auf Stärken und eine Substitution von Schwächen Verbesserung der Kapazitätsauslastung Verbesserung des Serviceangebots Kosten- und Effizienzvorteile durch eingespielte Teams Hohes Innovationspotenzial durch gewerkeübergreifenden Austausch
Abb. 1:╇ Chancen von Kooperationen
ligten gegenüber ihren Partnern. Dies gilt im besonderen für das eingebrachte Know-how der Unternehmen und dessen ausschließliche Nutzung zum Vorteil aller Beteiligten. Neben dem Risiko eines Know-how-Verlustes und der damit verbundenen Stärkung eines Konkurrenten – sofern dieser aus der Kooperation ausscheidet oder bewusst eigene, gegen die Kooperation gerichtete Interessen verfolgt – besteht ein weiteres Risikopotenzial in einem Flexibilitätsverlust hinsichtlich der Akquisition und Abwicklung eigener Aufträge. Diese Einschränkung wird jedoch bei erfolgreicher Zusammenarbeit durch den zusätzlichen wirtschaftlichen Nutzen der Kooperation für jeden Partner ausgeglichen (Abb.€2). Erfolgsfaktoren von Kooperationen Eine vergleichende Betrachtung bestehender Kooperationen im Handwerk ermöglicht die Identifikation von zentralen Erfolgsfaktoren derartiger Netzwerke – unabhängig von ihrer konkreten Organisations- und Rechtsform (Abb.€3).
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P. Flocken, A. Loose
Risiken Partnerauswahl Verlust von Know-how an ´Trittbrettfahrer´ und/oder Gefahr der Stärkung eines Wettbewerbers Flexibilitätseinbußen: Aufträge der Kooperation gehen vor! Zusätzlicher Kommunikations-, Abstimmungs- und Organisationsaufwand Fehlendes oder mangelhaftes Kooperations- und Netzwerkmanagement
Abb. 2:╇ Risiken von Kooperationen
Erfolgsfaktoren Räumliche Nähe der kooperierenden Unternehmen (kurze Wege) Vergleichbare Betriebsgröße der Kooperationspartner Externe Moderation sowie Kooperations-, Projekt- und Netzwerkmanagement Frühzeitige Festlegung der (Rechts-) Form der Zusammenarbeit Formulierung einer verbindlichen Kooperationsvereinbarung Festlegung von Geschäftsfeldern sowie Ziel- / Kundengruppen Frühzeitige Einbindung der Mitarbeiter in den Partnerunternehmen Zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit und Vermarktung der Kooperation in der Ziel-Region
Abb. 3:╇ Erfolgsfaktoren von Kooperationen im Bau- und Ausbauhandwerk
Räumliche Nähe der kooperierenden Unternehmen Auch wenn die Globalisierung der Wirtschaft bzw. der Märkte ein aktueller Trend ist, entstehen erfolgreiche Kooperationen in der Regel in einem regionalen Umfeld. Die beteiligten Partner des Handwerks kennen sich durch gemeinsame Aktivitäten und wissen oftmals um ihre Stärken und Schwächen. Hinzu kommt, dass durch die räumliche Nähe Abstimmungsprozesse in Form informeller oder formeller Treffen erleichtert werden und der Zeitaufwand für die Koordination überschaubar bleibt.
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Vergleichbare Betriebsgröße der Kooperationspartner Ein relevantes Problem, welches es beim Aufbau von Kooperationen zu überwinden gilt, ist die Angst vor dem Verlust der unternehmerischen Selbständigkeit der beteiligten Akteure. So wird ein wirtschaftlich dominierender Kooperationspartner von den kleineren Partnern oftmals als Bedrohung empfunden – selbst dann, wenn keine Übernahmeabsichten bestehen. Aus diesem Grund sollten sich vor allem diejenigen Unternehmen vergleichbarer Betriebsgröße zu Kooperationen zusammenschließen, die anschlussfähige Geschäftsprozesse und vergleichbare interne Organisationsstrukturen haben. Externe Moderation sowie Kooperations-, Netzwerk- und Projektmanagement Zur Moderation des Kooperationsaufbaus sollten sich Kooperationen eines externen Prozess- bzw. Projektmanagers bedienen. Ausschlaggebend für die Einbindung eines externen Beraters ist die Tatsache, dass der organisatorische und administrative Aufwand für den Aufbau einer Kooperation vergleichsweise hoch ist und durch die aktuellen Anforderungen des Alltagsgeschäftes oftmals nicht problemlos parallel zu diesem zu leisten ist. Frühzeitige Festlegung der (Rechts-) Form der Zusammenarbeit Eine verbreitete Form der Kooperation im Handwerk ist die Zusammenarbeit unterschiedlicher Gewerke im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften (ARGE) mit dem Ziel der Nutzung von Synergieeffekten. Eine eher dauerhaft angelegte Kooperation sollte demgegenüber frühzeitig – u.€ a. aus Haftungsgründen – eine verbindliche Rechtsform wählen. Auf diesem Wege kann beispielsweise eine höhere Verbindlichkeit geschaffen, können Synergieeffekte effektiver genutzt und Arbeitsabläufe durch regelmäßige Kommunikation zwischen den Partnern (Feedback, konstruktive Kritik) effizienter organisiert werden. Formulierung einer verbindlichen Kooperationsvereinbarung Im Vordergrund der Zusammenarbeit steht auch die dauerhafte Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen. Da die kooperative Zusammenarbeit jedoch veränderte Arbeitsprozesse zwischen den einzelnen Partnern und gegebenenfalls auch in den beteiligten Unternehmen erforderlich macht, ist es von entscheidender Bedeutung für den langfristigen Erfolg einer Kooperation, frühzeitig verbindliche Regelungen der Zusammenarbeit in einer Kooperationsvereinbarung oder einem Kooperationsstatus festzulegen. Auch die Ausarbeitung und Formulierung einer Kooperationsvereinbarung kann durch die Einbindung eines externen Beraters wirksam unterstützt werden. Von der vor-vertraglichen, eher informellen Regelung der Zusammen-
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P. Flocken, A. Loose
arbeit bis hin zur Ausarbeitung gesellschaftsrechtlicher Verträge werden mögliche Interessenkonflikte in der Initiierungs-, Konsolidierungs- und Betriebs-/ Entwicklungsphase einer Kooperation durch einen neutralen Mittler in der Regel einfacher und mit weniger Reibungsverlusten bewältigt. Festlegung von Geschäftsfeldern sowie Ziel-/Kundengruppen Durch das gemeinsame Auftreten am regionalen Markt eröffnen sich für eine Handwerkerkooperation nicht nur neue Nischen und innovative Tätigkeitsbereiche. Ebenso gilt es, weitere Geschäftsfelder kompetent zu besetzen. Um hier vor unangenehmen Überraschungen oder sogar existenzbedrohenden Fehlentscheidungen geschützt zu sein, sollten mögliche Projekte, deren Marktfähigkeit und Auswirkungen auf die Betriebe (z.€B. im Bereich der betriebsinternen Organisation sowie der Qualifizierung) frühzeitig von Experten geprüft werden. Frühzeitige Einbindung der Mitarbeiter in den Partnerunternehmen Eine Kooperation ist nur so gut wie ihr schwächstes Mitglied. Die Idee der kooperativen Zusammenarbeit muss vom Geschäftsführer über die Meister und Gesellen bis zum Lehrling transportiert werden. Nur so werden eine funktionierende Zusammenarbeit, Qualitäts- und Terminsicherheit, effizienter Informationsfluss sowie das Ausschöpfen vorhandener Innovationspotenziale und ebenso ein besseres, effektiveres Kooperationsklima (Netzwerkkultur) möglich. Wesentlich hierbei ist, dass Ziele und Hintergründe der Kooperation allen Mitarbeitern der einzelnen Betriebe mitgeteilt werden und dort offen diskutiert werden können. Die Idee der Kooperation darf nicht auf der Ebene der Geschäftsführung hängen bleiben. Zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit und Vermarktung der Kooperation in der Ziel-Region Auch die beste Kooperation bringt für die Beteiligten kein Mehrgeschäft, wenn sie als Differenzierungsmerkmal gegenüber den Wettbewerbern nicht aktiv und überzeugend in den Markt kommuniziert, an die Kunden herangetragen wird. Dieses Kooperations-Marketing kostet Geld und muss von den beteiligten Kooperationspartnern (vor-) finanziert werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine frühzeitige Berücksichtigung der hierbei entstehenden Kosten und deren gerechte Verteilung auf alle Kooperationspartner.
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4 Literatur Bergdoll RE (1993) Kooperationen in der Bauwirtschaft. RKW-Verlag, Eschborn Handwerk Magazin 08 (1998) zum Thema Kooperation Handwerk Magazin 03 (1999) zum Thema Kooperation Manager Magazin 05 (1998) zum Thema Kooperation Schwarz WU (1998) Strategische Unternehmensführung im Handwerk. Institut für Handwerkswirtschaft, München Sydow J, Windeler A, Krebs M, Loose A, van Well B (1995) Organisation von Netzwerken. Westdeutscher Verlag und Gabler, Opladen Westdeutscher Handwerkskammertag (WHKT): Internetseiten www.whkt.de Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH): Internetseiten www.zdh.de
10 Jahre Unternehmenskooperation im Handwerk – ein Gespräch mit einem verantwortlichen Netzwerker der ersten Stunde Achim Loose
ACHIM LOOSE: Wenn Sie an die Anfangszeit der Raumfabrik zurückdenken: Was waren damals die zentralen Ideen, Erwartungen und Ziele, mit denen Sie in das „Projekt Unternehmenskooperation“ gestartet sind? KLAUS BRAUN: Richtig konkrete Ziele für die Zusammenarbeit gab es damals eigentlich noch nicht. Wir hatten nur die Idee, etwas gemeinsam zu machen. Vorausgegangen war die wiederkehrende Diskussion mit anderen Unternehmern über die gleichen Sorgen und Probleme – z.€B. über Probleme auf den Baustellen, über Kommunikations- und Abstimmungsprobleme, über Probleme bei der anschaulichen Darstellung der eigenen Leistungen u.€v.€a.€m. Unsere ersten Treffen in einer Gaststätte brachten uns bezüglich konkreter Kooperationsziele auch nicht wirklich weiter. Die Fluktuation der Teilnehmer war in der Anfangsphase einfach zu groß, um konkret werden bzw. zielgerichtet arbeiten zu können. Zudem wurden diese Treffen damals weder inhaltlich vorbereitet noch moderiert oder gar dokumentiert, sodass keine strukturierte oder zielführende Arbeit möglich war. Erst als sich im Laufe der Zeit ein fester Kern von Unternehmen gebildet hatte, die regelmäßig und konstruktiv an den Treffen teilgenommen haben, kamen wir in der Sache weiter. Damals entstand als eine unserer ersten konkreten und tragenden Ideen das Konzept zu einer gemeinsamen, gewerkeübergreifenden Ausstellung bzw. Leistungsschau in einem schönen Ambiente. Unsere damaligen Treffen waren aber trotz der fehlenden Zielgerichtetheit irgendwie „nett“ und hatten den Charakter eines freundschaftlichen Treffens. Und dies war rückblickend mindestens ebenso wichtig, wie klare Ziele zu haben. Richtig konkret wurde es erst, als wir auf die Unterstützung von externen Beratern zurückgegriffen haben. Hierdurch entstanden dann die ersten handfesten Ideen zur Verbesserung der Zusammenarbeit bei gemeinsamen Bauprojekten, zur Reorganisation der gemeinsamen Baustellen sowie die Überlegung zu einem gemeinsamen Einkauf. Und dabei standen dann u.€a. die von uns eher ungeliebten Themen Selbstkritik sowie Fremd- und Selbstbild ganz oben auf der Tagesordnung unserer Arbeitstreffen. ACHIM LOOSE: Was ist in den ersten Jahren der Zusammenarbeit besonders gut, was weniger gut gelaufen? KLAUS BRAUN: Am Anfang war bei uns richtig Feuer im Ofen. Alle Partner waren durch die beginnende und sich – mit externer Hilfe – zunehmend kon-
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kretisierende Zusammenarbeit hoch motiviert und engagiert. Die Bereitschaft, die Kosten für eine Anschubfinanzierung zu übernehmen, war gegeben, unsere Partnertreffen waren gut besucht, die eingerichteten Arbeitsgruppen werkelten unter Beteiligung unserer Mitarbeiter konstruktiv an den festgelegten Problemstellungen. Im Vordergrund stand dabei das gemeinsame Bemühen, die Qualität unserer Leistungen zu verbessern und unser Ohr näher an den Wünschen und Problemen unserer Kunden zu haben. Und mit diesen Themen waren wir genau dort, wo der Schmerz beginnt. Denn die Hölle sind ja bekanntlich immer die anderen, aber dass ich auch ein Anderer bin, das mussten viele Kollegen erst einmal begreifen. Denn ein offenes Gespräch über die Dinge, die es zu ändern gilt, und wo jeder einzelne Beweglichkeit bzw. Veränderungsbereitschaft zeigen muss, fällt nicht vom Himmel. Dafür muss erst ein Boden geschaffen werden, so etwas muss sich entwickeln. Am meisten Bewegung, Aktivität und erfolgreiche Veränderung gab es in den 6 oder 7 Jahren zwischen der Gründung der Raumfabrik als GmbH und der Fertigstellung unserer Ausstellung. Hierbei ging es an zentraler Stelle um die Einführung des Kooperationsgedankens bei jedem Partner und allen seinen MitarbeiterIn. Heute stehen manche unserer Partner deutlich besser dar als vor der gemeinsamen Raumfabrik-Zeit, andere stehen nur etwas besser dar und sind damit hinter ihren Möglichkeiten geblieben. Das Maß bzw. die Intensität an individueller Verbesserung ist erkennbar unterschiedlich. Und was die Kooperation heute für diejenigen bedeutet, die sie gegründet haben, ist extrem unterschiedlich. Und das ist auch eines unserer aktuellen Probleme. D.€h. manche Betriebe haben sich durch die Beteiligung an der Unternehmenskooperation völlig verändert, andere sind eher so geblieben, wie sie waren. Und das betrifft im Besonderen die Mitarbeiter. Viele Mitarbeiter denken heute einfach weiter. Sie verfügen zwar nicht über mehr Wissen hinsichtlich ihres jeweiligen Berufsfeldes, aber sie kennen jemanden, der einen kennt – und der es kann! Viele Mitarbeiter sind den Kunden gegenüber einfach fürsorglicher geworden. Die Mitarbeiter sprechen dabei oftmals direkt den Kollegen eines anderen Raumfabrik-Unternehmens bzw. Gewerkes an, wenn bei einem Kunden ein entsprechender Bedarf besteht. Stellt ein Malergeselle beispielsweise fest, dass die Heizung bei einem Kunden tropft, so verständigt er – selbstverständlich in Absprache mit dem Kunden – direkt den Kollegen des zuständigen Gewerks. Die Intensität, wie dies zwischen den Mitarbeitern bzw. Unternehmen stattfindet, dieses gewerkeübergreifende Denken ist allerdings unterschiedlich ausgeprägt. Das ist zum einen natürlich eine Typen- bzw. Persönlichkeitsfrage, zum anderen hängt dieses Engagement davon ab, wie der einzelne Partner seinen firmenspezifischen Erfolg mit Blick auf eine gelingende Zusammenarbeit mit seinen Kollegen beurteilt. Und das ist eben bei unseren Mitgliedsunternehmen ganz unterschiedlich und abhängig davon, wie sie die anderen Partner bei ihren Aufträgen mit ins Spiel bringen können. ACHIM LOOSE: Was waren (sehr) positive, was (eher) negative persönliche Erfahrungen mit ihren Kooperationspartnern? KLAUS BRAUN: Zunächst möchte ich hierzu anmerken, dass man sich im Rahmen einer solchen Kooperation, wie wir sie hier bei der Raumfabrik ha-
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ben, sehr intensiv kennen lernt. Dazu gehört es natürlich auch, dass die weniger erfreulichen Eigenschaften und Charakterzüge der Partner deutlich werden. Und aus dieser Nähe ergeben sich natürlich Vorteile und Probleme für die Zusammenarbeit. Vorteilhaft ist es beispielsweise, dass man die Partner besser einschätzen kann und die gegenseitigen Erwartungen verlässlicher werden. Nachteilig ist es, dass man eben auch mit den Macken der Partner leben muss, diese zu akzeptieren hat. Allerdings hat noch kein Partner die Kooperation aus derart persönlichen Gründen verlassen (müssen). Der menschliche Faktor war bisher kein Austrittsgrund. Allerdings – so meine feste Meinung – ist Toleranz eine zentrale Eigenschaft für jeden Kooperationspartner und eine Grundbedingung für jede gelingende Zusammenarbeit. Vielmehr ergeben sich zentrale Probleme der Zusammenarbeit aufgrund der unterschiedlichen Betriebsgröße der Partner. Ein Unternehmen mit ca. 30 Mitarbeitern und ein Alleinunternehmer sprechen oftmals mit den gleichen Worten über völlig unterschiedliche Dinge. ACHIM LOOSE: Was hat sich in ihrem Unternehmen durch das aktive Engagement in einem Unternehmensnetzwerk alles verändert bzw. verändern müssen? KLAUS BRAUN: Alle Personen – von der Geschäftsführung bis zum Auszubildenden – sind in unserem Unternehmen breiter aufgestellt. D.€h. sie kümmern sich um fast alles. Und das können wir nur, weil wir zuverlässige Partner im Rücken haben. Das hat sich bei uns im Unternehmen sicherlich derart positiv entwickeln können, weil wir regelmäßig Teamgespräche bei uns führen und hierbei so etwas natürlich zum Thema machen. Da werden Pommes und Hähnchen gegessen und da wird gesprochen – natürlich auch über unsere Probleme, Verbesserungsmöglichkeiten auf den gemeinsamen Baustellen bzw. bei den Bauprojekten etc.. Und auch wenn dabei nicht immer nur konkret über unsere Arbeiten und Projekte gesprochen wird, hat sich dieses Teamtreffen als sehr vernünftig erwiesen. ACHIM LOOSE: Gibt es besondere (interne) Mindest- oder Qualitätsstandards, die für alle Mitglieder der Raumfabrik verbindlich sind? KLAUS BRAUN: Hinsichtlich der Teamgespräche kann ich nur sagen, dass wir zwar innerhalb der Raumfabrik mehrfach darüber gesprochen haben und wir auch eine entsprechende interne Empfehlung formuliert haben, dass dies aber nicht bei allen Unternehmen umgesetzt worden ist. Über weitere Standards diskutieren wir auf unseren Treffen regelmäßig und haben uns 2009 dazu entschlossen, die von INQA-Bauen1 eingeführte Zertifizierung CASA-bauen durchzuführen und uns auf der Internetseite www.gute-bauunternehmen.de listen zu lassen. ACHIM LOOSE: Welche Bedeutung kommt den Mitarbeitern für eine gelingende Zusammenarbeit im Netzwerk zu? Gibt es eine Phase der Netzwerkentwicklung, in der die Mitarbeitern besonders wichtig sind? KLAUS BRAUN: Ohne eine frühzeitige Beteiligung der Mitarbeiter und ihre Bereitschaft zur aktiven Zusammenarbeit mit den Kollegen aus den anderen Unternehmen wird das ganze Kooperationsprojekt nichts. Wenn die Mitarbeiter nicht wollen, wenn sie nicht mitgenommen werden können, dann scheitert 1╇Näheres
hierzu unter www.inqa-bauen.de
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das Netzwerk! Den Mitarbeitern muss verdeutlicht werden, warum und wie sie von der Zusammenarbeit profitieren können – und wenn es dabei um die Existenzsicherung des eigenen Betriebes geht. Die gelingende Einbindung der Mitarbeiter bleibt zudem ein ständiges, erfolgsrelevantes Thema für die Kooperation. Hierbei hat es bei uns durchaus Phasen besserer und schlechterer Einbindung, Beteiligung, Motivation etc. gegeben. Das merkt man insbesondere an dem Klima auf den gemeinsamen Baustellen. An dem Gefühl der Gemeinschaft, an der Zugehörigkeit zu etwas Besonderem muss ständig gearbeitet werden. Dieses „Gefühl“ erzeugt sich nicht von alleine und wird schnell alltäglich. Das Miteinander der Mitarbeiter muss – z.€B. durch regelmäßige Mitarbeiterveranstaltungen – gepflegt werden. ACHIM LOOSE: Wenn Sie aktuell nochmals eine Unternehmenskooperation gründen würden: Was machen Sie auf Basis ihrer heutigen Erfahrungen anders als vor 10 Jahren? KLAUS BRAUN: Ich würde mir mit Blick auf die Köpfe, auf die Personen und Charaktere durchaus wieder ähnliche Kooperationspartner suchen. Die Partner sollten aber – wenn möglich – die gleiche oder zumindest eine sehr ähnliche Betriebsgröße haben. D.€h. zwischen 3 und 10 Mitarbeiter. Herausfallen würden aus meiner heutigen Sicht Einzelkämpfer bzw. Meister mit nur einem Gesellen sowie Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern. Bei den Einzelkämpfern fehlt es zumeist an der notwendigen Flexibilität bei der Abwicklung von Aufträgen – wenn z.€B. einmal schnell eine Lösung her muss. Bei den größeren Unternehmen besteht hingegen die Notwendigkeit, mehr Mitarbeiter dauerhaft finanzieren zu müssen. Der richtigen Betriebsgröße würde ich heute also deutlich mehr Aufmerksamkeit schenken, als wir das damals getan haben. Erstes Auswahlkriterium wären die Unternehmertypen, zweites Kriterium die Betriebsgrößen. Ich würde zunächst – wie damals schon – diejenigen Unternehmer ansprechen, die mir sympathisch sind und von denen ich halbwegs verlässlich sagen kann, dass sie ordentliche Arbeit abliefern. Und im Gespräch würde ich dann versuchen, Unternehmensgröße, Tätigkeitsschwerpunkte, Qualifizierungsstand und Altersstruktur der relevanten Personen in Erfahrung zu bringen. D.€h. auch das Thema Unternehmensnachfolge spielt, in Abhängigkeit von dem Alter der Geschäftsführung und der Mitarbeiter, eine wichtige Rolle im Rahmen des Engagements in einer Kooperation. ACHIM LOOSE: Wann ist eine Unternehmenskooperation wie die Raumfabrik erfolgreich? Woran machen Sie den Erfolg des Netzwerkes im Einzelnen fest? KLAUS BRAUN: An erster Stelle möchte ich das „Rundum-sorglos-Paket“ für unsere Kunden nennen. Alles – und dies aus einer Hand! Der Mehrwert für den Kunden ist die Beauftragung nur einer Firma für die unterschiedlichen (Bau-)Leistungen. Denn gute Arbeit, Qualität und Kundenorientierung werden heute von jedem Unternehmen – auch von Einzelkämpfern – erwartet. Aber diesen besonderen Service, diese umfassende Beratung und Betreuung muss der Kunde bei der Abwicklung der Baumaßnahmen auch fühlen bzw. erfahren. Das darf nicht nur auf dem Papier, das muss bei jedem Bauprojekt im Vordergrund stehen. Wir müssen bei unseren Kunden das Gefühl rüberbringen, dass er bei uns gut aufgehoben ist.
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ACHIM LOOSE: Was würden Sie anderen mittelständischen Unternehmern, die sich in einem Unternehmensnetzwerk bzw. einer -kooperation engagieren wollen, mit auf den Weg geben wollen? KLAUS BRAUN: Grundsätzlich würde ich jedem kooperationsinteressierten Unternehmer sagen: Das lohnt sich auf jeden Fall! Ganz egal, wie sich das Netzwerk und die Zusammenarbeit konkret entwickeln werden, denn jeder für sich kann daraus eine Menge ziehen bzw. lernen. Auch wenn er – aus welchen Gründen auch immer – kein dauerhafter Kooperationspartner bleiben sollte, er wird sich, seine Mitarbeiter, sein Unternehmen dadurch verändern und entwickeln. Im Besonderen in die Richtung, kooperativ(er) zu arbeiten. Zudem sollte man den Zeitaufwand für das Engagement in einer Kooperation nicht unterschätzen. Wenn man ein eher engagierter Kooperationspartner sein will, dann ist dieser Aufwand in der Regel nicht unerheblich. Rückblickend würde ich sagen ¾ bis 1 Tag in der Woche. Wobei dieser Aufwand ja nicht ‚en bloc‘ anfällt, sondern sich zusammensetzt aus den Aufgaben der Geschäftsleitung, der Beteiligung an Arbeitsgruppen, der Bauprojektleitung etc. Und dazu muss man eben auch bereit sein, und bereit ist man immer dann, wenn dabei dauerhaft etwas für mich bzw. jeden Kooperationspartner herausspringt. ACHIM LOOSE: Herr Braun, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
KOOP- bauen – Eine INQA-Bauen-Praxishilfe für die erfolgreiche Organisation von Kooperationen in der Bauwirtschaft Peter Flocken, Ingo Dammer
Das Kompetenzzentrum Netzwerkmanagement koordiniert und moderiert seit 2008 das regionale INQA-Bauen-Netzwerk „Gutes Bauen in NRW“. Aus der Zusammenarbeit mit den Partnern der Bauwirtschaft, die sich als Netzwerkmitglieder an der INQA-Bauen-Initiative beteiligen, ist unter Leitung des KNM ein neues Instrument für kleine und mittlere Betriebe der Bauwirtschaft entstanden. Es unterstützt sie dabei, die Zusammenarbeit in Kooperationen zielorientiert und effizient zu gestalten. Das Instrument ist auf Bau- und Handwerksunternehmen zugeschnitten, die sich in der Planungs- bzw. Gründungsphase einer Kooperation befinden und die grundlegenden Fragen nach der Wahl geeigneter Partner, der passenden Rechtsform, dem gemeinsamen Leistungsspektrum, der Finanzierung usw. aktuell bearbeiten (wollen). Es bietet aber auch erfahrenen Kooperationsunternehmen einen umfassenden Katalog von Checkpunkten und Anregungen, um die Prozesse in einer bestehenden Kooperation zu verbessern, neue Geschäftsfelder zu erschließen usw.
1 Was ist KOOP-bauen?
Neues INQA-Tool „KOOP-bauen“
Zwei Zielgruppen
260 Kostenloser OnlineSelbstcheck
P. Flocken, I. Dammer
KOOP-bauen ist ein Online-Selbstcheck, mit dessen Hilfe Unternehmen, die sich für das Thema Netzwerke und dauerhafte Zusammenarbeit mit festen Partnern interessieren, ihre Planungen und Maßnahmen schrittweise angehen und vervollständigen können. Sie erhalten dabei wichtige Impulse und Orientierungshilfen, wenn sie • den Aufbau oder die Mitwirkung an einer Kooperation planen, • Management und Geschäftsprozesse für ihre Kooperation ausweiten oder verbessern wollen, • die Qualität der gemeinsamen Leistungsprozesse sichern oder verbessern wollen.
2 Wie funktioniert KOOP-bauen? Gliederung
KOOP-bauen ist übersichtlich in drei Bausteine zu jeweils sieben Arbeitsthemen untergliedert. Das Instrument deckt sowohl die wesentlichen Aspekte der Kooperationsplanung als auch Details der operativen Leistungserbringung ab, wobei für fast alle Themen Arbeitshilfen hinterlegt sind, die die Unternehmen bei der konkreten Umsetzung unterstützen. Die Bausteine: • A. Gründung der Kooperation: gibt wichtige Hinweise, welche Fragen in der Planungs- und Gründungsphase zu bedenken sind. • B. Organisation der Kooperation: gibt wichtige Hinweise für die Gestaltung des inneren Aufbaus und für das Management der Kooperation. • C. Organisation der gemeinsamen Baustellen: gibt wichtige Hinweise für Planung, Koordination und Ausführung der gemeinsamen Bauleistungen.
3 x 7 Impulse für erfolgreiches Kooperieren
Individueller Handlungsplan als Ergebnis
Jeder Baustein ist in sieben Schritte unterteilt, die aufeinander aufbauen. In jedem der jeweils sieben Schritte kann das kooperationsinteressierte Unternehmen die Qualität und die Reichweite seiner Planungen und Maßnahmen beurteilen, indem es bewertet, ob die zu den einzelnen Schritten gehörenden Impulse, Fragen und Aufgabenstellungen angemessen berücksichtigt wurden. Kooperationserfahrene Unternehmen können das bisherige eigene Vorgehen mit den in KOOP-bauen vorgeschlagenen Maßnahmen vergleichen, um zu ermitteln, ob Handlungsbedarf für aktuelle Kooperationsaufgaben besteht. Dabei können die besonderen Stärken der eigenen Planungen bzw. des eigenen Vorgehens, die gezielt ausgebaut werden sollen, hervorgehoben werden. Auf diese Weise entsteht durch die Arbeit mit KOOP-bauen ein individueller Handlungs- oder Maßnahmeplan für die eigene Kooperationsarbeit, der dem jeweiligen Entwicklungsstand angemessen ist.
KOOP- bauen – Eine INQA-Bauen-Praxishilfe für die erfolgreiche╅╇╛╛261
KOOP-bauen unterstützt die sorgfältige Planung der Kooperationsarbeit durch erprobte Praxishilfen. Zu nahezu allen Impulsen der drei Bausteine stellt KOOP-bauen weiterführende Orientierung und Anleitung durch Checklisten und Arbeitsblätter zur Verfügung, die der jeweilige Nutzer seinen Bedarfen entsprechend anpassen und für die eigene Kooperationspraxis verwenden kann.
3 Das Ziel: Wettbewerbsfähigkeit durch Qualität Im Rahmen der bundesweiten Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) entstanden, verfolgt KOOP-bauen in seinem Themenbereich selbstverständlich auch das übergeordnete Ziel dieser Initiative: die kontinuierliche Verbesserung der Qualität, und zwar sowohl hinsichtlich der abgelieferten Leistung als auch – eng damit zusammenhängend– hinsichtlich der Prozesse der Leistungserbringung, also hinsichtlich der Betriebsorganisation, der Führung, der Kommunikation, der Gesundheitsprävention usw. Um hier eine sinnvolle Einheitlichkeit zu wahren, ist KOOP-bauen eng mit den bereits seit einiger Zeit zur Verfügung stehenden INQA-Bauen-Referenzinstrumenten KOMKO-bauen, Check-bauen und insbesondere CASA-bauen abgestimmt. Kontinuierliche Qualitätsverbesserung ist dabei kein Selbstzweck, sondern das zentrale Mittel zu Erhalt bzw. Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit gerade für kleine und mittlere Unternehmen aus Handwerk und Bauindustrie. Denn der große Zukunftsmarkt der Branche, das nachhaltige Bauen und Sanieren, verlangt den Unternehmen eine beachtliche Bereitschaft zu Modernisierung, Lernen und Entwicklung ab, technisch-fachlich ebenso wie strategisch. Ganz wesentlich wird die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe von ihrer Kundenorientierung abhängen, also von ihrer Fähigkeit, auf Kundenwünsche einzugehen, Kunden kompetent und zufriedenstellend zu beraten und die Vorhaben
Weiterführende Arbeitshilfen
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P. Flocken, I. Dammer
kundenfreundlich auszuführen. In diesem Zusammenhang werden Kooperationen immer attraktiver, da sie den wachsenden Kundenwunsch nach Leistungen ‚aus einer Hand‘ erfüllen. KOOP-bauen berücksichtigt daher systematisch die grundlegenden kommunikativen und praktischen Anforderungen an eine gelingende Kundenbeziehung. INQA-Bauen steht auch für die Chance, die Qualitäts- und Kundenorientierung von Unternehmen sichtbar zu machen, am Markt zu kommunizieren und damit in einen direkten Wettbewerbsvorteil umzumünzen. So können Unternehmen, die den Selbstcheck CASA-bauen durchgeführt haben, sich auf der bundesweiten Plattform „Gute-Bauunternehmen.de“ listen lassen; Kunden finden dann problemlos Betriebe in ihrer Region, die sich einem bestimmten Qualitätsstandard verpflichtet haben. Die Anbindung von Kooperationen, die KOOP-bauen als Selbstcheck durchgearbeitet haben, an diese Plattform ist in Planung. Das KNM bietet außerdem vertiefende Schulungen für kooperationswillige oder bereits kooperierende Unternehmen an, die KOOP-bauen besonders effizient einsetzen wollen. KOOP-bauen ist kostenlos zugänglich unter www.inqa-bauen.de, wo auch allgemeine Informationen über Philosophie, Aktivitäten und Partner von INQABauen zu finden sind, oder direkt unter www.koop-bauen.de.
Vernetzt – Kooperationen in der Textil- und Bekleidungsindustrie Thomas Becker
1 Ausgangslage in der Textil- und Bekleidungsindustrie Es gibt wenige Branchen, die so tief greifend und nachhaltig von einem radikalen Strukturwandel betroffen waren und sind wie die Textil- und Bekleidungsindustrie; Nähmaschinen können eben auch in Nordafrika, Indien oder Rumänien von Näherinnen bedient werden. Nur wenige Unternehmen der Bekleidungsindustrie haben in der Folge den Wandel überlebt, und diejenigen, die bis heute am Markt bestehen, sehen sich auch weiterhin einem verschärften internationalen Wettbewerbsdruck ausgesetzt, auch zurzeit werden weitere Arbeitsplätze abgebaut. Heute sind in einigen Regionen Deutschlands die Folgen sichtbar: wo in den Sechziger Jahren noch Hunderte arbeiteten, liegen heute Industriebrachen, oft in zentralen Lagen der betroffenen Städte. Betroffen sind allerdings nicht die Ballungsgebiete, sondern oft ländlich geprägte Räume, der Strukturwandel in diesen Branchen vollzog sich deshalb weitestgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit (Abb.€1).
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T. Becker
Entwicklung der Zahl der Betriebe. Beschäftigten und des Gesamtumsatzes im Textil- und Bekleidungsgewerbe des Regierungsbezirks Münster 1980 150
1980 = 100
125
100
75
50
25
0 1980 1982
1984 Betriebe
1986
1988 1990 Jahr Beschäftigte
1992
1994
1996
1998
Gesamtumsatz
Quelle: LDS NRW
Abb. 1:╇ Betriebe, Beschäftigte und Gesamtumsatz (aus: Becker/Reckfort 2001)
Hoher Veränderungsdruck
Die Branche steht nach wie vor unter hohem Veränderungsdruck, der durch zunehmenden internationalen Wettbewerb ausgelöst wird. Zusätzlich stehen Textil- und Bekleidungsindustrie vor der Herausforderung, sich immer weiter verkürzenden Innovationszyklen stellen zu müssen. In der Bekleidungsindustrie beobachten wir mehr Kollektionen pro Jahr, neue Stoffe und Ausrüstungen bei gleichzeitig hohem Preisdruck am Markt, der durch den Handel weiter unterstützt wird. Auch die Textilindustrie folgt verkürzten Innovationszyklen, die Produktentwicklung orientiert sich an den Entwicklungsstandards der Kundenmärkte wie z.€B. der Automobilindustrie. Das gilt sowohl für Qualität und Innovationsgeschwindigkeit als auch für technischen Standard. In diesem Umfeld suchen Betriebe der Textil- und Bekleidungsindustrie gleichermaßen zunehmend Kooperationsmöglichkeiten. Dabei sind sowohl horizontale als auch vertikale Kooperationen von strategischem Interesse. In horizontalen Kooperationen bündeln Einzelunternehmen z.€B. Entwicklungskapazitäten, um schneller und flexibler auf Markterfordernisse reagieren zu können. Beispiele sind darüber hinaus auch Innovationszirkel, die – häufig in Branchenclustern zu beobachten – Erfahrungswissen der Einzelunternehmen bündeln und so Wissenstransfer auf verschiedenen Ebenen sicherstellen. Oft sind solche Zirkel auch informell organisiert, als Erfahrungsaustausch auf Branchentreffen, regelmäßigen Austauschen zwischen benachbarten Unternehmen und ähnlichen Kooperationsformen. Organisatorisch sind solche In-
Vernetzt – Kooperationen in der Textil- und Bekleidungsindustrie╅╇╛╛265
formations-Kooperationen meistens eingebunden in Strukturen der regionalen
Wirtschaftsförderung oder der Wirtschaftsverbände. Vertikale Kooperationsformen dienen vor allem der Prozessoptimierung entlang der Wertschöpfungsstufen in der textilen Kette mit dem Ziel, höhere Gewinne abschöpfen oder zumindest auf den zunehmenden Preisdruck reagieren zu können.
2 Arbeitsorientierte Modernisierung in Kooperationen – ein Beispiel aus der Textil- und Bekleidungsindustrie Im Folgenden wird beispielhaft eine vertikale Kooperation vorgestellt, die im Rahmen des europäischen Programms ADAPT aufgebaut wurde, als vertikale Kooperation lässt sich die Kooperation in das Supply-Chain-Management einordnen. Das Projekt TexNet wurde mit Mitteln des Landes NordrheinWestfalen und der Europäischen Union finanziell unterstützt. Im Zentrum der Betrachtungen sollen vor allem die gewählten Kooperationsformen und die Organisation der Kommunikationsbeziehungen stehen. Das Projekt wurde erfolgreich beendet, eine dauerhafte Kooperation konnte aufgrund der damaligen Marktentwicklung nicht erreicht werden. Ziel der Kooperation war der Aufbau einer Informationsplattform für die Herstellung von ökologisch produzierter Bekleidung und Heimtextilien. Dabei sollten zum einen die Speicherung und Bereitstellung von Informationen entlang der Herstellungskette für interne Zwecke als auch die Präsentation von kundenrelevanten Daten am Verkaufsdisplay sein (z.€B. Herkunftsort von Faser und Kleidungsstück, Inhaltsstoffe, Hinweise für Allergiker etc.). An diesem Projekt beteiligten sich ein deutscher Spinn- und Webereibetrieb, ein Hersteller von ökologischen Damen- und Kinderkollektionen, ein Lieferant von ökologischen Farbstoffen für die Textilindustrie, weitere Bekleidungs- und Heimtextilunternehmen, die meisten von ihnen aus der traditionellen Textilregion des westlichen und nördlichen Münsterlandes. Aufgrund des erfolgreichen Verlaufs wurde der internationale Anteil dieses EU-Projekts durch die nationale Koordinierungsstelle als best-practise Beispiel ausgewählt. Der engere wirtschaftliche Verbund war ebenfalls als regionales Projekt auf der EXPO 2000 in Hannover vertreten. Neben der Orientierung an ökologischen Produkten waren auch Erfahrungsaustausch in Bezug auf die Einführung von elektronischem Geschäftsverkehr und die Nutzung von internationalen Standards Gegenstand der Kooperation. Auch wenn die Zusammenarbeit nach Projektende aufgrund veränderter Rahmenbedingungen nicht fortgeführt werden konnte, lassen sich jedoch einige Erfahrungen beim Netzwerkaufbau verallgemeinern und als Wissensressource für neu zu etablierende Kooperationen nutzen. Unter Hinzuziehung qualifizierter, mit den besonderen Anforderungen der Branche vertrauter externer Berater sollten im Rahmen der Kooperation:
Ziel der Kooperation
Erfahrungen
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– Informationsdefizite über die Nutzungspotentiale des Electronic Commerce (EC) abgebaut, – über die neuesten EC-Entwicklungen in der Textilwirtschaft, aber auch in anderen Wirtschaftsbereichen informiert, – interessierte Unternehmen individuell bei der rationalen Entscheidungsfindung über die Einführung von EC-Anwendungen unterstützt, – qualifiziertes technisches und organisatorisches Know-how für die erfolgreiche Umsetzung von EC-Anwendungen bereitgestellt und – die von den technologischen Neuerungen berührten Beschäftigten bereits im Vorfeld sowie in der Einführungsphase durch geeignete Qualifizierungsmaßnahmen auf die neuen Arbeitsanforderungen vorbereitet werden. Einen direkten praktischen Wettbewerbsvorteil versprachen sich die beteiligten Unternehmen vom Aufbau einer webbasierten Datenbank, die Informationen entlang der textilen Kette aufnehmen und darstellen sollte (Abb.€2):
Abb. 2:╇ Screenshot der webbasierten Datenbank für den Informationsaustausch entlang der textilen Kette Bestandteile des Projektes
Ein wesentlicher Bestandteil des Projektes war somit die Einführung von Systemen, mit denen in den beteiligten Unternehmen EDI eingesetzt werden konnte. Dieser elektronische Austausch von Geschäftsdaten (Electronic Data Interchange, EDI) ist eine Form der Kommunikation, bei der kommerzielle und technische Daten zwischen Computern bzw. Anwendungsprogrammen verschiedener Geschäftspartner unter Anwendung offener elektronischer Kommunikationsverfahren ausgetauscht werden. Die Einführung von EDI im Rahmen des Projektes verlief auf zwei Ebenen:
Vernetzt – Kooperationen in der Textil- und Bekleidungsindustrie╅╇╛╛267
1. die Anpassungen, Integration und Testphase für eigenständige EDI-Lösungen und die dazu notwendige begleitende Qualifizierung und 2. die Begleitung der Kooperationspartner, die eine firmenübergreifende Kommunikation für die Vermarktung neuer Produkte geplant hatten. EDI ermöglicht es den beteiligten Unternehmen, strukturierte Geschäftsdaten zwischen verschiedenen Computern so auszutauschen, dass diese von der Anwendung des empfangenden EDI-Partners direkt und in vielen Fällen automatisch verarbeitet werden können. Strukturierte Geschäftsdaten sind Informationen, die sich in Form von Formularen abbilden lassen und z.€B. in der textilen Kette zwischen den verschiedenen Fertigungsstufen – vom Spinnen bis zum Handel – ausgetauscht werden, zum Beispiel Rechnungen, Bestellungen, Lieferscheine, Lieferbestätigungen u.€a. Diese Dokumente lassen sich durch EDI-Systeme elektronisch austauschen und ohne manuelle Eingriffe direkt verarbeiten. EDI ist also ein Teilaspekt des elektronischen Geschäftsverkehrs, der auch in Deutschland immer mehr Verbreitung findet. Um diese Art des Datenaustausches zu gewährleisten, werden standardisierte Datenformate genutzt, die die Strukturen für die Darstellung und Übermittlung der Informationen bilden. EDIFACT (Electronic Data Interchange For Administration, Commerce and Transport) stellt dabei einen weltweit gültigen, branchenübergreifenden Standard dar. Neben EDIFACT existieren noch eine Vielzahl von so genannten Subsets, exakt definierte Untermengen, die lediglich nationale oder branchenweite Bedeutung besitzen, zum Beispiel EDITEX, der besonders in der Textilbranche eine weite Verbreitung gefunden hat. Falls EDI so im Unternehmen eingeführt wird, dass es in bestehende Strukturen integriert wird, können optimierte Geschäftsprozesse modelliert werden, die dem bisherigen Informationsaustausch auf Papier überlegen sind. Die Umsetzung eines EDI-Projekts ist daher allerdings oft auch Auslöser für eine notwendige Reorganisation bestehender Geschäftsprozesse.
3 Erfolgsbedingungen für Kooperationen Die vorgestellte Kooperation wurde begleitet durch ein externes Unternehmen, das für das Projektmanagement verantwortlich war, die notwendigen Umstrukturierungen mit den Unternehmen analysierte und notwendige Qualifizierungsmaßnahmen plante und durchführte. Auf regelmäßigen Treffen mit den beteiligten Partnern konnte der Projektfortschritt kontrolliert und notwendige Maßnahmen erarbeitet werden. Ein Hauptteil der formalen Kommunikation lief allerdings über das Projektbüro. Die Auswahl der Kooperationspartner orientierte sich dabei an bereits bestehenden Geschäftsbeziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen und strategischen Gesichtspunkten. Ausgangspunkt für Kooperationen ist in allen Fällen ein klar definiertes Ziel für die Zusammenarbeit; dabei bleibt festzuhalten, dass der Nutzen für die einzelnen Kooperationspartner klar beschrieben werden muss. Auch in der hier vorgestellten Kooperation konnten alle Akteure beobachten, dass der aus-
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schlaggebende Punkt für eine Beteiligung der Einzelunternehmen vornehmlich im besten Sinne egoistische Interessen waren: Teilhabe an innovativen Entwicklungen wie der Einführung von elektronischem Geschäftsverkehr, Qualifikationsgewinn für die eigene Organisation, Imagegewinn und die Festigung von Geschäftsbeziehungen waren einige Ziele, die von den Beteiligten genannt wurden. Im vorgestellten Projekt konnte verfolgt werden, dass die Intensität der Kooperation nachließ, sobald Ziele der Einzelorganisationen erfüllt schienen: Einige Einzelunternehmen, die ihre Ziele erfüllt sahen, verließen die Kooperation oder reduzierten die Intensität ihrer Beteiligung. Aufgabe des Kooperationsmanagement ist vor dem Hintergrund dieser Beobachtungen die fortlaufende transparente Neudefinition von Zielen in Zusammenarbeit mit den relevanten Akteuren. Wichtig erscheint vor dem Hintergrund der Erfahrungen die klare Unterscheidung von kurzfristigen operationalen Zielen und langfristigen strategischen Zielen. Ausgangspunkte der Kooperation
Ausgangspunkt für Kooperationen sind stets die individuellen Interessen der beteiligten Partner. Dabei kann in der Praxis auch zwischen persönlichen Zielen der individuellen Akteure und strategischen Zielen der beteiligten Organisationen unterschieden werden. Insbesondere weil die Personaldecke in den beteiligten Betrieben ausgesprochen dünn war, standen nur begrenzt Personalressourcen für die eigentliche Verbundarbeit zur Verfügung. Alle am Netzwerk beteiligten Personen aus den Unternehmen standen erheblich unter Zeitdruck, der sehr stark durch das Tagesgeschäft bestimmt war. Arbeit für die Kooperation, d.€h. die Planung und Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen, die Teilnahme an Treffen der Steuerungsgruppe, die Erhebung und Analyse der Daten, die für das Informationssystem notwendig waren, all diese Aktivitäten rangierten auf der Wichtigkeitsskala der Unternehmen eher am unteren Ende, weil sie durch die vordergründige Wichtigkeit – suggeriert durch die Dringlichkeit – des Tagesgeschäfts in den Hintergrund traten. Kurzfristige Ziele überlagerten langfristige Strategien, eine Verhaltensweise, die als eine Form von „defensiven Routinen“ viele Organisationsentwicklungsprojekte beeinflusst. Voraussetzung für die erfolgreiche Zusammenarbeit im Rahmen des Netzwerks war auf der anderen Seite die Organisation als vertikale Kooperation, d.€h. im Rahmen der Zusammenarbeit musste auf direkte Wettbewerbssituationen zwischen den Kooperationspartnern keine Rücksicht genommen werden. Solche Wettbewerbssituationen können den Aufbau von öffentlichem, d.€ h. allen Partnern zugänglichem, Netzwerkwissen behindern, indem relevante Informationen zurückgehalten werden, insbesondere dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – gemeinsam auch Produktentwicklung betrieben werden soll, was eben auch die gemeinsame Nutzung von technischem und EntwicklungsKnow-how beinhaltet. Im vorgestellten Verbund gab es hingegen nur geringfügige Überschneidungen im Angebot der beteiligten Unternehmen, so dass Wettbewerbsprobleme keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielten. Die beteiligten Unternehmen standen auch vor der Etablierung des Verbundes in Geschäftsbeziehungen zueinander, so dass die Hauptakteure bereits auf eine gemeinsame Geschichte zurückblicken konnten und weitgehend vertrauens-
Vernetzt – Kooperationen in der Textil- und Bekleidungsindustrie╅╇╛╛269
voll (d.€h. oft, die Beteiligten wissen, wie ihre Partner in verschiedenen Situationen wahrscheinlich reagieren werden) miteinander umgehen konnten. Diese Beobachtung deckt sich auch mit Erfahrungen aus anderen Kooperationen: Kooperationen etablieren sich häufig aus bestehenden Beziehungen zwischen einzelnen Akteuren. Das bereits bestehende Vertrauen dient als Grundlage für eine Kooperation der beteiligten Organisationen. So auch Siebert (2010, 12): „Erstes Hierarchiemerkmal von Unternehmensnetzwerken ist Vertrauen zwischen den Netzwerkpartnern und der erklärte Verzicht auf die Realisation eigener Vorteile auf Kosten von Partnerunternehmen.“ Das hat für die praktische Netzwerkarbeit im Wesentlichen zwei Konsequenzen, (a) sichert eine solche gemeinsame Vorgeschichte den Kooperationserfolg und (b) ist es Aufgabe eines Netzwerkmanagements, auf der einen Seite die Beziehungen zu etablieren, auf der anderen Seite aber die Kooperation organisatorisch so weit zu etablieren, dass sie unabhängiger von individuellen Beziehungen werden kann. Damit wird auch eine langfristige Kooperationsbeziehung unterstützt. Umgekehrt konnte in der praktischen Arbeit festgestellt werden, dass häufig informelle Informationswege benutzt wurden, sicherlich mit dem Ziel, Informationswege abzukürzen, allerdings mit der Konsequenz, dass Netzwerkmanagement und nicht direkt beteiligte Partner nicht immer auf dem aktuellen Stand einzelner Projektentwicklungen gewesen sind. Insbesondere die Kernakteure, die bereits persönliche Beziehungen hatten, nutzen diese informelle Kommunikation im Netzwerk. Letztlich bleibt mit Kadritzke (1999, 84) festzustellen: „Auch wenn in den neuen, hybriden Organisationsformen Markt und Hierarchie auf neue Weise zusammenspielen, sind – zumal auch Märkte keine machtfreien Räume sind – moderne Unternehmensnetzwerke durch Herrschaft gekennzeichnet.“ Gerade in vertikal aufgebauten Kooperationen sind traditionelle Abhängigkeiten zwischen den beteiligten Organisationen als latente Systemstrukturen vorhanden, besonders wenn die Kooperationen, wie im vorliegenden Fall, aus bereits bestehenden traditionellen Geschäftsbeziehungen entstanden sind. Dabei spielen nach wie vor wirtschaftliche Interessen der Einzelunternehmen die entscheidende Rolle. Dass Kooperationsstrukturen trotzdem erfolgreich umgesetzt werden, ist demnach auch unter dem Gesichtspunkt der damit verbundenen Transaktionskosten erklärbar. Macht ist dennoch ein entscheidender Faktor innerhalb von Kooperationen: „Die wirtschaftlichen Kalküle und die Mechanik der Macht sind selbst nicht mehr in freundlichen Netzwerken zu zähmen. Letztlich erweisen sich dezentrale Strukturen und Unternehmensnetzwerke als fremdbestimmte und flexible Organisationslösungen, deren Autonomiespielräume […] wohl dosiert und auf Abruf gewährt sind.“ (Kadritzke 1999,€90) Deutlich wird dies bei strategischen Entscheidungen der Einzelunternehmen, die sich häufig auch opportunistisch den bereits bestehenden ökonomischen Beziehungen zwischen den Beteiligten unterordnen. In der hier vorgestellten Kooperation überlagerten diese ökonomischen Beziehungen immer wieder die Kooperationsstrukturen, notwendig wäre eine transparentere Thematisierung dieser Strukturen, die nicht allen Netzwerkpartnern gleichermaßen bekannt gewesen sind.
Vertrauen
270 Ökonomische Beziehungen
T. Becker
Ökonomische Beziehungen beeinflussen Kooperationsstrukturen, weil sie Machtstrukturen definieren, in denen Kooperationspartner opportunistisch handeln. In dem Spannungsfeld zwischen Vertrauen, das eine wesentliche Grundlage für erfolgreiche Netzwerkarbeit zu sein scheint und den ökonomischen Beziehungen, die das wirtschaftliche Eigeninteresse der Akteure begründet, besteht die Herausforderung für das Netzwerkmanagement darin, die verschiedenen Beziehungsebenen zu erkennen und für alle Akteure transparent werden zu lassen. Eine weitere Beobachtung scheint auch für andere Kooperationen bedeutsam zu sein: Ergebnissicherung ist eine zentrale Funktion des Netzwerkmanagements. Dazu gehören sowohl Informationssammlung und –dokumentation, als auch die Schaffung von bewusst gestalteten Abschlussphasen für Einzelprojekte innerhalb der Kooperation. Da das Tagesgeschäft der Einzelunternehmen den Arbeitseinsatz für die Kooperation bestimmt, neigen Kooperationspartner dazu, Energien aus Einzelprojekten abzuziehen, sobald sich erste verwertbare Resultate ergeben. Für einen Abschluss, der entsprechende Ergebnisse zusammenfasst und sichert, fehlen häufig notwendige Ressourcen. An der vorgestellten Kooperation konnten zentrale Wirkmechanismen in Netzwerken und Kooperationen beschrieben werden, wichtige Beobachtungen waren die Zielorientierungen der einzelnen Partner, die Auswirkungen von bestehenden wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Partnern und das Spannungsverhältnis zwischen Tagesgeschäft der Einzelunternehmen und Ressourcen für die notwendigen Arbeiten innerhalb der Kooperation. Sicherlich lassen sich diese Beobachtungen auch für andere Netzwerke verwenden.
4 Literatur Becker T, Reckfort J (2001) ADAPT-Projekt TexNet – Reorganisation und Qualifizierung zum Zweck der informationellen Vernetzung der textilen Kette. Rheine Becker T, Reckfort J (1998) Organisationsentwicklung und Qualifizierung in kleinen und mittleren Unternehmen der münsterländischen Textilwirtschaft. (CD-ROM, Bottrop) Kadritzke U (1999) Herrschaft in Unternehmensnetzwerken. Vom Schwinden einer Kategorie in Theorie und Praxis. In: Sydow J, Wirth C (Hrsg) Arbeit, Personal und Mitbestimmung in Unternehmensnetzwerken. Rainer Hampp Verlag, München Reckfort J (1999) Der Markt für Textilien und Bekleidung – Strukturen, Entwicklungen, Trends. In: Hermanns A, Schmitt W, Wißmeier UK (Hrsg) Handbuch Mode-Marketing, Deutscher Fachverlag Siebert H (2010) Ökonomische Analyse von Unternehmensnetzwerken. In: Sydow J (Hrsg) Management von Netzwerkorganisationen. 5. Aufl. Gabler, Wiesbaden, 7–27
Personalentwicklung im Mittelstand – Synergien im regionalen Verbund Bernd Helbich
1 Personalentwicklungs-Verbünde sind im Kommen Personalentwicklungs-Verbünde haben Konjunktur. Nimmt man als Barometer einschlägige Managementzeitschriften, so fällt schon bei schneller Durchsicht auf, dass viele Publikationen in letzter Zeit der Verbundidee ausreichend Platz reserviert haben. Erfreulicherweise ist das ein Thema, das nicht herbeigeredet wird. Die Berichterstattung ist Reflex darauf, dass der Mittelstand zunehmend die Qualifikationspotenziale seiner Mitarbeiter im Rahmen regionaler Verbünde weiter entwickeln will. Er erkennt die Chancen in der Vernetzung und macht sich selbst zum Treiber. Der Zündfunke kommt aus den Unternehmen und damit nicht mehr nur aus den üblichen Beratungsprofessionen: den Verbänden, den Bildungswerken sowie den Gilden der Trainer und Unternehmensberater. Was spricht heute aus dem Blickwinkel eines Mittelständlers dafür, Personalentwicklung für seine Mitarbeiter zu forcieren und dieses Vorhaben in die Aktivitäten eines Verbundes einzubetten? Personalentwicklung ist unbestritten wichtig. Aber nach wie vor scheuen viele Mittelständler davor zurück, Ressourcen für die Organisation ihrer betrieblichen Personalentwicklung bereit zu stellen. Es fehlt damit der „Kümmerer“ im Unternehmen, der Zeit und Knowhow hat, Personalentwicklung systematisch zu betreiben. Eigene Ressourcen hieße dann nämlich Einrichtung einer Vollzeit- oder zumindest Teilzeitstelle, bei der Personalentwicklung in die Personalverwaltung eingebunden wäre. Als Warnung und Begründung von Zurückhaltung dienen nach den Erfahrungen vergangener Jahre einige interessante Entwicklungen am Neuen Markt. In vielen anfänglich begeistert beklatschter Unternehmen wurden im Taumel der Aufbruchstimmung unter solch schönen Etiketten wie „human resource director“ Personalentwickler eingestellt und beim freien Fall mit dem ersten Abwurf von Ballast gleich wieder entlassen. Mittelständler verhalten sich heute sehr vorsichtig, wenn der Vorschlag auf den Tisch kommt, Stellen für „weiche Funktionen“ einzurichten. Dies ändert nichts an den grundsätzlichen Erfordernissen. Unternehmen benötigen fundierte Konzepte zur Qualifizierung, Förderung und Führung von Mitarbeitern, die genau auf den betrieblichen Bedarf zugeschnitten sind. Sie brauchen dazu Profis, die diese Konzepte entwickeln und umsetzen. Dies ist nichts, was man der Eigenentwicklung überlassen oder darauf vertrauen darf, dass sich alle De-
Gute Konjunktur für Verbünde
Argumente für Personalentwicklung
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B. Helbich
fizite im Unternehmensinteresse schon durch Selbstorganisation regulieren, etwa indem Führungskräfte von sich aus tätig werden oder einzelne Mitarbeiter die Initiative ergreifen. Hinzu kommt als weiteres Argument die Dynamik betrieblicher Veränderungsprozesse, z.€B. die permanenten Umstrukturierungen, die flankierende Personalentwicklung benötigen, oder Projekte, welche auf Kundenorientierung oder Qualitätsbewusstsein setzen. Spätestens jetzt müssen sich Mittelständler den Anforderungen eines schnell lernenden Unternehmens mit lernenden Mitarbeitern stellen. Einerseits geht es darum, Prozesse zu begleiten und mit Qualifizierung abzustützen, andererseits darum, eine generelle Qualifizierungssystematik der Veränderungsdynamik an die Seite zu stellen. Dazu gehören Erfassen von Bedarf, Angebote erstellen, Nachfassen, bei der Umsetzung helfen, Trainer und Berater auswählen und dem Unternehmen Alternativen anbieten, Weiterbildung begleiten und auswerten. Diese Aufgaben könnten auch externe für den Einzelfall engagierte Trainer oder Bildungswerke erledigen, es bliebe aber punktuell und in unterschiedlichen Händen und damit isoliert. In einem Verbund haben Unternehmen eine kontinuierliche Betreuung durch hauptamtliche Personalentwickler und zugleich Beratungskompetenz von außen. Hinzu kommt: Es ist vorteilhaft für die Unternehmen, sich nicht jedes Mal auf die Suche nach neuen Helfern zu machen, die den Beweis erst noch erbringen müssen, dass sie gute Arbeit abliefern und zum Unternehmen langfristig passen. Im MACH 2-Verbund vertrauen die Unternehmen darauf, dass die Verbundmanager die richtigen Trainer besorgen. Das setzt voraus, dass der Verbund auch auf ein Netzwerk von Trainern zurückgreifen kann. Noch ein letztes Argument: Verbünde sind vorteilhaft für die Durchführung von Personalentwicklung auch und gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten. Unternehmen, die dann aufgrund schlechter wirtschaftlicher Lage auf Tauchstation gehen, können darauf bauen, dass sie in einem Verbund weiter betreut werden und notwendige Impulse für die richtige Qualifizierung ihrer Mitarbeiter für den erhofften kommenden Aufschwung erhalten. Was kennzeichnet einen Personalentwicklungs-Verbund? Definition Personalentwicklungsverbund
Ein Personalentwicklungsverbund (im folgenden PE-Verbund abgekürzt) ist ein Zusammenschluss eigenständiger, in der Regel mittelständischer Unternehmen (Helbich 2003, 2€ff.). Es muss sich dabei nicht unbedingt um Unternehmen einer Branche handeln, im Gegenteil. Ein Branchen-Mix kann der Sache nur dienlich sein. Wichtiger als eine einheitliche Branche ist die gemeinsame Region, sind die kurzen Wege, damit Mitarbeiter der Verbundunternehmen sich schnell und unbürokratisch treffen können. Die Unternehmen übertragen die Funktion der Personalentwicklung im Verbund einem für diesen Zweck fest eingestellten Personalentwickler. Über dessen anteilige Finanzierung erhalten die Unternehmen eine betriebsspezifische Personalentwicklung, ohne eigene Ressourcen für die Entwicklung von Konzepten bereitstellen zu müssen. Neben Kosteneinsparungen lassen sich durch koordinierte Verbundaktivitäten wie z.€B. „Erfahrungsaustausch“ oder
Personalentwicklung im Mittelstand – Synergien im regionalen Verbund╅╇╛╛273
„gemeinsame Weiterbildung“ Synergieeffekte erzielen, aus denen die Unternehmen erheblichen Nutzen ziehen. Als Rechtsform bietet sich der Verein an, das ist kein „Muss“, aber sinnvoll. Der Verein ist das Fundament, um ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen, sehr wichtig für die Stabilität und das Gelingen der Aktivitäten. Vorstand und Mitgliederversammlung nehmen Einfluss in grundsätzlicher Richtung, stellen Weichen, reflektieren, prüfen, ob man auf dem richtigen inhaltlichen Kurs ist. Sie stellen den Haushaltsplan ebenso auf wie Spielregeln und überwachen als Ehrenamtliche das Kostenmanagement, ohne in Bürokratismus zu verfallen.
2 Der Verbund „MACH 2 Personalentwicklung“ Der Personalentwicklungs-Verbund MACH 2 startete 1993 als erster seiner Art in der Bundesrepublik Deutschland. Er operiert seit dieser Zeit erfolgreich in Zusammenarbeit mit seiner „älteren Schwester“ MACH 1 Weiterbildung im Kreis Herford. MACH 1 ist das Bildungswerk der Wirtschaft im Kreis Herford, eine Initiative des Arbeitgeberverbandes in der Rechtsform eines gemeinnützigen eingetragenen Vereins. MACH 1 bietet mit seinem offenen Programm jedes Halbjahr zahlreiche Weiterbildungsseminare zu allen gängigen Themen der beruflichen Bildung an und führt auf Wunsch von Unternehmen maßgeschneiderte Firmenseminare durch. Die Besonderheit von MACH 1 ist seit der Gründung 1988 die enge Anbindung an die Betriebe. Mittlerweile über 100 Unternehmen bilden den Kreis der Vereinsmitglieder. Aus diesem Kreis kam Anfang der neunziger Jahre die Idee, die reine angebotsorientierte Weiterbildung zu ergänzen. Die Notwendigkeit war klar erkannt, hier eine systematische Ermittlung des Qualifizierungsbedarfs in den Unternehmen vorzuschalten. Ferner sollte die Weiterbildung professionell begleitet und ausgewertet werden. Ziel war es, mit einer so gestalteten systematischen und von Zufälligkeiten befreiten Weiterbildung den Einstieg in die betriebliche Personalentwicklung zu bestreiten. Die Qualifikationspotenziale der Mitarbeiter sollten erschlossen und entwickelt werden – zum Vorteil der Unternehmen wie auch der Mitarbeiter selber. Für dieses Vorhaben, das erheblich mehr Ressourcen als eine normale Weiterbildungsplanung voraussetzt, wollten interessierte Unternehmen einen Profi einstellen und sich dessen Arbeitskapazität und Gehalt teilen. Zehn Unternehmen haben sich 1993 dieses Ziel auf ihre Fahnen geheftet und zu MACH 2 zusammengeschlossen, mittlerweile sind es über zwanzig. Folgende Branchen sind vertreten: Maschinenbau, Holzverarbeitende Industrie, Textilveredelung, Metallverarbeitung, Elektronik, Kunststoffverarbeitung, Farben und Lacke, Soziale Dienste, Werbung. Das kleinste Unternehmen beschäftigt ca. 15 Mitarbeiter, das größte 900. Insgesamt arbeiten im Verbund über 6.500 Menschen. Die Verbundunternehmen finanzieren als Mitgliedsbeitrag über eine von der Firmengröße abhängige Umlage ihre mittlerweile zwei Personalentwickler, die als Verbundmanager für die Unternehmen tätig sind.
Erster Personalentwicklungs-Verbund in Deutschland
Enge Anbindung an Unternehmen
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B. Helbich
Vorgehensweise und inhaltliche Schwerpunkte
Personalentwicklung muss in die Unternehmensstrategie eingebettet werden
MACH 2 hat sich der Erkenntnis nicht verschlossen, dass Personalentwicklung im Mittelstand sinnvoll mit einer „Top-Down-Strategie“ in den einzelnen Unternehmen zu beginnen hat. Am Anfang sind demzufolge Gespräche zwischen Personalentwickler und Geschäftsführern, Personalleitern, Betriebsleitern und Betriebsräten zu führen, um die grundsätzlichen Ziele in den einzelnen Unternehmen und die Vorgehensweise zu klären. Wichtig ist die Einbettung in die Unternehmensstrategie. Dies betrifft inhabergeführte Unternehmen ebenso wie konzernabhängige. Abzuklären ist dabei, • ob und wie Personalentwicklung mit übergeordneten Aktionen, z.€ B. mit Strukturanpassungen konform geht, • wie sich Personalentwicklung in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Lage (schlecht: Personalabbau – gut: Personalbeschaffung) positioniert • oder ob Personalentwicklung generell als Vehikel für die Beschleunigung von Prozessen im Unternehmensinteresse genutzt werden kann. Personalentwicklung im Verbund benötigt in den Unternehmen für die Organisation der Feinarbeit Ansprechpartner, so genannte „Koordinatoren“. Der Personalentwickler erarbeitet mit den Koordinatoren für deren Unternehmen innerbetriebliche Weiterbildungskonzepte und Konzepte einer modernen Personalentwicklung. Abhängig vom Bedarf werden weitere Führungskräfte und Mitarbeiter einbezogen. Die Beratung ist damit primär unternehmensbezogen, wenn auch der Synergiegedanke niemals aus dem Blick gerät, z.€B. bei einer möglichen gemeinsamen Qualifizierung von Mitarbeitern mehrerer Unternehmen. Schwerpunkt „Qualifizierung“ Jeder Qualifizierungsbedarf leitet sich aus den Anforderungen aktueller und zukünftiger Tätigkeiten ab. Es bewährt sich, ihn im Rahmen eines zweistufigen Verfahrens zu ermitteln: 1. durch Gespräche mit Führungskräften, 2. durch moderierte Gesprächsrunden mit Führungskräften und deren Mitarbeitern. Ziel ist es nämlich, Mitarbeiter frühzeitig einzubeziehen, an der Planung ihrer eigenen Weiterbildung zu beteiligen und ihre Anregungen zu möglichen Seminarinhalten aufzunehmen. Hilfreich bei diesem Verfahren für die Dokumentation ist ein Weiterbildungsplan, in welchem die absolvierte und geplante Weiterbildung der Mitarbeiter festgehalten werden kann. Die Qualifizierung entsprechend dem ermittelten Bedarf folgt im Anschluss an die Bedarfsermittlung, und zwar durch Teilnahme einzelner Mitarbeiter an den Seminaren im „Offenen Programm“ von MACH 1 oder als Firmenseminar ausschließlich für Mitarbeiter eines Verbundunternehmens. Schwerpunkt „Personalentwicklung“
Personalentwicklung ist mehr als Weiterbildung
Maßnahmen der betrieblichen Weiterbildung machen einen großen Kern der Personalentwicklung aus. Aber Personalentwicklung ist mehr, öffnet den Be-
Personalentwicklung im Mittelstand – Synergien im regionalen Verbund╅╇╛╛275
reich „Förderung Potenzial- und Teamentwicklung“. Allerdings sind die einzelnen Themen in diesem Bereich solche, die reifen müssen. Sie setzen eine bestimmte Kultur der Entwicklung von Mensch und Organisation voraus, die z.€ B. durch intensive Weiterbildung geschaffen werden kann. Es ist ein Erfahrungswert, dass in Verbundunternehmen, zumal in solchen, die bisher keine oder nur wenig Personalentwicklung betrieben haben, auf dem Felde der Weiterbildung gute Einstiegsmöglichkeiten liegen. Gleich mit umfassenden anspruchsvollen Konzepten zu beginnen, wäre zwar prinzipiell möglich, würde aber viele überfordern. Wenn der Zug ins Rollen gekommen ist, lassen sich sinnvolle Personalentwicklungs-Themen ankoppeln: Potenzialanalysen, Zielvereinbarungen, Beurteilungssysteme, Förderprogramme, Coaching, Nachfolgeplanung etc. Alle Aktivitäten müssen in einem gesteuerten Zusammenspiel zwischen Geschäftsführern bzw. Personalleitern, Führungskräften und Mitarbeitern auf der einen Seite und ihrem Personalentwickler auf der anderen Seite erfolgen. Es wird vom Personalentwickler erwartet, dass er dabei als Treiber und Regisseur fungiert. Schwerpunkt „Innerbetriebliche Workshops“ Ein weiterer Schwerpunkt im Verbund MACH 2 liegt auf der Begleitung betrieblicher Workshops oder Gruppensitzungen unter den Leitlinien von „Troubleshooting“, „Gruppenarbeit“, „Qualitätsmanagement“, „Kontinuierlicher Verbesserungsprozess“ o.€ä. Solche Ansätze interner Problembearbeitung, die auf die „Basis“ setzen, haben Zukunft. Sie kommen den Wünschen der Unternehmen nach schnellen dezentralisierten Lösungen, nach Innovation, Mitarbeit, unternehmerischem Denken etc. entgegen. Innerbetriebliche Workshops bieten die Gelegenheit, das in einem Unternehmen vorhandene Wissen Einzelner transparent und anderen Mitarbeitern zugänglich zu machen. Viele Erfahrungen und Kenntnisse sind nicht dokumentiert, sondern in den Köpfen einzelner Mitarbeiter gespeichert. Der Austausch von Wissen erfolgt eher zufällig. Mit Workshops lässt sich ein Hebel ansetzen, um Wissen zu transportieren. In solchen Sitzungen werden Moderations-, Problemlösungs-, Kommunikations- und Teamfähigkeit gefordert und gefördert. Aufgabe des Personalentwicklers ist es, die Mitarbeiter, Gruppensprecher und Moderatoren dabei zu unterstützen. Schwerpunkt „Überbetriebliche Workshops“ Neben innerbetrieblichen Workshops, zählen überbetriebliche – auch als Arbeitskreise oder Zirkel etikettiert – zum Instrument der Personalentwicklung im Verbund. Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, wie sich in einem Verbund Synergieeffekte erzielen lassen. Das Rad muss nicht jedes Mal neu erfunden werden. Ein Zielvereinbarungssystem, in einem Verbund-Unternehmen entwickelt, kann durch Berichterstattung und Klärung von Übertragungsmöglich-
„Win-Win“ durch Erfahrungsaustausch
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B. Helbich
keiten in einem überbetrieblichen Workshop anderen interessierten Unternehmen zugänglich gemacht werden. In einem Verbund kann auf der Basis von Vertrauen über Erfahrungsaustausch eine Win-Win-Situation produziert werden, und zwar nach dem Motto: „Hilf du mir bei diesem Problem, helfe ich dir bei einem anderen“. Aufgabe des Personalentwicklers ist es, diesen Austausch zu moderieren.
3 Nutzen für Verbund-Unternehmen Die Mitgliedschaft in einem PE-Verbund ermöglicht den beteiligten Unternehmen eine professionelle Personalentwicklung mit einem vertretbaren Aufwand an Finanzen, eigener Arbeitskapazität und eigenem Know-how. Dieser Aufwand ist erheblich geringer, als wenn Personalentwicklung in Eigenregie realisiert würde. Unternehmen haben folgenden Nutzen (Helbich 2003, 9€f.): • Durch die anteilige Finanzierung eines Personalentwicklers vermeiden sie hohe Fixkosten für Personal. Die Möglichkeit, einen Verbund auch wieder verlassen zu können, lässt das Risiko, auf Personalkosten sitzen zu bleiben, gegen Null tendieren. • Die Arbeitskapazität eigener Mitarbeiter für Personalentwicklung (Koordinatoren) ist überschaubar, lässt sich auf notwendige inhaltliche und vor allem organisatorische Aktionen beschränken. Die Hauptlast liegt auf den Schultern hauptamtlicher Personalentwickler, die auch dafür bezahlt werden. • Die hauptamtlichen Personalentwickler des Verbundes sorgen für Kontinuität in der Beratung. Im Rahmen einer langjährigen Zusammenarbeit lernen sie die einzelnen Unternehmen kennen. Da mehrere Unternehmen betreut werden, kann Betriebsblindheit nicht aufkommen. • Unternehmen müssen umfassendes Know-how zur Personalentwicklung nicht vorhalten oder jedes Mal neu beschaffen, es wird durch die Personalentwickler als Broker und Makler eingespeist. Im Verbund wird in kurzer Zeit ein Erfahrungspool aufgebaut, resultierend aus einzelbetrieblichen Aktivitäten. Da jedoch Öffentlichkeit innerhalb des Verbundes hergestellt ist, ist der Wissensvorrat für alle erschließbar: entweder durch persönliche Begegnungen, welche die Personalentwickler organisieren oder auf elektronischem Wege. Bei der Weitergabe von Konzepten haben aufnehmende Unternehmen Gewissheit, Konzepte kostenlos geliefert zu bekommen, die sich bei anderen Verbundunternehmen in der Praxis bewährt haben. • Durch den Austausch von Wissen, durch Begegnungen von Mitarbeitern unterschiedlicher Unternehmen in Seminaren oder Workshops entsteht eine positive Dynamik, die in den Unternehmen schnell mehr Eigeninitiative, mehr Ideen („was andere können, können wir auch“) hervorruft und für einen gesunden Wettbewerb sorgt.
Personalentwicklung im Mittelstand – Synergien im regionalen Verbund╅╇╛╛277
• In den überbetrieblichen Workshops gelingt es in aller Regel immer, Führungskräfte aus den beteiligten Unternehmen als Referenten zu gewinnen. Ihnen wird ein Forum geboten für die Präsentation eigener Konzepte, die nicht selten auch gegen innerbetriebliche Widerstände umzusetzen sind. Die Personalentwickler verfügen damit nicht nur über gute Referenten, sondern auch über kriegserprobte Verbündete. • Beim Einkauf von Seminaren kann der Verbund eine erhebliche Marktmacht in die Waagschale werfen und bei freiberuflichen Partnern – Trainer, Berater – günstigere Konditionen aushandeln als ein einzelnes Unternehmen. • Hat ein Verbund seine Antennen geöffnet, wird er auch von außen angefunkt – wenn er einen gewissen Bekanntheitsgrad hat. Es kommen dann z.€ B. Signale im Sinne von Angeboten zu Projektbeteiligungen, die vom Verbundmanagement gefiltert und aufbereitet werden können. Häufig sind es Angebote an den Nahtstellen zur Personalentwicklung: arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, Personalberatung, Outsourcing, Förderprojekte der öffentlichen Hand, Ausbildungsinitiativen, Projekte in Zusammenarbeit mit der Arbeitsverwaltung etc. Für Unternehmen allein ist die Entscheidung zur Beteiligung schwierig, sie durchschauen oft nicht den besonderen Projektdschungel, scheuen den bürokratischen Aufwand der Beantragung und Abwicklung. Dem Verbundmanager kommt hier eine Sondierungs- und Selektionsfunktion zu.
4 Aufbau eines Verbundes Zu unterscheiden ist, von wem die Initiative zum Aufbau eines PE-Verbundes ausgeht bzw. ausgehen sollte: von Unternehmen oder den sie umschwärmenden Trainer- oder Beraterprofessionen. Zu unterscheiden ist weiterhin, ob in der Aufbauphase als Anschubfinanzierung auf öffentliche Förderung gesetzt wird oder nicht. Die Anfänge erweisen sich damit als multioptional. Im für uns maßgeblichen Idealfall ergreifen die Unternehmen die Initiative und stellen von vornherein durch Eigenbeiträge die Finanzierung komplett sicher. Auf diesen Idealfall beziehen sich die weiteren Ausführungen (Helbich 2003, 14€ff.) Wie könnte der Stapellauf bewerkstelligt werden? Entscheider in Unternehmen sollten eine Doppelstrategie fahren: Zum einen sollten sie nach solchen Unternehmen Ausschau halten, die ähnlich denken wie sie, die das eigene Unternehmen zum Beispiel als Geschäftspartner – Kunde oder Lieferant – kennen und schätzen gelernt hat oder die sich durch fortschrittliche Netzwerkaktionen profiliert haben. Zum anderen sollten Unternehmen, wenn sie die Initiative ergreifen, ihre Kontakte zu Institutionen und Bildungswerken der Wirtschaft nutzen, um dort Möglichkeiten externer Hilfe auszuloten: ideelle oder materielle Unterstützung oder auch die Bereitstellung von Arbeitskapazitäten, um die bürokratischen Anfangshürden einer Verbundgründung zu meistern. Bei beiden Vorgehensweisen, die sich nicht ausschließen müssen, sollte die Suche
Partnersuche
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Klärung der Rechtsform
Finanzierungsmodelle
Spielregeln
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aber auf die Region beschränkt werden, damit alle Vorzüge räumlicher Nähe greifen können. Sind verbundwillige Unternehmen gefunden, stehen weitere wichtige Punkte zur Klärung an. Zu wählen ist die Rechtsform des Verbundes. Dabei sollten unbedingt Rechtsund Steuerexperten hinzugezogen werden. Ein PE-Verbund kann • als relativ lose Kooperationsgemeinschaft, • als durch Kapitalbeteiligung verflochtene Kooperation in der Rechtsform einer GmbH, KG, oHG, AG • oder als Verein bzw. eingetragener Verein in privatrechtlicher Trägerschaft agieren. Welche Kooperationsform in Frage kommt, sollte im Einzelfall geprüft und durch Experten begutachtet werden. MACH 2 Personalentwicklung existiert in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Bei dieser Rechtsform sind • die Ziele des Verbundes, • die Bedingungen der Mitgliedschaft einschließlich Ein- und Austritt, • die Wahrnehmung von Vorstands- und Rechnungsprüferfunktion einschließlich Wahlmodus und Wahlzeit und • die Möglichkeiten der Vereinsauflösung in der Vereinssatzung geregelt. Zu regeln ist weiterhin die Finanzierung. In einem PE-Verbund muss ein Budget bereit gestellt werden, welches als größten Posten die Personalkosten der Personalentwickler enthält, daneben weitere Posten für Sekretariatskosten, Büromiete und Dienstfahrten berücksichtigen muss. Es können – bei einer unterstellten Rechtsform des Vereins – zwei Finanzierungsmodelle in Betracht gezogen werden: 1. Kosten zu gleichen Teilen, 2. Fester Grundbeitrag für alle und ein variabler Anteil entsprechend der Mitarbeiterzahl. Das erste Finanzierungsmodell ist einfach handhabbar, überschaubar und bietet sich an, wenn die beteiligten Unternehmen ähnliche Mitarbeiterzahlen haben. Das zweite Finanzierungsmodell basiert darauf, dass ein großer Anteil des Budgets durch einen einheitlichen Grundbeitrag abgedeckt wird. Der andere Teil wird als variabler Anteil entsprechend der Zahl der Mitarbeiter aufgeschlüsselt. Dieses Modell berücksichtigt sehr stark die unterschiedliche Wirtschaftskraft sowie eine durch die differierende Mitarbeiterzahl unterschiedlich angenommene Menge an Personalentwicklungsbedarf der Unternehmen. Welche Variante auch gewählt wird: Sichergestellt durch längere Kündigungsfristen oder die Bildung von Rücklagen sollte sein, dass nicht der kurzfristige Ausfall eines Verbundunternehmens den gesamten Verbund in eine finanzielle Schieflage bringen kann. Festzulegen sind Spielregeln für die Zusammenarbeit. Dabei sollte zunächst geprüft werden, was überhaupt geregelt werden muss und was davon in schriftlicher Form festgehalten werden sollte. Den Regelungsbedarf sollte man anfänglich nicht zu hoch ansetzen. Wenn in der späteren Praxisphase etwas auftaucht, was regelungsbedürftig ist, kann es hinzugenommen werden. Mündliche Absprachen reichen oft aus, um Spielregeln zu vereinbaren.
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Last but not least muss ein Personalentwickler, dem die Funktion eines Verbundmanagers übertragen wird, eingestellt werden. Er sollte ein Allrounder sein, die Klaviatur moderner Personalentwicklung beherrschen und auf die spezifischen Bedingungen in mittelständischen Unternehmen zuschneiden können. Mit einem hohen Maß an Kommunikationsfähigkeit und ausreichend Sensibilität muss er als „Kümmerer“ die Fäden ziehen, die letztlich die Substanz eines Verbundes garantieren. Ob ein Verbund funktioniert, hängt vom Geschick des Personalentwicklers und seiner Arbeit ab. Bei der Einstellung sollte daher Wert auf eine erfahrene Person gelegt werden, die den Stallgeruch des Mittelstandes mitbringt und Stehvermögen beweist, wenn der Wind im Mittelstand wieder einmal rau bläst.
5 Steuerungsmodalitäten Der Begriff „Steuerungsmodalitäten“ beschreibt ausgewählte Anlässe, Voraussetzungen, Formen und Hilfsmittel des Verbundmanagements. Unterschieden wird erstens nach der Steuerung im Kontext einzelbetrieblicher Beratung und zweitens der Steuerung im Kontext überbetrieblicher Personalentwicklung. Steuerung im Kontext einzelbetrieblicher Beratung Im Vordergrund steht zunächst auch in einem Verbund die einzelbetriebliche Beratung. Hier ist es Aufgabe des Personalentwicklers, die inhaltliche Arbeit mit dem einzelnen Betrieb abzustimmen und zur Umsetzung zu bringen. Dies umfasst alles, was mit Personalentwicklung und Weiterbildung zu tun hat: von der Entwicklung von Konzepten zur Förderung des Führungsnachwuchses bis zur Planung eines spezifischen Trainings für den Vertrieb zur besseren Akquisition von Neukunden. Der Personalentwickler benötigt Signale und Aufträge von der Geschäftsführung, der Personalleitung oder von Führungskräften. Wenn er keine Signale bekommt, darf er nicht enttäuscht sein. Im Tagesgeschäft der Unternehmen fällt das Thema „Personalentwicklung“ schon mal auf der Prioritätenskala nach hinten, dann muss er „ziehen“ und in moderater aber beharrlicher Form in Gesprächen mit Führungskräften Bedarfe eruieren. Dieses Nachhaken, Fragen, Anbieten ist ein sensibles Steuern – auch und vor allem in Zeiten, in denen Unternehmen sich mit solchen Herausforderungen wie Kurzarbeit, Personalabbau, Übernahmen, Umstrukturierungen und Reklamationen in Millionenhöhe herumschlagen müssen. Der Personalentwickler braucht also gute und beständige Kontakte nach „oben“ in die erste und zweite Ebene des Managements. Kommunikation in elektronischer Form ist das eine, etwa das Versenden von Gesprächsnotizen oder Konzeptideen. Wichtiger ist aber auch heute noch das persönliche Gespräch. Im Mittelstand sind die Wege kurz, die Korridore in den Unternehmen überschaubar. Es kommt darauf an, zum richtigen Zeitpunkt vor Ort zu sein.
Der ideale Personalentwickler
280 Auswahl der Koordinatoren
Gute Beziehungspflege
Der Verbundmanager als Sparringspartner
Koordinatorentandems
B. Helbich
In einem Firmenverbund verbringt ein Personalentwickler große Anteile von Arbeitszeit in „seinen“ Firmen. Das Tagesgeschäft der Personalentwicklung vollzieht sich dabei neben der Zusammenarbeit mit Führungskräften in enger Zusammenarbeit mit den bereits erwähnten Koordinatoren. Dieser Begriff wurde gewählt, um die Hauptansprechpartner der Personalentwickler in den Unternehmen zu identifizieren und zu benennen (Helbich 2001, 126). Es sind Mitarbeiter, welche die Personalentwicklung und Weiterbildung koordinieren, z.€B. Termine für Gespräche zur Ermittlung des Bedarfs abklären, entscheidungsreife Vorschläge für Seminare den Geschäftsführern zur Abstimmung vorlegen oder Konzepte selber umsetzen. Gibt es in Unternehmen Personalleiter oder Personalreferenten, was nicht überall der Fall ist, üben diese Personen in der Regel die Koordinatorenfunktion aus. In vielen unserer Unternehmen fungieren als Koordinatoren jedoch Assistenten oder Sekretärinnen des Geschäftsführers, Ausbildungsleiter, Abteilungsleiter oder Qualitätsmanagement-Beauftragte. Es ist eine Binsenwahrheit, dass bei jeglicher enger Zusammenarbeit mit Kollegen, egal an welchem Arbeitsplatz, die „Chemie“ stimmen muss. Nur so kommen gute Ergebnisse zustande. Im Verbund ist zwischen Personalentwickler und Koordinator die Zusammenarbeit am engsten. Manchmal ballen sich die abzuarbeitenden Projekte, in diesem Fall ist die Zusammenarbeit kontinuierlich. In manchen Unternehmen ist sie in bestimmten Phasen sehr eng, in anderen mehr sporadisch, z.€B. weil die Unternehmen sich dann Aufgaben widmen, die alle Kapazitäten beanspruchen. Der Personalentwickler muss gleichwohl so engen Kontakt halten, dass bei günstigeren Bedingungen die Arbeit ohne Reibungsverluste fortgesetzt werden kann. Gute Beziehungspflege ist Sache beider Parteien, beide sind aufeinander angewiesen. Der Personalentwickler erhält seinen Auftrag durch die Zielsetzung des Verbundes, der Koordinator hat von seinem Geschäftsführer die Koordinationsaufgaben übertragen bekommen. Für den betrieblichen Koordinator ist der Verbundmanager Sparringspartner bei Themen, die im Unternehmen in Verantwortung des Koordinators umgesetzt werden müssen. Die Situation kann eintreten, dass Koordinatoren von ihren Geschäftsführern aufgefordert werden, Konzepte zu erarbeiten und entscheidungsreif zu präsentieren, die mit Personalentwicklung nur am Rande zu tun haben. Für die Bearbeitung dieser Aufgaben kann sich der Netzwerkmanager dem Koordinator als Sparringspartner anbieten. Das ist eine Zusammenarbeit, von der beide profitieren. Der Koordinator erhält Unterstützung und Hilfe, der Netzwerkmanager einen Vertrauensbonus. Wichtig für den Netzwerkmanager ist die Anzahl seiner Koordinatoren und Sparringspartner in den Unternehmen. Um es in der Spielersprache auszudrücken: Nur auf eine Karte zu setzen, ist zu wenig. Allein die normale betriebliche Fluktuation ist eine Erscheinung, die schon so manchen Koordinator hinweggespült hat. Manchmal erhält man als Netzwerkmanager davon sehr kurzfristig Kenntnis. Es ist damit gewissermaßen überlebensnotwendig, Ersatz in der Hinterhand zu haben. Im Verbund MACH 2 existieren in mehreren Unternehmen Koordinatoren-Tandems. Diese arbeiten eng zusammen bzw. teilen sich innerbetrieblich die Aufgaben, z.€B. ist einer zuständig für die Produktion, der andere für die Verwaltung. Als Personalentwickler kommt es
Personalentwicklung im Mittelstand – Synergien im regionalen Verbund╅╇╛╛281
darauf an, Kandidaten für solche Tandems zu identifizieren und den Geschäftsführern die „zweiten Leute“ vorzuschlagen. Tandems im Verbund MACH 2 sind: Personalleiter/Personalreferent, Leiter Technik/Leiter Einkauf, Assistent des Geschäftsführers/Sekretärin des Geschäftsführers, Personalleiter/Ausbildungsleiter, Betriebsleiter/Qualitätsmanagementbeauftragter. Noch einmal zurück zur obersten Ebene der Geschäftsführung. Der Personalentwickler sollte in regelmäßigen Gesprächen mit der Geschäftsführung oder Personalleitung Feedback über das, was sich im Unternehmen hinsichtlich Personalentwicklung bewegt oder nicht bewegt, einholen und geben (Helbich 2001, 127€ff.). Ein Risiko entsteht, wenn die Kontakte zu sehr auf den unteren Ebenen greifen. Übrigens: Die Beziehungspflege zu Geschäftsführern dient der ständigen „schwebenden“ Akquisition neuer Unternehmen. Es lohnt allemal, Geschäftsführer nach ihren Verbindungen zu potenziellen neuen Mitgliedsunternehmen zu befragen. Und diese Verbindungen gibt es reichlich über das private Umfeld, Geschäftskontakte oder die Arbeit in Arbeitskreisen, Verbänden und Beiräten. Der Geschäftsführer eines MACH 2-Unternehmens hat auf einer USA-Reise durch ein längeres Gespräch mit einem anderen Geschäftsführer dem Verbund MACH 2 ein neues Mitglied beschert. Steuerung im Kontext überbetrieblicher Personalentwicklung Es macht den Reiz eines guten Verbundmanagements aus, wenn die einzelbetriebliche Beratung nahtlos in die überbetriebliche übergeht. Die Losung heißt dann Netzwerke stricken, Informationen aus einem Unternehmen in ein anderes transportieren, Akteure aus verschiedenen Unternehmen zusammen bringen, generell: den Austausch von Wissen zwischen Unternehmen zu forcieren (Helbich 2002, 311€ ff.). Dabei ist es primär ein Wissen um Konzepte bzw. Methoden betrieblicher Personalentwicklung einschließlich Verfahren der Umsetzung. Also: Wie konzipiere ich ein Förderprogramm für Nachwuchskräfte? Wie führe ich Zielvereinbarungen ein? Wie gestalte ich ein Beurteilungssystem? Wie baue ich eine Qualifikationsbedarfsermittlung auf? Diese Themen illustrieren die Bandbreite eines modernen Personalmanagements, wie es heute erfreulicherweise im Mittelstand um sich greift. Daneben gibt es noch viele weitere fachliche Themenkomplexe, die für einen Erfahrungsaustausch in einem Verbund interessant sind. Dass Impulse aus den Unternehmen kommen – Vorschläge zu Themen und Wunschpartnern – ist der Idealfall. Dass damit verbunden eine Bereitschaft bzw. Initiative zur Organisation des Wissensaustausches signalisiert wird, ist nicht ausgeschlossen, aber eher die Ausnahme. Nun muss der Personalentwickler zum Netzwerkmanager mutieren. Seine Aufgabe ist es, Ideen aufzugreifen und Öffentlichkeit im Netzwerk herzustellen. Grundlage der Arbeit in jedem Verbund ist gute Beziehungspflege: An die entscheidenden Personen als Wissensträger und potenzielle Wissensgeber herantreten, fragen, zuhören, sich von Geschäftsführern grünes Licht für die Weitergabe von Wissen geben lassen, sich weitere Ansprechpartner aus den Unternehmen nennen lassen, diese persönlich ansprechen, sie einladen, nach Themen fragen etc.
Impulse für Erfahrungsaustausch
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B. Helbich
Der große Vorteil in der Realisierung liegt darin, dass Lösungen für Wissensnehmer kostengünstig und einfach zu beziehen sind. Der Wissensnehmer hat Sicherheit, nicht alle Fehler machen zu müssen wie der Wissensgeber. Die Gewissheit, auf ein bewährtes und erprobtes Konzept eines anderen Unternehmens zurückgreifen zu können – und nicht irgendeines, sondern eines Partners im Verbund – wirkt als Beschleuniger und Katalysator für Prozesse. Wissensgeber können darauf setzen, zu einem späteren Zeitpunkt anderes Wissen zurück zu bekommen. Die Vorteile liegen in den unmittelbaren Möglichkeiten, durch eigene Anschauung auch Detailfragen zu klären. In der Regel ergibt sich ein hoher Ertrag für Wissensnehmer mit wenig Zeitaufwand. Die folgenden Voraussetzungen müssen beim Verbundmanagement erfüllt sein: • Fähigkeit einzuschätzen, wo welches Wissen gebraucht werden kann, gekoppelt mit der Fähigkeit, Konzepte in die „Welt anderer Unternehmen“ übersetzen zu können, • Sensibilität für Signale aus den Unternehmen, insbesondere für das Erkennen von „Druck“, • Talent zum Aufspüren brandaktueller Themen, gekoppelt mit der Fähigkeit, als Kundschafter Wissensgeber aufzuspüren, die bereit sind zu referieren, • Gespür dafür, wie, wann und wo Legitimation zur Abgabe von Wissen besorgt werden muss. Für eine perfekte Steuerung im Kontext überbetrieblicher Personalentwicklung müssen unterschiedliche Voraussetzungen geschaffen werden. Wichtig sind dabei die Aktivitäten im Bereich der Mikropolitik. Nicht an großen strukturellen Hebeln gilt es anzusetzen, sondern an den vielen kleinen Rädchen im Bereich der mikropolitischen Interessen und der sozialen Beziehungen, an Bedürfnissen der Menschen nach Anerkennung, gehört zu werden und Zugehörigkeit im Kreise Gleichgesinnter. Zu der Frage, ob der Wissensaustausch durch Ängste vor Wettbewerbern behindert wird, ist noch folgendes anzumerken: Unsere Erfahrung ist, dass diese Frage schon viel früher entschieden wird – sie ist eine sehr akademische. In der Begegnung von betrieblichen Praktikern wird ihr, frappierend genug, wenig Platz eingeräumt. Wer Ängste hat, schottet sich vorher ab. Mit der Mitgliedschaft in einem Verbund hat man sich als Unternehmen bereits geöffnet.
6 Literatur Helbich B (2001) Beziehungspflege im Netzwerk – Erfolgsfaktor in einem Personalentwicklungsverbund. In: Howaldt J, Kopp R, Flocken P (Hrsg) Kooperationsverbünde und regionale Modernisierung. Theorie und Praxis der Netzwerkarbeit, Gabler, Wiesbaden, 121–131 Helbich B (2002) Wissensaustausch unter Netzwerkpartnern. In: Hentrich J, Hoß D (Hrsg) Arbeiten und Lernen in Netzwerken. RKW, Eschborn, 309–326 Helbich B (2003) Personalentwicklungsverbund. In: Geißler KA, Orthey A (Hrsg) Handbuch Personalentwicklung, 87. Erg.-Lfg. 2A.1, November 2003, Köln
Kooperative Dienstleistungserbringung im Bereich der Fabrikplanung Asli Sagirli
1 Einführung Der hohe Einfluss der Globalisierung und von sich schnell verbreitenden neuen Technologien auf die Wirtschaft ist keine neue Erkenntnis. Insbesondere im Bereich der Produktion stellen verkürzte Produktlebenszyklen und Individualisierung der Nachfrage zusätzliche erfolgsentscheidende Anforderungen an Unternehmen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Die daraus resultierende Notwendigkeit einer schnellen Reaktionsfähigkeit wirkt sich zweifellos auch auf Dienstleistungen aus, die den Produktionsprozess begleiten. Der Einsatz neuer Produktionstechnologien und der hohe Grad an Variabilität machen einerseits ein häufiges Umrüsten bestehender Anlagen erforderlich, und verkürzen andererseits die Planungshorizonte unternehmerischer Strategien. An dieser Stelle ist die Fabrikplanung diejenige Dienstleistung, welche die Flexibilität der Produktion maßgeblich beeinflusst. Dabei reicht es heute nicht mehr aus, nur die vielseitige Nutzbarkeit bei Entwicklung, Bau und Anlauf der Fabrik als Zielsetzung zu betrachten, vielmehr muss der gesamte Lebenszyklus einer Fabrik inklusive Betrieb, Um- und Rückbau als wirtschaftliches Kalkül in die langfristige Erfolgssicherung mit einbezogen werden. Dabei resultiert eine weitere Herausforderung aus der internationalen Ausrichtung der Märkte, die häufig die Verlagerung der nationalen Produktion und somit auch der Fabrikplanung ins Ausland mit sich bringt, gleichzeitig internationale Konkurrenz bei der Dienstleistungserbringung zur Folge hat, aber auch Chancen zur Erschließung neuer Märkte bietet. Um die Risiken zu minimieren und die sich bietenden Chancen zu nutzen, ist die kooperative Zusammenarbeit in Netzwerken unumgänglich.
2 Anforderungen an die internationale Fabrikplanung Die Ursache dafür, dass aus unternehmensinternen Überlegungen zur optimalen Gestaltung von Werksanlagen die Fabrikplanung als ein eigenes Wissensgebiet hervorgegangen ist, liegt in den ständig steigenden Anforderungen eines hoch dynamischen Wettbewerbs. Die Zusammenfassung vieler verschiedener Teilaufgaben unter eine einheitliche Zielsetzung ist von hoher Komplexität
Die Fabrikplanung ist die Basis einer flexiblen Produktion
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Internationale Fabrikplanung stellt hohe Anforderungen an das Informationsmanagement
A. Sagirli
geprägt (Aggteleky 1990). Die heutige Fabrikplanung beginnt bei der Standortplanung, beinhaltet die Architektur der Gebäudeplanung, die Produktionsanlagenplanung, die Anlagenlayoutplanung sowie größtenteils auch die Personalplanung inklusive ergonomischer Arbeitsplatzgestaltung. Diese (keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebenden) Teilaufgaben müssen die Prämisse erfüllen, flexibel wandelbar zu sein und gegebenenfalls auch in absehbarer Zeit wieder rückgebaut werden zu können, beispielsweise wenn im Vorfeld bereits feststeht, dass eine Produktionslinie zeitlich beschränkt ist. Diese an sich schon hoch komplexe Aufgabenstellung findet vor dem Hintergrund unvollständiger Informationen statt, da Industrieunternehmen als Auftraggeber infolge sich verkürzender Entwicklungs- und time-to-market-Zeiten ihre Anforderungen erst immer kurzfristiger spezifizieren können, der Planungshorizont sehr engen Zeitvorgaben unterliegt und Planungsschritte auf risikobehafteten Annahmen basieren. Erbringer der Fabrikplanungsleistung müssen diese bestehenden Unsicherheiten reduzieren. Dies erfolgt z.€B. indem verschiedene Alternativen erarbeitet werden und Planungs- und Realisierungsphasen sich überschneiden. Damit entstehen wirtschaftliche Risiken durch hohe Ressourcenbindung. Geht man von dem Fall aus, dass die Fabrikplanung im Rahmen der internationalen Markterschließung erfolgt, handelt es sich zwar gegebenenfalls um nationale Auftraggeber, die Dienstleistung wird jedoch in der Regel in einem Land erbracht, in dem der Planer noch keinerlei Erfahrungswerte gesammelt hat. Somit kommen bei der internationalen Fabrikplanung wesentliche Anforderungen hinzu. In erster Linie verschärfen sich Fragestellungen des Informationsmanagements. Neben den beschriebenen Abstimmungen zwischen Auftraggeber und -nehmer stellt der Prozess der Informationsgenerierung eine zusätzliche Herausforderung dar. Da die baulichen Standards länderspezifisch sehr unterschiedlich sein können, müssen diese Informationen im Detail überprüft und modifiziert werden. Davon betroffen sind nicht nur bauliche Richtlinien, sondern ebenfalls rechtliche Grundlagen oder klimatische Bedingungen, vor allem aber auch der Stand der Technik vor Ort. Nicht nur der Umfang der zusätzlich zu erhebenden Informationen stellt hierbei eine Hürde dar, sondern vor allem der Prozess der Beschaffung bzw. Generierung an sich, da nicht in allen Ländern Zuständigkeiten eindeutig definiert und Daten standardisiert aufbereitet sowie ohne weiteres zugänglich sind. An den Schnittstellen der Informationsgenerierung, z.€B. Behörden oder Ämtern, aber auch im Falle einer Beauftragung durch ausländische Unternehmen stößt man nicht selten an kulturelle Barrieren. Beim Zusammentreffen unterschiedlicher Kulturen können eine Reihe von Faktoren eine große Rolle spielen. Neben der kulturell geprägten Unternehmensstruktur oder -philosophie, wie z.€B. der Grad an Hierarchien, beeinflussen unter anderem der Umgang mit Generationen, mit Geschlechtern oder die Wichtigkeit des Ausbildungsgrads die zwischenmenschlichen Beziehungen. Diese Faktoren können sich auf Arbeits- und Entscheidungsstile, die Informationspolitik, den Verbindlichkeitscharakter von Absprachen oder auch die Festlegung von Planungshorizonten auswirken, wodurch kulturelles Hintergrundwissen den Erfolg oder Misserfolg von Planungsvorhaben durchaus stark beeinflussen kann. Eine weitere nicht zu vernachlässigende Eigenschaft der Fabrikplanung ist der hohe Anteil an Teamarbeit, der bei internationalen Dienstleistungen eine
Kooperative Dienstleistungserbringung im Bereich der Fabrikplanung╅╇╛╛285
weitere große Herausforderung darstellt. Durch die vielen unterschiedlichen Teilaufgaben kann eine Gesamtzielerreichung nur durch einen hohen Spezialisierungsgrad in einem Team aus unterschiedlichen Fachrichtungen ermöglicht werden. Ein Großteil der anfallenden Planungsaufgaben kann meist am Standort des Dienstleisters erbracht werden, einige müssen jedoch vor Ort wahrgenommen werden. Aufgrund der vielen Schnittstellen sind kontinuierliche Abstimmungen zwischen den Teammitgliedern die Voraussetzung einer erfolgreichen Fabrikplanung. Im Kontext internationaler Vorhaben muss hierfür der störungsfreie Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien gewährleistet sein, wobei gegebenenfalls zusätzlich unterschiedliche Zeitzonen berücksichtigt werden müssen. Dies beeinflusst nicht nur die Zeitpunkte der Abstimmung selbst, sondern auch die zeitverzögerte Bearbeitung der Aufgaben in einem ohnehin knapp bemessenen Zeithorizont. Die Anforderungen an die heutige internationale Fabrikplanung lassen sich ohne eine kooperative Zusammenarbeit in internationalen Netzwerken kaum erfüllen. Die zahlreich anfallenden Teilaufgaben im Rahmen der Planung an sich erfordern bereits die Kompetenzen vieler unterschiedlicher Fachrichtungen. Hinzu kommt, dass aus Perspektive der Industrieunternehmen die alleinige Planungsleistung nur den ersten Teil im Lebenszyklus einer Fabrik darstellt und entsprechend diejenigen Anbieter einen deutlichen Wettbewerbsvorteil haben, welche ein Bündel aus Dienstleistungen für den gesamten Fabriklebenszyklus aus einer Hand anbieten können (siehe Abb.€1). Die Bildung eines Netzwerkes ist daher für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit unentbehrlich. Die Forderung nach Leistungen aus einer Hand sind keine neue oder branchenspezifische Entwicklung, gewinnen aber im Bereich internationaler Fabrikplanung enorm an Gewicht, da es nicht nur um die Verbesserung der Chancen im Wettbewerb geht, sondern um die grundsätzliche Teilnahme am globalen Markt. Zunehmender
Rahmenbedingungen Internationalisierung
Wettbewerbsdruck • Verkürzte Produktlebenszyklen • Individualisierung der Nachfrage
Architektur Bauorganisation (GU) Fabrikplanungsgewerke FinanzdienstEnd of leistungen Production Transport …
End of Life Stilllegung Recycling Umnutzung der Anlagen für andere …
• Fehlende Standards • Kulturelle Barrieren • Wissensintensivität der Leistung • Erhöhte Abhängigkeiten
Start of Construction
Wandelbares Fabriksystem
Architektur Bauorganisation (GU) Fabrikplanungsgewerke Finanzdienstleistungen Transport …
Anpassung aufgrund • • • • Start of • Production •
Nutzerwechsel Produktänderungen Kapazitätsveränderungen Technologieveränderungen Externe Einflüsse Wandlung am bestehenden Ort vs. Verlagerung Sicherheitsdienstleistungen FacilityManagement Betreiberdienstleistungen Instandhaltungsdienstleistungen Engineeringdienstleistungen …
Netzwerkbildung • Strategischer Wettbewerbsvorteil • Überwindung kultureller Barrieren • Komplexitätsreduktion durch Spezialisierung
Eigenschaften • Hoher Zeitdruck • Hohe Komplexität • Rollierender Prozess
Abb. 1:╇ Internationale Netzwerke als Antwort auf Herausforderungen der heutigen Fabrikplanung
Netzwerke sind in der internationalen Fabrikplanung ein Muss
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A. Sagirli
3 Internationale Netzwerke Die Besonderheit eines Netzwerkes, welches die beschriebenen Herausforderungen der internationalen Fabrikplanung meistert, liegt in der Integration ausländischer Dienstleister zur Erbringung des notwendigen Local Contents und zur Überwindung der Marktbarrieren, während gleichzeitig Sicherung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit nationaler Anbieter im Vordergrund steht. Dieser Ansatz wurde in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsvorhaben „One-Stop Services für die weltweite Produktion (OSS)“ verfolgt, in dem die deutsche Dienstleistungswirtschaft durch die Nutzung von Synergieeffekten in Dienstleistungsnetzwerken gestärkt werden sollte. Die Fabrikplanung dient dabei als Referenz für viele Ingenieurdienstleistungen, in denen die Stärke der deutschen Wirtschaft liegt. Die Beherrschung innovativer und komplexer Abläufe stellt im internationalen Vergleich einen Wettbewerbsvorteil dar (Aldinger et al. 2006), birgt durch den hohen Grad der Wissensintensivität aber auch Risiken des Know-how-Verlustes. Daher fokussiert das Forschungsvorhaben die Entwicklung von Methoden und Instrumenten zur Kompetenzbündelung in nationalen Dienstleistungsnetzwerken, welche die Internationalisierung fördern. Vor diesem Hintergrund stehen insbesondere die Phasen der Netzwerkformierung sowie der Kooperationsdurchführung vor spezifischen Fragestellungen. Internationale Netzwerkformierung Wie bei jedem Bauvorhaben spielt auch bei der Fabrikplanung der Architekt eine große Rolle. In Deutschland gilt die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) als verbindliches Preisrecht für bauliche Leistungen und gibt eine Übersicht über die Teilleistungen eines Bauvorhabens. Im Einzelnen sind dies die – Grundlagenermittlung, – Vorplanung, – Entwurfsplanung, – Genehmigungsplanung, – Ausführungsplanung (Werkplanung), – Vorbereitung der Vergabe, – Mitwirkung bei der Vergabe, – Bauleitung und – Objektbetreuung und Dokumentation. Da der Architekt dem Auftraggeber, dem Bauherren, als Ansprechpartner für die gesamte Dauer des Fabriklebenszyklus mit Rat und Tat zur Seite steht, ist die Koordination der Leistungserbringung traditionell Aufgabe des Architekten. Der Aufbau eines Netzwerkes, welches die zahlreichen Dienstleistungen aus einer Hand anbietet, liegt somit auch in dessen Interesse.
Kooperative Dienstleistungserbringung im Bereich der Fabrikplanung╅╇╛╛287
Wie im ersten Teil dieses Buches bereits beschrieben (vgl. Howaldt/Ellerkmann) kommt dieser Partnersuche eine hohe Bedeutung zu. Bei der Formierung eines internationalen Netzwerkes stehen bei den Anforderungen an potenzielle Partner vor allem interkulturelle Aspekte im Vordergrund. Während Eckdaten wie das Geschäftsfeld, die Unternehmensgröße und die Ressourcen bei jeder Suche nach Kooperationspartnern herangezogen werden müssen, sind bei internationalen Planungsvorhaben oftmals vor allem der Standort, persönliche Eigenschaften und die Unternehmensführung von besonderer Bedeutung. Für jedes einzelne Mitglied des Netzwerkes fällt die Gewichtung der Kriterien dabei sehr unterschiedlich aus. Bei der Einbindung von Local Contents ist die geografische Lage ein Muss-Kriterium, während bei Produktionsplanungen mit einem hohem Anteil an wettbewerbsentscheidendem Know-how die Vertrauensbasis an erster Stelle steht. Eine strukturierte Vorgehensweise zur Erstellung von Anforderungsprofilen auf Basis von Muss- und Wunschkriterien für jeden einzelnen Partner ist daher unverzichtbar. Eine Übersicht über bewährte Methoden zur konkreten Vorgehensweise geben Killich/Luczak 2003. Die Beschaffung der Informationen zu den Ausprägungen der aufgestellten Kriterien von potenziellen Partnern stellt bei internationalen Planungsprojekten die nächste Hürde dar. Aussagen zu weichen Faktoren wie Zuverlässigkeit oder Vertrauenswürdigkeit können im Grunde nur auf Basis von Erfahrungswerten getroffen werden. Entsprechend stellt auch die Auswahl der Werkzeuge zur Informationsbeschaffung eine spezifische Fragestellung dar. Während quantitative Unternehmensinformationen häufig über Internetrecherchen oder Einträge bei Handelskammern erhoben werden können, stellen bereits bestehende Unternehmenskontakte und die Vermittlung über Dritte bei vertrauenskritischen Kriterien die einzigen Hilfsmittel dar. Ist diese Hürde überwunden und sind Unternehmen identifiziert, die als potenzielle Netzwerkpartner in Frage kommen, müssen im nächsten Schritt mögliche kulturelle Barrieren bei der ersten Kontaktaufnahme Berücksichtigung finden. Die Wahl des geeigneten Ansprechpartners in einem Unternehmen oder die Kenntnis über das notwendige Maß an Formalität kann den Grundstein für den Aufbau einer erfolgreichen Kooperation legen. In der Akquisephase ist daher interkulturelle Kompetenz eine fundamentale Voraussetzung. Die internationale Netzwerkformierung findet ihren Abschluss in der rechtlichen Ausgestaltung. Die große Vielfalt an Teildienstleistungen, die hohe Anzahl an Iterationen und die oftmals bestehende rechtliche Unsicherheit bei internationalen Vertragsmodalitäten erfordert die detaillierte Absicherung möglichst aller Eventualitäten. Auch hier haben kulturelle Gepflogenheiten einen hohen Einfluss, da beispielsweise getroffenen Absprachen je nach Kultur unterschiedliche Grade von Verbindlichkeit zugemessen werden. Im Baugewerbe, die Fabrikplanung mit eingeschlossen, basiert das rechtliche Netzwerkkonstrukt häufig auf Subunternehmerbasis. Der Fabrikplanungsvertrag wird zwischen dem Architekten und dem Auftraggeber geschlossen, wobei ersterer die Teildienstleistungen im Unterauftrag vergibt und als Generalplaner bezeichnet wird. Dies hat jedoch zur Folge, dass nicht von einer Kooperation im engeren Sinne gesprochen werden kann, da der Generalplaner dem Subunternehmer übergeordnet und weisungsbefugt ist. Um Gleichberechtigung im Netzwerk zu schaffen, muss die Kooperation eine Gesellschaftsform wählen
Besonderheiten internationaler Zusammenarbeit sind interkulturelle Aspekte
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A. Sagirli
und als solche den Fabrikplanungsvertrag schließen. Welche Ausgestaltungsformen in diesem Fall möglich sind, wurde in Teil eins dieses Buches bereits dargestellt (vgl. Killich). Bei der rechtlichen Ausgestaltung der Netzwerkformierung sind jedoch länderspezifische Fragestellungen des Arbeitsrechts, insbesondere der Arbeitnehmerentsendung (Schenk/Schlüter 2003), nicht zu vernachlässigen, weshalb die Einbindung eines rechtlichen Beistands mit Erfahrungen im betreffenden Land dringend zu empfehlen ist. Internationale Kooperationsdurchführung
Kompetenzen spielen eine große Rolle in einem komplexen Netzwerk
Für eine erfolgreiche Abwicklung eines so komplexen Vorhabens wie einer Fabrikplanung müssen für die beteiligten Partner von Anfang an die Zuständigkeiten und das genaue Leistungsspektrum eindeutig feststehen. Die Basis hierzu sind logischer Weise die Anforderungen des Kunden, denen jedoch wiederum ein komplexes Zielsystem zu Grunde liegt. Für investierende Unternehmen sind Qualität, Kosten und Zeit in den meisten Fällen diejenigen Größen, die für Entscheidungsprozesse die höchste Relevanz haben. Welche Konsequenzen sich daraus für die Fabrikplanung als eines von vielen Projekten ergeben, gilt es frühzeitig zu erheben. Wie wenig konkret die Vorstellungen des Kunden zur Umsetzung des Vorhabens sind, zeigt sich in der Häufigkeit der Iterationsschleifen im Laufe des Planungsprozesses. Kontinuierliche Abstimmungsprozesse mit allen Beteiligten gehören daher zum Alltag der Fabrikplanung, um die Realisierbarkeit der Kundenanforderungen zu berücksichtigen. Zur Bewältigung dieser internationalen Koordinationsaufgabe sind vor allem zwei Faktoren wichtig: die Kompetenz des Generalplaners (meist des Architekten) und eine geeignete IuK-Infrastruktur. Da Kooperationsbeziehungen von der Zusammenarbeit von mindestens zwei Akteuren leben, haben die individuellen Kompetenzen einen hohen Einfluss auf den Erfolg. Das Kompetenzprofil des Koordinators in einem Netzwerk der internationalen Fabrikplanung muss dabei vielseitigen Anforderungen genügen. Heyse/Erpenbeck unterscheiden zwischen vier Typen von Kompetenzen, die bei Akteuren unterschiedlich ausgeprägt sein können (Heyse/Erpenbeck 2009): – Personale Kompetenz: Disposition, reflexiv und selbstorganisiert zu handeln. – Aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenz: Disposition, aktiv und ganzheitlich selbstorganisiert zu handeln. – Sozial-kommunikative Kompetenz: Disposition, kommunikativ und kooperativ selbstorganisiert zu handeln. – Fachlich-methodische Kompetenz: Disposition, bei der Lösung von sachlich-gegenständlichen Problemen selbstorganisiert zu handeln. Diese sehr allgemein gehaltenen Kompetenzklassen werden von Heyse/Erpenbeck durch eine Anzahl verschiedener Eigenschaften näher beschrieben. Abb.€ 2 gibt einen Überblick über diejenigen Ausprägungen, welche für das Kompetenzprofil des Netzwerkkoordinators in internationalen Fabrikplanungsprojekten von besonderer Relevanz sind. Erhoben wurden sie mit Hilfe
Kooperative Dienstleistungserbringung im Bereich der Fabrikplanung╅╇╛╛289
halbstrukturierter Interviews mit beteiligten Betriebspartnern im Rahmen des Forschungsvorhabens OSS (Fallstudien). • Weltoffenheit • Delegationsfähigkeit • Verantwortungsbereitschaft • Einsatzbereitschaft • Glaubwürdigkeit • Mitarbeiterförderung
• Analytische Fähigkeiten • Fach- und Marktwissen • Fachübergreifende Kenntnisse • Projektmanagement
• Belastbarkeit • Durchsetzungsfähigkeit • Entscheidungsfähigkeit • Ergebnisorientiertes Handeln • Optimismus
Personale Aktivitäts-und Kompetenz umsetzungsorientierte Kompetenz Fachlichmethodische Kompetenz
Sozialkommunikative Kompetenz
• Anpassungsfähigkeit • Akquisitionsstärke • Konfliktlösungsfähigkeit • Kooperationsfähigkeit • Kundenorientierung
Abb. 2:╇ Kompetenzschwerpunkte eines Netzwerkkoordinators in der internationalen Fabrikplanung
Sicherlich sind im Optimalfall alle vier Kompetenzklassen bei allen Akteuren des Netzwerks gleichmäßig stark ausgeprägt, in der Praxis jedoch ist dies eher unwahrscheinlich. Deren Kenntnis ist jedoch für die beteiligten Unternehmen vor allem sinnvoll für die Bestimmung der Ansprechpartner, und langfristig auch für die unternehmensinterne Personalentwicklung in engem Zusammenhang mit der strategischen Unternehmensausrichtung. Ein naheliegendes Beispiel hierfür wäre eine Markterschließung im asiatischen Raum, die mit einem längerfristigen Auslandsaufenthalt einiger Mitarbeiter verbunden ist. Als Eigenschaften, die entsendete Mitarbeiter mitbringen sollten, sind beispielsweise Weltoffenheit (P), Belastbarkeit (A), Anpassungsfähigkeit (S) und fachübergreifende Kenntnisse (F) zu nennen. Die weitere Voraussetzung für ein erfolgreiches Netzwerk ist die technologische Infrastruktur. In der heute vorherrschenden Informationsflut ist eine bedarfsorientierte IuK-Technologie eine grundsätzliche Voraussetzung für effizientes Arbeiten. Im Rahmen der Fabrikplanung fallen insbesondere viele Daten an, die unter den verschiedenen Dienstleistern ausgetauscht werden müssen. Durch die räumlich verteilte Arbeit bei internationalen Vorhaben, in denen das ausführende Team oftmals am Firmenstandort Pläne erstellt, die vor Ort an der Baustelle mit dem Kunden abgestimmt werden müssen, reichen konventionelle Technologien wie der Mailverkehr oft nicht aus. Benötigt wird eine Plattform, welche der Prozessoptimierung durch die Möglichkeit der synchronen Kommunikation und Dokumentation dient, die Zugriffsrechte für einzelne Planungsbeteiligte regelt, die Sicherung der Daten gewährleistet und dabei die Bedienerfreundlichkeit nicht vernachlässigt. Ein am Forschungsvorhaben OSS beteiligtes Architekturbüro hat aufgrund der ungenügenden Angebote seitens des IT-Marktes frühzeitig eine eigene Lösung entwickelt, die ein best practice
Eine technologische Infrastruktur ist die Voraussetzung für effizientes Arbeiten
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Beispiel darstellt und kontinuierlich an die aktuellen Anforderungen angepasst wird. Das entwickelte System fasst dabei Aufgaben des Projektcontrolling, der Projektkommunikation, der Verwaltung, des Qualitätsmanagements und des Officemanagements zusammen (Kappelt 2006).
4 Fazit Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Netzwerkmanagement in der Fabrikplanung eine hohe Praxisrelevanz hat und im Zuge der Internationalisierung noch an Wichtigkeit gewinnt. Besonderheiten dieses Rahmens sind zum einen die hohe Komplexität des Kooperationsgegenstandes, welche durch die notwendige Integration vieler verschiedener Fachrichtungen bei lebenszyklusbegleitenden Dienstleistungsbündeln aus einer Hand zusätzlich erhöht wird, und zum anderen die interkulturelle Zusammenarbeit an einem Projekt mit hohem Investitionsvolumen. Der Aufbau eines internationalen Netzwerkes, welches eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zur Basis hat, ist die einzige Möglichkeit für deutsche Fabrikplaner, ihren durch Wissensvorsprung gewonnenen Wettbewerbsvorteil am globalen Markt langfristig anbieten zu können. Dabei ist nicht nur die internationale Partnersuche aufwendiger als bei nationalen Netzwerken, sondern es muss auch die (kontinuierlich zu aktualisierende) Zielidentität über Unternehmensgrenzen und Kulturkreise hinweg gewährleistet sein, um langfristige Erfolge zu sichern. Die hierfür zu gestaltende Bandbreite reicht von dem Kompetenzprofil der eigenen Mitarbeiter, über die Unternehmensstrategie bis hin zu Instrumenten der Kooperationsgestaltung, gegebenenfalls auch mit ehemals konkurrierenden Anbietern.
5 Literatur Aggteleky B (1990) Fabrikplanung. Werksentwicklung und Betriebsrationalisierung. Band 1, 3. Aufl. München, Hanser, Wien Aldinger L, Constantinescu C, Hummel V, Kreuzhage R, Westkämper E (2006) Neue Ansätze im „Advanced Manufacturing Engineering“. In: wt Werkstatttechnik online, Jahrgang 96, H. 3, 110–114 Heyse V, Erpenbeck J (2009) Kompetenztraining. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Schäfer-Poeschel, Stuttgart Kappelt H (2006) Marke Eigenbau. Datenmanagement-Software aus dem Planungsbüro. In: IndustrieBau 3/2006, 53–55 Killich S, Luczak H (2003) Unternehmenskooperation für kleine und mittelständische Unternehmen. Lösungen für die Praxis. Springer, Berlin Schenk M, Schlüter W (2003) Arbeitnehmerentsendung bei internationalen Fabrikplanungsprojekten – Arbeitskollisionsrecht und Überblick über das Arbeitsrecht ausgewählter Länder. ProTT-Schriftenreihe Bd. 2, IRB Verlag, Stuttgart
net’swork – Willkommen in der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts Gabriele Nitsch
1 Vertrauen als größte Herausforderung vernetzten Handelns Es herrscht einhelliger Konsens darüber, dass Unternehmensnetzwerke, Kompetenznetze, Cluster, Kooperationen, strategische Allianzen oder wie wir sie auch nennen mögen, einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für Innovationen in der Wirtschaft geworden sind und weiterhin sein werden. Vieles nennt sich heute Netzwerk, aber lebt darin immer der Gedanke, der dahinter steht? Auf welchem Ursprung basieren denn diese Organisationsformen? Kaum überschaubar ist die Vielfalt an Definitionen und Formen von Zusammenschlüssen von Unternehmen, Instituten, Bildungseinrichtungen oder öffentlichen Trägern. Wenn sie aber erfolgreich sind, basieren sie alle auf einem festen Grundwert: dem Vertrauen und dem Wissen über die Stärken des einzelnen im Netzwerk. Spricht man mit den Experten, die seit vielen Jahren Kooperations- und Netzwerkarbeit leisten, fällt immer dieses Wort als einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren. Sicherlich, viele Unternehmen stehen dem Gedanken des Vertrauens und dem Teilen von Wissen sehr skeptisch gegenüber. Nicht zufällig war die Arbeitswelt des letzten Jahrhunderts doch stark geprägt durch Misstrauen und Skepsis dem anderen gegenüber. Wurde uns nicht in der Schule suggeriert, dass man sein Wissen schön für sich behalten sollte, damit nicht andere an einem vorbei ziehen? Der Netzwerkgedanke impliziert demgegenüber, die Stärke des anderen zu nutzen und die eigene Stärke von anderen nutzen zu lassen, um gemeinsam Neues hervorzubringen. Dieser Gedanke setzt sich in den letzten Jahren immer mehr durch, und das Interesse an einer der Netzwerk- und Kooperationskultur in der Arbeitswelt wächst. Viele haben Pionierarbeit geleistet. Zum Einen die Community der „Netzwerker“, die schon in den 90er Jahren die Potenziale erkannte, diskutierte und analysierte. Veranstaltungen wie die net’swork, die immer zum Ziele hatte, den Netzwerkgedanken in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft hinein zu tragen. Die Unternehmen, die den Weitblick hatten, sich mit Ihren Ideen und Kompetenzen in Netzwerke einzubringen. Last not least die Politik, die mit ihren Mitteln verstärkt in den letzten Jahren Bedingungen schafft, die die
Vertrauen als entscheidender Erfolgsfaktor
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Professionelle Begleitung macht Netzwerke erfolgreich
G. Nitsch
Arbeit von Netzwerken begünstigen. Es ist lichter geworden im Netzwerkdschungel. Wer in der Welt der Vernetzung erfolgreich sein will, wird anerkennen müssen, dass dieser Weg, der vordergründig einfach erscheint, bei genauerer Betrachtung viel komplexere Strukturen aufweist. Kleine und mittelständische Unternehmen, die erfolgreich in Netzwerken arbeiten, die vielen Clusterlandschaften, die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die technische Entwicklung zeigen eindrucksvoll, dass es einer Professionalisierung der Netzwerkentstehung, -begleitung und -bewertung bedarf. Interessanterweise ist es dabei nicht so relevant, in welchen Branchen sich Netzwerke bilden, und auch nicht, ob es sich um Netzwerke zwischen oder innerhalb von Unternehmen handelt. Wer sich in ein Netzwerk einbringen möchte, muss wissen, dass es sich um einen langfristigen Prozess des Gebens und Nehmens handelt, in dem sich Menschen gegenüber stehen, die Wissen weiter geben und gleichzeitig vom Gegenüber eine Gegenleistung erwarten. Es gilt, die richtigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vernetzung zu schaffen. Entscheidende Faktoren sind dabei u.€a. Menschen mit der Fähigkeit zur Kooperation, gemeinsam gesetzte Ziele und Regeln, Wissen um die eigenen Kernkompetenzen, technische Möglichkeiten der Kommunikation und eine professionelle Begleitung. Mit einer entsprechenden Kooperationskultur und Unterstützung durch erfahrene ‚Network Enabler‘ haben es Netzwerke deutlich leichter, erfolgreich am Markt zu agieren. Mit den Inhalten, Ideen, Impulsen und Informationen, die die net’swork bietet, ist eine entscheidende Basis für die Professionalisierung der Netzwerkwelt geschaffen. Sie trägt dazu bei, die Qualität und Effektivität der Vernetzung in allen wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen zu verbessern und Menschen aus allen gesellschaftlichen Kreisen für eine neue Kooperationskultur zu begeistern. „Wenn du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit zu erleichtern, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem endlos weiten Meer“ (Saint-Exupéry). Denn die Herausforderungen der Zukunft werden darin liegen, die Dynamik von Netzwerken zu begreifen, sich darin wohl zu fühlen, sie zu leben und letztendlich erfolgreich zu nutzen.
2 Die Arbeitswelten der Wissensarbeiter des 21. Jahrhunderts Netzwerke und Cluster sind in Unternehmen, Hochschulen und Institutionen angekommen. Diese Feststellung wird sicherlich von vielen Akteuren bejaht werden. Aber sind wir wirklich schon angekommen? Nutzen wir die vielschichtigen und erfolgbringenden Vorteile der Netzwerkarbeit mit all ihren Facetten? Wie steht es mit den ‚Global Playern‘, die zunehmend im Wettbewerb mit flexiblen, hoch kompetenten und schnell reagierenden Netzwerken stehen? Nut-
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zen sie das Wissen und die Kompetenzen, die in ihren eigenen Reihen vorhanden sind? Können die Großen – zum Teil noch hierarchisch geführt – dieses Wissen und diese Kompetenzen effizient bündeln? Sind die Arbeitnehmer und die Chefs solcher Unternehmen schon auf dem Weg zur Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts? Alle, die sich auf dem Feld der Vernetzung von Unternehmen und damit von Menschen bewegen, wissen um die Bedeutung von Eigenschaften wie Netzwerkfähigkeit, Vertrauen, Stärke, Teilhabe. Bringen die ‚Großen‘ diese Vorrausetzungen mit, oder bedarf es hier eines Prozesses des Weiterdenkens und Lernens? Einzelne ‚Global Player‘ haben bereits erkannt, dass die Kompetenz- und Wissensbündelung in den eigenen Reihen ein Schlüssel für den zukünftigen Erfolg sein wird. Viele sprechen heute schon von den Wissensarbeitern. Ist es nicht sogar so, dass diese Unternehmen von ihren kleineren Wettbewerbern gelernt haben oder lernen können? Bisweilen hört man die Ansicht, dass die Netzwerkentwicklung weit fortgeschritten – man weiß ja jetzt, wie es geht – und es daher nur folgerichtig sei, sich nun doch wieder anderen Themen, am liebsten den ‚harten‘ Fakten und Zahlen, zuzuwenden, eben den ‚echten‘ Innovationstreibern. Wie wir zukünftig zu diesen Innovationen gelangen und auf welchen Märkten die Zukunft liegt, bleibt dabei allerdings im Dunklen. Vielen Wissenschaftlern, Führungskräften und Politikern ist offenbar immer noch nicht deutlich geworden, wie entscheidend Netzwerkarbeit und vor allem Kooperationskultur bei der Lösung solcher wirtschaftlichen Zukunftsfragen sind – die für entwickelte Wirtschaftsstandorte wie Deutschland langfristige Existenzfragen darstellen. Wie schon erwähnt, sind auch die beste Netzwerkstruktur und -organisation nichts wert, wenn die Menschen diesen Gedanken nicht leben. Nach den theoretisch-wissenschaftlichen Abhandlungen und den Diskussionen der letzten Jahre zum Thema Netzwerke kann man im Moment den Eindruck gewinnen, dass das Thema nach einem Jahrzehnt anerkannt hoher Relevanz heute als ‚Standard‘ gilt, dem man keine intensivere Beschäftigung mehr zu widmen braucht. Eine solche Einschätzung spiegelt aber eher das Verlangen der Diskutanten nach neuen, ‚unverbrauchten‘ Themen, sozusagen ihr ‚modisches‘ Bedürfnis, als die beobachtbare Lage an der alltäglichen Entwicklungsfront in und mit Netzwerken. Die net’swork, die seit zehn Jahren als Impulsgeber und Motor der Netzwerkund Kooperationsentwicklung in Deutschland wirkt, bildete lange Zeit die Entwicklung von Netzwerken und die damit verbundenen vielschichtigen Themen ab. Ein zentrales Anliegen war und ist es bis heute, die Professionalisierung der Netzwerkarbeit und des Netzwerkmanagements gezielt zu unterstützen. Das meint aber eben nicht mehr ‚nur‘ die Professionalisierung der Netzwerk- und Clustermanager, sondern muss mittlerweile den Grundgedanken der Kooperationskultur (in dem Sinne, in dem wir nach wie vor z.€B. auch eine Schriftkultur ‚sind‘) und darüber hinaus professionelle Netzwerkarbeit auf neuen Gebieten intensiv vorantreiben. Neuere technische und gesellschaftliche Entwicklungen zeigen uns, wie wichtig zukünftig Netzwerkarbeit in all ihren Facetten für das Wirtschafts- und Gesellschaftsleben sein wird. Für die junge Generation sind das Internet und dessen Möglichkeiten selbstverständlich. Die Nutzung von Social Commu-
„Netzwerk“ muß gelob werden
Kooperationskultur als wichtiges Moment der gesellschaftlichen Identität
294
G. Nitsch
nities, der Aufbau eigener Communities, der Umgang mit Twitter und Co. – all dies wird auch für zukünftige Generationen ‚normal‘ sein. Die Macht, die von Blogs und Communities ausgeht, wird zukünftig weiter wachsen. Dieses Potential und die Chancen, die darin liegen, gilt es zu nutzen und für zukünftige Innovationen und Ideen einzusetzen. Wo liegen nun die Herausforderungen für uns, die wir mit der net’swork mit dazu beigetragen haben, den Netzwerkgedanken in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zu verankern?
3 Das zweite Jahrzehnt der net’swork Unsere Aufgabe wird es zwar auch weiterhin sein, Überzeugungsarbeit zu leisten und Netzwerkmanagern ein Forum des Austausches und der Weiterbildung zu bieten. Denn es ist wichtig, die neuesten Instrumente für effizientes und erfolgreiches Management von Netzwerken und Clustern aus Praxis und Theorie kennenlernen, den Austausch mit anderen suchen und von deren Erfahrungen lernen zu können. Aber es kommen neue Entwicklungen im Netzwerkgeschehen dazu, die unsere Arbeitswelt und unser Verständnis von gesellschaftlichen Aufgaben nachhaltig anders definieren werden, als wir es bisher gewohnt sind. Die Weiterentwicklung des Netzwerk- und Clustermanagements Die Professionalisierung der Netzwerkarbeit auf den Ebenen der Netzwerke, der Unternehmen und Hochschulen muss vorangetrieben werden. Je nach Art und Lebenszyklus von Netzwerken stehen deren Manager und Managerinnen vor unterschiedlichen Herausforderungen. Gleichzeitig steigen einerseits der Grad der Vernetzung mit anderen, z.€T. regional übergeordneten Clustern, und andererseits die Anzahl der Schnittstellen der einzelnen Netzwerke untereinander. In diesem Spannungsfeld müssen Prozesse optimiert und erfolgreich gemanagt werden. Neue Servicangebote für die Akteure sind gefragt, um die Bindung an das Netzwerk zu stärken. Die Vielzahl von zum Teil ähnlich ausgerichteten und/oder im eigenen Branchenumfeld angesiedelten Netzwerken lässt den Druck auf die Netzwerkmanager steigen. Der Wettbewerb um neue Mitglieder und Fördermittel hat gerade erst begonnen und birgt einigen Zündstoff. Hier müssen mehr pragmatische und praktisch umsetzbare Instrumente und Methoden entwickelt und verbreitet werden. Die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts: Wissensarbeiter und lebenslanges Lernen Das traditionelle Selbstverständnis von Unternehmen, Hochschulen und staatlichen Institutionen wird sich radikal verändern. Die Komplexität des vernetzten Arbeitens nimmt zu. Das Web 2.0 führt technische und soziale Vernetzung zusammen, Blogs, Twitter, Wikis können als neue Formen des kollaborati-
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ven Wissensaufbaus betrachtet werden. Der Professionalisierung des Netzwerkmanagements wird eine immer höhere Bedeutung beigemessen, da die Komplexität vernetzten Arbeitens im Alltag zunimmt. Unternehmen werden sich immer mehr öffnen und in immer stärker wechselnden Beziehungen mit unterschiedlichsten Akteuren arbeiten. Durch die Entbürokratisierung, das auf breiterer Front unternehmerisch geprägte Handeln, die zunehmende Projektförmigkeit der Arbeit und den Einfluss digitaler Kommunikationstechnologien werden netzwerkförmige Arrangements zunehmen. Der Schwarm, als organisatorisches Prinzip vieler Spezies von der Biologie beschrieben und durch Schätzings Bestseller einem großen Publikum bekannt geworden, steht hier als Metapher für eine zentrale wirtschaftliche Organisationsform der Zukunft. Mit der wachsenden Vernetzung nimmt auch die Komplexität der beruflichen Handlungswelt in den Unternehmen zu. „Noch ist der Wissenshorizont von beruflich Handelnden sehr stark von ihren spezifischen Interessen und ihrer Institution geprägt. Man bewegt sich häufig in unterschiedlichen Umwelten, man spricht unterschiedliche Sprachen. Wenn man ernsthaft an einer Infrastruktur lebenslangen Lernens interessiert ist, dann braucht man mehr Erfahrungsaustausch, mehr Kommunikation untereinander“ (Jütte 2010, 8). Die technischen Voraussetzungen liegen vor, einzig die Strukturen in Wirtschaft und Wissenschaft sowie die Fähigkeit zur Kooperation müssen dem noch mehr folgen. Die Innovationsfelder der Zukunft Der im Juni 2010 abgeschlossene, vom Bundesministeriums für Forschung und Bildung in Auftrag gegebene „Foresight Prozess“ identifiziert die Zukunftsthemen in Forschung und Technologie. Diese „Zukunftsfelder neuen Zuschnitts“ weisen einen intersystemischen Charakter auf, der die Akteure in den unterschiedlichsten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systemen vor neue Herausforderungen stellt. Sie lassen sich nur durch Vernetzung und eine veränderte Kooperationskultur zum Erfolg führen. Mit dem Augenmerk auf den ausgeprägt intersystemischen Zukunftsfeldern „Mensch-Technik-Kooperation“ und „Produzieren Konsumieren-2.0“ wird erkennbar, welche Rolle Netzwerkbildung und Kooperationskultur zukünftig spielen müssen, wenn die Akteure in diesen neuen Märkten erfolgreich operieren wollen. Die Zukunft von Staat und Gesellschaft: Steuerungsinstrument Netzwerk? Netzwerke übernehmen in den Bereichen Gesundheit und Bildung immer mehr staatliche Steuerungs- und Lenkungsaufgaben. Liegt eine Chance für Staat und Gesellschaft darin, originäre Aufgabenfelder Netzwerken zu überlassen? Aufgrund der finanziell zum Teil desaströsen Lage in Bund, Ländern und Kommunen erscheint dieses Szenario manchen Verantwortlichen als willkommene Lösung, waren doch die Netzwerk- und Kooperationsprozesse insbesondere in den Non-Profit-Sektoren politisch und wirtschaftlich gewollt. Und nicht we-
Schwarm als wirtschaftliche Organisationsform
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G. Nitsch
nige Experten und Politiker sehen eine große Chance darin, durch mehr Vernetzung positiv auf die bildungspolitische Landschaft einzuwirken. Dies gilt sicherlich auch im Bereich der Gesundheit, der ein großes wirtschaftliches Zukunftspotential birgt (vgl. Händeler, Eric (2008) Gesundheit wird zum Wachstumsmotor, in Merz, Friedrich, Wachstumsmotor Gesundheit, Die Zukunft unseres Gesundheitswesen; München Karl Hanser Verlag, 29–60). Chancen und Gefahren, die daraus resultieren, wenn sich der Staat an diesen Stellen in seiner Lenkungsfunktion zurücknimmt, müssen diskutiert werden und sollten in der Gesamtbetrachtung der Netzwerklandschaft nicht außer Acht gelassen werden.
4 Das neue Gesicht der net’swork
Interdisziplinäres Kompetenzzentrum ...
... in vielfältigen Ausprägungen
Die beschriebenen Entwicklungen, die am Horizont sichtbar werden, spiegeln sich inhaltlich und strukturell darin wieder, dass aus der net’swork heraus etwas Neues erwächst, dass Kontinuität und Nachhaltigkeit für die Themen gewährleistet. Dieses Neue ist ein „Interdisziplinäres Kompetenzzentrum für Netzwerkmanagement“ (Arbeitstitel) und möchte den gesellschaftlichen Auftrag, „gemeinsam Netze des Wissens zu knüpfen“, unterstützen. Denn wenngleich der gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedarf an Netzwerken steigt, fehlt es allerorten noch an Unterstützung und Hilfestellungen. Darauf wird auch in der aktuellen Trendanalyse des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung hingewiesen: „Die Verbreitung und Akzeptanz von Kooperationen und Netzwerken steigt. Gleichwohl ist die politische Unterstützung und Förderung von Kooperationen und Netzwerken nach wie vor ein zentraler Erfolgsfaktor für das Zustandekommen neuer Kooperationen und Netzwerkbeziehungen“ (DIE 2010, 61). Das geplante Kompetenzzentrum ist geprägt durch eine „forschungsbasierte Dienstleistungsinfrastruktur“, um gemeinsam Innovationen in wirtschaftlichen, wie auch gesellschaftlichen Bereichen durch Austausch von „good network practice“ sowie die Entwicklung von Netzwerkkompetenz zu fördern. Die net’swork wird eine von vielen unterschiedlichen Impulsgebern für die Arbeit in dem Zentrum sein. Neben den klassischen Modulen der Foren, der Ausstellung von Best-Practice-Netzwerken und Dienstleistern kommen innovative Methoden und Vernetzungsmodule zum Einsatz: • Die Beteiligung Aller an der Themengestaltung. Wer, wenn nicht die Akteure in den Netzwerken und die Forscher, weiß am besten, wo der Schuh drückt und neue Herausforderungen auf die Netzwerkkultur zu kommen? Die Unterstützung durch und Zusammenarbeit mit Partnern wie den Kompetenznetzen Deutschland oder dem Kompetenzzentrum Netzwerkmanagement ermöglichen insbesondere im praktischen Sektor hervorragende Einblicke und Impulse. • Die Bildung der Community, die es ermöglicht, im Vorfeld schon die aktuellen Themen zu diskutieren, den Akteuren ein Gesicht zu geben und die Interaktion voran zu treiben.
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• Der Einsatz des ‚strategischen Networking‘ im Kompetenzzentrum und auf den Veranstaltungen. Diese Networking fordert die Teilnehmer dazu auf, Personen, mit denen sie immer schon mal zu einem bestimmten Thema sprechen wollten, auf neutralen Boden einzuladen. Hier kann die Möglichkeit genutzt werden, schnell und pragmatisch in Kontakt zu kommen. Das Kompetenzzentrum will kein ‚Eigenleben‘ als zeitlich begrenztes Projekt oder als ‚zusätzliche Einrichtung‘ führen, sondern seine Aufgabe ist es, Synergien zu bereits vorhandenen Initiativen zu suchen und zur qualitativen Entwicklung von existierenden Kooperationen beizutragen. Die Kompetenzentwicklung und der Wissenstransfer geschehen u.€a. durch Fortbildungen und Austausch über „Best Network Practices“. Insofern lautet der Arbeitstitel eben „Gemeinsam Netze des Wissens zu knüpfen“. Dabei soll dieser Austausch insbesondere auf der persönlichen Ebene stattfinden. Dieses wird vielleicht umso wichtiger, je häufiger und selbstverständlicher kommunikative Prozesse im digitalen Universum ablaufen. Denn schließlich sind es die Menschen, die – mit Hilfe welcher Technologie auch immer – die Zukunft gestalten. Da macht die Netzwerkkultur keine Ausnahme.
5 Quo vadis, Netzwerkmanagement? Die Diskussion ist eröffnet. Wohin die Reise genau gehen wird – ob wir in einigen Jahren eine Arbeitswelt vorfinden, in der Netzwerke in einem System einem ständigen Wandel unterliegen und die Akteure in ständig wechselnden Schwärmen agieren – wissen wir heute noch nicht. Die Entwicklungen deuten allerdings in diese Richtung und lassen bereits heute erkennen, dass hier ein Umdenken erforderlich wird. Werden alte Netzwerke zu starr, sind sie es vielleicht schon heute? Brauchen wir zukünftig noch ein Management der Netzwerke oder bringen die neuen Arbeitsgenerationen dieses Werkzeug schon mit? Im Moment bedarf es noch einer Führung im Netzwerk, noch kommen die Impulse zumeist eben von den ‚Machern‘. Werden deren Kompetenzen zukünftig durch den Selbstlernprozess, durch die sich ändernden technischen Voraussetzungen und den Umgang mit dem Internet selbstverständliches Allgemeingut? Sicher werden kommende Generationen der Kommunikation, der Weitergabe und dem Teilen von Wissen unbefangener gegenüber stehen als die bisherigen. Und: Welche Rolle wird Politik in diesem Themenfeld zukünftig spielen? Werden neben den vielfältigen positiven Effekten auch die Risiken gesehen, angemessen bewertet und mit geeigneten Mitteln eingedämmt? Viele dieser Themen treiben die Fachleute in Wissenschaft und Wirtschaft, aber auch in der Politik um. Die Antworten können wir aktuell zwar noch nicht geben, wohl aber vorbereiten. Die net’swork bzw. das aus ihr entstehende „Kompetenzzentrum für Netzwerkmanagement“ bringt Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zusammen und vernetzt sie vor Ort. So wie Netzwerke einem steten Wandel unterliegen, entwickelt sich das Kompetenzzentrum mit seinen Instrumenten kontinuierlich weiter. Es ist nicht starr,
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G. Nitsch
sondern greift die neuesten Tendenzen und Einflüsse auf, passt sich in seiner Form den Entwicklungen an, bündelt Kompetenzen, bildet weiter, macht das Thema transparent und treibt es weiter vorwärts. Inwieweit Netzwerke und technische Entwicklungen Impulsgeber für die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts sind und sein werden, können wir heute noch nicht beurteilen. Wir können diese Welt nur erahnen und mit gestalten. Die Erfahrungen und das Wissen der heutigen Netzwerke und ihrer Manager sind hierfür auf absehbare Zeit unerlässlich. Denn die Innovationsfelder von morgen lassen sich nur durch Netzwerke, wie auch immer sie aussehen werden, und durch gelebte Kooperationskultur erfolgreich bestellen.
6 Literature DIE (2010) Deutsches Institut für Erwachsenenbildung Trends der Weiterbildung, 61 Händeler E (2008) Gesundheit wird zum Wachstumsmotor. In Merz F Wachstumsmotor Gesundheit, Die Zukunft unseres Gesundheitswesen; München Karl Hanser Verlag, 29–60 Jütte W (2010) Netzwerke, die nicht lernen, haben keinen Erfolg. In: Markt und Wirtschaft 6/2010, 8
Serviceteil
Lust und Last der Netzwerkberatung Jürgen Howaldt, Ralf Kopp, Achim Loose
1 Einleitung Die Unternehmens- und Organisationsberatungsbranche hatte von Beginn der neunziger Jahre an erstaunliche Wachstumsraten zu verzeichnen, musste aber seit 2001 mit deutlichen Einbrüchen leben. Es scheint so, als befände sich die Unternehmens- und Organisationsberatung in einer Strukturkrise. FestÂ�stellbar ist eine zunehmende Skepsis im Hinblick auf die Erfolgsversprechen der Branche und eine zunehmende Kritik an den Konzepten und Strategien der Beratungsunternehmen (vgl. Mohe 2005, 6). Neben den Auswirkungen mangelnder Professionalität und Seriosität eines nicht unbeträchtlichen Teils der Branche (vgl. Leif 2006) gibt es jedoch ernsthafte, strukturell bedingte Dysfunktionalitäten traditioneller Beratungsarrangements im Sinne einzelbetrieblicher Organisationsberatung. Angesichts der immer komplexer werdenden Problemlagen in den Klientenorganisationen erweisen sich die Möglichkeiten insbesondere kleinerer Beratungsunternehmen zur Mobilisierung adäquater Expertise bzw. zur Gestaltung angemessener Bearbeitungsarchitekturen als zu begrenzt. Einen Ausweg bietet der Zusammenschluss zu Beratungsnetzwerken. Jedoch geht damit insbesondere dann ein sprunghafter Anstieg der Komplexität der erforderlichen Steuerungsleistungen einher, wenn der Klient keine einzelne Organisation, sondern ebenfalls ein Netzwerk ist, eben wenn Netzwerke Netzwerke beraten. Gleichzeitig erweisen sich die Ressourcen zur Beherrschung dieser Komplexität im Sinne der Finanzierung eines Netzwerkmanagements in vielen Beratungsnetzwerken als äußerst begrenzt, so dass Mittel und Wege der effizienten Selbstorganisation gefunden werden müssen. Nur wenn jedes Netzwerkmitglied definierte Aufgaben des Netzwerkmanagements mit trägt und die ihm hiermit zuwachsenden Verantwortlichkeiten verbindlich übernimmt und abarbeitet, kann die drohende Unübersichtlichkeit gebändigt werden. Zumindest für Netzwerke, die den Weg der Selbstorganisation gehen wollen oder müssen, ist das Herstellen von Verlässlichkeit und Verbindlichkeit eine große Herausforderung, die spezifischer Instrumente und Vereinbarungen bedarf. In diesem Beitrag werden die Grenzen konventioneller Einzelberatung skizziert und Vorteile von Beratungsnetzwerken herausgearbeitet. Es wird gezeigt, das die damit einhergehende Komplexitätssteigerung selbst wieder zum Prob-
Komplexität der Beratungsanforderungen wächst
302
J. Howaldt, R. Kopp, A. Loose
lem werden kann, das insbesondere die Möglichkeiten der Selbstorganisation zu überschreiten droht. An einem beispielhaft ausgewählten erfolgreich erprobten Instrument, dem Partner-Rating, soll gezeigt werden, wie die Arbeitsteilung im Netzwerkmanagement trotz begrenzter Selbstorganisation verbindlich geregelt werden kann.
2 Vom Einzelkämpfer zum Beratungsnetzwerk Überforderung des ‚klassischen‘ Beratungsarrangements
Zu enges Kompetenzspektrum
Nur indirekter Transfer von Praxiswissen
Traditionelle Beratungsarrangements setzen in der Regel auf ein einfaches Kommunikationsgeflecht zwischen Beratern einer Beratungsfirma und verschiedenen Akteuren der Klientenseite. Problematisch ist dieses Verhältnis deshalb, weil es sich um einen asymmetrisch strukturierten Austauschprozess zwischen einem Beratungsanbieter und einem Beratungsnachfrager handelt. Diese Architektur bleibt hinter den Erfordernissen anspruchsvoller Problemkonstellationen zurück, die der Aufbau einer Lernenden Organisation mit sich bringt. „Je komplexer die Veränderungsprozesse, desto komplexer und aufwändiger muss die Projektarchitektur sein“ (Heintel/Krainz 1992, 150). Insofern verwundert es nicht, dass solche einfachen Beratungsarrangements nicht länger die gewünschten Erfolge bringen. Nachteile für die Klienten liegen insbesondere in der frühzeitigen Begrenzung des Optionsraumes bei der Problembearbeitung auf die Kompetenz und das Repertoire eines Beratungsunternehmens, ohne zu wissen, inwieweit sich diese im Verlauf des Veränderungsprozesses als angemessen oder ausreichend erweisen werden. Die Entscheidung für einen Anbieter drückt die Hoffnung des Klienten aus, dass das Leistungsvermögen der Beratungsfirma den Prozessanforderungen entspricht. Dies ist jedoch längst nicht immer der Fall. Auch wenn zu Anfang mehrere Beratungsanbieter geprüft werden, so ist aufgrund der Offenheit von Veränderungsprozessen im Vorfeld nur schwer abschätzbar, welche Beratungskompetenzen im Verlaufe eines Projektes de facto benötigt werden und inwieweit die Bewerber in der Lage sind, entsprechendes Knowhow zu mobilisieren. So besteht zumindest das Risiko, dass das Beratungsangebot eher am tendenziell begrenzten Repertoire einer Beratungsfirma orientiert wird als an den sachlichen Erfordernissen des zu lösenden Problems. Wenn eine Beratungsfirma bspw. primär Motivationstrainings anbietet wird sie alle anfallenden Schwierigkeiten im Veränderungsprozess als Motivationsproblem behandeln und andere Ursachen vernachlässigen. Wenn ein Anbieter auf die Leitbild- und Strategieentwicklung spezialisiert ist, wird er Aspekten der Teamentwicklung oder der Informationsverarbeitung weniger Beachtung schenken. Große und kleine Beratungsfirmen unterscheiden sich diesbezüglich nur graduell. Ein weiterer Nachteil liegt darin, dass in traditionellen Beratungsarrangements Praxiserfahrungen nur aus zweiter Hand, d.€ h. über den Berater vermittelt, an den Klienten herangetragen werden. Betriebliches Erfahrungswissen und Know-how erweisen sich jedoch gerade dann als besonders wirksam, wenn sie direkt zwischen Betrieben zirkulieren. Die Zusammenarbeit zwischen Unter-
Lust und Last der Netzwerkberatung╅╇╛╛303
nehmen wird dann zur Lernarena für Wandlungsprozesse und eröffnet einen Erfahrungsraum, der in konventionellen Beratungsarchitekturen keinen Platz findet. Auch für die Beratungsunternehmen können sich die eindimensionalen Kommunikationsbeziehungen traditioneller Beratungsarrangements als nachteilig erweisen. Abgesehen von verschenkten Möglichkeiten zur Verbreiterung der Angebotspalette durch die Bündelung von Angeboten verschiedener Anbieter wird zum einen die Einnahme einer Position professioneller Distanz zwischen dem Einzelberater und dem Klienten erschwert, zum anderen werden Möglichkeiten zur Selbstdistanz bzw. zur kritischen Selbstreflexion der eigenen Vorgehensweise vergeben. So bindet der traditionelle Kommunikationsrahmen „Beratungsfirma – Klientenfirma“ beide Seiten möglicherweise enger aneinander, als es ihnen lieb sein kann, und droht, zur distanzraubenden „Beziehungsfalle“ (Heintel/Krainz 1992) zu werden. Entweder wird der Berater darin derart vereinnahmt, dass er zunehmend zu einem Teil des Unternehmens wird und die produktive Störqualität seiner Außensicht verloren geht, oder der Klient vertraut aus Mangel an alternativen Impulsen vollkommen darauf, dass sein Berater das Problem schon lösen wird, drängt ihn damit in die Rolle des Experten und entzieht sich der Notwendigkeit eigener Mitwirkung. Beiden Formen der „Beziehungsfalle“ kann der Berater nur entgegenwirken, wenn er seine Rolle im Beratungsprozess, seine Wahrnehmungen und Schlussfolgerungen bzw. Interventionsmaßnahmen einer regelmäßigen Kritik unterzieht und sich selbst beraten lässt. Sofern sich einzelne Beratungsfirmen überhaupt dementsprechenden Verfahren kollegialer Fallberatung unterziehen, bleiben die alternativen Sichtweisen der Innensicht der Beratungsfirma verhaftet. In die jeweiligen Interventionsmaßnahmen ist damit bestenfalls die Expertise derer eingearbeitet, die über denselben institutionellen „Background“ und damit einen relativ ähnlichen Erfahrungsschatz verfügen. Externe Potenziale zur Prüfung, Korrektur und Verbesserung der Interventionsqualität werden insbesondere von klassischen Beratungsfirmen kaum genutzt. Mit dem Aufbau von Beratungsnetzwerken lassen sich durch die Zusammenführung der vielfältigen Kompetenzen und den Einbau von kontinuierlichen Reflexionsprozessen qualitativ höherwertige bzw. potenziell leistungsfähigere Beratungsarrangements entwickeln. Der Optionsraum zur Problembearbeitung ist von Anfang an größer und über den Gesamtprozess können problemadäquate Lösungskompetenzen flexibler mobilisiert werden. Beratungsnetzwerke ermöglichen für Klienten und Berater eine Win-Win-Situation. Zu den Vorteilen gehören u.€a.: • Verbesserung der Qualität der angebotenen Dienstleistung durch eine kontinuierliche Reflexion und Evaluation der jeweiligen betrieblichen Beratung im und durch das Beraternetzwerk; • Zusätzliche Impulse zur Weiterentwicklung der eigenen Produkte und Qualifikationen (erhöhte Innovationsfähigkeit); • Entwicklung von neuen Kooperationen und Vervielfältigung der Kundenkontakte;
„Beziehungsfalle“
Win-Win-Situation durch und für Beratungsnetzwerke
304
J. Howaldt, R. Kopp, A. Loose
• Erhöhte Reputation durch gemeinsames Auftreten der Netzwerkpartner und Vorteile in der Akquisition von Mitteln bzw. neuen Aufträgen. Insofern ist davon auszugehen, dass insbesondere kleine und mittelgroße Beratungsunternehmen in Zukunft mehr und mehr auf solche Netzwerke angewiesen sind. Dass solche Kooperationen im Spannungsfeld zwischen Kooperation und Wettbewerb nicht unproblematisch sind, ist unbestritten (vgl. auch Maning/ Sydow 2006).
3 Komplexitätssteigerung als Herausforderung für das Netzwerkmanagement Nicht unterschätzt werden darf die Tatsache, dass sich mit zunehmender Vernetzung zugleich auch die Komplexität des Beratungsgeschehens stark erhöht und sich neue Problemlagen herausbilden, wie Sie für die Arbeit in Netzwerken typisch sind. Die Komplexität erhöht sich noch einmal, wenn es nicht darum geht, aus einem Beratungsnetzwerk Angebote/Leistungen für eine einzelne Klientenorganisation zu generieren, sondern wenn Beratungsnetzwerke z.€B. Unternehmensnetzwerke beraten oder Innovationsnetzwerke gestalten. Idealtypisch lassen sich vier Beratungskonstellationen unterscheiden. In der Praxis der Netzwerkberatung kommen wiederkehrend Mischformen dieser idealtypischen Konstellationen vor. Im Verlauf eines Beratungsprozesses wird mitunter mehrmals die Ebene der Beratung gewechselt. Manning/Sydow (2006, 13) unterscheiden vier grundlegende Konstellationen der Beratung, in der Beratende und Beratene aufeinander treffen können (vgl. Abb. 1). Beratene
Organisationen
Netzwerke
(Adressat) Beratende (Anbieter) Unternehmen
(I) Organisationsberatung durch Beratungsunternehmen: „Klassische“ Organisationsberatung (1:1)
(II) Netzwerkberatung durch Beratungsunternehmen: Beratung in Netzwerken (n:1)
Netzwerke
(III) Organisationsberatung durch Beratungsnetzwerke (1:n)
(IV)Netzwerkberatung durch Beratungsnetzwerke: Beratung von und in Netzwerken (n:n)
Abb. 1:╇ Konstellationen der Beratung in und von Netzwerken
Lust und Last der Netzwerkberatung╅╇╛╛305
Die Anforderungen an das Netzwerkmanagement, die Anforderungen zur Mobilisierung adäquater Expertise/Kompetenz aus dem Netzwerk und deren operative Zusammenbindung in geeignete kundenspezifische Projektnetzwerke, die Sicherstellung gemeinsamer Qualitätsstandards und die gerechte Fakturierung der eingebrachten Leistungen deuten bereits den Komplexitätszuwachs an. Die Komplexität, mit der Beratungsorganisationen im Rahmen des eigenen, internen Netzwerkmanagements sowie einer externen Netzwerkberatung ggf. zu tun bekommen, erstreckt sich auf mindestens fünf Bereiche: • auf die Binnen-Komplexität der am Beratungsnetzwerk beteiligten Beratungsunternehmungen; • auf die Eigen-Komplexität und -Dynamik der (neu) entstehenden Netzwerkbeziehungen bzw. des Beratungsnetzwerks; • auf die Komplexität des jeweils beratenden Projektnetzwerks als Teilmenge des Beratungsnetzwerkes; • auf die Komplexität der Netzwerke, in die die ratsuchenden Klienten ggf. eingebunden sind; • auf die (Binnen-) Komplexität der am Klientennetzwerk teilnehmenden Unternehmungen. Die hierbei in der Regel zu leistende kooperative Organisation von Expertise zwischen unterschiedlich spezialisierten Beratungsunternehmungen und oftmals individualistisch ausgeprägten Beraterpersönlichkeiten ist voraussetzungsreich und nicht ohne anspruchsvolle Kooperationsarbeit, bemühungsund zeitintensives Netzwerkmanagement sowie intern organisierte reflexive Prozesse des eigenen Vorgehens (internes Coaching; kollegiale Fallberatung) zu haben. Im Besonderen die Kooperation zwischen Prozess- und Fachberatern setzt auf die Idee, je individuelle Expertise und unterschiedliche „Kernkompetenzen in einem lose gekoppelten Verbund weiterzuentwickeln. Ihr Vorteil besteht in ihrer organisatorischen Offenheit – das betrifft dann die Teilnehmer ebenso wie die Formen der Interaktion und inhaltlichen Fragestellungen. Von Nachteil sind die begrenzte Steuerbarkeit und eine gewisse Unverbindlichkeit der Arbeitsmethoden und Ergebnisse“ (Boos/Jarmai 1994, 26). Die Beratung im Netzwerk, als Beratungsteam oder in einem beratenden Projektnetzwerk erfordert ein hohes Maß an Abstimmung, Anpassung, Verzahnung, Vorbereitung etc. zwischen den Beratern. Die zuvor angesprochene Reflektion des eigenen ratgebenden Vorgehens gemeinsam mit den Netzwerkpartnern ist nur eine – zumeist nachgelagerte, selten Prozess begleitende – Form des Umgangs mit der „Klientenkomplexität“ sowie den eigenen Blindheiten. Zunächst geht es im Verlauf eines konkreten Beratungsprozesses zumeist um das operative Rat geben und somit um Fragen wie: • Welcher Berater aus welcher Beratungsunternehmung übernimmt welchen (Teil-) Auftrag? • Mit welchen Methoden und Instrumenten soll im Beratungsprozess gearbeitet werden? • Wie kann (intern) sichergestellt werden, dass die beteiligten Berater gegenüber dem Klienten als kompetentes, abgestimmtes und nicht widersprüchliches Team auftreten, das die unübersichtliche Lage der Dinge nicht durch
Quellen steigender Komplexität
Herausforâ•‚ derung: kooperative Organisation von Expertise
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zusätzliche Perspektivunterschiede und andere Divergenzen weiter verkompliziert. Es sei denn, dies ist die explizit vereinbarte Methode und Vorgehensweise eines Beratungsprozesses. Die mit diesen Fragen verbundenen Abstimmungsprozesse sind zeitintensiv und werden von den Klienten nicht bezahlt. Sie müssen somit im Rahmen der vereinbarten Tagessätze und Beratungstage Berücksichtigung finden und zwischen den beteiligten Beratern möglichst eindeutig geregelt sein. Zu der externen wird also eine interne Auftragsklärung erforderlich. Um abgestimmt und effizient agieren zu können sowie interne Anpassungsprozesse, die immer erforderlich sind, gewährleisten zu können, muss sich also auch das Beratungsnetzwerk eine Binnen-Organisation reflexiv erarbeiten. Im Rahmen gemeinsamer „Übungen“ – z.€B. durch wechselseitige kollegiale Fallberatungen oder interne Coachings – müssen Gemeinsamkeiten erarbeitet und gemeinsame Qualitätsstandards geschaffen werden. Und dies gelegentlich unter Rückgriff auf selbstbezügliche Netzwerkberatung „in eigener Sache“.
4 Verbindliche Selbstorganisation oder die Quadratur des Kreises? Das Beispiel PartnerRating und -Ranking
Beispiel: Partner-Rating im Beratungsnetzwerk
Unter den Rahmenbedingungen der Selbstorganisation stellen die Mobilisierung der Netzwerkmitglieder, insbesondere zum Zwecke der Netzwerkpflege und – entwicklung, sowie die Erhöhung von Verantwortlichkeit und Verbindlichkeit nicht nur für Beraternetzwerke eine Herausforderung dar. Ob dies gelingen kann, hängt von vielen Faktoren der Netzwerkorganisation ab. Zu nennen wären beispielsweise der Grad der Vertrauensbasierung, die Existenz von Regelwerken über die Arbeitsweise, die Klärung von Verantwortlichkeiten (bspw. eines zentralen Netzwerkmanagements, welches sich durchaus mit den Prinzipien der Selbstorganisation verträgt), die Regelung der Qualitätsstandards und der Prozesse zur Leistungserbringung etc. Aufgrund mangelnder hierarchischer Durchgriffsmöglichkeiten klafft nur allzu häufig eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen Vorsatz und Realität, zwischen Papierlage und Praxis, zwischen Vereinbarung und Umsetzung. Diese Lücke ist der mangelnden Verbindlichkeit geschuldet. Zur Gewährleistung der Verbindlichkeit wurden im Kompetenzzentrum Netzwerkmanagement äußerst positive Erfahrungen mit dem sog. „Partner-Rating“ gemacht. Die Arbeitsgruppe „Verbindlichkeit“ entwickelte das Verfahren, stellte es auf den Partnertreffen vor und verfeinerte es über mehrere Feedbackschleifen, bis es offiziell durch einstimmigen Beschluss aller Partner in Kraft gesetzt wurde. Zunächst wurde geklärt welche Aufgaben für die Netzwerkpflege und entwicklung wie wichtig sind. Für jeden der Parameter wurde eine maximal erreichbare Punktzahl festgelegt, wobei sich die Höhe der Punktzahl an der Wichtigkeit der Aufgaben orientierte. Parameter waren u.€a. die regelmäßige Teilnahme
Lust und Last der Netzwerkberatung╅╇╛╛307
an Partnertreffen11, Mitarbeit im Kernteam, Beteiligung an Arbeitsgruppen, Beteiligung an der Öffentlichkeitsarbeit, Veröffentlichungen2, die Überlassung von Arbeitsmaterialien. Auch die Administration des Ratingsystems ist wichtig: So erhält derjenige, der es betreut, ebenfalls Punkte (Abb. 2). Parameter
Punkte
Partnertreffen
30
Arbeit Kernteam
40
Arbeitsgruppen
70
Öffentlichkeitsarbeit
80
Veröffentlichungen
30
Finanzierung
10
Profitcenter
30
Überlassung von Infomaterial/Arbeitsmaterialien
10
Sonstiges
40
Administration KNM
30
Abb. 2:╇ Arbeitshilfe zur Erhöhung der Verbindlichkeit: Partner-Rating Tool 1: Punktesystem (Auszug)
Einmal im Jahr wird der Rating-Verantwortliche aktiv und erstellt eine Leistungsbilanz. Die Partner führen über eine formalisierte Abfrage ihre Jahresleistung auf und ordnen den jeweiligen Aktivitäten die vorgesehenen Punktzahlen zu. Diese Selbstbewertung geschieht auf Vertrauensbasis und wird lediglich einer oberflächlichen „Plausibilitätsprüfung“ durch den Rating-Verantwortlichen unterworfen. Dieser fasst an einem Stichtag alle Ergebnisse der Partner in einer Bilanz zusammen (Abb. 3).
1╇Dies
ist sozusagen erste Mitgliedspflicht. Denn wer fehlt, bekommt die zentralen Entscheidungen und Kommunikationsprozesse nicht mit. 2╇Dieses Buches z.B. entstand in der Arbeitsgruppe „Redaktion“. Sowohl die Autoren als auch die AG-Mitglieder bekamen entsprechende Punkte.
308
J. Howaldt, R. Kopp, A. Loose
Abb. 3:╇ Arbeitshilfe zur Erhöhung der Verbindlichkeit: Partner-Rating Tool 2: Jahresbilanz (Auszug)
Jeder Partner muss, so wurde es konsensuell verabschiedet, ein Soll-Ziel (Mindestpunktezahl 60) erreichen. Die ist bereits der Fall, wenn er regelmäßig an den Partnertreffen Treffen teilnimmt, ohne Mahnung seine Mitgliedbeiträge bezahlt und kleinere Aufgaben übernimmt. Die Sollzahl wird von den tatsächlich erreichten Punkten abgezogen. Hat ein Partner mehr als das Soll geleistet, liegt er mit seinen Punktekonto im Plus. Hat er das Soll nicht erfüllt, steht auf seinem Punktekonto ein Minus. Erreicht er bspw. eine Punktezahl von 70 steht er nach Abzug der Mindestpunktezahl auf dem Konto mit 10 Punkten im Plus. Erreicht er genau die Mindestpunktzahl ist sein Konto ausgeglichen bei 0. Erreicht er bspw. nur 50 Punkte, liegt sein Konto nach Abzug der Mindestpunktezahl bei -10. Diese Ergebnisse können nahtlos in ein Ranking überführt werden (Abb. 4).
Lust und Last der Netzwerkberatung╅╇╛╛309
Ranking Stand: Stichtag 1.
PartnerorganisationA
40
2.
Partnerorganisation B
100
3.
Partnerorganisation C
10
4.
Partnerorganisation D
60
5.
Partnerorganisation E
45
6.
Partnerorganisation F
110
7.
Partnerorganisation G
140
8.
Partnerorganisation H
160
9.
Partnerorganisation I
30
10.
Partnerorganisation J
100
11.
PartnerorganisationK
120
12.
Partnerorganisation L
20
13.
Partnerorganisation M
10
14.
Partnerorganisation N
20
Abb. 4:╇ Arbeitshilfe zur Erhöhung der Verbindlichkeit: Partner-Rating Tool 3: Jahresranking
Sowohl Jahresbilanz als auch Ranking werden auf dem folgenden Partnertreffen offen gelegt und hinsichtlich der Konsequenzen diskutiert. Bisher führte das System dazu, dass die Partner erkannten wer sich im folgenden Jahr verstärkt einbringen muss. Auf der einen Seite konfrontierten die „Leistungsträger“ die „Minderleister“ bei aller Kollegialität verstärkt mit Erwartungen und Aufgabenzuweisungen, zum anderen zeigten diese genügend Einsicht und übernahmen durchaus bereitwillig neue oder unerledigte Aufgaben. Auch wenn dies in unserem Netzwerk noch nicht der Fall war: Bewegt sich ein Partner wiederholt im Minusbereich, sind entschiedene Konsequenzen vorgesehen. Wer längerfristig die jährliche Mindestpunktzahl unterschreitet, wird automatisch aus dem KNM ausgeschlossen. Auf der anderen Seite steht den ‚TOP 3‘ des Rankings als positive Sanktion das Recht zu, die Mitglieder der Schiedsstelle des KNM zu benennen.
5 Fazit Neben dem zuvor beschriebenen Instrument des Partner-Ratings und -Rankings mit entsprechenden, im Rahmen eines Partnertreffens vereinbarten Konsequenzen sind weitere, vertrauensvoll und liberal, aber konsequent ge-
Weitere Maßnahmen
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J. Howaldt, R. Kopp, A. Loose
handhabte Maßnahmen der „verbindlichen Selbstorganisation“ erforderlich. Hierbei ist erstens zu denken an die bereits erwähnte kollegiale Fallberatung im (Beratungs-) Netzwerk, zweitens an die stille Begleitung bzw. teilnehmende Beobachtung einer Beratung durch einen Netzwerkpartner, der dann als Coach für eine Reflexion des eigenen Vorgehens und Verhaltens zur Verfügung steht sowie drittens an den netzwerkinternen Support eines Partners bei beratungsspezifischen Fragestellungen und Problemen, die sich im Verlauf eines Beratungsprozesses ergeben. Und viertens besteht aufgrund der differenzierten theoretischen und/oder praktischen (Beratungs-) Erfahrung im Netzwerk ein guter Nährboden für die gemeinsame Entwicklung neuer (Beratungs-) Instrumente und Verfahren nicht nur aber im Besonderen für die Beratung und Entwicklung von Unternehmensnetzwerken. Diese grundsätzlichen Potenziale und Kompetenzen finden sich nicht nur exklusiv in Beratungsnetzwerken, sondern ebenso in den Klientennetzwerken. Dies hat u.€a. die Konsequenz, dass die im Beratungsnetzwerk entwickelten Instrumente und Verfahren zur Eigensteuerung und – entwicklung als neuer Beratungsgegenstand bzw. als Angebot für Klientennetzwerke offeriert werden können.
Literatur Boos F, Jarmai H (1994) Kernkompetenzen – gesucht und gefunden. Harvard Business Manager 16/4, 19–26 Heintel P, Krainz EE (1992) Beratung als Projekt. Zur Bedeutung des Projektmanagements in Beratungsprojekten. In: Wimmer R (Hrsg) Organisationsberatung: Neue Wege und Konzepte. Gabler, Wiesbaden, 128–150 Leif, T (2006) Beraten and verkauft. McKinsey & Co. – der große Bluff der Unternehmensberater, C. Bertelsmann Sydow J, Manning S (Hrsg) (2006) Netzwerke beraten. Über Netzwerkberatung und Beratungsnetzwerke. Gabler, Wiesbaden Mohe M (2005) In the Neighbourhood of Management Consulting – Neue Konzepte im Beratungsmarkt. In: Mohe M (Hrsg) Innovative Beratungskonzepte. Rosenberger, Leonberg, 3–18
Seminare und Workshops zum Netzwerkmanagement Bernd Helbich
1 Mit System zum Netzwerk-Erfolg I Netzwerke, Verbünde und Kooperationen haben Konjunktur. Mit ihrer Bildung antworten mittelständische Unternehmen auf die Herausforderungen der Globalisierung, so wie es die großen Konzerne mit ihren Fusionen tun. Netzwerke müssen professionell geplant, aufgebaut und gemanagt werden. Dazu braucht man Know-how – inhaltlich auf den Punkt gebracht und strukturiert, in Seminar- oder Workshop-Form methodisch-didaktisch aufbereitet. Im Kompetenzzentrum Netzwerkmanagement haben kompetente Netzwerker ihre Erfahrungen gebündelt und stellen diese in verschiedenen Seminaren und Workshops allen Interessenten zur Verfügung. Kurz und knapp wird vermittelt, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um Netzwerke, Verbünde und Kooperationen zu initiieren, und welche Instrumente zur professionellen Steuerung richtig eingesetzt werden können. Die folgenden Seminare und Workshops werden der großen Heterogenität der Netzwerklandschaft gerecht. Sie wenden sich an unterschiedliche Zielgruppen, weil sie das Managen von Netzwerken in seinen unterschiedlichen Kontexten beleuchten. Seminar- bzw. Workshopteilnehmer erhalten so in zeitlich günstiger Kompaktform das Praxiswissen, das sie in Ihrer aktuellen Netzwerksituation brauchen. Zu jedem Seminar finden Sie neben einer ausführlichen inhaltlichen Beschreibung auch eine Kontaktadresse. Alle Referentinnen und Referenten haben Netzwerkerfahrung – das Kompetenzzentrum Netzwerkmanagement bürgt für ihre Qualität.
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B. Helbich
2 Übersicht Angebote für Netzwerke im Aufbau Kooperationsmanagement – Einführungsworkshop (313) Erfolgreich im Verbund – Arbeiten in Netzwerken (314) KooperationsErfolg – Zuverlässige Netzwerke schaffen (315) KooperationsPotenziale nutzbar machen – Netzwerken mit Erfolg (316) KooperationsRegeln – Den Netzwerkerfolg sichern (317) KooperationsStrategien – Ziele gemeinsam erreichen (318) Angebote für bestehende Netzwerke KooperationsRegeln – Den Netzwerkerfolg sichern (317) KooperationsCheck – Netzwerke in der Spur halten (319)
Seminare und Workshops zum Netzwerkmanagement╅╇╛╛313
3 Kooperationsmanagement – Einführungsworkshop Zielgruppe Aktuell oder zukünftig in Kooperationen/Netzwerken arbeitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus • Unternehmen • Institutionen des öffentlichen Dienstes • Non-Profit-Organisationen Der Workshop eignet sich für alle Hierarchiestufen. Ziele Der Workshop vermittelt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen praxisbezogenen Überblick über die Besonderheiten des Arbeitens in Kooperationen und Netzwerken, die Grundlagen des Kooperationsmanagements und (erste) Erfahrungen mit dem Arbeiten in Kooperationen. Inhalte • Einführung in die Thematik • Grundlagen • Kooperationstypen. Erfolgsfaktoren, Schlüsselqualifikationen, Managementaufgaben, Lebensphasen, Teambildung, Controlling/Monitoring, ‚Weiche‘ Faktoren • Vertiefung • Managementaufgaben, Lebensphasen, Schlüsselqualifikationen, Teamentwicklung, Controlling / Monitoring • Transfer in den Berufsalltag der Teilnehmer/innen Kontakt Dr. Ingo Dammer conpara GmbH
Köln, (0221) 355 047 - 0
[email protected]
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B. Helbich
4 Erfolgreich im Verbund – Seminar: Arbeiten in Netzwerken Zielgruppe Wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Mitarbeiter von Hochschulen, die Netzwerke aufbauen und / oder managen wollen. Ziele Das Seminar will praktische Handlungshilfe geben und erfolgreich praktizierte Vorgehensweisen und eingesetzte „Werkzeuge“ vorstellen, um im Hochschulkontext Netzwerke aufbauen und managen zu können. Die besonderen Bedingungen des Hochschulbereiches werden berücksichtigt. Inhalte • Definitionen und Abgrenzungen: Netzwerk, Verbund, Kooperation • Unterschiedliche Verbundtypen - Netzwerke in Wirtschaft und Hochschule • Ein Beispiel aus der Wirtschaft: der Verbund MACH2 Personalentwicklung • Welche Bedingungen prägen ein Netzwerk (im Hochschulbereich)? • Für welche Themenbereiche bieten sich Netzwerke an? • Erwartungen und Rollen der Akteure • Netzwerkmanager: Wie ausgewählt, wie vorbereitet? • Netzwerkmanagement und Tagesgeschäft • Inhaltlicher Ertrag eines Netzwerkes und Zusatznutzen • Welche Erfolgsfaktoren sind maßgebend für die Netzwerkarbeit? • Werkzeuge zum Managen von Netzwerken: Systemischer Perspektivenfokus, Akteure-Matrix, Kraftfeldanalyse, Checkliste zur „Netzwerktauglichkeit“ • Wie erkennt man Krisen im Netzwerk? Vorbeugen und Krisenmanagement • Evaluation: Mit welchen Methoden? • Erarbeitung eines Ablaufplanes: Aufbau und Steuerung eines Netzwerkes Kontakt Dr. Bernd Helbich MACH2 Personalentwicklung
Herford, (05221) 93 36 16
[email protected]
Seminare und Workshops zum Netzwerkmanagement╅╇╛╛315
5 KooperationsErfolg – Seminar: Zuverlässige Netzwerke schaffen Zielgruppe Die Veranstaltung richtet sich an Personen, die an der Entwicklung von strategischen Kooperationen für Ihr Unternehmen interessiert sind oder bereits damit begonnen haben. Das Seminar eignet sich sowohl für einzelne Unternehmen, für Unternehmen mit Beteiligung potenzieller Partner, als auch für Vertreter von Organisationen in heterogenen Gruppen. Ziele Das Seminar gibt anhand praktischer Beispiele Werkzeuge für die erfolgreiche Kooperationsentwicklung an die Hand. Die Teilnehmer erhalten einen Überblick über alle Phasen der Kooperationsentwicklung von der Partnerauswahl über die Vereinbarung gemeinsamer Ziele bis zur Gründungsphase und zum Marktstart. Inhalte • Was macht den Unterschied aus? • Hier liegen Kooperationspotenziale • Das gehört zur Kooperationsentwicklung • Weiterführende Schritte für neue und bestehende Kooperationen Kontakt Ralph Klocke PZN Kooperationsberatung
Bielefeld, (0521) 45 93-128 rk@pzn .de
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B. Helbich
6 KooperationsPotenziale nutzbar machen – Workshop: Netzwerken mit Erfolg Zielgruppe Die Veranstaltung richtet sich an Entscheider aus Unternehmen, die Kooperationen als eine Strategievariante zur Erreichung ihrer Ziele überprüfen wollen. Sowohl Workshops für einzelne Unternehmen als auch mit Beteiligung potenzieller Partner sind möglich. Ziele Welche Kooperationspotenziale bieten sich uns und wie können wir sie erfolgreich nutzen? Diese Frage klären wir gemeinsam für Ihr(e) Unternehmen. Inhalte • Chancen von Kooperationen • Beispiele erfolgreicher Kooperationen • Kooperieren – wie geht das? • Anforderungen, Werkzeuge, Erfolgsfaktoren • Das eigene Netzwerk gestalten • Das können wir, das will der Markt, das brauchen wir in Zukunft Kontakt Ralph Klocke PZN Kooperationsberatung
Bielefeld, (0521) 45 93-128
[email protected]
Seminare und Workshops zum Netzwerkmanagement╅╇╛╛317
7 KooperationsRegeln – Workshop: Den Netzwerkerfolg sichern Zielgruppe Neu entstehende und bereits bestehende Kooperationen, die ihre Zusammenarbeit verlässlich gestalten wollen. Für die Verbindlichkeit der Ergebnisse ist eine möglichst vollzählige Beteiligung aller Entscheider einer Kooperation sinnvoll. Ziele „Spiel“ Regeln schaffen die notwendige Vertrauensbasis um ergebnisorientiert arbeiten zu können: Sicherheit, Transparenz, Verbindlichkeit sind die Basis für Entscheidungen.
Inhalte • Welche Fragestellungen sollten verbindlich geregelt werden? • Wer kann wie in die Kooperation aufgenommen werden, welche Ausstiegsmöglichkeiten gibt es? • Kommunikation, Qualitätssicherung und andere relevante Themen. • Welche Formulierungen tragen alle Partner? • Wie werden Streitfälle gelöst? Die Arbeit an vielen Kooperationsprojekten zeigt: wenn in guten Zeiten keine Regeln für schlechte Zeiten vereinbart werden, besteht ein hohes Risiko des Scheiterns für Unternehmensnetzwerke. Kontakt Ralph Klocke PZN Kooperationsberatung
Bielefeld, (0521) 45 93-128
[email protected]
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B. Helbich
8 KooperationsStrategien – Workshop: Ziele gemeinsam erreichen Zielgruppe Entscheider aus Unternehmen, die Kooperation als Mittel zur Erreichung ihrer Ziele in die engere Wahl ziehen oder sich bereits dafür entschieden haben. Sowohl Workshops mit Einzelunternehmen als auch mit Beteiligung von Partnern sind möglich. Ziele Benennung, Konkretisierung und Vereinbarung von Kooperationszielen und die Entwicklung einer Kooperationsstrategie zur Erreichung dieser Ziele Inhalte Fragen die der Workshop beantwortet • Was wollen wir mit Kooperation erreichen? • In welchen Bereichen wollen wir kooperieren? • Wie sieht der ideale Partner aus? • Wie finde ich die richtigen Partner? • Wie gehen wir strategisch vor? Kontakt Ralph Klocke PZN Kooperationsberatung
Bielefeld, (0521) 45 93-128
[email protected]
Seminare und Workshops zum Netzwerkmanagement╅╇╛╛319
9 KooperationsCheck – Netzwerke in der Spur halten Zielgruppe Bestehende Kooperationen, die • den Erfolg ihrer Zusammenarbeit steigern wollen; • eine Bestandsaufnahme machen wollen; • in der Startphase Versäumtes nachholen wollen; • konsolidierung anstreben und die Vernetzung stabilisieren wollen. Ziele Ihre Kooperation besteht seit einiger Zeit, in der Tagesarbeit haben sich Stärken und Schwächen gezeigt. In regelmäßigen Abständen ist ein Blick auf die Ausrichtung und die Zusammenarbeit notwendig. Der KooperationsCheck für bestehende Kooperationen nimmt für Sie den Blick ins Innere des Netzwerks vor und wartet den Kooperationsmotor. Inhalte Der KooperationsCheck verschafft Sicherheit: • Wie gut werden die Kooperations-Ziele erreicht? • Welche Potenziale lassen sich noch heben? • Harmonieren die strategischen Ausrichtungen, Ziele und Planungshorizonte der Unternehmen weiterhin? • Wie gut ist die Kooperationskultur? • Wo liegen die Potenziale in den Abläufen? Der KooperationsCheck ist der TÜV für Unternehmensnetzwerke. Kontakt Ralph Klocke PZN Kooperationsberatung
Bielefeld, (0521) 45 93-128
[email protected]
Online-Tools für Kooperationen Ralph Klocke
1 Mit System zum Netzwerk-Erfolg II Online-Tools können eine große Erleichterung in der organisationsübergreifenden Zusammenarbeit für Kooperationen sein, stellen sie doch eine virtuelle „Zentrale“ dar, die sonst entweder fehlt oder nur mit erheblichem Aufwand einzurichten wäre. Früher stellte die Integration der IT zwischen den Mitgliedsorganisationen einer Kooperation eine nahezu unüberwindliche Hürde dar. Heute nutzen virtuelle Teams und Netzwerk-Organisationen gemeinsame Online-Tools, um ohne Reiseaufwand an Projekten und Dokumenten in Echtzeit zusammen zu arbeiten. Die wesentlichen Vorteile von Online-Tools aus unserer Sicht: • sie bieten überall und jederzeit Zugriff auf Inhalte; • Dokumente können verteilt werden, und es gibt weniger Probleme mit unterschiedlichen Dokumentversionen; • kollaboratives Arbeiten und der schnelle Austausch innerhalb einer Gruppe werden erheblich erleichtert. Aus dem Online-Zugriff auf Daten entstehen aber auch Nachteile: • die meisten Tools sind offline nur eingeschränkt nutzbar; • Datenschutz: die Daten der Nutzer liegen in der Regel auf (fremden) Internet-Servern. Google verspricht erhebliche Kostenreduzierungen gegenüber herkömmlichen Anwendungen, unabhängige Berichte und die eigene Erfahrung unterstützen diese Einschätzung. Dennoch lässt sich mit der zunehmenden Professionalisierung von Online-Anbietern auch eine preisliche Anpassung nach oben erkennen. Sind Online-Tools wirklich so weit entwickelt, dass diese Versprechen eingehalten werden können? Um das zu überprüfen, haben wir eine Reihe von Angeboten recherchiert, die im Folgenden kurz portraitiert werden.1 Sie finden zum einfacheren Browsen alle Links aus dem Text auch online unter www.pzn.de ( KooperationsTools) www.kompetenzzentrumnetzwerkmanagement.de ( Tools) 1╇ Alle Angaben
im Text Stand Dezember 2010.
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2 Übersicht Online-Tools für Kooperationen Anwendungspakete (323) Socialtext 37signals Google Apps for Business Projektmanagement (325) Wordpress/Collabpress Teamspace Projectplace Tasks Teamwork Project Manager ProofHub Kommunikation (327) Dtms corporate conference Dimdim Ning Dokumentenmanagement (328) Dropbox Evernote Open KM Verschiedene Aufgaben (329) Zeiterfassung: Mite Diagramme: Creately Terminabstimmung: Doodle Mindmaps: XMind, Mindmeister, Dropmind
Online-Tools für Kooperationen╅╇╛╛323
3 Anwendungspakete Auf dem Markt der Online-Tools für den professionellen Einsatz in Organisationen findet sich inzwischen eine große Anzahl spezialisierter Lösungen für unterschiedliche Aufgaben. Sucht man aber nach einem Alles-aus-einer-HandAnbieter, gewissermaßen dem MS Office für Kooperationen, wird die Auswahl deutlich kleiner. Aber es gibt sie inzwischen, die Toolsammlungen, mit denen eine Vielzahl von Aufgaben online und kollaborativ bewältigt werden kann. Socialtext www.socialtext.com „Enterprise 2.0“ betitelt Socialtext seine eindrucksvolle Liste von Anwendungen, die virtuellen Teams und Organisationen die Zusammenarbeit ermöglichen sollen. Soziale Netzwerke, Microblogging („Twitter privat“), Tabellenkalkulation, Blogs, Wikis und Gruppenforen werden zur Verfügung gestellt, zu vorhandenen Businessanwendungen gibt es Schnittstellen. Darüber hinaus werden funktionenspezifisch zugeschnittene Lösungen angeboten, z.B. für Personalentwickler und Vertriebsteams. Wie in dieser Größenordnung üblich, werden über den Browserzugang hinaus Applikationen für Mobilgeräte und den Desktop bereit gestellt. Ebenfalls eindrucksvoll ist die 6.500 Anwender umfassende Kundenliste, wobei die Top-Referenzen allesamt nordamerikanische Organisationen sind. Preise: Hier zeigt sich schnell, für welche Dimension das Socialtext-Angebot gedacht ist. „Die Preise beginnen bei 5.000 $ pro Jahr“ ist die einzige Information, die sich der Website entnehmen lässt. Um genauer kalkulieren zu können, sind Interessenten auf ein Gespräch mit dem Vertriebsteam (US und UK) angewiesen.
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R. Klocke
37signals www.37signals.com 37signals ist die Dachmarke für eine Reihe von Anwendungen, die (bisher) keine integrierte Suite wie Socialtext bilden, dafür aber, laut Werbetext, bereits von Millionen Unternehmern, Freiberuflern und größeren Unternehmensabteilungen eingesetzt werden. Die Anwendungen im Einzelnen: Basecamp:â•… Projektmanagement Basecamp ist, in Verbindung mit einer Kombination von auf die eigenen Projektbedürfnisse zugeschnittenen Erweiterungen und Applikationen, eine vollwertige Projektmanagementlösung für virtuelle Teams und Organisationen wie Unternehmensnetzwerke. Preise: 49–149 $ monatlich Highrise: Kontaktmanagement Highrise verfügt über CRM Funktionen wie z.B. Aufgabenlisten, Terminverwaltung und Kontaktnotizen.
Preise: 29–99 $ monatlich
Backpack: Dokumentenmanagement Backpack kann auch als Intranet light umschrieben werden, fokussiert auf gemeinsame Dokumente und deren Diskussion.
Preise: 24–149 $ monatlich
Campfire:
Gruppen-Chaträume Campfire lässt sich mit Basecamp verknüpfen.
Preise: 12–99 $ monatlich
Weitere (kostenlose) 37signals Anwendungen: Ta-da List: Online To-Do Listen Writeboard: kollaboratives Schreiben Alle Anwendungen sind über die 37signals-Webseite zu erreichen. Preise: Nicht nur die Zielgruppe, auch die Preisgestaltung unterscheidet sich wahrnehmbar von Socialtext, dessen Einstiegspreis in etwa der Obergrenze bei Nutzung aller Tools von 37signals entspricht. Der Nachteil einer nicht vorhandenen Einheitslösung wird zum Vorteil, weil eine individuelle Konfiguration möglich ist. Auf das Dokumentenmanagement per Backpack kann in der Regel verzichtet werden, wenn das Projektmanagement per Basecamp abgewickelt wird, da auch dort Projektdokumente verwaltet werden können.
Online-Tools für Kooperationen╅╇╛╛325
Google Apps for Business www.google.com/apps/intl/de/business/index.html Die vielleicht interessanteste Lösung, auf jeden Fall das günstigste Komplettpaket kommt aus Mountainview, Kalifornien. Google hat eine Auswahl seiner Anwendungen zusammengefasst und um Geschäfts- und Sicherheitsfunktionen erweitert. Die Bestandteile der Apps for Business: Google Mail Google Kalender Google Docs (Text, Tabellen, Diagramme) Google Groups (Verteilerlisten) Google Sites (Webseiten für Intranet- und Teamprojekte) Google Video (visuelle Kommunikation, z.B. für Anleitungen) Wirklich interessant wird dieses Angebot für die Online-Zusammenarbeit aber durch die Integration von Anwendungen aus dem App Marketplace. Dort finden sich unzählige Anwendungen für Bedarfe wie Projektmanagement, CRM, ERP, Dokumentenmanagement, Vertrieb, Marketing etc.. Beispielhaft sei hier Manymoon genannt, eine kostenlose und dennoch vollwertige Projektmanagement-Anwendung, die sich nahtlos integrieren lässt. www.google.com/enterprise/marketplace Preise: Die kostenlose Version der Google Apps bietet alle oben genannten Bestandteile ohne die Marketplace Apps, ohne vollständige Blackberry- und Outlook-Synchronisation sowie geringeren Speicherplatz. Für die BusinessVersion werden jährlich 40 € je Nutzer (Email-Konto) fällig. Aufgrund der Vielfalt der möglichen Apps kann der Einrichtungs- und Lernaufwand höher sein als bei anderen Anwendungen.
4 Projektmanagement Selbsterstellte Lösung Die zeitlich aufwändigste Lösung, Projekte online zu managen, besteht in Anwendungen, die auf eigenen Webservern gehostet werden. Die Vorteile: individuelle Konfiguration, eigenes Design und bessere Kontrolle über die eingestellten Daten. Als bevorzugte, vor allem auf Kommunikation fokussierte Lösung bietet sich ein Projektmanagementblog, gegebenenfalls ergänzt um ein Wiki an.
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R. Klocke
Wordpress Wordpress eignet sich nicht nur für Blogs, sondern ist die weltweit am meisten verbreitete Content Management Anwendung (CMS) mit dementsprechend vielen Erweiterungs- und Anpassungsmöglichkeiten. So gibt es eine Reihe von Plugins für Projektmanagementaufgaben, darunter mit Collabpress das derzeit ausgereifteste (www.collabpress.org). Es besitzt einen eingebauten Projektkalender, verwaltet Projekte mit Aufgaben und Projektmitgliedern und integriert sich nahtlos in Wordpress. Weitere Plugins, z.B. für das Dokumentenmanagement, können je nach Projektbedarf ergänzt werden, unverzichtbar ist eine Backup-Lösung. Online-Tools für Projektmanagement Die Kernfeatures der vorgestellten Anbieter unterscheiden sich nur in Nuancen, daher wird auf eine vollständige Auflistung aller Möglichkeiten verzichtet. Es ist empfehlenswert, sich auf den Anbieterwebsites einen eigenen Eindruck zu verschaffen und die in der Regel angebotene kostenfreie Testphase für die persönlichen Favoriten zu nutzen. Teamspace www.teamspace.de Preise: Pro Monat und Team verlangt Teamspace einen Beitrag von 5,90 € in der Lightversion (ohne Speicherplatz für Dokumente) und 12,90 € in der Standardversion. Hinzu kommen Kosten für jedes angemeldete Teammitglied und für Speicherplatzerweiterungen. Projectplace www.projectplace.de Preise: Projectplace kostet in der Team Edition zwischen 16,50 € und 19,50 € je Mitglied und Monat. Preise für die Enterprise Edition nur auf Anfrage. Tasks www.crowdfavorite.com/compare-tasks-features Umfangreiche Projektmanagementlösungen, die in verschiedenen Varianten entweder auf eigenen Servern oder beim Anbieter gehosted werden können. In Unternehmen kommt vor allem die Variante Tasks-Pro zur Anwendung. Preise: Für die gehostete Version Use-Tasks werden monatlich je nach Umfang und Nutzerzahl zwischen 3,95 $ und 26,95 $ verlangt.
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Die auf einem eigenen Webserver zu installierenden Versionen unterteilen sich in die Einstiegslösung Tasks jr. (kostenlos), Tasks (29 $ ohne Installation und Support) und Tasks-Pro (ab 125 $ für 5 Benutzer). Teamwork Project Manager www.teamworkpm.net Preise: 6 Stufen von kostenlos bis monatlich 149 $. Die Stufen unterscheiden sich nach der Anzahl der möglichen Projekte und dem zur Verfügung stehenden Speicherplatz. Alle Angebote erlauben eine unbegrenzte Zahl an Benutzern. ProofHub www.proofhub.com Preise: Auch ProofHub orientiert sich bei der Preisgestaltung nicht an der Anzahl der Projektmitarbeiter, sondern an der Projektzahl und dem Speicherplatz. Beginnend bei monatlich 24 $ für 10 Projekte erstreckt sich das Preismodell über vier Stufen bis zu 199 $ für eine unbegrenzte Projektanzahl.
5 Kommunikation Die Nutzung von Online-Tools zum Austausch innerhalb von Arbeitsgruppen, die als virtuelle Teams von verschiedenen Orten aus arbeiten, ist schon fast eine klassische Lösung. Da auch die in anderen Rubriken vorgestellten Anwendungen Kommunikationskanäle bieten, werden hier nur drei Vertreter der sogenannten Echtzeit-Kommunikation exemplarisch vorgestellt. Dtms corporate conference www.dtms.de/index.php?cccpage=134 Meetings am virtuellen Konferenztisch, relativ spontan und einfach einzuberufen, skalierbar für bis zu 240 Teilnehmer. Preise: 0,14 € pro Minute, die jeder Teilnehmer über seine Telefonrechnung begleicht. Weitere Modelle sind z.B. über eine 0800-Nummer möglich. Dimdim – erweiterte Chaträume www.dimdim.com Online-Meetings ohne zusätzliche Software, Chats mit Text, Ton und Bild, Dokumente miteinander teilen, Whiteboards einsetzen, Einbindung externer Tools, aufnehmbare Sitzungen (nicht in der kostenlosen Version).
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R. Klocke
Preise: von kostenlos (10 Teilnehmer) über Pro (50 Teilnehmer) für 25 $ monatlich zu Business (100 Teilnehmer) für 396 $ je Benutzer (Administrator) und Jahr. Zusätzlich gibt es die Version „Webinar“ (65 $ im Monat), die die aktive Teilnahme von 50 Personen erlaubt und Veranstaltungen mit bis zu 1.000 Zuhörern / Zuschauern ermöglicht. Ning – Social Networking www.ning.com Ein anderes Konzept verfolgt Ning mit seinem Ziel, themenbezogene Soziale Netzwerke für jedermann zu ermöglichen. Auch Ning ermöglicht Chats unter Gruppenmitgliedern, setzt aber sonst eher auf asynchrone Kommunikation und bietet hierfür integrierte Blogs und Diskussionsforen, Eventankündigungen und Einbindung von Twitter und Facebook. Preise: Nachdem Ning lange eine kostenlose Version angeboten hatte, sind inzwischen alle Leistungen kostenpflichtig. Die Preisspanne reicht dabei von 2,95 $ bis 49,95 $ monatlich bzw. von 19,95 $ bis 499,95 $ bei jährlicher Zahlungsweise.
6 Dokumentenmanagement Eine weitere Teilfunktion des Projektmanagements ist das Verwalten von Dokumenten, zu denen auch gemeinsame Linksammlungen gehören. Benötigt man nur diesen Teilbereich für seine Kooperation, sind spezialisierte Tools unter Umständen sinnvoller als die große, umfassende Lösung. Dropbox www.dropbox.com Dropbox beschreibt sich als „magic pocket“, in die man alles legen kann, was man auf unterschiedlichen Geräten benötigt. Hierfür installiert man die Dropbox-Software, die über den gleichnamigen Online-Dienst dafür sorgt, dass alle abgelegten Dokumente auf allen Geräten (Laptop, PC, mobile Geräte) zur Verfügung stehen, auf denen die Software installiert ist. Und da man Dropboxes mit „Freunden“ teilen kann, eignet sich das Tool auch für den Datenaustausch und das kollaborative Dokumentenmanagement. Preise: Dropbox ist kostenlos. Evernote www.evernote.com Evernote ist vergleichbar mit Dropbox, neben der Software Webclipper (für alle gängigen stationären und mobilen Betriebssysteme) gibt es die Möglich-
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keit, ein Add-on in den Internetbrowser einzubinden. Mithilfe des „Clip to Evernote“-Buttons können so ganze Websites gespeichert und geteilt werden. Preise: Evernote ist grundsätzlich kostenlos, die Premium-Version für monatlich 5 $ bietet einige Funktionserweiterungen vor allem hinsichtlich der austauschbaren Dateiformate. Open KM www.openkm.com Open KM ist ein explizites Dokumentenmanagementsystem, das aufgrund seiner Funktionen auch von größeren Organisationen oder Kooperationen mit höheren Ansprüchen an ein solches System verwendet werden kann. So wird z.B. Workflow und Versionskontrolle geboten, Texterkennungsfunktion und Schnittstellen zu internen Datenbanken sind vorhanden. Preise: Open KM steht unter der Open Source Lizenz, d.h. die Software steht kostenlos zur Verfügung. Allerdings erscheint die zusätzliche Nutzung des kostenpflichtigen Supportmodells sinnvoll.
7 Verschiedene Aufgaben Neben den bisher beschriebenen Aufgaben, die für die Mehrheit der Kooperationen interessant sind, gibt es eine Vielzahl von Online-Tools für einzelne Prozesse. Die folgende Liste ist eine Auswahl der Tools, die nach eigener Erfahrung in Kooperationen oder deren Mitgliedsorganisationen bereits mit Erfolg Anwendung gefunden haben. Zeiterfassung: Mite www.mite.yo.lk/ Vor allem virtuelle Teams von Freiberuflern nutzen für ihre Zeiterfassung häufig Mite, ein einfach zu bedienendes und dennoch funktionales Online-Tool. Mite verfügt über diverse Schnittstellen, z.B. zu Billomat (Online-Rechnungsstellung, www.billomat.com). Preise: Je Benutzer 5 € monatlich. Diagramme erstellen: Creately www.creately.com Preise: kostenlose Version verfügbar, für Teams (und Kooperationen) 8 $ je Benutzer und Monat.
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Terminabstimmung: Doodle www.doodle.com Preise: kostenlos für einzelne, für Business-Teams ab 89 € pro Jahr (5 Nutzer). Mindmaps XMind www.xmind.net Die wohl beste kostengünstige Mindmap Software. Die eigentliche Software ist stationär, der Online-Dienst dient primär dem Austausch und kollaborativen Arbeiten an Mindmaps. Preise: Die Basis-Software ist kostenlos, die erweiterte Version erfordert ein jährliches Abonnement für 40 €. Für Organisationen gibt es Mengenrabatte. Mindmeister www.mindmeister.com/de Mindmeister ist stärker auf die Online-Zusammenarbeit fokussiert als die anderen vorgestellten Mindmap Tools und verspricht eine Zusammenarbeit in Echtzeit. Preise: Die Basic-Version ist kostenlos, Premium kostet jährlich 39 €, für die Business-Variante werden 6 € je Benutzer und Monat fällig. Dropmind www.dropmind.com Fokus: Integration mit MS Office und MS Project; Dropmind hat den Anspruch, dem teuren Mindmanager (www.mindjet.com) im Funktionsumfang möglichst nahe zu kommen. Preise: Die Desktop-Software kann in zwei Varianten für 39 $ oder 99 $ bezogen werden, eine Online-Subskription kostet 39 $ jährlich.
Partnerprofile des
Partnerprofile╅╇╛╛333
1 KNM Partnerprofil Institution
conpara Gesellschaft für Unternehmensberatung mbH
Adresse
Venloer Straße 241-245, 50823 Köln
Telefon
0221 / 355 047 - 0
Fax
0221 / 355 047 29
E-Mail
[email protected]
Webseite Ansprechpartner Vorstellung / Arbeitsschwerpunkte
www.conpara.de Dr. Ingo Dammer • • • • • •
Personalentwicklung Organisationsentwicklung Strategieberatung Marketingberatung Coaching Netzwerkmanagement / -beratung
conpara unterstützt insbesondere Unternehmensnetzwerke (auch KMU), die im Rahmen einer Clusterentwicklung arbeiten. Hierzu gehören Gründungs-beratung, Strategieund Leitbildentwicklung, Moderation, Monitoring und Fördermittelakquise. Netzwerkmanagement
• • • • •
Gründungsberatung für Kooperationen Einführung in das Netzwerkmanagement Coaching für Netzwerkmanager Moderation und Supervision von Netzwerkprozessen Aufbau und Moderation von Personalentwicklungsnetzwerken • Initiierung und Moderation von Leitbildprozessen für Unternehmensnetzwerke • Marketingberatung für Netzwerke
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Partnerprofile
2 KNM Partnerprofil Institution
Dr. Peter Flocken Beratung und Weiterbildung
Adresse
Fehmarnstraße 19, 40468 Düsseldorf
Telefon
0211/ 420 530
Fax
0211/ 420 531
E-Mail
[email protected]
Ansprechpartner
Dr. Peter Flocken
Vorstellung / Arbeitsschwerpunkte
Netzwerkmanagement
Dr. Peter Flocken Beratung & Weiterbildung begleitet und berät Kooperationen und Netzwerke in unterschiedlichen Branchen, Schwerpunkt: Bauwirtschaft. Besondere Erfahrung liegt im Aufbau von Kooperationen und dem Coaching der Netzwerkpartner. Dr. Flocken ist zertifizierter CASA-bauen-Berater. • Beratung und Betreuung beim Aufbau und bei der Konsolidierung von Unternehmenskooperationen • Moderation von Netzwerken • Strategieentwicklung in Netzwerken • Netzwerktrainings
Partnerprofile╅╇╛╛335
3 KNM Partnerprofil Institution
Dr. Thomas Becker Training & Consulting
Adresse
Johann-Bieser-Str. 21, 53123 Bonn
Telefon
02 28 / 33 62 120
Fax
02 28 / 33 62 119
E-Mail Webseite Ansprechpartner Vorstellung / Arbeitsschwerpunkte
Netzwerkmanagement
[email protected] www.thomasbecker.me Dr. Thomas Becker Dr. Thomas Becker arbeitet als freiberuflicher Trainer und Berater für Kunden aus Wirtschaft und Verwaltung. Er ist zertifizierter Projektmanager (PMP) und verfügt über internationale Erfahrung im Trainings- und Beratungsgeschäft. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Projekt- und Kooperations-management. • • • • •
Aufbau und Management von Projektnetzwerken Schulung und Coaching von Netzwerkmanagern Controlling in Netzwerken Strategieentwicklung für Netzwerke Prozessoptimierung für Netzwerke
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Partnerprofile
4 KNM Partnerprofil Institution
Processbench GmbH
Adresse
Buchkremerstraße 4, 52062 Aachen
Telefon
0800 – 77 62 377
Fax
0800 – 77 23 277
E-Mail Webseite Ansprechpartner Vorstellung / Arbeitsschwerpunkte
Netzwerkmanagement
[email protected] www.processbench.com Brian Sieben Processbench ist ein deutsch-niederländisches Spin-Off des Fraunhofer IML und spezialisiert auf Softwaretools zur Analyse, Optimierung und technischen Umsetzung von Geschäftsprozessen. Mit unserem speziell auf die Beratungspraxis abgestimmÂ� ten Angebot an Analyse- und Optimierungssoftware sowie umfangreichen begleitenden Dienstleistungen verstehen wir uns als Lösungspartner für Unternehmensberater. • Analyse von Prozessen in Netzwerken • Optimierung von Geschäftsprozessen in Netzwerken • Entwicklung geeigneter Softwarelösungen • Partner für Kooperationsmanager und -berater
Partnerprofile╅╇╛╛337
5 KNM Partnerprofil Institution
Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik, Dortmund
Adresse
Joseph-von-Fraunhoferstraße 2-4, 44227 Dortmund
Telefon
02 31/9743-433
Fax
02 31/9743-473
E-Mail
[email protected]
Webseite
www.iml.fraunhofer.de
Ansprechpartner Vorstellung / Arbeitsschwerpunkte
Netzwerkmanagement
Dr.-Ing. Frank Ellerkmann Das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik berät Unternehmen aller Branchen und Größen in allen Fragen rund um Materialfluss und Logistik. Als Berater unterstützen wir bei neuen Aufgaben und Anforderungen, als Forscher erarbeiten wir gemeinsam mit unseren Kunden neue Lösungen, als Planer helfen wir bei der Optimierung der inner- und außerbetrieblichen Logistik, und als Entwickler realisieren wir Lösungen in Soft- und Hardware. Das Fraunhofer IML setzt dabei auf unternehmens-spezifisch maßgeschneiderte Lösungen und begleitet seine Kunden von der Planung bis zur Realisierung. • Management von Kooperationen (Potenzialanalysen, Partnersuche, Kooperationsgestaltung, SchlichterfunkÂ�tion) • Geschäftsprozessplanungen und –optimierungen in NetzÂ�werken • Integration des Supply Chain Managements als übergreifende Netzwerkstrategie • Planung und Optimierung von Transportnetzen
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Partnerprofile
6 KNM Partnerprofil Institution
Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft der RWTH Aachen
Adresse
Bergdriesch 27, 52062 Aachen
Telefon
02 41/80 99 451
Fax
02 41/80 921 31
E-Mail
[email protected]
Webseite
www.iaw.rwth-aachen.de
Ansprechpartner
Dr. Susanne Mütze-Niewöhner
Vorstellung / Arbeitsschwerpunkte
Das IAW forscht und berät in den Bereichen Human Resource Management, benutzerzentrierte Gestaltung von I&K Systemen, Arbeitsorganisation, Fachdidaktik und Ergonomie. Dabei werden die Arbeitsprozesse entlang der gesamten inner- und überbetrieblichen WertschöpfungsÂ�kette gestaltet und unterstützt. Dies beinhaltet die Implementierung teamorientierter Arbeitsformen, entÂ�wicklungsfördernder RahmenbedinÂ�gungen, die EntÂ�wickÂ�lung von Qualifizierungs- und PersonalentwicklungsÂ�konÂ�zepten sowie selbsttragender OrganisationsÂ�gestaltungsÂ�strukÂ�turen.
Netzwerkmanagement
• Identifikation von Kooperationspotenzialen • Planung und Gestaltung der Zusammenarbeit • Seminare und Workshops zu interkulturellem MaÂ� nagement, vernetztem Denken u.a. • Auswahl und Einführung geeigneter IT-Systeme
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7 KNM Partnerprofil Institution
KOKON Consult Beratung – Coaching - Qualifizierung
Adresse
Wupperstraße 95, 42651 Solingen
Telefon
0212 – 22 44 312
Fax
0212 – 22 44 312
E-Mail Webseite Ansprechpartner Vorstellung / Arbeitsschwerpunkte
[email protected] www.kokonconsult.de Dr. Achim Loose Die KOKON Consult hat sich auf die Organisationsberatung und Unternehmensentwicklung sowie die Initiierung, Reorganisation und das Coaching von Netzwerken in der mittelständischen Wirtschaft spezialisiert. Unser Leistungsangebot umfasst im erstgenannten Bereich vor allem die systemisch-orientierte Management-Beratung (strategische Unternehmens-beratung, Organisations- und Personalentwicklung, Markt- und GeschäftsfeldpositionieÂ� rung, QualifizierungsbedarfsÂ�analyse, Potenzialanalyse) sowie das Nachhaltigkeitsmanagement von Unternehmen und Netzwerken.
Netzwerkmanagement
In diesem Bereich bieten wir u.a. an: 1.╇Durchführung von Informationsveranstaltungen und Seminaren zum Thema Unternehmenskooperation. 2.╇Management von Unternehmenskooperationen und NetzÂ�werken auf Zeit. 3.╇Coaching von Netzwerk- und Clustermanagern sowie Konfliktmanagement in Kooperationen (Mediation). 4.╇Konzeption und Durchführung von kooperationsspeÂ�zifischen Workshopmodulen und Trainingsmaßnahmen.
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Partnerprofile
8 KNM Partnerprofil Institution
MACH 2 Personalentwicklung
Adresse
Mittelweg 28, 32051 Herford
Telefon
05221 / 93 36 16
Fax
05221 / 93 36 24
E-Mail Webseite Ansprechpartner Vorstellung / Arbeitsschwerpunkte
Netzwerkmanagement
[email protected] www.mach1.de Dr. Bernd Helbich MACH€2 Personalentwicklung ist die ‚jüngere Schwester‘ von MACH€1€Weiterbildung, dem Bildungswerk der Wirtschaft im Kreis Herford. MACH€2 ist ein moderner PersonalentwicklungsVerbund mit mehr als 20 Mitgliedsunternehmen in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Die Unternehmen haben zwischen 15 und 900 Mitarbeiter und gehören unterschiedlichen Branchen an. Die Kernidee von MACH€2: Mittelständische Unternehmen, die über keine eigenen Personalentwickler verfügen, teilen sich im Verbund Kosten und Arbeitskapazitäten von zwei hauptamtlichen PersoÂ�nalentwicklern. Diese stehen den Unternehmen in allen Fragen der betrieblichen Weiterbildung und PersonalÂ�entwicklung beratend zur Seite. Neben einzelbetrieblichen Aktivitäten kommen über-bündig Verbund-Aktionen nicht zu kurz. MACH€2 startete 1993 als erster Verbund dieser Art in Deutschland und ist als Vorbildmodell mit dem Initiativpreis „Aus- und Weiterbildung des DIHT und der Otto Wolff von Amerongen-Stiftung“ ausgezeichnet. Aufbau von Personalentwicklungsverbünden, Wissenstransfer im Verbund
Partnerprofile╅╇╛╛341
9 KNM Partnerprofil Institution
THOMAS POUTAS consulting & training
Adresse
Otto-Brenner-Straße 209, 33604 Bielefeld
Telefon
0521 / 927 61 29
Fax
0521 / 927 61 02
E-Mail
[email protected]
Webseite
www.thomaspoutas.de
Ansprechpartner Vorstellung / Arbeitsschwerpunkte
Netzwerkmanagement
Thomas Poutas Thomas Poutas consulting & training führt Projekte und Trainings bundesweit sowie transnational durch. Wir spezialisieren uns hauptsächlich auf Change Management, Aufbau New Business sowie Personaltraining und â•‚coaching. Unternehmen und Netzwerke profitieren von unserer internationalen Erfahrung. • Aufbau von Lern- und Innovationsnetzwerken • Schulung und Coaching von NetzwerkmanagerInnen • Leitbildentwicklung in Netzwerken • Optimierung von Ablaufprozessen in Netzwerken
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Partnerprofile
10 KNM Partnerprofil Institution Adresse
PZN Kooperationsberatung Poloweg 6, 33649 Bielefeld
Telefon
0521 45 93 128
Fax
0521 2997-810
E-Mail Webseite Ansprechpartner Vorstellung / Arbeitsschwerpunkte
[email protected] www.pzn.de Ralph Klocke Ralph Klocke ist selbständiger Unternehmensberater und seit 1996 verantwortlich für die PZN Kooperationsberatung. „Wir setzen die Netzwerkbrille auf“
Netzwerkmanagement
• Analyse, Beratung, Coaching • Aufbau von Unternehmenskooperationen: Konzeption, Auswahl der Partner, Entwicklung von Kooperationsregeln, Definition der Abläufe, Markteintritt und Zielcontrolling; • Optimierung bestehender Kooperationen; • Netzwerkanalysen, u.a. zum Controlling der Kooperationsentwicklung; dabei Einsatz und Weiterentwicklung der Social Network Analysis • Verbesserung der Zusammenarbeit von Unternehmen, Fusionsvorbereitung, kooperative Team- und Organisationsentwicklung
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11 KNM Partnerprofil Institution
Sozialforschungsstelle Dortmund – Zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Universität Dortmund
Adresse
Evinger Platz 17, 44339 Dortmund
Telefon
02 31/85 96-2 69
Fax
02 31/85 96-1 00
E-Mail Webseite Ansprechpartner Vorstellung / Arbeitsschwerpunkte
Netzwerkmanagement
[email protected] www.sfs-dortmund.de Dr. Ralf Kopp Die Sozialforschungsstelle Dortmund (sfs) ist als zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Universität Dortmund mit mehr als 100 MitarbeiterInnen eines der großen deutschen sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitute. Das Markenzeichen der sfs ist die enge Verzahnung von Forschung und Beratung bezogen auf betriebliche und regionale Innovationsprozesse. Das Thema wissensbasierte Kommunikation und Kooperation in Netzwerken stellt einen der zentralen Arbeitsschwerpunkte dar.
• Aufbau von regionalen Lern- und Innovationsnetzwerken • Schulung und Coaching von NetzwerkmanagerInnen • Leitbildentwicklung in Netzwerken • Strategieentwicklung in Netzwerken • Wissensorganisation in Netzwerken
Index
Abhängigkeitsverhältnis╇ 21 Allianz (strategische)╇ 16, 17 Arbeitsformen╇ 27, 31 ärztliche Praxisnetze╇ 221, 222 Aushandlungsprozess╇ 110 Autonomie╇ 43 Beratungsnetzwerke╇ 301, 303–305, 310 Chancen╇ 24, 28, 29, 243, 246, 247, 271 Demografischer Wandel╇ 226 Dienstleistung╇ 205–214, 283–290 Disease Management Programme╇ 219, 223, 224 Eigenständigkeit╇ 43, 44, 46 Entwicklungsorientierung╇ 42, 44–46 Entwicklungsphasen╇ 23–35, 38 Erfolgsfaktoren medizinischer Versorgungsnetze╇ 218 höhere Komplexität╇ 158 Evaluation╇ 23, 30, 99, 100 Fabrikplanung╇ 284–290 Finanzierungsmodelle╇ 278 Fixkosten╇ 199, 276 Franchising╇ 14 Gelingen╇ 37–47, 93, 153, 246, 273 Gesundheitswirtschaft╇ 68, 78, 283–290 Integration von Nachhaltigkeitsstrategien╇ 159 Intensität╇ 18, 19, 41, 65, 238, 268 Interessen╇ 14, 26, 105, 107, 111, 145, 231, 239, 247, 268, 269, 282 Internationale Netzwerke╇ 285, 286 Joint Venture╇ 17 Kommunikation╇ 15, 29, 33, 38, 42, 46, 73, 77, 94, 96, 109, 145, 148, 172, 185, 249, 266, 267, 269, 279, 289, 292, 303, 307, 327 Kommunikationsbeziehungen╇ 172, 265, 303 Komplexität╇ 28, 77, 91, 94, 112, 114, 131, 136, 137, 157, 158, 161, 211, 283, 290, 294, 295, 301, 304, 305 Konfliktfreundlichkeit╇ 37, 39, 41 Kooperationsidee╇ 26, 245 Kooperationskultur╇ 25, 37, 78, 95, 100, 130, 170, 197, 231, 234–236, 238, 240, 291–293, 295, 298 Kooperationsziele╇ 29, 39, 127, 253, 267 Krankenhaus - Netzwerke╇ 220
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Index
Kreativität╇ 191–203 Krisen und Konflikte╇ 29, 30 Life-Cycle-Assessment╇ 158 Logistik╇ 30, 229–231, 233, 235, 237, 239 Lösungsorientierung╇ 37, 39, 40, 42 Management-Sharing╇ 199 Manager auf Zeit╇ 199 Meilensteine╇ 28, 112, 128 Metamorphosen╇ 23, 31 Monitoring╇ 30, 54, 55, 89, 90, 94, 95, 98, 99, 121, 128 Motive╇ 24, 118, 151, 202 Nachhaltigkeit╇ 58–61, 73, 78, 155–162, 296 Nutzen╇ 19, 21, 24, 26, 27, 30, 38, 70, 73, 106, 109, 143, 149, 153, 209, 247, 267, 273, 276 Partner-Rating╇ 11, 302, 306–310 Partnersuche╇ 24–26, 238, 277, 287, 290 Personalentwicklung╇ 75, 271–282, 289 Personalentwicklungsverbund╇ 272 Perspektiven╇ 43 Produktionsnetzwerk╇ 229–241 Projektbezogene Netzwerke╇ 193 Projektgemeinschaft╇ 14 Promotoren╇ 23, 24, 70 Prozessorientierung╇ 120, 133–135, 231 Qualitätsmanagement╇ 74, 95, 124, 131–142, 216, 219, 225, 275, 280, 281, 290 Qualitätssicherung╇ 120, 169, 221, 224 transdisziplinäre Zusammenarbeit╇ 156 Transparenz╇ 38, 40, 41, 44, 71, 73, 96, 106, 114, 120, 137, 146, 165, 239 Typen von Medienunternehmen╇ 192 Verbindlichkeit╇ 19, 38, 39, 41, 218, 219, 222, 249, 287, 301, 306–309 Vertrauen╇ 21, 28, 29, 38, 39, 44, 82, 83, 91–93, 98, 114, 153, 159, 182, 199, 227, 237, 246, 269, 270, 276, 287, 291, 292 Weiterbildung╇ 26, 46, 119, 151, 209, 222, 224, 227, 272–275, 279, 280, 294 Wertschöpfungsketten╇ 63, 68, 196, 229, 231, 233, 238 Wissen (Wissensmanagement)╇ 51–60, 77–79, 109, 143–154, 165, 172, 186, 191, 205–213, 224, 226, 227, 264, 268, 275, 276, 281, 282, 291–298 World Business Council for Sustainable Development╇ 160 Zieldimensionen╇ 156 Ziele╇ 19, 25, 27, 29, 32, 38, 39, 65, 71, 73, 75, 106, 107, 109, 110, 112, 146, 147, 150, 154, 165, 169, 206, 229, 231, 245, 246, 250, 268, 274, 278 Zielvereinbarungen╇ 26, 44, 275, 281