EDGAR HENNECKE
t
Neutestamentliche ApokTyphen in deutscher Ubersetzung
3., völlig neubearbeitete Auflage herausgegeben von
WILHELM SCHNEEMELCHER
H. Band
APO STOLISCHE S APOKALYPSEN UND VERWANDTES
1964
J. C. B. MOHR (PAUL SIEBECK) TÜBINGEN
© Wilhelm Schneemelcher J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1964 Alle Rechte vorbehalten Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, das lluch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen Printed in Germany Satz und Druck: H.Laupp jr, Tübingen Einband: Heinr.Koch, Großbuchbinderei, Tübingen
VORWORT Der H. Band der Neubearbeitung der Neutestamentlichen Apokryphen, der jetzt endlich vorgelegt werden kann, hat länger auf sich warten lassen, als den Mitarbeitern, dem Herausgeber und dem Verlag lieb war. Die Gründe für diese unliebsame Verzögerung liegen teils in der starken Belastung des Herausgebers durch mancherlei Verpflichtungen, teils in der Schwierigkeit, die hier zu bietende Materie sinnvoll einzugrenzen und richtig auszuwählen und anzuordnen, teils in der - leider nicht erfüllten - Erwartung, aus dem großen koptisch-gnostischen Fund in Nag Hammadi neue Texte, die in unseren Zusammenhang gehören, in diese Sammlung aufnehmen zu können. Da die Publikation dieser Texte nur langsam vorankommt, mußte schließlich doch auf eine Berücksichtigung der in Nag Hammadi gefundenen "Apokalypsen" und "Apostelgeschichten" verzichtet werden, wenn wir nicht noch mindestens 5 Jahre warten wollten. Es sei hier aber bemerkt, daß die in den bisher erschienenen Mitteilungen über die Funde von Nag Hammadi gebrauchten Titel, die zumeist ja den koptischen Titeln entsprechen, nicht ohne weiteres für die formgeschichtliche Einordnung der betreffenden Schriften zu benutzen sind, daß man vielmehr die Edition abwarten muß, ehe man sagen kann, ob nun die "koptisch-gnostischen Apokalypsen" Apokalypsen in dem Sinne sind, wie man diese Bezeichnung bisher gebraucht hat. Dasselbe gilt für die "Taten des Petrus und der zwölf Apostel" in Codex VI. Vgl. die Übersicht bei Martin Krause, Der koptische Handschriftenfund bei Nag Hammadi, Umfang und Inhalt: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abt. Kairo, 18, 1962, S. 121-132. Dort auch weitere Literatur, die nach dem Beitrag von Puech Bd. I, S. 158ff. erschienen ist, sowie eine Konkordanz der Numerierung der Codices bei Puech, Doresse und Krause-Labib. Diese letztere ist jetzt wohl als maßgeblich anzusehen. Wichtig sind die vier bisher publizierten Textbände : 1. Die koptisch-gnostische Schrift ohne Titel aus Codex H von Nag Hammadi im Koptischen Museum zu Alt-Kairo. Herausgegeben, übersetzt und bearbeitet von Alexander Böhlig und Pahor Labib, Berlin 1962 (= Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Institut für Orientforschung, Veröffentlichung Nr. 58). 2. Koptisch-gnostische Apokalypsen aus Codex V von Nag Hammadi im Koptischen Museum zu Alt-Kairo. Herausgegeben, übersetzt und bearbeitet von Alexander Böhlig und Pahor Labib, Halle-Wittenberg 1963 (= Sonderband der wissenschaftlichen Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) (mir bisher nicht zugänglich). 3. Die drei Versionen der Apokryphen des J ohannes im Koptischen Museum zu AltKairo. Herausgegeben von Martin Krause und Pahor Labib, Wiesbaden 1962 (= Abhandlungen desDeutschenArchäologischen Instituts in Kairo, Koptische Reihe Bd. I). 4. Das Evangelium nach Philippos. Herausgeben und übersetzt von Walter C. Till, Berlin 1963 (Patristische Texte und Studien, Bd. 2).
IV
Vorwort
Man kann nur wünschen und hoffen, daß die Publikation der Texte, die 1945/46 gefunden worden sind, etwas zügiger vorangeht als bisher, damit die Auswertung dieses Materials in Angriff genommen werden kann. Dabei werden gerade für das Gebiet der neutestamentlichen Apokryphen die formgeschichtlichen Fragen gegenüber den religionsgeschichtlichen nicht ungebührlich zurücktreten dürfen. Erst dann aber wird es auch möglich sein, zu entscheiden, ob und inwieweit diese Texte überhaupt zu den neutestamentlichen Apokryphen zu rechnen sind. Der vorliegende II. Band ist erheblich umfangreicher geworden als der I. Vor allem die vollständigen Übersetzungen der fünf großen Apostelgeschichten haben ihn anschwellen lassen. Daß damit auch die Aufnahme der Apostolischen Väter, die von manchen Rezensenten des I. Bandes gewünscht worden ist, unmöglich wurde, ist wohl verständlich. Ob man diese Texte überhaupt mit den neutestamentlichen Apokryphen zusammenbringen soll, erscheint mir fraglich. Der I. Band hat im allgemeinen eine freundliche Aufnahme gefunden. Viele Rezensenten haben allerdings beanstandet, daß in dem Beitrag von H. Oh. Puech nicht der vollständige Text des Thomasevangeliums und des Philippusevangeliums geboten worden sei. Nun habe ich schon im Vorwort zum I. Band auf die erheblichen juristischen Schwierigkeiten, mit denen wir zu tun hatten, hingewiesen. Es sei nur noch hinzugefügt, daß H. eh. Puech sich in loyaler Weise an gewisse Vereinbarungen gehalten hat, die für andere offensichtlich nicht galten. Inzwischen liegen die beiden genannten Texte mehrfach in deutscher Übersetzung vor (vgl. Krause a.a.O.). Die englische Übersetzung von Bd. I bietet das Thomasevangelium als Anhang (E. Hennecke, New Testament Apokrypha, ed. by W. Schneemelcher, English Translation ed. by R. Mc. L. Wilson, Vol. I., 1963, S. 51lff.). Ein Nachtragsband erscheint mir zur Zeit nicht angebracht. Dagegen wird eine spätere Neubearbeitung des Werkes, die aber vorläufig nicht möglich ist, den ganzen Fund von Nag Hammadi zu berücksichtigen haben und mehr Texte bringen, als wir es bisher können. Für den Fortgang der wissenschaftlichen Arbeit an den neutestamentlichen Apokryphen sei der geneigte Leser auf die jährlich erscheinende Bibliographia Patristica (Bd. 1/1956, 1959ff., Herausgeber W. Schneemelcher) verwiesen. Auch für Band II habe ich vielen Helfern und Freunden zu danken. Vor allem müssen die Mitarbeiter genannt werden, die ihre Arbeit zur Verfügung gestellt und oft viel Geduld bewiesen haben. Aus ihrem Kreise sind Walter Bauer und Hugo Duensing inzwischen abberufen worden. Beide waren mit unserem ·Werk besonders eng verbunden. Wir werden ihr Andenken dankbar in Ehren halten. A. Kurfess war durch schwere Krankheit daran gehindert, seine Manuskripte druckfertig zu machen und die Korrekturen zu überwachen. Diese Arbeiten mußten vom Herausgeber mit übernommen werden. Dabei und auch sonst haben Knut Schäferdiek, Siegfried Helmer, Jürgen Regul und Ohristoph Bizer unermüdlich geholfen, das Werk zu einem guten Abschluß zu bringen. Auch für diesen Band habe ich meinem Freund P. Vielhauer für vielfachen Rat zu danken. Schließlich sei noch dem Verleger, Herrn H. G. Siebeck, für alle Geduld und alles Verständnis herzlich gedankt. Bonn, den 10. September 1963
W. Schneemelcher
INHALTSVERZEICHNIS B. Apostolisches. Außerbiblisches über die Apostel
1
Einleitung (Schneemelcher) . . . . . . . . 1. Apostel und apostolisch. . . . . . . . 2. Zur Entstehung pseudapostolischer Literatur
3 3 8
XI. Das Apostelbild in der altchristlichen Überlieferung.
11
1. Nachrichten (Bauer) . . . . . . . . . . . . 2. Die Apostel als Träger der Überlieferung (Hornschuh)
XII. Apostolische Pseudepigraphen . . . . . . Einleitung (Schneemelcher) . . . . . . . 1. Das Kerygma Petrou (Schneemelcher) 2. Die Kerygmata Petrou (Strecker) . . 3. Der Laodicenerbrief (Schneemelcher) . 4. Der apokryphe Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus (Kurfess) . 5. Der Pseudo-Titus-Brief (de Santos Otero)
11 41 53 53 58 63 80 84 90
XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
110
Einleitung (Schneemelcher und Schäferdiek) . 1. Johannesakten (Schäferdiek) . 2. Petrusakten (Schneemelcher) 3. Paulusakten (Schneemelcher) 4. Andreasakten (Hornschuh) 5. Thomasakten (Bornkamm) .
110 125 177 221 270 297
XIV. Die Pseudo-Clementinen (Irmscher) . XV. Jüngere Apostelakten (Schneemelcher und de Santos) .
373 399
A. Fortbildung der alten Apostelakten
400
B. Spätere Akten anderer Apostel
404
C. Apokalypsen und Verwandtes
405
Einleitung (Vielhauer) 1. Die Apokalyptik . 2. Die Sibyllistik 3. Die Prophetie . .
407 408 422 422
VI
Inhaltsverzeichnis
428 XVI. Apokalyptik des Urchristentums . . . . . . 428 1. Einleitung (Vielhauer) 454 2. Die Himmelfahrt des Jesaja (Flemming-Duensing) . 3. Offenbarung des Petrus (Maurer; Übersetzung des äthiopischen Textes durch Duensing) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 XVII. Apokalyptische Prophetie der frühen Kirche . Einleitung (Schneemelcher) . . . . . . . . 1. Das fünfte und sechste Buch Esra (Duensing) 2. Christliche Sibyllinen (Kurfess) 3. Das Buch des Elchasai (Irmscher) XVIII. Spätere Apokalypsen . . . . . . . . Einleitung (Schneemelcher) . . . . . 1. Apokalypse des Paulus (Duensing) 2. Thomasapokalypse (de Santos Otero) Anhang: Dichtungen
1. Der Naassenerpsalm (Bauer) . 2. Die Oden Salomos (Bauer)
484 484 488 498 529
533 533 536 568 573 575 576
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
AA Aa
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ABA
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AG AGG AJ Altaner AP Apa Apokr. 1 Apokr. 2 APt AR ATh AThANT Bardenhewer, Lit.gesch. Bauer
=
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Acta Andreae (Andreasakten) Acta Apostolorum Apocrypha I, ed. R. A. Lipsius, 1891; II, 1 u. 2, ed. M. Bonnet, 1898 (Nachdruck 1959) Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften, Phil.·hist. Klasse kanonische Apostelgeschichte apokryphe Apostelakten Acta Johannis (Johannesakten) Berthold Altaner, Patrologie, '1958 Acta Pauli (Paulusakten) Apocalypses Apocryphae, ed. C. Tischendorf, 1866 Neutestamentliche Apokryphen, hrsg. von E. Hennecke, '1904 Neutestamentliche Apokryphen, hrsg. von E. Hennecke, 21924 Acta Petri (die alten Petrusakten) Archiv für Religionswissenschaft Acta Thomae (Thomasakten) Abhandlungen zur Theologie des Alten und Neuen Testaments Otto Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Literatur I, 21913; II, 21914; III, 21923; IV, 1+21924; V, 1932 (Nachdruck 1962) Walter Bauer, Das Leben Jesu im Zeitalter der neutestamentlichen Apokryphen, 1909 E. Hennecke, Neutestamentliche Apokryphen, 3. Auf!. hrsg. von W. Schneemelcher, I, 1959 Bibliotheca Hagiographica Graeca, 31957 Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche Corpus Christianorum. Series latina Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum A Dictionary of the Bible, ed. J. Hastings, 5 Bde., 1898-1904 Evangelia Apocrypha, ed. C. Tischendorf, 21876 Fragmenta Historicorum Graecorum, 5 Bde., 1841-1870 Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Die griechisch-christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte Göttingische Gelehrte Anzeigen Handbuch zu den neutestamentlichen Apokryphen, hrsg. von E. Hennecke, 1904 Adolf Harnack, Geschichte der altchristlichen Literatur, 21958
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Handschrift(en) The Harvard Theological Review The Apocryphal New Testament, ed. M. R. James 1924 (Neudruck 1955)
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Bd. I
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BHG BZAW BZNW
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CCh CSCO CSEL DB Ea FHG FRLANT GCS GGA Handb.
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Harnack, Lit.gesch. Hs(s). HTR James
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VIII JBL JThSt KlT Lipsius
Abkürzungsverzeichnis = = = =
LThK
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LXX
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Michaelis NGA NkZ OrChr OrientLZ PA PG PL PO Quasten RAC RE RevBen RevBibl RGG RHE RQS Santos SBA
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ThLBI ThLZ ThWtb TSt VigChr Zahn, Forsch.
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ZkTh ZNW
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Journal of Biblical Literature Journal of Theological Studies Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen, hrsg. von H. Lietzmann R. A. Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden, 2 Bde., 1883f.; Ergänzungsheft, 1890 Lexikon für Theologie und Kirche, 11930-1938; "1957ff. Septuaginta Die Apokryphen Schriften zum Neuen Testament, übers. und erl. von W. Michaelis, "1958 Nachrichten der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen Neue Kirchliche Zeitschrift Oriens Christianus Orientalistische Literaturzeitung Patrum Apostolicorum opera, ed. O. v. Gebhardt, A. Harnack, Th. Zahn I, "1876f.; H, 1876; IH, 1877 Migne, Patrologia Graeca Migne, Patrologia Latina Patrologia Orientalis, ed. Graffin-Nau Johannes Quasten, Patrology I, 1950; H, 1953; IH, 1960 Reallexikon für Antike und Christentum, 1941ff. Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, 31896-1913 Revue Benedictine Revue Biblique Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 81957-1962 Revue d'Histoire Ecclesiastique Römische Quartalschrift Los Evangelios Ap6crifos, ed. A. de Santos Otero, 1956; "1963 Sitzungsberichte der Berliner Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Klasse E. Schürer, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi, 3 Bde. u. Registerbd., '1901-1911 Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.hist. Klasse Theologisches Literaturblatt Theologische Literaturzeitung Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 1933ff. Texts and Studies. Contributions to Biblical and Patristic Literature Vigiliae Christianae Forschungen zur Geschichte des neutestamentlichen Kanons und der altkirchlichen Literatur, hrsg. von Th. Zahn, 1881-1929 Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft Zeitschrift für Kirchengeschichte Zeitschrift für katholische Theologie Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde von der älteren Kirche Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte Zeitschrift für Theologie und Kirche Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie
KORREKTUREN ZU BAND I
s.
4, Anm. 4, 1. Zeile ist statt "gibt es nicht" zu lesen: "bietet C.A. Credner, Zur Geschichte des Canons, Halle 1847, S. 316-412" S. 5, 7. Zeile ist zu lesen: m S. 5,21. Zeile ist statt "Suidas II 199,25 Diels" zu lesen: "Suidas IV 713,16 Adler" S. 13, 2. Zeile ist statt "den J ohannesbriefen" zu lesen: "dem 1. J ohannesbrief" S.25, 6.-9. Zeile ist statt "Weg" jeweils zu lesen: "Wanderung" S. 28, 4. Zeile von unten bis S. 29, 1. Zeile ist "und zahlreiche ... gelten" zu ersetzen durch: "und zahlreiche andere haben wir gelesen, damit es nicht den Anschein hat, wir wüßten etwas nicht, wegen jener, die sich einbilden etwas zu wissen, wenn sie diese (Evangelienschriften) kennen" S.29, 7. Zeile von unten ist nach "Thomas" einzufügen: "und des Mathias" S. 30, 9. Zeile ist zu lesen: "der sieben sogenannten katholischen Briefe" S. 36, 8.-6. Zeile von unten ist der spanische Titel wie folgt zu berichtigen: "Los Evangelios Apocrifos, Coleccion de textos griegos y latinos, version critica, estudios introductorios, comentarios e ilustraciones" S. 37, 14. Zeile von unten ist zu lesen: "A. S. Lewis" S.37, 13. Zeile von unten ist zu lesen: "Baumstark" S. 37, 11. Zeile von unten ist statt "O.H.E. Burmester" zu lesen: "W. Grossouw" S. 52, 1. Zeile des Textes ist ,,1." vor "Einleitung" zu tilgen S.54 ist unter Nr. 5 zu lesen: "Epiphanium" S.54 muß unter Nr. 7 der Text lauten: "Erbittet euch das Große, so wird Gott euch das Kleine hinzutun. " Entsprechend ist in der Erläuterung zu lesen: "so wird euch das Kleine hinzugetan werden" S. 55,7. Zeile von unten ist statt ,,3f." zu lesen: ,,3f" S. 57, letzte Zeile ist zu lesen: "bis 49; 86f." S. 62, 3. Zeile ist zu lesen: "Deißmann" S. 62, 16./17. Zeile; S. 77,4. Zeile; S. 94,14. Zeile; S. 111, Anm. 1; S. 115, Anm. 1: die an diesen Stellen gegebenen Hinweise auf J.Jeremias, Unbekannte Jesusworte, "1951, treffen für die 3. Auf!. dieses Werkes, 1962, nicht mehr zu. S. 66, Abschnitt "b) Oxyrhynchos-Papyrus 1",12. Zeile ist statt "Z. 22" zu lesen: "Z. 23" S. 81, 14. Zeile ist zu lesen: "KG III 27,4" S. 86, 17. Zeile von unten ist statt "formiert" zu lesen: "firmiert" S.87 müssen die 6.-3. Zeile von unten lauten: ,,7. Die sog. "EvANGELlENAUSG.A1lE ZION". In den Subscriptiones von 36 Evangelienhandschriften des 9. bis 13.Jhs. findet sich der Hinweis auf ein als TO ' Iovt5ar"ov bezeichnetes Evangelium, und zwei dieser Handschriften (die Codices 566 und 899) notieren als Randbemerkungen Lesarten des Judaikon zu Mt. Der Codex 1424, der die Subscriptiones nicht hat, bringt die meisten, nämlich 10 der 13 Judaikon-Lesarten zu Mt., und zwar 8 als alleiniger Zeuge. Die Subscriptiones verweisen auf das Musterexemplar auf dem "heiligen Berge", dem Zion in J erusalem. Schmidtke (1-32) hat diese Gruppe untersucht ... " S. 89, 8. Zeile ist zu lesen: "Wilmart" S. 90, Abschnitt ,,1. Das Nazaräerevangelium", 4. Zeile ist zu lesen "Mt. 2,15.23" S. 94, 17. Zeile ist in der Klammer als letzte Zahl statt ,,4" zu lesen: ,,24"
x
Korrekturen zu Band I
S. 98, Nr. 24,4. Zeile ist zu lesen: ,,53,12" S. 98, Nr. 27, 3. Zeile und S. 99, Nr. 30, 3. Zeile ist statt "Olem." zu lesen: "Olm." S. 98, Anm. 5 ist zu lesen: "Vgl. Lk. 23, 34" S. 107, 5. Zeile von unten ist zu lesen: "heiligen" S. 107, Anm. 6 ist statt "Mk. 1,7" zu lesen: "Mk. 1,11" S. 108, Nr. 6, 1. Zeile ist statt "Nazaräner" zu lesen: "Nazaräer" S. 111, Abschnitt i), 1. Zeile ist statt "Herr" zu lesen: "Heiland" S. 112, Abschnitt 1), 5. Zeile ist zu lesen: "Epiph. haer. 62,2" S. 112, vorletzte Zeile ist zu lesen: "Clemensbriefes" S. 113, 23. Zeile ist statt "NEG" zu lesen: "NE 6" S. 115, 2. Zeile ist statt "alle in" zu lesen: "allein" S. 120, 6. Zeile von unten sind die Klammern bei "BZAW" zu tilgen S. 121, Abschnitt "Bruchstück", 11. Zeile ist zu lesen: "Broten6 , ihrem" S. 127, Abschnitt ,,4. Literatur", 5. Zeile ist vor "ZNW" einzufügen: "H. Lietzmann," S. 135, 3. Zeile von unten, rechte Spalte ist zu lesen: "Von hier an" S. 151,23. Zeile, linke Spalte ist statt "sei" zu lesen: "sie" S. 167,4. Zeile von unten ist zu lesen: "anouaÄv'Pllw,;" S. 201, 16. Zeile von unten ist nach ,,(1. Mose 28,7)" ein Semikolon zu setzen S. 201,8. Zeile von unten ist das Komma hinter "Mensch" zu tilgen S. 203, vorletzte Zeile ist zu lesen: "der alte Mensch" S. 206, Anm. 1 ist statt "W. Bauer, Bd. 11; XI" zu lesen: "W. Bauer, Bd. 11, S. 30" S. 216,5. Zeile von unten ist statt "lp." zu lesen: "pl." S. 247, 3. Zeile von unten ist nach "anfülle)." ein Anführungszeichen zu setzen S. 258, 5. Zeile von unten ist zu lesen: "Semlers" S. 267, 6.-12. Zeile ist die Übersetzung des Zitates aus al-Bärüni entnommen aus: A.1\dam, Texte zum Manichäismus (KlT 175), 1954, S. 1. S. 276,25. Zeile ist nach "Die Apokryphen" zu ergänzen: "Schriften" S. 291, vorletzte Zeile ist statt "Paris" zu lesen: "Athen" S. 304, 22. Zeile von unten ist zu lesen: "Rendel" S. 327, 4./3. Zeile von unten ist zu lesen: "gesandt" S. 330, vorletzte Zeile ist statt "Thinees" zu lesen: "Phinees" S. 332, Anm. 1, 4. Zeile ist zu lesen: "Jaroslav" S. 360, Abschnitt "Die Fragen des Bartholomäus", 4. Zeile ist statt ,,(L)" zu lesen: ,,(R)"
B. APOSTOLISCHES
AUSSERBIBLISCHES üBER DIE APOSTEL
EINLEITUNG
(w. Schneemelcher ) 1. APOSTEL UND APOSTOLISCH
LITERATUR (nur Auswahl aus neuerer Literatur): O. Linton, Das Problem der Urkirche in der neueren Forschung, 1932; K.H. Rengstorf, Art. d1l6OTOÄO~, ThWtb I, S.406-448; W.Bauer, Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum, 1934; E. Käsemann, Die Legitimität des Apostels, ZNW 41, 1942, S. 33-71; W. G. Kümmel, Kirchenbegriff und Geschichtsbewußtsein in der Urgemeinde und bei Jesus, 1943; H. von Campenhausen, Der urchristliche Apostelbegriff, Studia Theol. 1,1948, S. 96-130; J. Munck, Paul, the Apostles and the Twelve, Studia Theol. 3,1950, S. 96-110; R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 1953 (81958); H. von Campenhausen, Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht in den ersten drei Jahrhunderten, 1953; A. Ehrhardt, The Apostolic Succession in the first two centuries of the Church, 1953; E. Lohse, Ursprung und Prägung des christlichen Apostolates, Theol. Zeitschr. 9, 1953, S. 259-275; E.M. Kredel, Der Apostelbegriff in der neueren Exegese, Zeitschr. f. kath. Theologie 78, 1956, S. 169-193 und 257-305; G. Klein, Die zwölf Apostel, Ursprung und Gehalt einer Idee, 1961; E. Haenchen, Die Apostelgeschichte, 18 1961; W. Schmithals, Das kirchliche Apostelamt, Eine historische Untersuchung, 1961.
"Die Frage nach Ursprung und Begriff des Apostolats gehört gegenwärtig zu den verwickeltsten und schwierigsten der neutestamentlichen Wissenschaft." So hat schon E. Haupt 1896 (Zum Verständnis des Apostolats im NT, S. 1) geurteilt, und dieses Urteil gilt heute eigentlich noch unverändert. "Die Debatte über unser Problem ist freilich auch noch nicht annähernd abgeschlossen ... Alle Quellen sind in der umfangreichen Literatur zu unserem Thema von allen Seiten untersucht worden; die vorgebrachten Gesichtspunkte wiederholen sich ständig, ohne daß ein Ende der Diskussion abzusehen ist. Weiterführen könnten nur neue Quellen, die aber kaum zu erwarten sind, oder wesentlich neue Gedanken." So urteilt W. Schmithals 1961 (Das kirchliche Apostelamt, S. 12). Man muß allerdings hinzufügen, daß vielleicht auch "wesentlich neue Gedanken" nicht der richtige Weg zu einer befriedigenden und anerkannten Lösung sind (von den dogmatischen Vorurteilen einmal abgesehen, die gerade bei diesem Problem ein schweres Hindernis für die historische Erfassung des Phänomens sind). Jedenfalls verlocken die zum Teil abenteuerlichen Hypothesen in dem geistreichen Buch von Schmithals nicht gerade dazu, den Weg der "wesentlich neuen Gedanken" einzuschlagen. Es kann selbstverständlich nicht Aufgabe dieser notwendigerweise knappgehaltenen Einleitung zu den mit dem Namen von Aposteln verbundenen Apokryphen sein, das Problem der Entstehung und des Wesens des urchristlichen Apostolats umfassend zu erörtern. Wir müssen uns mit ein paar Bemerkungen, die zu der Literatur, die in diesem Band vereinigt ist, und ihren Problemen hinführen, begnügen. 1*
4
Einleitung
Es ist auch nicht möglich, eine durch eine Wolke von Zeugen für und wider belegte und untermauerte Auseinandersetzung mit allen in den vergangenen Jahrzehnten vorgetragenen Thesen zu bieten. Sondern wir wollen nur versuchen, durch eine kurze Skizze die Probleme soweit anzudeuten, wie sie für unsere Literatur wichtig sind. Es wird dabei vor allem zu fragen sein, ob die in der pseudapostolischen Literatur und auch in den Werken, die sich mit Leben und Werk eines oder mehrerer Apostel befassen, zutage tretende Tendenz einer bestimmten Wertung der Apostel sich bereits in der Frühzeit beobachten läßt und seit wann und in welchem Umfang das der Fall ist!. a) Das Wort anoO'ToAo;- begegnet in der Profangräzität in verschiedener Bedeutung. Es kann, wie alleneueren Wörterbücher und Spezialuntersuchungen aufzeigen, 'die Flottenexpedition, der Führer eines solchen Unternehmens' bedeuten. Ob die neutrische Form TO anoO'ToAOY in der Bedeutung' das abfahrtbereite oder ausgesandte Schiff' älter ist als die maskulinische, wird sich nur schwer entscheiden lassen. In den Papyri tauchtanoC1'ToAo;- auf als 'Lieferschein', einmal auch als 'Reisepaß' . Neben diesem, in den Bereich der Schiffahrt gehörigen Sprachgebrauch treffen wir schon seit Herodot vereinzelt auf die Bedeutung 'Abgesandter, Bote' 2. Dieser allgemeine Sinn ist auch an einigen neutestamentlichen Stellen anzunehmen: J oh. 13, 16; Phil. 2, 25; 2. Kor. 8, 23. Daneben wären noch die neutestamentlichen Stellen zu erwähnen (Lk. 11,49; Hebr 3,1), an denen ebenfalls der Begriff nicht in dem spezifischen Sinn einer besonderen Gruppe von 'Aposteln' benutzt wird. Die Frage, ob von diesem allgemeinen Sprachgebrauch her der besondere Gebrauch zu erklären ist, wird man verneinen müssen. Im griechischen Sprachbereich kannte man das Wort, verband aber nicht die ausgeprägte Bedeutung damit, die anoO'ToAo;- nun an den meisten neutestamentlichen Stellen hat. Eine wirkliche Kontinuität von dem allgemeinen zum besonderen Wortsinn im Bereich des Griechentums läßt sich nicht aufzeigen. Man hat nun gemeint, daß es für den neutestamentlichen Apostolat ein jüdisches Vorbild gibt, das Schaliach-Institut, das man übernommen und mit dem bekannten griechischen Wort anoO'TOAo;- bezeichnet hat (vgl. zu dieser These u.a. Rengstorf). Aber gegen diese Hypothese sind gerade in neuerer Zeit erhebliche Einwände erhoben (Munck, Ehrhardt, Klein, Schmithals u.a.). Diese sollen hier nicht wiederholt werden. Entscheidend ist einerseits, daß die jüdische Einrichtung des 'Gesandten' in den für diese Frage nun einmal wichtigen Einzelheiten des Institutes nur recht spät belegt ist, und andererseits, daß gerade bei Paulus, der für uns ja ein wesentlicher und vor allem der früheste Zeuge für den urchristlichen Apostolat ist, nichts vom jüdischen Rechtsinstitut des Schaliach zu finden ist. Jedenfalls läßt sich die sprachliche Ableitung und die historische Erklärung des neutestamentlichen Apostolats aus dem jüdischen Schaliach-Institut nicht halten. "Damit ist die Frage nach 1 Daß man dabei nicht mit den apokryphen Apostelakten des 2. und 3. Jahrhunderts arbeiten darf, brauchte kaum gesagt zu werden, wenn man nicht bei Schmithals den erstaunlichen Satz läse: "Erhalten geblieben ist der Aposteltitel innerhalb der gnostischen Literatur verständlicherweise in den Apostelakten, da diese sich durchweg mit Gestalten aus dem Kreis der Zwölf befassen, obschon ihr Apostelbegriff der gnostische ist" (S. 180). Abgesehen von der Unklarheit, die in diesem Satz herrscht, muß betont werden, daß von einem einheitlichen Apostelbegriff der Apostelakten gar nicht die Rede sein kann und daß zumindest die ältesten apokryphen Apostelakten (APt und AP) mit Gnosis nichts oder nur sehr wenig zu tun haben. • Belege bei Bauer, Wörterbuch zum NT s. v. und in der genannten Literatur.
1. Apostel und Apostolisch
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den möglichen Ursprüngen des Apostolats in der Umwelt des NT, die seit Rengstorf endgültig erledigt schien, aufs neue zum Problem geworden" (Klein, a.a.O., S. 27). b) Nun ist das Problem der Entstehung des Apostolats noch dadurch kompliziert, daß es bis heute keine einhellige Meinung darüber gibt, wann denn im christlichen Bereich erstmalig von Aposteln - im spezifischen Sinn -die Rede sein kann. Zunächst wird die Frage noch einzuengen sein: wurzelt dieses Phänomen im Leben J esu? Allerdings ist die Antwort auf diese Frage dadurch erschwert, daß mit dem Problem der 'Apostel' zu Lebzeiten Jesu das andere der 'Zwölf' und ihrer Berufung durch Jesus eng verbunden ist. Aber beides muß auseinandergehalten werden. Es wird nicht zu bestreiten sein, daß Jesus durch seine Predigt einen Kreis von Anhängern gesammelt hat. In den synoptischen Evangelien wird davon berichtet, wie er von seinen Jüngern begleitet und umgeben war. Dabei fällt auf, daß diese Notizen manchmal so stereotyp und schematisch klingen, daß man sie der späteren Redaktion der Evangelisten zuschreiben darf!. Aber die Tatsache, daß in den Synoptikern oft die Jünger in eine ältere Tradition eingetragen sind, die ursprünglich nur von Jesus allein handelte, ändert natürlich nichts daran, daß es einen Kreis von Jesus-Anhängern gegeben hat, der nun allerdings schwer zu fassen oder zu umschreiben ist. Denn die Tradition über diesen Kreis ist erst in der nachösterlichen Gemeinde in feste Formen gefaßt worden, d. h. zu einer Zeit, in der dieser Kreis schon eine ganz bestimmte Position in der Gemeinde oder aber sich zerstreut hatte. So ist die Zusammenstellung der 'Zwölf Apostel' (z. B. Mt. 10, 2; Lk. 6, 13) spätere Formulierung. Denn die alte Formell. Kor. 15, 3f. trennt noch die Zwölf von den Aposteln. Schon Wellhausen (Einleitung in die drei ersten Evangelien, 2. Auf!. 1901, S.138ff.) hat auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die sich einer Annahme, die Zwölf gehörten in die Lebzeiten Jesu, entgegenstellen; Vielhauer hat m.E. den schlüssigen Beweis erbracht, daß die Zwölf eine Erscheinung der nachösterlichen Gemeinde sind, die allerdings bald wieder verschwunden ist (P. Vielhauer, Gottesreich und Menschensohn, Dehn-Festschrift 1957, S. 62ff.; vgl. auch Klein, a. a. 0., S.34ff.). Die Argumente brauchen hier nicht im einzelnen wiederholt zu werden. Entscheidend erscheint mir 1. Kor. 15, 3-5, da hier von den Zwölfen die Rede ist, obwohl nach den Evangelien ja nur von 11 Jüngern gesprochen werden dürfte. Wenn nun aber die Zwölf nicht in die Lebzeiten J esu zurückreichen, so bleibt noch die andere Frage, ob Jesus eine Gruppe seiner Anhänger als Apostel bezeichnet hat. Daß das Schaliach-Institut, das man hier gern bemüht, nichts austrägt, wurde schon gesagt. Aber auch andere angebliche Beweise versagen hier (vgl. Klein, a.a. 0., S. 28ff.), so daß man also sagen muß: Apostelinstitut und Apostelbegriff wurzeln nicht in der historia J esu. c) Wie steht es nun mit den Zwölf und den Aposteln in der Urgemeinde, d.h. in dem ersten Kreis von Christusgläubigen nach den Osterereignissen? Dieser Kreis, der durch den Glauben an den Auferstandenen zusammengeführt und zusammengehalten wurde, hat sich als eschatologisches Gottesvolk, als Gemeinde der Endzeit verstanden (das besagt doch der Begriff euuÄrJC1ta). Nach 1. Kor. 15, 5 sind die ersten Erscheinungen des Auferstandenen dem Petrus und den Zwölf zuteil geworden. 1 Vgl. dazu Bultmann, Geschichte der synopt. Tradition, 3 S. 368f., wo auch darauf aufmerksam gemacht wird, wie sich die Vorstellung von der ständigen Begleitung Jesu durch die Jünger zu der dogmatischen Vorstellung von den Zwölf als den autorita.tiven Zeugen des Evangeliums steigert.
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Viele andere Indizien sprechen dafür, daß Petrus tatsächlich der erste Auferstehungszeuge war und daß er, der schon zu Lebzeiten J esu dem Herrn folgte, dadurch eine führende Position in der entstehenden Gemeinschaft einnahm. Man wird vermuten dürfen, daß er zunächst das Haupt der Zwölf gewesen ist. Diese Zwölf waren eine Institution, die mit der apokalyptischen Vorstellungswelt der Urgemeinde eng zusammenhing (vgl. Mt. 19, 28), die aber nicht von langer Dauer war; die Autorität des Petrus hat ihn allerdings überdauert. Paulus kennt die Zwölf nicht mehr als feste Institution, die in seiner Zeit wirkt. Bei seinem ersten Besuch in J erusalem, so berichtet er Gal. 1, 18f., hat er 14 Tage mit Petrus zusammen verbracht, "einen anderen der Apostel" aber nicht gesehen, außer Jakobus. Zur Zeit dieses Besuches war also die Gruppe der Zwölf bereits abgelöst von der der Apostel, unter denen nun Petrus wieder führend war. Daneben scheint schon in dieser Zeit Jakobus, der Bruder J esu, eine gewisse Rolle in der Gemeinde zu spielen, ohne allerdings zu den Aposteln zu gehöreni. Ob außer Petrus noch ein anderes Glied des Zwölferkreises den Anschluß an die Gruppe der Apostel gefunden hat, wissen wir nicht. Es ist aber unwahrscheinlich, da die Apostel in einen anderen Zusammenhang gehören. Auch wenn wir nicht sicher sagen können, wie es zu dieser Institution gekommen ist, so scheint doch klar, daß die Apostel nicht zu den apokalyptisch bestimmten Christusgläubigen (wahrscheinlich doch jüdischer Herkunft) gehört haben. Eher wird man sie, die I. Kor. 15,7 nach Jakobus als Auferstehungszeugen genannt werden, zu dem Kreis der Hellenisten (AG 6) rechnen. Jedenfalls scheint mir das die Möglichkeit der Erklärung zu sein, die am nächsten liegt. Diese Hellenisten sind ja nach den fragmentarischen Nachrichten, die aus der AG noch zu erheben sind, diejenigen gewesen, die sich zuerst der Mission zugewandt haben. Man kann von dem Begriff an6a-roÄo~ her vermuten, daß dieser Titel in diesem Kreis aufgekommen ist und daß damit zunächst einfach eine bestimmte Gruppe von Missionaren bezeichnet worden ist 2. Jedenfalls hat das Apostelamt vor Paulus bestanden (vgl. Ga1.1, 17). Er kennt, wie bereits gesagt, die Zwölf nicht mehr als Autorität, wohl aber die Apostel (und dazu dann die a-rvÄOt, über die aber hier nicht gehandelt zu werden braucht), die nun außerhalb Jerusalems das Amt der Verkündigung ausüben. d) Von der Tätigkeit dieser Apostel können wir nur andeutungsweise uns ein Bild machen. Sie ist vor allem missionarischer Art gewesen (vgl. z.B.l. Kor. 9, 3ff.; noch Didache 11 wird diese Funktion der Apostel deutlich). Paulus hat sicher in vieler Beziehung genauso gearbeitet wie die anderen Apostel, hat aber dem Amt eine ausgeprägte theologische Begründung und ein großes theologisches Gewicht gegeben. Darauf kann hier nicht eingegangen werden (vgl. z. B. Schmithals, a. a.O., S.13ff.; dort auch weitere Literatur). Nur das sei herausgestellt: Der Apostel ist nach Paulus direkt von Christus berufen (bei ihm selbst ist das vor Damaskus erfolgt) und hat nun dieser Berufung gemäß das Wort zu verkünden. Er ist aber - und 1 Es ist klar, daß die sehr schwierigen Probleme von Gal. 1, 15ff. hier nicht erörtert werden können. S Fraglich bleibt dabei das Verhältnis zu den Sieben, von denen AG 6 die Rede ist. Diese Sieben waren offensichtlich keine Apostel. Auch die chronologischen Fragen sind schwierig: nach 1. Kor. 15,7 sind die Apostel Auferstehungszeugen vor Paulus. Die 'Hellenisten' müßten daher, wenn die Apostel aus ihren Kreisen stammten, sehr früh sich als besondere Gruppe herausgebildet haben. Nun ist das durchaus möglich, da ja schon zu Lebzeiten Jesu die Anhängerschaft nicht nur aus Juden bestand (vgl. W. Bauer, Jesus der Galiläer, Festgabe für A. Jülicher, 1927, S. 16-34).
1. A P08tel und A p08toli8Ch
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das ist für unseren Zusammenhang wichtig - nicht deshalb Apostel, weil er Augenzeuge des Lebens und der Taten Jesu war. Diese Bedingung stellt Lukas in der Erzählung von der Nachwahl des Matthias (AG 1, 21-22). Dabei wird nun diese Forderung, daß der Kandidat für das Apostelkollegium mit dem irdischen Jesus von der Taufe durch J ohannes bis zur Himmelfahrt zusammengewesen sein soll, verbunden mit der Idee des Zwölferapostolatsi. G. Klein hat versucht nachzuweisen, daß Lukas derjenige gewesen sei, der die Kombination 'Zwölf Apostel' erfunden hätte. Dagegen spricht aber unter anderem, wie Haenchen (Die Apostelgeschichte, S. 679) zeigt, daß es diese Kombination der Zwölf mit den Aposteln schon in der Logienquelle (Q; vgl. Mt. 19, 28 und Lk. 22, 50) gegeben hat. Wie dem nun auch sei, die Differenzen zwischen Paulus und Lukas in der Auffassung vom Amt des Apostels sind offensichtlich, und es bleibt trotz der Arbeit Kleins eine offene Frage, wann es zu dieser folgenschweren Verengung des Apostelbegriffs auf die Zwölf gekommen ist. Denn daß hier eine Veränderung vor sich gegangen ist, wird man nicht leugnen können. Zugespitzt kann man formulieren: Paulus sieht in den Aposteln die Boten des Evangeliums, Lukas sieht in ihnen die Zeugen der historia J esu und damit die Garanten für die Wahrheit der kirchlichen Predigt. Gewiß kann man darüber streiten, ob nicht schon zur Zeit des Paulus die Zwölf und die Apostel in engere Beziehung zueinander gesetzt waren (vgl. Haenchen, S. 680). Aber die theologische Wertung des Apostelamtes ist bei Lukas ganz sicher eine andere als bei Paulus. Dabei darf nun allerdings nicht übersehen werden, daß die Meinung, der Apostel solle Zeuge der Auferstehung sein (AG 1,22), wohl damit zusammenhängt, daß dieses Amt von Anfang an mit Christophanien verbunden war. Der Apostel ist durch den auferstandenen Herrn berufen; daher nennt Paulus sich als den letzten in der Aufzählung 1. Kor. 15, 8. Es ist durchaus möglich, daß in dieser Tatsache der Ansatzpunkt für die Entwicklung zu der lukanischen Apostelidee gegeben war. Weiter liegt hierin wohl auch der Grund dafür, daß zwar alle Apostel Missionare, aber nicht alle Missionare Apostel waren, wie ja auch andererseits nicht alle diejenigen, denen eine Christophanie zuteil geworden war, nun Apostel wurden. e) Es ist auffallend, daß in der AG zwar den Zwölf Aposteln eine erhebliche Dignität zugeteilt wird, daß aber das Adjektiv anocnoJ"tu6!;" nicht vorkommt. 'Apostolisch' als Bezeichnung für eine bestimmte Lehre oder für die Kirche begegnet im ganzem NT nicht. Hier ist von den Aposteln nur als Personen die Rede. Wenn Paulus oder Lukas von Aposteln reden, so ist der Hintergrund dafür niemals irgendeine abstrakte 'Apostolizität'; vielmehr liegt der Maßstab für dieses Amt bei Paulus in dem Ereignis der Berufung durch den Auferstandenen, für Lukas in der persönlichen Bindung an die historia Jesu. Es ist fraglich, ob Lukas noch Apostel gekannt hat; die Didache kennt unter diesem Titel wandernde Missionare. Es wäre möglich, daß Lukas solchen wandernden Predigern diesen Titel aberkennen will, da unter ihnen wohl auch mancher merkwürdige Prophet gewesen sein mag, und daß von daher seine Konzeption des Apostelbegriffs zu erklären ist. Aber das ändert nichts daran, daß das' Apostolische' auch bei Lukas noch unter dem Gesichtspunkt der Person verstanden wird. Allerdings sehen wir nun in der AG die Ansätze zu der Entwicklung, die dann zu der dogmatischen Abstraktion geführt hat, bei der das 'Apostolische' 1 Die AG 1, 21 f. aufgestellte Forderung würde übrigens, wenn man den Evangelien folgen würde, kein Jünger erfüllt haben.
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die Garantie der echten Tradition wird. Das Auftauchen des Adjektivs a:nocn:oÄt,,6, bei Ignatius und in dem Martyrium Polykarps 1 ist ein Zeichen für die nun schon fest gewurzelte Anschauung von dem besonderen Wert des 'Apostolischen' in verschiedener Hinsicht, speziell im Blick auf die Lehre. Die Mahnungen der Pastoralbriefe zum Festhalten an der 'gesunden Lehre' (vgl. 1. Tim. 1, 10; dazu M. Dibelius, Exkurs zur Stelle im Handbuch zum NT) sind weitere Beispiele für diese Entwicklung, die dann in die im Kampf gegen die Gnosis ausgebildete Vorstellung von den Aposteln als den Trägern der überlieferung einmündet (dazu vgl. Hornschuh, u. S. 41 ff.). 2. ZUR ENTSTEHUNG PSEUDAPOSTOLISCHER LITERATUR
Die im folgenden zusammengestellte Literatur ist zwar in Form und Inhalt sehr unterschiedlich, wird aber durch die Beziehung auf die Apostel zusammengehalten, sei es, daß es sich um apostolische Pseudepigraphen handelt, sei es, daß einzelne Apostel und ihre Schicksale Gegenstand der Darstellung sind. Die Entstehung dieser Literatur ist nicht mit einem Satz zu erklären, sondern hat recht verschiedene Ursachen und Motive. Das wird im einzelnen noch deutlich gemacht. Hier soll vorweg nur auf zwei allgemeine Gesichtspunkte aufmerksam gemacht werden: a) Die kurze Skizze von der Entwicklung des Apostelinstituts und des Apostelbegriffs hat schon etwas sichtbar werden lassen von den entscheidenden Voraussetzungen der Entstehung der pseudapostolischen Literatur. Nur weil es zu der These gekommen war, daß die Apostel die Garanten der wahren und reinen Überlieferung seien, konnte es nun auch zu pseudapostolischen Schriften kommen. Erst als das 'Apostolische' Maßstab geworden war - gewiß in recht verschiedener Weise -, war es sinnvoll, im Namen von Aposteln Schriftstücke zu verfassen oder in Umlauf zu setzen. Das"älteste Beispiel ist wohl die Zwölf-Apostel-Lehre, die Didache, deren Titel wahrscheinlich lautete: 'Lehre des Herrn für die Heiden durch die Zwölf Apostel'. Es ist charakteristisch, daß gerade ein Traktat, der vor allem kirchen ordnende Funktion hat, als pseudapostolische Schrift geschrieben ist. Er hat in der kirchenrechtlichen Literatur der Alten Kirche manche Nachfolge gefunden. Auch die Pastoralbriefe, die in denselben Zusammenhang der frühen pseudapostolischen literatur gehören, haben eine betont rechtliche Intention. Weiter hat man dann, wie die apokryphen Apostelbriefe zeigen, auch den Kampf gegen die Ketzer durch solche Machwerke intensivieren und vor allem legitimieren wollen. Die Autorität der Apostel ist dogmatisch so gefestigt, daß in der 'apostolischen' Kirche Werke entstehen, die diese Autorität für die Tagesfragen ausnutzen. Andererseits aber hat nun diese Bedeutung des 'Apostolischen' in der Kirche weiter zur Folge, daß man über die Gestalten der Apostel gern mehr erfahren möchte, als im Neuen Testament steht. Schon Lukas hat in der AG manche Legenden benutzt, die das Merkmal frommer Neugier am Leben und Wirken der Apostel zeigen (vgl.AG5, 15: der Schatten des Petrus; AG 19, Hf.: die Taschentücher des Paulus). Die Apostel werden dabei leicht zu Wundermännern, wie sie auch das Heidentum kannte. "Wir sehen hier die Gefahr, von der die volkstümliche überlieferung über die apostolischen Wunder bedroht war: sie verwandelt den /-lae-r:v, '/'YJO'ov Xetcn:ov in lIgnatius, Trall. Praescr., grüßt die Gemeinde in apostolischer Weise (tv a:n;oOToÄ.'Uqi
xaemn'iie'); Mart. Pol. 16,2 wird Polycarp bezeichnet als der 'apostolische und prophetische Lehrer'.
2. Zur Ent8tehung pseudapostolischer L!:teratur
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einen Menschen, der bis in seinen Schatten hinein von der Wunderkraft erfüllt ist und durch diese Fülle die göttliche Vollmacht unmittelbar konstatierbar macht" (Haenchen, Apostelgeschichte, S. 202). Das widerspricht natürlich völlig dem Bild des Apostels, das Paulus gezeichnet hat (vgl. E. Käsemann, ZNW 41,1942, S. 33ff.). Lukas folgt hier ohne Zweifel volkstümlicher Tradition. Man wird aber sagen dürfen, daß diese Volkslegenden für ihn nicht die Hauptsache waren, sondern nur den erbaulichen Charakter seines theologisch bestimmten Werkes unterstreichen sollten. Im Laufe des 2. Jahrhunderts treten die legendarischen Züge immer stärker in den Vordergrund. Die Stabilisierung der Kirche als einer 'apostolischen' Institution, der Kampf gegen die Gnostiker, die sich für ihre Geheimlehren auf Apostel beriefen, die stärkere Verbreitung des Christentums, das Aufkommen der Märtyrerverehrung und manche andere Motive führen dazu, daß man sich eingehender mit Leben und Werken der Apostel beschäftigt und dabei das Bild immer farbiger gestaltet. Literarische Vorbilder für die Erzählungen vom Leben der Apostel gab es in der Umwelt in mannigfacher Art, und dieses Vorbild mag in verschiedener Weise auf die mündliche Tradition wie auf die schriftliche Fixierung in den apokryphen Apostelakten eingewirkt haben. Aber der Vorgang, mit dem wir es hier zu tun haben, darf nicht zu einseitig von der Literaturgeschichte her verstanden werden. Die Apostelakten sind zwar literarische Dokumente, sind aber vor allem volkstümliche Erzählungen, in denen die Stil- und Gattungsfragen sicher nicht im Vordergrund standen (vgl. u. S.110ff.). Auch bei der pseudapostolischen Literatur ist das Verhältnis zum kanonischen Schrifttum zu beachten. Es gibt auch bei diesen Schriften wie bei den apokryphen Evangelien Werke, die zu einer Zeit entstanden sind, in der der Kanon noch nicht abgeschlossen war bzw. sich noch nicht in vollem Umfang durchgesetzt hatte. Allerdings ist die Zahl der pseudapostolischen Apokryphen, die hierher zu rechnen sind, sehr gering. Bei den meisten der Werke, die hier zu behandeln sind, muß man einen späteren Zeitpunkt der Entstehung annehmen als für die kanonischen Schriften und auch als für die Kanonsbildung. Das bedeutet, daß die Frage, ob die apokryphen Apostelschriften die kanonischen Schriften ersetzen oder ergänzen wollten, nicht so einfach zu beantworten ist wie bei den apokryphen Evangelien. Bei den meisten der Texte, mit denen wir es zu tun haben, wird man annehmen dürfen, daß die Verfasser damit den Kanon bzw. einzelne in Ansehen und Geltung stehende Dokumente ergänzen wollten. Die Anknüpfung an die im Neuen Testament vorliegenden Gattungen und Formen ist bei einem Teil offenkundig. Ein Brief wie der apokryphe Laodicenerbrief, der faktisch nur ein Sammelsurium von Stellen aus den Briefen des PauIus ist, hat sich nach dem VorbiId der Briefe des Apostels gerichtet. Dagegen ist es fraglich, ob und inwieweit für die apokryphen Apostelakten das lukanische Vorbild maßgebend war (vgl. dazu u. S. 111 ff.). Sehr viel bedeutsamer ist hier das Einströmen von vor- und außerchristlichen Literaturformen und Gattungen gewesen. Für diesen Vorgang gilt das in der Haupteinleitung (Bd. I, S. 34f.) bereits Gesagte: es handelt sich nicht um ein rein formales Problem der Literaturgeschichte. Sondern dieser Vorgang steht im Zusammenhang mit der gesamten kirchengeschichtlichen Entwicklung, deren Vielfalt in den apokryphen Schriften, die mit den Aposteln zusammenhängen, ebenso zum Ausdruck kommt wie in den apokryphen Evangelien. Daß die späteren Apostelgeschichten in ganz besonderer Weise Tendenzliteratur sind, bei der das kanonische Vorbild überhaupt keine Rolle spielt, sei wenigstens vermerkt.
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b) Schon bei den apokryphen Evangelien kann man kaum von einer einheitlichen Literaturgattung sprechen. Wir haben in Bd. I, S. 48ff. versucht, drei verschiedene Typen von apokryphen Evangelien zu unterscheiden, wobei das Verhältnis zu den kanonischen Evangelien für die Differenzierung von Bedeutung war. Viel schwieriger ist es nun, den Stoff, mit dem wir es bei den apostolischen Apokryphen zu tun haben, gattungsmäßig klar zu gliedern. Gewiß heben sich bestimmte Gruppen heraus, wie die pseudapostolischen Briefe oder die apokryphen Apostelakten, für die wir auch Vorbilder oder Ähnlichkeiten in den Gattungen und Formen des Neuen Testaments haben. Aber daneben gibt es Werke, die sich einer klaren Eingliederung entziehen oder die einer Gattung angehören, die mit denim Neuen Testament vorkommenden Gattungen nichts zu tun haben (z. B. Kerygma Petrou). Der Grund dafür, daß wir es hier mit einer sehr viel bunteren Materie zu tun haben, liegt wohl darin, daß der Begriff des 'Apostolischen' eine so bedeutsame Rolle spielte. Man hat daher die verschiedensten Dinge mit den Namen und Gestalten der Apostel verbunden. Dogmatische, polemische und apologetische Intentionen wurden ebenso mit den Aposteln in Verbindung gebracht wie kirchenrechtliche Absichten oder erbauliche und unterhaltende Ziele. Jeweils nach dem Zweck richtete sich dann das literarische Genus, dessen man sich bediente. Es ist charakteristisch, daß der apokryphe Briefwechsel zwischen der korinthischen Gemeinde und Paulus (lU Kor, vgl. u. S. 257 ff.), der ein Teil der Paulusakten ist, die Abwehr der gnostischen Irrlehrer, d. h. also ein dogmatisches Thema zum Inhalt hat, während die übrigen Paulusakten von einer solchen Polemik wenig erkennen lassen, vielmehr erbaulich und unterhaltend wirken wollen. Für solche erbaulichen Absichten war aber die Form der romanhaften oder legendären Volks erzählung geeigneter als die Briefform. Natürlich lassen sich bei unserer Literatur, deren Herkunft aus Kreisen, die nicht als geistige Führungsschicht anzusprechen sind, klar ist, die Gattungen und Formen nicht rein herausarbeiten. Aber im großen und ganzen wird man die eben skizzierte Unterscheidung wohl anwenden dürfen. Es wird so noch einmal deutlich, daß die Fragen der Gattungs- oder Formgeschichte niemals rein formale Probleme darstellen, sondern daß Form und Inhalt eng zusammengehören. Das gilt sicher auch für die Erzählungsstoffe, die bereits vor der schriftlichen Fixierung bzw. vor der Zusammenarbeit durch einen Redaktor mündlich tradiert wurden. Andererseits ist es bedeutsam, daß gerade in den Reden der Apostelakten, die wohl das Werk der Redaktoren bzw. Verfasser der Apostelgeschichten sind, die eigentlichen Intentionen dieser Verfasser am besten zum Ausdruck kommen. Alle diese Beobachtungen laufen darauf hinaus, daß die gattungs- und formgeschichtliche Methode, die sich bei der Evangelienforschung so bewährt hat, auch auf die pseudapostolische Literatur angewandt werden kann und muß. Mit ihrer Hilfe können diese Dokumente erst richtig als Quellen für die Geschichte des Christentums im 2. und 3. Jahrhundert erschlossen werden. Hierliegen Aufgaben, die in Zukunft in Angriff genommen werden müssen.
XI. DAS APOSTELBILD IN DER ALTCHRISTLICHEN ÜBERLIEFERUNG 1. NACHRICHTEN*
(W. Bauer) 1. ZAHL; ApOSTELLISTEN. Daß Jesus sich aus der Schar seiner Anhänger zwölf Männer ausgewählt habe, die ihm besonders vertraut waren, Helfer und Fortsetzer seines Wirkens, ist alte evangelische Kunde. Ob ihre Einsetzung wirklich auf den historischen Jesus zurückgeht! oder ob die Zwölf eine Institution der nachösterlichen Gemeinde sind 2, ist eine umstrittene Frage. Die Zwölfzahl steht jedenfalls von Anfang an so fest, daß außerordentlich häufig von zwölf Jüngern geredet wird, wo es eigentlich nur elf heißen dürfte 3 , z.B. Evang. Petr. 59; Himmelfahrt Jes. 3, 17; 4,3; 11,22 (s.u. S. 454ff.); Kerygma Petrou (s.u. S. 58ff.)4. Es ist eben der geschlossene Kreis, der seinen Namen behält, auch wenn es Ausfälle gibt, so wie Xenophon (Hell. 2, 4, 23) von den Dreißig redet, obgleich Kritias und Hippomachus schon getötet sind (2, 4, 19). Wie wenig an der Zahl zu rütteln ist, zeigt die Gewohnheit von Vergleichungen und Spekulationen, für welche die Zwölf das Bezeichnende ist: so in der Offb. (21,14); bei Justin; Tertullian; Irenäus; Excerpta ex Theodoto bei Clemens Alexandrinus; Hippolyt 6. Um so merkwürdiger ist demgegenüber die * Der nachstehende Abschnitt ist noch von W. Bauer t durchgesehen worden, mußte dann aber noch erheblich von M. Hornschuh überarbeitet werden. Trotz der Bemühungen Hornschuhs (und auch K. Schäferdieks und J. Reguls) ist die Literatur keineswegs überall auf den neuesten Stand gebracht. Gleichwohl wollte ich auf diesen Beitrag, der schon durch die Fülle des gebotenen Materials bedeutsam ist, nicht verzichten. W. Sch. I So u.a. Rengstorf, Art. (jw&;l(a, ThWtb II, 1935, S. 325ff.; Oepke, Das neue Gottesvolk, 1950, S. 165ff.; v. Campenhausen, Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht in den ersten drei Jahrhunderten, 1953, S. 15; G. Bornkamm, Jesus von Nazareth, 1956, S. 138. 2 So u.a. im Anschluß an Schleiermacher und Wellhausen Bultmann, Theologie des NT, 31958, § 6,1; vgl. auch Geschichte der synoptischen Tradition, 31957, S. 368f.; Vielhauer, Festschr. für G. Dehn, hrsg. v. W. Schneemelcher, 1957, S. 62f.; umfassend: G. Klein, Die zwölf Apostel. Ursprung und Gehalt einer Idee (Forsch. z. Rel. und Lit. des A. u. N.T., NF 59), 1961. 3 So richtig Mt. 28, 16; Mk. 16, 14; Lk. 24, 9. 33; AG 1, 26. • Vgl. noch Aristides, Apol. 2 (Hennecke, TU 4, 3, 1893); Justin, Apol. I, 39. i Justin, dial. c. Tryph.42. - Tertullian, adv. Marc. IV 13,3 (Corpus Christianorum, ser.lat. 1,1954, S. 572). - Irenäus, adv. haer. 13,2; 18, 4; II 21, 1; IV 21,3. - Clem. Alex., Exc. ex Theod. 25, H. (GCS 17, Stählin, S. 115, 10-14); Hippolyt, Erklärung der Segnungen des Moses zu den 12 Stämmen, XV 6 (G. N. Bonwetsch, Drei georgisch erhaltene Schriften des Hippolyt, TU 26, 1, 1904, S. 67f.).
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XI. Das Apostelbild in der altchristlichen Überliejentn(J
Unsicherheit der Gegner des Christentums: Celsus: zehn oder elf (bei Origenes, c. Cels. I 62), auch nur zehn (II 46); der babylonische Tahnud spricht von fünf Schülern Jesu mit den Namen Matthai, Naqai, Nezer, Buni, Thoda (Sanhedrin 43a; vgl. Handb., S. 62); Hierokles nennt die Zahl 900 (Lactantius, div. inst. V 3, 4). Steht die Zahl fest, so stimmen schon in den neutestamentlichen Apostellisten die Namen keineswegs vollständig überein, wie auch ihre Reihenfolge Abweichungen aufweist. Die schwerstwiegende Verschiedenheit besteht darin, daß ein Glied des Apostelkollegiums bei Mt. (10, 2-4) Lebbäus, bei Mk. (3,16-19) Thaddäus, bei Lk. (6,16; AG 1,13) Judas Jacobi heißt!. Act. Thom. 1 wiederholen im wesentlichen den Katalog der kanonischen Apostelgeschichte. Dagegen verfügt die älteste Zeit noch über einen vollständigen Katalog, der erheblich anders gestaltet ist als die biblischen Listen. Sowohl die Apostolische Kirchenordnung 2 als auch die Epistula Apostolorum (2 (13); s. Bd. I, S. 128) enthalten eine Aufzählung von elf Apostelnamen, deren gemeinsame Eigentümlichkeiten die engste Zusammengehörigkeit beweisen unbeschadet der Differenz in einem Namen (Apostolische Kirchenordnung: Simon; Epistula Apostolorum: Judas Zelotes) und Änderungen in der Reihenfolge. In beiden tritt Johannes an den Anfang und erscheinen Nathanael und Kephas -letzterer neben Petrus-als Apostel.Während Baumstark (ZNW 14, 1913, S.232ff.) eine gemeinsame Quelle annimmt, höchstwahrscheinlich das Ägypterevangelium, und darin die Zustimmung von F. Haase gefunden hat (ZNW 16, 1915, S. 106), erklärt C. Schmidt 3 die zweifellos vorhandenen Beziehungen mit Hilfe der Annahme einer Abhängigkeit der Apostolischen Kirchenordnung von dem Sendschreiben4 • Neben den alle zwölf oder elf Einheiten umfassenden Listen stehen andere, die nur einen Teil der Namen aufweisen. Es ist dabei weniger an Joh. 21, 2 gedacht oder an den abgebrochenen Schluß des Petrusevangeliums (s. Bd. I, S. 124) als an Papias (s. u. S. 45) und an das Ebionäerevangeli um (s. Bd. I, S. 102), wo Jesus, nachdem er acht Namen, unter denen Johannes wiederum voransteht, genannt hat, fortfährt: Von euch will ich, daß ihr zwölf Apostel seid, zum Zeugnis für Israel. Es spricht viel dafür, daß die Verkürzung der Liste nicht dem apokryphen Evangelium zur Last fällt, sondern dem Epiphanius oder einem seiner Abschreiber. Papias andererseits faßt bei seiner Aufzählung, die gewiß ein Beispiel dafür ist, daß die Reihenfolge nicht immer tiefere Bedeutung zu haben braucht, den Rest der Apostel in einer allgemeinen Wendung zusammen. Ähnlich ist der Satz im 1. Buch des Jeu (c. 3; s. Bd. I, S. 185) zu beurteilen: Es antworteten alle Apostel einstimmig, Matthäus und Johannes, Philippus und Bartholomäus und Jakobus, indem sie sagten ... C. Schmidt bemerkt dazu mit Recht 5 : "Es werden also nur fünf Namen erwähnt 1 Über die bis auf Tatian (Hjelt, Die altsyrische Evangelienübersetzung und Tatians Diatessaron, 1901, S. 34; 124f.) zurückverfolgbaren Versuche, das Auseinanderstrebende zusammenzuhalten, s. Th. Zahn, Das Evangelium des Matthäus, 31910, S.390---392. 2 ed. Hilgenfeld, Novum Testamentum extra canonum receptum, 4. Teil, 21884, S.111; A. Harnack, Die Lehre der zwölf Apostel (TU 2,1-2),1884, S. 225. 3 Gespräche Jesu mit seinen Jüngern nach der Auferstehung, TU 43, 1919, S. 244. 4 Vgl. hierzu Th. Schermann, Die allgemeine Kirchenordnung, frühchristliche Liturgien und kirchliche Überlieferung (Studien zur Geschichte und Kultur des Altertums 3) 3, 1916, S. 601ff. 6 Gnostische Schriften in koptischer Sprache, TU 8, 1/2, 1892, S. 451.
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und sie doch als die Gesamtheit der Apostel hingestellt; aber wir sind keineswegs berechtigt, daraus den Schluß zu ziehen, daß der Verfasser die anderen nicht gekannt oder gelesen habe, er hebt vielmehr nur die bedeutendsten unter ihnen hervor, wie wir es häufig bei den Kirchenvätern finden; auch hatten Namen wie Jakobus Alphaei Sohn, Lebbäus, Judas Iscariot oder Matthias gar kein Interesse; dieselben treten in der nachapostolischen Zeit fast ganz in den Hintergrund." In der als Buch IV der Pistis Sophia herausgegebenen Schrift (GOS 45, S. 232) werden Thomas, Andreas, Jakobus, Simon "der Kananiter", Philippus und Bartholomäus namhaft gemacht und sodann summarisch die übrigen Jünger und Jüngerinnen erwähnt. Zwei nicht ganz übereinstimmende Kataloge von je elf Namen aus dem Zwölferkreis finden wir im Manichäischen Psalmbuch1 . Der eine (S. 192, 5-20) macht aus dem Alphäussohn Jakobus einen gehorsamen Jünger Alphäus, läßt den Thaddäus (Lebbäus, Judas Jacobi) ganz fort, gewinnt dann aber die Zwölfzahl zurück durch Zufügung des Apostels Paulus. Der andere (S.194, 7-17) verzichtet auf diesen, hat gleichfalls keinen Thaddäus, auch nicht Matthäus, den Zöllner, wohl aber einen Levi ohne Berufsbezeichnung (s. u. S. 33 f.). Als eine Art Apostelliste kann auch die Aufzählung der zwölf Apostel gelten, die bei Pseudo-Olemens, Rec. I 55-62, im jerusalemischen Tempel mit Juden und Samaritern disputieren. Hier haben wir die nachstehende Reihenfolge: 1. Matthäus (55), 2. Andreas (56), 3. und 4. Jakobus und Johannes (57), 5. Philippus (58), 6. Bartholomäus, 7. Jakobus, der Alphäussohn (59), 8. Lebbäus (59), 9.0ananäus Simon (60),10. Barnabas, der auch Matthias heißt (60),11. Thomas (61), 12. Petrus (62). Daß der redende Petrus sich zuletzt nennt, hat nichts Befremdliches. über Apostelverzeichnisse aus späterer Zeit s. R.A.Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden 1,1883, S. 22-25,192-206,210-215; II, 2, S. 416ff.; Ergänzungsheft S. 2-4, 14f., 16f., 19; Th. Schermann, Propheten- und Apostellegenden nebst Jüngerkatalogen, TU 31,3, 1907, S. 198ff. 2. DIE ApOSTEL IM GEFOLGE JESU werden vorwiegend im Anschluß oder doch in Anknüpfung an die neutestamentlichen Angaben geschildert. Doch geben z.B. die Johannesakten von der Berufung eine Darstellung, die im Dienste ihrer eigentümlichen Auffassung von der Person J esu steht (c. 88f., vgl. 113; s. u. S. 151 und 175). Die erwählten Apostel sind die echten Zeugen der evangelischen Geschichte. Sie sind stets beim Herrn gewesen und wissen alles, was er getan und gesagt hat: Irenäus, adv. haer. II 22, 5; Origenes, c. Oels. VI 8; Paulus an die Korinther in den Paulusakten (s. u. S. 259); Pseudo-Clemens, homo XVII 7; Syrische Didaskalia (S.67, J. Flemming TU 25,2,1904). Schon die lukanische Apostelgeschichte formuliert 1, 2lf. die Grundbedingung für den Eintritt ins Zwölfapostelkollegium dahin, daß der Anwärter Zeuge der gesamten öffentlichen Wirksamkeit Jesu gewesen sein müsse von der Taufe an. Daß das Ebionäerevangelium dementsprechend die Berufung der Jünger der Taufe des Herrn vorausgehen läßt, ist wahrscheinlich, jedoch durchaus nicht sicher (vgl. Vielhauer in Bd. I, S. 101). Sind nun aber die Apostel selbst getauft gewesen? Das Neue Testament gibt keine eindeutige Auskunft. Es berichtet nicht von einer Taufe der Jünger. Andererseits betonen die Evangelien die Unentbehrlichkeit der Taufe zum Heil (Job. 3, 5; Mt. 28, 19; Mk. 16, 16), erwähnen auch, daß die Apostel ihrerseits getauft haben 1 A Manichaean Psalmbook, edit. by C. R. C. Allberry, Stuttgart 1938 (= Manichaean Manuscripts in the Chester Beatty Collection, Vol. II).
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(Joh. 4, 2) und wenigstens teilweise ursprünglich zu den Anhängern des Täufers gehört hätten (Joh. 1, 35. 40). Vielleicht sollte auch Joh. 13 dem tiefer Blickenden Aufschluß geben. Tertullian bekämpft Leute, wohl Markioniten, die aus der Annahme, daß die Apostel die christliche Taufe nicht empfangen hätten, den Schluß ziehen, sie gingen des Heils verlustig, aber die Voraussetzung teilt er (de bapt. 12); denn Jesus hat nicht getauft und eine christliche Taufe gibt es überhaupt erst seit der Auferstehung Jesu (c. 11). Dagegen sind Hermas (sim. IX 16, 5) und PseudoCyprian (de rebapt. 6) der überzeugung, daß die Apostel auf den Namen des Herrn getauft worden seien. Etwas Näheres erfahren wir an beiden Stellen nicht. Ephraem aber erklärt im Kommentar zum Diatessaron 1, J esus habe die von J ohannes Getauften wiedergetauft. Sein Evangelientext mag ihm einigermaßen ein Recht dazu gegeben haben, wenigstens, wenn die harmonisierende Lesart von syr. sin. zu J oh. 4, 2 nicht unser Herr allein taufte, sondern auch seine Jünger auf Tatian zurückgeht. Sie gleicht diese Stelle mit J oh. 3, 22. 26; 4, 1 aus und entzieht dadurch die Tauftätigkeit jedem Zweifel. Auch in der Pistis Sophia (c. 122, GCS 45, S. 202) erscheint der taufende J esus. Damit ist die Voraussetzung gegeben für die Mitteilung, die J ohannes Moschus aus dem V. Buche der Hypotyposen des Clemens Alexandrinus (GCS 17, S.196) entnimmt, daß die Apostel getauft sind: Petrus von Jesus, Andreas von Petrus, Jakobus und Johannes von Andreas, während die Zebedaiden die Taufe an die übrigen weitergeben 2. Daß die Jünger jüdischer Herkunft sind, ist so selbstverständlich, daß es nur nebenbei erwähnt wird, z. B. Syrische Didaskalia (Flemming S. 133). Manchmal werden sie noch spezieller samt und sonders als Galiläer bezeichnet: AG 2, 7; Act. Petr. et Andr. 8 (Aa 2,1, S. 121); Ephraem, Kommentar zum Diatessaron (S. 57; S. 42, 22). Nur von Matthäus wird gelegentlich behauptet, er habe zu den Unbeschnittenen gehört (Altercatio Simonis et Theophili 20, Harnack TU 1, 3, S. 26f. 47.53), und das scheint schon die Meinung Markions gewesen zu sein (Tertullian, adv. Marc. IV 11, Corp. Christ. 1, S. 565). Gegenüber den Feinden des Christentums, die sich nicht genugtun können in Geringschätzung der sozialen Schicht, der die Jünger angehören (Celsus bei Origenes I 62.63; II 46; Julian c. Christianos 199. 200. 226 Neumann), betont man wohl, daß die Apostel keineswegs ganz unbemittelten Kreisen entstammen. Ja, der Zöllner Matthäus kann "reich" heißen (Clemens Alexandrinus, quis div. salv. 13), und im 1. Buche des Jeu 2 (GCS 45, S. 258) sprechen die Apostel: Wir ... haben Vater und Mutter verlassen, ... haben Güter verlassen, haben die Herrlichkeit des Königs verlassen und sind dir gefolgt 3. Doch läßt andererseits Pseudo-Clemens, homo XII 6, Petrus und Andreas als Waisen in Armut und Dürftigkeit aufwachsen. Äußerungen über Beruf und Bildung der Apostel knüpfen durchaus an das 1 Edidit L. Leloir, CSCO 137, 1953, armenischer Text; 145, 1954, lateinische Übersetzung. Im folgenden wird, wo nicht anders vermerkt, nur nach dieser Ausgabe zitiert. Dabei bezieht sich die erste Seitenangabe auf den armenischen Textband, die zweite auf die lateinische Übersetzung. • Vgl. Th. Zahn, Forschungen zur Geschichte des neutestamentlichen Kanons III, S. 69f.; später wird diese Angabe öfters wiederholt und noch weiter ausgesponnen, vgl. A. Berendts, Studien über Zacharias-Apokryphen 1895, S.104, Anm.l; F. Diekamp, Hippolytos von Theben, 1898, S. 27. 120f. 3 Vgl. auch 2. Buch des J e11 44, S. 306.
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Neue Testament an: Fischer und Zöllner, andererseits ungelehrt und laienhaft (AG 4, 13). Daß ihnen selbst die Anfangsgründe des Wissens abgehen, ist ein Gedanke, bei dem die Gegner mit Behagen verweilen (Celsus bei Origenes, c. Cels. I 62; Porphyrius bei Pseudo-Hieronymus, brev. in psalt. zu Ps. 81; Hierocles bei Eusebius, c. Hierool. 2, PG 22,800 B). Die Christen geben es angesiohts des Neuen Testamentes zu, besonders bereitwillig Origenes (c. Cels. I 62; VI 7; VIII 47; de princ. II 6, 1; homo I 13 in Gen.), dooh vor ihm sohon Justin (apol. 139) und OIemens Alexandrinus (strom. I 45, H.). Daß man das Gewerbe der Mehrzahl der Jünger nicht kenne, gesteht Origenes (0. Cels. I 62) offen ein. Nur gelegentlich erfährt man einmal, etwa von Thomas, daß er Zimmermann gewesen sei (Act. Thom.2). Die hohe Schätzung, die das naohgeborene Geschlecht den Aposteln darbringt, sprioht sioh natürlich auoh aus in der Art, wie man von ihrem Leben redet. Vgl. die Charakterisierung im Munde des Herrn im Kerygma Petrou (Fragment bei OIemens Alexandrinus, strom. VI 48, H.; s.u. S. 63). Jesus rühmt in cod. D zu Lk. 22, 28 den Jüngern naoh: Ihr seid in meinem Dienste gewachsen wie der Dienende.
Ja, unter Einfluß von Eph. 1, 4 kommt das Logion zustande (Ephraem, Kommentar zum Diatessaron 1) : Ich habe euch erwählt vor dem Werden der Welt.
Daß die Apostel alle Gnadenga ben besessen haben, steht dem Clemens Alexandrinus fest (strom. IV 133, 3). Vor allem sind hier die in koptisoher Spraohe erhaltenen gnostischen Schriften zu nennen. Im 4. Buoh der Pistis Sophia und in den Büchern des Jeu empfangen die Jünger Jesu, seine "Brüder und Geliebten", hohes Lob. Sie haben sämtliche Gebote des Meisters gehalten (Pistis Sophia c. 138, GCS 45, S. 235f.; c. 142, S. 243ff.; 2. Buch des Jeu c. 43, S. 30H.; c. 44, S.306). Sie heißen würdig aller Erkenntnis und Mysterien (Pistis Sophia o. 138, S. 235f.; 2. Buoh des Jeu c.43f., S. 304ff.). Jesus fordert sie zur Freude darüber auf, daß ihnen alle Sünde vergeben ist und sie zum Reiohe des Vaters gehören (Pistis Sophia 0.142, S. 243ff.). Mensohlich an ihnen ist nur nooh, daß sie ein Sohuldbewußtsein besitzen und danaoh verlangen, durch den Erlöser von ihren fleisohlichen Gebrechen befreit zu werden (Pistis Sophia c.136, S. 232ff.; c.141, S. 241ff.; c.142, S. 243ff.; l.Buch des Jeu c. Iff., S. 257ff.; 2. Buoh des Jeu, c. 45ff., S. 308ff.). Unendlioh viel höher noch liegen die Äußerungen der anderen drei Bücher der Pistis Sophia, die in der Tat "das Höohste und Ausschweifendste in bezug auf die Bedeutung der Zwölfapostel" darstellen 2. Die Jünger sind vollkommen (c.96, S.144ff.), haben den Geist Jesu (c. 46, S. 49ff.; c. 49, S. 55ff.), entstammen dem Erlöser selbst (c. 110, S. 180f.). Ja Jesus erklärt, daß die Seelen seiner Apostel in der Höhe präexistiert haben, weshalb sie nicht von dieser Welt sind (c. 7 und 8, S. 6ff.). Vgl. hierzu Karpokrates bei Irenäus, adv. haer. 125,2. Vielleioht, daß es Gnostiker sind, die Origenes im Auge hat, wenn er gegen die Auffassung polemisiert, daß die Apostel sohon vor dem Leiden J esu vollkommen gewesen wären (in Mt. tom. XII 40; GCS 40 Klostermann, S. 158). Dooh kam man nicht überall so sehr von der Geschiohte los, um die VollkommenS. 57; S. 42, 22. A. Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten 1', S. 360, Anm. 5. 1 I
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heit, ja Überweltlichkeit der Apostel preisen zu können. Zu zahlreich waren die Fälle, in denen die Evangelien sie schwach, verständnislos, sündig zeigten. Auch entsann man sich, daß Jesus doch gekommen sei, die Sünder zu rufen. So erklärt der Barnabasbrief, Jesus habe sich seine Jünger aus den allerverdorbensten Existenzen ausgewählt (5, 9). Das war Wasser auf die Mühle der Gegner des Christentums (Celsus bei Origenes, c. Cels. I 62f.; II 46). Doch wagt Origenes keinen ernstlichen Widerspruch, meint nur, die Jünger hätten sich dann unter Jesu Einfluß zu einem tugendhaften Wandel bekehrt (c. Cels. I 63.64; homo I 13 in Gen.), freilich nicht ohne mancherlei Rückfälle, wie Z. B. die Verleugnung und Worte wie Mt. 16,22; 17,4 lehren (comm. in Mt. tom. XII 40f.). Die Angriffe des Christenfeindes und die Aufgabe, das Evangelium im Zusammenhang auszulegen, ließen dem Origenes keine Wahl. Wo man solcher Notlage nicht unterstand, zog man es vor, an den evangelischen Stellen, die Ungünstiges über die Jünger berichteten, vorbeizugehen (Apostolische Väter, Irenäus, Clemens Alexandrinus, Tertullian). Das empfahl sich um so mehr, als die Häretiker den Aposteln vielfach eine gewisse Mißachtung zeigten: Gnostiker Markus (Irenäus, adv. haer. I 13, 6), die Karpokratianer (ebd. 125), die "Gnostiker" des IrenäuB (ebd. 130,13). Der Magier Simon läßt Jesus selbst sein Verhältnis zu den Aposteln durch die Worte illustrieren: "die mit mir sind, haben mich nicht verstanden" (Act. Petr. C. Sim. 10). Markion kann in den Uraposteln nur Leute sehen, die in ihrem Unverstand die Lehre J esu durch Judaismus verfälscht haben (Irenäus, adv. haer. III 2,2; 12,12; 13,1; Tertullian, adv. Marc. 120; IV, 3;V, 3; de praescr. haer. 23). In anderer Weise war Montanus von der Unzulänglichkeit der Apostel überzeugt. Im Gegensatz zu diesen Ketzern gelten den Männern der Kirche die Apostel als Garanten und Träger der echten Offenbarung. Sie sind von Jesus in einzigartiger Weise belehrt worden. Und hierin treffen die Rechtgläubigen mit den Häretikern zusammen, die für ihre eigentümlichen Anschauungen auf geheimnisvolle Art über die Apostel oder doch einzelne Jünger hinweg den Anschluß an Jesus suchen (dazu S.U., S.46ff.). Gegenüber der bei manchen Häretikern, aber auch bei Clemens Alexandrinus (strom. 111,3; Hypotyp. 7, bei Eusebius, h. e. II 1, 4) und Origenes (c. Cels. II 64; IV 16; VI 77; comm. in Mt. tom. XII 36f.; 41) begegnenden Tendenz, gewisse Persönlichkeiten aus dem Kreise der Apostel herauszuheben, herrschte in kirchlichen Kreisen die Neigung vor, die Apostel als einheitliche Größe gleicher Beschaffenheit aufzufassen (Polykarp. Phil. 9, 1). Nur die Aussagen der Schrift führen gelegentlich zur Wirklichkeit zurück. Man redet ihnen das Beste nach und entschuldigt ihre Fehltritte so gut man kann. Justin schon meint, die Jünger hätten nach der Auferstehung Buße dafür getan, daß sie sich bei der Kreuzigung von ihrem Herrn losgesagt haben (dial. C. Tryph. 106). Und wo man dieses heikle Thema nicht lieber ganz unberührt ließ, hat man später allerlei geltend zu machen gewußt, was das Versagen der Jünger bei bestimmten Veranlassungen in einem milderen Lichte erscheinen lassen konnte. Doch müssen sich die Apostel auch im Interesse der Apologetik gefallen lassen, daß gelegentlich Schatten auf ihren Charakter geworfen werden. Alles, was das NT in dieser Richtung sagt, wird weit überboten durch die Hartnäckigkeit, mit der die Jünger in Epist. Apost. 10 (21); 11 (22) (s. Bd. I, S. 131) der Botschaft von der Auferstehung des Herrn den Glauben verweigern. 3. DIE ApOSTEL NACH DER HIMMELFAHRT. Auch von dem Ergehen und der Tätigkeit der Apostel nach der Himmelfahrt hören wir mancherlei, wobei der Inhalt
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der apokryphen Apostelakten im wesentlichen auf sich beruhen bleiben mag. Daß alle die gleiche Lehre verkünden, ist seit der Apostelgeschichte der Kirche im Grunde so selbstverständlich, daß sich Belege fast erübrigeni. Clemens Alexandrinus, der davon überzeugt ist, daß den Jüngern keine Gnadengabe abging (strom. IV 133,3), läßt sie besonders auch als Propheten wirken (V 38,5). Über die Beteiligung der Zwölf bei der Bekehrung des Paulus s. u. zu Paulus (S. 39f.). Auf ihren Reisen haben sie ihre Ehefrauen nicht als Gattinnen, sondern als Mitarbeiterinnen bei sich (strom.III 53,3; über das Weib des Petrus: Strom. VII 63,3; vgl. u. zu Petrus S.19 ff.). Tertullian allerdings will nichts davon wissen, daß irgendein Apostel außer Petrus verheiratet gewesen sei (de monog. 8, 4, Corp. Christ. 2, S.1239). Als Autorität treten die Apostel auch in gewissen Schriften auf, als deren Verfasser sie gelten. Die Didache erhebt wohl noch nicht den Anspruch, von den Aposteln geschrieben zu sein; und wie es in dieser Hinsicht mit den verschiedenen unter der Bezeichnung "Evangelium der zwölf Apostel" umlaufenden apokryphen Schriften steht, ist nur noch in einem Falle sicher festzustellen: Das von den Manichäern stammende Evangelium dieses Titels beansprucht, von den zwölf Aposteln geschrieben zu sein (vgl. Bd. I, S. 190f.). Die Epistula Apostolorum, die Syrische Didaskalia und die Apostolische Kirchenordnung bezeichnen die zwölf Jünger als ihre Autoren. Und auch in dem Evangelienfragment des Strass burger koptischen Papyrus (s. Bd. I, S.155ff.) sind die Apostel die Redner oder Schreiber. Über schriftstellerische Tätigkeit einzelner Apostel s. u. S.19ff. Was den Tod der Jünger angeht, so weiß Herakleon (Kom. zu Lk.; bei Clemens Alexandrinus, strom. IV 71,3) von vier Jüngern, daß sie keine Märtyrer geworden sind, während das Manichäische Psalmbuch (S. 142, 18ff., Allberry) nur fünf bzw. sechs apostolische Blutzeugen zu nennen weiß. Nach ihrem Tode haben die Apostel den Hades aufgesucht, um dort solchen, die das Evangelium noch nicht vernommen hatten, zu predigen und Gerechte zu taufen (Hermas, sim. IX 16,5-7; im Anschluß hieran, aber weitergehend, Clemens Alexandrinus, strom. II 43, 5-44, 4; VI 48, 3). Auf Erden zeigt man bald mit Stolz die Kirchen vor, in denen die Lehrstühle der Apostel gestanden haben und in denen die Urschriften ihrer Sendschreiben noch verlesen werden (Tertullian, de praescr. haer. 36,1, Corp. Christ. 1, S. 216), in einigen Städten auch die Grä ber der Apostel: in Rom auf dem Vatikan das des Petrus und an der Straße nach Ostia das des Paulus (Gaius bei Eusebius, h. e. II 25,7) bzw. beider Apostel an der Via Appia 2, in Ephesus das des Lieblingsjüngers J ohannes (Polykrates bei Eusebius, h. e. V 24, 2-7; vgl. III 39, 6), in Hierapolis das des Philippus und seiner Töchter (Polykrates, a.a. 0.). 4. AUSZUG ZUR MISSION. Das Wichtigste, was die Apostel nach dem Scheiden des Meisters vornahmen, war ihr Auszug zur Mission. Auch hier ergab das NT Anknüpfungsmöglichkeiten. Kennt es doch Missionsbefehle (Mt. 28, 19f.; Mk. 16, 16; Vgl. C. Schmidt, Gespräche Jesu, TU 43, 1919, S. 190.255. Zusammenstellung der Zeugnisse und Denkmäler der römischen Aposteltradition bei Lietzmann, Petrus und Paulus in Rom (Arbeiten z. Kirchengeschichte 1)2,1927. Zum Verhältnis der Heiligtümer am Vatikan und der Via Ostia einerseits und an der Via Appia andererseits (keine Translation) s. Th. Klauser, Die römische Petrustradition im Lichte der neuen Ausgrabungen unter der Peterskirche (Arbeitsgemeinsch. d. Landes NordrheinWestf., Geisteswissensch., Heft 24, 1956). Weitere Literatur bei E. Dinkler, Die Petrus-RomFrage, Theol. Rundschau NF 25, 1959, S. 189-230; 289-335. 1
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2 Henneoke, Apokryphen Bd. 2
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Lk. 24, 47f.; AG 1, 8; 10,42), denen wir in den Äußerungen der Missionskirche immer aufs neue begegnen, sei es daß sie wiederholt werden, sei es daß man auf sie anspielt, oder sonstwie ihr Einfluß zu spüren ist. Die Forderung irgendwelcher nationaler Beschränkung wird dabei in der Regel nicht erhoben. Die Syrische Didaskalia (übersetzung von J. Flemming, TU 25,2, 1904, S. 77) stellt ausdrücklich den Universalismus des Missionsbefehls fest: "Jesus Christus hat uns, die Zwölf, ausgesandt, das (auserwählte) Volk und die Heidenvölker zu lehren." Ebenso das Kerygma Petrou 1 und Epistula Apostolorum 30 (41) (Bd. I, S. 143): Gehet und predigt den zwölf Stämmen Israels und den Heiden ... Doch im Grunde schon nicht anders der kurze Mk.-Schluß, das Diatessaron, 1. Clemens 42, 3, Aristides, Justin, Irenäus, Himmelfahrt des Jesaja, Apostolische Kirchenordnung, Fragment eines apokryphen Evangelienschlusses im 1. Band der koptisch-gnostischen Schriften, Pistis Sophia 2 • Eusebius (h. e. III, 1) teilt eine Tradition mit, wonach Thomas Parthien, Andreas Skythien und Johannes Kleinasien als Missionsgebiete durch das Los zugefallen seien. Es handelt sich um ein Fragment eines Verteilungsplanes der Erde an die zwölf Apostel 3 • Neben der universalistischen Auffassung steht freilich auch die Meinung, daß die zwölf Apostel, wie sie überhaupt in Beziehung zu den zwölf Stämmen stehen (Mt. 19,28 = Lk. 22, 30; Barn. 8, 3), so auch als Missionare nur für sie bestimmt sind (vgl. Mt. 10,5). Das war offenbar die Meinung der Judenchristen, des Ebionäerevangeliums (s. Bd. I, S. 102), doch nicht minder die der Anhänger des Gnostikers Markus (Irenäus, adv. haer. I 20, 2) und der Naassener (Hippolyt, ref. V 8). Eine gegenteilige Ansicht will die Apostel mehr oder weniger deutlich auf die Heiden beschränken: Pseudo-Clemens (hom. XVII 7, VIII 22, rec. II 33, IV 35) ; Acta J oh. 112; Evangelium der Maria (s. Bd. I, S. 252); auch Justin (dial. 53). Ganz bestimmt werden die Juden von der Berücksichtigung durch die Apostel ausgeschlossen in der pseudo-cyprianischen Schrift Adv. Judaeos (5), und zwar durch Jesus selbst, der den Ungehorsam Israels konstatiert und die Jünger deshalb ans Ende der Erde senden zu wollen erklärt, um endlich alle Heiden ohne Ausnahme zum Hochzeitsmahle zu laden. Das Kerygma Petrou (s. u. S. 58 ff.) hat die Verpflichtung der Apostel so unter Juden und Heiden verteilt, daß sie während der ersten zwölf Jahre auf das Verlangen nach Buße und Sündenvergebung in Israel hören, dann aber sich der "Welt" zuwenden sollen. So lautete der Auftrag des Herrn an die Jünger. Diese zwölf Jahre, während deren die Jünger in Jerusalem weilen, bevor sie in die Welt hinausziehen, spielen in der christlichen Überlieferung auch sonst eine Rolle: Apollonius (bei Eusebius, h. e. V 18,14); Acta Petri, c. 5 (s. u. S. 194); Acta Johannis des Prochorus Nach Clemens Alexandrinus, strom VI 48,1.; s. u. S. 63. Diatessaron: Ephraem, Kommentar zu Diatessaron, S. 276; S. 198, 22f.; auch S. 350; S. 248, 24-26; H. HilI, A dissertation on the Gospel Commentary of S. Ephrem, 1896, S. 118; Aphraates, homo ed. Wright 12. - Aristides, Apol. 2 (S.10, Hennecke TU 4, 3, 1893). - Justin, apol. I 31. 39. 45. 50; dial. 53. - Iren., Fragment XXXI (S. 843 Stieren); Epideixis 41. - Himmelf. d. Jes. 3, 17f.; 11,22. - Apostol. Kirchenordnung 1. - Kopt.gnost. Evangelienfragm., GCS 45, S.254. - Pistis Sophia, Buch I-lU (GCS 45, c.l11, s. 181ff.; c. 106, S. 174f.; c. 100, S. 158ff.; c. 125, S. 205ff.). 3 Vgl. A. v. Harnack, Der kirchengeschichtlicbe Ertrag der exegetischen Arbeiten des Origenes I (TU 42, 3), 1918, S. 16: "Auf alle Fälle lag hier ein vollständiges Verzeichnis der l\'Iissionsgebiete zugrunde." 1
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(ed. Zahn 1880, S. 3f.). Gewiß nicht, weil sie historisch sind, wie Harnack 1 will. Dazu paßt die Zahl der Jahre - Pseudo-Clemens (rec. I 43; IX 29) zieht übrigens die Siebenzahl vor, während ein sahidisches Bruchstück (Fragm. IV 26, F. Robinson, Texts and Studies IV 2, 1896, S. 28) fünfzehn hat _. zu gut zu der der Apostel. Gewisse Gnostiker lassen übrigens die zwölf Jahre hindurch Jesus bei seinen Jüngern weilen vor seiner endgültigen Heimkehr (Pistis Sophia 1, GCS 45, S. 1; 2. Buch des Jeu 44, ebd. S. 305ff.)2. Andere Gnostiker bemaßen die Zeit, die der Auferstandene bei seinen Jüngern blieb, auf achtzehn Monate: Valentinianer (Irenäus, adv. haer. I 3,2), die "Gnostiker" des Irenäus (ebda. I 30,14), ähnlich Himmelfahrt des Jesaja 9,16: 545 Tage (18 X 30 = 540) und das Apocryphon Jacobi (dazu s. Bd. I, S. 247f.). Vielfach verbindet sich mit dem Auszug der Apostel die Vorstellung, daß sie die ganze Welt in zwölf Teile geteilt haben, von denen jeder einen in Arbeit nehmen soll: Acta Thomae 1; Syrische Didaskalia (S. 120 Flemming), wohl schon Origenes (Eusebius, h. e. III 1). Spätere in Handb. S. 564 und bei Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden I, 1883, S. 11 bis 16 u.ö. 5. DIE EINZELNEN ApOSTEL. Petrus und den Ze bedaiden wird schon in den kanonischen Evangelien eine Vorzugsstellung zugeschrieben (Mk. 9, 2 Parr.; 14,33 Parr.). Daran knüpft an, was Eusebius (h. e. II 1, 3) aus Buch VI der Hypotyposen des Clemens Alexandrinus mitzuteilen hat, "daß Petrus und Jakobus und Johannes nach der Himmelfahrt des Erlösers nicht auf Ehrung Anspruch erhoben hätten, da sie ja auch von dem Erlöser vorher geehrt worden wären, sondern sie hätten Jakobus den Gerechten zum Bischof von Jerusalem gewählt". Eine Sonderstellung haben diese drei Jünger auch als Empfänger und Tradenten esoterischer Offenbarung bei Clemens Alexandrinus (dazu u. S. 46ft.); dieselbe Stellung haben Jakobus und Petrus im Apocryphon Jacobi (s. Bd. I, S.247f.). Petrus gilt im Anschluß an das NT überwiegend als der erste der Apostel, vor allem den Judenchristen; vgl. Pseudo-Clemens (hom. Ep. Clem. adJac.l, homo I 15). Schahrastani (Religionsparteien, ed. Haarbrücker I 261) nach judenchristlichen Quellen: Simon Kephas war sein (Jesu) Stellvertreter, und er war der vorzüglichste der Apostel, was Wissen, Frömmigkeit und Bildung anbetrifft. Ebenso ist er hier der einzige Empfänger einer Offenbarung des Auferstandenen: Aber nachdem er getötet und gekreuzigt war, kam er herab und es sah ihn Simon Kephas und er sprach mit ihm und übertrug ihm die Gewalt, dann verließ er die Welt und fuhr gen Himmel. Doch war sein Ansehen keineswegs auf Judenchristen beschränkt. Dem Bartholomäusevangelium gilt Petrus als Oberster der Apostel (II, 7. 14; Bd. I, S. 364. 365) und als stärkste Säule (II, 7; Bd. I, S. 364). Bartholomäus, sein Mitapostel, gebraucht die Anrede Vater Petrus (II, 3; Bd. I, S. 364.) Wie der Held der pseudo-clementinischen Romane (vgl. u. S. 373 ff.), so ist er auch der einer verzweigten Literatur von Petrusakten (vgl. u. S.I77 ff.). Nicht nur die beiden kanonischen Petrusbriefe, sondern desgleichen das Petrusevangelium (vgl. Bd. I, S. 118ff.), die Petrusapokalypse (vgl. u. S.468fL) und wohl auch das Kerygma Petrou (vgl. u. S. 58ff.) geben sich als von ihm verfaßt. über sein Verhältnis zum Markusevangelium s. u. zu Markus. Er hat seine Stelle im Mariaevangelium (s. Bd. I, S.252, 253f.), in der Epistula Apostolorum (11 [22], s. Bd. I, S. 131,) in dem Fragment von Fajjum (vgl. Bd. I, 1 2
2*
Gesch. d. altchristl. Lit. II I, S. 244. Dazu: Gnostische Schriften in koptischer Sprache (TU 8, 1/2), 1892, S.493f.
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S. 74), in den Gesprächen Jesu im 2. Clemensbrief (5, 2-4), im Apocryphon Jacobi (vgl. Bd. I, S. 247), bei Ignatius (Smyrn. 3, lf., vgl. Bd. I, S. 83f.) und kommt auch in den Acta Johannis vor (88.90.91). 1. Clemens (5) und Ignatius (Röm. 4, 3) nennen ihn neben Paulus in hohen Ehren, und selbst die Himmelfahrt des Jesaja (4,3) scheint auf ihn anzuspielen (s. u. S. 458). Die allgemeine Stimmung ist die, der Clemens Alexandrinus (quis div. salv. 21) Ausdruck gibt, wenn er von dem seligen Petrus redet, dem auserwählten, vorzüglichen, dem ersten der Jünger, für den allein der Herr außer für sich selbst die Steuer erlegte. Immerhin genießt Petrus vereinzelt auch geringeres Ansehen. Nicht nur bei Markion und denen, die den Apostelkatalog mit Johannes beginnen ließen (s. oben S.12). In den beiden Büchern des Jeu wird er überhaupt nicht genannt, und im 4. Buch der Pistis Sophia (c. 136, S. 232, GCS 45 Till) verschwindet er, nachdem Thomas, Andreas, Jakobus, Simon der Kananiter, Philippus und Bartholomäus namentlich aufgeführt sind, unter den übrigen Jüngern. Schon das 4. Evangelium hatte Petrus hinter den Lieblingsjünger zurückgestellt. Petrus verließ, als der Herr ihn rief, außer seinem Beruf auch Weib und Kind (Origenes, comm. in Matth. tom. XV 21 GCS 40, S. 411 Klostermann). Er war verheiratet (vgl. Mk. 1, 29-31 Par.; 1. Kor. 9, 5) und besaß Kinder (vgl. Mk. 10, 29 Par.; 1. Petr. 5, 13). Von der Frau des Petrus reden Pseudo-Clemens (hom. XIII 1.11; rec. VII 25. 36; IX 38) und Clemens Alexandrinus (strom. VII 63, 3; s. u.), letzterer auch von Kindern (III 52, 5), von einer Tochter speziell die Petrusakten (C. Schmidt, Die alten Petrusakten, TU 24, 11903, S. 3-10, vgl. u. S. 188 ff.), die Philippusakten (c.142, Aa 2, 2 S. 81) sowie die Akten des Nereus und Achilleus (c.15 ed. Achelis TU 11, 2, 1893, S. 1M.). Die aus 1. Petr. 5, 13 erschlossene Auffassung, Markus sei der leibliche Sohn des Petrus gewesen, findet sich wohl erst später, noch nicht bei Clemens Alexandrinus 1 • Die Philippusakten berichten a.a. O. weiter noch, Petrus habe jeden Ort geflohen, der eine Frau barg, eingedenk Mt. 5, 28; vgl. auch Pseudo-Clemens, Brief an die Jungfrauen II 15 (Funk, S. 26). Als" Weiberfeind" anderer Art erscheint Petrus in der gnostischen Literatur. In der Pistis Sophia tritt er dem als unzulässig empfundenen Sichvordrängen der Frauen aus dem Anhang Jesu entgegen (c. 72, S. 104). Auch das gnostische Mariaevangelium weiß von einer Differenz zwischen Petrus und Andreas einerseits und der Maria andererseits, der Levi zur Seite tritt (s. Bd. I, S. 254; vgl. Thomas-Ev., Spr.114)2. Der Zurückhaltung der Frau gegenüber entspricht die Einfachheit der Le bensführung des Petrus (Pseudo-Clemens, homo XII 6; rec. VII 6; Gregor von N azianz, omt. 14,4). Über des Petrus' Herkunft, Beruf und Bildung s.o. S. IH. Was wir über sein Leben im Gefolge J esu etwa über das NT hinaus erfahren, gehört in der Hauptsache der Geschichte der Auslegung des Bibeltextes an, was Z. B. über sein Bekenntnis zu J esus, seine Stellung als Felsengrund der Kirche, die ihm übertragene Schlüsselgewalt, seine Verleugnung und dergleichen mehr berichtet wird. Als selbständige Überlieferung kommt nur vielleicht in Betracht die auf judenchristliche Quellen zurückgehende Erzählung Schahrastanis (I 261 Haarbrücker), die den Auferstandenen nur dem Petrus erscheinen läßt: Aber nachdem er gekreuzigt war, kam 1 So Zahn, Neue kirchl. Zeitschr. 1901, S. 745; dagegen K. Heussi, Zeitschr. f. wissensch. Theol. 1902, S.48Iff. 2 Vgl. A. Harnack, Über das gnostische Buch Pistis Sophia 1891, S. 16f.; C. Schmidt, Gnostische Schriften in koptischer Sprache (TU 8, 1/2) 1892, S. 455; L. Zscharnack, Der Dienst der Frau in den ersten Jahrhunderten der christlichen Kirche 1902, S. 161.
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er herab, und es sah ihn Simon Kephas, und er sprach mit ihm und übertrug ihm alle Gewalt; dann verließ er die Welt und stieg gen Himmel. Nach der Abreise aus Jerusalem (s.o. S.17 fI.) läßt eine alte Tradition den Petrus in Pontus, Galatien, Bithynien, Kappadokien und Asien den Diasporajuden das Evangelium verkünden (Eusebius, h. e. III 1, 2, wohl nach Origenes, s. ebd. III 1, 3). Der Einfluß von l. Petr. 1, 1 ist ganz deutlich (vgl. ebd. III 4, 2). Nach Origenes (hom. 6 in Luc.) hat er das antiochenische Bistum begründet (Eusebius, h. e. III 36, 2; vgl. Pseudo-Clemens, rec. X 69-72). Über die gemeinsame Wirksamkeit mit Paulus in Korinth und Rom vgl. Dionysius von Korinth (bei Eusebius, h. e. IV 23,3; vgl. Eusebius, h. e. II 25,8; III 4,10). Frühere Zeugnisse für einen römischen Aufenthalt des Petrus sind nicht absolut eindeutig (s. l. Clemens 5, 4; Ignatius, Röm. 4). In späterer Zeit dagegen mehren sich die Belege: Irenäus, adv. haer. III 1; Tertullian, de praescr. haer. 36, 3 (Corp. Christ. 1, S. 216); Clemens Alexandrinus, Hypotyposen VI (nach Eusebius, h. e. II 25, 8 und VI 14, 5-7, Überlieferung der "Presbyter"); Gaius (ebd. II 25,7). Auch daran, daß sich hinter BabyIon in l. Petr. 5, 13 Rom versteckt, kann man kaum zweifeln (so schon Clemens Alexandrinus und Papias bei Eusebius, h. e. II 15, 2). Den Märtyrertod des Petrus bezeugen l. Clemens 5, 4; 2. Petr. 1,14(1); Dionysius von Korinth (bei Eusebius, h. e. II 25, 8); Canon Muratori 37 (s. Bd. I, S. 19) und überhaupt vom Ende des 2. Jahrhunderts an viele, doch auch schon Joh. 21, 18f., dessen Worte bereits Tertullian (scorp. 15, 3, Corp. Christ. 2, S. 1097) richtig als Weissagung der Kreuzigung deutet. Daß diese mit dem Kopf nach unten erfolgt sei, sagt nach dem Vorgang der Petrusakten (s. u. S. 219f.) zuerst Origenes (bei Eusebius, h. e. III 1,2), es auf den ausdrücklichen Wunsch des Apostels zurückführend; ebenso das Manichäische Psalmbuch (S. 142, 18f. Allberry). - Während Clemens Romanus, Ignatius und Clemens Alexandrinus in bezug auf das Verhältnis des Petrus zur Gemeinde von Rom keine bestimmten Angaben machen, bezeichnen Dionysius (bei Eusebius, h. e. II 25, 8), Irenäus (adv. haer. III 1,1) und Gaius (bei Eusebius, h. e. II 25,7) Petrus als Missionsprediger, der im Verein mit Paulus die römische Kirche gegründet habe; vgl. Epiphanius (haer. 37, 6) und die Petrus-Paulus-Akten. Auch Tertullian (de praescr. haer. 36) stellt dem Petrus, wenn er auch den Clemens nur von ihm ordiniert werden läßt (c. 32), doch in Hinsicht der Gründung der römischen Kirche den Paulus zur Seite. Jedoch deutet er de pudic. 21 an, daß der römische Bischof Calixt sich als Inhaber des Bischofsstuhles des Petrus bezeichnet habe!. In der Mitte des 3. Jahrhunderts ist die Vorstellung vom römischen Bischofssitz als der cathedra Petri deutlich bezeugt: Cyprian (epist. 55, 8; 59,14), auch Firmilian (ebd.75, 17); Pseudo-Cyprian (de aleat.) 1; Pseudo-Clemens, homo (Brief des Clemens an Jakobus 2. 6)2. Von einer bestimmten jahrzehntelangen Dauer der Amtsführung des Petrus als Bischof von Rom weiß erst Eusebius in der Chronik. Deren Abhängigkeit von der 220 abgeschlossenen Chronik des Sextus Julius Mricanus steht freilich fesV. Inwieweit jedoch die dem Petrus geltenden Angaben von dorther entnommen sind, entzieht sich genauer Ermittlung. Immerhin hat sicher schon er, und zwar nicht als der erste (vgl. Acta Petri 41), den Tod des Petrus unter Nero 1 Vgl. G. Esser, TertulIian de pudic. 21 und der Primat des römischen Bischofs, Katholik, 3. Folge 26, 1902, S. 193-220. 2 Vgl. H. Koch, Kathedra Petri, BZNW 11, 1930. 3 Harnack, Gesch. d. altchristl. Lit. II 1, S. 123ff., 201, 704ff.; E. Schwartz, Eusebius, Die Kirchengeschichte III (GOS 9, 3) 1909, S. OOXXI ff.
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XI. Das Apo8telbild in der altchristlichen Uberliejerung
angesetzt!, den als Urheber des petrinischen Martyriums auch Tertullian (scorp. 15), Lactantius (div. inst. IV 21) und die jüngeren Petrusakten mit Namen nennen, und eine langjährige römische Wirksamkeit des Apostels angenommen. Dieser letzteren aber widersprechen nicht nur die Äußerungen des NT, sondern auch der Christenfeind bei Macarius Magnes (um 400), apocrit. 111 22 (Porphyriusn: Es wird erzählt, daß Petrus gekreuzigt worden sei, nachdem er nur wenige Monate die Schäflein geweidet. Ebenso die Petrusakten (vgl. u. S.193ff.). Die Überlieferung von einem Aufenthalt des Petrus in Rom ist von den verschiedensten Seiten aus bestritten worden, z.B. durch Neander, F. Chr. Baur, Mangold, Zeller, Lipsius; ferner von P. W. Schmiedel (Art. Simon Peter in der Encyclopaedia Biblica, ed. Chayne und Black 4, 4559ff.), K. Erbes (Petrus nicht in Rom, sondern in Jerusalem gestorben,ZKG 22, 1901, S.lff., 161ff.), C. Guignebert (La primaute de Pierre et la venue de Pierre a Rome 1909), A. Bauer (Die Legende von dem Martyrium des Petrus und Paulus in Rom, Wiener Studien 38, 1916, S. 270ff.), H. Dannenbauer (Die römische Petruslegende, Historische Zeitschrift 146, 1932, S. 239ff.; 159, 1938, S. 81 ff.), besonders energisch von K. Heussi (War Petrus in Rom? 1936; War Petrus wirklich römischer Märtyrer? 1937; Neues zur Petrusfrage 1939; Die römische Petrustradition in kritischer Sicht 1955. Weitere Arbeiten von Heussi zu diesem Thema s. ThLZ 86, 1961, Sp.545f.). Dagegen pflichten der Tradition bei u.a. Bleek, Credner, H. Ewald, Hilgenfeld, Renan, Lightfoot, Harnack, Clemen, C. Schmidt, F. Sieffert (RE 15, S.199ff.), Th. Zahn (Ein!. in das NT, 31906, 2, S. 22ff.), F.H. Chase (Art. Peter (Simon) in Dictionary of the Bible 3, 1909, p.765ff.), H. Lietzmann, Petrus und Paulus in Rom, 21927); unter den neueren Arbeiten O. Cullmann (Petrus. Jünger, Apostel, Märtyrer, 1952, 21960), K. Aland (Histor. Ztschr. 183, 1957, S. 497f.) und von katholischen Forschern H. Schmutz (Petrus war dennoch in Rom, Benediktinische Monatssehr. 22, 1946, S.128ff.), Th. Klauser (Die römische Petrustradition im Lichte der neuen Ausgrabungen unter der Peterskirche, 1956) und E. Kirschbaum (Die Gräber der Apostelfürsten, 1957). Zum Ganzen vgl. den Forschungsbericht von E. Dinkler, Die Petrus-Rom-Frage; Theol. Rdsch. NF 25, 1959, S. 189-230; 289 bis 335. Als "Dolmetscher" des Petrus gilt seit Papias, der sich dabei auf den "Presbyter" beruft, Markus (s. Eusebius, h. e. 111 39,15). Bemerkenswerterweise behauptet Basilides, einen Dolmetscher des Petrus zum Lehrer gehabt zu haben, der den Namen Glaukias führte (Clemens Alexandrinus, strom. VII 106,4). Einen Vorfall aus dem späteren Leben des Petrus berichtet Clemens Alexandr. (Strom. VII 63, 3, GCS 17, S.46): Als der selige Petrus ansehen mußte, wie sein eigenes Weib den Weg zum Tode abgeführt wurde, freute er sich, weil sie der Berufung und der Rückkehr nach Hause teilhaftig würde, rief ihr aber, um sie recht zu ermuntern und zu trösten, den Namen (des Herrn) zu und sagte zu ihr: Denke, du Liebe, an den Herrn! Zu den Traditionen über Petrus würde diese Geschichte auch dann gehören, wenn ein Schreibfehler aus seinem Gang zum Martyrium den letzten Gang seiner Frau gemacht hätte 2. 1 2
Harnack, ebd. S. 201. Vgl. Hort and Mayor, element of Alexandria (Miscellanies Book 7) 1902, S. 293,27.
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Andreas tritt gelegentlich in Verbindung mit seinem Bruder auf: Ebionäerevangelium (s. Bd. I, S. 102, Nr. 1), Petrusevangelium (s. Bd. I, S. 124), Mariaevangelium (s. Bd. I, S.253f.), Epistula Apost. 2 (13) (s. Bd. I, S.128), Pistis Sophia (mehrfach), Papias, der ihn vor Petrus nennt (bei Eusebius, h. e. III 39, 3f., s. u. S. 45), Acta Johannis 88, Pseudo-Clemens, homo XII 6. Nach Canon Muratori 14 (s. Bd. I, S. 19) erhielt Andreas die göttliche Offenbarung, die zur Abfassung des J ohannesevangeliums den entscheidenden Anstoß gab (s. hierzu unter J ohannes). Origenes (bei Eusebius, h. e. III 1, 1) weiß, daß ihm bei der Teilung der Welt Skythien als Missionsgebiet zugefallen ist. Aus der Missionstätigkeit des Apostels berichtet die sog. Epistola Titi discipuli Folgendes: Als Andreas schließlich auf eine Hochzeit kam, da schied er, um die Herrlichkeit Gottes zu erweisen, die füreinander bestimmten Gatten, Männer und Frauen, voneinander und lehrte sie, im Ledigenstande heilig zu bleiben (s. u. S. 104).
Die Zugehörigkeit dieses Stückes zu den Andreasakten ist nicht gesichert. In Paträ in Achaja stirbt Andreas den Kreuzestod (s. u. S. 291 ff.). Ebenso im Manichäischen Psalmbuch (Allberry, S. 142, 20f.), wo seine Schüler sein Schicksal teilen. Wenn Andreas ebendort dann weiterhin (S. 194, 8) das erste heilige Standbild heißt, so muß sich das auf die von Epiphanius Monachus (9. Jahrh.) mitgeteilte Geschichte beziehen, wonach noch in seiner Gegenwart ein Bethaus bei Sinope mit der Marmorstatue des Andreas aus dessen Lebenszeit vorhanden istl. Das im Decretum Gelasianum erwähnte Andreasevangelium (s. Bd. I, S. 22) hat es wohl niemals gegeben 3. J ohannes wird in einem Fragment des Nazaräerevangeliums erwähnt, in dem es heißt: Er hatte, da er der Sohn des armen Fischers Zebedäus war, oft Fische in den Palast des Hohenpriesters Annas und Kaiphas gebracht (Fragm. 33, Vielhauer, Bd. I, S.99f.).
Von ihm ist ferner im Ebionäerevangelium und bei Papias die Rede 3 , auch in einem anonymen Prolog zum Johannesevangelium 4. Er ist der Offenbarungsempfänger im Apokryphon des Johannes (s. Bd. I, S. 235ff.) und der bevorzugte Jünger in den Johannesakten wie in der Pistis Sophia (c. 96, GCS 45, S.148, 25f.): Maria Magdalena und Johannes, der Jungfräuliche, werden überragen alle meine Jünger. 1 Epiphanius Monachus, ed. Dressel S. 47. 24. 50,23. Vgl. Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten I, 1883, S. 570. 576. S. ferner oben, S.12f. und Th. Zahn, Forschungen VI, S. 220f. S Vgl. E. v. Dobschütz, Das Decretum Gelasianum, TU 38, 4,1912, S. 293. - Zur Rolle des Andreas in den Andreas-Matthias-Akten s.u. zu Matthias. - Vgl. auch P.M.Peterson, Andrew, Brother of Simon Peter, His History and his Legends, 1958; F. Dvornik, The Idea of Apostolicity in Byzantium and the Legend of the Apostle Andrew (Dumbarton Oaks Studies IV) Cambridge (Mass.), 1958. Zu Peterson und Dvornik s. auch M. Hornschuh, ZKG 71, 1960, S. 138ft'. 8 Ebionäerevangelium, Frgm. 1, Vielhauer, Bd. I, S.102. - Papias in der Vorrede zu den "ve,a"iiiv 8~'f/y1jae,,: bei Euseb. h. e. III 39,4 (GCS 9,1, S. 286, 16-20); ferner in einem Fragment aus dem zweiten Buch desselben Werkes bei Philippus von Side, Kirchengeschichte(?) (de Boor, TU 5, 2, 1888, S. 170; Funk-Bihlmeyer, Die apostolischen Väter, 21956, S. 138). 4 Patrum apostol. opera, ed. O. v. Gebhardt, A. v. Harnack, Th. Zahn, ed. minor, 61920, S. 77; Funk-Bihlmeyer', S. 139f.
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XI. Das Apostelbild in der altchristlichen Vberlieferung
Dieselbe Rolle spielt Johannes in der griechischen Gestalt des Heimgangs der Jungfrau Maria (s. Bd. I, S. 319) 1. Die christlichen Schriftsteller seit dem Ende des 2. Jhs. wissen noch dies und das von seiner Person und seinem Leben zu berichten. Nach Act. Joh. 113 (s. u. S. 175) hat ihn der Herr als jungen Mann berufen. Immer aufs neue wird seine Jungfräulichkeit betont, von Tertullian und Methodius von Olympus, in den Fragen des Bartholomäus, im sog. monarchianischen Prolog zum Johannesevangelium, in dem pseudoclementinischen Schreiben Ad Virgines, von dem Manichäer Faustus, im Manichäischen Psalmbuch, in der Pistis Sophia und besonders in den Act. Joh. Epiphanius dehnt die Enthaltsamkeit auf das ganze Gebiet des Lebens aus 2. In der Apostolischen-Kirchenordnung (c. 26, Schermann, S. 32) ist es J ohannes, der daran erinnert, wie der Herr Maria und Martha beim letzten Mahl von der eucharistischen Handlung ausgeschlossen habe 3 • Daß der Zebedaide Johannes in Ephesus gewirkt habe, ist seit der zweiten Hälfte des 2. Jhs. oft wiederholte Meinung 4• Bei Clemens (Quis div. salv. 42, 2, GCS 17, S.188, 3-7) erscheint er als höchste Autorität des ganzen zu Ephesus gehörigen Gebietes, die Gemeinden organisiert, den Klerus nach Bedarf vervollständigt und Bischöfe einsetzt; ähnlich Canon Muratori 10 (s. Bd. I, S.19}, der in bezug auf Johannes von seinen Bischöfen redet 6 • Für noch ältere Zeit vermögen weder Polykarp noch die "Presbyter" des Irenäus diese Auffassung sicherzustellen 6. Die oben erwähnten Zeugnisse des Clemens Alexandrinus und des Hieronymus stimmen in der Ansicht überein, Johannes habe ein sehr hohes Alter erreicht. So auch die Johannesakten und Irenäus, der ihn bis zur Regierungszeit Trajans leben läßt (adv. haer. II 22, 5; III 3,4)1. Auch Tertullian (de anima 50, Corp. Christ. 2, S. 856) teilt die Meinung, daß Johannes uralt geworden, wenn er berichtet, man habe von Johannes geglaubt, er würde die Parusie erleben. Die irdische Laufbahn des Apostels ist nach der überwiegend geteilten Auffassung durch einen friedlichen Tod beschlossen worden: so offenbar Irenäus (adv. haer. II 22,5; III 3,4), Polykrates (bei Eusebius, h. e. III 31,3 = V 24,2), Tertullian (a.a.O.), die Act. Joh. Vgl. ferner die Apostelverzeichnisse, (s.o. S. 12). Tertullian, De monog. 17, 1 (Corp. Christ. 2, S. 1252). - Methodius v. Olymp., De resurrect. I 59,6 (GCS 27, S.323, 16f.). - Fragen des Bartholom. II 14 (Bd. I, S. 365). Monarchian. Prolog zu Joh. (Lietzmann, Kleine Texte 1, S.13, 13-15). - Ps.-Clemens, Epist. de virg. I 6,3 (Funk, Patres Apostolici II, 1901, S. 5, 11-14). - Faustus, bei August., Contr. Faust. XXX 4 (CSEL 25, S. 175, 26f.). - Manich. Psalmb. (Allberry, S.142, 23; 192,7). - Pistis Sophia 41 und 96 (GCS 45, S. 42, 27 und 148, 25f.). - Act. Joh. 113 (s. u. S. 175). - Epiphanius, haer. 78,13,1-4 (GCS 37, S. 463, 26-464, 7). 3 Vgl. A. Harnack, Die Quellen der sog. Apostolischen Kirchenordnung, TU 2,5,1886, S. 28ft'. - L. Zscharnack, Der Dienst der Frau in den ersten Jahrhunderten der christlichen Kirche, 1902, S. 161. 4 Act.Joh. (passim, s.u. S.125ft'.). - Irenäus (adv.haer.IIIl, 1). - Polykrates von Ephesus, Brief an ViktorvonRom (bei Eusebius, h. e. III 31, 3 = V 24,3). -CIemensAiexandr., Quis div. salv.42 (GCS 17, S. 187f.). & Vgl. auch den sog. monarchianischen Prolog zum Johannesevangelium (KlT 1, S. 14), Apollonius (bei Eusebius, h. e. V 18, 14), Tertullian (de praescr. 32,2, Corp. Christ. 1, S. 213) und Hieronymus (Kommentar zu Gal. 6, 10, PL 26, Sp. 462 BC). Dazu Th. Zahn, Forsch. VI, S. 207 . 6 W. Bauer, Das Johannesevangelium, Handb. z. NT 6, 31933, S. 242f. 7 Weiteres bei Th. Zahn, Acta Joannis, 1880, S. CXXXII f. 1 I
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(115) und, von ihnen abhängig, der sog. monarchianische Prolog zum Johannesevangelium (KIT. 1, S. 14). Die Akten vertreten als erste die Vorstellung, daß Johannes vor den Toren von Ephesus ein Grab ausheben ließ, sich hineinlegte und den Geist aufgab l . Diese Anschauung von dem unblutigen Sterben braucht nicht unbedingt eine andere auszuschließen, die von einem Martyrium des Johannes spricht. Denn der Wunsch, die Voraussage Jesu Mk. 10,39 = Mt. 20, 23, die schon das Altertum auf ein in Aussicht stehendes Martyrium gedeutet hat, mit der Tradition vom lange lebenden und nicht gewaltsam getöteten Apostel auszugleichen, hat dazu geführt, aus seiner Betätigung als Zeuge nicht die äußersten Folgerungen zu ziehen. Origenes (comm. in Mt., tom. XVI 6) spricht von einer Überlieferung, die in der Verbannung nach Patmos die Erfüllung jener Weissagung des Herrn erblickt. Schon sein Lehrer Clemens Alexandrinus hat vom Patmosexil, das zweifellos aus Offb.l, 9 stammt, geredet (Quis div. salv. 42, 2, GCS 17, S.188). Tertullian verbindet mit der Verbannung auf die Insel eine Tradition, wonach J ohannes zuvor, ohne Schaden zu nehmen, in brennendes Öl getaucht worden sei, und zwar in Rom (de praescr. 36, 3, Corp. Christ. 1, S. 216/17). In Rom scheint Johannes auch nach Hippolyt (de antiehr. 36) gewesen zu sein, um dort das Verbannungsurteil zu empfangen. Wird von den genannten Männern das Mitgeteilte nicht chronologisch festgelegt - denn daß das Ölmartyrium unter Nero stattgefunden habe, liest Hieronymus (adv. lovin. 126, PL 23, Sp. 259 B) erst in Tertullian hinein; auch Eusebius vertritt die N erotradition in demonstr. evang. III 5, 65 -, so beginnen mit Victorinus von Pettau (zu OfIb. 10, 11, Haußleiter, CSEL 49, 1916, S. 92) und Eusebius in der Kirchengeschichte (III 17; 18; 20, 8. 9.; 23, 1; ebenso in der Chronik) die Aussagen, die das Exil unter Domitian ansetzen. Eine ganz abweichende Überlieferung finden wir bei Papias (bei Philippus von Side, hist. eccl.[?], Funk-Bihlmeyer, Die Apostolischen Väter, 2. Aufl. 1956, S.138). Mit seiner Angabe ist eine wirkliche Blutzeugenschaft gegeben, und zwar soll als ihr Schauplatz gewiß Jerusalem-Palästina gedacht sein. Indirekt bestätigt das Martyrium Herakleon, indem er ausdrücklich nur von Matthäus, Philippus, Thomas und Levi behauptet, sie seien eines natürlichen Todes gestorben (Kommentar zu Lk. 12, 8ff. nach Clemens Alexandrinus, strom. IV 71, 3). Diesem sekundiert in der uns betreffenden Sache Aphraates 417,10 (ed. Bert, TU 3,3/4, S. 347f.), indem er bemerkt, neben Stephanus, Petrus und Paulus gebe es nur zwei apostolische Märtyrer, nämlich Jakobus und Johannes. Entsprechend nennt das syrische Martyrologium von 411 (Lietzmann KIT 2, S. 9) zum 27. Dezember (ähnlich das armenische zum 28. Dezember) Johannes und Jakobus, die Apostel in Jerusalem. An gewaltsamen Tod muß auch das Manichäische Psalmbuch denken, wenn es 142, 18-29 in der Mitte der Märtyrerapostel den J ohannes nennt und die heilige Fünfheit Petrus, Andreas, Johannes, Jakobus, Thomas durch Jesus einrahmt. Eigenartig ist, daß Johannes dabei im Kerker verhungert sein so1l2. Johannes gilt dem Irenäus im Brief an Florinus (Eusebius, h. e. V 20,6) als Lehrer des Polykarp, den er nach Tertullian, de praescr. haer. 32, auch zum Bischof von Smyrna bestellt hat. Papias soll den Zebedaiden gleichfalls gehört haben: 1 Der sog. monarchianische Prolog zum Johannesevangelium folgt den Johannesakten auch in diesem Punkt. 2 Doch zu mutmaßlicher Herkunft und Verständnis dieser Überlieferung s. u. Schäferdiek, Act. Joh., S. 133.
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XI. Das Apostelbild in der altchristlichen Uberliejerung
Irenäus, adv. haer. V 33, 4. Doch bestreitet das Eusebius (h. e. III 39, 2) unter Berufung auf die eigenen Worte des Papias. Die kirchliche Überlieferung bezeichnet den Johannes als Verfasser von fünf der neutestamentlichen Schriften: 1. Als Autor des 4. Evangeliums gilt er dem Papias, wenn dem anonymen Prolog (s. Th. Zahn, a.a. 0., S.127, u. Funk-Bihlmeyer, S.139) zu trauen ist: das Johannesevangelium wurde veröffentlicht und den Kirchen gegeben von J ohannes bei Leibesleben.
Sicher ist das im letzten Drittel des 2. Jhs. verbreitete Auffassung: Irenäus, adv. haer. III 1,1; 11,1; Clemens Alexandrinus, Hypotyposen 6 (bei Eusebius, h. e. VI 14, 7), Canon Muratori 9-34 (s. Bd. I, S. 19); Theophilus, ad Autol. II 22. Die römische Kirche übte allerdings zunächst Zurückhaltung gegenüber einem Evangelium, das in ihrem Bereich bei den Ketzern Ptolemäus, Herakleon und Tatian in hoher Gunst stand. Hier schwieg man entweder wie Justin oder gestattete einem Presbyter Gaius, dessen ketzerfeindliche Orthodoxie außer Zweifel stand, nicht nur die Offenbarung, sondern auch das 4. Evangelium als Fälschungen des Gnostikers Kerinth abzulehnen. Erst zu Beginn des 3. Jhs. schwindet der Widerstand; noch Hippolyt meint freilich, Gaius und seine Gesinnungsgenossen, die Epiphanius, haer. 51, dann als Aloger zusammenfaßt, ausdrücklich widerlegen zu sollen 1. Doch hat sich die Anschauung von der johanneisch-apostolischen Verfasserschaft des 4. Evangeliums, an der schon der Canon Muratori nicht zweifelte (9-16), seit Tertullian (de praescr. haer. 22, 5, Corp. Christ. 1, S. 203; adv. Marc. IV 2, 2, ebd. S. 547) in der Kirche durchgesetzt. Fast ebenso weit wie die Behauptung der johanneisch-apostolischen Verfasserschaft des 4. Evangeliums läßt sich die Überlieferung zurückverfolgen, daß es sich um das jüngste der kanonischen Evangelien handele: Irenäus, adv. haer. III 1, 1; Clemens Alexandrinus, Hypotyposen 6 (bei Eusebius, h. e. VI 14, 7) und die Überlieferung bei Origenes (nach Eusebius, h. e. VI 25, 3-6). Mit Ephesus als der Heimat des Evangelisten ist auch für das Evangelium der Ort der Herkunft gegeben. Er wird als Asien oder Ephesus ausdrücklich bezeichnet bei Irenäus (ebd.) und im sog. monarchianischen Prolog zum 4. Evangelium; nach letzterem wäre die Niederschrift des Evangeliums erst erfolgt, nachdem J ohannes auf der Insel Patmos die Offenbarung verlaßt hatte. Nach einem Fragment des Ephraem hat Johannes sein Evangelium griechisch in Antiochia geschrieben 2. Als Zweck des Evangelisten bei seiner Arbeit gibt Irenäus (adv. haer. III 11, 1) die Bekämpfung des Kerinth und der Nikolaiten an, Victorinus von Pettau (zu Offb. 11, 1, S. 94. 96 Haußleiter) die des Valentin, Kerinth und Ebion. Victorinus fügt hinzu, J ohannes sei durch die dringenden Wünsche der von den fernsten Gegenden herbeigekommenen Bischöfe S. W. Bauer, Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum, 1934, S. 208-2U. • [Bauer folgt hier der lateinischen Übersetzung, die J. Aucher von der armenischen Ausgabe der Mechitaristischen Väter (Venedig 1836) angefertigt und G. Moesinger revidiert und herausgegeben hat (Venedig 1876). Aucher-Moesinger übersetzen . .. liucas (sc. scripsit) graece, Joannes etiam graece scripsit Antiochiae ... und bemerken, daß die Worte etiam graece Antiochiae sich nur in einer der heiden armenischen Handschriften finden (S. 276). Diese Übersetzung legen auch Harnack (ZKG 4, 1881, S. 497) und Conybeare (ZNW 3, 1902, S. 193) für ihre Untersuchungen zugrunde. Hingegen zieht neuerdings Leloir in seiner Übersetzung Antiochiae zu liucas (CSCO 145, S. 248, 9), wohl auf Grund der seit Eusebius (h. e. !Ir 4, 6) immer wiederholten Angabe, Lukas stamme aus Antiochia.] (Regul). 1
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zu seinem Unternehmen angeregt worden. Die ermunternden Bischöfe finden sich auch im Canon Muratori 10 (s. Bd. I, S. 19). Eine andere alte Erzählung über die Entstehung des Johannesevangeliums teilt Clemens Alexandrinus in seinen Hypotyposen mit (bei Eusebius, h. e. VI 14, 7): Zuletzt habe Johannes in der Erkenntnis, daß die menschliche Natur in den Evangelien (bereits) behandelt sei, auf Veranlassung seiner Schüler und vom Geiste inspiriert ein geistiges Evangelium verfaßt.
2. Die Offenbarung wird von Justin (dial. c. Tryph. 81) als ein Buch des Apostels Johannes zitiert. Das ist seit Irenäus, der das Zeugnis der "Presbyter" anruft (adv. haer. V 30, 1. 3), Tertullian 1 und dem Canon Muratori 48f. 71 (s. Bd. I, S. 20) die Meinung der Abendländer: Hippolyt2, Cyprian 3 , Victorinus (de fabrica mundi 10, S. 9 Haußleiter), wie der Morgenländer: Clemens Alexandrinus (s. Zahn Forsch. I, S. 205), Origenes (s. Bousset Offb., S. 22), Methodius (s. Bousset a.a. 0., S. 19. 28 Anm. 1). Der Gebrauch der Apokalypse und ihre hohe Schätzung bei anderen alten Christen wie Papias, Melito von Sardes, Theophilus von Antiochia, Apollonius beweist nicht unbedingt den Glauben an apostolische Herkunft und kann daher hier samt jenen übrigen zahlreichen Zeugnissen, die ein frühes Vorhandensein der Offenbarung mehr oder weniger sicher dartun, auf sich beruhen. Doch muß kurz erwähnt werden, daß sich auch Widerspruch gegen die Gleichsetzung des J ohannes der Offenbarung mit dem Apostel erhoben hat, und zwar von seiten der schon oben erwähnten Aloger (über deren Stellung zum Apostel Ausführlicheres bei Bousset a.a.O., S. 22-25), des römischen Presbyters Gaius (bei Eusebius, h. e. 111 28,2) und des Dionysius von Alexandria (bei Eusebius, h. e. VII 25). Bezüglich der Entstehungszeit der Offenbarung vertritt der Canon Muratori 48ff. (s. Bd. I, S. 20) den merkwürdigen Gedanken, daß Johannes vor Paulus geschrieben habe. Noch Seltsameres bei Epiphanius, haer. 51, 12. 33. Dagegen lassen Irenäus (adv. haer. V30, 3), Hippolyt4 und Victorinus (S.118 Haußleiter) die Offenbarung unter Domitian (81-96) abgefaßt sein, letzterer auf Patmos. Hippolyt (c. Noet. 15) stellt sie zeitlich hinter das Evangelium, der sog. monarchianische Prolog zum 4. Evangelium (KIT 1, S.13) davor. Tertullian (de fuga 9; scorp.12) setzt voraus, daß sie vor dem 1. J ohannesbrief geschrieben sei. In seiner Eigenschaft als Apokalyptiker heißt Johannes gern Prophet: Clemens Alexandrinus (strom. 111 106, 1~); Origenes (comm. in Joh. tom.1I 5). - Zwei Spätapokalypsen unter dem Namen des Johannes s. bei James, S. 504f. 3. Von den johanneischen Briefen gelten die beiden ersten gegen 200 sicher als apostolisch: Irenäus (adv. haer. 111 16, 5.8), Clemens Alexandrinus (strom. 11 66,4 und adumbrationes, GCS 17 Stählin S. 209-215), Canon Muratori, 27-34. 68f. (s. Bd. I, S. 19. 20); Tertullian, der zwar nur den großen Brief anführt (scorp. 12, de pud. 2.19, de anima 17, de idol. 2), ihn aber die prior epistula nennt (de pud. 19)5. Origenes (bei Eusebius, h. e. VI 25, 10) berichtet über Zweifel an der johanneischStellen bei Zahn, Forsch. I, S. 203f. Vgl. W. Bousset, Die Offenbarung Johannis (Krit.-exeget. Komm., begr. von H.A. W. Meyer, 16'), 1906, S. 25. 30. 50f. a S. Lücke, Versuch einer vollständigen Einleitung in die Offenbarung des Johannes zll, 1852, S. 597. • Vgl. Th. Zahn, Einleitung in das NT, § 64,14. 5 [Bauer folgt hier der Lesart in priore quidem epistola. Besser scheint die Lesart in primore quidem epistola zu sein.] 1
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apostolischen Herkunft der beiden kleinen Johannesbriefe; ebenso Eusebius, h.e. III 24, 17; 25, 3. Aber im 3. Jh. wird auch für diese die Stimmung immer günstiger!. Jakobus, der andere Zebedäussohn, kommt außerhalb des NT in ältester Zeit vor im Ebionäerevangelium (s. Bd. I, S.102), dem Apokryphon des Johannes (s. Bd. I, S. 235), den Acta Johannis (c. 88. 89. 91) und den Koptisch-gnostischen Schriften (GCS 45 Till passim). Ob der in Codex II der gnostischen Bibliothek von Nag Hamadi enthaltene Brief des Jakobus (dazu s. Bd. I, S. 245ff.) von dem Zebedaiden oder vom Herrenbruder verfaßt sein will, bleibt fraglich; doch hält es H.-Ch. Puech für wahrscheinlicher, daß an den Herrenbruder gedacht ist (s. Bd. I, S. 247). Zu den beiden als Apokalypsen des Jakobus charakterisierten Schriften des Codex VII von Nag Hamadi vgl. Puech in Bd. I, S. 246. - Den Zebedaiden Jakobus erwähnt auch Papias in der Vorrede zu uV(!lwdiw e;rIY'Yj(},sl~ (bei Eusebius, h. e. III 39,4, und in dem oben erwähnten, bei Philippus von Side erhaltenen Fragment, wo von seinem blutigen Tod durch Judenhand die Rede ist, vgl. AG 12, lf.). Nach Eusebius (h. e. II 9, 2f.) erzählte Clemens Alexandrinus im 7. Buch seiner Hypotyposen als Überlieferung seiner Vorgänger über Jakobus, daß (der Soldat), der ihn in den Gerichtshof geführt hatte, von seinem standhaften Bekenntnis betroffen, sich selbst als Christen bekannte. Es wurden nun beide zusammen abgeführt, erzählte er, und auf dem Wege bat er, es möchte(n) ihm von Jakobus (die Sünden) vergeben werden. Nach kurzer Überlegung sagte er: Friede sei mit dir! und küßte ihn. Und so wurden beide zugleich enthauptet. Das Manichäische Psalmbuch (S. 142, 25f.; 192, 9 Allberry) will dagegen von einer Steinigung des Jakobus wissen. Philippus wird erwähnt bei Papias (in der erwähnten Vorrede zu uvewuwv e~r;Y17(}'Sl~), in der Sophia J esu Christi (s. Bd. I, S. 171) und ausführlich in der Pistis Sophia (dazu s. Bd. I, S. 194), wo er die Rolle eines Schreibers aller Reden, die Jesus sprach, und alles dessen, was er tat (cap. 42, GCS 45, S. 44, 2lf.) erhält. Dementsprechend galt Philippus als Verfasser von Evangelien, die in gnostischen Kreisen in Ansehen standen. Die Existenz eines Philippus-Evangeliums wird uns von Epiphanius bezeugt, der uns ein Bruchstück aus demselben mitteilt (haer. 26, 13, 2-3, s. dazu Bd. I, S. 194ff.). Ein Philippus-Evangelium fand sich auch unter den Schriften der gnostischen Bibliothek von Nag Hamaru 2. Die jungen Philippusakten (Aa II, 2, S.lff.) charakterisieren den Philippus als jähzornig und rachsüchtig und bezeichnen ihn hartnäckig als Donnersohn 3 • Während Tertullian (de bapt. 12,9, Corp. Chr. 1, S. 288) den Mann, der von Jesus den Befehl erhält, ihm nachzufolgen, statt seinen Vater zu begraben (Mt. 8, 2lf., Lk. 9, 59f.), als einen Apostel bezeichnet, setzt ihn Clemens Alexandrinus (strom. III 25, 3) genauer mit dem Apostel Philippus gleich. Daß die Markioniten bereits dasselbe getan hätten, ergibt sich aus den Worten des Clemens nicht mit Sicherheit 4 • Während sich in dem von Epiphanius zitierten Bruchstück aus dem Philippus-Evangelium (s. Bd. I, S. 195) enkratitische Tendenz verrät, ist Philippus bei Clemens (strom. III 52, 5 = Eusebius, h. e. III 30, 1) im Besitze von Kindern und gestattet seinen Töchtern die Ehe. Als verheiratet und 1 Zum johanneischen Problem vgl. auch noch F. M. Braun, Jean le Theologien et son Evangile dans l'Eglise ancienne, Etudes bibliques, 1959. 2 S. dazu RCh. Puech in Bd. I, S. 197ff.; H.M. Schenke, ThLZ 84,1959, Sp. 1ff. 3 Th. Zahn, Forsch. VI, S. 24-27. 4 Th. Zahn, a. a. 0., S. 26, Anm. 2; ders., Geschichte d. ntl. Kanons II 2, S. 766, Anm. 1; Harnack, Marcion (TU 45),21924, S. 254*, Anm. 1.
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als Vater von Töchtern scheint der Apostel Philippus schon dem Papias gegolten zu haben, der nach Eusebius (h. e. III 39, 9) behauptet hat, er habe von den Töchtern des Philippus eine wunderbare Geschichte erfahren. Er erzählt nämlich von der Auferstehung eines Toten, die damals geschehen sei. Wahrscheinlich will Papias auch das von Justus Barsabbas mitgeteilte Wunder (s. u. S. 36) von den Töchtern des Philippus erfahren haben (Eusebius, h. e. IIl39, 9). Polykrates von Ephesus spricht in seinem Brief an Viktor von Rom (bei Eusebius, h. e. IIl31, 3) von Philippus, einem der zwölf Apostel, der in Hierapolis ruht, mit seinen beiden bejahrten, im jungfräulichen Stande gebliebenen Töchtern, während eine andere Tochter, die im heiligen Geiste wandelte, in Ephesus entschlafen ist.
Die Töchter des Apostels Philippus stammen ohne Zweifel aus AG 21, 8f., wo sie freilich den Evangelisten Philippus (6,5; 8, 5ff.) zum Vater haben l . Die gleiche Vertauschung liegt auch im Martyrium des Andreas vor (Aa Il, 1, S.47), wo der Apostel Philippus zum Missionar Samariens gemacht wird. Auch Johannes von Asien scheint durch Verwechslung mit dem Zebedaiden zur Apostelwürde gekommen zu sein (Papias bei Eusebius, h. e. IIl39, 4, dazu Eusebius, ebd. 39, 1-7). Nach der ältesten Überlieferung ist Philippus kein Märtyrer geworden (Herakleon zu Lk. 12, 8ff., bei Clemens Alexandrinus, strom. IV 71, 3). Über sein Grab s. o. S. 17. An weiterer Literatur vgl. man: P. W. Schmiedel, Philip the Apostle and Philip the Evangelist, Encyclopaedia Biblica 3697-3701; Th. Zahn, Forsch. VI, S. 369 b; Paul Corssen, Die Töchter des Philippus, ZNW 2, 1901, S. 289ff.; H. Waitz, Die Quellen der Philippusgeschichten in der AG 8,5-40, ZNW 7, 1906, S. 340ff.; E. Schwartz, Zur Chronologie des Paulus, Nachr. d. kön. Gesellsch. derWissensch. zu Göttingen, phil.-histor. Kl. 1907, S. 263ff., bes. 279ff.; dagegen H. Waitz, ZKG 55, 1936, S.260, A. 40; Joh. Jeremias, Das Evangelium des Diakonen Philippus, 1933; E. Barnikol, Die drei Phasen der Formgeschichte der Petrus-Philippus-Quelle um 75-135 n.Chr., Theol. Jahrbücher, hrsg. von E. Barnikol, Halle 1957;W.C. van Unnik, Der Befehl an Philippus, ZNW 47, 1956, S.181-191. Bartholomäus gilt in der Sophia Jesu Christi als einer der Empfänger der esoterischen Offenbarung (s. Bd. I, S. 171). Eusebius (h. e. V 10, 3) berichtet von einer alten Überlieferung, wonach Pantänus bei seiner Reise nach Indien dort Christengemeinden angetroffen habe, deren Stifter Bartholomäus gewesen sein soll. Diesem verdankten jene Christen angeblich auch das hebräische Matthäusevangelium 2. Eine Reihe von späten apokryphen Texten wird mit dem Apostel Bartholomäus in Zusammenhang gebracht 3 • Im Bartholomäusevangelium gilt Bartholomäus als vom Zollhause durch Jesus berufen (cap. 49; s. Bd. I, S. 369; dazu Anm.4) , er ist der Wortführer der Jünger beim Empfang der Offenbarung nach der Auferstehung und spielt die Rolle eines Ausfragers des Herrn (s. Bd. I, S.361ff.). Thomas wird von Papias in der Vorrede zu XV(!WXWV e~'I'}Y1}(J8t~, in Epist. Apost. 2 (13); 11 (22) (s. Bd. I, S.128. 131) und in der SophiaJesu Christi (s. Bd. I, S.I71) namhaft gemacht. Er ist in der Pistis Sophia (cap. 42f., s. Bd. I, S. 194) mit Philippus und Matthäus dazu bestimmt, alle Reden des Lichtreiches zu schreiben und dafür zu zeugen. Er scheint als Gewährsmann und Autor der Thomasapokalypse Vgl. Th. Zahn, Forschungen zur Geschichte d. ntl. KanonsVI, S. 158ff. • Zur Frage des hebräischen Matthäusevangeliums vgl. Ph. Vielhauer, Bd. I, S. 75ff. • S. dazu W. Schneemelcher, Bd. I, S. 359f.; 372f.
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gegolten zu habenl . Die Thomasakten führen ihn als Verfasser ein (s. u. S. 297ft.); vgl. ferner über das Thomasevangelium Bd. I, S.199f. Ein auf Irenäus zurückgehendes Bruchstück (bei de Lagarde, Catenae in evang. aegyptiacae 1886, p. 220) erzählt, wie Thomas bei der Kreuzigung Jesu nicht dabei gewesen sei, das durch den Lanzenstich herbeigeführte Wunder aber seinen Mit jüngern ohne weiteres geglaubt habe. Ihre Behauptung jedoch, daß Jesus auferstanden sei, sei auf seinen Unglauben gestoßen 2 • Nach den Thomasakten hat sich der Apostel stets von der Frau ferngehalten (cap.144). Die ältere Überlieferung (Origenes bei Eusebius, h. e. Irr 1,1; Pseudo-Clemens, rec. IX 29) bezeichnet Thomas als den Apostel Parthiens. Über seinen Beruf s.o. S. 14f., über seinen natürlichen Tod Herakleon zu Lk. 12, 8ff. (nach Clemens Alexandrinus, strom. IV 71, 3). Doch wird er .im Manichäischen Psalmbuch (S. 142, 28f., Allberry) ganz wie in den Thomasakten (cap. 164. 168) von vier Soldaten mit der Lanze durchbohrt. Bei den Syrern führt Thomas auch den Namen Judas. Sie haben neben dem Verräter noch zwei Jünger seines Namens: Judas Thomas und Judas Jacobi 3 • Das in Codex Irr von Nag-Hamadi enthaltene Thomas-Evangelium nennt ihn Didymus Judas Thomas (s. Bd. I, S. 205); auch die Thomasakten verleihen ihrem Helden den Zunamen Didymus (s. Bd. I, S. 206, und unten S. 297 ff.), der indessen nichts weiter ist als das griechische Äquivalent für das aramäische taumii, toma = Zwilling. Weitere Bezeichnungen des Thomas in den Thomasakten s. Bd. I, S.206. Thomas kommt auch in der Abgarsage vor, wo er nach der Himmelfahrt den Thaddäus nach Edessa entsendet (Eusebius, h. e. I 13,4: 11; rr 1, 6), ebenso bei Ephraem (Burkitt, Evangelium da-Mepharresche 2, S. 146f.) und sonst'. Ephraem unterscheidet Judas Thomas wie von Judas Jacobi so auch vom Herrenbruder Judas; denn die beiden letzteren sind für ihn ein und dieselbe Person5 • Dagegen betrachten die Thomasakten den Judas Thomas als Bruder des Herrn, und zwar als Zwillingsbruder (so ganz deutlich c. 31. 39). Offenbar sind Thomas und Jesus beide Söhne des Zimmermanns Joseph (c. 2). Das Motiv zu der Auffassung des Apostels als eines Zwillingsbruders liegt offensichtlich in der oben angedeuteten Bedeutung seines Namens. Hat man ihm doch noch andere Zwillingsgeschwister zu verschaffen gesucht; so z. B. Pseudo-Clemens, homo rr 1 einen Bruder Elieser. Matthäus findet sich im Ebionäerevangelium (Fragm.l, Bd. I, S. 102), in der Sophia Jesu Christi (s. Bd. I, S. 171), in der Pistis Sophia (s. Bd. I, S. 180), den Büchern des Jeu (s. Bd. I, S. 184. 185) und bei Papias in der Vorrede zu ')(,v(2Lwdiw 8~rnn7aeu;; (bei Eusebius, h. e. Irr 39, 4) und an anderer Stelle desselben Werkes (bei Eusebius, h. e. Irr 39, 16). Über seinen Reichtum s. o. S.14, ebd. über die Ansicht, er habe zu den Unbeschnittenen gehört. In der Regel gilt er wie die anderen 1 S. Decretum Gelasiauum, Bd. I, S. 23, Z. 4; James, S. 555 ff.(dort weitere Literatur); de Sautos, U. S. 568. 9 Vgl. Mauucci, Ein unbeachtetes Irenäusfragment, Theologie und Glaube 1, 1909, S. 291; Vogels, BibI. Zeitschr. 10, 1913, S. 404. 3 Vgl. syr. cur. zu Joh. 14,2. Thomas neben Judas Jacobi in den syrischen Apostellisten: Tatian bei Isho'dadh von Merw, Hjelt, Altsyrische Evangelienübersetzungen, S. 34; syr. sin. zu Mt. 10,2-4 und Lk. 6, 15f.; Acta Thom. 1. • Vgl. A. Merx, Die vier kauonischen Evaugelien nach ihrem ältesten bekannten Texte. Übersetzung und Erläuterung der syrischen im Sinaikloster gefundenen Palimpsesthaudschrift. TI 1, 1902, S. 173. 5 S. J.R. Harris, Four lectures on the Western Text, 1894, S. 37.
1. Nachrichten
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Apostel als Jude, vgl. den sog. monarchianischen Prolog zum Evangelium des Matthäus (KIT 1, S. 12); daran zweifelt auch Eusebius nicht, wenn er in der Nachfolge des Julius Mricanus den Matthäus einen syrischen Mann, Zöllner von Beruf und der Sprache nach einen Hebräer nennt (quaest. ad Steph., bei A. Mai, Nova Patr. BibI. IV 1, S. 270). In dem Zöllner Matthäus sieht man gern den besonders groben Sünder: Origenes (hom. I 13 in Gen.), Syrische Didaskalia (S. 54 Flemming). Die Meinung, daß er strenger Vegetarier gewesen sei (Clemens Alexandrinus, paed. II 1, 16), hat ihren Grund wohl in einer Verwechslung mit dem Apostel Matthias, dessen enkratitische Gesinnung Clemens Alexandrinus (strom. III 26, 4) hervorhebt. über seinen friedlichen Tod s. Herakleon (ebd. IV 71,3). Erst eine spätere Zeit hat ihm alle möglichen Martyrien angedichtet. Als Missionar soll Matthäus zunächst bei den Hebräern gearbeitet haben und dann fortgezogen sein (Eusebius, h. e. III 24, 6). Die Wirksamkeit unter den Hebräern steht in Beziehung zu der Überzeugung, daß Matthäus das Evangelium, das ihm seit alters, ohne daß sich je Widerspruch erhöbe, zugewiesen wird, in hebräischer Sprache abgefaßt habe; so zuerst Papias (bei Eusebius, h. e. III 39, 16) und danach Irenäus (adv. haer. III 1,1, mit genauer Zeitangabe). Dieser verbindet damit die Anschauung, daß Matthäus als erster der Evangelisten geschrieben habe, eine Auffassung, die sich sehr bald in der Kirche durchsetzt; vgL unten zu Markus. Pantänus soll das hebräische Matthäusevangelium bei den Indern gefunden haben (s.o. S. 29; Bd. I, S.79). Zur Frage des hebräischen Urmatthäus; vgL Vielhauer in Bd. I, S. 75ff. - Mit der Eigenschaft des Matthäus als Evangelienverfasser hängt es gewiß zusammen, wenn der Apostelkatalog der Apostolischen Kirchenordnung dem Matthäus die zweite Stelle - nach Johannes und vor Petrus - einräumt (vgL A.JÜlicher, RE 12, S.428ff.). Nach dem Buch von Thomas dem Athleten hat Matthäus die dem Thomas ge offenbarten Worte des Herrn gehört und aufgeschrieben (s. Bd. I, S. 223). Jakobus, Sohn des Alphäus fehlt in der Apostelliste der Apostolischen Kirchenordnung und der Epistula Apostolorum. Zahlreiche Zeugen zu Mk. 2, 14, wie z.B. der Cod.D, bestimmte Vetus-Latina-Handschriften (s.A.JÜlicher- W.Matzkow, Itala, Das NT in altlateinischer überlieferung II, 1940, S. 14), Minuskeln, der angebliche Markuskommentar des Viktor von Antiochien I 34 (ed. Chr. F. Matthäi, Moskau 1775, oder I. A. Cramer, Catenae in Evang. Mti. et Mci., Oxford 1840, vgL Altaner, S. 479) haben den von Jesus gewonnenen Zöllner, der ja auch ein Sohn des Alphäus war, mit unserem Jako bus gleichgesetzt und den Namen Levi entsprechend geändert. Schon Tatian hat den Zöllner, dessen Bekehrung seine Evangelienharmonie berichtet, Jakobus genannt!. In seinem Katalog jedoch hat er dem Jakob dem Lebbäer, welcher Sohn des Alphäus heißt (Ischo'dadh bei Hjelt, S. 34; 124f.), den Zöllnertitel zugunsten des Matthäus vorenthalten. Jakobus der Gerechte ist früh mit dem Alphäussohn zusammengefallen 2. Simon. Die Apostelkataloge führen in der Regel noch einen zweiten Simon, der bei Matthäus und Markus, auch Act. Thom. 1 der Kananäer, von einigen Zeugen zu Mt. 10,4; Mk. 3, 18 und dem Manichäischen Psalmbuch (S. 192, 14; 194,15 Allberry) der Kananiter, dagegen im Lukasevangelium, in der Apostelgeschichte und im Ebionäerevangelium (Fragm. 1, Bd. I, S. 102) der Zelot heißt. Bezüglich Ephraem, Komm. z. Diatessaron, S. 67; S. 50, 1. Vgl. H. Holtzmann, Jakobus der Gerechte und seine Namensbrüder, Zeitsehr. f. wissenschaftl. Theol. 23, 1880, S. 198-221. 1 2
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der Apostelgeschichte kann man eigentlich von keinem zweiten Simon reden, da sie den ersten lediglich Petrus nennt. Die Epistula Apostolorum hat neben Petrus einen Judas Zelotes (2 (13), Bd. I, S. 128). Ob hier der ausgesprochene Gegensatz zum Ketzer Simon - ohne unterscheidenden Beinamen (1 (12), ebd. S. 127) - dazu geführt hat, daß der Name Simon ganz aus der Apostelliste verschwand, indem Simon Zelotes und Judas Jacobi zusammenwuchsen~ übrigens findet sich Judas der Zelot ebenso in alten Vetus-Latina-Handschriften zu Mt. 10, 3 an Stelle von Lebbäus (s. Jülicher-Matzkow, Itala I, 1938, S. 56). Der Name Judas J aco bi ist im NT eine Eigenart des Autors an Theophilus, kommt aber auch in der Liste der Thomasakten (cap. 1) vor und ist wohl mit dem Apostel Judas (Joh. 14, 22) gleichzusetzen. Schon Origenes (comm. in ep. ad Rom. praef. VI 8 Lommatzsch) war der Meinung, daß der Apostel Judas Jacobi zugleich auch die Namen Thaddäus und Lebbäus geführt habe. Die Grundlage für seine Ansicht war die Tatsache, daß der Name Judas Jacobi in den Listen des Matthäus und des Markus fehlt und dafür dieser einen Thaddäus, jener einen Lebbäus habe. Thaddä us wird im Ebionäerevangelium (Frg. 1; Bd. I, S. 102) unter den Zwölfen aufgeführt. Dagegen kennt die Abgarsage einen Thaddäus, den sie zu den siebzig Jüngern rechnet (Eusebius, h. e. I 13, 4. 11, auch I 12, 3). Das hat dann später zur Unterscheidung zweier Jünger gleichen Namens geführt, von denen der eine dem engeren, der andere dem weiteren Kreise angehören sollte (Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten 1,1883, S. 20). Thaddäus ist der Held griechischer Akten, deren Inhalt an die edessenische Abgarsage anknüpft; dazu J ames, S. 471. Lebbäus ist bei Pseudo-Clemens, rec. 159, ein Glied des Zwölferkollegiums (s. o. S. 13). Judas Ischarioth nimmt in den Katalogen der kanonischen Evangelien die letzte Stelle ein. Auch das Ebionäerevangelium (Frg. 1; Bd. I, S. 102) zählt ihn neben anderen Aposteln auf; ebenso das Manichäische Psalmbuch (Allberry, S. 192, 18; 194,17). Was man über ihn, seine Person, seine Tat, seine Beweggründe, sein Geschick zu wissen meint, knüpft vielfach an die neutestamentlichen Angaben an: Habsucht als Triebfeder (Origenes, c. Cels. II, 11; comm. in Mt. sero 75. 78; Acta Thom. 84). Jesus kennt die Schwäche seines Schülers von Anfang an (Origenes, in Cant. Cant. IV) und weiß auch, welche Folgen sie haben wird (Origenes, comm. in Mt. sero 80; Tertullian, de pat. 3, 7, Corp. Christ. 1, S.30l). Trotzdem duldet er ihn um sich (Syrische Didaskalia, S. 21 Flemming), ja er macht ihn zum Schatzmeister (Tertullian, de anima 11, 5, Corp. Christ. 2, S. 797). Er wollte ihn eben bessern, was durchaus im Bereich der Möglichkeit lag, da Judas zu seinem Verbrechen nicht prädestiniert war (Origenes, in Cant. Cant. IV). Er brauchte kein übeltäter zu werden, konnte vielmehr dem Petrus gleich sein (Origenes, ex tom. III in Gen. 6. 7). Mußte doch auch der Umgang mit Jesus von Einfluß auf ihn sein und hat verhindert, daß er ganz verkam (Origenes, c. Cels. II, 11; comm. in Mt. sero 117; comm. in Joh. XXXII 19 (12), GCS 10, S.458). Die Darstellung der schwarzen Tat des Judas finden wir in der Syrischen Didaskalia (S. 110f. Flemming) über den kanonischen Stoff hinaus weiter ausgeführt. Hier wird der Verrat in die Nacht auf Mittwoch verlegt. Seinen Lohn hatte Judas bereits am Montag, den 10. Nisan erhalten. Die Christenheit hat in Judas früh die Verkörperung aller widergöttlichen Instinkte im Menschen gesehen und ihm Fehler aufgebürdet, von denen das Neue Testament noch nichts weiß. So teilt uns Irenäus (adv. haer. V 33, 3f.) aus der Schrift des Papias ein Stück mit, dessen Hauptinhalt ein Herrenwort über
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die ungeheure Fruchtbarkeit im neuen Reiche bildet, aber daran schließt er die Bemerkung, bei Judas wäre Jesus auf Unglauben gestoßen, und der Herr deutet ihm an, daß er das Himmelreich nicht sehen werde. Die gleiche Geschichte erzählt uns kürzer und etwas abweichend Hippolyt, Danielkommentar IV 60 (GCS 1,1 Bonwetsch S. 338): Judas wird zu den Unwürdigen gerechnet!. Die schon im NT ausgesprochene Auffassung, der Satan hätte dem Schlechten in Judas zum Siege verholfen, ist in altchristlicher Zeit überaus oft wiederholt worden: Act. Petr.8; Act. Thom. 32; Tertullian, de anima 11; adv. Marc. III 7; Origenes, comm. in Mt. sero 75; de princ. III 2, 1. Da der Antichrist Dan, die Schlange am Wege (1. Mose 49,17), zum Vorvater hat (Hippolyt, de antichr.14, GCS 1, 2 Bonwetsch S.l1), muß auch sein Verwandter Judas diesem Stamme zugehören (Hippolyt, frg. in Gen. Nr. XXX f., ebd. S. 64f.). Immerhin hat es auch Christen gegeben, die in das allgemeine Verwerfungsurteil nicht eingestimmt haben, weil sie den Charakter und die Handlungsweise des Judas anders bewerteten. Irenäus (adv. haer. I 31, 1) berichtet von den Kainiten, die in Judas ein Werkzeug der Sophia und deshalb einen Gegenstand des Hasses für den Demiurgen erblickten. Nur er habe die Wahrheit erkannt und das Geheimnis des Verrates geübt. Was es damit auf sich hat, zeigt uns Hippolyts Syntagma, soweit wir seinen diesbezüglichen Inhalt aus Pseudo-Tertullian (adv. omn. haer.2) und Epiphanius (haer. 38, 3) wiederherzustellen vermögen. Danach zerfallen die Kainiten in zwei Gruppen, die zwar in der Bezeichnung des Judas als bewundernswert und groß übereinstimmen, sich jedoch über die Bedeutung J esu nicht einigen können. Die einen erklären ihn für minderwertig und sehen das Verdienst des Judas vor allem darin, daß er, als Christus die Wahrheit zerstören wollte, ihn verriet und so seinem verderblichen Tun ein Ziel setzte. Die anderen sehen den Beweggrund des Judas nicht in der Schlechtigkeit J esu. Vielmehr meinen sie, die Mächte dieser Welt hätten mit allen Kräften danach gestrebt, die Katastrophe im Leben des Heilandes hintanzuhalten, um die Menschheit um das Heil zu bringen. Deshalb habe Judas den Verrat geübt und so für die Menschen den Besitz der Seligkeit erzwungen. Bei solcher Schätzung wundern wir uns nicht, ein Evangelium auf Judas zurückgeführt zu sehen (vgl. dazu Bd. I, S.228f.). Schon früh hat die Christenheit die Geschichte des Verräters in einer mit Grauen gemischten Teilnahme verfolgt. Zwei verschiedene Berichte über den Tod des Judas enthält schon das NT (Mt. 27, 3-10; AG 1, 16-26).Wiederum anders wurde von Papias im IV. Buch seines Werkes (erhalten bei Apollinaris von Laodicea in Cramers Catene, Oxford 1838 und 1840, zu Mt. 27 und AG 1; deutsch in Apokr. 2, S. 130) über das Ende des Judas erzählt. Dort heißt es, daß Judas so ungeheuerlich anschwoll, daß er nicht einmal mehr da hindurchkam, wo einWagen leicht hindurchfahren konnte. Schließlich barst sein Bauch auseinander und seine Eingeweide wurden zerstreut 2 • Levi. Während in Mt. 9, 9 ein Zöllner Matthäus berufen wird und der Apostel Matthäus in diesem Evangelium ausdrücklich Zöllner heißt (10,3), haben Markus 1 Über das Verhältnis Hippolyts zu Irenäus und Papias S. Zahn, Forsch. VI, S. 128, Anm.2. 2 Vgl. F. Overbeck, Zeitschr. f. wissenschaftl. Theol. 10, 1867, S. 39ff.; A. Hilgenfeld, ebd. 15, 1872, S. 262ff.; Th. Zahn, Theol. Studien und Kritiken, 39, 1866, S. 680ff.; ders., Forsch. VI, S. 153ff.; 126, Anm. 2; W. Wrede, Vorträge und Studien 1907, S. 140ff. - Zu Iskariot vgl. F. Schultheß, ZNW 21, 1922, S. 250ff.; Ch. C. Torrey, HTR 36, 1943, S. 51 ff.; B. Gärtner, Die rätselhaften Termini Nazoräer und Iskariot, Lund 1957; C. Colpe, Rezension von Gärtner, ThLZ 86, 1961, Sp.31-34.
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und Lukas in ihren Katalogen zwar gleichfalls einen Matthäus, nennen aber den Zöllner, dessen Gewinnung auch sie erzählen, Levi (Mk. 2, 14ff.; Lk. 5, 27ff.). So nahe es für die alte Christenheit liegen mußte, Matthäus und Levi zu identifizieren, was vielleicht auch im Manichäischen Psalmbuch (194,7-17 Allberry) geschah, so finden wir doch schon früh beide nebeneinander , nämlich bei Herakleon (bei Clemens Alexandrinus, strom. IV 71, 3) und Evang. Petr. 60 (Bd. I, S. 124), wo mit Simon Petrus und Andreas ein Levi, Sohn des Alphäus, geht. Die Syrische Didaskalia (S. 107 Flemming) erzählt, wie der Auferstandene am frühen Morgen des Ostersonntages bei Levi eingetreten sei. Übrigens ist der Name Levi offenbar auch schon früh in Apostelkataloge eingedrungen. Wenigstens berichtet Origenes, der den Zöllner Levi nicht mit Matthäus identifizierte, sondern aus dem Kollegium der Zwölfe ausschloß, daß einige Exemplare des Markusevangeliums den Levi zu den Zwölfen rechneten (c. Cels. I 62). Sichtlich meint er Handschriften, in denen Mk. 3, 18 für Jakobus, Sohn des Alphäus, ein Levi, Sohn des Alphäus, aus Mk. 2, 14 eingesetzt worden war. Rechnet ja auch offenbar das Petrusevangelium (s. Bd. I, S. 124) den Levi, Sohn des Alphäus, zu den Intimsten. Kephas. Die Apostelverzeichnisse der Epistula Apostolorum und der Apostolischen Kirchenordnung führen einen von Petrus unterschiedenen Kephas und den Nathanael auf. Jene Unterscheidung begegnet auch bei Clemens Alexandrinus. Er berichtet nach Eusebius (h. e. I 12, 2) in Buch V der Hypotyposen, daß Kephas, über den Paulus sagt ... (Gal. 2, 11), einer der 70 Jünger gewesen sei, der den gleichen Namen wie der Apostel Petrus getragen habe. Im Galaterbrief ist also der oder doch ein Beweggrund für dieses Nebeneinander von Petrus und Kephas gegebenl . Na thanael scheint im Diatessaron als Schriftgelehrter bezeichnet worden zu sein 2, eine Tradition, die sich in den Auslegungen des Johannesevangeliums von Chrysostomus (horn. 20) und Augustin (tract. VII, 17) wiederfindet. Epiphanius (haer. 23, 6, 5) setzt als allgemein bekannt voraus, daß Nathanael der unbekannte Emmausjünger gewesen sei 3. In dem apokryphen Evangelienfragment des Berliner Papyrus 11710 (nicht älter als 6. Jh.), das H. Lietzmann ZNW 22, 1923, S.153f. mitgeteilt hat, wird in einer Wechselrede zwischen Nathanael und dem Rabbi (Jesus) Joh. 1,49 und 29 verbunden und die Mahnung an Nathanael hinzugefügt: Wandere in der Sonne! (etwa im Gegensatz zu dem beschriebenen Sitzen im Schatten des Feigenbaumes V. 48. 5m). über Nathanael im Apostelkatalog s.o. S.12. Ma tthias. Zu den Zwölfen kann man endlich noch den Ersatzmann Matthias rechnen. Origenes (c. Cels. II 65) erklärt sich so die Zwälfzahl der Jünger 1. Kor. 15,5. Damit ist nicht ausgeschlossen, daß Matthias in einer früheren Zeit seines Lebens zu den 70 gehärt haben kann (Überlieferung bei Eusebius, h. e. I 12, 3). Th. Zahn (Forschungen II, S. 759) vermutet unter dem berechtigten Widerspruch von A. Harnack (Gesch. der altchristl. Lit. bis Eusebius II, 1, S. 597f.), daß der in der Pistis Sophia wiederholt erwähnte Matthäus (s. Bd. I, S. 180) durch Verwechs1 Vgl. dazu F.Overbeck, Über die Auffassung des Streites des Paulus mit Petrus in Antiochien (Ga!. 2, llff.) bei den Kirchenvätern, Baseler Programm 1877; G. Krüger, ZNW 7, 1906, S. 190; weitere Literatur bei W. Bauer, Griech.-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des NT, 1958, s. v. Petrus. • Ephraem, Kommentar zum Diatessaron, S. 58; S. 43, 7f.; H. HilI, A Dissertation on the Gospel Commentary of St. Ephraem the Syr., 1896, S. 81; Th. Zahn, Forsch. I, S.126f. 3 Dazu s. auch Scholien zu Lk. 24,18 bei Tischendorf, Nov Test. Graece, editio octava crit. maior, I, 1896, S. 726; Th. Zahn, Forsch. VI, S. 350, Anm. 1.
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lung mit Matthias entstanden sei. Eher könnte der Vegetarianer Matthias, dessen enkratitische Gesinnung Clemens Alexandrinus (strom. III 26, 3) hervorhebt, hinter der Vorliebe für Pftanzenkost stehen, die Clemens dem Matthäus nachsagt (paed. II 1, 16). Clemens führt auch an, daß sich der Vorgang um den Zöllner Zakchäus Lk.I9 nach anderen vielmehr auf Matthias bezöge. Dazu paßt es gut, wenn uns in einem koptischen Bartholomäus-Text Matthias vorgestellt wird als einer, der reich war und alles verließ, um Jesus nachzufolgen (James, S. 185). Auch in einem anderen koptischen Fragment spielt Matthias eine Rolle (s. Bd. I, S. 373). Nach den AndreasMatthias-Akten (Aa II, 1, S. 65:ff.) fiel dem Matthias bei der Aufteilung der Welt das Land der Menschenfresser als Missionsgebiet zu. Bei seiner Ankunft in diesem Lande wird Matthias geblendet und ins Gefängnis geworfen. Doch wird er, nachdem sein Augenlicht von Gott wiederhergestellt wurde, durch Andreas auf wunderbare Weise aus der Gefangenschaft befreit. - Zur Rolle des Matthias als Gewährsmann des Basilides und der Seinen sowie zur Frage des Matthias-Evangeliums s. Bd. I, S. 224:ff. Die sie bzig Jünger. Mancherseits waren von den bisher Genannten Thaddäus, Kephas (s.o.) und Matthias zu den 70 Jüngern gerechnet worden. Im NT kennt nur Lk. 10, 1 diesen weiteren Jüngerkreis, dem die Textzeugen bald 70 (NAC und die Mehrzahl der Unzialen, die Altlateiner abc elf q, Irenäus, Tertullian, Hippolyt, Origenes, Eusebius, Ulfilas, Peschitta und die jüngeren Syrer), bald auch 72 (B D Diatessaron, Syr. sin. cur., Mehrzahl der Vetus-Latina-Handschriften (vgl. Jülicher, Itala III, 1954, S. 116), Vulgata, Pseudo-Clemens rec. I, 40, Origenes (lat.), Adamantius, Hieronymus, Augustin, Epiphanius) Glieder geben. Nach Hippolyt (Arabische Fragmente zum Pentateuch XVII, GCS I, 2, S. 105 Achelis) hat Jesus diese Männer als Sendboten zu den Heiden gesandt, um 40 Tage später (die Zeitangabe stammt aus 4. Mose 13, 25) nach ihrer Rückkehr zu ihm ihren Bericht zu empfangen. über ihre Einführung in die Erkenntnis s. u. S.46. Origenes (c. Cels. II 65) sieht in ihnen alle Apostel, die nach 1. Kor. 15, 7 den Auferstandenen geschaut haben. Eine Liste, welche die Namen sämtlicher diesen Kreis bildenden Persönlichkeiten umfaßte, hat Eusebius noch nicht gekannt (h. e. I 12, 1). Aber er weiß von dieser und jener Größe der ersten Zeit, daß man sie jenem Kollegium zugerechnet habe. Er beginnt a. a. O. seine Ausführungen über die 70 Jünger mit der Bemerkung, Barnabas und Sosthenes (1. Kor. 1, 1) hätten zu ihnen gehört. Daß er sein Wissen den gleich darauf zitierten Hypotyposen des Clemens Alexandrinus verdankt, ist, obwohl es nicht deutlich aus seinen Worten hervorgeht, doch überwiegend wahrscheinlich (vgl. Zahn, Forschungen III, S. 68. I48f.). Jedenfalls steht es bezüglich des Barnabas fest, daß Clemens ihn zu den 70 gerechnet hat. Er tat das nicht nur in den Hypotyposen (VII), sondern gleicherweise in den Stromateis (II 116, 3). Ebenso zählte er einen von Petrus unterschiedenen Kephas zu dem weiteren Jüngerkreis (s. o. zu Kephas) und, wenn einem unbekannten Lateiner zu trauen wäre, was freilich trotz Th. Zahn (ebd. S. 70. 148f.) seine Bedenken hat (Th. Schermann, Propheten- und Apostellegenden, TU 31,3, 1907, S. 296f.), den Eunuchen der Königin Kandake (AG 8, 26-40). Sicher nicht von dem Alexandriner stammt, was Eusebius (h. e. I 12, 3) weiter über den Kreis der 70 Jünger zu erzählen weiß. Aber die allgemein gehaltene Wendung es geht eine Rede zeigt doch, daß, was er mitteilt, älter ist als er. Danach haben Matthias und Joseph Barsabbas, sein Konkurrent, den 70 zugehört; ebenso - mit es heißt eingeführt - Thaddäus (s.o.). Origenes (comm. in Rom. X 21) möchte die Röm. 16,7 von Paulus in Ehren genannten Andronikus und Junias 3*
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für Mitglieder des Kollegiums der 70 (bzw. 72) ansehen. Im Dialog des Adamantius verficht dieser gegen den Widerspruch des Megethius (I, 5 GCS 4, S. 8 ff. van de Sande Bakhuyzen) die These: Markus und Lukas gehören zu den 72 Jüngern (10,14). Man hat selbstverständlich noch sehr viele andere Größen der christlichen Urperiode dieser Gruppe zugeteilt, aber m. W. nachweisbar erst in einer späteren Zeit. Denn ob Papias den in der Vorrede zu UVetauw')J i~rn!11(jStl; (bei Eusebius, h. e. 111 39, 4) erwähnten Aristion und den "Presbyter" Johannes, indem er sie Jünger des Herrn nennt, den 70 einreihen will, bleibt fraglich. Einer späteren Epoche gehören auch die vollständigen Verzeichnisse an, die man entworfen hat (s. darüber Th. Schermann a. a. 0., S. 292ff.). Über einige der namhaft gemachten Glieder ist im folgenden noch etwas zu sagen. Barnabas, den Clemens Alexandrinus wie schon AG 14, 14 (vgL auch V. 4) Apostel nennt (strom. 11 31,2, vgL 116,3), ist bei Pseudo-Clemens, homo I 9-16; 11 4, ein persönlicher Jünger Jesu, ein strenger Gesetzesdiener, Palästinenser von Geburt, doch in Alexandria sich aufhaltend, wo er den Clemens kennenlernt, um ihm bald darauf nach J udäa voranzureisen und dort seine Bekanntschaft mit Petrus zu vermitteln. Die Rekognitionen, die den Barnabas übrigens mit Matthias identifizieren (160; vgL Th. Zahn, Forschungen 11, S. 562) und damit als den Ersatzmann für den Verräter der Schar der Zwölf einreihen, lassen das Zusammentreffen zwischen Clemens und Barnabas in Rom stattfinden, wohin dieser bereits zu J esu Lebzeiten das Evangelium gebracht hatte (I 6f.). Von einem Aufenthalt des Barnabas in Rom wissen auch die Petrusakten (c. 4). Dem Tertullian (de pud. 20, 2, Corp. Christ. 2, S. 1324) und den Tractatus Origenis (PL SuppL I, 417) gilt der Hebräerbrief als ein Werk des Barnabas. Und auch der sog. Barnabasbrief wird, seit er überhaupt zitiert wird, d.h. seit Clemens Alexandrinus (strom. 11 31,2; 35,5 u.ö.), gleichfalls auf unseren Barnabas zurückgeführt. Im Decretum Gelasianum (s. Bd. I, S. 22) sowie in der Liste der 60 Bücher (s. Bd. I, S. 26) taucht ein Barnabasevangelium auf, das von uns nicht zu fassen ist. J oseph Barsabbas, gen. Justus, wird von Papias erwähnt (bei Eusebius, h. e. 111 39, 9). Papias erzählt, wie Eusebius berichtet, von einem Wunder, das sich an Justus Barsabbas ereignete, der tödliches Gift getrunken habe, ohne Schaden davon zu nehmen (vgL Mk. 16,18). Philippus Sidetes bringt aus Papias dieselbe Nachricht (Funk-Bihlmeyer, Die Apostolischen Väter, 21956, S. 139). In den Acta Pauli (Martyrium des Paulus 11; Aa I, S.108) erscheint ein Barsabbas Justus unter den Großen Neros. Markus war nach dem sog. monarchianischen Prolog zum Markusevangelium (KIT 1, S. 15) ein Levit - offenbar als Vetter des Leviten Barnabas (AG 4,36) - und von Petrus bekehrt und getauft worden - ohne Zweifel wegen 1. Petr. 5, 13, später Bischof von Alexandria. Letzteres hat auch in der Chronographie des Julius Mricanus gestanden (A. Harnack, Geschichte der altchristlichen Literatur bis Eusebius 11,1 S. 123f.); vgL Eusebius, h. e. 11 16, 1; 11 24. Für die von Hippolyt (Ref. VII 30) als allgemein verbreitet behandelte Bezeichnung des Markus als stummeljingerig gibt der sog. antimarcionitische Markusprolog 1 die Erklärung: weil er im Verhältnis zu der sonstigen Schlankheit seines Körpers zu kleine Finger hatte 2. Die Prologe ver1 Text bei de Bruyne, Rev. Ben. 40, 1928, S. 193ff.; Huck·Lietzmann, Synopse der drei ersten Evangelien, 10 1950, S. VIII. 2 Vgl. dazu A. Harnack, ZNW 3,1902, S.165, Anm. 1; E Nestle, ebd.4, 1903, S.347.
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treten außerdem die bereits im NT vorliegende Auffassung (vgI. Phlm. 24; KoI. 4, 10; 2. Tim. 4, 11; 1. Petr. 5, 13, s.o. S.22), daß Markus in Rom gewesen sei: er schrieb sein Evangelium in Italien. Als das von Markus verfaßte Evangelium gilt der Tradition niemals ein anderes als unser zweites. Ebenso einstimmig behauptet die überlieferung einen indirekten Anteil des Petrus an dem Werke. Markus ist ja nichts anderes als der Dolmetscher des Petrus (so schon Papias bei Eusebius, h. e. III 39,15). Bei Tertullian (adv. Marc. IV 5, 3f., Corp. Christ. 1, S. 551) lesen wir: (Das Evangelium), das Markus herausgab, kann als das des Petrus angesehen werden, dessen Dolmetscher Markus war ... Es geht wohl an, den Lehrern zuzuschreiben, was die Schüler veröffentlicht haben. über den Grad der Beteiligung des Petrus ist man verschiedener Meinung. Das Wachstum der Legende vollzieht sich in einer Richtung, die das Verhältnis zwischen Petrus und dem Markusevangelium immer enger gestaltet. An der Spitze der Entwicklung, soweit wir sie noch zu verfolgen vermögen, steht Papias (s.o.)1. Es folgt Irenäus (adv. haer. III 1, 1). Weiter als Irenäus braucht auch Origenes nicht gegangen zu sein, nur daß er die Reihe Matthäus, Markus, Lukas, J ohannes ganz deutlich chronologisch nimmt (Eusebius, h. e. VI 25,4-6), ebenso wie wohl schon der Canon Muratori (s. Bd. I, S. 18f.) und sicher die sog. monarchianischen Prologe. Nach Clemens Alexandrinus, Hypotyp. VI (bei Eusebius, h. e. VI 14, 5-7), ist das Evangelium des Markus aus folgendem Anlaß entstanden: Nachdem Petrus öffentlich in Rom das Wort verkündigt und das Evangelium im Geiste gepredigt hatte, sollen die zahlreichen anwesenden (Zuhörer) den Markus gebeten haben, er möge, da er Petrus schon seit langem begleitet und seine Worte im Gedächtnis habe, seine Predigten niederschreiben. Markus habe das getan und den Bittstellern das Evan· gelium übergeben. Als Petrus davon erfuhr, habe er ihn weder durch ein mahnendes Wort gehindert noch ermuntert. Einen eigenen Bericht bietet Eusebius in hist. eccl. II 15. Er enthält für Eusebius und seine Zeit charakteristische Zutaten zu dem Bericht des Clemens Alexandrinus: Petrus habe durch den Heiligen Geist von der Sache erfahren, sich über den Eifer der Römer gefreut und das Evangelium für die Gemeinden autorisiert (s. auch Eusebius, demonstr. evang. III 5,89-95, und vgI. Justin, diaI. c. Tryph. 106; Act. Petr. 20; Victorinus von Pettau, Komm. zur Offb. 4, 4, S.50 Haußleiter). Über Markus als leiblichen Sohn des Petrus s. o. S. 20. Lukas hat nach dem Canon Muratori Z. 6f. (s. Bd. I, S. 19) den Herrn nicht nach dem Fleische gesehen. In dem Dialog des Adamantius, De recta in Deum fide (GCS 4, 1901 van de Sande Bakhuyzen S. 8ff.) behauptet dagegen Megethius, Lukas sei zwar kein Jünger des Herrn (im engeren Sinne) gewesen, habe aber zu den 72 Jüngern gehört. KoI. 4, 14 bezeichnet Lukas als Arzt, was die Folgezeit häufig wiederholt (Canon Muratori Z. 3, Bd. I, S. 19; sog. monarchianischer Prolog zum Lukasevangelium, KIT 1, S. 14; Irenäus, adv. haer.III 14,1; Eusebius, h. e. III 4,6), Markion freilich samt dem Beiwort geliebt getilgt hat 2 • Der Canon Muratori berichtet auch, was den Paulus veranlaßt hätte, ihn mit sich zu nehmen (Z. M.; Bd. I ebd.). Die Enge des Verhältnisses zu dem Apostel stellt Irenäus (adv. haer. III 1 Zur Entstehung dieser Tradition vgl. auch E. Haenchen, Die Apostelgeschichte (Krit.exeget. Kommentar zum NT, begr. von H.A.W.Meyer) 121959, S. 414, Anm. 2. Vgl. ebd. S. 8, Anm. 3 zum Problem der sog. antimarcionitischen Prologe. 2 S. Zahn, Forsch. I, S. 647; II, S. 528; Harnack, Marcion, S. 50; 124*.
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14,1) übertreibend so dar, daß Lukas unzertrennlich von Paulus und dessen Mitarbeiter am Evangelium gewesen sei. Ebenso müssen auch diejenigen sich die Beziehungen beider vorgestellt haben, die den Lukas in der AG nur Selbsterlebtes berichten lassen wollen (Canon Muratori Z. 35ff., Bd. I ebd.; Eusebius, h. e. III4,6). Das hindert nicht, daß Lukas gelegentlich als Schüler einer Mehrheit von Aposteln erscheint (Irenäus, adv. haer. III 10, 1; 14, 2, und sog. monarchianischer Prolog zum Lukasevangelium). Handelt er doch in seinem zweiten Buche außer von Paulus auch über andere Apostel. Den Paulushelfer Lukas hat man schon vor Origenes (hom. I in Luc.) in dem Bruder 2. Kor. 8, 18 wiedergefunden, und viele haben das auch später noch nachgesprochen. Manche hielten zur rühmenden Hervorhebung seiner Leistungen im Dienste des Evangeliums selbst den Titel Apostel nicht für zu hoch gegriffen (Hippolyt, de antichr. 56; vgL Th. Zahn, Forsch. VI, S. 7 Anm. 2). Die sog. monarchianischen Prologe und Eusebius (h. e. III 4,6) bezeichnen Lukas als Syrer, speziell Antiochener, und das war vielleicht auch die Meinung des Julius Mricanus (bei Eusebius, quaest. evang. ad Stephanum bei Mai, Nova patr. bibI. 4,1 p. 270)1. Gewiß zeugt für das Bestehen dieser Auffassung auch die Lesart, die schon AG 11, 28 erstmalig den Wir-Bericht einsetzen läßt (Cod. D und Altlateiner, unter denen Augustin 2). Wie Lukas, so wird auch Theophilus, dem er sein zweibändiges Werk widmet, früh in Antiochia ansässig gedacht (Pseudo-Clemens, rec. X 71). Weitere Einzelheiten aus dem Leben des Lukas berichtet der sog. monarchianische Prolog zum Lukasevangelium (Klo T. 1, S. 14). Das Martyrium Pauli (s. u. S.265) nennt eine Reise des Lukas nach Gallien, ebenso spricht Epiphanius von einer Predigt des Lukas daselbst (haer. 51, 11). Dies hat allerdings die Lesart raÄ)Jav statt des besser bezeugten ra'Aa-dav in 2. Tim. 4, 10 zur Voraussetzung, die von den Codd. ~ C, Minuskeln, einzelnen Vulgatahandschriften geboten wird und schon Eusebius (h. e. III 4, 8) bekannt war. Lukas wird vom christlichen Altertum einstimmig als Verfasser des 3. Evangeliums (schon von Markion~, doch s. Harnack, Marcion, S.40f., 124*, 249*f.) und der Apostelgeschichte (Canon Muratori 35f.; sog. monarchianischer Prolog; Irenäus, adv. haer. III 13, 3; 15, 1; Clemens Alexandrinus, strom. V 82, 4) bezeichnet, aber ähnlich wie Markus von Petrus (s. o. S. 37) in immer steigendem Maße bei seiner literarischen Arbeit von Paulus abhängig gemacht (Irenäus, adv. haer. III 1,1; Tertullian, adv. Marc .. IV 5,3). Clemens Alexandrinus vertritt nach Eusebius (h. e. VI 14, 4) in seinen Adumbrationen (zu 1. Petr. 5, 13, GCS 17, S. 206) die Auffassung, Lukas habe den von Paulus hebräisch abgefaßten Hebräerbrieffür die Griechen übersetzt, während Origenes (bei Eusebius, h. e. VI 25, 14) sogar eine Überlieferung erwähnt, die Lukas als Autor des genannten Briefes ansieht 3 • Emma usj ünger. In späterer Zeit wurde Lukas gelegentlich mit dem unbenannten Emmausjünger identifiziert (Zahn, Forsch. VI, S.351, Anm. 1) und teilte so das Geschick des Nathanael (s.o. S. 34). Weit älter als diese Gleichsetzungen ist eine andere. Origenes nennt (c. Cels. II 62.68; homo XX in Jerem., GCS 6 Klostermann, S. 191, 12-15; S.192, 12f.; Johanneskommentar I 5, 8, GCS 10 Preuschen, Vgl. dazu u.a. Spitta, Der Brief des Julius Africanus an Aristides, 1877, S. 70-73; 111. Vgl. Haenchen, Die Apostelgeschichte, z. St. 3 Weitere Lk-Nachrichten bei R.A.Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden, II 2, 1884, S. 354ff.; zum Problem der Lk-Nachrichten s. auch Haenchen, Die Apostelgeschichte, 121959, S. Iff. 1
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S.10, 16 f.; S. 13f.) ohne das mindeste Schwanken die beiden Emmausjünger Kleopas und Simon. Dasselbe tut eine Randnote von Cod. S zu Lk. 24, 18 (s. Tischendorf z. St.), doch so, daß Simon - Origenes läßt das offen - ausdrücklich von Petrus unterschieden wird. Auch Ambrosius ist Zeuge für diese überlieferung, wenn er die beiden Wanderer wiederholt Amaon oder Ammaon und Kleopas nennt; der Name Simon war offenbar dem Einfluß der Ortsbezeichnung Emmaus unterstanden (vgl. Zahn, Forsch. IV, S. 313; VI, S.351, Anm.; A.Loisy, Les Evangiles synopt.2, S. 764, Anm. 4). Pa ul us hat in der alten Christenheit eine zwiespältige Beurteilung erfahren, und entsprechend war die Auffassung, die man von seiner Person und seinem Leben gehabt hat. Die Judenchristen lehnten den Heidenapostel ab (Irenäus, adv. haer. I 26, 2; III 15, 1; Origenes, c. Cels. V 65; homo XIX 12 in J erem.; Eusebius, h. e. III 27,4; s. auch Kerinth bei Filastrius von Brescia, de haer.36 (nach Hippolyt, Syntagma1); Epiphanius, haer. 38,5). Wie sie in manchen Einzelheiten über ihn gedacht haben, zeigen uns vor allem die pseudo-clementinischen Schriften. In ihnen wird Paulus bald als ein gewisser feindlicher Mann (rec. I 70. 73; Epist. Petr. ad Jac.2, s. u. S. 69) in den Hintergrund geschoben - doch die Bemerkung, dieser Mann sei als Gesandter des Kaiphas nach Damaskus gekommen, um die Christen zu verfolgen (rec. I 71), leidet keinen Zweifel daran, wer gemeint ist -, bald als Simon Magus verlästert. Auch diese Maske ist durchsichtig: rec. III 49 Simon als auserwähltes Gefäß (AG 9, 15) des Bösen; IV 34f. Petrus rät den Tripolitanern, keinem Lehrer zu trauen, der nicht vom Herrenbruder Jakobus beglaubigt ist. Außer den Zwölfen gibt es keinen echten Propheten und Apostel. Vgl. homo XI 35; XVII 19: Petrus streitet dem Simon = Paulus ab, den Herrn wirklich gesehen zu haben. Sonst hätte er sich dem, den Jesus den festen Felsengrund der Kirche genannt, nicht entgegengestellt und ihn gar als einen Verurteilten (Gal. 2, 11) beschimpft. Wie stark solche Gegnerschaft auf die Anschauung von Paulus und seinem Leben einzuwirken vermag, lehren die judenchristlichen Aufstiege des Jakobus (Epiphanius, haer. 30, 16): Paulus sei ein Tarser gewesen und zwar Hellene (= Heide) von einer hellenischen Mutter und einem hellenischen Vater, sodann nach Jerusalem hinaufgegangen und dort eine Zeitlang geblieben, habe eine Tochter des (Hohen)priesters zu heiraten begehrt und sich deshalb als Proselyt zur Beschneidung bequemt . .Als er trotzdem das Mädchen nicht erhielt, sei er wütend geworden und habe begonnen, gegen Beschneidung, Sabbat und Gesetzgebung zu schreiben. (Vgl. auch ebd. 30,25) 1.
Um so höherer Schätzung erfreut sich Paulus bei den Heidenchristen. Er ist nicht nur für Markion der Apostel schlechthin, auch 1. Clem. (5, 5ff.; 47,1); Ignatius (Eph. 12,2; Röm. 4,3); Polykarp (ad Phil. 3,2; 9, 1; 11, 2f.) nennen ihn mit größter Achtung als den Apostel von Korinth, Ephesus und Philippi. Die Petrus- und vor allem die Paulusakten sind Dokumente einer aufs äußerste gesteigerten Verehrung. Clemens Alexandrinus (strom. I 94, 4; V 5,1 u.ö.) und andere reden von dem göttlichen Heidenapostel. Später dringt er in die Apostellisten ein, ja belegt den Platz direkt neben Petrus (Th. Schermann, Propheten- und Apostellegenden TU 31,1, 1907, S. 212. 209. 227). Auch auf diesem Boden verändert sich das Leben des Paulus durch Züge, die nur losen oder gar keinen Anhalt am NT haben. Nach einer über1 Zum Paulusbild der Ps-Clementinen vgl. auch G. Strecker, Das Judenchristentum in den Pseudoklementinen, TU 70,1958, S. 187ff.
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XI. Das Apostelbild in der altchristlichen tJberlieterung
lieferung, die freilich nur von Hieronymus (de vir. ill. 5; in ep. ad Philem. 23) bezeugt ist, wurde Paulus in dem galiläischen Städtchen Gischala geboren und siedelte erst im JünglingsaIter mit seinen Eltern nach Tarsus über. Eine (nicht völlig erfundene1) Beschreibung des erwachsenen Apostels enthalten die Paulusakten (c.3; s. u. S. 243). In der Epistula Apostolorum (31 (42); 33 (44), s. Bd. I, S. 144. 145) teilt der Auferstandene seinen Jüngern mit, welche Rolle Paulus in der Urgeschichte seiner Gemeinde spielen werde. Und zwar sollen die Zwölfej die auch als die Stifter der christlichen Gemeinde von Damaskus gelten (33 (44), Bd. I, S. 145), bei seiner Bekehrung maßgebend beteiligt sein. Sie geben ihm durch das Kreuzeszeichen das Augenlicht wieder, taufen ihn und weihen ihn in die Lehren ein, die sie vom Herrn empfangen haben. Darin spricht sich die schon in der AG angebahnte kirchliche Überzeugung aus, daß die Apostel allesamt das gleiche Evangelium vertreten (Irenäus, adv. haer. III 13; Tertullian, de praescr. haer. 23, Corp. Christ. 1, S. 204 ff.) ; freilich daneben die andere, daß die einzigen sicheren Stützen der christlichen Lehre die Zwölfe als die persönlichen Schüler des Herrn sind 1. Für Clemens Alexandrinus (strom. III 53,1) war Paulus verheiratet - wegen Phil. 4, 3 -, führte aber seine Frau nicht auf seinen Reisen mit sich - wegen 1. Kor. 9, 5. Pierius läßt den verheirateten Apostel sich von seiner Frau trennen und sie dem Dienst der Kirche weilten (s. C. de Boor, Neue Fragmente des Papias, Hegesippus und Pierius TU 5,2 1888, S. 170. 180). Spätere Christen wissen auch von einigen Schülern, Freunden und Begleitern des Paulus, die das NT nicht kennt, wie von Theodas, dem Lehrer Valentins (Clemens Alexandrinus, strom. VII 106,4). Das Leben des christlichen Sendboten Paulus, wie wir es aus dem NT kennen, wird vor allem in den Dichtungen und Fabeleien der Paulusakten aus- und umgestaltet. Hierher gehört vielleicht auch, was die vita Polycarpi per Pionium H. aus alten Handschriften über einen Besuch des Paulus bei den Christen in Smyrna wissen will. Jedenfalls - wie man auch über diesen Pionius urteilen mag - muß der Paulus, der über die rechte Osterfeier spricht, dem Ende des 2. Jhs. angehören 2 • Am Ende des 1. und im Verlauf des 2. Jhs. ist gelegentlich die Auffassung ausgesprochen und vorausgesetzt, daß die am Schlusse der AG erzählte Gefangenschaft des Paulus mit seiner Freilassung geendet und daß er noch eine Reise nach Spanien gemacht habe (1. Clem. 5, 7; Act. Petr. 1. 6; Canon Muratori 38f., Bd. I, S. 19). Andere Autoren schweigen teils über diese Vorgänge, teils lassen sie dieselben durch iltre Darstellung als ausgeschlossen erscheinen (der Verfasser der Paulusakten; Origenes bei Eusebius, h. e. III 1, 3; s. Handb., S.368). Der Märtyrertod des Paulus in Rom fällt in die Regierungszeit des Nero, ohne daß der Apostel deutlich als ein Opfer der neronischen Verfolgung bezeichnet wurde: Act. Petr.I; Mart. Pauli; Clemens Alexandrinus, strom. VII 106,3; Tertullian, scorp. 15, 3 (Corp. Christ. 2, S. 1097); Origenes (bei Eusebius, h. e. III 1, 3); Lactantius, div. inst. IV 21; de mort. pers. 2; Eusebius, h. e. II 25, 5. Wo über die Art seines Todes gesprochen wird, heißt es, daß Paulus enthauptet worden sei: Mart. Pauli (s.u. S.265ft.); Tertullian, de praescr. haer. 36,3 (Corp. Christ. 1, S.216); Eusebius, h. e. II 25, 5; demonstr. evang. III 5, 65. Seit Ende des 1. Jhs. finden wir 1 S. dazu W. Bauer, Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum, 1934, S. 89; 117; 235; G. Klein, Die zwölf Apostel, passim. Dort weitere Literatur. 2 Doch vgl. zu der Pioniusfrage Altaner, S. 89, und J. Quasten, Patrology I, 1950, S. 79.
2. Die Apostel als Träger der Überlieferung
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Petrus und Paulus oftmals zusammengestellt und ihre Tätigkeit wie ihr Geschick eng verbunden: 1. Clem. 5; Ign., Röm. 4, 3; Dionysius von Korinth (bei Eusebius, h. e. rr 25, 8); Irenäus, adv. haer. Irr 1, 1; 3, 2; Act. Petr. 23; Tertullian, adv. Mare. IV 5; de praescr. haer. 36; Hippolyt (Arabische Fragmente zum Pentateuch 17); Pauluspredigt bei Pseudo-Cyprian, de rebaptismate 17. Doch hat das nicht gehindert, daß gegen Ende des 2. Jhs. "jene folgenreiche Umbildung der Überlieferung in Rom stattgefunden hat, kraft welcher Paulus in Beziehung auf das römische Bistum eliminiert und das Amt an Petrus geheftet worden ist"l. Der Canon Muratori (64, s. Bd. I, S. 20) nennt einen Laodizenerbrief und einen Alexandrinerbrief, die man fälschlich dem Paulus zugeschrieben habe. Markion hat den Epheserbrief als Laodizenerbrief geführt. Andererseits gibt es seit spätestens dem 4. Jh. einen apokryphen Paulusbrief nach Laodizea 2 • Die Paulusakten überliefern einen Briefwechsel zwischen dem Heidenapostel und den Korinthern (s. u. S. 257ft.). Einer späteren Zeit erst gehört der Briefwechsel zwischen Paulus und Seneca an (s. u. S. 84 ft .). Dagegen scheint Polykarp (PhiI. 3,2) zu meinen, daß der Heidenapostel mehrfach an die Gemeinde von Philippi geschrieben hätte. Im 2. oder 3. Jh. haben Gnostiker ein Buch unter dem Titel Himmelfahrt des Paulus (nach 2. Kor. 12, 4) geschätzt; in der Folge entstand eine Paulusapokalypse (0. Bardenhewer, Gesch. d. altkirchlichen Literatur I, 1913, S. 615-620; s. u. S.536ft.). über eine Pauluspredigt s. u. S.56f. 2. DIE APOSTEL ALS TRÄGER DER ÜBERLIEFERUNG (M. Hornschuh)
LITERATUR. K.H. Rengstorf, dnoUTOAo" ThWtb I, 1933, S. 406ff.; A. Friedrichsen, The Apostle and his Message, 1947; H. Frhr. v. Campenhausen, Der urchristliche Apostelbegriff, Studia theologica 1, 1948, S. 96ff.; J. Munck, Paul, the Apostles and the Twelve, Studia theologica 3, 1950, S. 96ff.; E. Lohse, Ursprung und Prägung des christlichen Apostolats, Theol. Zeitschrift 9, 1953, S. 259ff.; H. Frhr. v. Campenhausen, Kirchliches .Amt und geistliche Vollmacht in den ersten drei Jahrhunderten, 1953, S. 13ff.; R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, "1958, §§ 52, 3; 55,5; H. Riesenfeld, Art. "Apostel", RGG" 1,1957, Sp. 497ff.; G. Klein, Die zwölf Apostel. Ursprung und Gehalt einer Idee (Forsch. z. Rel. und Lit. des A. u. N.T., NF 59), 1961; W. Schmithals, Das Kirchliche Apostelamt (Forsch. z. Rel. und Lit. des A. u. N.T., NF 61), 1961.
1. IM FRÜHKATHOLIZISMUS. Angesichts der bestehenden Lehrdifferenzen, der Vielzahl von Richtungen und Meinungen sowie der anwachsenden gnostischen Gefahr schien der Rekurs auf die Anfänge des christlichen Glaubens die einzig sichere Gewähr der Wahrheitserkenntnis zu geben. Die Voraussetzung dieses Gedankens war die Annahme, daß das Christentum eine dogmatisch einheitliche Urgestalt gehabt habe. Am Anfang stand die Einheit; in der Folge entwickelte sich die Viellieit als eine Depravation des historisch Ursprünglichen. Die Wiedergewinnung und volle 1 Harnack, Gesch. der altchristI. Literatur bis Eusebius, II 1, S. 703. Vgl. W. Bauer, Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum, S. 116ff. Eine Zusammenstellung von Paulusnachrichten bei R.A.Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten, II 1, 1887, S.llff. • Text bei Harnack, KlT 12, 1931. Zur ganzen Frage s. u. S. 80 ff.
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XI. Da8 Apostelbild in der altchri8tlichen Überlieferung
Durchsetzung der Einheit konnte darum nur durch den Rückgang auf das Alte erfolgen, d.h. auf dem Wege einer getreuen Repristination der Urgestalt, also des christlichen Glaubens in der Form, wie er vom Herrn geoffenbart worden war. Die Frage nach der Urgestalt war identisch mit der Frage nach der zuverlässigen Überlieferung. Hier schien indes volle Gewißheit nicht erreichbar zu sein, ohne daß man gleichzeitig die Frage nach der die Zuverlässigkeit der überlieferung verbürgenden Autorität stellte. Als Träger und Bürgen der Überlieferung kamen allein die Apostel in Frage. Als Überlieferung ist nun das zu verstehen, was die Apostel von Christus - sei es vor oder nach der Auferstehung - empfangen, dann aber nicht aufgeschrieben, sondern mündlich weitergegeben haben. War der Begriff des Apostels als des vom auferstandenen Christus entsandten Verkündigers ursprünglich primär durch den Gedanken der Autorisierung besti=t - der Apostel ist danach der Christusrepräsentant, dessen Wort vom Herrn legitimiert ist -, so gewinnt in der zweiten und dritten Generation der Gedanke der Tradition allmählich das übergewicht. Der Traditionsgedanke wird zum bestimmenden Moment des ApostelbegriffesI. Bezugnahmen auf die mündliche apostolische überlieferung finden sich bereits in AG 2, 42; 2. Petr. 3, 2; Jud. 17; Ign. Mag. 13,1; Ign. Trall. 7,1; vgl. Pol. Phil. 6,3; 1. Kl. 42,1. Es handelt sich in jedem Falle um die Lehre des als einheitliche Größe von gleicher Beschaffenheit vorgestellten Zwölfapostelkreises, bei welchem individuelle Verschiedenheiten nicht in Betracht kommen 2 • Hauptmerkmale der apostolischen Überlieferung sind ihre Katholizität, d.h. ihre universale, für die gesamte Kirche bestimmte Gültigkeit, ihre definitive Abgeschlossenheit und ihre schlechthinnige Suffizienz. Vgl. Irenäus, Adv. haer. III 4,1: (In die Kirche) haben die Apostel wie in eine reiche Schatzkammer auf das Vollständigste alles hineingetragen, was zur Wahrheit gehört, so daß jeder, der will, aus ihr den Trank des Lebens schöpfen kann.
Auf der Grundlage des gekennzeichneten Traditionsbegriffes erwuchs im zweiten Jahrhundert die Lehre von der apostolischen Sukzession der Bischöfe. Man unternahm es, das Band der Tradition für die einzelnen Hauptorte durch Aufstellung von Bischofsreihen nach rückwärts zu knüpfen und so die Gegenwart mit den Anfängen zu verbinden. Irenäus und Tertullian sehen in den vorhandenen Bischofsreihen die Garantie für einen wirklichen Lehrzusammenhang mit den Aposteln; sie erbringen den Beweis, daß die Kirche der Ort ist, wo die ursprüngliche Wahrheit gelehrt wird. Zur Frage der apostolischen Sukzession der Bischöfe müssen die hier gegebenen Andeutungen genügen; vgl. zur Entstehung und Entwicklung des frühkatholischen Sukzessionsprinzips die Darlegungen von H. Frh. von Campenhausen, Kirchliches Amt, S. 178ff. 3 • 2. IN DER GNOSIS. Nicht nur die "Rechtgläubigen", sondern auch die Gnostiker beriefen sich auf apostolische Tradition 4 , nämlich auf esoterische Offenbarungen, als deren Träger entweder ebenfalls die Gesamtheit der Apostel oder aber - so Vgl. Bultmann, a.a.O. Vgl. Bultmann, a.a.O., § 55, 5; Bauer oben S. 11 ff. 3 Zur Struktur des frühkatholischen Traditionsbegriffes vgl. auch G. Ebeling, Die Geschichtlichkeit der Kirche und ihrer Verkündigung als theologisches Problem, 1954, S.31ff. 4 Vgl. Origenes, Hom. in Ezech. H, 5. 1
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2. Die Apostel als Träger der Überlieferung
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weitaus häufiger - nur einzelne, vom Herrn besonders ausgezeichnete Apostel in Frage kamen. So heißt es bei Irenäus (adv. haer. II 27,2) von den Gnostikern, sie behaupteten, "der Heiland habe eben dies im Verborgenen nicht alle gelehrt, sondern nur einige seiner Schüler, die es begreifen konnten und die zu verstehen vermochten, was von ihm durch vorgeführte Szenen, Rätsel und Parabeln angedeutet wurde". Auch Tertullian (de praescr. 25) stellt fest, die Apostel hätten nach Meinung der Gnostiker "nicht allen alles geoffenbart. Einiges hätten sie nämlich öffentlich allen, einiges aber insgeheim wenigen anvertraut ... " Nach Exc. ex Theod. 66 "lehrte der Heiland die Apostel erstlich typisch und mystisch, sodann parabolisch und rätselhaft, drittens klar und unverhüllt allein"l. Die Vorstellung von der geheimen mündlichen Überlieferung erfuhr ihre Ausbildung im Zusammenhang mit der Lehre, daß nur eine zahlenmäßig geringe religiöse Elite dank ihrer pneumatischen Qualität zur Annahme der "Gnosis" imstande sei. Eine einheitliche Bewertung der großkirchlichen Lehrüberlieferung hat sich aus diesem Standpunkt nicht ergeben. Entweder verfiel sie radikaler Verwerfung - in diesem Falle sollte die Gnosis die kirchliche überlieferung verdrängen und ersetzen - oder man zollte ihr bedingte Anerkennungin diesem Falle wurde die Gnosis als ein hinzukommendes Komplement verstanden. Der Anspruch der kirchlichen Tradition, in der vorliegenden Form von schlechthinniger Suffizienz und definitiver Abgeschlossenheit zu sein, wird durch die gnostische Geheimüberlieferung in jedem Falle, d.h. auch dann, wenn sie nicht eigentlich im Gegensatz zur kirchlichen Tradition stehen will, zurückgewiesen. Zu 1. Den frühkatholischen Begriff der Tradition als der durch das gesamte Apostelkollegium vermittelten und mit absoluter und universaler Gültigkeit ausgestatteten überlieferung setzen die alten kirchenrechtlichen Sammlungen voraus 2. Die Didache ("Lehre des Herrn durch die zwölf Apostel für die Heiden"), die Kirchenordnung des Hippolyt ("Apostolische Überlieferung"), die Syrische Didaskalia ("Lehre der Apostel") und die Apostolischen Konstitutionen ("Anordnungen der Apostel durch Clemens (Romanus)")3. Mit Vorliebe berief man sich in großkirchlichen Kreisen auf die Apostel als die Träger und Bürgen der Überlieferung, wenn es um die Rechtfertigung oder Durchsetzung einer bestimmten kirchlichen Praxis ging!, also in strittigen Fragen des Kultes, der Sittlichkeit und des kirchlichen Rechtes 5 . 1 S. ferner Irenäus, Adv. haer. 125,5 (Karpokratianer), I 30,14 (sog. "Gnostiker"); Bartholomäusevangelium 66-68 (Bd. I, S. 371); Testamentum Domini (ed. J. Cooper u. A.J. Maclean, The Testament of our Lord, Edinburgh 1902); vgl. Liechtenhan, Die Offenbarung im Gnostizismus, 1901, S. 70; C. Barth, Die Interpretation des NT in der valentinianischen Gnosis, TU 37, 3; 1911, S. 52ff. • Vgl. dazu A. Walls, A Note on the Apostolic Claim in the Church Order Literature, Studia. Patristica II, TU 64, 1957, S. 83-92. • Auch die regula fidei wurde als apostolische Tradition verstanden. Sie kann ebensowenig wie die erwähnten Kirchenordnungen in diesem Zusammenhange erörtert werden, da sie nicht unter das Verdikt "apokryph" gehört. t So hat Origenes den Brauch der Kindertaufe als apostolische Tradition bezeichnet: Ecclesia ab apostolis traditionem suscepit, etiam parvulis baptismum dare (Comm in Rom. V, 9). 5 Basilius behauptet (de Spiritu Sancto 27, PG XXXII, Sp. 188f.), daß von den in der Kirche geltenden Dogmen und Bräuchen "das eine auf Grund von geschriebener Lehre" überkommen sei, wogegen wir "das andere auf Grund der Überlieferung der Apostel
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XI. Das Apostelbild in der altchristlichen Überlieferung
Die Berufung auf die apostolische Überlieferung spielte eine bedeutende Rolle, als es im zweiten Jahrhundert wegen der Bestimmung des Ostertermins zum Streit zwischen dem römischen Bischof und den Kleinasiaten kam. Die Palästinenser, die für den römischen Standpunkt Partei ergriffen, machten gegen die Kleinasiaten die "auf Grund der Nachfolge (owooxn) der Apostel zu ihnen gelangten Überlieferung (naeaooO'l(;) über das Passafest" geltend (Eusebius, h. e. V 25). Seinerseits legte Polykrates von Ephesus in einem Schreiben an die römische Gemeinde "die auf ihn gekommene Überlieferung (naeaooO'l(;)" dar (Eusebius, h. e. V 34,1). In dem von Eusebius überlieferten Brief des Polykrates (hist. eccl. V 24,2-7) unternimmt es der Bischof, die bestehende quartadezimanische Passapraxis mit dem Hinweis auf die große Anzahl von Aposteln, Heiligen und Märtyrern, deren Gräber sich in Kleinasien befinden, zu verteidigen. So kann der Bischof von Ephesus auf Phili ppus, einen der zwölf Apostel, der mit seinen Töchtern in Kleinasien geweilt hat und in Hierapolis begraben liegt, und schließlich auch auf J ohannes, den Jünger, "der an des Herrn Brust lag", den "Zeugen und Lehrer", der jetzt in Ephesus ruht, hinweisen 1. Zweifellos spricht Polykrates nicht von irgendwelchen speziellen Philippus- und J ohannestraditionen, denn die erwähnten Apostel kommen ja für ihn als Repräsentanten des ganzen Zwölferkreises und als Zeugen der von allen Aposteln vertretenen einen Wahrheit in Betracht. Nicht anders will Irenä us verstanden werden, der in Adv. haer. III 3, 4 ausführt: Johannes blieb bei ihnen (den Ephesinern) bis in die Zeit des Trajan; er ist ein wahrhaftiger Zeuge der Überlieferung der Apostel.
Auf die Apostel berief man sich auch, wenn es galt, in der Auseinandersetzung mit den Häretikern bestimmte theologische Positionen zu beziehen. Ein Beispiel dafür bietet die Epistula Apostolorum 2, deren Verfasser Wahrheit und Gültigkeit nur dem zuerkennen will, was sich direkt auf die Instanz des Apostelkreises und über diesen auf den Herrn selbst zurückführen läßt. Es gibt keinen anderen empfangen haben, indem es uns im Geheimen (iv ftva7:7JI2(CP) übergeben wurde". Durch diese Überlieferung wurden der Kirche u. a. folgende Bräuche vermittelt: Die Gebetsrichtung nach Osten (vgl. dazu F.J. Dölger, Sol Salutis, S. 170f.), die Signierung durch das Kreuzeszeichen, die Formel der Epiklese im eucharistischen Gottesdienst, sodann verschiedene Taufbräuche: die Ölsalbung, die Segnung des Taufwassers, des Salböls und des Täuflings selbst, das dreimalige Untertauchen desselben und die Abrenuntiation des Teufels und seiner Engel. Diese großkirchliche Geheimüberlieferung bezieht sich vornehmlich auf 7:WV ftva7:7Jl2twv 7:0 aeftv6v, welches die Väter "durch Schweigen zu bewahren" wußten. Die gnostische Terminologie, mit der diese als Gtwnwftsv'Y} uat ftvanuij nal2aooGt~ deklarierte Überlieferung gekennzeichnet wird, deutet nur auf das mysterienhafte Verständnis der Sakramente und ist von der kirchlichen Arkandisziplin her zu verstehen. Die apostolische Geheimüberlieferung, von der Basilius spricht, ist nicht nur dem kleinen Kreise einer geistigen Elite unter prinzipieller Ausschaltung der "Hyliker" und "Psychiker" bzw. "Pistiker" zugänglich, sondern allen durch die Taufe als Vollchristen in die Kirche Aufgenommenen im Unterschied sowohl zu den Katechumenen als auch zu den Ungläubigen. Die Überlieferungen wurden von den Aposteln aus Furcht vor der Profanierung nicht den heiligen Schriften anvertraut. 1 Daß die Quartadezimaner ihren Brauch direkt auf den Apostel Johannes zurückfülll'ten, behauptet Socrates, hist. eccl. V, 22. Entsprechend hätten sich die Römer auf Petrus und Paulus berufen. • Vgl. Bd. I, S. 126ff.
2. Die Apostel als Träger der Überlieferung
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legitimen Zugang zu Christus und seiner Offenbarung als über die Urapostel. Paulus wird ihnen konsequent untergeordnet. Um dogmatische Fragen ging es offenbar auch in dem antimontanistischen Dialog mit Proklos des römischen Christen Gaius (Fragment bei Eusebius, hist. eccl. II 25, 7). Gaius macht geltend, daß sich in Rom die Gräber der Apostel befänden, "welche diese (die römische) Kirche gegründet haben", also des Petrus und des Paulusl, der hier als gleichwertiger Apostel gilt. Der Bischof Papias von Hierapolis sagt in einem bei Eusebius (h. e. III 39,4) erhaltenen Fragment seiner x,veWx,Q)'JJ Ü;'YJY~(J8ts, in welchem er von seinen Bemühungen spricht, über die Worte des Herrn zuverlässige Auskunft zu erhalten: Wenn jemand kam, der ein Schüler der Alten (n(!eußv-re(!ot) gewesen war, so forschte icb (bei ihnen) nach den Worten der Alten (n(!eUßVU(!OL): was Andreas oder was Petrus oder Philippus oder Thomas oder Jakobus oder Johannes oder Matthäus oder irgendein anderer der Jünger des Herrn gesagt habe und was Aristion und der Alte (n(!eUßVTe(!Or;) Johannes, die Jünger des Herrn, sagen. Aristion und der Presbyter Johannes sind die zur Zeit des Papias noch lebenden Vertreter der zweiten Generation der Traditionsträger. Papias fährt fort: Ich meinte nämlich nicht, daß das aus Bücbern Entnommene mir so viel nützen würde wie das, was aus mündlicher und bleibender Rede stammt. Papias kennt mithin eine mündliche apostolische Überlieferung, die er allen schriftlichen Dokumenten der evangelischen Tradition vorzieht. Er behauptet, "die Worte der Apostel von denen, die sich ihnen (als Schüler) angeschlossen hatten, empfangen zu haben; er sagt, daß er des Aristion und des Alten (neeaßvueos) Johannes Schüler gewesen sei" (Eusebius, h. e. III 39,7). Unter dem, was "als aus mündlicher Überlieferung stammend zu ihm gelangt war", befanden sich u.a. "einige fremde Gleichnisse des Herrn und Lehren von ihm" (Eusebius, III 39,11), schließlich auch eschatologische Aussagen, deren Chiliasmus von Eusebius als "mythisch" gerügt wird. Das eschatologische Thema wird auch in einem größeren Fragment verhandelt, das uns Irenäus, adv. haer. V 33, 2 mitteilt. Es handelt sich nach des Irenäus Auskunft um eine Lehre des Herrn selbst ("wie der Herr selbst über jene Zeiten gelehrt und gesprochen hat", V 33,1), die von Johannes überliefert, von den "Alten" weitergegeben und auch von Papias im vierten Buch seines Werkes 2 erwähnt wurde: Es werden Tage kommen, da Weinstöcke wacbsen werden, von denen jeder einzelne zehnmal tausend Äste haben wird, und an jedem Ast werden zehn mal tausend Zweige und an jedem Zweig zehn mal tausend Ranken sein, und an jeder Ranke werden zehn mal tausend Trauben wacbsen und an jeder Traube zehn mal tausend Weinbeeren, und jede einzelne Weinbeere wird ausgepreßt fünfundzwanzig Fässer Wein ergeben. Und wenn einer der Heiligen nach einer Traube greifen wird, dann wird eine andere Traube ausrufen: Ich bin besser, nimm mich, durch mich preise den Herrn. Desgleichen wird ein Weizenkorn zehn mal tausend Ähren hervorbringen, und jede Ähre wird zehn mal tausend Körner haben und jedes Korn wird zehn Pfund hellen feinen Weizenmehles enthalten. Genauso wie diese werden aber auch alle anderen (Pflanzen) Früchte, Saat und Halm hervorbringen. Und die Tiere alle, die sich (nur) von dem ernäbren, was sie von der Erde empfangen, werden friedfertig und in Einigkeit miteinander leben, den Menschen in vollkommenem Gehorsam untergeben. Zur Petrus-Rom-Frage s. oben S. 21 f. • Nach lrenäus, Adv. haer. V 33, 4.
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XI. Das Apostelbild in der altchristlichen Überlieferung
Zu 2. Das gnostische Traditionsprinzip begegnet uns bei Clemens von Alexandrien, der in strom. I 11, 3; VI 61, 3; VI 131, 5 und Hypotyposen, Buch 7 (nach Eusebius, h. e. II 1, 4) die von ihm gelehrte "Gnosis" unter den Schutz der apostolischen Autorität stellt. Wie er in strom. 111 betont, wollen seine "Teppiche" nichts anderes sein als ein kunstlos gefertigtes "Abbild und Schattenbild" der Lehrvorträge (.A.OYOl) jener seligen und bedeutenden Männer, die zu hören er gewürdigt wurde, und welche die wahre, unmittelbar von den heiligen Aposteln Petrus, Jakobus, Johannes 1 und Paulus stammende "Überlieferung der seligen Lehre", welche sie "wie ein Sohn vom Vater" empfangen hatten, festhielten. "Und sie reichten durch Gottes Gnade bis in unsere Zeit herein, um jene von den Vätern ererbten und apostolischen Samenkörner in uns zu säen" (ebd.). Nach Eusebius (h. e. II 1, 4) schrieb Clemens in Buch VII seiner Hypotyposen: Jakobus dem Gerechten und Johannes und Petrus übergab der Herr nach seiner Auferstehung die Gnosis, diese übergaben sie den übrigen Aposteln, die übrigen Apostel aber gaben sie den Siebzig, von denen Barnabas einer war. Die "Schau" (f}c;we[a), die das höchste Ziel des Weisen ist, kann man nach strom. VI 61, 2 nur erlangen, wenn man durch Unterrichtung erfährt, wie sich "die Gegenwart, die Zukunft und die Vergangenheit" verhalten. Clemens fügt hinzu: Diese Erkenntnis (yvwat<;) ist von den Aposteln in ununterbrochener Nachfolge ("uTa &u60Xa<;) auf wenige (nur) durch mündliche Überlieferung gelangt (61, 3)". Clemens behauptet also, Zugang zu geheimen Lehrüberlieferungen zu haben, die er gewöhnlich "Erkenntnis" (y'jIWO'l~), zuweilen auch "überlieferung" (naeabO(fl~) nennt 3. Der Herr hat diese Gnosis nicht irgendwelchen schriftlichen Dokumenten, sondern nur dem mündlichen Wort anvertraut 4 • Nur wenige der Gläubigen der nachfolgenden Generationen, diejenigen nämlich, "die imstande sind, es zu fassen" (strom. I 13, 1), wurden der Einweihung in die geheime Weisheit für würdig befunden. Der Masse der Christen ist der Zugang zu ihr verschlossen 5 • Ein Versuch, Spuren und Reflexe jener mündlich tradierten Weisheit in der altchristlichen Literatur zu entdecken und den Inhalt (oder zum mindesten die Themen 1 Auch Origenes hat Petrus und die Zebedaiden aus dem Kreise der Apostel herausgehoben, indem er behauptete, daß nur sie zu den wahren Gnostikern gehörten (c. Cels. II 64; IV 16; VI 77; co=. in Mt. tom. XII 36. 37. 41). " Nicht in diesen Zusammenhang gehört die Notiz bei Eusebius, h. e. VI 139, daß Clemens in seiner (verschollenen) Schrift "Über das Osterfest" auf Überlieferungen zurückgreife, die er "von den alten Presbytern" mündlich empfangen habe. Denn nichts deutet darauf hin, daß es sich um eine pseudapostolische Tradition handelte, wie es überhaupt unwahrscheinlich ist, daß die a.Iexandrinischen "Presbyter" Tradenten der esoterischen Überlieferungen waren. S Vgl. P. Th. Camelot, Foi et gnose. Introduction a l'etude de la connaissance mystique chez CIement d'Alexandrie, 1945, S. 90ff.; R.P.C. Hanson, Origen's Doctrine ofTradition, 1954, S.53ff. 4 Vgl. Strom. 113,2: Ta 68 dnol2l2'Y)TU, "u{Mncl2 0 {ho<;, AOYep nttJ7:cVCTat 0'11 Yl2app,un. 5 Nun verhält es sich freilich nicht so, daß die mündliche apostolische Überlieferung zu den kirchlichen Erkenntnisprinzipien und Lehrnormen in Widerspruch stünde. Es ist sogar so, daß, wie R. P. C. Hanson gezeigt hat "Clement identifies his secret tradition with the Church's rule of faith, that there is no evidence at all that he kept them separate in his thought" (S. 59).
2. Die Apostel als Träger der Uberliejerung
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und Motive) derselben ganz oder auch nur teilweise zu bestimmen, hat von vornherein mit den größten Schwierigkeiten zu rechnen, da es sich eben um esoterische Traditionen handelte, die aus Gründen der Axkandisziplin, d.h. zum Schutze vor der Profanierung, keine schriftliche Fassung erhielten und nur ganz gelegentlich und sehr selten - sozusagen in glücklicher Inkonsequenz - eine Spur im Schrifttum der Alten Kirche hinterlassen konnten. Mit einem relativ hohen Wahrscheinlichkeitsgrad lassen sich Elemente der unter der Autorität der Apostel J ohannes und Jakobus überlieferten Gnosis von uns feststellen. In den Adumbrationes (GCS 17, S. 210, Stählin) erwähnt Clemens von Alexandrien zu 1. Joh. 1, 1 "Überlieferungen", die mit dem Namen des Johannes verbunden sind, ausdrücklich: In den Überlieferungen wird berichtet, daß Johannes den äußeren Leib (Jesu) berührt und seine Hand tief hineingelegt habe und daß die Festigkeit des Fleisches in keiner Weise widerstanden, sondern der Hand des Jüngers nachgegeben habe.
Weitere Spuren der Johannes-überlieferung lassen uns das koptisch-gnostische Apokryphon des J ohannes und die Acta Johannis erkennen. Die Rahmenerzählung des Apokryphon zeigt uns Johannes, den Bruder des Jakobus, als Empfänger und Tradenten der geheimen Offenbarung l . Der Rahmen, der sich von dem Hauptinhalt der Schrift ohne weiteres als nachträgliche sekundäre Zutat ablösen läßt, da er in keinem sachlichen inneren Zusammenhang mit dem eigentlichen Offenbarungsinhalt steht, zeigt eine auffallende, bis in die Einzelheiten gehende übereinstimmung mit Act. Joh. 88-105. Nach dem Apokryphon wandte sich der durch die Fragen und Äußerungen eines Pharisäers bestürzte J ohannes "mit großer Traurigkeit" (20,6) dem Ölberg zu. Nach Act. Joh. 97 floh derselbe Jünger "weinend" von der Stätte der Kreuzigung, und zwar ebenfalls zum Ölberg. Das Apokryphon weiß von einer Christusvision des J ohannes am Ölberg; desgleichen die J ohannesakten (97). Beide Quellen wissen von dem Empfang und der Weitergabe der esoterischen Offenbarung durch J ohannes (vgl. Apokryphon des J ohannes, Pap. Berol. 8502,76,18-77,5 Till; Act. Joh. 105). Freilich läge die Annahme nahe, daß die J ohannesakten von dem älteren A pokryphon literarisch abhängig wären. Folgende Erwägungen schließen indes eine derartige Annahme aus: Die Ölbergerzählung der Acta Johannis macht trotz des späteren Entstehungsdatums dieses Werkes einen viel ursprünglicheren Eindruck als die Rahmenerzählung des Apokryphon. Die zum Vergleich mit dieser in Frage kommenden Elemente bilden nämlich mit dem Ganzen der Erzählung, insbesondere mit dem Inhalt der erfolgenden Offenbarung, ein einheitliches Ganzes: Während der pneumatische Christus oben auf dem Ölberg dem Apostel, dem wahren Gnostiker, erscheint, vollzieht unten das verblendete Jerusalem in Unwissenheit und Torheit den sinnlosen Akt der Kreuzigung. Die Offenbarung, die J ohannes empfängt, nimmt Bezug auf den gegenwärtigen Moment und enthält eine Deutung der Situation. Im Apokryphon des J ohannes ist dagegen der Rahmen künstlich und im Verhältnis zu den übrigen Teilen der Schrift heterogen. Der Offenbarungsinhalt ist ohne jede Bezugnahme auf die Situation. Die Heilsereignisse, Leiden und Auferstehung des Herrn, werden nicht ein einziges Mal erwähnt, obwohl es nach der Einleitung eigentlich zu erwarten wäre. Daß der Verfasser der Acta Johannis seine Erzählung aus dem dürftigen 1
Vgl. H.Ch. Puech, Bd. I, S. 234.
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XI. Das Apostelbild in der altchristlichen Überlieferung
Rahmen des Apokryphon herausgesponnen habe, ist ausgeschlossen. Die Motive, die die Elemente dieses Rahmens bilden, müssen aus anderen Zusa=enhängen übernommen worden sein, d. h. der Verfasser muß auf eine ältere Tradition zurückgegriffen haben. Und zwar handelt es sich um eben dieselbe Tradition, welche in den Acta Johannis (in einer möglicherweise bereits stark modifizierten Form) eine späte literarische Fixierung gefunden hat, aber auch mündlich weiter tradiert wurde; denn es ist mündliche Tradition, keine schriftliche Quelle, auf die Clemens rekurriert. Auf die mündliche Tradition, die mithin bis in die Anfänge des zweiten J ahrhunderts zurückreicht, gehen beide Quellen, der Rahmen des Apokryphon und die entsprechenden Abschnitte der Acta Johannis, unabhängig voneinander zurück. Auf eine literarische Vorlage beider deutet nichts hin. Es gab also eine mündliche Überlieferung, in der Johannes als bevorzugter Jünger und als Vermittler der vom Auferstandenen am Ölberg empfangenen Offenbarung an seine Mit jünger galt. Der Kreis, in dem diese Tradition entstand und gepflegt wurde, scheint sich fortzusetzen in dem Kreis, dem der Verfasser der Acta Johannis angehört und für den er schreibt. Man muß sich jedoch hüten, aus dem Inhalt der Acta Johannis weitgehende Rückschlüsse auf das Material der mündlichen Überlieferung zu ziehen. Als Element der alten mündlichen Johannes-Tradition läßt sich nur das mit Sicherheit bestimmen, was sich auf Grund von Parallelen bei Clemens und im Apokryphon des Johannes als solches verifizieren läßt. So sind folgende Sätze aus den Akten mit mehr oder weniger großer Sicherheit auf die alte mündliche Überlieferung zurückzuführen, weil sie mit der von Clemens in den Adum bra tiones mitgeteilten Tradition (s.o.) eine starke Ähnlichkeit aufweisen: Bald wenn ich ihn anfassen wollte, traf ich auf einen materiellen und dichten Körper, bald wiederum, wenn icb ein andermal ihn beriihrte, war die Substanz immateriell und unkörperlich und überhaupt wie nichts (93).
In Act. J oh. 88-90 ist von einem ständigen Gestaltwandel des Christus die Rede; ähnlich erscheint der epiphane Christus nach Auskunft des Apokryphon (Pap. Berol. 8502, S. 26,3-6 Till) das eine Mal als Kind, das andere Mal als Greis. Es ist also mit guten Gründen zu vermuten, daß auch dieser gemeinsame Zug auf die mündliche J ohannes-Überlieferung zurückgeht. Der doketische Charakter dieser Tradition sticht auf jeden Fall hervor: Der am Ölberg sich offenbarende Christus hatte keinen gewöhnlichen menschlichen Leib, sondern einen immateriellen Leib. Inwieweit man berechtigt ist, diese Tradition als "gnostisch" zu bezeichnen, ist eine Frage, auf die die dürftigen Quellen keine Antwort erlauben. Um eine Gnosis extremer E,ichtung wird es sich indes nicht gehandelt haben, denn sonst hätte sich Clemens von Alexandrien nicht ausdrücklich zu der unter dem Namen des J ohannes überlieferten Spezial offenbarung bekannt. Unter den von Clemens von Alexandrien als Empfänger und Tradenten der geheimen Überlieferung bezeichneten Aposteln ist auch, wie bereits erwähnt, J ak 0 bus genannt. Ob es sich dabei um den Zebedaiden oder um den Herrenbruder handelt, ist aus den kurzen Angaben des Alexandriners nicht eindeutig zu ersehen. Wahrscheinlich knüpft ja die Hervorhebung des Jakobus als Träger einer mündlichen Geheimtradition an die Vorzugsstellung an, an der der Zebedaide Jakobus gemeinsam mit Petrus und seinem Bruder J ohannes nach den synoptischen Berichten 1 1
Mk. 9, 2 parr.; 14,33 parr.
2. Die Apostel als Träger der Überlieferung
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teilhatte. Wenn es aber berechtigt ist, das Apokryphon Jacobi des Cod. II der gnostischen Bibliothek von Nag Hamadi (vgl. Band I, S. 246ff.) mit der von Clemens erwähnten jakobeischen Tradition in einen Zusammenhang zu bringen, so ergibt sich, daß der Herrenbruder gemeint sein muß, denn das Jakobusbild des apokryphen Briefes knüpft deutlich an die Rolle an, die der Herrenbruder in der judenchristlichen Überlieferung spielte. Die Frage ist jedoch nicht mit Sicherheit zu beantworten, ist es doch auch sehr unwahrscheinlich, daß beide Personen von den späteren Generationen immer bewußt auseinandergehalten wurden. Fragen wir nach den Themen und Motiven der unter der Autorität des Jakobus überlieferten Gnosis, so sind wir wiederum ganz auf Rückschlüsse angewiesen, denn es gibt keine Quelle, die uns deutliche und direkte Auskunft gäbe. Vor allem haben wir uns an Clemens zu halten, dessen "Teppiche" ja nichts anderes als ein "Abbild und Schattenbild" der alten apostolischen Geheimtraditionen sein wollen. Weil sich ja unter den von Clemens genannten vier besonders hervorgehobenen Aposteln auch Jakobus befand, dürfen wir mit Recht nach Spuren der jakobeischen Tradition in seinen Stroma teis suchen. Da Clemens es aber vermeidet, die Herkunft der einzelnen in den Stromateis verarbeiteten Motive aus den alten Traditionen im einzelnen Falle besonders herauszustellen und näher zu bestimmen, läßt sich die Ermittlung dessen, was "jakobeisch" ist, nur dadurch vornehmen, daß man parallele Gedanken in anderen altchristlichen Literaturwerken nachweist, die dort ausdrücklich als "jakobeisch" deklariert werden. Hier käme allein das bereits erwähnte A pokryphon J aco bi in Betracht. Es ist von vornherein damit zu rechnen, daß die alte, unter dem Namen des Jakobus überlieferte Weisheit in diesem Apokryphon eine schriftliche Fassung gefunden hat. Sicherlich dürfen wir seinen Inhalt nicht ohne weiteres pauschal für die alten Jakobus-Überlieferungen in Anspruch nehmen; und doch liegt es gerade hier besonders nahe, nach Spuren derselben zu suchen, nämlich auf Grund folgender Erwägungen: Die Traditionen, auf die Clemens von Alexandrien Bezug nimmt, können weder im eigentlichen Sinne gnostisch noch auch katholisch gewesen sein. In katholischen Kreisen können die unter dem Namen einzelner Apostel überlieferten Traditionen nicht entstanden und verbreitet worden sein, weil es den katholischen Normen entsprach, die geltenden kirchlichen Bräuche und Lehren unter den Schutz aller Apostel zu stellen. Andererseits dürfen wir in den Traditionen keine Äußerungen einer mythologischen und dualistischen Gnosis extremer Ausprägung vermuten, denn Clemens, der die esoterischen Überlieferungen bejaht, hat die konsequente dualistische Gnosis bekämpft. In den alten Überlieferungen haben wir also Manifestationen einer in der Mitte zwischen Frühkatholizismus einerseits und extremer Gnosis andererseits stehenden Halb-Gnosis zu sehen. Auch hier spricht sich gnostisches Seinsverständnis aus, wenn es auch durch inadäquate Ausdrucksformen gehemmt ist. Das gnostische Element stößt gegen die Schranken einer jüdisch-christlichen Tradition mit großem Beharrungsvermögen; das verhindert den Schritt zum konsequenten kosmologischen Dualismus und zur gnostischen blasphemia creatoris. In seiner Grundhaltung bzw. in seinem religionsgeschichtlichen Gesamtcharakter stimmt nun das erwähnte Apokryphon überein mit dem Bild, das wir uns auf Grund der vorangegangenen Erwägungen von den alten pseudapostolischen Traditionen zu machen haben. Was im einzelnen aus dem Inhalt dieser Schrift auf die esoterischen Traditionen zurückzuführen ist, muß uns ein eingehender Vergleich mit den Stroma teis lehren. Ein solcher ist nicht möglich, ehe der apokryphe Brief nicht vollständig ediert ist. 4 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
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XI. Daa .Ap08telbild in der altchristlichen Oberlieferung
Aus dem überblick und den Auszügen, die uns Puech und Quispel in französischer Übersetzung vorgelegt haben l , geht jedoch einiges schon hervor. Soweit wir bis jetzt sehen können, gibt es einige auffallende übereinstimmungen zwischen manchen Gedanken des pseudapostolischen Briefes und gewissen Aussagereihen der Stromateis, so daß es erlaubt ist, auf Traditionen zu schließen, welche beide - der eine unabhängig vom anderen - voraussetzen. Daß es sich dabei um "jakobeische" Traditionen handelt, dürfte wahrscheinlich sein. Worum handelt es sich? Das Apokryphon Jacobi befaßt sich u.a. mit der Frage der rechten Einstellung des Christen zur Verfolgung. Jesus ermahnt die Jünger zur Bereitschaft zum Leiden und zum Martyrium 2 • Die von Gott nicht nur vorausgesehene, sondern auch gewollte Verfolgung sollen die Gläubigen willig auf sich nehmen, damit sie Gelegenheit finden, durch das Martyrium dem Herrn gleich zu werden. Dieselbe Frage wird auch in den Stromateis (IV 76,1-88,5) in breiter Ausführlichkeit behandelt. Jedoch trägt Clemens andere Auffassungen vor; sein eigener Standpunkt ist weit weniger radikal als der des Apokryphon Jacobi: Die Verfolgung ist von Gott nicht gewollt, sondern nur zugelassen. Der Umstand, daß derartige Unterschiede vorhanden sind, verwehrt uns einen sicheren Rückschluß auf die Aussagen der überlieferung zu diesem Thema. Erreicht haben wir also mit unserer Untersuchung nur, daß wir jetzt eines der Themen und Probleme zu benennen wissen, mit denen sich die jakobeisehen Traditionen befaßten. Weder vom koptischen Jakobusbrief noch von Clemens können wir ja mit Sicherheit eine unveränderte Wiedergabe der alten Traditionen erwarten 3 • Mit größerer Zuversicht können wir jedoch behaupten: Wollen wir einen zuverlässigen Eindruck von der Eigenart der alten jakobeisehen Traditionen (wie der mündlichen pseudapostolischen Traditionen überhaupt) gewinnen, so dürfen wir uns getrost der Lektüre des koptischen Jakobusbriefes überlassen, der sich hinsichtlich seines religionsgeschichtlichen Gesamtcharakters von der mündlich überlieferten Weisheit der Apostel nicht unterscheidet. Als Träger der mündlichen überlieferung ist Jakobus auch den N aassenern, die uns Hippolyt, Refut. V 1-11, schildert, bekannt gewesen. Die Naassener führen ihre Geheimlehren auf überlieferungen des Herrenbruders an Mariamne, d.h. Maria Magdalena, zurück: Dies ist die Hauptsache von sehr vielen Worten, die - so sagen sie - Jakobus, der Bruder des Herrn, der Mariamne überliefert hat (V 7,1). Möglich ist allerdings auch, daß dem Verfasser, d.h. dem christlichen Interpolator des im Grundstock vorchristlichen Textes, die angebliche J akobus-Mariamne-überlieferung in schriftlich fixierter Form vorlag 4 • Die in der Naassenerpredigt erwähnte Jakobus1 H.Ch. Puech und G. Quispel, Les ecrits gnostiques du Codex Jung, VigChr 8, 1954, S.7-22. I Vgl. den Satz: "Et si vous etes poursuivis et que vous accomplissiez Sa volonte, je vous le dis, Il vous aimera et fera de vous mes egaux, et il pensera de vous que vous etes devenus des bien-aimes dans Sa providence selon votre libre decision (:neoa{eeat.)" (nach der Übersetzung von H.-eb. Puecb und G. Quispel a.a. 0., S. 12). 8 Eine Gemeinsamkeit, die über die bloße Übereinstimmung in den Themen und Problemen hinausgebt und Clemens mit dem Apokryphon auch "dogmatisch" verbindet, ist die Betonung des freien Willens bei beiden. Ob wir aucb hier die mündliche JakobusTradition im Hintergrunde stehen sehen dürfen? Wir werden auf jeden Fall im Urteil zurückhaltend Bein müssen und lieber zu wenig als zu viel sagen. , Vgl. Bd. I, S.246.
2. Die .Apostel als Träger der "Überlieferung
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tradition muß eine andere sein als jene, die dem Clemens von Alexandrien bekannt war, denn der von Clemens dargelegte Gang der Überlieferung (über den ganzen Apostelkreis und die Siebzig) ist ja ein anderer. Ist es schon mit großen Schwierigkeiten verbunden, der als johanneisch oder jakobeisch überlieferten Gnosis auf die Spur zu kommen, so ist eine Ermittlung der den Aposteln Petrus und Paulus zugeschriebenen Traditionen einstweilen völlig unmöglich. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, daß hinter den Acta Petri und Ac ta Pa uli derartige Überlieferungen stehen, aber zu beweisen ist nichts. Man kann sich vorerst nur mit der Feststellung begnügen, daß solche Traditionen im Umlauf waren. Daß es unter dem Namen des Petrus tradierte Lehrüberlieferungen gegeben habe, muß auch von Basilides behauptet worden sein, der sich durch einen gewissen Glaukias, einen angeblichen Dolmetscher des Petrus, mit dem Apostel in Verbindung gebracht haben soll (Clemens von Alexandrien, strom. VII 106,4). Ganz ähnlich hat sich Valentin auf einen angeblichen Paulusschüler mit Namen Theodas (Clemens von Alexandrien, strom. VII 106,4) berufen. Ob Basilides und Valentin tatsächlich irgendwelche von Petrus bzw. Paulus sich ableitende Traditionen kannten und ob diese, falls es sie gab, in einem Zusammenhang mit den von Clemens in Strom. I 11 erwähnten Überlieferungen gestanden haben, entzieht sich unserer Kontrolle. Auch der Valentinschüler Ptolemä us behauptet, eine apostolische Überlieferung empfangen zu haben. Da er sie nicht mit speziellen Apostelnamen in Verbindung bringt, scheint es so, als rekurriere er auf eine gesamtapostolische Tradition. Gegen Ende seiner Epistula ad Flomm (bei Epiphanius, haer. XXXIII 7, 9) heißt es: Du wirst, so Gott will, demnächst über den Ursprung und die Erzeugung derselben (nämlich der aus dem guten und unvergänglichen göttlichen Grundprinzip alles Seins hervorgegangenen, aber dennoch nicht mit diesem wesensgleichen, d.h. also minderwertigeren "Naturen", XXXIII 7,8) Kenntnis erlangen, indem du nämlich (des Empfanges) der apostolischen Überlieferung (:rcaecl/5om,) für würdig befunden wirst, welche auch wir durch Nachfolge (be Otaooxi'j,) empfangen haben 1. Wiederum bleibt es eine unlösbare Frage, ob Ptolemäus tatsächlich eine bestimmte pseudapostolische Überlieferung gekannt hat oder ob die "Nachfolge" (owoox'i}), in der Ptolemäus zu stehen vorgibt, nichts weiter als eine Fiktion ist, die seinen Worten ein höheres Maß an Autorität verleihen soll. Die unter dem Namen des Matthias überlieferten Traditionen brauchen wir hier nicht zu besprechen, da sie in Bd. I behandelt wurden (S. 226fI.). Eine auf den Apostel Philippus zurückgeführte (mündlichen Einzeltradition ist in dem Evangelium nach Philippus des Cod. III von Nag Hamadi (pI. 121,8; Spr. 91) schriftlich fixiert worden: Der Apostel (a:rc6uToAO,) Philippus sagte: Joseph der Zimmermann pflanzte einen Garten (:rcaeaostuo,), weil er Holz benötigte (-xesla) für sein Handwerk (TliXV17). Er ist es, der das Kreuz (uTave6,) hergestellt hat aus den Bäumen, die er gepflanzt hatte. Und sein Same hing an dem, was er gepflanzt hatte. Sein Same war Jesus, die Pflanzung aber das Kreuz (uTave6,) 2. 1 Vgl. dazu B. Reynders, Paradosis, Le progres de l'idee de tradition jusqu'a Saint Irenee, Rech. de Theol. anc. et mediev. 5, 1933, S. 172f. 2 Übersetzt von H. M. Schenke. ThLZ 84,1959, Sp. 18.
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XI. Das Apostelbild in der altchristlichen Uberlieferung
Clemens und Ptolemäus gebrauchen im Zusammenhang ihrer Andeutungen über die apostolischen überlieferungen eine für das Thema charakteristische Terminologie. Es handelt sich vor allem um die häufig wiederkehrenden Ausdrücke naeat5oO't~, naeat5t!56yat und t5tat5oxn. Dieselben Ausdrücke spielen, worauf H. Frh. von Campenhausen (Kirchliches Amt, S. 174f.) besonders hiugewiesen hat, im philosophischen Schulwesen der Antike seit Jahrhunderten eine große Rolle, "um die gleichsam genealogische Fortpflanzung der Lehrüberlieferung vom ursprünglichen Lehrer zu dessen Schülern und späteren Schulvorstehern zu erläutern. Denn die antike Philosophie kennt so wenig wie die Kirche eine Lehrvermittlung ohne die Vorstellung einer sie tragenden Gemeinschaft oder zum mindesten einer persönlichen Berührung des Vorgängers mit den Nachfolgern." t5tat5oxn bezeichnet nicht (wie naeat5oO'l~) den Lehrinhalt, sondern "den durch den Vorgang des Dbergebens und Dbernehmens geschaffenen Zusammenhang selbst, also die Schule ... "(v. Campenhausen, a.a. 0., S.175). Wir stehen damit in dem Bereich, in dem sich Gnostiker wie Valentin und Ptolemäus zu Hause fühlten; sie verstanden sich als Philosophen, so gut wie auf kirchlicher Seite Clemens von Alexandrien (vgl. v. Campenhausen ebd.). Nur, daß die eigentümliche Esoterik jener überlieferungen nicht von dem philosophischen naeai5oO't~- und t5tat5oxn-Begriff her zu verstehen ist, sondern auf den Einfluß der Mysterienreligionen zurückgeht. J esus wird nach alledem nicht anders verstanden denn als Offenbarer einer neuen Lehre und Gründer einer Schule; die Apostel sind die Lehrer und Mystagogen, die die Tradition weitergeben und die Würdigen in die geheime Offenbarung einweihen.
XII. APOSTOLISCHE PSEUDEPIGRAPHEN EINLEITUNG (W. Schneemeleher)
1. Unter der Bezeichnung ApOSTOLISCHE PSEUDEPIGRAPHEN werden hier eine Reihe von pseudapostolischen Schriften zusammengefaßb, die als einheitliches Kennzeichen nur den Anspruch der Apostolizität im Titel aufweisen, im übrigen aber nicht unter eine einheitliche Kategorie zu fassen sind. Auch in ihrer Form unterscheiden sich diese Schriften und können nicht zu den anderen Gattungen neutestamentlicher Apokryphen gerechnet werden. Es handelt sich dabei zunächst um Werke, die als apostolisches ,Kerygma' bezeichnet werden (Kerygma Petrou und Kerygmata Petrou), deren Gattung allerdings nur schwer zu bestimmen ist. Man könnte sagen, es handele sich bei diesen Schriften um ein Mittelding zwischen Evangelienbuch und theologischem Traktat, wobei nun aber die in den Predigten zum Ausdruck kommende apostolische Autorität so im Vordergrund steht, daß die Verwandtschaft mit Teilen der apokryphen Apostelakten nicht zu übersehen ist. Eine präzise Antwort auf die Frage nach der Gattung wird man allerdings angesichts des fragmentarischen Charakters des Kerygma Petrou und der überarbeiteten Gestalt der Kerygmata nicht geben können. Der Laodicenerbrief, ein an sich völlig unbedeutendes Dokument, ist ein Beispiel für eine pseudapostolische Epistel, die bewußt aus sehr äußerlichen Gründen (Fehlen des KoI. 4, 16 genannten Laodicenerbriefes) an die Gattung neutestamentlicher Briefe anknüpft, in ihrer Künstlichkeit aber zeigt, daß sie kein Brief, sondern eine Epistel ist (zu dieser Unterscheidung vgI. zusammenfassend J. Schneider, Art. Brief in RAC II, Sp. 564ff.; dort auch weitere Literatur). Auch der Briefwechsel zwischen Paulus und Seneca gehört ohne Zweifel zu dieser Literaturgattung der Epistel, d.h. auch diese Briefe sind keine Briefe, sondern Literatur, die um einer bestimmten Tendenz willen (Propaganda unter den Gebildeten) die Briefform wählte. Dabei ist allerdings zu beachten, daß dieser Briefwechsel wohl kaum je den Anspruch erhoben hat, kanonische Geltung wie die Briefe des NT zu besitzen, also nur sehr bedingt zu den neutestamentlichen Apokryphen gerechnet werden kann. Dasselbe gilt vom Pseudo-TitusbrieJ, der als ein theologischer Traktat anzusprechen ist, dem entweder bei seiner Veröffentlichung oder überhaupt erst später der Titel eines pseudapostolischen Briefes beigelegt ist. Aus dem ,Brief' selbst geht jedenfalls hervor, daß es sich um ein Stück asketischer Literatur handelt, das gattungsmäßig eine gewisse Verwandtschaft mit einer Predigt aufweist, im ganzen aber eine Abhandlung über das Thema der Ehelosigkeit darstellt. Unter der Sammelbezeichnung Apostolische Pseudepigraphen werden also sehr
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XII. Apostolische Pseudepigraphen
verschiedene Texte zusa=engefaßt, die hier allerdings nicht fehlen durften, auch wenn sie nicht alle neutestamentliche Apokryphen im strengen Sinn des Wortes sind. An ihnen läßt sich aber nicht nur die Problematik des Weiterwachsens der Gattungen neutestamentlicher Schriften sowie des Einströmens anderer Formen in deren Verbindung mit dem Begriff des Apostolischen beobachten (vgl. dazu Bd. I, S. 32ff.), sondern an ihnen kann in besonderer Weise auch ein spezielles Problem aufgewiesen werden, nämlich das der Anonymität und Pseudonymität in der altkirchlichen Literatur. 2. PSEUDONYMITÄT UND APOSTOLISCHE PSEUDEPIGRAPHEN. - "Eine umfassende ,Behandlung des Problems der literarischen Pseudonymität im Urchristentum' (Wrede in ZNW 1,1900, S. 78 A.1) steht noch aus" (Hennecke Apokr. 2, S.140). An dieser Feststellung kann heute noch nicht viel geändert werden. Zwar haben F. Torm (Die Psychologie der Pseudonymität im Hinblick auf die Literatur des Urchristentums, Studien zur Luther-Akademie 2, 1932) und Arnold Meyer (Religiöse Pseudepigraphie als ethisch-psychologisches Problem, ZNW 35, 1936, S.262 bis 279) sich diesem Problem zugewandt. Beide Arbeiten führen nicht recht weiter. Torms Buch stellt einen unzureichenden Versuch dar, mit Hilfe der Psychologie die Entstehung pseudonymer Schriften zu erklären, ohne zwischen anonymen und pseudonymen Werken deutlich genug zu unterscheiden. Auch bei Meyer ist das Problem nicht klar genug und mit den richtigen, d.h. für das Urchristentum angemessenen Kategorien erfaßt. Immerhin weist Meyer auf die Bedeutung des heiligen Geistes im Urchristentum hin und hat damit den Kernpunkt der ganzen Frage genannt. Das wird sehr deutlich in dem neuesten Beitrag zu diesem Thema von K. Aland (The Problem of Anonymity and Pseudonymity in Christian Literature of the First Two Centuries, JThSt XII, 1961, S. 39-49), in dem nun herausgearbeitet wird, daß Anonymität und Pseudonymität im christlichen Schrifttum bis zur Mitte des 2.Jhs. weithin damit zusammenhängen, daß derartige Schriften die Fixierung mündlicher prophetischer Rede waren und als Werke des heiligen Geistes gelten wollten. Es ist keine Frage, daß viele anonyme oder pseudonyme Schriften des NT so entstanden sind, aber auch ein Teil der neutestamentlichen Apokryphen dürfte von hier aus zu verstehen sein. Insbesondere sind die älteren apokryphen Evangelien aus diesen Gründen anonym oder pseudonym erschienen und verbreitet. Bei den Schriften, die hier als Pseudepigraphen zusammengestellt werden, muß differenziert werden (dabei wird im folgenden nur von dem Problem der Pseudepigraphie zu reden sein,da die Anonymität nicht in Betracht kommt). Das Kerygma Petrou ist wahrscheinlich eine Schrift gewesen, bei der der apostolische Name für die geistgewirkte Abfassung Garantie leisten sollte. Es ist nicht mehr sicher festzustellen, a.ber zu vermuten, daß das Werk aus diesem Grund pseudonym verbreitet wurde. Bei den Kerygmata Petrou scheint ein anderer Grund der Pseudonymität vorzuliegen. Hier ist wohl bewußt die Pseudonymität gewählt, um bestimmte Tendenzen mit Hilfe des apostolischen Namens zu Ansehen zu bringen. Der Laodicenerbrief gehört sicher zu den pseudonymen Schriften, bei denen der Verfassername absichtlich falsch angegeben ist, um dem Machwerk das erforderliche Gewicht zu verleihen, d.h. bei ihm geht es nicht mehr um das Reden des Geistes oder die apostolische Lehre, sondern einfach um den Versuch, eine Lücke im Corpus Paulinum zu füllen. Die Briefe des Paulus und des Seneca brauchen in diesem Zusa=enhang ebensowenig erörtert zu werden wie der sogenannte Titusbrief. Es ist also an diesen 5 Texten eine Entwicklung der Pseudonymität im christ-
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lichen Bereich festzustellen, die von dem noch im altchristlichen Denken wurzelnden Gebrauch eines Apostelnamens zur Kennzeichnung der geistgewirkten Autorität hinführt zu der Benutzung eines falschen Namens im Stil auch sonst üblicher Pseudonymität. Allerdings muß diese Aussage im Blick auf das Kerygma Petrou insofern eingeschränkt werden, als wir nicht mit Sicherheit sagen können, ob dieses Werk wirklich im altchristlichen Sinn pseudonym war. Mindestens aber wird man sagen dürfen, daß es eine Mittelstellung zwischen den urchristlichen Pseudonyma und der späteren Form pseudonymer Schriftstellerei darstellt. Dazu paßt, daß das Kerygma Petrou offensichtlich auch inhaltlich den übergang von der urchristlichen Literatur zur apologetischen Schriftstellerei, die ja nicht mehr anonym oder pseudonym ist, darstellt. In diesen Zusammenhang gehört nun noch eine andere Frage. Es ist auffallend, daß die Zahl der pseudapostolischen Briefe verhältnismäßig klein ist. Die wenigen Texte, die unten geboten werden, und die kleine Zahl von pseudapostolischen Briefen, von denen wir nur Nachrichten erhalten haben, zeigen, daß die Briefform tatsächlich nicht zu den bevorzugten Gattungen der apokryphen Literatur gehört hat. Der Grund für diesen Sachverhalt liegt wohl vor allem darin, daß die Gattung des Briefes wie die der Epistel nicht den Intentionen der apokryphen Literatur entgegenkamen (vgl. Bd. I, S. 32ff.). Brief und Epistel sind Gattungen, die (abgesehen vom reinen Privatbrief, der aber in unserem Zusammenhang ohnehin beiseite bleiben kann) in besonderer Weise literarische Ansprüche stellen, aber weniger geeignet sind für den Zweck, dem doch auch die apokryphen Schriften dienen wollten, nämlich für die Verkündigung des Evangeliums. Es ist eine bisher m. E. noch nicht genügend beachtete Tatsache, daß die (wirklichen) Briefe des NT in der apokryphen Literatur nicht weiterleben, daß die Episteln des NT in die theologische Traktatliteratur übergehen und daß die wenigen apostolischen Pseudepigraphen (in dem oben angegebenen Sinn), die wir besitzen, keine reine Gattung darstellen, sondern entweder theologische Traktate, die sich bestimmter Elemente des Briefes bedienen, oder bewußt pseudonym gestaltete literarische Versuche sind. Das Kerygma Petrou mag eine Ausnahme sein. 3. VERLORENE UND SPÄTERE PSEUDEPIGRAPHA. - Außer den bisher genannten Texten gibt es noch einige Nachrichten über Werke, die in unseren Zusammenhang gehören würden, von denen aber außer diesen kurzen Notizen nichts bekannt ist. a) Brief des Paulus an die Alexandriner. Von diesem Apokryphon wissen wir nur durch die Angabe des Canon Muratori (Z.64; Bd. I, S.20), der diesen Brief wie den Laodicenerbrief als marcionitisch verwirft. Jede weitere Erörterung über den Inhalt oder Zweck (Harnack: vielleicht zum Zweck der marcionitischen Propaganda in Ägypten gefälscht? Marcion, 2S. 134*) führt in das Gebiet der Phantasie. Auch die Vermutungen von Th. Zahn (Gesch. des ntl. Kanons II 2, S. 586ff.) führen nicht weiter. Das dort zitierte Lectionarium Bobbiense redet von einer epistola Pauli ad Colos., bezeichnet damit aber einen Abschnitt aus einer späteren Predigt. Vgl. Harnack, Gesch. d. altehr. Lit. I 1, S. 33; L. Vouaux, Les Actes de Paul, 1913, S. 327-332. b) Brief des Pa ulus an die Macedonier. Clemens Alexandrinus erwähnt einmal einen solchen Brief: "In diesem Sinne ermahnt auch der Apostel des HeITn die Macedonier und wird zum Dohnetscher des göttlichen Wortes. ,Der Herr ist nahe', sagt er, ,so sorgt nun, daß wir nicht als eitel (ohne Erfolg) überrascht werden'" (Protr. IX 87,4). Das Zitat erinnert an Phil. 4, 5. Da sonst nichts über einen Mace-
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XII. Apostolische Pseudepigraphen
donierbrief des Paulus bekannt ist, kann man entweder ein freies Zitat oder eine Verwechslung annehmen. Vgl. Harnack, Gesch. d. altchr. Lit. 12, S.788. c) Brief des Petrus. Bei Optatus von Mileve heißt es: "Da wir in dem Brief des Apostels Petrus gelesen haben: ,Richtet eure Brüder nicht nach Vorurteil!'" (De schism. Donat. I 5). Harnack vermutet, daß Optatus Jak. 2, 1 und 4, 11 kombiniert und diesen Spruch dann irrtümlich dem Petrus beigelegt habe (Gesch. d. altchr. Lit. 12, S. 788). Möglich wäre aber auch, daß es sich um ein Zitat aus irgendeinem verlorenen Petrusapokryphon handelt, über das wir gar nichts sagen können. d) Ein Zitat aus einem Brief des J ohannes begegnet bei Ps. Cyprian, De montibus Sina et Sion, c. 13: Christus "unterweist und ermahnt uns in dem Briefe seines Jüngers Johannes an das Volk: ,Ihr seht mich so in euch, wie sich einer von euch im Wasser oder in einem Spiegel sieht"'. Zahn hat behauptet, daß es sich um ein Zitat aus einem Brief des Johannes, der zu den Johannesakten gehört habe, handelt (Forsch. zur Gesch. d. ntl. Kanons VI, 1900, S. 196 Anm. 1; dort auch Literatur). Er verweist vor allem auf eine Stelle aus dem Christushymnus in c. 95 der Johannesakten: "Ein Spiegel bin ich dir, der du mich erkennst" (s.u. S.155). Hennecke (Apokr. 2, S. 172 Anm. 1) zieht c. 15 der Andreasakten (s. u. S. 289) heran, wo auch vom Spiegel die Rede ist. Trotz aller Bewunderung für die scharfsinnigen Kombinationen Zahns wird man doch wohl feststellen müssen, daß aus dem Zitat bei Ps. Cyprian nichts Genaues über den angeblichen Johannesbrief zu ersehen ist. Die Zuweisung an die Johannesakten ist reine Hypothese; vgl. auch Schäferdiek, unten S. 14l. e) Eine Praedicatio Pauli (Predigt des Paulus) wird bei Ps. Cyprian, de rebaptismate 17 (3.Jh.1) erwähnt. Diese sei von Häretikern zur Unterstützung ihrer Irrlehre gefälscht worden: "In diesem Buch findet man, wie Christus, der doch allein keinerlei Sünde tat, entgegen alle(n) (Aussagen der) Schrift, seine eigene Sünde bekennt und fast gegen seinen Willen von seiner Mutter gezwungen sei, die Taufe des Johannes zu empfangen. Weiter (wird erzählt), daß, als er getauft wurde, Feuer über dem Wasser erschienen sei, was in keinem Evangelium geschrieben steht. Und Petrus und Paulus hätten sich nach so langer Zeit, nach dem Vergleich des Evangeliums in Jerusalem und gemeinsamer Beratung und Disput und nach Anordnung dessen, was zu tun sei, schließlich in Rom gleichsam das erste Mal einander kennengelernt. Und einiges andere dieser Art (wird behauptet), absurd und unanständig erdichtet, was man alles in jenem Buch zusammengetragen findet." Es ist hier nicht zu erörtern, um welche Häretiker es sich handelt und ob die Behauptung Ps. Cyprians, die Praedicatio Pauli sei von ihnen verfaßt, zutrifft. Daß Ps. Cyprian eine bestimmte Schrift vor Augen gehabt hat, scheint mir sicher zu sein. Ebenso klar ist, daß diese hier genannte Praedicatio niohts mit den Paulusakten zu tun hat, wie Th. Zahn meinte (Gesoh. d. ntl. Kanons 11 2, S. 881; dagegen Dobschütz, Das Kerygma Petri, S.127). Auffallend ist nun die Angabe, daß Jesus nur gezwungen die Taufe des Johannes empfangen habe und daß bei seiner Taufe Feuer über dem Wasser gesehen worden sei. Man hat mit Reoht festgestellt, daß unser Text sioh hier mit einem Fragment des Nazaräerevangeliums (Bd. I, S. 95 Nr. 2) und einem anderen des Ebionäerevangeliums (Bd. I, S.103 Nr.4) berührt (vgl. Dobsohütz, a.a.O., S. 128:ff.). Eine Benutzung von zwei versohiedenen judenohristliohen Evangelien duroh die Praedioatio Pauli ist unwahrsoheinlioh. Vor allem aber ist kaum mehr als die Möglichkeit des Gebrauchs von judenohristliohen Evangelien festzustellen, da die Basis für weitergehende Hypothesen wirklioh zu sohmal ist. Die
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andere Angabe, daß Petrus und Paulus sich erst in Rom richtig kennengelernt hätten - frühere Begegnungen scheinen allerdings nach dem Text nicht ganz ausgeschlossen (quasi!) -, ist singulär. Auch hier läßt der kurze Text keine weitreichenden Schlüsse zu. Auch über Aufbau, Inhalt und Form dieser Praedicatio läßt sich nichts sagen. Nur das scheint sicher zu sein, daß die Schrift nichts mit dem Kerygma Petrou und nichts mit den Paulusakten zu tun hat. f) Eine Praedicatio Petri et Pauli (Predigt des Petrus und des Paulus) hat man aus einer Stelle bei Lactantius erschlossen. Er schreibt: "Aber er (sc. Jesus) hat ihnen (ac. den Jüngern) alles Zukünftige offenbart; das haben Petrus und Paulus in Rom gepredigt und diese Predigt ist zum Gedächtnis geschrieben geblieben. In ihr haben sie außer vielem anderen Wunderbaren auch gesagt, daß dieses in Zukunft geschehen würde, daß Gott nach kurzer Zeit einen König schicken würde, der die Juden bezwingen, ihre Städte dem Erdboden gleichmachen, sie selbst aber, durch Hunger und Durst aufgerieben, belagern würde. Dann würde es geschehen, daß sie sich von den Leibern der Ihrigen ernähren und sich gegenseitig verzehren würden. Zuletzt würden sie gefangen in die Hände der Feinde geraten und würden sehen, wie vor ihren Augen ihre Frauen schmählich mißhandelt, die Jungfrauen verletzt und geschändet, die Knaben verschleppt, die kleinen Kinder zu Boden geschleudert würden. Schließlich würde alles durch Feuer und Schwert verwüstet und sie würden als Gefangene auf ewig aus ihrem Land verbannt werden, deshalb, weil sie frohlockt hätten über den geliebtesten und angenehmsten Sohn Gottes" (Lact., divin. instit. IV 21,2-4; Dobschütz a.a.O., S.132 übersetzt den Schluß: "über den (geschmähten) geliebtesten Sohn Gottes, an welchem er Wohlgefallen hat"). Der Text steht bei Lactantius im Zusammenhang des Berichtes über die Himmelfahrt und den Befehl zur praedicatio evangelii. Jesus hat bei dieser Gelegenheit auch die Zukunft offenbart und nun wird in traditionell apokalyptischen Zügen diese Zukunft näher beschrieben (wobei Berichte über den jüdischen Krieg auch benutzt sein können). Aber La.ctantius sagt mit keinem Wort, daß er auf eine besondere Schrift zurückgreift. Jedenfalls sind alle Vermutungen über eine solche Praedicatio Petri et Pauli reine Hypothese, die keinerlei Anhalt haben. Vgl. Dobschütz, a.a.O., S. 131-134. g) Eine syrisch erhaltene Predigt des Simon Kepha in der Stadt Rom (hrsg. von W Cureton, Ancient Syriac Documents, 1864, S. 35-41) gehört kaum in unseren Zusammenhang. Sie ist ein spätes Werk, das zweifellos mit den Petrusakten zusammenhängt und durch allerlei andere Petruslegenden angereichert ist. Die dogmatischen Aussagen weisen diese ,Predigt' in das 5.Jh. Vgl. R.A.Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden II 1, 1887, S. 206f.; Bardenhewer I, S. 550. h) Schließlich sei noch bemerkt, daß einige erhaltene Texte, die sich als apostolische Briefe geben, hier nicht näher betrachtet zu werden brauchen, weil sie in einen anderen Zusammenhang gehören. So ist die apokryphe Korrespondenz des Paulus mit der Gemeinde in Korinth ein Teil der Acta Pauli gewesen, muß also trotz der Briefform als ein literarischer Kunstgriff des Verfassers der Paulusakten angesehen werden (vgl. dazu unten S. 234f.). Dasselbe gilt von der Epistula Petri, die zu den Kerygmata Petrou gehört (s. u. S. 63 ff.) und nicht davon getrennt werden kann. Die sogenannte Epistula Apostolorum (s. Bd. I, S. 126ff.) ist kein Brief, sondern ein Wechselgespräch Jesu mit seinen Jüngern nach der Auferstehung, gehört also einer bestimmten Gattung von Offenbarungsschriften an, auch wenn der Titel
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XII. Apostoli8che Pseudepigraphen
epistula apostolorum ursprünglich sein sollte (vgl. dazu C. Schmidt, Gespräche Jesu, TU 43,1919, S. 156ff.). Auch der sog. Barnabasbriefist kaum als Brief zu bezeichnen. "Brieflichen Charakter tragen eigentlich nur die Abschnitte 1 und 21,7-9" (H. Windisch, Hdb. z. NT, Ergbd. Die Apostolischen Väter III, 1920, S. 411). Im ganzen ist Ba,rn. ein theologischer Traktat, der sich nur einiger Briefelemente bedient.
1. DAS KERYGMA PETROU (W. Schneemelcher) LITERATUR. E. von Dobschütz, Das Kerygma Petri kritisch untersucht (TU XI, 1) 1893 (grundlegend). - Die Texte sind zusammengestellt bei Klostermann, Apokrypha I (KlT 3) 1933. - Harnack, Litgesch. I, S.25ff.; II 1, S.472ff. - R. Seeberg, Die Apologie des Aristides (Forsch. z. Gesch. d. ntl. Kanons V, 2) 1893, S. 216--220. - Hennecke in Hdb. S.239-247. - James, S. 16-18. - G. Quispel und R.M. Grant, Note on the Petrine Apocrypha (Vig. Chr. VI, 1952, S. 3lf.). 1. BEZEUGUNG UND ABFASSUNGSZEIT. Bei Clemens Alexandrinus finden wir eine Reihe von Zitaten aus einer Schrift 'Xf}I!V'Y/-tu Il87:l!oV (KP). Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß Clemens dieses Werk als von Petrus verfaßt ansieht. Jedenfalls zitiert er, ohne sich näher über Herkunft, Echtheit oder andere Probleme der Schrift auszulassen, aus ihm mit den Worten: "Petrus sagt in dem Kerygma" oder ähnlich. Die Zusammenhänge, in denen Clemens die Schrift zitiert, ergeben leider keinen Anhaltspunkt für Aufbau und Herkunft (vgl. die Analyse Henneckes in Handbuch S. 24lf.). Origenes teilt offensichtlich nicht mehr die hohe Meinung, die Clemens von dem KP hatte. Denn er zitiert in seinem Johanneskommentar (XIII 17) den Herakleon, der das KP benutzt habe, gibt aber dabei zu erkennen, daß er im Zweifel darüber ist, ob es "echt, unecht oder gemischt" sei. Die Ausführungen des Origenes an dieser Stelle (s. u. Frgm. 2 c) lassen es fraglich erscheinen, ob er überhaupt das KP selbst gekannt hat. Es wäre durchaus möglich, daß er hier nur wiedergibt, was er bei Herakleon gefunden hat. Jedenfalls gehört das KP für ihn nicht mehr zu den unbestrittenen Quellen christlicher Tradition. Dagegen wird durch die Stelle bei Origenes deutlich, daß der Gnostiker Herakleon (Mitte des 2.Jh.) davon Gebrauch gemacht hat, doch wohl in der Überzeugung, daß es sich bei dem KP um ein echtes PetrusWerk handele. Der Apologet Aristides scheint diese Schrift benutzt zu haben, zumindest lassen sich erhebliche Beziehungen zwischen seiner Apologie und dem KP aufzeigen (vgI. R. Seeberg und Dobschütz). Ob Theophilus von Antiochien von dem KP Gebrauch gemacht hat, ist nicht sicher, läßt sich aber annehmen (vgl. Quispel-Grant; wichtig v.a. die Beziehungen zwischen Fragment 2 und Theoph. ad Autol. I 10 und II 2). Allerdings wird das KP weder bei Aristides noch bei Theophilus genannt. Bei Euseb (h. e. m 3, 2) und Hieronymus (de vir. ill. 1) ist das KP endgültig zu den nichtkanonischen Schriften gerechnet. Die Bezeugung und vermutete Benutzung des KP weisen diese Schrift in das 2.Jh., und zwar in die erste Hälfte des Jh. Dobschütz setzt sie in die Zeit zwischen 80 und 140 (a. a. 0., S.67). Als Heimatland wird man wohl Ägypten anzunehmen haben, auch wenn diese Vermutung nicht stringent beweisbar ist. 2. TITEL. Der von Clemens bezeugte Titel Kf}I!V'Y/-tu Il87:l!oV ist wohl so zu verstehen, daß diese Schrift eine Zusammenfassung der Predigt des Petrus, d. h. aber doch wohl darüber hinaus der ganzen apostolischen Verkündigung sein will. Dabei ist 'Xf}l!vy/-tu sicher nicht als actus praedicandi zu verstehen, sondern soll den Inhalt andeuten: es geht um das von Petrus, als dem Repräsentanten der apostolischen Tätigkeit, verkündete und das Heil vermittelnde Evangelium 1 • Man würde daher den Titel zu eng interpretieren, wenn man 1
Zu 'Xf}I!V'Ypu vgl. G. Friedrich, Art.
'Xijl!v~ UBW.
in ThWtb III, S.682ff.
1. Das Kerygma Petrou
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ihn nur mit ,Missionspredigt des Petrus' wiedergibt (so Hennecke, .Apokr. 2, S. 144f.). Vielmehr kann man wohl den überlieferten Titel am besten übersetzen mit: ,Die Verkündigung des Petrus'. Damit ist nicht gesagt, daß das Werk von Petrus verfaßt sein wollte. Der Titel sagt darüber jedenfalls nichts aus. Es könnte sein, daß Petrus nur als Gewährsmann der apostolischen Predigt (er hat ohnehin offensichtlich oft im Plural geredet) in dem Titel genannt ist . .Andererseits ist natürlich die Möglichkeit, daß Petrus als Verfasser angesehen werden sollte, nicht ausgeschlossen . .Aus dem Titel geht weiter nichts hervor, was irgendwie auf das Verhältnis zum Markusevangelium bezogen werden könnte. Dobschütz (a.a.O., S. 68ff.) hat vermutet, daß das KP als bevugoc; J.6yoc; zum Markusevangelium geschrieben sei. .Aber weder Titel noch Inhalt der Fragmente lassen eine solche Hypothese zu. 3 . .AUFBAU UND INHALT. Die kümmerlichen Reste, die uns von dem KP überkommen sind, erlauben es nicht, irgendwelche präzisen .Aussagen über den .Aufbau dieses Werkes zu machen. Insbesondere kaml aus Frgm. 4 keinesfalls geschlossen werden, daß das KP auch einen Bericht über das Leben Jesu enthalten habe und daher als Parallele bzw. als Fortsetzung eines Evangeliums angelegt sei. Diese .Annahme ist überflüssig, da sowohl Frgm. 4 wie auch Frgm. 6 durchaus in dem Rahmen der Predigt des Petrus Platz haben können . .Angesichts dieser Sachlage mußte auf den Versuch, die Fragmente in ihrer vermutlichen ursprünglichen Reihenfolge wiederzugeben, von vornherein verzichtet werden. Sie werden in der .Anordnung, in der sie bei Clem . .Alex. auftauchen, geboten. .Auch über den Inhalt des ganzen Werkes läßt sich kaum etwas sagen, nur die erhaltenen Fragmente können interpretiert werden. Dabei ist aus Frgm. 1 natürlich nichts für Inhalt und Tendenz des KP zu erheben. Frgm. 2 dagegen zeigt, daß das KP Reden des Petrus enthalten hat, die in vielen Punkten an die apologetische Literatur erinnern. Es geht darin um die Verkündigung des einen Gottes, die .Abwehr des Polytheismus und die .Ablehnung der falschen jüdischen Gottesverehrung. Frgm. 3 und 4 scheinen zu einer Rede Jesu nach der .Auferstehung zu gehören, ohne daß damit gesagt wäre, daß diese Rede an den Anfang des Werkes gehört; ebensogut kann sie auch Teil eines Berichtes oder einer Predigt des Petrus gewesen sein. Ob Frgm. 5 zu dem KP gehört oder nicht, läßt sich nicht sicher sagen. Der Zusammenhang, in dem es bei Clem . .Alex. steht, deutet darauf, daß es zu dem KP gehört. Frgm. 6 zeigt, daß das Werk sich nicht auf allgemeine monotheistische und antipolytheistische .Ausführungen beschränkt hat, sondern auch christologische Partien enthielt, in denen die Schriftgemäßheit des Leidens und der .Auferstehung Jesu betont wurden. Einen ausführlichen Kommentar zu den einzelnen Fragmenten hat Dobschütz, a.a.O., S. 27-64 geliefert. Dobschütz hat gemeint, daß die Schrift "den Übergang von der altchristlichen zur apologetischen Literatur bezeichnet" (a.a.O., S.66). Diese Charakteristik ist insofern richtig, als tatsächlich erhebliche sachliche Berührungen mit den frühchristlichen .Apologeten (vor allem Aristides) vorliegen. Sie muß aber dahingehend eingeschränkt werden, daß diese Übereinstimmungen der Fragmente mit der .Apologetik des 2.Jh. nicht so verstanden werden dürfen, als ob bei den .Apologeten etwas völlig Neues auftauche, dieses Neue aber im KP zum ersten Male begegne. Es ist sicher kein Zufall, daß die wenigen Stellen in den erhaltenen Bruchstücken des KP, die man als .Anklänge an Evangelien ansehen kann, auf das Lukasevangelium hinweisen, und daß weiter auch gewisse Berührungen mit der .Apostelgeschichte des Lukas nicht zu übersehen sind. Weiter ist nicht zu übersehen, daß die monotheistische Predigt keineswegs erst eine apologetische Erscheinung ist, sondern offensichtlich schon für Paulus ein wesentlicher Bestandteil jeder christlichen Missionspredigt war (vgl. die Zusammenfassung 1. Thess.l, 9). Man wird also sagen müssen, daß die erhaltenen Fragmente des KP nur gewisse Tendenzen der frühchristlichen Missionspredigt in besonders ausgeprägter Weise zur Geltung gebracht baben und deshalb noch nicht zur apologetischen Literatur im strengen Sinn gereebnet werden müssen . .Andererseits hat eben die apologetische Theologie durchaus ihre Vorstufen in der frühchristlichen Verkündigung des 1. Jh. Die Bedeutung des KP scbeint nun darin zu liegen, daß wir hier ein
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XII. Apostolische Pseudepigraphen
Mittelglied in der Verkündigungstradition zu sehen haben zwischen der frühchristlichen Missionspredigt, wie sie etwa bei Lukas in der Apg. einen Niederschlag gefunden hat, und der griechischen Apologetik. Um so bedauerlicher ist es, daß nur so wenige Fragmente dieses wichtigen Dokumentes erhalten sind. 4. DAS KERYGMA PETRau UND ANDERE APOKRYPHE SCHRIFTEN. Man hat versucht, die geringe Zahl der Bruchstücke des KP durch einige andere angebliche Zitate aus diesem Werk zu erweitern. So erwähnt Origenes in dem Prolog zu De principiis (nur in lateinischer Übersetzung erhalten) eine doctrina Petri: Wenn aber jemand uns (einen Abschnitt) aus jenem Buch, das ,Lehre des Petrus' genannt wird, entgegenhalten will, wo der Heiland zu den Jüngern zu sagen scheint: ,Ich bin kein körperloser Dämon', so muß ihm zuerst geantwortet werden, daß dieses Buch nicht zu den Büchern der Kirche gerechnet wird, und weiter muß darauf hingewiesen werden, daß die Schrift weder von Petrus noch von irgendjemand anderem stammt, der von Gottes Geist inspiriert war. (Orig., De princ. praef. 8) Nun fällt zunächst auf, daß Origenes hier viel entschiedener als im Johanneskommentar (s. u. Frgm. 2 c) das von ihm genannte Werk ablehnt. Weiter muß doch wohl gefragt werden, ob doctrina in der Rufinschen Übersetzung wirklich das Wort KfJ(!vYfla wiedergibt, oder ob nicht vielmehr &i5aaxaÄta als griechisches Äquivalent anzusehen ist und daber hier eine andere Schrift als das KP gemeint ist. Schließlich ist das zitierte Jesuswort auch sonst überliefert: Von Ignatius (Smyrn. 3, lf.) gelangte es zu Euseb, und Hieronymus hat es - zu Unrecht - einem judenchristlichen Evangelium zugeschrieben (vgl. Vielhauer, Bd. I, S. 82f.). All das macht es sehr fraglich, ob Origenes hier wirklich sich auf das KP bezieht'. Das Problem wird nun noch weiter dadurch komplil'iert, daß es möglicherweise eine solche doctrina Petri gegeben hat. Jedenfalls begegnen uns bei Gregor von Nazianz und bei Johannes Damascenus Zitate aus einer &i5aaxaÄta IItr(!ov. Gregor von Nazianz zitiert zweimal ein Logion: Eine Seele, die sich abmüht, ist Gott nahe. (Gregor Naz., ep. 20; or. 17,5) In ep. 20 fügt er diesem Wort noch hinzu: "sagt irgendwo bewundernswerterweise Petrus". Elias von Kreta (12.Jh.) kommentiert diese Stelle mit dem Hinweis, daß das Wort aus der &i5axaÄta IItr(!ov sta=e (PG 36, 395). Nun kann man mit diesem "schönen, kernigen Dictum" (Dobschütz, S.109) nicht viel anfangen und auch der Hinweis des Elias von Kreta hilft nicht weiter, da nicht anzunehmen ist, daß er die genannte Schrift überhaupt gekannt hat. Ob das Wort also zu dem KP gehört hat oder ob es eine doctrina Petri gegeben hat und der Satz daher sta=t, läßt sich anhand dieses Zitates nicht sagen. In den Sacra Parallela des J ohannes Damascenus finden sich zwei Stellen, die in den Lemmata einer &i5aaxaÄta IItr(!ov zugeschrieben werden: Ich Unglückseliger bedachte nicht, daß Gott den Sinn sieht und auf die Sti=e der Seele achtet. Ich stimmte der Sünde zu, indem ich zu mir selbst sagte: Barmherzig ist Gott und wird mich tragen; und da ich nicht sogleich geschlagen wurde, hörte ich nicht auf, sondern verachtete noch mehr die Vergebung und erschöpfte Gottes Langmut. (Joh. Dam. bei Holl, TU XX 2, 1899, S. 233, Nr. 502) Reich ist jener, welcher sich vieler erbarmt und der in Nachahmung Gottes von dem gibt, was er hat. Denn Gott hat allen alles von dem, was er geschaffen hat, gegeben. Versteht (es) also, (ihr) Reichen, daß ihr dienen müßt, da ihr mehr empfangen habt, 1 Die bei Dobschütz a. a. 0., S. 84-105 erörterten Stellen Origenes, homo X in Lev. und Optatus Mil., de schism. Don. 15 lasse ich ganz beiseite. Sie haben sicher nichts mit dem KP zu tun.
1. Das Kerygma Petrou
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als ihr selbst braucht. Lernt, daß anderen fehlt, was ihr im Überf[uß habt. Schämt euch, das fremde Gut zu behalten. Ahmt Gottes Billigkeit nach, und niemand wird arm sein. (HolI, a.a.O., S. 233, Nr. 503) Nun sind diese beiden Texte so allgemein - es sind Bußmahnungen, wie sie in christlicher Literatur häufig begegnen -, daß es kaum möglich sein wird, sie irgendeinem bestimmten altchristlichen Werk zuzuweisen. Dobschütz hat (a.a.O., S. 110--121) vermutet, daß sie aus einer Schrift des Petrus von Alexandrien stammen. Aber diese Hypothese ist ebenso unbeweisbar wie die, daß die hier genannte doctrina Petri mit dem KP des Clemens .Alex. identisch sei. TEXTE I. a) In der ,Predigt des Petrus' findet man den Herren Gesetz und Wort (Logos) genannt. (Clem. .Alex., Strom. 129, 182; Dobschütz Nr. Ia) b) Petrus nannte in der ,Predigt' den Herren Gesetz und Wort (Logos). (Clem . .Alex., Strom. Ir 15, 68; Dobschütz Nr. Ib) sa.gt.
c) Gesetz und Wort (Logos) wird der Herr selbst genannt, wie Petrus in der ,Predigt' (Clem . .Alex., Ecl. proph. 58; Dobschütz Nr. Ic)
2. a) Daß aber die angesehensten der Griechen (von) Gott nicht in rechter Erkenntnis, sondern (nur) in Umschreibung wissen, das sagt Petrus in der ,Predigt': Erkennet nun, daß es ein e n Gott gibt, der den Anfang aller Dinge schuf und der die Macht hat, ein Ende zu setzen; und: Der Unsichtbare, der alles sieht, der Unfaßbare, der alles umfaßt, der Bedürfnislose, dessen alles bedarf und um dessentwillen es da ist; der Unbegreifliche, der Immerwährende, der Unvergängliche, der Ungeschaffene, der alles durch das Wort seiner Macht geschaffen haP (die durch die Schrift erkennbar ist, das heißt durch den Sohn)2. Darauf fährt er fort: Diesen Gott verehrt nicht in der Weise der Griechen; womit offenbar gesagt sein soll, daß auch die bei den Griechen Angesehenen denselben Gott wie wir verehren, aber nicht in vollkommener Erkenntnis, da sie die Überlieferung durch den Sohn nicht kennengelernt haben. Er sagt also: ,Verehrt nicht!' Nicht sagt er: ,den Gott, den die Griechen (verehren)'; sondern: ,(verehrt) nicht nach der Weise der Griechen'. Damit gibt er der Art der Verehrung Gottes eine andere Richtung, verkündet aber nicht einen anderen (Gott). Was nun das ,nicht nach der Weise der Griechen' bedeutet, das macht Petrus selbst klar, indem er hinzufügt: Denn durch Unwissenheit getrieben und ohne Gott zu kennen - wie wir gemäß der vollkommenen Gnosis 3 -, haben sie das, worüber er ihnen Verfügungsgewalt zum Gebrauch gegeben hat, (nämlich) Holz und Steine, Erz und Eisen, Gold und Silber zu Gestalten geformt und haben, indem sie deren Materie und ihren Gebrauch Vgl. Hebr. 1, 3. • Die eingeklammerten Worte sind wohl Zusatz des Clemens. Die Übersetzung beruht auf einer Konjektur Früchtels. 3 wie - Gnosis: Zusatz des Clemens? 1
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XII. Apostolische Pseudepigraphen
vergaßen, das, was der Existenz dienen sollte, (als Götter) aufgestellt und verehren es; auch das, was Gott ihnen zur Nahrung gegeben hat, die Vögel in der Luft und die Schwimmtiere des Meeres, die Kriechtiere der Erde mit den vierfüßigen Tieren des Feldes, Wiesel und Mäuse, Katzen, Hunde und Affen; und das, was ihnen zur Speise dienen sollte, opfern sie den verspeisbaren (Tieren), und indem sie Toten Totes darbringen, als wären sie Götter, sind sie Gott gegenüber undankbar, da sie dadurch leugnen, daß er existiert!. Und da er meint, daß wir selbst und die Griechen denselben Gott erkannt haben, wenn auch nicht in gleicher Weise, fügt er folgendes hinzu:
Verehrt ihn aber auch nicht in der Weise der Juden; denn auch jene, die da meinen, allein Gott zu kennen, verstehen nicht, indem sie Engel und Erzengel, Monate und Mond verehren 2. Und wenn der Mond nicht scheint, feiern sie den sogenannten ersten Sabbat nicht, auch feiern sie nicht Neumond, das Fest der ungesäuerten Brote, das (Laubhütten-) Fest und den großen' Tag (Versöhnungsfest). Dann fügt er seiner Untersuchung den Schlußstein ein:
So lernt auch ihr fromm und gerecht das, was wir euch überliefern, und bewahrt es, indem ihr Gott durch Christus auf neue Weise verehrt. Denn wir haben in den Schriften gefunden, wie der Herr sagt: ,Siehe ich errichte euch einen neuen Bund, nicht wie ich (einen) geschlossen habe mit euren Vätern auf dem Berge Horeb'3. Einen neuen hat er uns gesetzt. Denn das, was Griechen und Juden betrifft, ist alt, wir aber sind die Christen, die ihn als drittes Geschlecht auf neue Weise verehren. (elem. Alex., Strom. VI 5, 39-41; Dobschütz Nr. IIa; lIla; IVa; V)
b) Denn wirklich Einer ist Gott, der den Anfang aller Dinge geschaffen hat, schreibt Petrus, indem er (damit) auf den erstgeborenen Sohn hinweist, da er genau das Wort versteht: Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde'. (elem. Alex., Strom. VI 7, 58; Dobschütz Nr. IIb) c) Viel nun wäre anzuführen von den von Herakleon aus dem sogenannten ,Kerygma des Petrus' zitierten Worten und zu ihnen Untersuchungen anzustellen auch über das Buch, ob es echt, unecht oder gemischt sei . .Aber gerade deshalb wollen wir es gern übergehen und nur darauf verweisen, daß er angibt, Petrus habe gelehrt: man solle nicht in der Weise der Griechen (Gott) verehren, die die materiellen Dinge nehmen und Holz und Steinen dienen . .Auch solle man nicht das Göttliche in der Weise der Juden verehren, da ja sie, die glauben, Gott allein zu kennen, ihn vielmehr nicht kennen und Engel, Monat und Mond verehren. (Origenes, in Joh. XIII 17; Dobschütz Nr. IIIb) 3. Deshalb berichtet Petrus, daß der Herr den .Aposteln gesagt habe:
Wenn nun einer aus Israel Buße tun und durch meinen Namen an Gott glauben will, so werden ihm die Sünden vergeben werden 5 • Nach 12 Jahren (aber) geht hinaus in die Welt, damit nicht jemand sage: ,Wir haben (es) nicht gehört's. (elem. Alex., Strom. VI 5, 43; Dobschütz Nr. VI) 1 Vgl. zu dem ganzen .Abschnitt Theophilus ad .Autol. I 10 und II 2, sowie die .Anmerkungen dazu in Sources ehret. 20, 1948, S. 81 und S. 97. 2 Vgl. GaI. 4, 10; KoI. 2,16.18. , 1. Mose 1, 1. S VgI. Jer. 31 (38), 3lf.; 5. MOB. 29, 1. 6 Zu den 12 Jahren vgI. W. Bauer o. S. 18 f. 5 VgI. Luk. 24, 47;.AG 5, 31; 10,43.
2. Die Kerygmata PetrO'U
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4. Darum. (sc. um gleich ein Beispiel anzuführen) sagt der Herr in der ,Predigt des Petrus' zu seinen Jüngern nach der Auferstehung:
Ich habe euch Zwölf auserwählt!, weil ich euch für meiner würdige Jünger hielt (die der Herr wollte)!. Und ich sende die, von denen ich überzeugt war, daß sie treue Apostel sein werden, in die Welt, um den Menschen in der ganzen Welt die frohe Botschaft zu verkünden, daß sie erkennen, es sei (nur) ein Gott, und durch den Glauben an mich (Christus) das Zukünftige zu offenbaren, auf daß, die hören und glauben, gerettet werden 3 , die aber, die nicht glauben, bezeugen, es gehört zu haben, und nicht zu ihrer Entschuldigung sagen können: ,wir haben nicht gehört'. (Clem. Alex., Strom. VI 6, 48; Dobschütz Nr. VII)
5. über alle vernünftigen Seelen aber ist von Anfang an gesagt: Alle Sünden, die auch immer einer von euch in Unwissenheit getan hat, da er Gott nicht genau kannte, werden ihm, wenn er (Gott) erkennt und Buße tut, vergeben werden". (Clem. Alex., Strom. VI 6, 48; Dobschütz Nr. VIII) 6. Darum sagt auch Petrus in dem ,Kerygma' den Aposteln folgendes:
Wir aber schlugen die Bücher der Propheten auf 5, die wir hatten, die teils in Gleichnissen, teils in Rätseln, teils zuverlässig und mit klaren Worten den Christus J esus nennen, und fanden auch sein Kommen, seinen Tod, sein Kreuz und alle übrigen Strafen, welche ihm die Juden angetan haben, seine Auferweckung und seine Aufnahme in den Himmel vor der Gründung (1 besser wohl: vor der Zerstörung) Jerusalems, wie dieses alles aufgeschrieben war, was er leiden mußte und was nach ihm sein werde 6. Da wir das nun erkannten, glaubten wir Gott durch das, was geschrieben ist (als Hinweis) auf ihn. Und etwas später fügt er wiederum folgendes hinzu, indem er darlegt, daß die Weissagungen durch göttliche Vorsehung geschehen sind:
Denn wir erkannten, daß Gott es wirklich angeordnet hat und nichts sagen wir ohne die Schrift. (Clem. Alex., Strom. VI 15, 128; Dobschütz Nr. IX und X) 2. DIE KERYGMATA PETROU* (G. Strecker)
1. LITERATUR. Die Literatur ist weitestgehend gesammelt bei G. Strecker, Das Judenchristentum in den Pseudoklementinen, (TU 70), 1958. Dazu sind noch zu vergleichen: O. Cullmann, •0 &n{aw p.ov eeX6p.övor;, Coniect. Neotestament. XI (in honorem A. Fridrichsen), 1947, S. 26-32; A. Salles, La diatribe antipaulinienne dans le "Roman pseudoclemenVgl. Luk. 6, 13; Joh. 6, 70. B die der Herr wollte: Zusatz des Clemens? Vgl. Rm. 10, 14f. ' Vgl. AG 3,17; 17,30. 6 Vgl. 1. Petr. 1, 10-12. 6 Vgl. 1. Petr. 1, 11. * Im Folgenden werden folgende Abkürzungen ständig gebraucht: Cont. = Contestatio (LftapaeTVela); Ep. P. = Epistula Petri (Ep. P. und Cont. = in der griechischen Rezension des Klemensromans überlieferte Einleitungsschriften) ; G = pseudoklementinische Grundschrift (aus Hund R rekonstruierbar); H = Homilien (erste, griechische Rezension des KIemensromans, ed. B. Rehm, GCS 42,1953); Kll = KTJevyp.aTa lltreov; llll = lled,ötr; lltreov; R = Rekognitionen (zweite Rezension des Klemensromans, ursprünglich griechisch, in der lateinischen Übersetzung Rutins vorliegend, ed. E. G. Gersdorf, 1838). Zu den Einleitungsfragen s. auch Irmscher, u. S.373ft'. 1
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XII. Apostolische Pseudepigraphen
tin" et l'origine des "Kerygmes de Pierre", RevBibl64, 1957, S. 516-551; H.J. Schoeps, Bemerkungen zu Reinkarnationsvorstellungen der Gnosis, Numen 4, 1957, S.228-232; A. Salles, Simon le Magicien ou Marcion, VigChr 12, 1958, S. 197-224; G. Quispel, L'Evangile selon Thomas et les CIementines, VigChr 12, 1958, S. 181-196 (gegen die hier vorgetragenen Thesen vgl. E. Haenchen in Theol. Rundseh., NF 27,1960, S. 162ff., bes. 165. 168; s. auch B.Gärtner, The Theology of the Gospel of Thomas, London 1961, S.61ff.); H.J. Schoeps, Die Pseudo-Klementinen und das Urchristentum, Ztschr. f. Religions- und Geistesgesch. 10, 1958, S. 3-15; ders., Das Judenchristentum in den Pseudoklementinen, ebd. 11,1959, S. 72-77; ders., Ebionitische Apokalyptik im NT, ZNW 51, 1960, S.101-111; G. Strecker, Artikel "Ebioniten" in RAC IV, Sp. 487-500; ders., Nachtrag zu W. Bauer, Rechtgläubigkeit und Ketzerei (in Vorbereitung). 2. FORSCHUNGSGESCHICHTE. Die Frage nach den judenchristlichen Elementen steht seit Ferdinand Christian Baur (Die Christuspartei in der korinthischen Gemeinde, Tüb. Zeitsehr. f. Theol. 1831, 76ff.) im Mittelpunkt des Interesses an den Pseudoklementinen. Die sog. (jüngere) Tübinger Schule nennt den Klemensroman als Zeugen für die These von der Entstehung der katholischen Kirche aus Petrinismus und Paulinismus. Danach ist die judenchristliehe Färbung der Ausdruck eines Ebionitismus, der trotz seiner antipaulinischen Haltung vom Paulinismus die universalistische Tendenz übernommen hat und so eine in Richtung auf den Katholizismus entwickelte Stufe des ebionitischen Denkens darstellt. Die Folgezeit verband mit der Frage nach Gestalt und Bedeutung des pseudoklementinisehen Judenchristentums eine gegenüber den Tübingern stärkere Berücksichtigung der literarkritischen Einordnung in den Klemensroman: AdolfHilgenfeld (Die clementinisehen Recognitionen und Homilien nach ihrem Ursprung dargestellt, Jena 1848) rekonstruiert nach dem "Inhaltsverzeichnis" in R III 75 aus R I 27-72 eine judenchristliehe Quellenschrift, die ursprünglich mit der Epistula Petri und der Contestatio verbunden war und K1)eVYfla7:a IIheov genannt wird. Das Judenchristentum der Kerygmen war den Essenern verwandt. Daran schlossen sich weitere ebionitische Bearbeitungen (R II-III, R IV-VII und R VIII-X). Als letzter rezensiert der Homilist den so zusammengewachsenen Roman und gibt ihm eine antimarkionitische Ausrichtung. Gerhard Uhlhorn (Die Homilien und Recognitionen des Clemens Romanus, Göttingen 1848) hält gegen Hilgenfeld die Homilien gegenüber den Rekognitionen für primär. Doch muß er an einigen Stellen den Ursprünglichkeitscharakter der Rekognitionen anerkennen. So wird er zu der Annahme einer pseudoklementinischen Grundschrift gedrängt, die dem Homilisten und dem außerdem die Homilien benutzenden Rekognitionisten vorgelegen hat. Grundschrift und Homilien repräsentieren ein Judenchristentum, das in seiner letzten Wurzel auf den Elkesaitismus zurückreicht. Dagegen tritt in den Rekognitionen das judenchristliehe Element in den Hintergrund. Richard Adelbert Lipsius (Die Quellen der römischen Petrussage, Kiel 1872) hatte die Existenz von ebionitischen IIea;su; IIheov behauptet, die die Auseinandersetzungen zwischen Petrus und dem Magier Simon von Palästina bis nach Rom darstellten und dem Grundschriftverfasser durch die gleichfalls ebionitischen Kerygmen zugänglich gewesen sein sollen. Demgegenüber scheidet Hans Waitz (Die Pseudoklementinen, Homilien und Rekognitionen, Leipzig 1904) zum erstenmal deutlich zwischen katholischen und judenchristlichen Vorlagen im Klemensroman: Der Grundschriftautor benutzte eine katholischantignostische Quelle in den IIea;w; IIheov, eine judenchristlich-antipaulinische unabhängig davon in denKerygmen. Die KII-Quellefand in einer vonMarkioniten überarbeiteten Form in die Grundschrift Eingang. Ursprünglich selbständig war das (nach R III 75) "siebte Buch" der Kerygmen R I 54-69, das Jerusalemer Disputationen der Apostel mit den Juden schilderte. Die echten Kerygmen sind ein Produkt des synkretistischen Judenchristentums, ihr Verfasser war seiner Herkunft nach Elkesait. Eine Rückwendung zur Tübinger Schule in der neueren Zeit wird durch die Namen Cullmann und Schoeps gekennzeichnet. Oscar Cullmann (Le probleme litteraire et historique du roman Pseudo-Clementin, Paris 1930) versteht dieIIII-Schrift als IIselor5ot IIheov,
2. Die Kerygmata Petrou
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die er literargeschichtlich zwischen Kerygmen und Grundschrift einordnet. Er sieht die Kll-Schrift im Einflußbereich der jüdischen Gnosis und der Täufersekten stehen. Zu den frühesten literarischen Äußerungen des Urchristentums lassen sich von hier aus zahlreiche Parallelen aufzeigen, die durch den Rückgang auf ein der Urgemeinde und den Kerygmen gemeinsames Milieu ihre Erklärung finden. Hans Joachim Schoeps zieht für die Darstellung der "Theologie und Geschichte des Judenchristentums" (Tübingen 1949) wesentlich den pseudoklementinischen Roman heran. Die Kll-Quelle, die über Waitz hinausgehend auf Grund von R III 75 zu rekonstruieren ist, ist im Kampf gegen die markionitische Gnosis entstanden und verteidigt darin urgemeindliche Traditionen. Damit verbindet sie essäisches Gedankengut. Schoeps sucht aus den Kerygmen noch weiter zurückliegende literarische Einheiten zu erschließen; als solche werden ein Kommentar des Symmachus zum Ebionitenevangelium genannt, ferner "Ebionitische Apostelakten", die mit der Darstellung der Vorgänge in Jerusalem nach R I 27-72 eine judenchristliche Schilderung der Konversion des Saulus und anderes antipaulinisches Material vereinten. Wurde auf diese Weise eine enge Beziehung zwischen dem pseudoklementinischen Schriftenkreis und dem Urchristentum behauptet und damit den Klementinen eine Bedeutung zuerkannt, wie dies bisber nur bei den Tübingern der Fall gewesen war, so blieb auf der anderen Seite der Gegenschlag nicht aus. Schon John Chapman (On theDate ofthe Clementines, ZNW 9, 1908, S.2Iff., I47ff.) hatte das Vorhandensein von ebionitischen Elementen in den Klementinen bestritten, und Eduard S ch wartz (Unzeitgemäße Betrach" tungen zu den Clementinen, ZNW 31, 1932, S. I51ff.) verstärkte die negativ-kritische Position durch den Hinweis auf parallele literarische Erscheinungen in den griechischen Romanen. Bernhard Rehm (Zur Entstehung der pseudoclementiniscben Schriften, ZNW 37, 1938, 77ff.) bemühte sich in besonderer Weise um eine Fundierung der kritischen Forschungsrichtung, indem er in der quellenana.lytiscben Beurteilung auf Uhlhorn zurückging und für den Rekognitionisten eine ooppelte Abhängigkeit, sowohl von der Grundschrift wie a.uch von den Homilien, a.nnahm. Ebionitische Elemente in den Klementinen werden nicht geleugnet, aber Rehm versteht sie auf Grund seines quellenkritischen Ansatzes als Interpolationen, die in die Homilien eindra.ngen und von hier aus auch die Rekognitionen beeinflußten; denn dem orthodoxen Rekognitionisten gelang es nur unvollkommen, durch Auslassungen und Glättungen den recbtgläubigen Charakter des Klemensromans wiederberzustellen. Das Inhaltsverzeichnis R III 75 ist fingiert und kann nicht zur Rekonstruktion der judenchristlichen Bestandteile benutzt werden; jedoch sind die ebionitischen Einfügungen an ihrem sprachlichen Stil zu erkennen und danach die Einleitungsschreiben (Ep. P., Cont.), das Jakobusmotiv in H XI 35, 3-36,1 par., der antipauliniscbe Abschnitt H XVII 13-19 und anderes mehr als ebionitisch auszuweisen. 3. AUSGANGSPUNKT DER REKONSTRUKTION. Das Vorhandensein von judenchristlichen Bestandteilen in den Pseudoklementinen wird seit Rehms Untersuchung nicht mehr bezweifelt. Umstritten ist dagegen die literargescbichtlicbe Einordnung. Sie bat von der Bestimmung des Verhältnisses der beiden Rezensionen H und R zueinander und zur Grundschrift auszugehen. Da Rehms Versucb, die doppelte Abhängigkeit der Rekognitionen von G und H nachzuweisen, als mißlungen angesehen werden muß (s. Strecker, 11..30.0., S. 35ff.), ist als das Wahrscheinlichere anzunehmen, daß Hund R unabhängig voneinander auf die Grundschrift zurückführen. Auf Grund dieses quellenanalytischen Ausgangspunktes läßt sich aus der Tatsache, daß Hund R judenchristliches Gedankengut über· liefern, erschließen, daß schon die Grundschrift judenchristliche Elemente enthielt. Der Grundschriftverfasser hat die genuinen "Ebionitismen" nicht selbst geschaffen. Von ihm stammt die Epistula Clementis, die nach der judenchristlichen Epistula Petri gearbeitet wurde. Hat aber der Petrusbrief dem Grundscbriftautor vorgelegen, dann ist dies auch für die der Epistula Petri nachgestellte Contestatio anzunehmen und ferner für alle juden. christlichen Bestandteile der Klementinen, die mit der Epistula Petri und der Contestatio eine Einheit bilden. Entsprechend der Erwähnung in Ep. P. 1,2; Cont. 1, 1 u.ö. trägt diese Qnellenschrift den Namen KTjl!vy/wTa llb:l!ov. 5 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
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XII. Apostolische Pseudepigraphen
Wenn R III 75, das sog. Inhaltsverzeichnis der Kerygmen, (mit Rehm) als literarische Fiktion zu erkennen ist, ist zur Rekonstruktion der Kll-Quelle nur von den Einleitungsschreiben Epistula Petri und Contestatio auszugehen, indem von hier aus auf Grund begrifflicher und sachlicher Parallelen die gleichgerichteten Zusammenhänge in den Pseudoklementinen isoliert werden. Freilich werden dabei stets nur Teile der Grundschrift erfaßt; die Aussagen über die Kerygmen sind nicht gänzlich von ihrer Relativierung durch Auswahl und Eingriff des Grundschriftverfassers zu lösen. Dieser Rekonstruktionsansatz erlaubt es nicht, den Abschnitt R I 33--44, 2 und 53, 4b-71 mit den Kerygmen zu verbinden. Da er gegenüber den Kll einen selbständigen Charakter hat, ist er als eine zweite judenchristliche Quellenschrift anzusehen, die der Grundschriftverfasser neben seinen übrigen Vorlagen verarbeitete. Diese Schrift enthielt einen heilsgeschichtlichen Abriß - von Abraham bis zur Gemeinde in Jerusalem -, Disputationen der zwölf Apostel und des Jakobus mit den Parteiungen des Judentums und eine Auseinandersetzung mit Paulus. Wegen der Parallelität zu den' Avaßa{}p,ol ' Iaxwßov nach Epiphanius (= AJ I; Epiph. haer.30, 16, 6-9), mit denen sie einen Grundstock (= AJ) gemeinsam hat, ist ihre Bezeichnung AJII-Quelle (vgl. dazu Strecker, a.a.O., S. 221ff.). 4. INHALT. Der Kll-Schrift waren die Epistula Petri und die Contestatio vorangestellt. Nach Angaben der Epistula Petri übersendet Petrus die Bücher seiner Kerygmen dem "Bischof" Jakobus und bittet um besondere Vorsichtsmaßregeln bei ihrer Weitergabe, um der Verfälschung seiner Lehre durch die Anhänger des "feindlichen Menschen" zu wehren. Die folgende Contestatio schildert die Bekanntgabe des Briefes vor den siebzig Presbytern und die Festsetzung der geforderten Kautelen, darunter den Wortlaut des Verpflichtungsgelübdes. An der Fiktion der Einleitungsschriften kann kein Zweifel bestehen. Nicht nur die Angaben über Absender und Empfänger sind fingiert, vielmehr zeigt sich dieselbe literarische Tendenz in dem archaisierenden Stil; sie bestimmt u.a. auch die Erwähnung des Kollegiums der Siebzig in der Jerusalemer Gemeinde (Ep. P. 2,1; Cont. 1, Iff. nach Lk. 10, 1; 4. Mos. 11,25; vgl. Ep. P. 1,2), die Forderung einer sechsjährigen Probezeit (Cont. 1,2), das im folgenden faktisch wieder aufgehobene Verbot zu schwören (vgl. Cont. 1,2 gegen 4,3). Doch kommt in den literarischen Motiven das eigentliche Anliegen des Verfassers zum Ausdruck. Die Einleitungsschreiben wollen das Interesse des Lesers herve rrufen und den Anspruch begründen, den die "Verkündigung des Petrus" erhebt. Schon Moses hat das "Wort der Wahrheit" kundgetan, und durch Jesus wurde es bestätigt (Ep. P. 2, 5, vgl. 2,2). Jetzt bezeugt Petrus gegenüber der "gesetzlcsen Lehre" des "feindlichen Menschen" das wahre "gesetzliche Kerygma" (Ep. P. 2, 3). Beispielhaft ist die Tradition der Juden; diese haben eine einheitliche Auslegungsnorm bewahrt, die auch gegenüber den "vieldeutigen Stimmen der (Schrift-)Propheten" angewandt wird, und können darin den Christen zum Vorbild dienen (Ep. P. 1, 3ff.). - Solche Aussagen lassen die Umrisse eines theologischen Systems erkennen, das im folgenden auf Grund der ursprünglichen Kll-Abschnitte innerhalb der Grundschrift zu präzisieren ist. Die beherrschende Größe ist in den Kerygmen "der wahre Prophet" (vgl. vor allem H III 17-28), der Träger der göttlichen Offenbarung, der sich seit Anfang der Welt in einer fortdauernden Reihe von wechselnden Gestalten manifestiert (H III 20, 2). Adam stellt die erste Inkarnation "des Propheten" dar; er wurde mit dem Öl des Lebensbaumes gesalbt (R I 47) und besitzt den Geist Gottes (H III 17, 3); er hat daher entgegen dem Bericht in 1. Mose keine Sünde getan (H III 17. 21, 2; II 52, 2). Neben ihm werden als Offenbarungsformen des wahren Propheten der Gesetzgeber Moses (H II 52, 3) und der Kyrios Jesus hervorgehoben (H IU 17-19; vgl. Ep. P. 2, 5). Der wahre Prophet hat die Aufgabe, die "gesetzliche Gnosis" zu verkünden, die den Weg zum zukünftigen .Äon weist (H XI 19, 3). Als Gegenspielerin des wahren Propheten tritt die weibliche Prophetie auf (vgl. auch H U 15-17); sie begleitet ihn als negative, linke Syzygienpartnerin auf seinem Gang durch die Zeit. Ihre erste Repräsentantin ist die Menschheitsmutter Eva, die mit Adam zugleich
2. Die Kerygmata Petrou
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geschaffen wurde (H III 22. 25). Was sie verkündigt, entspricht dem vergänglichen Kosmos (H II 15, 2); sie maßt sich den Besitz der Gnosis an, aber führt alle, die ihr folgen, in den Irrtum und in den Tod (H III 24, 3f.). Die Gnosis, die der wahre Prophet den Menschen bringt, wird mit dem Gesetz identifiziert (zum folgenden: H II 37-52; III 39. (42).43-56; H XVI 5-15 ~ R II 38-46). Schon Adam lehrte ein ewiges Gesetz (HVIII 10, 3). Es ist mit dem Gesetz Moses' identisch. Moses überlieferte es mündlich den siebzig Ältesten (H III 47,1). So ist es auf der "Kathedra Moses'" durch die Zeiten hindurch bewahrt worden (Ep. P. 1, 2ff.). Nun ruht es in den Händen der Pharisäer und Schriftgelehrten, auf die Jesus ausdrücklich hingewiesen hat (Mt. 23, 2f.). Aber die Repräsentanten des Judentums haben in der Weitergabe versagt (Mt. 23, 13). Daher ist die Sendung des wahren Propheten notwendig geworden (H III 18f.). Er zeigt die falschen Perikopen an (H III 49, 2), die bei der schriftlichen Niederlegung des Gesetzes in den Pentateuch eingearbeitet wurden (H II 38, 1). Wer durch ihn belehrt ist, vermag zu erkennen, daß jene Schriftstellen, die von Gott als einem mit menschlichen Leidenschaften behafteten Wesen sprechen, nicht ursprünglich sein können (H II 43f.; III 39. 43ff.), ebenso nicht jene Perikopen, die von vielen Göttern reden (H XVI 5ff.). Auch ein Teil der Aussprüche der alttestamentlichen Propheten (Ep. P. 1, 4; H III 53, 2), die Erwähnungen des Opfers (H II 44, 2; III 52,1), des Tempels (H II 44, lf.) und des Königtums (H III 52, 1; 53,2) sind zu den gefälschten Bestandteilen der Schrift zu zählen. Die Konsequenz der "gesetzlichen Verkündigung" des wahren Propheten ist ein Antipaulinismus, wie ihn die Kerygmen direkt oder indirekt ausgesprochen haben (vgl. H II 15-17; H XI 35, 3-6 ~ R IV 34, 5-35, 2; H XVII 13-19). Die betreffenden Aussagen sind in der Grundschrift zwar gegen Simon Magus gewendet und auf diese Weise verdeckt; durch Anspielungen auf paulinische Briefzitate, vor allem auf die Auseinandersetzung zwischen Paulus und Petrus in Antiochia (Gal. 2, llff.: H XVII 19), durch die unzutreffende Bezeichnung des Magiers als Heidenmissionar (H II 17, 3; XI 35,4-6), nicht zu· letzt durch die kaum verhüllte Stellungnahme der Epistula Petri (2, 3f.) sind sie jedoch für die KII- Quelle als gegen Paulus gerichtet ausgewiesen. Paulus ist der Gegenspieler des Petrus; beide waren als letztes Paar der Syzygienreihe genannt, Paulus darin als Vertreter der weiblichen Prophetie (H II 17, 3). Einen polemischen Akzent hat auch die Diskussion über die Offenbarung, in der die Möglichkeit echter Visionen bestritten (vgl. Apg.9; Gal. 2, 2; 1. Kor. 15,8; 2. Kor. 12, Iff.) und demgegenüber die wahre Apostolizität des Petrus durch die Verheißung Jesu (Mt. 16, 17) begründet wird (H XVII 18f.). Aus der Tatsache, daß Jesus nur zwölf Apostel erwählte, ist zu folgern, daß Paulus sich nicht zu Recht Apostel nennt (vgl. R IV 35). Da seine Verkündigung von der Auflösung des Gesetzes überdies nicht durch Jakobus approbiert sein kann, ist sie als Irrlehre zu erkennen (vgl. H XI 35,4-6; Ep. P. 2, 3f.). Eine Bekräftigung dieses Standpunktes stellt die Tauflehre dar (vgl. dazu H XI 21-33 ~ R IV 6-14). Der KII-Verfasser schließt sich dem christlich-gnostischen Vorstellungskreis an: In der Taufe vollzieht sich die "Wiedergeburt" (H XI 26, 1), indem durch "lebendiges Wasser" (H XI 26,4) die "Gottebenbildlichkeit" erlangt wird (H XI 27, 2). Der Schwerpunkt der Tauflehre liegt jedoch auf der Forderung guter Werke: das mit dem Taufwasser verbundene Pneuma hat die Aufgabe, die guten Werke der Getauften als Geschenke zu Gott emporzutragen (H XI 26, 3). Betont wird die Mahnung an die Täuflinge, in Analogie zu den während der Zeit der "Unwissenheit" begangenen Sünden gute Werke zu vollbringen. Die Paränese gründet sich auf die Anweisungen der Bergpredigt (Mt. 5: H XI 32, 1). Darüber hinaus wird die Beobachtung des jüdischen Reinheitsgesetzes verlangt (H XI 28 ff.). Die Forderungen wenden sich allgemein an Juden und Heiden und entsprechen darin der auch sonst bezeugten universalistischen Tendenz der Kerygmen (vgl. Ep. P. 2,3u.ö.). 5. RELIGIONSGESCmCHTLIOHE STELLUNG. Der religionsgeschichtliche Standort der KIIQuelle läßt sich trotz ihres literarischen Rahmens annähernd erkennen. Das Milieu, in dem diese Schrift entstanden ist, setzt gnostische Beeinflussung voraus. Darauf führen 5*
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XII. Apostolische Pseudepigraphen
die anthropologischen Aussagen (z.B. H III 27,3; 28, lf.). Gnostische Elemente enthält die Taufterminologie. Der Gestaltwandel des wahren Propheten hat in der gnostischen Literatur Parallelen. Auf einen gnostischen Hintergrund weist auch der die gesamten Kerygmen bestimmende Dualismus zweier Prophetien nach seiner substanzhaft-kosmologischen Seite (vgl. H II 15, 3; XIX 23,3). Daneben finden sich enge Berührungen mit dem Judentum. Daß der Kil- Verfasser mit der jüdischen Theologie Kontakt hatte, wird schon aus seiner betont positiven Würdigung der Mosesreligion (Ep. P. 1, 2ff.) hervorgehen. Doch lassen sich auch sachliche Zusammenhänge konstatieren: Für die rationale Begründung der Falscheperikopentheorie (H II 40,1: "Alles, was gegen Gott gesagt oder geschrieben ist, ist Lüge") bieten ähnliche Tendenzen der Schriftinterpretation im Spätjudentum, besonders in den Targumim, nahe Parallelen. Freilich ist die Radikalität der Kerygmen nicht mehr von jüdischen Voraussetzungen aus zu verstehen, sondern ähnlich nur in gnostischem Bereich belegt (vgl. z. B. Ptolemäus ad Floram 4, lf.). Sind hier Elemente jüdischen Ursprungs unter gnostischem Einfluß verarbeitet worden, so interpretiert andererseits der Nomismus der Kerygmen den ursprünglich gnostischen Dualismus in jüdischer bzw. judenchristlicher Sicht: der Gegensatz zweier kosmischer Prinzipien wird als Gegensatz zwischen dem wahren Propheten, dessen Verkündigungsinhalt das Gesetz ist, und der weiblichen Prophetie, die die Auflösung des Gesetzes lehrt, gedeutet (H III 23, 3). Jüdische bzw. judenchristliche Umgebung bestimmt auch die Einzelanweisungen des wahren Propheten, etwa in den zeremonialgesetzlichen Forderungen der Taufparänese. Mit Sicherheit aus judenchristlicher Tradition stammt der Antipaulinismus, der für verschiedenartige judenchristliche Gruppen belegt ist ("Ebionäer" : Iren. haer. I 26, 2; "Kerinthianer": Epiph. haer. 28,5,3; "Elkesaiten": Euseb. h.e. VI 38; "Enkratiten": Orig. c. Cels. V 65 u. ö.). Dazu gehört das entsprechende Verständnis der Person des Petrus bzw. des Jakobus. Daß der Verfasser in einer judenchristlichen Überlieferung steht, ergibt sich auch aus dem Gestaltwandelmotiv, das ihm offensichtlich schon als fixierte Tradition vorgelegen hat, da die Identifizierung des wahren Propheten mit Jesus wie selbstverständlich vorausgesetzt wird. Diese Vorstellung ist u.a. - Parallelen finden sich in der Lehre Manie und im Mandäismus - für die Elkesaiten belegt (Hippol. ref. IX 14, 1). An den Elkesaitismus erinnert auch die Schwurformel in Cont. 2, 1; 4,1 (vgl. Hippol. ref. IX 15, 2; Epiph. haer. 19,1,6; 6,4), die aber in der Contestatio nur literarischen Zwecken dient und daher nicht mehr als eine flüchtige Bekanntschaft mit dem elkesaitischen System erschließen läßt. Da gewichtige Differenzen zur elkesaitischen Theologie nachzuweisen sind, wird man aus den übrigen Analogien nicht ein Abhängigkeitsverhältnis folgern, sondern annehmen, daß der Kerygmenautor und der Sektenstifter Elkesai unter einander ähnlichen Verhältnissen wirkten. Der Verfasser schreibt in einem judenchristlich-gnostischen Milieu. Sein Werk ist durch eine universalistische Tendenz bestimmt und setzt die Schriften des neutestamentlichen Kanons voraus: im Ursprungsland scheinen Großkirche und Häresie noch nicht gegeneinander abgegrenzt gewesen zu sein. 6. HEIMAT UND ENTSTEHUNGSZEIT. In der neueren Forschung besteht Einigkeit in der Auffassung, daß die Kil-Schrift nicht im Westen, sondern nur im Orient entstanden sein kann. Da. der Grundschriftverfasser aus Zölesyrien stammt und die Kerygmen nicht weit verbreitet gewesen zu sein scheinen, wird man die Heimat des Kil-Autors in der Nähe des Entstehungslandes der Grundschrift suchen müssen.Genaueres läßt sich aus der Zitierung der neutestamentlichen Schriften erschließen. Die Benutzung eines Kanons, der die katholischen Briefe und die Johannesapokalypse nicht enthält, weist nach Syrien (zur syrischen Kanonbildung vgl. Zahn, Geschichte des neutestamentlichen Kanons I, Erlangen 1888, S. 373ff.). Diese Lokalisierung könnte aber auch aus der Tatsache gefolgert werden, daß der Kil- Verfasser von den paulinischen Briefen nur den Galater- und den ersten Korintherbrief (indirekt) zitiert und das paulinische Briefkorpus der Syrer mit eben diesen beiden Briefen beginnt - wenn den Kerygmen ein verkürzter Kanon vorlag. Die Kerygmenquelle war in griechischer, nicht in aramäischer Sprache abgefaßt; daher kann als Entstehungsland das an das osrhoenische grenzende griechisch-sprachige Syrien gelten. Dort lebten - noch
2. Die Kerygmata Petrou
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zur Zeit des Epiphanius (haer. 29, 7) und des Hieronymus (de vir. ill. 3) in Beröa - zahlreiche Judenchristen. Für die Bestimmung der Abfassungszeit ist als terminus ad quem die pseudoklementinische Grundschrift zu nennen, die um 260 (zwischen 220 und 300) geschrieben wurde. Die Festsetzung des terminus a quo ist ohne sicheren Anhaltspunkt. Man wird nicht zu weit in das zweite Jahrhundert hinaufgehen dürfen, da dann unverständlich würde, weshalb die Kerygmen nicht außerhalb der Grundschrift bezeugt sind. Darüber hinaus läßt sich durch Vergleich mit der Abfassungszeit der übrigen Quellen der Grundschrift ein Anhaltspunkt für die Datierung gewinnen: Neben der Kll-Quelle liegt der Grundschrift u.a. der Bardesanesdialog llB(!l Ef/lu(!/l6V'Yjr;; zugrunde, der etwa im Jahre 220 verfaßt wurde. Ein Ordinationsschema, das der Grundschriftautor benutzte, entstand um 200. Für die Kerygmen mag dieselbe Datierung angenommen werden.
TEXTE
*
(1.) Brief des Petrus an Jakobus (Epistttla Petri)
1 1 Petrus an Jako bus, den Herrn und Bischof der heiligen Gemeinde: Friede sei mit dir allzeit von dem Vater des Alls durch JesusChristus. 2 Da ich wohl weiß, daß du, mein Bruder, dich mit Eifer um das mühst, was uns allen gemeinsam von Nutzen ist, bitte ich dich inständig, die Bücher meiner Predigten, die ich dir (hier) übersende, niemandem von den Heiden zu überlassen, auch nicht einem Stammesgenossen vor einer Probezeit. Wenn aber jemand geprüft und als würdig erfunden ist, dann magst du sie ihm in der Weise übergeben, wie Moses den Siebzig l sein Lehramt übergeben hat. 3 Daher ist auch die Frucht der Vorsicht bis auf den heutigen Tag zu sehen. Denn die Angehörigen seines Volkes bewahren überall dieselbe Richtschnur in ihrem Glauben an den einen Gott und in ihrer Lebensführung, ohne daß die vielsinnigen Schriften sie verleiten können, eine andere Einstellung anzunehmen. 4 Vielmehr versuchen sie, auf Grund der ihnen überlieferten Richtschnur die Widersprüche der Schriften in Einklang zu bringen, wo etwa jemand, der die Überlieferungen nicht kennt, gegenüber den vieldeutigen Stimmen der Propheten ratlos ist. 5 Deswegen erlauben sie niemandem zu lehren, bevor er nicht gelernt hat, wie die Schriften zu gebrauchen sind. Daher sind bei ihnen ein Gott, ein Gesetz und eine Hoffnung in Geltung. 2 1 Damit nun das gleiche auch bei uns geschehe, übergib unseren siebzig Brüdern 2 die Bücher meiner Predigten in derselben geheimnisvollen Weise, damit sie die Bewerber um das Lehramt wohl zurüsten. 2 Denn wenn wir nicht auf diese Weise vorgehen, wird unser Wort der Wahrheit in viele Meinungen zerspalten werden. Dies weiß ich nicht als Prophet, sondern ich habe schon den Anfang des Übels vor Augen. 3 Haben doch einige von den Heiden meine gesetzliche Verkündigung verworfen und eine gesetzlose und unsinnige Lehre des feindlichen Menschen 3 vorgezogen. 4 Und zwar haben einige noch zu meinen Lebzeiten versucht, durch mancherlei Deutungen meine Worte zu verdrehen, als ob ich die Auflösung des Gesetzes lehrte und, obwohl ich dieser Ansicht sei, dies nicht freimütig äußerte 4. Aber das
* 1 3
In Auswahl. Übersetzung auf Grund der griechischen Rezension (H). Vgl. 4. MOB. 11,25. 2 Vgl. Lk. 10, l. Vgl. Mt. 13,28. 4 Vgl. Gal. 2, 11-14.
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XII. Apostolische Pseudepigraphen
sei ferne! 1 5 Denn solches hieße dem Gesetz Gottes zuwiderhandeln, das durch Moses kundgetan und durch unseren Herrn in seiner ewigen Dauer bestätigt worden ist. Denn er sprach 2: •Der Himmel und die Erde werden vergehen, aber ein Jota oder ein Häkchen vom Gesetz soll nicht vergehen'. 6 Dies sagte er, damit alles geschehe. Jene aber, die, ich weiß nicht wie, vorgeben, sich auf meine Gedanken zu verstehen, wollen die Worte, die sie von mir gehört haben, besser auslegen als ich selbst, der sie doch gesprochen hat. Denen, die sie unterrichten, sagen sie, das sei meine Ansicht, woran ich nicht einmal gedacht habe. 7 Wenn sie aber noch zu meinen Lebzeiten solches fälschlich behaupten, um wieviel mehr werden nach meinem Tod die Späteren dies zu tun wagen. 3 1 Damit nun das nicht eintreffe, bitte ich dich inständig, die Bücher meiner Predigten, die ich dir schicke, keinem Stammesgenossen, auch nicht einem Fremden vor einer Probezeit zu überlassen, sondern, wenn jemand geprüft und als würdig erfunden ist, sie ihm dann in der Weise Moses' zu übergeben, 2 in der dieser den Siebzig sein Lehramt übergeben hat, damit sie so die Glaubenssätze bewahren und überall die Richtschnur der Wahrheit weiterreichen, indem sie alles entsprechend unserer Überlieferung deuten und nicht, durch Unwissenheit und Zweifel der Seele in Irrtum hinabgezogen, andere in den gleichen Abgrund des Verderbens bringen. 3 Das, was mir notwendig erschien, habe ich dir nunmehr angezeigt. Was aber du, mein Herr, für richtig befindest, das führe aus, wie es angemessen ist. Lebe wohl! (2.) Zeugnis über die Empfänger des Briefes (Contestatio)
1 1 Als nun Jakobus den Brief gelesen hatte, rief er die Ältesten zusammen, las ihnen das Schreiben vor und sprach: "Wie es notwendig und geziemend ist, hat unser Petrus uns daran erinnert, in der Sache der Wahrheit vorsichtig zu sein, daß wir die uns übersandten Bücher seiner Predigten niemandem aufs Geratewohl überlassen, sondern nur einem guten und frommen Bewerber um das Lehramt, der als Beschnittener gläubig ist, und zwar nicht alle Bücher zugleich, damit er, wenn er bei den ersten Unverständnis gezeigt hat, die folgenden nicht anvertraut erhalte. 2 Daher soll er nicht weniger als sechs Jahre erprobt werden. Danach soll man ihn nach der Weise Moses' an einen Fluß oder eine Quelle führen, wo sich lebendiges Wasser befindet und die Wiedergeburt der Gerechten geschieht; nicht, daß er schwöre, denn das ist nicht erlaubt 3 , sondern man soll ihm befehlen, am Wasser zu stehen und ein Gelübde abzulegen, wie auch wir selbst bei der Wiedergeburt veranlaßt wurden, solches zu tun, damit wir nicht mehr sündigten. 2 1 Er soll aber sprechen: Als Zeugen rufe ich an Himmel, Erde, Wasser, wodurch alles umschlossen ist, außerdem aber auch die alles durchdringende Luft, ohne die ich nicht zu atmen vermag, daß ich allzeit dem, der mir die Bücher der Predigten übergibt, gehorsam sein werde und die Bücher, die er mir geben wird, niemandem in irgendeiner Weise überlassen werde, weder daß ich sie abschreibe, noch daß ich eine Abschrift weiterreiche, noch daß ich sie einem Abschreiber zukommen lasse; weder werde ich selbst dies tun, noch durch einen anderen; auch nicht auf eine andere Weise, durch List oder Ränke, durch nachlässige Verwahrung, durch Hinterlegung oder durch versteckte Zustimmung, nicht auf eine andere Art oder mittels 1
Vgl. Gal. 2, 17.
2
Mt. 24, 35; 5, 18.
3
Vgl. Mt. 5, 34; Jak. 5, 12.
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eines anderen Kunstgriffs werde ich sie einem Dritten überlassen. 2 Nur wenn ich jemand als würdig erprobt habe - indem ich ihn erprobe, wie ich selbst geprüft worden bin, oder noch mehr, auf keinen Fall weniger als sechs Jahre -, wenn er ein frommer und guter Bewerber um das Lehramt ist, werde ich sie ihm übergeben, wie ich sie empfangen habe, und zwar im Einvernehmen mit meinem Bischof. 311m andern Fall soll weder mein eigenes Kind, noch ein Bruder, noch ein Freund, noch irgendein Verwandter, wenn er unwürdig ist, davon Mitteilung erhalten, weil es ihm nicht zukommt. 2 Weder werde ich mich durch Nachstellungen erschrecken noch durch Geschenke betören lassen. Selbst wenn ich jemals zur Überzeugung gelangen sollte, daß die mir übergebenen Bücher der Predigten nicht die Wahrheit enthalten, auch dann werde ich sie nicht ausliefern, sondern sie zurückgeben. 3 Wenn ich auf Reisen bin, werde ich alle Bücher, die in meinem Besitz sind, mit mir führen. Will ich sie aber nicht mitnehmen, so werde ich sie nicht in meinem Haus zurücklassen, sondern meinem Bischof anvertrauen, der denselben Glauben und die gleiche Herkunft hat. 4 Wenn ich krank bin und den Tod vor mir sehe, werde ich, falls ich kinderlos bin, ebenso verfahren. Gleiches werde ich tun, wenn bei meinem Tod mein Kind nicht würdig oder noch nicht mündig ist. Bei meinem Bischof werde ich die Bücher hinterlegen, damit jener sie meinem Sohn, wenn dieser mündig geworden und des Vertrauens würdig ist, als ein väterliches Vermächtnis dem Gelübde entsprechend übergebe. 4 1 Daß ich aber auf diese Weise verfahren werde, dafür rufe ich wiederum Himmel, Erde, Wasser, wodurch alles umschlossen ist, zu Zeugen an, außerdem aber auch die alles durchdringende Luft, ohne die ich nicht zu atmen vermag: Gehorsam sein werde ich allzeit dem, der mir die Bücher der Predigten übergibt, bewahren werde ich sie in allem, wie ich es gelobt habe, und noch darüber hinaus. 2 Beobachte ich nun die Abmachungen, so wird mein Anteil bei den Heiligen sein; handle ich aber gegen mein Gelübde, so mögen mir feind sein das All und der alldurchdringende Äther und Gott, der über allem steht, der mächtiger und erhabener ist als jeder andere. 3 Aber selbst wenn ich zum Glauben an einen anderen Gott gelange, so schwöre ich auch bei jenem, ob er nun ist oder nicht ist, daß ich nicht anders verfahren werde. Zu alldem werde ich, wenn ich wortbrüchig bin, lebend und tot verflucht sein und ewige Strafe erleiden. - Und hierauf soll er mit dem, der ihm die Bücher übergibt, an Brot und Salz teiThaben." 5 1 Als Jakobus dies gesagt hatte, wurden die Ältesten blaß vor Schreck. Da nun Jakobus bemerkte, daß sie sich sehr fürchteten, sprach er: "Höret mich, Brüder und Mitknechte. 2 Wenn wir die Bücher allen aufs Geratewohl überlassen und wenn sie von dreisten Männern verfälscht und durch Auslegungen verunstaltet werden - wie ihr ja gehört habt, daß dies einige schon getan haben -, dann wird es geschehen, daß auch diejenigen, die mit Ernst die Wahrheit suchen, allzeit in den Irrtum geführt werden. 3 Deswegen ist es besser, daß wir die Bücher aufbewahren und mit aller Vorsicht, wie wir gesagt haben, nur denen übergeben, die zu leben und andere zu retten wünschen. Wenn aber jemand, nachdem er ein solches Gelübde abgelegt hat, dies nicht einhält, dann wird er zu Recht die ewige Strafe erleiden. 4 Denn warum sollte der nicht zugrunde gehen, der am Verderben anderer schuldig geworden isM" Da waren die Ältesten froh über den Beschluß des Jakobus und sprachen: "Gelobt sei, der alles vorhergesehen und dich zu unserem Bischof bestimmt hat". - Und als wir das gesagt hatten, erhoben wir uns und beteten zu Gott, dem Vater des Alls, welchem sei Ehre in Ewigkeit, Amen.
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XII. Apostolische Pseudepigraphen
(3.) Der wahre Prophet H IIIl7 1 "Wenn jemand leugnet, daß der aus den Händen des Schöpfers aller Dinge hervorgegangene Mensch (= Adam) den großen und heiligen Geist des göttlichen Vorherwissens besessen hat, dies aber einem anderen, der durch unreinen Samen gezeugt wurde, zuerkennt, wie begeht der nicht eine schwere Sünde. 2 Ich glaube nicht, daß ein solcher Verzeihung finden wird, auch wenn er durch eine gefälschte Schriftstelle zu dieser Beleidigung des Vaters aller Dinge verführt worden ist ... 20 2 Ein frommes Werk vollbringt dagegen, wer bekennt, daß kein anderer den Geist besitzt als jener, der von Anfang der Welt, zugleich mit den Namen die Gestalten wechselnd, die Weltzeit durchläuft, bis er, wegen der Mühen von dem Erbarmen Gottes gesalbt, zu seiner Zeit gelangt und für immer Ruhe haben wird. 21 1 Dieser, der allein wahre Prophet, hat an der Stelle des Schöpfers jedem Lebewesen nach Maßgabe seiner Natur einen passenden Namen gegeben 1 ; denn wenn er etwas benannte, dann war das auch die Namengebung dessen, der es geschaffen hatte. 2 Deswegen, wie hatte er es dann noch nötig, von einem Baum zu essen, um zu wissen, was gut oder böse ist. (Freilich steht geschrieben:) "Er gebot"2. Jedoch glauben dies die Urteilslosen, welche meinen, daß ein unvernünftiges Tier freigebiger ist als Gott, der sie und alle Dinge geschaffen hat."3
H III 26 "Der Unter-den-Menschensöhnen besitzt eine eigene, der Seele angeborene Prophetie und kündet als männliches Wesen mit deutlichen Worten die Hoffnungen der zukünftigen Welt. Daher benannte er seinen Sohn mit dem Namen Abel, was ohne jeden Doppelsinn mit ,Trauer' übersetzt wird. 2 Denn seine Söhne weist er an, über die getäuschten Brüder zu trauern. Er verspricht ihnen ohne Falsch Trost in der zukünftigen Welt 4 • 3 Er ermahnt, allein zu einem Gott zu beten. Weder spricht er selbst von Göttern, noch glaubt er einem andern, der von ihnen redet. Er bewahrt und mehrt das Gute, das er hat 5 • Er haßt Opfer, Blutvergießen und Besprengungen; er liebt fromme, reine und heilige Menschen, löscht das Opferfeuer, 4 beendet Kriege, predigt Frieden, befiehlt Mäßigung, beseitigt die Sünden, gebietet Heirat, gestattet Enthaltsamkeit und führt alle Menschen zur Frömmigkeit. 5 Er macht barmherzig, gebietet Gerechtigkeit, versiegelt die Vollkommenen, offenbart das Wort der Ruhe. Er prophezeit Verständliches und spricht Zuverlässiges. 6 Häufig ruft er das ewige Straffeuer in Erinnerung, ständig verkündigt er das Reich Gottes. Er weist hin auf himmlischen Reichtum, verspricht unvergängliche Herrlichkeit und zeigt die Vergebung der Sünde durch die Tat an." 1
HXI19 "Da der Prophet der Wahrheit wußte, daß die Welt dem Irrtum verfallen und der Bosheit zugesellt ist, liebte er nicht den Frieden 6 mit ihr, der nur aus Irrtum Bestand hat; veranlaßt er doch am Ende den Zorn gegen alle, die der Bosheit zustimmen. 2 So bringt er Gnosis statt Irrtum; wie einen Feuerbrand 7 entfacht er Zorn gegen die heimtückische Schlange bei denen, die nüchternen Sinnes sind. Er zieht 1
1 3
5 7
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
1. Moa. 2, 20. 1. Moa. 3, Iff. Mt. 25, 14ff. Lk. 12,49.
• 1. Moa. 2, 16. • Vgl. Mt. 5, 4. 6 Vgl. Mt. 10, 34.
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das Wort, einem Schwert gleich, und tötet die Unwissenheit durch die Gnosis, gleichsam Lebende von den Toten schneidend und trennend. 3 Während die Bosheit durch die gesetzliche Gnosis überwunden wird, erfüllt ein Krieg das All. Denn um des Heiles willen wird ein Sohn, der gehorsam ist, von seinem unbeugsamen Vater getrennt, oder der Vater von dem Sohn, oder die Mutter von der Tochter, oder die Tochter von der Mutter, Verwandte von ihren Angehörigen und Freunde von den Gefährten. "1 (4.) Die weibliche Prophetie H III 22 1 "Zusammen mit dem wahren Propheten ist als Gefährtin ein weibliches Wesen geschaffen, das ihm um vieles nachsteht, so wie die Metusie der Usie, wie der Mond der Sonne, wie das Feuer dem Licht. 2 Als Weib herrscht sie über die gegenwärtige Welt, die ihr ähnlich ist, und gilt als erste Prophetin; sie verkündet mit allen Unterden-von- Weibern-Geborenen 2 ihre Prophetie ... "
H II 15 "Die gegenwärtige Welt ist zeitlich, die zukünftige dagegen ewig. Zuerst erscheint die Unwissenheit, als zweites die Gnosis. 3 In derselben Weise hat Gott die Führer der Prophetie geordnet. Denn während die gegenwärtige Welt weiblich ist und wie eine Mutter das Leben der Kinder hervorbringt, ist der zukünftige Äon männlich und erwartet wie ein Vater seine Kinder ... " 2
HIlI 23 "Zwei Arten der Prophetie gibt es, die eine ist männlich ... , 2 die andere findet sich bei den Unter-den-von-Weibern-Geborenen. Die weibliche Prophetie verkündet, was der gegenwärtigen Welt angehört, sie will für männlich gehalten werden. 3 Deswegen stiehlt sie die Samen des Männlichen, umhüllt sie mit ihren fleischlichen Samen und läßt sie als eigene Erzeugnisse - das sind ihre Worte - hervorgehen. 4 Sie verspricht, irdischen Reichtum in der gegenwärtigen Welt umsonst zu geben, und will (das Langsame) mit Schnellem, das Geringe mit Größerem vertauschen. 24 1 Nicht nur erdreistet sie sich, die Namen vieler Götter auszusprechen und anzuhören, sondern sie glaubt, daß sie auch selbst vergottet werde; und weil sie hofft, etwas zu werden, was ihrer Natur widerspricht, zerstört sie auch das, was sie hat. Unter dem Vorwand zu opfern befleckt sie sich bei ihrer monatlichen Reinigung mit Blut und verunreinigt so, die sie berühren. 2 Wenn sie empfängt, so gebiert sie zeitliche Könige und bringt Kriege hervor, die viel Blut vergießen. 3 Die von ihr die Wahrheit kennenlernen wollen, werden durch vielerlei gegensätzliche und verschiedenartige Aussagen und Hinweise dorthin geführt, wo sie immerfort suchen, ohne zu finden, und im Tod enden. 4 Denn von Anbeginn steht für blinde Menschen die Todesursache fest, da sie Irrtum, Doppelsinn und Dunkel prophezeit und so alle betrügt, die ihr Glauben schenken. 25 1 Deswegen hat sie auch ihrem Erstgeborenen einen doppeldeutigen Namen gegeben; sie nannte ihn Kain, welches Wort eine zweifache Bedeutung hat; denn es heißt sowohl ,Besitz' als auch ,Neid' (und deutet an), daß er später (seinen Bruder Abel?) um Frau, Besitz oder um die Liebe seiner Eltern beneiden werde. 2 Wenn aber hiervon nichts eintreffen sollte, so war es wohl geordnet, daß er ,Besitz' genannt wurde; denn er hat als erster Besitz erworben, was für sie (= die falsche Prophetie) von Vorteil war. Denn er war 1
1
Mt. 10, 35; Lk. 12, 53.
2
Vgl. Mt. 11, 11.
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ein Mörder und Lügner l und wollte nicht aufhören zu sündigen, nachdem er einmal damit begonnen hatte. 3 Darüber hinaus waren seine Nachkommen die ersten Ehebrecher. Sie verfertigten Harfen und Zithern und schmiedeten Kriegsgerät 2 • 4 Deswegen ist auch die Prophetie der Nachkommen angefüllt mit Ehebrechern und Harfen und reizt heimlich und wollüstig zum Krieg." (5.) Gesetz und falsche Perikopen H III 47 1 ••• "Moses hat das Gesetz Gottes siebzig weisen Männern mündlich übergeben 3, damit es in ständiger Folge überliefert und verwaltet werde. Nach Moses' Tod wurde es jedoch aufgeschrieben, nicht von Moses selbst, sondern durch einen Unbekannten; 2 denn im Gesetz heißt es: ,Und Moses starb, und man begrub ihn in der Nähe des Hauses Phogor, und niemand kennt sein Grab bis auf den heutigen Tag. ,4 3 Wie aber hätte Moses, nachdem er gestorben war, schreiben können: ,Und Moses starb . .. '1 Als es in der Zeit nach Moses - etwa fünfhundert oder mehr Jahre später im neu erbauten Tempel aufgefunden war 5, wurde es nach weiteren fünfhundert Jahren fortgeschafft und während der Regierung Nebukadnezars durch Feuer verzehrt 6. 4 Und weil es in der Zeit nach Moses aufgeschrieben und oftmals vernichtet wurde, ist dadurch Moses' Vorherwissen erwiesen; denn er verfaßte es nicht schriftlich, da er den Verlust vorhergesehen hatte. Die aber das Gesetz aufschrieben, sind, da sie die Vernichtung nicht vorausahnten, ihrer Unwissenheit überführt und waren keine Propheten."
HII38 "Nachdem der Prophet Moses im Auftrag Gottes siebzig auserwählten (Männern) das Gesetz mit den Erläuterungen übergeben hatte, damit sie die Willigen im Volk zurüsteten, wurde das Gesetz nach kurzer Zeit schriftlich niedergelegt. Dabei drangen einige falsche Perikopen ein. Diese verleumden den alleinigen Gott, der den Himmel, die Erde und alles, was darin ist, geschaffen hat. Der Böse wagte dies aus gutem Grund zu tun, 2 nämlich damit festgestellt würde, welche Menschen schamlos genug sind, das gern zu hören, was gegen Gott geschrieben ist, und welche aus Liebe zu ihm das gegen ihn Gesagte nicht nur nicht glauben, sondern auch nicht einmal im Anfang zu hören ertragen, selbst wenn es wahr sein könnte, (Menschen also,) die der Ansicht sind, daß es ungefährlicher ist, sich auf Grund eines wohlmeinenden Glaubens in Gefahr zu begeben, als infolge von verleumderischenWorten mit schlechtem Gewissen zu leben." 1
H III 48 "Nach Gottes Vorsehung wurde eine Perikope im schriftlichen Gesetz unversehrt überliefert, so daß sie mit Sicherheit anzeigt, was von dem Geschriebenen wahr und was gefälscht ist." 49 1 ..• "Am Schluß des ersten Buches des Gesetzes steht geschrieben: ,Nicht wird vergehen ein Herrscher aus Juda noch ein Fürst aus seinen Lenden, bis daß der komme, dessen es ist, und diesen werden die Heiden erwarten.'7 2 Wer nun sieht, daß die Führer aus Juda vergangen sind und ein Herrscher und ein Fürst aufgetreten ist und von den Heiden erwartet wird, der vermag 2 ...
1 3 5 6
1. Mos. 4, 6ff.; Joh. 8, 44. 2 Vgl. 1. MOB. 4, 2lf. 4. Mos. 11, 16ff. 4 5. Mos. 34, 5f. Vgl.1. Kön. 8f. (TempelbauSalomos), kontaminiert mit 2. Kön. 22, 8; 2. Chron.34,14. Vgl. 2. Kön. 24,11-13; 25, 8f. 7 1. Mos. 49, 10.
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auf Grund der Erfüllung zu erkennen, daß die Schriftstelle wahr und der Verheißene erschienen ist. Und wenn er dessen Lehre annimmt, so wird er erfahren, welche Teile der Schriften der Wahrheit entsprechen und was gefälscht ist." 50 1 Und Petrus sprach: "Daß das Wahre mit dem Falschen vennischt wurde, folgt auch daraus, daß er, als er einmal - wie ich mich erinnere - von den Sadduzäern angegriffen wurde, antwortete: ,Deswegen irrt ihr, weil ihr nicht das Wahre von den Schriften kennt und daher auch nichts von der Macht Gottes wißt.'l Denn wenn er voraussetzte, daß sie nicht das Wahre von den Schriften kannten, dann sind offenbar auch gefälschte Stücke darin enthalten. 2 Auch sein Ausspruch, Werdet gute Wechsler,2 bezieht sich auf die echten und unechten Schriftworte. Und indem er sagte: ,Weswegen versteht ihr nicht das Vernünftige der Schriften?,a, befestigte er das Verständnis desjenigen, der schon aus eigener überlegung vorsichtig urteilt. 511 Daß er auf die Schriftgelehrten und die Lehrer der vorhandenen Schriften hinwies 4 , weil sie um das wahre, echte Gesetz wußten, ist bekannt. 2 Und da er sagte: ,Nicht bin ich gekommen, das Gesetz aufzulösen,5, und doch einiges auflöste, deutete er an, daß das, was er auflöste, ursprünglich dem Gesetz nicht angehörte. 3 Daß er erklärte: ,Der Himmel und die Erde werden vergehen, aber ein Jota oder ein Häkchen vom Gesetz soll nicht vergehen'S, beweist, daß nicht dem wahren Gesetz zugehört, was eher als Himmel und Erde vergangen ist. 52 1 Denn während Himmel und Erde noch Bestand haben, sind vergangen Opfer, Königreiche, die Prophetien der Unter-den-von-Weibern-Geborenen 7 und dergleichen, was nicht auf Gottes Anordnung zurückgeht. "
HII43 "Deswegen sei es fern von uns zu glauben, daß der Herr des Alls, welcher Himmel und Erde und alles, was darin ist, geschaffen hat, sich mit anderen in der Herrschaft teilt oder daß er lügt 8 (denn wenn er lügt, wer ist dann wahrhaftig?) oder daß er versucht 9, als ob er unwissend sei (denn wer besitzt dann Vorherwissen?). 2 Wenn er sich bekümmertlO oder Reue empjindetl l , wer ist dann vollkommenen und unveränderlichen Sinnes? Wenn er eifersüchtig12 ist, wer genügt dann sich selbst? Wenn er die Herzen verhärtetla, wer macht dann weise? 3 Wenn er blindl4 und taub machtl5 , wer hat dann das Sehen und Hören gegeben? Wenn er zum Raube rät1 s, wer gebietet dann, Gerechtigkeit zu üben? Wenn er zum besten hat l7 , wer ist dann ohne Trug? Wenn er machtlos ist, wer vermag dann alles? Wenn er Unrecht tut, wer ist dann gerecht? Wenn er Böses schafft l8 , wer wird dann Gutes wirken? 44 1 Wenn ihn nach einem fetten Berge gelüstet1 9, wem gehören dann alle Dinge? Wenn er lügt 20, wer ist 1
Vgl. Mk. 12,24 (Mt. 22, 29). Oft bezeugtes, unkanonisches Logion; vgl. Resch, Agrapha 2, TU 30, 2, 1906, S. 112 bis 122; s. o. Bd. I, S. 54. 3 Nicht kanonisch, für die patristische Literatur nur hier belegt. • Mt. 23, 2f. 5 Mt. 5,17. 6 Mt. 24, 35; 5, 18; vgl. Ep. P. 2, 5. 7 Mt. 11, 11. 8 Ps. 89, 36; 1. Kön. 22, 22f. 9 1. Mos. 22, 1; 2. Mos. 15,25; 16,4 u.ö. 10 1. Mos. 6, 6f. 11 1. Sam. 15,35; 1. Chron.21, 15; Ps. 110,4. 12 5. Mos. 32, 19; 2. Mos. 20, 5 u.ö. 13 2. Mos. 4, 21; 7, 3 u.ö. 14 2. Mos. 4, 11; 2. Kön. 6, 18. 15 2. Mos. 4, 11. 16 2. Mos. 3, 21 f. u. ö. 17 2. Mos. 10,2. 18 Jes. 45, 7. 19 Ps. 68, 16f. 20 Vgl. Anm. 8. 1
2
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dann wahrhaftig? Wenn er in einem Zelt wohnt!, wer ist dann unfaßbar? 2 Wenn er nach Fettdampf, Opfern 2, Gaben 3 und Besprengung 4 verlangt, wer ist dann bedürfnislos, heilig, rein und vollkommen? Wenn er sich an Lampen und Leuchtern ergötzt 5, wer hat dann die Lichter am Himmel geordnet? 3 Wenn er in Dunkel, Finsternis, Sturm und Rauch wohnt 6, wer ist dann Licht und erleuchtet den unendlichen Weltenraum? Wenn er mit Trompetengeschmette'r, Kriegsgeschrei, Wurf- und Pfeilgeschossen naht 7, wer ist dann die ersehnte Ruhe des Alls? 4 Wenn er Kriege liebt S , wer will dann Frieden? Wenn er das Böse schafft 9, wer bringt dann Gutes hervor? Wenn er grausam ist lO , wer ist dann gütig? Wenn er seine Verheißungen nicht wahrmacht ll , wer wird dann Vertrauen finden? 5 Wenn er Ungerechte, Ehebrecher und Mörder liebt1 2, wer ist dann ein gerechter Richter?" (6.) Polemik gegen Paulus Hn 16
"Wie am Anfang der eine Gott gleichsam ab Rechtes und Linkes zuerst den Himmel, sodann die Erde geschaffen hat, so hat er auch alles folgende paarweise zusammengestellt. Bei den Menschen ist er jedoch nicht mehr auf diese Weise verfahren, sondern er hat alle Paare umgekehrt. 2 Denn wie er als erstes Stärkeres und als zweites Schwächeres erschuf, so finden wir bei den Menschen das Gegenteil, nämlich zuerst Geringeres und an zweiter Stelle Stärkeres. 3 So stammt von Adam, der nach dem Bilde Gottes geschaffen wurde, als erster der ungerechte Kain, als zweiter der gerechte Abel ab. 4 Wiederum wurden von demjenigen, den ihr Deukalion nennt, zwei Urbilder der Geister ausgesandt, ein unreines und ein reines, nämlich der schwarze Rabe und als zweites die weiße Taube 13. 5 Und von Abraham dem Ahnherrn unseres Volkes, gingen zwei Erste 14 hervor, zunächst Ismael, sodann Isaak, der von Gott gesegnet wurde. 6 Von Isaak stammen wiederum zwei, der gottlose Esau und der fromme Jakob. 7 Nach dieser Ordnung folgte zuerst als ein Erstgeborener der Welt der Hohepriester (= Aaron), sodann der Gesetzgeber (= Moses) 15. 17 1 Ähnlich - denn das Paar des Elias wurde, als es erscheinen sollte, für eine andere Zeit aufbewahrt ... - 2 kam auch der Unter-den-von- WeibernGeborenen 16 als erster, und danach trat der Unter-den-Menschensöhnen auf. 3 Wer dieser Anordnung folgt, hätte erkennen können, von wem Simon (= Paulus), der vor mir als erster zu den Heiden kam, ausgeschickt wurde, und zu wem ich (= Petrus) gehöre, der ich später als jener aufgetreten bin und hinzukam wie zur Finsternis das Licht, wie zur Unwissenheit die Gnosis, wie zur Krankheit die Heilung." 1
1 2 4
s 7 B
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12 13 14 15
2. MOB. 40, 34. 1. MOB. 4, 3 u. Ö. 3 2. MOB. 29, 28 u. Ö. Vgl. 2. Mos. 24, 6 u. Ö. 5 2. MOB. 25, 31 ff. 5. MOB. 4, ll; 2. MOB. 10,22; 19, 18; 20,21. 2. MOB. 19, 13. 16; 4. Mos. 24, 8; 5. Mos. 32, 23. 42 u.Ö. 2. Mos. 15,3; 5. MOB. 21, 10. 9 JeB. 45, 7. Vgl. Hiob 30, 21; Jes. 13,9. 11 Vgl. 1. Mos.18, 13ff. 2. Sam. 12, 13; 1. MOB. 4,15; 2. Mos. 2, 12ff. 1. MOB. 8, 6ff. Ismael und Elieser; im folgenden nicht ausgeführt; vgl. aber R I 33f. 2. Mos. 6, 20; 7, 7; 1. ehron. 23, 13f. 16 Mt. ll, ll.
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HXVII 13 Als Simon dies hörte, unterbrach er mit den Worten: " ... Du hattest behauptet, die Lehre deines Meisters genau kennengelernt zu haben, weil du ihn unmittelbar (evaeyelq.) gegenwärtig gehört und gesehen habest, dagegen sei es einem anderen nicht möglich, mittels eines Traumes oder einer Vision das gleiche zu erfahren 1. 2 Daß dies falsch ist, will ich anzeigen: Wem etwas unmittelbar zu Gehör kommt, der hat keineswegs Sicherheit betreffs des Gesagten. Denn er muß prüfen, ob er nicht getäuscht wird, weil das, was ihm begegnet, nur ein Mensch ist. Die Vision erzeugt dagegen zugleich mit der Erscheinung die Gewißheit, daß man etwas Göttliches sieht. Darauf antworte mir zuerst." 16 1 Und Petrus sagte: " ... 2 Uns ist bekannt ... , daß viele Götzenanbeter, Ehebrecher und andere Sünder Gesichte und wahre Träume geschaut haben, daß einige aber auch Visionen hatten, die von Dämonen gewirkt waren. Denn ich behaupte, daß die Augen der Sterblichen das unfleischliche Wesen des Vaters oder des Sohnes nicht sehen können, weil es von einem unerträglichen Licht umstrahlt wird. 8 Deswegen ist es ein Zeichen des Erbarmens Gottes, nicht seines bösen Willens, daß er für die im Fleisch lebenden Menschen unsichtbar ist. Denn wer ihn schaut, muß sterben. 6 ••• Niemand vermag die unfieischliche Kraft des Sohnes und nicht einmal die eines Engels zu sehen. Wer aber eine Vision hat, der möge erkennen, daß dies das Werk eines bösen Dämons ist. 17 5 ••• Denn einem frommen, natürlichen und reinen Sinn erschließt sich das Wahre, nicht erworben durch einen Traum, sondern den Guten durch Einsicht verliehen. 18 1 Denn auf diese Weise wurde auch mir der Sohn vom Vater offenbart 2. Deswegen kenne ich die Kraft der Offenbarung, habe ich dies doch von ihm selbst gelernt. Denn zugleich als der Herr fragte, wie ihn die Leute nennten 3 - obwohl ich gehört hatte, daß andere ihm einen anderen Namen gaben -, stieg es in meinem Herzen auf, nicht weiß ich, wie ich sagte: ,Du bist der Sohn des lebendigen GotteS.'4 6 Du siehst nun, wie es Ausdruck des Zornes ist, durch Gesichte und Träume zu handeln, freundschaftliche Begegnung findet sich dagegen dort, wo von Mund zu Mund, in äußerer Erscheinung geredet wird, und nicht durch Rätsel, Gesichte und Träume, wie gegenüber einem Feind. 19 1 Und wenn dir auch unser J esus in einem Gesicht erschienen und bekannt geworden und dir wie einem Gegner zürnend begegnet wäre, so hätte er doch nur durch Gesichte und Träume oder auch durch äußerliche Offenbarungen geredet. Ob aber jemand auf Grund einer Vision zur Lehre tüchtig gemacht werden kann? 2 Und wenn du meinst: ,Das ist möglich', weswegen hat dann der Lehrer bei uns, die wir wachend waren, ein ganzes Jahr zugebracht? 3 Wie kannst du nun bei uns Glauben finden, selbst wenn er dir erschienen ist, und wie kann er dir erschienen sein, wenn du das Gegenteil von dem willst, was du gelernt hast? 4 Wenn du aber von ilim eine Stunde lang besucht, unterwiesen und dadurch zum Apostel geworden bist 5, dann verkündige seine Worte, lege aus, was er gelehrt hat, sei seinen Aposteln freund und bekämpfe nicht mich, der ich sein Vertrauter bin; denn mir, der ich ein standhafter Fels, der Kirche Grundstein binG, hast du feindselig widerstanden7 • 5 Wenn du nicht ein Feind wärest, dann hättest 1
Vgl. H xvn 5, 6b. aMt. 16, 13f. i Vgl. AG 9, 3ff.; 1. Kor. 15, 8. 7 Gal. 2, 11. 1
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Mt. 16, 17. Mt. 16, 16. Vgl. Mt. 16, 18.
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du nicht mich verleumdet und meine Predigt geschmäht, damit ich bei der Verkündigung dessen, was ich in eigener Person von dem Herrn gehört habe, keinen Glauben finde, als ob ich unzweifelhaft verurteilt!, du aber anerkannt seist. 6 Und wenn du mich ,verurteilt'l nennst, so beschuldigst du Gott, der mir den Christus offenbarte, und setzt den herab, der mich der Offenbarung wegen selig gepriesen hat 2 • 7 Willst du aber wirklich mit der Wahrheit zusammenarbeiten, dann lerne zuerst von uns, was wir von jenem gelernt haben, und werde als ein Schüler der Wahrheit unser Mitarbeiter." (7.) Die Tauflehre HXI25 1 "Deswegen komm bereitwillig herzu wie ein Sohn zum Vater, damit Gott deine Unwissenheit als Ursache der Übertretungen anrechne. Wenn du aber, nachdem du eingeladen wurdest, nicht kommen willst oder zögerst, so wirst du durch das gerechte Gericht Gottes zugrunde gehen, weil du nicht gewollt hast. 2 Und glaube nicht, daß du jemals eine Hoffnung haben wirst, wenn du ungetauft bleibst, selbst wenn du frommer bist als alle Frommen zuvor. Vielmehr wirst du dann einer um so härteren Strafe verfallen, weil du gute Werke nicht in guter Weise getan hast. 3 Denn gut ist Wohltun nur, wenn es so geschieht, wie Gott es befohlen hat. Wenn du aber im Gegensatz zu seinem Willen dich nicht taufen lassen willst, so dienst du deinem eigenen Willen und verachtest seinen Ratschluß. 26 1 Doch möchte jemand sagen: ,Was nützt es zur Frömmigkeit, daß man mit Wasser getauft wird?' Zuerst nun, daß du Gottes Willen tust. Zweitens aber: Wenn du für Gott aus Wasser wiedergeboren wirst, so legst du durch die Furcht deine erste aus der Begierde stammende Geburt ab und kannst so das Heil erlangen. Auf eine andere Weise aber ist es nicht möglich. 2 Denn dies hat uns der Prophet eidlich zugesagt: ,Wahrlich ich sage euch, wenn ihr nicht wiedergeboren werdet durch lebendiges Wasser ... , so kommt ihr nicht in das Himmelreich.' 3 3 Deswegen kommet herzu! Denn von Anfang an ist mit dem Wasser etwas verbunden, das sich erbarmt 4; es kennt diejenigen, die auf den dreimal heiligen Namen getauft werden, und befreit sie von der zukünftigen Strafe, indem es die guten Werke der Getauften wie Geschenke von der Taufe zu Gott bringt. 4 Deswegen fliehet zum Wasser; denn das allein kann die Gewalt des Feuers auslöschen. Wer noch nicht herzukommen möchte, der trägt noch den Geist der Leidenschaft in sich und will deswegen nicht zu seinem eigenen Heil dem lebendigen Wasser nahen. 27 1 Komm nun herzu, ob du ein Gerechter bist oder ein Ungerechter. Denn wenn du gerecht bist, brauchst du nur noch zum Heil getauft zu werden, ein Ungerechter soll dagegen nicht nur zur Vergebung der in Unwissenheit begangenen Sünden sich taufen lassen, sondern auch entsprechend seiner Gottlosigkeit Gutes tun, so wie es zur Taufe nötig ist. 2 Deswegen eile, ob du nun gerecht oder ungerecht bist, daß du bald Gott geboren werdest, dem Vater, der dich aus Wasser erzeugt; denn ein Aufschub bringt Gefahr mit sich, weil die Stunde des Todes verborgen ist. Beweise deine Gottähnlichkeit durch gute Werke, indem du, die Wahrheit liebend, den wahren Gott wie einen Vate1~ ehrst. Ihn ehren heißt so leben, wie er, der selbst gerecht ist, es verlangt. 3 Der Wille eines Gerechten richtet sich darauf, nicht Unrecht zu tun. Unrecht aber ist Mord, Gal. 2,11. 2 Mt. 16, 17. • Geist Gottes; vgl. 1. Mos. 1,2.
1
3
Joh. 3, 5.
2. Die Kerygmata Petrou
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Ehebruch, Haß, Habgier und dergleichen; denn es gibt viele Arten des Unrechttuns. 28 1 Außer diesen Vorschriften ist zu beobachten, was nicht allen Menschen gemeinsam, vielmehr eine Besonderheit des Dienstes Gottes ist. Ich meine nämlich das Sich-rein-Halten, daß man nicht verkehre mit seiner Frau während der monatlichen Reinigung; denn so befiehlt es das Gesetz Gottes 1. 2 Was aber? Wenn das Sich-rein-Halten (xa{}aeevBt'V) nicht zum (wahren) Gottesdienst gehörte, dann hättet ihr euch gern wie Mistkäfer (xav{}aeOt) im Schmutz gewälzt? Deswegen reinigt euer Herz vom Bösen durch himmlische Gedanken als Menschen, die als vernünftige Wesen über den unvernünftigen Tieren stehen, den Körper aber wascht mit Wasser. B Denn das Sich-rein-Halten ist wahrhaftig nicht in der Weise erstre benswert, daß die Reinheit des Körpers der Reinigung des Herzens voraufgeht, sondern die Reinheit soll dem Guten folgen. 4 Daher hat auch unser Lehrer einige von den Pharisäern und Schriftgelehrten unter uns überführt, welche abgesondert sind und sich als Schriftgelehrte auf das Gesetz besser als andere verstehen, und (bezeichnete sie) als Heuchler, weil sie nur das den Menschen Sichtbare rein hielten, aber die Reinheit des Herzens, die allein Gott sichtbar ist, vernachlässigten. 29 1 Folgenden Ausspruch bezog er mit Recht auf die Heuchler unter ihnen, (jedoch) nicht auf sie alle; denn von einigen sagte er, man solle auf sie hören, weil ihnen der Stuhl Moses'2 anvertraut wurde. 2 Aber zu den Heuchlern sprach er: ,Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler, denn ihr reinigt nur das Äußere des Bechers und der Schüssel, das Innere aber ist gefüllt mit Schmutz. Blinder Pharisäer, reinige zum'st das Innere des Bechers und der Schüssel, damit atlch ihr Äußeres rein werde.'3 3 Und in Wahrheit: Denn wenn der Geist durch Erkenntnis erleuchtet ist, kann der Belehrte gut sein, worauf dann die Reinheit folgt. Denn aus der inneren Gesinnung entsteht die rechte Fürsorge für den äußeren Körper, wie ja aus der Vernachlässigung des Körpers die Fürsorge für die Gesinnung nicht entstehen kann. 4 So kann der reine Mensch sowohl das Innere als auch das Äußere reinigen. Wer dagegen (nur) das Äußere reinigt, tut dies, um Beifall von den Menschen zu erhalten, und da ihm die Zuschauer Beifall spenden, erhält er nichts von Gott 4 • 30 1 Wem aber erscheint es nicht besser zu sein, mit einer Frau nicht während der monatlichen Reinigung, sondern nur nach Reinigung und Waschung zu verkehren? Und man soll sich auch nach dem Verkehr waschen. 2 Wenn ihr zögert, dies zu tun, so erinnert euch, wie ihr einen Teil der Reinheitsvorschriften beobachtet habt, als ihr den gefühllosen Götzenbildern dientet. Schämen solltet ihr euch, daß ihr jetzt zögert, da es gilt - nicht sage ich mehr, sondern nur -, sich auf das Ganze der Reinheit zu verpflichten. Besinnt euch auf den, der euch damals geschaffen hat, und ihr werdet erkennen, wer es ist, der euch jetzt gegenüber der Reinheit zögern läßt. 31 1 Aber es könnte jemand von euch fragen: 'Ist es notwendig, daß wir nun alles tun, was wir im Dienst der Götzenbilder getan haben?' Ich antworte dir: Nicht alles, sondern was ihr in guter Weise getan habt, das sollt ihr jetzt noch mehr tun. Denn was im Irrtum in guter Wp,ise geschieht, das kommt von der Wahrheit, wie (umgekehrt) was in der Wahrheit in schlechter Weise geschieht, vom Irrtum stammt. 2 Nehmt nun von allen Seiten, was zu euch gehört, nicht, was euch fremd ist, und sagt nicht: 'Wenn jene, die im Irrtum leben, etwas Gutes tun, dann sind wir nicht verpflichtet, es zu tun.' Denn, nach dieser Behauptung, wenn jemand, der Götzen1 3
3. Mos, 15,24; 18, 19. Mt. 23, 25f.
2 Mt. 23, 2f. , Vgl. Mt. 6, Uf.; 23, 4:ff.
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XII. Apostolische Pseudepigraphen
bilder verehrt, nicht tötet, dann müssen wir töten, weil, wer im Irrtum ist, nicht zum Mörder wird. 32 1 Nein, sondern mehr (sollen wir tun) : Wenn die im Irrtum Lebenden nicht töten, so dürfen wir nicht einmal zürnen!; wenn, wer im Irrtum ist, nicht die Ehe bricht, so sollen wir auch den Anfang meiden und nicht einmal begehren 2• Wenn, wer im Irrtum ist, seine Freunde liebt, so sollen wir auch die lieben, die uns hassen 3 • Wenn, wer im Irrtum ist, den Besitzenden leiht, so wir auch den Nichtbesitzenden 4. 2 Mit einem Wort: Wir, die wir den unendlichen Äon zu erben hoffen, sind verpflichtet, bessere Werke zu vollbringen als jene, die nur die gegenwärtige Welt kennen. 3 Denn wir wissen, wenn am Tag des Gerichts ihre Taten mit unseren verglichen und an Wohltun gleich sein werden, daß wir (dann) Beschämung, sie aber Verderben erleiden werden, weil sie infolge des Irrtums nicht zu ihrem Nutzen Gutes getan haben 5 • Wir aber werden beschämt werden, wie ich sagte, weil wir nicht mehr als sie getan haben, obwohl wir eine größere Erkenntnis besitzen. 4 Wenn wir aber dadurch beschämt werden, daß wir ihnen an Wohltun gleich sind und sie nicht übertreffen, um wieviel mehr, wenn wir nicht so viele gute Werke wie sie aufzuweisen haben. 33 1 Daß in Wahrheit am Tag des Gerichts die Taten derjenigen, die die Wahrheit erkannt haben, den guten Werken der im Irrtum Lebenden gleich sein werden, hat uns der untrügliche (Prophet) gelehrt, als er zu jenen, die nicht zu ihm kommen und nicht auf ihn hören wollten, sagte: ,Die Königin von Süden wird mit diesem Geschlecht auftreten und es verurteilen, denn sie kam von den Enden der Erde, um die Weisheit Salomos zu hören. Und siehe, hier ist mehr alsSalomo, und ihr glaubt nicht 6 1 2 Und zu jenen im Volk, die gegenüber seiner Predigt nicht Buße tun wollten, sprach er: ,Die Männer von Ninive werden auftreten mit diesem Geschlecht und es verurteilen, denn sie haben auf die Predigt des Jonas hin Buße getan. Und siehe, hier ist mehr als Jonas, und niemand glaubt.'7 3 Und so verglich er mit ihrer Gottlosigkeit die Heiden, die (Gutes) getan haben - zur Verurteilung aller, die die wahre Religion besitzen und nicht einmal so viele gute Werke aufzuweisen haben wie die im Irrtum Lebenden. Und er ermahnte die Verständigen, nicht nur in gleicher Weise wie die Heiden gute Werke zu vollbringen, sondern mehr als jene. 4 Dies habe ich ausgeführt, weil man die monatliche Reinigung beobachten und nach geschlechtlichem Verkehr sich waschen muß, auch eine solche Reinheit nicht ablehnen darf, wenn sie von den im Irrtum Lebenden geübt wird. Denn die Menschen, die im Irrtum Gutes tun, werden jene verurteilen, die die wahre Religion besitzen, ohne doch selbst gerettet zu werden, 5 weil sie die Reinheit um des Irrtums willen beobachten und nicht als Dienst gegenüber dem wahren Vater und dem Gott des Alls." 3. DER LAODICENERBRIEF
(W. Schneemelcher) LITERATUR. R. Anger, Über den Laodicenerbrief, eine biblisch-kritische Untersuchung, 1843. - J. B. Lightfoot, St. Pauls Epistles to the Colossian and to Philemon, 1879, S. 274 bis 300 (Text.) - Th. Zahn, Gesch. d. ntl. Kanons, II S. 566ff. -A. Harnack, ApocryphaIV: Die apokryphen Briefe des Paulus an die Laodicener und Korinther (KlT 12), 1931'. 1 4
7
Mt. 5, 2lf. Vgl. Lk. 6, 34f. Mt. 12,41; Lk 11,32.
2 6
Mt. 5, 27f. Vgl. oben H XI 27,1.
3 6
Mt. 5, 43 ff.; Lk. 6, 27 ff. Mt. 12,42; Lk. 11,31.
3. Der Laodicenerbrief
81
E. Jacquier, Le Nouveau Testament dans l'eglise chretienne I, 1911, S.345-351. A. von Harnack, Marcion. Das Evangelium vom fremden Gott, 1924", S.134*-149*. K. Pink, Die pseudo-paulinischen Briefe Ir (Biblica VI, 1925), S. 179-192. - John Knox, Marcion and the New Testament, Chicago 1942. - G. Quispel, De Brief aan de Laodicensen een Marcionitische vervalsing (Nederlands Theologisch Tijdschrift V, 1950, S. 43-46). 1. BEZEUGUNG UND ÜBERLIEFERUNG. Im Canon Muratori (vgl. Bd. I, S. 20) werden zwei marcionitische Fälschungen, ein Brief an die Laodicener und einer an die Alexandriner, erwähnt und abgelehnt. Außer dem Hinweis, diese Briefe seien "auf des Paulus Namen gefälscht für die Sekte des Marcion" (Zl. 64f.), ergibt die SteUe keinerlei Anhaltspunkt für irgendwelche nähere Bestimmung dieses Briefes. Tertullian berichtet (adv. Marc. V 11 und 17), daß die Haeretiker, d.h. die Marcioniten, den Epheserbrief als Laodicenerbrief ansähen und daß Marcion selbst diese Titeländerung vorgenommen habe. Diese Notiz wird in gewisser Weise durch Epiphanius von Salamis (haer. 42, 9, 4 und 42, 12, 3) bestätigt, der allerdings keine klare Auskunft darüber gibt, ob die Quelle, die er hier ausschreibt (Hippolyt), den Epheserbrief als Laodicenerbrief angesehen oder ob neben dem Epheserbrief noch ein Laodicenerbrief in dem marcionitischen Kanon gestanden habe. F il a s tr i u s (haer. LXXXIX), der im Zusammenhang der Erörterung des Hebräerbriefes den Laodicenerbrief kurz erwähnt, führt ebenfalls nicht weiter. Auch andere Erwähnungen (zusammengestellt bei Pink a. a. 0.) tragen nicht viel zu der Kenntnis des Laod. bei. Eindeutig ist das sogenannte S peculum (Ps. Augustin, De divinis scripturis, 5. oder 6.Jh.): hier wird v. 4 des lateinisch erhaltenen Laod. zitiert (CSEL 12, 516); auch Gregor der Gr. muß zu den sicheren Zeugen für diesen lateinisch überlieferten Brief gerechnet werden (Moralia 35,20,48; PL 76,778 C). Dieser lateinische Laod. findet sich in vielen Bibelhandschriften (vgI. u.a. Jacquier, a.a.O. I, S. 345ff.; S. Berger, Histoire de la vulgate, S. 34lf.). Auch wenn es keine vollständigen altlateinischen Handschriften der Paulusbriefe gibt (außer dem Book of Armagh, Dublin Tr. Coll. 52), so ist es doch wohl so, daß dieser Laod. zu den altlateinischen Bestandteilen gehört, mit denen die gesamte Vulgata-Überlieferung in verschiedener Weise kontaminiert ist ' . Auf diese ganze Problematik kann hier aber nicht näher eingegangen werden. Nur das sei festgestellt: der lateinische Laod. hat früh im Westen eine erhebliche Verbreitung erfahren. Dazu kamen dann später eine Reihe von Übersetzungen in westliche Volkssprachen (vgI. Anger, a.a.O. und Lightfoot, a.a.O.). 2. INHALT, ANLASS, ZEIT. Betrachtet man dieses kleine Apokryphon, so ist man erstaunt, daß es überhaupt in Bibel-Handschriften gelangt ist. Denn dieser angebliche Paulusbrief ist nichts anderes als eine "wertlose Zusammenstoppelung paulinischer Stellen und Redensarten, hauptsächlich aus dem Philipperbrief" (Knopf-Krüger, Apokr. 2, S. 150). Eine sinnvolle Inhaltsangabe läßt sich kaum geben und eine bestimmte theologische Intention wird man vergeblich suchen. Der Verf. scheint möglichst allgemein gehaltene Verse aus Paulusbriefen zusammengesucht zu haben, um mit seinem Machwerk eine Lücke im Corpus Paulinum zu schließen, die allerdings jedem Bibelleser auffaUen konnte. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß KoI. 4,16 der Anlaß zu dieser Fälschung war. Dort heißt es: "Und wenn dieser Brief bei euch verlesen ist, dann laßt ihn auch in der Laodicenergemeinde vorlesen, und laßt euch den von Laodicea kommen, damit auch ihr ihn lesen könnt." Es braucht hier nicht näher untersucht zu werden, was unter der Enta-r:OÄij EU Aao&uela, zu verstehen sei. Das Nächstliegende ist immer noch, daß Paulus auf einen Brief nach Laodicea Bezug nimmt, der aber nicht in das Corpus Paulinum gekommen ist. 1 Diesen Hinweis verdanke ich P. Bonifatius Fischer, OSB, Beuron, der vor allem auf H. Frede, Pelagius, der irische Paulustext, Sedulius Scottus, 1961 hinweist; vgl. auch B. Fischer in Theol. Revue 57,1961, Sp. 162ff. Wichtig ist, daß der Priscillianist Peregrinus den Laod. in seine Ausgabe aufgenommen hat, allerdings nicht in die Canones, wohl aber in den Text. Zu Peregrinus vgl. E. Dekkers, Clavis Patrum Latinorum, 1961", S. 178 (Nr. 786) und v. a. den dort angegebenen Aufsatz von B. Fischer in Archivos Leoneses 1961.
[meoke, Apokryphen Bel. 2
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XII. Apostolische Pseudepigraphen
Diesem Mangel sollte durch das Elaborat eines bibelkundigen, aber sonst nicht gerade theologisch gebildeten Unbekannten abgebolfen werden. Der Brief ist bisher nur in lateiniscber Fassung bekannt (dazu dann die erwähnten späteren Übersetzungen). Von einem griechischen Text hat sich bisber kein Zeugnis gefunden. Andererseits reden spätere griecbische Quellen von einem Laodicenerbrief (vgl. die Zusammenstellung bei Pink, a.a. 0.), so daß man zumindest annehmen muß, daß die Existenz eines solcben Briefes im Osten bekannt war. Entstanden ist der Brief wohl im Westen (trotz v. 5, bei dem der korrupte Text durch Rückübersetzung ins Griechische sich vielleicht heilen läßt). Die Datierung des Laod. ist deshalb so schwierig, weil sie von der Frage der Identifizierung dieses Apokryphons mit dem im Canon Muratori genannten abhängt, diese aber wiederum eng mit dem Problem der marcionitischen Herkunft verbunden ist. Entweder meint der Can. Mur. den von Marcion in Laod. umbenannten Epheserbrief (wie Tertullian) - das ist aber unwahrscheinlich, da der Epbeserbrief im Can. Mur. genannt wird -, oder aber er hat wirklicb einen eigenen Laod. im Auge und dann müßte es der erhaltene lat. Laod. sein, wenn man nicht mebrere pseudopaulinische Briefe nach Laodicea annebmen will. Allerdings zeigt der lateinische Laod. keinerlei marcionitischen Charakter, den man nacb der Angabe des Can. Mur. erwarten müßte. 3. DAS PROBLEM DER MARCIONITISCHEN HERKUNFT DES LAOD. Während man sich lange Zeit weithin darin einig war, daß Laod. eine farb- und geistlose Zusammenstellung paulinischer Sätze sei, bat A. von Harnack die These aufgestellt, daß Laod. eine marcionitische Fälschung sei. "Im Laodicenerbrief begrüßen wir das einzige vollständige Schriftwerk, das uns aus der M8·rcionitischen Kircbe ältester Zeit erb alten ist" (Marcion2 , S. 149*). Den ,unwiderleglichen' Beweis möchte Harnack darin sehen, daß Laod. mit Gal. 1, 1 beginnt, d.h. mit "monumentalen, im Sinn Marcions antikatholischen Worten" (S. 141*) aus dem Brief, der an der Spitze des marcionitischen Apostolos stand. In der Abwandlung von Phil. 1, 3 (gratias ago deo meo; Laod. v. 3: Christo), in dem Begriff veritas evangelii und dem Zusatz quod a me praedicatur (v. 4), in dem ex me (= oE (JVU:I; e~ ep,ov; Pbil. 1, 12 heißt es Ta um:' ep,e), in dem Ausscheiden des anovala von Phil. 2, 12 in Laod. v. 10 und in dem zweimaligen Auftauchen der vita aeterna (v. 5 und 10) sieht Harnack den Scharfsinn und die Raffinesse Marcions am Werk. Allerdings soll Laod. nicht vom Meister selbst, sondern von einem Schüler stammen, der ihn zwischen 160 und 190, nachdem der Titel ,Laodicenerbrief' wieder frei geworden war (man hatte dem Epheserbrief seinen alten Namen zurückgegeben) gleichzeitig lateinisch und griechisch in die Welt setzte. Aus derselben Werkstatt wie Laod. stammen auch die marcionitiscben Argumente zu den Paulusbriefen. Nun ist die Hypothese von dem marcionitiscben Charakter der Paulusprologe ebenso problematisch wie die von den antimarcionitischen Evangelienprologen 1. Daß die römiscbe Gemeinde unbewußt Marcions Paulusprologe in ihren ,Gegenkanon' übernommen habe (so de Bruyne und Harnack), ist docb wobl - gelinde gesagt - eine abenteuerliche Vorstellung. Aber das kann hier beiseite bleiben, es zeigt sich daran nur, auf wie schwankendem Boden Harnacks Konstruktion steht. Sie hat ohnehin für sicb selbst keine Überzeugungskraft. Die angeführten Stellen können nur gewaltsam als stringenter Beweis für einen marcionitischen Ursprung des Laod. herangezogen werden. Daß der marcionitische Fälscher - der Meister selbst soll es ja nicht gewesen sein - sich mit solchen Lappalien begnügte. und nicht die Gelegenheit benutzte, seine Theologie klarer zum Ausdruck zu bringen, spricht nicht für seinen ,Scharfsinn'. Weiter kann man daraus, daß der Brief mit Gal. 1, 1 beginnt, keine so weitreichenden Schlüsse zieben. Harnack ist hier auf einen Irrweg geraten. G. Quispel (a.a.O.) hat neuerdings die Hypothese Harnacks aufgegriffen und von anderer Seite her zu stützen gesucht. Er meint, daß der Beginn des Laod. (= Gal. 1, 1) einem in der Antike üblichen Stilmittel entspricht: bei literarischen Nachabmungen machte man 1
Vgl. dazu E. Haenchen, Die Apostelgeschichte, 1961 13, S. 8, Anm. 3.
3. Der Laodicenerbrief
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den Lesern und Hörern durch die Anfangsworte deutlich, welches Vorbild man imitieren wollte. Der Beginn des Laod. soll also den Leser darauf aufmerksam machen, daß hier wirklich der Paulus spricht, der - nach Marcion - im Galaterbrief die entscheidenden Punkte seiner Theologie vorgetragen hat. Damit wäre hier ein ähnlicher Fall wie in J oh .1, 1 gegeben, wo auch bewußt an Gen. I, I angeknüpft wird. Diese Beweisführung dürfte nun ebenfalls kaum überzeugen. Denn Laod. will keine rhetorische Leistung sein und der Verf. hat offensichtlich auch keine literarischen Ambitionen. Man tut dem Autor dieses dürftigen und zusammengestoppelten Machwerks zu viel Ehre an, wenn man ihn mit der Elle antiker literarischer Gewohnheiten mißt. Zusammenfassend kann also gesagt werden: Der marcionitische Ursprung des lateinisch erhaltenen Laod. ist eine unbeweisbare und unhaltbare Hypothese. Vielmehr ist dieser Laod. eine ungeschickte Fälschung mit dem Zweck, den Kol. 4,16 genannten Laodicenerbrief im Corpus Paulinum zu haben. Ob der im Can. Mur. genannte Laod. mit diesem Apokryphon identisch ist, bleibt ungeklärt. Damit ist auch die Möglichkeit einer genauen Datierung entfallen. Die Zeit zwischen dem 2.Jh. und dem 4.Jh. kommt als Abfassungszeit in Frage. AN DIE LAODICENER 1 Paulus, Apostel nicht von Menschen und nicht durch einen Menschen, sondern durch J esus Christus den Brüdern, die in Laodicea sind: 2 Gnade sei euch und Friede von Gott, dem Vater und dem Herrn Jesus Christus. 3 Ich danke Christus durch all mein Gebet, daß ihr in ihm standhaft seid und in seinen Werken beharrt, in Erwartung der Verheißung für den Tag des Gerichts. 4 Und nicht möge euch das leere Gerede einiger Leute täuschen, die (euch) etwas vorreden, um euch von der Wahrheit des Evangeliums, das von mir verkündet wird, abzubringen. 5 Und nun möge Gott es geben, daß die, die von mir herkommen, zur Förderung der Wahrheit des Evangeliums ( ... ) dienen und gute Werke tun möchten, zum Heil des ewigen Lebens. 6 Und jetzt sind meine Fesseln offenbar, welche ich in Christus erleide, über welche ich froh und freudig bin. 7 Dieses dient mir zum ewigen Heil, was (selbst) durch eure Gebete und unter Mitwirkung des heiligen Geistes geschehen ist, sei es durch Leben, sei es durch Tod. 8 Denn mein Leben ist in Christus und Sterben ist (mir) Freude. 9 Und dieses wird seine Barmherzigkeit in euch bewirken, daß ihr dieselbe Liebe habt und eines Sinnes seid. 10 Also Geliebte, wie ihr in meiner Gegenwart gehört habt, so haltet fest und tut in der Furcht Gottes, und ewiges Leben wird euch zuteil werden. 11 Denn Gott ist es, der in euch handelt. 12 Und tut ohne Bedenklichkeit, was ihr tut. 13 Und im übrigen, Geliebte: freut euch in Christus und hütet euch vor denen, die auf schmutzigen Gewinn aus sind. 14 Alle eure Bitten seien offen vor Gott und seid fest im Sinne Christi. 15 Und was lauter, wahr, sittsam, gerecht und lieblich ist, das tut. 16 Und was ihr gehört und empfangen habt, das behaltet im Herzen und Friede wird mit euch sein. [17 Grüßt alle Brüder mit dem heiligen Kuß.] 18 Es grüßen euch die Heiligen.
Die Ziffern der Anmerkungen beziehen sich auf die Verse des Laod. 1 Gal. I, 1. 2 Gal. I, 3; Phi!. 1,2. 3 Phil. I, 3. • Vgl. Kol. 2, 4; Gal. I, 11. 5 Vers 5 ist die Überlieferung verdorben, die Übersetzung beruht auf Konjekturen; vgl. Phil. 1,12. 6 Phil. I, 13. 18. 7 Phil. I, I9f. B Phil. 1, 21. 9 Phil. 2,2. 10 Phil. 2, 12. 11 Phil. 2,13. 12 Vgl. Phil.2, 14. 13 Vgl. Phil. 3,1. 14 Phil. 4, 6; vgl. 1. Kor. 15,58; 2, 16. 15 Phil.4, 8. 16 Phil. 4, 9. 17 Fehlt in einigen Hss., wohl sekundärer Zusatz; 1. Thess. 5, 26. 1B Phil. 4, 22. 6·
84
XII. Apostolische Pseudepigraphen
Die Gnade des Herrn Jesu sei mit eurem Geiste. 20 Und sorgt dafür, daß dieser Brief den Kolossern verlesen werde und der der Kolosser bei euch.
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4. DER APOKRYPHE BRIEFWECHSEL ZWISCHEN SENECA UND PAULUS
(A. Kurfes8) EINLEITUNG. - 1. LITERATUR: Ausgabe von Claude W. Barlow, Epistolae Senecae ad Paulum et Pauli ad Senecam quae vocantur (Papers and Monographs of the American Academy in Rome, vol. 10), Rom 1938 (darin eine Bibliographie bis 1937); Abdruck dieser Ausgabe in PL, Supplementum I, Sp. 673-678. - Eine vollständige Bibliographie (1883 bis 1938) gibt J. Haußleiter: Literatur zu der Frage "Seneca und das Christentum", in Bursians Jahresbericht über die Fortschritte der klassischen Altertumswissenschaft 281, 1943, S. 172-175. Es fehlt nur: P. de Labriolle, La rllaction palenne, Paris 1934, S. 25-28. Außerdem sei im einzelnen erwähnt: E. Westerburg, Der Ursprung der Sage, daß Seneca Christ gewesen sei, Berlin 1881 (besprochen von A. Harnack, ThLZ 6, 1881, Sp.444 bis 449). - E. Lienard, Sur la correspondance apocryphe de Seneque et de St. Paul, Revue beIge de philologie et d'histoire 11, 1932, S. 5-23. - A. Kurfess, Zum apokryphen Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus, Theologie und Glaube 19, 1937, S. 317-322; - ders., Zum 8pokryphen Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus, Theologische Quartalschrift 119, 1938, S. 318-331; - ders., Der Brand Roms und die Christenverfolgung im Jahre 64 n.Chr., Mnemosyne 3. sero 6, 1938, S. 261-272 (zum 11. Brief); - ders., Zum apokryphen Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus, Zeitschr. für Religions- U. Geistesgesch.2, 1949/50, S.67-70. - H. Leclercq, Seneque et Paul, Dictionnaire d'archeol. ehret. et de liturgie 15, 1, 1950, Sp. 1193-1198. - E. Franceschini, Un ignoto codice delle Epistolae Senecae et Pauli, Melanges Jos. de Ghellinck I, Gembloux 1951, S. 149-170. - A. Kurfess, Zu dem apokryphen Briefwechsel zwischen dem Philosophen Seneca und dem Apostel Paulus, Aevum 26, 1952, S. 42--48. - J. N. Sevenster, Paul and Seneca, Leiden 1961 (zum Briefwechsel: S. 11-14). 2. ENTSTEHUNG, ZWECK, ZEIT: Hierüber hat sich Ernst Bickel, Lehrbuch der Geschichte der römischen Literatur, Heidelberg 1937, S.245, folgendermaßen geäußert: "Mitten in der Finsternis des 3.Jbs. gingen im italischen Volke kleine Schriften in der Vulgärsprache der Itala von Hand zu Hand, die Briefe des Paulus und die Bücher der Evangelien. Am besten unterrichtet der unechte Briefwechsel zwischen dem Philosophen Seneca und dem Apostel Paulus darüber, wie das Christentum zuerst in Italien lateinisches Literaturgut geworden ist. Dieser Briefwechsel hat bereits dem Kirchenvater Hieronymus als echt gegolten und entstammt dem 3.Jb.1; er ist aus dem Gedanken geboren, wie sehr der Mentor und Minister des Kaisers Nero, der Philosoph Seneca, mit seiner großen schriftstellerischen Kunst im Dienste der paulinischen Offenbarung dieser den ihr gebührenden Platz in der lateinischen Literatur hätte verschaffen können. Es stellt dieser Briefwechsel einen mythischen Ausdruck für den historischen Verschmelzungsvorgang dar, der seit Ende der Antoninenzeit zwischen dem Christentum einerseits und antiker rhetorischer Bildung andererseits in Italien sich vollzogen hat (Rhein. Mus. LX, 1905, S. 512). Aus dem volkstümlichen Literaturgebilde dieses Briefwechsels läßt sich erstlieh lernen, was inhaltlich von der Bibel bei der damaligen Mission unter den niedrigen Volksschichten der Italiker im Vordergrunde gestanden hat: die Briefe der Apostel und die ihnen zunächst stehenden Texte. Aber auch grundsätzlich für die allgemeine Einstellung des italischen Volkes, mit der dies dem Christentum sich zuwandte, ist dieser Briefwechsel bedeutsam, der den Moral19 Phil. 4, 23; Gal. 6, 18. 20 Dieser Brief den Kolossern: fehlt in einigen Hss.; vgl. KoI. 4, 16. 1 C.W. Barlow datiert den Briefwechsel auf kurz vor 392; E. Bickel ist jedoch in Das Altertum 5, 1959, S. 94, bei seinem Ansatz geblieben.
4. Der apolcryphe Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus
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philosophen Seneca und den Apostel Paulus zusammengebracht hat. Solcher Christlichkeit des italischen Volkes genügte es also nicht, wenn die Weihen und sakramentalen Formen des fremden Kultes gebracht wurden, sondern die Soziallehren des Christentums haben offenbar für die Zusammenstellung von Seneca und Paulus die Voraussetzung abgegeben." 3. ZEUGNIS AUS DEM ALTERTUM: Das wichtigste Zeugnis, von dem Augustinus (ep. 153, 14) abhängig ist (Harnack, ThLZ 6,1881,447), ist Hieronymus, de vir. ill. 12 (aus dem Jahr 392). Die Stelle, die in den Handschriften als Prolog den Briefen vorangestellt ist, lautet in Übersetzung folgendermaßen: "L. Annaeus Seneca aus Corduba ... führte ein sehr enthaltsames Leben. Ich würde ihn nicht in das Verzeichnis der Heiligen aufnehmen, wenn mich nicht jene Briefe dazu veranlaßten, die von sehr vielen gelesen werden, (die Briefe) des Paulus an Seneca bzw. des Seneca an Paulus; in diesen Briefen erklärt er, der doch der Lehrer Neros und der einflußreichste Mann jener Zeit war, er wünsche, daß er bei den Seinigen denselben Platz einnehme, den Paulus bei den Ohristen innehabe. Dieser (Seneca) wurde zwei Jahre vor dem glorreichen Martyrium des Petrus und Paulus von Nero getötet." - Damit ist der Schluß des 12. Briefes zitiert, d.h. der letzte Brief der Sammlung, die dem Hieronymus vorlag. Die beiden letzten Briefe sind erst später hinzugekommen, wie auch der andersartige Stil beweist. Hätte der letzte (14.) Brief dem Kirchenvater vorgelegen, so hätte er ihn ohne Zweifel ausgewertet und damit die Aufnahme Senecas in den catalogus Sanctorum begründet. - Ein weiteres Zeugnis aus dem Altertum findet sich in der Passio sancti Pauli apostoli c. 1 (Ps. Linus; Aa I, S. 24, 3ff.): "Auch vom Hause des Caesar kamen viele zu ihm, die an den Herrn Jesus Christus glaubten, und täglich steigerte sich bei den Gläubigen die große Freude und der Jubel. Sogar der Erzieher des Kaisers wurde, als er die göttliche Weisheit in ihm erkannte, so sehr ihm in Freundschaft verbunden, daß er sich kaum einer Unterredung mit ihm enthalten konnte und, soweit eine mündliche Aussprache nicht möglich war, sie häufig in gegenseitigen Briefwechsel traten, und er (Seneca) seine Lieblichkeit und seine freundschaftliche Unterhaltung und seinen Rat genoß; und so sehr wurde seine Lehre unter der Einwirkung des heiligen Geistes verbreitet und geliebt, daß er nunmehr mit ausdrücklicher Erlaubnis lehrte und von vielen sehr gerne gehört wurde. Er disputierte nämlich mit den Philosophen der Heiden und widerlegte sie, weshalb auch sehr viele seiner Unterweisung Folge leisteten. Denn auch einige seiner Schriften las der Lehrer des Caesar in seiner Gegenwart immer wieder vor und bewirkte, daß alle ihn bewunderten. Auch der Senat dachte sehr hoch von ihm." 4. FORTLEBEN IM MITTELALTER. Bedeutsam wurde für die Folgezeit die Ausgabe des Alkuin. In sehr zahlreichen Handschriften (ab IX. Jh.) sind die Briefe erhalten, freilich in geradezu grauenhafter Verderbnis. Petrus Cluniacensis (Tractatus adversus Petrobrusianos, P.L. 189, 7370) und Petrus Abaelardus (Introductio ad Theologiam I, 34 und Sermo XXIV = Expositio in epistolam Pauli ad Romanos 1,1) zeigen Bekanntschaft mit diesem Briefwechsel. Sogar Petrarca spielt in seiner Epistola ad Senecam auf die Briefe an. Die Stellen sind sämtlich in Barlows vorzüglicher Ausgabe abgedruckt. Erwähnt sei noch die Editio princeps des Erasmus (Basel 1515); dieser hat übrigens zum erstenmal Brief 11 und 12 umgestellt, wie es dann in den folgenden Ausgaben bis Haase üblich war; erst Barlow hat die Reihenfolge der Hss. wiederhergestellt.
DER BRIEFWEOHSEL ZWISOHEN SENEOA UND PAULUS
1. Seneca grüßt Paulus Ich glaube, Paulus, man hat dir mitgeteilt, daß wir gestern mit unserm Lucilius ein Gespräch über die "Apokryphen" und sonstige Dinge gehabt haben. Es waren nämlich einige Gefährten deiner Lehren bei mir. Wir hatten uns nämlich in die Gärten des SaUust zurückgezogen, wo bei dieser günstigen Gelegenheit für uns,
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XII. Apostolische Pseudepigraphen
obwohl sie anderswohin wollten, die oben Erwähnten, als sie unser ansichtig wurden, sich uns anschlossen. Sicherlich haben wir deine Anwesenheit gewünscht, und ich möchte, daß du weißt: Nach der Lektüre deines Büchleins, d.h. einer Anzahl von Briefen, die du an eine Stadtgemeinde oder Provinzialhauptstadt gerichtet hast, die für das sittliche Leben wunderbare Ermahnung enthalten, sind wir durch und durch erquickt, und ich halte dafür, daß diese Äußerungen nicht aus dir, sondern durch dich (gesprochen sind), so gewiß sie einmal aus dir und durch dich geäußert wurden. Denn so groß ist die Erhabenheit dieser Dinge und durch solche edle Art zeichnen sie sich aus, daß meines Erachtens kaum Generationen von Menschen genügen werden, um durch sie unterwiesen und vollendet werden zu können. Ich wünsche dir Wohlergehen, Bruder. 2. Den L.Annaeus Seneca grüßt Paulus Deinen Brief habe ich gestern mit Freuden in Empfang genommen. Ich hätte ihn sogleich beantworten können, wenn mir der junge Mann, den ich zu dir zu senden beabsichtigte, zur Verfügung gestanden hätte. Du weißt ja, wann und durch wen und zu welchem Zeitpunkt und wem etwas zur Übermittlung gegeben werden darf. Ich bitte also, sieh es nicht als Nachlässigkeit an, wenn ich die Zuverlässigkeit der Person erst berücksichtige. Wenn du aber schreibst, ihr wäret durch meinen Brief irgendwie angenehm berührt, so schätze ich mich glücklich über das Urteil eines aufrichtigen Mannes. Denn du, der du Kritiker (censor), Philosoph und Lehrer eines so bedeutenden Fürsten und damit auch der Allgemeinheit bist, würdest das nicht sagen, wenn nicht wahr wäre, was du sagst. Ich wünsche dir langes Wohlergehen. 3. Seneca grüßt Paulus Einige Schreibrollen habe ich geordnet und sie entsprechend ihrer jeweiligen Einteilung in bestimmte Ordnung gebracht. Auch das bin ich entschlossen, dem Kaiser vorzulesen. Wenn nur das Geschick es günstig fügte, daß er neues Interesse zeigt, so wirst vielleicht auch du zugegen sein; sonst will ich dir ein andermal einen Tag angeben, wo wir zusammen dieses Werk einsehen können. Und ich könnte ihm nicht eher diese Schrift vorlegen, es sei denn, ich käme vorher mit dir zusammen, wenn es nur ohne Schaden möglich wäre, so daß du sicher sein könntest, daß man dich nicht übergeht. Leb wohl, teuerster Paulus! 4. Den Annaeus Seneca grüßt Paulus Sooft ich deine Briefe höre, denke ich an deine Gegenwart, und ich stelle mir nichts anderes in Gedanken vor, als daß du jederzeit bei uns seiest. Sobald du daher dich anschickst zu kommen, wenlen wir uns einander auch aus nächster Nähe sehen. Ich wünsche dir Wohlergehen. 5. Seneca grüßt Paulus Dein allzu langes Fernbleiben ängstigt uns. Was ist denn los? Was hält dich fern? Falls es der Unwille der Herrin ist, weil du dich vom alten Ritus und Glauben (des Judentums) abgewandt und anderswohin bekehrt hättest, so wirst du Gelegenheit finden, sie zu überzeugen, dies sei aus Überlegung und nicht aus Leichtfertigkeit geschehen. Leb wohl!
4. Der apokryphe Briefwechsel zwischen Seneca und Paulu8
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6. Den Seneca und Lucilius grüßt Paulus über die Dinge, von denen du mir geschrieben hast, kann man sich nicht mit Feder und Tinte äußern \ denn erstere bezeichnet etwas deutlich, letztere zeigt es zu offensichtlich; zumal da ich weiß, daß unter euch, d.i. bei euch und in eurer Mitte, Leute sind, die mich verstehen. Man muß allen mit Ehrfurcht begegnen, zumal wenn sie nach einer Gelegenheit zur Äußerung ihres Unwillens haschen. Wenn wir mit ihnen Geduld haben, werden wir sie auf jede Weise und in jeder Hinsicht überwältigen, wenn es nur Menschen sind, die über ihr Tun Reue zeigen können. Lebt wohl!
7. Annaeus Seneca grüßt Paulus und Theophilus Ich gestehe offen, die Lektüre deiner Briefe an die Galater, an die Korinther und an die Achäer (= 2. Kor.; vgl. dort 1,1) hat mich angenehm berührt, und wir wollen so miteinander leben, wie auch du es mit göttlichem Schauer in ihnen verwirklichst. Denn der heilige Geist ist in dir und überdies bringt er durch deinen erhabenen Mund hohe und durchaus ehrwürdige Gedanken zum Ausdruck. Darum wünschte ich, wenn du so hohe Gedanken vorbringst, möchte der Erhabenheit der Gedanken nicht die schöne Form der Rede fehlen. Und um dir, lieber Bruder, nichts vorzuenthalten oder gar mein Gewissen zu belasten, gestehe ich, daß auf den Augustus (= Kaiser Nero) deine Gedanken Eindruck gemacht haben. Als ich ihm den Anfang (deines Briefes) von der Kraft, die in dir ist, vorgele3en hatte, äußerte er sich folgendermaßen: er könne sich nur wundern, wie ein Mensch, der nicht die herkömmliche Bildung besitze, solcher Gedanken fähig sei. Ich gab ihm zur Antwort: die Götter pflegen durch den Mund der Unschuldigen zu reden 2, nicht solcher, die sich auf ihre Gelehrsamkeit wunder was einbilden 3, und als Beispiel nannte ich ihm den Vatienus, einen ganz ungebildeten Menschen, dem zwei Männer im Gebiet von Reate erschienen, die man später Castor und Pollux genannt hat, und damit scheint er (der Kaiser) im Bilde zu sein. Lebt wohl! 8. Den Seneca grüßt Paulus Wenn ich auch wohl weiß, daß unser Caesar (N ero) zuweilen, wenn er mutlos ist, am Bewundernswerten Gefallen findet, so gestattet er doch nicht, daß er beleidigt, sondern (nur), daß er ermahnt wird. Ich glaube nämlich, daß es übel angebracht war, daß du ihm das zur Kenntnis bringen wolltest, was seinem Glauben und seiner Lehre widerspricht. Da er ja die heidnischen Götter verehrt, sehe ich nicht ein, was du damit beabsichtigt hast, daß du ihn dies wissen lassen wolltest; ich müßte denn glauben, daß du es aus allzu großer Liebe zu mir tust. Ich bitte dich, in Zukunft so etwas nicht wieder zu tun. Du mußt dich nämlich hüten, während du mich lieb hast, die Herrin (Kaiserin Poppaea Sabina) vor den Kopf zu stoßen; denn ihre Ungnade wird nicht schaden, wenn sie dabei bleibt, noch nützen, wenn es nicht der Fall ist; als Königin wird sie nicht Unwillen empfinden, aber als Frau wird sie sich beleidigt fühlen. 1 2
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Vgl. 2. Job. 12; 3. Joh. 13. Vgl. Ps. 8, 3; Mt. 11,25 (Luk. 10,21). Vgl. 1. Kor. 1, 19. 26-29.
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XII. Apostolische Pseudepigraphen
9. Seneca grüßt Paulus
Ich weiß, daß du nicht so sehr deinetwegen erregt bist über das Schreiben, das ich an dich über eine Ausgabe meiner Briefe für den Kaiser gerichtet habe, wie über die Natur der Dinge, die den Sinn der Menschen von allen Künsten und richtiger Gesittung fernhält, so daß ich mich heute nicht wundere, zumal da mir dies nunmehr aus mannigfachen Beweisstücken ganz genau bekannt geworden ist. So wollen wir denn aufs neue ans Werk gehen, und wenn in der Vergangenheit ein Fehler gemacht worden ist, wirst du mir Verzeihung gewähren. Ich habe dir ein Buch über "Wortreichtum" (de verborttm copia) geschickt. Leb wohl, teuerster Paulus! 10. Den Seneca grüßt Paulus Sooft ich dir schreibe und meinen Namen hinter den deinen setzeI, begehe ich einen schweren Fehler, der eigentlich mit meiner Stellung< in der Christengemeinde) unvereinbar ist. Jedenfalls muß ich, wie ich oft erklärt habe, mit allen alles sein 2 und gegenüber deiner Person das beobachten, was das römische Gesetz der Ehre des Senates zugestanden hat, nämlich nach Durchlesen eines Briefes die letzte Stelle zu wählen 3; sonst könnte ich< nur) mit Verlegenheit und Schande das durchführen wollen, was meinem eigenen Urteil entsprochen hätte. Leb wohl, mein hochverehrter Lehrer! Gegeben am 27. Juni unter dem 3. Konsulat des Nero und dem des Messala (= 58 n.Chr.). 11. (12.) Seneca grüßt Paulus
Sei gegrüßt, mein teuerster Paulus! Glaubst du etwa, ich sei nicht betrübt und traurig darüber, daß an euch Unschuldigen immer noch die Todesstrafe vollzogen wird? Sodann, daß das ganze Volk von eurer Grausamkeit und verbrecherischen Schädlichkeit überzeugt ist, im Glauben, alles Unheil in der Stadt sei euch zu verdanken? Aber wir wollen es mit Gleichmut tragen und uns der günstigen Umstände bedienen, wie sie uns das Schicksal bietet, bis das unbesiegbare Glück den Übeltätern ein Ende bereitet. Hat doch auch die Zeit der Alten den Macedonier, Philipps Sohn, ertragen, die Cyrusse, Darius und Dionys, auch unsere Zeit den Gaius Caesar (= Caligula), Männer, denen alles, was ihnen beliebte, erlaubt war. Was die Feuersbrunst betrifft, so liegt klar am Tage, von wem die römische Hauptstadt sie so oft zu dulden hat. Aber wenn die menschliche Niedrigkeit hätte aussagen können, was die Ursache ist, und ungestraft in dieser Finsternis sprechen dürfte, so würden schon alle alles sehen. Christen und Juden sind als Brandstifter - leider Gottes! - hingerichtet worden, wie es gewöhnlich geschieht. Dieser Rohling, wer immer es ist, der am Morden Vergnügen findet und die Lüge als Deckmantel benutzt, ist für seine Zeit bestimmt; und wie jeweils der Beste als ein Haupt für viele geopfert wird 4 , so wird auch dieser Verfluchte für alle im Feuer verbrannt werden. 132 Paläste, 4000 Mietshäuser sind niedergebrannt in sechs Tagen; der siebente Tag brachte eine Pause. Ich wünsche dir gute Gesundheit, Bruder. Geschrieben am 28. März unter dem Konsulat des Frugi und Bassus (= 64 n.Chr.). Nur in dem salbungsvollen Abschiedsbrief (14) ist Paulus vorangesetzt. 1. Kor. 9,22; 10,33. 3 Wenn der Brief fertiggestellt und nochmal durchgelesen ist, wird außen die Adresse angebracht. 4 Vgl. Vergil, Aen. V, 815: Unum pro multis dabitur caput. 1
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4. Der apokryphe Briefwechsel zwischen Seneca und Paulu8
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12. (11.) Seneca grüßt Paulus Sei gegrüßt, mein teuerster Paulus! Wenn du mit mir und meinem Namen aIs so bedeutender, von Gott auf jede Weise geliebter Mann, ich sage nicht verbunden, sondern notwendigerweise vereint bist, dann wird es aufs beste bestellt sein mit deinem Seneca. Da du nun der Scheitel und der höchste Gipfel aller Berge bist, willst du da etwa nicht, daß ich mich freue, wenn ich dir so sehr der Nächste bin, daß ich für dein zweites Ich gelte? Daher kannst du glauben, daß du nicht unwürdig bist, in den Briefen an erster Stelle genannt zu werden; sonst könnte es den Anschein gewinnen, als ob du mich eher versuchen als loben wolltest; zumal da du weißt, daß du römischer Bürger bist. Denn ich wünschte, daß meine Stelle deine wäre bei dir (in deinem Schreiben) und daß deine wäre wie meine!. Gegeben am 23. März unter dem Konsulat des Apronianus und Capito (= 59 n.Chr.). 13. Seneca grüßt Paulus Allegorisch und rätselhaft sind viele Sätze (opera) von dir allenthalben aneinandergefügt, und darum muß die dir verliehene Macht deines Stoffes und deiner Aufgabe nicht durch Schmuck der Worte, sondern durch eine gewisse Verfeinerung geziert werden. Und fürchte ja nicht, was ich, soweit ich mich entsinne, öfter schon geäußert habe, daß viele, die solches erstreben, die Gedanken verderben und die Kraft des Stoffes entmannen! Möchtest du mir wenigstens das Zugeständnis machen, daß du auf die Latinität achtest und für schöne Worte auch die äußere Form anwendest, so daß du die Aufgabe eines edlen Dienstes auch würdig durchführen kannst. Leb wohl! Geschrieben am 6. Juli im Konsulatsjahr des Lurco und Sabinus (= 58 n.Chr.). 14. Paulus grüßt Seneca Bei gründlicher Erwägung sind dir Dinge enthüllt, wie sie die Gottheit nur wenigen zugestanden hat. Unzweifelhaft säe ich auf einem bereits ertragreichen Ackerfeld den kräftigsten Samen, nämlich keinen Stoff, der zu verderben scheint, sondern das unerschütterliche Wort Gottes, den Quell aus ihm, der wächst und bleibt in Ewigkeit 2. Was deine Einsicht sich angeeignet hat, wird immer ohne Abschwächung bestehen bleiben, nämlich, daß man der Heiden und Israeliten (äußerliche) Beobachtungen vermeiden muß. Mache du dich zum neuen Herold Jesu Christi, indem du durch deine rhetorischen Verkündigungen die unwiderlegliche Weisheit zum Ausdruck bringst. Da du diese beinahe schon erreicht hast, wirst du dem zeitlichen König und seinen Dienern und treuen Freunden Zugang zu ihr verschaffen, obwohl ihnen deine Überzeugung hart und unfaßbar sein wird, da die meisten von ihnen keineswegs umgestimmt werden durch deine Darlegungen, durch die das eingeträufelte Wort Gottes den Lebenswert schafIt 3 , nämlich einen neuen Menschen ohne Verderbnis, eine unvergängliche Seele, die von hier zu Gott eilt. Leb wohl, du uns so teurer Seneca! Geschrieben am 1. August im Konsulatsjahr des Lurco und Sabinus (= 58 n. Chr.). 1
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Vgl. Gal. 4, 12. Vgl. 1. Petr. 1,23.25. Dazu A. Kurfess in ZNW 35, 1936/37, S. 307. Vgl. 1. Kor. 15,42 Vetus Latina.
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XII. Apostolische Pseudepigraphen 5. DER PSEUDO-TITUS-BRIEF
(A. de Santos Otero) EINLEITUNG. Als "Brief des Titus, des Paulusscbülers, über den Stand der Keuschheit" ist ein merkwürdiges Schriftstück erhalten, das 1896 in einer lateiniscben Handschrift aus dem achten Jahrhundert (fol. 84-93v des "Codex Burcbardi" Mp. th. f. 28 der Universität Würzburg) unter den Homilien von Caesarius von Arles entdeckt wurde (vgl. D. G. Morin: Revue Bem§dictine 13, 1896, S. 97-111). Erst 1925 nach langwierigen Studien wurde dieses Dokument von D. de Bruyne vollständig veröffentlicht (Rev. Ben. 37, 1925, S.47-72). Diese "Epistel" ist in einer barbarischen Sprache verfaßt, deren Solezismen sich nicht allein durch die Unbeholfenheit etwaiger Schreiber erklären lassen, sondern großenteils auch auf den Verfasser selbst zurückgehen. Die von de Bruyne aufgestellte Hypothese, es handle sich um eine lateinische Übersetzung aus dem Griechischen, die anscheinend von einem Mann gemacht wurde, der weder Latein noch Griechisch genug konnte (Rev. Ben. 10, 1900, S. 154; M. Rh. James versuchte sogar seinerseits, den angeblich ursprünglich griechischen Text aufgrnnd einiger Indizien der "Epistel" wiederherzustellen, vgl. ebd. S.151), ist heute, besonders nach den Untersuchungen von A. von Harnack (vgl. SBA 17, 1925, S. 191) nicht mehr haltbar. Hinzu kommt die enge Beziehung unserer "Epistel" zu anderen gleichgesinnten lateinischen Schriften, auf die wir noch zu sprechen kommen. Da wir auf eine einzige Handschrift angewiesen sind, deren Lektüre erhebliche sprachliche Schwierigkeiten bietet, ist es noch nicht möglich, ein letztes Wort über die Entstehung des Titusbriefes zu sagen. Dennoch kann man schon manches über den Charakter und den Inhalt dieser "Epistel" aussagen. Das, was vor allem auffällt, ist nicht allein das äußere apokryphe Gewand der "Epistula Titi" sondern auch die großzügige Benutzung von allerlei Apokryphen, besonders der Apostelakten und einiger Apokalypsen. Diese zahlreichen apokryphen Zitate haben das Interesse der Forscher im Laufe eines halben Jahrhunderts am meisten erweckt und sie zu manchen Schlußfolgerungen über die Entstehung der "Epistel" geführt. Dieser Anhaltspunkt (besonders wertvoll zur Beurteilung einer Schrift, die keine dogmatischen Aussagen enthält) darf aber nicht getrennt von dem angeblichen Ziel des Briefes betrachtet werden. Der Verfasser scheint nämlich vor allem ein konkretes asketisches Ziel vor Augen gehabt zu haben: das Lob des jungfräulichen Lebens. Seine Adressaten gehören zu einem bestimmten Kreis von Asketen beiderlei Geschlechts (Spadones und Virgines), die im Stand der Ehelosigkeit zu leben gelobt haben, in deren Leben aber sich einige Unsitten (darunter die der "geistlichen Ehe") eingebürgert haben. Um diese Mißstände zu bekämpfen und den Wert der Jungfräulichkeit hervorzuheben, greift der Verfasser zu allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln. Schon die Heranziehung des Titus als angeblichen Verfassers des Briefes (seine Autorität im asketischen Bereich wegen seiner engen Beziehungen zu Paulus war bekanntlich sehr groß) spricht für die asketischen Belange, die der Pseudo-Titus vertreten will. Die Fülle der Zitate aus der m. Scbrift aber, mit denen der Verfasser seine schwärmerischen Exklamationen über den Stand der Ehelosigkeit begleitet, verrät eine deutliche Anlehnung an andere asketischen Schriften, die vor allem in den Literaturkreisen um Hieronymus und Cyprian entstanden sind und ein ähnliches Ziel verfolgen. Es sei unter anderem hingewiesen auf Ps.-Cyprian, De Singularitate Clericorum (ed. Hartel CSEL 3, 1871) und De centesima, sexagesima, trigesima (ed. Reitzenstein ZNW 15, 1914, S.60ff.); Hieronymus, Epistula 117 (ed. Hilberg CSEL 55, S. 422ff.); Ps.-Hieronymus, Epistula 42 ad Oceanum (PL 30, 288ff.); Bachiarius, De reparatione lapsi (PL 20,1038-1062). Daß Pseudo-Titus auch zu apokryphen Zitaten greift, die sich im allgemeinen durch ihren ehefeindlichen Charakter auszeichnen, spricht nicht nur für seinen naiven Enthusiasmus, sondern legt die Vermutung nahe, diese Schrift sei in einem Milieu entstanden, wo das asketische Leben besonders blühte und die apokryphen Schriften (vor allem die streng asketischen Apostelakten) ein großes Ansehen genossen. Dieses Milieu ist höchstwahrscheinlich im Zusammenhang mit der priszillianischen Bewegung in den asketischen Kreisen
5. Der Pseudo-Titus-Brief
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der spanischen Kirche im Laufe des fünften Jahrhunderts zu suchen. Dafür spricht zunächst der Umstand, daß es in diesem Lande von Anfang an eine strenge asketische Strömung gegeben hat, von der sowohl die genannten asketischen Schriften wie die apokryphen Apostelakten mit besonderer Begeisterung aufgenommen wurden. Hinzu kommen die offiziellen Dokumente der spanischen Hierarchie, die die vom Pseudo-Titus bekämpfte Unsitte als etwas typisch Priszillianisches brandmarken und mit ähnlichen Ausdrücken verurteilen. Im Verfasser dieser "Epistel" aber braucht man nicht unbedingt einen Priszillianisten zu sehen. Es ist wohl denkbar, daß ein Anhänger der katholischen Kirche, durch seinen unwissenden Enthusiasmus hingerissen, dieses Schriftstück verfaßt hat und es unter der Flagge des Titus zirkulieren ließ. Unter den verschiedenen Beiträgen zum Studium des Pseudo-Titus sei zunächst hingewiesen auf Arbeiten, die sich gelegentlich mit einigen Problemen dieser "Epistel" (hauptsächlich mit den apokryphen Zitaten) befaßt haben: E. S ch ürer: ThLZ 33, 1908, S. 614. J. Weiss, Der 1. Korintherbrief, 1910, S. 58ff. - M. Rh. James, The lost Apocrypha of the OT, 1920, S. 55. - ders., The Apocryphal NT, 1924, S. 265. 303. 349. - Hennecke, S. 277/228. - C. S chmid t: ZKG 43, 1924, S. 334ff. D. G. Morin (Rev. Ben. 13, 1896, S. 97-111) und von Eckhart (Commentarii de rebus Franciae orientalisI, S. 837-847) haben dieWürzburger Handschrift ausführlich beschrieben. D. de Bruyne hat zunächst die apokryphen Zitate des Pseudo-Titus veröffentlicht (Rev. Ben. 10, 1908, S. 149-160) und dann den ganzen Text mit einigen Korrekturen und Erläuterungen herausgegeben (s.o.). Den wichtigsten Beitrag zum Studium des PseudoTitus hat A. von Harnack mit seiner Untersuchung Der apokryphe Brief des Paulusschülers Titus (SBA 17, 1925, S. 180-213) geleistet. H. Koch hat eine Schlagwortgemeinschaft des Pseudo-Titus mit anderen asketischen Schriften entdeckt (ZNW 32, 1933, S. 131-144). Bulhart hat einige Korrekturen zum lateinischen Text vorgeschlagen (Rev. Ben. 67, 1952, S. 297-299). Zur Rechtfertigung der von uns in der vorhergehenden Einleitung vertretenen Ansichten über den Titusbrief verweisen wir auf den Artikel "Der apokryphe Titusbrief" (ZKG 74,1963, S. 1-14). Zum erstenmal wird hier eine vollständige Übersetzung dieser "Epistel" dargeboten. Wir haben uns bemüht, die immer wieder auftauchenden sprachlichen Rätsel möglichst zu lösen, um einen lesbaren und zusammenhängenden Text bieten zu können. Dabei haben wir nicht nur die von de Bruyne und Bulhart vorgeschlagenen Korrekturen, sondern auch die eigenartige Ausdrucksweise des Pseudo-Titus berücksichtigt. BRIEF DES PAULUSSCHÜLERS TITUS'
Groß und ehrenvoll ist die göttliche Verheißung, die den Heiligen und Reinen der Herr mit seinem eigenen Mund versprochen hat: Er werde ihnen schenken, was weder die Augen gesehen noch die Ohren je gehärt haben, und was in kein Menschenherz überhaupt gedrungen ist. Und von Ewigkeit zu Ewigkeit wird es etwas Unvergleichliches und Unbegreifliches sein 2 • 1 Bei der Übersetzung dieses schwierigen Textes waren mir die Hinweise von W. Schneemelcher und K. Schäferdiek eine wertvolle Hilfe. • Dieser Spruch, auf den sich Paulus (1. Kor. 2, 9) beruft und der seinerseits an Is.64,4 erinnert, hat einen großen Nachklang in der späteren Überlieferung gehabt. Schon Origenes hat sich mit dem Problem seines Ursprungs auseinandergesetzt und ist zu dem Schluß gekommen, Paulus habe diesen Satz aus der Apokalypse des Elias entnommen "in nullo enim regulari libro hoc positum invenitur, nisi in secretis Eliae prophetae" (In Matth. 27, 9: PG 3, 1769). Sowohl das Martyrium Petri (c.l0, vgl. Aa I, S.98 und u. S. 220), wie das in Nag-Hammadi gefundene Evangelium nach Thomas (Taf. 84, 5-9, Log. 17, ed. Brill, Leiden 1959, S. 12) schreiben diesen Spruch ausdrücklich Jesus zu. Eine andere Parallele
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XII. Apostolische Pseudepigraphen
Glückselig sind also diejenigen, die ihr Fleisch mit der Begierde dieser Welt nicht befleckt haben, sondern der Welt abgestorben sind, um für Gott leben zu können! Diejenigen, denen weder das Fleisch noch das Blut tödliche Geheimnisse gezeigt haben, sondern der Geist aufgestrahlt ist und etwas Besseres gezeigt hat, so daß sie auch in diesem ( ... ) und Augenblick unserer (Pilgerschaft über die Erde) Engelgestalt aufweisen können. Solche sollen, wie der Herr sagt, Engel geheißen werdeni. Diese also, die mit Weibern nicht befleckt sind 2, nennt er Engelschar. Diese, die sich Männern nicht hingegeben haben, nennt er Jungfrauen, wie der Apostel Christi sagt: die Unverheirateten denken Tag und Nacht an göttliche Dinge 3, d.h. geziemend zu handeln und Ihm allein zu gefallen, nicht aber mit Taten zu verleugnen, was sie mit Worten versprechen. Warum soll sich eine schon mit Christus verlobte Jungfrau mit einem fleischlichen Mann verbinden1 Es ist nicht angebracht, an einem Menschen zu hängen und ihm zu dienen mehr als Gott. Jungfrau! Du hast Christus verstoßen, mit dem du verlobt warst! Du hast dich von Ihm getrennt, die du mit einem anderen verbunden bleiben willst! o schöne Jungfräulichkeit, du bleibst zuletzt in der Liebe zu einem männlichen Wesen stecken! 0 (heiliger) Asketenstand, du verschwindest, (wenn) die Heiligen menschliche Schulden begleichen! o Leib, du bist ins Joch des Gottesgesetzes gespannt und treibst immer noch Unzucht! Du bist dieser Welt gekreuzigt 4 und handelst weiter nach ihr! Wenn der Apostel Paulus einer in ein ehebrecherisches Verhältnis zu einem fremden Mann verwickelten Frau die Kommunion untersagt 5, um so mehr wenn es sich um Christus geweihte Heilige handelt! Du steckst in der häßlichen Gemeinschaft dieser Welt und hältst dich noch würdig des Blutes Christi oder mit seinem Leib verbunden! So verhält es sich aber nicht: wenn du dich unwürdig vom Fleisch des Herrn ernährst, so nimmst du vergeblich statt des Lebens das Feuer deiner ewigen Strafe! o Jungfrau: wenn du dich darum bemühst, (den anderen) zu gefallen, so hast du schon eine WillenssÜllde begangen, da der Evangelist sagt, man könne nicht zwei Herren dienen, denn man kann nur einem dienen, indem man den anderen verachtet 6 , So ist es auch mit dir, 0 Jungfrau! Du verachtest Gott, indem du dich bemühst, dem Mann zu gefallen. Schaue dir also die Spuren der Ahnen an! Betrachte den Fall der Tochter J ephtas: indem sie gewillt war, das von ihrem Vater Versprochene zu leisten, und sich selbst dem Herrn als Opfer gelobte, bekundete sie zunächst ihren Verkehr mit Gott, und im manichäischen Turfan-Fragment, vgl. Bd. I, S.217. Der PsT legt die Worte dieser Verheißung in den Mund des Herrn und fügt dem gewöhnlichen Wortlaut einen Schlußsatz hinzu, auf dessen Verwandtschaft mit Clemens v. Alexandrien (Protrept. 9, 94) Harnack (a.a.O., S. 193) hingewiesen hat. Die Frage, auf welche unmittelbare Quelle dieses Zitat zurückzuführen sei, ist nicht leicht zu beantworten. Aber viel wahrscheinlicher als die von Resch aufgestellte Hypothese (vgl. Agrapha, LAuft., S. 102. 154-167. 281), dieser Spruch sei als ein Logion aufzufassen, scheint mir die Aunahme zu sein, PsT habe an dieser Stelle nichts anderes als 1. Kor. 2, 9 zitieren wollen. Die Bezeichnung des Urhebers der betreffenden Verheißung an beiden Stellen spricht auch dafür. Vgl. Bd. I, S.217. 1 Mk. 12,25 par. B Offb.14, 4, 3 1. Kor. 7, 34. 4 Vgl. Gal.6, 14. 6 Diese Begebenheit ist in den Actu8 Petri cum 8imone (c. 2, Aa I, S.46 und u. S. 191 f.) ausführlich erzählt. Der Name der betreffenden Frau ist dabei als Rufina angegeben. 6 Mt. 6,24.
5. Der Pseudo-Titus-Brief
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nahm sich andere Jungfrauen mit, um ihre Jungfrauschaft sechzig Tage hindurch im Gebirge zu beweinen!. aufleuchtende Geheimnisse, die die Zukunft im voraus erschließen! Eine Jungfrau findet sich mit einer anderen zusammen, und ihr zu Liebe beweint sie die Gefahr ihres Fleisches bis der Tag ihrer Belohnung kommt! Mit Recht sagt er "sechzig Tage", indem er die sechzigfache Belohnung der Heiligkeit meint, die sich der Asket durch viele Schmerzen erkämpfen kalill, nach der Lehre des Apostels: Lasset uns nicht verzagen, sagt er, in den härtesten Arbeiten, in Trübsal, in Kummer, beim Ertragen der Beleidigung: wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen, weil wir das Todesleiden Christi an unserem Leibe tragen. Deshalb werden wir keineswegs besiegt 2. Und noch ein Beispiel hinterließ derselbe Apostel, als er sein eigenes Scheitern schilderte und sagte: Ich habe viel gearbeitet, ich bin öfter gefangen gewesen, ich habe äußerst viele Schläge erlitten, ich bin oft in Todesnöte geraten. Von den Juden, sagt er, habe ich fünfmal empfangen vierzig Streiche weniger eins, ich bin dreimal mit Ruten geschlagen, einmal gesteinigt; dreimal habe ich Schiffbruch erlitten, Tag und Nacht habe ich zugebracht in der Tiefe des Meeres; ich bin oft gereist 3, oft in Gefahr gewesen durch die Flüsse, in Gefahr durch die Räuber, in Gefahr unter den Ungläubigen auf vielfache Weise, in Gefahr in den Städten, in Gefahr unter den Heiden, in Gefahr in der Wüste, in Gefahr unter den falschen Brüdern; in Mühe und Arbeit, öfter in Trauer, in viel Wachen, in Hunger und Durst, in viel Fasten, in Frost und Blöße, in Herzensbeklemmung, außer den Sorgen, die nicht direkt mein persönliches Leiden betr~ffen. Und in alledem habe ich nicht versagt, weil Christus bei mir war und noch bis jetzt bei mir ist 4 • 0, durch wieviel Mühe gelangt man zur Glorie! Hinzu kommt noch die Stimme des Herrn, der sagt: welchen ich liebhabe, sagt er, den tadle und strafe ich 5, damit der Gerechte geprüft wird, wie Gold im Schmelztiegel. Welche leibliche Freude wird also im Jenseits bestehen können, wenn die Stimme des Herrn lautet: 0 wie eine Jungfrau, wie ein Weib, so ist das Geheimnis der Auferstehung, (das) ihr mir gezeigt habt, die ihr euch Prachtfeste zur Entstehung der Welt veranstaltet, und an der Geilheit der Heiden teilgenommen, und ähnlich wie diejenigen, die sich daranfreuen, gehandelt habt 6. Siehe was für junge Mädchen gibt es unter euch! Aber kommt und denkt darüber nach, daß es einen Seelenprüfer und einen Jüngsten Tag der Vergeltung und der Verfolgung gibt! Wo bist du denn jetzt, die du deine Jugendzeit vergnügt mit einem Frevler zugebracht hast, wenn dazu noch der Apostel bezeugt, daß weder Fleisch noch Blut das Reich Gottes besitzen werden 7? Und wiederum lautet das Gesetz: der Mann rühme sich nicht seiner Stärke, sondern vertTaue Gott vielmehr 8, und Jeremias sagt: verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verläßt 9 • Und in den Psalmen heißt es: es ist besser, auf den Herrn zu vertrauen, als auf ~jJI[enschen sich zu verlassen 10. Warum scheust du dich also nicht, Gott zu verlassen, und einem Menschen zu vertrauen, der sich beim Jüngsten Gericht nicht Rieht. 11,38. 2 2. Kor. 4, 8ff. Die von Bulhart vorgenommene Korrektur "In (ex)pedicionibus" anstatt des "In pedieionibus" ist zutreffend. 4 2. Kor. 11, 23ff. 6 Offb. 3, 19. 6 Harnack hält dieses Zitat für ein Logion unbekannten Ursprungs (a.a.O., S. 195). 7 1. Kor. 15, 50. B Jer. 9, 23. 9 Jer. 17,5. 10 Ps. 118, 8. 1 3
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ret.t.en sondern zugrunde richt.en wird? Bet.racht.e und merke dir das Geschehnis, worüber folgender Bericht. unt.errichtet.: Ein Bauer hatte ein Mädchen, das Jungfrau war. Das war auch seine einzige Tochter, und deshalb bat er Petrus, für sie ein Gebet zu verrichten. Nachdem er gebetet hatte, sagte er dem Vater, der Herr würde ihr schenken, was für ihre Seele angebracht sein sollte. Das Mädchenjiel alsbald tot um. 0 würdiger und got.t.gefälliger Gewinn, der Unverschämt.heit des Fleisches zu entfliehen und den Stolz des Blutes zu brechen! Aber dieser mißtrauische Greis, da er den Wert der himmlischen Gnade, d. h. die göttlichen Wohltaten verkannte, bat wiederum, daß seine einzige Tochter auferweckt würde. Und einige Tage später, nachdem sie auferstanden war, kam jemand, der sich als Gläubigen ausgab!, in das Haus des Greises, um bei ihm zu wohnen. Und anschließend verführte er das Mädchen, und beide erschienen nicht mehr wieder 2. Denn wer seinen eigenen Körper schändet, macht sich dem Gottlosen gleich. Und darum ist der Wohnort des Gottlosen nicht ausfindig zu machen, wie David sagt: ich suchte nach ihm, doch war er nirgends zujinden 3 , wie sich auch jene beiden beim (erwähnten) Todesfall nicht mehr (zu erscheinen) trauten. Bang soll es dir also sein, o Jungfrau, vor dem Urteil dieses Gesetzes: wenn eine verlobte Jungfrau, sagt Mose, mit einem fremden Mann überrascht wird, so sollen beide vor das Gericht der Ältesten gestellt und dem Todesurteil unterworfen werden 4 • Diese Begebenheiten sind für uns berichtet worden, über die das Ende (dieses) Zeitalters hereingebrochen ist. Eines steht fest: sollte eine Christo verlobte Jungfrau mit einem fremden (Mann) überrascht werden, so sollen beide zu ihrer endgültigen Aburteilung vor das Gericht der Ältesten d. h. Abrahams, Isaaks und Jakobs gestellt werden, denen obliegt, in Sachen ihrer Kinder zu urteilen. Dann werden die Väter ihre eigenen Kinder als Missetäter verleugnen. Und schließlich werden die Frevler mitten in der Qual ihrer Strafe schreien: Erhöre uns, 0 Herr Gott, weil uns unser Vater Abraham nicht erkannt, und Isaak und Jakob uns verleugnet haben! So sollen sich also die Kinder verhalten, daß sie sich (einmal) im Schoß des Vaters Abrahams einfinden können. Das heißt, daß sie in seinem Gedächtnis lobenswert bleiben, und nicht wie die Töchter Zions, denen der Hl. Geist durch J esaja vorwirft: sie zogen durch die Plätze miteinander, aufrechten Hauptes, tanzend. Und verlobten sich mit Männem in den DÖ1jemJerusalems, und häuften Missetaten bis zum Himmel an, und der Herr wurde zomig und empört und übergab sie dem König N ebukadnezar zu siebzigjähriger Slclaverei 5 • Auch ihr seid ungehorsam und zuchtlos, die ihr etwas noch Schlimmeres tut als das, was die Ersten verübt haben. Zum Schluß werdet also auch ihr dem bösen 1 Der Text lautet: "homo vinctus fidelis". Unserer Übersetzung liegt die Annahme Harnacks zugrunde, das ursprüngliche "fictus" sei vom Schreiber durch "vinctus" irrtümlich ersetzt worden. Hennecke (Apokr. 2, S. 228) faßt den "homo vinctus" als "der Sklave eines Gläubigen" oder "ein verzauberter christlicher Mann" auf. • Diese Geschichte schreibt Augustinus den manichäischen Apokryphen zu: "In apocryphis legunt ... hortulani filiam ad precem ipsius Petri esse mortuam" (Contra Adimantum 17,5: PL 42,161). Den Titel dieser Apokryphen gibt er leider nicht an. In den vorhandenen Actus Petri Vercellenses ist diese Geschichte nicht zu finden. Ficker (Apokr. 2, S. 227) ist der Meinung, sie habe nie zu ihnen gehört, auch wenn man annimmt, diese Actus seien durch Verstümmelungen entstanden. Vgl. unten S. 184. 3 Ps. 37, 36. • 5. Mos. 22,23. 5 Die Quelle dieses apokryphen Zitates ist nicht nachweisbar.
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König Nebukadnezar übergeben werden, wie Er sagt, d.h. dem Teufel, der euch überfallen wird. Und wie jene (die Juden), nachdem sie siebzig Jahre in Schmerz verbracht hatten, dann in ihre Wohnorte zurückkehrten, genauso wird (jetzt) eine Frist von sieben Jahren unter dem Antichrist anberaumt. Aber die Qual dieser sieben Jahre bereitet einen ewigen Schmerz. Und wie sie auch, nachdem sie in ihre Heimat zurückgekehrt waren, fernerhin viel Übel erlebten, so ist es auch jetzt (mit diesen): nach dem Tode wird die Seele eines jeden bis zum Tag des Gerichtes gequält werden. Und wiederum, nach der Niedermetzelung der Bestie wird die erste Auferstehung stattfinden: und dann werden die frevelhaften Seelen in ihre Wohnungen zurückkehren; und je nach dem Zuwachs ihrer (früheren) Missetaten wird (jetzt) ihre Qual über die erste Strafe vermehrt werden. Man muß also, Geliebte, die Werke des Fleisches wegen der künftigen Vergeltung bekämpfen. Mit Fleisch und Blut sollt ihr, Töchter, also ringen, auf daß ihr der ewigen Qual entkommet, solange eine Frist dazu gewährt ist und wenige Tage noch übrigbleiben, um sich das IJeben zu erkämpfen. Warum soll in der Begierde des Fleisches steckenbleiben, der diesem abgeschworen hat~ Warum umarmst du, o Jungfrau, die du auf den Mann verzichtet hast, dessen körperliche Schönheit~ Warum gibst du (Asket) deinen Körper, der dafür nicht geschaffen ist, einer Fremden (d.h. Christus angehörigen) Frau hin~ Warum bemühst du dich, gegen dein eigenes Heil, den Tod in der Liebe zu :finden~ Höre den Apostel, der zu dir sagt: Sehet zu, sagt er, daß ihr durch die Freiheit Gottes dem Fleisch nicht Raum gebet!. Und wiederum: Vollbringet die Gelüste des Fleisches nicht. Denn das Fleisch gelüstet gegen den Geist, und der Geist gegen das Fleisch. Diese widerstreben einander. Tut also nicht, sagt er, was ihr wollt. Sonst ist der Geist Gottes nicht in euch 2• 0 angeborene Untreue, die Gebote des Hl. Gesetzes zu mißachten, und (durch) eine trügerische Ehe das ewige Leben heimlich zu verlieren! 0 süßer Betrug, Qual für die Zukunft heranzuziehen! 0 zügellose Ruhmsucht, gegen die Gott gelobte Hingabe zu verstoßen! 0 vom Weg irreführende Schritte, daß eine Jungfrau das Fleisch eines anderen liebhat ! 0 (un)treue Begierde, Raub des Feuers, ins Verbrechen verwickelte Würde 3 ! 0 gebrochenes Gelöbnis, daß der Sinn zu einem Fremden entbrennt! o Pfand der Wollust, zum Verbrechen geneigte Schönheit! 0 Locksinnbild der Laster, das du Hohn herbeiführst! 0 seminari da membra vicinacio tenebrarum 4 ! o verborgene Diebeswerke, die Anschein der Demut und Keuschheit geben! 0 Düsterheit der finsteren Tat, der Glorie Christi für immer beraubt! 0 flüchtiges Gedenken an die Heiligkeit, das im Namen der Schönheit dem Tod nachstrebt! 0 zurückgewiesenes Silber, das nach dem Spruch Jesajas Gottes nicht würdig ist!5 0 geschändeter Sabbat, an dem die Werke des Fleisches in den letzten Tagen und Zeiten zum Vorschein kommen! 0 Fuß, der du auf dem Wege zur Heiligkeit versagst und zur Gal. 5, 13. s Gal. 5, 16. Der Text lautet: ,,0 fida cupiditas et ignis praerogativa dignitas sceleris apta". Bulhart schlägt vor, "fida" und "dignitas" entweder ironisch aufzufassen, oder sie durch ("per)fida" und ,,(in)dignitas" zu ersetzen. Die vorliegende Übersetzung, der nur die Korrektur der "fida" zugrunde liegt, scbeint m.E. den richtigen Sinn des Satzes klar wiederzugeben. PsT betont die Würde ("dignitas") dieser "Ebrenasketen", um die Schwere ihrer Sünden drastischer zu schildern. 4 Trotz der von Bulhart vorgeschlagenen Korrektur: ,,0 seminari da(re) membra vicinacio tenebrarum" bleibt mir die Stelle unverständlich. 6 Jes. 1,22 oder Apokryphon des Jesaja. 1
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sicheren Wohnung nicht gelangst! 0 von Piraten aufgebrachtes Schiff, das du leer und elend davonkommst! 0 Haus, das von Einbrechern untergraben wird, während die Wächter einschlafen und den kostbaren Schatz verlieren! 0 jungfräuliche Jugend, die du von der Gerechtigkeit elendig abfällst! 0 Bereicherung des Vertrauens zu dieser Welt, die in Ewigkeit zum Elend wird I ! 0 Folge der Unzucht, die sich selbst die Krankheit der Schwermut zuzieht! 0 Quelle süßen Giftes, die dem Fleisch als unentwirrbare Verstrickung entsprießt! 0 erbärmliches Haus, auf Sand gegründet! o verächtliches Verbrechen (dieser) Zeit, das du nicht die eigenen, sondern fremde Glieder verdirbst! 0 flüchtiger Genuß an der Schwelle des Zusammenbruchs! o Bündel des Betrugs! 0 schlaflose Inbrunst, der Seele zum Verhängnis! 0, einen im Bau begriffenen Turm unvollendet zu verlassen! 0 Schandwerk, das du ein Spott der Vorbeiziehenden bist! Warum überlegst du es dir nicht, 0 Jungfrau, und veranschlagst nicht die himmlischen Unkosten, bevor du das Fundament legst~ Beim Anfangen hast du dich überstürzt, und bevor das Haus ausgebaut worden ist, hast du schon einen fürchterlichen Einsturz erlebt 2 ! Bei dir hat sich der Spruch des Gesetzes erfüllt, die Prophezeiung hat sich vollzogen: viel Gelände, sagt er, wird bebaut, und bald altert es; Tempel und Städte werden im Land gebaut, und bald werden sie verlassen 3 ! 0 Fla=en der Lüsternheit! Die Unreinen entweihen mit ihrer Begierde die Tempel Gottes, und von Ihm werden sie zugrunde gerichtet! o wenn man einen Wettkampf im Stadion antritt, und wenn dann, kaum daß es zum Ringen gekommen ist, die Schilde zu Boden fallen! 0 vom Feinde eroberte und zur Wüste verheerte Stadt! Gegen dieses hurerische Verhalten wendet sich der Herr durch Hesekiel, indem er sagt: Du hast dir dein Hurenhaus gebaut, du hast deine Schönheit und deine Anmut auf jedem Abweg geschändet, du bist zu einer unreinen Frau geworden, die du dir Schamlosigkeiten gesammelt hast! Deine Schande bei der Unzucht, die du mit deinen Geliebten getrieben hast, wird noch zutage kommen. Und wiederum: So wahr ich lebe, spricht der Herr, Sodom hat nicht so getan wie du Jerusalem und deine Töchter. Aber das Maß der Misseta,ten Sodoms, deiner Schwester, ist erfüllt. Denn Samaria hat die Hälfte deiner Sünden nicht getan. Du hast deine Sünden in all deinen Werken über die deiner Schwestern vermehrt. Schäme dich also und nehme deine Schande über deinen Kopf hin 4 ! o wie oft bleiben uns die Geißelhiebe und Schläge Gottes nicht erspart, und trotzdem nimmt niemand das Wort des Herrn in sein Herz auf, um sich das zukünftige Leben zu besorgen! Hat J erusalem nicht mehr gesündigt, indem es das Gesetz besaß, als Sodom und Gomorra, die kein Gesetz besaßen ~ Und werden die Verbrechen Jerusalems, dessen Söhne und Töchter im Zeichen des Glaubens gestanden haben, nicht schwerer wiegen als die Samarias, das schon von Anfang an weltlich gesinnt war~ Zum unerhörten Verbrechen aber dieses neuen Volkes sagt der Apostel: Überhaupt hört man von Unztteht ttnter euch, und zwar von einer solchen, wie sie nicht einmal bei 1 Der Text lautet: ,,0 locupletacio secularis fiducia egere in aevo caeleste". De Bruyne schlägt "fiduciae" anstatt "fiducia" vor. Bulhart übersetzt: "Sündhafter Gewinn im irdischen Leben hat Mangel an Zuversicht für das ewige Leben zur Folge." 2 Vgl. Lk. 14, 28ff. 3 Die Quelle dieses apokryphen Zitates läßt sich nicht bestimmen. 4 Vgl. Hesek. 16,24.25.31. 36. 48. 49. 51. 52.
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den Heiden vorkommt: daß einer mit der Frau seines Vaters zusammenlebt. Und da seid ihr noch aufgeblasen, anstatt Trauer zu zeigen, damit ein solcher Frevler aus eurer Mitte entfernt wird. Ich bin zwar dem Leibe nach abwesend, im Geiste aber unter euch und habe bereits, als wäre ich anwesend, mein Urteil über den tJbeltäter gefällt: jenen Menschen dem Satan im Namen Christi zu überliefernl • o Erfindung des Teufels, Gewinn zum Verderbnis! 0, anstatt Honigs Gift zu nehmen (d.h.) des Vaters Weib, ebenso wie jede Christo geweihte Braut, die du in deinem Herzen begehrt hast! 0 Mensch, du hast der Weisheit kein Ohr geschenkt~ die zu dir sagt: die Begierde des Asketen schändet die JungfraulI. So ist auch der erstgeschaffene Mann wegen einer Jungfra,u gefallen: als er ein ihn anlächelndes Weib ansah, fiel er 3 • Seine Sinne wurden an eine Begierde gefesselt, die er nie zuvor gekannt hatte'; sicher hatte er deren Geschmack und die ihm zur Falle gewordene Süßigkeit (früher) nicht erfahren. 0 Mensch, der du vor dem Gesicht dieser verbrecherischen Person keine Angst hast, an der viele Vorbeigehende ums Leben kamen. Das bringt uns der Schüler des Herrn Judas Jacobi ins Gedächtnis, wenn er sagt: ich will euch aber erinnern, Geliebte, wisset, was mit jenen geschah, die vom Verfall des Fleisches unterdrückt wurden, wie z.B. die Wahrhaftigen (veraces), die ihre Würde nicht bewahrten, sondern ihre himmlische Wohnstätte preisgaben, und~ durch die Begierde verlockt, zu den Menschentöchtern gingen, um bei ihnen zn wohnen 5 • Auch heute büßen diejenigen die Engelsgestalt ein, die bei fremden Töchtern zu wohnen begehren, nach den Worten des Herrn, der durch Jesaja ausrief: Weh denen~ die ein Haus an das andere ziehen und einen Acker zum anderen bringen, um sie näher zu bringen 6 • Und bei Micha heißt es: Beklaget das Haus, das ihr an euch gerückt habt, und nehmet von euch selbst die Strafe der Empörung hin 7. Meint etwa der Herr das Haus oder den Acker dieser Zeit, wenn er uns vor deren Aneinanderrücken warnt1 (Nein), hier geht es vielmehr um Warnungen bezüglich der Heiligkeit, in denen die Trennung von Mann und Weib angeordnet wird. So ermahnt uns der Herr auch durch J eremia, indem er sagt: Es ist ein köstlich Ding einem Mann, daß er das Joch in seiner Jugend trage: er wird einsam sitzen, wenn seine Hoffnung wahrhaftig ist; er wird still bleiben und sich gedulden 8 • "Das Joch zu tragen" ist also, die Gottesordnung einzuhalten. Und zum Schluß sagt der Herr: N ehmet auf euch mein Joch 9 • Und ferner: "in seiner Jugend", d.h. in seiner Hoffnung. So befahl er, das Heil in einsamer Ehelosigkeit zu bewahren, so daß ein jeder von euch als einsamer Turm verharre, gemäß dem Spruch des Evangelisten, daß Haus über
1. Kor. 5, Uf. 2 Sir. 20, 4 ? Diese Anspielung auf den Fall Adams hält Harnack (a. a. 0., S. 192) für einen Überrest eines verlorengegangenen Adambuches. Da. hier von der Verführung Adams durch eine Frau die Rede ist, bin ich geneigt die "irrisio" eher als "Anlächeln" denn als "Verspottung" aufzufassen. 4 Die Worte ,,rursus haberet" des Originals sind in der Übersetzung ausgelassen worden, weil sie keinen entsprechenden Sinn im Zusammenhang zu haben scheinen. 6 Die Anspielung auf Gen. 6, 2 (vgl. Judas 1, 5f.) ist typisch für manche asketischen Schriften, die sich mit dem Thema des PsT befassen. Vgl. De Singularitate Clericorum 28 (Ha.rtel eSEL 3, S. 204, 10); Bachiarius, De reparatione lapsi c. 4 (PL 20, 1059). • Jes. 5, 8. 7 Mich. 1, 111 8 Klage!. 3, 27-28. 9 Mt. 11, 29. 1
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Haus nicht bleiben, sondern sofort einstürzen soll. Warum beeilst du dich also, o Mensch, dir eine Ruine über ein fremdes Haus zu bauen, und somit nicht nur dein eigenes Verderben, sondern auch das der mit dir verbundenen Braut Christi herbeizuführen? Und auch falls du frei von Unzucht bist, begehst du schon eine Sünde, indem du Beziehungen zu Frauen unterhältst!; denn schließlich, so sagt der Herr im Evangelium: "Wer ein Weib ansieht, ihrer zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen."2 Deswegen muß man offen und frei von jeder Begierde nur für Gott leben. Auch bei Daniel ist folgendes zu lesen: Da jene falschen Greise, die die Schönheit Susannas begehrt hatten, keine Unzucht mit ihr treiben konnten, verleumdeten sie sie. Susanna wurde vor das Gericht der Greise gestellt, und diese Verbrecher ließen sie ungedeckten Hauptes vor sich stehen, um ihre Begierde, wenigstens beim Ansehen ihrer Schönheit, zu befriedigen. Und so konnten sie der Todesstrafe nicht entkommen 3. Um so mehr, wenn der Jüngste Tag kommt! Was meinst du wird Christus denjenigen antun, die ihre eigenen Glieder der Schändung preisgegeben haben? Im voraus hat schon der Apostel die Zukunft gezeigt, indem er gesagt hat: Lasset euch, sagt er, keine denn menschliche Versuchung betreten 4 ! o Versuchung der Sinnlichkeit! Man ist nicht imstande, sich selbst zu beherrschen, und man fügt sich selbst die vorhergesagte verhängnisvolle Stichwunde zu! 0 Aushauchungen des Fleisches! Die tief im Herzen verborgene Glut nährt eine Feuersbrunst! 0 unedler Kampf, in einer dunklen Nacht Wurzel zu fassen! 0 Baum der verführerischen Früchte, der dichtes Laub aufweist! 0 falsche Lippen, aus denen Honig trieft, und die schließlich bitter wie das Gift sind! 0 süße Beredsamkeit, (deren) Worte Pfeile ins Herz schießen! 0 Wahnsinn der Liebe: der Tod fesselt den Jungen wie eine Kette, während die Weisheit die Zukunft ankündigt, d.h. das, was sie immer anordnet: Vermeide, mein Sohn, jedes Übel und alles, was ihm ähnelt 5 • Und ferner: Ein jeglicher aber, der am Wettlauf teilnimmt, enthält sich aller Dinge, um die ihm vorbereitete Krone erreichen zu können 6 • Warum nimmst du dir, 0 Mann, eine Frau zur Dienerin? Betrachte das Verhalten (unserer) heiligen Ahnen. So nahm sich Elias, ein edler Mann, der noch im Leibe lebt, einen Jungen zum Diener, dem er auch seinen eigenen Mantel als heiliges Andenken hinterließ, als er von dem Feuerwagen in das Paradies emporgefahren wurde 7 • Da lebt auch Enoch im Leibe, der im ersten Zeitalter (dorthin) entrückt wurde 8. 0 heilige Fügung Gottes, der für das kommende Zeitalter gesorgt hat: Enoch, der Gerechte, aus dem ersten Volk, wird damit betraut, die Geschichte der
1 Der Text lautet: "Licet inmunis a scelere stupri, et in hoc ipsut peccasti eo quod in conplexum foeminarum teneris". Die Korrektur von Bulhart "licet a scelere stupri (s)et ... peccasti" halte ich nicht für notwendig, da die Stelle ohnehin verständlich ist. 2 Mt. 5, 28. 3 Vgl. Sus. 4 Vgl. 1. Kor. 10, 13. 5 Obwohl dieses Zitat mit Didache 3, 1 wörtlich übereinstimmt, kann man sich dennoch fragen, ob PsT die Didache selbst oder einen der inhaltlich ähnlichen Sirachsprüche zitiert hat. Die Einführung der "Prudentia" nämlich kommt bei diesem und bei ähnlichen Zitaten immer wieder vor (z.B. Z. 209 u. 420). Vgl. Harnack a.a.O., S. 195. 6 1. Kor. 9, 25. 7 2. Kön. 2, 15. S Diese Angabe ist durch das erhaltene Henochbuch bezeugt. Vgl. Flemming-Rademacher, Das Buch Henoch, Leipzig 1901.
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ersten Mensohen niederzusohreiben, und der heilige Elias (bekommt den Auftrag), die neuen Taten dieses späteren Volkes zu verzeiohnen I ! All das ist also naoh der Gestaltung (unserer) Zeit so zu deuten: jeder von beiden entstammt seinem eigenen Zeitalter, Enooh (als Sinnbild) für Gereohtigkeit und Elias (als Sinnbild) für Heiligkeit. Wir müssen aber auoh die Norm unserer Heiligkeit erfüllen, wie der Apostel sagt: Im Leibe und Geiste muß die Gattung der Gattung ähneln und der Jünger dem Meister 2 • Auoh Elias' Geist ruhte sohließlioh auf Elisa. Auoh bat er ihn nooh darum, einen doppelten Segen sofort von ihm zu bekommen, wie der, den der Herr seinen fortgesohrittenen Jüngern (später) gab, indem er sagte: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich ttle, und wird größere als diese tun 3 • Eine solohe Gnade wird aber nur denjenigen gewährt, die die Gebote des Meisters erfüllen. Was sollen wir nun also sagen ~ Wenn Elisa bei Elias diente, um die Norm des Anstandes zu erfüllen, und auoh der Knabe Geidsi dem (Propheten) Elisa beistand, wie Baruoh (dem Propheten) Jeremias, um uns ein (lehrreiohes) Gedäohtnis zu hinterlassen, warum nimmt sich heute ein Mann eine Frau zur Dienerin' unter dem Ansohein von Heiligkeit~ Wenn es sioh um eine enge Verwandte handelt, dann geht es nooh: nioht aber, wenn sie eine fremde Frau ist. Naoh der Sintflut sahen sioh die Söhne N oahs die Orte an, wo sie Städte bauen könnten, und benannten sie naoh den Namen ihrer Frauen 5 • Genauso handeln jetzt diese (mit Frauen) verbundenen (Männer). o Gottesasketen, die sich naoh Frauen umsehen, um ihnen Sohenkungen zu leisten, Besitzungen zu geben, Häuser zu verspreohen, Kleider zu versohenken, ihnen ihre eigene Seele hinzugeben, und ihrem Namen ihre ganze Habe zu unterwerfen! Wenn du also, 0 Mensoh, riohtig und unsohuldig handelst, warum nimmst du dir nioht deine eigene Sohwester mit~ Warum gibst du nioht ihr deine ganze Habe, und du wirst alles besitzen ~ Immer weiter entfernst du dioh von ihr: du haßt sie, du verfolgst sie. Und dooh steht bei ihr deine größte Sioherheit. Du sohließt dioh sogar einer anderen an, naohdem du dioh von ihr getrennt hast. Und so meinst du, deinen Körper befriedigt zu haben und behauptest, du seist von keiner Begierde beherrsoht und in Besitz der himmlisohen Hoffnung gekommen! Höre ein Wort, das für dioh zutrifft. Merke dir das, was der Herr im Evangelium zu Maria sagt: Rühre mich, sagt er, nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater 6 ! o göttliohe Beispiele, die für uns gesohrieben worden sind! Und Paulus, das auserwählte Gefäß (des Herrn) und die uneinnehmbare Mauer unter den Jüngern 7, 1 Harnack (S. 193) ist der Ansicht, daß diese Angabe auf die Apokalypse des Elias zurückgeht. Bulhart und De Bruyne haben manche Korrekturen am Text vorgenommen. Der Sinn dieser Stelle ist aber ohnehin klar. • Die Quelle dieses Paulus-Spruches ist unbekannt. 8 Joh. 14, 12. • Der Text lautet: "Cur ... mascel sive vir feminam sumit?". Das "sive vir" ist nach Bulhart als eine Glosse zum seltsamen "mascel" anzusehen, das von den Grammatikern immer abgelehnt wurde und nur in der Vetus Latina des Codex Lugdunensis zu finden ist. 5 An dieser Stelle findet Harnack Ansätze für die Anna.bme einer apokryphen NoahGeschichte als Quelle dieser Anspielungen. 6 Joh. 20,17. 7 Als Parallele zu dieser Stelle ("Eciam et vas electionis Paulus, vere datus inexpugnabilis murus ex discentibus, exortatur missus") hat Harnack (S. 198) auf die Epistula Apostolorum c.31 (vgl. Übersetz. von H. Duensing, Bd. I, S.I44) verwiesen, wo es
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ermahnt uns, als ihm während seiner Mission die Jungfrau Thekla, voll keuscher Treue zu Christus, die Kette küssen wollte - merke dir, was der Apostel zu ihr sagte: Rühre mich, sagte er, nicht an wegen der Schwäche (dieser) Zeit 1. Du siehst also, 0 junger Mann, was der gegenwärtige Herr und das niedergeschriebene Ver~ mächtnis des Jüngers gegen das Fleisch gesagt haben. Denn sie ordneten an, die Frauen zu entfernen, nicht um ihrer selbst willen, da der Herr nicht versucht werden kann und ebensowenig Paulus, sein Statthalter, sondern unseretwegen sind diese Ermahnungen und Verbote ausgesprochen worden, die wir jetzt Glieder Christi sind. Vor allem soll der Asket die Frauen darum meiden und achten, auf daß er seines von Gott anvertrauten Amtes (würdig) walten kann. Bedenke den Wiederaufbau J erusalems: bei dieser mühevollen Arbeit war ein jeder bewaffnet und gepanzert, und mit einer Hand baute er weiter, während er in der anderen das Schwert festhielt, immer bereit gegen den Feind zu kämpfen. Siehe also das Geheimnis ein, wie man das Heiligtum der Ehelosigkeit bauen soll: eine Hand muß bei asketischer Einsamkeit an der Arbeit beteiligt sein, um eine äußerst schöne Stadt für Gott bauen zu können, während die andere zum Schwert greift und im Kampf gegen den frevelhaften Teufel immer gefechtsbereit ist. Das ist also so zu deuten: beide Hände, d.h. der Geist und das Fleisch haben in gegenseitigem Einvernehmen das Gebäude zur Vollendung bringen können, der Geist stets auf der Lauer vor dem Feinde, und das Fleisch auf Grund eines guten Wandels bauend. Darum heißt es im Evangelium: Also lasset euere Werke leuchten vor den Leuten, daß sie eueren Vater im Himmel preisen 2. Siehe, auf welche vortreffliche Weise im himmlischen Jerusalem gebaut wird. Mit Recht kämpft man in dieser Stadt bei einsamem Stand, ohne jeglichen Fleischesverkehr, wie es im Evangelium steht: Im kommenden Zeitalter, sagt der Herr, werden sie weder freien noch sich freien lassen, sondern sie sind gleichwie die Engel im Himmels. So sollen wir aber bestrebt sein, uns die immerwährende Würde durch ein tadelloses Verhalten wegen des kommenden Zeitalters zu erwerben. o Mensch, der du von den Früchten der Gerechtigkeit überhaupt nichts verstehst, warum hat der Herr den göttlichen Phönix geschaffen und ihm kein Weibchen gegeben, sondern ließ ihn in Einsamkeit bleiben? Offensichtlich nur mit der Absicht, den Stand der Jungfräulichkeit zu bekunden, d. h. daß die Jugend, fern von Verkehr mit Weibern, heilig bleiben soll. Und seine Auferstehung weist schließlich auf das Leben hin. In diesem Zusammenhang sagt David in den Psalmen: Ich liege und schlafe ganz in Frieden, denn du, 0 Herr, hast mich einsam in der Hoffnung wohnen lassen 4 • 0 friedliche Ruhe, ohne Anstoß gegeben! 0 große Sicherheit, wenn der Mensch körperlich einsam bleibt! Wenn du glühende Kohlen an dein I{leid bindest, heißt: "Und er wird unter meinen Auserwählten sein, ein auserwähltes Rüstzeug und eine Mauer, die nicht fällt". Angesichts der zahlreichen Parallelstellen, die die asketische Literatur bietet (vgl. De Centesima [ed. Reitzenstein ZNW 15, 1914], Z. 191,278; Cyprian, De habitu Virg. 23 [ed. HarteI, CSEL 3, S. 204, 11]; Hieronymus, Ep. 22, 5 [ed. Hilberg, CSEL 54, S.149, 11]; Bachiarius, De tide [PL20, 1023]), bin ich geneigt, die Bezeichnung Pauli als vas electionis (die letzten Endes auf AG. 9, 25 zurückgeht) eher auf den Einfluß der genannten asketischen Literatur als auf den der Epistula Apostolorum zurückzuführen. 1 Die Szene wird in den uns erhaltenen Acta Pauli cum Thecla c. 18 (Aa I, S. 247 und u. S. 246) geschildert, wobei das Wort des Paulus fehlt. 2 Mt. 5, 16. 3 Mk. 12,25 par. , Ps. 4, 9.
6. Der Pseudo-Titus-Brief
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dann darfst du dich nicht mehr darauf verlassen, daß das Stück unversehrt bleibtl. Solltest du so etwas tun, so würdest du ganz nackt bleiben, und deine Scham würde zutage treten. Hinzu kommt das Wort des Propheten: Alles Fleisch ist Heu 2 • Damit also der Mensch nicht in Flammen aufgeht, soll er sich fern vom Feuer halten. Warum riskierst du dein ewiges Heil durch eine Kleinigkeit? Hast du denn im Gesetz dieses für dich zutreffende Wort nicht gelesen: Es setzte sich das Volk nieder, zu essen und zu trinken; und sie standen auf, sich zu belustigen; und von ihnen fielen 23000 dahin?3 Sie hatten nämlich angefangen, sich mit den Menschentöchtern einzulassen, d. h. sie ließen sich von ihnen zu ihren unreinen Opfern einladen, und die Kinder Israels weihten sich dem Beelphegor 4 ? Siehe was für ein gottloses Spiel, in das sich (die Kinder Israels) verstricken ließen, und an dem sie ums Leben kamen! Als der Heiland Christus im voraus sah, wie sich solche verbrecherischen Taten bis zum Ende vermehren würden, tat es ihm leid und er sagte: 0 weh, 0 weh den Seelen, die ihr eigenes Urteil verachten! Ich sehe nämlich Menschen, die ihre Seelen in der Eitelkeit ergötzen, und sich selbst der unreinen Welt hingeben. Ich sehe auch, wie all das dem Feinde zugute kommt! Darum darf ich ihnen beistehen und sagen: 0 Seelen, die ihr in der Unzucht steckt und keine Furcht vor Gott habt 5 ! Auch die Gibeoniten zur Zeit der Richter bewegten den Herrn zur Empörung. Es standen zwölftausend starke Männer auf, um die Stadt zu vernichten, und nur dreihundertzwei Jungfrauen, die keinen Geschlechtsverkehr mit Männern erfahren hatten, kamen mit dem Leben davon 6. Gibeoniten bedeutet dem Namen nach Kindej' der Verwirrung, die den Leib Christi in der Gestalt einer Frau in Empfang nahmen und ihn ihrer Belustigung preisgaben, und ihn zum Gegenstand des Spottes und Hohnes machten. Tust du nicht etwas Ähnliches, indem du die Glieder Christi bei einer Jungfrau zu verspotten wagst? Denn alle wir, die wir in Christus getauft worden sind, haben Christus angezogen 7: ebenso die Männer wie die Frauen. Es geht also nicht um die Schändung weltlichen Fleisches, sondern um die des Leibes Christi. Und mit Recht wurde jene Stadt von den sich aufmachenden zwölf Legionen besetzt, die ein Sinnbild für die zwölf Apostel waren. Mit Recht sind sie einem starken Stamm entsprossen, denn sie heißen Donnersöhne 8 • Beim Jüngsten Gericht werden sie auftreten, mit Macht ausgestattet, um Wunder gegen die Heiden zu vollbringen. Und sie werden die zwölf Stämme Israels richten, auf zwölf Thronen sitzend. Und keiner von der Kirche wird dann davonkommen können, abgesehen von den gottgeweihten Jungfrauen, deren Glieder vom 1 Vgl. Spr. 6,27. Der Gebrauch dieser Metapher ist typisch für antisyneisaktische Schriften. Vgl. De singul. OIer. 2 (ed. HarteI, eSEL 3, S.175, 10); Hieronymus, Ep.22, c. 14 (ed. Hilberg, eSEL 54, S. 161); Bachiarius, De reparatione lapsi c. 21 (PL 20,1060). 2 Jes. 40,6. s 2. Mos. 32, 6. 28. • Ps. 106, 28. 5 Die Quelle dieses unbekannten Logions ist nicht bestimmbar. Die Worte "euge me, euge me contemptores suae sentencia animae" bieten ein typisches Beispiel für die grammatische Anarchie des Textes. Harnack schlägt vor, sentencia zu tilgen. Dazu Bulhart: "Statt des sinnlosen sentencia schlage ich vor sine paenitencia." Trotz der Unklarheit des Ausdrucks ist der Sinn m. E. deutlich zu erkennen. Der Ausdruck "et plurimum esse ad inimicum" ist für Harnack unverständlich. Bulhart übersetzt: "viel beim Feind sein, viel Teufelswerk treiben". 6 Vgl. Richt. 21,12. 7 Vgl. Röm. 6, 3. 8 Mk. 3, 17.
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XII. Apostolische Pseudepigraphen
Feinde mit der Ansteckung seines bösen Willens nicht befleckt worden sind. Diese Zahl deutet auch auf das Zeichen des Kreuzes hin: denn 300 wird mit dem griechischen Buchstaben T geschrieben. Und T ist die Figur des Kreuzes, die beim jungfräulichen Leben zum Vorschein kommt. Mit Recht ist auch das Himmelreich durch fünf Jungfrauen zu erreichen, indem Er damit meint, daß die Verheißungen nur durch Keuschheit und Weisheit feststehen können. Und darum wurde Abraham die Verheißung nicht durch fleischliche Zeugung erfüllt, sondern es war die göttliche Eingebung, wodurch er den Segen empfing. Was sollen wir also dazu sagen? Kann nicht etwa die Jungfräulichkeit selbst zur ewigen Qual führen? (Doch!), aber jene fünf Jungfrauen waren töricht, genauso wie diese, die zu dieser Zeit ihr Fleisch nicht bewacht haben, und die ihre Kampfbereitschaft durch die Wünsche des menschlichen Geschlechts vereitelt haben. Darum sagt auch David in den Psalmen: Die die Rosse bestiegen hatten, schliefen ein!. Körperlich zwar ritten sie, aber sie konnten in ihrer jungfräulichen Wachsamkeit nicht verharren, genauso wie die Kinder der Verwirrung, die vom Pferde wieder gestürzt wurden. 0 finstere Liebedienerei des Fleisches, die zur Qual geworden ist! Zum Schluß werden sie sich selbst wegen der vergangenen Taten mit folgenden Worten tadeln: 0 elendes Fleisch, das du uns zum Verhängnis geworden bist! Hätten wir uns von dir nicht verführen lassen, so könnten auch wir zu den Heiligen zählen! o Mensch, der du an das Geschehen all dieser Dinge glaubst! Du weist, daß verschiedene Urteile gegen die Frevler gefällt werden sollen. An dem Gliede wird der Mensch gestraft werden, mit dem er gesündigt hat. Der Prophet Elias zeugt von einer Vision, in der er folgendes gesehen zu haben berichtet: Der Engel des Herrn, sagt er, zeigte mir ein tiefes Tal dessen Name Gehenna ist, und wo immer Schwefel und Pech brennen. In diesem Ort wohnen die Seelen vieler Sünder und werden auf verschiedene Art gequält: Das Leiden einiger von ihnen besteht. darin, daß sie an den Geschlechtsteilen, bzw. an den Zungen, oder an den Augen, oder aber kopfüber hängen. Die Frauen werden an ihren Brüsten gefoltert, und die Jungen hängen an ihren Händen. Manche Jungfrauen werden atif dem Rost gebraten und andere Seelen werden einer immerwährenden Qual unterzogen. Die Mannigfaltigkeit der Qual entspricht der Verschiedenheit der jeweiligen Sünden: an ihren Geschlechtsteilen werden die Ehebrecher und Verführer der Minderjährigen gefoltert. Die an ihren Zungen Hängenden sind die Gotteslästerer und falsche Zeugen. Verbrannt werden die Augen derer, die mit ihren Blicken Anstoß genommen, und die sich frevelhafte Dinge mit Begierde angeschaut haben. Kopfüber hängen diejenigen, die die Gerechtigkeit Gottes gehaßt haben, die bösgesinnt, streitsüchtig zu ihren Mitbrüdern gewesen sind. Mit Recht werden sie also nach der ihnen auferlegten Strafe verbrannt. Wenn einige Fmuen mit Qual an ihren Brüsten bestraft werden, dann geht es um diejenigen, die den Männern ihre eigenen Körper zum Spott hingegeben haben, und aus diesem Grund werden auch diese an den Händen hängen 2. Diesel' Sache hat Salomo Rechnung Ps. 76, 7. Dieses Fragment der Elias-Apokalypse ist sonst unbezeugt, obwohl die Schriftstücke, die sich mit der Beschreibung der Höllenqualen befassen, sehr zahlreich sind. Es sei vor allem hingewiesen auf die unter dem Namen "Chozdenie Bogorodicy po mukam" besonders im slawischen Raum verbreitete Apocalypsis b. Dei Genitricis de poenis (ed. M.Rh.James, Apocrypha Anecdota, Cambridge 1893, S. 115ff.). Vgl. E. Schürer: ThLZ 33,1908, S. 614; M. Rh. James, The lost Apocrypha ofthe Old Testament, 1920, S. 55. Vgl. auch diePaulusapokalypse u. S.554ff. 1
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5. Der Pseudo-Titus-Brief
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getragen, als er sagte: Selig ist der Eunuch, der kein Vergehen mit seinen Händen begangen hat l . Und wiederum: Wenn du die Begierde des Herzens beherrschst, dann bist du ein Athlet 2 • Und durch die Weisheit ermahnt er folgenderweise: Was nützt dem Götzen das Opfer, wenn er es weder kosten noch riechen kann? Ebensowenig nützt es einem Eunuch, wenn er eine Jungfrau umarmt. 0 mein Sohn, du sollst sie nicht wm Gegenstand deines Vergnügens machen 3 J Du siehst (es) deutlich, du bist für Gott zu einem Fremden geworden. An anderer Stelle lesen wir: Ich verabscheue ein solches Spiel, sagt er, unreine Ketzerei, Begierde des Asketen, ineinanderverflochtene KörperJ4 Ich schäme mich, die weiteren äußersten Taten anzuführen, die der Feind angestiftet hat, auf den uns der Apostel klugerweise aufmerksam macht, indem er sagt: Mir ist es bang um euch, daß auch ihr vom Feinde verleitet werdet, wie Eva (damals) von der Schlange mit Arglist verführt wurde 5. Darum wollen wir uns mit geistlichen Waffen in schlauer Wachsamkeit bewaffnen, um den Giganten besiegen zu können, wie die Rede des Herrn durch seinen Propheten lautet: Wer einen Giganten besiegt, sagt er, nimmt dessen Beute 6 • Das heißt, die Wünsche des Fleisches zu zügeln, damit wir, als dessen Beute, die immerwährende Auferstehung davontragen können. (Das kann nur geschehen), nachdem wir uns durch die Glorie Gottes erneuert haben. Wie willst du denn imstande sein, einen Giganten zu besiegen, wenn du vom Weibe zurückgehalten wirst? Höredie Danksagung 7, die J ohannes, der Jünger des Herrn, betend vor seinem Tode vortrug: o Herr, der du mich von meiner Jugend an bis zu diesem Alter vom Weibe bewahrt hast, der du davon meinen Körper abgehalten hast, so daß der bloße Anblick einer Frau Abscheu in mir erregte. 0 Gabe (Gottes), vom weiblichen Einfluß unberührt zu bleiben! Kraft der Gnade dieses heiligen Standes kannst du das liebhaben, was dem Fleische abscheulich ist. Du Ehrenasket aber, wie darfst du glauben, vom schmutzigsten Akt frei bleiben zu können, wenn du mit Willen das Weib immer vor dir hast? Steht etwa außerhalb des Gesetzes, was wir (hier) lehren? Vergleiche hierzu, was sogar die Dämonen ausgesagt haben, als sie ihr Bekenntnis vor dem Diakon Dyrus bei der Ankunft Johannes' ablegten 8 : In den letzten Zeiten werden viele versuchen, uns aus unseren Besessenen zu verdrängen, indem sie sagen werden, sie seien frei von Weibern und von der Begierde nach ihnen und rein. Und doch, wenn wir es nur wollten, so könnten wir auch sie selbst besitzen. Du siehst also, 0 Mensch, wie die fremden Geister, d.h. die Taten des Teufels, Vgl. Sap. 3, 14. 2 Apokryphon Salomos? Sir. 30, 19ff. • Unbestimmbares Apokryphon. • Vgl. 2. Kor. 11, 3. 6 Unbestimmbares Apokryphon, das sich vielleicht aus Lk. 11,22 entwickelt haben könnte. 7 Diese gratulacio ist als ein freies Zitat aus den Johannesakten anzusehen. Vgl. Aa II, 1, S. 212. 213 und unten S. 139 f. B Der Text lautet: "Aut numquid extra legem est quod docemus ut et ipsi daemones cum connterentur dyro diacono in adventu Iohannis considera quid dixerint." Mit Recht schlägt Bulhart vor, die Worte "considera quid dixerint" als eine Dittographie anzusehen. Der hier erwähnte Diakon Dyrus ist identisch mit dem in den Johannesakten (c. 30) auftauchenden "Berus Diakon" (vgl. Aa II, 1, S. 167 und unten S. 140). Das ganze Stück ist aber nicht erhalten geblieben. 1
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XII. Apostolische Pseudepigraphen
für dich davon zeugen, daß man von der weiblichen Schönheit besiegt werden kann. Wie kannst du also die von ihnen besessenen Körper befreien, wenn du selbst von ihnen besessen bist? Um einen Sieg davontragen zu können, muß man die dafür erforderliche Kraft in sich selbst haben. Hüte dich also davor, vom Bösen besessen bzw. vom Ehebrecher besiegt zu werden!,· d.h. halte dich von der Gemeinschaft der Weiber und vom Scherzen mit ihnen bei Tisch fern. So lautet die Stimme der Hl. Schrift: Laß dein Herz von ihr nicht verlockt werden, auf daß nicht auch du in den Tod gerätst. So sollst du dich, mein Kind, von ihrfernhalten, wie von einem Schlangenhaupt 2 • Nimm die Ermahnungen des seligen Johannes in dein Herz auf, der, als er zu einer Hochzeit eingeladen wurde, nur um der Keuschheit willen hinkam. Und was sagte er? : Kindlein, dieweil euer Fleisch noch rein ist und ihr einen unberührten Leib habt und nicht im Verderben begriffen seid und nicht beschmutzt seid vom Satan, dem äußerst feindseligen und scham(losen) (Gegner) der Keuschheit, versteht also in vollerem Maße das Geheimnis der ehelichen Verbindung: sie ist ein Versuch der Schlange, Unkenntnis der Lehre, Gewalttätigkeit an dem Samen, Gabe des Todes, Amt aer Vernichtung, Unterricht in Teilung, Amt des Verderbens, Verweilen ( ... ), Dazwischensäen des Feindes, Hinterhalt des Satans, Ersinnung des Übelwollenden, schmutzige Frucht der Geburt, Vergießen von Blut, Leidenschaft des Gemüts, Abfall von der Vernunft, Angeld auf Strafe, Dokument der Pein, Werk des Feuers, Zeichen aes Feindes, tödliche Boshaftigkeit des Eifers, Umarmung des Trugs, Verbindung mit Bitternis, Ereiferung des Gemüts, Erfindung des Verderbens, Begierde nach einem Wahnbild, Wandel in der Materie, Schauspiel des Teufels, Feind des Lebens, Fessel aer Finsternis, Trunkenheit ( ... ), Verhöhnung durch den Feind, Hindernis für das Leben, das vom Herrn scheidet, Beginn des Ungehorsams, Ende des Lebens und Tod. Da ihr dies hört, Kindlein, verbindet euch ein jeder für sich in einer untrennbaren, wahren und heiligen Hochzeit, indem ihr den einen unvergleichlichen, wahren Bräutigam vom Himmel, Ohristus, den ewigen Bräutigam, erwartet 3 • Wenn der Apostel die Ehe selbst scheiden ließ, damit sie keine Gelegenheit würde, Vergehen anzuhäufen 4, was sollen wir zum Asketenstand sagen, der am meisten von fleischlicher Begierde frei sein sollte? 0 voneinander getrennte und Christus schon geweihte Leiber! 0 Fleischesglut der Jugendzeit, schwer zu löschen! 0 vom Himmel herabströmender Tau, der die kalten Gefäße erwärmt! 0 die gewagt haben, die verlorene himmlische Würde ins Leben zu retten! 0 immerwährender Ruhm des Heiligen, der von dem Tode befreit worden ist! 0 christusgefälliger Acker, der ewige Früchte bringt! 0 Absage an das Fleisch, geistliche Hochzeit mit ewigem Eheband in den himmlischen Wohnungen! 0 wieviel kann man im Kampf um die Keuschheit tun, wenn man einsichtig ist! Als der Apostel Andreas schließlich zu einer Hochzeit kam, um die Glorie Gottes zu zeigen, trennte er die füreinander bestimmten Gatten, Frauen und Männer voneinander und lehrte sie, heilig in Ehelosigkeit zu bleiben 5 • 0 Glorie des einhörnigen Unbestimmbares Apokryphon? 2 Sir. 9, 9; 25, 22? Die Übersetzung dieses verlorengegangenen Fragments aus den Johannesakten stammt von K. Schäferdiek. 4 Der Text lautet: "Si utique matrimonium deiunxit apostolus ne sit occasio delicti comulando." Bulhart ersetzt comulando durch copulando. 5 Die Zugehörigkeit dieses Stückes zu den Acta Andreae scheint eindeutig zu sein. Unter den aus ihnen erhaltenen Überresten ist aber dieses Fragment nicht zu finden. Vgl. Aa II, 1, S. 38ff. und unten S. 270ff. 1
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5. Der Pseudo-Titus-Brief
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Lammes, das die Schafe von den Böcken absondert, indem uns der Herr selbst ermahnt: Höret mich, meine auserwählten Schafe, und fürchtet die Wölfe nicht!. Den Wolf nicht fürchten heißt, dem Anstoß des Todes zu entfliehen. Schafe von Böcken trennen heißt, sich selbst frei von unreinem Vergehen zu bewahren, wie ein Gottesasket einsam zu leben. So heißt es auch bei Esra, indem er auf die Zukunft hinweist: Kommet von allen Städten nach J erusalem zum Berg und bringet Zypressenund Palmenlaub mit, und bauet euch Einzelhütten 2 ! Du siehst also, 0 heiliger Mann, daß die in den genannten Verfassern beschriebene Hoffnung für uns zutrifft, auf daß wir reinen Körpers und einsam in unseren Hütten leben, und keiner von uns sich von der fleischlichen Liebe binden läßt. Denn die Zypresse ist ein Mysterium der Keuschheit, laut der Frage und Antwort Christi, unseres Herrn 3. Mit Recht zielt ihre Spitze mit einem einzigen Zweig auf den Himmel ab. Auch mit den Palmblättern deutet er auf den Sieg, auf den Ruhm des Martyriums hin. Aus diesen zwei Baumgattungen werden die Hütten, d.h. die Leiber der Heiligen gebaut. Da er aber atts dem Berg, d.h. von Christi Leib hinzufügte, so meinte er zweifellos die substancia conexa 4. Selig also diejenigen, die diese substancia bewahren! Solche Leute wurden von J esaja so gepriesen: Ein jeglicher der den Sabbat nicht entweiht, sondern hält, und meinen Bttnd festhält: die will ich zu meinem heiligen Berge bringen und will sie erfreuen in meinem Bethause, und ihre Opfer und Brandopfer sollen mir angenehm sein auf meinem Altar. So spricht der Herr 5• Das Heilighalten der Sabbate bedeutet also eindeutig, das keusche Fleisch nicht beflecken. Und darum wurde in den Büchern der Patriarchen angeordnet, am Sabbat kein unnützes Werk zu verrichten 6. Es steht also eindeutig fest, daß Gott die Werke dieser Welt an dem ihm geweihten Fleisch zu verrichten verbietet. An einem Sabbat wurden einst zwei Menschen beim Holzsammeln überrascht, und Gott ordnete empört an, daß beide getötet werden sollten 7. Das ist in der vergangenen Zeit geschehen; es ist aber folgendermaßen zu deuten: die zwei Holzsammler deuten auf die Sündigenden hin, während deren Missetaten durch das gesammelte Laub symbolisiert sind. Und darum konnte das Holzbündel nicht von einer Person allein gemacht werden, sondern es waren zwei zusammen, die den Sabbat entweihten. Mit Recht warnt der Herr durch Hesekiel: Siehe die Fürsten Israels, sie haben meine Heiligtümer verachtet und meine Sabbate entweiht: verbrecherische Männer haben in deiner Mitte, 0 Jerusalem, Blut vergossen 8 • 0 schönste Stadt, mitten in deiner Schönheit haben sie die Blöße des Vaters aufgedeckt! 1 Dieses Logion könnte ein freies Zitat aus den Evangelien sein (vgl. Mt. 10, 16 u. Mk. 13,9). • Nehem. 8,15. 3 Der Ursprung dieses Logions ist unbekannt. Die Zypresse soll schon zu dieser Zeit als Symbol für asketisch-mönchisches Leben gegolten haben. • Was PsT mit dieser substancia conexa meint, ist mir unklar. 5 Jes. 56,6.7. 6 Um welche Bücher der Patriarchen es hier geht, wissen wir nicht. Bei dieser Gelegenheit hat Harnack (S. 193) auf das "verlorene rwv retWV IIaretaeXWv" hingewiesen. Dieses Buch, das in der Form eines Gespräches zwischen den "drei Patriarchen" (Basilius d. Gr., Gregor v. Nazianz u. Johannes Chrysostomus) über die letzten Dinge verfaßt ist, und das besonders im slawischen Raum weit verbreitet war, wie aus den zahlreichen erhaltenen slawischen Handschriften zu ersehen ist, kommt in diesem Fall m.E. nicht in Frage. Vgl. I.Ja. Porfirjev, Pamjatniki otrec. russk. Literatury, Bd. II, S. 429-438. 7 Vgl. 4. Mos. 15, 32ff. 8 Vgl. Hes. 22, 6ff.
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XII. Apo8toli8che Pseudepigraphen
o kostbare Heiligkeit Gottes, von allen Frevlern zurückgewiesen! 0 Christus geweihte Sabbate, von Einbrechern entheiligt! 0 kostbare Stadt, mit dem Blut Christi losgekauft und mit den schmutzigsten Unzüchtigkeiten überschüttet! Das Aufdecken der Vaters Blöße bedeutet sicher die Schändung der gottgeweihten Jungfräulichkeit. Schließlich treibt der Herr diesen, nämlich den Propheten, dazu an, folgenden Vorwurf zu erheben: Ein jeder von euch hat fremde Frauen in frevelhaftem Tun befleckt, und ein jeder von euch hat die Tochter 8eines Vaters geschändet l . 0 Verirrung der Vernunft! Der Teufel verleitet viele Gemüter dazu, nicht die eigene, sondern die Braut Christi zu schänden! 0 Nachahmung der tierischen Lebensweise, wenn man mit des Vaters Tochter und mit der von derselben Mutter Geborenen zusammenschläft ! Deswegen klingt die Stimme des Gesetzgebers unter der Eingebung des h1. Geistes 2 : Verflucht sei, wer bei seiner Schwester liegt. Und das Volk sagte, Amen Amen3 • Warum fürchtest du dich nicht, bei dieser Schwester, Tochter (deines) Vaters und (deiner) Mutter - hier werden nämlich Christus als Vater und die Kirche als Mutter gemeint - zu liegen, als ob du der vom Gerichte zu verhängenden Strafe entrinnen könntest? Bedenke die vergangenen Taten, von denen die Bücher der Könige berichten, z.B. als Adonias nach der Sunamitin Abisag, der Tochter seines Vaters, begehrte, die ein Sinnbild für die Christusgeweihte Jungfräulichkeit war, (wurde) er nicht wegen eines bloßen Gedankens ( ... )?4. Und wenn Adonias mit dem Tode bestraft wird, ohne seine Absicht verwirklicht zu haben, um so mehr die heute solcher Untaten für schuldig befunden werden. Wenn Adonias wegen eines Wortes ums Leben kam, welche Strafe, meinst du, sei für solche Tat angemessen? Es ist schwer, daß ein von der Begierde beherrschter Mensch unbefleckt davon kommt, wie es die Stimme Gottes durch den Propheten Haggai zeigt, der sagt: Frage die Priester um das Gesetz und sprich: wenn jemand geheiligtes Fleisch im Zipfel seines Kleides trägt und berührt darnach mit seinem Zipfel Brot, Gemüse, Wein, Ol oder irgend eine Speise, wird es dadurch heilig oder nicht? Und die Priester antworteten und sagten: Nein. Haggai aber sprach: wenn aber ein Verunreinigter alles dies berührt, wird es dadurch unrein? Die Priester antworteten und sprachen: Es wird unrein. Da antwortete Haggai und sprach: So ist es auch mit diesem Volke und mit diese1' Nation vor mir, spricht der Herr 5. Das ist also das heilig gewordene und der Keuschheit geweihte Fleisch, das zwar mit dem Zipfel des Taufkleides berührt wurde: sollte es aber in Berührung mit Verächtlichem kommen, so zeigte er, daß (diese) Speise nicht dadurch heilig würde; denn mit der körperlichen Nahrung sind die vergänglichen Wünsche des menschlichen Willens gemeint. Das ist die fleischliche Nahrung, die dem h1. Geiste nicht gefällig ist. Deswegen verfügte er, daß das Königskleid nicht dadurch als heilig betrachtet werden darf. Und darüber hinaus hat er ebenso damit gezeigt, es entstehe dadurch ein Beflecktsein, wodurch auch das Geschöpf befleckt wird. So hat uns der Verfasser (dieses) Spruches das näher erklärt, was schon Mose vorher gesagt hatte: Alles, was ein Frevler anrührt, soll frevlerisch sein 6. Was sagt aber Haggai (dazu)? Ebenso dieses Volk und dieses Geschlecht, sagt der Vgl. Hes. 22, 11. • Der Text lautet: "Unde legislatoris vox sancto spiritu cecinitante". Hierzu Bulhart (m. E. ohne Grund): "cecinit ante". 3 5. Mos. 27, 22. 4 1. ICön. 2, 13-25. 6 Hag. 2, 11-14. 6 4. Mos. 19, 22. 1
5. Der Pseudo-Titus-Brief
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Herr. Der Stadtgebieter ordnet an, die Stadtbewohner sollen ihm gleich werden! o du, der du von der Heiligkeit weit abweichst und dir die Würde anmaßt, dich jenem Priester gleichzustellen!! 0 unvernünftiger König, der du das Volk bis zur Empörung ausbeutest! 0 Ähnlichkeit eines unaufrichtigen Wandels: viele treten ein und aus ohne Gerechtigkeit! 0 eitle, befremdliche Prophezeiung, die für die Zukunft keine Geltung hat! 0 zeitliches Berechnen, das von Christus zurückgewiesen wird! Zum Schluß tadelt er sie am Jüngsten Tag mit den Worten: Weichet von mir, ihr tJbeltäter, ich kenne euch nicht: so werde ich sprechen zu denen, die ins Verderben gehen!2 Du siehst, wie die Fälscher der hl. Ehelosigkeit, die Feinde der Keuschheit, die Ungerechten, die ( ... ) des Glaubens, die Vernichter der Gottesherde zurückgewiesen werden. Er zeigt, daß niemand der Strafe entkommen soll. Warum denkst du, 0 dummer Mensch, es sei nicht verboten, was du in der Verborgenheit verübst, wenn Gott Herr der Nacht und des Tages ist, indem er sagt ( ... ). Wenn einer weiß, daß es nicht statthaft ist, den verschiedenen Wünschen des Fleisches nachzukommen, und tut, was er für glaubenswidrig hält, kann man das nicht als hartnäckiges Vergehen bezeichnen? Und das auch dann, wenn er nicht daran denkt, daß auch, wenn niemand zugegen ist, die Verachtung des Gesetzes schwerer als die Unzucht wiegt. Zu bejammern sind die Begierden des Fleisches: diese Begehrlichkeit ist aus dem Gemüt zu vertreiben; du aber bereust dieses Verbrechen nicht, und gibst dich sogar vor der Schwelle der (der Unschuld) geziemenden Ehre als unschuldig aus, und rühmst dich! Bedenke aber das, was David prophezeit und was der Hl. Geist durch seinen Mund singt: Ich sprach, sagt er, ihr seid Götter und insgesamt Kinder des Höchsten, aber ihr werdet sterben wie Menschen und wie der Fürsten einer zugrunde gehen 3. o Götter, die eines menschlichen Todes sterben! 0 Fürstenwürde, die vom Höchsten ins Tiefste stürzt! Das wird einmal zustandekommen, da es eine Trennung zwischen dem Gerechten und dem Profanen gibt, und keine Gemeinschaft des Gläubigen mit dem (Un-)gerechten, des Todes mit dem Leben besteht. Oder sonst bedenke, was zwischen dem Verderben und dem Heilliegt!4 Heute ist schließlich die Prophezeiung des Herrn durch Hesekiel in Erfüllung gegangen: Mein Haus, sagt er, ist für mich zu Schlacken geworden wie Erz, Eisen, Zinn und Blei mitten im Silber 5 • Zu diesem Gemisch seid ihr geworden 6: Denn im Asketenstand, der Silber ist, sind am Ende Mischungen verschiedener Art, schlechte Bestandteile aufgetaucht. Diese sind also die Elemente dieser Mischung: Das Eisen bedeutet die Härte des Herzens, in dem die Weisheit des geistlichen Sinnes keine Wurzel gefaßt hat. Mit Recht wurde Ruben von Jakob mit der Härte des Eisens gekennzeichnet, denn er gilt als der härteste unter den Angehörigen des jüdischen Volkes 7• Das Blei bedeutet die Schwere 1 Der Text lautet: ,,0 imper sancto ut aequiperetur illi sacerdoti". Dazu Bulhart "imper(are)". 2 Mt. 25, 41. 3 Ps. 82, 6f. 4 Der Text lautet: "Haec ergo facient cum sit separacio inter iustum et prophanum, nec est participacio inter fidelem et iustum, et nulla sit segregacio inter mortem et vitam, vel considera quid sit inter perditum et saluum". Harnack schlägt vor "inter fidelem et (in)iustum". Bulhart meint "es muß dann noch statt et heißen ut". 5 Vgl. Hes. 22, 18. 6 Nach dem Text "id ergo co=ixti estis omnes" ist das id als ein Akkusativ aufzufassen und nicht etwa durch ideo zu ersetzen, wie Bulhart vorschlägt. 7 Vgl. 1. Mos. 49, 3.
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XII. Apostolische Pseudepigraphen
des Fleisches, die äußerst schwer ist. Damit ist das Verbrechen gemeint, das die Menschen in das Verderben des Todes versenkt, denn das Versinken des Pharao und seines Volkes wie Blei im Meer nach dem Bericht der SchrifP war (nur) ein Zeichen (für uns). Und ähnlich ermahnt sie uns durch Sacharia: Der Mund einer frevelhaften Frau ist mit Blei verstopft 2 , wobei offensichtlich das Verbrechen gemeint ist. Das Erz bedeutet den Gestank des sündigen Fleisches, nach dem die Söhne Israels in Ägypten begehrten, als sie sich nach den Fleischtöpfen sehnten 3. Und deswegen gingen sie in den Tod und konnten nicht in den Besitz der väterlichen Verheißungen kommen, genauso wie diese, die sich von dem menschlichen ( ... ) des Fleisches verlocken lassen, auch nicht zum Besitz des Gottesreiches gelangen werden! Die Deutung des Zinns ist so: Das sind diejenigen, die Gottesweisheit vorspiegeln und die einen Anschein entweihten Silbers in der Keuschheit aufweisen, die aber keineswegs wertvoll in der Kirche sind. Sie werden versagen nach dem Spruch Salomos: Inder Verborgenheit vollziehen sie Abtreibung und denken dabei, sie werden ewig leben 4 • Das ist also das Gemisch, das im Hause Gottes zustande gekommen ist. 0 Frauenverführer, die neue Lehre erfinden! Einbrecher in fremde Häuser, Mädchenverderber, Keuschheitsschänder, vom Glaube Abgefallene, der Wahrheit sich Widersetzende, der Zucht Gottes Widerspenstige! 0 frevelhaftes Gemisch! Du bist zu Silber geworden, d. h. zur Keuschheit, und deswegen wird all das im Ofen des brennenden Gerichts eingeschmolzen werden, und dann wird der Herr sich wertvolles, reines, gediegenes, feines Silber für jenes heilige Jerusalem klären, um sich den väterlichen Thron vorzubereiten. Die anderen aber, von denen wir oben gesprochen haben, die vom Glauben abgefallen sind, diese werden in die ewige Qual gehen! Selig sind also diejenigen, die heilig in ihrem Leibe ttnd verbunden in ihrem Geiste geblieben sind, weil sie oft zu Gott sprechen werden! Selig sind diejenigen, die sich der Unzucht dieser Welt enthalten haben, weil sie Christus, dem Sohn Gottes, und dem Vater, dem Herrn, gefallen werden! Selig sind diejenigen, die die Taufe des Heils bewahrt haben, weil sie sich der ewigen Wonne erfreuen werdenS. Wer hat das Gehör des Herzens, um zu hören, was Gott verspricht: Dem Sieger, sagt er, dem will ich zu essen geben vom Baume des Lebens, der im Paradies meines Gottes steht 6 • o unverderbliche Nahrung, die vom Baum der Weisheit kommt, dessen Laub zur Heilung der Völker bestimmt ist, wo kein Bannfluch treffen soll, und wo keiner unreinen Fleisches eintreten darf; wo kein Haß aus ungerechten Werken und keine Lüge Platz finden wird, sondern nur Gott und das Lamm thronen werden. Diesen werden ihre Diener von Ewigkeit zu Ewigkeit huldigen! 7 Das sind also die Diener Gottes, die Ihm immer willfahren und wohlgefallen, die nicht für das Fleisch, sondern für den Hl. Geist leben. Das sind diejenigen, die vom zweiten Tode nicht betroffen werden sollen, und die das verborgene Manna, die Nahrung des himmlischen Paradieses, genießen werden 8. Diese werden den weißen Stein bekommen, 2. Mos. 15, 10. Vgl. Sach. 5, 8. 3 Vgl. 2. Mos. 16,3. • Nach der Annahme Harnacks haben wir hier mit einem verlorenen Apokryphon Salomos zu rechnen. 5 Vgl. Acta Pauli, c. 5 (vgl. Aa I, S. 238 und u. S. 244). 6 Offb. 2, 7. 7 Vgl. Offb. 22, 2. 3. B "Caelestis ortus esca". Richtig hat de Bruyne ortus als Genetiv von hortu8 durch Kontamination aufgefaßt. Bulhart aber meint "ortu8 bedeutet Herkunft; mit dieser Bedeutung kommt man aus". 1
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5. Der Pseudo-Titus-Brief
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den Helm des ewigen Heils, auf dem der unerhörte Name Gottes geschrieben steht, der nur demjenigen bekannt ist, der ihn empfangen hat. 0 glänzend weiße Schar und kostbare, heilige Legionen, die vom Christus bevollmächtigt worden sind, alle zu richten! Als unnütze Töpfergefäße sollen sie sie zerschmettern! Ich werde ihnen den ewigen Morgenstern geben, wie ich selbst (ihn) von meinem Vater empfangen habe l . Ähnlich wird Er sie das wertvolle Kleid anziehen lassen, und ihr Name wird nie aus dem Buch des Lebens gestrichen sein. Ich werde sie, sagt er, vor meinem Vater und seinen Engeln im Himmel bekennen 2 • Selig sind also diejenigen, die bis zum Ende ausharren, nach den Worten des Herrn: Den Sieger lasse ich zu meiner Rechten auf meinem Thron sitzen, wie ich gesiegt habe und mich gesetzt habe zur Rechten meines Vaters auf seinen Thron von Äon zu Äon und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen 3 • SO
WEIT DER BRIEF DES TITUS, DES SCHÜLERS DES PAULUS, ÜBER DEN STAND
DER KEUSCHHEIT
1
8
Vgl. Offb. 2, 26-28. Offb. 3, 21.
• Mt. 10, 32f.
XIII.
APOSTELGESCHICHTEN DES 2. UND 3. JAHRHUNDERTS EINLEITUNG
(W. Schneemelcher und K. Schäferdiek) TEXTE UND LITERATUR: Lipsius-Bonnet, Acta Apostolorum Apocrypha, I (1891), II/l (1898), II/2 (1903); 2. Auf!. (Nachdruck) 1959; W. Wright, Apocryphal Acts ofthe Apostles, ed. from Syriac MSS in the Brit. Museum and other libraries, 1. II, 1871 (Inhaltsübersicht bei Lipsius, Apostelgeschichten, Erg., S. 175); M. R. James, Apocrypha Anecdota (Text and Studies II, 3 1893; V, 1897); 1. Guidi, Gli Atti apocrifi degli apostoli nei testi copti arabi ed etiopici (Rendiconti della R. Accademia dei Lincei Note I-VII, Vol. III, 1897, I, Heft 2; II, Heft 2,4, 8, 10, 11; Vol. IV, 1888, I, Heft 2: Text; ital. Übers. in Giornale della Societa Asiatica Italiana II, 1888; Inhaltsübersicht bei Lipsius, Apostelgeschichten, Erg., S.89ff.); O. von Lemm, Koptische apokryphe Apostelacten (Melanges asiatiques tires du Bull. Imperiale des Sciences de St. Petersbourg X, 1890, S. 99-171); A. Smith Lewis, The Mythological Acts of the Apostles (arab. ; Horae Semiticae IV, 1904); E. A. W. Budge, The Oontendings of the Apostles (aeth.) 1. II, 1898-1901; P. Vetter in Or. Ohrist. 1901, S. 217ff.; 1903, S. 16ff. u. 324ff.; Theol. Quartalschrift 1906, S. 161ff. (armenisch); W. H. P. Hatch, Three Hitherto Unpublished Leaves from a MS of the Acta Apostolorum Apocrypha in Bohairic (Ooptic Studies in honor of W. E. Orum = Bulletin of the Byzantine Institut II, 1950, S. 305-317); O. Khurcikidze, Recensions georgiennes des Actes apocryphes des Apötres d'apres des manuscrits des IXe-XIe siecles, Tif!is 1959 (mir nicht zugänglich); A. Siegmund, Die Überlieferung der griechischen christlichen Literatur in der lateinischen Kirche bis zum 12. Jh., 1949, S. 33--40; G. Graf, Geschichte der christlichen arabischen Literatur, Bd. I, 1944 (Studi e Testi 118) S.257ff. Apokr. 2, S. 163-289; Michaelis, S. 216--438; James, S.228--438. Lipsius, Apostelgeschichten; H. Ljungvik, Studien zur Sprache der apokryphen Apostelgeschichten (Uppsala Univ. Arsskrift 8) 1926; K. Kerenyi, Die Griechisch-Orientalische Romanliteratur in religionsgeschichtlicher Beleuchtung, 1927; R. Söder, Die apokryphen Apostelgeschichten und die romanhafte Literatur der Antike (Würzburger Studien zur Altertumswiss. 3) 1932; M. BlumenthaI, Formen und Motive in den apokryphen Apostelgeschichten (TU 48, 1) 1933; K. L. Schmidt, Kanonische und apokryphe Evangelien und Apostelgeschichten (AThANT 5) 1944; R. Helm, Der antike Roman, 1948, S. 53-61; O. L. Sturhahn, Die Ohristologie der ältesten apokryphen Apostelakten (theol. Diss. Heidelberg 1951); L. Fabricius, Die Legende im Bild des ersten Jahrtausends der Kirche. Der Einfluß der Apokryphen und Pseudepigraphen auf die altchristliche und byzantinische Kunst, 1956; weitere Literatur in der Bibliographie von H. Kraft in Lipsius-Bonnet, Aa, 2. Auf!. 1959, Bd. II, 2 S. 397--402. Ab kür z u ng en: A GG = apokryphe Apostelakten ; AG = kanonische Apostelgeschichte; AJ = Acta Johannis (Johannesakten) ; AP = Acta Pauli (Paulusakten) ; APt = Acta Petri (die alten Petrusakten); AA = Acta Andreae (Andreasakten); ATh = Acta Thomae (Thomasakten) .
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1. ALLGEMEINES. Die apokryphen AGG des 2. und 3. Jahrhunderts, die uns zum größten Teil nur fragmentarisch überkommen sind und die in späterer Zeit vielfache Nachahmung und Weiterbildung erfahren haben, sind ihrer Gattung nach nicht einfach zu bestimmen. Wenn man die Bd. I, S. 6f. gegebene allgemeine Begriffsbestimmung der neutestamentlichen Apokryphen aufnehmen will, so könnte man sagen, daß es sich bei diesen AGG um Schriften handelt, die vor allem die Angaben des NT, speziell der lukanischen AG ergänzen sollten und deren Verfasser sich dabei bestimmter, in der Umwelt des frühen Christentums bekannter und verbreiteter literarischer Gattungen bedienten. Ob der griechische Roman oder eine andere Gattung oder Mischformen verschiedener Gattungen das Vorbild abgaben, ist umstritten und wird noch ebenso zu erörtern sein wie die Frage, ob diese Schriften unter Anknüpfung an das lukanische Werk geschrieben sind. Nur das sei hier vorweg betont: diese Fragen sind deshalb nicht unwichtig, weil davon auch die Antwort auf die weitere Frage abhängt, ob diese AGG den Anspruch erheben wollten, den Schriften des neutestamentlichen Kanons, näherhin der lukanischen AG gleich geachtet zu werden. Die Texte sagen - soweit wir sehen können - darüber gar nichts aus. Wir werden aber auch aus gattungsgeschichtlichen Gründen diese Literatur - und es handelt sich im Gegensatz zu den Evangelien um Werke, die in ihrer jetzt bekannten Form literarischen Charakter haben - nicht als einen Versuch ansehen können, die kanonische AG zu ersetzen. Wohl B.ber darf man vermuten, daß ein Teil der AGG in ihrem Inhalt, soweit es die einzelnen Apostel betrifft, die AG ergänzen wollten. Aber kann man überhaupt die apokryphen AGG literarisch oder religionsgeschichtlich als eine Einheit behandeln? Die Frage ist kaum eindeutig zu beantworten. Zunächst ist darauf zu verweisen, daß die apokryphen AGG aus verschiedenen Zeiten und verschiedenen Gegenden stammen, daß sie aber auch in ihrer theologischen Tendenz und in ihrem Frömmigkeitsideal stark voneinander abweichen. Gewiß hat man sich immer wieder bemüht, diese Akten als eine Einheit anzusehen, sie entweder als Erzeugnisse der Gnosis oder des Vulgär-Frühkatholizismus zu verstehen. Aber dabei wird zu oft übersehen, daß die Unterschiede in den Anschauungen jede einheitliche Herleitung aus Gnosis oder Frühkatholizismus verbieten, wie ja auch die Grenzen zwischen den beiden Größen zumindest im 2. Jahrhundert keineswegs so fest sind, wie es einer späteren Geschichtsschreibung leicht erscheint. Andererseits ist es aber auch nicht angebracht, von der literarischen Gattung her die Einheit der AGG übermäßig zu betonen. Diese Werke sind "auch der Form nach keine einheitliche Gattung"l. Eine genaue Analyse der Erzählungsmittel zeigt ebenfalls erhebliche Differenzen. Trotzdem wird man von einer gewissen Einheit sprechen können, wenn man nämlich diese AGG als "volkstümliche Erzählungen für das Volk" 2 versteht, die sich mannigfacher Stilmittel aus der hellenistischen Literatur bedient haben. Nur unter Aufnahme einer so allgemein gehaltenen Definition ist es möglich, unter ständiger Berücksichtigung der Verschiedenheiten in Form und Inhalt, diese AGG zu einem Komplex zusammenzufassen. Diese allgemeine Definition, die ja in sich einige Probleme enthält, soll nun im folgenden kurz erläutert werden. Dabei wird, bedingt durch die gebotene Kürze, manches reichlich allgemein gehalten werden müssen. Es werden auch nicht alle Gesichtspunkte, die bei den einzelnen AGG zur Geltung kommen, hier berücksichtigt werden können. Aber selbst auf die Gefahr, daß sich gewisse Diskrepanzen in der Wertung ergeben könnten, muß eine allgemeine Zusammenfassung versucht werden. Dabei wird ein Vergleich mit der AG des Lukas nicht zu umgehen sein. 2. DIE APoSTELGESOmOHTE DES LUKAS UND DIE APOKRYPHEN AGG. Das Verhältnis der apokryphen AGG zu dem lukanischen Werk, das in den Kanon gelangt ist, wird in der bisherigen Forschung sehr verschieden beurteilt. So meinte C. S ch m i d t, daß die A GG, die nach seiner Meinung ja in der Abwehr des gnostischen Ansturms auf die Kirche entstanden seien, ihre literarische Form von der lukanischen AG übernommen hätten: "Nicht 1 2
R. Söder, Die apokr. Apostelgeschichten, 1932, S.216. Söder, a.a.O., S. 216.
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nur der Titel:n;ed~et, ist von dort entnommen, sondern auch die ganze Komposition, das Gedanken- und Sprachmaterial, wie überhaupt die Anlehnung an die kanonische Literatur sehr stark hervortritt."l Apokryphe AGG und AG gehören eng zusammen, sind "auf das literarische el~o, gesehen, völlig gleich zu achten"2. Demgegenüber führte Pfister zwar auch einige Beispiele an, die die Bekanntschaft der AGG mit der AG als möglich erscheinen lassen, stellt aber dann doch den erheblichen Unterschied fest. Der Geschichtsschreibung, wenn auch mit unzureichendem Quellenmaterial, in der AG steht die wildwachsende Phantasie und freieste Komposition in den AGG gegenüber. "Das Vorbild der kanonischen AG steht nur in trüben Umrissen im Hintergrund. "3 Die beiden kurz skizzierten Positionen machen deutlich, daß eine klare Auskunft über das Verhältnis der AGG zu der AG nur dann möglich ist, wenn man sich zunächst über den Charakter des lukanischen Werkes klargeworden ist. Mit allgemeinen Hinweisen auf 'Geschichtsschreibung' oder den Titel :n;ed~et, ist es· hier nicht getan. Die historisch-kritische Actaforschung hat lange im Bann der Tendenz- und dann der Quellenkritik gestanden. Erst durch M. Dibelius, der die formgeschichtliche Betrachtungsweise auf die AG übertrug, wurden nicht nur die "kleinen Einheiten", d.h. die Bausteine des Werkes, sondern auch dessen Komposition sachgemäß geprüft und gewertet. Wichtig war vor allem die Feststellung, daß Lukas in der Tradition der antiken Historiographie stand, also Historiker - nicht im modernen, wohl aber im antiken Sinn - sein wollte, daß er zugleich aber Prediger sein wollte und zwar eben durch die Darstellung des Richtungssinnes des Geschehens, das als Verwirklichung von Gottes Heilsplan angesehen wird 4. Auf dem von Dibelius gelegten Grund hat die Forschung in Deutschland in neuerer Zeit weitergebaut und dabei immer stärker die theologischen Probleme der lukanischen Konzeption in Blick bekommen 5 • Wichtig war, daß E. Haenchen nach langer Zeit endlich wieder einen umfassenden wissenschaftlichen Kommentar zur AG lieferte, in dem die bisherige Forschung zusammengefaßt, zugleich aber auch in entscheidender Weise weitergeführt wurde und so Lukas als Theologe, Historiker und Schriftsteller zur Geltung kam. Die AG ist das Werk eines Theologen, der zwar keine Dogmatik schreibt, der aber in seiner Geschichtsdarstellung bestimmte theologische Fragen erörtert. Dabei sind es vor allem zwei aktuelle theologische Probleme, die den Autor bewegen: die Naherwartung des Endes und die gesetzesfreie Heidenmission. Auf die erste Frage hat Lukas mit seinem Entwurf der Heilsgeschichte, die er in 3 Epochen teilt, geantwortet". Das zweite Problem löst Lukas durch seine Geschichtsdarstellung. Dabei muß er um seiner geschichtstheologischen Konzeption willen die Geschichte des Urchristentums an entscheidender Stelle - nämlich in der Frage der gesetzesfreien Heidenmission - anders darstellen, als sie wirklich verlaufen ist. "Der Historiker Lukas zeichnet nicht die vielfach gebrochene Linie der wirklichen Entwicklung der christlichen Mission, sondern ihre ideale Kurve.'" Wenn der C. Schmidt, Die alten Petrusakten, TU 24, 1 (1903), S. 154. 2 C. Schmidt, a. a. 0., S. 155. 3 Apokr. 2, S. 169. 4 VgI. zu der Forschungsgeschichte: E. Haenchen, Die Apostelgeschichte (Meyers Kommentar 3. Abt.) 13. Aufl. 1961, S. 13-47; dort auch alle nötigen Literaturangaben. 5 Zu nennen sind hier: P. Vielhauer, H. Conzelmann, G. Klein und natürlich vor allem Haenchen. " Vgl. H. Conzelmann, Die Mitte der Zeit, 2. Aufl. 1957; Haenchen, S. 84:ff. , Haenchen, a.a.O., S.93. Meines Erachtens müßte - trotz der heute so brennend gewordenen Frage nach der lukanischen Theologie - der von M. Dibelius so eindrucksvoll betonte Zusammenhang der AG mit der antiken Geschichtsschreibung noch weiter untersucht werden. Jedenfalls sollte das Problem nicht zu kurz kommen gegenüber den ohne Zweifel wichtigen theologischen Fragen. Haenchen (der einen Kommentar und keine Monographie schreiben mußte) scheint das AT und die Evangelientradition als Vorbild mit stärkerem Einfluß ansehen und nicht so sehr die antiken Vorbilder für den Stil verantwortlich machen zu wollen, vgI. a.a.O., S. 96 Anm. 1. 1
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Verfasser aber auch als Historiker an seine theologische Konzeption gebunden ist und sein Werk von diesen aktuellen theologischen Fragen bestimmt wird, so ist nicht zu übersehen, daß die AG auch einen praktischen Zweck hatte: sie sollte "erbauen", d.h. sie sollte der Verkündigung dienen. Das hat schon Dibelius klar erkannt: Lukas zeigt sich als Historiker und als Evangelist, der mit den Mitteln der Geschichtsschreibung sein Ziel, die Verkündigung, anstrebt. Haenchen hat diesen Gedanken weitergeführt und etwas abgewandelt: "Was er (sc. Lukas) seinen Lesern - vor allem als Fortsetzung eines Evangeliums! - bieten durfte, mußte ein Erbauungsbuch sein" (S. 93). Von dieser Intention sind denn auch Methode und Stil der Materialdarbietung bestimmt: "Eine Erzählung muß nicht ein Ereignis mit der Genauigkeit eines Polizeiberichts beschreiben, sondern sie muß das, was sich ereignet hat, dem Hörer oder Leser unvergeßlich einprägen" (S. 99). Wenn nun so die Intention des Verfassers der AG als eines Theologen, der Historiker und damit Evangelist sein will, richtig erfaßt ist, dann kann auch eine genauere Charakteristik des Werkes selbst versucht werden: Die AG des Lukas ist ein von einer bestimmten theologischen Konzeption geprägtes Erbauungsbuch in der Form einer Geschichtsdarstellung. Es braucht kaum betont zu werden, daß mit dieser zusammenfassenden Umschreibung nicht alles gesagt ist, was zur AG zu sagen ist. So wird z.B. das apologetische Motiv nicht erwähnt, das ja ohne Zweifel in der AG eine nicht unwichtige Rolle spielt. Aber für unseren Zusammenhang muß diese Definition genügen. Aus ihr ergibt sich ein Gesichtspunkt, der für den Vergleich mit den apokryphen AGG von wesentlicher Bedeutung ist. Da.s Thema der lukanischen AG könnte auch kurz so umschrieben werden: Der Lauf des 'Wortes Gottes' bis an die Enden der Erde. Dieser Lauf ist das Werk Gottes, der sich dazu seiner Zeugen bedient. Das Wort AG 1, 8 beschreibt den Inhalt des Werkes in gewisser Weise völlig zutreffend l • Damit aber werden die Hauptpersonen, von denen berichtet wird, nämlich Petrus und die Apostel im 1. Teil und Paulus im 2. Teil der AG" zu Werkzeugen in dem Plan Gottes, der darauf zielt, daß das in der eigentlichen Heilszeit, nämlich im irdischen Leben Jesu, erschienene Heil allen Völkern gepredigt wird. Diese Darstellung ist also nicht primär an den Reisen der Boten, an ihren Wundern usw. interessiert, sondern an dem Weg des Evangeliums von Jerusalem nach Rom. Die Darstellung dieses Weges soll Glauben, Trost und Vertrauen erwecken und damit den Lesern den Weg zum Heil weisen. Damit ist aber schon klar, daß ein Vergleich zwischen der AG und den AGG nicht zu dem Urteil führen kann, diese AGG seien derselben Gattung zuzurechnen wie die AG. Gewiß kann man bei den APt und auch bei den AP sagen, sie seien in gewisser Weise Parallelerzählungen zu der AG". Aber selbst wenn diese Bezeichnung der beiden genannten AGG als 'Parallelerzählung zu der AG' voll zuträfe, so würde man für die anderen AGG derartige Vermutungen gar nicht in Erwägung ziehen. Auch für die beiden genannten AGG erscheint es mir sehr fraglich, ob man sie so bezeichnen kann. Mögen auch einzelne Züge oder Angaben auf eine Anknüpfung an die AG hinweisen, so ist damit über den literarischen Charakter und über die Intention der AGG noch nichts gesagt. Ohne der Erörterung der literarischen Gattung im nächsten Abschnitt vorgreifen zu wollen, muß hier schon auf folgendes aufmerksam gemacht werden: a) Auch die apokryphen AGG basieren auf einer bestimmten theologischen Grundeinstellung. Aber es ist eines der Hauptkennzeichen dieser Werke, daß sie nicht von theo1 Vgl. Haenchen, 30.30.0., S.112. • Die Einteilung der AG in zwei Teile ist problematisch und daher nicht als Prinzip zu gebrauchen. Gewiß setzt mit Kapitel 13 der Paulusteil ein; aber dieser ist durch mannigfache Stücke vorbereitet - ein Zeichen für die schriftstellerische Geschicklichkeit des Verfassers. Haenchen hat denn auch in seinem Kommentar auf eine Gliederung in Hauptteile verzichtet. Andererseits läßt sich nicht übersehen, daß Lukas jeweils eine Person in den Mittelpunkt seiner Darstellung gestellt hat. " So hat C. Schmidt die APt und die AP aufgefaßt: Studien zu den alten Petrusakten H, ZKG 45, 1927, S. 509.
8 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
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logischen Reflexionen bestimmt sind, sondern eher von praktischen Intentionen geleitet werden. So ist der in den einzelnen AGG in verschiedener Weise begegnende enkratitische Zug ohne Zweifel doch so zu verstehen, daß die geschlechtliche Enthaltsamkeit für die Verfasser der AGG ein wesentlicher Zug, ja zum Teil überhaupt der eigentliche Inhalt der christlichen Verkündigung gewesen ist. Nun mag man über die Ansätze zu einer solchen Auffassung im NT denken, wie man will: daß sich an diesem Punkt die Tendenzen in den AGG gegenüber der AG entscheidend geändert haben, kann nicht geleugnet werden. Auch an anderen theologischen Fragen (z.B. Christologie) läßt sich zeigen, wie groß der Unterschied in dem theologischen Denken ist. Wichtiger ist aber noch, daß die AGG gar nicht in ausgeprägter Weise ein theologisches Programm durchführen wollen, wie es der Verfasser der AG getan hat. Man kann das mit der veränderten Situation der Kirche erklären (das ausgebliebene Ende z.B. ist offensichtlich kein drängendes Problem mehr). Aber gravierender ist, daß die AGG gar nicht primär theologisch interessiert sind - Ausnahmen wie bestimmte Stücke der AP, z.B. der apokryphe Briefwechsel mit den Korinthern, bestätigen die Regel -, sondern unterhalten und propagandistisch wirken wollen. Dieser inhaltliche Unterschied zur AG findet nun seinen Ausdruck in einer anderen literarischen Form. b) Neben den allgemeinen theologischen Fragen muß aber bei einem Vergleich zwischen AGG und AG in besonderer Weise das Problem des Geschichtsverständnisses beachtet werden. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß Lukas in seinem Werk die Absicht verfolgt, bestimmte konkrete theologische Fragen durch Darstellung der Geschichte der Mission zu beantworten, und gerade dadurch erbaulich und evangelistisch wirken will. Er kann das, weil er von der Kontinuität des göttlichen Handeins in der Heilsgeschichte überzeugt ist. So wird die Darstellung des 'Laufes des Wortes Gottes' zu einer theologisch relevanten Angelegenheit und kann auch zum Glauben rufen. Man wird in den apokryphen AGG vergeblich ein solches Verständnis der Vergangenheit, die für Lukas durch die Verkündigung in die Gegenwart hineinreicht, suchen. Gewiß ist auch hier von der Wirkung der Predigt die Rede, auch in den AGG geht es um die Mission in den verschiedenen Ländern durch die Apostel. Aber einerseits spielt die Frage der Parusieverzögerung keine Rolle mehr und andererseits ist auch das Problem des Zusammenhanges mit dem Volk des alten Bundes nicht mehr brennend, so daß also entscheidende Voraussetzungen der lukanischen Geschichtstheologie fehlen. Wichtiger ist aber noch etwas anderes: In den AGG steht jeweils der betreffende Apostel so im Vordergrund, daß von einer Missionsgeschichte als Geschichte des Wortes Gottes und seiner Ausbreitung durch die Welt gar nicht mehr die Rede sein kann. Die apokryphen AGG sind in ganz anderer Weise als die AG von der Darstellung der handelnden Personen bestimmt. Damit ist aber gegeben, daß auch literarisch eine andere Form gewählt werden mußte: eine 'Tat' reiht sich an die andere und am Schluß steht das Martyrium oder der Tod des Apostels (was Lukas ja gerade vermieden hat, obwohl er von dem Tod des Paulus wußte, wie aus AG 20, 17ff. hervorgeht). Zugespitzt könnte man sagen: Der Unterschied zwischen AGG und AG wird daran sichtbar, daß das Interesse der AGG an den persönlichen Schicksalen und Taten der Apostel hängt, aber nicht an der Geschichte der Kirche als einer neuen Periode der göttlich geordneten Heilsgeschichte. c) Schließlich muß noch darauf hingewiesen werden, daß die 'erbauliche' Tendenz der AGG sicher anders zu verstehen ist als die Absicht des Lukas, ein Erbauungsbuch zu schreiben. Gewiß ist auch die AG nicht frei von allerlei legendären und mirakulösen Geschichten (z. B. der Schatten des Petrus AG 5, 15 oder die Taschentücher des Paulus AG 19, 12). Aber alle diese Legenden sind den leitenden Motiven untergeordnet und dem theologischen Programm des Lukas dienstbar gemacht. Anders steht es in denAGG. Hier sind Wunderlegenden nicht nur vielfach ins Phantastische und Abstruse gesteigert, sondern sie stehen auch oft isoliert nebeneinander und werden um ihrer selbst willen berichtet. Die Absicht dabei ist offenbar nicht, den wunderbaren Weg des Wortes Gottes zn demonstrieren nnd die Mitwirkung Gottes an dem Werk der Mission durch einzelne Wunder zu nnterstreichen, sondern mit diesen Geschichten sollen die Apostel als Wundertäter gerühmt werden. Man
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kann daher auch kaum "on 'erbaulicher' Tendenz sprechen, wird vielmehr besser von unterhaltender Absicht reden. Auch hier aber muß man sofort hinzufügen, daß ein so entscheidender Unterschied im Inbalt eine andere Form verlangt. Zusammenfassend wird man also sagen dürfen, daß die AGG sich von der lukanischen AG in Gattung und Form wie in Inhalt und Theologie ganz wesentlich unterscheiden und trotz mancher Entlehnungen von Einzelheiten oder Anknüpfungen der AGG an die AG die apokryphen Werke mit dem lukanischen Werk nicht auf eine Stufe gesteIlt werden können. Aber wie läßt sich nun die Gattung der AGG näher bestimmen? 3. DIE APOKRYPHEN APOSTELGESCmCHTEN ALS VOLKSLITERATUR. In Apokr. 2, S.163ff. hatF. Pfister versucbt, eine einheitliche Gattungsbestimmung für dieAGG zu erarbeiten und auch ihren Zusammenhang mit der antiken Literatur herauszustellen. Pfister geht aus von dem Titel:n;ea~etl;, den AGG wie AG tragen und der ja übereinstimme mit dem Titel einer besonderen Gattung der antiken Literatur: es ist die Gattung der :n;ea~et" in der es um die Taten hervorragender historischer oder mythischer Persönlichkeiten geht. Bestimmte Elemente, die in den antiken Praxeis wie in den apokrypben AGG auftauchen, zeigen die Zusammenhänge. So läßt sicb das aretalogische Element, d.h. die Schilderung besonderer Fäbigkeiten und Kräfte des Helden ebenso feststellen wie das etbnologiscbe, das in den Wanderungen, den :n;ee{obot zum Ausdruck kommt. Dazu tritt dann die religiöse Tendenz, die ebenfalls die AGG mit den antiken Praxeis verbindet. So läßt sich nach Pfister die literariscbe Gattung der apokryphen AGG zusammenfassend bezeichnen: es sind christliche Wanderungs- und :Missionsaretalogien. Damit lassen sich aber die AGG in die Geschichte der antiken Literatur einordnen. Denn auch dort gibt es eine ganze Reibe von Werken, die man als solche Missionsaretalogien bezeichnen kann. Pfister hat damit Gedanken aufgenommen, die schon bei R. Reitzenstein begegnen 1, der vor allem das Vorbild der Propheten- und Philosophenaretalogien betonte. Damit hatte er der Tendenz, die AGG als besondere Form des hellenistischen Romans zu verstehen, wie sie noch bei R. Helm vertreten wird', entgegengewirkt". Das Bucb von Rosa Söder, Die apokryphen Apostelgeschichten und die romanhafte Literatur der Antike (1932) brachte eine Klärung der Begriffe und des Wesens der AGG4. In dieser Arbeit werden die einzelnen Motive der AGG herausgestellt, insbesondere die fünf Hauptelemente : 1. das Motiv der Wanderung; 2. das aretalogische Element, d.h. die Betonung der deerai und der bvvc1.p,et" des Wunderbaren in der Kraft des Helden; 3. das teratologische Element, d. h. die Darstellung der Wunderwelt, in die die Apostel geraten: Menschenfresser, redende Tiere u. a.; 4. das tendenziöse Element, vor allem in den Predigten; 5. das erotische Element, das sowohl in den eigentlicben Liebesmotiven, aber auch in den asketisch-enkratitischen Zügen zum Ausdruck kommt.
Dabei lassen sich jeweils die Verbindungslinien zu der hellenistischen Literatur ziehen. Wichtig ist, daß die Unterschiede zwischen den einzelnen AGG auf diese Weise deutlich sichtbar werden. Das Ergebnis dieser eingehenden Untersuchung dürfte kaum zu wider1 2
3
R. Reitzenstein, Hellenistische Wundererzählungen, 1906. R. Helm, Der antike Roman, 1948, S. 53-57. Übersicht über die Forschungsgeschichte bei R. Söder, a.a. 0., S.I-5; dort auch ältere
Literatur. 4 Das fast gleichzeitig erschienene Buch von M. BlumenthaI, Formen und Motive in den apokr. Apostelgeschichten, TU 48, 1 (1933) ist. leider nicht sehr hilfreich. B. bietet zwar manche gute Einzelbeobachtung, systematisiert aber meines Erachtens zu stark. Auch das von ihm angenommene 'Zweiheitsgesetz' ist problematisch, wie auch die Abhängigkeit von der AG sicher zu einseitig gesehen ist. 8*
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legen sein: Die AGG sind nicht nacb dem Vorbild des lukanischen Werkes gestaltet, sie sind aber auch nicht einfach eine Weiterführung der antiken Aretalogien. Das Vorbild des hellenistischen Romans kann auch nicht MS maßgebend angeseben werden, vor allem deshalb nicht, weil die teratologischen und die aretalogischen Motive beinahe völlig im Roman fehlen. Auch eine Vermiscbung von Aretalogien und hellenistisch-sophistischem Roman, bei der dann noch andere Elemente beigefügt wären, liegt nicht vor. Sicher wäre es nicht von vornherein ausgeschlossen, daß im Christentum eine neue Literaturform aus den verschiedensten Elementen geschaffen worden wäre. Aber dagegen spricht, daß die AGG untereinander so stark differieren. Man muß vielmehr, um die Gattung der AGG richtig bestimmen zu können, von ihrem Zweck ausgehen. Dieser Zweck läßt sich als Unterhaltung, Belehrung und Erbauung des Volkes, nicht so sebr der Gebildeten bestimmen. So kann man sagen, daß die AGG die "literarisch, und zwar in christlichem Geiste fixierten Zeugen alter im Volke lebender Erzählungen von den Abenteuern, Wundertaten und Liebesaffären großer Männer"l sind. Sie sind "volkstümliche Erzählungen, für das Volk, nicht so sehr für Gebildete, wie der Roman, bestimmt"". Damit ist natürlich nicbt ausgeschlossen, daß die Verfasser der AGG sich der Stilmittel bedienten, die in ihrer Zeit üblich waren. Im Gegenteil: wie sollten sie anders arbeiten, wenn sie sicb beim Volk Gehör verscbaffen wollten? Dadurcb erklären sich aber auch die mancherlei Beziehungen zum hellenistischen Roman wie zu den Philosophenaretalogien, die aber nicht ausreichen, um die AGG diesen Stilgattungen zuzurechnen. Mit dieser Charakteristik ist meines Erachtens eine gute Grundlage für ein sachgemäßes Verständnis der AGG gegeben, von der aus nun die Arbeit weitergehen kann. Es sei hier nur kurz angedeutet, in welcher Richtung die Folgerungen aus dieser Definition zu ziehen sind und wie die weiteren Aufgaben aussehen, die sich der Erforschung dt'r AGG stellen. a) Die Entstebung der AGG ist offensichtlich so zu denken, daß die Verfasser zwar literarisch tätig waren, d.h. den Stoff selbständig anordneten und gestalteten, daß sie dabei aber sicb vielfach auf älteres Material stützen konnten. Damit erscheint diese Kategorie von apokryphen Werken in ihrem Entstehungsprozeß gewisse Ähnlichkeiten mit der Entstehung der synoptischen Evangelien aufzuweisen. Wie bei den E~angelien so haben wir es auch hier mit der schriftlichen Fixierung volkstümlicher Überlieferung zu tun. Daher ist es nun aber auch verständlich, daß diese AGG sich vielfach aus einzelnen Praxeis, die nebeneina.nder stehen, zusammensetzen. Diese sind zwar meist miteinander irgendwie verknüpft, aber oft legt sich die Vermutung nahe, daß es sich um ursprünglich einzeln umla,ufende Traditionen gehandelt hat (Personallegenden, Lokalsagen usw.). Jedenfalls darf man annehmen - und diese Annabme läßt sich an einzelnen Stellen beweisen (vgl. z.B. für die AJ unten S. 142f.) -, daß viele Stücke der AGG bereits vor der schriftlichen Fixierung als Einzellegenden existiert haben. b) Die Frage, aus welchen Kreisen die AGG stammen, ist, wie bereits erwähnt, sehr umstritten. Die Debatte um dieses Problem hat darunter gelitten, daß man Gnosis und Frühkatholizismus als feste Größen einander gegenüberstellte und die Frage der Herkunft der AGG nur mit einem Entweder-Oder beantworten wollte. Nun sind aber nicht nur die Grenzen zwischen den beiden Phänomenen Gnosis und Frühkatholizismus lange Zeit fließend gewesen 3, sondern auch in den AGG - sofern man sie einmal als einen Komplex ansieht - sind recht verschiedene Tendenzen sichtbar. Sogar in ein und derselben Schrift ist nicht immer die theologische Einheit gewahrt. Wenn man nun in den AGG den Niederschlag und die literarische Fixierung mündlicher Legendentradition sieht, so ist es nicht überraschend, daß man bei diesen Schriften keine einheitliche theologische Gesamthaltung trifft und daß man jeweils das eine Stück mit der Gnosis, das andere mit dem 'frühkatholischen' Christentum in Verbindung setzen kann. Es erscheint mir daher angebracht, die 1 2 3
R. Söder, a.a.O., S. 187. a. a. 0., S. 216. Vgl. vor allem W. Bauer, Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum, 1934.
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alte Fragestellung nach der Herkunft der apokryphen AGG aufzugeben. Man muß vielmehr für jede der AGG die Frage gesondert behandeln und darüber hinaus auch bei den einzelnen Traditionen je für sich die Frage der Herkunft untersuchen. Dabei wird sich übrigens manchmal herausstellen, daß die eindeutige Zuweisung an 'Frühkatholizismus' oder 'Gnosis' gar nicht möglich ist. Es ist ein Kennzeichen dieser Volksliteratur - und das macht sie für den Historiker so wichtig -, daß sie katholische und gnostische Elemente in sich vereinigen kann. c) Schließlich sei noch auf eine meines Erachtens wichtige Aufgabe für die weitere Arbeit an den apokryphen AGG hingewiesen: Die bisherige Forschung war notwendigerweise vor allem an den Problemen des Textes, der Überlieferung und der Komposition interessiert. Das hängt damit zusammen, daß diese AGG so fragmentarisch überliefert sind und die erste Aufgabe daher immer sein muß, festzustellen, was zu den alten AGG gehört hat und wie diese gestaltet waren. Inzwischen ist durch mancherlei Neufunde und auch durch intensive Forschung hier viel erreicht worden. Es wäre also jetzt möglich, darüber hinaus die formgeschichtliche Arbeit an den Einzelstücken aufzunehmen. Ansätze dazu sind zweifellos schon vorhanden!. Aber die Arbeit muß weiter geführt werden. Sie wird nicht nur für die Geschichte der hinter den AGG in ihrer literarischen Gestalt liegenden mündlichen Legendentradition wichtig sein, sondern es auch ermöglichen, die AGG und ihr Material religionsgeschichtlich und kirchengeschichtlich richtig einzuordnen. Die AGG sind die wichtigsten Zeugnisse für die Frömmigkeit eines großen Teiles des christlichen Volkes, einer Frömmigkeit, die vielleicht nicht immer in den Bahnen, die später als gut kirchlich angesehen wurden, ging. Aber es ist keine Frage, daß es für die historische Kenntnis der Verhältnisse in der Kirche des 2. und 3. Jahrhunderts von eminenter Bedeutung ist, diese Frömmigkeit in Blick zu bekommen. 4. DAS MANICHÄISCHE AKTENCORPUS UND LEUCIUS CHARINUS (K. Schäferdiek). In seiner "Bibliothek" beschreibt Photius eine Sammlung von fünf apokryphen Apostelakten: " ... ein Buch, die sogenannten Wanderungen (ns/2{ooot) der Apostel, worin enthalten sind die Akten des Petrus, Johannes, Andreas, Thomas, Paulus. Es hat sie, wie das Buch selbst anzeigt, Leucius Charinus geschrieben. Der Stil ist durchweg unebenmäßig und befremdend; denn es verwendet zwar mitunter auch geschliffene Wendungen und Ausdrücke, zumeist jedoch gewöhnliche und abgedroschene, und es zeigt auch nicht die Spur des ebenmäßigen und ungekünstelten Stils und der darin gegebenen Anmut, in der die evangelische und apostolische Sprache gestaltet ist. Es steckt voller Torheit, Selbstwiderspruch und Ungereimtheit; es behauptet nämlich, einer sei der Gott der Juden, und zwar ein böser, als dessen Diener auch Simon Magus aufgetreten sei, und ein anderer Christus, den es gut nennt". Indem es alles verwirrt und durcheinanderwirft, nennt es ihn sowohl Vater als auch Sohn 3. Es sagt auch, daß er nicht wirklich Mensch geworden sei, vielmehr nur den Anschein gehabt habe, und daß er den Jüngern oftmals vielfältig erschienen sei, als Jüngling, als Greis, als Knabe, und bald als Greis und bald als Knabe, und größer und kleiner und so übergroß, daß sein Haupt zuweilen bis an den Himmel gereicht habe~. Auch erdichtet es viel Geschwätz und Unsinniges über das Kreuz·, und Christus sei nicht gekreuzigt worden, sondern ein anderer statt seiner, und er habe deshalb die Kreuziger verlacht". Die gesetzmäßigen Ehen verwirft es 7, und jegliche Geburt nennt es böse und 1 Vgl. die schon genannten Arbeiten von R. Söder und M. Blumenthal. " S. dazu M. R. James, Apokrypha anecdota II (= Texts and Studies VI), Cambridge 1897, S. XVIII f.; C. Schmidt, Die alten Petrusakten im Zusammenhang der apokryphen Apostelliteratur (= TU 24, 1), Leipzig 1903, S. 68ff. • Vgl. Act. Joh. 98: das Lichtkreuz wird u. a. "bald Vater, bald Sohn" genannt; ferner Act. Joh. 22; 24; 77; 82; 107f.; 112. • Vgl. Act. Joh. 87-93; Act. Petr. (Act. Vercell.) 21. 5 Vgl. Act. Joh. 97-100_ 6 Vgl. Act. Joh. 97 u. 102; allerdings ist es Johannes, der die Menge verlacht. 7 Diese Folgerung mag sich für Photius aus der allen genannten Apostelakten gemein-
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vom Bösen 1, und der Schöpfer der Dämonen sei ein anderer', 80 faselt es, und es erlügt unsinnige und kindische (Erzählungen von) Auferstehungen toter Meuschen, Rinder und anderer TiereS. Auch glauben die Ikonoklasten, daß es in den Johannesakten Lehren gegen die Bilder vertrete'. Kurz, dieses Buch enthält unzählige kindische, unglaubwürdige, übel erdichtete, lügenhafte, törichte, einander widerstreitende, frevelhafte nnd gottlose Dinge. Würde es jemand die Quelle und Mutter aller Häresie nennen, er würde das Richtige nicht verfehlen" (cod. lU: Henry II, S. 84--86). Eine Mitteilung des Euseb könnte den Eindruck erwecken, als habe bereits Origenes eine solche Sammlung von fünf apokryphen Apostelakten gekannt; er schreibt (Kirchengesch. III 1: Schwartz I [= GOS 9, 1], S. 188, 1-12): "Die heiligen Apostel und Jünger unseres Heilandes hatten sich über den ganzen Erdkreis verstreut. Thomas hatte, wie die Überlieferung besagt, Parthien erlost, Andreas Skythien, Johannes Asien, wo er auch verweilte und in Ephesus starb. Petrus dürfte in Pontus, Galatien, Bithynien, Kappadozien und der Asia den Diasporajuden gepredigt hahen; als er schließlich nach Rom kam, wurde er mit dem Kopf nach unten gekreuzigt, da er so zu leiden sich erbeten hatte. Was ist es erforderlich, von Paulus zu reden, der von Jerusalem bis lllyrien das Evangelium Ohristi erfüllt (Röm. 15, 19) und später unter Nero das Martyrium erlitten hat? Das wird von Origenes wörtlich im dritten Buch seiner Erklärungen zur Genesis berichtet." A. v. Harnack hat jedoch in einer Analyse dieses Textes gezeigt 5, daß das Zitat aus Origenes sehr wahrscheinlich nicht die Notizen über alle fünf genannten Apostel, sondern nur diejenigen über Petrus und Paulus um faßt und daß für die Angaben über Thomas, als dessen 'Virkungsbereich im Gegensatz zu den Thomasakten nicht Indien, sondern Parthien genannt ist, wie über Andreas und Johannes keineswegs entsprechende Akten als Quelle angenommen werden müssen. Dagegen weist das in koptischer Übersetzung erhaltene, nach O. R. C. .Allberry· um 340 entstandene manichäische Psalmbuch in seinem sechsten Teil ('ljJuAf.lol.EueuuWTWV) innerhalb einer Aufzählung von Leiden heiliger Personen ein Stück auf (.Allberry, S. 142, 17-143, 14), aus dem klar hervorgeht, daß der Verfasser Akten des Petrus, Andreas, Johannes, Thomas und Paulus gekannt hat', und einzelne Gestalten aus dem Personal samen enkratitischen Tendenz ergeben haben; vielleicht hat er auch Aussagen, wie sie z. B. in den Act. Paul. et Thecl. 11; Act. Andr. Frgm. d. Ood. Vatic 808 (s. u., S. 268 ff.), Kap. 4ff.; Act. Thom. 88 begegnen, scharf interpretiert. Von einer ausdrücklichen allgemeinen Verwerfung der Ehe scheint allerdings ein wohl auf die Act. Joh. zurückgehendes Stück aus dem apokryphen Titusbrief (s. u., S. 140) zu sprechen. 1 Vgl. Act. Joh. 98: "Es gibt ... den Satan und die untere Wurzel, aus der die Natur des Werdenden hervorgegangen ist"; ebd. 99: das Kreuz, "welches das vom Werden (Herkommende) und das darunter (Befindliche) begrenzt hat". • M. R. James, a.a.O., S. XIX, verweist auf Act. Joh. 98f.; doch der von Photius erhobene Vorwurf des konsequenten Dualismus läßt sich daraus schwerlich begründen. Es ist übrigens nicht ausgeschlossen, daß Photius etwa eine manichäische Glosse zu irgendeiner Stelle der Aktensammlung vor Augen hatte. 3 Das Wunder der Totenauferweckung begegnet in allen apokryphen Apostelakten; eine Auferweckung von toten Tieren wird dagegen in den erhaltenen Akten nicht berichtet, wenn man von der Wiederbelebung eines getrockneten Fisches in Act. Petr. (Act. Vercell.) 13 absieht. Act. Thom. 41 wird die Auferweckung eines toten Esels abgelehnt, aber grundsätzlich für möglich erklärt. • Act. Joh. 26-29. 5 A. v. Harnack, Der kirchengeschichtliche Ertrag der exegetischen Schriften des Origenes I (= TU 42,3), Leipzig 1918, S. 14ff. 6 A Manichaean Psalm-Book, part II, ed. by O. R. C. .Allberry (= Manichaean Manuscripts in the Chester Beatty Collection II), Stuttgart 1938, S. XX. 7 In der gleichen Aufzählung findet sich allerdings noch eine Bemerkung über den Giftbechertrank der beiden Zebedaiden (.Allberry, S. 142, 22) und die Steinigung eines nicht
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dieser Akten werden auch an anderen Stellen erwähnt. Auf eben dieselben fünf Apostelakten spielt auch Faustus von Mileve an (bei Augustin, C. Faust. XXX 4: Zycha [= CSEL 25], S. 751, 24-752, 5). Im Zusammenhang mit diesen beiden Hinweisen gewinnen zwei weitere Nachrichten an Wert. Filastrius von Brescia berichtet von Akten des Andreas, Johannes, Petrus und Paulus in den Händen der Manichäer (De haer. 88, 6: Heylen [= CCh 9], S. 256, 23f.), und der Manichäer Agapius 1 hat nach einer Bemerkung des Photius (BibI. cod. 179: Henry II, S. 186) den "sogenannten Akten der zwölf Apostel, vor allem des Andreas" eine besondere Autorität beigemessen. Beide Nachrichten lassen die Benutzung einer Sammlung apokrypher Apostelakten durch die Manichäer erkennen. Daß sie beide den Umfang dieser Sammlung jeweils anders angeben, als er im manichäischen Psalmbuch und bei Faustus von Mileve vorausgesetzt wird, hat wenig zu bedeuten; denn wenn Filastrius bei seiner Aufzählung der von den Manichäern benutzten Apostelakten die Thomasakten nicht nennt, besagt das nur, daß er unzulänglich unterrichtet ist, und im Blick auf die "Akten der zwölf Apostel" des Agapius kann man mit C. Schmidt 2 erwägen, ob es sich dabei nicht um einen hyperbolischen Ausdruck für einen der Sammlung der fünf Apostelakten beigelegten Titel ("Akten der Apostel") handelt entsprechend der Bezeichnung der lukanischen "Akten der Apostel" als "Akten aller Apostel" im Canon Muratori (Z. 34: Preuschen, Analecta 2 II, 1910, S. 29; s.o., Bd. I, S. 19) oder als "Akten der zwölf Apostel" bei Cyrill von Jerusalem (Catech. IV 36: Preuschen, a.a.O., S. 81, 72f.). Auf jeden Fall aber ist hinreichend deutlich, daß die von Photius beschriebene Sammlung im vierten Jahrhundert als fest umrissenes Corpus apokrypher Apostelakten in manichäischem Gebrauch in Erscheinung tritt, und die Annahme liegt nahe, daß erst auf Grund der In. itiative manichäischer Kreise die von ihnen einzeln oder in lockeren Gruppierungen bei christlichen Sekten - im Falle der Paulusakten aber auch in der Kirche selbst (s. u., S. 222f.) - vorgefundenen und rezipierten Akten zu diesem Corpus vereinigt worden sind. Mit der Verbreitung der lateinischen Fassung dieser Sammlung scheint der Manichäismus der Kirche des lateinischen Sprachgebietes als Danaergeschenk die Kenntnis jedenfalls der Andreas-, Johannes- und Thomasakten vermittelt zu haben, die im Westen zuerst bei Filastrius (bei ihm fehlen die Thomasakten, s.o.) und Augustin 3 als von den Manichäern
näher bestimmten Jakobus (ebd., S. 142, 25f.), unter dem wohl der Zebedaide verstanden werden soll (vgI. seine Verwechselung mit dem Herrenbruder Jakobus in den Psalmen des Heraklides, ebd., S. 192, 8f.). Diese Bemerkungen rahmen die Notizen über Johannes (ebd., S. 142, 23f.) ein und sind ihnen sehr wahrscheinlich doch beigefügt, um sie durch Nachrichten über seinen Bruder zu ergänzen, nachdem unmittelbar zuvor von dem anderen apostolischen Bruderpaar Petrus und Andreas die Rede war (ebd., S. 142, 18-21); es besteht kein Anlaß, als Quelle dafür besondere Akten anzunehmen; die erste Bemerkung wird aus Mk. 10, 38f. par., die zweite aus der Hegesipp-Tradition über den Herrenbruder (s.o., Bd. I, S. 313) geflossen sein. 1 Sein Name ist zuerst im sechsten Jahrhundert belegt (Kleine griech. Abschwörungsformel: PG 100, Sp. 1321 Cl, doch da zu der Zeit sein "Heptalogus" bei den Manichäern des byzantinischen Raumes als klassische Autorität gegolten zu haben scheint, muß er früher gelebt haben. Daß er in einer von Photius (C. Manich. I 14: PG 102, Sp. 41 B) und Petrus Sikeliotes (Hist. Manich. XVI: PG 104, Sp. 1265 C) mitgeteilten Liste der zwölf" Jünger des Mani erscheint (vgl. auch Große griech. Abschwörungsformel: PG 1, Sp.1468 B), darf kaum als zuverlässige, eine Datierung ermöglichende Notiz angesehen werden, ebensowenig die von Photius bei seiner Analyse des "Heptalogus" geäußerte Vermutung, Agapius scheine sich mit Eunomius auseinandergesetzt zu haben (BibI., cod. 179: Henry II, S.186). • Die alten Petrusakten, S. 30, Anm. 1. 3 Thomasakten: De serm. dom. in monte I 19, 65 (PL 34, Sp. 1263); C. Adim. 17,2 (Zycha [= CSEL 25], S. 166,6-17); C. Faust. XXII 79 (ebd., S. 681,6-20); es wird jeweils eine Episode aus den Thomasakten, c.6 u. 8, referiert. - Johannesakten: Ep. 237, 2
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benutzte Schriften erscheinen. Das Corpus als solches hat dagegen weder im Westen, wo es die Priszillianisten übernommen zu haben scheinen, noch im Osten in kirchlichen Nachrichten, vom Referat des Photius abgesehen, wirklich deutliche Spuren hinterlassen. Zwar darf es als so gut wie sicher gelten, daß Augustin es als feste Größe gekannt hat, auch wenn das durch C. Felic. II6 (dazu s. u., S.122f.) nicht eindeutig belegt werden kann, und auch für Evodius von Uzala wird wohl eine solche Kenntnis vorauszusetzen sein (s. u., S.121 ff.), aber im übrigen finden sich nur verschiedene Zusammenstellungen einzelner der fünf Akten, die, sofern sie als Niederschläge der Verbreitung der manichäischen Sammlung gewertet werden können, teils auf eine Kunde nur noch von Bruchstücken des Corpus, teils auf eine nur noch gebrochene Kunde von diesem selbst zurückgehen mögen. Die Aufzählung des Filastrius von Brescia wurde bereits erwähnt (s.o.). Innocenz 1. nennt in einer Zusammenstellung zu verwerfender Schriften neben anderen solche "unter dem Namen des Petrus und des Johannes, die von einem gewissen Leucius verfaßt sind, sowie unter dem Namen des Andreas, die von den Philosophen Xenocarides und Leonidas (verfaßt sind), und unter dem Namen des Thomas" (Ep. 6, 7: ed. H. Wurm, Apollinaris 12, 1939, S.77, Z. 34-37; PL 20, Sp. 205); daß es sich um Akten handelt, zeigt der Name Leucius (dazu s. u.). Turribius von Astorga (Mitte des 5. Jhs.) spricht von Akten des Andreas, Johannes und Thomas bei den Manichäern und Priszillianisten (Ep. ad Idacium et Ceponium 5: PL 54, Sp.694). Das pseudogelasianische Dekret schließlich führt apokryphe Akten des Andreas, Thomas, Petrus und des Philippus hintereinander auf (V 2,2-5: v. Dobschütz [= TU 38, 4], S. 49f.) und nennt an anderer Stelle die PaulusThekla-Akten (V 4,9: a.a.O., S. 52); vielleicht hat auch hier noch die Zusammenstellung der Andreas-, Thomas- und Petrusakten ihren letzten Grund in ihrer Zusammengehörigkeit im manichäischen Corpus. Als letzter schwacher Reflex einer Kunde von diesem Corpus mögen endlich die an sich wertlosen Angaben über Leucius als den Verfasser eines ganzen Komplexes apokrypher Literatur im pseudogelasianischen Dekret, bei Pseudo-Melito und in zwei Pseudo-Hieronymus-Briefen (s. u., S. 121) anzusehen sein. In der griechischen kirchlichen Literatur können vielleicht zwei Aufzählungen von je vier der fünf Apostelwanderungen als Spuren des Wanderungencorpus angesprochen werden. Die erste gibt Johannes von Thessalonich (gest. um 630); er hatte eine Bearbeitung der Dormitio Mariae angefertigt, weil er diese Schrift für häretisch verfälscht hielt, und beruft sich in der Vorrede dazu auf Beispiele ähnlicher Arbeiten: "Wir haben nämlich festgestellt, daß so auch unsere jüngsten Vorgänger und die heiligen Väter lange vor ihnen verfahren sind, die ersten mit den sogenannten jeweiligen Wanderungen der heiligen Apostel, des Petrus, Paulus, Andreas und Johannes, die letzten mit den meisten Schriften über die christustragenden Märtyrer" (Jugie [= PO 19], S. 377, 5-12); die späteren "kirchlichen" Apostelakten (dazu s. u., S. 399 ff.) scheint er für Überarbeitungen der alten Wanderungen gehalten zu haben, von denen er demnach offenbar keine selbständige Kenntnis besaß. Eine andere Liste gibt die Stichom etrie des Nikephorus (s.o., Bd. I, S. 24); in ihrer Aufzählung der neutestamentlichen Apokryphen nennt sie unter den Nummern 1-4 die Wanderungen des Paulus, Petrus, Johannes und Thomas (ed. Tb. Zahn, Gesch. d. ntl. Kanons II 1, (Goldbacher IV [= CSEL 57], S. 526, 14-24): Bezugnahme auf den Hymnus der Johannesakten, c.94ff. (die einzelnen aus diesem Hymnus in Ep. 237, 5-9 zitierten Zeilen s. u., S. 153, Anm. 2); In Joh. tract. 124,2 (Willems [= CCh 26], Z.24-34, S. 681): Bezugnahme auf die Metastasis, Act. Joh. 106ff. -Während an allen genannten Stellen als Quelle jeweils nur ganz allgemein "apokryphe Schriften" genannt sind, ist in C. adv. legis et proph. I 20 (PL 42, Sp.626) die Rede von "Apokryphen", "die unter den Namen der Apostel Andreas und Johannes abgefaßt sind"; auch dabei dürfte es sich um die Andreasund J ohannesakten handeln, vgl. in der Einführung des Referates aus den Thomasakten in C. Faust. XXII 79 die Angabe: " ... apokryphe Schriften ... unter dem Namen von Aposteln verfaßt". Ein Zitat aus den Andreasakten wird vielleicht in C. Felic. II 6 gegeben (s. dazu u., S. 274, Anm. 1).
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S. 300, 63-66). Erwähnt sei sohließlioh nooh die Zusammenstellung von Wanderungen des Petrus, Johannes und Thomas in einer sekundären Kompilation, der sogenannten Synopse des Pseud-Athanasius (PO 28, Sp. 432 B). Von den fünf Apostelwanderungen des maniohäisohen Corpus behauptet Photius, es habe sie, "wie das Buoh selbst anzeigt, Leuoius Charinus gesohrieben". Nun hat C. Sohmidt - wie sohon vor ihm Th. Zahn 1 - angenommen, diese Formulierung drüoke nur ein subjektives Urteil des Photius aus, d.h. er habe diesen Namen nioht von der Handsohrift selbst dem ganzen Corpus zugeordnet gefunden, sondern aus dem Inhalt als Verfassernamen ersohlossen, und zwar habe er ihn den Johannesakten entnommen; denn einmal habe er aus dem ganzen Corpus nur diese und die Petrusakten gelesen - Sohmidt versuoht, das in einer Analyse des Photius-Referates wahrsoheinlioh zu maohen (a. a. 0., S. 68ft".) und zum anderen weise auoh die übrige Tradition über Leuoius auf die Johannesakten, denen allein daher dieser Name ursprünglioh angehaftet habes, und zwar, wie auoh J. C. Thilo, Th. Zahn und R. A. Lipsius angenommen haben, als Selbstbezeiohnung ihres in erster Person redenden Erzählers. J edooh läßt sioh die Beziehung aller in Frage kommenden Naohriohten über Leuoius - der Beiname Charinus begegnet nur bei Photius (s. aber u., S. 124 f.) - allein auf die Johannesakten sohwerlioh aufreohterhalten. Wertlos sind in diesem Zusammenhang die Angaben über Leuoius als den Verfasser einer ganzen Reihe apokrypher Apostelakten und zum Teil auoh anderer Sohriften bei Pseudo-Mellitus (= Melito), Vorrede zur Passio Johanni8 (PO 5, Sp. 1239), in der Vorrede des Pseudo-Melito zu einer Bearbeitung des Tran8itus Mariae (PG 5, Sp. 1231) und in zwei Pseudo-Hieronymus-Briefen (Tisohendorf, Ea, S. 53; PL 20, Sp. 371; PL 30, Sp. 297); denn hier handelt es sioh nur um sekundäreWeiterbildungen überkommener Naohriohtens. Auoh das pseudogelasianisohe Dekret trägt niohts aus, denn es nennt nur "alle Büoher, welohe Leuoius, der Sohüler des Teufels, gemaoht hat" (V 4, 4: v. Dobsohütz [= TU 38, 4], S. 52), ohne auf diese Büoher näher einzugehen und vielleioht auoh ohne eine genauere Vorstellung von ihnen zu haben. Verwertbare N aohriohten finden sioh dagegen in der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts. Turribius von Astorga sagt von den Johannesakten, und zwar nur von ihnen, daß sie von Leuoius verfaßt seien (a.a.O.). Als Verfasser desselben Werkes, aber darüber hinaus auoh nooh der Petrusakten gilt er bei 1nnooenz 1.: "Cetera autem, quae uel BUb nomine Mattkiae 8iue Iacobi minoris uelBUb nomine Petri et Iohannis, quae a quodam Leucio 8cripta 8unt ... ,. etc.' (Ep. 6, 7: ed. H.Wurm, a.a.O., Z. 34f.; PL 20, Sp.205). Sohmidt (a.a.O., S. 55) ha.t zwar bestritten, daß der Relativsatz quae a quodam Leucio 8cripta BUnt auoh auf die Petrusakten zu beziehen sei, dooh muß sioh diese Beziehung einem unbefangenen Leser jedenfalls sehr nahelegen 5 • Mit den Andreasakten wird Leucius schließlich bei Evodius 1 C. Schmidt, Die alten Petrusakten, S. 27ft". - Th. Zahn, Acta Joannis, Erlangen 1880, S. LXVII f.; LXXII; Gesoh. d. ntl. Kanons II 2, S. 856. - Vgl. dagegen R.A. Lipsius I, S.87. a J. C. Thilo, Colliguntur et commentarüs illustrantur fragmenta a.ctuum S. 10annis a Leucio Charino conscriptorum, particula I (mehr nicht erschienen), Halle (Universitatis Literariae Fridericianae Halis consociatae programma paschale ) 1847, S. 5, Anm. - Tb. Zahn, Acta J oannis, S. LXVIII f.; Gesch. d. ntl. Kanons II 2, S. 859 f. - R. A. Lipsius I, S. 117. C. Schmidt, Die alten Petrusakten, S.73ft". 8 S. Lipsius I, S. 104ft".; 408ft". - C. Sohmidt, Die alten Petrusakten, S.59ft". 4 Das näohste Glied der Aufzählung lautet: " .•. uelsub nomine Andreae, quae a Xe7l.Qcaride et Leonida philosophis ..• " (Wurm, a.a.O., S.78, Z.36). J.A. Fabricius (Codex apocryphus Novi Testamenti, Hamburg 1703 [1719]", II, S. 767f.) hat angenommen, daß Xenocarides (er las Nexocharides; vgl. den Apparat von Wurm z. St.) und Leonidas Entstellungen von Charinus und Leucius seien, und Tb. Zahn (Acta Joannis, S. 209, App_ z. Z. 10) sowie R.A. Lipsius (I, S.84) sind ihm darin gefolgt; doch hat Gutschmid (bei Lipsius II 2, S. 430) das wohl mit Reoht für unwahrscheinlich gehalten. 5 Vgl. W. BOUBset, ZNW 18, 1917/18, S. 37.
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von Uzala in Zusa=enhang gebracht; er referiert eine zweifellos daraus stammende Episode (De fide c. Manich. 38: Zycha [= CSEL 25], S. 968,24-969,6), die zu finden sei "in den Akten des Leucius, die er unter dem Namen von Aposteln geschrieben hat" (a.a.O., S. 968, 24f.). Schmidt (a.a.O., S.54) verwirft die Annahme, Evodius könne das ganze manichäische Aktencorpus unter dem Namen des Leucius gekannt haben, und hält es für wahrscheinlicher, daß seiner Formulierung ein falsches Verständnis einer Äußerung Augustins zugrunde liege. Augustin spricht nämlich von Leucius und seinem Werk bei seiner Auseinandersetzung mit dem Manichäer Felix. Er möchte darlegen, daß der Manichäismus selbst durch Zugeständnis der Möglichkeit einer sittlichen Entscheidung seinen Dualismus in Frage stelle, und in diesem Zusammenhang heißt es: "Ihr habt das auch in apokryphen Schriften, die zwar der katholische Kanon nicht zuläßt, die euch aber um so lieber sind, je mehr sie sich vom katholischen Kanon entfernen, und daraus möchte ich etwas erwähnen, durch dessen Autorität zwar ich nicht verpflichtet bin, du aber überführt wirst. In den von Leucius (Leutius) verfaßten Akten, die er gleichsam als Akten der Apostel geschrieben hat, findest du folgendes: Gleißende Wahngebilde nämlich, vorgespiegelter Schein und Inanspruchnahme durch die sichtbaren Dinge gehen gar nicht aus eigener Natur hervor, sondern aus dem Menschen, der durch sich selbst verderbt worden ist durch Verführung" 1 (C. Felic. II 6: Zycha [= CSEL 25], S. 833, 8-17). Dasselbe Zitat mit derselben Quellenangabe begegnet auch bei Evodius (De fide 5: a. a. 0., S. 952, 16-20), der hier möglicherweise aus Augustin schöpft. Schmidt (a.a.O., S. 50f.) hält es nun für das Wahrscheinlichste, daß sich Augustin gegenüber Felix nicht auf die manichäische Aktensammlung als Ganzes bezieht, sondern auf die bestimmten Akten, denen das nicht mehr verifizierbare Zitat' entstammt, und er nimmt seiner Hypothese gemäß an, das seien die Johannesakten. Evodius habe aber Augustin fälschlich so verstanden, als beziehe er den Namen Leucius auf das Corpus als Ganzes, und habe darum diesen Namen zu Unrecht auch für die von ihm herangezogenen Andreasakten in Anspruch genommen. Aber das ist eine recht anfechtbare Konstruktion, und W. Bousset hält ihr entgegens : " ... es geht doch kaum an, zunächst jene kurze und mehrdeutige Angabe [sc. des Augustin] über Apostelakten, die von Leucius stammen, auf die Johannesakten zu deuten und dann die wertvollen und konkreten Angaben des Evodius als ein Mißverständnis des (erst erschlossenen) Sinnes der Angaben Augustins anzusprechen." Außerdem ist es immer noch das Nächstliegende, daß Augustin, wenn er die Leucius-Akten als fiktive "Akten der Apostel" charakterisiert, damit das Werk meint, das in den Augen seines Gegners als die "Akten der Apostel" gelten mußte und möglicherweise auch diesen Titel trug, nämlich das manichäische Corpus insgesamt'. Auch die übrigen von Schmidt angeführten Gründe vermögen die Beweislast für seine Auffassung nicht zu tragen. Wenn C. Felic. II 6 der Name Leucius der ganzen Sammlung zugeordnet sei, Augustin ihn also als Verfasser des Gesamtcorpus angesehen habe, dann sei es verwunderlich, daß er ihn sonst nirgends erwähne, obwohl er doch des öfteren von apokryphen Akten rede (Schmidt, a.a.O., S. 50f.). Dagegen ist jedoch zu fragen, warum Augustin, wenn er Leucius als Verfasser speziell der Johannesakten kennt, trotzdem auch da, wo er sich deutlich gerade auf diese bezieht, nur ganz allgemein von "apokryphen Schriften" redet und keinen Autor nennt (Ep. 237, 2: Goldbacher IV [= CSEL 57], S. 526, 14-16; In Joh. tract. 124,2: Willems [= CCh 26], S. 681, Z. 24 f.). Ferner verweist Schmidt (a. a. 0., S.49) auf C. Faust. XXII 79 (Zycha [= CSEL 25], S. 681, 6-26); Augustin bringt dort eine Geschichte aus den Thomasakten und gibt als Quelle manichäische "apokryphe Schriften" an, die "von was weiß ich für Fabelschustern unter dem Namen von Aposteln verfaßt" seien (a.a.O., S. 681, 7). Hätte
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Zu dem von Augustin angeführten Zitat s. Handb., S. 550. Möglicherweise stammt das Zitat aus den Andreasakten; s. u., S. 274 Anm. l. ZNW 18,1917/18, S. 37. Vgl. Lipsius I, S. 73; 79.
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er Leucius als Verfasser des ganzen Aktencorpus gekannt, dann "hätte er keineswegs so allgemein und unbestimmt von sogenannten Fabelschustern reden können" (Schmidt, a.a.O., S.49f.). Aber diese Folgerung ist nicht zwingend; es ist durchaus möglich, daß Augustin durch seine Formulierung und ein gespieltes Nichtwissen seine Geringschätzung des vorgeblichen Verfassers der Aktensammlung spüren lassen wollte 1. Wer von Augustin etwas über Leucius erfahren will, bleibt allein auf die Worte aus C. Felic. 11 6 angewiesen, auf die einzige Stelle, an der er diesen Namen erwähnt. Dem Verständnis entsprechend, das sich für diese Stelle nahelegt, wird man gewiß auch die Angabe des Evodius, die von ihm mitgeteilte Episode aus den Andreasakten finde sich "in den Akten des Leucius" UBW., aufzufassen haben als einen Hinweis auf das Aktencorpus als Ganzes. - Soweit die spärliche Überlieferung über Leucius in seinem Verhältnis zu den apokryphen Apostelakten. Das von ihr gebotene Bild läßt sich kurz so umreißen: Leucius gilt auf jeden Fall als Verfasser der J ohannesakten (als dieser allein nur bei Turribius), dazu ferner der Petrusakten (lnnocenz 1.) und darüber hinaus auch des ganzen manichäischen Corpus (Augustin, Evodius). Wendet man sich nun wieder dem Zeugnis des Photius zu, so wird man kaum mehr eine präzise Antwort auf die Frage erwarten dürfen, woher er den Namen Leucius (Charinus) hätte aufnehmen können, wenn er wirklich nicht im Titel seines Exemplars der Aktensammlung gestanden haben sollte". Auf jeden Fall aber ist es unbestreitbare Tatsache, daß er auf Grund der ihm vorliegenden Handschrift Leucius für den Verfasser des ganzen Corpus gehalten hat, und die Annahme, daß dies nur ein unzutreffendes Urteil aus oberflächlicher Durchsicht sei, läßt sich schwerlich hinreichend begründen. Somit wird festzuhalten sein, daß drei von fünf Zeugen die ganze Sammlung dem Leucius zuschreiben. Daher hat W. Bousset vorgeschlagen", in Leucius den in manichäischen Kreisen beheimateten "Sammler und Überarbeiter einer Reihe apokrypher Apostelgeschichten" - d.h. aber den Schöpfer des manichäischen Corpus - zu sehen. Dazu würde die Notiz über Leucius, den "Schüler des Teufels", im pseudogelasianischen Dekret passen (s.o., S. 121). Sofern allerdings diese Annahme besagt, daß der Name Leucius als der des Schöpfers der Aktensammlung erst mit dieser zugleich in Erscheinung getreten sei, wird sie noch einer Modifikation oder Ergänzung bedürfen; denn die These von Leucius als dem fiktiven Berichterstatter der Johannesakten hat, wenn auch ihre von Schmidt gegebene Begründung angefochten werden muß, zu viel Wahrscheinlichkeit für sich, als daß sie ohne weiteres auszuschalten wäre. In einer Notiz des Epiphanius in seinem Bericht über die Aloger heißt es, eine Reihe psilanthropischer Ketzer sei des öfteren bekämpft worden "von dem heiligen Johannes und den Leuten um ihn, Leucius und vielen anderen" (Pan. 51, 6, 9: Holl 11 [= GaS 31], S. 255, 23f.). Da sonst in der Überlieferung nirgends ein Johannesschüler Leucius vorkommt, andererseits aber Epiphanius ihn kaum ad hoc erfunden haben wird, liegt es nahe, den Haftpunkt für diese Notiz bei dem Leucius der apokryphen Apostelakten zu suchen. Zwar ist die Behauptung von Th. Zahn, Epiphanius verdanke seine Notiz eigener Lektüre der Johannesakten, durch R. A. Lipsius und C. Schmidt überzeugend widerlegt worden 4, aber irgendeine ihm indirekt zugeflossene Kunde aus dieser Quelle muß Epiphanius (oder sein Gewährsmann) besessen haben. Was kann diese besagt haben, wenn sie zu der Meinung Anlaß geben konnte, unter den Leuten um Johannes sei ein Leucius gewesen? Gewiß war es mehr als eine allgemeine Mitteilung über einen gewissen Leucius, der Apostelakten verfaßt habe, und auch eine Nachricht des Inhalts, daß ein Mann dieses Namens
Vgl. W. Bousset, ZNW 18, 1917/18, S. 38, Anm. l. • J. C. Thilo (Colliguntur, S. 5, Anm.) hat vermutet, der Name habe im Titel gestanden, aber erst auf Grund der Tradition über Leucius von zweiter Hand zugefügt. 3 ZNW 18,1917/18, S. 38. • Th. Zahn, Acta Joannis, S. LX f.; Gesch. d. ntl. Kanons 11 2, S. 857. - R.A. Lipsius I, s. 95ff. - C. Schmidt, Die alten Petrusakten, S. 31ff. 1
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhundel·ts
die Wanderungen des Johannes aufgezeichnet habe, dürfte die Aussage des Epiphanius noch nicht hinreichend verständlich werden lassen. Er muß schon gehört haben von einem Leucius unter den Leuten um Johannes. Wenn nun aber einerseits in der Überlieferung ein Leucius als Verfasser der Johannesakten, oder jedenfalls auch der Johannesakten gilt nnd diese Akten zum anderen Anlaß boten für die Nachricht, es habe unter den Leuten um Johannes einen Leucius gegeben, dann drängt sich förmlich die Vermutung auf, daß beide identisch sein könnten, und d. h. eben, daß der Verfasser der Johannesakten sich Leucius genannt und sich zugleich als Begleiter des Apostels ausgegeben hat l • Ergänzend läßt sich noch folgendes erwägen: Wenn es zuträfe, daß von den Johannesakten die Nachricht über Leucius als Apostelschüler ausgegangen ist, würde das auf eine besonders hervorragende Stellung dieses Mannes in den Akten hindeuten; aber andererseits ist sein Name in dem erhaltenen, doch recht umfangreichen Teil der Schrift (s. u., S. 128ft".) nirgends genannt; verbirgt er sich jedoch hinter der ersten Person des Erzählers, der sich in dem heute nicht mehr erhaltenen Anfang der Akten eingeführt hat, dann ist diese Unstimmigkeit beseitigt. Ursprünglich dürfte also der Name des Leucius an den Johannesakten gehaftet haben, so daß sein Bezug auf das ganze manichäische Corpus eine spätere Ausweitung ist, die sich daraus erklären ließe, daß der Schöpfer der manichäischen Sammlung den Namen für sein Werk in Anspruch genommen hat, um so das Ganze unter die Autorität eines angeblichen Apostelschülers zu stellen. Der Name Leucius würde demnach zwei Personen decken: einmal ist es der literarische Name des angeblich aus dem Kreis um Johannes stammenden Verfassers der Johannesakten, zum anderen ist er usurpiert worden von dem Urheber des manichäischen Corpus der Apostelwanderungen. Wenn die Manichäer auf diese Weise eine angeblich apostolische Autorität in Anspruch nehmen konnten, wird verständlich, daß Augustin mit einer Ausnahme nie von Leucius spricht, obwohl er des öfteren auf die apokryphen Apostelakten hinweist. Sein Schweigen ist eine bewußte Ignorierung und damit Bestreitung des mit diesem Namen verknüpften Anspruchs. Ferner enthält die vorgeschlagene Deutung der überlieferten Nachrichten auch einen Ansatzpunkt für die Erklärung des Auseinandergehens der Zeugnisse von Augustin, Evodius und Photius einerseits und von Innocenz I. und Turribius andererseits über die Leucius zuzurechnenden Akten. In der handschriftlichen Überlieferung mußte ja der Name Leucius mit den Johannesakten immer fest verknüpft bleiben, weil er eben zu ihrem Textbestand gehörte; aber die Etikettierung der übrigen Akten als leucianisch konnte, da sie doch wohl nur äußerlich - durch Überschriften oder Vorreden vielleicht - erfolgt war, leicht ganz (Turribius) oder teilweise (Innocenz I.) verlorengehen. Zum Schluß sei der Vollständigkeit halber noch auf zwei Erwähnungen des Namens Leucius hingewiesen. Die erste findet sich bei Pacian von Barcelona (gest. vor 392). In seinem kurzen Bericht über die Montanisten (Ep. ad Sympronianum I 2: PL 13, Sp. 1053 B), der sich durch völligen Mangel an Sachkenntnis auszeichnet·, behauptet er, die "vornehmeren Phrygier" gäben fälschlicherweise an, "von Leucius angeregt zu sein". Woher er diesen Namen hat, ist nicht auszumachen, aber die Tatsache, daß er ihn den Ketzern streitig macht, läßt vermuten, daß er in ihm eine Persönlichkeit sah, die gewisse Geltung beanspruchen konnte, so daß hier eine undeutliche Kunde von einem angeblichen Apostelschüler Leucius vorliegen könnte". - Schließlich begegnet der Name dann noch in den lateinischen Fassungen des Descensus, und zwar erhalten dort die beiden den Descensusbericht niederschreibenden Auferstandenen die Namen Karinus und Leucius (A I 3 [Ea, S. 390] u. ö.; B I 1 [Ea, S. 416] u. ö.; s.o., Bd. I, S. 353). Daß hier irgendeine Beziehung zu dem von Photius bezeugten Doppelnamen Leucius Charinus besteht, darf
1 Vgl. dazu J. C. Thilo, Colliguntur ... , S. 5, Anm. - C. Schmidt, Die alten Petrusakten, S. 76f. • S. die Analyse von R.A. Lipsius I, S. 93ft". 3 S. R.A. Lipsius I, S. 94f. - C. Schmidt, Die alten Petrusakten, S.40f.
1. J ohannesakten
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man wohl annehmen. Des Leucius Beiname Charinus ist also auch im lateinischen Bereich und schon vor Photius bekannt gewesen. Daß dieser Doppelname als Garant wertvoller alter Überlieferung - als solche wollte der Descensus ja gelten - angesehen werden konnte, läßt auch hier einen wenn auch schwachen und kaum noch erkennbaren Nachklang eines Wissens von einem legendären Apostelschüler Leucius vernehmen.
1. JOHANNESAKTEN
(K. Schäferdiek) EINLEITUNG. - 1. LITERATUR: Zusammenstellung der Ausgaben s. u., S. 129 (griechische Überlieferung) und S. 134ff. (alte Versionen). Übersetzungen: Deutsch von G. Schimmelpfeng in Apokr. 1, S.432ff.; - teilweise deutsche Übersetzung mit eingeschalteten Referaten des Inhalts der nicht übersetzten Stücke: E. Hennecke in Apokr. 2, S. 175ff. (Bearbeitung der Übers. v. Schimmelpfeng);W. Michaelis: Die apokryphen Schriften zum Neuen Testament (Sammlung Dieterich 129), Bremen 1956 (1958 2 ), S. 222ff. - Englisch: James, S. 228ff. Kommentar von G. Schimmelpfeng und E. Hennecke im Handb., S. 492ff. Weitere Literatur (für die ältere vgl. G. Schimmelpfeng, Handb., S.492f. und E. Hennecke, Apokr. 2, S. 171ff.): die Untersuchungen von J. C. Thilo, Th. Zahn und M. R James in den S. 129 genannten Textausgaben. - E. Amann: Dictionnaire de la Bible, Supplement I, Paris 1928, Sp. 491ff. - P. Corssen: Monarchianische Prologe zu den vier Evangelien (= TU 15,1), Leipzig 1896, passim. - C. F. M. Deeleman: Acta Johannis (Geloof en Vrijheid 46, 1912, S. 22ff.; 123ff.). - A. F. Findley: Byways in Early Christian Literature, Edinburgh 1923, S. 179ff. - E. Frhr. von der Goltz: Das Gebet in der ältesten Christenheit, Leipzig 1901 (s. Index 2d, s. v. Acta. Johannis). - A. Harnack: Geschichte der altchristlichen Literatur, Leipzig 1958 2 , Bd. I 1, S. 116ff.; Bd. Ir 1, S. 541 ff.; 543; Bd. Ir 2, S. 169ff. - B. Krivocheine: ,,'0 uvvnserJtpavor; 6>s6r;" (StudiaPatristicaIr [= TU 64], Berlin 1957, S. 485ff.). - RA. Lipsius: Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden, Bd. I, Braunschweig 1883, passim ; Nachträge : Bd. Ir 2, ebd. 1884, S. 413 ff. - H. Ljungvik: Studien zur Sprache der apokryphen Apostelgeschichten (= Uppsala Universitets Arsskrift 1926, Filosofi, Spräkwetenskap och Historiska Vetenskaper 8). - W. von Loewenich: Das Johannesverständnis im zweiten Jahrhundert (= Beih. ZNW 13), Gießen 1932, S. 102ff.R L. P. Milburn: A docetic passage in Ovid's Fasti (Journ. of Theol. Studies 46, 1945, S. 68f.). - LI. 1. II6)).ar;: '0 vftvor; Tmv nea~swv ToI; , !wavvov 'Xsrp. 94-97 (Melanges offerts a Octave et Melpo Merlier Ir [= Collection de l'Institut franc;aise d'Athimes 93], Athen 1956, S. 221 ff.). - F. Piontek: Die katholische Kirche und die häretischen Apostelgeschichten bis zum Ausgange des 6. Jahrhunderts (Kirchengeschichtliche Abhandlungen 6, Breslau 1908, S. Iff.). -M. Pulver: Jesu Reigen und Kreuzigung nach den Johannesakten (EranosJahrbuch 9, 1942, S. 141ff.). - F. Rostalski: Sprachliches zu den a.pokryphen Apostelgeschichten (Wissenschaftliche Beilage zum Jahresberichte des Gymnasiums Myslowitz, Oberschlesien, 1909/10). - H. Schlier: Religionsgeschichtliche Untersuchungen zu den Ignatiusbriefen (= Beihefte zur ZNW 8), Gießen 1929, S. 97 ff. passim. - C. Schmidt: Die alten Petrusakten im Zusammenhang der apokryphen Apostelliteratur (= TU 24, 1), Leipzig 1903. - C. L. Sturhahn: Die Christologie der ältesten apokryphen Apostelakten, Heidelbel'g 1951 (theol. Diss. in Maschinenschrift; auch als Mikrokopie, Göttingen 1952).G. P. Wetter: Altchristliche Liturgien: Das christliche Mysterium (= Forschungen zur Relig. u. Lit. d. A. u. NT, NF 13), Göttingen 1921, S. llOff. - Th. Zahn: Geschichte des Neutestamentlichen Kanons, Bd. II 2, Erlangen, Leipzig 1892, S. 856ff. - ders.: Die Wanderungen des Apostels Johannes (Neue kirchI. Ztschr.l0, 1899, S. 191ff.). - ders.: Forschungen zur Geschichte des neutestamentlichen Kanons VI, Leipzig 1900, S. 14ff.; 194ff.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
2. BEZEUGUNG: Als frühestes Zeugnis für die Existenz der AJ ist oft ein Satz aus den Adumbrationen des Clemens von Alexandrien angeführt worden 1 . Es heißt dort zu 1. Joh. 1, 1: "Es wird daher in den Überlieferungen berichtet, Johannes habe, als er seinen (= Jesu) äußerlichen Leib berührte, seine Hand in die Tiefe geführt, und die Festigkeit des Fleisches habe sich ihm nicht widersetzt, sondern der Rand des Jüngers Raum gegeben" (Stählin III [= GCS 17], S. 210, 12-15). Dieser Satz entspricht einer Stelle aus Kap. 93 der AJ: Johannes berichtet, er sei, wenn er Jesus angefaßt habe, zuweilen auf einen festen Körper gestoßen, zuweilen aber sei "die Substanz i=ateriell und unkörperlich" gewesen, "und so, als sei sie überhaupt nicht existent". Doch sind bei aller sachlichen Übereinstimmung die Unterschiede zwischen beiden Stellen im einzelnen so groß, daß direkte literarische Beziehungen schwerlich angenommen werden können; vielmehr wird es sich jeweils um den Niederschlag einer mündlichen esoterischen Johannestradition handeln 2. Da auch Origenes nicht als Zeuge für die Act. Joh. herangezogenwerden kann (s.o., S. 118), bleibt deren früheste Bezeugung 3 die Erwähnung durch Eu s e b (Kirchengesch. III 25, 6: Schwartz I [= GCS 9, 1], S. 252, 17), der sie zusammen mit den Akten des .Andreas "nnd der anderen Apostel" als Beispiel apokrypher Aktenliteratur nennt. Als Nächstes kommt die indirekte Bezeugung durch das manichäische Psalmbuch in Betracht, das die AJ als Teil des manichäischenAktencorpus (s.o., S.118 f.) benutzt hat. Nach Epiphanius gebrauchten die Enkratiten "die sogenannten .Andreas-, Johannes- und Thomasakten" (Pan. 47,1,5: Holl II [= GCS 31], S. 216, 5f.). Amphilochius von Ikonium hat sich mit dem Inhalt der Act. Joh. auseinandergesetzt. In einem in den Akten der nizänischen Synode von 787 erhaltenen Fragment· heißt es: "Das hätte der Apostel Johannes nicht gesagt, der im Evangelium geschrieben hat, daß der Rerr vom Kreuz spricht: Siehe, dein Sohn (Joh. 19,26), so daß von jenem Tag an der heilige Johannes die Maria zu sich nahm. Wie sagt er (dagegen) hier, er sei nicht zugegen gewesen?" (Conc. Nic. II, sectio V: Mansi XIII, Sp. 176 B). Damit spielt er auf Kap. 97 der AJ an, ein Bezug, der dadurch sichergestellt wird, daß seine Worte während einer synodalen Erörterung über diese Akten angeführt wurden, in deren Verlauf unter anderem auch kurz zuvor das genannte Kapitel verlesen worden war. Weitere griechische Nachrichten finden sich erst wesentlich später (s. u.); dafür beginnt mit dem Ausgang des vierten Jahrhunderts die Bezeugung auf lateinischem Boden. Bei Filastrius von Brescia begegnen die AJ in einer unvollständigen Aufzählung des manichäischenAktencorpus (s.o., S. 119). Faustus von Milev e setzt sie als Teil dieses Corpus voraus (s.o., S. 119), und gewiß aus derselben Quelle sind sie Augustin bekannt; er nennt sie einmal ausdrücklich (C. adv. legis et proph. I 20: PL 42, Sp. 626; dazu s.o., S. 119, Änm. 3) und geht zweimal unter der allgemein gehaltenen Quellenangabe "in apokryphen Schriften" auf sie ein, und zwar zitiert er in seinem Brief an Ceretius 5 (Ep. 237) einige Stellen aus dem Hymnus Kap. 1 Thilo, S.20ff. - Zahn, Acta Jo., S. CXL f.; Neue kirchl. Ztschr. 10, 1899, S. 192; u. ö. - Lipsius I, S. 512ff. - James, Apocr. anecd. II, S. X u. XVI. - Schmidt, S. 120f. Hennecke, Apokr. 2, S. 173. 2 Vgl. Harnack, Gesch. d. altchristl. Lit. II 1, S. Mlf.; II 2, S. 174. - Piontek, S. 25f.; vor allem aber s. M. Hornschuh, oben. S. 47f. 3 Zu einer angeblichen Benutzung der AJ bei Ps·Cyprian, De montibus Sina et Sion, s. u., S. 141. • Zu der Frage, ob es sich um ein Bruchstück eines selbständigen Werkes mit dem Titel "Über die bei den Häretikern gebrauchten Schriften mit falschem Titel" handelt oder ob es der fragmentarisch erhaltenen Schrift zur "Bekämpfung falscher Askese" zugehört, s. G. Ficker, .Amphilochiana I, Leipzig 1906, S. 137ff. 5 Piontek (S. 41; 71) möchte diesen Ceretius mit dem gleichnamigen Bischof von Grenoble identifizieren, der in den Teilnehmerlisten der Synoden von Orange 441 und Vaison 442 genannt wird (F. Maassen, Geschichte der Quellen und Literatur des canonischen Rechts, Graz 1870 [Neudruck 1956], S. 952 u. 953); Ceretius von Grenoble dürfte
1. J ohannesakten
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9411".1, den Ceretius in einem priszillianistischenWerk gefunden hatte, und referiert in seinem 124. Traktat zum vierten Evangelium die Metastasis (Act. J oh. 10611".: In J oh. tract.124, 2 : Willems [= CCh 26], Z. 24-34, S. 68lf.); dabei erwähnt er auch die Legende vom Schlaf des Johannes im Grab und dem daraus aufsprudelnden Staub (dazu s. u., S. 176); doch ist sie 01l"enbar noch nicht mit dem Text der Metastasis, wie er ihn kannte, verbunden, sondern bildet eine selbständige Tradition'. Wohl eine Anspielung auf die AJ, von der an anderer Stelle noch zu handeln ist (s. u., S. 137), findet sich bei Evodi u s von U zala (De fide c. Manich. 40: Zycha [= CSEL 25], S. 971, 1). Benutzt worden zu sein scheinen die AJ an einigen Stellen von Pseudo-Titus, De dispositione sanctimonü (s.u., S.13911".); das weist für ihre Verbreitung zwar vielleicht nicht direkt - wie Augustins Brief an Ceretius auf den Priszillianismus, aber jedenfalls doch in dessen nähere geographische wie geistige Umgebungs. Ob in diesem Zusammenhang auch das Zeugnis der sogenannten monarchianischen Evangelienprologe angeführt werden darf, muß unsicher bleiben; denn einmal ist die Frage nach Herkunft und Entstehungszeit dieser Prologe noch keineswegs befriedigend gelöst', und zum anderen beschränkt sich ihr Zeugnis auf die Metastasis 5, die nicht nur im Zusammenhang mit den alten AJ tradiert worden ist. Erwähnt werden die AJ von Innocenz I. (Ep. 6, 7: ed. H. Wurm, Apollinaris 12,1939, S. 77, Z. 35; PL 20, Sp. 502) und - um die Mitte des fünften Jahrhunderts - von Turribius von Astorga (Ep. ad Idacium et Ceponium 5: PL 54, Sp. 694), von denen jedenfalls Turribius sie auch selbst gekannt haben dürfte. Das pseudogelasianische Dekret (s.o., Bd. I, S.2111".) führt die AJ nicht auf, jedoch sollen sie vielleicht unter der Rubrik "alle Bücher, welche Leucius, der Schüler des Teufels, gemacht hat" (V 4, 4: v. Dobschütz [= TU 38, 4], S. 52) mit einbegriffen sein", sofern der Verfasser von diesen Büchern überhaupt konkrete Vorstellungen hatte. Als Quelle haben dann die AJ dem Redaktor der in der sogenannten es auch sein, der mit den beiden anderen Bischöfen Salonius - in Orange und Vaison als Bischof von Genf anwesend (a.a.O., S.951 u. 953) - und Veranus 450 einen Brief an Leo den Gr. richtete (Nr.68 der Briefsammlung Leos: PL 54, Sp.58711".) und der 451 noch einmal in einem Brief des Euseb von Mailand an Leo erwähnt wird (Nr. 97, 2 der Briefslg. Leos: PL 54, Sp. 946 B). Als Briefpartner Augustins müßte er allerdings spätestens schon in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre Bischof gewesen sein; möglich ist das immerhin. 1 Eine Zusammenstellung der von Augustin zitierten Verszeilen s. u., S. 153, Anm. 2. • Vgl. Zahn, Acta Jo., S. XCVIII. - Corssen, S. 100f. 3 Zur Einordnung dieser Schrift s. A. de Santos Otero, oben S. 90 f. ~ Die Prologe sind von Corssen (S.6311".) als römisches Werk aus dem ersten Drittel des dritten Jhs. angesehen worden, jedoch von J. Chapman (Notes on the early history of the Vulgate Gospels, 1908, S. 23811".) Priszillian und von E.-Ch. Babut (PriscilIien et le Priscillianisme [= Bibliotheque de l'ecole des hautes etudes 169], 1909, S.29411".) in Modifizierung dieses Ansatzes einem PriszilIianisten des fünften Jhs. zugewiesen worden_ Harnack, der zunächst (Gesch. d. altchristI. Lit. II 2, S.20411".) Corssen gefolgt ist, hat später (Sitzungsber. d. preuß. Akad. d. Wissensch. 1928, phil.-hist. Kl., S. 322) ebenfalls der Spätdatierung zugestimmt. Für eine frühe römische Abfassung, und zwar in griechischer Sprache, ist allerdings wieder A. Baumstark (Liturgischer Nachhall der "monarchianischen" Evangelienprologe: Jahrb. ef. Liturgiewissensch. 12, 1932, S. 19411".) eingetreten. Das sich aus der sonstigen Bezeugung ergebende Bild von der Überlieferung der AJ (s. u., S. 128) spricht jedoch für eine späte Ansetzung der Prologe, zumal wenn man an einer ursprünglich lateinischen Abfassung festhalten dürfte. 5 Zwei Stellen des Prologs zu Joh. kommen in Frage: die erste (Lietzmann [= KlT 1], S. 13, 12-15) entspricht den Selbstaussagen des Johannes zu Anfang von Act. Joh. 113 (vgl. dazu Corssen, S. 9211".); die zweite (Lietzmann, S. 14, 1-6) referiert den wesentlichen Teil von Act. Joh. I11f. (vgl. dazu Corssen, S. 9611".). " S. Schmidt, S. 56. - v. Dobschütz, TU 38, 4, S. 290. - zu Leucius s.o., S. 12111".
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
Pseudo-Abdias-Sammlung überlieferten Virtu tes Johannis gedient. Während damit die Kette abendländischer Zeugnisse im sechsten Jahrhundert abreißt, setzt die griechische Bezeugung vonneuem ein- ob schon mit Ephraim von Antiochien (Patriarch 527-545), muß allerdings dahingestellt bleiben; denn wenn er in einem durch Photius (Bibl., cod. 229: PG 103, Sp.985-988) erhaltenen Fragment kurz den Inhalt der um die Legende vom leeren Grab des Johannes und vom aufsprudelnden Staub erweiterten Metastasis wiedergibt und als Quelle dafür "die Akten des geliebten Johannes und die Vita, welche nicht wenige vorbringen," nennt, kann er sich damit auch auf eine am Schluß erweiterte Fassung der späten Johannesakten des Pseudo-Prochorus beziehen. Die alten Akten erwähnt dagegen J ohannes von Thessalonich (gest. um 630; s.o., S.120). Das wichtigste Zeugnis überhaupt bringt die bereits erwähnte nizänische Synode von 787 bei; dort verhandelte man in der fünften Sitzung unter anderem über die AJ, die sich das ikonoklastische Konzil von 754 zunutze gemacht hatte. Dabei wurden "aus den pseudepigraphischen Wanderungen der heiligen Apostel" Kap. 27 und die erste Hälfte von Kap. 28 der Act. Joh. (Aa II 1, S.165, 17-166,12) als bilderfeindliches Dokument sowie ein großer Teil der Kap. 93-98 (Aa II 1, S. 196,19-198,4; 199, 7-200, 9) zur allgemeinen Kennzeichnung ihres häretischen Charakters verlesen (Mansi XIII, Sp. 168 D-172 Cl. Schließlich sind noch die Bezeugungen des neunten Jahrhunderts zu nennen. Die Stichometrie des Nikephorus gibt in ihrer Aufzählung von Apostelwanderungen (s.o., S. 120) für die AJ 2500 Stichen an (andere Lesarten 2600, 3600), d.h. ebenso viele wie für Matth. (ed. Th. Zahn, Gesch. d. ntl. Kanons II 1, S. 300, 65 und 298,25). Ohne Bedeutung ist die Erwähnung in der Synopse des Pseudathanasius (s.o., S. 121). Photius endlich gibt in seiner Bibliothek eine Analyse des ganzen manichäischen Aktencorpus, die sich jedoch in erster Linie auf die AJ zu stützen scheint (s.o., S. 117f.). Das sich aus dieser Bezeugung ergebende Gesamtbild läßt sich kurz so umreißen: Die AJ werden erst im vierten Jahrhundert faßbar. Den frühesten kirchlichen Gewährsmännern nur als sektiererische Schrift bekannt, dürften sie zur Sonderüberlieferung enkratitischer Sekten wohl des syrisch-kleinasiatischen Raumes gehört haben, aus der sie von den Manichäern rezipiert worden sein müssen. Im Westen, wo sie noch im vierten Jahrhundert durch das manichäische Aktencorpus bekannt wurden und in erster Linie bei den Priszillianisten und anderen Vertretern asketischen Rigorismus vor allem wohl im spanischen Raum Anklang gefunden zu haben scheinen, konnten sie sich nur bis ins sechste Jahrhundert behaupten. Im Osten dagegen haben sie noch lange in Unter- oder Nebenströmungen der kirchlichen Literatur gelebt. Zwar könnten die angeführten späten griechischen Bezeugungen den Eindruck erwecken, als nähmen sie an den AJ ein lediglich antiquarisches Interesse - auch ihre Benutzung durch die Ikonoklasten ließe sich wohl erklären aus dem Bestreben, um jeden Preis alte Testimonien beizubringen -, aber es ist immerhin zu beachten, daß nicht nur Erzählungszusammenhänge aus den alten AJ verschiedentlich in Exemplare der "kirchlichen" AJ des Pseudo-Prochorus eingedrungen (und nur so erhalten geblieben) sind, sondern daß sogar auch das religions- und theologiegeschichtlich interessanteste, für die kirchliche Theologie aber anstößigste Stück der AJ, die "EvangeliumsverkÜlldigung" des Johannes (Kap. 87-105) noch im Jahre 1324 einen Kopisten gefunden hat (im Cod. Vindob. hist. gr. 63). 3. ÜBERLIEFERTER BESTAND. Auf seiner fünften Sitzung urteilte das nizänische Konzil von 787 über die AJ: "Niemand soll es (sc. dieses Buch) abschreiben; doch nicht nur das - wir halten vielmehr auch dafür, daß es verdient, dem Feuer übergeben zu werden" (Mansi XIII, Sp. 176 A). Schon drei Jahrhunderte zuvor hatte im Westen Leo der Große ebenso über den ganzen Kreis der apokryphen Apostelliteratur geurteilt: "Die apokryphen Schriften aber, die unter dem Namen der Apostel eine Pflanzstätte mannigfacher Verkehrtheit enthalten, sollen nicht nur verboten, sondern überhaupt eingezogen und mit Feuer verbrannt werden" (Ep. 15, 15; PL 54, Sp. 688 A). Diese Urteile erklären zur Genüge, warum uns die AJ nur fragmentarisch überkommen sind, und es ist erstaunlich, ein wie großer Teil trotzdem erhalten geblieben ist, nämlich ungefähr 70% der ganzen Schrift,
1. Johannesalcten
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vorausgesetzt, daß die Angabe der Stichometrie des Nikephorus, die ihr den gleichen Umfang zuschreibt wie dem Matthäusevangelimr. (s.o., S. 128), richtig ist. a) DIE GRlECmSCH ERHALTENEN ERZÄHLUNGSZUSAMMENHÄNGE. - aal Ausgaben: Das systematische Bemühen um eine Wiedererschließung der AJ beginnt mit der Arbeit von J. C. Thilo: Colliguntur et commentariis illustrantur fragmenta actuum S. Ioannis a Leucio Charino conscriptorum, particula I (mehr nicht erschienen), Halle (Universitatis Literariae Fridericianae Halis consociatae programma paschale) 1847, in der die in den Akten der nizänischen Synode erhaltenen Fragmente abgedruckt (S. 14ff.) und untersucht sind. C. Tischendorf: Acta apostolorum apocrypha, Leipzig 1851, S. 266-276, gab dann nach den Hss P und W (Auflösung der Siglen s. u., Anrn. 1) das bei Bonnet als Kap. 1-14 erscheinende Stück (dazu s. u., S.130f.) und die Metastasis (Kap. 106--115) heraus. Weitere Fortschritte brachte die Ausgabe von Th. Zahn: Acta Joannis, Erlangen 1880; neben dem vollständigen Text der späten AJ des Pseudo-Prochorus (s. u., S. 402 f.) bietet sie von den alten AJ die Fragmente aus den Synodalakten von 787 (S. 219-224), die Metastasis, für die neu die Hss Mund Q sowie die syrische Übersetzung bei Wright und die armenische nach Katergian (s. u., S. 135) herangezogen sind (S. 238-250), und das weitere von M beigebrachte Material (S. 225-234); die in Q vorliegenden Parallelen zu Kap. 37-54 Bonnet und die in dieser Hs daran anschließende Rebhuhnepisode (Kap. 56*f. Bonnet; s. u., S. 131 f.) sind unter den Beilagen zu Ps-Prochorus abgedruckt (S. 187, 2-190, 22; vgl. S. CXV; CXXXV f.). Wesentlich gefördert wurde die Kenntnis der AJ durch die Veröffentlichung des in Cod. C enthaltenen Fragmentes durch M. R. J ames: Apocrypha anecdota I! (= Texts and Studies VI), Cambridge 1897, S. 2-25. Schließlich hat M. Bonnet in Acta apostolorum apocrypha I! 1, Leipzig 1898 (Neudruck Hildesheim 1959), S. 151-216 die maßgebende Ausgabe geschaffen und dabei das schon Bekannte um weiteres Material vermehrt. . bb) Der Textbestand: Es liegen in Bonnets Ausgabe folgende Erzählungszusammenhänge vor: 1. Romfahrt, Patmosexil, Rückkehr nach Ephesus: Kap. 1-17* (dieses Stück kann jedoch den alten AJ nicht zugerechnet werden; s. u., S. 130f.); 2. Reise von :Milet nach Ephesus, erste Ereignisse des ephesinischen Aufenthaltes: Kap. 18-37 Anfang; 3. Evangeliumsverkündigung des Johannes: Kap. 87-105 (über diese von Bonnet abweichende Textanordnung s. u., S. 132); 4. Abschließende Ereignisse des ephesinischen Aufenthaltes, Ruf nach Smyrna: Kap. 37-55; 5. Rebhuhnepisode: Kap. 56*f.; 6. Reise von Laodicea nach Ephesus; Drusiana und Kallimachus: Kap. 58-86; 7. Metastasis: Kap. 106--115. Über die Überlieferung der einzelnen Stücke unterrichtet am besten eine Tabelle. Dabei bringt Spalte I die Kapitelzahlen Bonnets, der solche Kapitel, die nicht in seinem eigentlichen Text, sondern nur in den gegebenenfalls darunter abgedruckten Parallelfassungen vorliegen, mit einem * gekennzeichnet hat; Spalte I! enthält die Seiten- und Zeilenzahlen des Haupttextes und zeigt zu postulierende größere Lücken durch *** an; Spalte II! gibt in Kursivdruck die Seiten- und Zeilenzahlen für die Parallelfassungen; Spalte IV schließlich führt die handschriftlichen Zeugen an, von denen die betreffenden Stücke überliefert werden, wobei die Zeugen für die Parallelfassungen kursiv gesetzt sind 1: 1 Die Handschriften sind im Folgenden mit den von Bonnet verwendeten Siglen bezeichnet: A = Ambros. A 63 info (10./11. Jh.) B = Athos Vatop. 379 (12. Jh.) C = Yindob. hist. gr. 63 (1324) M = Venet. Mare. gr. 363 (12. Jh.)
9 Henneoke, Apokryphen Bd. 2
130
XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts I
III
II
1 2 15*18 27 28 -
2 14 17* 26 28 37
151, 3-152, 4 152, 5-160, 4
***
152,22-160,11 160,12- 36
160, 5-165, 16 165,17-166,12 166, 12-169, 23
IV
r rv V R R R
*** 87 93 95 97 98
- 92 - 95 - 96 - 98 -105
193, 196, 198, 199, 200,
23-196, 19-198, 4--199, 7-200, 10-203,
18 4 6 9
C C C C C
7
2: 2:
*** 37 38 - 54 55 56*- 57* 58 - 80 81 - 86 106 -107 108 -109 110 -111 III -114 ll5
169,23-30 170, 1-178,15 178,16-179, 5
169,31-178,30
***
178,31-179,30
179, 191, 203, 206, 208, 210, 215,
6-191, 2 3-193,22 8-206, 5 6-208, 10 ll-21O, 8 8-214, 14 1--4
203,15-206,15
R R R
Q Q
R R rVRBU r LI r LI r LI r LI
M
Q M M
Von den genannten Hss bringen V, R, Mund Q ihr Material in Pseudo-Prochorus-Texte eingeschaltet. Bonnet hat ferner noch - außer den ihm zugänglichen alten Versionen (dazu s. u.) - für die Herstellung des Textes der Metastasis deren Bearbeitung durch Symeon Metaphrastes nach Pariser Hss herangezogen. Wie ein Blick auf die Übersicht zeigt, bringen C und R jeweils den Kontext, in dem die auf der Synode von 787 verlesenen Fragmente (2:) gestanden haben, und umgekehrt wird dieser von R bzw. C gebotene Zusammenhang, also die Kap. 18-105 ausschließlich Kap. 56*f., durch die Synodalfragmente als echtes Gut der alten AJ erwiesen. Problematisch bleiben die Kap. 1 bis 17* und 56* f. ce) Kap. 1-17*: Dieser Abschnitt ist von den modernen Übersetzern mit Recht übergangen worden. Er enthält in zwei Fassungen einen jeweils mit der leucianischen Metastasis verknüpften Bericht von einer Romreise des Johannes, seiner Verbannung nach Patmos und der Rückkehr nach Ephesus. Die Fassung von r ist mit eigener Einleitung versehen und bildet so eine abgeschlossene Erzählung, die von V ist den AJ des PseudoProchorus eingefügt. Der Inhalt ist: Johannes wird von Ephesus vor den Kaiser (nach r P
=
Q
=
R = U = V = W =
r
=
LI = 2: =
Paris. gr. 520 (11. Jh.) Paris. gr. 1468 (11. Jh.) Patm. 198 (14. Jh.) Vatic. gr. 866 (13. Jh.) Vatic. gr. 654 (11. Jh.) Vindob. hist. gr. 126 (15. Jh.) PWA VRUB Akten des Konzils von 787 (für die in Frage kommenden Stücke von Bonnet nach Handschriften kollationiert, s. dazu Aa II 1, S. XXXI).
1. J ohannesakten
131
ist es Domitian, nach V der Ps·Prochorus entnommene Hadrian) nach Rom zitiert, setzt unterwegs durch spärlichste Dattelnahrung (nach r eine Dattel wöchentlich) die Begleitmannschaft in Entsetzen, küßt bei der Ankunft den Kaiser (diese Perikope ist in r durch Mißverständnis verunklart) auf Brust und Haupt, um so Gott zu ehren, denn (Aa II 1, S. 155,29f.) "es steht geschrieben: Das Herz des Königs ist in der Hand des Herrn (Spr. 21, 1), und wiederum: Die Hand des Herrn ist auf dem Haupt des Königs (Zitat unbekannter Herkunft)"; als Wahrheitsbeweis für seine Verkündigung trinkt er dann einen Giftbecher aus, ohne Schaden zu nehmen, läßt an einem Verurteilten die Wirksamkeit des Giftes erweisen, erweckt anschließend den so Vergifteten wieder auf, wird aber dennoch nach Patmos verbannt - in r, nachdem er zuvor noch ein plötzlich verstorbenes kaiserliches Zimmermädchen ins Leben zurückgerufen hat -, um nach dem Tode des Kaisers wieder nach Ephesus zurückzukehren, wobei V ihn auf einem Stück Korkrinde über die See nach Milet fahren und von dort nach Ephesus reisen läßt. - Darauf, daß diese RomfahrtPatmos-Geschichte in ihren beiden Fassungen zu deutliche Zeichen späterer Zeit aufweist, um zu den alten AJ gerechnet werden zu können, hat Bonnet selbst (Aa II 1, S. XXVIII) im Anschluß an Lipsius (I, S. 482) hingewiesen. Aber auch, daß es sich um spätere Bearbeitungen einer Erzählung der alten Akten handeln könnte, ist auf Grund des durch die erhaltenen Fragmente gewährten Einblicks in deren Aufbau nicht anzunehmen. An welcher Stelle sollte eine solche Erzählung gestanden haben? Keinesfalls paßt sie, wie Zahn (Neue kirchl. Ztschr. 10, 1899, S. 194ff.) klar herausgestellt hat, an den ihr von Bonnet zugewiesenen Platz, da die dort folgenden Kap. 18ff. von einer ersten Ankunft des Johannes in Ephesus sprechen, er also nicht vorher schon von dort nach Rom gereist sein kann. Nach Zahn (a.a.O., S.198, Anm. 2) wäre sie am ehesten vor der Metastasis einzuordnen; doch besteht kein Anlaß, dort eine Lücke anzunehmen (s. u., S. 133f.). Es bleiben dann die Lücken zu Beginn von Kap. 37 und nach Kap. 55. Aber beidekommen nicht in Frage. Nach Kap. 55 ist ein Reisebericht ausgefallen, der Johannes nicht in Ephesus zeigte (s. u., S. 164), während die Romfahrt-Patmos-Geschichte ihn dort vorfindet. Sie in die Lücke zu Beginn des Kap. 37 zu stellen, wo von der ephesinischen Wirksamkeit des Johannes erzählt wurde (s. u., S. 150), geht deshalb nicht, weil dann die in Kap. 58ff. berichtete Reise nach Ephesus die dritte und nicht, wie die im Cod. M erhaltene Überschrift angibt, die zweite Reise dorthin gewesen sein müßte - die zweite Reise wäre dann ja vielmehr die Rückkehr aus Patmos gewesen. Die ganze Romfahrt-Patmos-Geschichte beruht nicht auf den alten AJ; vielmehr wird sie eine Ausgestaltung der Tradition vom Patmosexil sein, die als Vorbau zu der außerhalb der Akten überlieferten Metastasis dienen sollte. dd) Kap. 56*f.: Das von Bonnet als Kap. 56* und 57* gezählte Stück ist die Rebhuhnepisode. Sie findet sich in der Ps-Prochorus-Handschrift Q, die den Schluß des Ps-Prochorus-Textes durch Stoff aus den AJ des Leucius ersetzt, der in einer von den übrigen Zeugen abweichenden, offensichtlich späteren Form geboten wird. Die Überleitung von Ps-Prochorus zu diesem Stoff wird mit einem Summarium vollzogen: "Nach drei Tagen (sc. seit seiner von Ps·Prochorus berichteten Rückkehr von Patmos nach Ephesus) zeigte sich Johannes den Ephesern und begann sie zu lehren, und manche schenkten seinen Worten Glauben, andere aber zogen sich spöttisch zurück" (Aa II 1, S. 169, 31-33)1. Daß Bonnet diese Überleitung in Parallele gesetzt hat zu den Kap. 30-37, der Geschichte von der Heilung der alten Frauen nach Cod. R, ist irreführend. Es folgt in beiden Zeugen, Rund Q, die Erzählung von der Tempelzerstörung (Kap. 38-44), wobei Q erheblich von R abweicht. In Kap. 45 erklärt dann nach R Johannes den Ephesern, er werde sie, obwohl es ihn nach Smyrna dränge, vorerst nicht verlassen, während Q den Apostel in Smyrna wirken läßt. Die folgende Geschichte von der Auferweckung desArtemispriesters (Kap. 46f.), die in R eng mit der Tempelzerstörung verknüpft ist, wird von Q in anderer Form als in Smyrna spielend berichtet und mit einer Bemerkung über die Rückkehr des Johannes 1 Zu den unmittelbar vorhergehenden Passagen des Pro chorus-Textes von Q s. Zahn, S. 156, App. z. Z. 1 u. S. 158, 22ff. 9*
132
XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
nach Ephesus beschlossen. Ziemlich nahe kommen sich R und Q dann in der Erzählung vom Vatermörder (Kap. 48-54). Im Anschluß daran berichtet R (Kap. 55), wie Johannes nachdrücklich nach Smyrna gerufen wird, und dann folgt eine große Lücke. Q dagegen schließt gleich an die Vatermörder-Geschichte die Rebhuhnepisode an, um dann zur Metastasis überzugehen. Da diese Episode nicht aus Prochorus stammt und in einem Zusammenhang steht, der aus zweifellos auf die leucianischen AJ zurückgehenden Erzählungen gebildet wird, ist die Annahme berechtigt, daß sie ebenfalls diesen Akten entstammt, zumal innere Gründe nicht gegen eine solche Zuordnung sprechen. Da die Rückverlegung der Handlung nach Ephesus in Kap. 47 Q nicht dem Handlungsverlauf der alten Akten entspricht - sie ist in Q nötig, weil Ephesus als Schauplatz der gleich im Anschluß an Kap. 57* berichteten Metastasis gebraucht wird -, läßt die Anordnung der Rebhuhnepisode in Q vermuten, daß sie in den verlorenen, aber zu erschließenden Reisebericht zwischen Kap. 55 und 58 (s. u., S. 164) gehört, wie das auch Bonnet durch seine Kapitelzählung zum Ausdruck gebracht hat. Übrigens hat die Legende eine eigene Geschichte außerhalb der AJ gehabt, denn sie begegnet als "alte Erzählung" in veränderter Gestalt und mit anderem Skopus bei Johannes Cassianus (Co11. XXIV 21: Petschenig (CSEL 13), S. 697, 10--698,3). ee) Die Textanordnung: Bonnet hat das durch Cod. C. überlieferte Stück (Kap. 87 bis 105) in den Zusammenhang der von R gebotenen Erzählung zwischen der DrusianaKallimachus-Geschichte und der Metastasis eingefügt; doch diese Anordnung muß in Frage gestellt werden. Veranlaßt ist sie durch den Beginn des Kap. 87: "Daher forschten die Anwesenden nach der Ursache, und vor allem waren sie im unklaren, weil Drusiana gesagt hatte: Mir ist der Herr im Grab wie Johannes erschienen und wie ein Jüngling." Es wird nämlich angenommen, daß die Aussage von einer Erscheinung des Herrn im Grab vor Drusiana Bezug nimmt auf die Drusiana-Kallimachus-Geschichte von Kap. 63-86, die in ihrem wichtigsten Teil in einem Grabgebäude spielt und zudem erzählt, daß Johannes und seine Begleiter dort ein himmlisches Wesen in Gestalt eines schönen Jünglings vorgefunden haben (Kap. 73), und die ebenfalls den Kallimachus von einer ihm dort zuteil gewordenen Erscheinung desselben Wesens berichten läßt (Kap. 76). Es ist dann allerdings notwendig, zwischen der Drusiana-Kallimachus-Geschichte und dem Beginn des Kap. 87 eine Lücke anzunehmen, in der erzählt worden war, wie Drusiana dem Johannes und den anderen von dieser Erscheinung berichtet hat'. Gegen diesen Anschluß von Kap. 87ff. an die Drusiana-Kallimachus-Geschichte erheben sich jedoch einige Einwände. Während Kallimachus zu dem Zeitpunkt, da ihm die Erscheinung widerfuhr, als Lebender bei vollem Bewußtsein im Grabgebäude weilte, müßte die Christophanie vor Drusiana stattgefunden haben, als sich lediglich ihr Leichnam dort befand, nicht also ihr eigentliches Ich, wie denn auch gesagt wird, daß es sich nur um ihren toten, vergänglichen Leib (Kap. 70; 77), ihren sterblichen Rest (Kap. 74; 76) handelt. Es hält unter diesen Umständen schwer, sich eine ihr im Grabe zuteil gewordene Christophanie vorzustellen. Zudem zeigt sie sich, als sie durch J ohannes auferweckt wird, völlig verwirrt und keineswegs vorbereitet (Kap. 80). In ihrem Gebet Kap. 82 redet sie allerdings Christus an: " ... der du dich mir selbst offenbar gemacht hast mit deinem vielgestaltigen Antlitz ... " Doch wird hier allem Anschein nach gerade nicht auf eine relativ kurz voraufgehende Erscheinung Bezug genommen; vielmehr bringt dieses Gebet eine offenbar chronologisch gemeinte Aufzählung der Gnadenerweise, die Drusiana von Christus erfahren hat, und führt der Reihe nach folgende Punkte auf: 1. Christus hat sie Wunder und Zeichen sehen lassen; 2. er hat sie zur Christin gemacht; 3. er hat sich ihr als Vielgestaltiger offenbart und sich ihr auf mancherlei Weise erbarmt; 4. er hat sie vor dem Drängen ihres Gatten Andronikus beschützt - wie aus Kap. 63 zu entnehmen ist, hatte sie sich dem ehelichen Verkehr entzogen -; 5. er hat diesen bekehrt; 6. er hat sie seither rein bewahrt; 7. er hat sie durch Johannes vom Tode erweckt; 8. er hat ihr den Kallimachus als Bekehrten gezeigt, dem sie nun keinen Anstoß mehr bietet; 9. er hat ihr die innere Ruhe geschenkt. Die Offen1
Vgl. Schimmelpfeng, Handb., S.520f.
1. J ohannesakten
133
barung des vielgestaltigen Christus (Punkt 3) ist in dieser Aufzählung weit abgerückt von den Ereignissen der Kap. 63-86 (Punkt 7-9) und steht in der Nähe der Auseinandersetzung mit Andronikus vor dessen Bekehrung, die in der Lücke zu Beginn von Kap. 37 anzusetzen ist (s. u., S. 150). Man müßte sich mit der Konstatierung solcher Unstimmigkeiten begnügen, wäre die Erzählung von der versuchten Leichenschändung des Kallimachus in den Kap. 63-86 das einzige von den AJ berichtete Ereignis, das Drusiana in einem Grabgebäude zeigt. Doch das ist nicht so; vielmehr heißt es in Kap. 63, daß die Freunde, die Kallimachus davon abbringen wollen, Drusiana nachzustellen, ihm vorhalten: "Weißt du allein nicht, daß Andronikus, der zuvor nicht das war, was er jetzt ist, ein gottesfürchtiger Mann, sie in eine Grabkammer eingeschlossen und gesagt hatte: Entweder kann ich dich als die Frau besitzen, als die ich dich früher hatte, oder du sollst tot sein!" Daß es sich hier nicht um eine eingestreute Bemerkung, sondern um einen Rückverweis auf eine früher berichtete Episode handelt, zeigt das manichäische Psalmbuch. Dort wird in einer Aufzählung der Leiden heiliger Personen (Allberry, S. 142, 17 ff.), die zweifellos aus den Apostelakten des manichäischen Corpus schöpft, im Anschluß an eine Übersicht über die Erlebnisse der Thekla gesagt: "Ebenso die selige Drusiana, auch sie litt das Gleiche, vierzehn Tage eingesperrt gleich ihrem Meister, dem Apostel" (Allberry, S. 143, Uf.), und an einer anderen Stelle (S. 192, 25 ff.), an der eine Anzahl Frauen aus den apokryphen Apostelakten gepriesen wird, heißt es von Drusiana: "Ein(e) (. ....... ) die (ihren) Meister liebt, ist Drusiana, die Gott liebt, eingeschlossen vierzehn Tage lang, indem sie ihren Apostel befragte" (Allberry, S. 192, 33-193, I). Es hat demnach in den AJ eine Erzählung gegeben, die Drusiana lebend in einem Grabgebäude eingeschlossen gezeigt und damit eine Voraussetzung erfüllt hat, von der aus die Einführung des Kap. 87 verständlicher ist, als aus dem ihr von Bonnet zugewiesenen Zusammenhang. Aber nicht nur diese Einführung, sondern auch noch eine andere Stelle aus dem in seiner Einordnung fraglichen Stück Kap. 87-1 05 läßt sich von daher zwanglos verstehen. Es heißt in Kap. 103 in einem predigtartigen Abschluß der EvangeliumsverkÜlldigung des Johannes: " ... da er (der Herr) überall ist, erhört er uns alle, so auch jetzt mich und Drusiana als Gott der Eingeschlossenen, indem er uns Hilfe bringt durch seine Barmherzigkeit." Dieser Satz erklärt sich, wenn man in Betracht zieht, daß an der ersten der beiden soeben aus dem manichäischen Psalmbuch zitierten Stellen eine Einschließung sowohl der Drusiana als auch des Johannes vorausgesetzt wird und daß es entsprechend in einer Aufzählung seiner eigenen Leiden heißt, er sei vierzehn Tage lang eingesperrt worden, damit er Hungers stürbe (Allberry, S.142,24). Es ist also offenbar erzählt worden, daß Andronikus nicht nur seine Frau im Grabmal eingeschlossen, sondern auch eine Einkerkerung des Johannes veranlaßt habe, und auf eine wunderbare Befreiung beider, die nicht weit vor der EvangeliumsverkÜlldigung Kap. 87ff. zurückliegen kann, geht der Apostel in den angeführten Worten seiner Predigt ein. Wenn die Erscheinung des vielgestaltigen Christus vor Drusiana im Grabe im Verlauf dieses zu erschließenden Erzählungskomplexes berichtet worden ist, so entspräche das schließlich auch der Reihenfolge der im Gebet der Drusiana Kap. 82 gegebenen Aufzählung (s.o.). Der ganze Bericht muß seinen Platz gehabt haben in der Lücke zu Beginn des Kap. 37 (s. u., S. 150), und da sich ihm gemäß der Einführung in Kap. 87 und der Bemerkung des Johannes in Kap. 103 die EvangeliumsverkÜlldigung, eben das von Cod. C beigebrachte Stücke Kap. 87-105, angeschlossen haben muß, ist auch sie in diese Lücke zu setzen. Daß dieses Stück in der Anordnung von Bonnet nicht am richtigen Platz steht, erhellt schließlich noch eine Untersuchung des Anschlusses der Metastasis (Kap. 106ff.) nach rückwärts. Sie folgt im Cod. R unmittelbar auf die Drusiana-Kallimachus-Geschichte, und die Überleitung lautet: "Es war also Johannes mit den Brüdern zusammen und freute sich im Herrn. Am folgenden Tag aber, als es Sonntag war ... " (Kap. 106). Hatte nun Bonnet zwischen beiden Perikopen das Stück aus Cod. C eingeschaltet, 80 ergab sich die Frage, ob dabei der Satz: "Es war also Johannes mit den Brüdern zusammen und freute sich im Herrn", an das Ende der Drusiana-Kallimachus-Geschichte oder an den Anfang
134
XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
der Metastasis gehörte. Bonnet hat sich mit guten Gründen für die letzte Möglichkeit entschieden; denn mit geringfügigen Varianten bietet U diesen Satz als Einführung der Metastasis, in etwas veränderter Gestalt V, auch die syrische, armenische und koptische Version der Metastasis haben Entsprechendes, und die Form, die der nächste Satz: "Am folgenden Tag aber ... " in der Parallelfassung von Q angenommen hat, ist deutlich von diesem Eingang beeinflußt: " ... als es Sonntag war und er mit den Brüdern zusammen war ... " (Aa II 1, S. 203, 16). Bei Pseudo-Abdias (s. u.) lautet der Abschluß der Drusiana-Kallimachus-Geschichte: "Und er verbrachte jenen Tag freudig mit den Brüdern" (Fabricius II, S. 557), was man, da Pseudo-Abdias keineswegs eine immer wörtliche Übersetzung bietet, durchaus als Äquivalent des Satzes: "Es war also Johannes ... " ansehen darf. Dieser Satz scheint allerdings durch die Geschichten von Kraton, Atticus und Eugenius, der Tempelzerstörung und dem Oberpriester Aristodemus (s. u., S. 136f.) weit von der Metastasis getrennt zu sein. Doch ist Folgendes zu beachten: Nachdem die Drusiana-Kallimachus-Geschichte den besagten Abschluß gefunden hat, schließt PsAbdias die Geschichte von Kraton und das darauf Folgende mit den Worten an: "Am folgenden Tag aber ... " (Fabricius H, S. 557), und somit entsprechen seine Worte: "Und er verbrachte jenen Tag freudig mit den Brüdern. Am folgenden Tag aber ... " genau dem Eingang der Metastasis in Bonnets Text1 ; d.h. aber: der ganze mit der Kraton-Geschichte anhebende Erzählungskomplex trennt gar nicht den Satz: "Und er verbrachte ... " von der Metastasis, er ist vielmehr in den nächsten, ihr zweifellos zugehörigen Satz: "Am folgenden Tag aber ... " eingeschoben. Für diese Deutung des Tatbestandes spricht zudem noch, daß bei Ps-Abdias die sehr stark umgearbeitete Metastasis nach einer den alten Akten gegenüber sekundären Einführung beginnt: "Als der Sonntag herankam (so mit Pseudo-Mellitus gegen Fabricius." aufleuchtete), versammelte sich die ganze Menge" (PsAbdias: Fabricius H, S. 581; Ps-Mellitus: PG 5, Sp. 1249 Cl, und daß es entsprechend in Bonnets Text heißt: "Am folgenden Tag aber" - hier ist nun bei Ps-Abdias die KratonGeschichte und das ihr Folgende eingeschoben -, "als es Sonntag war und alle Brüder versammelt waren" (Kap. 106). Somit läßt sich für die Vorlage des Ps-Abdias hinsichtlich des Anschlusses der Metastasis nach rückwärts das gleiche Bild erheben, wie es Cod. R bietet: die Metastasis folgt in beiden Zeugen unmittelbar und ohne Bruch auf die DrusianaKallimachus-Geschicbte. Unter dieser Voraussetzung würde aber die Textanordnung Bonnets zu folgender Annahme zwingen: Sowohl die griechische als auch die lateinische Überlieferung müßten je einen Zweig gekannt haben, der das angeblich zwischen DrusianaKallimachus-Geschichte und Metastasis gehörende Stück aus Cod. C samt Überleitungen nach hinten und vorn in gleichem Umfang getilgt hätte; das setzt voraus, daß eine reduzierte griechische Fassung neben der durch Augustins Ep. 237 (s.o., S. 126 f.) auch für den Westen bezeugten vollständigen ihren Weg in den lateinischen Sprachraum gefunden hätte. Darf man aber annehmen, daß sich die Metastasis von jeher unmittelbar an die DrusianaKallimachus-Geschichte angeschlossen hat und das Stück aus Cod. C seinen ursprünglichen Platz an der ihm aus inneren Gründen zugewiesenen Stelle in der Lücke zu Beginn von Kap. 37 hat, erübrigt sich eine derart unwahrscheinliche Verlegenheitshypothese. b) DIE ALTEN VERSIONEN: Daß es eine lateinische Übersetzung der AJ gegeben hat, die spätestens Ende des vierten Jahrhunderts vorlag, läßt die Bezeugung erkennen (s.o., S. 126 f.). Von ihr sind außer den wenigen bei Augustin, Ep. 237 zitierten Zeilen (s. u., S. 153, Anm. 2) nur zwei bearbeitete Abschnitte, nämlich die Drusiana-Kallimachus-Geschichte (Kap. 63-86) und die Metastasis (Kap. 106-115) erhalten. Sie finden sich in den Virtutes Johannis der sogenannten Pseudo-Abdias-Sammlung (dazu s. Lipsius I, S.408ff.), Kap. IV-XHIundXXHf., Text beiJ. A. Fabricius: Codex apocryphus Novi Testamenti, Hamburg 1703 (1719 2 ), Bd. H, S. 542-557 und 581-590. Im Original ist diese Entsprechung noch deutlicher als in der Übersetzung; Bonnet: -eil i5e ü;ij, ••• Ps-Abdias: etillam diem cum jratribuslaetu8 (Fabriciu8." laetum) exegl:t. altera vero die . .. 1
aV'I'ij'l' oii'l"wi, di5sA!poi, cl 'Iwa'l"l''Y), dyaAAuhflB'l'O, 6'1' uvetcp.
1. J ohannesakten
135
Das derzeit verfügbare Quellenmaterial bietet jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, daß die leucianischen Act. Joh. als Ganzes noch in weiteren Übersetzungen außer der lateinischen vorgelegen haben 1. Dagegen hat die isolierte Metastasis den Weg in alle Sprachen der orientalischen Kirche gefunden, wie die folgende Übersicht zeigt: Syrisch ist sie als Anhang einer originalsyrischen Johannesgeschichte überliefert; Text bei W. Wright: Apocryphal Acts of the Apostles, London 1871, Bd. I, S.66-72; engl. Übersetzung ebd., Bd. II, S. 61-68. Von der syrischen Übersetzung gibt es ein.e arabische Sekundärversion (s. u.). Eine armenische, auf griechischer Vorlage beruhende Übersetzung des fünften Jahrhunderts hat weite Verbreitung gefunden und ist in die armenischen Bibelhandschriften eingedrungen; sie ist oft gedruckt worden (Zusammenstellung: Bibliotheca hagiographica orientalis, ed. P. Peeters, Brüssel 1910, Nr. 474), u. a. in der armenischen Bibelausgabe des Mechitharisten J. Zohrab, Venedig 1805, Appendix S. 27-29, danach engl. Übersetzung von S. C. Malan, The Conflicts of the Holy Apostles, London 1871, S. 244--248; eigene Ausgabe mit lateinischer Übersetzung von J. Katergian: Dormitio beati Johannis apostoli, Wien 1877. Die armenische Übersetzung war Vorlage einer georgischen Sekundärversion. Zwei georgische Versionen, deren eine aus dem Armenischen geflossen ist, nennt M. Tarchnisvili: Geschichte der kirchlichen georgischen Literatur (Studi e Testi 185), Rom 1955, S. 342f.; s. dort auch zu Editionen. Altslawische Handschriften, die die Metastasis des Johannes enthalten, hat N. Bonwetsch in Harnack: Geschichte der altchristlichen Literatur, 19582, Bd. I 2, S.903, zusammengestellt. Eine koptische (sahidische) Version des fünften oder sechsten Jahrhunderts ist im vollständigen Text und in sechs Fragmenten erhalten; aus der innerkoptischen Entwicklung erklärbare Varianten der Texte untereinander lassen auf eine lebhafte Verbreitung schließen; es finden sich: (a) vollständiger koptischer Text im Cod. Brit. Mus. Orient. 6782, ediert von E. A.W. Budge: Coptic Apocrypha in the Dialect of Upper Egypt, London 1913, S. 51-58, engl. Übersetzung ebd., S. 233-240; - (b) Fragment, entsprechend Bonnet 203, 8-11, im Cod. Borgian. 274, abgedruckt von 1. Guidi: Di aleune pergamene saidiche della collezione Borgiana (Rendiconti della Reale Accademia dei Lincei, classe di scienze morali, stori e filologiche, sero V, vol. II 7, Rom 1893), S. 4f., italien. Übersetzung ebd., S. 5f.; (c) Fragment, entsprechend Bonnet 204,1-206,6, im Cod. Brit. Mus. Orient. 3581 B, abgedruckt bei W. E. Crum: Catalogue of the Coptic Manuscripts in the British Museum, London 1905, S. 130, Nr. 295; - (d) Fragment, entsprechend Bonnet 204, 9-206,7, im Cod. Vindob. K 9410f., abgedruckt von C. Wessely: Studien zur Palaeographie und Papyruskunde XV: Griechische und koptische Texte theologischen Inhalts IV, Leipzig 1914, S. 13lf., Nr. 242c.d; - (e) Fragment, entsprechend Bonnet 207,1-214,5, im Cod. Borgian.136, ediert bei I. Guidi: Frammenti copti, nota III (Rendiconti, vol. III 2, Rom 1888), S. 42--46; dazu italien. Übersetzung: ders.: Gli atti apocrifi degli Apostoli nei testi copti, arabi ed etiopici (Giornale della Societa Asiatica Italiana 2, 1888), S. 38--41; (f) Fragment, entsprechend Bonnet 210,9-212,12, auf dem Pap. Berol. 8772, ediert von J. Leipoldt in: Ägyptische Urkunden aus den königlichen Museen zu Berlin, hrsg. von der Generalverwaltung. Koptische Urkunden, l. Bd., Berlin 1904, S. 173-175, Nr. 182;1 Die Vermutung, es könnte eine koptische Übersetzung des ganzen manichäischen Aktencorpus und damit auch der AJ gegeben haben, ist an sich nicht abwegig, läßt sich aber nicht beweisen. Zwar sind koptische Fragmente von vieren der fünf zu diesem Corpus gehörenden Akten bekannt, nämlich von den AJ (s. u.), den AA (s. U., S. 271), den APt (s. U., S. 184) und den AP (s. u., S. 224f.); doch davon tragen in diesem Zusammenhang nichts aus diejenigen der AJ, weil sie ausnahmslos zu der gerade isoliert von den Akten weit verbreiteten Metastasis gehören, und diejenigen der AP, weil diese Schrift auch eine kirchliche Verbreitung erfahren hat.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
(g) Fragment, entsprechend Bonnet 211, 5-213, 3, im Cod. Borgian.274, abgedruckt von 1. Guidi: Di alcune pergamene, S. 6f. In arabischer Sprache sind zwei Sekundärversionen der Metastasis ediert worden von A. Smith Lewis: Acta mythologica Apostolorum (Horae Semiticae IIl), London 1904; engl. Übersetzungen: dies.: The mythological Acts of the Apostles (Horae Semiticae IV), London 1904. Die eine (arab. Text a.a.O., S. 144-146; engl. Übers. a.a.O., S. 168-171) ist mit der syrischen Johannesgeschichte aus dem Syrischen übertragen worden; die andere (Text a. a. 0., S. 46-51; Übers. a. a. 0., S. 54-59) beruht auf koptischer Vorlage und steht im Zusammenhang eines einheitlichen Corpus von späten apokryphen Apostelakten (zu diesem s. 1. Guidi, Gli atti apocrifi degli Apostoli nei testi copti, arabi ed etiopici (Giornale della Societa Asiatica Italiana 2, 1888), S. 1 ff.; R. A. Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden, Ergänzungsheft, Braunschweig 1890, 89ff.; W. Grossouw: De apocriefen van het Oude en Nieuwe Testament in de koptische letterkunde II (Studia Catholica 11, 1934/35), S. 22ff.; G. Graf: Geschichte der christlichen arabischen Literatur I (Studi e Testi 118), Rom 1944, S. 258f.); ob die koptische Vorlage der Metastasis mit der oben genannten koptischen Version identisch war, bedürfte noch der Untersuchung; der arabische Text lag nach Graf (a. a. 0., S. 259) in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts vor; eine Aufzählung von arabischen Handschriften, die die Metastasis außerhalb dieses Corpus enthalten, gibt Graf, a.a.O., S. 263f. Ins Äthiopische ist die Metastasis schließlich aus dem Arabischen nicht vor der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts im Zusammenhang mit dem ganzen ägyptischarabischen Apostelcorpus übersetzt worden; Text bei E. A. W. Budge: The Contendings of the Apostles, Bd. I, London 1899, S. 214-222; engl. Übersetzung ebd., Bd. Il, 1901, S.253-263; ältere englische Übersetzung auf Grund einer Handschrift von S. C. Malan: The Conflicts of the Holy Apostles, London 1871, S. 137-145. Bonnet hat von diesen Versionen für seine Textherstellung heranziehen können: die lateinischen Stücke der Abdias-Sammlung (nach Handschriften); den syrischen MetastasisText in der Ausgabe von Wright; die armenische Übersetzung in der Ausgabe von Katergian; das Fragment (e) der koptischen Version nach der italienischen Übersetzung von Guidi; Malans englische Übersetzung der äthiopischen Metastasis. c) FRAGLICHES MATERIAL :BEI PS-A:BDIAS: Mehrfach sind den alten AJ zugesprochen worden zwei nur lateinisch bei Ps-Abdias und dem davon abhängigen Ps-Mellitus überlieferte Erzählungen 1. Deren erste (Ps-Abdias, Virtutes Johannis 14-18: Fabricius Il, S.557-573 = Ps-Mellitus: PG 5, Sp. 1242 B-1247 A) wird auf die bereits geschilderte Weise (s.o., S.134) an die Drusiana-Kallimachus-Geschichte angeschlossen und berichtet: Ein Philosoph Kraton bietet auf dem Markt von Ephesus eine Demonstration der Verachtung des Reichtums; er hat zwei Brüder veranlaßt, ihr väterliches Erbe gegen je einen Edelstein zu verkaufen und diese Edelsteine öffentlich zu zerschlagen; Johannes erklärt die Demonstration für eitel und verweist auf Mk. 10, 21 parr; Kraton antwortet ihm, er möge doch die Edelsteine zur Verherrlichung seines Gottes wieder herstellen; der Apostel ruft Christus an, und die Edelsteine werden wieder zusammengefügt, worauf sich Kraton mit seinen Schülern bekehrt und Christus verkündigt (Kap. 14) und die beiden Brüder die Steine zugunsten der Armen verkaufen; wem Beispiel folgen zwei vornehme Epheser und schließen sich dem Apostel an, bedauern jedoch in Pergamon angesichts reich gekleideter Sklaven ihren Schritt; Johannes erkennt ihre Sinnesänderungen, läßt sie Bündel von Zweigen sowie Steinchen holen und verwandelt diese unter Anrufung des Herrn in Gold bzw. Edelsteine (Kap. 15); dann entläßt er die Abgefallenen mit einer langen Rede: sie hätten nun wieder vergänglichen Reichtum, aber unter Verlust des ewigen; er führt die durch einen apokryphen Totenerweckungsbericht erweiterte Lazarusgeschichte Lk. 16, 19ff. an und verweist auf die von ihm selbst vollzogenen Auferweckungen und Heilun1 Zahn, Act. Jo., S. CXIl ff.; 235ff. -Lipsius I, S. 427ff. -Hennecke, Apokr. 1, S.430f.; Apokr. 2, S. 175. - James, S. 257 ff. - Deeleman, S.4lf.
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gen; solche Charismen hätten die Abgefallenen verloren; mit Ausführungen über den Mammonsdienst schließt die Rede (Kap. 16); da kommt eine Witwe, deren erst dreißig Tage verheirateter Sohn Stacteus gestorben ist, und bittet samt dem Trauergefolge, ihn aufzuerwecken; der Apostel vollführt das auch und läßt den Abgefallenen durch den Auferweckten vorhalten, daß ihnen zu ihrer Rettung nur noch eine Auferweckung von ihrem geistlichen Tod durch den Apostel bliebe (Kap 17); daraufhin flehen das Volk, Stacteus und die Abgefallenen, deren Namen Atticus und Eugenius jetzt genannt werden, Johannes um Fürbitte an; er befiehlt ihnen, dreißig Tage lang Buße zu tun und dann um Rückverwandlung des Goldes und der Edelsteine zu beten; als das nicht zum Erfolg führt, bitten sie Johannes, für sie einzutreten; dessen Fürbitte wird erhört, Gold und Edelsteine werden zurückverwandelt, und Atticus und Eugenius erhalten ihre Charismen wieder (Kap. 18). - Es folgt die Ps-Abdias-Version der Tempelzerstörung und dann die zweite Erzählung, für die Herkunft aus den Act. Joh. in Anspruch genommen wird (Ps-Abdias, Kap. 20f.: Fabricius II, S. 575-580 = Ps-Mellitus: PG 5, Sp. 1247 C-1249 B): Der ephesinische Oberpriester Aristodemus wiegelt das Volk auf; von Johannes zur Rede gestellt, fordert er diesen zu einer Giftbecherprobe auf; zunächst erbittet er sich vom Prokonsul zwei Verurteilte, die das Gift nehmen müssen und auf der Stelle sterben; dann trinkt Johannes selbst unter Anrufung Christi den Giftbecher aus; als er nach drei Stunden noch immer unversehrt ist, ruft das Volk: "Es ist (nur) ein (einziger) und wirklicher Gott - der, den Johannes verehrt" (Kap. 20); doch Aristodemus glaubt noch nicht, sondern verlangt erst noch die Auferweckung der beiden Vergifteten, worauf das Volk droht, ihn zu verbrennen; Johannes beschwichtigt es und gibt Aristodemus seinen Umhang mit der Anweisung, ihn auf die Toten zu legen und zu sagen: "Der Apostel unseres Herrn Jesu Christi hat mich gesandt, auf daß ihr in seinem Namen aufsteht, damit alle erkennen, daß Leben wie Tod meinem Herrn Jesus Christus dienstbar sind"; das geschieht, und die Toten stehen auf; da eilt Aristodemus zum Prokonsul und erzählt ihm alles, worauf sich beide bekehren und getauft werden; sie errichten eine Basilika (Kap. 21), und in dieser findet dann die anschließend erzählte Metastasis statt. - Einen Anhaltspunkt dafür, daß die AtticusEugenius-Erzählung mit der Verwandlung von Rutenbündeln in Gold eine Bearbeitung aus den alten AJ ist, s.cheint Evodius von Uzala zu bieten. In De fide c. Manich. 40 bringt er eine Reihe von Argumenten gegen die Leugnung der leiblichen Auferstehung durch seine Gegner und schreibt dann: "Und dennoch glaubt ihr - wo doch gerade das Fleisch wegen seiner derzeitigen Schwäche Heu genannt wird - zwar, daß Johannes aus Heu Gold gemacht hat, glaubt aber nicht, daß Gott der Allmächtige aus einem animalischen Leib einen geistlichen Leib machen kann" (Zycha, CSEL 25, S. 970, 31-971, 2). Evodius setzt dabei offensichtlich voraus, daß die Erzählung von der Wundertat des Apostels bei den Manichäern jedenfalls seiner Umwelt allgemein anerkannt war; es wird daher als ziemlich sicher gelten können, daß sie einem bei ihnen als verbindlich angesehenen Werk angehört hat, und das wären die AJ im manichäischen Aktencorpus. Daß Evodius mit der Verwandlung von Heu und nicht Zweigen wie bei Ps-Abdias das Ursprüngliche bewahrt habe, sieht Lipsius (I, S. 428) darin bestätigt, daß von einer Verwandlung von Heu auch einige griechische Autoren reden: Theodor Studites (nach Cod. Paris. gr. 1197: bei Lipsius, a.a.O.), Symeon Metaphrastes (Comm. in div. Apost. Joh. VI: PG 116, Sp. 701 D-704A) und die Menäen zum 26. September (Synaxarion Ecclesiae Constantinopolitanae, ed. H. Delehaye [= Acta Sanctorum LXII: Propyl. Nov.], Sp. 81, 18-82, 10). Von ihnen bietet Theodor Studites nicht mehr als Evodius, nämlich eine Notiz darüber, daß Johannes dieses Wunder gewirkt habe. Bei den beiden anderen Zeugen aber schließt das Wunder eine längere Geschichte ab, die nichts mit dem bei Ps-Abdias vorliegenden Zusammenhang zu tun hat. Demnach ist die Verwandlung wertlosen Materials in Gold ein Motiv, das sich, wohl aus AG 3, 6 entwickelt, an verschiedenen Stellen der JohannesIegende angesiedelt hat, und deshalb wird man nicht ohne weiteres in der von Ps-Abdias gebotenen Geschichte eine Bearbeitung der durch Evodius bezeugten Episode der AJ sehen können; vielmehr spricht unter diesen Umständen die Tatsache, daß Ps-Abdias nicht wie Evodius von Heu
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
erzählt, eher gegen eine solche Annahme. Vollends ist natürlich abzusehen von den mit der Atticus-Eugenius-Geschichte verknüpften Erzählungen von Kraton und der Auferweckung des Stacteus, für deren Zuweisung an die Act.Joh. es überhaupt keinen Anhaltspunkt gibt. - Offenbleiben muß auch die Frage nach einer eventuellen Herkunft der Aristodemus-Geschichte aus den AJ, wie sie von Lipsius (I, S. 428f.; 484ff.) und im Anschluß an ihn von James (S. 262ff.) vertreten worden ist. Daß die AJ eine Giftbechererzählung kannten, wird zwar durch das manichäische Psalmbuch (Allberry, S. 142,23) nahegelegt, aber auch dieses aus Mk.l0, 38 par geflossene Motiv ist in der JohannesIegende mehrfach und in verschiedenen Zusammenhängen verwendet worden (s. Lipsius I, S.428f.). d) EINZELNE FRAGMENTE: aal Der griechische Papyrus Oxyrhynchus 850 (Grenfelll Hunt VI, S. 12-18; Wessely [= PO 18, 3], S. 483--485) enthält die Bruchstücke zweier Episoden:
verso f)ür ihn( )Seufzen und( )aber Johannes( zu Zeux)is, nachdem er aufgestanden war und erhoben hatte( 5 )der du mich genötigt hast ... ( )(den) der vorhat, sich zu erhängen; der du das Verzwei(felte )zu dir bekehrst; der du das niemanden Bekann(te )bekannt machst; der du beweinst die Angefoch(tenen )der du die Verstorbenen aufstehen läßt 10 )der Kraftlosen, Jesus, der Tröster (der )wir loben dich und beten (dich) an un(d sagen Dan)k für alle deine Gabe und deine gegenwärtige Heilsfü(gung und) (deinen) Dienst. Und (nachdem er) dem Zeuxis allein von [oder: an] der Euchar(istie )gab er denen, die empfangen wollten( 15 als sie (ihn) ansch)auten, wagten sie nicht. Aber der Statthalter( )inmitten [oder: in die Mitte] der Gemeinde zu (Johannes )(und) sagt: Knecht des Unnennbaren( )hat Briefe gebracht vom Kais(er )und mit(
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recto ging) fort A)ndronikus und (seine) F(rau (?)l Als wenige (Tage) verstrichen waren, g(ing Johannes mi)t mehreren Brüdern zu( hinüber )zugehen über eine Brücke, unter der ein Fluß floß( und als) Johannes hinging zu den Brüd(ern ging ein ( ... ) auf ihn zu, in der Art eines Solda(ten gek)leidet, und trat vor ihn hin und sprach: "Johannes, i(n meine Hände [oder: mit mir ins Gemenge] wirst du bald geraten." Und J ohannes( sprach: "Es) lösche aus der Herr deine Drohung und deinen Zorn u(nd dein Verge)hen!" Und siehe, jener verschwand. Als nun Johannes a(nge-
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Zeile 21 ist als Überschrift zum folgenden hervorgehoben.
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kommen) war bei denen, zu denen er aufgebrochen war, und als er fa(nd, daß sie) versammelt waren, sprach er: "Wir wollen aufstehen, m(eine Brüder,) und die Knie zum Herrn beugen, der auch des gro(ßen Feindes un)sichtbare Wirkung zunichte gemacht (hat )beugte die Knie zusammen mit ih(nen ) Gott(
Für die Zugehörigkeit dieses Fragments zu den AJ spricht sowohl der Still als auch der Name des Andronikus, der zum Personalbestand dieser Akten gehört (Kap. 31; 105; 37; 46; 59; 61-63; 65f.; 70; 72-74; 76; 79; 80; 82f.; 86)2. Die Anordnung verso-recto stammt von Grenfell und Hunt, denen sich Wesseley (a.a.O.) und Hennecke (Apokr. 2, S.178f.) angeschlossen haben. Grenfell und Hunt (S. 13) machen dafür geltend, daß der Affäre mit Zeuxis, die sich auf verso findet, eine längere Schilderung der Umstände voraufgegangen sein müsse, die nicht auf die bei der Anordnung recto - verso zwischen dem Ende von recto und dem Beginn von verso fehlenden Zeilen gepaßt haben könne. Wesseley (S.485) führt außerdem an, daß auch der Text auf recto eine längere Fortsetzung erfordere, da es sich nach der Überschrift (Z. 21) um eine Geschichte handele, in der Andronikus eine wichtige Rolle spiele, er aber auf dem Papyrusblatt noch nicht einmal genannt sei. James (S. 264f.) ordnet recto - verso an, weil er für die Kaiserbriefe am Schluß von verso und deren Inhalt mehr als nur ein paar Zeilen für erforderlich hält. Er geht dabei von der Vqraussetzung aus, daß diese Briefe für die Weiterführung der Erzählung wesentlich seien und sich daran entweder die Verbannung oder das Ölmartyrium des Johannes oder beides angeschlossen hätte. Doch wird man die nur abendländische Tradition vom Ölmartyrium desJohannes (s.o., S..25) nicht für die altenAJ in Anspruch nehmen dürfen (vgl. Deeleman, S.41), und desgleichen scheinen die AJ keinen Verbannungsbericht gekannt zu haben (vgl.o., S. 131; Hennecke, Apokr. 1, S.428f.). Man wird daher besser bei der aus inneren Gründen des Papyrustextes selbst getroffenen Anordnung verso - recto der Herausgeber bleiben. An welche Stelle der AJ das Fragment gehört, ist nicht auszumachen. Vor Kap. 31 kann es kaum gestanden haben, denn dort scheint Andronikus ganz neu eingeführt zu werden. In Kap. 37 tritt er dann als getreuer Schüler des Johannes auf. Hennecke hat deshalb das Bruchstück in die Lücke zu Beginn von Kap. 37 verwiesen (Apokr. 2, S. 175; 178f.), und ihm hat sich Sturhahn (S. 16, Anm.2) angeschlossen. Wenn man annehmen dürfte, daß unter der Überschrift "Andronikus und seine Frau" - wobei "Frau" unsicher ist - die Affäre berichtet war, auf die in Kap. 63 Bezug genommen wird, wäre das allerdings der richtige Ort; aber ob solche Annahme zutreffend ist, bleibt völlig ungewiß. bb)Derlateinische sogenannte apokryphe Titusbrief(s.o., S. 90ff.) enthält zwei dem Johannes zugeschriebene Redestücke (Z. 437-440 und 460-477: de Bruyne, Rev. Bened. 37, 1925, S. 58f.) und ein Redestück, das in Bezug auf Johannes geäußert sein soll (Z. 446-449: a..a.O., S. 59)3. Alle drei Stücke sind den AJ zugesprochen worden'. Das erste von ihnen geht ohne Zweifel auf die Metastasis zurück: Höre die Danksagung des J ohannes, des Jüngers des Herrn, wie er im Gebet bei seinem Scheiden gesagt hat: "Herr, der du mich von Kindheit an bis zu dieser Aufweis der Parallelen bei Grenfell/Hunt, S. 16ff. Blumenthal, Formen und Motive in den apokryphen Apostelgeschichten (= TU 48, 1), 1933, S. 26, macht auch kompositionstechnische Gründe für die Zugehörigkeit des Fragments geltend, deren Überzeugungskraft allerdings bestritten werden kann. 3 Die Stellen sind ohne den Kontext des apokryphen Titusbriefes zuerst veröffentlicht worden von D. de Bruyne, Rev. Bened.25, 1908, S. 155f.; ferner sind sie abgedruckt bei A. v. Harnack, Sitzungsber. d. preuß. Akad. d. Wissensch., phil.-hist. Kl. 1925, S. 197. 4 D. de Bruyne, Rev. Bened. 25, 1908, S. 149-160; 37, 1925, App. z. Text auf S. 58f. C. Schmidt, ZKG 43, 1924, S. 337f. - A. v. Harnack, Sitzungsber. d. preuß. Akad. d. Wissensch., phil.-hist. Kl. 1925, S. 187f.; 197. 1
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Zeit unberührt vom Weibe bewahrt hast, der du meinen Leib davon geschieden hast, so daß es mir widerwärtig war, wenn ich eine Frau (nur) anschaute." (Einleitung: Z. 436f.; Zitat: Z. 437-440) Es handelt sich dabei um eine paraphrasierende und kürzende Wiedergabe des Anfangs von Act. Joh. 113 (Aa II 1, S. 212, 6-213, 5). Ohne Parallelen im erhaltenen Bestand der Akten sind die beiden anderen Stücke: Oder ist es etwa außerhalb des Gesetzes, was wir lehren, wie sogar die Dämonen, da sie dem Diakonen Dyrus (= Verus?; s. Act. Joh.30; 61; 111) bekannten (in Bezug) auf die Ankunft des Johannes - bedenke, was sie gesagt haben: "Viele werden in den letzten Zeiten zu uns kommen, uns aus unseren Gefäßen [sc.: den Besessenen] zu vertreiben, indem sie sagen, sie seien von Frauen rein und unbefleckt und nicht in Anspruch genommen von der Begierde nach ihnen. Wenn wir wollten, würden wir auch von ihnen Besitz ergreifen." (Einleitung: Z. 444-446; Zitat: Z. 446-449) Nimm also in deinem Herzen die Mahnungen des seligen Johannes auf, der, als er zu einer Hochzeit geladen war, nur um der Keuschheit willen hinging. Und was hat er gesagt? "Kindlein, dieweil noch euer Fleisch rein ist und ihr einen unberührten Leib habt und nicht im Verderben begriffen seid und nicht beschmutzt seid vom Satan, dem äußerst feindseligen und scham(losen) (Gegner) der Keuschheit, versteht also in vollerem Maße das Geheimnis der ehelichen Verbindung : sie ist ein Versuch der Schlange, Unkenntnis der Lehre, Gewalttätigkeit an dem Samen, Gabe des Todes, Amt der Vernichtung, Unterricht in Teilung, Amt des Verderbens, Verweilen ( ... ), Dazwischensäen des Feindes, Hinterhalt des Satans, Ersinnung des Übelwollenden, schmutzige Frucht der Geburt, Vergießen von Blut, Leidenschaft des Gemüts, Abfall von der Vernunft, Angeld auf Strafe, Dokument der Pein, Werk des Feuers, Zeichen des Feindes, tödliche Boshaftigkeit des Eifers, Umarmung des Trugs, Verbindung mit Bitternis, Ereiferung des Gemüts, Erfindung des Verderbens, Begierde nach einem Wahnbild, Wandel in der Materie, Schauspiel des Teufels, Feind des Lebens, Fessel der Finsternis, Trunkenheit ( ... ), Verhöhnung durch den Feind, Hindernis für das Leben, das vom Herrn scheidet, Beginn des Ungehorsams, Ende des Lebens und Tod. Da ihr dies hört, Kindlein, verbindet euch ein jeder für sich in einer untrennbaren, wahren und heiligen Hochzeit, indem ihr den einen unvergleichlichen, wahren Bräutigam vom Himmel, Christus, den ewigen Bräutigam, erwartet." (Einleitung: Z. 458-460; Zitat: Z. 460-477) Gegen die Annahme, daß auch in diesen beiden Abschnitten eine freie Verwendung von Stücken der AJ vorliegt, äußert Hennecke (Apokr. 2, S. 171, Anm. 2) Bedenken, weil die in beiden Fragmenten gegebenen eschatologischen Hinweise nicht in die AJ paßten. Aber man darf nicht außer acht lassen, daß ja eben nur eine freie Benutzung zur Rede steht. Die im letzten Fragment zum Ausdruck kommende völlige Abwertung der Ehe wird von Photius (s.o., S.117) für das manichäische Corpus der Apostelakten belegt. Die Annahme, daß hier altes Gut der AJ zum Vorschein kommt, darf jedenfalls immerhin als vertretbar gelten. Mehr als das läßt sich allerdings nicht sagen. Zwar hat James (S. 226) vermutet, daß der Abschnitt Z.446ff. aus dem verlorenen Anfang der Akten stammt; doch wird
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man andere Möglichkeiten kaum ausschließen können; und wenn Schmidtl das Stück Z.460ff. der Andronikus.Drusiana.Episode zuschreibt, so fehlt dafür jeder sichere Anhaltspunkt. ce) Zu erwähnen ist noch, daß mehrfach eine Stelle aus der Schrift De montibus Sina et Sion des Pseudo-Oyprian (entstanden in Afrika vor 240) für die AJ beansprucht worden ist". Jedoch beruhen die verschiedenen Zuweisungsversuche so sehr auf bloßen Postulaten und haben so wenig Wahrscheinlichkeit für sich, daß sie überhaupt nur auf Grund der inzwischen nicht mehr aufrechtzuerhaltenden Annahme, die AJ seien schon zu Beginn des dritten Jahrhunderts im Westen verbreitet gewesen, unternommen werden konnten und sich an dem aus der Bezeugung erhobenen Bild von ilrrer Verbreitung (s.o., S. 128) als unhaltbar erweisen müssen. 4. AUFBAU: Der Umfang des überlieferten Bestandes der AJ erlaubt es, ein Schema wes Gesamtaufbaus zu entwerfen; dabei sind erschlossene oder vermutete Stücke (Näheres dazu ist jeweils an entsprechender Stelle in die Übersetzung eingeschaltet) kursiv gesetzt: Erster Reisebericht:
Reise von Jerusalem (?) über verschiedene Stationen, zuletzt: Über Milet nach Ephesus (Kap. 18) Erster Aufenthalt in Ephesus: Lykomedes und Kleopatra (Kap. 19-25) Das Bild des Johannes (Kap. 26-29) Heilung der alten Frauen (unvollständig; Kap. 30-36)
Bekehrung der Drusiana, ihre Auseinandersetzung mit Andronikus Einkerkerung der Drusiana (in einem Grab) und des Johannes Bekehrung des Andronikus, Befreiung der Drusiana und des Johannes Evangeliumsverkündigung des Johannes (Kap. 87-105) Einleitung (Kap. 87-88) Ohristi irdische Erscheinung (Kap. 88-93) Christi Hymnus (Kap. 94--96) Offenbarung des Kreuzesgeheimnisses (Kap. 97-102: Homiletischer Abschluß (Kap. 103-105) Lücke unbestimmbaren Umfangs und Inhalts Zerstörung des Artemistempels (Kap. 37-45) Auferweckung des Artemispriesters (Kap. 46-47) Begegnung mit einem Vatermörder (Kap. 48-54) Ruf nach Smyrna (Kap. 55) Zweiter Reisebericht:
Reise von Ephesus über Smyrna (Pergamon, Thyatira, Sardes, Philadelphia [?]) nach Laodicea; irgendwann auf dieser Reise (?): ZKG 43, 1924, S. 338. James, Apocr. anecd. H, S.153f. - Harnack, Gesch. d. altchristl. Lit. H 2, S. 384. Zahn, Forschungen z. Gesch. d. ntl. Kanons VI, 1900, S. 196, Anm. 1. - Oorssen, ZNW 12, 1911, S. 35f. - Die fragliche Stelle: De montibus Sina et Sion 13, im Zusammenhang einer Betrachtung von Weish. 7, 26 (HarteI, OSEL 3, 3, S. 117, 2-6): "Denn auch wir, die wir an ihn glauben, sehen Clrristus in uns wie in einem Spiegel, da er selbst uns in einem Brief seines Jüngers Johannes an das Volk unterweist und mahnt: 'Ihr seht mich so in euch, wie einer von euch sich im Wasser oder in einem Spiegel sieht'." Vgl. AJ 95 (Zeile 25 des Hymnus): "Ein Spiegel bin ich (= Christus) dir, der du mich erkennst," außerdem AJ 96 und 100f. Zu beachten ist, daß bei Ps-Oyprian das Bild vom Spiegel anders gewendet ist als in den AJ. 1 2
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts Johannes und das Rebhuhn (Kap. 56*-57*) Aufbruch von Laodicea nach Ephesus (Kap. 58-59) Die gehorsamen Wanzen (Kap. 60-61)
Zweiter Aufenthalt in Ephesus und Tod des Johannes: Ankunft in Ephesus (Kap. 62) Drusiana und Kallimachus (Kap. 63-86) Metastasis (Kap. 106-115) Letzter Gottesdienst des Johannes (Kap. 106-110) Tod des Johannes (Kap. 111-115) 5. CHARAKTER: Die AJ gehören als Ganzes ihrem literarischen Charakter nach in den Kreis der Apostelromane (s.o., S. 115ff.); anders als die übrigen Schriften dieser Gattung lassen sie allerdings ihren Helden nicht den Märtyrertod erleiden; sein von ihnen berichtetes Martyrium bestand - soweit jedenfalls das manichäische Psalmbuch (Allberry, S. 142, 23f.) Aufschluß gibt - darin, daß er einen Giftbecher nehmen mußte (s.o., S. 138), und daß er vierzehn Tage lang eingesperrt war, um Hungers zu sterben (s.o., S. 133), was er aber beides ohne Schaden überstand. Ferner zeichnen sich die AJ noch besonders dadurch aus, daß sie neben den in dieser Literatur üblichen Redestücken 1 in Kap. 88-102 eine lange Offenbarungsrede des Johannes enthalten, in die wiederum ein Offenbarungshymnus (Kap. 94-96; wohl kultischen Ursprungs) und eine Offenbarungsrede Christi (Kap. 97-101) eingebaut sind und die sich gattungsmäßig dem Charakter eines Evangeliums vom johanneischen Typ nähert. Von diesem "Evangelium", das als gnostisch bezeichnet werden muß, erhalten die AJ ihr theologisches Gepräge. Christi Offenbarungsrede Kap. 97ff. lehrt den Gnostiker erkennen, daß er sich dem Offenbarer, der als solcher der Erlöser ist, verwandt wissen darf (Kap. 100) und daß die Erlösung ihn einbezieht in einen kosmischen Vorgang, der sich in dem Lichtkreuz und durch es vollzieht (Kap. 98-100) und als dessen symbolische Repräsentanz das damit jede selbständige Bedeutung verlierende irdische Geschehen der Passion Jesu erscheint (Kap. 99; 102); ebensowenig wie die Passion ist auch die irdische Gestalt Jesu an sich von Belang, und Vielgestaltigkeit ist daher die angemessene und kennzeichnende Art seines In-ErscheinungTretens (Kap. 88-93). Der Dualismus gnostischen Weltverständnisses ist erkennbar in der dem Lichtkreuz zugesprochenen scheidenden Funktion (Kap. 99; vgl. 98) und wird als solcher in den Akten nicht weiter durchreflektiert. Er hat seinen anthropologischen Aspekt in der Unterscheidung des im Lichtkreuz Gestalt findenden Urmenschen und der ungestalten Menge außerhalb dieses Kreuzes (Kap. 98; 100). Daß auch der übrige Stoff der AJ außerhalb ihres "Evangeliums" einer Interpretation im Sinne eines gnostischen Weltnnd Daseinsverständnisses offensteht, hat Sturhahn gezeigt. Er hat darüber hinaus aufzuweisen versucht, da.ß dieser Stoff in seiner vorliegenden Form ebenso wie das "Evangelium" aus gnostischem Denken heraus gestaltet ist und dabei zum Ausdruck eines geschlossenen, selbständigen theologischen Entwurfes wird; doch das muß wohl fraglich bleiben. So sieht er in dem ausgeprägten Monarchianismus der Act. Joh. (z.B. Kap. 22; 24; 77; 82; 107f.; 112) die Konsequenz eines gnostischen Offenbarungsverständnisses, nach dem der Offenbarer in der Transzendenz außerhalb des Inhaltes seiner Offenbarung verharrt (Sturhahn, S. 26; vgl. S. 27); er ist aber den Nachweis für diese Behauptung schuldig geblieben. Außerdem stellt er eine falsche Alternative, wenn er seiner Sicht als andere Möglichkeit gegenüberhält, die monarchianischen Aussagen aus einem allgemeinen "religiösen Modalismus" heraus zu verstehen (S. 26); es hat immerhin einen Monarcmanismus als bewußte theologische Aussage gegeben, und es liegt nach wie vor die Möglichkeit sehr nahe, daß den AJ ihr monarcmanischer Zug als nichtgnostisches Theologumenon mit 1 Missionsreden: Kap. 33-36; 39. - Predigten: Kap. 29; 103-105; 67-69; 106f. - Gebete verschiedener Gattungen: Kap. 22; 41; 82; 85; 108; 109 (= Eucharistiegebet); 112-114. Ein Anathematismus: Kap. 84.
1. J ohannesakten
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ihrem Erzählungsstoff zugewachsen ist und daß in ihnen überhaupt mit ihrem "Evangelium" auf der einen und dem Erzählungsstoff auf der anderen Seite von Haus aus ganz verschiedene Traditionen zusammengeflossen sind. - In der älteren Diskussion über den gnostischen Charakter der AJ ist immer wieder ihre Zuweisung zur valentinischen Gnosis versucht worden 1. Ansatzpunkte für eine solche Ortsbestimmung bietet der Text an zwei Stellen. In erster Linie werden die Zeilen 14f. aus dem Offenbarungshymnus genannt: "Die eine Achtheit lobsingt mit uns. - Amen. - Die zwölfte Zahl tanzt oben. Amen" (Kap. 95). Mit der Achtheit und der zwölften Zahl seien die Ogdoas und Dodekas des valentinischen Äonensystems gemeint. Allerdings gehört zu diesem dreißig Äonen umfassenden System auch noch eine Dekas (vgl. Irenäus, haer. I 1, 3), von der hier nicht die Rede ist. Ihr Fehlen hat James (a.a.O., S. XX) veranlaßt, den Ausfall einer entsprechenden Zeile zu vermuten. Auch Sturhahn (S.25, Anm.2) sieht hier einen Reflex des valentinischen Systems, wenn er die Hymnus-Zeilen 12-17 einschließlich der Zwischenzeile vor 12 (s. u., S. 154) für einen Einschub solcher Kreise hält, "die der valentinianischen Gnosis nahestanden". Auf der anderen Seite hat aber Schmidt (S. 127ff.) angenommen, daß die Dodekas den Zodiakalkreis und die Ogdoas "die sieben Planeten resp. Himmel mit dem Kosmokrator resp. Satan an der Spitze" (S. 127) meine, wofür er noch geltend macht, daß in den AJ keine ausgebildete Spekulation über ein Äonensystem vorliegt, und ihm ist Schlier (S. 163) gefolgt. Ferner werden für die Beziehungen zwischen den AJ und der valentinischen Gnosis die Aussagen über das Lichtkreuz in der Offenbarungsrede Kap. 98ff. angeführt, die auffällige Entsprechungen zur valentinischen Spekulation über den Stauros-Horos aufweisen. Schlier (S. 102ff.; 175) sieht hier ein Element in Erscheinung treten, "das sich als Vorstufe der valentinischen Gnosis bezeichnen läßt" (S. 175); zwar hat Sturhahn (S. 26, Anm. 4) an der Interpretation einzelner Aussagen gezeigt, daß Schlier die AJ in allzu großer Nähe zum valentinischen System gesehen hat, doch wird man daran festhalten müssen, daß in den Akten mit der Vorstellung vom Lichtkreuz und seiner scheidenden und festigenden Funktion (Kap. 98) ein Motiv anklingt, das sich auch in der valentinischen Gnosis findet und dort spekulativ ausgestaltet ist, ohne daß damit gradlinige Beziehungen zwischen den AJ und dem valentinischen System behauptet werden können. 6. ABFASSUNGSVERHÄLTNISSE: Jeder Versuch, etwas über die Abfassungsverhältnisse der AJ zu sagen, führt in das Gebiet der reinen Vermutungen. Es mag möglich sein, daß ihr "Evangelium" als schriftliche Fixierung gnostischer Johannestraditionen seine Heimat in einem gnostischen Christentum Syriens hat; dafür könnte auch sprechen, daß das rätselhafte np ueovß6:rq; Kap. 97 vielleicht als Wiedergabe des aramäisch/syrischen '&rübtii,' zu verstehen ist (s. u., S. 157, Anm. 4). Als Ganzes aber können die Akten möglicherweise dort zu Hause sein, wo sie ihren Apostel wirken lassen, in Kleinasien; auch der ausgeprägte Monarchianismus mag auf diese Heimat des Praxeas und Noiit weisen; allerdings enthält der überlieferte Bestand außer einer allgemeinen Tradition von der Wirksamkeit des Johannes in Kleinasien und seinem Tod in Ephesus nichts, was sich als wirkliche Lokaltradition ansprechen ließe; im Gegenteil läßt sich gerade die Darstellung der ephesinischen Wirksamkeit des Apostels kaum als in Ephesus entstanden denken, denn es ist höchst unwahrscheinlich, daß dort angesichts des 263 bei einem Goteneinfall zerstörten Artemistempels die vielleicht erst durch die AJ geschaffene Legende von seiner Zerstörung durch Johannes (Kap. 38ff.) hätte Fuß fassen können. Unsicher bleibt auch die Abfas8ungszeit der AJ. Die Tatsache, daß sie zuerst bei Euseb bezeugt sind und ungefähr um die gleiche Zeit von den Manichäern rezipiert wurden (s.o., S. 126), läßt an das dritte Jahrhundert denken; zwingende Gründe für die Annahme einer früheren Abfassungszeit gibt es jedenfalls nicht, wenn auch die im "Evangelium" der Akten verarbeiteten esoterischen Johannestraditionen schon im zweiten Jahrhundert - im Apokryphon des Johannes und bei Clemens von Alexandrien (s.o., S. 47 f.) - greifbar sind. 1 Lipsius I, S. 523ff.; James, Apocr. anecd. H, S. XX f.; Zahn, Neue kirchI. Ztschr. 10, 1899, S. 211 ff.; Hilgenfeld, Ztschr. f. wiss. Theol. 43, 1900, S. 31, Anm. 3 u. 4; S. 36ff.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
JOHANNESAKTEN * Der Anfang der AJ ist verloren. Das von Bonnet als Kap. 1-17* abgedruckte Stück gehört nicht hierhin und geht überhaupt nicht auf die AJ zurück (s.o., S. 130f.), und es ist ohnedies unwahrscheinlich, daß, wie James (S.228) annehmen möchte, vor dem in Kap. 19ff. berichteten ersten Eintreffen des Johannes in seinem eigentlichen Wirkungsbereich von einem Prozeß gegen ihn und dessen Folgen erzählt worden sein sollte. Geht man von der Voraussetzung aus, daß die verlorenen Teile der AJ weniger als die Hälfte des noch erhaltenen Bestandes ausgemacht haben (s.o., S. 128f.) und daß die zu Beginn von Kap. 37 und nach Kap. 55 ausgefallenen Stücke einen ziemlichen Umfang gehabt haben müssen (s. u., S. 150 und S. 164), so hleibt für den Anfang nicht allzuviel Raum. Die Annahme, daß dort von einem Aufbruch des Johannes aus Jerusalem und seiner Fahrt his Milet (vgl. Kap. 18) die Rede war, dürfte nicht ganz unwahrscheinlich sein. Außerdem mußte dort der Erzähler (Leucius, s.o., S. 121 ff.) sowie von den in Kap. 18 genannten Personen mindestens Dämonikus und die Frau des Marcellus eingeführt worden sein. James vermutet ferner, daß das zweite der im apokryphen Titusbrief verarbeiteten Stücke dem verlorenen Anfang der Akten angehört habe (s.o., S. 140f.). Über Milet nach Ephesus
18 Johannes aber eilte nach Ephesus, getrieben von einem Gesicht. Deshalb hielten ihn Dämonikus, dessen Verwandter Aristodemus und ein sehr reicher (Mann namens) Kleobius sowie die Frau des Marcellus mit Mühe einen Tag in Milet zurück und ruhten mit ihm aus. Als sie aber am frühen Morgen fortzogen und schon etwa vier Meilen des Weges geschafft waren, erhob sich, während wir alle es hörten, eine Stimme vom Himmel: "Johannes, du sollst in Ephesus deinem Herrn Ruhm verschaffen - (einen Ruhm), von dem du wissen wirst - du und alle deine Brüder bei dir und einige von denen, die dort durch dich glauben werden." Da erwog J ohannes freudig bei sich, was das wohl wäre, was sich in Ephesus ereignen sollte, und sagte: "Herr, siehe, nach deinem Willen gehe ich. Es geschehe, was du willst." Erster Aufenthalt in Ephesus (Kap. 19-55) Lykomedes und Kleopatra
19 Und als wir uns der Stadt näherten, kam uns Lykomedes, der Stratege der Epheser, ein *wohlhabender* Mann, entgegen, fiel Johannes zu Füßen und flehte: "Ist Johannes dein Name1 Der Gott, den du verkündigst, hat dich gesandt zu einer Wohltat an meiner Frau, die bereits sieben Tage *gelähmt ist* und unheilbar darniederliegt. Aber verherrliche deinen Gott, indem du sie heilst und Erbarmen mit uns hast! Denn während ich *mir* schon überlegte, die Folgerung *daraus* zu ziehen, trat jemand zu mir und sprach: '*Lykomedes*, laß ab von dem Gedanken, der dich anficht, da er verderblich ist. Unterwirf dich *ihm* nicht! Ich habe mich * Die schlechte Textüberlieferung macht eine erhebliche Anzahl von Emendationen und Konjekturen notwendig; sie sind in der folgenden Übersetzung dergestalt vermerkt, daß alle Stellen, an denen von dem in Aa II 1 gedruckten Text Bonnets abgewichen wird, in * eingeschlossen sind (z. B. *wohlhabender* zu Beginn von Kap. 19); (*) weist auf eine Auslassung gegenüber dem Bonnetschen Text; für Konjekturen, zu denen keine Anmerkungen gegeben sind, sei auf den kritischen Apparat Bonnets und den Kommentar von Schimmelpfeng im Handb. verwiesen. - Die Überschriften zu den einzelnen Abschnitten stammen vom Übersetzer. - ( > = Ergänzungen. () = erklärende Zusätze.
1. Johannesakten
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nämlich meiner Magd Kleopatra erbarmt und aus Milet einen Mann namens Johannes geschickt, der sie aufstehen lassen und dir gesund wiedergeben wird.' Säume nun nicht, Knecht Gottes, der dich [oder: *sich*] mir offenbart hat; eile vielmehr zu meiner Frau, die eben noch Atem hat!" Da ging Johannes sogleich mit den Brüdern, die bei ihm waren, und *Lykomedes* vom Tor zu dessen Haus. Kleobius aber sagte zu seinen Dienern: "Gehet hin zu meinem Verwandten Kallipus und laßt euch eine *angenehme* Herberge geben - denn ich komme mit meinem Sohn dorthin -, damit wir alles schön vorfinden!" 20 Als aber Lykomedes mit Johannes in das Haus kam, in dem die Frau darniederlag, berührte er wieder dessen Füße und sagte: "Sieh, Herr, die erloschene Schönheit; sieh die Jugend; sieh die (doch so) berühmte (einer) Blüte (gleiche Anmut) meiner unglücklichen Frau, ob der ganz Ephesus außer sich geriet! Man hat mich Unglücklichen beneidet, man hat mich gedemütigt, das Auge meiner Feinde hat mich getroffen! Niemals habe ich, obwohl ich doch vielen hätte Schaden zufügen können, jemanden Unrecht getan, weil ich gerade dies vor Augen hatte und mich vorsah, damit ich nicht etwas Böses oder ein *derartiges Unglück* sehen möchte. Was hat es nun genützt, Kleopatra, daß ich so achtsam war? Welchen Nutzen hat es mir nun gebracht, daß ich bis heute für einen frommen Mann gegolten habe? Ich leide Schlimmeres als ein Gottloser, da ich dich, *Kleopatra*, so sehr darniederliegen sehe. Die Sonne soll mich nicht mehr sehen bei ihrem Lauf, wenn du nicht mehr meine *Vertraute bist*. Ich will dir zuvorkommen, Kleopatra, und mich selbst des Lebens entledigen. Nicht achten will ich meines noch so jugendfrischen Wohlseins. Ich will mich vor Dike verantworten, da *ich* (ihr) gerecht gedient habe, wenn es statthaft ist, daß *mit* ihr gerechtet wird, da sie ungerecht richtet. Ich werde sie zur Verantwortung ziehen, wenn ich als (bloßes) Trugbild von Leben hinkomme (zu ihr). Ich werde zu ihr sagen: 'Du hast mich genötigt, das Licht
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XIII. Apo8telge8chichten de8 2. und 3. Jahrhundert8
der uns immer *verlacht*, Anlaß zu tanzen! Vielmehr eile dein heiliger Name und dein Erbarmen! Erwecke die beiden Leiber, die (durch ihren Tod Anlaß zur Feindseligkeit) gegen mich geworden sind!" 22 Und da Johannes noch solche Worte ausstieß, lief die Stadt der Epheser zusammen zum Haus des Lykomedes (in der Annahme), er sei gestorben. Als aber Johannes die große Menge sah, die da zusammengekommen war, sprach er zum Herrn: "Jetzt ist die Zeit der Erquickung! und der Zuversicht zu dir, Christus. Jetzt ist für uns Müde die Zeit der Hilfe von dir, Arzt, der du umsonst *heilst*. Bewahre meinen Eingang hierher frei von Spott! Ich bitte dich, Jesus, *verhilf* einer so großen Menge dazu, zu dir zu kommen, dem Gebieter über das All. Sieh die Bedrängnis! Sieh die (Toten) da liegen! Rüste du auch von denen, die darum zusammengekommen sind, heilige Werkzeuge für deinen Dienst zu, wenn sie deine Gabe gesehen haben. Du selbst, Christus, hast ja gesagt: Bittet, 80 wird euch gegeben! 2 So bitten wir dich nun, König, nicht um Gold noch Silber, nicht um Besitz noch Schätze noch um irgend etwas von dem, was auf Erden ist und vergeht, sondern um zwei Seelen, durch die *du (diejenigen, die zugegen) sind*, zu deinem Weg bekehren *wirst*, zu deiner Unterweisung, zu deiner Zuversicht, zu deiner wunderbaren Verheißung. Denn einige von ihnen werden, wenn sie deine Macht durch die Auferweckung der Entseelten erfahren haben, gerettet werden. So verleihe auch selbst Hoffnung auf dich! Darum will ich nun zu Kleopatra hingehen und sagen: 'Steh auf im Namen Jesu Christi!' "3 23 Und er ging hin, berührte ihr Gesicht und sagte: "Kleopatra, es spricht der, den jeder Machthaber und jede Kreatur, Gewalt und Abgrund und jedwede Finsternis, der freudlose Tod, die Höhe der Himmel und die Krümmungen der Hölle, die Auferstehung der Toten und das Gesicht der Blinden, die gesamte Macht des Weltherrschers und der Hochmut des Machthabers fürchten (- er spricht): Steh auf und werde nicht zum Vorwand für viele, die nicht glauben wollen, und *zur Bedrängnis den Seelen, die* zu hoffen und gerettet zu werden *vermögen*!" Da rief Kleopatra sogleich mit lauter Stimme: "Ich stehe auf, Gebieter, rette deine Magd!" *Als sie aber aufgestanden war* nach sieben Tagen (unheilbaren Darniederliegens), geriet die Stadt der Epheser in Erregung über den unbegreiflichen Anblick. Kleopatra aber fragte nach ihrem Mann Lykomedes. Da sagte Johannes zu ihr: "Kleopatra, behältst du deine Seele unerschütterlich und unverwandt, so wirst du deinen Lebensgefährten Lykomedes (wieder) hier bei dir *stehen* haben, wenn du dich durch das, was geschehen ist, nicht erschüttern noch erregen läßt, da du gläubig geworden bist an meinen Gott, der ihn (dir) durch mich lebendig (wieder)schenken wird. Komm mit mir in dein anderes Schlafzimmer, und du wirst ihn sehen, der (zwar) gestorben ist, aber durch die Kraft meines Gottes wiederersteht." 24 Und als Kleopatra mit Johannes in ihr Schlafzimmer kam und Lykomedes sah, gestorben um *ihret*willen, verlor sie die Stimme, knirschte mit den Zähnen, biß sich auf die Zunge, schloß ihre Augen und ließ Tränen hervorströmen, und still wandte sie ihre Aufmerksamkeit dem Apostel zu. Johannes aber hatte Mitleid mit Kleopatra, als er sah, daß sie nicht von Sinnen kam noch außer sich geriet, rief das vollkommene und nicht überhebliche Erbarmen an und sprach: "Herr Jesus Christus, du siehst, was (sie) bedrängt; du siehst die 1
a
Vgl. AG 3,20. 2 Mt. 7, 7 par. AG 9, 40 in d. altlat. u. sahid. Übers. u. d. Peschita d. Thomas von Heraklea.
1. J ohanne8akten
147
Not; du siehst, wie Kleopatra in ihrer Seele *aufschreit* durch ihr Schweigen; denn sie verschließt in sich das unerträgliche Rasen (ihres Schmerzes). Ich weiß aber, daß um Lykomedes willen auch sie noch sterben wird." Und sie sagte leise zu Johannes: "Das habe ich im Sinn, Gebieter, und sonst nichts." Da trat der Apostel an das Lager, auf dem Lykomedes lag, ergriff Kleopatras Hand und sprach: "Kleopatra, der Menge wegen, die dabeisteht!, und wegen deiner Verwandten, die hinzugekommen sind, sprich mit lautem Ruf zu deinem Mann: 'Steh auf, preise den Namen Gottes; denn er schenkt Toten Tote (wieder)'." Und als sie hinzutrat und zu ihrem Mann sprach, wie ihr gelehrt war, da erweckte sie ihn sogleich. Er aber stand auf, fiel zu Boden und küßte des Johannes Füße. Doch der hob ihn auf und sagte: "Nicht meine Füße küsse, Mensch, sondern die des Gottes, durch dessen Macht ihr beide aufgestanden seid!" 26 Lykomedes aber sagte: "Ich bitte dich und beschwöre dich bei dem Gott, in dessen Namen du uns erweckt hast, bei uns zu bleiben samt allen, die mit dir sind." Ebenso berührte auch Kleopatra seine Füße und sagte dasselbe. J ohannes aber sagte zu -ihnen: "Morgen werde ich bei euch sein." Doch jene sprachen wieder zu ihm: "Wir haben (ja noch) keine Hoffnung auf deinen Gott; vielmehr wären wir umsonst auferweckt, wenn du nicht bei uns bliebest." Auch Kleobius zusammen mit Aristodemus sowie *Dämonikus* sagten, in der Seele betroffen, zu Johannes: "Laßt uns bei ihnen bleiben, damit sie ohne Anstoß beim Herrn bleiben." Und er blieb dort mit den Brüdern. Das Bild des J ohannes 26 Es *kam* eine große Volksmenge zusammen wegen Johannes. Und während er den Anwesenden predigte, ging Lykomedes, der einen befähigten Maler zum Freund hatte, eilends zu diesem und sagte ihm: "Du siehst, daß ich mich selbst zu dir bemüht habe. Komm schnell in mein Haus, und welchen ich dir zeige, den male ohne sein Wissen!" Da gab der Maler jemanden das notwendige Arbeitsgerät und die Farben und sagte zu Lykomedes: "Zeige mir ihn und sei im übrigen unbesorgt!" Da zeigte Lykomedes Johannes dem Maler, brachte ihn in (seine) Nähe und schloß ihn in einen Wohnraum ein, von dem aus der Apostel Christi zu sehen war. Lykomedes aber war mit dem Seligen zusammen und labte sich im Glauben und in der Erkenntnis unseres Gottes und freute sich immer mehr darüber, daß er ihn in einem Bildnis haben sollte. 27 Der Maler machte nun am ersten Tag eine Umrißzeichnung und ging dann fort. Tags darauf aber malte er ihn auch mit Farben aus und übergab so dem Lykomedes zu seiner Freude das Bildnis. Der nahm es, stellte es in seinem Schlafzimmer auf und bekränzte es, so daß Johannes, als er später (etwas) gemerkt hatte, zu ihm sagte: "Mein geliebtes Kind, was treibst du (eigentlich), wenn du vom Bad allein in dein Schlafzimmer gehst? Bete ich nicht mit dir und den übrigen Brüdern? Oder verbirgst du (etwas) vor uns?" Und während er das sagte und mit ihm scherzte, ging er in das Schlafzimmer und sah ein bekränztes Bildnis eines alten Mannes und Leuchter daneben stehend und *einen Altar* davor. Da rief er ihn und sagte: "Lykomedes, was hat es dir mit diesem Bildnis auf sich? Ist es einer von deinen Göttern, der da gemalt ist? Ich sehe ja, daß du noch heidnisch lebst!" Und Ly1
10·
Vgl. Joh. 11,42.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
komedes antwortete ihm: "Gott ist für mich jener allein, der mich mit meiner Lebensgefährtin vom Tode erweckt hat. Sofern man aber nach jenem Gott auch unsere menschlichen Wohltäter Götter nennen darf, bist du es, Vater, der auf dem Bildnis für mich gemalt ist, den ich bekränze und liebe und verehre als den, der mir ein guter Führer geworden ist." 28 Da sagte Johannes, der noch niemals sein eigenes Antlitz gesehen hatte, zu ihm: "Du treibst Scherz mit mir, Kind. Bin ich so von Gestalt ( ... ) deinen Herrn? Wie überzeugst du mich davon, daß das Bildnis mir ähnlich ist?" Da brachte Lykomedes ihm einen Spiegel, und als er sich selbst im Spiegel gesehen und genauer auf das Bildnis hingeschaut hatte, sprach er: "So wahr der Herr Jesus Christus lebt, das Bildnis ist mir ähnlich! Doch nicht mir, Kind, sondern meinem fleischlichen Bild. Denn wenn dieser Maler, der dieses mein Gesicht nachgebildet hat, mich in einem Bildnis darstellen will, dann *fehlt es ihm* an den Farben, die dir jetzt gegeben sind, und an Tafeln [und an Gelegenheit (?) und an ... (?)], an Haltung (und) Gestalt, an Alter und Jugend sowie an allem Sichtbaren." 29 "Werde du mir aber ein guter Maler, Lykomedes. Du hast Farben, die dir durch mich J esus gibt, der uns alle für sich malt, der die Gestalten und Formen und Haltungen und Verfassungen und Ausprägungen unserer Seelen kennt. Es sind aber diese Farben, die ich dir zu malen auftrage: Glaube an Gott, Erkenntnis, Gottesfurcht, Liebe, Gemeinschaft(ssinn), Sanftmut, Güte, Bruderliebe, Keuschheit, Lauterkeit, Unerschütterlichkeit, Furchtlosigkeit, Heiterkeit, Ehrbarkeit und der ganze Farbenreigen, der deine Seele abbildet und deine Glieder, die niedergeworfen sind, alsbald erhebt, die sich aber erhoben haben, ins Gleichmaß bringt, der die Wunden versorgt und die Verletzungen heilt, der deine *zerzausten* Haare zurechtlegt, dein Angesicht wäscht, deine Augen erzieht, dein Inneres reinigt, deinen Bauch leermacht und deinen Unterleib verstümmelt; kurz, wenn eine völlige (Mengung) und Mischung der so beschaffenen Farben sich in deiner Seele zusammenfindet, wird sie diese unerschrocken, *unverzagt* und festgeformt vor unseren Herrn Jesus Christus hinbringen. Was du aber jetzt getan hast, ist kindisch und unvollkommen. Du hast ein totes Bildnis eines Toten gemalt." Heilung der alten Frauen
30 Und er befahl Verus, dem Bruder, der ihm diente, die alten Frauen in ganz Ephesus herbeizuführen, und traf (*) zusammen mit Kleopatra und Lykomedes Vorbereitungen zur Fürsorge (für sie). Da kam Verus und sagte *zu Johannes*: "Von den Frauen über sechzig, die es hier gibt, habe ich lediglich vier bei leiblicher Gesundheit vorgefunden, von den übrigen aber (einige ... ), einige gelähmt und andere krank." Als aber Johannes das gehört hatte, verhielt er sich lange still; dann rieb er sein Gesicht und sagte: "Ach, (welche) Schlaffheit der Bewohner von Ephesus! Ach, (welcher) Verfallszustand und (welche) Schwäche gegenüber Gott! Ach Teufel, der du im Lauf der Zeit mit den Gläubigen in Ephesus dein Spiel getrieben hast! Jesus, der mir Gnade verleiht und mich die Gabe der Zuversicht in ihn haben (läßt), spricht jetzt in Schweigen zu mir: 'Sende nach den kranken alten Frauen und begib dich mit ihnen ins Theater und heile sie durch mich! Denn unter denen, die zu diesem Schauspiel kommen, sind einige, die ich durch derartige Heilungen, *die* zu etwas *von Nutzen sind* (?), bekehren will'." 31 Als aber alles Volk bei Lykomedes zusammengekommen war wegen Johannes,
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1. J ohannesakten
schickte er alle fort und sagte: "Kommt morgen ins Theater, so viele ihr die Macht Gottes (sehen) wollt!" Die Menge aber kam am nächsten Tag *noch* zu nächtlicher Stunde ins Theater, so daß auch der Prokonsul, der davon erfuhr, hineilte und sich mit allem Volk niederließ. Andronikus aber, ein gewisser Stratege, der zu jener Zeit der Erste der Epheser war, ließ verlauten, *Johannes habe* Unmögliches und Unglaubliches *versprochen*. "Wenn er etwas derartiges, wie ich höre, *vermag*", so sagte er, "dann soll er das öffentliche Theater, wenn es geöffnet ist, unbekleidet betreten und ohne etwas in seinen Händen zu halten, und er soll nicht jenen magischen Namen nennen, den ich ihn habe aussprechen hören." 32 Als nun Johannes das erfahren hatte, befahl er, bewegt von diesen Worten, die alten Frauen ins Theater zu bringen. Als sie alle - die einen von ihnen auf Betten, die anderen, während sie im Schlaf lagen 1 - in die Mitte gebracht waren und die ganze Stadt zusammengelaufen war, tat Johannes, nachdem tiefes Schweigen eingetreten war, seinen Mund auf und begann zu reden: 33 "Männer von Ephesus, erfahret zuerst, weshalb ich Inich in eurer Stadt aufhalte oder welches meine Zuversicht euch gegenüber 2 ist, (die) so groß (ist), daß sie ([oder: ich]) auch dieser allgemeinen Versammlung, euch allen, *offenbar* wurde. Ausgesandt also bin ich zu einem Sendbotendienst nicht menschlicher Art, auch nicht auf eine vergebliche Reise. Auch bin ich kein Kaufmann, der Kauf- und Tauschgeschäfte betreibt. Vielmehr will der, den ich verkündige, Jesus Christus, der barmherzig und gütig ist, euch insgesamt, die ihr vom Unglauben beherrscht und an schändliche Begierden verkauft seid, bekehren und durch Inich aus der Verirrung befreien. Durch dessen Macht werde ich auch den Unglauben eures Strategen beschämen, indem ich die aufstehen lasse, die (hier) vor uns darniederliegen, an denen ihr alle seht, in welcher (Verfassung) und wie krank *sie sind*. Das ist Inir jetzt nicht möglich, wenn sie *umkommen*, und (daher) sollen sie durch Heilungen *Hilfe erfahren * (?)." 34 "Das aber wollte ich zuerst euren Ohren einstreuen, (nämlich) *Sorge zu tragen* für (eure) Seelen - deswegen bin ich (ja) zu euch gekommen - (und) nicht zu erwarten, daß diese Zeit ewig sei, die (doch nur) eine Zeit des Joches ist, und nicht Schätze zu sammeln auf Erden 3, wo (doch) alles dahinschwindet. Auch meint nicht, wenn euch Kinder zuteil geworden sind, in ihnen *Ruhe zu haben*, und versucht nicht, um deretwillen zu rauben und zu übervorteilen. *Seid* auch nicht *betrübt*, ihr Armen, wenn ihr nicht (die Mittel) *habt*, den Lüsten zu dienen; denn auch die (sie) haben, preisen (euch) glücklich, wenn sie krank sind. Und ihr Reichen, freut euch nicht darüber, mehr Schätze zu haben; denn Init deren Besitz verschafft ihr euch grenzenloses Leid, falls ihr ihrer verlustig geht, und wiederum seid ihr, *wenn sie vorhanden sind*, in Furcht, daß jemand ihretwegen *gegen* euch *angeht*. 35 Der du aber ob der Wohlgestalt deines Körpers stolz bist und den Blick erhebst, du wirst jedenfalls das Ende der Verheißungen (solcher Dinge) am Grabe sehen. Der du dich am Ehebruch freust, wisse, daß *Gesetz* und Natur sich (an dir) *rächen* und vor diesen das Gewissen. Du aber, Ehebrecherin, die du dem Gesetz *widerstrebst*, weißt nicht, wo *du hinkommen wirst*. Der aber den Bedürftigen nicht mitteilt, obwohl er Schätze *aufbewahrt* hat, der wird, wenn er dieses Leibes entledigt ist und des Erbarmens bedürftig im Feuer brennt, 1
Wohl fehlerhafte Textüberlieferung.
2
Vgl. 2. Kor. 7, 4.
3
Mt. 6, 19.
150
XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
keinen haben, der sich (seiner) erbarmt. Du aber, Jähzorniger und Tobender, wisse, daß du dich unvernünftigen Tieren gleich führst. Du aber, Trunkenbold, und der du Zwietracht stiftest, lerne, daß *du* von Sinnen *gekommen bist*, daß du schändlicher und schmutziger Begierde versklavt bist. 36 Der du dich aber an Gold freust und an *Elfenbein* und Edelsteinen ergötzt, siehst du, wenn die Nacht kommt, was du liebst? Der du aber (der Verlockung von) weichen Kleidern erlegen bist und dann aus dem Leben scheidest, *wird* das auch dort *nützen*, wo du hingehst? Der Mörder aber wisse, daß die verdiente Strafe doppelt (für ihn) bereit liegt nach dem Abscheiden von hier. Desgleichen werdet auch ihr - der Giftmischer, der Zauberer, der Räuber, der Betrüger, der Knabenschänder, der Dieb und alle, die in solchen Reigen gehören - geleitet von euren Werken zum unauslöschlichen Feuer l und zur größten Finsternis, in den Abgrund der Folterstätten und zu den ewigen Drohungen eingehen. Daher, Männer von Ephesus, bekehrt euch, da ihr auch das wißt, daß die Könige, die Herrscher, die Tyrannen, die Prahler und die in Kriegen Eroberungen gemacht haben bloß von hinnen scheiden und dann, in ewiges Elend versetzt, Qualen leiden." 37 Und nach diesen Worten heilte Johannes durch Gottes Macht alle Krankheiten. *
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Die summarisohe Aussage des ersten Satzes von Kap. 37 überbrüokt den Ausfall eines größeren Stüokes. Es muß dort die Gesohiohte von der Heilung der alten Frauen zu Ende geführt worden sein. Weiterhin läßt sioh nooh eine reoht umfangreiohe Drusiana-Andronikus-Gesohiohte für diese Lüoke ersohließen, der Henneoke das Fragment des Pap. Ox.850 reoto zuweisen möohte (s.o., S. 138 f.). Andronikus wird in Kap. 31 zum erstenmal erwähnt, und zwar als Ungläubiger, und zum zweitenmal ersoheint er in Kap. 37, jetzt aber als getreuer Sohüler des Johannes. Es muß also in dem ausgefallenen Stüok seine Bekehrung beriohtet worden sein. Der Bekehrung wiederum muß voraufgegangen sein (zum folgenden s.o., S. 132f.) die naoh Kap. 63 und dem maniohäisohen Psalmbuoh zu ersohließende Erzählung von der Einsohließung der Drusiana in einem Grabgebäude, woduroh ihr Gatte Andronikus sie zur Aufgabe ihres Enthaltsamkeitsentsohlusses zwingen wollte, und von der Ersoheinung des vielgestaltigen Christus vor ihr (vgl. Kap. 87). Verknüpft damit war höohstwahrsoheinlioh auoh der duroh das maniohäisohe Psalmbuoh bezeugte Berioht von einer vierzehntätigen Einsohließung des Johannes ,aus der Absioht, ihn verhungern zu lassen. Auf eine Erzählung von einer wunderbaren Befreiung beider muß dann die Evangeliumsverkündigung des Johannes (Kap. 87-105 der Zählung Bonnets) gefolgt sein. Da sie in Kap. 105 Andronikus als Bekehrten voraussetzt, kann man vermuten, daß seine Bekehrung irgendwie in Zusammenhang gebraoht war mit der Befreiung des Apostels und der Drusiana. Sohließlioh muß in diesem ganzen Erzählungskomplex nooh die Rede gewesen sein von einer Übersiedlung des Johannes in das Haus des Andronikus, die in Kap. 46 vorausgesetzt wird. Erhalten ist von alledem, sieht man von der fragliohen Einordnung des Pap. Ox. 850 ab, nur die Evangeliumsverkündigung des Johannes. Evangeliumsverkündigung des Johannes (Kap. 87-105) Einleitung der Evangeliumsverkündigung
87 Daher forschten die Anwesenden nach der Ursache und vor allem waren sie im Unklaren, weil *Drusiana* gesagt hatte: "Mir ist der Herr im Grab wie *Jo1
Mk. 9, 43.
1. J ohannesakten
151
hannes* erschienen und wie ein Jüngling." Da sie sich nun im Unklaren befanden und in gewisser Weise noch nicht im Glauben gefestigt waren, sagte J ohannes, der (das) unerschüttert hinnahm: 88 "Männer und Brüder, nichts Befremdliches noch Unglaubliches betreffs eurer Auffassung vom (Herrn) habt ihr erlebt, da auch wir, die er sich zu Aposteln auserwählt hat, vielfach in Versuchung geraten sind. Ich vermag euch (weder) *vorzutragen* noch aufzuschreiben, was ich gesehen und was ich gehört habe; *doch* muß ich mich jetzt eurem Gehör anpassen, und wie es jeder fassen kann, (so) will ich euch *das* mitteilen, dessen Hörer ihr werden könnt, damit ihr die ihn umgebende Herrlichkeit erkennt, die da war und ist jetzt und immerdar." Christi irdische Erscheinung "Als er nämlich die Brüder Petrus und Andreas auserwählt hatte, kam er zu mir und meinem Bruder Jakobus und sagte: 'Ich bedarf eurer; kommt zu mir!'l Und mein Bruder sagte Folgendes: 'Johannes, dies Knäblein dort am Strand, das uns gerufen hat - was will esr Und ich sagte: 'Welches Knäblein~' Er (antwortete) mir wiederum: 'Das uns zuwinkt.' Und ich erwiderte: 'Wegen unseres vielen Nachtwachens auf See siehst du nicht recht, mein Bruder Jakobus. Siehst du nicht den wohlgestalten, schönen, heiterblickenden Mann da stehenr Er aber sagte zu mir: 'Den sehe ich nicht, Bruder. Aber *laß uns hinausgehen*, und wir werden sehen, was das bedeuten soll'." 89 "Und als wir dann das Boot *ans Land* gebracht hatten, sahen wir, wie auch er uns half, das Boot festzumachen. Als wir uns aber von der Stelle entfernten, weil wir ihm *folgen* wollten, erschien er wiederum mir ziemlich kahl(köpfig), aber mit *dichtem* herab wallenden Bart, dem Jakobus aber als Haumbärtiger Jüngling. Wir *waren* daher beide *ratlos*, was das bedeuten sollte, was wir da zu sehen bekommen hatten. Und als wir ihm dann folgten, wurden wir allmählich (immer) ratlos(er), während wir über die Sache nachdachten." "Mir freilich zeigte sich damals das (folgende) noch Unbegreiflichere: ich versuchte nämlich, ihn für sich allein zu sehen, und niemals sah ich seine Augen *sich schließen*, vielmehr nur geöffnet. Oft aber *erschien* er mir als ein kleiner, ungestalter Mensch, und *dann wieder* zum Himmel hinblickend. Er hatte aber auch (noch etwas) Wunderbareres an sich: Wenn ich zu Tisch lag, *nahm* er mich an seine Brust 2, und ich schloß (ihn) (eng) an mich, und bald fühlte sich seine Brust für mich glatt und weich an, bald *hart* (und) wie etwas Felsenähnliches, so daß ich bei mir selbst im Unklaren war und *sagte*: 'Warum ist mir das *so*~' Und als ich mir Gedanken darüber machte, ( ... ) er ( ... )" 90 "Ein andermal nimmt er mich, Jakobus und Petrus mit auf den Berg, da er zu beten pHegte, und wir sahen (an) ihm ein solches Licht 3 , daß ein Mensch, der *sich* vergänglicher Rede *bedient*, unmöglich aussprechen kann, welcher Art es war. Wiederum führt er uns drei in gleicher Weise auf den Berg und sagt:
Vgl. Mk. 1, 16-20 parr. Vgl. Mk. 9, 2f. parr.
2 4
Vgl. Joh. 13,23.25. Joh. 20, 2.
152
XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
ihn überhaupt nicht mit Kleidern angetan, sondern entblößt *von denen*, (die) wir (gewöhnlich an ihm) *sahen*, und überhaupt nicht als einen Menschen. Und (ich sehe, daß) seine Füße weißer sind (*) als Schnee, so daß auch die Erde dort von seinen Füßen erhellt wird, und daß sein Haupt an den Himmel stößt, so daß ich Furcht bekam und aufschrie, er aber, als er sich umwandte, wie ein kleiner Mensch erschien und mich beim Bart *faßte*, ihn emporzog und zu mir sagte: 'Johannes, werde nicht ungläubig, sondern gläubig 1 und nicht vorwitzig!' Und ich sagte zu ihm: 'Was habe ich denn getan, Herr?' Ich sage euch aber, Brüder, ich habe an jener Stelle, wo er meinen Bart angefaßt hatte, dreißig Tage lang dermaßen Schmerzen gehabt, daß ich zu ihm sagte: 'Herr, wenn dein *Zupfen*, da du scherzt, solchen Schmerz verursacht hat, was (wäre geschehen), wenn du *mich* mit Schlägen bedacht hättest?' Und er sagte zu mir: '*Laß* es in Zukunft deine (Sorge) *sein*, den Unversuchlichen nicht zu versuchen'." 91 ,,*Petrus* und *Jakobus* aber *waren unwillig*, als ich mit dem Herrn redete, und winkten mir zu, daß ich mich zu ihnen begäbe und *den Herrn allein* ließe. Und ich ging, und beide sagten zu mir: 'Der mit dem Herrn redete, als *er sich* auf der (Berges-)Höhe *aufhielt*, wer *war* das? *Wir hörten* nämlich beide sprechen.' Und da *ich* seine große Gnade *bedachte* und seine vielgesichtige Einheit und seine beständig auf uns *blickende* Weisheit, sagte ich: 'Das werdet ihr *von ihm* erfahren, wenn ihr ihn fragt'." 92 "Wieder einmal, als wir, alle seine Jünger, in Gennesaret in einem Hause *schliefen*, gab ich allein, nachdem ich mich *in* meinen Mantel eingewickelt hatte, acht, was er tat. Und ich hörte ihn zunächst sagen: 'Johannes, schlafe!' Und als ich mich dann schlafend gestellt hatte, sah ich einen anderen, *ihm* Gleichen *herabkommen*2, *den ich auch* zu meinem Herren sagen *hörte*: 'Jesus, die du dir erwählt hast, sind dir gegenüber noch ungläubig.' Und mein Herr sprach zu ihm: 'Du sagst recht; es sind ja *Menschen*'." 93 "Eine andere Herrlichkeit will ich euch *berichten*, Brüder: Manchmal, wenn ich ihn anfassen wollte, stieß ich auf einen materiellen, festen Körper; ein andermal dann wieder, wenn ich ihn berührte, war die Substanz immateriell und unkörperlich und so, als sei sie überhaupt nicht existent." "Wenn er aber einmal von einem Pharisäer eingeladen war und der Einladung nachkam 3 , gingen wir mit ihm. Und jedem wurde ein Brot vorgesetzt von denen, die (uns) eingeladen hatten, wobei auch er eines erhielt. Das seinige aber segnete er und verteilte es unter uns, und von dem Wenigen wurde jeder satt 4 , und unsere Brote blieben ganz erhalten, so daß die, die ihn eingeladen hatten, in Entsetzen gerieten. " "Ich wollte aber oft, wenn ich mit ihm ging, seine Spur auf der Erde sehen, ob sie sich (dort) zeigte - sah ich doch, daß er sich von der Erde erhob - und sah (sie) niemals. Und dies erzähle ich euch noch, Brüder, gleichsam im Interesse der Ermunterung zum Glauben an ihn. Seine Groß- und Wundertaten nämlich sollen für jetzt verschwiegen werden, da sie unaussprechlich sind und wohl weder erzählt noch gehört werden können." Joh. 20, 27. • Zum Doppelgänger vgl. Pistis Sophia 61 (Schmidt/Till, GCS 45, S. 77f.); s.o., Bd. I, S.181. 3 Vgl. Lk. 7, 36; 11,37; 14,1. 4 Vgl. Mk. 6, 35-44parr. 1
1. J ohannesakten
153
Der Hymnus Christi
94 "Bevor er von den gesetzeswidrigen Juden, denen ihr Gesetz von einer gesetzeswidrigen Schlange gegeben ist, ergriffen wurde, versammelte er uns alle und sprach: 'Bevor ich jenen preisgegeben werde, wollen wir dem Vater lobsingen l und dann hinausgehen zu dem, was bevorsteht.' Er befahl uns nun, einen Kreis zu bilden, indem wir einander bei den Händen hielten, trat selber in die Mitte und sagte: 'Respondiert mir mit Amen!' Er begann also einen Hymnus zu singen und zu sagen: 2 1 'Ehre sei dir, Vater!' [Und wir umkreisten ihn und respondierten ihm mit Amen.J3 'Ehre sei dir, Logos! Ehre sei dir, Gnade!' - 'Amen.' 2 'Ehre sei dir, Geist! Ehre sei dir, Heiliger! Ehre sei deiner Ehre!' - 'Amen.' 3 'Wir preisen dich, Vater! Wir danken dir, Licht, in dem Finsternis nicht wohnt.' 4 - 'Amen.' 95 'Wofür wir aber danken, sage ich: 5 4 'Gerettet werden will ich, und retten will ich.' - 'Amen.' Vgl. Mk. 14,26 parr. Der nun folgende Hymnus ist von Pallas eingehend auf seinen formalen Aufbau hin untersucht worden, und die in der Übersetzung vorgenommene Einteilung in Verszeilen mit je drei Einheiten im Prolog und der Schlußdoxologie und je zwei Einheiten im übrigen Teil des Hymnus ist dieser Untersuchung entnommen. Pallas hat darüber hinaus den ganzen Hymnus in regelmäßige Strophen gegliedert, doch wurde diese Gliederung hier nicht übernommen, da sie nicht an allen Stellen glatt durchführbar zu sein scheint. Die durchgehende Numerierung der Verszeilen stammt vom Übersetzer. - Einige Bruchstücke des Hymnus teilt Augustin in ep. 237, 5-9 mit (s.o., S. 126f.); sie seien hier zusammengestellt (vorangestellt sind die Nummern der Verszeilen, in Klammern nachgesetzt die FundsteIlen bei Goldbacher IV [ = eSEL 57]): 4b.a: Retten will ich, und gerettet werden will ich (S. 530,17). 5b.a: Lösen will ich, und gelöst werden will ich (S. 529, 3 u. 29). 7a: Gezeugt werden will ich (S. 531, 4). 12: Singen will ich, tanzet alle (S. 531, 7. 9). 13: Wehklagen will ich, schlagt euch alle (S. 531, 12). 19: Schmücken will ich, und geschmückt werden will ich (S. 531, 13f.). 24: Eine Leuchte bin ich dir, der du mich siehst (S. 531, 18). 26: Eine Tür bin ich dir, der du an mir anklopfst (S. 531, 20f.). 30: Der du siehst, was ich tue, schweige über meine Werke (S. 531,26). 48: Mit dem Wort habe ich alles verspottet und bin durchaus nicht verspottet worden (S. 532, 17f.). 3 Diese Zeile kommt auf Kosten der Einfügung des Hymnus in die Akten bzw. ihr "Evangelium" . 4 Vgl. 1. Joh. 1,5; Jak. 1, 17. 5 Pallas (S. 226, Anm. 1) möchte Uyw in Aeye = "sage"! verbessern und sieht in der Zeile eine liturgische Anweisung. Doch wenn man sie als Einleitung zum folgenden ersten Hauptteil des Hymnus auffaßt, ist die erste Person durchaus möglich. 1
S
154
XIII. Apo8telge8chichten des 2. und 3. Jahrhundert8
5 'Gelöst werden will ich, und lösen will ich.' - 'Amen.' 6 'Verwundet werden will ich, und verwunden will ich.' - 'Amen.' 7 'Gezeugt werden will ich, und zeugen will ich.' - 'Amen.' 8 'Essen will ich, und gegessen werden will ich.' - 'Amen.' 9 'Hören will ich, und gehört werden will ich.' - 'Amen.' 10 'Gedacht werden will ich, der ich ganz Gedanke bin.' - 'Amen.' 11 'Gewaschen werden will ich, und *waschen*I will ich.' - 'Amen.' Die Gnade tanzt 2 • 12 'Flöten will ich, tanzet alle.' - 'Amen.' 13 'Ein Klagelied anheben will ich, die Trauergebärde vollführt (x6meO"{)at) alle.'3 - 'Amen.' 14 '(Die) 4 eine Achtheit lobsingt mit uns.' - 'Amen.' 15 'Die zwölfte Zahl tanzt oben.' - 'Amen.' 16 '*Dem AlI* zu gehört *der Tanzende*.'5 - 'Amen.' 17 'Wer nicht tanzt, begreift nicht, was sich begibt.'6 - 'Amen.' 18 'Fliehen will ich, und bleiben will ich.' - 'Amen.' 19 'Schmücken will ich, und *geschmückt werden* will ich.' - 'Amen.' 20 'Geeint werden will ich, und *einen* will ich.' - 'Amen'. 1 Aoiiaat ist mit Pallas (S. 227) statt AOVBW zu lesen; vgl. die aorist. Infinitive der voraufgehenden Zeilen. 2 Die Zeile fällt formal wie sachlich aus dem Aufbau des Hymnus; Pallas (S.227, Anm. 1) hält sie für eine liturgische Anweisung. "Gnade" (xaetc;) sei dabei "vielleicht ein kirchliches Amt" - doch das ist sehr fraglich. 3 Vgl. Mt. 11, 17 par. 4 Die Zeilen 14-17 zeigen nicht den fortführenden bzw. antithetischen Parallelismus der voraufgehenden und folgenden Zeilen; Pallas (S.224f.) möchte annehmen, daß sie ursprünglich nicht hierhin gehören, sondern infolge einer Assoziation zu den Zeilen 12f. (musikalisches und rhythmisches Sich-Äußern) hier eingefügt worden seien. • Cod. C: T0 158 OAWV iJJ XOeBVBW vnaeXBt. Konjektur von Pallas: T0 158 OAcp 0 xOeBVWV vnaeXBt; andere Vorschläge bei Bannet, App. z. St. 6 Pallas (S.227) will aus metrischen Gründen lesen ayvoei TO YWOf!BVOV statt TO YW. ayv. (Cod. Cl. Außerdem möchte er die Zeilen 16 und 17 in ihrer Reihenfolge umstellen.
1. Johannesakten
155
21 'Ein Haus habe ich nicht,
und Häuser habe ich.' - 'Amen.' 22 'Eine Stätte habe ich nicht,
und Stätten habe ich.' - 'Amen.' 23 'Einen Tempel habe ich nicht,
und Tempel habe ich.' - 'Amen.' 24 'Eine Leuchte! bin ich dir, der du Inich siehst.' - 'Amen.' 25 'Ein Spiegel bin ich dir, der du Inich erkennst.' - 'Amen.' 26 'Eine Tür bin ich 2 dir, (der)3 du an mir anklopfst.' - 'Amen.' 27 'Ein Weg bin ich 4 dir, (dem) Wanderer.' - ('Amen.')5 96 28 '*Wenn du* aber *Folge leistest* meinem Reigen, 29 sieh dich selbst in Inir, dem Redenden, 30 und wenn du gesehen hast, was *ich tue*, schweige über meine Mysterien 6 • 31 Der du tanzt, erkenne, was ich tue, weil dein ist7 32 dieses Leiden des Menschen 8 , das ich leiden werde. 33 Du *könntest* nämlich überhaupt nicht erkennen, was du leidest, 34 wenn ich dir nicht als Logos vom Vater gesandt wäre: Vgl. Offbg. 21, 23. • Vgl. Joh. 10,9. 3 Ergänzung von Pallas (S. 228). • Vgl. Joh. 14,6. 5 o~6, elfli ao! (.0) naeo~hrJ. (dprrv): die Ergänzung von .0 wird von Pallas (S. 228), die von dp1)v von Bonnet vorgeschlagen. Aber vielleicht gehört die Zeile 27 gar nicht ursprünglich in den Hymnus, sondern ist ein durch die johanneische Reminiszenz in Zeile 26 veranlaßter Zusatz, der aus Joh. 14, 6 geflossen ist. Auch der Aufbau macht das wahrscheinlich: die Zeilen 21-23 bringen drei antithetische Parallelismen (Haben - nicht Haben), die Zeilen 24-26 drei fortführende Parallelismen, die je aus einer Selbstprädikation des Offenbarers entwickelt sind; Zeile 27 wäre ein vierter Parallelismus dieser Art und würde als solcher überschießen. 6 Pallas (S.228) stellt den überlieferten Text völlig um und möchte die Zeilen 28-30 so rekonstruieren: "Wer die (*) Mysterien tut, *schweigt*" (als Überschrift). ,,*Indem du* meinem Reigen *Folge leistest*, / sieh dich selbst / in mir, dem Redenden, / und wenn du siehst, (halte ein)." Angesichts des von Augustin Initgeteilten Textes (s.o., S. 153, Anm. 2) muß er annehmen, daß der griechische Text vor seinem Übergang auf lateinischen Boden verunstaltet worden sei. 7 Von Pallas abweichende Gliederung der Halbzeilen. 8 Cod. C: .omo .oV dvf}ewnov naf}o,; nach Schlier (S. 162, Anm. 1) ist .0 statt .ov zu lesen; dvf}ewnov steht ohne Artikel als Anthropos, Urmensch. 1
156
XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
35 Der du sahst, was ich leide, als *Leidender* sahst du (mich) 1, 36 und als du sahst, bliebst du nicht stehen, sondern gerietest ganz in Bewegung. 37 In Bewegung geraten, weise zu werden, hast du mich als Stütze [wörtl. : RuhelagerJ; ruhe aus in mir 2 • 38 Wer ich bin 3, *wirst du erkennen * (dann), wenn ich fortgehe. 39 Wofür man mich jetzt ansieht, das bin ich nicht; 40 (was ich bin)4, wirst du sehen (dann), wenn du kommst. 41 Würdest du das Leiden kennen, das Nicht-Leiden würdest du haben. 42 Das Leiden erkenne, und das Nicht-Leiden wirst du haben! 43 Was du nicht weißt, selbst will ich es dich lehren. 44 Dein Gott bin ich, nicht des Verräters. 45 Ich will, daß ausgerichtet werden *heilige Seelen * nach mirs. 46 Das Wort erkenne der Weisheit! 47 Was mich betrifft, *wenn du * erkennen *willst, was ich war*: 48 *Mit dem Wort* habe ich (*) alles verspottet und bin durchaus nicht *verspottet worden*. 49 Ich hüpfte; du aber begreife das Ganze, 50 und wenn du es begriffen hast, sage: Ehre sei dir, Vater! ----1 Cod. C: wr; :n;aaXovTa elaer;: "als Leidenden sahst du (mich)"; aber so enthalten die beiden Halbzeilen eine Tautologie; daher ist mit Schlier (S. 162) und sachlich entsprechend den Zeilen 3lf. :n;aaxovra in :n;aaxwv zu verbessern. Daß Pallas (S. 229) fle vor eioer; einfügt, ist nicht nur metrisch, sondern auch inhaltlich gerechtfertigt. 2 Zeile 37 unterbricht mit ihrer Dreiteilung die Reihe der aus regelmäßig je zwei Halbzeilen bestehenden Verse; Pallas (S.229) vermutet deshalb, daß von ursprünglich vier Halbzeilen die zweite ausgefallen sei. Inhaltlich ist allerdings kein Bruch erkennbar. SPallas (S. 229) möchte eyw (in Tir; eiflt eyw) aus metrischen Gründen tilgen. 4 Die Ergänzung von Pallas (S. 229): 0 eiflt (8 Os elflthatte auch Bonnet vorgeschlagen) ist formal erforderlich und sachlich gut vertretbar. Der Ausfall ist durch Homöoteleuton zu erklären. 5 Cod. C: r}v{}flE~ea{}at IHÄw 'IjIvxair; uyEatr; e:n;' efls. Liechtenhan (Die Offenbarung im Gnosticismus, 1901, S. 128) übersetzt: "In Harmonie vereinigt werden will ich mit den mir geheiligten Seelen," erwägt aber, e:n;' eflt zum folgenden Satz zu ziehen, wie es James zugleich mit Änderung in e:n;' efloE getan hat. Besser scheint die Konjektur von Pallas zu sein, der (S. 230) 'IjIvxair; uyEatr; in 'IjIvxdr; uyEar; ändert_
1. J ohannesakten
'Wiederum sage mir 1: 51 Ehre sei dir, Vater! Ehre sei dir, Logos! Ehre sei dir, [heiliger] Geist.' 2
-
157
'Amen.'
Offenbarung des Kreuzesgeheimnisses 97 "Nachdem der Herr, Geliebte, so mit uns getanzt hatte, ging er fort. Und wir waren wie Verirrte oder auch in Schlaf Verfallene auf der Flucht 3, der eine dahin, der andere dorthin. Als ich ihn nun leiden sah, hielt ich nicht aus bei seinem Leiden, sondern floh auf den Ölberg und weinte über das Geschehene. Und als er am Freitag 4 (am Kreuz) aufgehängt wurde, war zur sechsten Tagesstunde Finsternis auf der ganzen Erde 5 . Und es stand mein Herr mitten in der Höhle und erhellte sie und sagte: 'Johannes, für die Menschen unten werde ich in J erusalem gekreuzigt und mit Lanzen und mit Rohren 6 gestoßen und mit Essig und Galle getränkt 7. Mit dir aber rede ich, und was ich rede, höre! Ich habe es dir eingegeben, auf diesen Berg zu gehen, damit du hörst, was ein Jünger vom Meister lernen muß und ein Mensch von Gott'." 98 "Und da er das getan hatte, zeigte er mir ein festgemachtes Lichtkreuz, und um das Kreuz herum eine große Volksmenge, die nicht nur eine Form hatte; und in ihm war eine Form und gleiches Aussehens. Den Herrn selbst aber sah ich oben auf dem Kreuz, und er hatte keine Gestalt, sondern nur eine Stimme, doch nicht die uns gewohnte Stimme, sondern eine liebliche und gütige und wahrhaft Gott (gehörige), die sprach zu mir: 'Johannes, einer muß von mir dieses hören; denn eines bedarf ich, der hören soll. Dieses Lichtkreuz wird von mir euretwegen bald Logos9 genannt, bald Vernunft, bald J esus, bald Christus, bald Tür10, bald Weg ll , bald Brot12, bald Same13, bald Auferstehung l 4, bald Sohn, bald Vater, bald GeistlS, bald Leben14, bald Wahrheit16 , bald Glaube, bald Gnade - *und so* (heißt es) für Menschen.' 1 Textanordnung nach Pallas (S. 230). Im Cod. C steht die Aufforderung mit der anschließenden Doxologie zwischen Zeile 46 und 47 und das abschließende "Amen" am Ende von Zeile 50. Es handelt sich aber doch um die Schlußdoxologie des Hymnus. 2 Cod. C: !56~a aOI nVeVpa äytOv; Pallas (S.230) schlägt vor, entsprechend Zeile 2 TO nVeVpa zu lesen und äytOV als sekundär anzusehen. 3 Mk. 14,50 par. , Der Text lautet in den meisten der von Bonnet benutzten L'-Hss Tip deovßuup, im Cod. C Tij deovßa. Hilgenfeld (Ztschr. f. wiss. Theol. 40, 1897, S. 470; 43,1900, S. 14, App. z. St.) hat vorgeschlagen, darin eine Wiedergabe des aramäischen 'arübä' oder 'arübtä' = Rüsttag, Freitag zu sehen, und James (JThSt 7, 1906, S.566-568) hat sich ihm angeschlossen, nachdem er einen Beleg aus dem 13. Jahrhundert für den christlichen Gebrauch dieses Wortes gefunden hatte; doch gibt es zahlreiche Belege für den Gebrauch von 'arübtä' im christlichen Syrisch. Duensing (nach Hennecke, Apokr. 2, S. 172, Anm. 2) hat allerdings diese Deutung wegen des überflüssigen zweiten a bestritten. • Vgl. Mk. 15, 33 parr. 6 Vgl. Mk. 15, 19 parr; Joh. 19,34; Petrusev. 9. 7 Vgl. Mt. 27, 34; Petrusev. 16. 8 s. u., S. 158, Anm. 1. 9 Joh. 1, 1. 10 Joh. 10, 9. 11 Joh. 14,6. 12 Joh. 6, 33. 35. 48. 13 Mk. 4, 26 parr. 14 Joh. 11,25. 15 Joh. 4, 24; 2. Kor. 3, 17. 16 Joh. 14,6.
158
XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
'Was es aber wirklich ist, an und für *sich* betrachtet und uns gegenüber genannt -: Es ist die Begrenzung aller Dinge, und *die starke Erhebung* *des* aus Unbeständigem *Gefestigten* und die Harmonie der Weisheit, Weisheit nämlich in Harmonie (?). Es gibt {aber Stätten) zur Rechten und zur Linken, Mächte, Gewalten, Herrschaften und Dämonen, Wirkungen, Drohungen, Zornesregungen, . Teufel, den Satan und die untere Wurzel, *aus der* die Natur des Werdenden hervorgegangen ist.' 99 'Dieses Kreuz also (ist es), welches sich durch das Wort das All zusammengefügt hat und welches das vom Werden (Herkommende) und das darunter (Befindliche) begrenzt hat, (welches) dann auch in {eines) alles *gefestigt* hat. Dies ist nicht das hölzerne Kreuz, das du sehen wirst, wenn du von hier hinuntergehst. Auch bin ich nicht der am Kreuz, (ich), den du jetzt nicht siehst, sondern (dessen) Stimme du nur hörst. Was ich nicht bin, dafür bin ich gehalten worden, der ich nicht bin, was ich für viele andere war. Vielmehr ist das, was sie von mir sagen werden, niedrig und mir nicht angemessen. Da nun der Ort der Ruhe weder zu sehen noch auszusagen ist, um wieviel mehr werde ich, der Herr dieses (Ortes), weder zu sehen {noch auszusagen) sein~' 100 'Die {nicht)l einförmige Menge um das Kreuz herum ist die untere Natur. Und wenn die, die du in dem Kreuz siehst, auch (noch) nicht eine einzige Form haben -: noch ist nicht jedes Glied des Herabgekommenen zusammengefaßt. Wenn aber die *Menschennatur* und ein mir nahekommendes und meiner Stimme folgendes 2 Geschlecht aufgenommen ist, wird *der, der* mich jetzt *hört*, *mit diesem* vereint werden und nicht mehr sein, was er jetzt ist, sondern über ihnen (sein) wie ich jetzt. Denn solange du dich noch nicht selbst mein eigen nennst, bin ich nicht das, was ich bin. Wenn du aber mich hörst, *wirst* auch du als Hörender *sein* wie ich, und ich werde sein, was ich war, wenn *du*3 wie ich bei mir (bist); denn von *mir* bist du das, {was ich bin) (?). Kümmere dich daher nicht um die Masse, und die außerhalb des Mysteriums sind, verachte. Erkenne nämlich, daß ich ganz beim Vater bin und der Vater bei mir'4. 101 'Nichts von dem also, was sie über mich sagen werden, habe ich gelitten; aber auch jenes Leiden, das ich tanzend dir und den Übrigen gezeigt habe, will ich ein Mysterium genannt wissen. Denn was du *bist*, siehst du, das habe ich dir gezeigt. Was aber ich bin, das weiß allein ich, sonst keiner. Das Meine also *laß mich* haben, das Deine aber *sieh* durch mich, mich aber *sieh* wirklich nicht, {was) ich, wie ich sagte, bin, sondern was du als Verwandter zu erkennen *vermagst*. Du hörst, daß ich gelitten habe - und doch habe ich nicht gelitten -, daß ich nicht gelitten habe - und doch habe ich gelitten -, daß ich gestochen worden sei 5-und doch bin ich nicht geschlagen worden -, daß Blut aus mir *geflossen sei*5und doch ist es nicht geflossen -, kurz, daß ich das, was jene von mir sagen, nicht gehabt habe, jenes aber, was sie nicht sagen, gelitten habe. Was es aber ist, *deute ich dir an*; denn ich weiß, daß du es verstehen wirst. Erkenne mich daher als die Qual des Logos, das *Durchbohren * des Logos, das Blut des Logos, die Verwundung 1 Emendation und Interpretation mit Rücksicht auf den Anfang von Kap. 98 nach Schimmelpfeng (Handb., S.532; s. dort zu den Textschwierigkeiten und anderen Verbesserungsvorschlägen) . 3 Konjektur nach Schlier, S. 97. • Vgl. Joh. 18,37. 5 Vgl. Joh. 19,34. 4 Vgl. Joh. 14, 10.
1. Johannesakten
159
des Logos, das Anheften des Logos, den Tod des Logos. Und so rede ich unter Absehung vom Menschen. Als ersten also erkenne den Logos, dann wirst du den Herrn erkennen, an dritter Stelle aber den Menschen und was er gelitten hat'." 102 "Als er das zu mir gesagt hatte und anderes, das ich, wie er will, nicht zu sagen weiß, wurde er aufgenommen \ ohne daß jemand aus der Menge ihn sah. Und als ich (hinunter)gegangen war, verlachte ich jene alle, da er zu mir gesagt hatte, was sie über ihn geredet haben, und hielt nur das eine in mir fest, daß der Herr alles symbolisch und ökonomisch ausgeführt hatte zur Bekehrung und Rettung *des Menschen* ." Abschließende Mahnungen
103 "Da wir also, Brüder, die Gnade des Herrn geschaut haben und seine Liebe zu uns, *wollen wir*, die wir Erbarmung von ihm erfahren haben, *ihn anbeten*, nicht mit den Fingern und den Mündern noch überhaupt einem leiblichen Organ, sondern mit der Gesinnung *der Seele*, ihn, *der Mensch geworden ist* (abgesehen von) diesem Leib. Und wir wollen wachen, weil er auch jetzt in Gefängnissen zugegen ist um unseretwillen, und in Gräbern, Fesseln und Kerkern, bei Schmähungen und Mißhandlungen, auf dem Meer und auf dem Trockenen, bei Züchtigungen, *Verurteilungen*, Nachstellungen, Heimtücken, Bestrafungen; kurz, er ist mit allen von uns, und mit denen, die leiden, leidet auch er selbst, Brüder. Wird er von einem jeden von uns angerufen, so bringt er es nicht über sich, nicht auf uns zu hören, sondern, da er überall ist, *erhört* er uns alle, so auch jetzt mich und *Drusiana * als Gott der Eingeschlossenen, indem er uns Hilfe bringt durch seine Barmherzigkeit.' , 104 "Daher seid auch ihr überzeugt, Geliebte, daß ich euch nicht *verkündige*, (ihr sollt) einen Menschen *verehren*, sondern Gott, den Unwandelbaren, den *Unüberwindlichen*, Gott, der höher ist als alle Gewalt und alle Macht und älter und stärker als alle Engel und die sogenannten Schöpfungen und alle Äonen. Wenn ihr daher an *ihm* festhaltet und euch auf *ihn* erbaut, werdet ihr eure Seele unzerstörbar haben." 105 Und als Johannes dies den Brüdern mitgeteilt hatte, ging er mit Andronikus fort, um umherzuwandeln. Und *Drusiana* folgte ihm von weitem mit *allen*, um die von ihm gewirkten Taten zu schauen und sein Wort zu hören allzeit im Herrn.
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Zerstörung des Artemistempels
37 Die Brüder aus Milet sagten zu Johannes: "Wir sind lange Zeit in Ephesus geblieben. Wenn es dir gefällt, wollen wir nach Smyrna ziehen. Schon hören wir nämlich, daß die Großtaten Gottes 2 auch dorthin gedrungen sind. ' , Und Andronikus sagte zu ihnen: "Wenn der Meister will, dann wollen wir ziehen." Johannes aber sagte: "Zuerst wollen wir in den Tempel der Artemis gehen; denn vielleicht werden sich dort, wenn wir in Erscheinung treten, die Knechte des Herrn finden lassen." 1
Vgl. Mk. 16,19; AG 1,2; Petrusev. 19.
2AG2,11.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
38 Nun war zwei Tage später das Stiftungsfest des Götzentempels. Daher ging Johannes, als einziger schwarz angezogen, während alle (Leute) weiß gekleidet waren, hinauf zum Tempel. Man ergriff ihn aber und versuchte ihn zu töten. Doch Johannes sagte: "Ihr seid von Sinnen, daß ihr an mich, *einen Knecht* des einzigen Gottes, Hand anlegt." Und er stieg auf ein hohes Podest und sagte zu ihnen: 39 "Ihr seid in Gefahr, Männer von Ephesus, bei der Art des Meeres zu verharren; jeder ausmündende Fluß und jede hinabströmende Quelle, *Regengüsse* und in ununterbrochener Folge (wogende) Wellen und felsige Sturzbäche werden ebenfalls salzig von dem bitteren *Salzgehalt* (1) darin. So seid auch ihr bis heute unverändert der wirklichen Frömmigkeit entgegen(gerichtet) und geht in euren alten Kulten allmählich zugrunde. Wie viele durch mich (ausgerichtete) Wunder, Heilungen von Krankheiten, habt ihr gesehen! Und doch seid ihr blind in euren Herzen und könnt nicht sehen! Was ist nun, Männer von Ephesus1 Ich habe es gewagt und bin jetzt auch zu diesem euren Götzentempel heraufgekommen. Ich werde euch überführen, sofern ihr äußerst gottlos seid und tot *durch menschliche Denkweise*. Siehe, ich stehe hier! Ihr alle sagt, daß ihr die Artemis für eine Göttin (*) haltet [oder: daß die Artemis *Macht* besitze). Betet *also* zu jener, daß ich allein sterbe. Oder ich allein werde, wenn ihr dies nicht zu bewirken vermögt, meinen eigenen Gott anrufen und euch alle wegen eures Unglaubens töten." 40 Da sie aber längst ihre Erfahrungen mit ihm gemacht und gesehen hatten, wie Tote erwacht waren, schrien sie: "Bringe uns nicht auf diese Weise um - wir bitten dich Johannes! Wir wissen ja, daß du es vermagst." Da sagte Johannes zu ihnen: "Wenn ihr also nicht sterben wollt, so soll (doch) euer Kult zuschanden gemacht werden. Und weshalb *wird er zuschanden gemacht*1 Damit auch ihr von eurer alten Verirrung absteht. Denn gerade jetzt (gilt es): entweder bekehrt ihr euch durch meinen Gott, oder ich selbst will sterben durch eure Göttin. Denn ich will vor euch beten und meinen Gott anflehen, daß ihr Erbarmen findet." 41 Und als er dies gesagt hatte, betete er folgendermaßen: "Gott, der du über alle sogenannten Götter Gott bist, der du bis heute in der Stadt der Epheser nicht angenommen wirst, der du meinem Geist *eingegeben hast*, an diesen Ort, den ich niemals im Sinn hatte, zu kommen, der du jegliche Religionsübung widerlegst durch die Bekehrung zu dir, auf dessen Namen hin jeder Götze flüchtet sowie jeder Dämon und jede unreine Macht - auch jetzt erweise, weil sie in die Irre gehen, an diesem Ort dein Erbarmen, indem auf deinen Namen hin der hiesige Dämon *entflieht*, der eine solche Menge Volks irreleitet." 42 Und zugleich mit diesen Worten des J ohannes zerfiel plötzlich der Altar der Artemis in viele Stücke und die im Tempel aufgestellten Weihegaben fielen unversehens alle zu Boden, und was ihm gut schien p)l, zerbarst, desgleichen mehr als sieben von den Götterbildern. Und die Hälfte des Tempels fiel ein, so daß auch der Priester, als *das Dach* p) 2 herunterkam, mit einem Schlag getötet wurde. Da schrie die Volksmenge der Epheser: ,,(Es ist nur) ein Gott, (der) des Johannes! 1 TO r56';uv U'/lTq>. Die Vermutung von Hennecke (Apokr. 2, S. 174, Anm. 1): Ta r56uuvu am-wv (= ihr Untergestell) ist schwerlich vertretbar; Ta r56uuvu ist ein spezifischer Kult-
gegenstand des spartanischen Dioskurenkultes. 2 UUTeeXOI1,SvOV TOV IJ7:v",6vor;. Schimmelpfeng (Handb., S.507) liest: IJ7:ByOVr;; der Vorschlag von Hennecke (Apokr. 2, S. 174, Anm. 1): Tijr; GTu",lvTJr; (eigentlich Schiffsrippe) befriedigt auch nicht.
1. J ohannesalcten
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(Es ist nur) ein Gott, der sich unser erbarmt, denn du allein bist Gott! Jetzt haben wir uns bekehrt, da wir deine Wundertaten sehen. Erbarme dich unser, Gott, wie du (es ja) willst, und aus der großen Verirrung rette uns!" Und einige von ihnen lagen auf dem Gesicht ünd flehten, andere beugten ihre Knie und beteten, einige hatten ihre Kleider zerrissen und weinten und andere versuchten zu fliehen. 43 Johannes aber streckte seine Hände aus und sprach erhobenen Herzens zum Herrn: "Ehre sei dir, mein J esus, einziger Gott der Wahrheit, weil du deine Knechte mit mannigfachen Mitteln gewinnst." Und als er das gesagt hatte, sprach er zum Volk: "Steht vom Boden auf, Männer von Ephesus, und betet zu meinem Gott und erkennt seine unsichtbare Macht, die öffentlich sichtbar wird, und die wunderbaren Werke, die vor euren Augen geschehen! Artemis hätte *sich selbst* helfen müssen. Ihr Knecht hätte von ihr Hilfe erfahren sollen und nicht sterben dürfen. Wo ist die Macht des Dämonen (= der Göttin)? Wo sind die Opfer? Wo die Stiftungsfeste? Wo die Feiern? Wo die Kränze? Wo ist die große Zauberkunst und die ihr verschwisterte Tränkebrauerei ?" 44 Da stand das Volk vom Boden auf, lief eilends hin und riß den Rest des Götzentempels nieder, indem es schrie: "Den Gott des J ohannes allein kennen wir; ihn beten wir auch künftig an, da wir von ihm Erbarmen erfahren haben." Und als Johannes von dort hinabstieg, ergriff ihn eine große Menge, und sie sagten: "Hilf uns, J ohannes! Stehe uns bei, die wir sinnlos zugrunde gehen! Du siehst unseren Vorsatz. Du siehst die Menge, die dir folgt und sich an die Hoffnung auf deinen Gott hängt. Wir haben den Weg, auf dem wir in die Irre gingen, (als Irrweg) erkannt, da wir (ihn) verloren haben. Wir haben erkannt, daß unsere Götter vergebens *aufgestellt sind*. Wir haben das große und schimpfliche Hohngelächter über sie wahrgenommen. Doch gewähre uns - wir bitten dich -, daß uns, wenn wir zu (deinem) Haus kommen, ungehindert Hilfe widerfährt. Nimm uns an, die wir in Angst geraten sind!" 45 Da sagte Johannes zu ihnen: "Männer, glaubt, daß ich euretwegen in der Stadt der Epheser geblieben bin, obwohl es mich nach Smyrna und zu den übrigen Städten gedrängt hat, damit auch die dortigen Knechte Christi sich zu ihm bekehren. Aber da *ich zum Aufbruch veranlaßt wurde*, ohne schon völlig über euch beruhigt zu sein 0), bin ich geblieben und habe zu meinem Gott gebetet und ihn gebeten, (erst) dann aus Ephesus fortgehen (zu müssen), wenn ich euch gestärkt hätte. Und da ich sehe, daß dies *geschehen ist* und noch mehr *geschieht*, werde ich mich nicht von euch trennen, bis ich (euch) wie Kinder von der Ammenmilch entwöhnt und auf einen festen Felsen gestellt habe." Auferweckung des Artemispriesters 46 Also blieb Johannes bei ihnen und empfing sie (*) im Hause des Andronikus. Und einer der dort Versammelten hatte den toten Priester der Artemis, dessen Verwandter er war, vor dem Tor [HS fälschlich des Tempels] niedergelegt und war geschwind mit den übrigen hineingegangen, ohne jemanden etwas zu sagen. Daher sprach J ohannes nach der Predigt an die Brüder und dem Gebet und der Danksagung (Eucharistie), und als er die Handauflegung auf jeden der Versammelten vollzogen hatte, im Geist: "Unter den (Leuten) hier *ist einer*, der getrieben ist vom Glauben an Gott; (der) ist, nachdem er den Priester der Artemis vor dem Tor niedergelegt hat, hereingekommen (und) hat, da er im Verlangen seiner Seele
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11 Henneoke, Apokryphen Bd. 2
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seine *vornehmliche* Sorge (die) für sich selbst sein läßt, folgendes bei sich erwogen: 'Es ist besser, ich kümmere mich um den Lebenden als um meinen toten Verwandten. Ich weiß ja: wenn ich mich zum Herrn bekehrt und meine Seele gerettet habe, wird Johannes nicht dagegen eintreten, auch den Toten wieder aufstehen zu lassen'." Und Johannes erhob sich von (seinem) Platz und ging dorthin, wo der Verwandte des Priesters, der dies erwogen hatte, hingegangen war; und er nahm ihn bei der Hand und sprach: "Hast du dies erwogen, als du zu mir gekommen bist, Kind1" Da sagte *der*, von Beben und Schaudern gepackt: "Ja, Herr", und warf sich ihm zu Füßen. Und Johannes (sagte): "Unser Herr ist Jesus Christus, der seine Macht an deinem toten Verwandten erweisen wird, (*) indem er ihn wieder aufstehen läßt." 47 Und er richtete den jungen Mann auf, nahm ihn bei der Hand und sagte: "Es ist nichts *Großes* für einen Mann, der über große Geheimnisse *Gewalt hat*, sich noch mit den kleinen Dingen abzumühen. Oder was Großes ist es, daß (*) leibliche Krankheiten entschwinden1" Und während er immer noch den jungen Mann bei der Hand hielt, sprach er: "Ich sage dir, Kind, gehe hin und erwecke selbst den Verstorbenen, indem du nichts sagst als nur dies: 'Es sagt dir der Knecht Gottes, J ohannes: Steh auf!'" Der junge Mann ging hin zu seinem Verwandten und sagte nur dies, während eine große Volksmenge bei ihm war, und dann ging er mit ihm, dem (nun wieder) Lebendigen, hinein zu Johannes. Als aber Johannes den Auferweckten sah, sagte er: "Jetzt, da du aufgestanden bist, lebst du (dennoch) nicht wirklich und (bist) (dennoch) nicht Teilhaber und Erbe des wahrhaftigen Lebens. Willst du zu dem gehören, durch dessen Namen und Macht du aufgestanden bist1 So glaube nun, und du wirst leben in alle Ewigkeit." Der aber glaubte auf der Stelle an den Herrn Jesns und hielt sich fortan an Johannes. Begegnung mit einem Vatermörder
48 Tags darauf, als Johannes im Traum gesehen hatte, daß er drei Meilen außerhalb der Tore einherginge, blieb er nicht lässig, sondern stand frühmorgens auf und machte sich mit den Brüdern auf den Weg. Und (es war da) ein Landmann, der wurde von seinem Vater gemahnt, sich nicht die Frau seines Arbeitskameraden zu nehmen, während jener drohte, *ihn* [oder: *sich*] zu töten; der junge Mann (aber) ertrug die Mahnung des Vaters nicht, (sondern) schlug ihn und machte ihn stumm [nach dem Parallbericht des Ood. Q: streckte ihn plötzlich tot zu Boden]. Als aber Johannes sah, was sich zugetragen hatte, sprach er zum Herrn: "Herr, deswegen hast du mir aufgetragen, heute hierher zu kommen1" 49 Als aber der junge Mann den jähen Tod sah, da befürchtete er, ergriffen zu werden, riß die Sichel heraus, die in seinem Gürtel stak und stürzte hastig zu seiner Behausung. Doch J ohannes trat ihm entgegen und sagte: "Bleib stehen, du ruchloser Dämon, und sage mir, wohin du stürmst mit der blutgierigen Sichel!" Da ließ der junge Mann verwirrt das Eisen auf die Erde fallen und sagte ihm: "Etwas Nichtswürdiges und Unmenschliches habe ich vollführt, und ich weiß (das) und habe beschlossen, mir selbst ein noch gewaltsameres und grausameres Übel anzutun, ein für alle Male zu sterben. Denn während mich mein Vater stets ermahnte, ein keusches und ehrbares Leben zu führen, habe ich nicht ertragen, daß er mich zurechtwies, und ihn geschlagen und getötet. Und als ich sah, was geschehen war,
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wollte ich zu der Frau eilen, derentwegen ich zum Vatermörder geworden bin, darauf aus, sie zu töten und ihren Mann und als letzten vor allem auch mich selbst. Denn ich ertrage es nicht, den Blicken des Mannes d(ies)er Frau ausgesetzt zu sein, wenn ich die Todesstrafe erleide." 50 Da sagte Johannes zu ihm: "Damit ich nicht dem, der dich verlachen und verspotten will, Raum gebe, indem ich mich zurückziehe und darüber hinwegsehe, daß ihr in Gefahr seid -: Komm mit mir und zeige mir deinen Vater, wo er liegt. Und wenn ich ihn dir auferwecke, werde ich (dich) (dann auch) noch von der Frau abbringen, die dir (so) gefährlich geworden ist1" Da sagte der junge Mann: "Wenn du ihn, meinen Vater, mir lebendig aufstehen läßt und ich ihn ganz im Leben *weilen* sehe, will ich von dem Übrigen ablassen!" 51 Als er dies sagte, traten sie im Gespräch an die Stelle, wo der alte Mann tot dalag, und zahlreiche des Wegs Kommende standen an der Stelle. Da sagte J ohannes zu dem jungen Menschen: ".Armseliger, nicht einmal *das hohe Alter* deines Vaters hast du geschonM" Der aber weinte, raufte sich (das Haar) und sagte, er empfinde Reue darüber. Da sprach der Knecht des Herrn, Johannes: "Der du mir heute bedeutet hast, an diesen Ort zu kommen, der du weißt, daß dies geschehen sollte, dem *nichts* von den Taten im Leben verborgen bleiben kann, *der du mir jegliche* Heilung und Rettung gewährst, gewähre auch jetzt, daß der alte Mann (wieder) lebt, da du siehst, daß *der Mörder* sein eigener Richter geworden ist. Und schone ihn, du einziger Herr, (ihn), *der* seinen Vater *nicht schonte*, «nur) weil) der ihn zum Besten beriet." 52 Und als er dies gesagt hatte, trat er an den Greis heran und sprach: "Mein Herr wird nicht zu kraftlos sein, auch bis zu dir sein gütiges Erbarmen und nicht überhebliches Mitleid sich erstrecken zu lassen. So steh nun auf und gib Gott die Ehre an dem *faßbar* (1) gewordenen Werk!" Und der Greis sagte: "Ich stehe auf, Herr!" Und er stand auf. Als er sich (aber) aufgerichtet hatte, sagte er: "Mich, der ich frei geworden war von einem ganz schrecklichen Leben, der ich meines Sohnes furchtbare und zahlreiche Freveltaten und seine *Lieblosigkeit* *ertragen habe*, (mich) hast du zurückgerufen, Mann des lebendigen Gottes - wozu1" (Johannes aber erwiderte ihm: "Wenn) du eben dazu aufstehst, wäre es besser, du seiest tot. Doch zu Besserem erhebe dich!" Und er nahm ihn mit sich, führte ihn zur Stadt und verkündigte ihm die Gnade Gottes, so daß der Alte, bevor er ins Tor eintrat, glaubte. 53 Als aber der junge Mann die unerwartete Auferstehung seines Vaters sah und seine eigene Rettung, nahm er (die) Sichel, beseitigte seine Genitalien, lief zum Hause, in dem er die Ehebrecherin hatte, warf (sie) ihr ins Gesicht und sagte: "Deinetwegen wurde ich zum Mörder an meinem Vater und an euch beiden und an mir selbst. Da hast du das, was gleichermaßen *daran* schuld ist! Meiner hat sich Gott erbarmt, daß ich seine Macht erkenne." 54 Und er ging hin und berichtete dem Johannes angesichts der Brüder, was er getan hatte. Johannes aber sagte zu ihm: "Der dir, junger Mann, eingegeben hat, deinen Vater zu töten und Liebhaber der Frau eines anderen zu werden, der hat dir auch als gerechtes Werk hingestellt, die lästigen (Glieder) zu beseitigen. Du hättest aber nicht den (leiblichen) Sitz (des Übels) zunichte machen sollen, sondern die Gesinnung, die sich durch jene Glieder als böse erwies; denn nicht die Werkzeuge sind den Menschen schädlich, sondern die geheimen Quellen, durch die jede schädliche Regung angeregt wird und in Erscheinung tritt. Wenn du daher, mein Kind, Reue 11*
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empfindest und des Satans Listen erkannt hast, hast du Gott als deinen Helfer bei allem, was deiner Seele *nötig ist*." Und der junge Mann verhielt sich still , in Reue über seine früheren Sünden, auf daß er Vergebung erlangte von der Güte Gottes, und er trennte sich nicht von Johannes. Ruf nach Smyrna 55 Während er dies nun in der Stadt der Epheser vollbrachte, schickten die Smyrnäer Gesandte zu ihm, die sagten: "Wir hören, daß der Gott, den du verkündigst, nicht mißgünstig ist und dir aufgetragen hat, dich nicht mit Vorliebe an einem Ort nur aufzuhalten. Da du nun eines solchen Gottes Verkündiger bist, komm nach Smyrna und in die übrigen Städte, damit wir deinen Gott erkennen und, wenn wir ihn erkannt haben, in ihm Hoffnung besitzen!"
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Eine beträchtliche Lücke ist zwischen Kap. 55 und 58 anzunehmen. In Kap. 55 trifft den Apostel der Ruf "nach Smyrna und in die übrigen Städte", in Kap. 58 tritt er die Rückreise nach Ephesus an, wie die in Cod. M erhaltene Überschrift besagt, und zwar von Laodicea aus. Es muß demnach ein Reisebericbt ausgefallen sein, der von Ephesus über Smyrna und weitere Städte nach Laodicea geführt hat. Auf Grund dieser Namen und ihrer Reihenfolge hat Zahn (Neue kirchI. Ztschr. 10,1899, S. 198; Forschungen zur Gesch. d. nt!. KanonsVI, 1900, S. 197ff.) vermutet, daß es sich um eine Reise durch die sieben kleinasiatischen Städte von Offbg. 1, 11 gehandelt habe, dem Verfasser der Act. Joh. also die Apokalypse bekannt gewesen sei. Eine solche Verwertung der Apokalypse braucht allerdings nicht zu bedeuten, daß der Verfasser der Akten sie als Ganzes anerkannt und in seiner Erzählung ihre Abfassung durch J ohannes samt dem Patmosexil berichtet haben muß (vgI. Schmidt, S. 122f.); allem Anschein nach haben die AJ einen solchen Bericht nicht gehabt (s.o., S. 130f. und S. 144). Mag nun der ausgefallene Reisebericht in seinem Rahmen auf Offbg. 1, 11 beruhen oder nicht - auf jeden Fall wird er bei der langatmigen Erzählweise des Leucius einigen Umfang besessen haben. Möglicherweise hat ihm auch die nicht sicher einzuordnende Episode von Johannes und dem Rebhuhn angehört (s.o., S. 131 f.).
J ohannes und das Rebhuhn 56* Eines Tages nun, als Johannes (so) dasaß, flog ein Rebhuhn daher und kam herbei und badete sich im Staub vor ihm; und Johannes staunte, als er das sah. Es kam aber ein Priester, einer seiner Hörer, ging hin zu Johannes und sah das Rebhuhn vor ihm im Staub baden. Da nahm er Anstoß und sprach bei sich selbst: "Ein derartiger Mann in solchem Alter findet Freude an einem Rebhuhn, *das im Staub badet*~" Johannes aber erkannte im Geiste seinen Gedanken und sprach zu ihm: "Es wäre besser, auch du, mein Freund, sähest einem im Staub badenden Rebhuhn zu und beschmutztest dich nicht mit schändlichen und ruchlosen Taten. Der nämlich, der aller Bekehrung und Buße erwartet, hat dich deshalb hierher geführt. Habe ich doch ein Rebhuhn, das im Staube badet, nicht nötig; denn das Rebhuhn ist deine Seele." 57* Als der Alte das hörte und sah, daß er nicht unentdeckt geblieben war, sondern daß der Apostel Christi ihm alles, was in seinem Herzen war, gesagt hatte, da fiel er auf sein Gesicht zu Boden und rief: "Nun weiß ich, daß Gott in dir wohnt,
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seliger Johannes! Und selig ist, wer nicht Gott in dir versucht hat; denn wer dich versucht, versucht den Unversuchbaren." Er bat ihn aber, für ihn zu beten. Und (Johannes) unterwies ihn, gab ihm Regeln und entließ ihn in sein Haus, indem er Gott pries, der über allem (waltet).
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Aufbruch von Laodicea nach Ephesus Überschrift des Cod. M: Von Laodicea zum zweiten Mal nach Ephesus 58 Es war eine geraume Zeit vergangen, und keiner der Brüder war jemals von Johannes betrübt worden; dann (aber) wurden sie betrübt, weil er gesagt hatte: "Brüder, es ist nunmehr Zeit, daß ich nach Ephesus komme, - denn so bin ich mit denen, die dort weilen, übereingekommen -, damit sie nicht leichtfertig werden, weil sie lange Zeit keinen Menschen haben, der sie stärkt. Ihr alle aber richtet euren Sinn auf Gott, der uns nicht im Stich läßt." Als die Brüder das von ihm hörten, waren sie betrübt, da sie von ihm getrennt wurden. Aber Johannes sagte: "Wenn ich auch von euch scheide, so ist doch Christus immer mit euch. Wenn ihr ihn lauter liebt, werdet ihr die von ihm (herrührende) Gemeinschaft unverlierbar besitzen; denn er kommt, wenn er geliebt wird, denen, die ihn lieben, zuvor."! 59 Und als er das gesagt, ihnen Anweisungen gegeben [Ood. R: sich von ihnen verabschiedet] und den Brüdern viel Geld zur Verteilung zurückgelassen hatte, ging er davon nach Ephesus, während alle Brüder betrübt waren und jammerten. Es waren aber mit ihm aus Ephesus gekommen Andronikus und Drusiana sowie Lykomedes und Kleobius und deren Leute. Es folgte ihm auch Aristobula, die erfahren hatte, daß ihr Mann Tertullus unterwegs gestorben war, und Aristippus zusammen mit Xenophon, die sittsame Dirne und mehrere andere, die er immer wieder auf den Herrn wies und die sich nicht mehr von ihm trennen wollten. Die gehorsamen Wanzen
60 Als wir aber am ersten Tag in einer verlassenen Herberge anlangten und wegen eines Bettes für Johannes in Verlegenheit waren, erlebten wir einen lustigen Vorfall. Es stand dort irgendein Bett ohne Decken, darauf breiteten wir die Mäntel, die wir bei uns hatten, und forderten ihn auf, sich darauf zu legen und auszuruhen, während wir übrigen alle auf dem Boden schliefen. Als er sich nun niedergelegt hatte, wurde er von den Wanzen belästigt; und als sie ihm immer lästiger wurden und es schon Mitternacht geworden war, sagte er zu ihnen, während wir alle es hörten: "Ich sage euch, ihr Wanzen, seid allesamt einsichtig, verlaßt für diese Nacht eure Heimstatt, verhaltet euch ruhig an einem Ort und bleibt fern von den Knechten Gottes!" Und während wir lachten und uns noch länger unterhielten, ergab sich Johannes dem Schlaf. Wir aber sprachen nur noch leise und blieben dank seiner unbelästigt. 61 Als aber der Tag *heraufdämmerte*, stand ich schon als erster auf und mit mir Verus und Andronikus; und da sahen wir an der Tür des Raumes, den wir belegt hatten, eine Menge Wanzen sich aufhalten. Als wir hinausgetreten waren, um sie ganz in Augenschein zu nehmen, und auch alle Brüder sich ihretwegen er1
Vgl. 1. Joh. 4,19.
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hoben hatten, schlief Johannes (noch). Und als er erwacht war, zeigten wir *ihm*, was wir sahen. Er aber richtete sich (im) Bett auf, sah sie und sprach: "Da ihr einsichtig wart und euch vor meiner Strafe gehütet habt, (so) geht (nun wieder) an euren Platz." Und als er das gesagt hatte und vom Bett aufgestanden war, eilten die Wanzen behende von der Tür zum Bett, stiegen an dessen Beinen empor und verschwanden in den Ritzen. Und J ohannes sagte wiederum: "Dieses Getier hörte die Stimme eines Menschen und hielt sich still für sich, ohne (den Befehl) zu übertreten. Wir aber hören die Stimme Gottes und sind seinen Geboten ungehorsam und leichtfertig - und wie lange1" Zweiter Aufenthalt in Ephesus (Kap. 62-115) Ankunft in Ephesus
62 Danach kamen wir nach Ephesus, und als die dortigen Brüder gewahr geworden waren, daß Johannes nach hinlänglicher Zeit zurückgekehrt war, liefen sie im Anwesen des Andronikus, wo auch er einkehrte, zusammen, berührten seine Füße und legten sich seine Hände aufs Gesicht und küßten sie. [Ps-Abdias: Viele wurden auch durch das Berühren seiner Kleidung froh gemacht und, weil sie den Mantel des heiligen Apostels berührt hatten, geheilt]. Drusiana und Kallimachus 63 Während große Liebe und grenzenlose Freude bei den Brüdern herrschten, verliebte sich einer, ein Abgesandter des Satans, in Drusiana, obwohl er sah und wußte, daß diese die Frau des Andronikus war. Die meisten sagten ihm: "Es ist unmöglich, daß du diese Frau gewinnst, hat sie sich doch schon lange ihrer Gottesfurcht halber von ihrem Mann getrennt. Weißt du allein nicht, daß Andronikus, der zuvor nicht das war, was er jetzt ist, ein gottesfürchtiger Mann, sie in eine Grabkammer eingeschlossen und gesagt hatte: 'Entweder kann ich dich als die Frau besitzen, als die ich (dich) früher hatte, oder du sollst tot sein!' Und sie zog es eher vor zu sterben als jenes Ekelhafte zu vollführen. Wenn sie nun aus Gottesfurcht ihrem Gebieter und Mann nicht die Zustimmung zum Umgang gegeben hat, sondern diesen dazu bewegte, die gleiche Gesinnung zu hegen, soll sie da mit dir übereinkommen, der du *mit ihr* zum Ehebrecher werden willst1 Laß ab von dem Wahn, der keine Ruhe in dir hat! Laß ab von dem Unterfangen, das du nicht zum Ziele führen kannst!" 64 Aber seine vertrauten Freunde überzeugten ihn mit diesen Worten nicht; vielmehr besaß er die *Unverschämtheit*, ihr Botschaft zuzusenden. Als *sie* die Kränkungen und Zuchtlosigkeiten *seinerseits* *gewahr wurde*, verbrachte sie *ihr* Leben in Verzagtheit; nach zwei Tagen aber legte sich Drusiana hin, bekam vor Verzagtheit Fieber und sprach: "Wäre ich doch nicht in meine Vaterstadt gekommen, die ich einem Mann zum Ärgernis geworden bin, der mit der Gottesfurcht nicht vertraut ist. Denn wäre einer von (Gottes) *Wort erfüllt*, *er wäre* nicht in solche Raserei *verfallen*. Doch nun, Herr, da ich mitschuldig geworden bin an dem Schlag für eine unwissende Seele, erlöse mich von dieser Fessel und versetze mich alsbald zu dir!" Und in Gegenwart des J ohannes, ohne daß überhaupt jemand die (näheren) Umstände gewahr geworden war, schied Drusiana aus dem
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Leben, durchaus nicht freudig, sondern betrübt ob der seelischen Zerrüttung jenes (Menschen). 65 Andronikus aber, betrübt von heimlichem Leid, trauerte in seiner Seele, weinte aber auch öffentlich, so daß J ohannes (ihn) oft zum Schweigen brachte und ihm sagte: "Zu einer besseren Hoffnung ist Drusiana hinübergegangen aus diesem ungerechten Leben." Und Andronikus antwortete ihm: "Ich bin auch (davon) überzeugt und zweifele durchaus nicht an dem Glauben an meinen Gott. Aber vor allem halte ich daran fest, daß sie rein aus dem Leben geschieden ist." 66 Als sie aber bestattet war, nahm sich Johannes des Andronikus an, und als er den Grund (für das, was vorgefallen war,) erfahren hatte, trauerte er (noch) mehr als Andronikus. Und er schwieg, da er die Bosheit des Feindes erblickte, und saß für eine kleine Weile da. Dann, als sich die Brüder versammelt hatten, um zu hören, welche Worte er im Bezug auf die Abgeschiedene sprach, begann er zu reden: 67 "Wenn der Steuermann, der zusammen mit der Schiffsmannschaft und dem Schiff selbst zur See fährt, in einen stillen und sturmfreien Hafen einläuft, dann erst soll er sagen, er sei gerettet. Und der Bauer, der der Erde die Saat anheimgegeben und sich mit ihrer Pflege und Bewahrung viel Mühe gemacht hat, *soll* dann erst Ruhe von seinen Mühen *haben*, wenn er die vielfach vermehrte Saat im Vorratshaus aufgespeichert hat. Wer in der Rennbahn einen Lauf auf sich genommen, soll sich dann erst freuen, wenn er den Kampfpreis erlangt hat. Wer sich (zum) Faustkampf hat eintragen lassen, soll sich dann erst rühmen, wenn er die Kränze empfangen hat. Und (desgleichen können als erfolgreich gelten) der Reihe nach alle Wettkämpfe und Fertigkeiten jeweils (erst) dann, wenn sie am Ende nicht leer sind, sondern sich *so* erweisen, *wie* sie angekündigt worden sind (?)." 68 "Ebenso ist es, meine ich, auch mit dem Glauben, den ein jeder von uns übt. Dann entscheidet es sich, ob er wirklich wahr ist, wenn er bis über das Leben hinaus gleich geblieben ist. Denn viele Hindernisse kommen der menschlichen Überlegung in die Quere und bereiten ihr Verwirrung: Sorge, Kinder, Eltern, Glanz, Armut, Schmeichelei, Jugendkraft, Schönheit, Prahlerei, Begierde, Reichtum [oder: Begierde *nach Reichtum*O)J, Zorn, Überhebung, Leichtfertigkeit, Neid, *Leidenschaft*, Eifersucht, Gleichgültigkeit, Zuchtlosigkeit, Sinnlichkeit, Trug [oder mit Ps-Abdias: *Sklaven*J, Geld, Ausflucht und anderes, was in diesem Leben hinderlich ist, wie sich auch dem Steuermann, der in ruhiger Fahrt dahingleitet, der Ansturm widriger Winde, ein schwerer Sturm und hoher Seegang aus ruhiger See entgegenstellt und dem Bauer ein vorzeitiger Winter und Meltau und Gewürm, das aus der Erde zum Vorschein kommt, und den Wettkämpfern das 'um ein Haar' (1) und denen, die Fertigkeiten ausüben, die daraus (entspringenden Hemmnisse)." 69 "Es muß aber vor allen anderen der gläubige Mensch vorausschauen auf den Ausgang und erforschen, welcher Art (er ist, wenn) er herankommt - ob kraftvoll und nüchtern und ohne etwas Hinderliches, oder (ob) verwirrt und dem, was in der Welt ist, schmeichelnd und umstrickt von Begierden. So kann man auch einen Leib (nur dann) als wohlgestaltet loben, wenn er sich ganz enthüllt hat, und einen Feldherrn (nur dann) als groß, wenn er das angekündigte Kriegsziel ganz ins Werk gesetzt hat, und als tüchtigsten Arzt (nur) den, der bei jeder Heilung Erfolg hat, und eine Seele (nur dann) als (voll) des Glaubens und Gottes *würdig*, wenn sie das vollführt hat, was dem (von ihr) Versprochenen angemessen ist; (aber man kann als solche) weder (diejenige Seele preisen), die zwar (gut) begonnen hat, aber (dann) *abgeglitten ist* in all die Dinge d(ies)es Lebens und zuschanden geworden
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ist, noch die erlahmte, die (zunächst) heftig bemüht war, zu den Besseren zu gehören, dann aber zum Vergänglichen hinabgerissen wurde, noch die, die mehr nach dem Zeitlichen als nach dem Ewigen verlangt hat, noch die, die sich (das Bleibende für) das nicht Bleibende eingetauscht hat, noch die, die in Ehren gehalten hat, was keiner Ehre wert ist, (noch die, die)1 Freveltaten (liebgewonnen hat)!, noch die, die Handgeld vom Satan angenommen hat, noch die, die in ihrem Haus die Schlange aufgenommen hat, noch die Gottes wegen geschmähte, die sich dann (dessen) (*) schämt, noch die, die zwar mit dem Munde Ja sagt, aber durch die Tat *sich* nicht (entsprechend) *erweist*. (Zu rühmen ist) vielmehr die (Seele), die es auf sich genommen hat, nicht von schmutziger Lust *zu entbrennen*, der Leichtfertigkeit nicht zu erliegen, sich von der Geldgier nicht verlocken zu lassen, sich von der Vollkraft des Leibes und dem Zorn nicht verraten zu lassen." 70 Und während Johannes noch mehr Worte an die Brüder richtete, daß diese um (der ewigen Dinge) die vergänglichen verachteten, bestach der Liebhaber der Drusiana, erfaßt von schrecklichster Begierde und dem Wirken des vielgestaltigen Satans, mit einer erklecklichen Summe den geldgierigen Verwalter des Andronikus. Der öffnete die Grabkammer der Drusiana und gewährte (es ihm), das Versagte an dem toten Leib zu vollführen. Da er sie, als sie (noch) lebte, nicht *gewonnen hatte*, ließ er nach ihrem Tod nicht ab von ihrem Leib und sprach: "Wenn du auch als Lebende nicht mit mir verkehren *wolltest*, so will ich dich doch nach dem Tode als Leichnam schänden." Das hatte er im Sinn, und nachdem er sich (den Weg für) seine gottlose Tat vermittelst des ruchlosen Verwalters bereitgemacht hatte, stürmte er zusammen mit diesem zum Grab. Und als sie die Tür geöffnet hatten, begannen sie, dem Leichnam die Totengewänder auszuziehen, indem sie sagten: "Was hat es dir genützt, unglückliche Drusiana? Hättest du nicht, als du noch lebtest, dieses tun können, was dich schwerlich betrübt hätte, hättest du es freiwillig getan?" 71 Und als sie dieses sagten und (ihr) nur noch das gewohnte *Hemd* auf ihrem Leib blieb, bot sich ein ungewöhnliches Schauspiel, welches Leute, die *solches* tun, zu erleben verdienen. Von irgendwoher erschien eine Schlange, versetzte dem Verwalter einen einzigen Biß (und) tötete ihn (so) auch. Jenen jungen Mann jedoch biß sie nicht; vielmehr wand sie sich schrecklich zischend um seine Füße, und als er hinfiel, begab sich die Schlange hinauf (auf ihn) und ließ sich auf ihm nieder. 72 Tags darauf begab sich J ohannes zusammen mit Andronikus und den Brüdern am frühen Morgen zum Grab - denn Drusiana war (jetzt) den dritten Tag (tot) -, auf daß wir dort das Brot brächen. Und (gleich) zuerst, als wir aufbrachen, waren die Schlüssel nicht zu finden, als man sie suchte. Da sagte J ohannes zu Andronikus: "Aus gutem Grund sind sie verloren gegangen; Drusiana ist nämlich nicht in der Grabkammer. Aber laßt uns dennoch hingehen, damit du nicht leichtfertig seiest, und die Türen werden sich von selbst öffnen, wie uns der Herr ja auch vieles andere gewährt hat." 73 Als wir an die Stelle kamen, öffneten sich die Türen auf Befehl des Meisters, und *wir sahen* beim Grab der Drusiana einen schönen Jüngling, der lächelte. Als Johannes den sah, schrie er und sprach: "Auch hier kommst du uns zuvor, Schöner? Weshalb denn?" Und er hörte eine Stimme, die zu ihm sagte: "Drusianas wegen, die du auferwecken sollst - fast *hätte ich* sie *geschändet* *gefunden* und wegen *dessen*, der nahe bei ihrer Grabstätte *seinen Geist ausgehaucht 1
Ergänzungen nach Ps-Abdias.
1. J ohannesakten
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hat*." Und als der Schöne das zu Johannes gesagt hatte, stieg er hinauf zum Himmel, während wir alle es sahen. Als Johannes sich aber zur anderen Seite der Grabkammer wandte, sah er einen jungen Mann, einen (der) Vornehmsten der Epheser, den Kallimachus - *so* hieß er nämlich - und eine riesige Schlange auf ihm schlafen, sowie den Verwalter des Andronikus, Fortunatus genannt, (und zwar) tot. Und als er die beiden sah, stand er ratlos da und sagte zu den Brüdern: "Was bedeutet dieses Schauspiel? Oder weswegen hat mir der Herr nicht offenbar gemacht, was hier vor sich gegangen ist, wo er mich doch noch nie außer acht gelassen hat1" 74 Und als Andronikus jene Toten sah, sprang er auf und ging zur Grabstätte der Drusiana. Und als er sie nur im Hemd sah, sagte er zu Johannes: "Ich habe erkannt, was geschehen ist, seliger Knecht Gottes J ohannes! Dieser Kallimachus war verliebt in meine Schwester. Und da er sie nicht gewann, obwohl er das oftmals versuchte, hat er diesen meinen fluchwürdigen Verwalter mit einer erklecklichen Summe bestochen, da er sich jedenfalls vorgenommen hatte, wie es ja jetzt zu erkennen ist, das Trauerspiel seiner Hinterlist durch ihn zu *vollführen*; denn Kallimachus hat vielen dies eingestanden: 'Und wenn sie lebend nicht mit mir übereinkommen will, soll sie als Tote geschändet werden!' (Das) hat wohl, Meister, der Schöne erkannt und nicht zugelassen, daß ihr (sterblicher) Rest geschändet werde, und darum sind diese, die das gewagt haben, gestorben. Hat nicht die Stimme, die zu dir gesagt hat: 'Erwecke die Drusiana!' dieses vorweg offenbart1 Ist sie doch in Kummer aus diesem Leben geschieden. Ich glaube aber dem, der gesagt hat, daß dieser zu den irregeleiteten Menschen gehört. Denn du hast ja den Befehl erhalten, ihn aufstehen zu lassen. Von dem anderen freilich weiß ich, daß er die Rettung nicht verdient. Doch um dieses eine bitte ich dich: Erwecke zuerst den Kallimachus auf, und dieser soll uns bekennen, was geschehen ist!" 75 Johannes blickte auf den Leichnam und sprach zu dem giftigen Reptil: "Laß ab von dem, der Jesus Christus dienen soll!" Dann stand er auf und betete folgendermaßen: "Gott, dessen Name von uns geziemend gepriesen wird; Gott, der du jegliche schädliche Kraft bezwingst, Gott, dessen Wille in Erfüllung geht, der du uns allzeit *erhörst*, auch jetzt komme deine Gabe zur Vollendung an diesem jungen Mann hier. Und wenn durch ihn irgend eine Heilsfügung vor sich gehen soll, (dann) zeige uns diese an, wenn er auferweckt ist." Und sogleich stand der junge Mann auf und verhielt sich eine Stunde lang still. 76 Als er aber zur Besinnung gelangt war, fragte ihn Johannes nach seinem Eindringen in die Grabkammer, was es bedeutete. Und als er von ihm erfahren hatte, was auch Andronikus gesagt hatte, daß er nämlich in Drusiana verliebt gewesen sei, da fragte ihn Johannes wiederum, ob er *zum Ziele* gekommen sei mit dem unsauberen (Vorhaben), (den) von Ehrbarkeit erfüllten (sterblichen) *Rest* zu schänden. Er aber antwortete ihm: "Wie hätte ich das denn ausführen können, da dieses schreckliche Tier den Fortunatus vor meinen Augen mit einem einzigen Biß niederwarf - und zwar zu Recht, denn er ermutigte diesen meinen Wahnwitz, als ich schon von jenem unschicklichen und schrecklichen Wahn abgelassen hatte -, mich aber vor Furcht (still)stehen ließ und in einen solchen Zustand versetzte, wie ihr es gesehen habt, *bevor* ich aufstand. Aber noch etwas anderes, Wunderbareres will ich dir berichten, was mich noch mehr zunichte gemacht und fast getötet hat. Als meine Seele *dem Wahnsinn Raum gegeben hatte* und die nicht zu bändigende Krankheit mich aufwühlte und ich schon die Totengewänder,
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
mit denen sie bekleidet war, geraubt hatte und mich dann von der Grabstätte entfernt und sie hingelegt hatte, wie du siehst, kehrte ich zurück zu meinem abscheulichen Werk, und da sah ich einen schönen Jüngling, der sie mit seinem Mantel bedeckte. Von seinem Antlitz gingen Lichtstrahlen aus zu ihrem Antlitz. Der richtete das Wort auch an mich und sagte: 'Kallimachus, stirb, auf daß du lebst!' Wer es nun war, wußte ich nicht, Knecht Gottes. Da du aber hier erschienen bist, erkenne ich sehr wohl, daß er ein Engel Gottes ist. Das aber weiß ich wahrhaftig, daß der wahre Gott von dir verkündigt wird, und davon bin ich überzeugt. Aber ich bitte dich, versäume es nicht, mich von solchem Unglück und schrecklichem Frevelmut zu befreien und mich zu deinem Gott zu bringen als einen Menschen, der in die Irre geführt ist durch schändliche und abscheuliche Verführung. Da ich also der Hilfe von dir bedarf, berühre ich deine Füße. Ich will einer von den Leuten werden, die auf Christus hoffen, damit die Stimme wahr sei, die hier zu mir gesagt hat: 'Stirb, auf daß du lebst!' Sie hat auch ihre Wirkung sich schon erfüllen lassen. Denn jener ist gestorben, der Ungläubige, der Zuchtlose, der Gottlose; ich aber bin von dir auferweckt worden, der ich gläubig, gottesfürchtig (sein) will, der ich die *Wahrheit* erkenne, *von der* ich erbitte, *daß sie* mir durch dich kundgetan wird." 77 Und J ohannes, von großer Freude ergriffen und in Betrachtung des ganzen Schauspiels der Rettung des Menschen (versunken) sprach: "Ach, wie mächtig du bist, Herr Jesus Christus, weiß ich nicht, der ich ratlos bin ob deiner großen Barmherzigkeit und unendlichen Langmut. 0, welche Größe, die in die Knechtschaft herabgestiegen ist! 0, unaussprechliche Freiheit, die von uns geknechtet ward! 0, unbegreifliche Herrlichkeit für uns! Der du auch die entseelte Hülle ungeschändet bewahrt hast, (du) der Erlöser (auch) des Menschen, der sich mit Blut befleckt hat, und der du (die Seele) dessen, der vergängliche Leiber (schändete), zur Besinnung gebracht hast; (du) der Vater, der Erbarmen und Mitleid gehabt hat mit den unbekümmerten Menschen. Wir preisen dich und rühmen dich und loben dich und sagen dir Dank für deine große Güte und Langmut, heiliger J esus; denn du bist allein Gott und kein anderer, dessen Macht allen Anschlägen enthoben ist, jetzt und in alle Ewigkeit. Amen." 78 Und als Johannes das gesagt hatte, nahm er den Kallimachus, küßte ihn und sprach: "Ehre sei Gott, mein Kind, der sich deiner erbarmt hat und dich gewürdigt hat, seine Kraft zu preisen, und auch dich für wert gehalten hat, auf (zielstrebig) geplantem Wege von deinem *derzeitigen*l Wahn und Rausch freizukommen, und dich zu deiner Ruhe und zur Erneuerung des Lebens gerufen hat." 79 Als Andronikus sah, daß der tote Kallimachus auferweckt war, bat er zusammen mit den Brüdern den Johannes, auch die Drusiana aufzuerwecken, und sagte: "Drusiana soll aufstehen und glücklich die kurze Zeit (des Lebens) vollbringen, die sie aufgegeben hatte aus Kummer des Kallimachus wegen, da sie glaubte, sie sei *ihm* Anstoß geworden. Und dann, wenn der Herr will, wird er sie zu sich nehmen." Und Johannes zögerte nicht, trat an ihr Grab, ergriff ihre Hand und sprach: "Der du allein Gott bist, dich rufe ich an, den Übergroßen, den Unaussprechlichen, den Unbegreiflichen, dem jegliche archontische Macht unterworfen ist, dem sich jegliche Herrschaft *beugt*, vor dem jegliche Eitelkeit nieder1 Cod. R: Tijc; naea aoii e~etvTJt; aov paviat; (Cod. M verkürzt den ganzen Satz); Emendation von Rostalski, S. 21: Tijt; naea~BtpivTJt; aov paviat;.
1. Johannesakten
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fällt und Ruhe gibt, von dem die Dämonen mit Schaudern hören 1, ob dessen Betrachtung die ganze Schöpfung Maß hält - gepriesen werde dein Name von uns; so erwecke denn die Drusiana auf, damit Kallimachus (noch) mehr (in dir) bestärkt werde, der du fügst, was für Menschen zwar ausweglos und unmöglich ist, (nämlich) Heil und Auferstehung, was dir allein aber möglich ist, und damit Drusiana *nunmehr* beruhigt (aus dem Grab) *hervorgehe*, da sie ja, weil der junge Mann sich bekehrt hat, nicht das kleinste Hindernis mit sich trägt *in ihrem Sehnen* nach dir." 80 Als Johannes das gesagt hatte, sprach er zu Drusiana: "Drusiana, steh auf!" Sie aber stand auf und ging aus dem Grab hervor. Und als sie *sich* nur im Hemd sah, war sie im Unklaren über das Geschehen; und als sie alles von Andronikus erfahren hatte, während Johannes auf seinem Antlitz lag und Kallimachus mit (erhobener) Stimme und Tränen Gott pries, da jubelte auch sie und pries (Gott) gleichermaßen. 81 Als sie sich aber angezogen hatte, da wandte sie sich um und sah den Fortunatus liegen. Da sprach sie zu Johannes: "Vater, auch dieser soll aufstehen, wenn er auch noch so sehr zum Verräter an mir zu werden versucht hat." Als aber Kallimachus sie das sagen hörte, sprach er : "Nein, ich bitte dich, Drusiana; denn die Stimme, die ich gehört habe, hat seiner nicht gedacht, sondern nur über dich verkündet, und da ich gesehen habe, bin ich gläubig geworden. Wäre er nämlich gut, so hätte sich wohl auch Gott seiner erbarmt und ihn durch den seligen Johannes auferweckt. Er wußte (?) also, daß der Mann einen schlimmen Tod gefunden hatte [Ps-Abdias: Er erachtete den des Todes wert, den er nicht für der Auferstehung würdig erklärte]." Da sagte ihm Johannes: "Wir haben nicht gelernt, mein Kind, Böses mit Bösem zu vergelten 2. Denn auch Gott hat, obwohl *wir* viel Böses und nicht Gutes ihm gegenüber getan haben, uns dafür nicht Vergeltung, sondern (Gelegenheit zur) Buße gegeben; und obwohl wir seinen Namen nicht kannten, hat er uns nicht vergessen, sondern sich erbarmt; und obwohl wir gelästert haben, hat er uns nicht gestraft, sondern Mitleid gehabt; und obwohl wir ungläubig waren, hat er uns nicht gegrollt; und obwohl wir seine Brüder verfolgt haben, hat er uns nicht vergolten, sondern hat uns Buße eingegeben und Enthaltung vom Bösen und hat uns zu sich gerufen, wie er auch dich, mein Kind Kallimachus, ohne ob des Früheren zu grollen, zu seinem Knecht *gemacht hat* durch sein *abwartendes* Erbarmen. Wenn du daher (mir) nicht zugestehst, den Fortunatus *aufstehen zu lassen*, so ist es Sache der Drusiana." 82 Sie aber zögerte nicht und ging im Jubel ihrer Seele und ihres Geistes zum Leichnam des Fortunatus und sagte: "Gott der Äonen, Jesus Christus, Gott der Wahrheit, der du mir Wunder und Zeichen zu sehen gewährt hast, der du mir die Gnade erwiesen hast, deines Namens teilhaftig zu werden, der du dich mir selbst *offenbar gemacht*3 hast mit deinem vielgestaltigen Antlitz und dich auf mannigfache Weise erbarmt hast, der du mich, als ich von meinem vormaligen Ehemann Andronikus Gewalt litt, mit deiner großen Güte beschützt hast, der du mir (dann) deinen Knecht Andronikus als meinen Bruder gegeben hast, der du mich, deine Vgl. Jak. 2, 19. Vgl. Röm. 12, 17; 1. Thess. 5, 15; 1. Petr. 3, 9. a Die von Zahn (Neue kirchl. Ztschr.10, 1899, S.201, Arun.1) vorgeschlagene Konjektur EP,ffJa'Vtaa, dürfte dem Ep,ffJVaijaa, (= der du eingehaucht hast) des Cod. R vorzuziehen sein und wird auch von Hennecke (Handb., S. 518) befürwortet. 1
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
Magd, bis jetzt rein bewahrt hast, der du mich, da ich *gestorben war*, durch Johannes, deinen Diener, hast aufstehen lassen, der du *mir* auch, als *ich auferweckt war*, den, der (an mir) Anstoß genommen hatte, frei von Anstoß gezeigt hast, der du mir bei dir vollkommene Ruhe gegeben hast und mich erleichtert hast von dem verborgenen Wahn, (der), den ich zutiefst liebgewonnen habe - ich bitte dich, Christus, du wollest deine Drusiana nicht abweisen, wenn sie dich darum angeht, den Fortunatus *aufstehen zu lassen*, wenn er auch noch so sehr versucht hat, zum Verräter an mir zu werden." 83 Und sie ergriff die Hand des Toten und sprach: "Steh auf, Fortunatus, im Namen unseres Herrn Jesus Christus!" Fortunatus aber stand auf und sah Johannes in der Grabkammer und Andronikus und Drusiana, die von den Toten auferweckt war, und Kallimachus *als Gläubigen* und die übrigen Brüder, wie sie Gott priesen; da sagte er: "Ach, bis wohin ist die Macht dieser furchtbaren Menschen vorgedrungen! Ich wollte, ich wäre nicht auferweckt, sondern lieber tot, damit ich sie nicht sähe!" Und als er das gesagt hatte, ergriff er die Flucht und lief hinaus aus der Grabkammer. 84 Und als J ohannes die unwandelbare Seele des Fortunatus erkannte, sprach er: "Ach, Natur, die *sich* nicht zum Besseren *wendet*, ach, Quelle einer Seele, die im Schmutz verharrt, ach, Wesen des Verderbens voll von Finsternis, ach Tod, der du unter den Deinen tanzt, ach Baum ohne Frucht voll von Feuer, ach Holz, das als Frucht Kohle *trägt*, ach Materie, mit dem Wahn der Materie zusammengehörig und dem Unglauben benachbart1! Du hast dargetan, wer du bist, und du wirst stets überführt mit deinen Kindern; und das Vermögen, das Bessere zu preisen, kennst du nicht, denn du hast es nicht; so ist denn wie dein Weg [oder: deine *Frucht* (1)] auch die Wurzel und Natur. Sei fern von denen, die auf den Herrn hoffen, von ihren Gedanken, von ihrer Vernunft, von ihren Seelen, von ihren Leibern, von ihrem Tun, von ihrem Leben, von ihrem Wandel, von ihrer Beschäftigung, von ihrer Tätigkeit, von ihrem Rat, von ihrer Auferstehung zu Gott, von ihrem Wohlgeruch, an dem du Anteil haben willst, von ihrem Fasten, von ihren Gebeten, von ihrem heiligen Bad, von ihrer Eucharistie, von ihrer fleischlichen Nahrung, von ihrem Trank, von ihrer Kleidung, von ihrem Liebesmahl (ayan'Y)) , von ihrer *Bestattung*, von ihrer Enthaltsamkeit, von ihrer Gerechtigkeit; von alle diesem wird dich, verruchtester Satan, Jesus Christus entfernen, unser Gott und (Richter> derer, die dir gleichen und deine Art haben." 85 Als Johannes das gesagt hatte, nahm er Brot, brachte es in die Grabkammer, um es zu brechen, und sprach: "Wir preisen deinen Namen, der du uns aus der Verirrung und erbarmungslosen Betörung bekehrt hast; wir preisen dich, der du uns vor Augen gezeigt hast, was wir gesehen haben. Wir legen Zeugnis ab für deine Güte, *die auf mannigfache Weise in Erscheinung tritt*; wir loben deinen guten Namen, Herr; (wir danken dir>, der du die von dir Überführten dargetan hast; wir danken *dir*, Herr J esus Christus, daß wir Vertrauen setzen (in deine Gnade>, 1 w iJA'f} VAop,avtar; aVVOt~e ~ai amrntar; 'Yei'l:ov. Schimmelpfeng (Apokr. 1, S. 450,13f.) übersetzt: ,,0 Wald mit Bäumen voll ungesunder Schößlinge, Nachbar des Unglaubens!" Obwohl VAop,avta lexikalisch nur als "geiles Hervortreiben von Schößlingen" belegt ist (Stephanus, Thesaurus s. v.), wird man iJA'f} in diesem Zusammenhang besser als "Materie" verstehen; BO auch James (S. 249): ,,0 matter, that dwellest with the madness of matter and neighbour of unbelief. "
1. J ohannesakten
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die unveränderlich ist; wir danken *dir*, der du Bedürfnis gehabt hast (*) nach der (menschlichen) Natur, die da gerettet wird; wir danken dir, der du uns diesen unabdinglichen (Glauben) gegeben hast, daß du allein (Gott) bist jetzt und immerdar; wir, deine Knechte, die wir mit (gutem) Grund zusammengekommen und gesammelt (1) sind, danken dir, Heiliger." 86 Und als er gebetet und (Gott) gepriesen hatte, ging er hinaus aus der Grabkammer, nachdem er allen Brüdern an der Eucharistie des Herrn teilgegeben hatte. Und als er in das Anwesen des Andronikus gekommen war, sagte er zu den Brüdern: "Brüder, ein Geist in mir hat geweissagt, daß Fortunatus durch die Schwärze (= Vergiftung) infolge des Schlangenbisses gestorben sein *muß*. Doch es soll jemand schnell hingehen und nachforschen, ob es sich auch so verhält." Da lief einer von den jungen Leuten und *fand* dann auch, daß er gestorben war und die Schwärze sich ausgebreitet und sein Herz erfaßt hatte. Und er ging hin und meldete dem Johannes, daß er (schon) drei Stunden tot sei. Und Johannes sprach: ,,(Da) *hast du* dein Kind, Teufel!" [Kap. 87-105 der Zählung Bonnets s.o., S. 150ff.]
Metastasis (Kap. 106-115) Letzter Gottesdienst des J ohannes
106 Es war also Johannes mit den Brüdern zusammen und freute sich im Herrn. Am folgenden Tag aber, als es Sonntag war, begann er, als alle Brüder versammelt waren, zu ihnen zu reden: "Brüder, Mitknechte, Miterben und Mitgenossen am Reich des Herrn, ihr kennt den Herrn, wie viele Machttaten er durch mich gewährt hat, wie viele Wunder, wie viele Heilungen, wie viele Zeichen, welche Gnadengaben, Lehren, Leitungen, Erquickungen, Dienste, Erkenntnisse, Herrlichkeiten, Gnade, Geschenke, Glauben(sbeweise), Gemeinschaft(sbeziehungen), alles, was euch, wie ihr vor Augen gesehen habt, von ihm gegeben ist, was mit diesen Augen nicht gesehen noch mit diesen Ohren gehört wird. Werdet daher fest in ihm, indem ihr seiner gedenkt in all eurem Tun, da ihr wißt, weswegen der Herr das für (die) Menschen geschehene Mysterium der Heilsfügung vollführt hat. Er bittet euch durch mich, Brüder, und fordert euch auf, da er ohne Trübsal bleiben will, ohne Frevel, Nachstellung und Qual zu erfahren. Er kennt ja auch Frevel von eurer Seite, er kennt auch Unehre, er kennt auch Nachstellung, er kennt auch Qual von Seiten derer, die seinen Geboten nicht gehorchen." 107 "Darum soll unser guter Gott nicht betrübt werden, der Barmherzige, der Mitleidige, der Heilige, der Reine, der Unbefleckte, der Immaterielle, der Einzige, der Eine, der Unveränderliche, der Hehre, der Truglose, der Zornfreie, unser Gott Jesus Christus, der höher und erhabener ist als jede von uns ausgesprochene oder gedachte Prädikation. Er soll sich mit uns freuen, wenn wir einen guten Lebenswandel führen; er soll seine Freude haben, wenn wir rein leben; er soll sich erquicken, wenn wir ehrbar wandeln; er soll unbesorgt sein, wenn wir enthaltsam leben; er soll sich erfreuen, wenn wir Gemeinschaft halten; er soll lächeln, wenn wir mäßig sind; er soll sich ergötzen, wenn wir ihn lieben. Das, Brüder, predige ich euch jetzt, da ich zu dem mir vorgesetzten Werk eile, das vom Herrn schon vollendet wird. Was hätte ich denn anderes zu euch zu sagen1 Ihr habt die Unterpfänder unseres Gottes; ihr habt die Angelder seiner Güte; ihr habt seine unausweichliche Gegen-
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
wart. Wenn ihr nun nicht mehr sündigt, vergibt er euch, was ihr in Unkenntnis getan habt. Wenn ihr aber, da ihr ihn erkannt habt und von ihm Erba=en erfahren habt, wieder in dergleichen wandelt, wird euch auch das Frühere angerechnet werden und ihr werdet keinen Teil und kein Erbarmen vor ihm haben." 108 Und als er das zu ihnen gesagt hatte, betete er folgendermaßen: "Der du diesen Kranz durch dein Flechten geflochten hast, Jesus, der du diese vielen Blüten in die unverwelkliche Blüte deines Antlitzes eingefügt hast, der du (mir) U) diese Worte (ins Herz) gesät hast, der (du) allein Beschützer deiner Knechte (bist) und Arzt, der umsonst heilt, der (du) allein Wohltäter (bist) und nicht überheblich, der (du) allein barmherzig (bist) und die Menschen liebst, der (du) allein Heiland (bist) und gerecht, der du immer die Angelegenheiten aller siehst und in allen [oder: allem] bist und überall da bist und alles umfaßt und alles erfüllst, Christus, J esus, Gott, Herr, der du mit deinen Gaben und deinem Erbarmen beschirmst, die auf dich hoffen, der du genau alle Listen und Boshaftigkeiten dessen, der allenthalben unser Widersacher ist, kennst, die er gegen uns im Schilde führt - du allein, Herr, hilf mit deiner Fürsorge deinen Knechten! Ja, Herr!" 109 Und nachdem er Brot erbeten hatte, sprach er folgendes Dankgebet: "Welches Lob und was für ein Opfer und welchen Dank sollen wir nennen, da wir dieses Brot brechen, als dich allein, Herr Jesus~ Wir preisen deinen vom Vater ausgesprochenen Namen. Wir preisen deinen durch den Sohn ausgesprochenen Namen [oder: Wir preisen deinen von (dir) ausgesprochenen Vaternamen. Wir preisen deinen durch (dich) ausgesprochenen SohnesnamenJ. Wir preisen deinen Eingang zur Tür 1 • Wir preisen deine uns durch dich gezeigte Auferstehung 2. Wir preisen deinen Weg 3. Wir preisen deinen Samen4, dein Wort 5 , deine Gnade, deinen Glauben, dein Salz 6, deine unaussprechliche Perle 7, deinen Schatz 8, deinen Pflug 9 , dein Netz 10, deine Größe, dein Diadem, den unseretwegen Menschensohn Genannten, den, der uns geschenkt hat die Wahrheit, die Ruhe, die Erkenntnis, die Macht, das Gebet, die Freudigkeit, die Hoffnung, die Liebe, die Freiheit, die Zuflucht zu dir. Denn du bist allein, Herr, die Wurzel der Unsterblichkeit und die Quelle der Unvergänglichkeit und der Sitz der Äonen, der du als dieses alles jetzt um unseretwegen bezeichnet worden bist, damit wir, wenn wir dich damit benennen, deine Größe erkennen, die uns gegenwärtig nicht erschaubar ist, den Reinen aber erschaubar nur abgebildet allein in deinem Menschen." 110 Und er brach das Brot und gab es uns allen, indem er für jeden der Brüder betete, er möchte der Gnade des Herrn und der heiligsten Eucharistie würdig sein. Er genoß selbst gleichermaßen (davon) und sprach: "Auch mir sei mein Teil mit euch," und: "Friede sei mit euch, Geliebte!" Tod des J ohannes
111 Danach sagte er zu Verus: "Nimm einige Männer mit dir mit zwei Körben und Spaten und folge mir!"Verus zögerte nicht und führte aus, was von dem Knecht Vgl. Joh. 10,9. Vgl. Joh. 14,6. 5 Vgl. Joh. 1, 1. 7 Vgl. Mt. 13,46. • Vgl. Lk. 9, 62. 1
3
2 Vgl. Joh. 11,25. 4 Vgl. Mk. 4, 26 paIT. 6 Vgl. Mt. 5, 13. S Vgl. Mt. 13,44. 10 Vgl. Mt. 13.47.
1. J ohannesakten
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Gottes angeordnet war. Darauf ging der selige Johannes aus dem Haus und schritt vor die Tore, nachdem er den meisten gesagt hatte, sie möchten ihn verlassen. Und als er zum Grab eines Bruders von uns gekommen war, sagte er zu den jungen Leuten: "Grabt, Kinder!" Und sie gruben. Er aber setzte ihnen mehr zu und sagte: "Tiefer soll die Grube sein!" Und während sie gruben, predigte er ihnen das Wort Gottes und ermahnte die, die mit ihm aus dem Haus gekommen waren, indem er sie erbaute und zurüstete auf die Größe Gottes und für jeden von uns betete. Als aber die jungen Leute die Grube vollendet hatten, wie er es wollte, da zog er, während wir nichts (von seinem Vorhaben) wußten, die Überkleider, die er anhatte, aus und warf sie wie (für) eine Lagerstatt in die Tiefe der Grube und streckte, nur im Untergewand dastehend, die Hände empor und betete folgendermaßen: 112 "Der du uns zum Apostelamt unter den Heiden 1 auserwählt hast, Gott, der du uns in den Erdkreis gesandt hast, der du dich durch das Gesetz und die Propheten erwiesen hast, der du niemals in Ruhe verharrtest, sondern immer von Grundlegung der Welt an die rettest, die gerettet werden können, der du dich durch jegliche Natur selbst kundgemacht hast, der du dich bis hin zu den Tieren selbst verkündigt hast, der du die verlassene und verwilderte Seele sanft und ruhig gemacht hast, der du dich der nach deinen Worten dürstenden selbst gegeben hast, der du dich der erstorbenen eiligst hast sehen lassen, der du der in Gesetzlosigkeit verfallenen als Gesetz erschienen bist, der du dich der vom Satan besiegten gezeigt hast, der du ihren Widersacher besiegt hast, da sie zu dir floh, der du ihr deine Hand gegeben und sie auferweckt hast aus den Umtrieben des Hades, der du sie nicht hast im Leibe wandeln lassen, der du ihr den eigenen Feind gezeigt hast, der du die reine Erkenntnis über dich herbeigeführt hast, Gott Jesus, (du) der Vater der Überhimmlischen, (du,) der Gebieter der Himmlischen, (du,) das Gesetz der Ätherwesen und der Lauf der Luftwesen, (du,) der Wächter der Irdischen und Schrecken der Unterirdischen und Gnade für die (dir) Eigenen - nimm auch die Seele deines Johannes auf, die vielleicht von dir wertgehalten wird." 113 "Der du auch mich bis zu dieser Stunde rein bewahrt hast für dich selbst und unberührt von der Verbindung mit einer Frau, der du mir, da ich in der Jugend heiraten wollte, erschienen bist und zu mir gesagt hast: 'Ich bedarf deiner, J ohannes', der du mir auch zuvor körperliche Schwäche bereitet hast, der du mich drittens, als ich heiraten wollte, sofort gehindert hast und darauf zur dritten Stunde des Tages auf dem Meer zu mir gesagt hast: 'Johannes, wärest du nicht mein, hätte ich dich heiraten lassen', der du mich zwei Jahre lang geblendet hast, daß ich trauerte und nach dir verlangte, der du mir im dritten Jahr die Augen des Verstandes geöffnet und mir die sichtbaren Augen (wieder)geschenkt hast, der du, da ich (nun wieder) sah, mir auch das genaue Betrachten einer Frau als etwas Widerliches ausgemalt hast, der du mich befreit hast von der zeitlichen Erscheinung und mich zu dem immer bleibenden (Leben) geführt hast, der du mich von dem schmutzigen im Fleisch (wohnenden) Wahn geschieden hast, der du mich dem bitteren Tode entrissen und mich allein zu dir gebracht hast, der du die geheime Krankheit meiner Seele zum Schweigen gebracht und die offenbare Tat vernichtet hast, der du den Aufrührer in mir bedrängt und verbannt hast, der du meine Liebe zu dir unbefleckt gemacht hast, der du meinen Gang zu dir ungebrochen zugerichtet hast, der du
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Vgl. Röm. 1,5.
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mir einen vom Zweifel ungetrübten Glauben an dich verliehen hast, der du mir eine reine Gesinnung gegen dich vorgeschrieben hast, der du jedem den seinen Werken angemessenen Lohn erstattest, der du in meine Seele (das Verlangen) gelegt hast, keinen Besitz zu haben außer dir allein - denn was ist kostbarer als du1-, nun also, Herr, da ich das Verwalteramt, mit dem ich von dir betraut worden bin!, erfüllt habe, würdige mich deiner Ruhe und verleihe mir das Ende in dir, welches das unsagbare und unaussprechliche Heil ist!" 114 "Und wenn ich zu dir komme, soll das Feuer weichen, die Finsternis besiegt werden, das Chaos seine Kraft verlieren, der Glutofen ausgehen, die Hölle erlöschen, sollen Engel folgen, Dämonen in Furcht geraten, Machthaber zerschmettert werden, Mächte dahinfallen, die Orte zur Rechten feststehen, die zur Linken nicht bleiben, soll der Teufel verstummen, der Satan verlacht werden, seine Wut verglühen, sein Rasen beigelegt werden, seine Rache Schimpf erleiden, sein Ansturm Schmerz erfahren, seine Kinder sollen erschlagen und seine ganze Wurzel *ausgerottet* werden. Und verleihe mir, den Weg zu dir ohne Mißhandlung und Kränkung zu vollenden, indem ich das empfange, was du denen versprochen hast, die rein leben und nur dich lieben." 115 Und als er sich stehend ganz versiegelt und gesagt hatte: "Du (seiest) mit mir, Herr J esus Christus", legte er sich nieder in der Grube, dort, wo er seine Kleider ausgebreitet hatte, und sagte zu uns: "Friede (sei) mit euch, Brüder", und gab mit Freuden den Geist auf. Die Metastasis hat spätere Ausweitungen erfahren. Nach Cod. R und V (desgleichen nach Ps·Prochorus: Zahn, S.164, 12f.) ist der Leib des Apostels am nächsten Tag (R) bzw. nach drei Tagen (V; bei Ps-Prochorus offenbar schon am gleichen Tag) nicht mehr aufzufinden, "denn" - so fügt R hinzu - "er ist entrückt worden durch die Macht unseres Herrn Jesu Christi". Ausführlicher ist die Erweiterung in rund U: der Apostel entläßt die Brüder, und als sie Tags darauf zurückkommen, finden sie nur noch seine Sandalen vor und sehen die Erde aufsprudeln, worauf sie eingedenk der Worte Jesu Joh. 21, 22 lobpreisend umkehren. Dieser auch bei Ephraim von Antiochien (s.o., S. 128) vorausgesetzte Schluß vereint zwei miteinander konkurrierende Traditionen, die beide aus Joh. 21,22 geflossen sind; die eine besagt, daß Johannes nicht gestorben, sondern entrückt sei, und nach der anderen, die ausführlich von Augustin referiert wird (in J oh. tract.I24, 2: Willems, CCh 26, S. 68lf. Z. 28-37), liegt er zwar im Grabe, aber nicht als Toter, sondern als Schlafender, und durch seinen Atem wird die Erde bewegt, und dabei quillt Staub auf. Die lateinische Version des Ps-Abdias läßt die leere Grabstätte Manna hervorbringen, und auch für Ephraim von Antiochien ist der aufquellende Staub eine heilige Substanz z• Vgl. 1. Kor. 9, 17. Zum Fortleben der Metastasis-Legende s. M. Jugie: La mort et l'assomption de la sainte Vierge (Studi e Testi 114), 1944, S. 710ff. (= Excursus D: La mort et l'assomption de saint Jean l'Evangeliste). - Zum Bericht von der Selbstbestattung des Johannes vgl. auch die Notiz über die Selbstbestattung des Simon Magus bei Hippolyt, Elench. VI 20, 3 (Wendland, GCS 26, S. 148, 14-18). 1 I
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(w. Schneemelcher) EINLEITUNG. - VORBEMERKUNG: Es kann nicht Aufgabe dieser Einleitung zu den alten Petrusakten sein, die gesamte Petrusliteratur der Alten Kirche und ihre Zusammenhänge zu erörtern. Vielmehr muß man sich hier auf die Probleme dieses einen speziellen Werkes, eben der alten IIea.;etr; IIheov, beschränken. Daher ist hier auch nicht noch einmal auf die Pseudoklementinen einzugehen (vgl. dazu u. S. 373ff.). 1. LITERATUR: Texte: Lipsius Aa I, S. 45-103; L. Vouaux, Lex Actes de Pierre. Intro· duction, Textes, Traduction et Commentaire, Paris 1922; C. Schmidt, Die alten Petrusak· ten (TU 24, 1) 1903, S. 3-7 (kopt. Text); zu den orientalischen Versionen des Martyriums vgl. Vouaux, a.a.O., S. 19-22. Übersetzungen: Deutsch von G. Ficker, Apokr. 1, S. 383 bis 423; Apokr. 2, S. 226-249; W. Michaelis, S. 317-379; Französisch bei Vouaux, S. 221ff.; Englisch bei James, S. 300-336.
Untersuchungen: Ältere Literatur bei Lipsius, Apostelgeschichten II, 1 (1887) und Erg.heft (1890), sowie bei Harnack, Gesch. der altchristI. Lit. I, 1 S. 131-136. - G. Ficker in Handb., S. 395-491; C. Schmidt, Die alten Petrusakten (s.o.), 1903; G. Ficker, Die Petrus· akten. Beiträge zu ihrem Verständnis, 1903; Th. Nissen, Die Petrusakten und ein bardesa· nitischer Dialog in der Aberkiosvita, ZNW 9,1908, S. 190-203; J. Flamion, Les Actes apo· cryphes de Pierre, RHE IX, 1908, S. 233-254; S. 465-490; X, 1909, S. 5-29; S. 215-277; XI,1910,S.5-28; S.223-256;S.447-470;S.675-692;XII,1911,S.209-230;S.437-450; C. Schmidt, Studien zu den alten Petrusakten, ZKG 43, 1924, S. 321-348 (= Studien I); ZKG 45, 1927, S. 481-513 (= Studien II); C. Schmidt, Zur Datierung der alten Petrusak· ten, ZNW29, 1930, S.150-155; C.H. Turner, The LatinActs ofPeter,JThSt XXXII, 1931, S. H9-133; C. L. Sturhahn, Die Christologie der ältesten apokryphen Apostelakten (Theol. Diss. Heidelberg 1951, maschinenschriftlich). 2. BEZEUGUNG: Das älteste sichere direkte Zeugnis von der Existenz der Petrusakten ist die Erwähnung bei Euseb (h.e. III 3,2; Text siehe Bd. I, S. 30). Euseb spricht von den emUeUATJI1,6Vat aVTOV (sc. IIheov) IIea.;str;, d.h. er kennt ein Werk mit dem Titel IIea.;etr; IIheov und lehnt dieses Werk als unkanonisch ab, genauso wie er auch das Petrusevange. lium, das Kerygma des Petrus und die Petrusapokalypse verwirft. Über Umfang und Inhalt der Petrusakten erfahren wir allerdings bei Euseb nichts. Nun hat man sich schon vielfach bemüht, ältere Zeugen für die APt zu gewinnen. Im CanonMuratori (Text: Bd. I, S. 18ff.) werden die Petrusakten zwar nicht aufgezählt, aber eine Stelle soll nach Ansicht mancher Forscher (z.B. Schmidt, Petrusakten, S. 105; vgl. auch Vouaux, S. HOff.) auf die APt hin· weisen: "Lukas faßt für den 'besten Theophilus' zusammen, was in seiner Gegenwart im einzelnen geschehen ist, wie er das auch durch Fortlassen des Leidens des Petrus einsichtig klarmacht, ebenso durch (das Weglassen) der Reise des Paulus, der sich von der Stadt (Rom) nach Spanien begab". Darin soll, so meint Schmidt (Petrusakten, S. 105; vgl. auch Studien II, S. 495), zum Ausdruck kommen, daß der Verfasser dieses Kanonsverzeichnisses die in der lukanischen Apostelgeschichte nicht berichteten Ereignisse, den Tod des Petrus und die Spanienreise des Paulus, "als wirkliche Geschehnisse kennt, und zwar nicht auf Grund einer mündlichen Überlieferung, sondern einer von ihm mit Interesse gelesenen Schrift". Aber eine solche Deutung liest doch wohl zu viel aus dieser knappen Notiz. Der Verfasser des Can. Mur. deutet mit keinem Wort an, daß er irgendeine Schrift über den Tod Petri oder die Spanieureise des Paulus vor Augen hat. Man kann aus seinen Worten vielmehr nur entneh· men, daß er die zwei Tatsachen zwar kennt, sie aber in der Apostelgeschichte des Lukas nicht gefunden hat, weil- wie er meint - Lukas nicht Augenzeuge dieser Tatsachen war. Woher er seine Kenntnisse hat, läßt sich aus seiner Notiz nicht entnehmen. Damit entfällt die Mög· 12 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
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lichkeit, den Can. Mur. als Zeugnis für die .APt oder gar für deren Datierung zu benutzen. Ob und welche gemeinsamen Traditionen für Can. Mur. und APt anzunehmen sind, läßt sich angesichts der Kürze der Angaben im Can. Mur. nicht sagen. Bei Clemens von Alexandrien begegnen zwei Stellen, die zu den APt in Beziehung gesetzt worden sind. In Strom. III 6, 52 berichtet Clemens, daß Petrus und Philippus Kinder gezeugt hätten - eine Nachricht, die für die Frage der.APt überhaupt nichts austrägt. In Strom. VII 11, 63 wird von Petrus erzählt, er habe seine Frau auf dem Weg zum Martyrium ermuntert. Auch diese Notiz hat nichts mit den APt zu tun, gehört vielmehr zu den mündlichen Traditionen, die Clemens gekannt hat. Ähnlich ist eine Stelle bei Hippolyt zu beurteilen. In Ref. VI 20 sagt er über das Auftreten des Simon in Rom: "Dieser Simon wurde, als er viele in Samarien durch Zauberei irreführte, von den Aposteln überführt, und nachdem er verflucht war, wie in den Taten (der Apostel, d.h. in der AG) geschrieben ist, hat er später in seiner Verzweiflung dasselbe unternommen; und als er bis nach Rom gelangt war, geriet er mit den Aposteln (erneut) in Streit; ibm, der durch Zauberei viele verführte, leistete Petrus kräftig Widerstand. Als nun sein Ende< ..... ) herannahte, saß er unter einer Platane und lehrte. Und als nun schließlich seine Widerlegung nahe bevorstand, da sagte er, um die Sache zu verzögern, daß er, wenn er lebendig begraben würde, am dritten Tage wieder auferstehen werde. Er ließ nun durch seine Schüler ein Grab ausheben und befahl, ihn zu begraben. Die nun taten, was ihnen aufgetragen war, er aber blieb bis heute (im Grab). Denn er war nicht der Christus" (Hipp. Ref. VI 20, 2f.; Wendland GCS 26, S. 148, 8-18). C. Schmidt bemerkt zu dieser Stelle: "Die Nachricht des Hippolyt hat also bereits diese Darstellung der Petrusakten zur Voraussetzung" (Petrusakten, S. 104). Aber diese Behauptung entbebrt jeder Grundlage. Hippolyt knüpft zunächst an den Bericht der kanonischen AG und bietet dann eine Tradition von dem Tod Simons, die nichts mit dem Bericht in den erhaltenen APt zu tun hat (vgl. Act. Verc. c. 32 = Mart. Petr. c. 3). Hippolyt ist also kein Zeuge für die APt. Im 3. Buch seines Genesiskommentars habe Origenes - so berichtet Euseb h.e. III 1, 2 - erzählt, daß Petrus gegen Ende seines Lebens in Rom gewesen sei: "er wurde mit dem Kopf nach unten gekreuzigt, so wie er selbst gefordert hatte zu leiden". Diese Notiz stimmt inhaltlich mit der Angabe der erhaltenen Petrusakten (Act. Verc. c. 37 = Mart. Petri c. 8) überein, ohne aber wirtliches Zitat zu sein. Man kann also nur vermuten, daß Origenes, der ja einen Teil der apokrypben Literatur gekannt bat, auch die APt gelesen hat, aber sicher behaupten läßt sicb das nicht. Vor allem ergibt sich aus dieser Notiz gar nichts über die Art und den Umfang der APt, die Origenes vielleicht kannte. Sollte er sie vor Augen gehabt haben, dann wäre damit der terminus ad quem gewonnen, da der Genesiskommentar vor 231 verfaßt ist (Euseb h. e. VI 24, 2). Großes Gewicht hat man oft auf einige Zeilen aus dem Carmen apol. des Commodian gelegt, in denen der zu Simon sprechende Hund (v. 626 = Act. Verc. c. 9. 11. 12) und der redende Säugling (v. 629 f. = Act. Verc. c. 15) erwähnt werden. Aber selbst wenn die Datierung des Commodian sicher wäre (vgl. zu dieser Frage zuletzt K. Thraede, Beiträge zur Datierung Commodians, Jahrb. f. Antike und Christentum 2, 1959, S. 90-114: Mitte des 3. Jh.), so würden diese Zeilen auch nicbt viel mehr besagen, als daß Commodian die Legenden von den sprechenden Tieren, wie sie in APt und AP vorkommen, gekannt hat. Die Kenntnis der gesamten APt ist damit aber nicht gesichert und genauere Rückschlüsse über die Verbreitung der APt im Westen im 3. Jh. lassen sich daraus kaum zieben. Dagegen scheint der Verfasser der Didascalia (wohl erste Hälfte des 3. Jh.) die APt wirklich benutzt zu haben. Er kommt in VI 7-9 auf die Entstehung der Haeresie zu spreeben und legt dem Petrus einen Bericht über sein Zusammentreffen mit Simon in Jerusalem und Rom in den Mund. C. Schmidt hat (Petrusakten, S. 147; vgl. auch Vouaux, S. 119f. und Schmidt, Studien II, S. 507) die verschiedenen Punkte zusammengestellt, die darauf hinweisen, daß die APt die Vorlage für die Dida.scalia waren. Wichtig ist. dabei vor allpm die Tatsache, daß die erste Begegnung des Simon mit den Aposteln - anders als AG 8, 14ff. - in Jerusalem stattfindet. Man wird nicht in allen Punkten die Sicherheit aufbringen kön-
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nen, die C. Schmidt an den Tag legt 1. Aber es spricht doch sehr viel dafür, daß die These, der Verf. der Didascalia benutze die APt, richtig ist. In Anknüpfung an Harnack hat C. Schmidt nun weiter nachzuweisen versucht, daß Porphyrius die Petrusakten gekannt habe (Schmidt, Petrusakten, S. 167ff.). An zwei Stellen, die bei Macarius Magnes (I! 22 und IV 4) 2 erhalten sind, soll diese Kenntnis sichtbar werden. Dabei geht es vor allem darum, daß Petrus nach Porphyrius - entgegen der offiziellen römischen Tradition - nur kurze Zeit in Rom gewesen sei, bevor er dort den Kreuzestod erlitten hat. Aber es ist kaum möglich, einen zwingenden Beweis dafür zu erbringen, daß Porphyrius diese Aussage aus den APt entnommen hat. Es bleibt also von den vielen angeblichen Zeugnissen für die APt aus der Zeit vor Euseb nicht viel übrig. Nur Origenes und die Didascalia können als Zeugen für die Existenz der APt benutzt werden, ohne daß aber damit sichere Angaben über Umfang und Inhalt dieses Werkes gegeben wären. Dabei sind nun allerdings sowohl die Pseudo-Clementinen wie die Johannesakten und die Paulusakten unberücksichtigt geblieben. In der 2. Auflage dieses Buches hat H. Waitz in dem Abschnitt 'Petrusakten' Auszüge aus den Pseudo-Clementinen geboten (Apokr. 2, S. 212-226). Waitz ging dabei von seinen quellenkritischen Hypothesen aus, die er als "gesichertes Ergebnis" deklarierte, und versuchte nun, die von ihm angenommenen IIe6J;su; IIereov aus den ps .. elem. Homilien und Recognitionen zu rekonstruieren. Das Verhältnis dieser IIII zu den übrigen Petrusakten (d.h. Act. Verc. und koptisches Fragment) bestimmte Waitz dahingehend, daß beide "aus einer gemeinsamen Überlieferung geflossen sind, die sich in ihrer ursprünglichen Gestalt in den ps.-elem. IIII erhalten hat" (Apokr. 2, S. 213). Dieser Beitrag von Waitz hat C. Schmidt veranlaßt, sich eingehend mit den Pseudo-Clementinen zu beschäftigen und dabei auch das Verhältnis dieser Schriften bzw. ihrer Grundschrift zu den Petrusakten eingehend zu erörtern (C. Schmidt, Studien zu den Ps.-Clementinen, TU 46,1,1929, vor allem S.1-46). Mit Recht kritisiert Schmidt, daß Waitz sich nicht genügend um das Problem der apokryphen Apostelakten gekümmert und daher manchen Fehler gemacht habe. Schmidt selbst möchte nachweisen, daß der Verfasser der Grundschrift der Ps.-Clementinen die alten Petrusakten benutzt hat. Da die Grundschrift und die Didascalia, die ja sicher die APt benutzt hat (s.o.), in denselben zeitlichen und örtlichen Bereich gehören, ist diese These Schmidts nicht unwahrscheinlich. Nun ist hier nicht die weitere Arbeit an den Ps.-Clementinen darzustellen (vgl. den Forschungsbericht bei G. Strecker, Das Judenchristentum in den Pseudoklementinen, TU 70, 1958, S. 1-34; dazu Strecker, o. S. 63 ff. und Irmscher, u. S. 373 ff.). Es sei nur vermerkt, daß die Frage des Verhältnisses zu den APt in der Arbeit an den Ps.-Clementinen weitgehend hinter anderen Problemen zurückgetreten ist 3. Mit Recht hat Strecker (a. a. 0., S. 255) betont, daß man Schmidt nicht ohne weiteres zustimmen könne, "wenn er die IIII-Stücke der Grundschrift unmittelbar aus den alten Petrusakten ableitet". Vor allem erscheint es mir zweifelhaft, ob man die Differenzen in den Örtlichkeiten, an denen sich die Begegnungen zwischen Simon und Petrus in der Grundschrift der Ps.-Clem. und in den APt abspielen, so einfach erklären kann, wie Schmidt es tut (a.a.O., S. 31ff.). Man wird also die Beziehungen zwischen den APt und Ps.-Clem. vorläufig als ungeklärt ansehen müssen. Es steht nur fest, 1 Schmidt stützt sich dabei vor allem auf das koptische Fragment, dessen Handlung er nach Jerusalem verlegt. Der Ort wird zwar im Text nicht genannt, kann aber vermutet werden. Nur kann man wohl im Blick auf die Didascalia nicht sagen: "Das stammt aber einzig und allein aus den Petrusakten" (Schmidt, Petrusakten, S. 147). • Zu der Frage der Benutzung des Porphyrius durch Macarius vgl. Quasten II!, S. 486 bis 488; dort weitere Literatur. 3 Die Frage angeblich ebionitischer Apostelakten, die H.J. Schoeps eingehend erörtert hat, kann und braucht hier nicht näher behandelt zu werden; vgl. H.J. Schoeps, Theologie und Geschichte des Judenchristentums, 1949, S. 381-456; dazu W. Schneemelcher, Das Problem des Judenchristentums: Verkündigung und Forschung 1951/52, S. 229ff.
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daß die Grundschrift der Ps.-Clem., die Strecker mit guten Gründen auf die Zeit um 260 datiert, jünger ist als die APt (zu deren Datierung s. u. S. 187), und daß weiter manches für die Vermutung spricht, der Verf. der Grundschrift habe zumindest den Stoff, der in den APt verarbeitet ist, gekannt. In welcher Gestalt ihm dieser Stoff vorlag, ob in der der uns nur z. T. erhaltenen APt oder in einer anderen Form, läßt sich nicht sagen. Sehr schwierig und undurchsichtig ist die Frage des Verhältnisses der APt zu den J oh annesakten. Hatte Tb. Zahn (z.B. Gesch. d. ntl. Kanons II, S. 860) die Identität des Verfassers der AJ mit dem der APt behauptet, so hat sich C. Schmidt bemüht nachzuweisen, daß der Verfasser der APt aus denAJ geschöpft habe (Petrusakten, S. 77-79). Auch Vouaux rechnet die AJ zu den Quellen, die der Verfasser der APt verarbeitet hat (S. 49-52). Dabei ist immer vorausgesetzt, daß die AJ tatsächlich die ältesten apokryphen Apostelakten sind. "Dem Leucius gebührt vielmehr die Ehre, den ersten Apostelroman verfaßt zu haben; er hat damit, wohl wider sein eigenes Erwarten, die Bahn für eine ganz neue altchristliche Literaturgattung gebrochen, denn seinem Beispiel ist bald der Verfasser der Paulusakten, ebenfalls ein Kleinasiat, gefolgt, und auf beider Schultern stehend hat der Pseudo-Petrus seinen Roman geschrieben" (C. Schmidt, Petrusakten, S. 99). Dieses chronologische Schema beruhte vor allem auf der Beobachtung bestimmter Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten in christologischen Vorstellungen, zum Teil aber auch auf anderen Voraussetzungen, die dann für die Erklärung dieser Ähnlichkeiten die Basis abgaben. Nun ist für die Paulusakten inzwischen von C. Schmidt selbst die Haltlosigkeit dieses Schemas erwiesen (s. u. S. 240f.). Für die Johannesakten hat Schäferdiek o. S. 126ff. gezeigt, daß die Bezeugung der AJ vor Euseb so unsicher ist, daß man den Frühansatz kaum noch halten kann. Aber und desha.lb muß nun auf dieses Problem hier näher eingegangen werden - sind dann die Ähnlichkeiten und übereinstimmungen vielleicht so zu erklären, daß die APt für die AJ die Vorlage bildeten? In der 'Evangeliumsverkündigung' (AJ c. 87ff.) kommt Johannes auch auf Christi irdische Erscheinung zu sprechen und schildert zu Beginn, wie er und sein Bruder Jakobus von J esus berufen wurden. Dabei sah Jakobus den Herrn als Knaben, während J ohannes ihn als wohlgestalteten, schönen Mann dastehen sah (c. 88f.). Weiter wird die Verklärungsgeschichte in merkwürdiger Umformung erzählt (c. 90; vgl. zur Interpretation Sturhahn, S. 32f.) und auch dabei spielt das Motiv der verschiedenen Gestalten des Erlösers eine wichtige Rolle. Ähnlich spricht nun Petrus in APt c. 20 zu der um das Evangelium versammelten Gemeinde davon, daß Christus von den Jüngern so gesehen wurde, wie jeder einzelne es fassen konnte. Auch hier wird die Verklärungsgeschichte als Beispiel angeführt, aber der Verf. bleibt ohne Zweifel näher an der biblischen Erzählung. Auch der Bericht der Witwen in c. 21, denen das Augeulicht wieder geschenkt worden ist und die nun berichten sollen, was sie gesehen haben, ist von dem Motiv der Polymorphie bestimmt: die einen haben ihn als älteren Mann, die anderen als Jüngling gesehen UBW. Das Kapitel schließt mit den Worten des Petrus: "Sicherlich ist Gott größer als unsere Gedanken, wie wir es von den alten Witwen erfahren haben, wie sie in verschiedener Gestalt den Herrn gesehen haben." Dieser interpretierende Schlußsatz zeigt, daß der Verf. der APt den Gedanken der Polymorphie aus anderen Motiven heraus aufgenommen hat als der Verf. der AJ. Aber auch abgesehen von der Intention, die sich in dieser Interpretation zeigt, muß doch wohl festgestellt werden, daß zwischen den beiden Abschnitten nur eine Ähnlichkeit in einer auch sonst uns begegnenden Vorstellung aufzuzeigen ist, aber von einer literarischen Abhängigkeit kaum die Rede sein kann (vgl. Sturhahn, S. 30ff. und S. 184ff.). Die gleiche Zurückhaltung ist auch bei den anderen Stellen, die man zum Beweis der Abhängigkeit herangezogen hat, angebracht. So werden in AJ c. 98 verschiedene Bezeichnungen für das Lichtkreuz aufgezählt, d.h. es werden eine Reihe christologischer Prädikate zusammengestellt. Auch APt 20 begegnet eine solche Aufzählung von Bezeichnungen für Jesus: Log08, Vernunft (vov,), Jesus, Christus, Tür, Weg, Brot, Samen, Auferstehung, Sohn, Vater, Geist, Lehen, Wahrheit, Glaube, Gnade (AJ) - Tür, Licht, Weg, Brot, Wasser, Leben, Aufer8tehung, Trost, Perle, Schatz, Samen, Sättigung, Senfkorn, Weinstock, Pflug, Gnade, Glauben, Wort (APt).
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Liegt hier literarische Abhängigkeit vor? Wieder muß man von den mit diesen Aufzählungen verbundenen Intentionen absehen (vgl. dazu Sturhahn, S. 33f. und S. 190f.). Eine gewisse Verwandtschaft besteht ohne Zweifel, aber sie beschränkt sich auf einzelne Begriffe, die ohnehin aus der allgemeinen christlichen Tradition als christologische Prädikate geläufig waren. Dazu kommt, daß solche Listen keine nur diesen beiden apokryphen Apostelakten eigene Form darstellen. Wie Justin (Dial. 100,4) und Diognetbrief (9,6) zeigen, gibt es solche Aufzählungen auch in anderen Zusammenhängen. Also auch hier ist bei der Frage der literarischen Abhängigkeit größte Zurückhaltung angebracht. Schließlich hat C. Schmidt auch in APt c. 39 (10) eine Anleihe bei den AJ c. 99ff. feststellen wollen (Petrusakten, S. 97ff). Aber auch an dieser Stelle kann eine Abhängigkeit nicht zwingend bewiesen werden (vgl. Sturhahns Interpretation, S. 157ff.; dort auch Hinweis auf Parallelen in den ATh). Zusammenfassend kann also gesagt werden: Die angeblichen Abhängigkeiten der APt von den AJ, die bei einer Änderung der Chronologie ja als Abhängigkeiten der AJ von den APt angesehen werden könnten oder sogar müßten, sind keineswegs beweisbare literarische Entlehnungen. Sie lassen sich zumeist durch die gleiche religionsgeschichtliche Herkunft der Vorstellungen - trotz der sehr verschiedenen theologischen Ausrichtung und Anwendung in den A GG - erklären 1. Die AJ müssen also, soweit wir heute sehen können, bei den Fragen der Bezeugung, der Datierung und der Quellen der APt aus dem Spiel bleiben. Anders steht es mit den Pa u 1usa k t e n. Hier können wir uns kürzer fassen, da C. Schmidt wohl das Nötige dazu gesagt hat. Während Schmidt früher energisch für die Abhängigkeit der APt eintrat, wurde er durch den Fund des Hamburger Papyrus der AP (vgl. dazu u. S. 237 f.) von dieser Meinung abgebracht. In diesem Papyrus findet sich eine Abwandlung der berühmten Quo-vadis-Szene (APt c. 35 = Mart. c. 6), aber ohne richtige Pointe. Daraus, wie auch aus anderen Abschnitten (vor allem aus der Theongeschichte APt c. 5) hat Schmidt mit Recht geschlossen, daß der Verf. der AP die APt benutzt und ausgeschrieben hat 2. Was das für die Datierung der APt zu bedeuten hat, wird unten zu erörtern sein (vgl. S. 187). Hier ist nur festzustellen, daß die AP zu den wenigen Zeugen für die Existenz der APt aus der Zeit vor Euseb gehören. Mit dem 4. Jahrhundert fließen die Quellen, in denen von den APt die Rede ist, etwas reichlicher. Das ist in der einschlägigen Literatur (besonders von C. Schmidt, Vouaux und Flamion) oft genug dargelegt worden und braucht hier nicht wiederholt zu werden. Wichtig ist zweierlei: 1. Im manichäischen Psalmbuch sind neben anderen apokryphen Akten offensichtlich auch
die APt benutzt worden (vgl. o. S. 118). 2. Der Kampf gegen die apokryphen Apostelakten, wie er uns vor allem aus mannigfachen Stellen bei Augustin deutlich wird, hat dazu geführt, daß diese Akten, also auch die APt beinahe ganz untergegangen sind 3. '
1 Für diese Probleme ist vor allem die Arbeit Sturhahns wichtig, auch wenn man der Interpretation nicht immer folgen kann. Für die religionsgeschichtlichen Zusammenhänge sei verwiesen auf H. Schlier, Religionsgeschichtliche Untersuchungen zu den Ignatiusbriefen, Beih. zur ZNW 8, 1929. Schlier verwertet auch die AJ und APt. 2 Vgl. vor allem C. Schmidt, IIPAEEIL: IIAYAOY, Acta Pauli, 1936, S. 127ff. Gegen die Auffassung Schmidts hat sich W. Michaelis, S. 377ff. gewandt. Insbesondere die Worte des Herrn in der Quo-vadis-Szene (:n:ciJl.w uraveOV/l-W in APt, iJ.yw{}sy /l-iJl.Jl.w uraveovuf}w in AP) weisen nach Michaelis auf die Abhängigkeit der APt von den AP, oder von einer entsprechenden Überlieferung. Aber ich glaube, daß man doch Schmidt folgen muß: das Wort des Herrn paßt nicht in den Zusammenhang der AP. wohl aber in den der APt. • Nebenbei sei bemerkt, daß diese Kontroverse mit ihren Folgen die Forscher im 19.Jh., vor allem Lipsius, auf die sicher falsche Spur von 'gnostischen' AGG im Unterschied zu
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Unter den Belegen bei Augustin ist einer besonders wichtig, weil damit die Zugehörigkeit des koptischen Fragments (s. u. S. 184) zu den APt bewiesen wird. Augustin polemisiert in seiner Schrift contra Adimantum gegen die Ablehnung der AG durch die Manichäer, die sich vor allem auf AG 5, 1 ff. stützen, und sagt: "Das tadeln jene in großer Blindheit, da sie doch in den Apokryphen auch jenes als ein großes Werk lesen, was ich vom Apostel Thomas berichtet habe, und von der auf Bitten des Vaters paralytisch gewordenen Tochter des Petrus selbst und von der Tochter des Gärtners, die auf Bitten desselben Petrus gestorben ist; sie antworten, daß dieses ihnen nützte, daß diese durch Lähmung geschwächt, jene aber gestorben sei; dennoch leugnen sie nicht, daß das auf Bitten des Apostels geschehen sei" (Augustin, c. Adimantum Man. disco XVTI; ed. Zycha, CSEL XXV 1, S. 170,6-16). Auch wenn Augustin die APt nicht direkt nennt, so ist doch klar, daß er eine apokryphe Schrift - und zwar in lateinischer Übersetzung - kennt, in der die Geschichte der Petrustochter stand. Das können aber eigentlich nur die APt gewesen sein, zu denen das koptische Fragment gehört hat. Es sei schließlich noch darauf verwiesen, daß die spärliche Bezeugung der APt auch in der Zeit nach Euseb (bis hin zu Photius, cod. 114; vgl. dazu Schäferdiek, O. S. 117 ff.) ergänzt wird durch die Benutzung der APt in späteren Apostelakten. Unter den Texten, die hier zu nennen sind, sind auch einige, die für die Textüberlieferung wichtig sind. In der Vita Abercii (4. Jh.; ed. Th. Nissen, 1912) sind folgende Stellen wörtlich aus denAPt übernommen: Act. Verc. C. 2 (Lipsius p. 46, 31-47,11) Act. Verc. C. 20 (p. 67, 3-8) Act. Verc. C. 20 (p. 67,26-68,15) Act. Verc. C. 7 (p. 53, 20-29) Act. Verc. C. 21 (p. 68,17-69,2)
Vit. Ab. C. 13 (Nissen p. 11, 12-12, 9) Vit. Ab. C. 15 (p. 13, 7-11) = Vit. Ab. C. 15 (p. 13, 16-15,2) = Vit. Ab. C. 24 (p. 19, 9-20, 2) = Vit. Ab. C. 26 (p. 20, 11-23, 1). = =
Die Stellen, die in der unten gebotenen Übersetzung ausgewertet werden, sind deshalb so interessant, weil sie uns in die Lage versetzen, die lateinische Übersetzung der APt in der Handschrift von Vercelli zu kontrollieren. Der lateinische Übersetzer hat sich offensichtlich nahezu wörtlich an den griechischen Text gehalten. Weiter ist aufschlußreich, daß es sich bei den übernommenen Abschnitten nur um Redestücke handelt; offensichtlich hat die Phantasie des Verfassers der Vita Abercü für solche eingelegten Reden nicht ganz gereicht und er hat daher Anleihen bei den APt gemacht. Weniger in die Augen fallend ist der Gebrauch, den die Philippusakten (Ende des 4./ Anfang des 5. Jh.; vgl. U. S. 404) von den APt gemacht haben. Nach C. Schmidt (Studien I, S. 329ff.) sind es drei Stellen der Acta Philippi, die die Kenntnis und Benutzung der APt zeigen: Act. Phi!. 142 (Bonnet p. 81) = kopt. Fragment (Tochter des Petrus) Act. Phi!. 140 (p. 74) = Act. Verf. 38 (Mart. C. 9) Act. Phil. C. 80-85 (p. 32f.) = Act. Verc. 28. Es läßt sich zwar nicht stringent beweisen, daß der Verf. der Acta Phi!. wirklich die APt ausgeschrieben hat. Aber die Übereinstimmungen sind so stark, daß man eine literarische Abhängigkeit vermuten darf. Auch die Acta Xanthippae et Polyxenae (ed. M.R. James, Apocrypha anecdota, Text and Studies II 3, 1893, S. 43-85) scheinen Gebrauch von denAPt gemacht zu haben. So kann man mit C. Schmidt (Studien II, S. 494f.) in C. 24 ein 'katholischen' AGG geführt hat. Es ist ein Verdienst von C. Schmidt, diese Dinge einigermaßen zurechtgerückt zu ha.ben, wobei er nun allerdings oft auch zu einseitig von 'vulgärkatholisch' redet. Aus der Arbeit von Sturhahn geht hervor, daß man gerade bei den AGG mit einer Mischung verschiedener Elemente zu rechnen hat; vgl. auch U. S. 186.
2. Petrusakten
183
Exzerpt des Anfangs der Act. Verc. sehen. Weitere Einzelheiten, vor allem der Name Xanthippa, weisen auf literarischen Zusammenhang, wie ja der Verfasser dieser späten Akten (wohl 6. Jh.) überhaupt manche Anleihe bei apokryphen AGG gemacht zu haben scheint 1. Von den Acta SS. Nerei et Achillei (5.(6. Jh.; hrsg. von H. Achelis, TU XI 2,1893) ist zumindest cap. 15 kaum denkbar ohne die Vorlage der APt, und zwar, was wichtig ist, der koptis()hen Erzählung von der To()hter des Petrus. Gewiß sind mafi()herlei Weiterbildungen festzustellen, aber die Vorlage ist do()h deutlich sichtbar (vgl. Schmidt, Studien I, S. 342f.; vgl. auch Vouaux, S. 155ff.) Schließlich sei noch erwähnt, daß die späteren Petrustexte (sog. Linus- und Marcellustexte) von den alten APt abhängig sind (vgl. Vouaux, S. 129ff.; 160ff.; Lipsius, Apostelgescbichten II; weiteres s. u., S. 400), allerdings wohl nicht direkt von den erhaltenen lateinischen Act. Verc. Diese spätere Benutzung der APt zeigt, wie vor allem C. Schmidt immer wieder betont hat, daß die APt in katholischen Kreisen noch lange benutzt worden sind. Sie sind "in kirchlichen Kreisen entstanden und ursprünglich als großkirchliche Produkte mit hoher Achtung gelesen", in nachnicänis()her Zeit dann in Verruf geraten, aber trotzdem "noch auf lange Zeit hinaus eine beliebte Lektüre in gut katholischen Kreisen gewesen, bis man für sie durch angeblich orthodoxe Bearbeitungen einen Ersatz geschaffen hatte" (Schmidt, Petrusakten, S. 151). Die Geschichte der APt in der Alten Kirche läßt diese Tatsachen noch erkennen, wenn auch vieles dunkel bleibt. Sie spiegelt aber auch die Geschichte und den Wandel kirchlicher Lehre und kirchlicher Frömlnigkeit wider. 3. ÜBERLIEFERTER BESTAND: Von den alten Petrusakten sind folgende Stücke erhalten: a) Die sogenannten Actus Vercellenses, so genannt nach der einzigen lateinischen Handschrift, in der der Text überliefert ist, einem Codex in Vercelli (cod. Verc. CL VIII, 6./7. Jh.). Die hier überlieferte Übersetzung stammt nach Turner (JThSt XXXII, 1931, S. 119f.) bereits aus dem 3. oder 4. Jh. Ihr Inhalt wird durch den von Lipsius erschlossenen Titel 'Actus Petri cum Simone' (vgl. Aa I, S. 45) nicht ganz richtig wiedergegeben. Besser wird man mit C. Schmidt (Studien II, S. 510) annehmen, daß der Titel gelautet hat: actus Petri apostoli = IIea!;etr; IIBrQov .oi! dnoa.6A.ov, und das wäre dann auch der dem Inhalt angemessene Titel. Nach einem kurzen Bericht über die Abreise des Paulus nach Spanien (c. 1-3) wird von der Ankunft des Simon in Rom und der auf göttliche Weisung erfolgten Reise des Petrus erzählt (c. 4-6). Es folgen die Berichte über die Wiederherstellung der römiscben Gemeinde durch Petrus, die Auseinandersetzungen des Petrus mit Simon, die ihren Höhepunkt in dem Kampf auf dem Forum finden (c. 7-29), und schließlich das Martyrium des Petrus (c. 30-41), von dem nun auch 2 griechische Handschriften existieren (cod. Patm. 48, 9. Jh. = P; cod. Vatopedi 79, 10./11. Jh. = A). Daß das Martyrium des Petrus von Anfang an zu den APt gehört hat, geht daraus hervor, daß die beiden griechischen Handschriften verschieden einsetzen: A beginnt mit Act. Verc. c. 30, bietet also vor dem eigentlichen Martyrium noch die Erzählung von der Chryse usw., während P erst mit Act. Verc. c. 33 einsetzt. Zu den beiden griechischen Handschriften des Martyriums kommt als Zeuge des griechischen Originaltextes der APt für c. 25 (Ende) und c. 26 (Anfang) noch ein Papyrusfragment: Pap. Oxyrhynchos 849 (ed. Grenfell-Hunt, Ox. Pap. VI, 1908, S. 6-12; Text auch bei Vouaux, S. 374ff. im Apparat). Schließlich muß hier noch einmal auf die oben (S. 182) bereits aufgeführten Stellen aus der Vita Abercii verwiesen werden, die zwar eine leichte Überarbeitung darstellen, die aber doch wie die beiden griechischen Handschriften des Martyriums und wie der Papyrus zeigen, daß die lateinische Übersetzung in dem cod. Verc. "im allgemeinen zuverlässig ist, wenn es auch an Mißverständnissen, Wi11kürlichkeiten und Ungenauigkeiten nicht fehlt. Auch die Beobachtung wird bestätigt, daß der lateinische Übersetzer wohl mit1 Vgl. die Zusammenstellung bei James, a.a. 0., S.47ff.; für die APt ist auch heranzuziehen der Kommentar von Vouaux (vgl. Register bei Vouaux, B. v. Actes de Xanthippe).
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
unter den Sinn durch Zusatz einiger Worte verdeutlichen will, aber doch mehr das Bestreben zeigt, zu kürzen als zu erweitern" (Ficker, Apokr. 2, S. 226f.). Das Martyrium des Petrus hat sich, wie schon die griechischen Handschriften bezeugen, früh von den APt getrennt. Die orientalischen Versionen zeigen, wie weit verbreitet dieses Stück war. Wir haben koptische, syrische, armenische, arabische, aethiopische und slavische Texte des Martyriums (zum Teil erst mit cap. 4 des Mart. = Act. Verc. c. 33 beginnend). Eine Übersicht über diese Zeugen, die von Lipsius in seiner Ausgabe noch nicht vollständig benutzt worden sind, bietet Vouaux, S. 19-22. Daß die Act. Verc. nicht den vollständigen Text der APt darstellen, geht auch daraus hervor, daß nach der Stichometrie des Nicephorus (vgl. Bd. I, S. 24f.) die APt einen Umfang von 2750 Stichen gehabt haben, also etwas mehr als das Lukasevangelium (2600 Stichen). Schon Zahn hat danach berechnet (Gesch. d. ntl. Kanons 11, S. 841, Anm. 3), daß etwa ein Drittel der APt fehlt. Von diesen fehlenden Stücken ist bisher nur wenig entdeckt. b} Die Erzählung von der Tochter des Petrus, erhalten im koptischen Papyrus Berlin 8502 1 • Dieser von C. Schmidt entdeckte und herausgegebene Papyrus (Petrusakten, 1903) enthält auf den Seiten 12S-132 und 135-141 diese Erzählung, deren Zugehörigkeit zu den APt von Schmidt behauptet, von Ficker bestritten und später dann von C. Schmidt endgültig erwiesen ist (vgl. vor allem Schmidt, Studien I). Die von Schmidt aufgeführten Gründe sind zwar von unterschiedlichem Gewicht, insgesamt aber so überzeugend, daß man nicht mehr daran zweifeln kann, hier ein Fragment des sonst nicht erhaltenen ersten Teiles der APt vor sich zu haben. Inhaltlich ist die Erzählung von keiner besonderen Bedeutung. Petrus demonstriert an seiner Tochter, daß angebliches Leiden eine Gottesgabe sein kann, wenn es dazu dient, die Jungfräulichkeit zu bewahren. Es ist also eine von enkratitischer Tendenz bestimmte Wundergeschichte, wie wir sie mehrfach in den Act. Verc. antreffen. Es wird nicht direkt gesagt, wo die Erzählung spielt. Aber da davon die Rede ist, daß Petrus in sein Haus ging, und da auch die Tochter des Petrus bei dem Vater wohnt, wird man den Wohnort des Petrus als Schauplatz anzunehmen haben. Dieser ist aber nach Act. Verc. c. 5 in Jerusalem zu suchen. Da diese Erzählung doch zu dem ersten, verlorengegangenen Teil der APt gehört haben muß, wird man also für diesen Teil Jerusalem als Ort der Ereignisse ansehen dürfen. Daß in diesem ersten Teil auch von dem Kampf des Petrus mit Simon bereits die Rede war, kann vermutet werden. Denn die Tatsache, daß Petrus in Rom mehrfach von diesem ersten Kampf mit dem Zauberer berichtet, ist kein Gegenargument (vgl. die verschiedenen Berichte über die Bekehrung des Paulus AG 9; 22; 26). Über den Umfang und den weiteren Inhalt dieses ersten Teiles läßt sich sonst kaum etwas sagen. Nur eine andere Erzählung, die dazu gehört haben wird, ist uns bekannt. c} In dem apokryphen Titusbrief (s. o. S. 90 ff.) begegnet eine Erzählung von der To ch te r eines Gärtners, die auf das Gebet des Petrus hin tot umfällt, dann auf Bitten des Vaters wieder erweckt wird, wenige Tage danach aber verführt und entführt wird. Diese Geschichte, die von dem Verfasser des Ps.-Titusbriefes gar nicht so falsch interpretiert wird, hat dieselbe Tendenz wie die Erzählung von der Tochter des Petrus (s.o.): Es ist dem Menschen besser, tot zu sein, als durch Geschlechtsverkehr befleckt zu werden. Die Zugehörigkeit dieser von Ps.-Titus aufgenommenen Erzählung zu den APt geht aus der Notiz des Augustin (c. Adimant. XVII, s. o. S. 182) hervor, wo beide Ereignisse nebeneinander gestellt, also doch wohl nach derselben apokryphen Schrift zitiert werden. Ohne Zweifel handelt es sich dabei nun um Parallelerzählungen. Aber a.uch in den Act. Verc. und in anderen AGG begegnen uns solche Parallelerzählungen, die auf den modernen Leser leicht ermüdend wirken. Fraglich ist, ob das von de Bruyne herausgegebene Fragment aus einer Rede des Petrus zu den APt gehört hat (de Bruyne in Revue Benedictine X, 1908, S. 152f.; es handelt sich 1 Eine Beschreibung der Handschrift bei W. Till, Die gnostischen Schriften des kopt. Papyrus Berol. 8502, TU 60, 1955, S. 6-8.
2. Petrusakten
185
um ein Fragment aus einer Bibelkonkordanz, Cod. Cambrai 254,13. Jh.). C. Schmidt setzt diese Worte mit der Erzählung von der Tochter des Gärtners in Verbindung: "Wir besitzen höchstwahrscheinlich die Worte des Apostels, die er zu dem leidenschaftlich erregten Vater gesprochen hat" (Studien I, S. 336). Aber damit ist wohl mehr gesagt, als bewiesen werden kann. Mehr als eine Möglichkeit läßt sich nicht feststellen. 4. KOMPOSITION, .ABSICHT UND THEOLOGISCHE TENDENZ DER ÄPT: Nach dieser "Öbersicht über die erhaltenen Stücke der APt ist zu der Frage der Komposition dieser apokryphen Apostelgeschichte nicht mehr viel zu sagen. Wie schon erwähnt, läßt sich aus den Act. Verc. erschließen, daß der erste Teil, der mit Ausnahme weniger Reste verlorengegangen ist, in Jerusalem gespielt hat (vgl. Schmidt, Studien II, S. 497ff.). Hier hat sich offensichtlich auch der erste Zusammenstoß zwischen Petrus und Simon ereignet, hier haben auch die Ereignisse stattgefunden, von denen wir in dem koptischen Bericht über die Tochter des Petrus und in dem Fragment des Ps.-Titus hören. Zu beachten ist, daß der Verf. der APt die Verlegung der ersten Kontroverse zwischen Petrus und Simon nach Jerusalem offenbar deshalb vorgenommen hat, weil er durch die Tradition von dem 12 jährigen Aufenthalt des Petrus in Jerusalem gebunden war (vgl. Act. Verc. c 5; zu den 12 Jahren vgl. W. Bauer, o. S. 18 f.). Andererseits wußte er von der Wirksamkeit des Paulus in Rom, von dem Martyrium des Petrus in Rom und hatte wohl auch irgendwelche Nachrichten über eine Tätigkeit des Simon in Rom. Ob er den Bericht des Justin (Apol. 26, 2) über die Statue des Simon in Rom kannte (vgl. Act. Verc. c. 10: Marcellus berichtet, daß Simon ihn dazu überredet hätte, ihm eine Statue zu errichten), ist nicht zu sa·gen. Diese dem Verf. der APt überkommenen Traditionen haben die Komposition des Werkes bestimmt. Zunächst waren die beiden Schauplätze, Jerusalem und Rom, festgelegt. Weiter mußte erläutert werden, wie die römische Gemeinde vor der Ankunft des Petrus entstehen konnte. Dazu hat der Verf. in Act. Verc. c. 1-3 die Paulusepisode eingefügt. Wir können nicht sicher sagen, ob und in welcher Weise im ersten Teil der APt von Paulus die Rede war. Aber es ist nach dem Bericht des Petrus in Act. Verc. 23 anzunehmen, daß bei dem ersten Zusammentreffen mit Simon Paulus dabei war. Denn Petrus erzählt ja, wie Simon nicht ihn und Johannes (vgl. AG 9, 18ff.), sondern ihn und Paulus überreden wollte, ihm die Kraft Wunder zu tun (d. h. den ffig. Geist) zu verkaufen. Es ist wahrscheinlich, daß diese Tatsache, die Petrus in c. 23 erwähnt, bereits im ersten Teil ausführlicher berichtet worden ist und daß damit die Wirksamkeit des Paulus in Rom vorbereitet wurde. Die Zerstörung der römischen Gemeinde durch Simon konnte andererseits nur in Abwesenheit eines Apostels vonstatten gehen; daher mußte Paulus von Rom nach Spanien reisen. Diese Spanienreise des Paulus hat der Verf. wohl wie manche Namen dem Römerbrief des Apostels entnommen. In die Zeit, da Paulus bereits in Rom wirkt, Petrus aber durch den Befehl des Herrn noch an Jerusalem gebunden ist, fällt die Eubula-Geschichte, auf die Petrus dann später mehrmals zurückkommt (vgl. Schmidt, Studien II, S. 502ff.). Diese Erzählung muß für den Verf. bedeutsam gewesen sein, weil er auf sie so oft zurückgreift. Sie ist für ihn in der Tat wichtig, weil Simon durch dieses Ereignis als Zauberer und Bösewicht entlarvt ist und Petrus sich auf diese Entlarvung berufen kann. Der Kampf mit Simon, der ja auch in der Eubula-Geschichte das eigentliche Motiv darstellt, ist nun überhaupt ein besonders wichtiges Element der ganzen Komposition. Das wird an den Act. Verc. ja noch sehr deutlich: die Auseinandersetzung mit dem Zauberer Simon ist gewissermaßen das Leitmotiv, an das sich die anderen Erzählungen und auch das Martyrium anschließen und das sie ergänzen. Dabei ist das Martyrium sicher nach bestimmten, dem Verf. bereits bekannten Vorbildern gestaltet (vgl. u. a. H. von Campenhausen, Die Idee des Martyriums in der alten Kirche, 1936, besonders S. 144ff.). Aber er hat die Erzählung vom Ende des Petrus mit dem Kampf gegen Simon eng verknüpft. Die öffentlich auf dem Forum ausgefochtene Kontroverse zwischen den beiden geht zwar zugunsten des Petrus aus, hat aber kein richtiges Ende. Die Schilderung des Endes Simons hat sich der Verf. aufbewahrt, um sie als Einleitung zu dem Martyrium des Petrus zu bringen (Act. Verc. c. 30
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
bis 32): Simon versucht gen Himmel aufzusteigen, stürzt aber, bricht sich die Beine und kommt elend um. Das ist der Beginn des Martyriumsberichtes, der dann allerdings keinerlei Bezug zu der Simonsgeschichte mehr aufweist. Wahrscheinlich hat der Verf. hier bestimmte vorgefundene Traditionen verarbeitet. Auch wenn der Kampf mit Simon ein wesentliches Motiv der APt ist, so ist damit nicht gesagt, daß das Werk als eine polemische Schrift gegen die simonianische Gnosis geschrieben worden ist. Es fällt ja schon bei einem flüchtigen Lesen auf, wie wenig der Verf. von der Lehre des Simon zu berichten weiß. Und auch über das Leben dieser Gestalt erfährt der Leser recht wenig. "Im allgemeinen ist die Dürftigkeit bemerkenswert, mit der die Person Simons in den Actus geschildert ist" (Sturhahn, S. 168). Alles Gewicht der Schilderung liegt auf der ständig betonten Tatsache, daß Simon nichts anderes ist als ein Magier und übler Goet. Da.rin kommt aber zum Ausdruck, daß er ein "Exponent des Satans" (Sturhahn S. 170), der äyyeA.o~ TOV l'haß6Äov (M3.rt. c. 3) ist. Die APt wollen offensichtlich keine Ketzerbestreitung betreiben, sondern ihre Absicht ist, an Simon und seinem immer siegreichen Gegenspieler aufzuzeigen, daß Gott stärker ist als der Satan, in dessen Dienst Simon steht. Daher kann Petrus diesem Kampf beinahe heilsgeschichtliche Bedeutung zuschreiben (Act. Verc. c. 6). Es geht also nicht um die simonianisch -gnostische Lehre, sondern um den Kampf zwischen Gott und dem Teufel. Es ist das Verdienst der Arbeit von Sturhahn (vgl. vor allem S. 168ff.), diese Fragen geklärt zu haben, auch wenn dabei m.E. der literarische Charakter und die Absicht der APt zu wenig berücksichtigt worden sind. Denn die Erörterung des Simonbildes in den APt kann nicht absehen von dem Ziel des Werkes. Die APt gehören zu den apokryphen AGG. Daher gilt für sie das, was bereits allgemein zu dieser Literatur gesagt worden ist (vgl. o. S. 111 ff.): Die AGG wollen unterhalten, belehren und erbauen. Sie sind keine einfache Übertragung der Literaturform des griechischen Romans und auch keine Weiterführung der antiken Aretalogien; das Vorbild der lukanischen AG ist ebenfalls nicht maßgebend. Die literarische Tätigkeit der Verfasser der AGG ist vor allem ein Sammeln und Ordnen von mannigfachen mündlich überlieferten Traditionen gewesen. Auf die APt übertragen bedeutet das nun: Auch dieses Werk ist von der Absicht bestimmt, erbaulich, belehrend und zugleich unterhaltend zu wirken. An dem Simonbild der APt wird der Unterschied zu der ketzerbekämpfenden Literatur deutlich. Die Lehre dieses Erzketzers tritt zurück, dafür aber werden antichristliche Vorwürfe allgemeiner Art ihm in den Mund gelegt!. Die Widerlegung dieser Vorwürfe durch Petrus bedient sich zwar des Schriftbeweises (Act. Verc. c. 24), erfolgt aber in entscheidender Weise durch die Taten bzw. dadurch, daß die Taten des Simon, deren Realität der Verfasser gar nicht leugnet, durch Petrus zunichte gemacht oder übertroffen werden. Auch daran zeigt sich der volkstümliche Charakter der APt (wie aller AGG), daß nicht lange theologische Erörterungen im Mittelpunkt stehen, sondern Taten: Wunder aller Art, Totenerweckungen, Erscheinungen usw. Eine gewisse Ausnahme bilden die Reden des Petrus in Mart. c. 8-10, die auch in ihrer theologischen Ausrichtung eine Sonderstellung einnehmen (vgl. Sturhahn, S. 153ff.). Aber hier wird sich der Verf. wohl einer älteren Vorlage homiletischer Art bedient haben. An dem Gesamturteil über den Charakter des Werkes ändert sich dadurch nichts. Nur wird dadurch deutlich, daß die Einheit der APt nicht in einem ausgeführten theologischen Programm besteht, soudern in dem erbaulichen und unterhaltenden Zweck und damit auch in gewissen praktischen Tendenzen. Es ist sicher schwierig und würde auch den Rahmen dieser Einleitung sprengen, wenn nun im einzelnen aufgezeigt werden sollte, inwieweit der Verf. mancherlei mündlich tradiertes Legendenmaterial benützt hat. Es gibt einige Stellen, an denen dieses Zusammenfügen der Traditionen noch deutlich wird. Es sei nur a.n das Martyrium erinnert, aber auch die
1 z.B. Act. Verc. 23: "Ihr Römer, wird ein Gott geboren? wird er gekreuzigt? Wer einen Herrn hat, der ist kein Gott!" Vgl. dazu Sturhahn, S. 176ff., dort auch weitere Belege a.us frühchristlicher Literatur.
2. Petrusakten
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Simonlegende ist sicher schon vor der Fixierung in den APt in einzelnen Legenden tradiert worden. Vor allem sind die Wundergeschichten, die ja meist typische Legenden sind, nicht von vornherein mit den Simon-Legenden verbunden gewesen, sondern gesondert entstanden und weitergegeben. Der Verf. der APt hat das Material zusammengetragen und ein verhältnismäßig geschlossenes Ganzes daraus gemacht. War er dabei bemüht, die AG fortzusetzen oder sollte sein Werk ein Parallelbericht zur AG sein? Die Frage ist nicht ganz richtig gestellt. Selbstverständlich hat die kurze Erzählung AG 8, 9ff. den Anstoß zur Legendenbildung um die Gestalt des Simon gegeben. Aber es wird ja in den APt sehr deutlich, wie dieser Bericht der AG völlig umgestaltet wird. Vor allem sind aber die theologische Intention wie auch das verarbeitete Material in den APt anderer Art als in der AG. Man kann also nicht von Parallelerzählung und auch nicht von Fortsetzung sprechen, sondern kann die APt eher als eine Ergänzung der AG im Blick auf die Person des Petrus bezeichnen. Es ist auch hier wie in den anderen AGG so, daß das Interesse an einzelnen Personen, von denen die AG nicht viel berichtete (für Petrus trifft das auf seine späteren SchicksaJe zu), den Anstoß für diese Literatur gegeben hat. Es bleibt noch die Frage, ob man von einer einheitlichen theologischen Grundanschauung sprechen kann. Die frühere Alternative gnostisch-katholisch ist schon oben als fragwürdig gekennzeichnet worden (s. o. S. 181, Anm. 3). Selbstverständlich sind die APt kein gnostisches Werk. Ebenso klar ist aber auch, daß einzelne Stücke (vor allem Mart. c. 8-10) stark mit gnostischen Elementen durchsetzt sind. In manchen Teilen der APt läßt sich weiter ein gewisser Doketismus nicht übersehen (z. B. Act. Verc. c. 20), ohne daß aber mit dem Schlagwort Doketismus nun die Theologie der APt hinreichend beschrieben wäre. "Es ergibt sich ... der ... Tatbestand, daß eine vulgärchristliche Schrift, deren ungnostischer Charakter aus anderen Gründen als erwiesen gelten kann, sich genötigt sieht, die Frage, wie der Eintritt des Erlösers in diese Welt zu verstehen sei, im doketischen Sinne zu lösen und daß sie sich dabei mit Traditionen berührt, die ihrer Struktur nach dem gnostischen ErlöserMythos nicht fernstehen ... während zugleich das Kerygma von der Jungfrauengeburt der doketischen Lösung den Schein der Legitimität verleiht" (Sturhahn, S. 182f.). In dieser Charakteristik wird deutlich, daß es nicht leicht ist, die Theologie der APt auf eine einfache Formel zu bringen. Sturhahn hat versucht, den dogmengeschichtlichen Ort der APt als volkstümlichen modalistischen Monarchianismus zu umschreiben, ohne allerdings diese Auffassung wirklich beweisen zu können. Man wird sich hier bescheiden müssen: neben doketischen Elementen begegnen tatsächlich monarchianische Aussagen (vgl. schon C. Schmidt, Petrusakten, S. 24). Die APt sind aber kein theologischer Traktat, sondern Volksliteratur, der es mehr auf erbauliche und praktische Wirkung ankommt als auf theologische Klarheit. Zu der praktischen Ausrichtung gehört nun ohne Zweifel auch eine gewisse enkra.titische Tendenz. In Act. Verc. c. 2 wird diese Tendenz an der Eucharistie mit Brot und Wasser bereits sichtbar. Wichtiger ist die starke Betonung der geschlechtlichen Enthaltsamkeit als einer Bedingung des Heils (vgl. Mart. c. 4f.). In dem koptischen Fragment wie in der späteren Predigt des Petrus in Rom spielt dieses Motiv eine beherrschende Rolle. Man darfwohl sagen, daß die Kreise, aus denen die APt stammen, gerade an diesem Punkt besonders interessiert waren. Daß enkratitische Ethik und doketische Christologie oft zusammengehören, ist bekannt. Aber die Verbindung von doketischen Aussagen und enkratitischen Tendenzen beweisen noch nicht den gnostischen Charakter der APt. Vielmehr ist es die Volksfrömmigkeit des 2. und 3. Jh., die sich hier zu Worte meldet. In ihr haben, wie zu allen Zeiten, manche Elemente nebeneinander Platz, die die Theologen gern säuberlich trennen. 5. ZEIT UND ORT DER ABFASSUNG: Die ursprünglich griechisch verfaßten APt sind, wie oben S. 181 dargelegt, von dem Verf. der Paulusakten benutzt worden. Nun ist dessen Werk durch eine Tertullianstelle auf das Ende des 2. Jahrhunderts datiert (vgl. dazu u. S. 241). Dadurch haben wir für die APt einen Anhaltspunkt: sie müssen vor ca. 190 entstanden sein, vermutungsweise in dem Jahrzehnt 180--190. Dazu paßt auch Inhalt und theologische Tendenz.
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XIII. Apostelge8chichten des 2. und 3. Jahrhunderts
Der Ort, an dem das Werk entstanden ist, kann nicht mit Sicherheit bestimmt werden. Man hat an Rom oder an Kleinasien gedacht. Für Kleinasien spricht die Beziehung zu den AP, die nach dem Zeugnis des Tertullian dort entstanden sind. .Aber über Vermutungen kommt man hier nicht hinaus.
DIE .AKTEN DES PETRUS *
I. FRAGMENTE DES ERSTEN TEILES
a) Die Tochter des Petrus (Kopt. Pap. Berlin 8502, p. 128-132 und 135-141; ed. C. Schmidt S. 3-7) (p. 128) Am ersten Wochentage aber, welches ist der Herrentag, versammelte sich eine Menge, und man brachte viele Kranke zu Petrus, damit er sie heile 1. Einer aus der Menge aber wagte es, zu Petrus zu sagen: "Petrus, siehe, vor unseren Augen hast du bewirkt, (daß) viele Blinde sehen und die Tauben hören und die Lahmen gehen und hast den Schwachen geholfen und ihnen Kraft gegeben 2. Warum hast du deiner jungfräulichen, schön aufgewachsenen Tochter, die (p. 129) an den Namen Gottes geglaubt hat, nicht geholfen? Denn siehe ihre eine Seite ist ganz gelähmt und sie liegt hingestreckt dort im Winkel behindert. Man sieht die von dir Geheilten; um. deine eigene Tochter hast du dich nicht gekümmert." Petrus aber lächelte und sprach zu ihm: "Mein Sohn, Gott allein ist es offenbar, warum ihr Körper nicht gesund ist. Wisse nun, daß Gott nicht schwach oder machtlos ist, seine Gabe meiner Tochter zu gewähren. Damit aber deine Seele überzeugt werde und die Anwesenden noch mehr glauben" - (p. 130) er blickte nun seine Tochter an und sprach zu ihr: "Erhebe dich von deinem Platze, ohne daß jemand dir hilft außer Jesus allein, und wandle gesund vor diesen allen und komme zu mir." Sie aber erhob sich und ging hin zu ihm; die Menge jubelte über das, was geschehen war 3 • Es sprach Petrus zu ihnen: "Siehe, euer Herz ist überzeugt, daß Gott in allen Dingen, um. die wir ihn bitten, nicht machtlos ist." Da freuten sie sich noch mehr
* Bei der Übersetzung sind die bisherigen .Arbeiten von C. Schmidt, Ficker, Vouaux und Michaelis benutzt. Im Nachlaß Hennecke fanden sich Notizen zur Übersetzung von E. Hennecke und .A. Kurfess, die berücksichtigt wurden. Konjekturen in dem lateinischen Text des Cod. Verc. von Lipsius und Turner (JThSt XXXII, 1931, S. 119ff.) wurden teils notiert, teils stillschweigend verwertet. Die Überschriften der einzelnen .Abschnitte, außer vor dem Martyrium, sind nicht überliefert. Bibelzitate und Anspielungen auf Bibelstellen sind, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, verzeichnet. Vor allem die Petrusreden sind mit biblischem Sprach- und Gedankengut durchsetzt. Weitere Hinweise dazu bei Ficker, Vouaux und Michaelis. V.A = Vita .Abercii (s. o. S. 182); PapOx = Papyrus Oxyrhynchos 849 (s. o. S. 183); ( ) = erklärende Zusätze des Übersetzers; < ) = Ergänzungen. 1 Vgl. Mk. 6, 55; Mt. 4, 24;.AG 5,16 u. a. a Vgl. Mt. 11,5. 3 Vgl. zu der ganzen Szene Mk. 2, 1-12 Par.
2. Petrusakten
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und priesen Gott. Es sprach (p. 131) Petrus zu seiner Tochter: "Gehe an deinen Ort, setze dich und sei von neuem in deiner Krankheit, denn dieses ist dir und mir nützlieh." Wiederum ging das Mädchen fort, setzte sich an seinen Platz und wurde wiederum (in den alten Zustand versetzt). Die ganze Menge weinte und bat Petrus, daß er es gesund mache. Petrus sprach zu ihnen: "So wahr der Herr lebt, dieses ist ihr und mir dienlich. Denn an dem Tage, an dem sie mir geboren wurde, sah ich ein Gesicht, und der Herr sagte zu mir: 'Petrus, dir ist heute eine große (p. 132) Prüfung geboren; diese (sc. Tochter) wird nämlich viele Seelen schädigen, wenn ihr Körper gesund bleiben wird'. Ich dagegen dachte, daß das Gesicht mich verspottete. Als das Mädchen zehn Jahre alt geworden war, da wurde es vielen zu einer Anfechtung. Und ein reicher Mann, mit Namen Ptolemäus, als er das Mädchen mit seiner Mutter (sc. des Mädchens) baden gesehen hatte, schickte nach ihm, um es zu seiner Frau zu nehmen; seine Mutter (aber) war nicht zu überreden. Er schickte oft nach ihm, nicht konnte er erwarten ... (p. 133 und 134 fehlen) (die Leute des) (p. 135) Ptolemäus brachten das Mädchen, legten es vor der Tür des Hauses nieder und gingen fort. Als ich und seine Mutter (es) aber bemerkten, gingen wir nach unten und fanden das Mädchen, dessen eine ganze Seite seines Körpers von seinen Zehen bis zu seinem Kopfe gelähmt und verdorrt war. Wir trugen es fort, indem wir den Herrn priesen, der seine Dienerin vor Befleckung und Schändung und .•. bewahrt hat. Dies ist der Grund dafür, daß das Mädchen in diesem Zustand (sich befindet) bis zum heutigen Tage. Jetzt nun sollt ihr (auch) wissen die Schicksale des (p. 136) Ptolemäus. Er ging in sich und trauerte Nacht und Tag über das, was ihm geschehen war; und infolge vieler Tränen, die er vergoß, wurde er blind, und er gedachte aufzustehen und sich zu erhängen. Und siehe um die neunte Stunde jenes Tages, da er sich aber allein in seinem Schlafgemach befand, sah er ein großes Licht, das das ganze Haus erleuchtete, und er hörte eine Stimme, die zu ihm sagte: (p. 137) 'Ptolemäus, die Gefäße hat Gott nicht gegeben zum Verderben und zur Schändung; dir selbst geziemt es nicht, wie du an mich geglaubt hast, meine Jungfrau zu beflecken, welche du als deine Schwester erkennen wirst, als ob ich euch beiden ein Geist geworden sei; sondern erhebe dich und gehe schnell zum Hause des Apostels Petrus und du wirst meine Herrlichkeit schauen. Er wird dir die Sache erklären'. Ptolemäus aber zögerte nicht und befahl seinen Leuten, (p. 138) ihm den Weg zu zeigen und ihn zu mir zu führen. Als er aber zu mir gekommen war, sagte er alles, was ihm geschehen war in der Kraft Jesu Christi, unseres Herrn. Da sah er mit den Augen seines Fleisches und mit den Augen seiner Seele, und eine Menge hoffte auf Christus. Er tat ihnen Gutes und schenkte ihnen die Gabe Gottes. Danach starb Ptolemäus, er ging aus dem Leben und ging hin zu seinem Herrn. (p. 139) (Als er) aber sein Testament (aufstellte), vermachte er ein Stück Acker auf den Namen meiner Tochter, weil er durch sie an Gott geglaubt hatte und gesund geworden war. Ich (aber), dem die Verwaltung übertragen war, habe sie mit Sorgfalt geführt. Ich habe den Acker verkauft, und Gott allein weiß es - weder ich noch meine Tochter (haben den Preis für sich behalten) 1 - ich habe den Acker verkauft und nicht habe ich etwas von dem Erlös des Ackers unterschlagen, sondern das ganze Geld habe ich für die Elenden verwandt 2. 1
So ergänzt J ames.
2
Vgl. AG 5, 1-11.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
Wisse nun, 0 Diener Christi Jesu, daß Gott (p. 140) für die Seinigen sorgt und einem jeden das Gute bereitet, wir aber denken, daß Gott uns vergessen hat. Jetzt nun, Brüder, laßt uns trauern, wachsam sein und beten, und die Güte Gottes wird auf uns blicken, und wir warten auf sie". Und noch andere Reden hielt Petrus vor ihnen allen, und preisend den Namen (p. 141) des Herrn Christi gab er ihnen allen von dem Brot; als er es ausgeteilt hatte, stand er auf und ging in sein Haus. Die Tat des Petrus. b) Die Tochter des Gärtners (Ps. Titus, De dispositione sanctimonii, Z. 83:ff.) Betrachte und merke dir das Geschehnis, worüber folgender Bericht unterrichtet: Ein Gärtner hatte ein Mädchen, das Jungfrau war. Das war auch seine einzige Tochter, und deshalb bat er Petrus, für sie ein Gebet zu verrichten. Nachdem er gebetet hatte, sagte er dem Vater, der Herr würde ihr schenken, was für ihre Seele angebracht sein sollte. Das Mädchen fiel alsbald tot um. o würdiger und gottgefälliger Gewinn, der Unverschämtheit des Fleisches zu entfliehen und den Stolz des Blutes zu brechen! Aber dieser mißtrauische Greis, da er den Wert der himmlischen Gnade, d. h. die göttlichen Wohltaten verkannte, bat wiederum, daß seine einzige Tochter auferweckt würde. Und einige Tage später, nachdem sie auferstanden war, kam jemand, der sich als Gläubigen ausgab, in das Haus des Greises, um bei ihm zu wohnen. Und anschließend verführte er das Mädchen und beide erschienen nicht mehr wieder. c) Fragment einer Rede des Petrus (Cod. Cambrai 254, ed. de Bruyne, Rev. Benedictine X, 1908, S.153) Petrus, der zu einem (Mann), der ungeduldig über den Tod seiner Tochter klagte, sprach, sagte: "So vielen Angriffen des Teufels, so vielen Kämpfen des Körpers, so vielen Niederlagen der Welt ist sie entgangen, und du vergießest Tränen, als wenn du nicht wüßtest, was du selbst (damit) erlitten hast (sc. welches Gut dir zuteil geworden ist)".
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2. Pet'TU8akten
II. ACTUS VERCELLENSES
(Der Handel des Petrus mit Simon) (Aa 1, p. 45-103)
1. (Die Abreise des Paulus von Rom) 1 Als Paulus sich eine Zeitlang in Rom aufhielt und viele im Glauben stärkte, geschah es auch, daß eine Frau mit Namen Candida, die Gattin des Quartus, eines Angehörigen der Wachmannschaft, den Paulus hörte und seiner Rede aufmerksam anhing und gläubig wurde. Und als sie nun ihrerseits ihren Gemahl unterrichtet hatte und er zum Glauben gekommen war, stellte es Quartus 1 dem Paulus frei 2, aus der Hauptstadt wegzugehen, wohin er wolle. Paulus aber sagte ihm: "Wenn es Gottes Wille ist, wird er selbst es mir offenbaren." Und Paulus fastete drei Tage lang und erbat vom Herrn das, was für ihn geeignet sei, und hatte daraufhin eine Erscheinung, in der der Herr zu ihm sprach: "Paulus, stehe auf und sei den Menschen 3 in Spanien ein Arzt!" So berichtete er den Brüdern, was Gott (ihm) aufgetragen habe, und ohne jedes Bedenken stand er schon im Begriffe, die Hauptstadt zu verlassen. Als Paulus aber im Begriff war, wegzugehen, ward ein großes Weinen in der ganzen Bruderschaft deswegen, weil sie glaubten, sie würden Paulus nicht mehr (wieder) sehen 4, so daß sie sogar ihre Kleider zerrissen; außerdem hielten sie sich vor Augen, daß Paulus öfter mit den Lehrern der Juden zusammengeraten war und sie widerlegt hatte (mit folgenden Argumenten): "Der, an den eure Väter die Hand gelegt haben, ist der Christus 6. Er (sc. Christus) schaffte ihren Sabbat ab und ihr Fasten und ihre Feiertage und ihre Beschneidung und hat die Menschenlehre (p. 46) und die übrigen überlieferungen aufgelöst." 6 Es bedrängten 7 aber die Brüder Paulus bei der Ankunft unseres Herrn Jesu Christi, er möchte nicht länger als ein Jahr wegbleiben, indem sie sagten: "Wir kennen deine Liebe zu deinen Brüdern; vergiß uns nicht, wenn du (nach Spanien) gekommen bist, und laß uns nicht allein wie Kinder ohne Mutter." Und als sie ihn lange unter Tränen anflehten, erscholl ein Ton vom Himmel und eine sehr laute Stimme sprach: "Paulus, der Diener Gottes, ist erwählt zum Dienst für die Zeit seines Lebens; in den Händen N eros, des gottlosen und schlechten Menschen wird er vor euren Augen vollendet werden." Es befiel aber die Brüder große Furcht noch mehr wegen der Stimme, die vom Himmel gekommen war, und viel mehr wurden sie (im Glauben) gestärkt. 2 Sie reichten aber dem Paulus Brot und Wasser 8 zum Opfer, damit er nach dem Gebet jedem austeile. Unter ihnen war auch eine Frau mit Namen Rufina, die durchaus 9 auch ihrerseits die Eucharistie aus den Händen des Paulus empfangen wollte. VgI. Rm. 16,23. 2 Turner: permisit. Vgl. AG 20,25.38. 6 Turner: Christum esse eum. 6 Vgl. KoI. 2, 8. 16.22. 7 Lipsius: urgebant. 8 Zur Eucharistie mit Brot und Wasser vgl. AP, u, S. 256. 8 Turner: utique. 1 4
8
Turner: constituti.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
Als sie herantrat, sagte Paulus vom Geiste Gottes erfüllt zu ihr: "Rufina, nicht als eine Würdige trittst du an den Altar Gottes, da du dich von der Seite nicht eines Ehemannes, sondern eines Ehebrechers erhoben hast, und nun versuchst, die Eucharistie Gottes zu empfangen. Denn siehe, der Satan wird deinen Körper 1 zerschlagen und dich vor den Augen aller, die an den Herrn glauben, niederwerfen, damit sie sehen und glauben und wissen, daß sie an den lebendigen Gott, den Erforscher der Herzen 2, geglaubt haben. Wenn du aber deine Tat bereust, ist er treu 3, der deine Sünden tilgen (und dich) von dieser Sünde befreien kann. Wenn du aber nicht bereust, solange du noch im Leibe bist, so wird dich das verzehrende Feuer und die äußere Finsternis 4 aufnehmen in alle Ewigkeit." Und sofort brach Rufina zusammen, gelähmt auf der linken Seite vom Kopf bis zu den Zehen der Füße. Auch reden konnte sie nicht mehr, denn ihre Zunge war gebunden 5. Als dies aber die (schon länger) Gläubigen und die Neubekehrten sahen, schlugen sie an ihre Brust, indem sie ihrer früheren Sünden gedachten, klagten und sagten: "Wir wissen nicht, ob Gott uns die früheren Sünden, die wir begangen haben, vergibt." Da gebot Paulus Schweigen und sagte: "Ihr Brüder, die ihr jetzt an Christus zu glauben begonnen habt 6, wenn ihr nicht in (p. 47) eurem früheren Wandel und in euren väterlichen überlieferungen bleibt und euch enthaltet von allem Betrug und Jähzorn, von aller Grausamkeit und Ehebruch und Befleckung und von Hochmut und Eifersucht, Hoffart und Feindseligkeit, so wird euch Jesus, der lebendige Gott, nachlassen, was ihr in Unwissenheit getan habt 7. Deswegen, ihr Knechte Gottes, wappnet euch, ein jeder an seinem inwendigen Menschen, mit Frieden, Gleichmut, Milde, Glaube, Liebe, Erkenntnis,' Weisheit, Bruderliebe, Gastfreundschaft, Barmherzigkeit, Enthaltsamkeit, Keuschheit, Güte, Gerechtigkeit! Dann werdet ihr in Ewigkeit den Erstgeborenen der gesamten SchöpfungS zu eurem Führer haben und Tugend in Frieden mit unserm Herrn. 9" Als sie dieses aber von Paulus gehört hatten, baten sie ihn, er möge für sie beten. Paulus aber erhob seine Stimme und sprach: "Ewiger Gott, Gott der Himmel, Gott von unaussprechlicher Majestät, der du alles durch dein Wort befestigt hast, der du (die dem Menschen) angebundene Fessel (zerbrochen hast, der du das Licht) 10 deiner Gnade aller Welt hast zuteil werden lassen, Vater deines heiligen Sohnes Jesu Christi, wir bitten dich miteinander durch deinen Sohn Jesus Christus, die Seelen zu stärken, die einst ungläubig waren, jetzt aber gläubig sind. Einst war ich ein Lästerer 11, jetzt aber werde ich gelästert; damals war ich ein Verfolger, jetzt aber leide ich Verfolgung von anderen; damals war ich ein Feind Christi, jetzt bete ich, Turner: corpore. • Vgl. AG 1, 24; 15,8. Vgl. 1. Joh. 1,9. • Vgl. Mt. 25, 30. 5 Die Rufina-Geschichte wird auch bei Ps.-Titus erwähnt, s. o. S. 92. 6 VA: Ihr Männer, die ihr nun gläubig geworden seid und für Christus Kriegsdienst leisten wollt. 7 VA: so wird euch der Gott aller Dinge durch seinen heiligen Sohn, an den ihr jetzt glaubt, das, was ihr in Unwissenheit, da ihr ihn nicht kanntet, getan habt, vergeben. - Vgl. AG 3,17; 17,30. S Vgl. KoI. 1, 15. 9 VA: Dann werdet ihr gnädig und versöhnlich haben den menschenfreundlichen Gott und unseren Anführer, den Erstgeborenen aller Schöpfung und Macht, unseren Herrn Jesus Christus. 10 Turner: qui vinculum inligatum (homini confregisti, qui lumen) omni saeculo. 11 Vgl. 1. Tim. 1, 13. 1
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ein Freund sein zu dürfen. Denn ich vertraue auf seine Verheißung und Barmherzigkeit; denn ich meine, daß ich gläubig bin und Vergebung für meine früheren Sünden erhalten habe. Deshalb ermahne ich auch euch, Brüder, an den Herrn, den allmächtigen Vater zu glauben und alle eure Hoffnung auf unseren Herrn Jesus Christus, seinen Sohn zu setzen. Wenn ihr an ihn glaubt, wird auch niemand euch aus seiner Verheißung reißen können. In gleicher Weise beuget eure Knie und empfehlet mich dem Herrn, der ich im Begriff stehe, zu einem anderen Volk zu reisen, daß seine Gnade vor mir hergehe und meine Reise gut ordne, damit sie (sc. die Gnade) seine heiligen Gefäße und die Gläubigen aufnehmen könne und sie (sc. die Gläubigen) voller Dank gegen mich, der ich das Wort des Herrn verkünde, wohl gegründet werden können." Die Brüder aber weinten lange und flehten zu Gott mit Paulus und sagten: "Du, 0 Herr Jesus Christus, sei mit Paulus und führe ihn uns unversehrt zurück, denn wir kennen unsere Schwachheit, die in uns bis jetzt noch ist!" 3 Flehentlich aber bat ein großer Haufe von Frauen kniefällig (p. 48) den seligen Paulus, und sie küssten sein e Füße und führten ihn hinab zum Hafen, darunter auch 1 Dionysius und Balbus aus Asien, römische Ritter, vornehme Männer. Und ein Senator mit Namen Demetrius wich nicht von der rechten Seite des Paulus und sagte: "Paulus, ich möchte aus dieser Stadt fliehen, wenn ich nicht Beamter wäre, um dich nicht verlassen zu müssen." Ebenso (sagten) vom Hause des Kaisers 2 Kleobius und Iphitus und Lysimachus und Aristeus und zwei Matronen Berenike und Philostrate mit dem Presbyter Narcissus, nachdem sie ihn zum Hafen geleitet hatten. Da aber ein Sturm vom Meere drohte, schickte er (sc. Paulus) die Brüder nach Rom zurück, damit, wer wolle, herabkomme und Paulus höre, bis er abfahre. Als die Brüder das (nämlich diesen Auftrag des Paulus) hörten, stiegen sie zur Stadt hinauf. Sie teilten es den Brüdern, die in der Stadt geblieben waren, mit und sogleich verbreitete sich das Gerücht. Und da kamen die einen mit Fuhrwerk, andere zu Fuß, andere auf dem Tiber zum Hafen binab und wurden durch (seinen) Glauben sehr gestärkt drei Tage lang und am vierten Tag bis zur fünften Stunde. Sie beteten abwechselnd mit Paulus, brachten (ihm) Gaben und legten alles, was nötig war, in das Schiff und übergaben ihm zwei gläubige Jünglinge, daß sie mit ihm führen, und nahmen im Herrn Abschied von ihm. 2.
(Die Ankunft Simons in Rom und seine ersten Erfolge; Reise des Petrus nach Rom) 4 Nach wenigen Tagen aber entstand in der Gemeinde eine große Unruhe, da (einige) sagten, sie hätten wunderbare Dinge durch einen Menschen mit Namen Simon gesehen, und er sei in Aricia. Sie fügten hinzu 3: "Er sagt, er sei die große Kraft Gottes 4 und ohne Gott tue er nichts. Ist er etwa Christus selbst1 Aber wir glauben an den, den uns Paulus verkündigt hat. Denn durch ihn haben wir Tote auferweckt und (manche) von mannigfachen Krankheiten befreit gesehen. Was das aber für ein Turner: sed (et). 2 Vgl. Phil. 4, 22. Lipsius schlägt vor: adiecerunt quia. Da quia Übersetzung von Sn sein könnte, würde damit die direkte Rede beginnen. 4 Vgl. AG 8, 10 und Haenchen, Apostelgeschichte 13 1961, S.250ff. 1
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13 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
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XIII. Ap08telgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
Kampf ist, wissen wir nicht!. Denn die Erregung, die uns befallen hat, ist nicht gering. Vielleicht wird er jetzt schon Rom betreten. Denn am gestrigen Tage wurde er mit lauten Zurufen (darum) gebeten, indem man ihm sagte: 'Du bist in Italien Gott, du der Heiland der Römer, eile so schnell wie möglich nach Rom" Jener aber sprach die Volksrnassen an und sagte mit zarter Stimme: 'Ihr werdet mich am morgigen Tage etwa um die siebte Stunde über das Tor der Stadt fliegen sehen, in derselben Erscheinung, in der ihr mich jetzt mit euch sprechen seht'. Darum, ihr Brüder, wenn es euch recht ist, wollen wir gehen (p. 49) und mit allem Fleiß den Ausgang der Sache erwarten." So liefen sie alle miteinander hin und kamen an das Tor. Als aber die siebte Stunde kam, siehe da erschien plötzlich eine Staubwolke am Himmel in der Ferne, wie Rauch, der durch (Feuer-) Strahlen von fern aufleuchtet. Und nachdem sie (sc. die Wolke) an das Tor gekommen war, verschwand sie plötzlich. Und darauf erschien er (sc. Simon) mitten im Volk stehend, und sie verehrten ihn alle und erkannten, daß er es sei, der tags zuvor von ihnen gesehen worden war. Und in höchstem Maße wurden die Brüder untereinander angefochten, insbesondere da Paulus nicht in Rom war, und auch nicht Timotheus und Barnabas, da sie von Paulus nach Makedonien geschickt worden waren 2, und da keiner vorhanden war, der uns stärken konnte, zumal diejenigen, die erst kürzlich (im Glauben) unterwiesen worden waren. Und Simons Ansehen hob sich immer mehr bei denen, unter denen er wirkte, und einige von ihnen nannten in (ihren) täglichen Gesprächen den Paulus einen Zauberer, andere einen Gaukler; so wurden von der großen Menge, die im Glauben fest begründet war, alle abspenstig gemacht, außer dem Presbyter Narcissus und zwei Frauen in der Herberge der Bithynier und vier anderen, welche das Haus nicht mehr verlassen konnten; und sie widmeten sich, eingeschlossen, Tag und Nacht dem Gebet und baten den Herrn, daß Paulus so schnell wie möglich zurückgeführt würde, oder irgendein anderer käme, der seine Knechte besuche, da der Teufel sie durch seine Schlechtigkeit abtrünnig gemacht hatte. 5 Während sie aber trauerten und fasteten, bereitete Gott den Petrus schon auf die Zukunft vor, nachdem die zwölf Jahre in Jerusalem, die der Herr Christus ihm vorgeschrieben hatte 3, vollendet waren 4; er zeigte ihm folgendes Gesicht und sprach zu ihm: "Petrus' Der, den du aus Judaea vertrieben hast, nachdem du ihn als Zauberer erwiesen hast, Simon ist euch wieder zuvorgekommen (und zwar) in Rom. Und in Kürze sollst du wissen: alle nämlich, die an mich geglaubt haben, hat Satan durch seine Hinterlist und Macht abtrünnig gemacht, dessen Kraft zu sein er (damit) erweist. Aber verweile nicht (länger). Am morgigen Tage reise (nach Caesarea), und dort wirst du ein Schiff bereit finden, das nach Italien fährt. Und in wenigen Tagen will ich dir meine Gnade zeigen, die keine Anfeindung 5 kennen soll." Petrus aber, durch dieses Gesicht gemahnt, berichtete es unverzüglich den Brüdern und sagte: "Ich muß nach Rom hinaufziehen, um den Feind und Gegner des Herrn und (p. 50) unserer Brüder niederzuringen." Und er stieg hinab nach Caesarea und sogleich bestieg er das Schiff, von dem die (Lande-) Treppe bereits weggezogen war, und ohne 1 Cod. Verc.: Diese (oder hic, also: dieser?) aber sucht Streit, das wissen wir. So auch Michaelis. Die Übersetzung oben beruht auf der Konjektur von Bonnet: quae sit dimicatio nescimuB. 2 Vgl. AG 19, 22; Phil. 2, 19:ff. 8 Vgl. Kerygma Petri, Fragm. 3, s. o. S. 62 und W. Bauer o. S. 18 f. 4 Interpunktion nach Turner. 6 Vgl. Weish. Sal. 7,13.
2. Petrusakten
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daß noch (für ihn) Lebensmittel an Bord genommen waren. Der Kapitän aber, mit Namen Theon, sah Petrus an und sagte: "Alles, was wir haben, gehört dir. Welcher Dank aber wird uns zuteil, wenn wir einen Menschen, der uns gleicht, in unsicherer Lage (zwar) aufnähmen, aber nicht alles, was wir haben, mit dir teilten1 Mögen wir aber nun eine glückliche Fahrt haben!" Petrus aber dankte für sein Anerbieten; er fastete aber im Schiff, betrübten Geistes, wiederum aber sich aufrichtend, weil Gott ihn für würdig erachtet habe, Diener in seinem Dienst zu sein. Nach wenigen Tagen aber stand der Kapitän zur Stunde seines Frühstücks auf. Er bat den Petrus, mit ihm zu speisen und sagte zu ihm: ,,0, wer du auch sein magst, ich kenne dich zu wenig, ob du ein Gott oder ein Mensch bist. Aber ich meine - soweit ich es verstehe -, daß du ein Diener Gottes bist. Denn während mitten in der Nacht mein Schiff von mir gesteuert wurde und ich eingeschlafen war, da schien es mir, als ob eine menschliche Stimme vom Himmel her zu mir sagte: 'Theon, Theon!' Zweimal rief sie mich bei meinem Namen und sagte zu mir: 'Unter allen, die mit dir fahren, sei dir Petrus derjenige, der höchster Verehrung wert ist. Durch ihn werdet ihr, du und die übrigen, aus unverhoffter Situation 1 heraus ohne jeden Schaden heil hervorgehen.''' Petrus aber glaubte, daß Gott denen, die auf dem Schiff waren, auf dem Meere seine Vorsehung zeigen wollte. Daraufhin begann Petrus dem Theon die großen Taten Gottes 2 darzulegen und wie Gott ihn unter den Aposteln erwählt habe und welchen Zweck seine Reise nach Italien habe. Täglich aber teilte er ihm das Wort Gottes mit. Und er betrachtete ihn und erkannte durch den Verkehr mit ihm, daß er gleichgesinnt im Glauben sei und würdig des Dienstes 3. Als aber das Schiff auf der Adria in eine Windstille geriet, wies Theon den Petrus auf die Windstille hin und sagte: "Wenn du mich für würdig halten willst, in das Zeichen des Herrn einzutauchen, so hast du (jetzt) Gelegenheit (dazu)." Denn alle, die auf dem Schiff waren, schliefen betrunken. Petrus ließ sich an einem Tau herab und taufte den Theon im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Jener aber stieg fröhlich und in großer Freude aus dem Wasser empor, auch Petrus war froher geworden, weil Gott den Theon seines Namens für würdig gehalten hatte. Es geschah aber (p. 51), daß an derselben Stelle, an der Theon getauft worden war, ein Jüngling erschien, strahlend vor Glanz, und zu ihnen sprach: "Friede (sei) mit euch!" 4 Und sofort stiegen Petrus und Theon hinauf und gingen in die Kajüte hinein, und Petrus nahm Brot und dankte dem Herrn, der ihn seines heiligen Dienstes gewürdigt hatte, und (dafür,) daß ihnen der Jüngling erschienen wäre, der 'Friede (sei) mit euch' sagte. (Petrus sprach:) "Bester und allein Heiliger! Denn du bist uns doch erschienen, Gott Jesus Christus, in deinem Namen ist er (Theon) eben getauft 5 und mit deinem heiligen Zeichen ist er gezeichnet worden. Daher teile ich auch in deinem Namen ihm deine Eucharistie mit, damit er dein vollkommener Diener sei ohne Tadel für immer." Als sie aber aßen und sich im Herrn freuten, (erhob sich) plötzlich am Vorderteil des Schiffes ein Wind, nicht sehr heftig, eher mäßig, und flaute nicht ab sechs Tage und ebensoviele Nächte lang, bis sie nach Puteoli gelangten. 6 Als sie nun in Puteoli angelegt hatten, sprang Theon aus dem Schiff und begab sich in das Quartier, in dem er gewöhnlich einkehrte, um (dort) die Aufnahme des Petrus vorzubereiten. Der Mann aber, bei dem er einkehrte, hieß Ariston. Dieser 1 3
4
13*
Turner: ex insperato casu. Turner: diaconii. Interpunktion nach James. Vgl. Joh. 20, 19. 21. 26.
2
Vgl. AG 2, H.
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Lipsius: lotus.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
fürchtete (schon) immer den Herrn und Theon schloß sich ihm an um des Namens (Christi) willen. Und als er in das Quartier gekommen war und den Ariston gesehen hatte, sagte Theon zu ihm: "Der Gott, der dich gewürdigt hat, ihm zu dienen, hat auch mir an seiner Gnade Anteil gegeben durch seinen heiligen Knecht Petrus, der jetzt mit mir von Judaea her gefahren ist, da, er von unserem Herrn den Befehl erhalten hat, nach Italien zu kommen." Als aber Ariston das hörte, fiel er dem Theon um den Hals, umarmte ihn und bat ihn, ihn zum Schiff zu führen und ihm den Petrus zu zeigen. Ariston sagte nämlich, seit Paulus nach Spanien abgereist sei, hätte es keinen unter den Brüdern gegeben, bei dem er sich hätte stärken können. Außerdem sei ein Jude, mit Namen Simon, in die Stadt eingedrungen. "Dieser (so fuhr er fort) hat durch Zauberspruch und durch seine Schlechtigkeit von Grund auf die ganze Bruderschaft abtrünnig gemacht, sodaß auch ich aus Rom floh in der Hoffnung, Petrus werde kommen. Denn Paulus hat von ihm berichtet, und ich habe vieles in einem Gesicht gesehen. Jetzt glaube ich daher an meinen Herrn, daß er seinen Dienst wieder aufrichtet, damit alle Verführung von seinen Knechten genommen werde. Denn treu ist unser Herr Jesus Christus, der unsere Sinne wieder erneuern kann." (p. 52) Als aber Theon dieses von dem weinenden Ariston hörte, da wuchs ihm der Mut noch mehr und er wurde noch mehr bestärkt, da er erkannte, daß er an den lebendigen Gott gläubig geworden war. Als sie aber zusammen an das Schiff kamen, erblickte Petrus sie und, vom Geist erfiUlt, lächelte er, so daß Ariston auf sein Angesicht Petrus zu Füßen fiel und folgendes sagte: "Bruder und Herr, der du an den heiligen Geheimnissen teilhast und den rechten Weg zeig,~t, der in dem Herrn Jesus Christus, unserem Gott, ist. Er hat uns deine Ankunft offen gezeigt 1. Wir haben nämlich alle, die uns Paulus übergeben hatte, durch die Kraft Satans verloren. Aber jetzt hoffe ich auf den Herrn, der dir durch seinen gesandten Boten zu uns zu eilen befohlen hat, da er uns gewürdigt hat, uns durch dich seine großen und wunderbaren Taten sehen zu lassen. Ich bitte dich daher: eile in die Stadt! Denn ich habe die Brüder, die ein Ärgernis gaben (und) die ich in der Versuchung des Teufels habe fallen sehen, verlassen und bin hierher geflohen, indem ich ihnen sagte: 'Brüder, stehet im Glauben! 2 Denn notwendigerweise wird innerhalb der nächsten zwei Monate das Erbarmen des Herrn euch seinen Diener zuführen'. Denn ich hatte eine Erscheinung gesehen, den Paulus, der zu mir sagte: 'Ariston, fliehe aus der Stadt!' Als ich das gehört hatte, glaubte ich ohne Zögern, ging im Herrn aus der Stadt, wenn ich auch sehr schwaches Fleisch trage, und so bin ich hierher gelangt, stand täglich am Ufer und fragte die Seeleute: 'Ist etwa Petrus mit euch gefahren?' Jetzt aber, da die Gnade des Herrn (uns) reichlich widerfährt, bitte ich, wir möchten ohne jede Verzögerung nach Rom hinaufsteigen, damit nicht die Lehre des verbrecherischen Menschen noch weiter um sich greift." Als Ariston dies unter Tränen sagte, gab ihm Petrus die Hand und hob ihn von der Erde auf, und Petrus selbst sprach unter Tränen und Seufzen: "Es ist uns zuvorgekommen der, welcher den Erdkreis durch seine Engel versucht 3 • Aber auslöschen wird (Gott) seine Verführungen (sc. Satans) und unter die Füße derer legen 4 , die an Christus, den wir verkündigen, geglaubt haben, (er), der die Gewalt hat, seine Knechte aus aller Versuchung zu reißen." Und als sie zum Tore eintraten, bat Theon den Petrus und sagte: "An keinem Tage (bei) der so langen Meerfahrt hast du auf dem Schiff dich erquickt. Jetzt aber willst du direkt vom Schiff aus den 1 3
Turner: qui aperte adventum tuum. Vgl. Offbg. 12, 9.
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1. Kor. 16, 13. Vgl. Rm. 16,20.
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Weg auf einer so beschwerlichen Straße antreten? (p. 53) Bleibe doch und erquicke dich, und dann magst du reisen. Denn von hier bis Rom ist gepflasterte Straße, und ich fürchte, du könntest von der Erschütterung einen Schaden davontragen." Es antwortete aber Petrus und sprach zu ihnen: "Wenn es aber geschähe, daß mir zusammen mit dem Feind unseres Herrn ein Mühlstein umgehängt würde, wie mein Herr zu uns sagte, wenn einer (einem) von den Brüdern Ärgernis gegeben hätte, und wir in die Tiefe versenkt würden I? Es würde aber nicht nur geschehen, daß ein Mühlstein (um den Hals gehängt würde), sondern, was schlimmer ist, es würde fern von denen die an den Herrn Jesus Christus geglaubt haben, der Gegner dieses Verfolgers seiner Knechte sein Ende finden." 2 Auf keine Weise aber konnte Theon ihn überreden, auch nur einen Tag dort zu bleiben. Theon aber übergab nun seinerseits alles, was im Schiff war, denen, die als Interessenten kamen, und folgte dem Petrus nach Rom, wobei Ariston (sie) zur Wohnung des Presbyters Narcissus 3 hinführte.
3. (Die erste Predigt des Petrus in Rom) 7 Das Gerücht ging im Fluge durch die Stadt zu den zerstreuten Brüdern: Petrus sei auf Geheiß des Herrn 4 gekommen Simons wegen, um zu zeigen, daß dieser ein Verführer und Verfolger des Guten sei. Es lief darum die ganze Menge zusammen, um den Apostel des Herrn zu sehen, wie er (die Gemeinde) auf Christus grÜDde. Am ersten Tage der Woche aber kam die Menge zusammen, um den Petrus zu sehen. Daher begann Petrus mit sehr lauter Stimme zu reden: "Ihr hier versammelten Männer, die ihr auf Christus hofft, ihr, die ihr eine kleine Weile Versuchung erlitten habt, merket auf! Warum hat Gott seinen Sohn in die Welt gesandt 5 oder warum hat er (ihn) durch die Jungfrau Maria hervorgebracht 6, wenn er nicht irgendeine Gnade und einen Heilsweg 7 schaffen wollte? Denn er wollte beseitigen 8 alles Ärgernis und alle Unwissenheit und alle Macht des Teufels, (seine) Anschläge und Kräfte unwirksam machen, durch welche er einst die Oberhand hatte, bevor unser Gott in der Welt als Licht erstrahlte 9. Weil sie (die Menschen) mit ihren vielen und mannigfaltigen Schwachheiten durch Unwissenheit in den Tod stürzten 10, hat der allmächtige Gott, von Mitleid bewegt, seinen Sohn in die Welt gesandt, wo bei ich zugegen gewesen bin. Und ich bin über die Wasser gewandelt 11, wofür ich selbst Zeuge bleibe 12 ; ich bekenne, daß ich dabei gewesen bin, als er damals in der Welt (p. 54) durchZeiVgl. Mk. 9, 42 Par. Der Text ist verdorben. Der Sinn: Petrus darf nicht wie SimonÄrgernis geben, er darf aber auch nicht fern von der Gemeinde (d.h. doch wohl: ehe er Simon widerlegt hat) umkommen. 3 Vgl. Rm. 16, 11. 4 Turner: discentem domini (?). • Vgl. Joh. 3, 17. 6 VA: Ihr Männer, die ihr aufOhristus eure Hoffnung gesetzt habt, erkennt, weshalb Gott seinen Sohn durch die heilige Jungfrau Maria hervorgebracht und in die Welt geschickt hat. 7 Vouaux: procuratio = oluo'Voflta. 8 Turner: volens (tollere). 9 VA: bevor unser Herr J esus in seiner Welt aufleuchtete. 10 VA läßt aus: Weil sie - stürzten. 11 Turner: ambulavi ist richtig und nicht mit Lipsius in ambulavit zu ändern. 12 Vgl. Mt. 14, 22ff. 1
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chen und alle Wunder, die er getan hat, gewirkt hat. Teuerste Brüder, ich habe unsern Herrn J esus Christus verleugnet, und nicht nur einmal sondern dreimal!. Es waren nämlich die, die mich umringt hatten, schlechte Hunde, wie der Prophet des Herrn sagt 2. Aber der Herr hat es mir nicht angerechnet. Er wandte sich zu mir und erbarmte sich der Schwachheit meines Fleisches, so daß ich nachher bitterlich weinte, und ich war betrübt über meinen so schwachen Glauben, da ich von dem Teufel um den Verstand gebracht war und das Wort meines Herrn nicht im Sinn hatte. Und jetzt sage ich euch, ihr Brüder, die ihr im Namen Jesu Christi zusammengekommen seid: auch auf euch richtet der Betrüger Satan seine Pfeile, damit ihr vom Wege abweicht. Aber werdet nicht abtrünnig, Brüder, und fallt nicht im Geist, sondern seid stark und stehet fest und zweifelt nicht! Denn wenn mich, den der Herr in so hoher Ehre hielt, Satan in Anfechtung gebracht hat, so daß ich das Licht meiner Hoffnung verleugnete, wenn er mich niederwarf und überredete, ich solle fliehen, als ob ich an einen Menschen glaubte, was glaubt ihr wohl, die ihr Neubekehrte seid? Meintet ihr, daß er euch nicht aus der Bahn werfen würde, um euch zu Feinden des Reiches Gottes zu machen und durch den schlimmsten Irrtum euch ins Verderben zu stürzen? Denn jeder, den er von der Hoffnung auf unseren Herrn J esus Christus abdrängt, der ist ein Kind des Verderbens 3 in alle Ewigkeit. Bekehrt euch also, vom Herrn erwählte Brüder, und seid stark in dem allmächtigen Herrn, dem Vater unseres Herrn J esu Christi, den niemand je gesehen hat noch sehen kann außer dem, der an ihn glaubt 4. Erkennet aber, woher euch die Versuchung gekommen ist. Denn nicht nur deswegen, um euch mit Worten zu überzeugen, dieser, den ich verkündige, sei Christus, sondern auch durch Taten und großartige Kräfte mahne ich euch durch den Glauben an Christus Jesus, daß keiner von euch einen anderen erwartet (sc. als Heiland) als den Verachteten und von den Juden Geschmähten, diesen gekreuzigten Nazarener, der starb und am dritten Tage auferstand."
4.
(Marcellus. Wiederaufbau der Gemeinde in Rom) 8 Voll Reue aber baten die Brüder den Petrus, den Simon zu überwinden, der von sich behauptete, er sei die Kraft Gottes - er hielt sich im Hause des Senators Marcellus auf, der von seinen Zaubersprüchen beschwatzt war -, und sie sprachen: "Glaube uns, Bruder Petrus, niemand war so weise (p. 55) unter den Menschen wie dieser Marcellus. Alle Witwen. die auf Christus hofften, fanden bei ihm Zuflucht; alle Waisen wurden von ihm ernährt. Was weiter, Bruder? Marcellus nannten alle Armen ihren Schutzherren, sein Haus trug den Namen (Herberge) der Pilger und Armen. Zu ihm sprach der Kaiser: 'Von jedem Amt halte dich fern, damit du nicht die Provinzen ausplünderst und den Christen (die Erträge) zukommen läßt'. Ihm erwiderte Marcellus: 'Und alles, was mein ist, gehört dir'. Ihm entgegnete der Kaiser: 'Es wäre mein, wenn du es für mich bewahren würdest; jetzt aber ist es nicht mein, weil du es Vgl. Mk. 14, 66ff. Par. • Turner: sicut ait prophetes; vgl. Ps. 21, 17 (LXX). 3 Vgl.Joh. 17, 12; 2. Thess. 2, 3. • Vgl. J oh. 1, 18; 6, 46; aber dort ist es der Sohn, hier sind es die Gläubigen, die Gott schauen können. 1
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schenkst, wem du willst!, und ich weiß nicht welchen niedrigen Leuten'. Das also, Bruder Petrus, haben wir vor Augen, und berichten dir, wie sich die große Barmherzigkeit des Mannes in Gotteslästerung verwandelt hat. Wenn nämlich jener sich nicht gewandelt hätte, dann hätten auch wir uns nicht entfernt von dem heiligen Glauben an Gott, unseren Herrn. Dieser Marcellus ist jetzt wütend und bereut sein Wohltun, indem er spricht: 'Ein so großes Vermögen habe ich so lange Zeit verwendet in dem vergeblichen Glauben, ich verausgabte es zur Erkenntnis Gottes'. Soweit (geht er in seiner Wut), daß, wenn einer von den Fremden zu ihm an die Tür seines Hauses kommt, er ihn mit dem Stock schlägt und hinauswerfen läßt und sagt: '0 hätte ich doch für jene Betrüger nicht soviel Geld ausgegeben!' Aber er sagt noch mehr Gotteslästerungen. Wenn aber in dir noch etwas von dem Erbarmen unseres Herrn oder von der Güte seiner Vorschriften verblieben ist, so hilf seinem Irrtum auf; er hat doch in so großer Zahl den Dienern Gottes Almosen gegeben." Als aber Petrus dies sah, wurde er von großem Schmerz ergriffen und schalt 2: ,,0 mannigfaltige Künste und Versuchungen des Teufels! 0 Listen und Erfindungen von Bösem! Der für sich auf den Tag des Zorns 3 das große Feuer nährt, Verwüstung einfältiger Menschen, ein reißender Wolf4, ein Verschlinger und Zerstreuer des ewigen Lebens! Du hast den ersten Menschen in böse Lust verstrickt und hast ihn durch deine frühere Schlechtigkeit und ein körperliches Band (an dich) gefesselt. Du bist die Frucht des Baumes der Bitterkeit, die ganz bitter ist, der du mannigfaltige Lüste einflößest. Du hast meinen Mitschüler und Mitapostel Judas gezwungen, gottlos zu handeln, daß er verriet unsern Herrn Jesus Christus, der dich (p. 56) dafür notwendigerweise strafen muß. Du hast das Herz des Herodes verstockt und den Pharao entflammt und ihn gezwungen zu kämpfen gegen den heiligen Diener Gottes, Moses; du hast dem Kaiphas die Kühnheit beigebracht, daß er der feindlichen Menge unsern Herrn Jesus Christus übergab 5; und auch jetzt noch schießest du mit deinen giftigen Pfeilen auf unschuldige Seelen. Du gottloser Feind aller, als ein Fluch wirst du von der Kirche 6 des Sohnes des heiligen allmächtigen Gottes (getrennt) und wie ein vom Herd geworfener Feuerbrand von den Dienern unseres Herrn Jesu Christi ausgelöscht werden. Gegen dich möge sich kehren deine Schwärze und gegen deine Söhne, den schlechtesten Samen, gegen dich mögen sich kehren deine Schlechtigkeiten und gegen dich deine Drohungen und gegen dich deine Versuchungen und gegen deine Engel, du Anfang der Schlechtigkeit, Abgrund der Finsternis! Deine Finsternis, die du hast, sei mit dir und mit deinen Gefäßen, die du besitzest. Weiche darum von denen, die Gott glauben wollen, weiche von den Dienern Christi und denen, die für ihn Kriegsdienste leisten wollen! Behalte du für dich deine Tore 7 der Finsternis; vergeblich klopfest du an fremde Türen, die nicht dir gehören, sondern Christus Jesus, der sie bewacht. Denn du, reißender Wolf, willst die Schafe rauben 8, die nicht dir, sondern Jesus Christus gehören, der sie eifrig mit dem höchsten Eifer bewacht". 9 Während Petrus dies unter großem Schmerz seiner Seele sprach, wurden weit mehr, die an den Herrn glaubten, hinzugetan 9. Die Brüder aber baten den Petrus, er Turner (im .Anschluß an Lipsius): non sunt mea, quia cui vis ea donas. • Turner: maledixit = Wveti5UJeV. 3 Vgl. u. a. Rm. 2, 5. • Vgl. Mt. 7, 15; AG 20,29. • Vgl. Mt. 27, 2 u. a.; dabei ist die sachliche Änderung zu beachten: J esus wird nicht dem Pilatus, sondern der Menge, d.h. den Juden Übergeben. 8 Turner: eris ab ecclesia. 7 Turner: ianuas (statt tunicas). 8 Vgl. Joh. 10, 12. 9 Vgl. AG 2, 47. 1
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möge sich mit Simon in einen Kampf einlassen und nicht zugeben, daß er noch länger das Volk aufhetze. Unverzüglich verließ Petrus die Versammlung und ging zum Hause des Marcellus, wo Simon wohnte. Es folgten ihm aber große Volkshaufen. Als er aber zur Tür kam, rief er den Türhüter und sprach zu ihm: "Geh, sag dem Simon: Petrus, dessentwegen du aus Judäa geflohen bist, erwartet dich an der Tür!" Der Türhüter antwortete dem Petrus: "Ob du Petrus bist, weiß ich nicht, Herr. Ich habe aber einen Befehl: Er (sc. Simon) erfuhr nämlich, daß du gestern die Stadt betreten hast; da sagte er mir: 'Ob bei Tag, ob bei Nacht, und zu welcher l Stunde er auch kommen sollte, sag, daß ich nicht zu Hause bin!'" Petrus aber sagte zu dem Jüngling: "Du hast recht geantwortet, daß du das vermeldet hast, von ihm (dazu) gezwungen." Und Petrus wandte sich zum Volk, das ihm folgte, und sprach: "Ihr werdet gleich ein großes und wunderbares Zeichen schauen." Und Petrus sah hinter sich einen großen Hund, (p. 57) der an einer großen Kette gebunden war, ging auf ihn zu und band ihn los. Als aber der Hund losgebunden war, nahm er menschliche Stimme an und sprach zu Petrus: "Was befiehlst du mir zu tun, du Diener des unaussprechlichen, lebendigen Gottes?" Petrus sprach zu ihm: "Geh hinein und sag dem Simon inmitten seiner Gesellschaft: 'Petrus läßt dir sagen: Komm hervor in die Öffentlichkeit; deinetwegen bin ich nach Rom gekommen, du Gottloser und Aufwiegler einfältiger Seelen!' " Und auf der Stelle 2 rannte der Hund los und ging hinein, stürmte mitten hinein in die Gesellschaft, die um Simon versammelt war, erhob seine Vorderfüße und rief mit lauter Stimme: "Du Simon, Petrus, der Diener Christi, der an der Tür steht, läßt dir sagen: 'Komm hervor an die Öffentlichkeit; denn deinetwegen bin ich nach Rom gekommen, du Gottlosester und Verführer einfältiger Seelen'!" Als Simon das hörte und die unglaubliche Erscheinung sah, verschlug es ihm die Rede, mit der er die Umstehenden verführt hatte; alle (anderen) aber staunten. 10 Als aber Marcellus dies sah, lief er hinaus zum Tor, warf sich dem Petrus zu Füßen und sprach: "Petrus, ich umfasse deine Füße, du heiliger Knecht des heiligen Gottes; ich habe viel gesündigt! Strafe nicht meine Sünden, wenn etwas von dem wahren Glauben an Christus in dir ist, den du predigst, wenn du seiner Gebote eingedenk bist, niemanden zu hassen, gegen niemanden böse zu sein a, wie ich von deinem Mitapostel Paulus gelernt habe. Rechne mir nicht meine Sünden an, sondern bitte für mich den Herrn, den heiligen Sohn Gottes, den ich zum Zorn verleitet habe, weil ich seine Knechte verfolgt habe. Bitte also für mich als guter Anwalt bei Gott, daß ich nicht mit den Sünden Simons dem ewigen Feuer übergeben werde, der mich sogar überredet hat, ihm ein Standbild zu errichten, mit der Inschrift: 'Dem Simon, dem jugendlichen Gott' 4. Wenn ich wüßte, Petrus, daß du durch Geld gewonnen werden könntest, würde ich mein ganzes Vermögen geben; ich würde es verachtet und dir gegeben haben, um meine Seele zu gewinnen 5. Wenn ich Söhne hätte, würde ich sie für nichts geachtet haben; nur an den lebendigen Herrn würde ich glauben. Ich gestehe aber, daß er mich dadurch verführt hat, daß er behauptete, er sei die Kraft Gottes. Und doch will ich dir berichten, lieber Petrus: nicht war ich würdig, dich zu hören, du Knecht Gottes, noch war ich befestigt im Glauben an Gott, der in Christus beruht. Deshalb bin ich gestrauchelt. Darum bitte ich dich, nimm mir nicht übel, was ich sagen werde. Christus (p. 58), unser Herr, den du in Wahrheit verkündigst, sagte zu deinen Mitaposteln in deiner Gegenwart: 'Wenn ihr Glauben habt wie ein Turner: quacumque. • Vgl. Justin, Apol. 26, 2.
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• Turner: ilico. 5
Vgl. Mk. 8, 36 Par.
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Vgl. Mt. 5, 44.
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Senfkorn, so werdet ihr zu diesem Berge sagen: hebe dich weg, und sogleich wird er sich wegheben.' 1 Dich aber, Petrus, hat dieser Simon einen Ungläubigen genannt, weil du auf den Wassern gezweifelt hast 2. Ich hörte nämlich, daß er auch gesagt hat: 'Die mit mir sind, haben mich nicht verstanden' 3. Darum wenn ihr, denen er sogar die Hände aufgelegt und die er selbst erwählt hat, mit denen er auch Wunder gewirkt hat, in Zweifel geraten seid, so habe ich also dieses Zeugnis und werde von Reue ergriffen, und ich nehme zu deinen Gebeten Zuflucht. Nimm dich doch meiner Seele an, der ich von unserem Herrn und seiner Verheißung abgefallen bin. Aber ich glaube, daß er sich meiner erbarmen wird, wenn ich Buße tue. Denn treu ist der Allmächtige, mir die Sünde zu vergeben." Petrus aber sagte mit lauter Stimme: "Dir, unser Herr, (sei) Ruhm und Preis, allmächtiger Gott, Vater unseres Herrn Jesu Christi. Dir sei Lob und Ruhm und Ehre in alle Ewigkeit, Amen. Da du auch uns jetzt voll gestärkt und auf dich fest gegründet hast vor den Augen aller, die es sehen, heiliger Herr, so befestige den Marcellus und sende heute deinen Frieden in ihn und sein Haus; alles aber, was verlorengegangen ist oder in die Irre geht, du allein kannst es zum Rechten wenden 4. Dich flehen wir alle an, 0 Herr, du Hirt der einst zerstreuten Schafe, jetzt aber werden sie durch dich wieder vereinigt werden 6. So nimm auch den Marcellus (wieder) auf wie eines von deinen Schäflein und dulde nicht, daß er noch länger in Irrtum oder Unwissenheit umherschweift; sondern nimm ihn auf in die Zahl deiner Schafe. Ja, Herr, nimm ihn auf, ihn, der mit Schmerzen und Tränen dich bittet." 11 So sprach Petrus und umarmte den Marcellus. Petrus wandte sich der Menge zu, die bei ihm stand, und sah in der Menge einen lächeln; in dem war ein sehr bösartiger Dämon. Zu ihm sprach Petrus: "Wer du auch bist, der du gelacht hast, zeige dich offen allen Umstehenden!" Als der Jüngling dieses gehört hatte 6, stürzte er in die Vorhalle des Hauses und rief mit lauter Stimme, warf sich gegen die Wand und sagte: "Petrus, es herrscht ein gewaltiger Streit zwischen (p. 59) Simon und dem Hund, den du geschickt hast. Denn Simon sagt zu dem Hund: 'Sag, ich sei nicht hier!' Zu ihm aber spricht der Hund noch mehr, als du ihm aufgetragen hast. Und wenn er die geheimnisvolle Sache, die du ihm befohlen hast, erledigt haben wird, dann wird er vor deinen Füßen sterben." Petrus aber sprach: "Und du nun, was du auch immer für ein Dämon bist, im Namen unseres Herrn Jesu Christi fahre aus dem Jüngling heraus, ohne ihm zu schaden; zeige dich allen Umstehenden!" Als der Jüngling das gehört hatte, fuhr er aus; dabei ergriff er eine große Marmorstatue, die in der Vorhalle des Hauses stand, und zertrümmerte sie mit Fußtritten. Es war nämlich (aber) eine Kaiserstatue. Als Marcellus das sah, schlug er sich an die Stirn und sprach zu Petrus: "Ein großes Verbrechen ist geschehen; wenn nämlich das der Kaiser durch einen der Spitzel erfährt, wird er uns schwer bestrafen." Petrus aber sprach zu ihm: "Ich sehe, daß du nicht so bist, wie kurz zuvor; du sagtest nämlich, du seiest bereit, dein ganzes Vermögen hergeben zu wollen, um deine Seele zu retten. Aber wenn du wirklich Buße tust und aus ganzem Herzen an Christus glaubst, so fange das herabspringende Wasser mit deinen Händen auf, bete zum Herrn und sprenge es in seinem Namen über die Trümmer der Statue und sie wird unversehrt sein, wie vorher." Marcellus aber zweüelte nicht, sondern glaubte aus ganzem HerVgl. Mt. 17,20. 2 Vgl. Mt. 14, 30f. 3 Vgl. Bd. I, S. 115. Interpunktionen nach Turner. 6 Vgl. Joh. 10, IHr. e Turner; hoc audito iuveni expulit se; Subjekt ist der Dämon.
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zen und sprach, bevor er das Wasser mit seinen Händen auffing, den Blick gen Himmel gerichtet: "Ich glaube an dich, Herr Jesus Christus. Denn von deinem Apostel Petrus werde ich bezichtigt, daß ich nicht recht an deinen heiligen Namen glaube. Darum nehme ich das Wasser in meine Hände und in deinem Namen besprenge ich diese Steine, damit die Statue wieder unversehrt werde, wie sie vorher war. Herr, wenn es also dein Wille ist, daß ich in meinem Körper bleibe und ich nicht irgendetwas vom Kaiser erleiden soll, so soll dieser Stein wieder heil werden, wie er vorher war!" Und er sprengte Wasser über die Steine, und die Statue wurde wieder heiP. Petrus war stolz, daß ihm keine Zweifel gekommen waren beim Gebet an den Herrn. Aber auch Marcellus wurde im Geiste erhoben, daß dieses erste Wunder unter seinen Händen geschehen war. Er glaubte daher aus seinem ganzen Herzen an den Namen Jesu Christi, des Sohnes Gottes, durch den alles Unmögliche möglich ist 2.
5. (Wunder des Petrus und erste Angriffe auf Simon) 12 Aber Simon sprach drinnen zu dem Hund folgendes: "Sag dem Petrus, ich sei nicht drinnen!" Der Hund sprach zu ihm vor Marcellus (p. 60): "Du Gottlosester und Schamloser, du Feind aller Lebewesen und derer, die an Christus Jesus glauben, zu dir ist ein stummes Tier gesandt worden, das menschliche Stimme annahm 3, um dich als platten Betrüger zu erweisen und zu bestätigen. Soviel Stunden hast du nachdenken müssen, um zu sagen: 'Sag, daß ich nicht hier bin!'? Du hast dich nicht geschämt, deine kraftlose und unnütze Stimme zu erheben gegen Petrus, den Diener und Apostel Christi, als ob du vor dem verborgen bleiben könntest, der mir befohlen hat, dir ins Angesicht zu sprechen. Und das geschieht nicht deinetwegen, sondern um deretwillen, die du verführtest und ins Verderben schicktest. Darum wirst du verflucht sein, du Feind und Verderber des Weges zur Wahrheit Christi, der deine Bosheiten, die du getan hast, im ewigen Feuer prüfen wird, und du wirst in der äußeren Finsternis sein. 4 " Und als der Hund diese Worte gesprochen hatte, lief er weg. Es folgte ihm nun die Menge; Simon aber blieb allein zurück. Der Hund kam zu Petrus, der unter der Menge saß, (die versammelt war), um das Antlitz des Petrus zu sehen; und der Hund berichtete, was er mit Simon verhandelt hatte. Folgendes aber sprach der Hund: "Bote und Apostel des wahren Gottes, Petrus S, einen schweren Kampf wirst du haben gegen Simon, den Feind Christi und seiner Anhänger, aber viele, die von ihm verführt wurden, wirst du zum Glauben bekehren. Darum wirst du von Gott deinen Lohn für dein Werk empfangen." Nach diesen Worten fiel der Hund vor den Füßen des Apostels Petrus hin und gab seinen Geist auf. Als aber die Menge mit großem Staunen den sprechenden Hund sah, begannen die einen daraufhin sich dem Petrus zu Füßen zu werfen, andere aber sagten: "Zeige uns noch ein anderes Zeichen, damit wir dir als dem Diener des lebendigen Gottes glauben; auch Simon hat viele Wunder in unserer Gegenwart gewirkt, und darum sind wir ihm gefolgt." 13 Petrus aber wandte sich um, sah einen geräucherten Thunfisch an einem Fen1
a 5
Vgl. Philostrat, Vita Apoll. IV, 20. 2 Vgl. Mk. 10,27 Par. Vgl. 2. Petr. 2,16. • Vgl. Mt. 8, 12. Interpunktion nach Turner, der liest: angele et apostole dei veri, Petre.
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ster hängen, ergriff ihn und sagte zum Volle "Wenn ihr jetzt diesen im Wasser wie einen Fisch schwimmen seht, werdet ihr dann an den glauben können, den ich predige1" Jene aber sagten einmütig: "Wahrlich, wir werden dir glauben!" Da ein Fischteich dabeilag, so sagte er nun: "In deinem Namen, Jesus Christus, an den bis jetzt (noch) nicht geglaubt wird, (und er wandte sich zu dem Thunfisch und sprach): werde vor allen diesen hier lebendig und schwimme wie ein Fisch!" Und er warf (p. 61) den Thunfisch in den Teich und er lebte und er begann zu schwimmen. Als aber die Menge den Fisch schwimmen sah, ließ er ihn, damit es nicht heiße, es sei ein Phantasiegebilde, nicht nur gerade eine Stunde, sondern noch länger schwimmen, sodaß er von allen Seiten Scharen herbeilockte und zeigte, daß der Thunfisoh ein riohtiger Fisch geworden sei; und (es kam) soweit, daß manoher aus dem Volk ihm Brot zuwarf, und alles fraß er auf!. Als sie das sahen, folgten ihm sehr viele und glaubten an den Herrn, und sie kamen Tag und Naoht im Hause des Presbyters Narcissus zusammen. Petrus erklärte ihnen die prophetisohen Sohriften und was unser Herr Jesus Christus vollbracht hatte in Wort und Taten. 14 Marcellus aber wurde täglioh (mehr im Glauben) gefestigt duroh die Zeiohen, die er durch Petrus geschehen sah duroh die Gnade Jesu Christi, die er ihm hatte zuteil werden lassen. Maroellus aber fiel in seinem Haus über Simon her, der im Speisezimmer saß. Er schmähte ihn mit den Worten: "Du feindseligster und verkommenster unter den Menschen, du Verderber meiner Seele und meines Hauses, der du mioh abtrünnig maohen wolltest von Christus, meinem Herrn und Erlöser!" Und er legte Hand an ihn und ließ ihn aus seinem Hause hinauswerfen. Als aber die Sklaven über ihn Maoht bekommen hatten, überhäuften sie ihn so mit Sohmähungen: die einen gaben ihm Sohläge ins Gesioht, andere aber (sohlugen ihn) mit einem Knüppel, andere (warfen) einen Stein, wieder andere gossen Gefäße voll Unrats über seinen Kopf; denn sie hatten seinetwegen ihren Herren beleidigt 2 und waren lange Zeit gebunden gewesen; und andere Mitsklaven, über die er zu ihrem Herrn Schleohtes gesprochen hatte, besohimpften ihn und spraohen: "Jetzt erstatten wir dir den würdigen Lohn naoh Gottes Willen, der sich unser und unseres Herrn erbarmt hat." Simon aber wurde übel zugerichtet aus dem Hause geworfen und eilte zu dem Hause, wo Petrus wohnte. Am Haus des Presbyters Narcissus stellte er sioh an die Tür und rief: "Hier bin ioh, Simon; komm aber herab, Petrus, und ioh werde dir beweisen, daß du nur an einen jüdisohen Mann und den Sohn eines Zimmermanns 3 geglaubt hast." 15 Es wurde aber dem Petrus gemeldet, daß Simon dieses gesagt hätte. Petrus schickte zu ihm eine Frau mit einem Säugling und sagte zu ihr: "Geh sohneIl hinab, und du wirst einen sehen, der mich suoht. Du bist es zwar nicht, die ihm antworten soll. Vielmehr bleibe stumm und höre, was der Säugling, den du (auf dem Arm) hältst, zu ihm spricht." Die Frau ging also hinab; der Säugling aber war sieben Monate alt. Und er bekam eine männliohe Stimme und sprach zu Simon (p. 62): ,,0 du Soheusal vor Gott und den Mensohen, du Vernichter der Wahrheit und der Verderbnis schlimmster Same, du unfruohtbare Fruoht der Natur! Aber nur eine ganz kurze Zeit sollst du dioh (nooh) zeigen können, und dann harrt deiner ewige Strafe. Von einem schamlosen Vater stammst du, der du niemals in dem Guten, sondern nur in Gift Wurzeln treibst, ungläubige Kreatur, von jeglicher Hoffnung Verlassener! Daß ein Hund dioh widerlegte, hat dich nioht ersohüttert; nun werde ioh, ein Kind, von Gott gezwungen, zu reden, und du errötest auch jetzt nooh nioht vor Soham! Doch 1
Turner: totum comedebat.
a Turner: offenderant.
3
Vgl. Mt. 13, 55.
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XIII. Apo8telge8chichten des 2. und 3. Jahrhunderts
gegen deinen Willen wird am kommenden Sabbat ein anderer dich auf das Julische Forum bringen 1, damit bewiesen wird, was in dir ist. Verlaß also die Tür, an der die Spuren der Heiligen haften. Denn nicht mehr wirst du unschuldige Seelen verderben, die du (bisher) zugrunde richtetest und irre gemacht hast an Christus. Darum wird sich deine grundschlechte Natur (offen) zeigen und dein Ränkespiel wird zunichte werden. Jetzt aber sage ich dir das letzte Wort: Jesus Christus läßt dir sagen: 'Verstumme unter dem Zwang meines Namens und verlasse Rom bis zum kommenden Sabbat"" Sofort aber verstummte er, und gezwungen verließ er Rom bis zum Sabbat und blieb in einem Stall. Die Frau kehrte mit ihrem Säugling zu Petrus zurück und berichtete ihm und den übrigen Brüdern, was das Kind zu Simon gesprochen hatte. Aber jene priesen den Herrn, der dieses den Menschen gezeigt hatte.
6. (Vision des Petrus und Bericht über Simon)
16 Als aber die Nacht kam, sah Petrus Jesus, angetan mit einem leuchtenden Gewand, lächelnd; Petrus war noch wach, und er (sc. Christus) sagte zu ihm: "Schon ist der größte Teil der Brüder durch dich und durch die Zeichen, die du getan hast in meinem Namen, zu mir! zurückgekehrt. Du wirst aber einen Glaubenskampfhaben am kommenden Sabbat, und es werden sich (noch) viel mehr von den Heiden und von den Juden in meinem Namen zu mir, dem Geschmähten, Verspotteten, Angespieenen bekehren. Denn ich will mich dir zeigen, wenn du um Zeichen und Wunder bittest, und du wirst viele bekehren, aber du wirst einen Widersacher an Simon haben infolge der Werke seines Vaters 3. Aber all sein Tun wird als Zauberspruch und magischer Trug an den Tag kommen. Jetzt aber zögere nicht, und du wirst alle, die ich dir zuschicken werde, auf meinen Namen gründen." Als es nun hell geworden war, erzählte er den Brüdern, daß ihm der Herr erschienen wäre und was er ihm aufgetragen hätte 4. 17 "Glaubt mir aber, 0 ihr Brüder, ich habe diesen Simon (p. 63) aus Judäa vertrieben; er tat viel Böses durch seinen Zauberspruch; er hielt sich in Judäa bei einer Frau mit Namen Eubola auf, die sehr geachtet war in dieser Welt und eine Menge Gold und Perlen von nicht geringem Wert besaß. Mit zwei ihm ähnlichen (Spießgesellen) schlich sich Simon hier ein, jene zwei sah niemand aus dem Hause, nur den Simon allein (sah man). Unter Anwendung von Zauberei trugen sie alles Gold der Frau weg und verschwanden. Nachdem Eubola aber dieses erfahren hatte, begann sie illre Dienerschaft foltern zu lassen und sagte: 'Unter Ausnutzung der Gelegenheit (des Besuches) dieses göttlichen Menschen habt ihr mich beraubt, weil illr ihn zu mir hineingehen saht, um eine einfache Frau zu ehren; sein Name aber ist 'Kraft des Herrn' 6. Ich fastete drei Tage und betete, daß dieses Ereignis offenbar werden möge. Da sah ich in einer Vision Italicus und Antulus, die ich unterwiesen hatte im Namen des Herrn, und einen unbekleideten Knaben, der gefesselt war, mir ein Weizenbrot gab und zu mir sprach: 'Petrus, halte noch zwei Tage aus und du wirst die großen Vgl. Joh. 21, 18 (?) • Turner: reversa est per te ad me et per quae signa. Vgl. Joh. 8,44. 4 Zwischen c. 16 und 17 ist keine Lücke anzunehmen (gegen Ficker). • Turner: cui nomen est autem 'numen domini' (= t5vvap', ihoii). 1
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Taten Gottes 1 sehen. Denn das, was aus dem Hause der Eubola abhanden gekommen ist, hat Simon mittels magischer Kunst und durch eine vorgespiegelte Täuschung mit zwei anderen gestohlen. Diese wirst du am dritten Tage in der neunten Stunde an dem Tor, das nach Neapolis führt, sehen, wenn sie einem Goldschmied mit Namen Agrippinus einen goldenen Satyriscus von zwei Pfund Gewicht, der in sich einen kostbaren Stein trägt, verkaufen wollen. Du aber sollst ihn nicht berühren, damit du nicht dich befleckst; aber es sollen einige Sklaven der Frau bei dir sein. Du aber sollst (ihnen) den Laden des Goldschmiedes zeigen und dann von ihnen weggehen. Denn wegen dieses Geschehens werden viele an den Namen des Herrn glauben. Denn was jene in ihrer Gerissenheit und Schlechtigkeit oft geraubt haben, soll an das Tageslicht gebracht werden'. Als ich dieses hörte, ging ich zu Eubola und fand sie mit zerrissenem Kleid und aufgelöstem Haar trauernd dasitzen. Ich sagte zu ihr: 'Eubola, steh auf vom Lager 2 und bringe dein Gesicht wieder in Ordnung, stecke deine Haare auf und nimm ein Kleid, das zu dir paßt; und bete zu dem Herrn J esus Christus, der jeden Menschen richtet. Er ist nämlich der Sohn des unsichtbaren Gottes (und) in ihm mußt du gerettet werden, wenn du nur von ganzem Herzen für deine früheren Sünden Buße tust; und empfange Kraft von ihm. Denn siehe, durch mich sagt dir der Herr: 'Alles, was du verloren hast, (p. 64) wirst du finden'. Und nachdem du es wiederbekommen haben wirst, sorge dafür, daß du (den Weg) finden mögest 3. dieser gegenwärtigen Welt abschwören und ewigen Trost finden zu können. Darum höre folgendes: einige deiner Leute mögen an dem Tore, das nach N ea polis führt, aufpassen. Übermorgen, ungefähr in der neunten Stunde werden sie zwei junge Männer sehen, die einen goldenen, zwei Pfund schweren, in Steine eingeschlossenen Satyriscus haben - so hat es mir eine Vision gezeigt -, den sie einem gewissen Agrippinus, einem Freunde der Frömmigkeit und des Glaubens an den Herrn Jesus Christus, zum Kauf anbieten wollen. Durch ihn (sc. Christus) wird dir gezeigt, daß du dem lebendigen Gott glauben sollst und nicht dem Magier Simon, dem unbeständigen Dämon, der wollte, daß du in Trauer bliebest und deine unschuldige Dienerschaft gefoltert werde, der dich mit schmeichelnder Rede, mit (leeren) Worten verführte und nur mit dem Munde von der Frömmigkeit zu Gott sprach, während er voll von Gottlosigkeit ist. Denn als du meintest, einen frohen Tag feiern zu können und ein Götzenbild aufstelltest und schmücktest und allen Schmuck auf einem Prunktisch ausgestellt hast, da (kam) jener, führte zwei Jünglinge mit herein, die niemand von euch sah, sprach einen Zauberspruch und, nachdem deine Schmucksachen geraubt waren, verschwanden sie. Aber seine List hatte keinen Bestand. Denn mein Gott hat (es) mir offenbart, damit du nicht getäuscht werdest und auch nicht in der Hölle verdirbst, was auch immer Gottloses und Gottfeindliches du getan hast gegen (den) Gott, der voll von aller Wahrheit und ein gerechter Richter der Lebenden und der Toten ist. Und es gibt keine andere Hoffnung auf Leben für die Menschen außer in dem, durch den dir das, was du verloren hast, gerettet worden ist. Und jetzt rette du deine Seele" Aber jene warf sich mir vor die Füße und sprach: '0 Mensch, wer du bist, weiß ich nicht. Jenen hatte ich zwar wie einen Diener Gottes aufgenommen, und vieles, was auch immer er von mir für die Fürsorge an den Armen erbat, habe ich durch seine Hand gegeben und habe ihm außerdem noch vieles geschenkt. Welchen Schaden hat er von mir erlitten, daß er meinem Hause so großen Verdruß zugefügt hat1' Zu ihr sagte Petrus: 'Nicht den Worten dürfen wir Glauben 1
Vgl. AG 2,11.
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Turner: lecto.
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Turner: invenias.
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schenken, sondern den Werken und Taten. Darum muß man fortfahren, wie man begonnen hat'. Daher verließ ich sie und ging mit zwei Angestellten der Eubola und komme zu Agrippinus und sage zu ihm: 'Siehe, daß du diese erkennst. Denn morgen werden zu dir zwei junge Männer kommen, die dir einen goldenen Satyriscus, in Steine eingeschlossen, der ihrer Herrin gehört, verkaufen wollen. Du aber wirst sie aufnehmen, (p. 65) als wolltest du die Arbeit des Künstlers prüfen und loben. Wenn nun diese (beiden) dazukommen, dann wird Gott das übrige zum Beweis herbeiführen'. Am anderen Tage aber kamen die Angestellten der Frau ungefähr um die neunte Stunde, und jene jungen Männer wollten dem Aggrippinus den goldenen Satyriscus verkaufen. Nachdem sie sogleich festgenommen waren, wurde (die Sache) der Frau gemeldet. Jene aber kam völlig verwirrt zu dem Statthalter und berichtete mit lauter Stimme, was sich mit ihr zugetragen hätte. Als der Statthalter Pompeius sie, die niemals in die Öffentlichkeit gekommen war, so völlig verwirrt sah, erhob er sich sofort von dem Tribunal und ging in das Prätorium; er befahl, daß sie (sc. die jungen Männer) vorgeführt und peinlich verhört würden. Als jene aber gefoltert wurden, gestanden sie, im Dienste des Simon zu stehen, 'der uns (so sagten sie) mit Geld dazu gebracht hat'. Und nach weiterem Verhör gestanden sie, daß alles, was der Eubola abhanden gekommen war, in einer unterirdischen Höhle jenseits des Tores niedergelegt sei und anderes mehr. Als Pompeius das hörte, erhob er sich, um zu dem Tor zu gehen, nachdem jene beiden mit doppelten Ketten gefesselt waren. Und siehe Simon kam an das Tor, um nach jenen zu sehen, weil sie (so) langsam machten; und er sieht eine große Menge kommen und jene mit Ketten gefesselt. Sogleich erkannte er (die Situation) und ergriff die Flucht und ward in Judäa bis auf diese Zeit nicht mehr gesehen. Eubola aber, nachdem sie ihr ganzes Eigentum wieder erhalten hatte, schenkte es zum Dienst an den Armen; sie glaubte an den Herrn Jesus Christus und wurde (im Glauben) gestärkt, verachtete und sagte dieser Welt ab, gab (Almosen) an Witwen und Waisen, kleidete die Armen und nach 1 längerer Zeit erlangte sie die ewige Ruhe. Dieses also, geliebteste Brüder, ist in Judäa geschehen; dadurch ist der, der Engel des Satans 2 genannt wurde, von dort vertrieben worden. 18 Teuerste und geliebteste Brüder, wir wollen miteinander fasten und zum Herrn beten! Der, welcher ihn von dort vertrieben hat, ist auch mächtig, ihn von hier auszutreiben. Und er möge uns die Kraft geben, ihm und seinen Zaubersprüchen zu widerstehen und ihn als den Engel des Satans zu entlarven. Am Sabbat nämlich wird ihn. auch 3 wenn er gar nicht will, unser Herr auf das Julisehe Forum führen. Daher wollen wir unsere Knie vor Christus beugen, der uns erhört, auch wenn wir nicht gerufen haben. Er ist es, der uns sieht, auch wenn er nicht mit diesen Augen gesehen wird; aber er ist unter uns. Wenn wir wollen (p. 66), wird er nicht von uns weichen. Darum laßt uns unsere Seelen reinigen von jeder schändlichen Versuchung, dann wird Gott nicht von uns weichen; und wenn wir nur mit den Augen zuwinken, so ist er bei uns." 7. (Wunder des Petrus)
19 Kaum aber hatte Petrus dies gesagt, da kam auch Marcellus hinzu und sagte: "Petrus, ich habe mein ganzes Haus für dich von den Spuren des Simon gereinigt 1
Gundermann: post (statt per).
• Vgl.. 2. Kor. 12,7.
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Turner: et quidem.
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und (jeden Rest) seines schändlichen Staubes beseitigt. Denn ich habe Wasser genommen und unter Anrufung des heiligen Namens Jesu Christi habe ich mit meinen übrigen Dienern, die ihm anhingen, mein ganzes Haus und alle Speisezimmer und j eden Säulengang bis hinaus vor die Tür besprengt und habe (da bei) gesprochen: 'Ich weiß, daß du, Herr Jesus Christus, rein und von aller Unreinheit unberührt bist, so daß mein Feind und Gegner vor deinem Anblick die Flucht ergreift.' Und jetzt, Seligster, habe ich befohlen, daß Witwen und Alte in mein gereinigtes Haus zu dir kommen, damit sie mit uns beten. Sie sollen aber um des Dienstes willen je ein Goldstück erhalten, damit sie wirklich Christi Diener genannt werden können. Im übrigen ist alles zum Dienst vorbereitet. Ich bitte dich daher, seligster Petrus, ihre Bitten zu besiegeln, damit auch du ihre Gebete für mich verschönst. So wollen wir gehen, wollen auch den Narcissus und alle hier befindlichen Brüder mitnehmen." Da Petrus nun seiner Einfalt zustimmte, ging er, um auch ihm den Willen zu tun, mit ihm und den übrigen Brüdern. 20 Petrus aber trat ein und sah eine von den alten Frauen, eine Witwe, die ohne Augenlicht war, und ihre Tochter, die ihr die Hand gab und sie in das Haus des Marcellus führte. Und Petrus sprach zu ihr: "Komm herzu, Mutter; dir gibt, J esus von heute ab seine Rechte, er, durch den wir ein unzugängliches Licht! haben, das die Finsternis nicht verdeckt. Er spricht durch mich zu dir: 'Öffne die Augen und sei sehend und gehe allein!'" Und sofort sah die Witwe, wie Petrus ihr die Hand auflegte. Petrus aber ging in das Speisezimmer und sah, daß das Evangelium gelesen wurde. Er rollte es zusammen und sagte: "Ihr Männer, die ihr an Christus glaubt und (p. 67) hofft, ihr sollt erfahren, wie die heilige Schrift unseres Herrn verkündet werden muß. Was wir nach seiner Gnade, soweit wir es verstanden haben, niedergeschrieben haben, erscheint euch zwar bisher noch schwach; dennoch (haben wir es geschrieben) gemäß unseren Kräften, soweit es erträglich ist 2 , es in menschliches Fleisch zu bringen 3.Wir müssen also zuerst Gottes Willen oder (seine) Güte 4 kennenlernen, da ja einst der Betrug weit verbreitet war und viele Tausende von Menschen in das Verderben stürzten, und (darum) der Herr in seiner Barmherzigkeit veranlaßt war, sich in anderer Gestalt zu zeigen und im Bilde eines Menschen zu erscheinen, bezüglich dessen weder die Juden noch wir in der Lage sind, würdig erleuchtet zu werden. Denn jeder von uns sah (ihn), wie er es zu fassen vermochte, je nachdem er es konnte. Jetzt aber will ich euch erklären, was euch gerade vorgelesen worden ist. Unser Herr wollte mich seine Herrlichkeit auf heiligem Berge sehen lassen 5; als ich aber mit den Söhnen des Zebedäus den Glanz seines Lichtes sah, fiel ich wie tot nieder und schloß meine Augen und hörte seine Stimme so, wie ich es nicht beschreiben kann; ich glaubte, daß ich von seinem Glanze erblindet sei. Und als ich ein wenig aufatmete, sprach ich zu mir: 'Vielleicht hat mein Herr mich hierher führen wollen, um mich des Augenlichts zu berauben'. Und ich sagte: 'Und wenn das dein Wille ist, Herr, dann widerspreche ich nicht'. Und er gab mir die Hand und richtete mich auf. Und als ich aufstand, sah ich ihn wiederum so, wie ich ihn fassen konnte. So also, geliebteste Brüder, hat der barmherzige Gott unsere Schwachheiten getraVgl. 1. Tim. 6, 16. Vgl. Isidor. Pelus. II, 99 (PG 78, 544): ä exwef}aap,sv eyeG.1J!ap,BV. 3 Vouaux: inferri. • VA: Gottes Mitleid und Menschenfreundlichkeit. 5 Vgl. Mk. 9, 2ft". Par.; 2. Petr. 1, 18. 1 t
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gen und unsere Sünden auf sich genommen, wie der Prophet sagt: 'Er trägt unsere Sünden und für uns leidet er Schmerzen; wir aber glaubten, daß er in Schmerzen sei und von Wunden geplagt würde' 1. Denn 'er ist ja im Vater und der Vater in ihm' 2; er selbst ist auch die Fülle aller Herrlichkeit, der uns alle seine Güte gezeigt hat. Er hat gegessen und getrunken unsertwegen, obwohl er weder hungrig noch durstig war, er hat ertragen und Beschimpfungen erduldet unsertwegen, er ist gestorben und auferstanden um unsertwillen. Er, der auch mich, als ich sündigte, verteidigt (p. 68) und gestärkt hat in seiner Größe 3, wird auch euch trösten, auf daß ihr ihn liebt, diesen Großen und ganz Kleinen, den Schönen und Häßlichen, Jüngling und Greis, in der Zeit erscheinend und (doch) in Ewigkeit gänzlich unsichtbar, den eine menschliche Hand nicht gehalten hat und der von seinen Dienern gehalten wird, den das Fleisch nicht gesehen hat und der jetzt gesehen wird 4, der kein Gehör gefunden hat, der aber jetzt bekannt und das gehörte Wort geworden ist; dem die Leiden fremd waren und der jetzt gleichsam wie wir 5 gezüchtigt ist, er, der niemals gezüchtigt war, ist jetzt gezüchtigt; der vor der Welt ist und in der Zeit wahrgenommen wurde, aller Herrschaft großer Anfang und (doch) den Fürsten ausgeliefert; schön, aber unter uns niedrig und hässlich erschienen, aber voller Fürsorge: Diesen Jesus habt ihr, Brüder, die Tür 6 , das Licht, den Weg, das Brot, das Wasser, das Lebendige, die Auferstehung 7, der Trost, die Perle, den Schatz, den Samen, die Sättigung, das Senfkorn, den Weinstock, den Pflug, die Gnade, den Glauben, das Worts: Dieser ist alles, und es ist kein anderer größer als er. Ihm sei Lob in alle Ewigkeit, Amen." 21 Und als die neunte Stunde abgelaufen war, erhoben sie sich, um zu beten. Und siehe, plötzlich riefen einige der alten blinden Witwen, die da saßen ohne Wissen des Petrus und nicht aufgestanden 9 waren, und sprachen zuPetrus: "Wir sitzen hier zusammen, Petrus, hoffen auf Christus Jesus und glauben (an ihn). Wie du nun eine von uns sehend gemacht hast, so bitten wir, Herr Petrus, gib auch uns Anteil an Jes. 53,4. 2 Joh. 10, 38. VA: Er hat gegessen und getrunken unsertwegen, unsertwegen hat er, der menschenfreundlich und gut ist, alles ertragen, er, der mich, der ich seiner in allen Dingen bedarf und brauche, zu seiner Größe und zur Erkenntnis stärkt. 4 Turner: videtur. 5 Turner: passionum exterum et nunc est tamquam nos. 6 VA (anschließend an 'zur Erkenntnis stärkt' s.o., Anm. 3): So tröstet er auch euch, damit ihr ihn erkennt und liebt und fürchtet, ihn, der klein ist für die Unwissenden, groß aber für die, die ihn erkennen, der schöngestaltet ist für die Verstehenden, mißgestaltet für die Unwissenden, den Alten und Jungen, der in der Zeit erscheint und immer ist, der überall ist und in keinem ist, der seiner unwürdig ist, den eine menschliche Hand nicht gehalten hat, der aber selbst das All hält, den Fleisch bis jetzt nicht gesehen hat, der aber mit den Augen der Seele von denen, die seiner würdig sind, gesehen wird, das von den Propheten verkündete und jetzt erschienene Wort, der von Sünden nicht ergriffen ist und der (doch) den Mächten und Gewalten übergeben ist, der für uns und alle die ihn lieben, immer Fürsorge trifft. Diesen Jesus nennen wir Tür usw. 7 VA (statt: die Auferstehung - Amen): diesen nennen wir auch die Ruhe (ava:navau;), den Weinstock, die Gnade, das Wort (Logos) des Vaters: Dieser hat zwar viele Namen, einer aber ist der eingeborene Sohn Gottes. B Zu den einzelnen Bezeichnungen vgl. Joh. 10,7.9; 3,19; 8,12; 14,6; 6,35; 4,10; 7,38; 14,6; 11,25; Mt. 11,28; 13,46.44.24; 13,31; Joh. 15, 1; Lk. 9, 62; Joh. 1, 1. 14. 9 Turner: surgentes (statt credentes). 1
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seiner Barmherzigkeit und Liebe!!" Petrus aber sprach zu ihnen: "Wenn in euch Glauben an Christus ist, wenn er in euch befestigt ist, so sehet mit dem Geiste, was ihr mit den Augen nicht sehet; und eure Ohren sind verschlossen, aber in eurem Geiste innen mögen sie offen sein. Diese Augen werden wiederum geschlossen werden, die nichts anderes sehen als Menschen, Rinder und stumme Tiere, Steine und Holz; aber Jesus Christus sehen (nur) die inneren 2 Augen 3. Aber jetzt, 0 Herr, möge dein süßer und heiliger Name jenen zu Hilfe kommen; berühre ihre Augen, denn du hast die Macht, daß sie mit ihren Augen sehen können." Als aber von allen das Gebet gesprochen worden war, da erstrahlte das Zimmer, in dem sie waren, als wenn es blitzt, (und zwar so) wie es in den Wolken zu sein pflegt. Aber es war nicht solch ein Licht, wie es (p.69) am Tage (sichtbar) ist, unbeschreiblich, unsichtbar, wie es kein Mensch beschreiben kann, ein solches Licht, das uns so blendete, daß wir von Sinnen kamen, zu dem Herrn riefen und sprachen: "Erbarme dich über uns, deine Knechte, o Herr ! Was wir ertragen können, 0 Herr, das teile uns zu; denn dies können wir weder sehen noch ertragen." Als wir aber so dalagen, standen nur jene Witwen aufrecht, sie waren ja ohne Augenlicht. Das helle Licht aber, das uns erschien, drang in ihre Augen und machte sie sehend. Zu ihnen sprach Petrus: "Berichtet, was ihr gesehen habt." Sie sagten: "Wir haben einen älteren Mann gesehen, der solches Aussehen hatte, wie wir es dir nicht erzählen können." Andere aber (sagten): "Wir haben einen heranwachsenden Jüngling gesehen." Andere aber sagten: "Wir haben einen Knaben gesehen, der unsere Augen zart berührte, so sind uns die Augen geöffnet worden."4 Petrus nun pries den Herrn und sprach: "Du allein bist Gott der Herr, dem Lob darzubringen ist. Wieviele Lippen haben wir nötig, damit wir dir gemäß deiner Barmherzigkeit Dank sagen können? So (ist es), liebe Brüder, wie ich kurz vorher berichtet habe: sicherlich größer ist 5 Gott als unsere Gedanken, wie wir es von den alten Witwen erfahren haben, wie sie in verschiedener Gestalt den Herrn gesehen haben." 22 Und er ermahnte alle, den Herrn aus ganzem Herzen zu erkennen; dann begann er mit Marcellus und anderen Brüdern den Jungfrauen des Herrn zu dienen und bis zum Morgen auszuruhen. Zu ihnen (sc. den Jungfrauen) sprach Marcellus: "Ihr heiligen und unversehrten Jungfrauen des Herrn, hört: Ihr habt, wo ihr wohnen könnt. Denn was als mein Eigentum gilt, wem sollte es sonst gehören als euch? Geht nicht fort von hier, sondern erholt euch; denn am morgigen Sabbattage, der kommen wird, hat Simon einen Kampf mit Petrus, dem Heiligen Gottes. Wie nun der Herr immer mit ihm gewesen ist, so möge auch jetzt Christus der Herr ihm als seinem Apostel beistehen! Petrus nämlich verharrt (im Gebet) und nimmt nichts zu 1 VA: so bitten auch wir unseren Herrscher und Herrn J esus Christus, daß er durch dich seine Güte auch an uns erzeige. • Turner: interiores (statt non omnes). 3 VA: Wenn euer Glaube an ihn, wie ihr sagt, fest ist, so seht ihr ihn mit den Augen des Herzens, und wenn diese eure leiblichen Augen erfüllt werden, so werden die Augen eurer Seele geöffnet werden. Und wenn nun diese eure Augen geöffnet werden, so werden sie wieder geschlossen werden und werden, sehend geworden, nichts anderes erblicken als sinnlich Wahrnehmbares, das heißt Menschen und Rinder und andere Tiere und Steine und Hölzer; Jesum aber, der Gott ist, zu sehen - dafür sind diese Augen nicht geschaffen. • In VA berichtet jeweils nur eine Witwe; die Antworten entsprechen aber weitgehend dem Text der Act. Verc. 5 Turner: constat.
14 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
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sich, sondern fastet, um den bösen Feind und den Verfolger der Wahrheit des Herrn zu besiegen. Denn seht, da sind meine jungen Leute gekommen und berichten, sie hätten gesehen, wie auf dem Forum stufenförmige Gerüste aufgebaut würden, und die Menge sage (dazu): 'Hier haben morgen (p. 70) nach Tagesanbruch zwei Juden einen Streit auszufechten wegen der Anrufung Gottes.' 1 Darum laßt uns jetzt bis zum Morgen wachbleiben und beten und unseren Herrn Jesus Christus bitten, er möge unsere Gebete für Petrus erhören." Marcellus aber schlief für kurze Zeit ein, und als er aufgewacht war, sprach er zu Petrus: "Petrus, Apostel Christi, mutig wollen wir an unser Vorhaben gehen. Als ich nämlich jetzt für kurze Zeit eingeschlafen war, sah ich dich auf einem erhöhten Platz sitzen und vor dir eine große Menschenmenge; und ein sehr hässliches Weib, ihrem Aussehen nach eine Äthiopierin, keine Ägypterin, sondern eine ganz schwarze, in schmutzige Lumpen gehüllte (Person), (sah ich) tanzen, eine eiserne Kette um den Hals und Ketten an Händen und Füßen. Als du sie sahst, sagtest du mit lauter Stimme zu mir: 'Marcellus, alle Kraft Simons und seines Gottes ist die, die da tanzt: enthaupte sie!' Und ich sagte zu dir: 'Bruder Petrus, ich bin ein Senator von vornehmer Herkunft, und niemals habe ich meine Hände befleckt, und ich habe nicht einmal einen Sperling getötet'. Und als du das gehört hattest, fingst du an, noch lauter zu rufen: 'Komm, unser wahres Schwert, Jesus Christus, und haue diesem Dämon nicht nur den Kopf ab, sondern zerschlage ihm auch alle seine Glieder, in Gegenwart aller jener, die ich in deinem Kriegsdienst erprobt habe'. Und sofort nahm einer, der dir glich, das Schwert und hieb sie ganz zusammen, so daß ich mein Augenmerk auf euch beide richtete, auf die, die dir und jenem, der jenen Dämon zusammenhieb, so ähnlich waren, zu meiner großen Verwunderung. Nachdem ich erwacht bin, berichte ich dir diese Zeichen Christi." Als Petrus dies gehört hatte, wurde er noch mehr ermutigt, weil Marcellus dies gesehen hatte; denn der Herr sorgt überall für die Seinen. Beglückt also und erquickt durch diese Worte, erhob er sich, um zum Forum zu gehen.
8. (Der Kampf mit Simon auf dem Forum)
23 Es kamen aber die Brüder und alle, die in Rom waren, zusammen und nahmen ihren Platz für je ein Goldstück ein. Es kamen aber auch Senatoren, Präfekten und Beamte zusammen. Als aber Petrus ankam, stellte er sich in die Mitte. Alle (aber) riefen: "Zeige uns, Petrus, wer dein Gott ist oder welche Macht es ist, die dir Vertrauen (p. 71) gegeben hat. Sei den Römern nicht mißgünstig, sie sind Liebhaber der Götter. Wir haben aber die Proben Simons, wir wollen (nun) auch die deinen haben; beweiset uns also beide, wem wir in Wahrheit glauben müssen." Und als sie dies sagten, kam auch Simon dazu. Verwirrt trat er an die Seite des Petrus und schaute besonders auf ihn. Nach längerem Schweigen sagte Petrus: "Ihr Römer, ihr sollt uns wahre Richter sein. Ich behaupte nämlich, daß ich an den lebendigen und wahren Gott gläubig geworden bin, von dem ich euch die Proben vorzuführen verspreche, soweit sie mir bereits bekannt sind, wie auch unter euch (schon) viele dafür Zeugnis ablegen (können). Ihr seht nämlich, daß dieser nur schweigt, da er überführt worden ist und ich ihn aus Judäa vertrieben habe wegen der Betrügereien, die er 1
Vouaux: conlocatio dei = neoa'f}yoeia 1}eov.
2. Pet'I'U8akten
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an Eubola, einer ehrenwerten und einfältigen Frau durch seine Zauberkunst verübt hat. Von dort durch mich vertrieben kam er hierher, in dem Glauben, er könne sich unter euch verbergen; und siehe, nun steht er persönlich da. Sage, Simon, bist du nicht in J erusalem mir und dem Paulus zu Füßen gefallen 1, als du die Heilungen, die durch unsere Hände geschahen, sahest, und sagtest: 'Ich bitte euch, nehmt Bezahlung von mir, soviel ihr wollt, damit ich die Hand auflegen und solche Taten tun kann'. Als wir aber das von dir hörten, haben wir dich verflucht: 'Glaubst du, du könntest uns in Versuchung führen, weil wir Geld besitzen wollen1' Und jetzt fürchtest du nichts1 Mein Name ist Petrus, weil der Herr Christus mich gewürdigt hat zu nennen 'bereit zu allen Dingen' 2. Denn ich glaube an den lebendigen Gott, durch den ich deine Zauberei zerstören werde. Jetzt möge er (sc. Simon) die wunderbaren Dinge, der er getan hat, auch in eurer Gegenwart tun. Und was ich euch eben über ihn erzählt habe, wollt ihr es mir nicht glauben1" Simon aber sagte: "Du hast die Frechheit von dem Nazarener Jesus zu sprechen, der der Sohn eines Zimmermanns und selbst ein Zimmermann (war) 3, dessen Familie aus Judaea stammt. Höre, Petrus, die Römer haben Verstand, sie sind keine Toren." Und er wandte sich zu dem Volk und sprach: "Ihr Römer, wird ein Gott geboren 1 wird er gekreuzigt1 Wer einen Herrn hat, ist kein Gott!" Als er aber dies sagte, sprachen viele: "Du hast recht Simon!" 24 Petrus aber sagte: "Fluch deinen Worten gegen Christus! Du hast die Frechheit gehabt, so zu reden, obwohl doch der Prophet über ihn sagt: 'Sein Geschlecht, wer wird es erzählen l' 4 Und ein anderer Prophet sagt: 'Und wir sahen (p. 72) ihn, und er hat keine Gestalt und Schönheit' 5. Und: 'In den letzten Zeiten wird ein Knabe vom Heiligen Geiste geboren; seine Mutter kennt keinen Mann, und keiner sagt, daß er sein Vater sei' 6. Und wiederum sagt er: 'Sie hat geboren und hat nicht geboren' 7. Und wiederum: 'Ist es euch ein kleines Ding, einen Kampf zu bieten ... 81' (Und wiederum:) 'Siehe im Leibe wird eine Jungfrau empfangen' 9. Und ein anderer Prophet sagt, um den Vater zu ehren: 'Wir haben weder ihre Stimme gehört, noch ist eine Hebamme dazugekommen' 10. Ein anderer Prophet sagt: 'Er ist nicht aus der Gebärmutter eines Weibes geboren, sondern von einem himmlischen Orte herabgestiegen' 11; und: 'Ein Stein ist losgehauen worden ohne Hände und hat alle Reiche zertrÜmIDert'12; und: 'Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein gemacht worden' 13, und er nennt ihn den 'auserwählten, kostbaren' Stein 14. Und wiederum sagt der Prophet über ihn: 'Und siehe, ich habe ihn auf einer Wolke kommen sehen wie einen Menschensohn'15. Und was noch weiter1 0 ihr Römer! Wenn ihr die prophetischen Schriften kennen würdet, könnte ich euch alles erklären. Durch sie mußte im Geheimnis (geredet werden) und das Reich Gottes vollendet werden. Aber dies wird euch später offen erklärt werden. Nun zu dir, Simon: Tue doch irgend etwas von den Dingen, durch die du sie vorher verführt hast, und ich will es durch meinen Herrn J esus Christus zunichte machen." Simon raffte sich frech auf und sprach: "Wenn der Praefekt es erlaubt." 3 Vgl. Mk. 6, 3 Par. Vgl. AG 8, 18ff. I Vgl. Mt. 16, 17-19 (1). 6 Jes. 53, 2. S Unbekanntes Zitat. 'Jes. 53, 8. 7 Vgl. Apokr. 2, S. 388. B Turner: ein Teil des Jesaias-Zitates (7, 13) ist ausgefallen. 9 Jes. 7, 14. 10 Ase. Jes. 11,13f. 11 Unbekannt; vgl. Vouaux, S. 369. 12 Dan. 2,34. 13 Ps. 118,22; vgl. Mk.12, 10 Par. 14 Jes. 28,16. 15 Dan. 7, 13; vgl. Mk. 13,26 Par.
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25 Der Praefekt aber wollte ihnen beiden Unparteilichkeit zeigen, um ja nicht den Anschein zu erwecken, ungerecht zu handeln. Es führte aber der Präfekt einen seiner jungen Leute vor und sagte zu Simon: "Nimm diesen, übergib ihn dem Tode!" Zu Petrus sprach er: "Du aber erwecke ihn wieder!" Und zum Volke sprach der Präfekt: "Eure Aufgabe ist es, jetzt zu entscheiden, wer von jenen Gott wohlgefällig ist, der tötet oder der lebendig macht." Und sofort sagte Simon dem Knaben (etwas) ins Ohr und machte ihn stumm und er starb. Während aber ein Murmeln im Volk begann, rief eine von (p. 73) den Witwen, die bei Marcellus zur Erholung weilte, hinter der Volksmenge stehend: "Petrus, Diener Gottes, mein Sohn ist gestorben, der einzige, den ich hatte." 1 Das Volk aber macht ihr Platz und sie führten sie zu Petrus. Sie aber warf sich ihm zu Füßen und sprach: "Einen einzigen Sohn hatte ich; dieser verschaffte mir mit seinen Händen (Schultern) den Lebensunterhalt, er hob mich, er trug mich. Wer wird mir, da er nun tot ist, die Hand reichen?" Ihr erwiderte Petrus: "Vor diesen Zeugen, gehe hinweg 2 und schaffe deinen Sohn herbei, damit diese, wenn sie (es) sehen, glauben können, daß er durch Gottes Kraft auferstanden ist." Jene aber, als sie das hörte 3, fiel nieder. Petrus aber sprach zu den Jünglingen: "Hier brauchen wir junge Männer, außerdem solche, die glauben wollen." Und sofort erhoben sich dreißig Jünglinge, die bereit waren, sie zu tragen oder ihren toten Sohn herbeizuschaffen. Kaum aber war jene Witwe wieder zu sich gekommen, da hoben sie die Jünglinge auf. Aber jene rief mit lauter Stimme: "Siehe, mein Sohn, der Diener Christi hat zu dir geschickt." Und dabei (raufte sie sich) die Haare und zerfleischte sich das Gesicht. Die Jünglinge aber, die kamen, betrachteten die Nase des Knaben, ob 4 er wirklich tot sei. Als sie aber sahen, daß er tot sei, trösteten sie seine Mutter 5 und sprachen: "Wenn du wirklich an den Gott des Petrus glaubst 6, so heben wir ihn auf und bringen ihn zu Petrus, damit er ihn auferwecke und dir wiedergebe." 26 So sprachen die Jünglinge. Der Präfekt aber auf dem Forum sah den Petrus an und sprach: "Was sagst du, Petrus? Siehe der Knabe liegt tot da 7, den auch der Kaiser gern hatte, und ich habe ihn nicht geschont. Gewiß hatte ich auch eine Anzahl anderer Jünglinge; aber weil ich auf dich vertraute und deinen Herrn, den du verkündigst, wenn ihr wirklich zuverlässig und wahrhaftig seid 8, darum wollte ich, daß dieser sterbe." Petrus aber sprach: "Gott läßt sich nicht versuchen oder gering achten. Aber der, welcher von seinen Geliebten 9 aus (vollem) Herzen verehrt werden muß, wird die erhören, die es wert sind 10. Aber da nun einmal jetzt unter euch Gott und mein Herr Jesus Christus versucht wird, so tut er auch solche Zeichen und Wunder durch mich zur Bekehrung seiner Sünder. Und nun vor aller Augen, 0 Vgl. Lk.7, IIff. • Vouaux: duc te = {fnaye. • Turner: illa autem hoc audiens. 4 PapOx: untersuchten die Nase des Knaben, um zu sehen ob. o PapOx: die alte Frau (statt: seine Mutter). 6 PapOx: Wenn du nun willst, Mutter, und dem Gott des Petrus vertraust. 7 PapOx: So sprachen sie; der Praefekt sah Petrus an ( ..... Lücke): Siehe mein Knabe liegt tot da. S PapOx: aber ich wollte dich und den durch dich (verkündeten) Gott prüfen, ob ihr wohl wahrhaftig seid. 9 Turner: sed dilectis suis. 10 PapOx: Gott ist nicht versucht oder geprüft worden, .Agrippa . .Aber der Geliebte und .Angerufene erhört die Würdigen. 1
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Herr, erwecke du den, den Simon durch Berührung getötet hat, durch meine Stimme mit deiner Kraft!" Und es sprach Petrus zu dem Herrn des Knaben: "Komm her, halte seine Rechte und du wirst ihn lebend haben, so daß er mit dir gehen kann." Aber der Präfekt Agrippa lief hinzu und kam zu dem Knaben, und indem er seine Rechte hielt, erweckte er ihn. Als aber die Volksmasse das sah, riefen sie alle: "Es gibt nur einen Gott, nur den einen Gott des Petrus!" 27 (p. 74) Inzwischen wird auch der Sohn der Witwe auf einer Tragbahre von den Jünglingen herangetragen; das Volk machte ihnen Platz und sie brachten ihn zu Petrus. Petrus aber erhob seine Augen zum Himmel, streckte seine Hände aus und sprach: "Heiliger Vater 1 deines Sohnes Jesu Christi, der du uns deine Kraft verliehen hast, daß wir durch dich bitten und erlangen und alles, was in dieser Welt ist, verachten, und dir allein folgen, der du von wenigen gesehen wirst und von vielen erkannt werden willst: umstrahle, Herr, erleuchte, erscheine, erwecke den Sohn der greisen Witwe, die sich ohne Sohn nicht helfen kann! Und ich nehme das Wort meines Herrn Christus und sage dir: Jüngling, stehe auf und wandle 2 mit deiner Mutter, so lange du ihr nützlich bist! Nachher aber wirst du dich mir in einem höheren Dienst widmen, im Amt des Diakons und Bischofs." Und sofort erhob sich der Tote, und es sahen (dies) die Massen voller Verwunderung und das Volk rief: "Du Gott Heiland des Petrus, unsichtbarer Gott und Heiland." Und sie sprachen untereinander und bewunderten die Kraft eines Menschen, der mit seinem Worte seinen Herrn anrief, und nahmen (es) auf zu ihrer Heiligung. 28 Während nun das Gerücht die ganze Stadt durcheilte, kam die Mutter eines Senators hinzu, drängte sich mitten durch die Menge und fiel dem Petrus zu Füßen und sprach: "Ich habe von meinen Leuten erfahren, daß du ein Diener des barmherzigen Gottes bist und allen, die dieses Licht verlangen, seine Gnade mitteilst. Teile also auch (meinem) Sohn das Licht mit; denn ich habe erfahren, daß du niemandem mißgünstig bist; wenn dich (auch nur) eine Frau bittet, so wende dich nicht ab!" Petrus sprach zu ihr: " Glaubst du an meinen Gott, durch den dein Sohn auferstehen wird?" Die Mutter aber rief unter Tränen mit lauter Stimme: "Ich glaube Petrus, ich glaube". Alles Volk rief: "Schenke der Mutter den Sohn!" Petrus aber sprach: "Er soll hierher gebracht werden vor diesen allen!" Und zum Volke gewandt sprach Petrus: "Römer, da auch ich einer von euch bin, der menschliches Fleisch trägt, und ein sündhafter Mensch, aber Mitleid (p. 75) erlangt habe: darum richtet euer Augenmerk nicht auf mich, als ob ich durch eigene Kraft täte, was ich tue 3, sondern (es geschieht durch die Kraft) meines Herrn J esus Christus, der Richter ist über die Lebenden und die Toten. Im Glauben an diesen, von ihm gesandt, wage ich es, ihn anzurufen, Tote zu erwecken. Gehe also auch du hin, Weib, und laß deinen Sohn hierher bringen und auferwecken!" Die Frau drängte sich wieder mitten durch die Menge und trat hinaus auf die Straße, mit großer Freude dahineilend, und von Herzen glaubend kam sie zu Hause an, ließ durch ihre jungen Leute ihn (den Toten) hinbringen und kam zum Forum. Sie sagte aber den Jünglingen, sie sollten ihre Mützen auf den Kopf setzen und vor der Bahre gehen, und was sie für den Leichnam (d.h. für die Bestattung) ihres Sohnes aufwenden wollte, (ließ sie) vor der Bahre hertragen, auf daß Petrus, wenn er das sähe, Mitleid mit dem Toten und mit ihr hätte. Unter allgemeiner Totenklage gelangte man zu der Menge; es folgte aber eine Schar von Senatoren und vornehmen Frauen, um die Wundertaten Gottes zu sehen. Ni1
Vgl. Joh. 17, 11.
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Lk. 7, 14.
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Vgl. AG 3, 12.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
costratus, der gestorben war, war aber sehr angesehen und beliebt im Senat. Den brachten sie an und setzten ihn vor Petrus nieder. Petrus aber gebot Stillschweigen und sprach mit lauter Stimme: "Römer, jetzt soll eine gerechte Entscheidung gefällt werden zwischen mir und Simon, und achtet darauf, wer von uns dem lebendigen Gott glaubt, dieser oder ich! Aber diesen hier liegenden Leichnam möge dieser auferwecken, und (dann) glaubt ihm als einem Engel Gottes. Wenn er es aber nicht vermag, so werde ich meinen Gott anrufen: ich werde der Mutter ihren Sohn lebend zurückgeben, und (dann) glaubt, daß dieser ein Zauberer und Verführer ist, der bei euch Gastfreundschaft genießt!" Alle aber hörten dies, und es schien ihnen recht, was Petrus gesagt hatte. Sie ermahnten den Simon mit den Worten: "Jetzt zeige offen, wenn etwas in dir ist: gib ihn dem Spott preis oder du wirst dem Spott preisgegeben. Was stehst du noch da~ Wohlan, fang an!" Als Simon aber sah, daß alle in ihn drangen, stand er schweigend da. Als er sah, daß das Volk verstummt war und sich ihm zuwandte, erhob Simon seine Stimme und sprach: "Römer, wenn ihr sehen werdet, daß ich den Toten auferweckt habe, werft ihr dann den Petrus aus der StadM" Und das ganze Volk rief: "Wir werfen ihn nicht nur hinaus, sondern zur selben Stunde werden wir ihn im Feuer verbrennen." Da trat Simon zu dem Kopf des Toten, neigte sich dreimal und richtete sich dreimal auf (p. 76) und zeigte dem Volke, daß er (der Tote) den Kopf erhoben habe und sich bewege, indem er die Augen aufschlug und sich zu Simon neigte. 1 Sofort begannen sie Holz und Brennmaterial zusammen zu suchen, um den Petrus zu verbrennen. Petrus aber empfing die Kraft Christi, erhob seine Stimme und sagte zu denen, die gegen ihn anbrüllten: "Jetzt sehe ich, Volk von Rom, daß ich euch nicht albern und eitel nennen darf, solange eure Augen, eure Ohren und euer Herz verblendet sind. Solange euer Sinn umnachtet ist, seht ihr nicht, daß ihr verzaubert seid, da ihr glaubt, der Tote sei auferstanden, der sich gar nicht erhoben hat. Mir genügte es, ihr Römer, zu schweigen und stumm zu sterben und euch dem Blendwerk dieser Welt zu überlassen. Aber ich habe die Strafe des unauslöschlichen Feuers 2 vor Augen. Wenn es euch also richtig erscheint, so soll der Tote sprechen, sich erheben, wenn er lebt, sein festgebundenes Kinn mit seinen Händen (von den Binden) lösen, seine Mutter rufen und euch Lärmenden sagen: 'Was lärmt ihr~' und euch mit seiner Hand zuwinken. Wollt ihr also sehen, daß er noch tot ist, und daß ihr durch Zauberei gebunden seid, so möge dieser sich von der Bahre entfernen, der euch überredet hat, von Christus wegzugehen, und ihr werdet jenen so sehen, wie ihr ihn habt herbringen sehen." Aber der Präfekt Agrippa konnte nicht mehr an sich halten, erhob sich und schlug den Simon mit seinen Händen. Und so lag der Tote wieder da, wie er vorher war. Das Volk aber wandte sich voller Wut von der Zauberei des Simon ab und begann zu schreien: "Höre, Caesar, wenn nun der Tote sich nicht erhebt, so soll Simon für Petrus verbrannt werden. Denn er hat uns wirklich verblendet." Petrus aber streckte seine Hand aus und sprach: "Ihr Römer, habt noch Geduld! Ich sage euch nicht, daß nach der Auferweckung des Knaben Simon verbrannt werden soll; wenn ich es nämlich sagen würde, werdet ihr es tun." Da rief das Volk: "Auch wenn du es nicht willst, Petrus. werden wir es tun". Petrus sprach zu ihnen: "Wenn ihr darauf 1 Turner: inclinans se ter, ter erigens ostendit .... aperientem et inclinantem se Simonem illi (?). Die Stelle bleibt unklar. Wichtig ist nur, daß Simon allerlei Praktiken anwenden muß, während Petrus solche Taten mit einem Wort erledigt (vgl. Vouaux, S. 3S6f., Anm. 3). 2 Vgl. Mk. 9,43.
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2. Petrusakten
beharrt, wird der Knabe sioh nioht erheben. Denn Böses mit Bösem zu vergelten 1, haben wir nioht gelernt; vielmehr (p. 77) haben wir gelernt, unsere Feinde zu lieben und für unsere Verfolger zu beten 2. Denn wenn auoh dieser nooh Buße tun könnte, wäre es besser. Gott wird nämlioh nioht des Bösen gedenken. Er möge also zu dem Lioht Christi gelangen. Wenn er es aber nioht kann, dann möge er das (Erb)teil seines Vaters, des Teufels besitzen. Aber eure Hände sollen nioht befleokt werden." Und als er das zu dem Volk gesagt hatte, trat er zu dem Knaben, und bevor er ihn erweokte, spraoh er zu seiner Mutter: "Sollen diese Jünglinge, welohe du zur Ehre deines Sohnes freigelassen hast, als Freie weiter ihrem lebenden Herrn Dienst leisten1 loh weiß nämlioh, daß manohe sioh gekränkt fühlen werden, wenn sie deinen Sohn erstehen sehen und sie dann wieder seine Sklaven sein sollen. Aber sie sollen alle frei bleiben und zu essen bekommen, wie sie früher bekamen; denn dein Sohn wird auferstehen, und sie sollen mit ihm zusammen sein." Und Petrus betraohtete sie längere Zeit, was sie wohl denke. Und die Mutter des Knaben sagte: "Was könnte ioh anderes tun 1 Darum will ioh vor dem Präfekten erklären: alles was ioh für die Bestattung meines Sohnes aufwenden wollte, das sollen sie besitzen." Petrus spraoh zu ihr: "Das übrige soll an Witwen verteilt werden." Aber Petrus freute sioh von Herzen und spraoh: "Herr, der du barmherzig bist, J esus Christus, ersoheine deinem Petrus, der dioh anruft, wie du immer Barmherzigkeit und Güte geübt hast: in Gegenwart aller dieser, die die Freiheit erlangt haben, damit sie dienen können, soll jetzt Nioostratus auferstehen!" Und Petrus berührte die Seite des Knaben und spraoh: "Steh aufI" Und der Knabe stand auf, hob seine Kleider hooh, setzte sioh, löste sein Kinn, bat um andere Kleider, stieg von der Bahre und spraoh zu Petrus: "loh bitte dioh, Mensoh, wir wollen zu unserm Herrn J esus Christus gehen, den ioh mit dir spreohen sah und der dir sagte. indem er mioh dir zeigte: 'Bring ihn mir hierher, denn er ist mein.''' Als Petrus dies von dem Knaben hörte, wurde er nooh mehr im Herzen befestigt duroh den Beistand des Herrn, und Petrus spraoh zum Volk "Ihr Römer, so werden die Toten erweokt, so spreohen sie miteinander, so gehen sie einher, wenn sie auferstehen, und leben so lange, wie Gott will. Jetzt nun ihr, die ihr zum Sohauspiel zusammengekommen seid, wenn (p. 78) ihr euoh jetzt 3 bekehrt von allen euren bösen Taten und von allen euren Götzen und von jeglioher Unreinheit und Begierde, so werdet ihr die Gemeinsohaft Christi duroh den Glauben empfangen, damit ihr das ewige Leben erlangt." 29 Von dieser Stunde ab verehrten sie ihn wie einen Gott; die Kranken aber, die sie in den Häusern hatten, legten sie ihm zu Füßen, damit er sie heile. Der Präfekt aber, als er sah, daß eine so große Menge (p.79) sioh zu Petrus hielt,befahl dem Petrus wegzugehen. Petrus aber sagte dem Volk, sie sollten in das Haus des Maroellus kommen. Die Mutter des Knaben aber bat den Petrus, er möge seinen Fuß in ihr Haus setzen 4. Petrus aber hatte bestimmt, am Sonntag zu Maroellus zu gehen 5, daß er die Witwen sähe, wie Maroellus versproohen hatte, damit sie von seiner eigenen Hand bedient würden. Der Knabe nun, der auferstanden war, sagte: "loh gehe von Petrus nioht weg." Die Mutter aber kam fröhlioh und heiter in ihr Haus. Und am anderen Tage naoh dem Sabbat kam sie in das Haus des Maroellus, braohte dem Petrus zweitausend Goldstüoke und sagte zu Petrus: "Verteile diese an die Jungfrauen Christi, die ihm dienen." Als aber der Knabe, der von den Toten auferstan1 4
Rm. 12, 17; 1. Thess. 5, 15. Vgl. AG 16, 15.
2
Vgl. Mt. 5, 44.
5
Turner: ire ad.
3
Turner: nune.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
den war, gesehen hatte, daß er niemandem (etwas) geschenkt hatte, lief er nach Hause, öffnete einen Schrank und brachte selbst viertausend Goldstücke und sagte zu Petrus: "Siehe auch ich, der ich auferweckt bin, bringe eine doppelte Gabe dar und mich selbst als sprechendes Opfer 1 für Gott vom heutigen Tag an."
9. Martyrium des heiligen Apostel Petrus 30 (1) Als es Sonntag war, predigte Petrus den Brüdern und ermahnte 2 zum Glauben an Christus. Es waren (aber auch) viele Senatoren dabei und mehrere Ritter und reiche Frauen (und) Matronen, und sie wurden im Glauben gestärkt. Auch eine sehr reiche Frau war darunter, die den Beinamen Chryse hatte, weil alle ihre Gefäße von Gold waren, - sie hatte nämlich seit ihrer Geburt weder ein silbernes noch ein gläsernes Gefäß benutzt, sondern nur goldene; diese sagte zu Petrus: "Petrus, Diener Gottes, im Traum trat der zu mir, den du Gott nennst, und hat zu mir gesagt: 'Chryse, bringe meinem Diener Petrus (p. 80) 10000 Goldstücke; denn du schuldest sie ihm'. Ich habe sie nun gebracht aus Furcht, mir möchte etwas Schlimmes widerfahren von dem, den ich gesehen habe und der gen Himmel auffuhr. " Und als sie das gesagt und das Geld niedergelegt hatte, entfernte sie sich. Petrus aber sah es und pries den Herrn, weil die Bedrückten nun erquickt werden sollten. Einige von den Anwesenden sagten daraufhin zu ihm: "Petrus, es ist nicht gut, daß du dieses Geld von ihr angenommen hast. Sie ist nämlich in ganz Rom wegen Hurerei im Gerede, und (es wird behauptet), daß sie sich nicht an einen Mann (nur) hält, ja sogar mit ihren eigenen Sklaven läßt sie sich ein. Du solltest daher keine Gemeinschaft mit dem goldenen Tisch (dem Tisch der Chryse) haben, sondern es werde zu ihr zurückgeschickt, was von ihr kam." Petrus hörte dies und lachte und sprach zu den Brüdern: "Was diese ihrem sonstigen Lebenswandel nach ist, weiß ich nicht; aber wenn ich dieses Geld empfangen habe, so habe ich es nicht ohne Grund empfangen; sie hat es mir nämlich als eine Schuldnerin Christi dargebracht und gibt es den Dienern Christi. Denn er selbst hat für sie gesorgt." 31 (2) Sie brachten aber auch die Leidenden am Sabbat zu ihm und baten, sie möchten von ihren Krankheiten geheilt werden. Und es wurden viele Gelähmte und von der Gicht Geplagte und solche, die halbdrei- und viertägiges Fieber hatten, geheilt, und von aller körperlichen Krankheit wurden geheilt, die an den Namen Jesu Christi glaubten, und sehr viele wurden an jedem Tage zu der Gnade des Herrn hinzugetan 3. Simon der Zauberer aber versprach nach Ablauf einiger Tage dem Volk, den Petrus zu überführen, daß er nicht an den wahren, sondern an einen trügerischen Gott glaube. Da er nun viele Gaukelstücke tat, verlachten ihn diejenigen Jünger, die fest (im Glauben) waren. In den Speisezimmern ließ er nämlich einige Geister zu ihnen hereinkommen, die nur Scheinwesen, aber ohne Wirklichkeit waren. Und was ist noch weiter zu sagen? Nachdem er mit vielen Worten über die Zauberkunst geredet hatte, da ließ er auch Lahme gesund erscheinen auf kurze Zeit und Blinde in gleicher Weise, und Tote, so schien es, machte er einmal viele lebendig und ließ sie sich bewegen, wie auch den Nicostratus. In all diesem aber folgte ihm Petrus und 1
Vgl. Rm. 12, 1.
• Turner: hortante.
3
Vgl. AG 2, 47.
2. PetrU8akten
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widerlegte ihn bei denen, die es sahen. Und als er nun immer eine schlechte Figur spielte und von dem Volk der Römer verlacht wurde, und man ihm kein Vertrauen schenkte, weil er etwas zu tun versprach und nicht tun konnte, da kam es schließlich dahin, daß er zu ihnen sagte: "Ihr Römer, ihr glaubt jetzt, daß Petrus mir überlegen sei, als wäre er mächtiger (als ich), und ihr haltet euch mehr zu ihm. Ihr täuscht euch. Denn morgen werde ich euch Gottlose und Unfromme verlassen und werde hinauffliegen zu Gott, dessen Kraft ich bin, wenn auch schwach geworden. Wenn ihr nun gefallen seid, siehe ich bin der Stehende 1. Und ich gehe hinauf (p. 82) zum Vater 2 und werde ihm sagen: Auch mich, deinen stehenden Sohn wollten sie zu Fall bringen; aber ich habe mich mit ihnen nicht eingelassen, sondern bin zu mir selbst zurückgekehrt. " 32 (3) Und schon am folgenden Tage lief ein größerer Volkshaufe nach der Via Sacra zusammen, um ihn fliegen zu sehen. Petrus aber, der ein Gesicht gesehen hatte, kam auch zu dem Ort, damit er ihn auch darin widerlege. Denn als er (sc. Simon) in Rom einzog, verwirrte er das Volk durch seinen Flug. Aber (damals) war Petrus, der ihn überführte, noch nicht in Rom anwesend, wo er (Simom) (das Volk) irre führte und täuschte, so daß einige durch ihn um ihren Verstand gebracht wurden. Dieser (Simon) stand nun an einem hohen Ort und als er Petrus erblickt hatte, begann er zu reden: "Petrus, jetzt vor allem, da ich vor diesen allen, die es sehen, emporsteige, sage ich dir: Wenn dein Gott mächtig ist, er, den die Juden getötet haben - sie haben ja auch euch, seine Auserwählten, mit Steinen beworfen 3 -, so möge er zeigen, daß sein Glaube von Gott kommt; möge sich dabei zeigen, ob er Gottes würdig ist. Denn ich steige empor und will mich diesem ganzen Volke erweisen, wer ich bin." Und siehe, er wurde in die Höhe gehoben, und alle sahen ihn sich über ganz Rom und über seine Tempel und seine Hügel erheben. Die Gläubigen (aber) blickten auf Petrus. Und Petrus sah das Unglaubliche des Schauspiels und schrie zu dem HerrnJesus Christus: "Wenn du diesen tun läßt, was er unternommen hat, so werden jetzt alle, die an dich gläubig geworden sind, angefochten werden, und es werden die Zeichen und Wunder, die du ihnen durch mich gegeben hast, unglaubwürdig sein. Erzeige, Herr, schnell deine Gnade und (bewirke), daß er von oben herabfällt, aber nicht sterbe, sondern unschädlich gemacht werde und den Schenkel an drei Stellen breche!" Und er fiel von oben herab und brach den Schenkel an drei Stellen, Da warfen sie St,eine auf ihn und gingen jeder nach Hause, schenkten-im übrigen alle dem Petrus ihr Vertrauen. Einer aber von den Freunden Simons, mit Namen Gemellus,.von dem Simon viel erhalten hatte - er hatte eine griechische Frau gehabt -, kam kurz darauf des Weges und sah ihn mit zerbrochenem Schenkel und sagte: (p. 84) .,Simon, wenn die 'Kraft Gottes' zerbrochen wird, wird dann nicht auch der Gott selbst, dessen Kraft du bist, sich als Blendwerk erweisen?" Es lief nun auch Gemellus davon und folgte dem Petrus und sagte zu ihm: "Auch ich wünsche, einer von den an Christus Glaubenden zu sein." Petrus aber sagte: "Was soll hier noch (irgendwelche) Mißgunst, mein Bruder? Komm und bleibe bei uns." Simon aber, (so) ins Unglück gekommen, fand einige, die ihn des Nachts auf einer Tragbahre von Rom nach Aricia brachten. Und dort blieb er und wurde zu einem Mann (mit Namen) Kastor gebracht, der aus Rom wegen seiner Zauberei nach Terracina verbannt worden war. Und dort wurde er operiert und (so) fand der Engel des Teufels " Simon, sein Lebensende. 1 3
Vgl. ClemenB Alex., Strom. II 11,52; Hippolyt, Ref. VI 17. • Vgl. Joh. 20, 17. Vgl. Mt. 23, 37; Joh. 8, 59; AG 14, 19. ' Vgl. 2. Kor. 12,7.
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XIII. ApostBlgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
33 (4) Petrus aber weilte in Rom und freute sich mit den Brüdern in dem Herrn und dankte Tag und Nacht für die Menge, die täglich zu dem heiligen Namen durch die Gnade des Herrn hinzugeführt wurden 1. Es kamen aber auch die vier Konkubinen des Praefekten Agrippa zu Petrus, Agrippina, Nikaria, Euphemia und Doris. Als diese die Predigt von der Keuschheit hörten und alle Worte des Herrn, wurden sie in ihrer Seele getroffen; sie verabredeten untereinander, keusch zu bleiben (und sich) vom Lager des Agrippa (fernzuhalten), wurden aber von diesem bedrängt. Agrippa war nun in Verlegenheit und war ungehalten über sie - denn er liebte sie sehr; darum ließ er sie beobachten und schickte (Leute, um festzustellen), wohin sie gingen und erfährt, daß sie zu Petrus (gingen). Als sie nun (wieder zurück) kamen, sagte er zu ihnen: "Jener Christ hat euch gelehrt, nicht mit mir zusammenzukommen; wisset, ich werde auch euch vernichten und jenen lebendig verbrennen." Diese nun nahmen es auf sich, alle übel von Agrippa zu ertragen, (sie wollten aber) sich nur nicht mehr von heftiger Leidenschaft hinreißen lassen, gestärkt durch die Kraft Jesu. 34 (5) (p.86) Eine Frau aber, die von besonderer Schönheit war, die Gattin des Albinus, eines Freundes des Kaisers, Xantippe mit Namen, kam zusammen mit den anderen Matronen zu Petrus und versagte sich dem Albinus. Jener nun, voller Wut und von Liebe zu Xantippe entbrannt, wunderte sich, daß sie nicht mehr mit ihm zusammen auf demselben Lager schlafen wolle, und er wurde wild wie ein Tier und wollte des Petrus habhaft werden; denn er erkannte, daß er (Petrus) schuld sei an der Trennung (der Frau) vom Bett. Aber auch viele andere Frauen wurden von der Predigt über die Keuschheit ergriffen und trennten sich von ihren Männern, und (manche) Männer trennten ihr Lager von dem der eigenen Frauen, weil sie rein und unberührt Gott dienen wollten. Es entstand nun in Rom ein gewaltiger Aufruhr und Albinus berichtete seine Erlebnisse dem Agrippa, indem er zu ihm sprach: "Entweder schaffe du mir Recht von Petrus, der meine Frau von mir getrennt hat. oder ich werde mir selber Recht schaffen." Und Agrippa erklärte, er habe dasselbe von ihm erlitten, da er die Konkubinen (von ihm) getrennt habe. Und Albinus sprach zu ihm: "Worauf wartest du noch, Agrippa? Wir wollen ihn fangen und als unnützen Menschen töten, damit wir unsere Frauen wiederbekommen und damit wir auch jenen Recht schaffen, die ihn nicht töten können, deren Frauen er auch abspenstig gemacht hat." 35 (6) Während sie so überlegten, chickte Xantippe, die die Beratung ihres Mannes mit Agrippa in Erfahrung gebracht hatte, und ließ dem Petrus sagen, er solle Rom verlassen. Und die übrigen Brüder forderten ihn gemeinsam mit Marcellus auf, wegzugehen. Petrus aber (p. 88) sagte zu ihnen: "Sollen wir entlaufen, Brüder?" Sie aber sagten zu ihm: "Nein, sondern da du noch dem Herrn dienen kannst, (sollst du weggehen)". Er ließ sich aber von den Brüdern überreden und verließ allein (die Stadt) und sagte dabei: "Keiner von euch soll mit mir hinweggehen, sondern ich will allein weggehen, nachdem ich mein Aussehen verändert habe". Als er aber zum Tore hinausging, sah er den Herrn nach Rom hineinkommen. Und er sah ihn und sprach: "Herr, wohin (gehst) du hier?" 2 Und der Herr sagte zu ihm: "Ich gehe nach Rom hinein, um gekreuzigt zu werden." Und Petrus sprach zu ihm: "Herr, wiederum wirst du gekreuzigt?" Er sagte zu ihm: "Ja, Petrus, wiederum werde ich gekreuzigt". Da kam Petrus zu sich und sah den Herrn in den Himmel
1
Vgl. AG 2,47.
• Vgl. Joh. 13,36.
2. Petrusakten
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fahren; er kehrte nach Rom zurück, freute sich und pries den Herrn, weil er selbst gesagt hatte: "Ich werde gekreuzigt." Das sollte an Petrus geschehen. 36 (7) Er ging nun wieder zu den Brüdern hinauf und erzählte ihnen, was ihm erschienen war. Sie aber trauerten in ihrer Seele, weinten und sagten: "Wir beschwören dich Petrus; denke an uns, die Jüngeren!" Und Petrus sagte zu ihnen: "Wenn es der Wille des Herrn ist, so geschieht es, auch wenn wir nicht wollen. Euch aber vermag der Herr im Glauben an ihn zu stärken, und er wird (euch) auf ihn gründen und in ihm ausbreiten, (euch), die er selbst gepflanzt hat, damit auch ihr andere durch ihn pflanzt. Ich aber widerstehe nicht, solange mich der Herr am Leben lassen will; und wiederum, wenn er mich hinwegnehmen will, jauchze ich und freue mich." Während Petrus so redete und (p. 90) die Brüder alle weinten, siehe, da ergriffen ihn vier Soldaten und führten ihn vor Agrippa. Und dieser befahl in seiner Krankheit, ihn wegen Gottlosigkeit zu kreuzigen. Es lief nun die ganze Menge der Brüder zusammen, Reiche und Arme, Waisen und Witwen, Niedrige und Mächtige; sie wollten Petrus sehen und ihn hinwegreißen. Das Volk aber schrie unbändig und einstimmig: "Was hat Petrus Unrechtes getan, Agrippa? Was hat er Böses getan? Sage es den Römern!" Und andere sagten: ,,(Es ist zu fürchten,) daß der Herr auch uns verderbe, wenn dieser stirbt." Und als Petrus an den Ort (der Hinrichtung) gekommen war, beruhigte er die Menge und sagte: "Ihr Männer, die ihr für Christus Kriegsdienst 1 leistet, ihr Männer, die ihr auf Christus hofft, gedenket der Zeichen und Wunder, die ihr durch mich (geschehen) gesehen habt; denket an Gottes Mitleid, wie viele Heilungen er euretwegen vollbracht hat. Erwartet ihn, der kommen wird und jedem nach seinen Taten vergilt 2. Und nun zürnet Agrippa nicht; denn er ist ein Diener der Kraft seines Vaters. Und dieses geschieht jedenfalls, da mir der Herr offenbart hat, was geschehen soll. Aber was zögere ich und gehe nicht an das Kreuz?" 37 (8) Als er aber hinzukam und bei dem Kreuze stand, begann er zu sprechen: ,,0 Name des Kreuzes, verborgenes Geheimnis; so unaussprechliche Gnade, (p. 92), die mit dem Namen des Kreuzes ausgesprochen ist; 0 Natur des Menschen, die von Gott nicht getrennt werden kann; 0 unsagbare und unzertrennbare Liebe, die von unreinen Lippen nicht bekannt werden kann; ich erfasse dich jetzt am Ende, da ich mich von hier löse. Ich will dich bekannt machen, wie du bist. Ich will das meiner Seele einst verschlossene und verborgene Geheimnis des Kreuzes nicht verschweigen. Das Kreuz sei euch, die ihr auf Christus hofft, nicht das, was sichtbar erscheint; denn etwas anderes als das Sichtbare ist dieses (Leiden) gemäß dem Leiden Christi. Und jetzt vor allem, da ihr, die ihr zu hören vermögt, (es hören) könnt von mir, der ich in der letzten Stunde und am Ende meines Lebens stehe, höret: von allem sinnlich Wahrnehmbaren haltet eure Seelen fern, von allem sichtbar Erscheinenden, das doch nicht wirklich ist. Verschließet diese eure Augen, verschließet diese eure Ohren, (haltet euch fern) von den Dingen, die sichtbar erscheinen! Und ihr werdet das, was Christus betrifft und das ganze Geheimnis eures Heils erkennen. Und dies sei euch, die ihr es hört, gesagt, als wäre es nicht gesagt. Die Stunde aber (ist da) für dich, Petrus, deinen Leib denen, die ihn nehmen wollen, hinzugeben. Nehmt ihr also hin, deren Beruf es ist. Ich fordere nun von euch, den Scharfrichtern, kreuzigt mich so, mit dem Kopf nach unten und nicht anders! Und warum, das werde ich den Hörenden sagen." 1
Vgl. 2. Tim. 2, 4.
2
Vgl. Mt. 16,27.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
38 (9) (p. 94) Als sie ihn nun in der .Art, wie er es gefordert hatte, aufgehängt hatten, begann er wieder zu reden: "Ihr Männer, die ihr zum Hören berufen seid, vernehmt, was ich gerade jetzt, während ich (am Kreuz) hänge, euch verkündigen werde! Erkennet das Geheimnis der ganzen Schöpfung und den Anfang aller Dinge, wie er war. Denn der erste Mensch, dessen.Art ich in (meiner) Gestalt trage, mit dem Kopf nach unten gestürzt, zeigte eine Entstehungsart, die ehemals nicht so war; denn sie war tot, da sie keine Bewegung hatte. Als er nun herabgezogen wurde, er, der auch seinen Ursprung auf die Erde warf, hat er das Ganze der .Anordnung festgestellt, aufgehängt nach .Art der Berufung, bei der er das Rechte als Linkes und das Linke als Rechtes gezeigt hat, und hat alle Zeichen der Natur geändert, (nämlich) das Nichtschöne als schön zu betrachten und das wirklich Schlechte als Gutes. Darüber sagt der Herr im Geheimnis: 'Wenn ihr nicht das Rechte macht wie das Linke und das Linke wie das Rechte und das Obere wie das Untere und das Hintere wie das Vordere, so werdet ihr das Reich (Gottes) nicht erkennen.' 1 Dieses (p. 96) Verständnis nun habe ich zu euch gebracht, und die .Art, in der ihr mich hängen seht, ist die Abbildung jenes Menschen, der zuerst zur Entstehung kam. Ihr nun, meine Geliebten, die ihr es jetzt hört und die ihr hören werdet, müßt ablassen von dem ersten Irrtum und wieder zurückkehren. Denn es sollte sich geziemen, an das Kreuz Christi zu kommen, der da ist einzig und allein das ausgebreitete Wort, von dem der Geist sagt: 'Denn was ist Christus anders als das Wort, der Schall Gottes?' 2 damit Wort sei dieses aufrechtstehende Holz, an dem ich gekreuzigt bin; der Schall aber ist der Querbalken, (nämlich die) Natur des Menschen; der Nagel aber, der an dem geraden Holz den Querbalken in der Mitte festhält, ist die Bekehrung und Buße des Menschen. 39 (10) Da du mir nun dieses kundgetan und offenbart hast, 0 Wort des Lebens, wie von mir jetzt das Holz genannt worden ist, so danke ich dir, nicht mit diesen Lippen, die angenagelt sind, auch nicht mit der Zunge, durch die Wahrheit und Lüge hervorgeht, auch nicht mit diesem Worte, das von der Kunst irdischer Natur hervorgebracht wird, sondern mit jener Stimme danke ich dir, 0 König, die durch Schweigen vernommen wird, die nicht im Offenbaren gehört wird, die nicht durch die Organe des Körpers hervorgeht, die nicht in fleischliche Ohren eingeht, die nicht vom vergänglichen Wesen gehört wird, die nicht in der Welt ist und auf der Erde ertönt, auch nicht in Büchern geschrieben wird, auch nicht dem einen gehört, dem anderen nicht, sondern mit dieser (Stimme), Jesus Christus, (p. 98) danke ich dir: Mit dem Schweigen der Stimme, der der Geist in mir, der dich liebt und mit dir spricht und dich sieht, begegnet. Du bist nur dem Geist erkennbar. Du bist mir Vater, du mir Mutter, du mir Bruder, du Freund, du Diener, du Haushalter. Du (bist) das All, und das All (ist) in dir; und du (bist) das Sein, und es gibt nichts anderes, was ist, außer dir allein. Zu ihm fliehet nun auch ihr, Brüder, und lernt, daß ihr euer Wesen in ihm habt, und ihr werdet dann das erlangen, von dem er zu euch sagt: 'Was weder ein Auge gesehen hat, noch ein Ohr gehört hat, noch in ein Menschenherz gekommen ist.' 3 Wir bitten nun um das, was du uns zu geben versprochen hast, unbefleckter Jesus; wir loben dich, wir danken dir und bekennen dich, indem wirnoch schwache Menschen - dich preisen. Denn du allein bist Gott und kein anderer, dem der Ruhm sei jetzt und in alle Ewigkeiten Amen." 1 3
Vgl. Bd. I, S.115. 2 Unbekanntes Zitat; vgl. Vouaux, S.449f. Vgl. 1. Kor. 2, 9; Thomasevgl. Logion 17; s. Bd. I, S. 217.
3. Paulusakten
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40 (11) Als aber die herumstehende Menge mit lautem Schall das Amen rief, da übergab zugleich mit diesem Amen Petrus dem Herrn den Geist. Als aber Marcellus sah, daß der selige Petrus seinen Geist aufgegeben hatte, nahm er, ohne jemanden um Rat zu fragen, was auch nicht angegangen wäre, ihn mit eigenen Händen (p. 100) vom Kreuze herab und badete ihn in Milch und Wein 1. Und er zerrieb sieben Pfund Mastix und weitere fünfzig Pfund Myrrhe und Aloe und Gewürz und salbte seinen Leichnam und füllte einen sehr teuren steinernen Trog mit attischem Honig und setzte ihn in seinem eigenen Grabmal bei 2. Petrus aber trat zu Marcellus bei Nacht und sagte: "Marcellus, hast du den Herrn sagen hören: 'Laßt die Toten von den eigenen Toten begraben werden'? 3" Als aber Marcellus (das) bejaht hatte, sagte Petrus zu ihm: "Das nun, was du an den Toten gewandt hast, hast du verloren. Denn du hast, obgleich du lebendig bist, wie ein Toter für einen Toten gesorgt." Marcellus aber, aus dem Schlaf erwacht, erzählte die Erscheinung des Petrus den Brüdern und war zusammen mit denen, die von Petrus im Glauben an Christus gestärkt worden waren, wodurch er auch selbst noch viel mehr Stärkung fand bis zur Wiederkunft des Paulus in Rom. 41 (12) Als aber Nero später erfuhr, daß Petrus aus dem Leben geschieden war, tadelte er den Praefekten Agrippa, daß er getötet worden sei, ohne daß seine Meinung eingeholt worden wäre. Denn er hatte gewünscht, ihn mit kräftiger Strafe und härter zu züchtigen. Petrus hatte nämlich auch einige von seinen Dienern zu Jüngern und ihm abspenstig gemacht. Darum war er sehr zornig und redete einige Zeit nicht mit Agrippa. Er suchte nämlich alle Brüder, die von Petrus zu Jüngern gemacht worden waren, (p. 102) zu vernichten. Und eines Nachts sieht er einen, der ihn schlägt und (zu ihm) sagt: "Nero, du kannst jetzt nicht die Diener Christi verfolgen oder verderben. Laß darum deine Hände von ihnen!" Und darum geriet Nero infolge eines solchen Gesichtes in große Furcht und ließ ab von den Jüngern in jener Zeit, in der auch Petrus aus dem Leben geschieden war. Und es waren im übrigen die Brüder einmütig beisammen, freuten sich und jauchzten in dem Herrn 4 und priesen den Gott und Heiland unseres Herrn J esu Christi mit dem Heiligen Geiste, dem die Ehre (sei) in alle Ewigkeiten. Amen.
3. PAULUSAKTEN*
(w. Schneemelcher) EINLEITUNG. -1. LITERATUR. Texte: Lipsius, Aa 1, S.235-272. 104-117; W. Wright, Apocryphal Acts of the Apostles, 1871, I, S. 128-169. II, S. 116-145 (syrisch und englisch); F. Nau, La version syriaque des martyres de S. Pierre, S. Paul et S. Luc, Revue de ]'Orient chretien III, 1898, S. 39-57; E.J. GDodspeed, The book of Thekla, The American Journal of Semitic Languages and Literatures XVII, 1901, S. 65f. (aethiopisch); O. von Vgl. Mk. 15, 42ff. Par. 2 vgl. zu ds. Stelle Cullmann, Petrus 2 , S. 176. Vgl. Mt. 8, 22. • Vgl. AG 2, 46. * Bei der Arbeit an den Paulusakten habe ich die freundliche Hilfe von M. Testuz und R. Kasser in besonderer Weise erfahren dürfen. Beiden genannten Herren sei auch an dieser Stelle herzlichst gedankt. Ab kürzungen: AP = Acta Pauli (Paulusakten); AThe = Acta Pauli et Theclae (Paulus- und Theklaakten); MP = Martyrium des Paulus; III Kor = Korrespondenz des Pau1
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
Gebhardt, Die lateinischen Übersetzungen der Acta Pauli et Theclae (TU NF VII, 2) 1902. - Carl Schmidt, Acta Pauli aus der Heidelberger koptischen Papyrushandschrift Nr.l hrsg., 1904 (2. erw. Aufl. 1905; abgekürzt: Schmidt, AP); L. Vouaux, Les Actes de Paul et ses lettres apocryphes, 1913. - Carl Schmidt, IIeageu; IIavAov, Acta Pauli nach dem Papyrus der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek unter Mitarbeit von W. Schubart hrsg., 1936 (abgekürzt: Schmidt, IIII). - Kleine Fragmente: W. E. Crum, Bulletin ofthe John Ryland's Library V, 1920, S. 497f.; H.A. Sanders, Harvard Theol. Review XXXI, 1938, S.70 bis 90; G.D. Kilpatrick u. C.H. Roberts, Journal of Theol. Studies XLVII, 1946, S.196 bis 199 (dazu: W. D. Mc Hardy, The Expository Times 58, 1947, S. 279); C.H. Roberts, The Antinoopolis Papyri I, 1950,. S.26-28. Übersetzungen: Deutsch von E. Rolffs, Apokr. 1, S. 357-383; Apokr. 2, S. 192-212; W. Michaelis, S. 268-317. - Französisch von Vouaux, S. 143ff. - Englisch von James, S. 270-299. Untersuchungen: .Ältere Literatur bei Lipsius, Apostelgeschichten II, 1; Literaturverzeichnis bis 1913 bei Vouaux, S. 135-140. - Rolffs, Handb. S. 358-395. - Grundlegend sind die Abhandlungen von C. Schmidt, AP und IIII. - K. Pink, Die pseudopaulinischen Briefe I, Biblica VI, 1925, S. 68-91; F. Loofs, Theophilus von Antiochien adv. Marcionem und die anderen theologischen Quellen bei Irenaeus (TU 46,2),1930, S. 148-157; F.J. Dölger, Der heidnische Glaube an die Kraft des Fürbittgebetes für die vorzeitig Gestorbenen nach den Theklaakten, Antike und Christentum 2, 1930, S. 13-16; W. Bauer, Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum, 1934, S. 45-48 u. ö.; A. Kurfess, Zu dem Hamburger Papyrus der IIeaget, IIavAov, ZNW 38,1939, S. 164-170; E. Peterson, Die Acta. Xanthippae et Polyxenae und die Paulusakten, Anal. Bollandiana 65,1947, S. 57-60; ders., Einige Bemerkungen zum Hamburger Papyrusfragment der Acta Pauli, VigiJiae Christ. 3, 1949, S. 142-162 (jetzt auch in: Frühkirche, Judentum und Gnosis, 1959, S. 183-208); P. Devos, Actes de Thomas et Actes de Paul, Anal. Boll. 69, 1951, S. 119-130 (gegen Peterson); R. Kasser, Acta Pauli 1959, Revue d'histoire et philos. rel. 40, 1960, S. 45-57. 2. BEZEUGUNG. Die AP sind in der Kirche früh und gut bezeugt. Tertullian schreibt in De baptismo 17 (Datierung unsicher, Quasten II, S. 280: ca. 198-200): "Wenn nun diejenigen, welche die fälschlich den Namen des Paulus tragenden Schriften lesen, das Beispiel der Thekla für die Erlaubnis der Frauen zu lehren und zu taufen verteidigen, so mägen sie wissen, daß der Presbyter in Asien, der diese Schrift hergestellt hat, als könne er dem Ansehen des Paulus von seinem etwas hinzutun, aus seinem Amt entfernt worden ist, nachdem er überführt war und gestanden hatte, daß er das aus Liebe zu Paulus getan habe" (CSEL XX, S. 215). Tertullian hat hier offensichtlich die Theklageschichte, die ja als Teil der AP erwiesen ist, vor Augen. Er hat sie aber wohl noch nicht als selbständiges, d.h. von den AP losgelöstes Werk gekannt. Denn auf die AThe allein würde die Aussage des Tertullian kaum passen (mit ihnen würde dem Ansehen des Paulus nur wenig hinzugetan !). Dagegen paßt die Aussage zu den AP im ganzen. Auch auf die Frage des Titels fällt dabei ein gewisses Licht. Im koptischen PHeid wird das Werk in der Subscriptio bezeichnet als "Die neaget, des Paulus (gemäß) dem Apostel" (Schmidt, AP, S. 50* und S. 90). Nun ist von dem ,,(ara) = (gemäß) nur ein Buchstabe erhalten, aber die Ergänzung wird richtig sein und erhellt dann die Aussage des Tertullian: Der Verf. der AP hat sein Werk nicht nur als ,Taten des Paulus' bezeichnet, sondern es wohl auch als apostolisches Pseudepigraphon in die Welt geschickt. Während Tertullian die AP aus theologischen Gründen (Ablehnung der Mitwirkung der Frauen in Lehre und Sakramentsverwaltung) verwirft, die Schrift aber nicht als häretisch bekämpft, benutzt sein Zeitgenosse Hippolyt das Werk offenbar ohne Bedenken. In lus mit den Korinthern; PH = Hamburger Papyrus; PB = Pap. Berlin 13893 und Pap. Michigan 1317; PO = Pap. Oxyrhynchos 1602 (= Pap. Gent 62); PM = Papyrus Michigan 3788; PA = Pap. Antinoopolis; PHeid = kopt. Papyrus Heidelberg; Ry = Fragment in der John Rylands Librery; PG = unpublizierter kopt. Papyrus der Ephesus-Episode. Nähere Angaben zu diesen Zeugen s. u. S. 224 f. Die Handschriften der AThe und des MP sind wie bei Lipsius abgekürzt, die des III Kor wie bei Testuz.
3. Paulusakten
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seinem Danielkommentar, verfaßt wohl ca. 204, schreibt er: "Wenn wir glauben, daß der auf den zum Tierkampf verurteilten Paulus gehetzte Löwe sich zu seinen Füßen legte und ihn beleckte, warum sollen wir nicht das, was mit Daniel geschehen ist, (auch) glauben?" (III 29; Sources Chret. 14, 1947, S. 254). Diese Stelle könnte sich auf AThe c. 28 und c. 33 beziehen, wird aber doch nur dann richtig verständlich, wenn Hippolyt auch die Szene des Tierkampfes des Paulus gelesen hat. Man darf also vermuten, daß Hippolyt die ganzen AP kannte und sie nicht ablehnte, auch wenn er die Quelle für seine Aussage nicht nennt. Dagegen erwähnt Origenes zweimal die AP. In seinem Werk De principiis zitiert er ein Wort aus den ,Acta Pauli' (so in der lat. Übersetzung des Rufin): "Dieser ist das Wort, ein lebendiges Wesen" (De princ. I 2, 3; Koetschau S. 30). Nun geht aus dem Zusammenhang eindeutig hervor, daß Origenes hier ein Werk unter dem Titel Acta Pauli (IIea!;Sls IIavAov) zitiert; denn er vergleicht die zitierte Aussage mit dem Prolog des Johannesevangeliums. Aber bisher ist das Zitat in keinem der bekannten Texte der AP aufgetaucht. C. Schmidt hat (IIII, S. 128) vermutet, daß der Verf. der AP dieses Wort ebenso wie die Quo-VBdis·Szene aus den APt entlehnt habe und zwar aus dem Kreuzgebet des Petrus (APt c. 38, vgl. o. S. 220; dazu Rolffs, Handb. S. 366f.). Aber das bleibt reine Vermutung. Dagegen können wir jetzt da,s andere Zitat bei Origenes aus den AP verifizieren. Im Johanneskommentar heißt es: "Wenn es jemandem beliebt, das anzunehmen, was in den, Taten des Paulus' aufgeschrieben ist, wo der Herr sagt: 'Ich bin im Begriff, von neuem gekreuzigt zu werden', der ... " (Joh. Komm. XX, 12; Preuschen S. 342). Das ist, wie PH S. 7, 39 zeigt, wörtliches Zitat aus den AP. Origenes hat also dieses Werk gekannt und auch wohl geschätzt, zumindest hat er es nicht als häretisch abgelehnt. Die Erwähnung des zum Volk sprechenden Löwen bei Commodian (Carmen apol.,v. 627f.) trägt nicht viel aus (vgl. dazu o. S. 178). Dagegen sehen wir nun bei Euseb, wie sich die Einstellung zu den AP verändert hat, ohne daß die Schrift aber schon gänzlich verworfen wäre. In der Erörterung der Schriften des Petrus und des Paulus stellt Euseb fest,daß die IIea!;ets (IIavAov) nicht zu den unbestrittenen Werken gehören (h. e. III 3, 5; Übers. s. Bd. I, S. 30). In der Zusammenfassung der Darlegung über den Kanon rechnet Euseb die AP zu den unechten Schriften und stellt sie auf eine Linie mit dem Hirten des Hermas, der Petrusapokalypse u. a. (h. e. III 25; Übers. s. Bd. I, S. 29). Auch hier ist deutlich, daß die AP zwar keine kanonische Dignität besitzen, daß sie aber von den häretischen Machwerken unterschieden werden. Dieselbe Einstellung scheint aus dem Verzeichnis des Codex CIaromontanus (4. Jb.; Übers. s. Bd. I, S. 21) hervorzugehen, wo dieAP zwischen dem Hermasbuch und der Petrusapokalypse stehen. Die Angabe der Stichen, d.h. des Umfangs, zeigt, daß die AP dem Verf. noch als Teil (als Anhang?) einer Bibelhandschrift vorlagen. Dagegen rechnet Hieronymus die "llSe{O()Ot Pauli et Theclae und die ganze Fabel des getauften Löwen" zu den apokryphen Schriften und zitiert dazu Tertullian (de vir. ill. 7). Da aber bei TertuIIian von einem getauften Löwen nicht die Rede ist, wird man annehmen dürfen, daß Hieronymus die AP gekannt hat und sie als apokryph verwirft. Die Folgezeit zeigt, daß sich die Kirche nach und nach zu demselben Urteil wie Hieronymus entschlossen hat, auch wenn noch im 14. Jb. Nikephoros KaIlistos in seiner Kirchengeschichte ein langes Referat über die ephesinische Episode der AP bringt (h.e. II 25; MPG 145, Sp. 822). Zeugnisse für die weitere Geschichte der AP in der Kirche bei Vouaux, S. 24-69; Schmidt, AP, S. 108-116 und an anderen Stellen dieses Werkes. Daß die AP dann durch ihre Rezeption bei den Manichäern in der Kirche völlig in Verruf gerieten, ist nicht überraschend (zu der Benutzung der AP durch die Manichäer vgl. Manich. Psalmbook II, ed. AIlberry, S. 143, 4ff.). So werden sie im Decretum Gelasianum (dort zweimal: 1. Alle Bücher, welche Leucius, der Schüler des Teufels gemacht hat; 2. Buch, das genannt wird Akten der Thekla und des Paulus), in der Stichometrie des Nikephorus und in dem Verzeichnis der 60 kanonischen Bücher als apokryph verworfen (vgl. die Texte in Bd. I, S.21-26). 3. ERHALTENER BESTAND. In den letzten 60 Jahren ist unsere Kenntnis der vielfach be-
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
zeugten, als ganzes aber verlorengegangenen AP ständig gewachsen. Vor allem der Fund des koptischen PHeid im Jahre 1894 hat das Wissen um dieses Apokryphon erheblich vermehrt, weil dadurch die Acta Pauli et Theclae, das Martyrium des Paulus und der apokryphe Briefwechsel der Korinther mit Paulus als Teile der alten AP erwiesen wurden. Seitdem sind manche andere Funde, vor allem der große Hamburger Papyrus (PH) dazugekommen. Wir müssen uns hier mit einer kurzen Aufzählung des Materials begnügen. Als Zeugen der ganzen AP, leider aber alle nur fragmentarisch erhalten, sind anzusehen: a) Der griechische Papyrus der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek (PH), 10 Blätter eines Papyrusbuches aus der Zeit um 300 (Beschreibung der Handschrift bei Schmidt-Schubart, IIII, S. 4--14). Diese Handschrift enthält einen großen Teil der Ephesusepisode (S. 1-5,) den korinthischen Aufenthalt des Paulus (S. 6-7), die Fahrt von Korinth nach Italien (S. 7-8) und einen Teil des MP (S. 9-11). Sie wird ergänzt durch verschiedene Fragmente: Papyrus Berlin 13893 und Papyrus Michigan 1317 gehören zusammen (PB) und bieten den Text, der in PH S. 8, 3-26. 30-36 erhalten ist und ein paar Zeilen mehr (Text und Kommentar bei H. A. Sanders, Harvard Theol. Rev. 31, 1938, S. 70-90). Papyrus Oxyrhynchos 1602 (= Pap. Gent 62), kein Papyrusblatt, sondern ein Blatt aus einem Pergamentkodex des 4./5. Jh. (PO), enthält den Text PH S. 8,17-26 (abgedruckt bei Sanders, a. a. 0.). Papyrus Michigan 3788 (PM) bietet den Text PH S. 8, 23-29, auf der Rückseite wahrscheinlich noch einen weiteren Teil der Pauluspredigt in Puteoli (vgl. u. S. 264f.; Text bei Kilpatrick und Roberts, JThSt XLVII, 1946, S. 196-199). b) Der koptischePapyrusNr. lin Heidelberg(PHeid) enthält umfangreiche Fragmente der ganzen AP (Beschreibung der wahrscheinlich im 6. Jh. geschriebenen Handschrift bei Schmidt, AP, S. 3-20). Das bisher noch nicht publizierte Fragment eines koptischen Pergaments des 4. Jh. in der John Rylands Library Suppl. 44 (Ry) bietet einige Zeilen aus dem Anfang der AP (vgl. Schmidt, IIII, S. 117f.). Zu dem ebenfalls bisher nicht publizierten koptischen Papyrus, der die Ephesusepisode vollständig enthält (PG), vgl. R. Kasser, u. S. 268 ff. Die drei frühzeitig aus den AP herausgelösten Teile haben je für sich eine besondere Überlieferung, die die oben genannten Zeugen der ganzen AP ergänzt, zugleich aber auch teilweise eine gegenseitige Kontrolle ermöglicht. c) Die Acta Pauli et Theclae sind von Lipsius (Aa 1, S. 235-269) auf Grund von 11 griechischen Handschriften sowie lateinischer, syrischer, slawischer und arabischer Versionen ediert (vgl. seine Einleitung Aa 1, S. XCIV-CVI). Dazu kommt noch ein kleines griechisches Fragment Oxyrh. Pap. Nr. 6 (Grenfell-Hunt I, S. 9f.) und ein anderes Fragment aus Antinoopolis (Roberts Nr. 13, S. 26-28). Wichtig sind die lateinischen Übersetzungen, von denen es nach O. von Gebhardt (TU NF 7, 2,1902) mindestens vier voneinander unabhängige gegeben hat. Weiteres zur Überlieferung bei Vouaux S. 12-19. - Das Verhältnis der Zeugen zueinander und der Wert der einzelnen Versionen bedarf wohl einer erneuten Untersuchung. Der Text von Lispius ist vielfach verbesserungsbedürftig. Dabei kommt der koptischen Fassung (s. o. unter b) sicher eine besondere, wenn auch nicht allein maßgebliche Bedeutung zu. d) Der Briefwechsel zwischen den Korinthern und Paulus (III Kor) ist durch den PHeid als Teil der AP erwiesen. Schon vor der Entdeckung des Heidelberger Papyrus war er durch seine Zugehörigkeit zur armenischen Bibel und durch den Kommentar Ephraems bekannt. Außerdem sind bis jetzt fünf, zum Teil allerdings sehr fragmentarische lateinische Handschriften aufgetaucht, in denen er enthalten ist: Cod. Ambros. E 53 info saec. X (M); Cod. Laon 45 saec. XIII (L); Cod. Paris. lat. 5288 saec. X/XI (P); Cod. Zürich Car. C 14 saec. X (Z); Cod. Berlin Ham. 84 saec. XIII (B). Schließlich ist vor wenigen Jahren in Papyrus Bodmer X (3. Jh.) erstmalig ein Zeuge für den griechischen Text von III Kor an das Tageslicht getreten.
3. Paulusakten
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Die Texte in den verschiedenen Zeugen differieren sehr, so daß eine Textkonstitution äußerst schwierig, wenn auch nicht unmöglich ist. Nähere Angaben bei Testuz, Papyrus Bodmer X-XII, 1959. e) Das Martyrium Pauli hat Lipsius nach zwei griechischen Handschriften (Ood. Patmiacus 48,9. Jh. = P; Ood. Athous Vatoped. 79, 10./11. Jh. = A), sowie einer koptischen, einer slawischen und einer äthiopischen Version ediert. Beigefügt ist die fragmentarisch erhaltene lateinische Fassung nach drei Münchener Handschriften (Lipsius, Aa 1, S. 104-117; vgl. S. LII-LVII). Dazu kommen dann noch eine syrische Version, die Lipsius noch nicht berücksichtigt hat, und vor allem PH S. 9-11. Der Text von Lipsius muß an vielen Stellen a.uf Grund von PH und PHeid verbessert werden. 4. REKONSTRUKTION UND KOMPOSITION; VERHÄLTNIS ZUR LUKANISCHEN .A:l'OSTELGESCfiCRTE.
1. Von Damaskus nach Jerusalem. - Der Anfang der AP ist nicht erhalten. C. Schmidt hat aber aus einigen Fragmenten die erste Episode erschlossen. Ein kleines koptisches Fragment (Ry) enthält einige Zeilen einer Erzählung aus dem Leben des Paulus. Offenbar war vorher von der Ohristuserscheinung vor Damaskus berichtet worden. In dem erhaltenen Text wird dem Paulus der Befehl erteilt, nach Damaskus und von dort nach Jerusalem zu gehen, Paulus kommt nach Damaskus in die dort versammelte (und fastende! 1) Gemeinde. Er scheint dann eine Predigt vor den Juden gehalten zu haben 2. Vermutlich ist dann im Anschluß an AG 9,26 berichtet worden, daß Paulus von Damaskus nach Jerusalem gezogen ist. Nun spricht Paulus in einem späteren Abschnitt der AP selbst über seinen Weg vom Ohristenverfolger zum Ohristusprediger (vgl. u. S. 269). In dieser Ansprache in Ephesus berichtet er davon, daß er in die Gemeinde von Damaskus gekommen sei (Judas, der Bruder des Herrn spielt dabei eine Rolle), daß er dort im christlichen Glauben unterrichtet sei und dann selbst für würdig befunden worden wäre, das Evangelium zu predigen. Die Technik der Verf. der AGG läßt es als möglich erscheinen, daß dieser kurze indirekte Bericht sich auf eine vorhergehende längere Erzählung bezieht (vgl. z. B. diE' Eubula-Geschichte in den APt; dazu o. S. 185). Man wird also annehmen dürfen, daß tatsächlich im Zusammenhang des Aufenthalts des Paulus in Damaskus auch eine Predigt wiedergE'geben worden ist. Paulus erzählt in Ephesus weiter, daß er von Damaskus wegging - Gründe werden nicht genannt, aber der Aufbruch erfolgt nachts, vgl. AG 9, 25 - und in Richtung Jericho marschierte. Er hat sich also wohl der Anordnung des Herrn entsprechend (vgl. Ry) auf den Weg nach Jerusalem gemacht. Auf diesem Weg spielt sich nach der späteren Rede des Apostels die Taufe des Löwen ab (s. u. S. 269), die vermutlich ebenfalls an dieser Stelle ausführlich erzählt sein wird. Für Jerusalem haben wir keine weiteren Nachrichten. O. Schmidt hat aber 2 Blätter des PHeid als Teil dieser Episode angesehen. Es handelt sich um die Seiten 60/59 und 61/62, die allerdings so stark zerstört sind, daß man kaum mehr als eine Vermutung über ihre Stellung im Ganzen der AP aussprechen kann. Wenn auf S. 61 gesagt wird: "Du befindest dich im Angesicht von Jerusalem", so ist das kein sicheres Indiz dafür, daß die Szene in Jerusalem spielt. Die Erwähnung des Petrus auf S. 59 besagt auch nicht viel, vor allem da man nicht weiß, wer S. 59 Zeile 8 ff eigentlich redet. Man kann also keineswegs so sicher über diese Seiten urteilen, wie es O. Schmidt (I/TI, S. 118) getan hat. Es bleibt aber trotzdem wahrscheinlich, daß dem Aufenthalt des Paulus in Jerusalem ein gewisser Raum in den AP eingeräumt war. 2. Paulus in Antiochien. - Durch PHeid S. 1-6 haben wir Reste der Schilderung der 1 Das Fasten ist dem Verf. offensichtlich besonders wichtig, jedenfalls begegnet es dauernd in den AP. 2 Die Aussage in den Titusakten c. 3 (HaIkin S. 245), daß Paulus "das Wort Ohristi zuerst in Damaskus verkündete", braucht nicht auf die AP zurückzugehen, auch wenn der folgende Satz daher stammt. Zu den Titusakten vgl. u. S. 226.
15 Henneeka, Apokryphen Bd. 2
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Tätigkeit des Paulus in Antiochien erhalten. Allerdings sind auch diese Seiten so lückenhaft, daß man nur ungefähr den Gang der Handlung rekonstruieren kann. Vor allem ist nicht klar, wie der Weg des Paulus von Jerusalem nach Antiochien in den AP geschildert worden ist. Es geht auch nicht aus den erhaltenen Fragmenten hervor, ob der Verf. der AP sich an die Reiseroute der AG gehalten hat 1 . Weiter ist unklar, welches Antiochien in PHeid S. 1-6 eigentlich gemeint ist, das syrische oder das pisidische. Da auf S. 6 von der Flucht des Paulus von Antiochien nach Ikonium die Rede ist, hat man angenommen, es handle sich um das pisidische Antiochien (vgl. die Angaben bei C. Schmidt, IlIl, S. 115ff.). Andererseits aber wird in AThe c. 26 berichtet, daß Paulus mit Thekla nach Antiochien kommt und Thekla dort von einem Mann, Alexander, auf offener Straße umarmt wird (s. u. S.248). Dieser Alexander wird nun im größeren Teil der griechischen Handschriften als Syrer gekennzeichnet' während eine Handschrift, der Tischendorf und Lipsius gefolgt sind, ihn als av(!uigXnr; charakterisiert. Selbst wenn diese Lesart richtig wäre 2, was aber kaum der Fall sein dürfte, wird man nicht vermuten dürfen, daß hier das syrische Antiochien gemeint sein soll, vielmehr das pisidische annehmen müssen. Nun hat C. Schmidt immer wieder betont, daß "die AP, soweit das Erhaltene urteilen läßt, den Paulus an ein und demselben Orte niemals zweimal auftreten lassen" (IlIl, S. 118). Aber dagegen muß zu bedenken gegeben werden, daß unser Material zu bruchstückhaft ist, um eine so weitreichende Behauptung aufstellen zu können; beweisen läßt sie sich ohnehin vorläufig nicht 3. Dazu kommen noch zwei Gesichtspunkte, die hier zu berücksichtigen sind: a) In den griechischen Titusakten 4 sind ohne Zweifel die AP benutzt. Nun heißt es dort in c. 4 (Halkin S. 246): "Als sie aber Antiochien erreichten, fanden sie Barnabas, den Sohn des Panchares, den Paulus auferweckt hatte ... Danach zogen sie nach Seleucia und Cypern, Salamis und Paphos, und von dort nach Perge in Pamphylien und wiederum nach Antiochien in Pisidien und nach Ikonium in das Haus des Onesiphorus, dem Titus das, was Paulus betraf, vorher erzählt hatte." Ein Teil dieser Angaben geht wohl auf die AG zurück. Aber über die AG hinaus führt der Name Panchares, der Vater des Barnabas. Dieser Name und die erwähnte Totenerweckung erscheinen PHeid S. 1-6, ohne daß dort allerdings der Sohn mit dem Namen Barnabas benannt wird 6. Damit ist doch wohl klar, daß der Verfasser der Titusakten aus den AP geschöpft hat. Auch der Onesiphorus in Ikonium und die Rolle des Titus stammen aus den AP (vgl. AThe c. 2) 6. Nun heißt es in den Titusakten, daß Paulus wiederum (:n:dÄtv) nach Antiochien in Pisidien gezogen sei. Das läßt sich doch nur so verstehen, daß der Verfasser der Titusakten annahm, die Auferweckung des Barnabas hahe im pisidischen Antiochien stattgefunden und Paulus sei dann, nach seiner Tätigkeit aufCypern, über Perge dorthin zurückgekehrt und von dort nach Ikonium gekommen. Es bleibt aber ungeklärt, ob sich der Verf. der Titusakten bei dieser Interpretation des Antiochien in der Pancharesepisode als des pisidischen wirklich auf die AP berufen konnte oder ob er genau so geraten hat wie die modernen Gelehrten. 1 AG 9,30: Jerusalem- Tarsos; 11, 25f. Tarsus-syrisches Antiochien; 11, 27ff.: Reise des Paulus mit Barnabas nach J erusalem; 12, 24 f. Rückkehr; 13: Antiochien -Seleukia-CypernPerge. pisidisches Antiochien· Ikonium. 2 Vgl. die Varianten dieser Stelle bei Lipsius, Aa 1, S. 253 und bei Gebhardt, Die lateinischen Übersetzungen, S. XCVIII. 3 Michaelis bezweifelt ebenfalls die These von Schmidt, aber aus Gründen, die nicht überzeugend sind, vgl. u. S.237. 4 Hrsg. von M.R. James, JThSt VI, 1905, S. 549-556; vgl. dazu Schmidt, IIII, S. 113ff. Die Ausgabe von James ist überholt durch F. Halkin, La legende cretoise de saint Tite, Anal. Boll. 79, 1961, S. 241-256; ich zitiere hier nach Halkin. 6 Der Name Panchares wird im Koptischen mit Anchares wiedergegeben, d. h. der koptische Übersetzer hat das P am Anfang als Artikel angesehen; vgl. Schmidt, IlII, S. 115. 6 nl uara rov Il avÄov, in den Titusakten ist wohl eine Zusammenfassung von :n:0'z:a:n:6r; eartv rfj elMq. 6 IIavÄor; in AThe.
3. Paulusakten
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b) Es muß nun weiter beachtet werden, daß man dem Verf. der AP wohl einen etwas zu hohen geistigen Rang zuerkennt, wenn man von ihm verlangt, daß er alle Einzelheiten seines Werkes konsequent ausgefeilt und miteinander abgestimmt und dabei dann auch noch mög" lichst engen Anschluß an die AG gesucht haben soll. Vielmehr ist der Verf. dieses apokryphen Werkes in starkem Maß Kompilator. Er hat umlaufende Legenden schriftlich fixiert und in eine größere Komposition eingefügt, manchen Abschnitt wohl auch selbst erfunden. Dabei sind dann Unklarheiten, Sprünge und Widersprüche stehengeblieben. Weiter ist zu betonen, daß weder das geographische noch das historische Interesse die Darstellung der AP bestimmt haben. Die Absicht des Verf. dieses Werkes ist Erbauung und Unterhaltung der Gemeinde, vielleicht noch die Propagierung eines bestimmten Paulusbildes. Daher kann man vermuten, daß er auch nicht besonderes Gewicht auf die Unterscheidung der beiden Antiochien gelegt hat. Natürlich hat er eine bestimmte Reiseroute des Apostels vor Augen und diese auch darzustellen versucht. Und ebenso mag in gewisser Weise das Vorbild der AG auf ihn und sein Werk gewirkt haben. Aber wie stark dieses Vorbild gewesen ist und ob es die Reiseroute bestimmt hat, wissen wir nicht. Das Material ist zu bruchstückhaft, um sicher entscheiden zu können, ob Paulus wirklich nur einmal an jedem Ort aufgetreten ist (problematisch ist das für Korinth, s. u. S. 236). So läßt sich also die Frage, welches Antiochien denn nun hier gemeint sei, nicht genau beantworten. Die Titusakten sprechen für das pisidische Antiochien als den Schauplatz aller EreignisseI. Dagegen spricht, daß in PHeid nur 8 Seiten Text vorangegangen sein können, wenn die Rekonstruktion von Schmidt richtig ist. Auf diesen 8 Seiten müßten dann die Ereignisse in Damaskus, Jerusalem und Antiochien (Syrien) untergebracht gewesen sein, was nur schwer möglich ist. Aber wie dem auch sei: selbst wenn die Pancharesepisode im pisidischen Antiochien spielen sollte, so ist damit nicht gesagt, daß in den AP vom syrischen Antiochien überhaupt nicht die Rede gewesen ist. Vor allem können wir nicht mit Sicherheit behaupten, daß PHeid den vollständigen Text der AP enthalten habe. Es spricht zwar sehr viel dafür, aber beweisen können wir es nicht 2. Es wäre durchaus möglich, daß die Lücke vor der Pancharesepisode (im pisidischen Antiochien?) größer war als man auf Grund der koptischen Handschrift annimmt. Aber auch das bleibt Vermutung. Aus den fragmentarisch erhaltenen Seiten PHeid 1-6 läßt sich wenigstens in Umrissen erschließen, was Paulus in Antiochien getan hat (s. u. S. 242f.). 3. Taten des Paulus und der Thekla (Ikonium, Antiochien, Myra, Ikonium, Seleukia). - Die nächste Episode ist dadurch, daß sie als selbständiges Stück überliefert ist (s. o. S. 224) besonders gut bekannt. Sie schließt in PHeid direkt an die Ereignisse in Antiochien an, ist also durch diese Handschrift als Teil der AP gesichert. Auch der Aufenthalt des Paulus in Myra und die Begegnung der Thekla mit ihm dort (AThe c. 40) verbinden die AThe mit den AP. Da der Inhalt des Stückes durch eine breite Textüberlieferung gesichert ist, bietet die Rekonstruktion keine Probleme. Auch die Komposition der Erzählung ist klar: Paulus kommt nach Ikonium, predigt dort (die Predigt wird in der Form von Seligpreisungen zusammengefaßt, c. 5f.) und bekehrt durch diese seine Predigt die Thekla. Die Folgen entsprechen dem auch in anderen A GG begegnenden Schema: der durch die Enthaltsamkeit der Frau um sie betrogene Ehemann - hier ist es der Verlobte - hetzt die Bevölkerung oder die Behörden gegen den Apostel auf. Hier nun wird Paulus verhaftet. Thekla besucht ihn nachts, was aber entdeckt wird, und wird daraufhin, nachdem Paulus aus der Stadt vertrieben ist, zum Feuertod verurteilt. Wasser und Hagel verhindern aber die Hinrichtung, und Thekla, die wieder freigekommen ist, kann dem Paulus, der sich inzwischen mit Onesiphorus und 1 Kasser, a. a. 0., S. 48f. nimmt an, daß zuerst vom pisidischen und dann vom syrischen Antiochien die Rede ist. 2 Es sei nur daran erinnert, daß zwischen PH S. 5 und S. 6 offensichtlich eine ganze Episode ausgelassen ist, vgl. u. S. 234. PH trägt aber in der Unterschrift die Bezeichnung IIe6.!;8t~ IIavAov, will also doch wohl kein Auszug sein.
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dessen Familie in einem Grabgewölbe an der Straße nach Daphne aufhält, nachgehen. Trotz starker Bedenken nimmt Paulus die Thekla mit nach Antiochien (welches?), wo dann auch gleich neues Unglück über sie kommt. Ein Syrer Alexander (vgl. dazu o. S. 226) verliebt sich in Thekla, wird aber natürlich abgewiesen und rächt sich dadurch, daß er sie durch den Statthalter zum Tierkampf verurteilen läßt. Eine Frau, namens Tryphäna, die später als Königin und Verwandte des Kaisers bezeichnet wird, nimmt sie in ihre Obhut. Diese Tryphäna hat ihre Tochter Falconilla verloren und bittet die Thekla um Fürbitte für die Verstorbene. Es kommt nun zum Tierkampf, in dessen Verlauf Thekla sich selbst tauft. Als viele Tiere auf sie losgelassen werden, stürzt sie sich in eine große Grube voll Wasser. Die darin befindlichen Robben werden wie von einem Blitz getötet. Da auch die anderen Tiere der Thekla nichts tun, Tryphäna aber in Ohnmacht fällt und man ihren Tod befürchtet, wird Thekla freigelassen. Es ist für die ganzen AP charakteristisch, daß die ausführliche Darstellung des Tierkampfes, der infolge der Hilfe einer Löwin und einiger wunderbarer Ereignisse nicht zum Tode der Thekla führt, mit der Bekehrung der Tryphäna und eines Teiles ihrer Dienerschaft abschließt: "Jetzt glaube ich, daß die Toten erwachen! Jetzt glaube ich, daß mein Kind lebt!" (c. 39). Die Wunder sind hier wie immer der Beweis für die Wahrheit der christlichen Verkündigung. Nachdem Thekla sich acht Tage lang im Hause der Tryphäna ausgeruht und dort das Wort Gottes verkündet hat, sehnt sie sich nach Paulus. Sie erfährt, daß er in Myra sei und reist ihm nach. Nach kurzem Zusammensein geht sie zurück nach Ikonium mit dem Auftrag, das Wort Gottes zu lehren, findet ihren Verlobten nicht mehr am Leben, versucht ihre Mutter zu bekehren (von einem Erfolg wird nichts berichtet) und begibt sich dann nach Seleukia. Dort erleuchtet sie viele durch das Wort Gottes und entschläft eines sanften Tades ' . Diese kurze Inhaltsangabe zeigt, daß es sich um eine geschlossene Komposition handelt. Es bleiben aber einige Fragen, die im Blick auf die Gesamtkomposition der AP wichtig sind. In dem ganzen Abschnitt steht nicht so sehr Paulus als vielmehr Thekla im Vordergrund. Gewiß wird auch von Paulus berichtet: seine Predigt in Ikonium, seine Verantwortung vor dem Statthalter, seine Begegnungen mit Thekla außerhalb von Ikonium und in Myra. Aber das ändert nichts daran, daß es sich hier mehr um 'Theklaakten' als um 'Paulusakten' handelt. So fällt auf, daß Paulus, der doch der eigentliche Schuldige ist, nach c. 21 aus Ikonium herausgeworfen wird, Thekla aber den Feuertod erleiden soll. Der Apostel wird zwar c. 26 von Alexander gebeten, ihm zu helfen, Thekla zu gewinnen, verschwindet aber aus der weiteren Erzählung. Als Thekla den Tierkampf glücklich überstanden hat, muß sie Paulus erst suchen; er scheint also, ohne Nachricht zu hinterlassen, von Antiochien nach Myra gezogen zu sein. All das deutet doch darauf hin, daß der Verf. der AP hier selbständige Theklatraditionen in sein Werk aufgenommen und verarbeitet hat'. Es wird schwer sein, diese Traditionen, die wohl mit der Verehrung der Thekla in Seleukia (bzw. Ikonium) zusammenhängen, herauszuarbeiten, da die sprachliche Gestaltung des heute vorliegenden Textes das Werk des Verf. der AP ist 3. Das heißt doch, daß der Verf. den ihm überkommenen Traditionsstoff selbständig gestaltet hat. Ob dazu auch die auffallende doppelte Erzählung von Theklas Errettung in Ikonium und Antiochien gehört oder ob hier zwei verschiedene, unter Umständen konkurrierende Traditionen verwertet sind, ist kaum zu entscheiden. Immerhin kann man die allgemeine Beobachtung hier anwenden, daß die Verf. der AGG Wiederholungen von ihnen besonders wertvollen Motiven und Szenen lieben - auch hierin ein getreues Spiegelbild volkstümlicher Überlieferung. Damit ist nun aber meines Erach1 In späteren Legenden ist dieser Schluß stark verändert bzw. ausgebaut; vgl. z.B. Lipsius, Aa 1, S. 27lf.; weiteres in Bibliotheca hagiographica graeca 3, II, S. 267f. 2 Kasser, a. a. 0., S. 57 stellt die Hypothese zur Diskussion, ob nicht solche Teile wie die AThe ursprünglich selbständig publiziert und erst später mit anderen Stücken zu den AP zusammengefügt worden seien. Das ist aber unwahrscheinlich, vgl. dazu u. S. 239. 3 Vgl. die Nachweise von Schubart, IIII, S. 120ff.
3. Paulusakten
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tens auch eine weitere Frage, die in früheren Zeiten eifrig debattiert worden ist, geklärt, nämlich das Problem der historischen Reminiszenzen in der Theklalegende. Vor allem M. Ramsay (The Church in the Roman Empire, 1893, S. 375ff.) hat eine Urgestalt der AP (verfaßt ca. 50--70, also bald nach der Wirksamkeit des Paulus) herausarbeiten wollen, die einen historisch zuverlässigen Kern enthielt. Die Straßenkenntnisse des Verf. und die 'Königin' Tryphäna spielen dabei eine wesentliche Rolle. Die These von einer Urgestalt der AP wird heute wohl von niemandem mehr vertreten (vgl. schon Harnack, Lit. gesch. II 1, S.503ff. und Rolffs, Apokr. 2, S. 194). Auch die von Rolffs zitierte Homilie des Ps. Chrysostomus (Übers. in Handb., S. 376f.) spricht kaum dafür, daß hier eine ältere Überlieferung als die in den AThe schriftlich fixierte Legende vorliegt!. Die Lokal- und Straßenkenntnisse des Verf. sind olmehin - trotz Ramsay - nicht über jeden Zweifel erhaben; außerdem besagen sie nichts, da man solche Kenntnisse sich auch später leicht erwerben konnte. Und die 'Königin' Tryphäna, die es ja wirklich gegeben hat (vgl. Rolffs, Handb., S. 377f.; dort auch ein Stammbaum), beweist auch nichts. Sie mag schon früh in der Lokallegende mit der 'Protomärtyrerin und Apostelgleichen' Thekla zusammengebracht worden sein. Daß schließlich die Personalbeschreibung des Paulus in c. 3 keinen Anspruch auf historische Zuverlässigkeit erheben kann, braucht kaum gesagt zu werden. "Es handelt sich eher um das typische, allerdings der Hoheit des Apostels angepaßte Bild eines Juden" (Michaelis, S. 313). So wird man auch heute noch Harnacks Urteil weithin zustimmen können: "Die Annahme genügt durchweg, daß der Verfasser nicht Alles frei erfunden hat, vielmehr auf einer mündlichen Überlieferung fußt, die sich ein Jahrhundert hindurch fortgesponnen und auch einige kleine Züge bewahrt hat. Wie weit die wirklichen Begebenheiten, wie weit die sagenhaften Überlieferungen, die der Verfasser vorfand, wie weit endlich seine eigenen Zuthaten reichen, das zu entscheiden fehlen uns alle Mittel" (Lit.. gesch. II 1, S. 505). Vielleicht sollte man bezüglich der wirklichen Begebenheiten noch skeptischer sein. Daß die Legendenbildung in ganz entscheidender Weise durch den Lokalkult der hlg. Thekla, der sich ja sehr schnell von Seleukia aus in Ost und West verbreitet hat, beeinflußt ist, scheint mir festzustehen". 4. Paulus in Myra. - Schon in c. 40 der AThe war berichtet, daß Paulus sich in Myra (an der Südküste von Lykien) befand. Nun schließt sich in PHeid auf S. 28 direkt an den Schluß der AThe ein neuer Abschnitt an, dessen Überschrift Schmidt (AP, S. 52) rekonstruiert hat: ,,(Als er herausgegangen war aus) Antiochia (und er lehrte in My)rrha". Diese Ergänzung der erhaltenen 7 Buchstaben mag richtig sein. Jedenfalls spielt die folgende Szene in Myra. Leider hat der koptische Papyrus manche Lücken, vor allem fehlt mindestens ein Blatt des Textes (vgl. Schmidt, AP, S. 9). Trotzdem ist der Gedankengang klar zu erkennen. Paulus heilt während seiner Tätigkeit in Myra einen WasserBüchtigen mit Namen Hermokrates. Der Sohn dieses Mannes, Hermippus, ist wenig erfreut von dieser Heilung, weil er schon mit der Erbschaft gerechnet hatte, während ein anderer Sohn, Dion, den Paulus "gern hört". Leider ist der folgende Text nicht sehr klar. Dion scheint durch einen Sturz ums Leben gekommen zu sein. Der Vater klagt zwar zunächst, vergißt aber über der Predigt des Paulus sein Leid, während die Mutter mit zerrissenen Kleidern, also als Trauernde zu Paulus kommt, der nun Jünglinge schickt, um den toten Dion holen zu lassen - doch wohl in der Absicht, ihn wieder zum Leben zu erwecken. Leider bricht der Text hier ab; es fehlt ein Blatt, auf dem wohl von der Auferweckung des Dion die Rede war. Weiter wird 1 Kasser, a.a.O., S.49 Anm. 44 vermutet, daß der Schluß der Erzählung bei PseudoChrysostomus die ursprüngliche Fassung der Legende widerspiegelt. Aber das ist natürlich kaum zu beweisen. • Über den Theklakult ist hier nicht zu handeln. Vgl. schon Peregrinatio Aetheriae 22f. (CSEL 39, S. 69f.); BibI. hagiogr. graec. 3 , II, S.267-269 (verzeichnet alle in Betracht kommenden Texte). Weitere Literatur: Leclerq, Dict. d'ArcMol. et Lit. chret. XV 2, Sp. 2225ff.; Rolffs, Handb., S. 370ff.; C. Holzhey, Lexikon für Theol. und Kirche X, 1938,28 bis 30 (Literatur).
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
von den Vorbereitungen des Hermippus für die Rache an Paulus berichtet worden sein. Jedenfalls setzt S. 31 mit einem Traumgesicht des Paulus ein, in dem er vor großer Gefahr gewarnt wird. Hermippus kommt mit einer Schar mit Schwert und Stöcken auf Paulus zu, der sich diesem Angriff so stellt wie Christus im Garten Gethsemane. .Als Hermippus zum Angriff auf Paulus übergeht, erblindet er und bereut nun nicht nur seine Feindschaft gegen Paulus, sondern erkennt auch die Nichtigkeit von Hab und Gut dieser Welt. Paulus ist über die Erhörung seines Gebets und die Erniedrigung des stolzen Hermippus erschüttert, scheint aber nicht die Absicht zu haben, dem Blinden zu helfen. Wenn zwischen S. 32 und 33 kein Blatt fehlt, so ist der Fortgang so zu denken, daß Paulus in das Haus des Hermokrates geht, die Jünglinge aber den Hermippus ihm vor die Haustür legen. Das ist aber kein sehr sinnvoller Zusammenhang, da nach dem vorhergehenden Text die Aktion der Jünglinge eigentlich überflüssig ist. Es scheint näherzuliegen, eine längere Lücke, wohl ein ganzes Blatt, anzunehmen. Auf dem folgenden Blatt wird berichtet, wie Hermippus vor der Tür liegt und andererseits seine Eltern zunächst Geld und Getreide verteilen, dann aber bestürzt sind über ihren blinden Sohn. Sie· beten zusammen mit Paulus und Hermippus wird wieder sehend. Er berichtet, daß Paulus ihm die Hand aufgelegt habe, was aber nach der Erzählung gar nicht möglich gewesen sein kann; der Herr selbst hat ihn in der Gestalt des Paulus geheilt. Der Schluß der Geschichte ist nicht mehr zu rekonstruieren, da nicht nur auf den erhaltenen Blättern Lücken sind, sondern auch zwischen S. 34 und 35 wahrscheinlich ein Blatt fehlt. Man kann also wenigstens in Umrissen ein großes Stück dieser Station des Weges des Paulus nachzeichnen. Ob sich allerdings der Verf. der AP mit einer Totenerweckung und einer Blindenheilung begnügt hat oder ob nicht auch eine längere Pauluspredigt hier gestanden hat, läßt sich nicht sagen. Unser vorliegendes Material reicht nur dazu aus, mancherlei für die AP und die übrigen AGG typischen Motive und Szenen festzustellen. Dabei fehlt allerdings diesem Abschnitt ein ausführlicher Bezug auf die sonst so sehr betonte Enthaltsamkeit; man könnte höchstens die Absage des Hermippus an die Güter dieser Welt oder die Verteilung von Geld und Getreide an die Witwen durch die Eltern in diesem Zusammenhang nennen. Aber das, was in den anderen Teilen der AP eine so große Rolle spielt, nämlich die geschlechtliche Enthaltsamkeit, fehlt in den erhaltenen Stücken dieser Episode. Das könnte in den verlorenen Teilen irgendwie zur Geltung gekommen sein. Man kann aber auch annehmen, daß der Verf. in diesem Fall die andere Seite der Predigt des Paulus, die Auferstehung, an einem Beispiel aufzeigen wollte. Aber auch das wird keineswegs deutlich gesagt. Nun, wie dem auch sei: diese Überlegungen leiten doch zu dem Schluß, daß der Verf. auch hier eine ihm überkommene Tradition in seine Komposition hineingearbeitet hat. Dabei ist der Vergleich mit der AG interessant. Nach AG 27, 5f., hat Paulus in Myra auf der Fahrt nach Rom nur das Schiff gewechselt. In den AP wirkte er dort als Missionar, wie immer nicht nur durch das Wort, sondern auch durch die Tat. Man darf vermuten, daß irgendwelche Lokallegenden dem Verf. Anregung und Vorbild für diesen Abschnitt gewesen sind. 5. Paulus in Sidon. -An die Tätigkeit des Paulus inMyra schließt sich in PHeid S. 35 bis 39 nach der Rekonstruktion von C. Schmidt der leider sehr fragmentarische Bericht über den Aufenthalt in Sidon. Allerdings ist diese Rekonstruktion nur zum Teil sicher. Zunächst ist es wohl richtig, daß Sidon aufMyra folgt, auch wenn das Lemma auf S. 35 nicht vollständig erhalten ist: "Als er herausgegangen war aus Myra und (er) hinauf(gehen wollte nach Sidon)." Aber was nun folgt, ist weithin höchst unsicher von Schmidt ergänzt bzw. interpretiert worden (vgl. die Inhaltsangabe, AP, S. 95ff.). Auf S. 35/36 ist zunächst von der Reise des Paulus nach Sidon die Rede. Paulus wird von einer Reihe von Brüdern aus Perge begleitet. Unterwegs scheint es an einem heidnischen .Altar zu einer Diskussion mit einem alten Mann gekommen zu sein, der Beispiele für die Strafe der Götter an denen, die von ihnen abfallen, anführt . .Allerdings bleibt schon hier manches unklar. Es folgt eine Lücke von mindestens 2 Blättern. Diese Zahl ist von C. Schmidt geraten, "da wir auf S. 37 mitten bei der Erzählung über die Ereignisse in Sidon stehen". Bei dieser Begründung kön-
3. Paulusakten
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nen es natürlich auch 4 Blätter gewesen sein. Was auf diesen Blättern gestanden hat, wissen wir nicht. Auf S. 37 steht zunächst der Schluß einer Rede des Paulus (man darf wohl annehmen, daß er es ist, der hier redet), in der er die Zuhörer durch den Hinweis auf Sodom und Gomorra von irgendwelchen Taten abhalten will. Der Erfolg ist aber, daß Paulus mit den Brüdern Thrasymachus und Kleon (vgl. S. 38,5) in den Apollotempel geworfen wird, wo man sie erstaunlicherweise mit guten Speisen mästen will (als Vorbereitung zum Opfer?). Paulus fastet und betet, und auf dieses Gebet hin fällt die Hälfte des Tempels (doch wohl der Teil, in dem sich die Gefangenen nicht befanden) ein. Das erregt erhebliche Unruhe und auf Drängen des Volkes werden Paulus und seine Begleiter in das Theater geführt. Hier bricht der Text wieder ab. Ob auch hier nur 2 Blätter oder mehr fehlen, läßt sich nicht sagen. Auf S. 39 finden wir den Schluß der Sidonepisode, von dem leider nur wenig Zusammenhängendes erhalten ist. Man erkennt, daß Paulus eine Rede gehalten hat, die möglicherweise das Volk umgestimmt hat. Ein gewisser Theudas scheint die Taufe erbeten zu haben. Die Seite schließt mit der Abreise von Sidon nach Tyrus. Es ist also kaum möglich, eine richtige Inhaltsangabe dieses Abschnittes zu geben. Es bleiben mancherlei Lücken, Unklarheiten und Unsicherheiten. Die kurze Notiz in Titusakten c. 3 hilft uns nicht weiter. Nachdem dort kurz berichtet ist, daß Paulus in Damaskus zuerst das Wort Christi verkündigt hat (das kann aus AG 9, 22 stammen), fährt der Verf. fort: "Und die Apphia, die Frau des Chrysippus, die von einem Dämon besessen war, heilte Paulus; und nachdem er sieben Tage gefastet hatte, hat er das Götzenbild des Apollo überwältigt." Nun tauchen in PHeid S. 40 (Tyrus, s. u. S. 254) die Namen Amphion und Chrysippus auf. Schmidt (lIII, S. 114) hat daraus geschlossen, daß der Verf. der Titusakten die Tyrusepisode kurz zusammengefaßt hat, wobei der Name Amphion im Koptischen nur eine Korruption der Apphia seP. Die Notiz von der Überwältigung des Apollobildes in den Titusakten ginge auf den Sidonabschnitt der AP zurück. Nun kann man dagegen kaum einwenden, daß die Reihenfolge der AP Sidon-Tyrus in den Titusakten umgedreht sei; das läßt sich bei einer so verkürzenden Aussage noch verstehen. Schwieriger ist es, die Überwältigung des Götzenbildes mit dem Einsturz des Tempels (nach der Rekonstruktion Schmidts, S. 98) in Einklang zu bringen. Aber auch das wäre möglich, nur müßte dann wohl angenommen werden, daß in der Erzählung auch davon die Rede war und nicht nur vom Einsturz des Tempels. Dafür spricht, daß es S. 38, 19f. heißt: "Der Gott der Sidonier, der Apollo ist gefallen und die Hälfte seines Tempels." All das zeigt aber, daß wir hier nur mit vorsichtigen Vermutungen arbeiten können. Es sei noch darauf hingewiesen, daß die offenbar recht ausführliche Schilderung der Erlebnisse des Paulus in Sidon nur schlecht zu der kurzen Erwähnung dieses Ortes in AG 27, 3 paßt. Paulus wird nach der AG von Caesarea nach Sidon gebracht und darf dort mit Erlaubnis des "menschenfreundlichen" Centurio Julius "seine Freunde", d.h. doch wohl die von Lukas vermutete oder ihm bekannte Christengemeinde in Sidon besuchen. Daß die Erzählung der AP nicht aus dieser Notiz entstanden sein kann, braucht nicht weiter bewiesen zu werden. Auch die Reiseroute stimmt ja nicht mit der AG überein. Ob nun dieser Teil der AP auf eine Lokallegende der Gemeinde von Sidon zurückgeht, läßt sich bei der trümmerhaften Überlieferung nicht sagen. 6. Paulus in Tyrus. - Noch schwieriger wird die Rekonstruktion des Teiles der AP, in dem der Aufenthalt des Paulus in Tyrus geschildert wird. Das Lemma auf S. 39 des PHeid ist gut überliefert: "Als er herausgegangen war aus Sidon und hinaufgehen wollte nach Tyrus." Damit ist gesichert, daß entgegen den Angaben der AG Paulus von Sidon nach Tyrus gefahren ist. Dort hat er es nach PHeid S. 40 mit Juden zu tun. Die aus den Titusakten bekannten Apphia und Chrysippus (vgl. 0.) tauchen auf und schließlich scheint Paulus sich als Dämonenaustreiber zu betätigen. Schmidt hat nun aus dem PHeid versuchsweise einige Fragmente hier angeschlossen. Aber es bleibt doch fraglich, ob diese (S. 64, 63, 70, 69, 1 Kasser, a. a. 0., S. 54 Anm. 87 fragt, ob nicht die Apphia mit der Ammia in PG zusammengehängt. Aber das ist mir unwahrscheinlich.
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XIII. Apo8telgeschichten de8 2. und 3. Jahrhundert8
68, 67, 66, 65) etwas mit der Tyrusepisode zu tun haben oder ob sie einer anderen Station angehören. Es mag richtig sein, daß ein Teil dieser Stücke aus einer Paulusrede oder einer Disputation stammen, aber Näheres können wir dazu nicht sagen'. Zu den S. 60/59 und 61/62, die Schmidt ursprünglich hier auch unterbringen wollte, vgl. o. S. 225. Man wird sich also damit begnügen müssen, daß nur PHeid S. 40 zu der Tyrusepisode gehört und daß damit der Faden der Erzählung abbricht. Das ist um so bedauerlicher, als die Lücke, die hier klafft, sehr groß ist und sich durch keinerlei Vermutungen erheben läßt, was wohl in dieser Lücke gestanden haben mag. Deshalb muß auch die Behauptung Schmidts (nil, S.119), Jerusalem konnte hier nicht mehr erscheinen, da der Verf. der .AP ja vermutlich zu Beginn seines Werkes (nach Damaskus) über den Aufenthalt des Paulus dort berichtet habe, zurückgewiesen werden. Diese Behauptung, die auf der Hypothese beruht, Paulus sei nach den AP niemals an ein und demselben Ort zweimal aufgetreten, ist unbeweisbar, sie ist sogar, wenn das stimmt, was o. S. 225 ft". zu Antiochien gesagt wurde, falsch. Ob Paulus also von Tyrus nach Caesarea • oder Jerusalem oder Kreta oder Cypern gegangen ist (Schmidt IlIl, S. 119), bleibt bis zum Auffinden neuen Materials unbekannt. Daß Ephesus nicht die einzige Wirkungsstätte in Kleinasien war, hat schon Schmidt (a. a. 0.) vermutet. Aber es handelt sich dabei, wie wir jetzt sehen, nicht um Milet, sondern um Smyrna. Das ergibt sich aus dem Anfang des bisher noch unpublizierten PG (vgl. Kasser, RHPhR 40, 1960, S. 45-57 und Kasser, u. S. 268). Aber was Paulus in Smyrna getan hat und welche Stationen vor Smyrna. lagen, bleibt ungewiß. 7. Paulus in ~phesus. - Für den ephesinischenAufenthalt desPaulus haben wir außer dem noch nicht publizierten PG (s. u. S. 268 ft".) den Hamburger Papyrus, der auf S. 1-5 diese Episode bietet. Damit ist es möglich, den Aufbau des ganzen Abschnittes zu überschauen. Paulus kommt von Smyrna nach Ephesus und kehrt dort im Rause von Aquila und Priszilla ein. Na.ch einer Vision mit Leidensankündigung hält Paulus eine Predigt, in deren Verlauf er auch von seiner Bekehrung und der Taufe des Löwen berichtet. Die Predigt hat den üblichen Erfolg: Paulus wird vor den Prokonsul Hieronymus (PR S. 1,30) geführt und soll dort Rechenschaft ablegen (hier setzt PH S. 1 ein). Die Rede, mit der Paulus das tut, ist stark von apologetischen Motiven durchzogen. Das ist um so auffallender, als vorher nicht wie C. Schmidt noch vermutete (IlIl, S. 87) - ausführlich von einem Angriff des Paulus auf die Artemis-Statuetten die Rede war. Nur mit einem Satz wird die Kritik am Götzendienst angedeutet. Man kann fragen, ob nicht der Verf. der AP eine Dublette zu AG 19, 23ft". möglichst vermeiden wollte. Ganz hat er auf Anspielungen nicht verzichtet: PR 1, 28 tauchen die xevO'ox6ot, die Goldgießer als die Scharfmacher auf, die Paulus verurteilt sehen wollen. Der Prokonsul findet die Rede des Paulus gar nicht übel, beugt sich aber der Entscheidung des Volkes, das den Tierkampf fordert. Nach 6 Tagen erfolgt der Umzug der Tiere, bei dem ein Löwe besonders auffällt. Sein Gebrüll erschreckt sogar den Paulus, der in seinem Kerker im Gebet versunken ist. Hier wird nun eine Erzählung von Bekehrung und Taufe der Artemilla, der Frau des Hieronymus eingeschoben. Artemilla ist durch Eubula, die Frau des 1 Interessant ist das Fragment S. 68 c, Schmidt, .AP S. 65: "daß der Mensch (nicht gerechtfertigt) werde (durch das Gesetz), sondern daß er gerechtfertigt werde (durch die) Werke der Gerechtigkeit". Daran wird deutlich, wie weit der Verf. der.AP von dem historischen Paulus entfernt ist. S Zu Caesarea vgl. Kasser, a.a.O., S. 50 Anm. 46 und S. 51 Anm. 61. Für diese Frage spielt der äthiopisch erhaltene "Brief der Pelagia" eine gewisse Rolle, auf den ich aber hier nicht eingehen kann. Es sei nur vermerkt, daß dieses leider nicht datierbare oder lokalisierbare Apokryphon die .AP benutzt hat. Wenn darin die Begegnung zwischen Paulus und dem Löwen in die Gegend von Caesarea verlegt wird, so geht das wohl auf den Kompilator zurück; Rückschlüsse auf den Aufbau der AP sind daraus nicht zu ziehen. Vgl. E. J. Goodspeed, American Journal of Semitic Languages and Literatures XX, 1904, S. 95ft".; englische Übersetzung auch bei Schmidt, .AP, 2 Aufl., S. XXI-XXV; G. Krüger, ZNW 1904, S. 261ft".; Schmidt, IlIl, S.87ft".
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Diophantes, eines Freigelassenen des Prokonsuls, von der Predigt und Wirksamkeit des Paulus unterrichtet und will den Apostel selbst kennenlernen. Eine kurze Ansprache des Paulus, in der zur Weltflucht und Weltverachtung aufgefordert wird, bewirkt ihren Wunsch nach der Taufe, die unter allerlei wunderbaren BegleituInständen und unter Mithilfe Christi selbst vor sich geht. Memilla kehrt nach der Feier der Eucharistie mit Brot und Wasser in ihr Haus und Paulus im Gefängnis zu seinem Gebet zurück ' . Eubula spielt in der ganzen Erzählung keine Rolle weiter. Es ist eine Bekehrungslegende, in der eine vornehme Dame zum christlichen Glauben kommt. Schwierigkeiten machen dabei nur die Sätze PH S. 3, 1-4, nach denen Diophantes den Prokonsul unterrichtet, daß die Frauen Tag und Nacht bei Paulus sitzen. Hieronymus unterbricht daraufhin seine Mahlzeit, um den Tierkampf zu beschleunigen. Diese Sätze unterbrechen nicht nur den Zusammenhang, sondern sie passen überhaupt nicht zu dem Vorhergehenden. Die ga.nze Erzählung spielt in einer Nacht (Sonnabend/Sonntag), während in diesen Sätzen von beiden Frauen gesagt wird, daß sie längere Zeit bei Paulus verweilen. Man kann also diese Zeilen für einen sekundären Einschub halten, wird aber besser annehmen, daß dieser Widerspruch dadurch entstanden ist, daß der Verf. hier zwei verschiedene Traditionen zusammengearbeitet ha.t, was ihm aber nicht ganz gelungen ist. Einerseits lag ihm vielleicht im Rahmen der Ephesusepisode eine Erzählung über den Anlaß zur Verfolgung des Apostels vor, d.h. über die Eifersucht des Diophantes (ein beliebtes Motiv in allen AGG), andererseits mag er eine Bekehrmigslegende, die mit dem Namen der Memilla verbunden war, vorgefunde:r;t haben. Jedenfalls sehe ich hier wieder einen Hinweis auf die Arbeitsweise des Verf., der sich bei seiner Komposition älterer Traditionen bedient hat. Das wird durch einige Beobachtungen am folgenden Text in gewisser Weise bestätigt. Am nächsten Morgen kommt es zum Tierkampf. Dabei begegnet Paulus dem von ihm getauften Löwen. Da dieser nichts gegen den Apostel tut, werden andere Tiere losgelassen. Aber ein gewaltiges Hagelwetter macht alle Bemühungen, den Paulus ums Leben zu bringen, zunichte. Paulus nimmt Abschied vom Löwen, der sich in das Gebirge zurückbegibt, während der Apostel sich unter die aus Angst vor dem Untergang der Stadt Flüchtenden mischt und ein Schiff nach Macedonien besteigt. Nun sind in diese Erzählung Notizen über Hieronymus und Diophantes bzw. über Artemilla und Eubula eingestreut (PH S. 4, 8-11; 4, 14-18), und nach der Abreise des Paulus wird davon berichtet, wie Memilla und Eubula in Sorge und Trauer um Paulus sind, aber von einem Engel getröstet werden (PH S. 5, 19ff.). Leider ist der Schluß von PH S. 5 sehr schlecht überliefert. Aber es scheint dort geschildert zu sein, wie Hieronymus den Gott des Paulus um Hilfe für sein bei dem Hagelwetter verletztes Ohr anruft und das Ohr dann auch geheilt wird. Schmidt hat diese letzten Notizen als einen kurzen "Epilog, der sich mit den anderen Hauptpersonen der Ephesusgeschichte beschäftigt" (lIII, S. 94) bezeichnet. Das ist sicher richtig, wenn man auf die Gesamtkomposition sieht. Es bleibt aber die Frage, ob der Verf. der AP dabei nicht ebenfalls auf eine Tradition zurückgegriffen hat, die erst von ihm mit dem Tierkampf in Ephesus in Verbindung gebracht worden ist. Jedenfalls hat diese Vermutung viel für sich. So wird also der Aufbau dieses Abschnittes deutlich, wird aber auch das Problem der Tradition in ihrer Verarbeitung sichtba·r. Der Anstoß zu der Bildung dieses Berichtes von dem Tierkampf des Paulus mag in verschiedenen neutestamentlichen Stellen gesucht werden: 1. Kor. 15,32; 2. Tim. 4,17 und vor allem AG 19, 23ff. Aber in diesen Stellen kann nicht mehr als die Anregung zu dieser Episode gesehen werden. Entscheidend waren sicher andere Motive. Es sei noch vermerkt, daß gerade diese Erzählung offenbar besonderen Eindruck gemacht hat. Der getaufte Löwe hat sich besonderer Beliebtheit erfreut, hat aber auch besonderen Anstoß erregt B. 1 Unklar bleibt dabei PH S. 4, 2ff.: Artemilla geht in das Haus (welches? ihr Haus oder das Gefängnis?). Die Eucharistie findet doch wohl im Gefängnis statt. B Hippolyt, Dan. 111, 29 (Bonwetsch S. 176f.); Commodian, Carmen apo!. 627f.; Hieronymus, vir. ill. 7; Acta Titi c.6; Brief der Pelagia; Nikephoros Kallistos, h.e. 11 25 {PG
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8. Paulus in Philippi. - Von Ephesus ist Paulus mit dem Schiff nach Macedonien, d.h. doch wohl nach Philippi aufgebrochen (PH S. 5, 15ff.). Merkwürdigerweise erfahren wir aber in PH über diesen Abschnitt nichts. Vielmehr schließt auf PH S. 6, also auf der Rückseite von S. 5 die nächste Episode direkt an: "Von Philippi nach Karinth". Es ist also in der Handschrift eine ganze Episode ausgelassen. Man kann diesen Tatbestand verschieden erklären. Entweder hat der Schreiber von PH (bzw. seine Vorlage) nur einen Auszug aus den AP herstellen wollen, wobei unter Umständen recht äußerliche Gründe (Umfang des Buches z.B.) maßgebend gewesen sein können. Oder das ausgelassene Stück war bereits vor Herstellung der Handschrift (bzw. ihrer Vorlage) als selbständiges Stück aus den AP herausgelöst und deshalb dann vom Schreiber nicht mehr abgeschrieben worden. Oder aber man hat an bestimmten Anschauungen oder Aussagen in dem ausgelassenen Stück Anstoß genommen. Für diese letzte Möglichkeit spricht die Tatsache, daß nach PHeid in diesem Abschnitt der apokryphe Briefwechsel des Paulus mit den Korinthern (III Kor) gestanden hat. Zwar ist am Anfang der Episode in PHeid der Name, auf den es ankommt, nicht erhalten (PHeid S. 44); aber aus III Kor 2, 1 geht eindeutig hervor, daß der Brief aus Karinth dem Paulus nachPhilippi gebracht worden ist. Leider ist nicht ersichtlich, was sich in Philippi vorher ereignet hat. Der Anfang von PHeid S. 45 ist so fragmentarisch, daß sich jegliche Rückschlüsse verbieten. Wir erfahren aus dem Einführungsbericht nur, daß man in Karinth um Paulus in großer Sorge war, auch wenn durch eine besondere Offenbarung die Rettung des Paulus angezeigt worden ist, und daß man den Apostel andererseits dringend braucht, um sich gegen gnostische Irrlehrer zur Wehr zu setzen. Deshalb schreibt man an Paulus, und der Briefwird durch Threptus und Eutychus nach Philippi gebracht, wo Paulus gefangen ist "wegen Stratonike, des Weibes des Apollophanes" (III Kor 2, 2). Offensichtlich ist es also auch in Philippi so gelaufen, wie an vielen anderen Orten: die Predigt von der Enthaltsamkeit hat bei den Frauen Erfolg gehabt, hat aber die Männer gegen den Apostel aufgebracht. Nach PH S. 6, 5 berichtet Paulus in Karinth, was ihm in Philippi im seyaareov widerfahren ist; er war also wohl zu Zwangsarbeit verurteilt worden. Paulus antwortet nun den Korinthern und versucht, die Irrlehre zu widerlegen, allerdings reichlich summarisch und apodiktisch, nur in der Beweisführung zu der Frage der Auferstehung etwas einsichtiger und lebendiger. Mit dem Ende des III Kor bricht bedauerlicherweise die Überlieferung wieder ab, so daß wir nichts von der Überbringung des Briefes und seinem Erfolg hören. Wohl aber ist der Schluß der Philippiepisode erhalten: PHeid S. 41/42 und 44. Allerdings sind die Seiten auch nicht vollständig erhalten, aber der Ablauf der Ereignisse scheint folgender zu sein. Paulus arbeitet in einem Metallbergwerk (?). Er hat aber wohl daneben noch Zeit gefunden zu predigen. Jedenfalls ist von einer Phrontina die Rede, die zusammen mit Paulus von ihrem Vater Longinus ums Leben gebracht werden soll, vermutlich doch, weil sie sich von der Predigt des Paulus hat bekehren lassen. Es kommt dann zur Exekution, der aber Paulus irgendwie entgeht, während Phrontina stirbt. Auf das Gebet des Paulus (und der Mutter, Phirmilla?) hin wird Phrontina wieder lebendig, was großes Entsetzen bei der Bevölkerung hervorruft. Paulus führt die Phrontina in das väterliche Haus, während die Menge akklamiert. Im Hause des Longinus scheint dann eine Eucharistiefeier stattgefunden zu haben, und danach reist Paulus nach Karinth ab. Man kann also in Analogie zu den anderen Episoden der AP diesen Abschnitt einigermaßen rekonstruieren, muß aber dabei betonen, daß die Einzelheiten weitgehend unbekannt bleiben. Nun bietet aber der Philippiabschnitt durch den III Kor noch eine besondere Schwierigkeit. Wie bereits dargelegt (s. o. S. 224f.), ist dieses Apokryphon auch als Einzelstück überliefert, ja es hat sogar zeitweise zum Kanon der (syrischen und) armenischen Kirche gehört. Von den Zeugen, die diesen Brief einzeln überliefert haben, bietet nur ein Teil den Zwischenbericht; die Einleitung ist nur in PHeid erhalten. Daraus und aus anderen In145,822). Vgl. auch die Zusammenstellung bei Schmidt, IIII, S. 85ff. - Bruce M. Metzger, St. Paul and the baptized lion, The Princeton Seminary Bulletin XXXIX, 1945, S.1l-21.
3. Paulusakten
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dizien hat Testuz geschlossen, daß In Kor selbständig und zwar vor den AP entstanden sei (Testuz, a. a. 0., S. 23-25). Der Verf. der AP habe In Kor dann durch einige Sätze mit seinem Werk verbunden. Trotz dieser Übernahme in die AP sei In Kor auch weiterhin gesondert überliefert, wie - nach Testuz - PBodm und die Handschriften M, L, P, B sowie die Aufnahme in den syrischen und armenischen Kanon zeigen. Dagegen sei die Handschrift Z ein Fragment der AP. Nun kann hier nicht ausführlich über die Problematik des In Kor gehandelt werden 1. Man kann doch wohl mit der Tatsache, daß in PBodm der In Kor nach dem Protevangelium J acobi erscheint, nicht beweisen, daß er als eigenständiges Stück entstanden und dann später in die AP eingearbeitet sei. Die lateinische Überlieferung in Bibelhandschriften (außer Z?) ist doch so zu erklären, daß man dieses Apokryphon aus Syrien importiert und an irgend welchen Orten als Vorlesungsstück erhalten hat". Vor allem aber legt die Überlieferung in PHeid nahe, die AP als den ursprünglichen Ort von In Kor anzunehmen. Dafür sprechen nun auch die Übereinstimmungen in Begrifflichkeit und Anschauungen, auf die schon Harnackhingewiesen hat". Zwei Gründe sind m.E. ausschlaggebend: a) Die Briefe sind durch zwei starke Klammern mit den AP verbunden, nämlich durch die Einleitung in dem koptischen Text, die auf In Kor 1 Bezug nimmt, und durch den histori-" sehen Zwischenbericht, der auch in Z, E und A erscheint. Das bedeutet, daß die syrische Kirche das Stück aus den AP genommen hat, und daß bei der Übersetzung ins Koptische diese Korrespondenz noch ein Teil der AP war. PBodm hat den Zwischenbericht nicht, stellt daher doch eine spätere Stufe der Überlieferung dar, die auch durch die anderen lateinischen Zeugen repräsentiert wird. b) Die Verwandtschaft in Geist und Tendenz zwischen Briefen und sonstigen Teilen der AP ist nicht zu übersehen; sowohl In Kor wie die anderen Abschnitte sind ausgesprochen antignostisch, was vor allem im Realismus des Auferstehungsglaubens zum Ausdruck kommt. Diese Argumente werden auch nicht dadurch entkräftet, daß Testuz asketische Tendenzen, die für die AP ohne Zweifel charakteristisch sind, in In Kor vermißt. Einerseits fehlen sie gar nicht völlig (vgl. nI Kor 3, llff.) und andererseits ist es ja auch nicht so, daß der Verf. der AP nicht über ein gewisses Variationsvermögen verfügte (vgl. z. B. auch das Fehlen der asketischen Tendenz in der Myra-Episode, o. S.230). Man wird also daran festhalten müssen, da,ß In Kor ein ursprünglicher Bestandteil der AP war, und zwar des Teiles, der von dem Aufenthalt des Paulus in Philippi berichtete. Was sich vorher in Philippi ereignet hat, bleibt uns unbekannt. Auch die Frage, ob Paulus schon früher in Korinth gewesen sei, läßt sich von diesem Textabschnitt her nicht beantworten. Nach In Kor 1, 4 ("Denn niemals haben wir solche Worte weder von dir noch von den anderen Aposteln gehört") muß man doch wohl annehmen, daß ein solcher Besuch des Paulus in Korinth irgendwann schon berichtet worden ist. Aber ob, wann und wo davon in den AP die Rede war, läßt sich nicht sagen. Die Frage ist deshalb so wichtig, weil hiermit die andere verbunden ist, ob der Verf. die AG ergänzen oder ersetzen wollte. Darauf wird noch eingegangen werden müssen, wenn die korinthische Episode behandelt ist. 9. Paulus in Korinth. - Nach PHeid S. 44 schließt sich an die Philippiepisode der 1 Die These von Testuz beruht wohl nicht zuletzt auf einer Überschätzung des PBodm, die sich übrigens auch in der Beurteilung von Textfragen bemerkbar macht. Natürlich ist PBodm ein besonders wichtiger Fund, der einzige griechische Zeuge für In Kor, der durch sein hohes Alter (3./4. Jh.) Anspruch auf ernsthafte Berücksichtigung erheben kann. Aber dieser Zeuge ist nicht unfehlbar, sondern es gibt Stellen, an denen die lateinischen Handschriften des 10.-13. Jh. den richtigen Text gegen PBodm erhalten haben. - Während der Drucklegung erschien: A.F.J. Klijn, The Apocryphal Correspondence between Paul and the Corinthians, Vig. Christ. XVII, 1963, S. 2-23. • Ein Teil der lateinischen Handschriften stammt wohl aus Oberitalien. 3 A. Harnack, Untersuchungen über den apokryphen Briefwechsel der Korinther und des Apostels Paulus, Sitzungsber. Pr. Akademie 1905, I, S. 3-35; vgl. auch Schubart, IIII, S.122f.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
Aufenthalt des Paulus in Korinth an. Daß das richtig ist, geht aus der Überschrift in PH S. 6 hervor: "Von Philippi nach Korinth". Der Text des Abschnittes ist, wenn auch lückenhaft, so erhalten, daß der Gang der Ereignisse deutlich wird: Paulus kommt in Korinth in das Haus des Epiphanius, predigt dort und rüstet sich dann zum Aufbruch nach Rom. Die Gemeinde ist über die Aussicht der Romreise betrübt, wird aber durch eine geistgewirkte Ansprache eines Kleobius getröstet. Bei einer Eucharistiefeier ereignet sich irgend etwas, was durch eine gewisse Myrte gedeutet wird 1. Danach nimmt das Mahl seinen Fortgang. Am Rüsttag bricht Paulus auf und zwar - im Gegensatz zur AG - als freier Mann. Dieser Abschnitt fällt zunächst durch seine Kürze und auch durch das Fehlen jeglicher Wundertaten des Paulus auf. Obwohl der Apostel 40 Tage bei den Brüdern verweilt, wird nur von seinen Predigten berichtet, die merkwürdigerweise gar nicht auf die Schwierigkeiten mit den gnostischen Irrlehrern, von denen in III Kor die Rede war, eingegangen zu sein scheinen, sondern vor allem den Erlebnissen des Pa,ulus und dem göttlichen Wohlwollen, das sich in diesen Erlebnissen gezeigt hat, gewidmet sind. "Das Thema seiner Verkündigung ist die Standhaftigkeit (vnoltO'v~)" (Schmidt, llrr, S. 101), aber darüber hinaus auch die Fürsorge Gottes, der seine olxoyoflta, d.h. seinen Heilsplan (PH S. 6, 26; schon PH S. 5, 27) durchführt. Der Grund für die Kürze und auch für die Besonderheit dieses Abschnittes ist nur zu vermuten: Der Verf. setzt doch wohl die AG und die Paulusbriefe als bekannt voraus. Nun ist nach AG 18, 11 Paulus anderthalb Jahre in Korinth gewesen; AG 20, 2 spricht von einer weiteren Reise nach Griechenland, wobei doch wohl Korinth mit gemeint ist; die beiden Korintherbriefe zeigen, welche enge Beziehung Paulus gerade zu dieser Gemeinde hatte. All das mag den Verf. der AP bewogen haben, von diesem Abschnitt nicht zu viel zu berichten. Außerdem hat er für diese Station vielleicht keinen brauchbaren Legendenstoff zur Verfügung, den er verwerten konnte. Da das Werk ja in Kleinasien entstanden ist, war in dieser Hinsicht die Lage im Blick auf die Gemeinden außerhalb seiner Heimat für den Verf. ohnehin schwieriger. Schließlich muß berücksichtigt werden, daß der Verf. in dieser Episode offensichtlich nur eine Überleitung zu dem Abschluß seines Werkes, dem Martyrium in Rom sieht. Der ganze korinthische Teil der AP ist schon von diesem Martyrium her geprägt. Was nun auch immer der Grund für die Eigenart der korinthischen Episode gewesen sein mag, das eine scheint mir deutlich zu sein: Der Verf.läßt an dieser Stelle seines Werkes den Paulus nicht zum ersten Male nach Korinth kommen. Ob er allerdings dabei die neutestamentlichen Nachrichten einfach voraussetzt oder ob er selbst in einem früheren Abschnitt einen ersten Besuch des Paulus in Korinth geschildert hat, ist nicht zu sagen. Man ist geneigt, die erste Deutung anzunehmen. Dann aber darf man weiter folgern, daß der Verf. sich nicht an die Stationen der AG gehalten hat, sondern völlig selbständig seinen Stoff angeordnet hat. Weiter ergibt sich daraus m.E., daß die Komposition nicht von dem Bemühen bestimmt ist, die AG zu ersetzen oder sie in dem Sinn zu ergänzen, daß die fehlenden Stationen nachgetragen werden. Von Ergänzung der AG könnte man höchstens in dem Sinne sprechen, daß dem Verf. die Gestalt des Apostels in der AG nicht so heraustrat, wie er es in der Situation seiner Zeit für richtig hielt. Aber das entscheidende Motiv für seine Arbeit hat der Verf. nicht von der AG her bezogen, sondern er wollte erbauen, unterhalten und die kirchliche Frömmigkeit seiner Zeit dadurch festigen, daß er Paulus zu ihrem Herold machte. Darum kann er so selbständig vorgehen und von der AG weithin absehen. 10. Von Korinth nach Italien. - Die Reise von Korinth nach Italien ist in PH S. 7-8 erhalten. Dazu kommen einige Fragmente in PHeid S. 72-74. Mit einem Schiff, dessen Kapitän Artemon von Petrus getauft worden ist, fährt Paulus nach Italien. Unterwegs erscheint ihm der Herr, dessen düsteres Aussehen dem Paulus auffällt. Auf seine Frage nach dem Grund dieses Ausdrucks antwortet der Herr: "Ich bin im Begriff, von neuem gekreuzigt zu 1 Kasser, a.a. 0., S. 52 Anm. 68: une prophetie est exprimee par un rameau de myrte. Das scheint aber nicht richtig zu sein.
3. Paulusakten
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werden" (lIvwf}ev /-1I3A},W a-cav/!ovaf}at). Ohne auf den Protest des Paulus einzugehen, gibt Christus dem Apostel die Weisung, die Brüder zu ermahnen, und geleitet das Schiff nach Italien. Der Ort der Landung wird nicht angegeben, vermutlich hat der Verf. ihn selbst nicht gewußt oder er hat Puteoli als selbstverständlich angenommen (vgl. AG 28,13). Bei der Landung wird Artemon von einem Mann namens Claudius erwartet, stellt diesem den Paulus vor und beide tragen das Gepäck des Apostels an Land. Im Hause des Claudius lehrt Paulus das "Wort der Wahrheit". Die Predigt, die hier geboten wird, enthält zunächst einen alttestamentlichen Teil, in dem das Handeln Gottes an Israel als Beispiel für die Treue Gottes geschildert wird, während dann im zweiten Teil von Christus die Rede ist. Leider bricht der Text in PH mitten in der Predigt ab. In PB folgen noch 23 fragmentarische Zeilen, die aber kaum sinnvoll zu ergänzen sind. Auf der Rückseite von PM sind einige Zeilen zu lesen, die sich nach kurzer Lücke wohl an PB anschließen. Wie Me Hardy" (Exp. Times 58,1947, S. 279) erkannt hat, gehören diese fragmentarischen Zeilen zu dem Text, den Schmidt als Bruchstück eines apokryphen Evangeliums deklariert hat (AP, S. 236ff.). Eine gewisse Schwierigkeit besteht darin, daß in diesem Stück Jesus selbst als Sprecher auftritt und daß weiter Petrus und Philippus als Gesprächspartner Jesu direkt reden. Aber diese Bedenken gegen eine Zuordnung der beiden Seiten sind nicht unüberwindlich. Denn schon PH S. 8, 31 ff. läßt der Verf. Jesus direkt reden. Das überrascht nicht, wenn man die Erzählungstechnik der AGG beachtet. Auch das Auftreten des Petrus und des Philippus ist kein zwingender Grund gegen die Annahme der Zugehörigkeit dieser Seiten zu der Rede des Paulus in Puteoli. Der Verf. könnte hier Erzählungsteile aus anderem Zusammenhang übernommen haben. Diese Erklärung legt sich auch deshalb nahe, weil der Verf. in diesem Teil sein Werk ohnehin mit fremden Federn geschmückt hat (s. u.). Jedenfalls schließt der Text von PM bzw. PHeid S. 79/80 an PH S. 8 sachlich gut an. Wenn nun aber dieses Stück ein Teil der AP, und zwar der Rede des Paulus in Puteoli ist, dann wäre die Berechnung, die Kilpatrick und Roberts (JThSt XL VII, 1946, S. 196-199) vorgenommen haben, erneut zu prüfen. Denn die dort festgestellte Lücke von 2-2 Y2 Seiten zwischen dem Ende von PM und dem Beginn des Martyriums wird zum größten Teil schon von dem Redestück ausgefüllt, so daß für weitereBerichte kein Platz mehr wäre. Es ist aber durchaus möglich, daß der Verf., bevor er zum eigentlichen Martyrium überging, eine umfassende Rede des Paulus als krönenden Abschluß und zugleich als Überleitung zum Ende eingebaut und auf weiteres Material verzichtet hat. Die Abschiedsrede des Paulus in Milet AG 20, 17-38 könnte Anstoß und Vorbild für diese Komposition gewesen sein. Allerdings hat Michaelis (S. 273f.) bestritten, daß die Voraussetzung dieser Rechnung, nämlich die Annahme, es fehlten zwischen PH S. 8 und S. 9 nur 4 Seiten, richtig sei. Aber seine Argumentation ist von Hypothesen über den Lebenslauf des Paulus (2. Gefangenschaft, Echtheit der Pastoralbriefe u. a.) bestimmt, die falsch sind. Man wird also eher dazu neigen, den Darlegungen von C. Schmidt, Kilpatrick und Roberts zu folgen: die Rede des Paulus leitet über zu seinem Weg von dem Hafen nach Rom; eine weitere Wirksamkeit vor dem Einzug in Rom wird nicht berichtet worden sein. Der kurze Bericht von der Reise des Paulus nach Italien bietet nun dadurch noch ein besonderes Problem, daß hier eine Dublette zu der berühmten Quo-vadis-Szene der Petrusakten geboten wird (Mart. Petr. c. 6). Es soll hier über diese Szene nicht ausführlich gehandelt werden. Aber im Blick auf das Problem der Komposition muß folgendes festgehalten werden: Die Schilderung der AP zeigt eindeutig, daß sie"gegenüber den APt sekundär ist. Vor allem ist der Hinweis auf die Kreuzigung in den APt wohl am Pla.tz, denn auch Petrus wird ja gekreuzigt, in den AP aber nicht, da Paulus enthauptet wird. Dazu kommt, daß diese Szene in die APt sich gut einfügt, während sie in den AP ein Fremdkörper zu sein scheint. Man sollte dagegen nicht, wie Michaelis es tut (S. 327ff.), damit argumentieren, daß in den APt naAtV steht, während die AP avwf}ev bieten '. Jedenfalls hat der Verf. der AP 1
s. v.
Zu der Wortbedeutung von avwf}ev (oft gleich naAtV) vgl. z.B. W. Bauer, Wörterbuch
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
bei den APt eine Anleihe gemacht. Es ist daher auch nicht unwahrscheinlich, daß die Vermutung von Schmidt richtig ist, der Kapitän Artemon sei der Theon der APt (Schmidt, nn, S. 128f.). 11. Das Martyrium des Paulus. - Dieser Teil der AP ist wohl schon früh von dem ganzen Werk abgetrennt worden, weil er für die Verlesung an dem Gedenktag des Apostels benutzt wurde. Die Überlieferung und auch die weitere Benutzung und Verarbeitung (vgl. z. B. Schmidt, AP, S. 118 ff.; nII, S. 124f.) zeigen die Verselbständigung des Martyriums. Die frühe Verwilderung des Textes erschwert eine sichere Textkonstituierung. Durch PHeid und PH ist die ursprüngliche Zugehörigkeit zu den AP gesichert, auch wenn der Anfang in beiden Zeugen leider fehlt und so der Übergang von Puteoli (?) nach Rom nicht erhalten ist. In Rom wird Paulus von Lukas und Titus erwartet (in den Titusakten c. 6, wo wieder die AP benutzt sind, wird Timotheus noch genannt). Paulus mietet eine Scheune und lehrt dort das "Wort der Wahrheit" mit großem Erfolg. Diese Einleitungsnotiz ist wohl in Anlehnung an AG 28, 30f. gestaltet. Es schließt sich nun die Erzählung vom Tod des Patroklus, eines kaiserlichen Mundschenkes, und seiner Auferweckung an. Da Patroklus vor Nero sein Christentum bekennt, kommt es zur Verfolgung, in deren Verlauf auch Paulus vorgeführt und als Rädelsführer zum Tod durch das Schwert verurteilt wird, während die anderen Christen den Feuertod erleiden sollen. Das ist nicht ganz logisch, da doch der Tod durch Enthaupten als weniger schlimm galt. Aber dem Verf. war als Tradition vorgegeben, daß Paulus enthauptet worden war. Dem Wüten des Nero gegen die Christen wird durch den Einspruch der Bevölkerung Einhalt geboten, aber das Urteil gegen Paulus bleibt bestehen. Im Gefängnis predigt Paulus noch dem Präfekten Longus und dem Centurio Cestus (vor allem von der Auferstehung) und verspricht ihnen, daß sie an seinem Grabe die Taufe empfangen werden. Nach langem Gebet des Paulus erfolgt seine Hinrichtung, bei der Milch auf die Kleider des Soldaten spritzt. Bald darauf erscheint Paulus dem Nero, der voller Bestürzung die Gefangenen freiläßt. Die Erzählung schließt mit der Szene am Grabe des Paulus: Longus und Cestus gehen dorthin und treffen Titus und Lukas, die davonlaufen wollen, aber beruhigt werden und den beiden die Taufe erteilen. Im großen und ganzen macht das MP den Eindruck einer einheitlichen, in sich geschlossenen Komposition. Allerdings sind einige Stellen der Darstellung recht ungeschickt und man könnte vermuten, daß verschiedene Traditionen, die ursprünglich nichts miteinander zu tun hatten, zusammengearbeitet wurden (Patroklusgeschichte, Bekehrung des Longus und des Cestus, Märtyrertod des Paulus). Aber ob das durch den Verf. der AP oder bereits vor ihm geschehen ist, läßt sich nicht sagen. Die Komposition der ganzen Szene wird wohl vom Verf. der AP stammen (vgl. Schubart, nn, S. 123), der allerdings hier, am Schluß seines Werkes keine Meisterleistung mehr vollbracht hat. Die Frage, wie~eit er sich auf stadtrömische Überlieferung hat stützen können, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Wie der Verf. der APt in dem Bericht über das Ende des Petrus (vgl. o. S. 185), so hat auch der Verf. der AP sich bei dem MP an gewisse Vorbilder halten können (Polykarpmartyrium, Petrusmartyrium). Nur hat er das Ende seines Helden nicht so eng mit einem anderen Motiv verbunden, wie es in den APt geschehen ist. Auch daran zeigt sich, wie sehr der Verf. der AP dem volkstümlichen Erzählungsst.il, bei dem das Gewicht auf den Einzelepisoden liegt, verpflichtet war. Zusammenfassend sei auf 5 Punkte hingewiesen, die sieh aus der ausführlichen Erörterung der Komposition und aus dem Versuch der Rekonstruktion ergeben: 1. Unsere Kenntnis von der Gesamtkomposition der AP ist trotz aller Funde noch recht mangelhaft. Wir können bestimmte Abschnitte rekonstruieren, auch mehrere Stationen miteinander verbinden, aber daneben bleiben große Lücken 1. Dabei muß berücksichtigt werden, daß die AP wohl schon in alter Zeit gekürzt worden sind (PH I), so daß also auch bei 1 Kasser, a. a. 0., S. 48 Anm. 29 warnt mit Recht davor, voreilig aus dem Auftauchen von Namen oder neutestamentlichen Anspielungen Rückschlüsse auf die Stellung von Fragmenten im Ganzen der AP zu ziehen.
3. Paulusakten
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anscheinend klaren Zusammenhängen unter Umständen größere Lücken anzunehmen sind. Wieviel eigentlich verlorengegangen ist, läßt sich kaum sagen. Nach der Stichometrie des Nicephorus hatte dieses Werk einen Umfang von 3600 Stichen, die AG dagegen nur 2800 Stichen. Das heißt aber, daß uns noch ein beträchtlicher Teil fehlt. 2. Nach dem vorliegenden Material sieht die Reiseroute des Paulus folgendermaßen aus: Damaskus·Jerusalem-Antiochien-Ikonium-Antiochien-Myra- Sidon-Tyrus. Hier klafft nun eine große Lücke. Es folgen Smyrna-Ephesus.Philippi-Korinth.Italien-Rom. Interessant ist nun, daß sich der Verf. bei dieser Route offensichtlich bemüht hat, abweichend von der AG eine große Reise des Paulus darzustellen. Jedenfalls läßt der bisher bekannte Befund nicht erkennen, daß Paulus irgendeine feste Ausgangsbasis für seine Arbeit hatte (in der AG zeitweise Antiochien), zu der er immer wieder zurückkehrt. Vielmehr reist Paulus nach seiner Bekehrung von Ort zu Ort und missioniert dort nach einem festen Schema, wird vertrieben und zieht weiter 1. Darin kommt ohne Zweifel eine Eigenart der apokryphen Apostelakten zum Ausdruck, deren Interesse an der Einzelerzählung haftet und bei denen bestimmte Tendenzen dann diese Einzelabschnitte zusammenhalten. 3. Es liegt sehr nahe, die AP mit dem Werk des Lukas zu vergleichen und solche Vergleiche finden sich auch immer wieder in der Literatur. Nun ist schon auf den ersten Blick deutlich, daß ein solcher Vergleich nur sehr magere Ergebnisse ergibt, wenn man etwa nach der Übereinstimmung im Itinerar oder in anderen Einzelheiten fragt. Der Verf. der AP hat sich weder in der Reiseroute noch in anderen Fakten an die AG gehalten. Er hat seinen Stoff selbständig gesammelt und angeordnet. Dabei ist er sicher weithin einer umlaufenden Legendentradition gefolgt, hat aber die vorgefundenen Bausteine so bearbeitet, daß die Scheidung von Tradition und Komposition nicht einfach ist. Die Sprache des Verf. ist einheitlich, sie ist weitgehend die Sprache des NT. Vor allem Pastoralbriefe und AG sind benutzt, daneben die Evangelien und die Paulusbriefe. Aber es handelt sich dabei kaum um richtige Zitate, sondern um sprachliche und begriffliche Übereinstimmung auf Grund der Kenntnis der neutestamentlichen Literatur". 4. Die Tatsache, daß der Verf. die neutestamentlich geprägte Erbauungssprache benutzt, deutet daraufhin, daß er mit seinem Werk erbaulich-unterhaltend wirken will. Gewiß hat er auch theologische Intentionen (s. u.). Aber diese treten hinter dem eigentlichen Zweck zurück. Von da aus ist dann aber auch die Frage, ob die AP die AG ersetzen oder ergänzen wollen, zu beantworten: An einen Ersatz der AG hat der Verf. kaum gedacht. Vielmehr hat er "aus Liebe zu Paulus" die Gemeinde seiner Zeit mit seinem Werk erbauen wollen, und insofern kann man von der Absicht einer gewissen Ergänzung sprechen. 5. Wenn aber die Komposition der AP so einheitlich gewesen ist und wenn die Absicht des Verf. es war, dem Paulusbild seiner Zeit in der Form einer erbaulichen Darstellung des Missionsweges des Apostels Ausdruck zu verleihen, dann ist es unwahrscheinlich, daß die AP stückweise, gewissermaßen als Fortsetzungsroman publiziert worden sind. Diese Hypothese Kassers (a. a. 0., S. 57) kann zwar durch die Sonderüberlieferung einzelner Teile (AThe, MP, IH Kor) scheinbar gestützt werden, hat aber gegen sich, daß diese Einzelstücke fest im Gesamtbau des Werkes verankert sind. Daß die Gestaltungskraft des Verf. gegen Schluß seiner Arbeit geringer geworden ist, braucht kein Beweis für ein zeitliches Nacheinander der einzelnen Stücke zu sein. Vielmehr scheint doch das ganze Werk aus einem Guß, wobei der Verf. sicher mancherlei ältere Traditionen in seine Darstellung eingebaut hat und es ihm dabei nicht immer gelungen ist, die Nähte zu verdecken. 1 Mit Recht hat Kasser, a. a. 0., S. 48 Anm. 31 auf eine gewisse Schematik hingewiesen: Reise-Predigt-Verfolgung-Wunder. Aber ob damit die andere Annahme zu verbinden ist, Paulus sei niemals an den gleichen Ort zurückgekehrt, bleibt fraglich. "Vgl. C. Schlau, Die Akten des Paulus und der Thecla, 1877, S. 79ff.; Harnack, Lit.gesch. H, 1, S. 498f. - Schmidt, AP S. 199ff. hat eingehend über die Personen in den AP gehandelt. Sein Ergebnis: die 65 auftretenden Personen haben nichts mit neutestamentlichen Personen zu tun.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
5. THEOLOGISCHE TENDENZ. Die.AP sind kein theologischer Traktat, sondern eine Erbauungsschrift, mit der der Verf. sicher auch bestimmte kirchlich.theologische Absichten verbindet, die auch auf einer gewissen theologischen Bildung beruht, die aber in erster Linie zur Erbauung und Unterhaltung der Gemeinde bestimmt war und nicht für die theologische Diskussion. Das bedeutet, daß man dem Verf. Unrecht tut und falsche Fragen an ihn stellt, wenn man aus seinem Werk ein theologisches System herausarbeiten möchte. So ist denn auch der Versuch von Fr. Loofs, in seinem posthumen Werk (Theophilus von Antiochien adversus Marcionem, 1930) auch die AP als Quelle für die von ihm postulierte Geistchristologie zu reklamieren, höchst fragwürdig. Denn vieles, was Loofs aus den AP anführt, kann auch anders gedeutet werden, wenn man davon absieht, die Aussagen dieses Werkes so stark zu systematisieren, wie Loofs es tut, obwohl er selbst das Nebeneinander verschiedener Vorstellungen feststellt. Neben der Aussage, daß Gott der eine und alleinige Gott sei (AThe 9), steht die andere, daß Christus der Herr und Gott sei (AThe 31). Aber das überrascht doch nur, wenn man das literarische Genus der AP verkennt. Die Kategorien, mit denen Loofs den Text befragt, sind - abgesehen von ihrer sonstigen Fragwürdigkeit - gegenüber einem volkstümlichen Erbauungsbuch unangemessen. Auch der Versuch von E. Peterson, den theologiegeschichtlichen Ort der AP zu bestimmen, scheint mir verfehlt (Einige Bemerkungen ... in: Frühkirche, Judentum und Gnosis, 1959, S. 183-208). Peterson meint, die AP gehören ebenso wie die anderen AGG in den Bereich des Enkratismus, der mit dem Namen Tatians verbunden ist. Dabei hat er nun aber nicht nur - wie Devos überzeugend dargelegt hat (Anal. Boll. 69,1951, S. 119-130) -methodische Fehler gemacht, sondern auch den .AP ein viel zu starkes theologisches Gewicht beigelegt. Viele Züge, die von Peterson als geheimer' Symbolismus' gedeutet werden, lassen sich sehr viel einfacher erklären, nämlich als anschaulicher, volkstümlicher Erzählungsstil (z.B. der Kleiderwechsel der Artemilla, PH S. 2, 16; dazu Peterson, a. a. 0., S. 183f.). Daß weiter diejenigen Häretiker, die der Verf. der AP im Auge hatte, nicht Judenchristen oder Enkratiten waren, scheint mir aus III Kor und anderen Stellen eindeutig hervorzugehen. Man muß also der literarischen Eigenart der .AP entsprechend darauf verzichten, unerlaubte Systematisierungen vorzunehmen, und sich damit begnügen, gewisse theologische Tendenzen aufzuzeigen, die manchmal sogar sich zu widersprechen scheinen (viel Material hat Schmidt, AP, S. 183ff. zusammengestellt). Die christliche Verkündigung ist für den Verf. der AP Predigt von der Enthaltsamkeit und der Auferstehung (AThe 5). In beinahe allen Episoden spielt das Motiv der geschlechtlichen Enthaltsamkeit eine beherrschende Rolle. Die Aufforderung dazu und der Erfolg des Apostels mit dieser Predigt sind denn auch oft der Anlaß zur Verfolgung. Dabei ist die Basis dieser Haltung die Überzeugung, daß die Güter dieser Welt nichts wert und nutzlos seien, daß das Heil im Jenseits liegt und alles darauf ankommt, dieses jenseitige Heil (das zum Teil als Fortleben der unsterblichen Seele vorgestellt zu sein scheint) zu sichern. An den Seligpreisungen AThe c. 5f. wird deutlich, wie sich mit der Mahnung zur sittlichen Reinheit die Hoffnung auf die Herrlichkeit bei Gott verbindet. Die Auferstehung wird denen als Ziel und Lohn verheißen, die sich rein bewahren und ihre Hoffnung auf Gott und Christus setzen. Man kann hier natürlich durch einen Vergleich mit dem echten Paulus zeigen, wie weit sich dieses Christentum des endenden 2. Jahrhunderts von dem Apostel entfernt hat. Aber das wäre doch kein legitimes Unternehmen, da dabei vorausgesetzt wäre, daß diese Gemeinden, aus denen die AP stammen, ursprünglich rein paulinisch gedacht haben, was aber vielleicht gar nicht der Fall war. Viel wichtiger ist, daß man sieht, wie der Verf. den Apostel zum Herold eines sehr schlichten und auf ein paar Formeln reduzierbaren Gemeindeglaubens macht, der nun sehr klare Positionen gegen gnostische Spekulation, Ablehnung des AT, Leugnung der Auferstehung und Erweichung der Ethik bezogen hat. Wie dabei der Doketismus klar abgewiesen wird, zeigt nicht nur III Kor, sondern auch die Rede des Paulus in PH S. 8, 9ff., in der ja nun auch deutlich wird, daß der 'historische Jesus' gar nicht so verschwunden ist, wie man manchmal gemeint hat.
3. Paulusakten
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Die Christologie der AP wird man kaum eindeutig im Sinn der späteren dogmatischen Entscheidungen festlegen können. Die wichtigste Aussage ist für den Verf., daß Christus der Herr ist, nicht nur der Herr seiner Gemeinde, sondern der Welt, des Lebens und des Todes. Wenn dabei manchmal die christologischen Aussagen mit dem Monotheismus in Konflikt zu geraten scheinen, so ist das keine Eigenart der AP, sondern gehört zur Problematik der gesamten frühkirchlichen Christologie. Von einer ausgeprägten Logoschristologie findet man in den AP kaum eine Spur. Mit Recht hat C. Scbmidt (lIII, S.104ff.) darauf hingewiesen, daß die Reden des Paulus in den AP von besonderer Bedeutung sind. In ihnen, die sachlich sebr unterschiedlich sind, während Sprache und Stil ihre Zusammengehörigkeit erweisen, bringt der Verf. seine Intentionen am stärksten zur Geltung. Eine genaue Interpretation dieser Reden, die doch wohl in Anlehnung an die Predigt der Zeit des Verf. geschaffen sind, zeigt, wie das Christentum des 2. Jahrhunderts von Gott und Christus, von Sünde und Gnade, von Heil und Gericht geglaubt und geredet hat. Gegen die spekulative Gnosis hat man sich auf einen im AT wurzelnden Moralismus und auf die überwältigende Hoffnung auf das zukünftige Heil zurückgezogen (zur antignostischen Haltung der AP vgl. W. Bauer, Rechtgläubigkeit und Ketzerei, Register s. v.). Dabei sind viele Seiten der urcbristlichen, speziell der paulinischen Verkündigung sicher nicht mehr wirksam. Aber mit diesem sehr reduzierten und wenig differenzierten Rüstzeug haben die Gemeinden des 2. Jahrhunderts den Kampf gegen die Gnosis bestanden. 6. VERFASSER, ZEIT UND ORT. Nach dem Zeugnis Tertullians (s. o. S. 222) war der Verfasser der AP ein kleinasiatischer Presbyter, der allerdings mit seinem Werk sich die Absetzung von seinem Amt, aber offenbar nicht den Ausschluß aus der Kirche erwarb. Das ist verständlich, wenn man sich die theologische Tendenz vor Augen hält - sie ist wirklich nicht häretisch -, wenn man aber andererseits sieht, welchen Anstoß einzelne Züge der AP bei einer strengeren Prüfung erregen mußten. Es sei nur an die Selbsttaufe der Thekla, an den getauften Löwen und an III Kor erinnert. Vor allem III Kor war doch eine 'Fälschung', die von der Kirche in ihrer Auseinandersetzung mit den Ketzern peinlich empfunden werden mußte (vgl. Rolffs, Apokr, 2. S. 196). Dazu kommt, daß sich wohl schon bald der Vergleich mit der kanonischen AG nahelegte und die AP dann schlecht abschneiden mußten. Gewiß hat der Verf. in gutem Glauben gehandelt, als er "aus Liebe zu Paulus" das zusammenstellte, was an Legenden in den Gemeinden umlief, es ordnete und sicher auch bearbeitete und erweiterte. Denn er wollte damit seiner Kirche im Kampf gegen die Ketzer helfen und die Gemeinden im wahren Christentum stärken. Mehr läßt sich über die Person des Verf. nicht sagen. Seine Heimat ist Kleinasien gewesen. Das sagt nicht nur Tertullian, sondern das geht auch aus dem Werk selbst hervor. Denn die klein asiatischen Stationen sind doch, soweit wir sehen können, diejenigen, von denen der Verf. am meisten zu berichten weiß, während er für Korinth weniger zu bieten hat und sich daher teilweise an die APt hält. Eine nähere Lokalisierung ist kaum möglich, auch wenn man geneigt sein mag, mit Rolffs an Ikonium oder Seleukia zu denken. Aber das bleibt Vermutung. Die Z ei t läßt sich ebenfalls nicht genau bestimmen. Man kann nur sagen, daß die AP vor 200, der ungefähren Abfassungszeit von Tertullian De baptismo, geschrieben sein müssen. Da sie andererseits von den APt abhängig sind, wird man den Zeitraum 185-195 als möglichen Ansatz annehmen dürfen.
16 Henneoke, Apokryphen Bd. 2
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
DIE TATEN DES PAULUS *
1.
(Von Damaskus nach Jerusalem) [Ry; PHeid S. 60/59 und 61/62; vgl. PG, u. S.269] Nach seiner Bekehrung vor Damaskus erhält Paulus den Befehl (von wem?) nach Damaskus und später nach Jerusalem zu gehen. 'Mit großer Freude' geht er nach Damaskus hinein und findet die Gemeinde in der (Feier?) des Fastens. Daran schloß sich wohl eine Predigt vor den Juden. Auf dem Weg des Paulus von Damaskus nach Jericho (d.h. doch wohl nach Jerusalem) hat sich nach dem späteren Bericht des Paulus in Ephesus die Taufe des Löwen ereignet. Ob die Fragmente PHeid S. 60/59 und 61/62 Reste der Schilderung des Aufenthalts und der Tätigkeit des Paulus in Jerusalem enthalten, bleibt unsicher.
2. (Paulus in Antiochien) [PHeid S. 1-6] In Antiochien (syrisches oder pisidisches?) erweckt Paulus einen Toten. Der Sohn des Anchares (griech. Titusakten: Panchares) und der Phila ist gestorben, und Paulus hat sich offenbar zu dem Haus der Eltern begeben, um zu helfen, wird aber von der Frau daran gehindert (so Schmidt, AP S. 92). Anchares fastet und betet, bis die Menge kommt, um den Sohn (nach den Titusakten heißt er Barnabas) herauszutragen. Da kommt Paulus hinzu und - das folgende ist leider verloren - scheint den Knaben erweckt zu haben. Wie es weitergegangen ist, läßt sich nicht sagen. Möglicherweise hat es um das Wunder Auseinandersetzungen gegeben. Wenn es aufPHeid. S.4-, 19f. heißt:
,,(Wir) glauben, Anchares ... , aber rette die Stadt" so deutet das auf irgendwelche Ereignisse, die das Volk in Schrecken versetzen. Vielleicht hat Paulus die Stadt schon verlassen und soll nun zurückgeholt werden. Jedenfalls ist es nach PHeid S. 5 wohl zu einem Bekenntnis des Anchares gekommen, das nun zu der Verfolgung des Paulus durch die Juden führt:
"und (auch) ich (glaube), (daß), meine (Brüder), kein anderer Gott ist, (wenn) nicht (Jesus) Christus, der Sohn (des) Gepriesenen, welchem ist die Ehre (bis in Ewigkeit). Amen." Als sie aber (merkten), daß er sich nicht zu ihnen wenden würde, verfolgten sie Paulus, ergriffen ihn, brachten ihn zurück (in) die Stadt, indem sie ihn mißhandelten (und) sie warfen Steine gegen ihn (und) stießen ihn aus ihrer
m,
* Die "Übersetzung der Texte kann kein Ersatz für eine kritische Ausgabe sein. Daher konnten Varianten nicht vollständig berücksichtigt oder notiert werden. Auch die Lücken in den durch Papyri überlieferten Teilen sind nicht ganz genau angegeben. Anspielungen auf neutestamentliche Stellen oder Begriffe sind nur in Auswahl geboten. Die Sprache der AP ist völlig vom NT her geprägt, ist aber weithin formelhafte Erbauungssprache. Das war im einzelnen in den Anmerkungen hier nicht nachzuweisen. Zu den Abkürzungen siehe oben S. 221, Anm. *.
243
3. PaulUBakten
Stadt und aus ihrem Gebiete 1. Anchares aber vermochte nicht Böses mit Bösem zu vergelten 2. Das folgende ist so fragmentarisch, daß über den Inhalt kaum etwas gesagt werden kann. Nur das steht fest, daß sich an diese Szene unmittelbar der Teil der AP anschließt, der als Acta Pauli et Theclae auch eine Sonderüberlieferung hat.
3. Taten des Paulus und der Thekla 3 [Aa I, p. 235-269; PHeid S. 6-28] 1 Als Paulus nach der Flucht aus Antiochien nach Ikonium hinaufzog, wurden Demas und Hermogenes, der Kupferschmied 4, seine Reisegefährten, voll Verstellung, und hängten sich an Paulus, als ob sie ihn liebten. Paulus aber, der einzig und allein die Güte Christi im Auge hatte, tat ihnen nichts Schlechtes 5, sondern liebte (p. 236) sie sehr, so daß er ihnen alle Worte des Herrn, der Lehre und der Auslegung des Evangeliums sowohl von der Geburt wie von der Auferstehung des Geliebten süß zu machen suchte und die großen Taten Christi 6 ihnen, wie sie ihm selbst offenbart worden waren, Wort für Wort erzählte. 2 Und ein Mann namens Onesiphorus 7, der gehört hatte, daß Paulus nach 8 Ikonium käme, ging mit seinen Kindern Simmias und Zeno und seinem Weibe Lektra 9 dem Paulus entgegen, (p, 237) um ihn bei sich aufzunehmen. Titus hatte ihm nämlich erzählt, welches Aussehen Paulus hätte. Denn er hatte ihn (bisher) nicht im Fleisch gesehen, sondern nur im Geist. 3 Und er ging an die königliche Straße, die nach Lystra führt, stellte sich dort auf, um ihn zu erwarten, und sah sich (alle), die vorbeikamen, auf die Beschreibung des Titus hin an. Er sah aber Paulus kommen, einen Mann klein von Gestalt, mit kahlem Kopf und krummen Beinen, in edler Haltung mit zusammengewachsenen Augenbrauen und ein klein wenig hervortretender Nase, voller Freundlichkeit; denn bald erschien er wie ein Mensch, bald hatte er eines Engels Angesicht 10. (p. 238) 4 Und als Paulus den Onesiphorus sah, lächelte er; und Onesiphorus sagte: "Sei gegrüßt, Diener des hochgelobten Gottes!" Und jener erwiderte: "Die Gnade sei mit dir und deinem Hause!" Demas aber und He;rmogenes wurden eifersüchtig und gingen noch weiter in ihrer Verstellung; Demas aber sprach: "Sind wir denn nicht des Hochgelobten (Diener), daß du uns nicht so grüßt?" Onesiphorus aber sprach: "Ich sehe an euch keine Frucht der Gerechtigkeit; wenn ihr aber etwas seid, so kommt auch ihr in mein Haus und ruht euch aus!" 5 Und als Paulus im Hause des Onesiphorus eingekehrt war, herrschte (dort) große Freude; die Knie wurden gebeugt, das Brot gebrochen und das Wort Gottes von der Enthaltsamkeit und der Auferstehung (verkündet), indem Paulus sprach: 1 S
Vgl. AG 14, 19. • Vgl. Rm. 12,17. In anderen Handschriften: Martyrium der heiligen Protomärtyrerin Thekla (oder ähn-
lich). 4 Vgl. 2. Tim. 4,10; I, 15; 4, I4(?). 5 Lat.: Versah sich von ihnen nichts Böses. 7 Vgl. 2. Tim. I, 16; 4, 19. B Zu den folgenden Zeilen vgl. Pap. Antinoopolis (PA). • PA: mit seinen Kindern und Zenon und seinem Weibe. 16*
6
Vgl. AG 2, 11.
10
Vgl. AG 6, 15.
244
XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
"Selig sind, die reines Herzens sind. denn sie werden Gott schauen 1. Selig sind, die ihr Fleisch rein bewahrt haben, denn sie werden ein Tempel Gottes werden z. Selig sind die Enthaltsamen, denn Gott wird zu ihnen reden. Selig sind, die dieser Welt entsagt haben, denn sie werden Gott wohlgefallen. Selig sind, die Frauen haben als (p. 239) hätten sie nicht, denn sie werden Gott beerben 3. Selig sind, die Gottesfurcht haben, denn sie werden Engel Gottes werden. 6 Selig sind, die vor den Worten Gottes zittern, denn sie werden getröstet werden 4. Selig sind, die die Weisheit Jesu Christi ergriffen haben, denn sie werden Söhne des Höchsten heißen 6. Selig sind, die die Taufe bewahrt haben 6, denn sie werden bei dem Vater und dem Sohn ausruhen. Selig sind, die das Verständnis J esu Christi erfaßt haben, denn sie werden im Lichte sem. Selig sind, die um der Liebe Gottes willen das weltliche Wesen verlassen haben, denn sie werden Engel richten 7 und zur Rechten des Vaters gesegnet werden. Selig sind die Barmherzigen, denn (p. 240) sie werden Barmherzigkeit erlangen 8, und den bitteren Tag des Gerichts werden sie nicht sehen. Selig sind die Leiber der Jungfrauen, denn sie werden Gott wohlgefallen, und sie werden den Lohn ihrer Keuschheit nicht verlieren 9. Denn das Wort des Vaters wird ihnen zum Werk der Rettung auf den Tag des Sohnes werden, und sie werden Ruhe finden 10 in alle Ewigkeit." 7 Und während Paulus so sprach in der Gemeinde im Hause des Onesiphorus, saß eine Jungfrau (namens) Thekla - ihre Mutter war Theoklia -, die mit einem Mann (namens) Thamyris verlobt war, an einem benachbarten Fenster und hörte Tag und Nacht das Wort vom jungfräulichen Leben, wie es von Paulus verkündet wurde. Und sie neigte sich nicht (p. 241) vom Fenster fort, sondern drängte sich im Glauben in unaussprechlicher Freude herzu. Da sie a ber auch noch viele Frauen und J ungfrauen zu Paulus hineingehen sah, hatte sie das Verlangen, auch sie möchte gewürdigt werden, vor dem Angesicht des Paulus zu stehen 11 und das Wort Christi zu hören. Denn sie hatte Paulus von Angesicht noch nicht gesehen, sondörD hörte nur sein Wort. 8 Da sie aber nicht vom Fenster wich, schickte ihre Mutter zu Thamyris. Der aber kam höchst erfreut, als sollte er sie schon zur Hochzeit nehmen. Thamyris sprach nun zu Theoklia: "Wo ist meine Thekla, daß ich sie sehe IZ?" Und 13 Theoklia antwortete: "Eine neue Geschichte habe ich dir zu berichten, Thamyris! Drei Tage und drei Nächte nämlich ist Thekla nicht vom Fenster aufgestanden, weder zum Essen noch zum Trinken, sondern als ob sie sich einer großen Freude zugewandt hat, so hängt sie an einem fremden Mann, der trügerische und schillernde Worte lehrt, so daß ich mich wundere, wie eine Jungfrau, die von so großer Schüchternheit ist wie sie, sich so peinlich belästigen läßt. (p. 242) 9 Thamyris, dieser Mensch bringt Mt. 5, 8. Vgl. 1. Kor. 7,29; Rm. 8, 17. 6 Vgl. 2. Clem. 6, 9. aMt. 5, 7; dieser MakarismuB fehlt in PHeid. 10 Vgl. Mt. 11, 29. 12 In griech. Hss. fehlt: daß ich sie sehe. 1
3
Vgl. Vgl. , Vgl. • Vgl. 2
4
11 13
2. elem. 8, 6; 2. Kor. 6, 16. Mt. 5, 4. 5 Vgl. Mt. 5, 9. 1. Kor. 6, 3. Mt. 10, 42.
So die griechischen Hss. Die folgenden Zeilen in Pap. Ox. 6.
3. Pa.ulusakten
245
die Stadt der Ikonier in Aufruhr und deine Thekla noch dazu. Denn alle Frauen und jungen Leute gehen zu ihm hinein und lassen sich von ihm belehren. 'Man muß', sagt er, 'einen einzigen Gott allein fürchten und enthaltsam leben'. Es wird aber auch noch meine Tochter, die wie eine Spinne am Fenster klebt, durch seine Worte (bewegt und) von einer nie gekannten Begierde und unheimlichen Leidenschaft ergriffen. Ist doch das Mädchen ganz auf seine Rede ausgerichtet und läßt sich davon gefangen nehmen. Aber gehe du zu ihr und sprich mit ihr ; denn dir ist sie ja verlobt! " 10 Und Thamyris ging hin, zugleich in sie verliebt und doch voller Furcht vor ihrer Verwirrung und sprach: "Thekla, meine Braut, was ist mitdir~ Was für eine Leidenschaft hält dich in dieser Verwirrung~ Kehre zurück zu deinem Thamyris und schäme dich!" Aber auch ihre Mutter sagte ihr noch dasselbe: "Kind, was sitzest du hier so (p. 243) und blickst nach unten, antwortest nichts und bist gänzlich verstört~" Und die im Hause waren, weinten sehr, Thamyris um den Verlust der Frau, Theoklia um den der Tochter, die Dienerinnen um den der Herrin. Ein großes Durcheinander und Wehklagen herrschte im Hause. Und obwohl das (alles um sie herum) geschah, wandte sich Thekla nicht ab, sondern war ganz dem Wort des Paulus zugewandt. 11 Thamyris aber sprang auf, ging auf die Straße und beobachtete alle, die bei Paulus ein- und ausgingen. Und er sah zwei Männer, die heftig miteinander stritten, und sprach zu ihnen: "Ihr Männer, wer seid ihr, sagt es mir, und wer ist der bei euch da drinnen, der Irrlehrer, der die Seelen der Jünglinge und Jungfrauen betrügt, daß sie nicht heiraten, sondern so bleiben sollen? Ich verspreche nun, euch viel Geld zu geben, wenn ihr mir über ihn berichtet; denn ich bin der erste in der Stadt". 12 (p. 244) Und Demas und Hermogenes sagten zu ihm: "Wer dieser ist, wissen wir nicht. Er macht aber Jünglingen die Frauen und Jungfrauen die Männer abspenstig, indem er sagt: 'Auf andere Weise gibt es für euch keine Auferstehung, es sei denn, daß ihr rein bleibt und das Fleisch nicht befleckt 1, sondern es keusch bewahrt.'" 13 Thamyris sprach aber zu ihnen: "Kommt in mein Haus, ihr Männer, und ruht euch bei mir aus!" Und sie gingen zu einer üppigen Mahlzeit, mit viel Wein, großem Reichtum und glänzender Tafel. Und Thamyris gab ihnen zu trinken, da er Thekla liebte und sie zur Frau haben wollte. Und während der Mahlzeit sprach Thamyris: "Ihr Männer, sagt mir, was ist seine Lehre, damit auch ich sie kennen lerne; denn ich bin in großer Sorge um Thekla, weil sie den Fremden so liebt und ich um die Heirat komme." (p. 245) 14 Demas und Hermogenes sagten aber: ,.Führe ihn vor den Statthalter Castellius, weil er die Menge überrede zu der neuen Lehre der Christen, und daraufhin wird er ihn hinrichten (lassen); und du wirst Thekla als deine Frau erhalten. Und wir werden dich über die Auferstehung belehren, von der dieser sagt, daß sie geschehe, nämlich daß sie schon in den Kindern geschehen ist 2, die wir haben, und wir auferstanden sind, indem wir den wahren Gott erkannt haben." 3 15 Als Thamyris dies von ihnen gehört hatte, stand er am frühen Morgen voll Eifersucht und Zorn auf und ging zu dem Haus des Onesiphorus mit Beamten und Polizisten und einer beträchtlichen Menge Volks mit Knüppeln und sprach zu Paulus: "Du hast die Stadt der Ikonier verdorben und meine Verlobte, daß sie mich nicht will. Auf, wir wollen zum Statthalter Castellius!" Und der ganze Haufen rief: "Weg mit dem Zauberer! Denn er hat uns alle unsere Frauen verdorben!" Und die Massen ließen sich mit aufwiegeln. (p. 246) 16 Und Thamyris trat vor den Richt1
Vgl. Offbg. 14,4.
S
So mit PHeid gegen Lipsius als ursprünglich anzusehen.
2
Vgl. 2. Tim. 2, 18.
246
XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
stuhl und sprach mit lautem Geschrei: "Prokonsul, dieser Mensch - wir wissen nicht, woher er ist -, der die jungen Mädchen nicht heiraten lassen will, soll vor dir darlegen, weshalb er dies lehrt." Demas aber und Hermogenes sagten zu Thamyris: "Sag, daß er ein Christ ist, und so wirst du ihn verderben." Der Statthalter aber ging mit sich zu Rate und rief Paulus und sprach zu ihm: "Wer bist du und was lehrst du? Verklagen sie dich doch nicht geringfügig." 117 Und Paulus erhob seine Stimme und sprach: " Wenn ich heute verhört werde, was ich lehre, so höre, Prokonsul: Der lebendige Gott 2, der Gott der Rache 3, der eifrige Gott 4, der Gott, der kein Bedürfnis kennt, der hat, weil er das Heil der Menschen will, mich gesandt, daß ich sie der Vergänglichkeit und der Unreinigkeit entreiße und aller Lust und dem Tode, damit sie nicht mehr sündigen. Darum hat Gott seinen Sohn gesandt, den ich als die frohe Botschaft verkünde und lehre, daß in ihm die Menschen (p. 247) Hoffnung haben, er, der allein Mitleid hatte mit der verirrten Welt, damit die Menschen nicht mehr unter dem Gericht seien, sondern Glauben hätten und Gottesfurcht und Erkenntnis der Ehrbarkeit und Liebe zur Wahrheit. Wenn ich nun lehre, was mir von Gott offenbart ist, was tue ich dann für ein Unrecht, Prokonsul?" Als der Statthalter das gehört hatte, gab er Befehl, Paulus zu binden und in das Gefängnis abzuführen, bis er Muße finden werde, ihn gründlicher zu verhören. 5 18 Thekla aber gab in der Nacht ihr Armband, das sie sich abgenommen hatte, dem Türhüter, und als ihr die Tür aufgetan war, ging sie fort in das Gefängnis. Dem Gefängniswärter schenkte sie einen silbernen Spiegel und ging nun zu Paulus hinein, und sie setzte sich ihm zu Füßen und hörte (ihn) die großen Taten Gottes (verkünden) 6. Und Paulus fürchtete nichts, sondern wandelte voller Zuversicht zu Gott. Und ihr Glaube nahm zu, und sie küßte auch seine Fesseln. (p. 248) 19 Als aber Thekla von den Ihrigen und Thamyris vermißt wurde, lief man durch alle Straßen nach ihr, als sei sie verloren gegangen, und einer der Mitsklaven des Türhüters verriet, daß sie nachts hinausgegangen sei. Und sie fragten den Türhüter aus, und er sagte ihnen: "Sie ist zu dem fremden Manne in das Gefängnis gegangen." Und sie gingen hin, wie er ihnen gesagt hatte, und fanden sie, sozusagen mitgefesselt durch ihre Liebe. Und sie gingen von dort hinaus, rissen die Volkshaufen mit sich fort und berichteten dem Statthalter, was geschehen war 7. 20 Und er ließ Paulus vor den Richtstuhl führen. Thekla aber wälzte sich auf der Stelle, wo Paulus lehrte, als er im Gefängnis saß. Der Statthalter ließ auch sie vor den Richtstuhl führen; sie aber ging voller Freude und mit Frohlocken. (p. 249) Als Paulus aber wieder vorgeführt wurde, schrie die Menge noch mehr: "Er ist ein Zauberer, weg mit ihm! 8" Der Statthalter aber hörte den Paulus gern über die heiligen Werke Christi. Und nachdem er beraten hatte, rief er Thekla und sprach: "Warum heiratest du nicht den Thamyris nach dem Gesetz der Ikonier?" Sie aber stand da und schaute unverwandt auf Paulus. Als sie nun nicht antwortete, da schrie Theoklia, ihre Mutter, und rief: "Verbrenne die Gesetzlose, verbrenne die Unglücksbraut mitten im Theater, damit alle Frauen, die sich von diesem haben belehren lassen, .Angst bekommen!" 21 Und der Statthalter hatte viel auszustehen und ließ den Paulus geißeln und zur Stadt hinauswerfen 9, Thekla aber verurteilte er zum Verbranntwerden. Vgl. Mk. 15, 4. • Vgl. 2. MOB. 20, 5. 7 So E F G Lat. Syr. PHeid.
1
2 5 8
Vgl. AG 14, 15 u.a. Vgl. AG 24, 25. Vgl. Lk. 23, 18.
3 6
9
Vgl. Ps. 94, 1. Vgl. Lk.lO, 39; AG2, 11. Vgl. AG 13,50; 14, 19.
3. Paulusakten
247
Und sofort stand der Statthalter auf und ging in das Theater. Und der ganze Volkshaufen zog hinaus zu dem unabwendbaren Schauspiel. Thekla aber suchte, wie ein Lamm in der Wüste nach dem Hirten umherschaut, (p. 250) nach Paulus. Und als sie über die Volksmenge hinwegblickte, sah sie den Herrn in der Gestalt des Paulus sitzen und sagte: "Als ob ich nicht standhaft wäre, ist Paulus gekommen, um nach mir zu sehen." Und sie schaute auf ihn unverwandt; er aber entschwand in den Himmel. 22 Die Jünglinge und Jungfrauen aber brachten Holz und Stroh herzu, damit Thekla verbrannt würde. Wie sie nun nackt hereingeführt wurde, weinte der Statthalter und bewunderte die Kraft, die in ihr war. Die Henkersknechte aber schichteten das Holz auf und befahlen ihr. den Scheiterhaufen zu besteigen. Sie aber stieg auf das Holz, indem sie die Gestalt des Kreuzes machte (d.h. die Arme ausbreitete). Sie aber legten von unten Feuer an. Und obwohl ein mächtiges Feuer aufleuchtete 1, berührte das Feuer sie nicht. Denn Gott hatte Erbarmen und ließ ein unterirdisches Grollen eintreten und von obenher überschattete eine Wolke voll Wasser und Hagel (das Theater) und ihr ganzer (p. 251) Inhalt ergoB sich, so daß viele in Gefahr gerieten und starben und das Feuer ausgelöscht, Thekla aber gerettet wurde. 23 Paulus aber weilte fastend mit Onesiphorus, seiner Frau und seinen Kindern in einer offenen Grabanlage an dem Wege, auf dem man von Ikonium nach Daphne gelangt. Nachdem aber viele Tage vergangen waren, während sie fasteten, sprachen die Kinder zu Paulus: "Wir haben Hunger". Und sie hatten nichts, wovon sie Brote hätten einkaufen können; denn Onesiphorus hatte die weltlichen Dinge verlassen und war dem Paulus mit seiner ganzen Familie gefolgt. Paulus aber zog sein Obergewand aus und sprach: "Gehe hin, mein Kind, (verkaufe dies und) 2 kaufe mehrere Brote und bringe sie her!" Als der Knabe aber beim Einkaufen war, sah er seine Nachbarin Thekla und erschrak und sagte: "Thekla, wohin gehst du ~" Sie antwortete: "Ich bin hinter Paulus her, nachdem ich aus dem Feuer gerettet bin." Und der (p. 252) Knabe sprach: "Komm, ich führe dichzu ihm; denn er seufzt um dich und betet und fastet schon sechs Tage." 24 Als sie aber zu dem Grabe trat, hatte Paulus die Knie gebeugt und betete: "Vater Christi, möge das Feuer Thekla nicht anrühren, sondern stehe du ihr bei, denn sie ist dein!" Sie aber rief hinter ihm stehend: "Vater, der du den Himmel und die Erde gemacht hast 3, du, der Vater deines geliebten Sohnes (Jesus Christus) 4, ich preise dich, daß du mich aus dem Feuer gerettet hast, damit ich Paulus sehe!" Und als Paulus aufstand, sah er sie und sprach: "Gott, du Herzenskundiger 5, Vater unseres Herrn Jesu Christi, ich preise dich, daß du das, worum ich (dich) bat, so schnell (getan hast) und hast mich erhört." 25 Und drinnen in der Grabanlage herrschte große Liebe; und Paulus (p. 253) und Onesiphorus und alle jubelten. Sie hatten aber fünf Brote und Gemüse und Wasser, und sie waren fröhlich über die heiligen Werke Christi. Und Thekla sprach zu Paulus: "Ich will mich rundherum scheren und dir folgen, wohin du (auch) gehst 6." Er aber sprach: "Die Zeit ist böse und du bist schön von Gestalt. Daß nur nicht eine andere Versuchung über dich komme, schlimmer als die erste, und du nicht aushältst und feige wirst!" Und Thekla sagte: "Gib mir nur das Siegel in Christo, und keine Versuchung wird mich ergreifen." Und Paulus antwortete: "Thekla, habe Geduld, und du wirst das Wasser empfangen." 1 3 5
Vgl. Mart. Polyc. 15, 1. Vgl. AG 4, 24; 14, 15. Vgl. AG 1, 24; 15,8.
• Nur in einem Teil der Überlieferung. Nur in einem Teil der Überlieferung; fehlt in PHeid. 6 Vgl. Mt. 8, 19. 4
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
26 Und Paulus entließ den Onesiphorus mit seiner ganzen Familie, nahm Thekla darauf zu sich und kam nach Antiochien. Gleich bei ihrer Ankunft aber wurde ein Syrer 1 mit Namen Alexander, einer der ersten der Antiochener, als er Thekla erblickte, von Liebe zu ihr ergriffen, und suchte Paulus durch Geld und Geschenke zu erbitten. Paulus aber sagte: "Ich kenne die Frau nicht, (p. 254) von der du sprichst; sie ist auch nicht mein." Er aber, der ja ein mächtiger Mann war, umarmte sie einfach auf offener Straße. Sie aber hielt nicht still, sondern sah sich nach Paulus um. Und heftig schrie sie auf: "Tue einer Fremden nicht Gewalt an, tue nicht der Magd Gottes Gewalt an ! Unter den Ikoniern bin ich eine der Ersten, und weil ich den Thamyris nicht heiraten wollte, bin ich aus der Stadt vertrieben." Und sie ergriff Alexander und zerriß ihm das Obergewand, riß ihm den Kranz vom Kopf und machte ihn zum Gespött. 27 Er aber, teils voll Liebe zu ihr, teils voll Scham über das, was ihm geschehen war, führte sie vor den Statthalter, und da sie gestand, daß sie das getan habe, verurteilte er sie zum Tierkampf (, da Alexander Spiele veranstaltete) 2. Die Weiber aber gerieten außer sich und schrieen vor dem Richtstuhl: "Ein übles (p. 255) Gericht! Ein gottloses Gericht!" Thekla aber bat den Statthalter, daß sie unberührt bliebe, bis sie mit den Tieren kämpfen müsse. Und eine reiche Frau, namens Tryphäna, deren Tochter gestorben war, nahm sie in ihre Obhut und fand an ihr Trost. 28 Als nun der Umzug der Tiere stattfand, band man sie an eine wilde Löwin, und die Königin Tryphäna folgte ihr. Und die Löwin leckte, während Thekla oben drauf saß, ihr die Füße, und die ganze Volksmenge geriet außer sich. Ihre Schuld aber lautete in der überschrift 3: 'Tempelräuberin' . Die Frauen aber schrien mit den Kindern VOn oben her und riefen: ,,0 Gott, ein gottloses Gericht 4 geschieht in dieser Stadt!" Und nach dem Umzug nahm Tryphäna sie wieder zu sich. (p. 256) Ihre Tochter o nämlich, die gestorben war, hatte im Traum zu ihr gesprochen: "Mutter, die Fremde, die verlassene Thekla, sollst du an meiner Stelle annehmen, damit sie für mich bete und ich an den Ort der Gerechten versetzt werde." 6 29 Als nun nach dem Umzug Tryphäna sie zu sich nahm, war sie einerseits traurig, weil sie am folgenden Tag mit den Tieren kämpfen sollte, andererseits aber liebte sie sie wie ihre Tochter Falconilla; und sie sprach: "Mein zweites Kind, Thekla, komm bete für mein Kind, daß es lebe; denn das habe ich im Traum geschaut." Sie aber erhob, ohne zu zögern, ihre Stimme und sprach: "Du Gott der Himmel, Sohn des Höchsten 7, verleihe ihr nach ihrem Willen, daß ihre Tochter Falconilla leben möge in (p. 257) Ewigkeit!" Und als Thekla so sprach, trauerte Tryphäna 8, da sie daran dachte, daß solche Schönheit vor die Tiere geworfen werden sollte. 30 Als es Morgen geworden war, kam Alexander, um sie abzuholen, - er selbst nämlich veranstaltete die Tierkämpfe - und sagte: "Der Statthalter hat seinen Platz eingenommen und die Volksmenge ruft lärmend nach uns; gib (sie) heraus, ich will die Tierkämpferin abführen." Try1 Vgl. Gebhardt, S. XCVIII; PHeid: Ein Syrer mit dem Namen Alexander, (der) der Große von Antiochien war, indem er vieles in der Stadt tat unter allen Oberen. Vgl. zu dieser Stelle o. S. 226. 2 In der griechischen Überlieferung ausgefallen, vgl. Gebhardt, S. XCIXf. und PHeid. 3 Vgl. Mk. 15, 26. 4 'Gericht' vielleicht sekundär, vgl. Gebhardt, S. Cf. S Lipsius mit Hs. A: Tochter Falconilla. • Vgl. dagegen 2. Clem. 8, 3. 7 So nach Gebhardt, S. Clf. 8 Gebhardt, S. CI möchte als ursprünglich annehmen: Und als Tryphäna das hörte, trauerte sie.
3. Paulusakten
249
phäna aber schrie auf, so daß er floh, indem sie ausrief: "Die Trauer um meine Falconilla kommt zum zweiten Male über mein Haus, und keiner ist, der hilft; weder ein Kind, denn es ist tot, noch ein Verwandter, denn ich bin eine Witwe. Gott Theklas, meines Kindes, stehe der Thekla bei!" 31 Und der Statthalter schickte Soldaten, um Thekla herbeiführen zu lassen. Tryphäna aber trat nicht zur Seite, sondern ergriff sie selbst bei der Hand und geleitete sie mit den Worten: "Meine Tochter Falconilla habe ich (p. 258) zu Grabe geleitet; dich aber, Thekla, geleite ich zum tierkampf." Und Thekla weinte bitterlich und seufzte zum Herrn und sprach: "Herr Gott, dem ich vertraue, zu dem ich meine Zuflucht genommen habe, der mich aus dem Feuer errettet hat, belohne Tryphäna, die mit deiner Magd Mitleid hatte, daß sie mich rein bewahrt hat." 32 Es entstand nun Lärm! und Gebrüll der Tiere und Geschrei des Volkes und der Frauen, die mit dabei saßen, indem die einen riefen: "Führe die Tempelräuberin herein!" - die anderen: "Daß doch die Stadt unterginge wegen dieses Frevels, töte uns alle, Statthalter; klägliches Schauspiel, schändliches Gericht!" 33 Thekla aber wurde den Händen der Tryphäna entrissen und entkleidet und (p. 259) empfing einen Schurz und wurde in die Rennbahn gestoßen. Und Löwen und Bären wurden auf sie losgelassen, und eine wilde Löwin lief auf sie zu und legte sich ihr zu Füßen. Der Haufen der Frauen aber erhob ein großes Geschrei. Und es ging eine Bärin auf sie los; die Löwin aber lief ihr entgegen und zerriß die Bärin. Und wiederum ging ein Löwe auf sie los, der auf Menschen abgerichtet war und Alexander gehörte. Und die Löwin verbiß sich mit dem Löwen und kam mit ihm um. (p. 260) Lauter aber klagten die Frauen, weil auch die Löwin, die ihr beistand, tot war. 34 Da ließen sie viele Tiere herein, während sie dastand und die Hände ausgebreitet hatte und betete. Als sie aber ihr Gebet beendet hatte, wandte sie sich um und sah eine große Grube voll Wasser und sprach : "Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, mich zu waschen." Und sie stürzte sich selbst hinein mit den Worten: "Im Namen Jesu Christi taufe ich mich am letzten Tage!" Als das die Frauen und das ganze Volk sahen, weinten sie und riefen: "Stürze dich nicht selbst ins Wasser!" Sogar der Statthalter vergaß Tränen, weil soviel Schönheit von den Robben gefressen werden sollte. Sie also stürzte sich (p. 261) ins Wasser im Namen Jesu Christi; die Robben aber sahen den Glanz eines Blitzes und schwammen tot an der Oberfläche. Und um sie herum war eine Wolke von Feuer, so daß weder die Tiere sie anrühren konnten noch sie in ihrer Nacktheit gesehen werden konnte. 35 Als aber andere schreckliche Tiere losgelassen wurden, klagten die Frauen, und die einen warfen Grünes, die anderen Narde, andere Zimt und andere Amomum hinab, so daß eine Menge Spezereien dort waren. Alle losgelassenen Tiere aber waren wie vom Schlaf befangen und rührten sie nicht an. Daher sagte Alexander zum Statthalter: "Ich habe sehr wilde Tiere, an die wollen wir die Tierkämpferin binden." Verdrießlich gestattete es (p. 262) der Statthalter und sagte: "Tue, was du willst." Und man band sie mit den Füßen mitten zwischen die Stiere und legte unter deren Geschlechtsteile glühend gemachte Eisen, damit sie noch mehr gereizt (würden und) sie töten sollten. Die nun sprangen zwar; aber die ringsum lodernde Flamme brannte die Stricke durch, und sie war, als ob sie nicht gebunden wäre. 36 Tryphäna aber fiel in Ohnmacht, während sie bei der Arena stand, so daß die Dienerinnen sagten: "Die Königin Tryphäna ist gestorben." Und der Statthalter merkte auf und die ganze Stadt wurde bange. Und Alexander fiel dem Statthalter zu Füßen und rief: (p. 263) "Habe Erbarmen 1
Vgl. Mart. Polye. 8, 3.
250
XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
mit mir und mit der Stadt und laß die Tierkämpferin frei, damit nicht auch die Stadt mit zugrunde gehe! Denn wenn der Kaiser dies hört, wird er wahrscheinlich mit uns auch die Stadt verderben, weil seine Verwandte Tryphäna 1 am Zirkustor gestorben ist." 37 Und der Statthalter ließ Thekla mitten aus den Tieren heraus rufen und sprach zu ihr: "Wer bist du und was hat es mit diraufsich, daß auch nicht eines von den Tieren dich anrührte~" Sie antwortete: "Ich bin eine Dienerin des lebendigen Gottes; was es aber mit mir auf sich hat: Ich habe an den geglaubt, an dem Gott Wohlgefallen hatte, an seinen Sohn. a Um seinetwillen hat mich keines von den Tieren angerührt. Denn er (p. 264) allein ist das Ziel der Rettung und die Grundlage unsterblichen Lebens. Ist er doch für die, die vom Sturm geplagt sind, eine Zuflucht, für Bedrängte Erquickung 3, für Verzweifelte Schutz, mit einem Wort: wer nicht an ihn glaubt, wird nicht leben, sondern tot sein in Ewigkeit." 38 Als der Statthalter das hörte, ließ er Kleider herbeibringen und sprach: "Ziehe die Kleider an!" Sie aber antwortete: "Der mich bekleidet hat, als ich nackt unter den Tieren war, der wird mich am Tage des Gerichts mit Heil bekleiden." Und sie nahm die Kleider und zog SIe an. Und sogleich gab der Statthalter eine Verfügung heraus des Inhalts: "Thekla, die fromme Dienerin Gottes gebe ich euch los." Die Frauen aber schrien alle mit lauter Stimme und lobten Gott wie aus einem Munde und sprachen: "Einer ist Gott, der Thekla gerettet hat", sodaß von dem Schreien die ganze Stadt erbebte (p. 265) 39 und Tryphäna, als sie die frohe Botschaft vernahm, mit der Volksmenge ihr entgegenkam und Thekla umarmte und sprach: "Jetzt glaube ich, daß die Toten erweckt werden! Jetzt glaube ich, daß mein Kind lebt! Komm herein, und alles, was mein ist, will ich dir vermachen." Thekla ging nun mit ihr hinein und ruhte sich in ihrem Hause acht Tage aus und unterrichtete sie im Worte Gottes, so daß auch von den Dienerinnen mehrere zum Glauben kamen und in dem Hause große Freude herrschte. (p. 266) 40 Thekla aber sehnte sich nach Paulus und suchte ihn, indem sie überall herumschickte. Und es wurde ihr mitgeteilt, er sei in Myra. Da nahm sie Diener und Dienerinnen, gürtete sich und nähte ihr Gewand zu einem Oberkleid nach Männerart, und sie kam in Myra an und fand Paulus, wie er das Wort Gottes verkündete, und trat zu ihm. Er aber erschrak, als er sie sah, und die Menge bei ihr, da er daran dachte, ob ihr nicht eine andere Versuchung nahe sei. Sie aber bemerkte es und sprach zu ihm: "Ich habe das Bad genommen, Paulus; denn der mit dir zusammen gewirkt hat für das Evangelium, hat auch mit mir zusammen gewirkt, (mich) zu waschen." (p. 267) 41 Und Paulus ergriff sie bei der Hand und führte sie in das Haus des~Hermias und hörte von ihr alles (, was sich ereignet hatte), sodaß Paulus sich sehr wunderte und die Hörer gestärkt wurden und für Tryphäna beteten. Und Thekla stand auf und sprach zu Paulus: "Ich gehe nach Ikonium." Paulus aber antwortete: "Gehe hin und lehre das Wort Gottes!" Tryphäna nun sandte ihr viele Gewänder und Gold, so daß sie (davon) Paulus zurücklassen konnte für den Dienst an den Armen. (p. 268) 42 Sie selbst aber zog nach Ikonium und trat in das Haus des Onesiphorus und warf sich auf den Boden, wo Paulus gesessen und die Worte Gottes gelehrt hatte, und sie weinte und sprach: "Mein Gott ~d Gott dieses Hauses, wo 1
S
Lipsius: Tryphäna, die Königin. Aber wohl sekundärer Zusatz, vgl. Gebhardt, S. CIV. Vgl. Mk. 1, 11 Par. 3 Vgl. 2. ThesB. 1,7.
3. Paulusakten
251
mir das Licht aufleuchtete, Christus Jesus, Gottes Sohn, mein Helfer im Gefängnis, Helfer vor Statthaltern, Helfer im Feuer, Helfer unter den Tieren, du selbst bist Gott und dir sei Ehre in Ewigkeit, Amen." (p. 269) 43 Und sie fand Thamyris gestorben, ihre Mutter aber noch am Leben; und sie rief ihre Mutter und sprach zu ihr: "Theoklia, meine Mutter, kannst du glauben, daß ein Herr im Himmel lebt? Denn ob du nach Geld und Gut verlangst, der Herr wird es dir durch mich geben, oder nach deinem Kinde, siehe, ich stehe an deiner Seite." Und als sie solches Zeugnis abgelegt hatte, ging sie fort nach Seleukia; und nachdem sie viele durch das Wort Gottes erleuchtet hatte, entschlief sie eines sanften Todes.
4. (Paulus in Myra) [PHeid S. 28-35]
(Als er herausgegangen war aus) Antiochia (und er lehrte in) Myrrha (s. 28) Als Paulus (lehrte) in Myra das Wort Gottes, da (war) ein Mann mit Namen Hermokrates, der wassersüchtig war. Der stellte sich vor aller Augen hin und sagte zu Paulus: "Nichts ist unmöglich bei Gott 1, besonders aber (bei) dem, den du verkündigst; als er nämlich gekommen ist, hat er, dessen Diener du bist, viele geheilt 2 • Siehe, ich und meine Frau (und) meine Kinder, (S. 29), wir werfen uns (dir) zu Füßen, ( ...... ), damit auch ich gläubig werde, (wie) du gläubig geworden bist an den lebendigen Gott 3 ." (Paulus) sprach zu ihm: "Ich werde dir geben ( ...... ) ohne Lohn, sondern (durch den) Namen Jesu Christi wirst du werden (gesund im Angesicht) von allen diesen. 4" Die nächsten Sätze sind schlecht erhalten. Es wird wohl die Heilung beschrieben. Der Mann verliert viel Wasser und fällt wie tot um .
. . . sodaß einige sagten: ,,(Es ist) nützlich für ihn, daß er stirbt, damit (er nicht) in Schmerzen sei." Als Paulus aber die Menge beruhigt hatte, (ergriff) er seine Hand, richtete ihn auf und befragte ihn, (indem er) zu ihm sagte: "Hermokrates ( ...... ), was du willst". Er aber sprach: "Ich will essen." 5 (Und) er nahm ein Brot und gab (es) ihm, damit er (es) äße. Er wurde gesund in jener Stunde und empfing die Gnade des Siegels im Herrn, er mit seiner Frau. Hermippus aber, sein Sohn, war zornig (auf) Paulus und suchte nach einer festgesetzten Zeit (guten Gelegenheit?), daß er mit seinen Altersgenossen sich aufmache, um ihn zugrunde zu richten. Denn er wünschte nicht, daß sein Vater geheilt würde, sondern (S. 30) (daß) er sterbe, damit (er) schnell über sein Vermögen Herr würde .. Dion, aber, sein jüngerer (Sohn) hörte den Paulus gern. Das Folgende ist schlecht erhalten. Inhalt ist wohl: Die Freunde des Hermippus beratschlagen, wie sie Paulus umbringen können. Dion fällt herunter und stirbt. Hermokrates klagt sehr, vergißt aber über der Predigt des Paulus, daß Dion gestorben ist. Vgl. Mk. 10,27 Par. Vgl. 1. Thess. 1, 9; AG 14,15 u.a. • Vgl. AG 3, 6.
1
2
V gl. z. B. Mt. 15, 29-31.
6
Vgl. Mk. 5,43.
3
252
XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhundert8
Deshalb, weil Dion gestorben war, zerriß seine Mutter Nympha
(S. 31) ... Es hatte aber zu ihm gesagt ein Engel <des) Herrn in der Nachtl: "Paulus,
Aber bittet ihn; siehe, <weil?) er meinen Vater gerettet und meinen Bruder auferweckt hat, so ist es ihm möglich, auch mich zu retten." Paulus aber stand da und weinte, einerseits vor (im Blick auf) Gott, daß er ihn (so) schnell erhöht hatte, andererseits aber auch vor den (im Blick auf die) Menschen, daß der Stolze so in Niedrigkeit (herabgedrückt) worden war. Er wandte sich und ging hinauf ... Es fehlt wahrscheinlich ein Blatt. Der obere Teil von S. 33 ist so fragmentarisch erhalten, daß man zwar mit Hilfe der Ergänzungen von C. Schmidt den Inhalt wiedergeben kann, aber eine Übersetzung ist nicht möglich. Zum Inhalt vgl. o. S. 230.
Und sie sahen Hermippus
Vgl. AG 18,9.
B
Vgl. Mk 14,48 Par.
253
3. Paulusakten
ist doch) auferstanden." Es ließ aber (S. 34) Hermokrates (. ..... ) und brachte den Erlös den (Witwen) und nahm es und verteilte es ..... . Die folgenden Zeilen sind wieder sehr zerstört. Sie aber und Paulus (beteten) zu Gott. Als aber Hermippus sehend wurde, wandte er sich zu Nympha, seiner Mutter, indem er zu ihr sagte: "Paulus ist gekommen und hat seine Hand auf mich, der ich weinte, gelegt. Und in jener Stunde wurde ich sehend (und sah) alle Dinge deutlich." Und sie ergriff seine Hand und führte (ihn) hinein zu den Witwen und Paulus. Die letzten Zeilen von S. 34 sind sehr zerstört. Zwischen S. 34 und S. 35 fehlt möglicherweise ein Blatt. Auf S. 35 scheint der Schluß einer Rede des Paulus gestanden zu haben. Den letzten Satz vor dem Lemma ergänzt C. Schmidt: (Als aber) Paulus (befestigt) die Brüder, die (sich befanden in) Myra, ging er hinauf nach (Sidon).
5. (Paulus in Sidon) [PHeid S. 35-39] Als er herausgegangen war aus Myra und (er) hinauf(gehen wollte nach Sidon). (S. 35) Als (aber Paulus herausgegangen war aus Myra und) hinauf (gehen wollte) nach Si (don), da herrschte große Trauer bei den Brüdern, die in (Pisidien) und Pamphylien waren, da sie (nach) seinem Wort und seiner heiligen Gestalt begehrten, sodaß einige aus Perge 1 dem Paulus nachfolgten, nämlich Thrasymachus und Kleon mit ihren Frauen, Aline 0) und Chrysa, der Frau des Kleon. Das folgende ist nur fragmentarisch erhalten. Zum Inhalt vgl. o. S. 230 f. Es fehlen da.nn mindestens 2 Blätter, möglicherweise mehr (s. o. S. 230 f.). S. 37 setzt mit einer Rede des Paulus in Sidon ein. (S. 37) " ... (nach) Art von fremden Menschen. Warum wagt ihr euch an Dinge, die sich nicht gehören~ Habt ihr nicht von dem gehört, was geschehen ist, was Gott über Sodom und Gomorra gebracht hat 2 deswegen, weil sie raubten ... " Der Rest der Rede ist stark zerstört. (Sie aber) hörten nicht auf ihn, sondern (ergriffen) sie und warfen sie in (den Tempel des Apol)lo, damit sie sie bewahrten auf (morgen), auf daß sie versammelten die Stadt ( ...... ). Viele aber und kostbare Speisen gaben sie ihnen, Paulus aber, der den dritten Tag fastete, legte Zeugnis ab die ganze Nacht, indem er betrübt war und sein Angesicht schlug und sprach: "Gott, blicke herab auf ihre Drohungen 3 und laß uns nicht fallen, und nicht soll uns niederwerfen(1) (S. 38) unser Widersacher, sondern (rette) uns dadurch, daß du herabkommen läßt über uns in Eile deine Gerechtigkeit" . Die folgenden Zeilen sind stark zerstört. Auf das Gebet des Paulus stürzt wohl ein Teil des Tempels ein, was erhebliches Aufsehen erregt. 1
Vgl. AG 13, 13ff.
2
Vgl. 1. Mos. 19.
3
Vgl. AG 4, 29.
254
XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
Sie (d.h. diejenigen, die den eingestürzten Tempel gesehen hatten) gingen weg (und) verkündeten in der Stadt: "Der Gott der Sidonier, der Apollo ist gefallen, und die Hälfte seines Tempels." Es liefen aber alle Bewohner der Stadt zum Tempel (und) sahen Paulus und seine Begleiter, die weinten über diese Anfechtung, daß sie ein Schauspiel sein würden für alle. Die Menge aber schrie: "Führt sie ins Theater!" Es kamen die Strategen, um sie zu führen. Und sie seufzten bitterlich in der Seele ... Es fehlen hier mindestens 2 Blätter. Auf S. 39, die den Schluß der Sidonepisode bringt, ist nur wenig zu lesen. Anscheinend hält Paulus eine Rede, die die Menge umstimmt. Den Schluß ergänzt Schmidt: (Er aber) befahl (ihnen), zu gehen nach Tyrus ... (in) dem Heile (1) und sie setzten Paulus (auf ein Schiff)1 (und) gingen mit ihm.
6. (Paulus in Tyrus) [PHeid S. 40] Als er herausgegangen war aus Sidon und hinaufgehen wollte nach Tyrus. (S. 40) Als aber (Paulus) hineingegangen war (nach Tyrus) da (kam eine) Menge Juden ( .... ) hin zu ihm. Die folgenden Zeilen sind zerstört. Paulus predigt wohl und treibt auch Dämonen aus. Die Namen Amphion und Chrysippus sind zu erkennen. Sofort aber (:flohen) die Dämonen. Während die Menge aber (dieses) sah (in der Kraft) Gottes, priesen sie den, welcher ( ...... ) den Paulus. Es war aber einer mit Namen ( ... )rimos, der hatte einen (Sohn), der ihm stumm geboren war ... Damit bricht die Tyrusepisode ab; vgl. o. S. 231 f.
7. (Paulus in Ephesus) [PH S.1-5] Voraus geht ein Aufenthalt in Smyrna und die Ankunft in Ephesus, wo Paulus im Hause von Aquila und Priszilla predigt (vgl. PG, u. S. 268). PH setzt ein mit der Szene vor dem Statthalter. (S.l) Paulus aber sagte zu ihm: ,,( ... ) Denn du hast keine Macht (über mich außer über) meinen Leib; die Seele aber (kannst) du nicht (töten) 1. (Höre) aber, in welcher Weise du gerettet werden mußt. Und alle (meine Worte) zu Herzen nehmend ( ... ) und die Erde und Sterne und Herrschaften und ( ... ) und alle Güter der Welt wegen ( ... ) geschaffen ( ... ) der Menschen ( ...... ) verführt und geknechtet ( ... ) durch Gold ( ... ) Silber und Edelsteine ( ... ) und Ehebruch und Trunk. ( ... ), die zur Täuschung führten durch die vorgenannten ( ... ) gehend wurden getötet 2. 1
Vgl. Mt. 10, 28.
2
Vgl. Rm. 13,13; Gal. 5, 20f.; 1. Clem. 30,1.
3. Paulusakten
255
Jetzt nun, da der Herr will, daß wir in Gott leben wegen des Irrtums in der Welt (und nicht) sterben in Sünden, rettet er durch die ( ... ), die predigen, damit ihr Buße tut und glaubt, ( ... )1 und einen Christus Jesus und kein anderer existiert. Denn eure Götter sind aus ( ... ) und Stein und Holz und können weder Nahrung aufnehmen noch sehen noch hören, ja nicht einmal stehen. Faßt einen guten Vorsatz und laßt euch retten, damit nicht Gott erzürnt werde und euch in unauslöschlichem Feuer 2 verbrenne und euer Gedächtnis vergehe." 3 Und als der Statthalter dieses hörte (. .. ) im Theater mit dem Volke, sagte er: "Ihr Männer von Ephesus, daß dieser Mann gut gesprochen hat, weiß ich, ebenso aber, daß ( ... ) keine Zeit ist, daß ihr dieses lernt. Was ihr nun wollt, entscheidet!" Die einen sagten, man solle ihn verbrennen ( .•.... ), die Goldgießer 4 aber sagten: "Vor die Tiere mit dem Mann!" Und da sich ein großer (Lärm) erhob, verurteilte Hieronymus ihn zum Tierkampf, nachdem er ihn hatte geißeln lassen. Die Brüder nun, da es Pfingsten war, weinten nicht und beugten auch nicht die Knie, sondern frohlockten und beteten (stehend). Nach sechs Tagen aber machte Hieronymus ( ... )5 alle, die es sahen, die Größe (. .. )6 bestaunten. (S. 2). Die ersten Zeilen sind unvollständig erhalten. Paulus sitzt gefangen und hört die Vorbereitungen zum Tierkampf.
Und (als der Löwe) an die Seitentür des Stadion kam, (wo Paulus) gefangen war, brüllte er laut, so daß alle ( ... ) riefen: "Der Löwe!" ; denn er brüllte heftig und grimmig, <sodaß Paulus) voller Furcht aus dem Gebet aufgeschreckt wurde. Es war ( ... ) Diophantes, ein Freigelassener des Hieronymus, dessen Frau eine Jüngerin des Paulus war und Tag und Nacht bei ihm saß, (sodaß) Diophantes eifersüchtig wurde und auf den Tierkampf drängte. (Und) Artemilla, die Frau des Hieronymus wünschte den Paulus (beten) zu hören und sprach zu Eubula, der Frau des Diophantes: ,,( ... ) zu hören das Gebet des Tierkämpfers." Und sie ging hin und meldete es dem Paulus, und voller Freude sprach Paulus: "Führe sie herbei!" Sie aber zog dunklere Kleider an und kam zu ihm mit Eubula. Als aber Paulus sie sah, seufzte er und sprach: "Weib, Herrin dieser Welt, Gebieterin vielen Goldes, Bürgerin vieler Schwelgerei, Prahlerin der Gewänder, setze dich auf den Boden und vergiß den Reichtum und deine Schönheit und deinen Schmuck. Denn dieses wird dir nichts nützen, wenn du nicht zu Gott betest, der das, was hier großartig ist, für Kot ansieht, das aber, was dort wunderbar ist, gnädig gewährt. Gold vergeht, Reichtum wird verzehrt, Kleider werden verbraucht. Schönheit altert und große Städte verändern sich und die Welt wird in Feuer vernichtet 7 wegen der Gesetzlosigkeit der Menschen. Gott allein aber bleibt und die durch ihn geschenkte Kindschafts, durch welchen (sc. Gott) man gerettet werden muß 9. Und jetzt, Artemilla, hoffe auf Gott und er wird dich erretten, hoffe auf Christus und er wird dir Vergebung der Sünden geben 1 Wohl zu ergänzen: daß es nur einen Gott gibt; vgl. 1. Kor. 8, 4ff.; Eph. 4, 5.6; 1. Tim. 2,5; Jak. 2,19; vgl. auch PHeid S. 5,11 (s. o. S. 242): Es gibt keinen anderen Gott, wenn nicht Jesus Christus, den Sohn des Gepriesenen. • Vgl. Mt. 3, 12 Par. a Zu der Predigt des Paulus vgl. die Parallelüberlieferung in PG, franz. Übersetzung bei Kasser, RHPhR 40,1960, S. 55f. . , Vgl. AG 19, 24ff. 5 ergänze: die Tierschau. • ergänze: der Tiere. 7 Vgl. 1. Kor. 3, 13; 2. Petr. 3,7. 8 Vgl. Rm. 8, 15. 23; 9,4; Gal. 4, 5; Eph. 1,5. 9 Vgl. AG 4,12.
256
XIII. Apostelgeschl:chten de8 2. und 3. Jahrhunderts
und wird dir beilegen den Freiheitskranz, damit du nicht mehr den Götzenbildern dienst und den Opferdämpfen, sondern dem lebendigen Gott l und Vater Christi, dessen die Herrlichkeit ist von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. 2" Und als Artemilla dieses hörte, bat sie mit Eubula den Paulus, daß er sie (nunmehd) in Gott taufe. Und für morgen war der Tierkampf (vorgesehen). (S. 3) Und Hieronymus hörte von Diophantes, daß die Frauen Nacht und Tag bei Paulus säßen und war nicht wenig zornig auf Artemilla und die Freigelassene Eubula. Und von der Mahlzeit ging Hieronymus vorzeitig weg, damit er schnell den Tierkampf durchführe. Sie (sc. die Frauen) aber sagten zu Paulus: "Willst du, daß wir einen Schmied holen, damit du befreit uns im Meer taufen kannst?" Und Paulus sagte: "Ich will (es) nicht. Denn ich habe Vertrauen zu Gott, der die ganze Welt aus (ihren) Fesseln erlöst hat". Und es rief Paulus zu Gott am Sabbat, während der Herrentag nahte, an dem Tage (sc. der Tag nämlich), an welchem Paulus mit den Tieren kämpfen sollte; und er sprach: "Mein Gott, Jesus Christus, der du mich aus so vielen Übeln erlöst hast 3, gib, daß vor den Augen von Artemilla und Eubula, die dir angehören, die Fesseln von meinen Händen zerrissen werden". Und während Paulus dieses Zeugnis ablegte (oder: Gott so beschwor)4 kam ein in seiner Anmut sehr schöner Knabe herein und löste die Fesseln des Paulus, wobei der Knabe lächelte. Und sogleich ging er wieder weg. Wegen der Erscheinung, die dem Paulus zuteil geworden war, und des vortrefflichen Zeichens bezüglich der Fesseln verging seine Trauer im Blick auf den Tierkampf und jubelnd sprang er wie im Paradies. Und er nahm die Artemilla und ging heraus aus dem engen und (dunklen Ort, wo die> Gefangenen verwahrt wurden. Im folgenden sind erhebliche Lücken, die C. Schmidt sinnvoll ergänzt hat. Es geht um die Taufe der Artemilla am Meer. Als Artemilla angesichts des aufbrausenden Meeres ohnmächtig wird, betet Paulus: "Du Leuchtender und Scheinender, (hilf, damit nicht) die Heiden sagen, (S. 4) der gefangene Paulus sei geflohen, nachdem er die Artemilla getötet hat". Und wieder lächelte der Jüngling und die Matrone (Artemilla) kam wieder zu Atem und ging in das Haus, während schon der Morgen anbrach. Als er (Paulus?) aber hineinging, während die Wächter schliefen, brach er Brot und brachte Wasser dazu, tränkte mit dem Worte und entließ (sie) zu ihrem Mann Hieronymus. Er selbst aber betete. Am Morgen aber geschah ein Geschrei von den Bürgern: "Laßt uns zur Schau gehen! Wir wollen den Mann mit den Tieren kämpfen sehen, der Gott besitzt." Hieronymus selbst aber trat hinzu, teils wegen des Verdachts gegen seine Frau, teils auch weil er (Paulus) nicht geflohen war; er befahl dem Diophantes und den übrigen Sklaven, den Paulus in das Stadion zu führen. Er (Paulus) aber wurde hineingeschleppt, sagte nichts, sondern beugte sich herunter und seufzte, daß er von der Stadt im Triumph aufgeführt wurde. Und fortgeführt wurde er sogleich in das Stadion geworfen, sodaß alle sich über die Würde des Paulus ärgerten. Da aber ArteVgl. AG 14, 15 u.a. Zu der Rede vgl. Acta Thomae c. 88; dazu Peterson und Devos (s. o. S. 240). 3 Vg . 2. Tim. 3, 11. 4 Schmidt.1111, S. 33 zur Stelle: "i5w/hagrvgwßm eigentlich 'beschwören' vgl. 1. Tim. 5, 21; 2. Tim. 2, 14; 4, 1 - vielleicht 'als Paulus solches Zeugnis ablegte' s. Act. 20, 21. 23. 24; 23,11 etc. AThe 269, 5 kopt. Text S. 37, 23 oder allgemein 'beschwörend beten.'" 1
2
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3. Paulusakten
milla und Eubula in Krankheit und in äußerste Gefahr fielen wegen des Unterganges des Paulus, war Hieronymus nicht wenig traurig über die (seine) Frau, aber auch weil sich schon das Gerücht in der Stadt verbreitete und er die (seine) Frau nicht bei sich hatte . .Als er nun Platz genommen hatte, befahl der ( ... ), einen sehr wilden Löwen, der vor kurzem gefangen worden war, auf ihn loszulassen. Der folgende Text ist sehr lückenhaft. Es ist darin von dem Gebet des Löwen und von seinem Gespräch mit Paulus die Rede. Das Volk schreit darauf laut:
"Fort mit dem Zauberer 1, hinweg mit dem (Giftmischer!" Der Löwe aber) blickte Paulus an und Paulus (den Löwen. Da) erkannte Paulus, daß dieses (der) I ..öwe (sei,) (S. 5) der gekommen (und) getauft worden war. (Und) im Glauben getrieben 2 sagte Paulus: "Löwe, warst du der, den ich getauft habe?" Und es antwortete der Löwe und sprach zu Paulus: "Ja!" Paulus aber sprach wiederum zu ihm: "Und wie bist du gejagt (gefangen) worden?" Der Löwe sprach mit einer(?) 3 Stimme: "Wie auch du, Paulus". Als Hieronymus viele Tiere losließ, damit PauIus getötet würde, und gegen den Löwen Bogenschützen, um auch jenen töten zu lassen, da stürzte, obwohl der Himmel heiter war, ein gewaltiges und überstarkes Hagelwetter vom Himmel herab, so daß viele starben und die übrigen alle die Flucht ergriffen. Paulus aber und den Löwen berührte es nicht; wohl aber starben die anderen Tiere durch die Menge des Hagels, (der so heftig war), daß auch das Ohr des Hieronymus getroffen und abgerissen wurde und das Volk flüchtend rief: "Rette uns, Gott, rette uns, Gott des Menschen, der mit den Tieren gekämpft hat!" Und Paulus nahm Abschied von dem Löwen, ohne daß er (der Löwe?) noch etwas sagte, ging aus dem Stadion, ging hinab zum Hafen und bestieg das Schiff, das nach Macedonien fuhr; es waren nämlich viele, die abfuhren, als ob die Stadt im Begriff stand unterzugehen; so stieg er nun auch mit ein, wie einer der Flüchtenden. Der Löwe aber ging in das Gebirge, wie es seine Gewohnheit war. Artemilla nun und Eubula trauerten nicht wenig, indem sie fasteten und in ( ... )' waren, was wohl dem Paulus geschehen sei . .Als es aber Nacht war, kam ( ... )5 sichtbar in das Schlafgemach, wo ( ... ) Hieronymus aus dem Ohr eiterte. Die folgenden Lücken sind von Schmidt so ergänzt, daß der Inhalt deutlich wird: Die Frauen werden über das Schicksal des Paulus getröstet. Hieronymus bittet den Gott des Paulus um Hilfe für sein Ohr.
"Durch den Willen Christi Jesu (heile) das Ohr!" Und es wurde gesund, wie ihm aufgetragen hatte (der Jüngling): "Behandle mit Honig (das Ohr?)."
8. (Paulus in Philippi) [pHeid S. 45-50; 41, 42 und 44; für
Irr Kor s. o.
S. 224]
Der Anfang der Philippi-Episode fehlt. Die ersten Zeilen von PHeid S. 45 sind so fragmentarisch, daß daraus keine Schlüsse gezogen werden können.
(Denn es) waren in (großer) Betrübnis die Korinther (wegen) Paulus, daß er aus der Welt gehen würde, ehe es an der Zeit wäre. Denn es waren Männer nach KoVgl. AThe c. 20, auch sonst aus Schilderungen von Christenhetzen bekannt. Vgl. 2. Petr. 1,21. 3 Schmidt: fUq. rpwvfi verderbt aus {}lq. = {}elq. rpwvfj. 4 Nicht zu ergänzen; vielleicht: in Angst. 6 Schmidt ergänzt: ein schöner Jüngling.
1 I
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Hennecke. Apokryphen Bd. 2
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XIII. Apostelgeschichten de8 2. und 3. Jahrhunderts
rinth gekommen, Simon und Kleobius, die sagten, daß es keine Auferstehung des Fleisches gäbe, sondern (nur) die des Geistes, und daß der Körper des Menschen kein Gebilde Gottes sei; und von der Welt (sagten sie), daß Gott sie nicht geschaffen habe, und daß Gott die Welt nicht kenne; und daß Jesus Christus nicht gekreuzigt, sondern nur Schein gewesen sei und daß er nicht aus Maria noch aus dem Samen Davids geboren seil. Mit einem Wort: vieles war es, was sie in Korinth (verkündet?) haben, indem sie (viele andere) betrogen ( ... und) sich selber. (Deswegen) als (die Korinther) gehört hatten, (daß Paulus in Philippi wäre,) schickten sie einen (Brief an Paulus) nach Macedonien (durch) Threptus (und) Eutychus (die Diakonen). Der Brief aber war (von dieser Gestalt): (Brief der Korinther an Paulus) a
1 1 Stephanus und die Presbyter, die mit ihm sind, Daphnus, Eubulus, Theophilus und Xenon grüßen den Paulus (den Bruder) im Herrn. 2 Es sind zwei Männer nach Korinth gekommen, namens Simon und Kleobius, die verkehren etlicher Glauben durch verderbliche Worte, 8 welche du prüfen sollst. 4 Denn niemals haben wir solche Worte weder von dir noch von anderen Aposteln gehört; 5 vielmehr was wir von dir und jenen empfangen haben, das bewahren wir. 6 Da nun der Herr Erbarmen uns erweist, daß wir, während du noch im Fleische bist, solches noch einmal von dir hören sollen, 7 so schreibe uns oder komme zu uns. 8 Wir glauben nämlich, wie es der Theonoe offenbart ist, daß dich der Herr befreit hat aus der Hand des Gesetzlosen. 9 Was sie sagen und lehren ist nun folgendes: 10 Man dürfe nicht, behaupten sie, sich auf die Propheten berufen, 11 und Gott sei nicht allmächtig, 12 und es gäbe keine Auferstehung des Fleisches, 13 und nicht sei die Schaffung des Menschen Gottes (Werk), 14 und nicht sei der Herr ins Fleisch gekommen, auch nicht von Maria geboren, 15 und die Welt sei nicht Gottes, sondern der Engel. 16 Deswegen, Bruder, wende jeden Eifer auf, hierher zu kommen, damit die korinthische Gemeinde ohne Ärgernis bleibe und die Torheit jener offenbar werde. Lebe wohl im Herrn! 2 1 Es überbrachten die Diakone das Schreiben nach Philippi, Threptus und Eutychus, 2 und übergaben es dem Paulus, der im Gefängnis war wegen der Stratonike, der Frau des Apollophanes; und er begann viele Tränen zu vergießen und zu klagen und rief aus: 3 "Besser wäre es für mich, zu sterben und bei dem Herrn zu sein, als im Fleische zu sein und solche Reden zu hören, so daß Betrübnis über Betrübnis über mich kommt, 4 und solches leidend angebunden zu sein und (sehen zu 1 Es ist unwahrscheinlich, daß diese Sätze direkte Rede sein sollen (im griechischen Urtext mit ö.t eingeleitet?); dagegen spricht der koptische Text von In Kor 1, 11 fI. 2 Die Überschriften sind in der Überlieferung sehr unterschiedlich. Die Anmerkungen zu III Kor 1-3 beziehen sich auf die Verse. 1 1 Vgl. 1. Kor. 1,16; 16,15--17; 2. Tim. 4,21; Lk. 1,3; AG 1,1. - MB ZA E: den Bruder; PBodm: .cf! sv uvetq>. 2 Vgl. 2. Tim. 2, 18. 4 PBodm: von den anderen gehört; aber doch wohl sekundäre Kürzung. 5 Vgl. 1. Kor. 11,2. 6 PBodm läßt aus: solches. Vgl. Phi!. 1,24. 7 und 8 zeigen in der Überlieferung viele Varianten. 16 Vgl. 2. Tim. 4, 9. 2 3 Vgl. Phil. 1,23; 2,27.
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3. Paulusakten
müssen, wie) die Geräte (Machenschaften?) des Bösen voranlaufen!" schrieb Paulus unter Leiden den (folgenden) Brief.
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Und so
(Brief des Paulus an die Korinther)
3 1 Paulus, der Gefangene J esu Ohristi, an die Brüder in Korinth - Gruß! 2 Während ich in vielen Bedrängnissen bin, wundere ich Inich nicht, wenn so schnell die Meinungen des Bösen Boden gewinnen. 3 Denn (mein) Herr Jesus Ohristus wird schnell kommen, da er verworfen wird von denen, die seine Worte verfälschen. 4 Ich habe euch ja im Anfang überliefert, was ich von den Aposteln vor mir empfangen habe, die allezeit Init dem Herrn Jesus Ohristus zusammengewesen waren, 5 nämlich daß unser Herr Jesus Ohristus von Maria aus dem Samen Davids geboren ist, indem der heilige Geist aus dem Himmel vom Vater in sie herabgesandt war, 6 daInit er in die Welt käme und alles Fleisch durch sein eigenes Fleisch erlöse und daInit er uns Fleischliche von den Toten auferwecke, wie er selbst sich als Urbild erwiesen hat. 7 Und weil der Mensch von seinem Vater geschaffen ist, 8 deswegen wurde er auch, als er verloren gegangen war, gesucht, auf daß er lebendig gemacht würde durch die Annahme zur Kindschaft. 9 Denn der allmächtige Gott, der Himmel und Erde gemacht hat, sandte zuerst die Propheten den Juden, daß sie ihren Sünden entrissen würden; 10 er hatte nämlich beschlossen, das Haus Israel zu retten, deshalb sandte er einen Teil vom Geiste Ohristi in die Propheten, welche die irrtumslose Gottesverehrung verkündeten zu vielen Zeiten. 11 Aber da der Fürst, der ungerecht war, selbst Gott sein wollte, legte er Hand an sie und tötete sie, und so fesselte er alles Fleisch der Menschen an die Begierden (an seinen Willen, und die Vollendung der Welt trieb dem Gericht entgegen). 12 Aber Gott, der Allmächtige, der gerecht ist und sein eigenes Geschöpf nicht verstoßen wollte, 13 sandte den (heiligen) Geist (durch Feuer) in Maria, die Galiläerin, 14 die von ganzem Herzen glaubte, und sie empfing im Leibe den heiligen Geist, daInit in die Welt Jesus einträte, 15 damit der Böse, durch dasselbe Fleisch, durch das er sein Wesen trieb, besiegt, überführt wurde, daß er nicht Gott sei. 16 Denn durch seinen eigenen Leib hat Jesus Ohristus alles Fleisch gerettet (und zum ewigen Leben geführt durch den Glauben), 17 indem er den Tempel der Gerechtigkeit darstellte in seinem Leibe, 18 durch den wir erlöst sind. 19 Sie sind also nicht Kinder der Gerechtigkeit, sondern Kinder des Zorns, die sie die Vorsehung Gottes zurückstoßen, indem sie (fern vom Glauben) behaupten, Himmel und Erde und alles, was in ihnen ist, seien nicht Werke des Vaters. 20 Sie selbst sind also Kinder des Zorns, denn sie haben den verfluchten Glauben der Schlange. 21 Von 5 Vgl. 2. Kor. 2, 4. 1 Vgl. Eph. 3, 1; Philm. 9. 2 Vgl. 2. Kor. 2, 4. Gal. 1,6. 3 PBodm. läßt aus: mein. 4 Vgl. 1. Kor. 15,3; Gall, 17; Ag 1,2lf. 5 Vgl. Rm. 1,3. 6 Vgl. 1. Tim. 1, 15. 8 Vgl. Rm. 8, 15.23; 9,4; Gal. 4, 5; Eph. 1,5. - Nach v. 8 in Mund P längerer Zusatz, der mit v. 15/16 übereinstimmt. 11 Vgl. 2. Thess. 2, 4. - Der Schluß des Verses ist sekundärer Zusatz in MB P A. 13 M P A: heiligen, aber wohl sekundärer Zusatz. PBodm: durch Feuer. 14 Vgl. Luk. 1,45. V. 14 nur in M P B A. 16 Schluß ist Zusatz in PA, ähnlich in B. 19 Vgl. Eph. 2, 3. - M: fern vom Glauben. 3
17*
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
denen wendet euch ab und vor ihrer Lehre fliehet! (22 Denn ihr seid nicht Söhne des Ungehorsams, sondern der geliebtesten Kirche. 23 Deswegen ist die Zeit der Auferstehung gepredigt worden). 24 Die euch aber sagen, es gäbe keine Auferstehung des Fleisches, für die wird es keine Auferstehung geben, 25 die nicht an den so Auferstandenen glauben. 26 Denn, ihr Korinther, nicht wissen sie Bescheid über das Säen von Weizen oder anderen Samen, daß sie nackt in die Erde geworfen werden und wenn sie vergangen sind, stehen sie wieder auf nach dem Willen Gottes als ein Leib und bekleidet. 27 Und nicht allein wird der Leib, der (in die Erde) geworfen ist, auferweckt, sondern (auch) vielfältig gesegnet. 28 Und wenn man nicht nur von den Samenkörnern das Gleichnis hernehmen darf, (sondern von edleren Leibern), 29 so wißt ihr ja, daß Jona, des Amathios Sohn, da er den Niniviten nicht predigen wollte, (sondern geflohen war,) von einem Walfisch verschlungen wurde, 30 und nach drei Tagen und drei Nächten hat Gott das Gebet des J ona aus der tiefsten Hölle erhört und nichts von ihm wurde verdorben, weder ein Haar noch ein Augenlid. 31 Um wieviel mehr wird er euch, ihr Kleingläubigen, die ihr an Christus geglaubt habt, auferwecken, wie er selbst auferstanden ist. 32 Und wenn ein auf die Gebeine des toten Propheten Elisa von den Kindern Israels geworfener Körper eines Menschen auferstand, so werdet auch ihr, die ihr auf den Körper und die Gebeine und den Geist des Herrn geworfen seid, an jenem Tage auferstehen mit unversehrtem Leibe. 34 Wenn ihr nun etwas anderes aufnehmt, so fallt mir nicht zur Last; 35 denn ich habe diese Fesseln an mir, daß ich Christus gewinne, und seine Wundmale an meinem Leibe, daß ich gelange zur Auferstehung von den Toten. 36 Und wer immer in dieser Regel, die er durch die seligen Propheten und das heilige Evangelium empfangen hat, bleibt, wird Lohn empfangen, (und wenn er von den Toten aufersteht, das ewige Leben erlangen). 37 Wer aber hiervon abweicht, - Feuer gibt es für ihn und für die, welche darin vorangegangen sind, 38 die da sind Menschen ohne Gott, Otterngezücht; 39 von denen wendet euch ab in der Kraft des Herrn, 40 und Friede, (Gnade und Liebe) wird mit euch sein. Amen. Zwischen dem III Kor und dem Abschluß der Philippi-Episode ist eine Lücke, deren Länge nicht zu bestimmen ist. Auf PHeid S. 41 sind von den ersten Zeilen nur die Namen Longinus und Paulus zu lesen. Offenbar redet Longinus, der Vater der Phrontina.
(S. 41) ... nicht ist irgend etwas Gutes (geschehen) meinem Hause". (Und) er beriet sich, daß ( ... ), die herab(werfen sollte) Phrontina, (seine) Tochter, (auch) den Paulus (mit) ihr lebendig herabwerfe. Paulus aber wußte um die (Sache), aber 22 Vgl. Eph. 2,2. - V. 22/23 nur in M P B A. 26 Vgl. 1. Kor. 15, 37; J oh. 12, 24f. 27 nach PBodm übersetzt. 28 Schluß in M P B A. 29 M P: sondern geflohen war. - V. 29/30 vgl. Mt. 12,40 Par. 31 Vgl. Mt. 6, 30 Par.; Rm. 6,4. 32 Vgl. 2. Kön. 13, 21ff. - Nach v. 32 in M P A längerer Zusatz (= v. 33). 34 Vgl. Gal. 6, 1135 Vgl. Phil. 3, 8; Gal. 6, 17; Phil. 3, 11. 36 Vgl. Gal. 6, 16; 1. Kor. 3, 14. - Schluß des Verses Zusatz in M P B A_ 38 Vgl. Mt. 3, 7 u.a. 40 M P: Gnade und Liebe.
3. Paulusakten
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er arbeitete und fastete in großer Freudigkeit zwei
(S.42) ... Paulus lebendig <mit der) Tochter. Als aber Paulus die Tochter auf <seinen) Arm
9. (Paulus in Korinth) [pR S. 6-7; PReid S. 44/43; 51/52]
Von Philippi nach Korinth (S.6) Als aber Paulus von Philippi nach Korinth in das Haus des Epiphanius kam, war Freude 1, so daß alle die Unsrigen jubelten, zugleich aber auch weinten, da Paulus erzählte, was er in Philippi in den Werkstätten 2 und an jedem Ort erlitten hatte, was ihm zugestoßen war, so daß < ... )3 weiterhin seine Tränen wurden und von allen anhaltend für Paulus gebetet wurde und er sich selbst glücklich pries, daß sie so gleichen Herzens jeden Tag seine Angelegenheiten im Gebet zum Herrn lenkten; unübertrefflich war daher die Größe der Freude, und die Seele des Paulus stärkte sich wegen der guten Gesinnung der Brüder, so daß er vierzig Tage lang auch das Wort der Geduld 4 predigte, an welchem Ort ihm etwas zugestoßen und welche Großtaten ihm gegeben worden waren. Er pries daher bei jedem Bericht den allmächtigen Gott und Christus Jesus, der an Paulus an jedem Ort Wohlgefallen gehabt hatte.
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XIII. Apostelgeschichten de8 2. und 3. Jahrhunderts
ihn (wohl) wiedersehen würden. Und Paulus sprach vom heiligen Geist erfüllt: "Ihr Brüder, bemüht euch um das (Fasten~ 1) und die Liebe. Denn siehe, ich gehe weg in einen Feuerofen ( ... ) 2 und nicht bin ich stark, wenn nicht der Herr mir Kraft (gewährt). Denn auch David begleitete den Saul 3 ( ••• ) 4, denn es war mit ihm Christus Jesus ( ... ). Mit mir wird (die Gnade des) Herrn wandeln, damit ich den ( ... ) Heilsplan (erfülle) in Geduld." Sie aber waren betrübt und fasteten. Kleobius aber wurde vom Geist erfüllt und sprach zu ihnen "Brüder, jetzt muß Paulus den ganzen Heilsplan erfüllen und hinaufgehen zu ( ... ) 5 des Todes ( ... ) in großer Unterweisung und Erkenntnis und Aussaat des Wortes, und beneidet 6 (muß er) aus dieser Welt herausgehen". Als aber die Brüder und Paulus (dieses) hörten, da erhoben sie ihre Stimme und sagten: "Gott, (...) Vater Christi, hilf du dem Paulus, deinem Knechte, damit er noch bei uns bleibe um unserer Schwachheit willen". Da Paulus aber (von Schmerz) durchbohrt war und das Fasten mit ihnen ablegte, und als ein Opfer von Paulus dargebracht wurde ... (PH S. 7) Der Anfang der Seite ist sehr lückenhaft und läßt sich auch aus PHeid S. 52 nicht sinnvoll ergänzen. Aber der Geist kam über die Myrte, so daß sie sagte: "Brüder, warum (seid ihr erschreckt beim Anblick dieses Zeichens~) 7 Paulus, der Diener des Herrn wird viele in Rom erretten und er wird viele mit dem Wort nähren, so daß es keine Zahl gibt (sie zu zählen) und er 0) wird sich offenbaren mehr als alle Gläubigen 8, und groß wird die Herrlichkeit (. ..... kommen) über ihn, so daß eine große Gnade sein wird in Rom." Und sogleich, als der Geist in Myrte sich beruhigt hatte, nahm ein jeder von dem Brot, und sie schmausten nach der Gewohnheit ( ... ) 9 unter dem Gesang von Psalmen Davids und von Liedern, und auch Paulus freute sich. Am anderen Tage, nachdem sie die ganze Nacht dem Willen Gottes gemäß zugebracht hatten, sagte Paulus: "Ihr Brüder, ich werde am Rüsttag abfahren und nach Rom abreisen, damit ich nicht das, was (mir) aufgetragen und auferlegt ist, aufhalte; denn dazu bin ich bestimmt." Sie nun wurden sehr traurig, als sie das hörten, und es halfen alle Brüder nach Kräften, daß Paulus sich nicht betrübte, außer darum, daß er von den Brüdern wegging. 1 Schmidt ergänzt Ve6T'YjTa, was aber keinen Sinn gibt, schlägt im Apparat V'YjGTetq. vor, was aber nicht zu den Spuren paßt. 2 Ergänze nach Schmidt: nach Rom meine ich. Zum Feuerofen vgl. Mt. 13,42.50; Dan.3. 3 Vgl. 1. Sam. 24. 'In der Lücke ist von Nabaldie Rede, vgl. 1. Sam. 24. Dazu vgl. Schmidt,1717, S.47: "In beiden Fällen hat also David seine ·WIdersacher ohne sein Zutun überwunden, da Gott mit ihm war. So hofft auch Paulus, das drohende Schicksal durch die ihm vom Herrn verliehene Kraft meistern zu können." 5 Lücke in PH und PHeid, vermutlich: in die Stadt des Todes. • Zu !;'YjAwDsI'Ta vgl. 1. elem. 3ff.; MP 1 (u. S. 265). 7 Ergänzung nach Scbmidt. 8 d.h. er wird alle Gläubigen überragen. 9 Schmidt ergänzt PH nach PHeid: nach der Gewohnheit des Fastens. Aber damit wird die Lücke nicht ausgefüllt und der Ausdruck bleibt unklar. Gemeint ist wohl, daß nach der Vorbereitung durch das Fasten die Eucharistie gefeiert wird und daran eine Agape anschließt.
3. Paulusakten
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10. (Von Korinth nach Italien) [PR S. 7-8; PB; PO; PM]
(S. 7) Als er nun unter ihrer aller Gebet das Schiff bestieg, da war Artemon 1 der Kapitän des Schiffes; der war von Petrus getauft worden; und ( ...... ) den Paulus, daß ihm soviel anvertraut sei ( ...... ) 2 der Herr einsteige. Als aber das Schiff abgefahren war, hielt Artemon mit Paulus Gemeinschaft, in der Gnade Gottes den Herrn Christus Jesus zu preisen, der für Paulus (seinen) Plan vorhergefaßt hat 3. Als sie auf hoher See waren und eine Stille entstand, schlief Paulus, ermattet durch Fasten und Nachtwachen bei den Brüdern, ein. Und es kam zu ihm der Herr, auf dem Meer wandelnd, stieß den Paulus an und sagte zu ihm: "Steh auf und sieh!" Und aufgewacht sagte er: "Du bist mein Herr Christus J esus, der König ( ...... ). Aber warum (bist du) so traurig und niedergeschlagen, Herd Und wenn du (. ..... ), Herr, denn ich bin nicht wenig beunruhigt, daß du so bist." (Und der) Herr sprach: "Paulus, ich bin im Begriff, von neuem 4 gekreuzigt zu werden." Und Paulus sagte: "Nicht möge geschehen, Herr, daß ich dieses sehe!" Der Herr aber sagte zu Paulus: "Paulus, mache dich auf, gehe hinein nach Rom und ermahne die Brüder, daß sie bleiben in der Berufung zum Vater." Und (. ... ) wandelnd auf dem Meer, und er ging ihnen voran ( ....... ) zeigte (den Weg). Als aber die Fahrt beendet war ( .... ) ging Paulus ( ...... ) mit großer Traurigkeit, (und er sah am) Hafen einen Mann stehen, der den Artemon, den Kapitän erwartete und als er ihn sah, begrüßte er ihn (. .. (S. 8) ... ) und er sagte zu ihm: "Claudius, (siehe den Paulus,) den Geliebten des Herrn, der mit mir da ist." (. ... ) Claudius umarmte 5 den Paulus und begrüßte (ihn). Und ohne Zögern trug er selbst mit Artemon das (Gepäck) aus dem Schiff in sein Haus. Und er frohlockte sehr und kündigte ihn den Brüdern an, sodaß sofort das Haus des Claudius erfüllt wurde von Freude und Dank. Denn sie sahen, wie Paulus die Haltung der Trauer ablegte und das Wort der Wahrheit 6 lehrte und sprach: "Ihr Brüder und Soldaten Christi 7, hört! Wie oft hat Gott Israel aus der Hand der Gesetzlosen errettet! Und solange sie das, was Gott betrifft 8, beachteten, verließ er sie nicht. Denn aus der Hand des Pharao, des Gesetzlosen errettete er sie und (aus der Hand) des noch gottloseren Königs Og 9 und des Adar 10 und der Fremdvölker . Und solange sie das, was Gott betrifft, beachteten, gab er ihnen aus der Frucht der Lende 11, nachdem er das lOb der Name Artemon aus AG 27,40 entnommen ist, bleibt fraglich. Das Wort, das AG 27,40 das Vorsegel bezeichnet, ist auch als Name häufig belegt. 2 Der Sinn ist wohl: Artemon begrüßt und achtet den Paulus so, als ob der Rerr selbst in das Schiff eingestiegen wäre. 3 neOOtUOVOflOvjJ1;a ist von S. 7, 14f. her zu verstehen: Der Weg des Paulus ist als Teil des Reilsplanes (oluovoflla) vorherbestimmt. Vgl. 1. Tim. 2, 7; 2. Tim. 1, 11. 4 avwf}eV hier = von neuem, vgl. o. S. 237. 5 Rier setzt PB ein. 6 Vgl. 2. Kor. 6, 7; 2. Tim. 2, 15. 7 Vgl. 2. Tim. 2, 3. 8 d.h. Gottes Gebote. 9 Vgl. 3. Mos. 21, 33. 10 Vgl. 3. Mos. 21, 1-3. n PO: aus der Frucht der Kraft. Zu 'Frucht der Lende' = Nachkommenschaft vgl. AG 2, 30 (Ps. 132, 11). Für den Verf. der AP wird der Ausdruck wohl nur noch fromme Floskel gewesen sein.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
Land der Kananäer verheißen hatte, und unterwarf ihnen die Fremdvölker. Und nach diesem, was er alles ihnen in der Wüste und dem wasserlosen (Land) gewährte, hat er dazu Propheten gesandt, um unseren Herrn Christus Jesus zu verkünden 1, welche nach der Reihe Los und .Anteil empfingen von dem Geiste Christi 2. Denn vieles haben sie erlitten und wurden (schließlich) vom Volk getötet. Abgefallen nun vom lebendigen Gott gemäß ihren Begierden, gingen sie des ewigen Erbes verlustig. Und jetzt, Brüder, steht eine große Versuchung bevor; wenn wir diese ertragen haben, werden wir den Zugang zum Herrn haben und werden als Zuflucht und Schild des Wohlgefallens 3 empfangen Jesus Christus, der sich selbst für uns gegeben hat, wenn ihr nun das Wort so empfanget, wie es ist '. Einen Geist der Kraft hat Gott am Ende der Zeiten um unsertwillen ins Fleisch herabgesandt, das heißt in Maria die Galiläerin, gemäß dem prophetischen Wort, der 5 als Leibesfrucht getragen und geboren wurde von ihr, bis sie entband und gebar (Jesus,) den Christus, unseren König 6, aus Bethlehem in Judäa, aufgezogen in Nazareth, hingehend aber nach Jerusalem und lehrend ganz Judäa: 'Das Reich der Himmel (sc. Gottes) ist nahe herbeigekommen! Laßt ab von der Finsternis, ergreifet das Licht, die ihr im Dunkel des Todes dahinlebt 7 • Ein Licht ist euch aufgegangen!' Und er tat große und wunderbare Dinge, sodaß er sich aus den Stämmen zwölf Männer erwählte, die er in Verständnis und Glauben mit sich hatte, Tote erweckend und Krankheiten heilend, Aussätzige reinigend und Blinde heilend 8, Krüppel gesund machend und Gelähmte gehend machend, Besessene reinigend ... Es folgen in PB noch 23 Zeilenfragmente, die aber kaum sinnvoll zu ergänzen sind. Wahrscheinlich schließt hier dann der Text von PHeid S. 79/80 und PM an (s. o. S. 224):
(S. 79) ... wunderten (sie) sich (sehr und beratschlagten) sich in ihrem Herzen. (Er sprach zu ihnen:) "Warum wundert ihr euch, (daß ich auferwecke) die Toten, oder daß (ich mache die Lahmen) gehen, oder daß ich reinige (die Aussätzigen) oder aufrichte die (Kranken, oder daß ich habe) geheilt die Paralytischen und die Dämonischen, oder daß ich verteilt habe wenig Brote und viele gesättigt, oder daß ich gewandelt bin auf dem Meer, oder daß ich den Winden geboten habe 9. Wenn ihr dieBes glaubt und (überzeugt seid,) so Beid ihr groß. Denn wahrlich (ich sage) euch: Wenn ihr sagt zu (diesem Berge:) Hebe dich weg und stürze dich (ins Meer,) ohne daß ihr gezweifelt habt in (eurer Seele), so wird es euch geschehen" 10 ( ••• ) als überzeugt war (einer von) ihnen, dessen Name Simon war und der sagte: ,,0 Herr, wahrVgl. AG 7, 52. Zu dem ganzen Abschnitt vgl. IIIKor. Schmidt hat IIII, S. 57f. auf die Parallelen verwiesen. D Hier beginnt PM, der allerdings nur 9 Zeilen umfaßt. 4 Die Übersetzung folgt PB und Sanders. Der Sinn ist nicht ganz klar. • {Ir; bezieht sich (falsch) auf das prophetische Wort, als wäre hier der Logos = Christus gemeint (vgl. Schmidt, IIII, S. 52). Zum prophetischen Wort vgl. 2. Petr. 1, 19; uvolPo(!eia{Jat auch Ign. Eph. 18, 2. 6 'König' ergänzt nach PM, wo ein ß zu lesen ist. 7 Übersetzung nach Sanders; vgl. Mt. 4,16; Jes. 9, 2. 8 Hier endet PH S. 8; die nächsten Worte nach PB. Zu der Aufzählung der Wunder vgl. Mt. 4, 24; 10,8; 11,5 u.a. D Die Aufzählung der Wunder nach den Synoptikern. 10 Vgl. Mk. 11, 22f. Par. 1
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3. Paulusakten
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haftig groß sind die Werke, die du tust. Denn nicht haben wir jemals gehört, noch haben (wir) gesehen (S. 80) (jemals einen Menschen, der) auferweckt (hat die Toten) außer (dir". Es sprach der Herr zu ihm:) "Ihr (werdet bitten die Werke) die ich selbst (tun) werde (. ..... ) Die anderen Werke aber werde (ich) tun sofort. Diese nämlich tue ich (wegen?) einer augenblicklichen Rettung in der Zeit, wo sie sind an diesen Orten, damit sie glauben an den, der mich gesandt hat". Sprach Simon zu ihm: ,,0 Herr, befiehl mir, daß ich rede". Er sprach zu ihm: "Rede, Petrus!" (Von) jenem Tage nämlich hat er sie (genannt) mit Namen. Er sprach: ("Was ist denn) das Werk, das größer ist als diese ( ...... außer) Totenauferweckung (und Ernähren) einer derartigen Menge?" Sprach der Herr zu ihm: "Es gibt, was (größer) ist (als dieses), und selig sind die, welche geglaubt haben mit ganzem Herzen." Philippus aber erhob seine Stimme im Zorn, indem er sprach: "Was ist nun das für eine Sache, die du uns lehren willst?" Er aber sprach zu ihm: "Du ... Zu der Lücke zwischen dieser Paulusrede und dem Beginn des Martyriums, die wahrscheiulich nicht sehr groß ist, vgl. o. S. 237.
11. Martyrium des heiligen Apostels Paulus [Aa 1, p. 104--117; PR S. 9-11; PReid S. 53-58]
1 Es erwarteten aber den Paulus in Rom Lukas, der aus Gallien, und Titus, der aus Dalmatien 1 (gekommen war). Als Paulus sie sah, freute er sich, sodaß er außerhalb Roms eine Scheune mietete, in der er mit den Brüdern das Wort der Wahrheit lehrte. Er wurde aber weithin bekannt, und viele Seelen wurden dem Herrn hinzugetan 2, sodaß man in ganz Rom davon sprach und eine zahlreiche Menge von Gläubigen aus dem Hause des Kaisers 3 bei ihm war und große Freude herrschte. Ein gewisser Patroklus aber, ein Mundschenk des Kaisers, der zu spät in die Scheune gekommen war und (p. 106) wegen der Volksmenge nicht zu Paulus hineingelangen konnte, saß auf einem hohen Fenster und hörte ihm zu, wie er das Wort Gottes lehrte. Da aber der böse Teufel eifersüchtig war auf die Liebe der Brüder, fiel Patroklus vom Fenster herab und starb4, was eiligst dem Nero gemeldet wurde. Paulus aber, der es durch den Geist erfahren hatte, sprach: "Ihr Brüder, es hat der Böse Raum gewonnen, daß er euch versuche. Gehet hinaus, und ihr werdet einen Knaben finden, der von oben herab gefallen ist und schon in den letzten Zügen liegt. Hebt ihn auf und bringt ihn hierher zu mir!" Sie aber gingen fort und brachten ihn. Als aber die Leute (ihn) sahen, wurden sie bestürzt. Paulus sprach zu ihnen:" Jetzt, Brüder, möge euer Glaube sich zeigen. Kommt alle, laßt uns unter Tränen zu unserem Herrn Jesus Christus schreien, damit dieser Knabe lebe und wir unbehelligt bleiben." Als aber alle klagten, da schöpfte der Knabe wieder Atem; und sie setzten ihn auf ein Lasttier und entließen ihn lebend mit den andern zusammen, die aus dem Hause des Kaisers waren. 2 Als aber Nero von dem Tode des Patroklus gehört hatte, trauerte er sehr, und als er aus dem Bade herauskam, befahl er, daß ein anderer für den Wein angestellt 1 3
Vgl. 2. Tim. 4, 10. Vgl. Phil. 4, 22.
2 Vgl. AG 2, 4l. • Vgl. AG 20, 9ff.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
werde. Es meldeten ihm aber seine Diener und sagten: "Kaiser, Patroklus lebt und steht am (p. 108) Schenktisch". Und als der Kaiser hörte, daß Patroklus lebe, bekam er Angst und wollte nicht eintreten. Nachdem er aber eingetreten war, sah er Patroklus und rief ganz außer sich: "Patroklus, du lebst?" Der antwortete: "Ich lebe, Kaiser!" Jener sagte: "Wer ist es, der dich lebendig gemacht hat?" Der Knabe, von der Gesinnung des Glaubens getragen, sprach: "Christus Jesus, der König der Äonen! 1" Der Kaiser fragte bestürzt: "Der also soll König über die Äonen sein und alle Königreiche zerstören?" Spricht zu ihm Patroklus: "Ja, alle Königreiche unter dem Himmel vernichtet er, und er allein wird in Ewigkeit bleiben, und es wird kein Königreich geben, das ihm entrinnen könnte". Er aber schlug ihn ins Angesicht und rief: "Patroklus, auch du streitest für jenen König?" Dieser aber antwortete: "Ja, mein Herr und Kaiser, hat er mich doch vom Tode auferweckt." Und Barsabas Justus der Plattfuß und Orion der Kappadokier und Festus der Galater, die Großen des (p.110) Nero, sprachen: "Auch wir streiten 2 für ihn, den König der Äonen." Er aber ließ sie gefangen setzen, nachdem er sie schrecklich gefoltert hatte, sie, die er doch so sehr liebte, und gab Befehl, die Soldaten des großen Königs zu suchen und erließ ein Edikt des Inhalts, daß alle, die als Christen und Soldaten Christi 3 ausfindig gemacht würden, hingerichtet werden sollten. 3 Und unter der Menge wird auch Paulus gebunden herbeigeführt; auf ihn blickten alle Mitgefangenen, so daß der Kaiser merkte, dieser müsse der Befehlshaber sein. Und er sprach zu ihm: "Mann des großen Königs, (jetzt) aber mein Gefangener, was ist dir eingefallen, heimlich in das römische Reich einzudringen und Soldaten aus meinem Herrschaftsgebiet anzuwerben?" Paulus aber, voll heiligen Geistes 4 sagte in aller Gegenwart: "Kaiser, nicht allein aus deinem Herrschaftsgebiet werben wir Soldaten an, sondern aus aller Welt. Denn das ist uns befohlen, keinen auszuschließen, der für meinen König streiten will. Wenn auch du das für gut hältst, leiste ihm Kriegsdienste! Denn nicht der Reichtum oder das, was in diesem Leben glänzt, wird dich retten, sondern wenn du dich unterwirfst und ihn bittest, wirst du gerettet werden. Denn er wird an einem (p. 112) Tage die Welt im Feuer vernichten." Als aber der Kaiser das gehört hatte, gab er den Befehl, alle Gefangenen mit Feuer zu verbrennen, Paulus aber zu enthaupten nach dem Gesetz der Römer. Paulus aber verschwieg das Wort nicht, sondern teilte es dem Präfekten Longus und dem Centurio Cestus mit. In Rom war also auf Betreiben des Bösen Nero (am Wüten), indem viele Christen ohne Urteil hingerichtet wurden, so daß die Römer sich bei dem Palast aufstellten und schrien: "Es ist genug, Kaiser! Diese Menschen gehören ja auch zu uns; du vernichtest die Kraft der Römer!" Da machte er ein Ende (der Verfolgung), woraufhin niemand von den Christen angerührt werden sollte, bis er selbst seinen Fall untersucht habe. 4 Darauf wurde ihm Paulus vorgeführt gemäß dem Edikt, und er blieb dabei, dieser solle enthauptet werden. Paulus aber sprach: "Kaiser, nicht nur für eine kurze Zeit lebe ich meinem Könige! Und wenn du mich enthaupten läßt, werde ich folgendes tun: ich werde auferstehen und dir erscheinen (als Beweis dafür), daß ich nicht gestorben bin, sondern meinem Herrn Jesus Christus lebe 5, (p. 114) der da kommt, zu richten den Erdkreis." 6 Vgl.1. Tim. 1, 17. Vgl. 2. Tim. 2, 3. 5 Vgl. Rm. 14, 8.
1
8
• Vgl. 1. Tim. 1, 18; 2. Tim. 2, 4. • Vgl. AG 4,8. G Vgl. AG 17,31.
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3. Paulusakten
Longus und Cestus aber sagten zu Paulus: "Woher habt ihr diesen König, daß ihr ihm glaubt, ohne eure Gesinnung ändern zu wollen bis zum Tode1" Paulus teilte ihnen das Wort mit und sprach: "Ihr Männer, die ihr in dieser Unwissenheit und diesem Irrtum befangen seid, ändert euren Sinn und laßt euch retten von dem Feuer, das über den ganzen Erdkreis kommt! Denn wir kämpfen nicht, wie ihr denkt, für einen König, der von der Erde kommt \ sondern der vom Himmel ist, für den lebendigen Gott, der um der Gesetzlosigkeiten willen, die in dieser Welt geschehen sind, als Richter kommt. Und selig ist der Mensch, der ihm glauben und leben wird in Ewigkeit 2, wenn er kommen wird, um die Erde zur Läuterung zu verbrennen." Sie aber baten ihn und sprachen: "Wir flehen dich an, hilf uns und wir geben dich frei!" Er aber antwortete und sprach: "Ich bin kein Fahnenflüchtiger Christi, sondern ein dem Gesetz gehorsamer Soldat des lebendigen Gottes. Wenn ich wüßte, daß ich tot bliebe, so würde ich es tun, Longus und Cestus. Da ich aber Gott lebe und mich selbst liebe, so gehe ich zum Herrn, damit ich mit ihm (wieder) komme (p. 115) in der Herrlichkeit seines Vaters." Sprechen sie zu ihm: "Wie sollen wir denn leben, nachdem du enthauptet bist1" 5 Während sie noch diese Worte wechselten, schickt Nero einen gewissen Parthenius und Pheretas, um zu sehen, ob Paulus schon enthauptet sei. Und sie fanden ihn noch am Leben. Er aber rief sie zu sich und sprach: "Glaubet an den lebendigen Gott, der mich wie auch alle, die an ihn glauben, von den Toten auferweckt!" Sie aber sprachen: "Wir gehen jetzt zu Nero; wenn du aber gestorben und auferstanden bist, dann wollen wir an deinen Gott glauben." Als Longus und Cestus aber noch weiter um Rettung baten, spricht er zu ihnen: "Kommt eilends in der Morgenfrühe hierher zu meinem Grabe; dann werdet ihr zwei Männer im Gebet finden, Titus und Lukas; diese werden euch das Siegel im Herrn geben". Darauf stellte sich Paulus hin gegen Osten gerichtet und erhob die Hände zum Himmel und betete lange; und nachdem er im Gebet auf Hebräisch mit den Vätern sich unterredet hatte, neigte er den Hals, ohne noch weiter zu sprechen. Als aber der Henker ihm den Kopf abschlug, spritzte Milch auf die Kleider des Soldaten. Der Soldat aber und alle, die dabei standen, wunderten sich, als sie das sahen, und priesen Gott, der dem Paulus (p.116) solche Herrlichkeit gegeben hatte. Und sie gingen hin und berichteten dem Kaiser, was geschehen war. 6 Als dieser (es) gehört hatte und sich sehr wunderte und in Verlegenheit war, kam Paulus um die neunte Stunde, während viele Philosophen und der Centurio bei dem Kaiser standen, und trat vor alle hin und sprach: "Kaiser, da bin ich, Paulus, der Streiter Gottes; ich bin nicht gestorben, sondern ich lebe meinem Gott. Dir aber wird viel Übles und schwere Strafe widerfahren, du Elender, weil du der Gerechten Blut ungerechterweise vergossen hast, nicht lange nach diesen Tagen! 3" Und nachdem Paulus dieses gesagt hatte, ging er von ihm weg. Als Nero aber (das) gehört hatte, befahl er äußerst bestürzt, daß die Gefangenen losgegeben würden, Patroklus sowohl wie die Gefährten des Barsabas. 7 Und Longus und der Centurio Cestus machten sich, wie Paulus angeordnet hatte, in der Morgenfrühe auf und kamen voll Furcht zum Grab des Paulus. Als sie aber hinzutraten, sahen sie zwei Männer im Gebet und in ihrer Mitte Paulus, so daß sie beim Anblick des unglaublichen Wunders vor Schrecken außer sich gerieten, während Titus und Lukas, als sie Longus und Cestus auf sich zukommen sahen, von menschlicher Furcht ergriffen, sich zur Flucht wandten, (p. 117) worauf diese aber 1
Vgl. Joh. 18, 36.
2
Vgl. Joh. 11, 25f.
3
AG 1, 5.
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XIII. Ap08telgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
ihnen nachliefen und ihnen zuriefen: "Wir verfolgen euch nicht, um euch zu töten, wie ihr wähnt, ihr seligen Männer Gottes, sondern um zu leben, damit ihr uns gebt, wie uns Paulus verheißen hat, den wir eben mitten unter euch im Gebet stehen sahen". Und als Titus und Lukas das von ihnen gehört hatten, gaben sie ihnen mit großer Freude das Siegel im Herrn und priesen den Gott und Vater unseres Herrn J esu Christi, dem Ehre sei in alle Ewigkeit 1. Amen .
.Anhang ANFANG DES AUFENTHALTES ZU EPHESUS (Nach einem bisher noch nicht edierten koptischen Papyrus 2)
(R. Kasser) Als Paulus dies gesagt hatte, verließ er Smyrna, um nach Ephesus zu gehen. Und er trat in das Haus von Aquila und Priszilla, voller Freude, die Brüder zu sehen, welche er, Paulus, lieb hatte. Sie selbst freuten sich ebenfalls, hoben an und baten, daß sie als würdig erfunden würden, daß Paulus seinen Fuß in ihr Haus setze (1). Und es entstand Jubel und große Freude. Nun verbrachten sie die Nacht wachend im Gebet, prüfend 3 (den Willen Gottes); um (ihr) Herz zu stärken, und beteten alle einmütig in einerlei Weise. Der Engel des Herrn trat in das Haus des Aquila und stellte sich vor sie alle. Er redete mit Paulus, in einer Weise, daß sie alle bestürzt wurden: wirklich, (dieser Engel,) der da stand, ließ sich sehen (wörtl. offenbaren); die Worte aber (1), die er zu Paulus sagte, hörten (die Dabeistehenden) nicht. Als der Engel aufgehört hatte, mit Paulus in Zungen zu reden, gerieten sie in Furcht und wurden bestürzt und verstummten. Aber Paulus blickte die Brüder an und sagte: ,,(Ihr) Männer (und) Brüder! Der Engel des Herrn ist zu mir gekommen, wie ihr alle es gesehen habt, und er hat mir gesagt: Ein großer Aufruhr wird zu Pfingsten über dich kommen ... 4". Paulus konnte nun aber nicht schwermütig U) sein wegen Pfingsten, denn es war eine Art von Fest für (1) die, die an Christus glauben, die Katechumen sowohl wie die Gläubigen; vielmehr gab es große Freude und (Zeichen der) Zufriedenheit und Liebe, und Psalmen und das Lob Christi (ertönten), die Hörer zu bestärken. Paulus sagte:
Vgl. 1. Tim. 1, 17 u.a. Vgl. RHPhR, 1960, 1, S. 45ff. Der vorliegende Pap. ist in sehr schlechtem Zustande, und wir können nur Auszüge geben; außerdem muß die übersetzung, die wir hier vorlegen, als vorläufig bezeichnet werden. Der Text wird, soweit lesbar, vollständig und mit genauer Übersetzung in der Editio princeps vorgelegt werden. 8 Kopt.: dva"elvBu{}at. 4 Kaum lesbarer Abschnitt. Im wesentlichen: "Setze dein Vertrauen auf Gott und Christus, sie werden dir bei dieser Prüfung beistehen. " 1 I
3. Paulusakten
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,,(Ihr) Männer (und) Brüder! Vernehmt, was mir widerfuhr, als ich zu Damaskus war, zu der Zeit, als ich den Glauben an Gott verfolgte. Der Geist fiel
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
mia sich gegen Paulus wandte, damit er sterbe. Es gab in der Tat (1) eine Frau in der Stadt, die viele
4. ANDREASAKTEN (M. Hornschuh)
EINLEITUNG. - 1. LITERATUR. M. Blumenthai, Formen und Motive in den apokryphen Apostelgeschichten, TU 48, 1, 1933, S. 38-57; F. Dvornik, The Idea of Apostolicity in Byzantium and the Legend of the Apostle Andrew, Dumbarton Oaks Studies IV, Cambridge (Mass.), 1958; J. Flamion, Les actes d'Andre et les textes apparantes, Recueil de travaux d'histoire et de philologie, 33, Louvain 1911; Apokr. 2, S. 249-256; E. Hennecke, Zur christlichen Apokryphenliteratur, ZKG 45, 1926, S. 309-315; R. A. Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden, Bd. 1, 1883; P. M. Peterson, Andrew, Brother of Simon Peter, His History and His Legends, Supplementum to Novum Testamentum I, Leiden 1958; B. Pick, The Apocryphal Acts of Paul, Peter, John, Andrew, and Thomas, Chicago 1909; G. Quispel, An Unknown Fragment of the Acts of Andrew (Pap. Copt. Utrecht 1), VigChr 10, 1956, S. 129-148. 2. ÜBERLIEFERUNG UND BEZEUGUNG. A. Von den AA ist im Vergleich zu den anderen großen Akten am wenigsten erhalten. Zwar gibt es eine größere Reihe von Texten, die die Schicksale des Apostels zum Inhalt haben und die verlorenen Akten mit Sicherheit voraussetzen. Diese Texte, die zum größten Teil aus byzantinischer Zeit stammen, bieten jedoch den Stoff zumeist in einer stark veränderten Fassung dar und lassen die theologische Eigenart der alten AA infolge einer Überarbeitung im Sinne der späteren kirchlichen Dogmatik oft kaum noch erkennen. Folgende Texte sind zu nennen: 1. das Martyrium Andreae prius (Cod. Vatic. graec. 807)", für die Rekonstruktion des Martyriums von großem Wert, 2. das Martyrium Andreae alterum ., in zwei z. T. stark voneinander abweichenden Fassungen (Codd. Paris. graec. 770 und Paris. graec. 1539), 3. das meist als 'Narratio' zitierte Martyrium sancti Apostoli Andreae 7, 4. die Vita Andreae des Epiphanius Monachus', 5. die meist als 'Laudatio' zitierten Acta Andreae Kopt.: av1}vnaro,. • Verdorbene Stelle: Der Statthalter scheint dem Apostel seine mit dem Denken eines rechtschaffenen Römers nicht zu vereinbarende Lehre vorzuwerfen. 3 Wörtlich: Sage! -• Das Folgende wird von dem griechischen Text des Hamburger Papyrus geboten; vgl. auch RHPhR, 1960, 1, S. 55ff. 6 Bonnet, Aa II 1, S. 46-57. • Bonnet, S. 58-64. 7 ed. Bonnet in Anal. Boll. 13 ,1894, S. 353-372. 8 Migne PG 120, Sp. 218-260. 1
4. Andreasakten
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Apostoli cum Laudatione contexta 1. - Von besonderem Wert sind 6. der Cod. Vatic. graec. 808 2, der mit Sicherheit einen Teil der alten Akten unverfälscht wiedergibt', und 7. das Papyrusfragment Copt. Utrecht 1', das ebenfalls ein Stück der ursprünglichen Fassung im Wortlaut, wenngleich in koptischer Übersetzung, enthält. - Dazu kommen noch einige westliche Texte, nämlich 8. die lateinische Passio sancti Andreae Apostoli S, die sich als ein Brief der Priester und Diakone Achaeas gibt und außer in der lateinischen Fassung auch in zwei griechischen Versionen überliefert ist 6 , deren erste eine wortgetreue Übersetzung des lateinischen Textes ist, während die zweite Einfügungen aus dem Originaltext der AA aufweist (von Flamion als EpUre grecque bezeichnet), 9. eine weitere Passio sancti Andreae Apostoli 7, nach ihren Eingangsworten gewöhnlich als 'Conversante et docente' zitiert, und schließlich 10. der Liber de Miraculis Beati Andreae Apostoli des Gregor von Tours 8 • Außerdem sind uns 11. von Evodius von Uzala 9 einige Fragmente aus den AA in lateinischer Sprache überliefert. Eine sorgfältige Untersuchung aller griechischen und lateinischen Andreas-Martyrien hat J. Flamion vorgelegt, der mit großer Mühe das Ursprüngliche vom Sekundären in den verschiedenen Quellen zu scheiden versuchte. Bleibt auch manches Hypothese, so verdient doch der Versuch als ganzes unsere Zustimmung; jedenfalls sind dadurch die Voraussetzungen für eine Rekonstruktion des Martyriums geschaffen. Der von James, S. 358-363 vorgelegte Text beruht, wie auch unser Text (s. u. S. 291), auf der Arbeit von Flamion und ist ein aus Elementen von Martyrium 1 und 11, Laudatio, Narratio, Conversante et docente und Epitre grecque zusammengesetztes Mosaik. B. Eusebius von Caesareahat dieAA als erster namentlich erwähnt (h.e.llI, 25,6)10. Er rechnet die "Akten (:nedg6t,) des Andreas und Johannes und der anderen Apostel" unter die "von den Häretikern verbreiteten Bücher". Die nächste Quelle des vierten Jahrhunderts,dieBekanntschaftmitdenAAzeigt,istdas Manichäische Psalmbuch", das nicht nur Andreas, sondern auch die aus den AA uns bekannten Frauen Maximilla und Iphidamia namentlich erwähnt'2. 1 ed. Bonnet, Anal. Boll. 13, 1894, S. 311-352. 2 Bonnet, Aa 11 1, S. 38-45. 8 Vgl. Handb., S.551ff. , Der Text wurde von G. Quispel in VigChr 10, 1956, S. 129ff. erstmalig in englischer Übersetzung vorgelegt und kommentiert. Eine Publikation des koptischen Textes liegt noch nicht vor. S Bonnet, S. 1-37. 8 Bei Bonnet ebd. unter dem lat. Text. 7 ed. Bonnet, Anal. Boll. 13, 1894, S. 374-378. 8 Ed. Bonnet in Monumenta Germaniae Historica. Scriptorum Rerum Merovingicarum, tom. I, pars 11, 1885. 9 De tide contra Manichaeos c. 38, CSEL 25, 2 (Zycha), S. 968, 24-31 u. 968, 31-969, 6. 10 Die Angabe bei Eusebius, h. e. 111,1, wonach Andreas Skythien durch das Los als Missionsgebiet zugefallen sei, kann ni ch t auf Kenntnis der AA beruhen, da diese nichts von einem Wirken des Apostels in Skythien berichtet haben. 11 C. R. C. Allberry, A Manichaean Psalm-book, Manichaean Manuscripts in the Chester Beatty Collection 2, Stuttgart 1938. Die Entstehung dieser Sammlung wird von Allberry um 340 datiert. 12 Es ist freilich nicht sicher, ob das Manichäische Psalmbuch die AA in ihrer ursprünglichen Fassung gekannt hat. Die spärlichen Bezugnahmen und Anspielungen auf die Andreasgeschichten weichen von dem Gang der Handlung, wie wir ihn aus den oben erwähnten Quellen kennen, z. T. stark ab. So heißt es S. 142,20f. (nach der Übersetzung von Allberry): "Andrew the Apostle, - they set fire to the house beneath him. He and his disciples (p,uIhjTIj,) - all hail to them, they were crucitied (CITuveoiiv)." Während die Brandstiftungsepisode auch durch Gregor von Tours bezeugt wird (dazu s. u.), also von den AA berichtet worden sein muß, weiß keine unserer Quellen etwas davon, daß die Jünger des Andreas das Schicksal des Apostels geteilt hätten. Nach dem Manichäischen Psalmbuch scheinen auch die Frauen Opfer der Justiz des Aegeates geworden zu sein, vgl.
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XIII. Apo8telge8ehiehten de8 2. und 3. Jahrhundert8
Im weiteren Verlauf des vierten Jahrhunderts finden wir die.AA von Philastrius von Brescia erwähnt, der sie im Besitz der Manichäer vorfindet: Nam Maniehei apoerypha beaU Andreae apo8toli, id e8t Aetus quos feeit venien8 de Ponto in Graeeiam quos eonseripserunt tune di8eipuli 8equente8 beatum apo8tolum, unde et habent Maniehei et alii tales Andreae beati ... Aetus ... 1 Epiphanius weiß die .AA im Besitz der Enkratiten', der Apotaktiten (61, 1; S.381 Holl) und der sog. Origenianer erster Ordnung (63,2; S. 399 Holl). Spätere Bezeugungen und Bezugnahmen auf die .AA s. bei Dvornik, S. 188ff., und P. M. Peterson, S. 9ff. 3 • 3. CHARAKTER. Man hat für die Bestimmung des religionsgeschichtlichen Charakters der .AA von den Fragmenten Cod. Vat. 808 und Pap. Copt Utrecht 1 auszugehen. Damit soll das Recht zu einer vorsichtigen Erweiterung der Basis durch Einbeziehung jener Elemente aus Laudatio, Narratio, Martyrium I, Ir usw., in denen wir echte Bestandteile der alten .AA erkennen, nicht bestritten werden. Im Gegensatz zu R. A. Lipsius (I, S.594ff.), der den .AA einen gnostischen Charakter zuschrieb, sah J. Flamion (S. 145ff.) in dem Verfasser einen Orthodoxen, dessen Gedanken freilich von neupythagoreischen und neuplatonischen Ideen stark beeinflußt waren. Gegen diese These hat bereits E. Hennecke (Apokr. 2, S. 250) mit Recht eingewandt, daß die aufgewiesenen Berührungen nicht ausreichen, um einen neuplatonischen Einfluß wahrscheinlich zu machen. Gegenüber Flamion hat G. Quispel (S. 142ff.) neuerdings wieder eine gnostische Prägung des Textes nachzuweisen versucht. Wie aus dem koptischen Papyrus, dem vatikanischen Fragment (S. 44, 14) und der Laudatio (S. 384, 7-14) zu ersehen sei, habe der Verfasser eine gnostische Anthropologie gelehrt. Er habe sich zu einer praede8tinatio physica bekannt, wie sie für die Gnosis des zweiten Jahrhunderts charakteristisch ist; denn er unterscheide zwischen den qn5ast avyysvsit; .oi! oveavoi! und den qn5act avyyevcit; .oV awfta.ot;. Quispel selbst räumt jedoch ein, daß auch ein kirchlicher Schriftsteller des zweiten Jahrhunderts in der Aufnahme fremder Gedanken so weit hätte gehen können, wie es der Verfasser unserer Akten getan hat, ohne daß er damit die Grenzen des in der katholischen Kirche noch Möglichen bereits überschritten hätte. Schon im Hinblick auf das Fehlen wichtiger, für die Gnosis charakteristischer Züge, wie etwa des kosmologischen Dualismus und des Interesses am Pleroma mit seinen Äonen, ist die These vom gnostischen Charakter der .AA nur mit Einschränkung zu vertreten. Schließlich erweist sich bei genauerer Prüfung, daß auch die gnostische Prägung der Anthropologie höchst fraglich ist. Denn von einer praede8tinatio phY8ica kann keine Rede sein. Zwar hat die Wirkung der Apostelreden ihren Grund in der wahren cpvatt; bzw. in dem r5taV07J"Z"tuov w3eOt; (S. 42, 13 Bonnet) der Hörer; in der Annahme der Heilsverkündigung realisiert ja der Mensch sein eigentliches Wesen, d.h. seine wahre geistige Natur. Doch lassen sich zu diesem Gedanken nicht nur Parallelen aus der Gnosis, sondern auch aus der zeitgenössischen hellenistischen Philosophie anführen. Von sog. Hylikern', die auf Grund ihrer Beschaffenheit zur Annahme der Erkenntnis unfähig seien, ist keine Rede. Zwar bilden die Christen ein besonderes yhot;" im Vergleich S. 143, 13f.: "Maximilla and Aristobula - on them was great torture inflicted. What need (xesta) for them to suffer these things? It is purity for which they fight. ", vgl. 192,26f., wo der Text freilich nicht ganz sicher ist: "A shamer of the serpent is Maximilla the faithful (ma7:6t;). A receiver of good news is Iphidama, her sister also, imprisoned (?) in the prisons." 1 Diversarum hereseon liber 61, CSEL 38 (Marx) 1898, S. 48. • Pan. haer. 47, 1,5 (GCS 31, ed. K. Holl, 1922, S.216.) 3 Zur Frage des manichäischen Aktencorpus Vgl. o. S. 117 ff. • Vgl. Quispel (S. 143), der den gnostischen "Traktat über die drei Naturen" zum Vergleich heranzieht. " S. 38, 5 (Bonnet). Auch die Stoa hat die Menschen in zwei Gruppen eingeteilt; vgl. Zeno (bei Arnim, Stoic. veto fragm. I, S. 216): övo yiv7J .•• , .0 ftev "Z"iöv a'novr5atwv, .0 öe .wv cpavAwv. Der Gedanke ist also nicht auf die Gnosis beschränkt.
4. Andreasakten
273
zu denen, die die Verkündigung ablehnen oder noch nicht gehört haben. Aber dieser Unterschied ist nicht in einem Dualismus der Naturen begründet. Dementsprechend ist auch der häufige Gebrauch der Begriffe aVyyev'lje; und aÄÄ6Tetoe; nicht gnostisch zu deuten. Die Christen sind avyyeveie; TOV ayeVV'ljTOV (S. 40, 32, Bonnet), weil sie durch ihre Bekehrung und ihren gottwohlgefälligen Wandel sich nunmehr als zu Gott gehörig erweisen; Aegeates ist dagegen ein aVyyevije; TOV aWflaTOe; (S. 41,18, Bonnet), weil er nicht von den leiblichen Begierden abläßt. Wer in der Gottlosigkeit verharrt, gilt als ein "Verwandter der Schlange" (S. 42, 27, Bonnet), weil er sich durch sein faktisches Verhalten zu ihr bekennt. Alles, was Gott und der wahren, gottverwandten menschlichen Natur fremd und feindlich ist, gilt als aU6TetoVl. Das Hauptthema der AA ist die Abkehr von der Welt, deren Merkmale Vergänglichkeit und Trug>, Vielheit" und Bewegung 4 sind, und die Realisierung des eigentlichen Seins in der Hinkehr zum Einen, zu Gott. Diese Gedanken entsprechen genau der Zielsetzung des mittleren Platonismus, dem der Verfasser von allen philosophischen Richtungen der Zeit am nächsten steht. Von den Voraussetzungen dieser Philosophie her ist auch die enkratitische Tendenz der AA zu verstehen. Philosophie ist, wie der Schulplatoniker Alb in 0 s definiert, Ävate; "ai neetaywyij 1pvxfje; ano aWflaTOe; (didasc. 1, ed. Hermann, Plat. dial. VI, S. 152). Von der platonischen Schulphilosophie her fällt auch Licht auf die eigenartigen Spekulationen über das Kreuz (Mart. 1,14). Die Vorstellung vom Kreuz als Symbol des Logos geht letztlich auf die platonische Vorstellung vom Chi der Weltseele zurück 5; vgl. Platon (Tim. VIII, S. 36b): TaVTt}V o-&v TijV ~vaTaaw nrlaav i5mÄfjv "aTa flfj"Oe; axlaae; (sc. der Demiurg) flea'f}v neoe; flea'f}v i"aTeeav aÄÄ'ljÄate; oiov Xi neoaßaMw "ad"afl'lpeV. Dem Kreuz, das in den AA den 'himmlischen Logos' symbolisiert (Laud., S. 346,19), wird die Funktion eines den ganzen Kosmos umfassenden einheitgebenden Prinzips zugeschrieben. Es erstreckt sich durch den ganzen Kosmos, um "das Unstete zu befestigen" (S. 54, 23f., Bonnet); es "bringt den Kosmos zusammen" (S. 55, 2) und "bindet den Kosmos in seinem Umfang" (S. 55, 7f.). Das sind Gedanken, die aus der stoischen Lehre vom Logos stammen, dem Verfasser aber, wie wir annehmen dürfen, durch die Vermittlung der Platoniker bekannt wurden, die die Züge des stoischen Logos auf die Weltseele übertrugen. Vgl. die Ausführungen des Albinos, didasc. 14 (Hermann, S. 170): Tfje; i5e 1pvxfje; Ta{}ela'f}e; e" TOV fleaov eni Ta neeaTa, avveß'f} aVTijv TO aWfla TOV ,,6afl0tJ "v"Äcp i5ta nanoe; neetiXew "ai neet"aÄv1pat, maTe iJÄcp Ti[> ,,6aflcp aVTijv naee"Teivat "ai TOVTCP Ti[> Te6ncp aVTOv avvi5eiv Te "ai avveXeW. Ähnlich äußert sich Attikos nach Euseb, praep. ev. XV, 12, 3 (Mras, GCS 43, 2, S. 375, 18) über die Weltseele: Sie ist i5t'lj"ovaa i5ta TOV nanoe; "ai navTa avvi50vaa "ai avvexovaa. Die hier zutage tretende, für den mittleren Platonismus charakteristische Verbindung platonischer und stoischer Gedanken ist gleichfalls für die AA kennzeichnend. 1 S. 41, 25; 42,23; 43,25; 45,2.17.22 (Bonnet). Der Begriff stammt aus der Philosophie. Er bezeichnet in der Stoa alles dem Logos Entgegengesetzte und nicht Gemäße, m. 3.. W. alles Feindliche und Fremde, dem der Mensch ausgesetzt sein kann. • Von den Menschen wird gesagt, daß sie ev "a"oie; Toie; neoa"aleote; i5tayovat, Teen6fleVOt "wie; emßÄaßeaw aVTwv rpav-raalate; (S. 44, 7f.). Daß das Unheil in den falschen Vorstellungen (rpanaalat) wurzele, ist auch die Überzeugung der Stoiker; vgl. z.B. bei Diog. Laert. (Stoic. veto frag. 11, 130 Arnim): maTe ele; a"oafllav "ai el"at6T'f}Ta Teenea{}at TOVe; ayvflvaaTOVe; exovTae; Tae; rpav-raalae;. 3 S. 38, 16: .a noÄÄa aneaTeaflfle{}a. Die Christen sind TOV iv6e;. Das Begriffspaar Ta noÄÄa - TO Ilv stammt aus der Sprache der Philosophie. Der Vielheit und Mannigfaltigkeit der sinnlichen Welt wurde seit Parmenides die Einheit und Einzigartigkeit des wahren Seins gegenübergestellt. 4 Die Bekehrten können nunmehr bekennen: ov" eaflev "w'ljaewe; TeXV'f} (S. 38, 8f.). Die Welt bietet dagegen das Bild eines unablässigen Werdens und Vergehens. Sie ist auch nach geläufiger philosophischer Weltbetrachtung dem Wechsel und der Bewegung unterworfen. Das Wesen des wahren Seins ist dagegen die Beharrung. S Vgl. W. Bousset, PlatonsWeltseele und das Kreuz Christi, ZNW 14,1913, S.280f. 18 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
Daß der Dualismus der AA. nicht gnostisch verstanden werden darf, ergibt sich mit aller wünschenswerten Sicherheit aus dem Zitat bei Augustin, De Actis cum Felice manichaeo H, 6 (CSEL 25, 2 Zycha, S. 833, 13-17) 1: "Etenim speciosa figmenta et ostentatio simulata et coactio visibilium nec quidem ex propria natura procedunt, sed ex eo homine, qui per se ipsum deterior efjectu8 est, per seductionem" 2. E. Peterson hat auf die engen Berührungen mit der Theologie Tatians aufmerksam gemacht 3. Die Näbe der AA zu Tatian zeigt sich inder Wendung TO TOV A6yov tpwq; i/JsiX{}I]4, ferner in der Epiphanie des Christus als puerulus 8pecio8us s. Das Motiv von dem als Kind bzw. Jüngling und als Lichtglanz 6 epiphan werdenden Christus, das die AA. mit den Paulusund Thomasakten gemeinsam haben, findet, wie E. Peterson gezeigt hat (a.a.O., passim), seine Erklärung durch einen Vergleich mit verwandten Gedanken Tatians. Wenn Jesus als Kind erscheint, so erscheint er als der in vollkommener Unschuld und Reinheit lebende Adam vor dem Fall im Paradies 7. Die Erlösung besteht mithin in der Restitution des durch den Sündenfall verlorenen paradiesischen Zustandes. Um dasselbe Thema - um die Wiederherstellung des Zustandes vor dem Fall- geht es Tatian in der Oratio ad Graecos 8 • Der Sündenfall ist für Tatian 9 wie für die AA. ein Ereignis, das der Schöpfung folgt und ohne kosmologische Bedeutung ist. Für beide vollzieht sich die Erlösung als Selbsterkenntnis 10, als Absage an die Materiell und als Kampf gegen die Dämonen 12. Beide vertreten einen rigorosen Enkratismus, der nicht aus gnostischen Voraussetzungen abgeleitet ist 13 • Der religiöse und theologische Charakter der AA. ist trotz gewisser Berührungen mit gnostischen Ausdrucksformen nicht durch die Gnosis, sondern entscheidend durch Gedan1 Das Stück, das Augustin "in actibus scriptis a Leucio" fand uud das auch Evodius mit geringen Abweichungen zitiert (De Fide contra Manichaeos c. 5), ist den AA. mit großer Wahrscheinlichkeit zuzurechnen. 2 Ähnlich der seit jeher als Gnostiker mißverstandene Tatian; vgl. Oratio ad Graec.ll, 6 (ed. Schwartz, TU 4, 1, S. 12, 15f.): OVOBV tpav AOV -Uno TOV {hov nSnOi'l]Ta!, TnV nOV'I]l2iav ijpeiq; dvc/Jsi~aftev. 3 Frühkirche, Judentum und Gnosis, 1959, S.202ff. (in dem Aufsatz "Bemerkungen zum Hamburger Papyrus.Fragment der Acta Pauli", S.183ff.). Die Beobachtung Petersons betrifft sämtliche fünf Hauptakten, interessiert uns aber in diesem Zusammenhang nur im Blick auf die AA. 4 S. 45,15 (Bonnet); vgl. E. Peterson, a.a.O., S. 206, Anm. 86. In der Dunkelheit der Seele wirkt der A6yoq; nach Tatian (Or. ad Grac. 13,3 (Schwartz, S.14, 20)) als TO TOV {}sov
tpw~.
Nach Evodius, De Fide 38 (Zycha, S. 969, 1). Specio8u8 dürfte die Bedeutung glänzend haben. Dem puerulus speciosus der AA. entspricht der veavia1eoq; • • • q:aivwv der Acta Pauli nach dem Hamburger Fragment (C. Schmidt, n(!a~ctq; navAov, Acta Pauli. Nach dem Papyrus der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek, 1936, S. 34, 28). Zu Jesus als Lichtglanz vgl. E. Peterson, a. a. 0., S.193ff. 7 Vgl. E. Peterson, S. 195f. B Vgl. M. Elze, Die Theologie Tatians, 1960 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengesch. 9), S. 85. 9 Vgl. Elze, S. 85. 10 Für die AA. vgl. S. 42, 3; 44, 15f. (Bonnet); zu Tatian vgl. Elze, S. 96. 11 Für die AA. vgl. S. 43, 30f. (Bonnet); zu Tatian vgl. Elze a.a.O. 12 Für die AA. konzentriert sich die Macht des Dämonischen, gegen die die Gläubigen einen immerwährenden Kampf zu führen haben, in der Gestalt des Teufels; darüber vgl. Flamion, S. 150ff.; zu Tatian vgl. Elze a.a.O. 13 Die oben erwähnte Untersuchung von Elze hat ergeben, daß die Theologie Tatians in ihrer Grundkonzeption auf der Anwendung mittelplatonischer AnschaLungen auf das Christentum beruht. 6
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4. Andreasakten
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ken hellenistischer Philosophie geprägt!. Besonders eng sind die Berührungen mit der Theologie Tatians. 4. HEIMAT UND ENTSTEHUNGSZEIT. Übereinstimmung ist in der Datierungsfrage noch nicht erzielt worden. J. Flamion (S.268) sieht auf Grund der von ihm aufgewiesenen vermeintlichen Berührungen mit dem Neuplatonismus in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts die Entstehungszeit der Akten. Während James (S.337) und Dvornik 2 dieser These zustimmen, will Quispel - sicherlich mit Recht - die AA vor 200 datieren 3. Erik Peterson setzt für die Andreas-, Johannes- und Thomasakten ein gemeinsames enkratitisches Milieu voraus' und meint, daß sie "in der Zeit entstanden sind, da die Sekte der Enkratiten entstand oder bekannt wurde, d.h. unter Hadrian 117-138"5. Jedenfalls lassen es die gegenseitige Übereinstimmung in der religiösen Symbolik, die zum Teil sehr weitgehende Ähnlichkeit der Ideen und des sprachlichen Ausdrucks und gewisse auffallende Analogien der Umstände und Situationen·, die auf enge Beziehungen zu den anderen Akten schließen lassen, untunlich erscheinen, die AA von diesen in der Datierung allzu weit abzurücken. Sich auf die Zeit Hadrians festzulegen, wäre indes zu gewagt. Eher dürfte man in dieser Zeit den ungefähren terminus a quo der Abfassung sehen. Als terminus ad quem kann man wohl die Entstehungszeit der Acta Pauli ansehen, - vorausgesetzt, daß die von Quispel (S. 145ff.) aufgewiesenen engen Berührungen zwischen den Andreasund Paulusakten als Abhängigkeit dieser von jenen zu deuten sind. Daß der Verfasser der Paulusakten ältere Apostelgeschichten benutzt hat, ist für die Petrusakten von C. Schmidt' gezeigt und für die Thomasakten von E. Peterson (a.a.O., S. 199f.) zumindest als sehr wahrscheinlich erwiesen worden. So ist es jedenfalls das Sicherste, wenn wir auch die Berührungen zwischen den AA und den Paulusakten auf eine Benutzung der ersteren durch den Verfasser der letzteren zurückführen. Die Abfassung der Paulusakten wird von C. Schmidt (a.a.O., S. 107) auf 190-200 datiert. Dieser Zeitraum bildet also den - freilich ungenauen - terminus ad quem der Abfassung unserer Akten, welche nach alledem in der Zeit zwischen ca. 120 und ca. 200 entstanden sein müssen. Dabei ist es sicherlich ratsam, die Abfassung nicht allzu früh innerhalb dieses Zeitraumes anzusetzen, zumal wir kaum berechtigt sind, die AA von den Acta Petri, die von C. Schmidt um 180-190 datiert werden (a.a. 0., S. 130), um mehrere Dekaden abzurücken. Die engen sachlichen und stilistischen Beziehungen zwischen den AA und den Acta Petri verlangen es vielmehr, die Entstehung der AA in die zweite Jahrhunderthälfte zu datieren, wobei wir wohl nicht über 190 hinausgehen dürfen. 1 Vgl. Flamion, S. 157: "Ce qui apparait d'une fa90n evidente, c'est la profonde influence qu'elle (scil. die Lehre der AA) a subie de la philosophie regnante du commencement de l'empire. " 2 S. 193. Dvornik macht S. 212ff. zugunsten dieser Datierung geltend, daß Achaea nach der Auskunft des monarchianischen Prologs zum Lukasevangelium das Missionsgebiet des Lukas war. Diese Nachricht wird von Hieronymus (Migne PL 26, Sp. 18) bestätigt. In der ältesten Achaea betreffenden Tradition ist von Andreas keine Rede. Diese Tatsache beweist nach Dvornik, daß die AA, die das Aufkommen der neuen Tradition über Andreas' Wirksamkeit in Achaea verursacht haben, erst nach Origenes, der diese Tradition noch nicht kannte, und zwar gegen Ende des dritten Jahrhunderts habe entstehen können. - Der Beweis ist schwerlich gelungen. 3 S.142. 4 Epiphanius, Pan. haer. 47, 1,5 (Holl II, GCS 31, S. 216) teilt uns mit, daß diese drei Akten bei den Enkratiten in Gebrauch waren. (; A.a.O., S.211 (in dem Aufsatz "Beobachtungen zu den Anfängen der christlichen Askese", S.209-220). • Dazu vgl. E. Petersons oben erwähnter Aufsatz "Bemerkungen zum Hamburger Papyrus-Fragment der Acta Pauli", S. 183ff. , C. Schmidt, II(!a~Bt, IIavAov, Acta Pauli, S. 127-130.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
Der Ort der Abfassung ist nach Flamion (S.266f.) Achaea. Dafür spräche die fast ausschließliche Verwendung griechischer Namen durch den Verfasser. Doch braucht daraus nicht auf Griechenland als Entstehungsort geschlossen zu werden. Die Frage nach der Heimat des Verfassers scheint mir einstweilen unbeantwortbar zu sein 1. 5. UMFANG UND INHALT. Die AA - in ihrer Originalfassung sicher die umfangreichsten im Verhältnis zu den anderen Hauptakten - bestanden aus zwei Hauptteilen: dem Reisebericht" und dem Martyrium". Daß die "Akten des Andreas und Matthias" sowie die "Akten des Petrus und Andreas" nicht zu den AA gehört haben, sondern jüngeren Datums sind, ist seit Flamion unbestritten (S. 310ff.). Für die Wiederherstellung des Erzählungsfadens maß Flamion dem Liber de Miraculis Beati Andreae Apostoli des Gregor von Tours größten Wert bei. Als Vorlage diente Gregor, wie er in seiner Einleitung mitteilt, ein Buch De virtutibus S. Andreae, das von vielen auf Grund seiner Weitschweifigkeit als apokryph betrachtet wurde'. Das Buch des Gregor ist eine Epitome, die er unter Ausscheidung aller häretischen Elemente und unter Beschränkung auf eine Auswahl von Wundern 5 hergestellt hat. Ab c. 3 berichtet Gregor von einer Reise des Apostels von Pontus nach Achaea. Diese Reise, die dem Apostel Gelegenheit zur Vollbringung vieler Wunder gibt, führt durch die Städte Amasea, Sinope, Nicaea und Nicomedia über Byzanz und durch Thrakien nach Perinthus (an der thrakischen Küste), weiter nach Macedonien (Philippi und Thessalonich) und schließlich nach Patrae in Achaea, dem Reiseziel. Daß es tatsächlich die alten AA waren, die dem gallischen Bischof - sei es in einer Bearbeitung, sei es in ihrer ursprünglichen Fassung - als Vorlage gedient haben, ist nicht zu bezweifeln, denn Philastrius (s. 0.) bestätigt uns ja, daß die Wunder, die A. auf der Reise von Pontus nach Griechenland vollbracht habe, den Inhalt der AA bildeten. Wir gewinnen freilich mit der Epitome des Gregor von Tours zunächst nichts weiter als ein Gerippe. Würden wir sie in dieser Form als Bestandteil der alten AA ansprechen, so ergäbe sich ein falsches Bild; jedenfalls ist "für den eigentümlichen Tenor der alten Akten, den wir aus dem Stücke Cod. Vatic. 808 kennen ... , aus den mageren Wunderberichten des gallischen Bischofs nicht viel gewonnen" 6. Die aus dem erwähnten Text 1 Auch über die Person des Verfassers läßt sich nichts sagen. Über die Leucius·Frage vgl. Schäferdiek, o. S. 121 ff. Innozenz 1. (402-417) erwähnt in einem Brief an den Bischof von Toulouse die "sub nomine Andreae" verfaßten Akten, "quae a Xenocharide et Leonida philosophis ... " (bei H. Wurm, Apollinaris 12, 1939, S. 77). Die Angabe ist ohne Wert, vgl. R. A. Lipsius 2, 2, S. 430; Handb., S. 546; Flamion, S. 163, Anm. I; Dvornik, S. 188, Anm.24. Dvornik hält es für möglich, daß es sich um die Namen zweier in der ursprünglichen Fassung der Akten erwähnter Personen handelt, die zu den von Andreas bekehrten Heiden gehörten und später in bestimmten Kreisen als die Verfasser der Akten angesehen wurden. • Blumenthais Versuch, S. 46f., Notizen aus der Lebenszeit Jesu in Narratio und Laudatio den AA zuzuweisen, scheitert an Gregor, dessen Vorlage mit dem Aufbruch von Pontus nach Griechenland begann. " Der Gang des Martyriums wird von Gregor nur eben angedeutet (c. 36f.). Er verweist dabei ausdrücklich auf eine Passio, die in Gallien zu seiner Zeit zirkuliert haben muß und sicherlich mit dem Martyrium Conversante et docente identisch ist (vgl. Flamion, S. 44, 53f.; James, S.349; Dvornik, S. 192f.). Vgl. c.36, S.845: " ... quos lectio passionis eius plenissime declarat"; c.37, S.846: "Passionis quoque eius ita ordinem prosecuti non sumus, quia valde utiliter et eleganter a quodam repperimus fuisse conscriptum." Weil mit diesem Text bereits ein lateinischer Passionsbericht im Umlauf war, konnte Gregor sich auf den Reisebericht beschränken (vgl. Dvornik, S. 192f.). • "quia propter nimiam verbositatem a nonnullis apocrifus dicebatur" (p.827). 5 "retractis (retractatis?) enucleatisque tantum virtutibus, praetermissis his quae fastidium generabant" (ebd.). 6 E. Hennecke, ThLZ 38, 1913, Sp. 74.
4. Andreasakten
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sowie aus Pap. Copt. Utrecht 1 uns bekannten enkratitischen Anschauungen der AA werden bei Gregor nicht nur verleugnet, sondern in ihr Gegenteil verkehrt, wenn es heißt, daß die Apostel nicht die Ehe verböten, daß der Ehestand vielmehr eine göttliche Einrichtung sei 1. Damit zeigt sich, daß Gregor den Stoff einer erheblichen Umgestaltung unterzogen hat. 2 Mit völliger Sicherheit kann man den AA nur den äußeren Rahmen zuschreiben, weiteres Material dagegen nur insoweit, als es sich durch Parallelen in östlichen Texten als Inhalt der AA verifizieren läßt oder durch neue Funde als echt bestätigt wird. Ein Vergleich des Fragmentes Pap. Copt. Utrecht 1 lnit der parallelen Episode bei Gregor von Tours (c. 18) mahnt uns nur zur Vorsicht gegenüber Gregor, ergibt er doch nur, wie stark Inhalt und Tendenz der AA bei Gregor verändert wurden·. Daß wir von einer Wiedergabe der Epitome in vollem Wortlaut absehen müssen, ergibt sich daraus lnit Selbstverständlichkeit. Die von Gregor c. 12 berichtete Brandstiftungsepisode scheint - zumindest in ihrem Kern - Bestandteil der alten Akten gewesen zu sein. Auch das Manichäische Psalmbuch nimmt auf diesen Vorgang Bezug (S. 142,20): Andreas der Apostel- in Brand steckten sie das Haus unter ihm. Die von Gregor berichtete Geschichte verlief folgendermaßen: Zu Andreas, der sich in Philippi aufhält, kommt ein Jüngling namens Exuos aus Thessalonich. Der aus einer vornehmen und begüterten Falnilie stammende und ohne Wissen seiner Eltern gekommene junge Mann bittet den Apostel um Unterweisung im Christentum. Er wird von A. belehrt und bekehrt und bleibt bei ihm, ohne sich weiter um den weltlichen Reichtum zu kümmern. Seine EItern kommen ihm nach und versuchen vergeblich, ihn zur Trennung von A. zu bewegen. Umgekehrt bleiben auch seine und des Apostels Bemühungen, die EItern für das Christentum zu gewinnen, ohne Erfolg. Diese sammeln eine Bande und setzen das Haus, in dem sich der Apostel mit Exuos befindet, in Brand 4. Unter Anrufung des Namens Jesu Christi löscht Exuos den Brand lnit Wasser aus einer Flasche. Ob die Geschichte lnit allen Einzelheiten so, wie sie Gregor erzählt, in den AA gestanden hat, ist nicht mehr zu entscheiden. - Mit Sicherheit läßt sich die Episode von der Geisteraustreibung in Nicaea. (c. 6; S. 830) den AA zuweisen, wobei wir auch in diesem Falle nicht imstande sind, den Bericht nach seinem Wortlaut zu rekonstruieren. Daß die Geschichte in irgendeiner Form Bestandteil der Akten war, ersehen wir daraus, daß sie auch von zwei östlichen Texten, der Narratio (c. 4; S. 356) und der Laudatio (c. 18; S. 325f.) gebracht wird. Sie wird von den drei Quellen in stark voneinander abweichenden Formen erzählt. Gregor: Sieben Dämonen hausen zwischen den Gräbern in der Nähe einer Straße, bewerfen die Passanten lnit Steinen und haben schon viele getötet. Dem sich nahenden Apostel zieht die ganze Bevölkerung zum Empfang entgegen, Olivenzweige schwenkend und ausrufend: "Unsere Rettung steht in deiner Hand, Mensch Gottes" (Apantesis und Akklamation). Den Einwohnern, die von der Situation berichten, antwortet A. im Sinne der späteren kirchlichen Dogmatik, daß der Glaube "an den Herrn Jesus Christus, den Sohn des allmächtigen Gottes, der lnit dem Heiligen Geist ein Gott ist", die Voraussetzung der Hilfe sei. A. gebietet den Dämonen, vor der ganzen Einwohnerschaft, die zur Annahme des Glaubens bereit ist, zu erscheinen. Nach einem öffentlichen Christusbekenntnis der Menge vertreibt A. die als Hunde erschienenen Dämonen, die sich in wüste und menschenleere Gegenden 1 "Non nos nuptias aut avertimus aut vitamus, cum ab initio Deus masculum iungi praecipisset et feminam, sed potius incesta damnamus" (c. 11, p. 832). 2 Vgl. Quispel, S. 137-141,148. 3 Vgl. Quispela.a.O. 4 A. hat nach Gregor im dritten Stock gewohnt, vgl. p. 832, 39: "apostolus descendit de tristicio"; vgl. p. 832, 9. Durch diese Bemerkung, die wohl den AA entnommen sein dürfte, wird die Angabe des manichäischen Psallnisten verständlich, daß man das Haus "unter ihm" (karai) in Brand gesetzt habe.
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zurückziehen. Die Einwohner werden getauft und erhalten einen Bischof. - Laudatio: Eine große Menge von Dämonen haust auf einem Felsen, auf dem ein Artemisbild steht. Die Geister, die nach Opfern verlangen, machen den vorbeiführenden Weg zu bestimmten Tageszeiten und in der Nacht unbegehbar. Während niemand mehr wagt, sich der Stelle zu nähern, vertreibt A. die Geister durch seine bloße Gegenwart. Sie fliehen in der Gestalt von Raben und mit dem Schrei: ,,0 Gewalt von dir, Jesus, Galiläer, Nazarener, denn deine Jünger verfolgen uns aIlenthaJben." A. reinigt den Ort, indem er das Standbild umwirft und statt dessen das Kreuz aufrichtet. - Narratio: Das Osttor der Stadt ist der Sitz böser Geister. Darüber informiert, geht A. hin und vertreibt die Dämonen "unter Anrufung Christi, unseres Gottes". So reinigt A. den Ort und macht das Tor wieder passierbar. Mit Sicherheit läßt sich nur das den AA zuweisen, was alle drei Quellen gemeinsam haben. Danach hat A. in Nicaea eine durch Dämonen unpassierbar gewordene Stelle' durch eine exorzistische Handlung wieder begehbar gemacht. Wahrscheinlich hat vor der Tat ein Gespräch des Apostels mit den Stadtbewohnern stattgefunden (c. 21 f.; S. 838). Wahrscheinlich ist auch, daß die Akten einen Dialog zwischen Andreas und den Dämonen erzählt haben. Wenn es sich so verhält, dann hätten Gregor und die Laudatio die Erinnerung daran bewahrt, ohne daß wir jedoch noch in der Lage wären, wörtliche Elemente dieses Gespräches zu eruieren. Durch einen Vergleich von Gregor und Laudatio lassen sich auch die Vorgänge in Patrae, die den in Vatic. 808 geschilderten Ereignissen voraufgehen, in groben Umrissen rekonstruieren. In den Einzelheiten weichen die beiden Quellen z. T. erheblich voneinander ab, und wir können nirgends, wo sie Verschiedenheiten aufweisen, mit Sicherheit entscheiden, welche der ursprünglichen Fassung am nächsten steht. Ober die ersten Ereignisse in der Stadt berichten Gregor (c. 21 f.; S. 838) und die Laudatio (c. 33f.; S. 335) übereinstimmend: Lesbius, der Prokonsul, verhält sich anfangs gegenüber A. feindlich, wird jedoch durch eine übernatürliche Macht gezüchtigt, läßt A. herbeirufen und bekehrt sich. Darauf predigt A. in der Stadt mit großem Erfolg. Gregor: A. begibt sich zunächst in eine Herberge. Lesbius hat schon vor seiner Ankunft von seiner Tätigkeit gehört und in seiner Ablehnung einen (freilich gescheiterten) Versuch unternommen, sich der Person des A. in Macedonien zu bemächtigen. Dem Prokonsul, der seine feindselige Einstellung nicht aufgibt, erscheinen des Nachts zwei "Äthiopier" (Dämonen), die in der Absicht, vor ihrer Vertreibung ein letztes MaI ihre Macht zu demonstrieren, dem Prokonsul schwere Geißelschläge versetzen. Durch eine Vision veranlaßt, läßt Lesbius den Apostel zu sich rufen. Dieser findet den Prokonsul in schwerkrankem Zustande vor und heilt ihn. Darauf predigt A. mit großem Erfolg in der Stadt. - Lau da ti 0 : A. heilt sogleich nach der Ankunft zwei Kranke. Die Kunde verbreitet sich in der Stadt, doch Lesbius hält - von der e).).T}vt:XTJ nM.vT} erfüllt - den Apostel für einen Magier, will sich seiner bemächtigen und ihn töten. In der Nacht erscheint ein Engel, der ihn zurechtweist und züchtigt. Nachdem er mehrere Stunden in hilflosem Zustande verbracht hat, läßt er - wieder zu sich kommend - A. rufen, bekehrt sich und wird durch ein Gebet geheilt. Weitere Heilungen folgen; die ganze Stadt nimmt das Christentum an. - Im weiteren Bericht ist von der Ablösung des Lesbius durch Aegeates die Rede gewesen. Durch diesen Wechsel, der während einer vorübergehenden Abwesenheit des Apostels von Patrae erfolgt sein muß, entsteht eine neue Situation. Nach seiner Rückkehr kommt A. mit dem neuen Prokonsul alsbald in Berührung. Maximilla, die erkrankte Gattin des Aegeates, läßt, wie 1 Mit Recht meint Blumenthal, S. 45, daß das Artemisbild wohl auf Rechnung des Laudators zu setzen sei, "nicht nur, weil die spätere Zeit gern Dämonen und Götzenbilder miteinander verbindet, sondern weil sie an der Zertrümmerung solcher Bilder besonderes Interesse hat". Der Felsen hingegen, meint Blumenthal, wird ursprünglich sein, weil der Laudator gar kein Interesse an ihm gehabt haben konnte. - Man könnte mit demselben Recht fragen, welches Interesse Gregor an den Gräbern und welches Interesse der Narrator an dem Stadttor gehabt haben könne.
4. Andreaaakten
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beide Zeugen übereinstimmend berichten, den Apostel durch Iphidamia 1 zu sich bitten. Aegeates steht, wie ebenfalls beide berichten, mit gezogenem Schwert neben dem Lager seiner Frau, um sich im Falle ihres Todes das Leben zu nehmen. Aus den Worten, mit denen A. den Prokonsul anredet, haben die Zeugen nur die Aufforderung gemeinsam: "Stecke dein Schwert an seinen Ort." A. heilt Maximilla z, weist jedoch eine von Aegeates angebotene Belohnung zurück. 3 Die folgende Episode (Gregor c. 31, S. 844; Laud. c. 40, S. 339) wird bei beiden Zeugen durch entsprechende Wendungen mit dem Vorhergehenden verknüpft'. Nachdem A. das Haus des Aegeates verlassen hat, sieht er einen Gelähmten im Schmutz liegen. Er heilt ihn durch seine wunderkräftige Änrede 5 • Beide Zeugen berichten, daß sich der Geheilte "sofort" erhob und Gott lobte. Ein weiteres Wunder schließt sich bei beiden Zeugen daran an (Gregor c. 32, S.844; Laud. c. 40, S.339). Es ereignet sich, wie beide betonen, an einem anderen Ort. Dort findet A. einen Blinden vor. Bei ihm sind seine Frau und sein Sohn, beide ebenfalls blind. Über den Heilungsvorgang wird verschieden berichtet 6 • Gemeinsam wird bezeugt, daß die Geheilten dem Apostel die Füße küßten. Wahrscheinlich ist, daß die .A.A auch von Worten des Dankes oder des Bekenntnisses der Geheilten erzählt haben? Auch die folgende Heilungsgeschichte wird von Gregor (c. 33, S. 844) und der Laudatio (c. 41, S. 349f.) im wesentlichen übereinstimmend erzählt. A. wird gebeten, an das Meeresufer" zu kommen; dort würde er einen Aussätzigen • vorfinden, den Sohn eines Seemanns 10. Kein .Arzt habe ihm helfen können. Auf diesen Bericht hin begibt sich A. zu der bezeichneten Stelle. Dort findet nach dem Zeugnis beider Quellen ein Dialog zwischen A. und dem Kranken statt. Es ist darum wahrscheinlich, daß in der ursprünglichen Form der .Akten an dieser Stelle ebenfalls ein Dialog gestanden hat. Nur vermögen wir über seinen Inhalt nichts mehr zu sagen, da er von Gregor und dem Laudator in völlig verschiedenen Fassungen überliefert wurde. Nach dem Befehl des Apostels, aufzustehen, erhebt sich der Kranke, tut die faulen und ekelerregenden Lumpen ab und begibt sich mit dem Apostel zum Meer, wo die Heilung durch Untertauchen erfolgt. Die Wirkung des Heilungswunders ist vollkommen; keine Spur des Leidens ist zurückgeblieben. Der Geheilte ist von so großer Freude erfüllt, daß er vergißt, sich zu bekleiden, und nackt durch die Straßen laufend Gott preist. .Alle staunen über das Geschehene. 1 Laud. c. 38, S. 338, 4lf.; Gregor c. 30, S. 844, 5. Iphidamia, vom Laudator als die Vertraute der Maximilla bezeichnet, nach dem Manichäischen Psalmbuch S. 192, 27 aber ihre Schwester, wurde nach Gregor von einem gewissen Sosias, einem Jünger des A., bekehrt. Über die Bekehrung der Iphidamia verliert der Laudator kein Wort; er berichtet indes, daß Iphidamia - von Maximilla gesandt - dem Apostel persönlich zugehört habe. Dieser lehrte im Hause eines gewissen Sossios, eines seiner Jünger. Welche Rolle die Person des Sosias bzw. Sossios in den.A.A wirklich gespielt hat, ist nicht mehr feststellbar. Z Nach Gregor durch Ergreifen der Hand, nach der Laudatio durch Handauflegung. Übereinstimmungen in weiteren unbedeutenden Einzelheiten werden übergangen. 8 Gregor: 100 Silberstücke; Laud.: 1000 Goldstücke. • Gregor: Inde discedens ... (S.844, 18); Laud.: 'E",sWsv oe "'a-t:SA{}WV ..• (Cod. Coisl.: e~sA{}Wv). 5 Gregor: "Im Namen Jesu Christi, steh gesund auf!" Laud.: "Steh auf! Es heilt dich durch mich Jesus, der Christus ... " 8 Gregor: Heilung durch Auflegung der Hände. Laud.:DurchBerührung der Augen. Bei Gregor geht eine längere wunderkräftige Erklärung voraus. 7 Während die Laudatio nur weiß, daß die Geheilten "dankbare Worte zu Gott emporsandten", finden wir bei Gregor ein wörtliches Bekenntnis zu dem Gott, dessen Diener A. ist. " Laudatio: Hafen. • So Laudatio. Gregor spricht von Geschwüren und Würmern, die freilich auch vom Laudator erwähnt werden (vgl. 340, 12), und läßt den Kranken außerdem gelähmt sein. 10 Nach Laudatio der Sohn eines berühmten Schiffsbefehlshabers.
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Das bei Gregor sich anschließende Stück (c. 34, S. 845) findet seine Entsprechung erst in Laudatio c. 43, S. 342ff. Beide Quellen berichten von der Ankunft des Stratokles, eines Bruders des Prokonsuls, aus Italien. Stratokles hat einen Sklaven, den er überaus schätzt. Alkman, der Sklave, ist von einem Dämon besessen und liegt schäumend am Boden. Aus großer Trauer wird Stratokles durch Maximilla und Iphidamia befreit, die ihn auf A. hinweisen. Auf Aufforderung erscheint der Apostel im Hause und heilt den Sklaven 1. Stratokles bekehrt sich und ist forthin ständig beim Apostel, um das Wort Gottes zu hören. Auch Maximilla läßt keine Gelegenheit ungenutzt, den Apostel aufzusuchen, um das Wort Gottes zu hören (Gregor c.35, S.845). Hierher gehört das Stück aus Evodius von Uzala, De Fide contra Manichaeos c.38 (Zycha, S. 968, 24-31): "Achtet in den Akten des Leucius, die er unter dem Namen der Apostel abfaßte, darauf, welcher Art die Dinge sind, die ihr bezüglich der Maximilla, der Frau des Egetes, hinnehmet: als diese sich weigerte, ihrem Gatten die schuldige Pflicht zu erweisen ... , da unterschob sie ihrem Gatten ihre Magd Euklia, indem sie sie, wie dort geschrieben steht, mit Lockungsmitteln und Schminke versah und sie in der Nacht als Ersatz für sich selbst unterschob, so daß jener unwissend bei ihr schlief, als sei es seine Frau." An derselben Stelle kommen die AA noch einmal zu Worte (Zycha, S. 968, 31-969, 6): "Hier steht ebenfalls geschrieben, daß, als Maximilla und Iphidamia zusammen fortgingen, um den Apostel Andreas zu hören, ein wohlgestalteter kleiner Knabe, den Leucius entweder als Gott oder doch wenigstens als einen Engel verstanden wissen wollte", sie dem Apostel Andreas übergab 3 : und er machte sich auf zum Prätorium des Egetes, begab sich in ihr Schlafzimmer und ahmte eine weibliche Stimme nach, so als ob Maximilla (etwas) murmelte über das Leiden des weiblichen Geschlechtes und Iphidamia ihr antwortete. Als Egetes dieses Gespräch hörte, glaubte er, daß sie drinnen seien, und entfernte sich." 4 Die hartnäckige Weigerung der Maximilla, ihre ehelichen Pflichten zu erfüllen, veranlaßt den Prokonsul, A. ins Gefängnis zu werfen (Gregor c.36, S.845; Laud. c.44, S.344). Wie die Zeugen berichten (Laud. c.45, S. 345f.; Narr. c. 11ff., S. 359ff.; Conversante c. 2f., S. 374f. usw.), vermag A. seine Tätigkeit aus dem Gefängnis fortzusetzen, vor dem sich eine große Volksmenge einfindet, darunter Maximilla und Stratokles. Diese Situation setzt das große Fragment Vatic. 808 voraus. 1 Alkman "erhob sich", indem A. ihn bei der Hand ergriff. - In dem sehr weitschweifigen Bericht der Laudatio ist u. a. von den Zauberern, Quacksalbern usw. die Rede, die dabeistehen und nicht helfen können, weil sie die avyyeve'i, des Dämon sind (S. 343, 15.20). Auch dies scheint in den AA gestanden zu haben, für die ja die häufige Verwendung des Begriffs avyyev~, charakteristisch ist. Ursprünglich wird in dem Bericht der Laudatio auch die Bemerkung über den zum asketischen Leben bekehrten Stratokles sein: smpeAe'iaf}al Te 1jJvxi'j, W, df}avaTov, awpaTo, 6s uaTarpeOve'iv w, rpf}e{eeaf}at PSAAOVTO" syueaTBveaf}a{ TB uai ayvevelv (344, 5-7). Hier meldet sich die dualistische und asketische Tendenz der AA zu Worte. 2 Der puerulus speciosu8 ist Christus, s. o. 3 Commendare = :n:aea6t66vat; s. Act. Thom. c. 155 (Bonnet, S. 264, 6. 11), vgl. E. Peterson 11..11..0., S. 194, Anm. 48. 4 Vgl. James, S. 350: "We do not wonder that such narratives as that which Evodius quotes have been expunged, either by Gregory or his source, from the text." Dasselbe gilt natürlich von den griechischen Andreas-Martyrien.
4. Andreasakten
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TEXTE A. PAP. COPT. UTRECHT 1
(Übersetzung des noch unediertenkoptischen Textes von G. Quispel und J.Zander)
S.9. den Apostel. Aber als Andreas, der Apostel Christi, hörte, daß sie die aus der Stadt um seinetwillen festgenommen hatten, da erhob er sich und trat mitten 5 auf die Straße und sagte zu den Brüdern, daß es keinen Grund gebe, etwas vorzutäuschen (vnoxelVBW). Und während der Apostel diese Worte noch sprach, war da ein junger Mann, (einer) von den vier Soldaten, in 10 dessen Leib ein Dämon verborgen war. Als jener junge Mann in die Nähe des Apostels gekommen war, schrie der Dämon und sagte: ,,0 Varianus, was habe ich dir getan, daß du (mich) sendest 15 zu diesem gottesfürchtigen Menschen?" Als der junge Mann dies gesagt hatte, warf ihn der Dämon nieder und bewirkte, daß er schäumte. Seine Genossen ergriffen ihn jedoch und blieben (damit beschäftigt), 20 ihn aufrecht zu halten. Aber Andreas bemitleidete den jungen Mann und sagte zu seinen Waffengefährten : "Schämt ihr euch vor (mir), weil ihr seht, daß euch eure Natur (qn5O't~) überführt? Warum 25 nehmt ihr den Preis hinweg, so daß er nicht an seinen König appellieren kann, damit er Hilfe erlangt und kämpfen kann gegen den Dämon, der verborgen ist in seinen Gliedern? Nicht nur, daß er hierum appel30 liert, sondern er spricht in der Sprache des Palastes, so daß sein König bald auf ihn hören wird. Denn ich höre ihn sagen: [0] Varianus, was [habe ich dir getan] 35 daß du [mich sendest zu diesem gottes-] fürchtigen [Mann ............... An-] dreas [ ................................ ]
S.lO. gegen mich. Denn die Sache, die ich getan habe, habe ich nicht von mir selbst getan, sondern ich
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XIII. Apoatelge8cMchten de8 2. und 3. Jahrhundert&
wurde (dazu) gezwungen. loh will dir nun die ganze Bedeutung d(ies)er Angelegenheit erzählen. Dieser 5 junge Mann, der an seinem Leibe gequält wird, hat eine jungfräuliohe Schwester, die eine große Kämpferin und Streiterin ist. Wahrlich, ich sage, sie ist Gott nahe wegen 10 ihrer Reinheit und ihrer Gebete und ihrer Almosen. Nun, um es kurz zu erzählen, da gab es einen in der Nähe ihres Hauses, welcher ein großer Magier war, und so geschah es 15 eines Tages folgendermaßen: Zur Abendzeit stieg die Jungfrau nach oben auf ihr Dach, um zu beten; der junge Magier sah sie beten, Semmath fuhr in ihn, um 20 gegen diese große Streiterin zu kämpfen. Der junge Magier sprach bei -sich selbst: "Habe ich nun zwanzig Jahre zugebracht unter der Leitung meines Lehrmeisters, bis daß ich gelehrt war in dieser Kunst, siehe (dann) 25 ist dies nun der Anfang meiner Kunst; sollte ich nicht stärker sein als diese Jungfrau, dann werde ich zu gar keinem Werk fähig sein." Und der junge Magier rief große Mächte aus der Höhe herbei, um die Jungfrau zu beschwören so und sandte sie gegen sie. Und als die Dämonen kamen, um sie zu versuchen oder um sie zu überreden, da spielten sie die Rolle ihres Bruders und klopften an die Tür. Sie erhob sich und ging nach unten, S5 um die Tür zu öffnen, in der Meinung, daß es ihr Bruder war. Aber zuvor betete sie inständig, so daß die Dämonen wurden wie [Feuerflammen? oder: wie die ... und fielen]? .......................... und davonflohen. 40 ••••••••••••••••• , ••••••••••••••• kleine
S.13.
5
Die Jungfrau weinte bei Erucia. Erucia jedoch sagte zu der Jungfrau: "Warum weinst du? Ich wußte nicht, daß du hierher kommen würdest, noch [..............] weinen [..•••. J [..........................] jetzt verfolgen dich diese Mächte.
4. Andreasakten
283
um dich zu prüfen (? oder: um dich zu nehmen?) [.......... ] du weinst, während die Traurigkeit [ .....................] 10 Nun jedoch, wenn du über deinen Bruder weinst, weil ein Gott (?) [. . . . . . . . . . . . . . . . . ......... ] mit ihm, werde ich ihn morgen senden zu dem Apostel Andreas, damit er ihn heile. Jedoch nicht nur, daß ich ihn 15 heilen werde, sondern ich will es zuwegebringen, daß er in den (Militär-)Dienst eintritt (wörtlich: daß er sich gürtet) beim Palast". Als der Dämon dies gesagt hatte, da sagte der Apostel zu ihm: "Wie erhieltest du Kenntnis über die verborgenen Mysterien 20 der Höhe? Wenn ein Soldat aus dem Palast geworfen wird, dann ist es ihm durchaus nicht gestattet, die Geheimnisse des Palastes zu erfahren; und wie wird er die verborgenen Mysterien 25 der Höhe erfahren?" Der Dämon sagte zu ihm: [ ......................... ] stieg herab in dieser Nacht [ ....................] dieser junge Mann, während eine Macht aus der Höhe hineinging in [.................. ] 30 [ • • • • • • • • . . • • . • • • • • • • • • . • . • • . ] Jungfrau in ihn aus [ ..................] geht, während sie ausziehen wird [....................] diese ihre Freundin [. . . . . . . . . . . . . ....... ] sagte [ ....................... ] Traurigkeit (?) 35 trifft mich [. . . . . . . . . . ....... ] die große Macht kam aus der Höhe in dieser Nacht [ ............... ] [ ....................................]
S.14. "Warum solltest du nicht zittern, da du ja die Geheimnisse der Höhe nennst? Ich zittere vollständig an allen meinen Gliedern und ich verherrliche den Empfänger (na(!aÄ.~pnTW(!J, 5 welcher kommt für die Seelen der Heiligen. 0 tugendsame Kämpfer, nicht vergeblich habt ihr gekämpft. Seht, der Schiedsrichter bereitet für euch den unverwelklichen Kranz vor. 10 0 Krieger, nicht vergeblich habt ihr euch Waffen angelegt und Schilde und nicht vergeblich habt ihr Kriege ertragen.
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XIII. .AposteZgeschichten de8 2. und 3. Jahrhunderts
Der König hat für euch den Palast bereitet. 0 Jungfrauen, nicht umsonst habt ihr die Reinheit bewahrt und nicht vergeblich habt ihr ausgeharrt in Gebeten, 20 während eure Lampen brannten um Mitternacht, bis daß diese Stimme euch erreichte: "Stehet auf, gehet hinaus, dem Bräutigam entgegen." Als der Apostel 25 dies gesagt hatte, wandte er sich dem Dämon zu und sagte [zu ihm]: "Es ist nun wohl an der Zeit, daß du ausfährst aus diesem jungen Mann, damit er in den (Militär-)Dienst eintritt (wörtl. : sich gürtet) beim 30 himmlischen Palast." Der Dämon sagte zum Apostel: "Wahrlich, 0 Mann Gottes, niemals habe ich ein Glied von ihm zugrunde gerichtet wegen der heiligen Hände 35 seiner Schwester. Aber jetzt werde ich ausfahren aus diesem jungen Mann, während ich ihm nicht den geringsten Schaden habe angetan an seinen Gliedern." Nachdem der Dämon jedoch dies gesagt hatte, 40 fuhr er aus von [dem jungen Mann] Nachdem er [von .............. ] [dem] jungen [Mann ausgefahren war] [legte er seine Uniform ab] 15
S.15. des Soldatentums und er [warf es weg] vor den Augen des Apostels und sagte: ,,0 Mann Gottes, ich habe 5 zwanzig Geldstücke ausgegeben, um dieses zeitliche Gewand für mich zu erwerben; aber jetzt will ich alles ausgeben, was ich habe, damit ich mir erwerbe dieses Kleid 10 eures Gottes." Seine Waffengefährten sagten zu ihm: "Elender Jüngling, wenn du das Kleid des Königs verleugnest, wirst du bestraft werden." 15 Der junge Mann sagte zu ihnen: "Ich bin tatsächlich ein Elender wegen meiner früheren Sünden. Möge es doch sein,
4. Andreasakten
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daß meine Bestrafung nur deswegen (wörtlich: diese) wäre, weil ich das Kleid des Königs verleugnet habe, und daß ich nicht gestraft werde, weil ich das Kleid des unsterblichen Königs der Weltzeiten verachtet habe. Ihr Unwissenden, sehet ihr nicht, was für ein Mann dieser ist? Denn in seiner Hand ist kein Schwert noch Kriegsgerät und (doch) werden diese großen Wundertaten durch ihn verrichtet." Die Tat des Andreas
B. CODEX VATICANUS 808
" ... ist denn in euch nur Kraftlosigkeit? Werdet ihr noch nicht von euch selbst überführt, daß ihr seine Güte noch nicht traget? Laßt uns ehrfürchtig miteinander uns der so reichen Gemeinschaft freuen, die wir mit ihm haben. Laßt uns zueinander sprechen: Selig ist unser Geschlecht, von wem ist es geliebt? Selig ist unser Dasein, wessen Erbarmen ward ihm zuteil? Wir sind nicht zu Boden gestreckt, die wir von einer solchen Höhe erkannt sind. Wir gehören nicht der Zeit an, um dann von der Zeit aufgelöst zu werden. Wir sind kein Produkt (Kunstwerk) der Bewegung, das wiederum von ihr selbst vernichtet wird, (wir sind) nicht von (irdischer) Geburt, um daraufhin (wieder) zu sterben. Sind wir doch solche, die der Größe nachjagen. Wir gehören (ihr) und dem, der sich unser erbarmt. Wir gehören dem Besseren. Darum fliehen wir vor dem Schlechteren. Wir gehören dem Edlen, durch den wir das Gemeine von uns stoßen, dem Gerechten, durch den wir das Ungerechte verwerfen, dem Barmherzigen, durch den wir den Unbarmherzigen ausstoßen, dem Retter, durch den wir den Verderber erkannt haben, dem Licht, durch das wir die Finsternis verbannt haben, dem Einen, durch den wir das Viele von uns abwandten, dem Himmlischen, durch den wir das Irdische erkannten, dem Bleibenden, durch den wir das Vergängliche erblickten. Wenn wir uns vornehmen, dem Gott, der sich unser erbarmt hat, würdig zu danken oder ihm unsere freudige Zuversicht zu bekennen oder ihm einen Lobgesang darzubringen oder ihn zu rühmen, (so tun wir es aus keinem anderen Grunde,) als daß wir von ihm erkannt worden sind." 2 Als er solches zu den Brüdern geredet hatte, entließ er sie, jeden in sein Haus, und sprach zu ihnen: "Weder werdet ihr jemals von mir verlassen, ihr, die ihr Sklaven Christi seid wegen der Liebe, die in ihm ist, noch auch werde ich wiederum von euch verlassen werden wegen seiner Mittlerschaft. " Und jeder ging von dannen in sein Haus. Und so herrschte Freude unter ihnen viele Tage, in denen Aegeates nicht daran dachte, das gegen den Apostel gerichtete Anklageverfahren weiter zu verfolgen. So wurde nun ein jeder damals in der Hoffnung auf den Herrn gefestigt. Und sie versammelten sich furchtlos mit Maximilla, Iphidamia und den anderen im Gefängnis, beschirmt durch den Schutz und die Gnade des Herrn. 3 Als Aegeates eines Tages zu Gericht saß, da kam ihm die Angelegenheit des Andreas wieder in den Sinn. Und wie von der Raserei ergriffen ließ er den Prozeß-
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
fall, mit dem er sich gerade befaßte, stehen und liegen, erhob sich vom Richtstuhl und begab sich im Laufschritt zum Prätorium, umarmte Maximilla und schmeichelte ihr. Maximilla hatte, vom Gefängnis kommend, das Haus eher betreten als er. Und als er eingetreten war, sprach er zu ihr: 4 "Deine Eltern, Maximilla, hielten mich der Ehe mit dir für würdig und sie gaben dich mir zu Frau, wobei sie weder auf Reichtum noch auf das Geschlecht noch auf Ruhm sahen, sondern doch wohl (allein) auf die gute Verfassung meiner Seele. Und in der Absicht, vieles, was ich dir zum Vorwurf vorbringen wollte, zu übergehen, nämlich das, was mir von deinen Eltern (Gutes) zuteil wurde, und auch das, was dir während unseres ganzen (gemeinsamen) Lebens von mir (Gutes) zuteil wurde, bin ich vom Gerichtshaus gekommen, um allein dies eine von dir zu erfahren; gib mir also verständige Antwort: Wenn du jene wärest, die du vormals warst, und mit mir zusammen lebtest in der Weise, die wir kennen, mit mir schliefest, mit mir ehelichen Umgang pflegtest, mit mir Kinder zeugtest, dann würde ich in jeder Beziehung gut an dir handeln; ja ich würde sogar den Fremden, den ich da im Gefängnis habe, freilassen. Doch wenn du nicht willst, dann würde ich zwar dir nichts Schlimmes antun, denn das kann ich nicht, - jenen aber, den du mehr liebst als mich, werde ich um so mehr quälen. Überlege nun, Maximilla, welche von beiden Möglichkeiten du vorziehst, und gib mir morgen Antwort. Ich nämlich bin dazu vollkommen gerüstet." 5 Als er dies gesagt hatte, ging er hinaus. Maximilla aber begab sich wiederum zur gewohnten Stunde gemeinsam mit Iphidamia zu Andreas. Und sie legte seine Hände in ihr Antlitz, küßte sie und begann, ihm das Ansinnen des Aegeates ganz zu berichten. Und Andreas antwortete ihr: "Ich weiß, Maximilla, mein Kind, daß du dich gedrungen weißt, der ganzen Lockung des geschlechtlichen Umgangs zu widerstehen und daß du dich von der abscheulichen und schmutzigen Lebensweise trennen willst. Und eben dies (diese Einstellung) beherrscht meine Gesinnung längst. Nunmehr will ich meine Einstellung auch bezeugen. Ich beschwöre (dich), Maximilla: Tu es nicht; gib den Drohungen des Aegeates nicht nach; sieh zu, daß du nicht durch das Zusammensein mit ihm wieder zum Unterliegen kommst; fürchte dich nicht vor seinen schändlichen Plänen; falle nicht seinen geschickten Schmeicheleien zum Opfer; halte den Wunsch von dir fern, dich seinen schmutzigen Zauberkünsten auszuliefern. Ertrage vielmehr alle seine Quälereien, indem du für eine kurze Zeit auf uns blickst. Und du wirst sehen, wie ihn völlige Lähmung überkommt und wie er allmählich dahinschwindet und dich und die, die dir (wesens-)verwandt sind, verläßt. Das, was ich dir ganz besonders notwendig mitzuteilen hatte - ich ruhe ja nicht im Vollbringen des durch dich zu sehenden und durch dich geschehenden Werkes -, ist mir (bis jetzt) entgangen: Ja, mit Recht sehe ich in dir die Eva Buße tun und in mir den Adam sich bekehren. Was nämlich jene unwissend erlitt, das bringst du jetzt zu einem glücklichen Ende, indem du dich bekehrst. Und was der Geist, der mit jener herabgeführt sich selbst entfremdet ward, erlitt, das bringe ich jetzt wieder in Ordnung mit dir, die du erkennst, daß du emporgezogen wirst. Denn woran jene krankte, das hast du, die du nicht das gleiche erlittest, geheilt. Und seine Unvollkommenheit habe ich zur Vollkommenheit geführt, indem ich meine Zuflucht zu Gott nahm. Und worin jene ungehorsam war, darin warst du gehorsam; und worin jener einwilligte, das fliehe ich. Und worin jene sich täuschen ließen, das haben wir erkannt. Denn es ist bestimmt, daß ein jeder seinen eigenen Fall wieder gut mache.
4. Andreasakten
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6 So habe ioh denn gesprochen, wie ioh gesproohen habe. loh könnte aber auoh folgendes sagen: Wohl dir, Natur, die du trotz deiner Sohwäohe, und ohne daß du dioh verborgen hättest, errettet wirst. Wohl dir, Seele, die du laut ausrufst, was du erlittest und zu dir selbst zurüokkehrst. Wohl dir, Mensoh, der du erkennst, was nioht sein ist, und nach dem Deinen dioh sehnst. Wohl dir, der du auf die verkündigten Worte hörst. Denn ioh erkenne, daß du gewaltiger bist als die, die dich zu vergewaltigen sohienen, daß du herrlioher bist als die, die dich in Schande stürzten, als die, die dich in Gefangensohaft abführten. Wenn du, Mensch, dies alles in dir wahrnimmst, nämlioh daß du unstofflioh bist, heilig, Licht, dem Ungezeugten verwandt, vernünftig, himmlisoh, durchsiohtig, rein, dem Fleisoh überlegen, der Welt überlegen, den Gewalten überlegen, über denen du wirklioh stehst, wenn du dioh in deiner Besohaffenheit sammelst, so nimm die Erkenntnis mit, worin du überlegen bist. Und da du dein Antlitz in deinem Wesen erblickst, allenthalben Fesseln sprengend - ich rede nicht allein von denen, die mit der Entstehung zusammenhängen, sondern auoh von denen, die über die Entstehung hinaus liegen, für die wir dir übergroße Benennungen aufgestellt haben -, so sehne dich danach, jenen zu schauen, der sioh dir offenbart hat, den du bald allein getrost erkennen wirst. 7 Dies habe ioh im Blick auf dioh gesprochen, Maximilla, denn ihrer Bedeutung nach betreffen die Worte dioh. Wie Adam in Eva auf Grund seiner Übereinstimmung im Umgang mit ihr starb, so lebe ioh jetzt in dir, die du das Gebot des Herrn befolgst und dioh in den Stand (die Würde) deines (eigentliohen) Seins hinüberbegibst. Des Aegeates Drohungen aber, Maximilla, veraohte, denn du weißt ja, daß wir den, der sich unser erbarmt, als Gott haben. Und sein leeres Geschwätz möge dich nicht bewegen, sondern bleibe keusch! Mag er sioh nicht nur durch die Fesselqualen an mir räohen, sondern mag er mich auoh den Tieren vorwerfen oder dem Feuertod ausliefern oder von einem Abhang hinabstürzen, - was tut es1 Er möge mit diesem Leibe, der ja einer ist, nach seinem Willen verfahren; er ist ihm ja (wesens-)verwandt. 8 Nooh einmal richte ich an dioh das Wort, Maximilla. Ich sage dir: gib dioh dem Aegeates nicht preis. Widerstehe seinen Nachstellungen, Maximilla, besonders da ioh ja (in einer Vision) den Herrn gesehen habe, der zu mir sprach: 'Andreas, dioh wird der Teufel, des Aegeates Vater, aus diesem Gefängnis befreien'. An dir ist es künftig, dioh keusoh und rein, heilig, unbefleckt, lauter, züohtig, unwillig zum Umgang mit dem, der dir fremd ist, ungebeugt, ungebroohen, tränenlos, unverletzt, von Stürmen unbewegt, ungeteilt, frei von Anstößen und ohne Sympathie für die Werke des Kain 1 zu bewahren. Wenn du, Maximilla, dioh nicht preisgibst an das, was alledem entgegengesetzt ist, dann werde ich selbst zur Ruhe gelangen, nämlioh gerade dadurch, daß ich gezwungen bin, dieses Leben für dioh, das heißt ja: für mioh, aufzugeben. Wenn nun ioh, der ioh vielleioht auch anderen dir verwandten (Seelen) durch dich helfen kann, von hier hinausgedrängt werde, wenn du dioh aber durch den Umgang mit Aegeates und durch die Schmeioheleien seines Vaters, der Sohlange, (wieder) gewinnen lässest, so daß du dioh (wieder) deinen 1
Vgl. 1. Joh. 3, 12.
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XIII. Apostelge8chichten des 2. und 3. Jahrhunderts
vormaligen Werken zukehrst, dann wisse, daß ich um deinetwillen werde gezüchtigt werden, bis daß du selber erkennst, daß ich das Leben um einer Seele willen von mir geworfen habe, die es nicht wert war. 9 Ich bitte nun dich, den klugen Mann (sie I), daß dein wohlgestalteter Geist beharre. Ich bitte dich, den unsichtbaren Geist, daß du dich bewahren lässest. Ich ermahne dich, Jesus zu lieben und dich nicht dem Schlechteren zu unterwerfen. Hilf auch mir, du, den ich als Menschen zu Hilfe rufe, damit ich vollkommen werde. Hilf auch mir, damit du deine wahre Natur erkennst. Leide mit meinem Leiden, damit du erkennst, was ich erleide, und du wirst dem Leiden entfliehen. Schaue, was ich schaue, und was du schaust, wird dich blenden. Schaue das, was notwendig ist, und was nicht notwendig ist, sollst du nicht schauen. Höre, was ich sage, und was du nicht gehört hast, verwirf. 10 Dies habe ich zu dir gesprochen und zu jedem, der hört, wenn er hören will. Du aber, Stratokles", so sagte er, indem er zu ihm hinblickte, "warum quälst du dich mit vielen Tränen und warum seufzest du so vernehmlich? Warum deine Mutlosigkeit? Warum dein großer Schmerz und deine große Betrübnis? Du erkennst das Gesagte. Wie kommt es denn, daß ich dich bitte, als (mein) Kind über dich verfügen zu lassen? Verstehst du, an welche (Personen) das Gesagte gerichtet ist? Hat jedes Einzelne (von dem Gesagten) deinen Geist ergriffen? Hat es dich in deinem geistigen Teil berührt? Habe ich dich als meinen Hörer? Habe ich in dir mich selbst? Gibt es in dir einen, der da redet, den ich als mir zugehörig erblicke? Liebt er den, der in mir redet und will er an ihm teilhaben? Will er mit ihm vereinigt werden? Findet er in ihm irgendwelche Ruhe? Hat er, wo er sein Haupt hinlegen kann? 1 Gibt es dort irgend etwas, was sich ihm entgegenstellt, was sich abweisend verhält, was sich widersetzt, was sich ihm feindlich zeigt, was (vor ihm) flieht, was wild ist, was sich zurückzieht, was sich abgewandt hat, was forteilt, was beschwert ist, was kämpft, was mit anderen Verkehr pflegt, von anderen sich schmeicheln läßt, mit anderen sich vereint? Gibt es etwa noch andere Dinge, die ihn belästigen? Ist etwa einer in mir, der mir selbst fremd ist? Ein Widersacher? Ein Verderber? Ein Feind? Ein Betrüger? Ein Zauberer? Ein Verkehrter? Ein Verderbter? Ein Hinterlistiger? Ein Menschenfeind? Ein Feind des Wortes? Einer, der Tyrannen gleicht? Ein Prahler? Ein Hochmütiger? Ein Wahnsinniger? Ein Verwandter der Schlange? Eine Waffe des Teufels? Ein Anwalt des Feuers? Ein Angehöriger der Finsternis? Gibt es in dir einen, der es nicht ertragen wird, wenn ich solche Worte an dich, Stratokles, richte? Wer ist es denn? Antworte mir: Rede ich etwa vergeblich? Habe ich etwa umsonst gesprochen? Nein, sagt der Mensch, der in dir, Stratokles, jetzt wiederum weint." 11 Und Andreas ergriff Stratokles' Hände und sprach: "Ich habe den, den ich liebte. Ich werde ruhen in dem, auf den ich wartete. Daß du noch mehr seufzest und unaufhörlich weinst, ist mir zum Zeichen geworden, daß mir die Ruhe schon zuteil geworden ist, denn ich habe diese Worte, die mir wesensverwandt sind, nicht vergeblich gesprochen." 12 Und Stratokles antwortete ihm: "Glaube nicht, seligster Andreas, daß es irgend etwas anderes gibt, das mich beschwert, als dich. Die Worte, die von dir ausgehen, gleichen, wie sie in mich eindringen, einem Feuer, und ein jedes von ihnen faßt mich und setzt mich wahrhaft in Flammen. Jener Teil meiner Seele, 1
Vgl. Matth. 8, 20.
4. Andreasakten
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der den Verkündigungen zuneigt, wird in der Ahnung des nun nahen Kummers gezüchtigt. Denn du scheidest, und ich weiß wohl, daß du es in der rechten Weise tust. Wenn ich aber danach deine Fürsorge und Liebe suche, wo soll ich sie finden und bei wem? Die Samenkörner der Heilsworte habe ich empfangen, da du der Sämann warst. Daß sie aber hervorsprossen und emporwachsen, dazu bedarf es keines anderen als deiner, glückseligster Andreas. Was hätte ich dir wohl anders zu sagen als dies? Großes Erbarmen brauche ich und die Hilfe, die von dir ausgeht, damit ich des von dir empfangenen Samens würdig zu werden vermag, der nur dann ständig und ins Sichtbare hervorkommend wächst, wenn du es willst und für ihn und für mein ganzes Ich betest." 13 Und Andreas antwortete ihm und sprach: "Das, mein Sohn, war es, was auch ich in dir sah. Und ich preise meinen Herrn, daß meine Meinung über dich nicht fehlging, sondern (vielmehr) weiß, was sie sagt. Damit ihr es aber wisset: Morgen wird mich Aegeates dem Kreuzestod ausliefern. Denn Maximilla, die Magd des Herrn, wird den Feind, der in ihm ist und dem er angehört, dadurch, daß sie in Bezug auf die Dinge, die ihr (d.h. ihrer wahren Natur) wesensfremd sind, mit ihm keine gemeinsame Sache macht, in höchste Empörung versetzen. Und er wird meinen, daß er sich Trost verschaffen würde, wenn er sich gegen mich wendet." 14 Während der Apostel diese Worte sprach, war Maximilla abwesend. Denn nachdem sie diese Worte vernommen hatte, mit denen er ihr geantwortet hatte, und da sie von ihnen gewissermaßen beeindruckt war, ja weil sie das, was die Worte darstellten, selbst geworden war, hatte sie sich entschiedenen und festen Sinnes in das Prätorium begeben. Dem ganzen Leben samt dem Fleische hatte sie Lebewohl gesagt, und als Aegeates an sie wieder das (alte) Verlangen herantrug, das er ihr zu bedenken gegeben hatte, nämlich ob sie mit ihm den ehelichen Umgang pflegen wolle, da lehnte sie ab. Von da an sann er auf die Ermordung des Andreas und überlegte, welcher Todesart er ihn aussetzen wolle. Und als ihm (schließlich) der Kreuzestod vor allen anderen der Vorzug zu gebühren schien, da ging er davon, um mit seinen Freunden eine Mahlzeit zu halten. Maximilla aber begab sich, indem ihr der Herr in der Gestalt des Andreas voranging, mit Iphidamia wieder ins Gefängnis. Und da eine größere Menge von Brüdern innen versammelt war, traf sie ihn, wie er gerade folgendermaßen redete: 15 "Ich wurde, liebe Brüder, vom Herrn als Apostel in diese Gegenden, deren mich der Herr für wert hielt, ausgesandt, zwar niemanden zu belehren, wohl aber jeden Menschen, der den Worten wesensverwandt ist, daran zu erinnern, daß sie (die Menschen) in vergänglichen Übeln dahinleben, indem sie sich ihrer schädlichen Einbildungen erfreuen. Diese zu fliehen, habe ich euch aufgefordert, und dem Bleibenden zuzueilen und die Flucht aus all dem Vergänglichen (Fließenden) anzutreten, habe ich euch ermahnt. Ihr seht ja, daß niemand von euch feststeht und daß alle Dinge bis hin zu den gewohnten menschlichen Denk- und Handlungsweisen veränderlich sind. Dies aber ist der Fall, weil die Seele unerzogen ist und sich in die "Natur" verirrt hat und ihrem Irrtum entsprechende Pfänder behält. Für selig halte ich darum die, welche Hörer der verkündigten Worte geworden sind und durch sie wie in einem Spiegel die Geheimnisse der eigenen Natur schauen, wegen derer das All erbaut wurde. 16 Darum gebiete ich euch, geliebte Kinder, fest auf den Grund zu bauen 1, der 1
Vgl. Eph. 2, 20.
19 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
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für euch gelegt ist, der unbeweglich steht und für jeden Bösen unangreifbar ist. Auf diesem Grunde fasset Wurzel. Lasset euch stärken durch die Erinnerung an das, was (ihr gesehen habt?) und all das, was geschehen ist, als ich mit euch allen wandelte. Ihr habt durch mich Werke geschehen sehen, denen ihr den Glauben nicht versagen könnt, geschehene Zeichen von der Art, daß wohl selbst die stumme Natur darüber schreien würde l . Ich habe euch Worte mitgeteilt, die - darum bitte ich - von euch so aufgenommen werden mögen, wie die Worte selbst es wollen. Festigt euch, Geliebte, auf Grund alles dessen, was ihr sahet, was ihr hörtet und woran ihr teilhattet. Und Gott, an den ihr glaubtet, wird sich euer erbarmen und euch mit Wohlgefallen vor sich stellen als die, die da ruhen in alle Ewigkeit. 17 Was mir aber widerfahren wird, das braucht euch nicht wirklich zu erschüttern, als sei es etwas Befremdliches und Verwunderliches, daß der Sklave Gottes, dem Gott selbst durch Werke und Worte so vieles erwiesen hat, mit Gewalt von einem bösen Menschen aus diesem irdischen Leben getrieben wird. Denn nicht allein mir wird solches widerfahren, sondern auch all denen, die ihn lieben und an ihn glauben und ihn bekennen. Der ganz und gar unverschämte Teufel wird seine eigenen Kinder gegen sie bewaffnen, damit sie seine Anhänger werden. Aber er wird nicht erreichen, was er wünscht. Und weswegen er dies unternimmt, das will ich sagen: Vom Anfang aller Dinge an und, wenn man es so sagen darf, seitdem der Anfanglose hinabgestiegen war, um der unter ihm stehenden "Herrschaft" untergeben zu sein, treibt der Feind, der ein Widersacher des Friedens ist, den, der ihm nicht angehört, sondern nur einer der Schwächeren ist und noch nicht zu völliger Klarheit gelangt ist und noch nicht erkannt werden konnte, (von Gott) hinweg. Und weil er auch ihn (den Teufel) nicht kannte, deswegen mußte er von ihm bekämpft werden. Da er ihn zu besitzen und für immer zu beherrschen meinte, stellte er sich so sehr gegen ihn, daß er ihre Feindschaft zu einer Art Freundschaft gestaltete. Denn oftmals entwarf er Bilder seines eigenen der Sinnenlust ergebenen und trügerischen Wesens, um es (ihm) zu unterlegen, und er meinte, ihn dadurch gänzlich zu beherrschen. Äußerlich zeigte er sich nicht als Feind, sondern er heuchelte eine Freundschaft, die seiner würdig war. 18 Und dieses sein Werk betrieb er so lange, daß jener vergaß, es zu erkennen, während er (der Teufel) darum wußte, das heißt: dieser (wurde) wegen seiner Gaben (nicht als Feind angesehen) 2. Doch als das Geheimnis der Gnade aufleuchtete und der Ratschluß der (ewigen) Ruhe offenbar ward und das Licht des Wortes zum Vorschein kam und sich herausstellte, daß das errettete Geschlecht mit vielen Lüsten zu kämpfen hatte, der Feind selbst aber in Verachtung geriet und wegen der Güte des Erbarmers um seiner Gaben willen, durch die er über ihn (den Menschen) zu triumphieren schien, verlacht wurde, da begann er, mit Haß und Feindschaft und Überhebung Gegenpläne zu schmieden. Und dies betreibt er: nicht von uns abzulassen, bis daß er uns (von Gott) zu trennen meint. Damals nämlich war unser Widersacher sorglos. Und er gab vor, eine Freundschaft, die seiner würdig war, mit uns zu halten. Er hatte auch keine Furcht, daß wir, die wir von ihm irregeführt waren, abfallen könnten. Der Besitz des Heilsplanes aber, der uns aufstrahlte (wie ein Licht), hat (seine Feindschaft) ich sage nicht stärker (gemacht, Vgl. Luk. 19,40. Text verstümmelt. In Übereinstimmung mit E. Hennecke, Apokr. 2, S. 254 ergänzt. Entsprechend James, S. 356. 1
2
4. Andreasakten
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aber deutlicher kundgetan> 1. Den verborgenen Teil seiner Natur und das, was versteckt schien, das hat er ans Licht gebracht und zum Bekenntnis dessen kommen lassen, was es (wirklich) ist. Daher laßt uns denn, liebe Brüder, da wir das Zukünftige erkennen, aus dem Schlafe erwachen, ohne unwillig zu sein, ohne daß wir uns ein (besonderes) Ansehen geben, ohne daß wir seine Merkmale, die ja nicht unsere eigenen sind, an unseren Seelen tragen, sondern wir wollen alle völlig in dem Wort aufgehen und uns erheben und alle freudig das Ende erwarten und vor jenem die Flucht ergreifen, damit auch er forthin als derjenige offenbar werde, der unsere Natur gegen das Unsrige ... "
C. REKONSTRUIERTER TEXT DES MARTYRillMS Narr. 22.
Nachdem er die ganze Nacht hindurch so zu den Brüdern geredet und mit ihnen gebetet und sie dem Herrn anvertraut hatte, ließ Aegeates, der Prokonsul, den Apostel Andreas frühmorgens aus dem Gefängnis zu sich bringen. Er sagte zu ihm: Mart. II, 1.
"Das Ende des dich betreffenden Anklageverfahrens ist herangerückt, du Fremder, du Gegner des zeitlichen Lebens, du Feind meines ganzen Hauses. Weshalb hast du es für gut befunden, in Orte einzudringen, die dich nichts angehen, und meine Frau, die mir vorher gefällig war, zu verderben1 Weshalb hast du mir und ganz Achaea dies angetan1 Darum empfange von mir eine Gegengabe für das, was du mir angetan hast." Und er befahl, ihn mit sieben Geißeln zu schlagen. Dann befahl er, ihn zu kreuzigen. Und er gebot den Scharfrichtern, seine Beine ungebrochen zu lassen, um ihn dadurch, wie er meinte, noch mehr zu strafen. Narr. 23; Mart. II, 1.
In ganz Patrae verbreitete sich jetzt die Kunde, daß der Fremde, der Gerechte, der Sklave Christi, den Aegeates gefangen hielt, gekreuzigt werde, obwohl er nichts Unrechtes getan hatte; und einmütig strömten alle zu dem Schauspiel zusammen, außer sich über den Prokonsul wegen des frevelhaften Urteils. Narr. 23; Mart. II, 2.
Und als die Henker ihn an die Stätte führten und das Befohlene ausführen wollten, da kam Stratokles, der vernommen hatte, was sich zutrug, herbeigelaufen und sah, wie der selige Andreas von den Henkern wie ein Verbrecher davongeschleppt wurde. Und er schonte sie nicht, sondern versetzte jedem von ihnen Schläge, zerriß ihre Gewänder von oben bis unten und riß den Andreas von ihnen mit den Worten: "Danket es diesem seligen Manne, daß er mich erzogen und gelehrt hat, des Zornes Menge zurückzuhalten. Sonst hätte ich euch gezeigt, was Stratokles und was der verruchte Aegeates vermag. Denn wir haben zu erdulden gelernt, was andere uns zufügen." Und er nahm den Apostel bei der Hand und ging mit ihm zu der Stätte am Meer, wo er gekreuzigt werden sollte. 1
19*
Konj. Bonnet.
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XIII. Apoatelge8chichten de8 2. und 3. Jahrhundert8
Narr. 24; Mari. II, 3.
Aber die Soldaten, denen er vom Prokonsul übergeben worden war, ließen den Apostel bei Stratokles, kehrten um und berichteten dem Aegeates: "Als wir mit Andreas dahergingen, sprang Stratokles dazwischen, zerriß unsere Kleider, riß ihn von uns und nahm ihn mit sich; und nun sind wir hier, wie du siehst." Und Aegeates antwortete ihnen: "Nehmt andere Kleider und gehet hin und tuet und führet aus, was ich euch bezüglich des verurteilten Andreas befohlen habe. Von Stratokles lasset euch überhaupt nicht erblicken und widersprechet ihm nicht, wenn er überhaupt etwas von euch fordert. Ich kenne nämlich sein voreiliges Wesen. Er würde nicht einmal mich schonen, wenn er zum Zorn gereizt wird." Mart. II, 3.
Und sie taten, wie ihnen Aegeates gesagt hatte. Stratokles aber kam mit dem Apostel zu der vorbestimmten Richtstätte. Da er (Andreas) nun bemerkte, daß er (Stratokles) auf Aegeates erbittert war und leise auf ihn schalt, da sprach er zu ihm: "Mein Sohn Stratokles, ich wünschte, daß du künftig einen unbewegbaren Geist besäßest und etwas Derartiges von dir wiesest, daß du dich weder innerlich auf die verderblichen Meinungen (der Menschen) einstelltest noch äußerlich entflammen ließest. Denn es geziemt sich, daß Jesu Sklave Jesu würdig sei. Und noch etwas anderes will ich dir und den mit mir wandelnden Brüdern sagen: Wenn der Feind etwas wagt und niemanden findet, der ihm zustimmt, dann wird er geschlagen und gestoßen und ganz zu Tode gebracht, weil er nicht vollbracht hat, was er sich vorgenommen hatte. Wir wollen ihn darum, liebe Kinder, immer vor Augen behalten, damit wir nicht einschlafen und der Widersacher uns umbringe." Narr. 26; Mut. II, 4.
Dies und anderes mehr sprach er zu Stratokles und den anderen, die bei ihm auf dem Wege waren. Da erreichte er die Stätte, da er gekreuzigt werden sollte. Und als er am Ufer über dem Meeressande das Kreuz errichtet sah, da ließ er alle zurück, trat auf das Kreuz zu und redete es, als wäre es ein lebendiges Wesen, mit mächtiger Stimme an: Land. 46; Mari. I, 14; Ep. Gr. 10.
"Sei mir gegrüßt, 0 Kreuz! Denn du darfst dich wirklich. freuen. Wohl weiß ich, daß auch du künftig ausruhst, da du seit langer Zeit müde bist und aufgerichtet auf mich wartest. Ich bin gekommen zu dir, das ich als mein eigen kenne; ich bin gekommen zu dir, dem nach mir sich Sehnenden. Ich kenne dein Geheimnis, um dessenwillen du auch errichtet bist. Du bist nämlich im Kosmos aufgerichtet, um das Unstete zu befestigen. Und ein Teil von dir erstreckt sich bis zum Himmel, damit du so den himmlischen Logosl, das Haupt aller Dinge, anzeigest. Ein anderer Teil von dir wurde zur Rechten und zur Linken ausgebreitet, damit du die furchtbare feindliche Macht in die Flucht jagest und den Kosmos zusammenbringest. Ein anderer Teil von dir ist in der Erde befestigt, in der Tiefe gegründet, damit du, was in der Erde und unter der Erde sich befindet, mit dem, was im Himmel ist, verknüpfest. 0 Kreuz, Heilswerkzeug des Höchsten! 0 Kreuz, Zeichen des Sieges Christi über die Feinde! 0 Kreuz, auf Erden gepflanzt und im Himmel Frucht 1
Mart. I, 14, S. 54, 25 cj. Bonnet: den oberen Logos.
4. Andreasakten
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tragend! 0 Kreuzesname, der du voll aller Dinge bist! Wohl dir, 0 Kreuz, daß du die Welt in ihrem Umfang gebunden hast. Wohl dir, Gestalt voller Einsicht, die du deine Gestaltlosigkeit gestaltet hast. Wohl dir, unsichtbare Züchtigung, die du das Wesen der Vielgötterlehre schwer züchtigst und ihren Erfinder aus der Menschheit verjagst. Wohl dir, 0 Kreuz, daß du den Herrn angezogen, den Räuber als Frucht hervorgebracht, den Apostel zur Buße gerufen l+lld uns aufzunehmen nicht für unter deiner Würde gehalten hast! Aber wie lange rede ich noch und lasse mich nicht vom Kreuz umfangen, um in dem Kreuz zum Leben erweckt zu werden und durch das Kreuz in den (allen) gemeinsamen Tod aus diesem Leben hinwegzugehen ~ Kommet heran, Diener meiner Freude und Schergen des Aegeates, und erfüllet unser beider Wunsch und bindet das Lamm an das Leiden, den Menschen an den Schöpfer, die Seele an den Heiland." Narr. 28; Ep. Gr. 10.
So sprach der selige Andreas, auf der Erde stehend und unverwandt auf das Kreuz blickend. Dann bat er die Brüder, daß die Henker kommen und ausrichten möchten, was ihnen aufgetragen war. Denn sie standen von ferne. Laud. 47; Mart. I, 15; Ep. Gr. 10; Narr. 28.
Und sie kamen und banden seine Hände und Füße und nagelten ihn nicht an; diesen Auftrag hatten sie nämlich von Aegeates. Er wollte nämlich den Gehängten dadurch quälen, daß er ihn von Hunden lebendig verschlingen ließ. Und sie ließen ihn hängen und entfernten sich von ihm. Narr. 29; Ep. Gr. 11; Mart. II, 5.
Als die dabeistehenden Mengen, die von ihm in Christo zu Jüngern gemacht worden waren, sahen, daß man ihm nichts von dem, was man den Gekreuzigten zuzufügen pflegt, angetan hatte, da hofften sie, noch einmal etwas von ihm zu hören. Denn als er da hing, bewegte er sein Haupt und lächelte. Und Stratokles fragte ihn: "Was lächelst du, Sklave Gottes? Dein Lachen macht uns trauern und weinen, weil wir deiner beraubt werden." Und der selige Andreas antwortete ihm: "Mein Sohn Stratokles, soll ich nicht lachen über den eitlen Anschlag des Aegeates, durch den er sich an uns zu rächen meint~ Wir haben mit ihm und seinen Plänen nichts zu tun. Er ist nicht imstande zu hören. Wäre er dazu imstande, so hätte er gehört, daß ein Mensch, der J esu eigen ist, weil er von ihm erkannt ist, künftig gegen alle Rache gefeit ist." Ep. Gr. 11; Mart. II, 6; Narr. 30.
Danach richtete er das Wort an alle insgesamt - es waren (nämlich) auch Heiden zusammengelaufen, außer sich über das ungerechte Urteil des Aegeates -: "Ihr Männer, die ihr bei mir steht, Frauen, Kinder und Greise, Sklaven und Freie und alle, die ihr hören wollt, gebet nicht acht auf den eitlen Wahn des zeitlichen Lebens. Gebet vielmehr acht auf uns, die wir um des Herrn willen (hier) hängen und diesen Leib bald verlassen, und saget allen weltlichen Begierden ab und verachtet (wörtl. : speiet auf) allen Kult der abscheulichen Götter und strömet herbei zu dem wahrhaftigen Gottesdienst unseres Gottes, der nicht lügt, und machet euch zum heiligen Tempel und bereitet euch zu zum Empfang des Wortes."
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
Ep. Gr. 12; Narr. 31; Mart. II, 6; Conv. 5. Und die Menge, die sein Wort hörte, wich nicht von der Stelle, und Andreas fuhr fort und redete noch mehr zu ihnen, einen Tag und eine Nacht lang. Und als sie am folgenden Tage seine Ausdauer und die Standhaftigkeit seiner Seele, die Weisheit seines Geistes und die Festigkeit seines Sinnes sahen, da gerieten sie in Erregung, eilten einmütig zum Tribunal zu Aegeates und riefen aus: "Was soll dieser dein Urteilsspruch, 0 Prokonsul? Schlecht hast du geurteilt! Ungerecht hast du gerichtet! Was für ein Unrecht hat dieser Mensch getan? Was für ein Verbrechen hat er begangen? Die Stadt ist in Aufruhr! Uns alle beleidigst du! Richte des Kaisers Stadt nicht zugrunde! Überlasse uns den Gerechten! Gib uns den Heiligen heraus! Töte doch nicht den Mann, den Gott liebt! Vernichte doch nicht einen (so) sanften und frommen Menschen! Zwei Tage hängt er schon da, und doch lebt er noch. Er hat nichts gegessen, aber uns alle mit seinen Worten gesättigt. Und siehe, wir glauben dem Gott, den er verkündigt. Nimm den Gerechten herab, und wir alle wollen Philosophen werden. Gib den Asketen (wörtlich: den Züchtigen) los, und alle Patraeer werden Frieden haben. Entlasse den Weisen und ganz Achaea wird durch ihn zur Freiheit gelangen." Ep. Gr. 13; Narr. 32; Mart. II, 7; Conv. 5. Als Aegeates sie zuerst nicht hören wollte und der Menge durch Zeichen mit der Hand gebot, sich zurückzuziehen, da waren sie von Zorn erfüllt, entschlossen, etwas gegen ihn zu unternehmen. Sie waren etwa 2000 Menschen 1. Als der Prokonsul sah, daß sie sich in einer Art Raserei befanden, und da er fürchtete, er könne etwas Schreckliches erleiden, da erhob er sich von seinem Richterstuhl, ging mit ihnen und versprach, Andreas freizugeben. Einige liefen voraus und erzählten dem Apostel und dem übrigen Volk, das bei ihm stand, aus welchem Grunde der Prokonsul käme. Und die Menge der Jünger jubelte, unter ihnen auch Maximilla, Iphidamia und Stratokles. Narr.33. Als Andreas davon hörte, begann er zu reden:· ,,0 Trägheit und Unglaube und Einfalt derer, die von mir unterrichtet wurden! Wieviel haben wir bis jetzt geredet, und wir haben (dennoch) die Unsrigen noch nicht bewegt, die Liebe zu den irdischen Dingen zu fliehen. Sondern sie sind noch an sie gebunden und verharren in ihnen und wollen sich nicht von ihnen lösen. Was soll denn eine derartige Freundschaft und Liebe und Gewöhnung an das Fleisch? Wie lange gebt ihr euch mit den weltlichen und zeitlichen Dingen ab? Wie lange wollt ihr das, was höher ist als wir, nicht erkennen und euch nicht beeilen, das, was dort ist, zu ergreifen? Lasset mich nunmehr in der Weise, wie ihr es vor Augen habt, sterben, und auf keinen Fall soll mich jemand von diesen Banden lösen. So ist es mir nämlich bestimmt: aus dem Leibe zu scheiden, um beim Herrn daheim zu sein, mit dem ich auch gekreuzigt werde. Dies soll denn auch geschehen." Narr. 34; Laud. 48; Ep. Gr. 13. Und er wandte sich Aegeates zu und redete ihn an: "Weswegen kommst du, Aegeates, zu dem, der dir (wesens-)fremd ist? Was willst du dir wiederum heraus1
So Narr.; dagegen Ep. Gr. u. Mart. II: 20000.
4. Andreasakten
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nehmen, was bewerkstelligen, was holen? Was willst du (uns) sagen? Daß du bereut hast und gekommen bist, uns zu lösen? Nicht einmal, wenn du wirklich bereutest, Aegeates, würde ich mich mit dir einigen. Nicht einmal, wenn du mir dein ganzes Vermögen versprächst, würde ich mich von mir selbst abwenden. Nicht einmal, wenn du dich meinen Jünger nennen würdest, würde ich dir vertrauen. Lösest du, Prokonsul, etwa den Gebundenen? (Oder) lösest du (nicht vielmehr) den Freigelassenen? Lösest du (nicht) den, der erkannt wurde von dem, der ihm (d.h. Gott) (wesens-)verwandt ist? Den, der seine Barmherzigkeit erlangt hat und von ihm geliebt wird? Den, der dir (wesens-)fremd ist, mit dem du nichts zu tun hast? Den, der nur dir erschien? Ich habe den, bei dem ich für immer sein werde. Ich habe den, mit dem ich durch ungezählte Äonen hindurch wandeln werde. Zu ihm gehe ich hin. Zu ihm hin eile ich, der mich auch dich erkennen ließ, indem er zu mir sagte: 'Lerne den Aegeates und seine Gaben kennen. Dich soll der Schreckliche nicht erschrecken noch soll er meinen, daß er über dich, der du mir gehörst, Gewalt habe. Er ist dein Feind: ein Verderber, Verführer, Schänder, Wahnsinniger, Zauberer, Schwindler, Mörder, Jähzorniger, ein Mensch ohne Mitgefühl.' Weiche also nun von mir, du Übeltäter. Ich nämlich und die, die mir (wesens-)verwandt sind, wir eilen dem Unsrigen zu und lassen dich das sein, was du warst, ohne daß du weißt, daß du es bist." Sprachlos und sozusagen außer sich stand der Prokonsul da. Als nun die ganze Stadt lärmend verlangte, daß er Andreas befreite, und er an das Kreuz herantrat, um ihn loszubinden und herabzunehmen, da rief Andreas mit lauter Stimme: "Laß nicht zu, Herr, daß der an dein Kreuz gebundene Andreas wieder losgebunden werde. Gib nicht mich, der ich an deinem Mysterium bin (Narr.: an deinem Mysterium hänge) 1, dem schamlosen Teufel preis. Jesus Christus, laß deinen Widersacher mich, der ich an deiner Gnade hänge, nicht loslösen. Vater, laß diesen Kleinen den, der deine Größe erkannt hat, nicht länger mehr erniedrigen. Jesus Christus, nimm mich, der ich dich gesehen habe, der ich dich besitze, der ich dich liebe, der ich bei dir bin und sein werde, in Frieden auf in deine ewigen Hütten 2 , damit durch meinen Ausgang der Eingang der vielen, die mir (wesens-)verwandt sind, zu dir erfolgen kann, indem sie Ruhe finden in deiner Größe." Und als er so gesprochen und den Herrn noch mehr gepriesen hatte, da gab er seinen Geist auf, während alle weinten und über sein Scheiden traurig waren. Narr. 36; Mart. II, 10; Ep. Gr. 15.
Und nach dem Verscheiden des seligen Andreas trat Maximilla mit Stratokles heran, ohne sich um die, die dabeistanden, zu kümmern, und nahm den Leichnam des Andreas herab. Und als es Abend geworden war, da bestattete sie ihn, nachdem die übliche Sorgfalt hatte angedeihen lassen. Und sie lebte getrennt von sie Aegeates wegen seiner tierischen Seele und seines zügellosen Wandels, erwählte ein heiliges und zurückgezogenes Leben, das sie, erfüllt von der Liebe Christi, unter den Brüdern verbrachte. Aegeates drang mit vielen Bitten in sie und versprach ihr, daß sie Herrin über seine Angelegenheit werden solle, doch er vermochte sie nicht zu überreden. Da stand er des Nachts in unzeitiger Frühe auf und stürzte sich - unbemerkt von seinen Leuten - von einer großen Höhe herab und starb.
wm
1
Mysterium = Kreuz; ebenso Gnade im folgenden Satz.
2
Vgl. Lk. 16,9 (1).
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XIII. Apostelgeschichten de8 2. und 3. Jahrhunderts
Narr. 37; Conv. 7; Mart. 11, 10. Aber Stratokles, sein Bruder dem Fleische nach, wollte nichts von der Habe des Aegeates anrühren - der Nichtswürdige war nämlich kinderlos gestorben -, sondern sagte: "Dein Besitz, Aegeates, möge mit dir dahinfahren. Mir genügt nämlich der Herr Jesus, den ich erkannt habe durch seinen Knecht Andreas." Und so kam der Volksaufruhr zur Ruhe, da sich alle über den ungeheuerlichen, frühzeitigen und plötzlichen Fall des gottlosen und gesetzlosen Aegeates freuten. D. EIN KOPTISCHES FRAGMENT J. Barns hat in JThSt. N. S. 11, 1960 (A Coptic Apocryphal Fragment in the Bodleian Library, S.70-76) einen bisher unveröffentlichten koptischen Text mit Übersetzung und Kommentar vorgelegt, der möglicherweise den AA zuzuschreiben ist. Das schlecht erhaltene, z.T. völlig unleserliche Pergamentblatt Bodleian MS. Copt. f.103 (P) gibt einen Ausschnitt aus einem - wahrscheinlich längeren - Gespräch zwischen Andreas und dem Erlöser wieder. Daß der Text Teil eines alten Apokryphons ist, ist sicher. Die Rolle, die A. in ihm spielt, läßt den Herausgeber vermuten, daß es sich um ein Bruchstück der AA handele. Wenn der Apostel sich auf den Umstand beruft, daß er nicht allein seine Eltern, sondern auch seine Frau und seine Kinder verlassen habe (11 recto Uf.), so paßt das nach Meinung des Herausgebers gut zu dem enkratitischen Charakter der AA. Freilich ist dazu zu sagen, daß sich eine enkratitische Tendenz in diesen Worten kaum nachweisen läßt. Soweit der fragmentarische Zustand des Textes ein Urteil überhaupt zuläßt, ist es als das Wahrscheinlichste anzusprechen, daß es sich um nichts weiter als eine sachliche Parallele zu dem Gedanken von Mk. 10, 24 parr. handelt 1. Der erste Eindruck des unbefangenen Lesers ist der, daß es sich um eine Episode aus dem Leben Jesu handelt. Jedoch darf man auch die Möglichkeit nicht ausschließen, daß wir einen Ausschnitt aus einer Jüngerbelehrung zwischen Ostern und Himmelfahrt im Stil des apokryphen Jakobusbriefes (vgI. Bd. I, S. 245ff.) und der Epistula Apostolorum (vgI. ebd., S. 126ff.) vor uns haben. In beiden Fällen wäre es jedoch nicht erlaubt, das Stück den AA zuzuschreiben, deren Handlung ja erst mit dem Aufbruch des Apostels von Pontus beginnt. Freilich ist auch eine dritte Möglichkeit gegeben, nämlich die, daß der Dialog zwischen Jesus und A. eine Erscheinung des Herrn voraussetzt, die dem Apostel irgendwann während seiner Reise zuteil geworden ist. Weil diese Möglichkeit nicht von vornherein abgewiesen werden kann und die Zuweisung des Fragments zu den AA darum immerhin erwägenswert ist, legen wir eine Übersetzung des Textes vor, ohne uns damit auf die These des Herausgebers festlegen zu wollen. Text des koptischen Fragments
I recto
5
... Mensch .•. um mich zu sehen 2 dann ("ro-r8) sagte J esus zu Andreas: "Komm hinein zu mir, Andreas, dein Name ist das Feuer. Gesegnet bist du (?) unter den Menschen." Es antwortete
1 Auch die Erwägungen, die Barns zum Erweis des enkratitischen Charakters des Textes an 11 verso 5lf. anknüpft, sind nicht überzeugend. Der fragmentarische Zustand des Textes gebietet uns, die Frage des Enkratismus offenzulassen. 2 Zusatz von zweiter Hand: in • •• Glied (P8).OI;), das i8t • ••
5. Thomasakten
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[Es antwortete] 1 Andreas und sprach zum Heiland (aw7:1}(!) (1): "Erlaube mir, daß ich rede." 10 Dann (7:67:8) sagte er (?) zu ihm (?): "Rede, Andreas, du festgegründete Säule (0'7:VAO~) (1)". Andreas antwortete und sagte: "So wahr Gott (1) lebt, 15 der dein Vater (?) ist (?): 1 verso ich bin (?) herausgekommen aus (1) dem Hause meines Vaters und meiner Mutter; und so wahr meine Seele lebt (?): ich bin nicht (?) 20 wieder hinein gegegangen und habe nicht (?) gesehen (1) das Antlitz (1) meines (1) Vaters (?) und meiner Mutter noch (ovCJs) (?) habe (?) ich (?) gesehen das Antlitz (?) meiner (?) Kin25 der (?) und meiner Frau (?), aber (aAAa) ich trug mein Kreuz 2 , täglich dir nachfolgend von morgens bis abends, und ich habe es nicht niedergelegt." 3 BO Und Jesus antwortete und sagte: "Ich weiß, Andreas ... " 11 verso ... einer, der geringer ist (?) als einer von (1) 50 uns (1), die wir (1) deinen Namen (?) tragen (1) 4. Zwei (?) Röcke (?) habe ich nicht für mich (?) begehrt (btd}v/ls'ijJ); dieser andere Rock (?), den ich trage . . ." 5 5. THOMASAKTEN
(G. Bornkamm) EINLEITUNG. - 1. LITERATUR·. Von der älteren Literatur sind besonders zu nennen: C. Thilo, Acta S. Thomae Apostoli, 1823 (eine veraltete Textausgabe, die sich aber durch einen auch heute noch wertvollen scharfsinnigen Kommentar auszeichnet). R. A. Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden, 1883, I S. 225ff. W. Bousset, Hauptprobleme der Gnosis, FRLANT 10, 1907. Ders., Manichäisches in den ThomasDittographie. 2 Wahrscheinlich mit Barns zu lesen: eneifi 'mpastauros. Wahrscheinlich mit Barns zu lesen: e'mpikaaf epeset. , Wörtlich: "die wir unter deinem Namen sind", falls richtig zu lesen ist: anon etha pekran. • Wörtlich: "der auf mir ist ... " 6 Im folgenden bedeutet ATh = Thomasakten, und Th. Ev. = Thomasevangelium. 1 3
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
akten, ZNW 18, 1917/18, S.30ff. R. Reitzenstein, Das iranische Erlösungsmysterium, 1921. Ders., Die hellenistischen Mysterienreligionen, 31927. Weitere reichhaltige Angaben über die ältere Literatur samt eigenen Einführungen und Erläuterungen zu den ATh in der ersteri (S. 473ff.; Handb. S. 562ff.; R. Raabe und E. Preuschen) und in der zweiten (S.256ff.; W. Bauer) Auflage dieses Buches. - R. Söder, Die apokryphen Apostelgeschichten und die romanhafte Literatur der Antike, Würzburger Studien zur Altertumswissenschaft, 3, 1932. G. Bornkamm, Mythos und Legende in den apokryphen Thomasakten. Beiträge zur Geschichte der Gnosis und zur Vorgeschichte des Manichäismus, FRLANT NF 31,1933. Ders., Artk. Thomas, in: A. Pauly-G.Wissowa, Realenc. d. Klass. Altertumsw. 2. R. Bd. VI, Sp. 316ff. G. Widengren, The Great Vohu Manah and the Apostle of God. Studies in Iranian and Manichaean Religion, Upps. Univ. Arsskr., 5,1945. Ders., Mesopotamian Elements in Manichaeism, ebd., 3, 1946. Ders., The Ascension ofthe Apostle and the Heaverily Book, ebd., 7, 1950. Ders., Der iranische Hintergrund der Gnosis, Zeitschr. f. Religions- u. Geistesgesch., 4, 1952, S. 97ff. Ders., Stand und Aufgabe der iranischen Religionsgeschichte, Numen I, 1954, S. 16ff., II, 1955, S. I ff. Ders., Muhammed, the Apostle of God, and His Ascension, Upps. Univ. Arsskr., I, 1955. H. C. Puech, Le manicMisme, son fondateur, sa doctrine, 1949. H. Jonas, Gnosis und spätantiker Geist, I, Die mythologische Gnosis, FRLANT NF 33, "1954. A. Adam, Die Psalmen des Thomas und das Perlerilied als Zeugnisse vorchristlicher Gnosis, BZNW, 24, 1959. Vgl. auch H. C. Puech im 1. Bd. dieses Buches S. 199ff. u. S.223f. Zu den Textausgaben der gesamten ATh s. S.299. Übersetzungen des Textes der ATh außer in der 1. und 2. Auflage dieses Buches noch bei W.Wright, Apocryphal Acta of the Apostles, II (eng!. Übers. nach dem syr. Text) 1871; M.R. James, The Apocryphal New Testament, 61955; A.F.J. Klijn, The Acts of Thomas. Introduction-Text-Commentary, 1962; W. Michaelis, Die apokryphen Schriften zum NT 21958 (Auswahl, mit Erläuterungen)!. Zur bes. Überlieferung des Perleriliedes und zu seinen Übersetzungen s. S. 303, Anm. 1. 2. DER APOSTEL THOMAS, vgl. Bd. I, S. 206f., bei den Syrern und so auch in den apokryphen ThomasaktenJudas Thomas (auch' Iovtiar; oder @wf.tiir;,'Iovtiar;6ual @wf.tiir;oder 'Iovtiar; @wf.tiir; 6 ual L1ltivf.tor;) genannt, gilt in den ATh als Zwillingsbruder Jesu, diesem im Aussehen (c. 11), aber auch im Schicksal und Werk des Erlösers gleichend (c. 31. 39). Wie in anderer gnostischer Literatur (Epist. Apost. 42f.; Pistis Sophia 42f.; Einleitung und Logion 13 des neugefundenen Thomas-Evangeliums, s. Puech Bd. I, S. 206f.) erscheint Thomas auch in den ATh als Empfänger und Vermittler besonderer Geheimoffenbarungen (c. 39: 6 tittivf.tor; TOV X(]urrov, 6 d:n;oaToÄOr; TOV v1plGTOV ual avf.tf.tVGTTJr; TOV ÄOyov TOV X(]trnov TOV d:n;o,,(]vcpov, 6 tiexof.tB'llor; amov Td d:n;ou(]vcpa Ä6yta), doch ist die Ausdeutung des Namens Zwilling im Sinne gnostischer Verschmelzung von Erlöser und Apostel erst in den ATh vollzogen (vgl. c. 10.47.78 u. ö.). Im Thomas-Evangelium hat der Apostel noch keineswegs selbst die Funktion des Erlösers. Gleichwohl dürfte die Heimat des Th. Ev. ebenso wie die der ATh Syrien sein (vgl. W. C. van Unnik, Evangelien aus dem Nilsand, 1960, S.60). Auch andere inhaltliche Berührungen zwischen beiden Schriften fehlen nicht völlig. Doch betreffen sie Einzelmotive (vgl. Bd. I, S. 207), die in den ATh in jedem Fall im Sinne gnostischer Anschauungen reichlicher ausgestaltet sind, aber eine literarische Abhängigkeit nicht sicher beweisen (vgl. Logion 2 und ATh c. 136; Logion 13 und ATh c. 37. 39. 47. 147; Logion 22 und ATh c. 92.147; Logion 37 und ATh c. 14). Die katholische Abgarlegende (über ihren historischen Wert zuletzt W. Bauer, Rechtgläubigkeit und Ketzerei, 1934, S. 6ff.) führt auf ThoIDas die Missionierung Edessas zurück, wo seit dem 4.Jahrh. seine Gebeine aufbewahrt werden. Eine schon von Origenes (bei Euseb, h. e. rrr I, I) und in den Ps. Clementinen (R. IX, 29) vertretene Tradition bezeichnet Thomas als den Apostel Parthiens. Als Apostel Indiens erscheint er erstmalig in den ATh, in einer legendären Tradition, die zwar geschickt historische Gestalten wie den parthisch-indischen König 1 Im folgenden Text ist die vollständige Raabesche Übersetzung und die gekürzte von W. Bauer zugrunde gelegt, durchgeprüft und z.T. korrigiert.
5. Thomasakten
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Gundafor (seine Regierungszeit fällt nach Ausweis gefundener Münzen in das erste nachchristI. Jahrh., vgl. v. Gutschmid, Kl. Schriften II, S. 332ff.) und die lebhaften kulturellen und kommerziellen Beziehungen zwischen Nordindien und Syrien für das Kolorit der Erzählung verwendet, aber keinen Anspruch auf Geschichtlichkeit hat. Die Akten sind auch das älteste Zeugnis der Legende vom Märtyrertod des Thomas und der Überführung seiner Gebeine nach Edessa. 3. ÜBERLIEFERUNG DER THOMAS-AKTEN. Die ATh gehören zu der Sammlung apokrypher Apostelgeschichten, als deren Verfasser seit dem 5. Jahrh. Leucius Charinus gilt, eine Tradition, die manichäischen Ursprungs zu sein scheint, und zwar nicht für die Abfassung, aber die Sammlung der Apostelgeschichten zutreffen mag (vgI. oben S. 121 ff.). Den Gebrauch der ATh in gnostischen Sekten bezeugen Epiphanius (haer. 47, 1; 61,1); bei den Manichäern Augustinus (c. Faust. 22, 79; c. Adimant. 17,2,5; de sermone domini in monte 1,20,65); Turribius v. Astorga (Epist. ad Idac. et Ceston. 5, Manichäer und Priscillianisten). Doch haben sie sich auch in rechtgläubigen Kreisen als christliche Erbauungs- und Unterhaltungsliteratur großer Beliebtheit erfreut, wie ihre vielgestaltige Textgeschichte, insbesondere die in ihr erkennbare Tendenz zur Ausmerzung gnostischer Züge und zur Angleichung an die katholische Lehre beweist (spätere Bearbeitungen auch in lateinischer, äthiopischer und armenischer Sprache). Die ATh sind in griechischer und syrischer Sprache erhalten, der griechische Text (G) auf Grund von 21 Hssl herausg. von Bonnet, Acta Apostolorum Apocrypha II, 2 (1903), p. 99-288; der syrische Text (S) auf Grund einer Londoner Hs herausg. und übers. von W. Wright, Apocryphal Acts of the Apostles (1871) I, p.l71ff. (syr.), II, p.146ff. (engl.). Geringfügige Abweichungen des syrischen Textes (auf Grund einer Berliner Hs) in einer Neuausgabe durch Bedjan, Acta martyrum et sanctorum III (1892), p. 3ff. Ältere Fragmente bei A. S. Lewis, Mythological Acts of the Apostles (Horae Semiticae IV, 1904); vgI. auch Burkitt in Studia Sinaitica IX (1900) app. VII, p. 23ff. Wie heute kaum noch bestritten, waren die ATh ursprünglich syrisch abgefaßt. Doch ist dem griechischen Text vor dem uns heute vorliegenden syrischen Text S (s.o.) aufs Ganze gesehen der Vorzug zu geben, da dieser zahlreiche katholisierende Überarbeitungen aufweist. Das schließt nicht aus, daß S an zahlreichen Einzelstellen sicher Älteres bewahrt hat. G und S dürften also auf einen gemeinsamen verlorenen syrischen Text zurückgehen 2. 4. DER LITERABISCHE CHARAKTER DER ATH. Die ATh vertreten eine christlich-gnostische Spielart der hellenistisch-orientalischen Romanliteratur. Die in dieser Literatur reichlich verwendeten Elemente und Motive: die Reise eines Helden in ein fremdes Wunderland, die Verknüpfung seiner Geschichte mit der Geschichte historischer Figuren, die Schilderung phantastischer Krafttaten des Helden und staunenerregender Naturwunder, die Vorliebe für erotische Szenen und die ausgebildete Neigung zum Tendenziösen, dazu die Stilmittel novellistischer und romanhafter Erzählungskunst (vgl. R. Söder, a.a.O., u. R. Helm, Der antike Roman, 1948, S. 53-56, u. o. S. 115ff.) lassen sich in den ATh, wenn auch vielfach in volkstümlich-vergröberter Form, sämtlich wiedererkennen. Ebenso deutlich ist in den Akten freilich die Anlehnung an biblische Stoffe und Erzählungsmotive. Sie erzählen in 13 Praxeis, deren Mittelpunkt der Apostel Thomas ist, seine Wundertaten, die Bekehrungsgeschichte zahlreicher einzelner Personen, endlich die Leiden des Apostels bis zu seinem Martyrium. Die einzelnen Erzählungen sind in der ersten bis sechsten Praxis locker aneinandergereiht, im zweiten Teil (7.-13. Praxis) dagegen, unter Zurücktreten der Wundermotive und stärkerem Hervortreten des Motivs der Bekehrung, kunstvoller komponiert. Die Gestalten werden hier individueller gezeichnet, die Szenen sorgfältig mit1 Besonders wichtig sind ein römischer Codex (Vallicellanus B 35) aus dem 11. Jahrh., bei Bonnet unter dem Siglum U, die vollständigste Handschrift der ATh, und ein Pariser Codex (B. N. graec. 1510) aus dem 11. oder 12. Jahrh., bei Bonnet unter dem Siglum P. 2 Zu der besonderen Überlieferung des Perlenliedes vgl. S. 303, zu der des Martyriums vgl. den Text.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
einander verknüpft. Der einheitliche Schauplatz im zweiten Teil ist der Hof des Königs Misdai, während von den Schauplätzen, Gestalten und Begebenheiten des ersten Teiles hier keine Rede mehr ist. Trotz dieser Unterschiede in beiden Teilen sind die Akten einheitlichen Charakters. Alle Erzählungen sind durchsetzt mit zahlreichen liturgischen Stükken, Predigten, Kultgebeten und Hymnen, die zwar von dem Verfasser sinngemäß eingefügt sind, aber doch vielfach nur im lockeren Zusammenhang zu den Einzelerzählungen stehen und schon damit oft die Selbständigkeit ihres Ursprungs verraten. Hierzu gehören vor allem auch die beiden berühmten Lieder, das Brautlied in der 1. und das Perlenlied in der 9. Praxis. Die Reden, Gebete und Lieder in den Akten lassen unmißverständlich erkennen, wie auch die Erzählungen vom Verfasser gemeint sind: als legendäre Einkleidungen des Mysteriums der Erlösung. Sie sind also durchgängig gekennzeichnet durch eine Doppelsinnigkeit, über die die Akten selbst sich z. B. c. 36 u. c. 78 unmißverständlich aussprechen. 5. DER GNOSTISCHE CHARAKTER DER PRAXEIS. Die Erlösungsanschauung, die den Akten zugrunde liegt, ist die der Gnosis. Das wird sofort deutlich, wenn man sich die wichtigsten Einzelzüge des gnostischen Erlösungsmythos, die über die Akten im ganzen verstreut sind, zu einem einheitlichen Bilde zusammenstellt: Der vom Himmel ausgesandte Erlöser legt die himmlische Herrlichkeit ab; verkleidet in irdisch-menschliche Gestalt erscheint er den Mächten, die ihn nicht erkennen und nur seine Stimme hören, verfolgt, bekämpft und besiegt sie (c. 10.45.48.80. 122. 152. 156 u. a.). Die Gläubigen, fremd auf der Erde, aber dem himmlischen Erlöser bzw. seinem Doppelgänger, dem Apostel, vertraut (c. 32. 34. 39. 48.61. 81 u. a.), werden von dem Erlöser aus dem Hades, d.h. zugleich ans dem Bereich des Körperlich-Materiellen, befreit (c. 10.21. 67. 156 u. a.). Der Erlöser ist ihr Wegbereiter und Geleiter (c. 10.80.156. u. a.), Arzt, Lebenbringer, Lichtgestalt, Pflanzer (c. 10.15.25. 34 u. a.), Ernährer der Gläubigen (c. 19.37.39 u. ö.), Hirte (c. 25. 39), Sprudel und Quelle (c. 39), Zuflucht, Hafen, Ruhe der Seinen (c. 10.27. 37 u. a.). Er offenbart den Gläubigen die himmlischen Mysterien (c. 10.47, vgl. dazu c. 27. 50), gibt sich ihnen zu erkennen und lehrt sie damit sich selbst erkennen (c. 15. 34. 112. 144). So verhilft er ihnen zu einer ungehinderten Himmelfahrt durch das Reich der Mächte (c. 142. 144ff. 167). Alle diese aus der Gnosis bekannten, leicht noch zu vermehrenden Motive, die mit den gnostischen Anschauungen der Lieder (c. 6ff. 108) u. Weihegebete (c. 27. 50) zusammenstimmen, wollen als Leitfaden auch für die Deutung der einzelnen Erzählungen verstanden sein. Schon in dem Verkauf des Apostels als Sklaven, den die 1. Praxis erzählt, zeichnet sich ab, daß er wie der Erlöser erniedrigt ist (c. 19, vgl. c. 145. 167), wie auch die Aufzählung seiner handwerklichen Fähigkeiten vor dem Kaufmann Abban und dem König Gundafor (c. 3. 17) nicht ohne mystische Nebenbedeutung ist. Dem entspricht das Motiv der 2. Praxis, der Bau eines himmlischen Palastes aus den Almosen, für die der Apostel das ihm vom König übersandte Geld verwendet. (Das Motiv ist auch in der Legende von Barlaam und Josaphat, als Märchenmotiv lustig in der deutschen Eulenspiegelsage und tiefsinnig in Andersens Märchen von des Kaisers neuen Kleidern abgewandelt.) In den Dienst der gnostischen Erlösungslehre sind auch die mehrfachen Dämonengeschichten der ATh gestellt, so in der 3. Praxis die Erweckung eines schönen Jünglings, den ein Drache getötet hat; ausdrücklich stellt dieser sich als Repräsentant der den Kosmos beherrschenden Satansmacht vor (c.32 mit z. T. dunklen Anspielungen an gnostische Spekulationen). Deutlich spiegelt die Geschichte den mythischen Kampf zwischen Ormuzd und Ahriman wider und zeigt durch ihren liturgischen Abschluß, daß sie eine legendäre Einkleidung des Erlösungsmysteriums sein will. Die entsprechende Feststellung gilt für die langatmigen Dämonengeschichten der 5., 7. und 8. Praxis. Wenn hier in der 5. eine schöne Frau, in der 7. u. 8. die Gattin und Tochter eines Obersten des Königs Misdai aus der Gewalt lüsterner Dämonen befreit und dem himmlischen Erlöser zugeführt werden, so bezeugen auch hier Reden, Beschwörungsformeln, Gebete und Kulthandlungen, daß die Dämonen die Macht der Finsternis darstellen, zu deren Besiegung der Erlöser herabgekommen ist, um der Finsternis die geraubten Lichtseelen zu entreißen und die definitive
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Scheidung der Licht- u. Finsternis-"Natur" (c. 43. 75. 76) schon jetzt zu vollführen. Unschwer erkennt man in den Legenden den bekannten gnostischen Mythos von der Sophia, die das Begehren der Weltarchonten erregt hat und von ihnen am Aufstieg in das Lichtreich gehindert wird. Unsere Erzählungen sind damit zugleich legendäre Abwandlungen der Simon·Helena-Geschichte, die auch in die Manichäerlegende Eingang gefunden hat (vgl. F. Chr. Baur, Das manichäische Religionssystem, S. 467ff.). Deutliche Spuren davon finden sich besonders auch in der Einleitung der 6. Praxis. Der 4. und 8. Praxis liegt das gnostische Motiv von der Himmelsreise der Seele zugrunde. Das zeigt die wieder von Reden und Gebeten durchzogene Geschichte (c. 69ff.) von dem redenden Eselsfüllen, das sich dem Apostel als Reittier anbietet 'und ihn zur (himmlischen) "Ruhe" trägt, aber vor den Toren der Stadt tot zusammenbricht, ein mystisch gemeinter Vorgang, der zuerst das verbreitete Motiv des Himmelrittes, zuletzt sogar das Reittier noch als ein Sinnbild für den Leib verwendet; dieser ist Träger der Seele, aber kann nicht mit ihr erlöst werden und wird darum von dem Apostel nicht wieder aus dem Tode erweckt (c. 41; vgl. dazu c. 147; beachte den Gegensatz zur christlichen Lehre von der Auferstehung des Leibes). Eine ähnliche Funktion wie das Eselsfüllen haben die 4 Wildesel (c. 70ff.), die sich vor den Reisewagen des Apostels spannen und ihn und den ihn begleitenden Kriegsobersten zur Stadt bringen. Auch hier erinnert die Rede (c. 68) ausdrücklich an die Himmelsreise. Die Vierzahl der Tiere, deren eines dann selbst als Exorzist und Mystagoge in Aktion tritt (c. 73 ff.), dürfte mit der Vierzahl der himmlischen Lichtwesen zusammenhängen, die schon in c. 32 die schwer erklärbare Erwähnung der "vier stehenden Brüder" nennt. Das aus der griechischen Orphik, Mysterientexten und vor allem aus der Petrus-Apokalypse (vgl. u. S. 468ff.) bekannte Motiv der Höllenfahrt der Seele mit den Schilderungen der Straforte bietet in breiter Ausgestaltung die 6. Praxis - darum von besonderem Interesse, weil die Schilderung der Höllensphären deutlich diefünfmanichäischen Elemente der finsteren Welt wiedergibt. Wieder endet auch diese Praxis mit der ganz im Mysterienstil gehaltenen Erlösung des Mädchens, das unter Führung eines himmlischen Begleiters die Höllenfahrt vollbracht hat (c. 57. 59ff.). So wird die Höllenfahrt zugleich zur Himmelfahrt und die ganze Schilderung zur Darstellung eines Mysteriums, wie es u. a. die Isisweihe in Apuleius, Metamorphosen XI 23, aber ebenso gnostische und manichäische Texte bieten. Ein mythologischer Hintergrund läßt sich auch für die scherzhafte Szene c. 9lf. nachweisen, wo Charis, ein Verwandter des Königs Misdai, seiner Frau Mygdonia, die der Apostel bereits zur geschlechtlichen Enthaltsamkeit bekehrt hat, einen nächtlichen Traum von einem beim königlichen Mahl herniedergefahrenen Adler erzählt, der zwei Rebhühner, eine Taube und eine Turteltaube geraubt habe und mit seiner Beute unversehrt davongeflogen sei, obwohl ihn der Pfeil des Königs getroffen hatte. Die symbolische Bedeutung des Traumes geht aus dem Kontext hervor: die geraubten Tiere sind die beiden Frauen Mygdonia und Tertia, der junge Prinz Vazan und sein junges Weib, die durch den Apostel für Christus und für ein enthaltsames Leben gewonnen sind. Das Bild des Adlers wird in der Gnosis häufig für den Erlöser gebraucht, die ganze Szene aber ist darüber hinaus eine genaue Nachbildung des indischen Mythos von dem Raub der Unsterblichkeitsspeise durch den Himmelsadler Garuda, den heiligen Vogel Vischnus. Auch hier schießt Indra nach ihm, trifft ihn, aber kann ihn nicht verletzen. In den Akten verbindet sich mit dem nächtlichen Traum noch das Mißgeschick des Charis am folgenden Morgen, der beim Aufstehen den linken mit dem rechten Schuh vertauscht, was alsbald wieder im Sinne einer auch in der Gnosis geläufigen Orientationsvorstellung als Verwandlung des Bösen in das Gute gedeutet wird. Das Endziel der Erlösung ist die Befreiung der Seele aus der Verstrickung in irdische Begierde und die Vereinigung mit dem himmlischen Erlöser. Sie wird wie in der Gnosis häufig so auch in den ATh unter dem Bilde der "heiligen Hochzeit" dargestellt. Das zeigt gleich die erste Praxis, die Erzählung von der Hochzeit der Königstochter in Andrapolis,
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in zweifacher legendärer Einkleidung. Die Szene der irdischen Hochzeit ist für den unter asketischem Verzicht auf irdische Speise und Trank mitfeiernden Apostel der .Anlaß, ein Lied von der himmlischen Hochzeit zu singen, das nur die hebräische Flötenspielerin versteht, die wie er eine Fremde, ihm stammverwandt ist. Zwischen beiden, dem in der Ekstase verwandelten, zum Mystagogen gewordenen Apostel und der Flötenspielerin, die ihn versteht, ihn liebt und ihn unverwandt "ansieht" (dieses Anschauen des Göttlichen in der Gnosis häufiger terminus für die Vollendung der Weihe), ereignet sich bereits das Mysterium des hieros gamos mit dem Erlöser, der durch seinen "Zwillingsbruder" repräsentiert wird. Was hier geheimnisvoll angedeutet wird, ist dann alsbald der offenkundige Sinn der folgenden Szene im Brautgemach: Bräutigam und Braut verzichten a·uf den ehelichen Verkehr und verbinden sich zu einer geistlichen Ehe (dasselbe asketische Ideal auch in der Einleitung der 6. Praxis); die von Schande und Schrecken zu einer "anderen Ehe", zur Liebe des "wahrhaftigen Mannes" erlösten Seelen sind in Freude und Ruhe des Unvergänglichen teilhaftig geworden und haben in ihm ihren Ursprung, ihren Fall und ihre Bestimmung erkannt (c. 14f.). Dieselben Gedanken beherrschen im zweiten Teil der .Akten die breitausgemalten Bekehrungsgeschichten der Mygdonia (9. u. 10. Pr.), der Königin Tertia (11. Pr.) und des Prinzen Vazan und seiner Frau. Vgl. besonders die Reden c. 88.93. 98. 117. 135 und als wichtigste Stelle c. 124, wo in langer Antithesenreihe die irdische und die himmlische Hochzeit gegenübergestellt werden. 6. DIE LIEDER IN DEN THOMAs-AKTEN. Zum wertvollsten Gut der .Akten gehören zwei gnostische Lieder, die in den Gang der Erzählungen sinnvoll eingefügt sind. a) Das erste ist das Hochzeitslied der ersten Praxis (c.6f.). Es besingt in üppigen Bildern die Hochzeit der Licht jungfrau mit dem himmlischen Bräutigam: die Herrlichkeit der Braut, das lichte, von Wohlgerüchen duftende Brautgemach und das mitfeiernde Brautgeleit. Die Bilder schieben sich seltsam ineinander. Der "König" und die "Tochter des Lichtes" verhalten sich zueinander wie Haupt und Glieder. Der Bräutigam ruht "auf ihrem Haupt", und der Leib der Braut mit seinen Gliedern faßt das Pleroma der Äonen in sich zusammen. Mit dem Bild des Leibes verbindet sich die Vorstellung von Himmelsbau und Himmelsstadt, und die Hochzeit wird zu einem Fest, bei dem die Gläubigen sich mit dem königlichen Bräutigam vereinen und von ihm Licht und Unsterblichkeitsspeise empfangen. So treten die 7 Brautführer und Brautführerinnen und die 12 Dienerinnen alsbald an die Stelle der Licht jungfrau, zu der sie gehören (vgl. c. 12 Ende: "und werdet als Brautführer mit hineingehen in jenes Brautgemach, das voll von Unsterblichkeit und Licht ist"). Deutlich ist, daß hier unter dem Bilde der heiligen Hochzeit wie in der valentinianischen, markosischen und ophitischen Gnosis die Erlösung der Sophia dargestellt ist, an der die "Erwählten", die "Vornehmen" Anteil haben. Die nächsten Parallelen zu unserm Hochzeitslied liefern hymnische Fragmente der bardesanisehen Gnosis, die Ephraem (Gegen die Irrlehren, Hymnus 55, 5. 7) erhalten hat: "Wann endlich schaun wir dein Gastmahl, sehn wir das Mädchen, die Tochter, die auf deine Knie du gesetzt hast und einlullst?" ,,0 Ursprung der Wonne, des Tore auf Befehl vor der Mutter sich öffnen" (übersetzt von A. Rücker, Bibliothek der Kirchenväter 61, München 1928, S. 186f.). Häufig begegnet das Motiv des himmlischen Brautgemaches in manichäischen Gebeten an Christus, den Erlöser: "Ich möchte wohnen in deinen Äonen, dem Brautgemach des Lichtes." (MPsB II 197, 5'; weitere Belege bei G. Widengren, Mesopotamian Elements, S. 109ff.) Auch die Bezeichnung der Mitfeiernden als "Megistanen" (Fürsten) ist in den manichäischen Psalmen geläufig (vgl. Index). Der syrische Text des Hochzeitsliedes verrät eine durchgehende Katholisierung (statt 1 Die manichäischen Texte werden zitiert nach: Manichäische Handschriften der Sammlung A. Chester Beatty, Band I Manichäische Homilien (hrsg. von H.J.Polotsky), 1934 (= MH); Band II A Manichaean Psalm-Book (ed. by C. R. C. .Allberry), 1938 (= MPsB); Manichäische Handschriften der Staatlichen Museen Berlin, Band I, Kephalaia, 1. Hälfte 1940 (= Keph.).
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"das Mädchen" "meine Kirche"; statt der 32 lobpreisenden die 12 und die 72 Apostel; die doppelte Siebenzahl des Brautgeleites ist getilgt). Das Hochzeitslied, bardesanischer wie manichäischer Richtung verwandt, vielleicht sogar aus der ersteren stammend, schließt mit einem Lobpreis, der, wie Bousset erkannte (Manichäisches, S. 10f.; 22f.), manichäischer Zusatz ist. Er nennt die drei Gottheiten des Vaters der Wahrheit, der Mutter der Weisheit und des lebendigen Geistes (in S abgewandelt in eine christliche Trinitätsformel). b) Das Perlenlied gehört zu den schönsten Dokumenten der Gnosis, die uns erhalten sind 1. Eingekleidet in eine märchenhafte Erzählung läuft in der Dichtung in seltener Reinheit und Vollständigkeit, unverwirrt durch kosmische Spekulationen, der gnostische Erlösungsmythos ab; nichts deutet dabei auf christlichen Ursprung. Wir stellen die wich· tigsten Motive zusammen und fügen die nötigsten Erklärungen hinzu, ohne hier die reich· lichen Parallelen im einzelnen anführen zu können: Die Aussendung des Königssohnes als kleines Kind (des himmlischen Gesandten), das Ausziehen des Lichtgewandes, der Auftrag, die Perle zu holen (Perle = Urseele, Ägypten häufig für Welt oder Leib, Meer und Drache für das Reich der Finsternis und seinen Herrscher); die Ausstattung mit Wegzehrung und Reisegeld (ersteres häufig für die "Gnosis" oder die sakramentale Speise, die die Seele für ihre Himmelsreise braucht, letzteres als Wege. oder Brückengeld zu denken, das an dem Wachthaus der Archonten entrichtet werden muß); sodann der Auszug mit zwei Begleitern (im Syrischen noch der iranische, auch in mandäischen und mani· chäischen Texten sich findende terminus parwankin), das Fremdsein und die Verkleidung der Gesandten, seine Überlistung durch die Zauberspeise der bösen Mächte, sein Schlaf und das Vergessen von Herkunft und Auftrag. Dann der Rat der Himmlischen, die Aus· sendung des Himmelsbriefes, der als Adler herabfliegt (Adler ursprünglich der Sonnen· vogel, im Mandäischen und Christlichen häufig für den Erlöser), als "Ruf" die Erlösungs. botschaft überbringt, den Schlafenden zum Erwachen und Aufstehen, zur Erkenntnis seiner Herkunft und seines gegenwärtigen Elends ruft und ihn an den versäumten Auftrag, an sein Himmelsgewand und die Herrschaft, die ihn erwarten, erinnert. Endlich die Über· windung der Mächte, der Raub der Perle, das Ablegen des schmutzigen Erdengewandes, die Heimfahrt unter Führung des "Briefes", der selbst zum Lichtboten geworden ist, das Zusammentreffen mit dem ihm entgegengesandten, von zwei Schatzmeistern überbrachten 1 Die neuere Forschung ist sich einig, daß im Unterschied zum Hochzeitslied hier der syrischen Fassung der Vorzug zu geben ist; sie liegt auch der nachfolgenden Übersetzung zugrunde, während die von R. Raabe in der 1. und 2. Auflage den nur in der Handschrift U (und einer Paraphrase des Niketas von Thessalonich) erhaltenen griechischen Text (mit gelegentlichen Hinweisen auf den syrischen) wiedergab. Für vielfache Beratung in Einzel· heiten habe ich Prof. Gustav Hölscher (t) zu danken. Der in mehreren Handschriften überlieferte, leider oft verderbte syrische Text ist außer beiWright abgedruckt beiP. Bedjan, Acta Martyrum et Sanctorum III, 1892, S. 110-115 (vokalisiert); A.A. Bevan, The Hymn of the Soul, contained in the Syriac Acts of St. Thomas, reedited with an English transla· tion, Texts and Studies V 3, 1897; G. Hoffmann, Zwei Hymnen der Thomasakten, ZNW 4, 1903, S. 293f. (für die Rekonstruktion des Textes besonders wichtig); E. Preuschen, Zwei gnostische Hymnen, 1904; J. Halevy, Cantique syriaque sur Saint Thomas, Revue semiti· que 16, 1908, S.85-94; 168-175 (unter durchgängiger Benutzung der HoffInannschen Rekonstruktion) . Über neuere Übersetzungen in engI., franz. und deutscher Sprache vgl. A.Adam, Die Psalmen des Thomas und das Perlenlied, S. 49. A.Adam gibt eine eigene Übersetzung und wichtige Beiträge zu Versabteilung, Stropheneinteilung, Konjekturen und Erläuterungen zu EinzelsteIlen, von denen einige nach kritischer Überprüfung berücksichtigt wurden. Von anderen Übersetzungen sind außer der von G. Hoffmann vor allem die von M. R. J ames, The Apocryphal New Testament, S. 411ff., zu Rate gezogen worden. Vgl. zum Problem des Perlenliedes noch: A.F.J.Klijn, The so·called Hymn of the Pearl (Acts of Thomas ch. 108-113), VigChr 14, 1960, S. 154-164.
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Lichtgewand (die Bewegungen der Gnosis zucken auf ihm, das Bild des Königs der Könige ist ihm aufgestickt), in dem der Königssohn als in einem Spiegel sein himmlisches Bild erkennt, das Einswerden mit dem Abbild und zum Schluß die Heimkehr in den väterlichen Palast. Die Dichtung läßt sich mit gleichem Recht als Lied von der Erlösung des Erlösers wie als Lied von der Rettung der Seele bezeichnen. Daß beide, Erlöser und Seele, eines Ursprungs, Schicksals und Wesens sind, gehört zu den Grundgedanken gnostischer Lehre. Sie findet in dem Lied verschiedenartigen Ausdruck: in der Doppelung des Geschehens (Erweckung und Heimkehr des Königssohnes, Heimbringung der Perle) und in dem Verwandtschafts- und Zwillingsmotiv, in der Vereinigung des Erlösten mit seinem himmlischen Abbild. Trotz der märchenhaften Züge ist der religiöse Charakter des Liedes nicht zweifelhaft. Für die Gesamtanschauung des Liedes ebenso wie die SymbolgestaIten, Bilder und Vorstellungen im einzelnen liefern vor allem mandäische Texte Parallelen in solcher Fülle, daß man die durch sie vertretene vormanichäische Gnosis Ostsyriens und des Zweistromlandes mit Sicherheit auch als religionsgeschichtlichen Ursprungsort unserer Dichtung bezeichnen kann. Im Mandäischen wird der jugendliche Knabe Hibil-Ziwa, der zweite Sohn, aus dem Hause des Lebens entsandt. Auch hier dieselben Bilder von der "Reisezehrung" (= Gnosis), den "Geleitern" der Seele (sogar mit demselben persischen Wort parwanqua bezeichnet), den "Schatzmeistern" als Hütern des himmlischen Gewandes, die die Seele bei ihrem Aufstieg bekleiden, der Seele als "reine Perle", "Ägypten" als Land der Finsteruis, vom "Himmelsbrief" und der Rückkehr der Seele in ihre Urheimat usw. (vgI. R. Reitzenstein, Iranisches Erlösungsmysterium, S. 70ff.; G. Widengren, The Great Vohu Mana, S. 76ff.; ders., Mesopotamian Elements, S. 52ff., 74ff.; A. Adam, Die Psalmen des Thomas, S.68f.). Der vormanichäischen, frühmandäischen Gnosis dürften auch die Thomaspsalmen entstammen, die dem manichäischen Psalmbuch anhangsweise eingefügt sind. Auch sie bieten zum Perlenlied zahlreiche Parallelen bis ins einzelne. VgI. W. E. Crum, Coptic Analeeta, JThSt 44, 1943, S. 181, Anm. 9 und A. Adam, a.a.O., der aber in der Frühdatierung der Thomaspsalmen (Ps. 1 soll aus dem 1. vorchristlichen Jahrh. stammen!) wie des Perlenliedes (1. nachchristliches Jahrh.!) erheblich zu weit gehen dürfte. Herkunft und Entstehungszeit des Perlenliedes lassen sich, wie G. Widengren ZRGG 4, 1952, S. 97 bis 114 gezeigt hat, auf Grund geographischer, politischer, kulturgeschichtlicher und philologischer Indizien genauer bestimmen. Schon der geographische Horizont (Parthien, das Bergland von Warkan = Hyrkanien, Garzak, Indien, Kusan, Mesene), ferner die arsakidisehe Königstitulatur (der Vater heißt "König der Könige"), die Erwähnung der Großen des Reiches, die den auf chinesischer Seide mit rotem Schwefel geschriebenen Brief mitunterzeichnet haben, sodann die Beschreibung der nach Adelsklassen unterschiedenen Edelleute, der königlichen Diener als "Gegürtete", der Gefolgsmänner des Prinzen als "parwanqe" und des mit Edelsteinen verzierten und mit dem Bilde des Großkönigs geschmückten Gewandes, das dem Königssohn entgegeneilt, endlich auch die Verwendung iranischer Wörter im syrischen Text - all das läßt darauf schließen, daß die Dichtung noch vor dem Sturz der parthisehen Dynastie und dem Aufkommen der Sassaniden (226 n. Chr.), also in arsakidischer Zeit entstanden ist (Mani ist 217 geboren). Daß die Manichäer das Perlenlied kannten (gegen A. Adam, a. a. 0., S. 70), scheinen mir einige Texte der neu gefundenen koptischen Manichaica zu beweisen, vor allem das Fragment eines ChristusPsalms (MPsB 11, S. 116, 24ff.): "Christ führe mich; mein Erlöser vergiß mein nicht ... Ich bin ein Prinz (megistanos), eine Krone tragend mit den Königen. Ich wußte nicht, wie ich kämpfen sollte, denn ich stamme aus der Stadt der Götter ... Ich verließ meine Eltern, Ich zog hin, Ich gab mich in den Tod für sie." (Es folgt die Schilderung der Bewaffnung, des Auftrags, die bösen Mächte zu besiegen, und die Verheißung des Siegeskranzes, das Vergessen der göttlichen Herkunft, das Trinken des Zaubertrankes und die Überwältigung durch die Mächte.) An anderer Stelle heißt es: "Er holte den Urmenschen aus dem Kampf herauf wie eine Perle, die aus dem Meer herauf-(geholt) wird" (Keph. S. 85, 24f.). Lehrreich sind auch die stark zerstörten Texte, in denen die Rolle des Erlösers auf Mani,
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den großen Gesandten des großen BabyIon (MH S.54, 12ff.) übertragen ist: " ... der .Apostel des Lichts ... die Lichtperle, die ... aus den unruhigen Meeren ... " (ebd. S. 55, 17 ff.). Die engen Berührungen des Perlenliedes mit den neuen manichäischen Texten helfen m. E. zur Klärung einer bisher umstrittenen Frage, die durch die geographischen .Angaben des Liedes gestellt ist . .Auf Grund dieser vertraten schon .A. Hilgenfeld (Berliner philolog. Wochenschr. 1898, S. 13) und W. Bousset (ZNW 18,1917/18, S. 23ff.) die These, daß der Königssohn Mani sei. Dafür scheint zu sprechen, daß Mani aus parthischem Hochadel stammte, Mesene wohl sein Geburtsland und BabyIon sicher das Land seiner Wirksamkeit war, wo er auch den Märtyrertod starb . .Auch das dreimal im syrischen Text erwähnte, schwer zu identifizierende Sarbüg, das im Griechischen mit Aaßv(!tv'{}o, wiedergegeben ist, dürfte nach einleuchtender Vermutung von W. E. Crum (JThSt 44,1943, S. 123; 181), der an das arabische vVort sarbuka = Labyrinth erinnert, wohl die Innenstadt BabyIon bezeichnen sollen (vgl. .A . .Adam, a. a. 0., S. 64). Da jedoch aus den oben genannten Gründen das Lied nicht ursprünglich schon auf Mani hin konzipiert sein kann, auch Mesene von der geraden Route nach Ägypten abliegt und BabyIon (Sarbüg?) als die Stadt der Dämonen mit Ägypten konkurriert, wird man annehmen dürfen, daß das vorher entstandene Perlenlied bald auf Mani übertragen und mit Einzelzügen seiner Vita ausgestattet wurde. Dazu paßt, daß er selbst sich als Lichtgesandten verstand und zur Erlösergestalt wurde (auch in den Turfanfragmenten nennt er sich das "Herrscherkind", "das zum Fremdling geworden ist aus der Großherrlichkeit" ; vgl. F. W. K. Müller, Handschriftenreste aus Turfan H, .Abh. d. Berl. .Akad. 1904, 20, S. 29. 108). Möglicherweise erklärt sich so auch der überraschende Schluß der Dichtung, der nach der .Ankunft des Heimgekehrten im Vaterhaus noch das Erscheinen des Königssohnes mit seinem Vater zusammen vor dem "König der Könige" ankündigt, obwohl c. llO der Vater des Prinzen selbst schon diesen aus der parthischen Königstitulatur stammenden Titel trägt . .Auch diese Unstimmigkeit wird sich aus der nachträglich dem Ganzen aufgeprägten, auf Mani gemünzten biographischen Fiktion erklären. Daß der Mythos von dem Gesandten, der in die Fremde zieht, unterwegs die Nachstellungen der Feinde bestehen muß, sich vor ihnen als Fremdling ausgibt und dann die Heimkehr vergißt, in die manichäische Missionslegende Eingang gefunden hat, läßt sich noch aus der antimanichäischen Ketzergeschichte der .Acta .Archelai c. 4 erkennen (vgl. G. Bornkamm, Mythos und Legende, S. ll9f.). Ist die .Annahme, daß die genannten Einzelzüge Mani als den Königssohn erweisen sollen, richtig, so wird man annehmen dürfen, daß sein Konflikt mit den Machthabern in BabyIon und sein Tod hier bereits vorausgesetzt sind . .An der Beliebtheit, deren sich der Erlösungsmythos des Perlenliedes gerade bei den Manichäern erfreute, ist jedenfalls kein Zweifel. Er hat Dichtung und Lehre des Manichäismus auch weiterhin beschäftigt (H. Söderberg, La Religion des Cathares, 1949, passim). Die Möglichkeit später Nachwirkungen des im Perlenlied der .ATh erzählten Mythos auf die Dichtung des Mittelalters ist nicht ausgeschlossen und gelegentlich behauptet worden, hat sich aber bisher nicht sicher beweisen lassen. 7. SAKRAMENTE UND WEmEGEBETE. Mit wenigen .Ausnahmen schließen alle Bekehrungsgeschichten der .ATh mit einer Initiationshandlung, deren Ritual sich aus mehreren sakramentalen ritualen .Akten zusammensetzt (vgl. c. 26f. 49f. 121. 133. 157). Deutlich ist überall die Verbindung der Versiegelung der Neubekehrten mit Öl und einer daran anschließenden Eucharistie. Beide Sakramente werden von dem .Apostel als Mystagogen gespendet. Die Siegelung wird 1. durch .Ausgießen konsekrierten Öls über dem Haupt des Neophyten und 2. durch Salbung des Entkleideten vollzogen (c. 27. 157); der Versiegelte wird dadurch als Sklave oder Magd des Gottes bezeichnet, der Kraft der Gottheit teilhaftig und Glied ihrer Herde. Nicht ganz deutlich ist das Verhältnis des Ölsakramentes zur Wassertaufe. Daß die Siegelung nicht ein bloßer Bestandteil der Wassertaufe ist, erhellt schon aus der Tatsache, daß die letztere an einigen Stellen (c. 120f. 132. 157) ausdrücklich hinzugefügt wird und ihr Ritus ein anderer ist. Da c. 26f. und 49f. die Wassertaufe in dem geschilderten Ritual keinen Platz hat und ihre kurze und nur gelegentliche Erwähnung sich merklich von der 20
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XIII. Ap08telge8ehicnten de8 2. und 3. Jahrnundert8
ausführlichen Schilderung des Ölsakramentes und den ihm zugeordneten Gebeten abhebt, wird man als wahrscheinlich ansehen müssen, daß die Wassertaufe erst durch katholische Interpretation in den Text hineingekommen ist (die Tendenz, die Siegelung als Taufe zu verstehen oder den Taufakt ausdrücklich zu erwähnen, ist in dem katholisierenden Syrer jedenfalls ganz deutlich). Die liturgischen Stücke weisen also offenkundig auf eine gnostische Sekte, die die Ölung allein als Initiationssakrament kannte (Bousset, Hauptprobleme, S. 300; Manichäisches, S. 16). Eine entsprechende Ablehnung der christlichen Wassertaufe findet sich ebenso in gnostischen Sekten wie im Manichäismus, während vor allem bei den Mandäern Wassertaufe und Ölung zusammengehören, beide wie in den ATh engstens mit der sakramentalen Speisung verbunden. Die Eucharistie, die in den ATh gefeiert wird, ist eine reine Brotkommunion (c. 27. 29. 49f. 133), der dazugehörige Kelch ein Wasserkelch (c. 120). Nur c. 49 und 158 ist in den angefügten Gebeten vom Genießen des Leibt>s und Blutes Christi die Rede, aber auch sie heben sich als katholische Interpolation deutlich ab, wie auch der Syrer konsequent die Spuren der Wassereucharistie getilgt hat und den Wein einfügt (Bousset, Hauptprobleme, S. 307; H. Lietzmann, Messe und Herrenmahl, S. 243ff.). Wieder hat auch diese Form der Eucharistie gerade in gnostischen Mysterien sonst ihre Parallele. Öl, Wasser und Brot werden c. 152 von dem König Misdai als die Zaubermittel des Apostels bezeichnet. Der Charakter der Sakramentsfeier als Mysterienhandlung erhellt besonders aus c. 26f., wo die Neubekehrten zu Beginn der Siegelung nur die Stimme Jesu vernebmen, danach aber ihn selbst in Gestalt eines Jünglings mit brennender Fackel schauen. Auf diese nächtliche Feier folgt nach c. 27 die Eucharistie am folgenden Morgen. Unverkennbar gnostisch sind die beiden Epiklesen an die "Mutter", deren erste (c.27) der Ölsiegelung und deren zweite (c.50) der Kommunion zugeordnet ist, letztere im Unterschied zur ersten Epiklese ohne die Spuren der Verchristlichung, durch die die himmlische "Mutter des Lebens" (über ihre Herkunft aus der altorientalischen Religion s. Widengren, Mesopot. Elem., S. 16ff.) in der christlichen Gnosis mit dem Namen Christi und dem heiligen Geist (im Semitischen weiblich) gleichgesetzt wurde. Ihre Beinamen als "Mutter", als "vollkommene Barmherzigkeit", als "Ruhe", als "Offenbarerin der verborgenen Geheimnisse" lassen in ihr die Meter, die Chari8, die Sige, die Aletneia, die himmlische Sophia erkennen, ohne freilich die Abfolge der himmlischen .Äonen, über die die Gnosis sonst spekuliert, wiederzugeben. "Gefährtin (?) des Männlichen" heißt sie wohl als Genossin des himmlischen Urvaters (andere Prädikationen wie "heilige Taube, die du die Zwillingsjungen gebierst" sind nicht mit Sicherheit zu erklären). Deutlich ist auf alle Fälle, daß ebensowenig wie die mit der "Mutter" zweifellos identische Lichtjungfrau des Hochzeitsliedes (s.o.) die angeredete Göttin nicht die gefallene Sophia zahlreicher gnostischer Systeme ist, wohl aber ist sie die Mutter und himmlische "Kampfgefährtin" des Erlösers auf Erden und so selbst Offenbarerin und Erlöserin der Seelen. Zu den einzelnen Prädikationen der beiden Epiklesen bieten sich Parallelen aus den verschiedensten Bereichen der Gnosis. Am nächsten kommen wieder die Fragmente der bardesanischen Gnosis, in der die "Mutt.er" zum himmlischen Pleroma gehört, sodann die Charisepiklesen und Kultformeln der Markosier, die Irenäus 113 und 21 überliefert: auch hier erscheinen der Vater und die Wahrheit, die Mutter aller Dinge, als die höchsten Gottheiten des Himmels (121,3), letztere identisch mit der Achamoth (Sophia), Beisitzerin Gottes und der geheimnisvollen ewigen Sige (113,6), in ATh der "Name", den Jesus bei der Taufe annahm. Auf ihren Namen wird das markosische Sakrament der Apolytrosis vollzogen, ebenso wie in den ATh eine Ölsalbung, die, wie Irenäus bemerkt, von einigen als Vollendungssakrament außer der Wassertaufe vollzogen wurde, um den Geweihten die ungehinderte Auffahrt ins Lichtreich zu sichern. Denselben Sinn hat auch die Ölsiegelung in den ATh; vgJ. das Gebet über dem Öl c. 157. Bedenkt man die ganz entsprechende mystagogische Rolle des Markos und des Thomas beim Vollzug des Sakraments und das für die Markosier wie für die ATh charakteristische Verständnis der Weihe als Mysterium des "Brautgemaches", so ist der Zusammenhang offenkundig, wie ja auch der Gebrauch syrischer Weiheformeln bei den
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Markosiern diese Gnosis demselben geographischen Raum zuweist. Das schließt nicht aus, daß auch andere gnostische Sekten beiden verwandt sind. Die hier sichtbar gewordene Gnosis ist aber zugleich die unmittelbare religionsgeschichtliche Vorform des Manichäismus, in dem ebenfalls die "Mutter des Lebens" als Erlösergottheit eine besonders wichtige Rolle spielt, wie auch die Salbung des Hauptes mit Öl zur Stärkung des Glaubens (vollzogen an den Electi) bei ihnen üblich ist (Acta Archelai 16, 10ff.); wohl auch eine sakramentale Mahlzeit (letzteres umstritten, vgl. C. R. C. .Allberry, Das manichäische Bema-Fest, ZNW 37, 1938, S. 6ff.). Auch die Epiklesen waren für Manichäer also durchaus verständlich und brauchbar. Ja, die Anrufung: "Komm, Gesandter der 5 Glieder, des Verstandes, des Gedankens, der Einsicht, der Überlegung, des Urteils" (in S nur: "Gesandter der Versöhnung") wird Bousset (Manichäisches, S. Iff.) richtig als manichäischen Zusatz erkannt haben; sie gilt dem dritten Gesandten, der in sich die Elemente der Lichtwelt zusammenfaßt. Stellt man endlich noch die Frage, wie für eine christliche Gemeinde die gnostischen Epiklesen erträglich bleiben konnten (der Syrer hat zwar auch hier im einzelnen katholisiert, aber noch genug Gnostisches stehen lassen), so wird man antworten müssen, daß einerseits die stark gnostisierte Geistvorstellung der erst spät katholisierten syrischen Kirche, andererseits aber wohl auch ihre nicht minder für gnostische Motive anfällige Mariologie dazu die Möglichkeit bot. Diese hat, wie es scheint, auch der Manichäismus übernommen, wie die zahlreichen Hymnen des neugefundenen Psalmbuches beweisen, die stereotyp mit einem Lobpreis der "Seele der seligen Maria" (schwerlich Name einer Märtyrerin) enden. 8. DIE RELIGIONSGESCmCHTLICHE STELLUNG DER ATH ist, wie die Analyse gezeigt hat, mit einiger Sicherheit zu fixieren. Sie repräsentieren das gnostische Christentum Syriens im dritten Jahrhundert, das in der Gegend des Zweistromlandes (etwa zwischen Edessa und Mesene) beheimatet war und erst relativ spät (im vierten und fünften Jahrh.) im Sinne der Orthodoxie katholisiert wurde (vgl. W. Bauer, Rechtgläubigkeit und Ketzerei, S.6ff.). Enge Berührungen mit der bardesanischen Gnosis zeigten sich in dem Hochzeitslied der Sophia und in den Mutter-Epiklesen, darüber hinaus aber findet sich ein längeres, freies Zitat aus dem bardesanischen "Buch der Gesetze der Länder" in der Rede c. 91 (G. Bornkamm, Mythos und Legende, S. 85ff.). Daß die Bardesaniten apokryphe Apostelgeschichten verfaßt und ihre Lehren den Aposteln in den Mund gelegt haben, sagt überdies ausdrücklich Ephraem der Syrer (vgl. Bauer, a. a. 0., S. 46f.). Gleichwohl machen die ATh einen vulgärgnostischen Eindruck (Lipsius I 345) und unterscheiden sich von Bardesanes selbst (nicht von seiner Schule, vgl. H. H. Schaeder, Bardesanes von Edessa, ZKG 51, 1932, S.21ff.) durch ihren radikalen Dualismus und ihre streng enkratitische Tendenz. Letzteres verbindet sie um so intensiver mit dem Manichäismus, der selbst an die bardesanische Gnosis anknüpfte und in ihrem Wirkungsbereich im Jahrhundert der Entstehung der ATh seinen Anfang nahm. Das zeigt auch der Kanon der asketischen Ethik, den die ATh an mehreren Stellen ausdrücklich formulieren (c. 28. 126) - die Verwerfung von Gaumenlust, Habgier und geschlechtlichem Verkehr - und der von den Manichäern in ihre Vorschriften für die Electi (tria signacula) aufgenommen wurde. Dieser asketische Kanon ist freilich vormanichäisch. Das gleiche gilt für zahlreiche Einzelbegriffe und -vorstellungen, die zwar im Manichäismus ihre genauen Parallelen haben, aber schon der älteren Gnosis entstammen. Man versteht von daher die Verbreitung und Schätzung der Akten bei den Manichäern und die Tatsache, daß sich in der Doxologie des Hochzeitsliedes (c. 7), in der Epiklese (c. 27) und im Perlenlied wohl sicher Spuren manichäischer Überarbeitung finden. Die Akten im ganzen aber erweisen sich als Verbindungsglied zwischen der älteren Gnosis und dem Manichäismus. Sie lassen eine vormanichäische syrische Gnosis erkennen, aus deren Elementen Mani selbst seine Lehre bildete. Gerade die Figur des Syrerapostels Thomas hat möglicherweise, wie Schaeder vermutet hat (Gnomon, 1933, S. 35lf.), für Mani eine höchst wichtige Rolle gespielt. Nach dem arabischen Fihrist ist er durch einen Engel at-taum berufen worden. Dieser Engelname ist nur die Umsetzung des aramäischen tama, das zugleich den Eigen20'
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XIII. Apo8telge8chichten de8 2. und 3. Jahrhundert8
namen und "Zwilling" bedeutet. Diese Berufung wird jetzt bestätigt durch Manis eigenen Bericht (Keph. 14f.), wo an Stelle jenes Engels der "lebendige Paraklet" begegnet, den Mani mit jenem gleichgesetzt haben muß. Die genaue Entsprechung zu dem "Zwilling" der ATh bildet der in den koptischen Texten häufige Terminus "Paargenosse" (Widengren, The Great Vohu, S. 25ff.). Auch zeigen die neuen manichäischen Texte, daß die Thomaslegende, wie sie die ATh bieten, im Manichäismus bekannt war. Thomas ist der Apostel Indiens (MPsB 194, 13 u. a.), der seinen Tod durch vier Soldaten fand, die ihn mit ihren Lanzen durchbohrten (ebd. 142, 17ff.; vgl. ATh 165. 168). Die gnostisch gedeutete Gestalt des Apostels Thomas dürfte für das Selbstverständnis Manis also von erheblicher Bedeutung gewesen sein. Sie vermittelte ihm den apostolischen Anschluß an Jesus und erschien ihm selbst als sein alter ego, wie ja auch der Missionsweg Manis nach Indien vor seinem Auftreten in BabyIon dem des Apostels entspricht. Die in den ATh dokumentierte Gnosis hat offenbar dem bald danach systematisch ausgebildeten Manichäismus einen beträchtlichen Bestandteil seines mythologischen Stoffs, dem vulgären wahrscheinlich den wesentlichen Inhalt gegeben. Daß die Akten auch in katholischen Volkskreisen weithin unbefangen gelesen und geschätzt werden konnten, ist nicht verwunderlich, da die Übersetzung der gnostischen Mythen in Legenden für kritiklose Leser das häretische Gift weithin unwirksam gemacht zu haben schien. Die Entstehungszeit der ATh ist durch ihren religionsgeschichtlichen Platz zwischen Bardesanes und Mani festgelegt; sie werden in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts verfaßt sein. [Korrekturnachtrag : Erst nach Drucklegung des Manuskripts erschien ein ausführlicher Kommentar zu den ATh von A.F.J. Klijn, The Acts of Thomas, Suppl. Nov. Test. V, 1962. Anders als in dem unten abgedruckten Text hat der Verf. seiner in Anlehnung an W. Wright gegebenen englischen Übersetzung die erhaltene syrische Version zugrunde gelegt. Doch gibt der Verf. selbst zu, daß der griechische Text dem verlorenen syrischen Text und seiner Tradition näher steht als der an vielen Stellen stark puristische erhaltene syrische Text, der eine zunehmende Orthodoxie erkennen läßt. Sicher hat der Verf. darin recht, daß sich in den ATh das äußerst komplexe Bild des syrischen Christentums zu Beginn des 3. Jahrhunderts widerspiegelt. Die ausgebreitete Sammlung von Parallelen ist der eigentliche Vorzug der Klijnschen Arbeit. Aber es lassen sich die verschiedenen Strömungen dieses frühen syrischen Christentums präziser kennzeichnen, als es bei K. erscheint, und seine Bestreitung des gnostischen Charakters der Akten ist nicht gerechtfertigt. Der gnostische Grundzug wird auch durch die enge Beziehung der ATh zum Manichäismus bestätigt. Wie W. Bauer, Rechtgläubigkeit und Ketzerei, 1934 (bei K. kaum beachtet) nachgewiesen hat, steht die Orthodoxie in Syrien am Ende, nachdem anfangs starke gnostische Strömungen in Syrien Einfluß hatten. Diesen Prozeß zeigen gerade die ATh aufs deutlichste in ihrer unbefangenen Aufnahme gnostischer Mythen und Gedankengutes in Liedern, liturgischen Stücken und Erzählungen, der Verkleidung von Mythen und Legenden, aber auch ihrer Überarbeitung im Sinne einer Orthodoxie, in der die später als häretisch geltenden Stellen geändert oder ausgemerzt wurden (Textgeschichte). Diesen Vorgang vermag nur eine Analyse aufzuzeigen, die anders als es bei K. geschieht, weiter gespannte religionsgeschichtliche, literarische und formgeschichtliche Untersuchungen vereint und mit der Textgeschichte verbindet (Dieter Georgi)].
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DIE TATEN DES HEILIGEN APOSTELS THOMAS (Aa II 2, p. 99-287) (Erste Tat des Apostels Judas Thomas Wie der Herr ihn an den Kaufmann Abban verkaufte, daß er hinabginge und Indien bekehrte S)* 1 Zu jener Zeit waren wir AposteF alle in Jerusalem, Simon, genannt Petrus, und Andreas, sein Bruder, Jakobus, des Zebedäus Sohn, und Johannes, sein Bruder, Philippus und Bartholomäus, Thomas und Matthäus, der Zöllner, Jakobus, (des Alphäus Sohn), und Simon, der Kananäer (p. 100), und Judas, (des Jakobus Bruder); und wir verteilten die Gegenden der Erde, daß ein jeder von uns in die Gegend, die durchs Los auf ihn käme, und zu dem Volke, zu welchem der Herr ihn schickte, reisen solle. Nach dem Lose kam nun Indien an Judas Thomas, der auch Zwilling heißt. Er wollte aber nicht hingehen und sagte, er könne wegen der Schwachheit des Fleisches nicht reisen, und: Wie kann ich, der ich ein Hebräer bin, reisen und den Indern die Wahrheit predigen? Und als er dies erwog und sagte, erschien ihm der Heiland während der Nacht 2 und sprach zu ihm: Fürchte dich nicht, Thomas, geh nach Indien und predige dort das Wort, denn meine Gnade ist mit dir. Er aber gehorchte nicht (p. 101) und sprach: Wohin du mich senden willst, sende mich, (aber) anderswohin! Denn zu den Indern gehe ich nicht. 2 Und als er dies sagte und erwog, traf es sich, daß ein Kaufmann, der von Indien gekommen war, namens Abban, dort anwesend war, der vom König Gundafor abgesandt war und von ihm den Befehl erhalten hatte, einen Zimmermann zu kaufen und ihm zuzuführen. Der Herr aber sah ihn sich um die Mittagszeit auf dem Markte ergehen und sprach zu ihm: Du willst einen Zimmermann kaufen? Er sprach zu ihm: Ja. Und der Herr sprach zu ihm: Ich habe einen Sklaven, der Zimmermann ist, und will ihn verkaufen. Und als er dies gesagt hatte, zeigte er ihm von ferne Thomas, verabredete (p. 102) mit ihm ein Kaufgeld von drei Pfunden ungeprägten (Silbers) und schrieb einen Kauf(brief S) folgenden Inhalts: Ich, Jesus, der Sohn des Zimmermanns Joseph, bestätige, einen Sklaven von mir, namens Judas, an dich, Abban, einen Kaufmann Gundafors, des Königs der Inder, verkauft zu haben. Als aber der Kauf(brief S) fertiggestellt worden war, nahm der Heiland Judas, der auch Thomas heißt, und führte ihn zum Kaufmann Abban. Und als Abban ihn sah, sprach er zu ihm: Ist dieser dein Meister? Der Apostel antwortete und sprach: Ja, er ist mein Herr. Er aber sprach: Ich habe dich von ihm gekauft. Und der Apostel schwieg. 3 Am folgenden Morgen aber betete der Apostel, bat den Herrn und sprach:
* Im Folgenden bedeuten: ( ) verdeutlichende Zusätze des Übersetzers, ( ) Konjektur oder Emendation, ( S) Verbesserung oder Ergänzung auf Grund des syrischen Textes, ( G) Verbesserung oder Ergänzung auf Grund des griechischen Textes (im Perlenlied), ( ..... ) Streichung. Die eingeklammerten Seitenzahlen verweisen auf die Ausgabe von Bonnet. 1 Vgl. Mk. 3, 16-19; Mt. 10,2-4; Lk. 6, 14-16; AG 1,13. a Vgl. AG 18, 9; 23, 11.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
Ich reise, wohin du willst, Herr Jesus; (p. 103) dein Wille geschehe 1 ! Er ging aber zum Kaufmann Abban hin, nichts weiter bei sich tragend als seinen Kaufpreis. Denn der Herr hatte ihn ihm gegeben, indem er sprach: Möge zugleich mit meiner Gnade auch dein Preis (Ehre) mit dir sein, wohin du auch gehen magst! Der Apostel aber traf Abban(.) dabei, daß er sein Gepäck auf das Schiff trug. Er fing nun auch seinerseits an, mit ihm hinaufzutragen. Als sie aber in das Schiff eingestiegen waren und sich gesetzt hatten, forschte Abban den Apostel aus, indem er sprach: Was für ein Handwerk verstehst du? Der aber sprach: Aus Holz Pflüge und Joche und Waagen (Treiberstachel) und Schiffe und Ruder für Schiffe und Mastbäume und kleine Räder (Rollen zu Winden), aus Steinen aber (Grab-) Säulen und Tempel und königliche (p. 104) Paläste (zu machen). Der Kaufmann Abban sprach aber zu ihm: (Es ist gut), denn einen solchen Künstler haben wir auch nötig. Sie begannen nun hinabzufahren. Sie hatten aber günstigen Wind und fuhren wohlgemut, bis sie nach Andrapolis, einer königlichen Stadt, hinabkamen. 4 Als sie aber das Schiff verlassen hatten, gingen sie in die Stadt hinein. Und siehe, da umtönten sie Klänge von (Flöten) und Wasserorgeln und Trompeten. Der Apostel forschte aber und sprach : Welches Fest ist dies, das in dieser Stadt gefeiert wird? Da sprachen die dortigen Einwohner zu ihm: (p. 105) Auch dich haben die Götter geführt, um in dieser Stadt zu feiern. Der König hat nämlich eine einzige Tochter, und jetzt gibt er sie einem Manne zur Ehe. Der Hochzeit nun gilt die Freude und diese Versammlung heute zu dem Feste, welches du gesehen hast. Der König aber hat Herolde ausgesandt, um überall zu verkündigen, daß alle zur Hochzeit kommen sollen 2, Reiche und Arme, Sklaven und Freie, Fremde und Einheimische; wenn aber jemand es ablehnt und nicht zur Hochzeit kommt, so soll er dem Könige verantwortlich sein. Abban aber sprach, als er es hörte, zum Apostel: Laß also auch uns gehen, damit wir beim Könige nicht Anstoß erregen, besonders da wir Fremde sind. Der aber sprach: Gehen wir! Und nachdem sie in der Fremdenherberge eingekehrt waren und ein wenig geruht hatten, gingen sie zur Hochzeit. (p. 106) Und da der Apostel sah, daß sich alle gelagert hatten, legte auch er sich in ihrer Mitte nieder; es blickten aber alle auf ihn wie auf einen Fremden und wie auf einen, der aus einem fremden Lande gekommen war. Der Kaufmann Abban aber legte sich, wie als Herr, an einem andern Orte nieder. 5 Während sie aber aßen und tranken, genoß der Apostel nichts. Deshalb fragten, die um ihn herum waren: Weshalb bist du hierher gekommen, da du doch weder ißt noch trinkst? Er antwortete und sprach zu ihnen: Wegen einer größeren Sache, als Speise oder auch Trank ist, bin ich hierhergekommen, (wegen der Ruhe des Königs S) und um den Willen des Königs zu vollbringen. Denn die Herolde verkünden die Befehle des Königs, und (p. 107) wer nicht auf die Herolde hört, soll dem Gericht des Königs verantwortlich sein. Als sie nun aßen und tranken und Kränze und wohlriechende Salben herbeigebracht wurden, nahm jeder Salbe, und der eine salbte sein Gesicht, ein anderer das Kinn (den Bart), noch ein anderer auch andere Stellen seines Körpers. Der Apostel aber salbte den Scheitel seines Hauptes, strich ein wenig auf seine Nasenlöcher, träufelte auch in seine Ohren, berührte auch damit seine Zähne, und die Gegend um sein Herz salbte er sorgfältig ein, den Kranz aber, der ihm gebracht worden war, aus Myrte und anderen Blumen geflochten, nahm er und legte ihn auf sein Haupt, nahm einen Rohrzweig (p. 108) in seine Hand und hielt ihn. 1
Mt. 6, 10; Lk. 22, 42.
2
Vgl. Mt. 22, 3-14.
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Die Flötenspielerin aber ging, die Flöten in ihrer Hand, bei allen umher und flötete. Als sie aber zu dem Orte kam, an welchem der Apostel war, blieb sie über ihm stehen, indem sie zu seinen Häupten lange Zeit vorspielte. Die Flötenspielerin aber war ihrer Abstammung nach eine Hebräerin. 6 Während aber der Apostel zur Erde hinsah, streckte einer der Weinschenken seine Hand aus und gab ihm einen Backenstreich. Der Apostel aber hob seine Augen auf, richtete sie auf den, der ihn geschlagen hatte, und sprach: Mein Gott wird dir in der zukünftigen Welt dies Unrecht vergeben, in dieser Welt aber wird er seine Wunder zeigen, und ich werde gleich jetzt sehen, wie die Hand, die mich geschlagen hat, von Hunden fortgeschleppt wird. Und als er dies gesagt hatte, begann er folgendes Lied zu singen und zu sagen: (p. 109) Das Mädchen ist des Lichtes Tochter, Es steht und ruht auf ihr der Könige hehrer Glanz, Ergötzend ist ihr Anblick, In strahlender Schönheit erglänzt sie. Ihre Gewänder gleichen Frühlingsblumen, Lieblicher Wohlgeruch entströmt ihnen. Auf ihrem Scheitel sitzt der König Und nährt, die (unter) ihm sitzen, mit seiner Götterspeise. Wahrheit ruht auf ihrem Haupte, Freude erzeigt sie durch ihre(r) Füße (Bewegung). Ihr Mund ist geöffnet und gar schicklich, (Da sie lauter Loblieder (mit ihm) spricht. S) Zweiunddreißig sind es, die sie preisen. Ihre Zunge gleicht dem Türvorhang, Der für die Eintretenden zurückgeschlagen wird. (Gleich Stufen steigt ihr Nacken auf S), (Ihn) schuf der erste Weltbaumeister. Ihre beiden Hände deuten und zeigen verkündend auf den Chor der glücklichen Äonen, Ihre Finger (öffnen S) die Tore der Stadt. Ihr Brautgemach ist licht, Von Balsam duftend und jeglichem Wohlgeruch, (p. 110) Strömt süßen Geruch von Myrrhe und Würzkraut aus. Drinnen sind Myrtenzweige und (allerlei süßduftende Blüten) gestreut, Die (Eingänge) mit Rohr geschmückt. 7 Umschlossen halten sie ihre (Brautführer), sieben an der Zahl, Die sie selbst erwählt hat; Ihrer Brautführerinnen sind sieben, Die vor ihr Reigen tanzen. Zwölf sind es an der Zahl, die vor ihr dienen Und ihr unterstellt sind. Ihren Blick richten sie gespannt auf den Bräutigam, Damit sie durch seinen Anblick erleuchtet werden Und ewig bei ihm seien zu jener ewigen Freude Und bei jener Hochzeit seien, Zu der sich die Vornehmen versammeln,
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Und bei dem Mahle weilen, Dessen die Ewigen gewürdigt werden, Und königliche Gewänder anziehen, Und glänzende Kleider anlegen Und beide in Freude und Jauchzen seien Und den Vater des Alls preisen, Dessen stolzes Licht sie empfingen Und erleuchtet wurden im Anblick ihres Herrn, Dessen Götterspeise sie entgegennahmen, Die unvermindert in ihnen bleibt, Auch tranken von seinem Wein, Der ihnen nicht Durst noch Begehren erregt, Lobten und priesen mit dem lebendigen Geiste Den Vater der Wahrheit und die Mutter der Weisheit. 8 (p. 111) Und als er gepriesen und diesen Gesang beendet hatte, blickten alle dort Anwesenden auf ihn. Und er war still. Sie sahen aber auch sein Aussehen verändert, seine Worte jedoch verstanden sie nicht, da er ja ein Hebräer war und seine Worte in hebräischer Sprache gesagt hatte. Die Flötenspielerin allein verstand alles, denn sie war von Abstammung eine Hebräerin, und von ihm wegtretend, flötete sie den andern, auf ihn aber blickte und sah sie vielmals hin. Denn sie liebte ihn sehr als ihren Landsmann; er war aber auch von Ansehen jugendlich schön, mehr als alle dort Anwesenden. Und als die Flötenspielerin (ihr Spiel ganz) beendet hatte, setzte sie sich ihm gegenüber und blickte unverwandt auf ihn. Er aber sah auf niemand und beachtete keinen, sondern richtete seine Augen nur auf die Erde, indem er abwartete, wann er von dort auf- (p. 112) brechen könnte. Der Mundschenk aber, der ihm den Backenstreich gegeben hatte, ging zur Quelle hinab, Wasser zu schöpfen. Und es traf sich, daß ein Löwe dort war, der tötete ihn und ließ ihn an dem Orte liegen, nachdem er seine Glieder zerfleischt hatte. Hunde aber nahmen sogleich seine Glieder, und unter ihnen packte auch ein schwarzer Hund mit der Schnauze seine rechte Hand und trug sie an den Ort, an welchem das Gelage stattfand. 9 Als sie es aber sahen, entsetzten sich alle und forschten, wer der wäre, der sich aus ihrer Mitte entfernt hätte. Als es aber offenbar wurde, daß es die Hand des Mundschenken wäre, der den Apostel geschlagen hatte, (p. 113) zerbrach die Flötenspielerin ihre Flöten und warf sie hin, ging zu den Füßen des Apostels,. setzte sich und sprach: Dieser Mensch ist entweder ein Gott oder ein Apostel Gottes. Denn ich hörte ihn auf Hebräisch zum Mundschenken sagen: Ich werde gleich jetzt sehen, wie die Hand, die mich geschlagen hat, von Hunden fortgeschleppt wird - was auch ihr jetzt gesehen habt. Denn wie er sagte, so geschah es. Einige glaubten ihr nun, einige aber nicht. Der König aber kam, als er dies hörte, herzu und sprach zum Apostel: Steh auf und komm mit mir und bete für meine Tochter! Denn sie ist das einzige Kind, das ich habe, und heute verheirate ich sie. Der Apostel wollte aber nicht (p. 114) mit ihm gehen, denn der Herr war ihm dort noch nicht geoffenbart. Der König aber führte ihn wider seinen Willen in das Brautgemach fort, damit er für sie (die Neuvermählten) betete. 10 Und der Apostel trat hin, begann zu beten und so zu sprechen: Mein Herr und mein Gott l , Begleiter 1
Joh. 20, 28.
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seiner Knechte, Wegweiser und Führer derer, die an ihn glauben, Zuflucht und Ruhe der Bedrückten, Hoffnung der Armen und Befreier der Gefangenen, Arzt der an Krankheit darniederliegenden Seelen und Heiland jeder Kreatur, der du die Welt lebendig machst und die Seelen stärkst, du weißt das Zukünftige, der du es auch durch uns vollbringst; du, Herr, der du verborgene Geheimnisse offenbarst und geheime Worte bekannt machst, du bist, 0 Herr, der Pflanzer des guten Baumes, und durch deine Hände werden alle guten Werke hervorgebracht; du bist, 0 Herr, der, welcher in allem ist und durch alles hindurchgeht und allen deinen Werken einwohnst und durch die Tätigkeit aller geoffenbart wirst*; Jesus Christus, Sohn des Erbarmens und (p. 115) vollkommener Heiland; Christus, Sohn des lebendigen Gottes 1, unerschrockene Macht, die den Feind niedergeworfen hat, und Stimme, die von den Fürsten gehört wurde, die alle ihre Gewalten in Bewegung gesetzt hat; Bote, der von der Höhe gesandt wurde und bis in den Hades hinabkam, der du auch die Türen geöffnet und von dort die hinaufgeführt hast, welche in langen Zeiten in der Schatzkammer der Finsternis eingeschlossen waren, und ihnen den zur Höhe führenden Aufstieg gezeigt hast - ich bitte dich, Herr J esus, indem ich dir flehentliches Gebet für diese jungen Leute darbringe, daß du ihnen tust, was ihnen hilft, nützt und frommt. Und nachdem er ihnen seine Hände aufgelegt und gesagt hatte: Der Herr sei lnit euch! ließ er sie an dem Orte und entfernte sich. 11 Der König verlangte aber von den Brautführern, das Brautgemach zu verlassen. Als aber alle hinausgegangen und die Türen geschlossen waren, hob der Bräutigam den Vorhang des Brautgemachs empor, (p. 116) um die Braut zu sich zu führen. Und er sah den Herrn Jesus im Aussehen des Apostels Judas Thomas, der vor kurzem sie gesegnet hatte und dann von ihnen gegangen war, lnit der Braut reden und sprach zu ihm: Bist du nicht vor allen hinausgegangen? Wie geschah es, daß du jetzt hier bist? Der Herr aber sprach zu ihm: Ich bin nicht Judas mit dem Zunamen Thomas, ich bin sein Bruder. Und der Herr setzte sich auf das Bett, ihnen aber befahl er, sich auf die Sessel zu setzen, und fing an zu ihnen zu sagen: 12 Gedenket, meine Kinder, an das, was mein Bruder lnit euch geredet und wem er euch befohlen hat, und erkennet, daß ihr, wenn ihr (p. 117) euch von diesem schmutzigen Verkehr befreit, heilige Tempel, rein und solche werdet, die von Leiden und Schmerzen, offenbaren und nicht offenbaren, befreit sind; und ihr werdet euch nicht Sorgen für Leben und Kinder auflegen, deren Ende Verderben 2 ist. Wenn ihr euch aber
* Hier hat der Syrer: Du bist der Anfang und hast den ersten Menschen angezogen. Du bist die Kraft und Weisheit, Verstand, Wille und Ruhe deines Vaters, durch den du verborgen bist in Herrlichkeit und durch den du geoffenbart bist durch dein Tun. Und ihr seid einer in zwei Namen. Und du erschienst wie ein Schwacher, und die dich sahen, glaubten von dir, daß du ein Mensch seiest, der der Hilfe bedürfe, und du hast die Herrlichkeit deiner Gottheit durch die Langmut deines Geistes mit unserer Menschheit gezeigt, indem du den Bösen von seiner Macht herabgestürzt und mit deiner Stimme die Toten gerufen hast, daß sie lebten, und denen, welche leben und auf dich hoffen, ein Erbe in deinem Reich verheißen hast. Du bist ein Gesandter geworden und wurdest von den oberen Höhen gesandt, weil du den lebendigen und vollkommenen Willen dessen tun kannst, der dich gesandt hat. Gepriesen bist du, Herr, in deiner Kraft, und deine Regierung wirkt erneuernd in allen deinen Geschöpfen und in allen Werken, die deine Gottheit erworben hat, und kein anderer kann den Willen deiner Majestät unwirksam machen und gegen das Wesen deiner Erhabenheit aufstehen, wie du bist. Du bist zur Hölle ... 1 Mt. 16, 16. 2 Vgl. Phil. 3, 19.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
viele Kinder anschafft, so werdet ihr um ihretwillen Räuber und Habsüchtige, die Waisen schinden und Witwen übervorteilen, und indem ihr dies tut, unterwerft ihr euch sehr schlimmen Strafen. Denn die meisten Kinder werden unnütz, von bösen Geistern besessen, die einen offenbar, die andern auch unsichtbar. Denn sie werden entweder mondsüchtig oder halb dürr (abgezehrt) oder gebrechlich oder taub oder sprachlos oder gelähmt oder dumm. Wenn sie aber auch gesund sind, werden sie wiederum untauglich sein, indem sie unnütze (p. 118) und abscheuliche Werke ausrichten. Denn sie werden entweder auf Ehebruch oder auf Mord oder auf Diebstahl oder auf Unkeuschheit betroffen, und durch dies alles werdet ihr in Betrübnis versetzt werden. Wenn ihr aber gehorcht und eure Seelen Gott rein bewahrt, werden euch lebendige Kinder werden, die von diesen Schäden unberührt bleiben, und werdet ohne Sorge sein, indem ihr ein unbeschwertes Leben ohne Schmerz und Sorge verlebt und jene unvergängliche und wahrhaftige Hochzeit (als euch gebührend) erwartet zu empfangen, und werdet bei ihr als Brautführer mit hineingehen in jenes Brautgemach, (das voll von) Unsterblichkeit und Licht ist. 13 Als aber die jungen Leute dies hörten, glaubten sie dem Herrn und übergaben sich ihm und enthielten sich der (p. 119) schmutzigen Begierde und brachten so an dem Orte die Nacht hin. Der Herr aber ging von ihnen weg, nachdem er zu ihnen gesprochen hatte: Die Gnade des Herrn sei mit euch l ! Als aber die Frühe herangekommen war, kam der König hin, und nachdem er den Tisch angefüllt hatte, brachte er ihn vor den Bräutigam und die Braut. Er fand sie aber einander gegenübersitzend, das Gesicht der Braut aber fand er unverhüllt, und der Bräutigam war sehr heiter. Die Mutter aber kam herzu und sprach zu der Braut: Warum sitzest du so, Kind, und schämst dich nicht, sondern benimmst dich so, als hättest du schon lange Zeit mit dem eigenen Manne zusammengelebt? Und ihr Vater sprach: Aus großer Liebe zu deinem Manne verhüllst du dich nicht einmal? 14 Die Braut aber antwortete und sprach: In Wahrheit, Vater, stehe ich in großer Liebe und bete zu meinem Herrn, daß die Liebe (p. 120) bei mir bleibe, die ich in dieser Nacht empfunden habe, und daß ich den Mann gewinne, den ich heute wahrgenommen habe. (Daß ich mich aber nicht verhülle S), (geschieht darum), weil der Spiegel (Hülle S) der Schande von mir genommen worden ist 2 ; und ich schäme oder scheue mich nicht mehr, da das Werk der Scham und der Scheu sich weit von mir entfernt hat. Und daß ich nicht erschrecke, (geschieht darum), weil der Schrecken nicht bei mir geblieben ist. Und daß ich in Heiterkeit und Freude bin, (geschieht), weil der Tag der Freude nicht beunruhigt wurde. Und daß ich diesen Mann und diese an meinen Augen vorübergehende Hochzeit gering geschätzt habe, (geschah), weil ich eine andere Ehe eingegangen bin. Und daß ich nicht mit einem vergänglichen Manne ehelichen Verkehr hatte, dessen Ende (Reue und Bitterkeit) der Seele ist, (geschah), weil ich (dem) wahrhaftigen Manne vermählt. wurde. 15 Und während die Braut noch mehr als dieses sagte, hob der Bräutigam an und sprach: Ich danke dir, Herr, der du durch den (p. 121) fremden Mann verkündigt und in uns gefunden wurdest; der du mich vom Verderben entfernt und in mir das Leben gesät hast; der du mich von dieser schwer heilbaren, schwer zu behandelnden und in Ewigkeit bleibenden Krankheit befreit und vernünftige Gesundheit in mich gelegt hast; der du dich mir gezeigt und meinen ganzen Zustand, in dem ich mich befinde, mir geoffenbart hast; der du mich vom Fall erlöst, 1
1. Kor. 16,23.
2
Vgl. Th. Ev. Logion 37, Bd. I, S. 215.
5. ThO'flW,sakten
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zum Bessern hingeleitet und vom Zeitlichen befreit, aber des Unsterblichen und Immerwährenden gewürdigt hast; der du dich bis zu mir und meiner Armseligkeit erniedrigt hast, um mich neben deine Größe zu stellen und mit dir zu vereinigen; der du dein Erbarmen nicht von mir Verlorenem zurückgehalten, sondern mir gezeigt hast, mich selbst zu suchen und zu erkennen, wer ich war und wer und wie ich jetzt bin, damit ich wieder würde, was ich war; den ich nicht kannte, du selbst aber suchtest mich auf; von dem ich nicht wußte, du selbst aber standest mir bei; den ich wahrgenommen habe und jetzt nicht (p. 122) vergessen kann; dessen Liebe in mir braust und von dem ich nicht reden kann, wie es nötig ist; was ich aber über ihn zu sagen vermag, ist kurz und sehr wenig und entspricht nicht seinem Ruhm; er klagt mich aber nicht an, wenn ich mich erkühne, auch das zu ihm zu sagen, was ich nicht weiß; denn aus Liebe zu ihm sage ich auch dieses. 16 Als aber der König dies vom Bräutigam und von der Braut gehört hatte, zerriß er sein Kleid und sprach zu den in seiner Nähe Stehenden: Geht schnell hinaus und geht in der ganzen Stadt herum und ergreift und bringt mir jenen Mann, den Zauberer, der zum Unglück in dieser Stadt eingetroffen ist. Denn ich habe ihn mit eigenen Händen in mein Haus geführt und ich sagte ihm, daß er für meine ganz unglückliche Tochter beten solle. Wer ihn aber findet und zu mir führt, dem gebe ich alles, (was er nur von mir verlangen mag). (p. 123) Sie entfernten sich nun und gingen umher, indem sie ihn suchten; und sie fanden ihn nicht; denn er war zu Schiffe abgereist. Sie gingen nun auch in die Herberge, wo er eingekehrt war, und fanden dort die Flötenspielerin weinend und betrübt, weil er sie nicht mit sich genommen hatte. Als sie ihr aber erzählten, was an den jungen Leuten geschehen war, freute sie sich sehr, da sie es hörte, legte die Trauer ab und sprach: Jetzt habe auch ich hier Ruhe gefunden! Und stand auf, ging zu ihnen und lebte geraume Zeit mit ihnen, bis sie auch den König lehrten. Es kamen aber auch viele von den Brüdern dort zusammen, bis sie über den Apostel (p. 124) das Gerücht hörten, daß er in den Städten Indiens gelandet sei und daselbst lehre. Und sie gingen fort und vereinigten sich mit ihm. Des Apostels Thomas zweite Tat Über sein Auftreten vor dem Könige Gundafor
17 Als aber der Apostel mit dem Kaufmann Abban in die Städte Indiens gekommen war, ging Abban zur Begrüßung des Königs Gundafor fort und erstattete ihm Bericht über den Zimmermann, den er mit sich brachte. Der König freute sich aber und befahl, er solle vor ihn kommen. Als er (p. 125) nun eingetreten war, sprach der König zu ihm: Was für eine Kunst verstehst du~ Der Apostel spricht zu ihm: Die des Zimmermanns und des Baumeisters. Spricht der König zu ihm: Was verstehst du nun aus Hölzern und was aus Steinen zu verfertigen? Der Apostel spricht: Aus Holz Pflüge, Joche, Waagen, Winden und Schiffe und Ruder und Mastbäume, aus Steinen aber (Grab-)säulen, Tempel und königliche Paläste. Und der König sprach: Baust du mir einen Palast~ Er aber antwortete: Ja, ich baue und vollende. Denn dazu bin ich gekommen, zu bauen und zu zimmern. 18 Und der König übernahm ihn, ging mit ihm aus den Toren der Stadt hinaus und fing an, sich mit ihm unterwegs (p. 126) über den Bau des Palastes und darüber, wie die Fundamente gelegt werden sollten, zu unterreden, bis sie zu dem Orte kamen, an
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welchem er den Bau ausgeführt haben wollte. Und er sprach: Hier will ich, daß der Bau vor sich gehe. Und der Apostel spricht: Ja, denn dieser Platz ist für den Bau geeignet. Es war aber der Ort hainartig, und viel Wasser war daselbst. Spricht nun der König: Fang an auszuführen! Er aber sprach: Jetzt zu dieser Zeit kann ich nicht mit der Ausführung beginnen. Der König spricht: Wann kannst du? Er aber sprach: Ich beginne mit dem November und endige (p. 127) im April. Der König aber wunderte sich und sprach: Ein jeder Bau wird im Sommer gebaut, du aber kannst gerade im Winter einen Palast bauen und ausführen? Und der Apostel sprach: So muß es geschehen, und anders ist es nicht möglich. Und der König sprach: Wenn du also dies beschlossen hast, so zeichne mir auf, wie das Werk werden soll, da ich (erst) nach geraumer Zeit hierher komme. Und der Apostel nahm Rohr und zeichnete damit auf, indem er den Platz vermaß; und die Türen ordnete er nach Osten an, nach dem Licht hin zu liegen, die Fenster aber nach Westen, nach den Winden, das Backhaus ließ er nach Süden liegen und die für den Dienst erforderliche Wasserleitung nach Norden. Als der König dies sah, sprach er zum Apostel: Du bist wirklich ein Künstler, und es ziemt sich (p. 128) für dich, Königen zu dienen. Und nachdem er ihm vieles hinterlassen hatte, ging er von ihm. 19 Und zur bestimmten Zeit pflegte er ihm gemünztes Silber und die Notdurft für sein und der Arbeiter Leben zu schicken. Der aber übernahm alles und verteilte es, indem er in den Städten und umliegenden Dörfern umherging und den Armen und Bedrängten davon zuteilte und Almosen gewährte, und er verschaffte ihnen Erholung, indem er sprach: Der König weiß königlichen Ersatz zu erlangen, Arme aber müssen, wie es die Lage erfordert, erquickt werden. Danach schickte der König an (p. 129) den Apostel einen Gesandten, indem er ihm folgendes schrieb: Zeige mir an, was du gemacht hast oder was ich dir senden soll oder wessen du bedarfst. Da läßt ihm der Apostel sagen: Der Palast ist gebaut, es bleibt nur das Dach übrig. Der König aber schickte, als er das hörte, wiederum Gold und ungemünztes Silber, indem er ihm schrieb: Der Palast soll, wenn anders er gebaut ist, gedeckt werden! Der Apostel aber sprach zum Herrn: Ich danke dir, Herr, in jeder Hinsicht, daß du für kurze Zeit gestorben bist, damit ich ewig in dir lebe, und daß du mich verkauft hast, um viele durch mich zu befreien. Und er hörte nicht auf zu lehren und den Bedrängten Erholung zu verschaffen, (p. 130) indem er sprach: Der Herr hat euch dies zugeteilt, und er gewährt einem jeglichen die Nahrung. Denn er ist der Ernährer der Waisen und Versorger der Witwen, und allen Bedrängten wird er Erholung und Ruhe. 20 Als aber der König in die Stadt kam, forschte er seine Freunde über den Palast aus, den ihm Judas mit dem Zunamen Thomas gebaut hatte. Sie sagten ihm aber: Weder hat er einen Palast gebaut noch etwas anderes von dem getan, was er zu tun versprach, sondern er geht in den Städten und Dörfern umher, und wenn er etwas hat, gibt er alles den Armen und lehrt einen neuen Gott (.) und pflegt (p. 131) Kranke und treibt Dämonen aus und tut viele andere Wunder. Und wir glauben, daß er ein Magier ist. Aber seine Taten der Barmherzigkeit und die Heilungen, die von seiner Seite unentgeltlich geschehen, außerdem sein einfaches und freundliches Wesen und das, was seinen Glauben ausmacht, zeigen, daß er gerecht ist oder ein Apostel des neuen Gottes, den er selbst verkündigt. Denn unausgesetzt fastet und betet er und ißt nur Brot mit Salz, und sein Trank ist Wasser, und er trägt ein Kleid, sei es bei heiterem Wetter, sei es im Unwetter (Winter), und nimmt von niemand etwas an, und was er hat, gibt er andern. Als der König (p. 132) dies gehört hatte, schlug er mit seinen Händen
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sein Gesicht und schüttelte lange Zeit seinen Kopf. 21 Und er ließ den Kaufmann kommen, der ihn gebracht hatte, und den Apostel und sprach zu ihm: Hast du mir den Palast gebaut? Der aber sprach: Ja, ich habe ihn gebaut. Der König sprach: 'Vann gehen wir nun, ihn zu besichtigen? Der aber hob an und sprach: Jetzt kannst du ihn nicht sehen, sondern du siehst ihn erst, wenn du aus diesem Leben geschieden bist. Der König aber ward sehr zornig und befahl, (p. 133) sowohl der Kaufmann als auch Judas mit dem Zunamen Thomas sollten gefesselt und ins Gefängnis geworfen werden, bis er durch eine Untersuchung erführe, wem das Gut des Königs gegeben worden wäre, und so ihn samt dem Kaufmann vernichtete. Der Apostel aber ging fröhlich ins Gefängnis und sagte zu dem Kaufmann: Fürchte nichts, sondern glaube nur 1 an den Gott, der durch mich gepredigt wird, so wirst du von dieser Welt befreit werden, von der zukünftigen Welt aber das Leben empfangen. Der König aber erwog lange, durch welche Todesart er sie (p. 134) vernichten sollte. Als er aber beschlossen hatte, ihnen die Haut abziehen und dann sie verbrennen zu lassen, erging es in derselben Nacht Gad, dem Bruder des Königs, übel, und er ward wegen des Schmerzes und der Täuschung, die der König zu erleiden gehabt hatte, sehr beschwert. Und er ließ den König kommen und sprach zu ihm: Bruder König, mein Haus und meine Kinder befehle ich dir. Denn ich wurde durch die dir widerfahrene Bosheit in Schmerz versetzt, und siehe, ich sterbe, und wenn du nicht mit Strafe gegen das Leben jenes Magiers vorgehst, wirst du meine Seele nicht im Hades zur Ruhe bringen. Der König sprach aber zu seinem Bruder: Die ganze Nacht hindurch erwog ich, auf welche Art ich ihn töten solle. Das aber habe ich beschlossen: ihm die Haut abziehen und dann ihn im Feuer verbrennen zu lassen, ihn und mit ihm den Kaufmann, der ihn herbeigebracht hat. (p. 135) 22 Und als sie sich besprachen, schied die Seele seines Bruders Gad. Der König aber betrauerte Gad sehr, denn er hatte ihn sehr lieb, und befahl, ihm zum Begräbnis ein königliches und sehr wertvolles Kleid anzulegen. Während dies aber geschah, übernahmen Engel die Seele Gads, des Bruders des Königs, und führten sie in den Himmel hinauf, zeigten ihm die dortigen Orte und Wohnungen und fragten ihn: An was für einem Orte willst du wohnen? Als sie sich aber dem Bau des Apostels Thomas näherten, den er dem König erbaut hatte, sprach Gad bei seinem Anblick zu den Engeln: Ich bitte euch, meine Herren, gestattet mir, in einem dieser unteren Gemächer zu wohnen. Die aber sprachen zu ihm: (p. 136) In diesem Bau kannst du nicht wohnen. Er aber sprach: Weshalb nicht? Sie sprachen zu ihm: Dieser Palast ist der, welchen jener Christ deinem Bruder gebaut hat. Er aber sprach: Ich bitte euch, meine Herren, gestattet mir, zu meinem Bruder zu gehen, um diesen Palast von ihm zu kaufen. Denn mein Bruder weiß nicht, von welcher Art er ist, und verkauft ihn mir. 23 Darauf entließen die Engel die Seele Gads. Und während man ihm das Sterbekleid anzog, trat seine Seele in ihn ein. Und er sprach zu denen, die um ihn standen: Ruft mir meinen Bruder, damit ich ihm eine Bitte vortrage. Sogleich nun brachten sie ihrem Könige die frohe Botschaft, (p. 137) indem sie sprachen: Dein Bruder ist wieder aufgelebt! Der König aber sprang auf und kam mit einer großen Menge zu seinem Bruder; und als er hineingegangen war, trat er an sein Bett, wie betäubt, ohne mit ihm reden zu können. Sein Bruder sprach aber: Ich weiß und bin überzeugt, Bruder, wenn jemand dich um die Hälfte deines Königreichs gebeten hätte, du hättest sie für 1
Mk. 5,36.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
mich gegeben. Deshalb ersuche ich dich, mir eine Gnade zu erweisen, um deren Gewährung ich dich bitte, daß du mir (nämlich) das verkaufst, worum ich dich bitte. Der König aber hob an und sprach: Und was ist's, das du mich dir zu verkaufen bittest? Der aber sprach: Bekräftige es mir durch einen Eid, daß du es mir gewährst. Und der König schwur ihm: <Was immer von meinem Besitz du dir erbittest), (p. 138) das gebe ich dir. Und er spricht zu ihm: Verkaufe mir den Palast, den du im Himmel hast. Und der König sprach: Ein Palast im Himmel - woher kommt der mir? Er aber sprach: (Es ist) der, den dir jener Christ gebaut hat, der jetzt im Gefängnis sitzt, den dir der Kaufmann zugeführt hat, nachdem er ihn von einem gewissen Jesus gekauft hatte. Den hebräischen Sklaven meine ich, welchen du bestrafen wolltest als den, von dem du eine Täuschung erfahren hast, über die auch ich in Trauer versetzt ward und starb, und jetzt bin ich wieder zum Leben gekommen. 24 Da kam der König zur Einsicht und verstand (seine Worte) von den für ihn wesentlichen und zukünftigen, ewigen Gütern und sprach: Den Palast kann ich dir nicht verkaufen, ich bete aber, daß ich hineingehen und darin wohnen darf und gewürdigt werde, zu seinen Bewohnern
Vgl. Joh. 10, 12. 14.
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heimnissen befestigt werden und von deinen Gnadengaben und Geschenken die vollkommenen Güter empfangen und in deinem Dienste Blüten treiben und in deinem Vater Früchte zur Reife bringen. 26 Sehr freundlich nun gegen den Apostel gestimmt, folgten der König Gundafor und sein Bruder Gad ihm nach und wichen niemals von ihm und halfen den Bedürftigen, gaben allen und erquickten alle. Sie baten ihn aber, daß auch sie bereits das Siegel des Wortes empfingen und sprachen zu ihm: Da unsere Seelen Ruhe haben und wir für Gott willig sind, so gib uns das Siegel! Denn wir haben dich sagen hören, daß der Gott, den du predigst, seine Schafe an seinem Siegel erkenne. Der Apostel aber sprach zu ihnen: Ich freue mich und bitte euch auch, dieses Siegel zu nehmen und mit mir an dieser Eucharistie (p. 142) und dem Segen(smahl) des Herrn teilzuhaben und auf Grund desselben vollendet zu werden. Denn dieser ist Herr und Gott aller (des Alls), Jesus Christus, den ich predige, und er selbst ist der Vater der Wahrheit, an welchen ich euch glauben gelehrt habe. Und er befahl ihnen, Öl herbeizubringen, damit sie durch das Öl das Siegel empfingen. Sie brachten nun das Öl und zündeten viele Lampen an. Denn es war Nacht. 27 Und der Apostel stand auf und siegelte sie. Es wurde ihnen aber der Herr geoffenbart, der sagte durch eine Stimme: Friede sei mit euch 1, Brüder! Sie aber hörten nur seine Stimme, seine Gestalt aber sahen sie nicht. Denn sie hatten noch nicht die zusätzliche Versiegelung des Siegels empfangen. Der Apostel nahm aber das Öl, goß es auf ihr Haupt, salbte und bestrich sie damit und begann zu sagen: Komm, heiliger Name Christi, der über jeden Namen erhaben ist 2 ; Komm, Kraft des Höchsten und vollkommene Barmherzigkeit; Komm, höchstes Geschenk; Komm, barmherzige Mutter; Komm, Gemeinschaft mit dem Männlichen; Komm, Offenbarerin der verborgenen Geheimnisse; Komm, Mutter der sieben Häuser, daß dir im achten Hause Ruhe werde; Komm, Ältester (Gesandter S) der fünf Glieder: des Verstandes, des Gedankens, der Einsicht, (p. 143) der Überlegung, des Urteils, Teile dich diesen jungen Leuten mit! Komm, heiliger Geist, und reinige ihre Nieren und ihr Herz Und versiegele sie zusätzlich auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Und als sie versiegelt waren, erschien ihnen ein Jüngling, der eine brennende Lampe trug, daß auch die (andern) Lampen selbst durch die Ausstrahlung ihres Lichts verdunkelt wurden. Und er ging hinaus und wurde ihnen unsichtbar. Der Apostel aber sprach zum Herrn: Unfaßbar ist uns, Herr, dein Licht, und wir können es nicht ertragen. Denn es ist größer als unsere Sehkraft. Als es aber Licht und Tag wurde, brach er Brot und machte sie zu Teilnehmern an der Eucharistie des Christus. Sie freuten sich aber und frohlockten. Aber auch viele andere glaubten und wurden (den Gläubigen) hinzugefügt und kamen zum Zufluchtsort des Erlösers. 28 Der Apostel aber hörte nicht auf zu predigen und zu ihnen zu sagen: (p.144) Männer und Frauen, Knaben und Mädchen, Jünglinge und Jungfrauen, ihr, die ihr im Mannesalter und ihr, die ihr Greise seid, mögt ihr nun Knechte oder Freie sein, 1
Joh. 20, 19.21. 26.
2
Phi!. 2, 9.
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enthaltet euch der Hurerei, der Habsucht und der Völlerei. Denn in diesen drei Hauptstücken geschieht jede Gesetzesübertretung. Denn die Hurerei blendet den Verstand und verdunkelt die Augen der Seele und wird ein Hindernis der rechten Verfassung des Körpers, indem sie den ganzen Menschen in Schwachheit versetzt und den ganzen Körper in Krankheit stürzt. Die Unersättlichkeit aber versetzt die Seele in Furcht und Schande, indem sie innerhalb des Körpers ist und das Fremde raubt und argwöhnt, (daß sie, wenn sie) das Fremde den Besitzern (zurückgibt, in Schande komme). Die Völlerei aber stürzt die Seele in Kummer, Sorgen und Schmerzen, (indem sie besorgt ist, daß sie bedüftig werde, und sich nach dem, was ihr fern ist, ausstreckt). Wenn ihr euch nun von diesen Dingen freihaltet, werdet ihr sorgenlos, schmerzlos und furchtlos, und es bleibt bei euch das, was vom Erlöser gesagt worden ist: Sorget nicht für den morgenden Tag, denn der morgende Tag wird für sich selbst sorgen l . Und erinnert euch an das Wort, das zuvor gesagt ist: Blickt auf die Raben und (p. 145) betrachtet die Vögel des Himmels, daß sie weder säen noch ernten noch in die Scheuern sammeln, und Gott versorgt sie doch. Um tvieviel mehr euch 2, ihr Kleingläubigen 3 ! Wartet aber auf sein Kommen, setzt auf ihn die Hoffnungen und glaubt an seinen Namen. Denn er ist der Richter der Lebendigen und der Toten' und er vergilt einem jeglichen nach seinen Taten 5 • Und bei seinem Kommen und seiner späteren Erscheinung hat niemand, wenn er von ihm gerichtet werden soll, ein Wort der Entschuldigung 8, als wenn er es nicht gehört hätte. Denn seine Herolde predigen in den vier Richtungen der Erde. Ändert also den Sinn und glaubt der Predigt (Verheißung) und nehmt ein sanftes Joch und eine leichte Last 7 auf euch, damit ihr lebt und nicht sterbt! Dieses erwerbt, dieses bewahrt: Geht aus von der Finsternis, damit das Licht euch aufnehme! Kommt zu dem wahrhaft Guten, damit ihr von ihm die Gnade empfangt und sein Zeichen in eure Seelen hineinsetzt ! 29 Als er dies gesagt hatte, sprachen einige der Umstehenden zu ihm: Es ist Zeit, daß der Gläubiger die Schuld (das ihm Gebührende) empfange. Er aber sprach zu ihnen: Der Gläubiger will zwar immer Übermäßiges (p. 146) empfangen, wir aber wollen ihm das Nötige geben. Und nachdem er sie gesegnet hatte, nahm er Brot, Öl, Gemüse und Salz, segnete es und gab es ihnen. Er selbst aber beharrte in seinem Fasten, denn der Herrentag dämmerte herauf. Als er in der folgenden Nacht schlief, kam der Herr, trat zu seinen Häupten und sprach: Thomas, steh früh auf, segne alle und nach dem Gebet und Dienst geh auf dem Wege nach Osten zwei Meilen, und dort werde ich durch dich meine Herrlichkeit zeigen. Denn um des Werkes willen, dessentwegen du ausziehst, werden viele zu mir Zuflucht nehmen, und du sollst die Natur und Macht des Feindes überführen. Und er stand vom Schlafe auf und sprach zu den Brüdern, die bei ihm waren: Kinder und Brüder, der Herr will heute etwas durch mich ausführen. Laßt uns aber beten und ihn bitten, daß es für uns ihm gegenüber kein Hindernis gebe, sondern daß, wie zu jeder Zeit, so auch jetzt nach seiner Absicht und nach seinem Willen durch uns geschehe. Und als er dies gesagt hatte, legte er seine Hände auf sie und segnete sie. Und er brach Brot der Eucharistie, gab es ihnen und sprach: Gereiche euch diese Eucharistie zu Barmherzigkeit und Mitleid, und nicht zum Gericht und zur Vergeltung! Und sie sprachen: Amen. 1 4 6
Mt. 6, 34. • Mt. 6, 26; vgl. Lk. 12, 24. AG 10, 42. 5 Mt. 16,27. Vgl. Missionspredigt des Petrus Fragm. 4, o. S. 63.
3
Mt. 6, 30 par.
7
Vgl. Mt. 11, 30.
5. Thomasakten
(p. 147)
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Dritte Tat Über den Drachen (die Schlange)
30 Und der Apostel zog aus, dorthin zu gehen, wohin der Herr ihm befahl. Und als er (dem Ende) der zweiten Meile nahe gekommen war und ein wenig vom Wege abbog, sah er den Leichnam eines schöngestalteten Jünglings liegen und sprach: Herr, hast du etwa deshalb mich hierher geführt, damit ich diese Versuchung sehe? So geschehe denn dein Wille, wie du willst! Und er begann zu beten und zu sprechen: Herr, Richter der Lebendigen und der Toten 1, der Lebenden, welche hier dabeistehen, und der Toten, welche (hier) liegen, und Herr aller und Vater - Vater aber nicht der noch in den Körpern wohnenden Seelen, sondern derer, die sie verlassen haben, denn von den noch in Befleckungen weilenden Seelen bist du Herr und Richter -, komm in dieser Stunde, in der ich dich anrufe, und zeige deine Herrlichkeit an diesem, der hier liegt! Und er wendete sich zu seinen Begleitern und sprach: Dies Werk ist nicht von ungefähr geschehen, sondern der Feind war darin tätig und führte dies aus, um dadurch einen Angriff zu machen, und ihr seht, daß er dazu keine andere Gestalt gebrauchte und durch kein anderes Tier tätig war als durch das ihm untertänige. 31 Als er dies gesagt hatte, kam ein großer Drache aus einer Höhle, stieß seinen Kopf auf und schlug seinen Schwanz auf die Erde und sprach mit lauter Stimme zum (p. 148) Apostel: Ich werde vor dir sagen, aus was für einem Grunde ich diesen getötet habe, da du ja dazu hierher gekommen bist, meine Werke zu überführen. Der Apostel spricht : Ja, sage an. Und der Drache: Es lebt eine jugendlich schöne Frau in diesem gegenüberliegenden Dorfe. Und als sie einst (an meinem Ort vorbeikam), sah ich sie und gewann sie lieb, folgte ihr nach und beobachtete sie. Und ich traf diesen Jüngling dabei, daß er sie küßte, auch wohnte er ihr bei und trieb andere häßliche Dinge mit ihr. Mir wäre es nun zwar leicht, dieses vor dir zu erzählen, (aber ich wage es nicht S). Denn ich weiß, daß du des Messias Zwillingsbruder bist und immer unsere Natur außer Wirksamkeit setzt (vernichtest). Da ich sie aber nicht beunruhigen wollte, tötete ich ihn nicht in derselben Stunde, sondern beobachtete ihn, und als er abends vorbeikam, stach und tötete ich ihn, besonders deshalb, weil er gewagt hatte, dies am Herrentag zu treiben. Der Apostel aber forschte ihn aus und sprach: Sage mir, von was für einem Samen und von was für einem Geschlecht du bist. 32 Und er sprach zu ihm: Ich bin eine Schlange, ein Sproß der Schlangennatur und ein Schädiger, der Sohn eines Schädigers; ich bin ein Sohn dessen, der die vier stehenden Brüder verletzt und geschlagen hat; ich bin der Sohn dessen, der auf dem Thron sitzt (und über das Geschaffene S), was unter dem Himmel ist, (Macht hat S), der von denen, welche sich (etwas) leihen, (p. 149) das Seine nimmt; ich bin der Sohn dessen, der die (Welt-)Kugel umgürtet; ich bin ein Verwandter dessen, der außerhalb des Ozeans ist, dessen Schwanz in seinem Munde liegt; ich bin der, welcher durch den Zaun ins Paradies eingegangen und mit Eva alles geredet hat, was mir mein Vater auftrug, zu ihr zu reden 2; ich bin der, welcher Kain entzündet und in Brand gesetzt hat, den eigenen Bruder zu töten 3, und um meinetwillen gingen Dornen und Disteln auf der Erde auf 4 ; ich bin der, welcher die Engel von oben herabgeworfen und durch 1 3
21
AG 10, 42. Vgl. 1. Mose 4, 5ff. Hennecke, Apokryphen Bd. 2
Vgl. 1. Mose 3, 1 ff. • Vgl. 1. Mose 3, 18.
2
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
die Begierden nach Frauen gebunden hat, damit erdgeborne Kinder aus ihnen entstünden 1 und ich meinen Willen durch sie ausführte; ich bin der, welcher das Herz Pharaos verhärtet hat, daß er die Kinder Israels mordete und sie durch das Joch der Grausamkeit versklavte 2 ; ich bin der, welcher die Menge (das Volk) in der Wüste irreführte, als sie das Kalb gemacht hatten 3; ich bin der, welcher Herodes in Brand setzte 4 und Kaiphas entzündete zu lügnerischer Anklage vor Pilatus 5 ; denn dieses ziemte mir; ich bin der, welcher Judas entzündete und erkaufte, Christus dem Tode zu überliefern 6; ich bin der, welcher den Abgrund des Tartarus bewohnt und innehat 7, der Sohn Gottes aber tat mir gegen meinen Willen Unrecht und wählte die Seinigen von mir aus; ich bin ein Verwandter dessen, der von Osten kommen soll, dem auch Gewalt gegeben wird, auf der Erde zu tun, was er selbst will. 33 Als der Drache dies vor den Ohren der ganzen Menge gesagt hatte, * erhob der Apostel seine Stimme und sprach: Höre nunmehr auf, Unverschämtester, und schäme dich, der du ganz (p. 150) erstorben bist. Denn dein Ende, der Untergang, ist gekommen. Und wage nicht weiter zu sagen, was du durch deine Untergebenen ausgeführt hast. Ich befehle dir aber im Namen jenes Jesus, der bis jetzt wegen der Menschen, die sein Eigentum sind, Kampf gegen euch führt, dein Gift, das du in diesen Mann gespritzt hast, auszusaugen und, indem du es zurückziehst, von ihm zu nehmen! Der Drache aber sprach: Noch ist die Zeit unseres Endes nicht gekommen, wie du sagtest. Weshalb zwingst du mich, das zu nehmen, was ich in diesen gespritzt habe, und vor der Zeit zu sterben? Denn auch mein Vater wird, wenn er hinaufzieht und aussaugt, was er gegen die Schöpfung geworfen hat, sein Ende finden. Der Apostel aber sprach zu ihm: Zeige also jetzt die Natur deines Vaters! Und der Drache kam hinzu, legte seinen Mund an die Wunde des Jünglings und sog die Galle (das Gift) aus ihm. Und in kurzem wurde die Farbe des Jünglings, die wie Purpur war, weiß, der Drache aber schwoll an. Als aber der Drache die ganze Galle in sich gezogen hatte, sprang der Jüngling auf und trat hin, lief und fiel dem Apostel zu Füßen. Der Drache aber schwoll an, barst und starb, und sein Gift und seine Galle wurde herausgeschüttet. Und an dem Orte, wo sein Gift ausgeschüttet wurde, entstand eine große Kluft, und der Drache wurde verschlungen. Der Apostel aber sprach zum Könige und seinem Bruder: Führt Arbeiter herbei und füllt den Ort zu und legt Fundamente und baut Häuser darüber, damit eine Wohnung für die Fremden werde. 34 Der Jüngling aber sprach unter vielen Tränen zum Apostel: Was habe ich gegen dich gesündigt? Denn du bist ein Mensch, der zwei (p. 151) Gestalten hat, und wo nur immer du willst, da wirst du gefunden und wirst, wie ich sehe, von niemand aufgehalten. Denn ich sah jenen Mann, wie er neben (dir stand) und auch zu dir sprach: 'Ich habe viele Wunder durch dich zu zeigen und habe große Werke durch dich zu vollbringen, durch welche du Lohn Vgl. • Vgl. 6 Vgl. 6 Vgl. 1
1. Mose 6, 1-4. 2. Mose 32. Mt. 26, 3ff.; 27, Uff.; Joh. 18, 28ff. Mt. 26, 14-16.
4
Vgl. 2. Mose Iff. Vgl. Mt. 2; Lk. 23, 6-16.
7
Offb. 9, 11.
2
* Hier sagt nach dem Syrer die Menge: Einer ist (Gott), der Gott dieses Mannes, der uns über seinen Gott belehrt und durch sein Wort dieser furchtbaren Bestie befohlen hat, uns ihre Natur zu offenbaren. V,eiter heißt es dann: Und sie baten ihn, daß er, wie er ihr durch sein Wort befohlen hatte, wie ein Mensch zu reden, sie auch durch sein Wort töten solle.
5. Thomasakten
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gewinnen wirst, und wirst viele zum Leben erwecken, und sie werden in Ruhe im ewigen Lichte sein als Kinder Gottes.' Er sagte - über mich mit dir redend -: 'Du nun erwecke diesen Jüngling, der vom Feinde niedergeworfen wurde, und werde zu jeder Zeit sein Aufseher.' Du hast nun recht daran getan, daß du hierher gekommen bist, und ebenso mit Recht wirst du zu ihm weggehen, da auch er dich niemals verläßt. Ich aber wurde frei von Sorge und Vorwurf, und es ging Licht über mir auf, (und ich wurde dadurch befreit) von der nächtlichen Sorge und ruhte aus von der täglichen Arbeit; ich wurde aber auch von dem befreit, der mich angetrieben hat, diese Dinge zu tun. Ich verging mich gegen den, der mich das Entgegengesetzte lehrte, und habe den verloren, der der Verwandte der Nacht ist, der mich gezwungen hat, durch seine eigenen Taten zu sündigen; ich fand aber jenen Lichtgestaltigen als mir verwandt. Ich habe den verloren, der seine Untergebenen verdunkelt und verfinstert, daß sie nicht erkennen, was sie ausführen, und, durch ihre Werke beschämt, von ihnen abstehen, und so ihre Taten ein Ende nehmen. Ich fand aber den, dessen Werke Licht und dessen Taten Wahrheit sind, welche man, wenn man sie ausführt, nicht zu bereuen braucht. Ich wurde (p. 152) von dem befreit, dessen Lüge beharrlich ist, vor dem als Schleier Finsternis hergeht, hinter ihm aber folgt die Schande, unverschämt in Untätigkeit. Ich fand aber den, der mir Schönes offenbarte, mich daran zu halten, den Sohn der Wahrheit, den Verwandten der Einigkeit, welcher den Nebel verscheucht, seine Schöpfung erleuchtet, ihre Wunden heilt und ihre Feinde niederwirft. Aber ich bitte dich, Mann Gottes, laß mich den wieder anschauen und sehen, der mir jetzt verborgen geworden ist, damit ich auch seine Stimme höre, deren Wunderbarkeit ich nicht aussagen kann. Denn sie ist nicht von der Natur dieses körperlichen Organs. 35 Der Apostel aber antwortete und sprach zu ihm : Wenn du dich von diesen Dingen befreist, deren Erkenntnis du nach deiner Aussage empfangen hast, und erkennst, wer der ist, der dieses in dir ausgerichtet hat, und lernst und Hörer dessen sein wirst, nach dem du jetzt infolge deiner glühenden Liebe verlangst, so wirst du ihn sehen und in Ewigkeit mit ihm sein und in seiner Ruhe ausruhen und in seiner Freude sein. Wenn du dich aber gegen ihn leichtsinnig (sorglos) verhältst und dich wieder zu deinen früheren Taten wendest und die Schönheit und das hellglänzende Angesicht, das dir jetzt gezeigt wurde, aufgibst, und der Abglanz seines Lichts, nach dem du jetzt verlangst, (vor dir ganz verborgen ist), so wirst du nicht nur dieses Lebens, sondern auch des (p. 153) zukünftigen beraubt, und wirst zu dem gehen, von dem du sagtest, daß du ihn verloren habest, und wirst nicht mehr den sehen, von dem du sagtest, daß du ihn gefunden habest. 36 Als der Apostel dies gesagt hatte, ging er in die Stadt, wobei er den Jüngling an der Hand faßte und zu ihm sprach: Das, was du geschaut hast, Kind, ist wenig von dem vielen, was Gott hat. Denn nicht über diese sichtbaren Dinge verkündigt er uns das Evangelium, sondern Größeres als diese verspricht er uns. Solange wir aber im Leibe sind, können wir nicht aussprechen und aussagen, was er zukünftig unsern Seelen gibt. Denn wenn wir sagen, daß er uns Licht gibt, so ist dies (etwas) Sichtbares, und wir besitzen es. Und wenn (wir sagen, daß er uns) Reichtum (gibt, so) existiert und erscheint (dieser) in dieser Welt, und wir legen ihm einen Namen bei und wir brauchen ihn nicht, da ja gesagt worden ist: Schwerlich wird ein Reicher ins Himmelreich eingehen l . Und wenn wir von dem Mantel reden, den die Weichlinge in diesem Leben umwerfen, so ist ihm ein Name 1
21*
Mt. 19,23.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
beigelegt und gesagt: welche weiche Kleider tragen, sind in der Könige Häusern l . Wenn wir aber von kostbaren Mahlen (reden, so nennen wir Dinge, die existieren), und wir haben über diese ein Gebot empfangen, uns vor ihnen zu hüten, damit (wir) nicht beschwert werden durch VöUerei und Trunkenheit und Sorgen der Nahrung 2 ( ••• ), und es ist gesagt: Sorget nicht tür euer Leben, was ihr essen oder was ihr trinken soUt, auch nicht tür euern Leib, was ihr anziehn sollt, denn das Leben ist mehr als die Speise und der Leib mehr als die Kleidung 3 • Wenn wir aber auch von dieser zeitlichen Ruhe reden, so ist auch für diese ein Gericht festgesetzt. Wir reden vielmehr über die obere Welt, (p. 154) über Gott und Engel, über Wächter und Heilige, über die ambrosische (unvergängliche) Speise und den Trank des wahrhaftigen Weinstocks, über dauernde und nicht veraltende Kleider, über das, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat noch in das Herz sündiger Menschen gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben'. Darüber unterreden wir uns und darüber verkünden wir das Evangelium. Glaube also auch du an ihn, damit du lebst, und setze auf ihn dein Vertrauen, so sollst du nicht sterben. Denn er läßt sich auch nicht durch Geschenke gewinnen, daß du sie ihm darbringst, noch bedarf er Opfer, daß du sie ihm opferst. Aber schau weg auf ihn hin, so wird er dich nicht übersehen, und wende dich zu ihm, so wird er dich nicht verlassen. Denn seine Wohlgestalt und Schönheit wird dich begierig machen, ihn zu lieben, aber sie erlaubt dir auch nicht, dich (von ihm) abzuwenden. 37 Und als der Apostel dies sagte, wurde zu jenem Jüngling viel Volk hinzugefügt (sammelte sich um ihn). Hinblickend aber sah der Apostel, daß sie sich erhoben, um ihn zu sehen, und sie stiegen zu hochgelegenen Orten auf. Da sprach der Apostel zu ihnen: Männer, die ihr zur Ratsversammlung des Christus gekommen seid und an Jesus glauben wollt, nehmt euch hieraus ein Vorbild (eine Lehre) und seht, daß, wenn ihr euch nicht hochstellt, ihr mich Kleinen nicht sehen und mich, der euresgleichen ist, nicht beobachten könnt. Wenn ihr nun mich, der euresgleichen ist, nicht sehen könnt, ohne euch (p. 155) ein wenig von der Erde zu erheben - wie könnt ihr den, der in der Höhe verweilt und jetzt in der Tiefe gefunden wird, sehen, wenn ihr euch nicht zuvor erhebt aus eurer früheren Verfassung und euren unnützen Taten und den Begierden, die nicht dauern, und dem Reichtum, der hier zurückgelassen wird, und dem Besitz, der von der Erde (kommt und) veraltet, und den Kleidern, die verderben, und der Schönheit, die alt wird und verschwindet, dazu auch dem ganzen Körper, in welchem dies alles aufbewahrt ist, und er veraltet und wird Staub, indem er zu seiner Natur zurückkehrt1 Denn alle diese Dinge dienen dem Körper selbst zur Stütze. Aber glaubt vielmehr an unsern Herrn Jesus Christus, den wir predigen, damit eure Hoffnung auf ihm beruhe und ihr in ihm das ewige Leben habt, damit er selbst euch Begleiter werde in diesem Lande der Irrfahrt und ein Hafen in diesem unruhigen Meer und eine überströmende Quelle in diesem durstigen Landes und ein mit Speise gefülltes (Haus) am Orte der Hungernden und Ruhe für eure Seelen und sogar auch Arzt der Körper. 38 Als die Menge der Versammelten das hörte, weinte sie und sprach zum Apostel: Mann Gottes, wir wagen nicht zu sagen, daß wir Eigentum des Gottes sind, den du verkündigst. Denn die Werke, die wir vollbracht haben, sind ihm fremd und gefallen ihm nicht. Wenn er aber Erbarmen
3
Mt.ll, 8. Mt. 6, 25.
i
Vgl. Th. Ev. Logion 13, Bd. I, S. 206.
1
2
4
Lk. 21, 34. 1. Kor. 2, 9; vgl. Bd. I, S.217.
6. Thomasakten
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und Mitleid mit uns hat und uns rettet, indem er über unsere früheren Taten hinwegsieht und uns von (p. 156) dem Bösen, das wir vollbracht haben, als wir noch im Irrtum waren, befreit und es uns nicht anrechnet noch unserer früheren Siinden gedenkt, so werden wir seine Diener, und wir werden seinen Willen bis zum Ende halten (ganz nachkommen). Der Apostel antwortete ihnen und sprach: Er verdammt euch nicht noch rechnet er euch die Sünden an, die ihr vollbracht habt, als ihr im Irrtum wart, sondern er sieht über eure Vergehen hinweg, die ihr nach (eurer) Unwissenheit getan hattet. Vierte Tat Über das Füllen 39 Als aber der Apostel noch auf der Landstraße stand und sich mit der Menge unterredete, kam ein Eselsfüllen und trat vor ihn, öffnete seinen Mund und sprach: Zwillingsbruder des Christus, Apostel des Höchsten und miteingeweiht in das verborgene Wort des Christus, der du seine verborgenen Aussprüche empfängst, Mitarbeiter des Sohnes Gottes, der du, während du frei warst, ein Knecht geworden bist und, verkauft, viele zur Freiheit geführt hast, Verwandter des großen Geschlechts, das den Feind verurteilt und sein Eigentum (von ihm) erlöst hat, der du vielen im Lande der Inder Ursache des Lebens geworden bist - denn du kamst zu den irrenden Menschen, und durch deine Erscheinung und deine göttlichen Worte wenden sie sich jetzt zu dem Gott der Wahrheit, der dich gesandt hat -, steig auf, setze dich auf mich und ruhe dich aus, bis du in die Stadt eingehst! Und der Apostel hob an und sprach: 0 Jesus Christus, (Sohn) (p. 157) der vollkommenen Barmherzigkeit, 0 Ruhe und Gelassenheit und du, von dem jetzt durch die unvernünftigen Tiere geredet wird, 0 verborgene Ruhe und der du durch die Tätigkeit geoffenbart wirst als unser Erlöser und Ernährer, der du uns bewahrst und auf fremden Körpern ruhen läßt, Retter unserer Seelen, süßer und unversieglicher Sprudel, fest stehende, reine und niemals getrübte Quelle!, Beistand und Helfer deiner Knechte im Kampfe, der du den Feind von uns abwendest und verscheuchst, der du in vielen Kämpfen für uns kämpfst und uns in allen siegreich machst, unser wahrer und unbesiegbarer Athlet, unser heiliger und siegreicher Heerführer, ruhmvoll und der du den Deinen unvergängliche Freude gewährst und Ruhe, die keinerlei Bedrängnis enthält, guter Hirt, der du dich selbst für deine eigenen Schafe ausgeliefert, den Wolf besiegt und deine eigenen Lämmer befreit 2 und auf gute Weide geführt hast - wir rühmen und preisen dich und deinen unsichtbaren Vater und deinen heiligen Geist und die Mutter aller Geschöpfe. 40 Als der Apostel dies sagte, blickte die ganze anwesende Menge auf ihn, zu hören erwartend, was er dem Füllen antworten würde. Nachdem aber der Apostel lange Zeit, (wie außer sich), gestanden und zum Himmel geblickt hatte, sprach er zu dem Füllen: (Wer bist du) und wem gehörst du? Denn erstaunlich und seltsam ist, was durch (p. 158) deinen Mund kundgetan ist, was (auch) den meisten verborgen ist. Das Füllen aber antwortete und sprach: Ich bin von jener Familie, die dem Bileam gedient hat 3 , und zu welcher der Geschlechtsgenosse von mir gehörte, auf den sich dein Herr und dein Lehrer gesetzt hat 4 • Und ich bin jetzt gesandt worden, dir dadurch, daß du dich auf Vgl. Th.Ev. Logion 13, Bd. I, S. 206. • Vgl. 4. Mose 22, 21ff.
1
2 Vgl. Joh. 10, Hf. • Vgl. :Mk. 11, 1ff. parr.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
mich setzt, Ruhe zu geben und (damit diese da Glauben empfangen) und mir jenes Teil beigelegt werde, welches ich jetzt durch den Dienst, den ich dir (leisten werde) gewinnen soll, und das, wenn ich dir (nicht) diene, von mir genommen wird. Der Apostel aber sprach zu ihm: Der dir diese Gabe (der Rede) geschenkt hat, kann machen, daß sie dir und deinen Geschlechtsgenossen bis zum Ende vollkommen gegeben werde. Denn ich bin diesem Geheimnis gegenüber kraftlos und schwach. Und er wollte sich nicht darauf setzen. Das Füllen aber bat und flehte ihn an, er möge es dadurch, daß er (auf ihm ritte), segnen. Darauf stieg der Apostel auf und setzte sich, und alle gingen mit ihm, die einen, indem sie vorauseilten, die andern, indem sie ihm folgten. Sie rannten aber alle, da sie das Ende sehen wollten und wie er das Füllen entließe. 41 Als er aber nahe an die Tore der Stadt kam, stieg er von ihm ab und sprach: Geh und laß dich verwahren, wo du warst. Sogleich aber fiel das Füllen auf den Boden zu den Füßen des Apostels und verendete. Alle Anwesenden aber waren betrübt und sprachen zum Apostel: Mache es lebendig und erwecke es! Er aber antwortete (p. 159) und sprach zu ihnen: Ich könnte es wohl durch den Namen Jesu Christi erwecken. Aber dies nützt (ihm) durchaus (nichts). Denn der ihm Rede gegeben hat, daß es redete, konnte auch machen, daß es nicht stürbe. Ich erwecke es aber nicht, nicht als wenn ich es nicht könnte, sondern weil dies das ist, was ihm hilft und nützt. Den Anwesenden aber befahl er, eine Grube zu machen und seinen Körper einzugraben. Und sie taten wie er befahl. Fünfte Tat Über den Dämon, der in der Frau wohnte 42 Der Apostel ging in die Stadt, und die ganze Menge folgte ihm. Er erwog aber, zu den Eltern des Jünglings zu gehen, den er lebendig gemacht hatte, nachdem er von einem Drachen getötet worden war. Denn sie baten ihn sehr, zu ihnen zu kommen und in ihr Haus einzutreten. Da rief plötzlich eine sehr schöne Frau mit lauter Stimme: Apostel des neuen Gottes, der du nach Indien gekommen bist, und Knecht jenes heiligen und allein guten Gottes - denn durch dich wird dieser als Erlöser der Seelen derer, die zu ihm kommen, verkündigt und durch dich werden die Leiber derer geheilt, die von dem Feinde gezüchtigt werden, und du bist für alle Ursache zum Leben geworden, die zu ihm umkehren -, befiehl, daß ich vor dich geführt werde, damit ich dir erzähle, was mir widerfahren ist, und mir vielleicht von dir Hoffnung werde und diese, welche bei dir stehen (p. 160), mehr in der Hoffnung auf den Gott, den du predigst, befestigt werden! Denn ich werde von dem Widersacher schon während einer fünf jährigen Zeitdauer nicht wenig gequält. Als Frau saß ich früher in Ruhe, und von allen Seiten umgab mich Friede, und ich sorgte um nichts. Denn ich kümmerte mich auch um keinen anderen. 43 Es geschah aber an einem Tage, als ich das Bad verließ, da begegnete mir (ein Mann, der wie) verwirrt und bestürzt war. Seine Stimme und seine Antwort schienen mir sehr dünn und schwach zu sein. Und er sprach, indem er mir gegenüber trat: Ich und du wollen in einer Liebe sein und wollen miteinander zusammen sein, wie ein Mann mit (seiner) Frau verkehrt. Und ich antwortete und sprach zu ihm: Mit meinem Verlobten habe ich keinen Verkehr gehabt, weil ich die Heirat ablehnte, und wie sollte ich mich dir ausliefern, der du wie im Ehebruch mit mir zusammen sein willst? Und als ich dies gesagt hatte, ging ich (an ihm) vorbei. Zu dem Mädchen,
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das bei mir war, sagte ich: Sahst du den Jüngling und seine Unverschämtheit, wie er ohne Scham frei mit mir redete? Sie aber sprach zu mir: Ich sah einen Alten mit dir reden. Als ich aber in mein Haus gekommen war und das Mahl gehalten hatte, gab mir meine Seele (.) einen gewissen Argwohn ein, besonders deshalb, weil er in zwei Gestalten erschien. Und während ich dies im Sinn hatte, schlief ich ein (p.161). In dieser Nacht nun kam er und pflegte seinen schmutzigen Verkehr mit mir. Ich sah ihn aber auch, als es Tag war und floh vor ihm. In der ihm verwandten Nacht aber kam er und mißbrauchte mich. Und jetzt, wie du siehst, werde ich schon fünf Jahre von ihm belästigt, und er ließ nicht von mir ab. Aber ich weiß und bin überzeugt, daß auch Dämonen, Geister und Unholde dir untertan sind und vor deinem Gebet in Zittern geraten. Bete also für mich und vertreibe den mich fortwährend belästigenden Dämon von mir, (damit) auch ich frei und zu meiner ursprünglichen Natur versammelt werde und die Gabe empfange, die meine(n Verwandten) geschenkt ist! 44 Der Apostel sprach aber: 0 nicht zu bändigende Bosheit; 0 Unverschämtheit des Feindes; 0 Neidischer, der niemals ruhig ist; 0 Häßlicher, der die Schönen unterwirft; 0 Vielgestaltiger - wie er will, erscheint er, sein Wesen kann aber nicht verändert werden -; 0 über den Verschlagenen und Treulosen; 0 bitterer Baum, dem auch seine Früchte gleichen; 0 über den Verleumder, der um die Fremden kämpft; 0 über den Betrug, welcher Unverschämtheit anwendet; 0 über die Bosheit, die wie eine Schlange kriecht und (dieser verwandt ist)! (p.162). Als der Apostel dies gesagt hatte, kam der Feind und trat vor ihn, ohne daß jemand außer der Frau und dem Apostel ihn sah, und sprach, allen vernehmlich, mit lautester Stimme: 45 Was haben wir mit dir zu schafJen, Apostel des Höchsten?l Was haben wir mit dir zu schaffen, Knecht Jesu Christi? Was haben wir mit dir zu schaffen, Berater des heiligen Sohnes Gottes? Weshalb willst du uns verderben, da doch unsere Zeit noch nicht gekommen ist? Weshalb willst du unsere Macht nehmen? Denn bis zur jetzigen Stunde hatten wir Hoffnung und überbleibende Zeit. Was haben wir mit dir zu schaffen? Du hast Macht in deinem (Bereich) und wir im unsrigen. Weshalb willst du gegen uns Gewaltherrschaft anwenden, besonders da du selbst andre lehrst, keine Gewalt zu brauchen? Weshalb begehrst du also das Fremde wie einer, der mit dem Eigenen nicht zufrieden ist? Weshalb stellst du dich ganz dem Sohne Gottes gleich, der uns Unrecht zugefügt hat? Denn du gleichst ihm sehr, als wärst du von ihm geboren *. Denn wir glaubten auch ihn zu unterjochen wie die übrigen. Er aber wendete sich und hielt uns in seiner Gewalt. Denn wir kannten ihn nicht. Er täuschte uns aber durch seine ganz häßliche Gestalt und durch seine Armut und Bedürftigkeit. Denn als wir ihn so sahen, glaubten wir, daß er ein mit Fleisch umkleideter Mann sei, ohne zu wissen, daß er es ist, der die Menschen lebendig macht. Er gab uns aber Macht, in unserem (Bereich) und während unsrer Zeit das Unsrige nicht preiszugeben, sondern darin zu verweilen. Du aber willst über das Erforderliche und dir Eingeräumte hinaus erwerben und uns vergewaltigen! 46 Als der Dämon dies gesagt hatte, weinte er und sprach: Ich lasse (p. 163) dich, meine schönste Gemahlin, die ich (vor langer Zeit) gefunden und bei der ich ausgeruht habe. Ich verlasse dich, meine geliebte, Mk. 5, 7. Hier hat der Syrer: Weshalb gleichst du Gott, deinem Herrn, der seine Majestät verbarg und in einem Körper (Fleisch) erschien. Und wir glaubten von ihm er sei sterblich. Doch er wandte sich um und tat uns Gewalt; du nämlich bist von ihm geboren? 1
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
zuverlässige Schwester, an der ich Wohlgefallen hatte. Was ich tun oder wen ich anrufen soll, daß er mich erhöre und mir beistehe, weiß ich nicht. Ich weiß, was ich tun soll: ich werde an Orte gehen, zu denen die Kunde von diesem Manne nicht gedrungen ist; und für dich, meine Geliebte, werde ich vielleicht eine mit anderem Namen finden. Und seine Stimme erhebend sprach er: Bleibe in Frieden, die du Zuflucht zu dem genommen hast, der größer ist als ich. Ich aber werde fortgehen und eine dir Ähnliche suchen, und wenn ich sie nicht finde, kehre ich wieder zu dir zurück. Denn ich weiß, daß du, solange du diesem Manne ganz nahe bist, zu ihm Zuflucht nimmst, wenn er aber sich entfernt, wirst du wieder sein wie du warst, bevor er erschien, und wirst ihn vergessen, für mich aber wird wieder günstige Zeit und Freimut werden. Jetzt aber fürchte ich den Namen dessen, der dich geschützt hat. Und als der Dämon dies gesagt hatte, wurde er unsichtbar, man sah aber nach seiner Entfernung nur Feuer und Rauch, und alle, die dort dabeistanden, gerieten vor Staunen außer sich. 47 Als aber der Apostel es sah, sprach er zu ihnen: Nichts Fremdes noch Absonderliches hat der Dämon gezeigt, sondern seine Natur, durch welche er verbrannt werden wird. Denn das Feuer wird ihn verzehren, und der Rauch von diesem wird sich verbreiten. Und er begann zu sagen: Jesus, verborgenes Geheimnis, das uns (p. 164) geoffenbart wurde, du bist es, der uns sehr viele Geheimnisse bekanntgemacht hat, der du mich von allen meinen Genossen ausgesondert und mir drei Worte gesagt hast 1, von denen ich glühe, die ich aber andern nicht sagen kann, Jesus, Mensch, Getöteter, Toter, Begrabener; Jesus, Gott aus Gott und Erlöser, der die Toten lebendig macht und die Kranken heilt; Jesus, der du bedürftig bist wie (ein Armer S) und erlösest wie einer, der keinen Mangel leidet; der du die Fische fängst für das Frühstück und die Hauptmahlzeit 2, der du alle mit wenigem Brot sättigst 3 ; Jesus, der du von der Anstrengung der Reise ausruhst wie ein Mensch 4 und auf den Wogen wandelst wie ein Gott 6 ; 48 höchster Jesus, Stimme, die (der Sonne gleich) vom vollkommenen Erbarmen aufgeht; Heiland aller, rechte Hand des Lichts, die den Bösen durch seine eigene Natur niederwirft, und der du seine ganze Natur an einem Ort versammelst; Vielgestaltiger, der du der Eingeborene bist, der Erstgeborene vieler Brüder 6; Gott vom höchsten Gott und Mensch, der bis jetzt verachtet wird *; Jesus Christus, der du uns in dem, worum wir dich anrufen, nicht vernachlässigst; der du (für das ganze Menschengeschlecht Ursache des Lebens) geworden bist; der du um unsertwillen gerichtet und ins Gefängnis geworfen wirst, während du alle, die im Gefängnis sind, lösest; der du Verführer genannt wirst?, während du die dir Eigenen von der Verführung erlösest - ich bitte dich für diese, (p. 165) welche (hier) stehen und an dich glauben. Denn sie begehren, deine Gaben zu erlangen, indem sie frohe Hoffnung Vgl. Th.Ev. Logion 13, Bd. I, S. 206. 2 Vgl. Joh. 21, 6. Uf. Vgl. Mk. 6, 34ff. palT. 4 Vgl. Joh. 4, 6. 5 Vgl. Mk. 6, 45ff. palT. 6 Röm. 8,29. * Hier hat der Syrer: Jesus, rechte Hand des Vaters, der du den Bösen unter seine Natur (andere HSS.: an die untere Grenze) hinabgestürzt hast und der sein Eigentum an einen gesegneten Versammlungsort versammelt; Jesus, König über alles, der du alles unterwirfst; Jesus, der du im Vater bist und der Vater in dir; und ihr seid einer in Macht, Willen, Herrlichkeit und 'Wesen, und um unseretwillen bist du mit Namen genannt worden und bist der Sohn und hast einen Körper angezogen; Jesus, der du ein Nasiräer geworden bist, und deine Güte lenkt alles wie Gott; Sohn des höchsten Gottes, der du ein verachteter ... 7 Mt. 27, 63. 1
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5. Th()'J'fI(UJakten
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auf deine Hilfe setzen und (ihre) Zuflucht zu deiner Majestät nehmen. Sie halten ihre Ohren offen, von uns die Worte zu hören, die zu ihnen gesagt werden. Es komme dein Friede und wohne in ihnen, und er erneuere sie von ihren früheren Taten und sie mögen den alten Menschen samt seinen Taten aus- und den neuen Menschen anziehen l , der ihnen jetzt von mir verkündigt wird! 49 Und er legte die Hände auf sie, segnete sie und sprach: Die Gnade unseres Herrn Jesus sei auf euch in Ewigkeit 2 ! Und sie sprachen: Amen. Es bat ihn aber die Frau und sprach: Apostel des Höchsten, gib mir das Siegel, damit jener Feind sich nicht wieder zu mir wende! Da ließ er sie nahe an sich herantreten, legte seine Hände auf sie und siegelte sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Aber auch viele andere wurden mit ihr versiegelt. Der Apostel befahl aber seinem Diener (Diakon), zur Seite einen Tisch aufzustellen. Und sie stellten eine Bank hin, die sie dort fanden. (p. 166) Und er breitete ein linnenes Tuch darüber und legte das Brot des Segens darauf. Und der Apostel trat hinzu und sprach: Jesus, der du uns gewürdigt hast, an der Eucharistie deines heiligen Leibes und Blutes teilzunehmen, siehe, wir erkühnen uns, zu deiner Eucharistie zu treten und deinen heiligen Namen anzurufen; komm und habe mit uns Gemeinschaft! 50 Und er begann zu sagen: (Komm, Geschenk des Höchsten; S) Komm, vollkommene Barmherzigkeit; Komm, Gemeinschaft mit dem Männlichen; (Komm, heiliger Geist; S) Komm, Kennerin der Geheimnisse des Auserwählten; Komm, Teilnehmerin an allen Kämpfen des edlen Athleten; (Komm, Schatz der Herrlichkeit; S) (Komm, Liebling der Barmherzigkeit des Höchsten; S) Komm, Ruhe (Schweigen), Die du die Großtaten der ganzen Größe offenbarst; Komm, die du Verborgenes enthüllst Und die Geheimnisse kundtust; Heilige Taube, Die die Zwillings-Jungen gebiert; Komm, verborgene Mutter; Komm, die du durch deine Taten offenbar bist und Freude spendest Und Ruhe für alle, die dir verbunden sind; Komm und nimm mit uns teil an dieser Eucharistie, Die wir in deinem Namen begehen, Und an dem Liebesmahl, Zu dem wir auf deinen Ruf versammelt sind. Und als er dies gesagt hatte, schnitt er auf das Brot das Kreuz ein, brach es und
fing an auszuteilen. Und zuerst gab er der Frau, indem er sprach: Gereiche dir dies zur Vergebung von Sünden und ewigen Vergehungen! Und (p. 167) nach ihr gab er auch den andern allen, die das Siegel empfangen hatten. 1
KoI. 3, 9f.
2
Röm. 16, 20.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
Sechste Tat Über den Jüngling, der das Mädchen getötet hatte 51 Es war aber ein Jüngling, der eine frevelhafte Tat vollbracht hatte. Als er hinzutrat und die Eucharistie mit seinem Mund nahm, vertrockneten seine beiden Hände, so daß er sie nicht mehr zu seinem Munde führen konnte. Als aber die Anwesenden ihn sahen, meldeten sie dem Apostel den Vorfall. Der Apostel aber rief ihn und sprach zu ihm: Sage mir, Kind, ohne Scheu: Was (war es), was du vollbracht hast und kamst hierher? Denn die Eucharistie des Herrn hat dich (einer bösen Tat) überführt. Denn diese Gabe bringt vielen, indem sie sie durchdringt, Heilung, besonders denen, die in Glauben und Liebe hinzugehen, dich aber hat sie dürr gemacht, und das Geschehene ist nicht ohne irgendein Tun (von deiner Seite) geschehen. Der Jüngling aber, von der Eucharistie des Herrn überführt, ging hinzu, :fiel dem Apostel zu Füßen, bat und sprach: Ein schlechtes Werk ist von mir getan worden, (obwohl) ich etwas Gutes zu tun glaubte. Ich liebte eine Frau, die außerhalb der Stadt in einer Herberge wohnte, und sie liebte mich auch. Als ich aber (die Predigt) von dir hörte (p. 168) und glaubte, daß du (den) lebendigen Gott verkündest, ging ich hinzu und empfing mit den anderen von dir das Siegel. Du sagtest aber: Wer unreinen Verkehr (mit einer Frau) pflegt, besonders im Ehebruch, der wird kein Leben bei dem Gott haben, den ich verkündige. Da ich sie nun sehr liebte, bat ich sie und suchte sie zu überreden, daß sie mir in Keuschheit und reinem Wandel, den du selbst lehrst, Hausgenossin werde. Sie aber wollte nicht. Weil sie nun nicht wollte, nahm ich ein Schwert und tötete sie. Denn ich konnte sie nicht mit einem anderen Ehebruch treiben sehen. 52 Als der Apostel dies hörte, sprach er: 0 wahnwitziger Geschlechtsverkehr, wie schreitest du voran in der Schamlosigkeit! 0 nicht zu bändigende Begierde, wie hast du diesen aufgeregt, dies zu tun! 0 Schlangenwerk, wie wütest du in den Deinigen! Der Apostel befahl nun, ihm in einer Schüssel Wasser zu bringen. Und als das Wasser gebracht war, sprach er: Kommt, Wasser von den lebendigen Wassern, das Seiende von dem Seienden her, uns gesandt; Ruhe, die von der Ruhe her uns gesendet wurde; Kraft der Rettung, die von jener Kraft kommt, die das All besiegt und ihrem eigenen Willen unterordnet - komm und wohne in diesen Wassern, damit ihnen die Gabe des Heiligen Geistes vollkommen mitgeteilt werde! Und er sprach zu dem Jüngling: Geh, wasche deine Hände in diesen Wassern! Und als er gewaschen hatte, (p. 169) wurden sie wiederhergestellt. Und der Apostel sprach zu ihm: Glaubst du an unsern Herrn Jesus Christus, daß er alles machen kann? Er aber sprach: Wenn ich auch sehr schwach bin, so glaube ich doch. Ich habe dies aber in der Meinung vollbracht, etwas Gutes zu tun. Denn ich bat sie, wie ich dir auch schon sagte; sie aber wollte mir darin nicht gehorchen, sich keusch zu bewahren. 53 Da sprach der Apostel zu ihm: Komm, laß uns zu der Herberge gehen, wo du diese Tat vollbrachtest, und das Geschehene sehen! Der Jüngling ging auf dem Wege vor dem Apostel her. Als sie zu der Herberge gekommen waren, fanden sie sie liegen. Und als der Apostel sie sah, war er betrübt, denn das Mädchen war von schöner Gestalt. Und er befahl, sie in die Mitte der Herberge zu bringen. Und sie legten sie auf ein Bett, trugen sie hinaus und stellten sie mitten auf den Hof der Herberge. Und der Apostel legte ihr seine Hand auf und fing an zu sprechen: Jesus, der du uns jederzeit erscheinst
5. Thomasakten
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- denn du willst, daß wir dich immer suchen, und hast uns selbst die Erlaubnis gegeben zu bitten und zu empfangen, und hast uns nicht nur dies erlaubt, sondern hast uns auch das Beten gelehrt! -, der du mit unseren körperlichen Augen nicht gesehen wirst, vor denen unserer Seele aber keineswegs verborgen bist und dem Ansehen nach zwar verborgen bist, in deinen Werken uns aber geoffenbart wirst; (p. 170) und durch deine vielen Taten haben wir, soweit wir (sie) begreifen, dich erkannt; du aber selbst hast uns ohne Maß deine Gaben gegeben, indem du sagtest: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan 2. Wir bitten nun, weil wir wegen unserer Sünden Furcht haben. Wir bitten dich aber nicht um Reichtum, weder um Gold noch um Silber noch um Vieh noch um ein anderes der von der Erde kommenden und wieder zur Erde zurückkehrenden Dinge, sondern deshalb bitten wir dich und rufen um deine Hilfe, daß du in deinem heiligen Namen diese, die hier liegt, durch deine Kraft auferweckst, (dir) zum Ruhm und den Anwesenden zur (Erweckung und Stärkung des) Glaubens. 54 Und er sprach zu dem Jüngling, nachdem er ihn versiegelt hatte: Geh, fasse ihre Hand und sprich zu ihr: Ich habe dich mit meinen Händen durch Eisen getötet und mit meinen Händen erwecke ich dich wegen des Glaubens an Jesus. Der Jüngling ging also hinzu, trat neben sie und sprach: Ich habe an dich geglaubt, Christus Jesus. Und während er auf den Apostel Judas Thomas blickte, sprach er zu ihm: Bete (für mich), damit mein Herr, den ich auch anrufe, zu meiner Hilfe kommt. Und indem er seine Hand auf ihre Hand legte, sprach er: (p.I71) Komm, Herr Jesus Christus, gib dieser das Leben und mir das Unterpfand deines Glaubens! Und als er sie an der Hand zog, sprang sie sogleich auf und setzte sich, die Blicke auf das dabeistehende zahlreiche Volk gerichtet. Sie sah auch den Apostel ihr gegenüberstehen, verließ ihr Bett, sprang auf, :fiel ihm zu Füßen, ergriff seine Kleider und sprach: Ich bitte dich, mein Herr, wo ist jener andere, der mit dir zusammen war, der mich nicht an jenem schrecklichen und schlimmen Ort bleiben ließ, sondern mich dir übergeben hat, indem er sprach: Übernimm du diese, damit sie vollendet und danach an ihren Ort versammelt werde? 55 Der Apostel aber spricht zu ihr: Erzähle uns, wo du gewesen bist. Sie aber antwortete: Du, der du mit mir warst, dem ich auch übergeben wurde, du willst es hören? Und sie :fing an zu erzählen: Ein Mensch empfing mich, von Ansehen häßlich, ganz schwarz; sein Kleid aber war sehr beschmutzt. Und er führte mich an einen Ort 3 , an dem viele Klüfte waren, und viel übler Geruch und sehr häßliche Ausdünstung verbreitete sich von dort. Er veranlaßte mich aber, in jede Kluft hineinzublicken, und ich sah in der (ersten) Kluft brennendes Feuer, und Feuerräder liefen (hierhin und) ·dorthin, und Seelen hingen auf jenen Rädern, aneinander anschlagend. Geschrei aber und sehr viel Jammern war daselbst, und kein Erlöser war da. Und jener Mann sprach zu mir: Diese Seelen sind dir stammverwandt (p. 172) und wurden in den Tagen der Zählung zur Strafe und Vernichtung übergeben. Und dann (wenn die Züchtigung einer jeden beendet ist) werden andere statt ihrer hineingeführt, in gleicher Weise aber werden wiederum auch sie in eine andere (Kluft) geführt. Das sind die, welche das Zusammenleben von Mann und Frau verkehrt haben. Und indem ich beobachtete, sah ich (neugeborene) Kinder aufeinander gehäuft und miteinander ringen und einander angreifen. Der aber hob an und sprach zu mir: 1 3
Vgl. Mt. 6, 5ff.; Lk. 11, lff. Vgl. Offenbarung des Petrus, s.o., S.475ff.
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Mt. 7, 7.
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XIII. Apo8telgeschichten de8 2. und 3. Jahrhundert8
Das sind deren Kinder, und sie wurden deshalb hierher gesetzt zum Zeugnis über sie. 56 Er brachte mich aber zu einer anderen Kluft, und als ich hineinschaute, sah ich Schlamm und Gewürm hervorquellen und Seelen sich dort wälzen und (hörte) großes Knirschen von dorther aus ihrer Mitte hervordringen. Und jener Mensch sprach zu mir: Das sind die Seelen von Frauen, welche ihre Männer (und von Männern, welche ihre Frauen) verlassen und mit andern Ehebruch getrieben haben und in diese Qual gebracht worden sind. Eine andere Kluft zeigte er mir, und als ich in sie hineinschaute, sah ich Seelen, von denen die einen an der Zunge hingen, die andern an den Haaren, andere an den Händen, andere an den Füßen mit nach unten hängendem Kopf und (alle) von Rauch und Schwefel dampfend. Über diese gab mir der Mann, der mich begleitete, folgende Auskunft: Diese Seelen, welche an der Zunge hängen, sind verleumderische und die falsche und häßliche·Worte reden und sich (dessen) nicht schämen. Die aber an den Haaren Hängenden sind die Schamlosen und die sich durchaus nicht scheuen (p. 173) und die barhäuptig in der Welt umhergehen. Die aber an den Händen Hängenden sind die, welche das Fremde wegnahmen und stahlen und den Ärmeren niemals etwas freiwillig gaben noch die Bedrängten unterstützten (und) so handelten, weil sie alles nehmen wollten und sich durchaus nicht um Recht und Gesetzgebung kümmerten. Die aber verkehrt an den Füßen Hängenden sind die, welche leichtsinnig und bereitwillig (auf) bösen Wegen und ungeordneten Bahnen laufen, Kranke nicht besuchen und die aus dem Leben Scheidenden nicht bestatten. Und deshalb empfängt eine jede Seele, was sie getan hat. 57 Wiederum führte er mich fort und zeigte mir eine sehr dunkle Höhle, die viel üblen Geruch aushauchte; viele Seelen aber schauten aus von dorther, indem sie in irgendeinem Maß an der Luft teilhaben wollten. Ihre Wächter aber ließen sie nicht ausschauen. Und mein Begleiter sprach zu mir: Dies ist das Gefängnis dieser Seelen, die du gesehen hast. Denn wenn sie ihre Strafen für das, was eine jede getan hat, voll empfangen haben, lösen andere sie ab. Einige aber werden völlig verzehrt, einige zur Erleidung noch anderer Strafen übergeben. Es sprachen nun zu dem Manne, der mich übernommen hatte, die Wächter der in der dunklen Höhle befindlichen Seelen: Gib sie uns, damit wir sie zu den anderen führen, bis (p. 174) die Zeit kommt, daß sie zur Bestrafung übergeben wird. Der aber antwortete ihnen: Ich gebe sie euch nicht, da ich mich vor dem fürchte, der sie mir übergeben hat. Denn mir wurde nicht befohlen, sie hier zurückzulassen; ich bringe sie mit mir hinauf, bis ich Befehl über sie empfange. Und er nahm mich und führte mich an einen anderen Ort, an welchem Menschen waren, die bitter gequält wurden. Der dir Ähnliche aber nahm mich und übergab mich dir, indem er zu dir sagte: Übernimm diese, denn sie ist eins von den Schafen, die sich verirrt haben. Und du nahmst mich, und so stehe ich jetzt vor dir. Ich bitte dich nun und flehe dich an, daß ich nicht an jene Straforte komme, die ich gesehen habe! 58 Der Apostel aber sprach: Ihr habt gehört, was diese Frau erzählt hat. Es gibt aber nicht allein diese Strafen, sondern noch andere, die schlimmer als diese sind. Auch ihr aber werdet, wenn ihr euch nicht zu diesem Gott, den ich predige, wendet und euch von eueren früheren Werken fernhaltet und den Taten, die ihr unwissentlich vollbrachtet, in diesen Strafen euer Ende finden. Glaubt also an Christus J esus, so vergibt er euch die vordem getanen Sünden und wird euch von (p. 175) allen eueren körperlichen Begierden reinigen, die auf der Erde bleiben, und wird euch von den Vergehungen heilen, die euch begleiten und mit euch fortgehen und vor euch gefunden werden. Ein jeder von euch ziehe also den alten Men-
5. Thomasakten
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sehen aus und ziehe den neuen anl , eure erste Lebensweise aber und Wandel gebt auf! Und die Diebe sollen nicht mehr stehlen, sondern sich mühen und arbeiten und (davon) leben2 • Und die Ehebrecher sollen keine Unzucht mehr treiben, dalnit sie sich nicht der ewigen Strafe überantworten. Denn der Ehebruch ist bei Gott viel schlimmer als alle anderen bösen Werke. Legt aber auch die Habsucht ab und die Lüge und die Trunkenheit und die Verleumdung und vergeltet nicht Böses lnit Bösem3 . Denn dies alles ist dem Gott, der von lnir gepredigt wird, fremd und zuwider. Sondern wandelt vielmehr im Glauben und in Sanftmut und in Heiligkeit und in Hoffnung, über welche sich Gott freut, dalnit ihr seine Hausgenossen werdet, indem ihr von ihm die Gaben erwartet, die nur einige wenige empfangen. 59 Das ganze Volk nun glaubte, und sie übergaben dem lebendigen Gott und Christus Jesus gehorsame Seelen, indem sie sich der gesegneten Werke (p. 176) des Höchsten und seines heiligen Dienstes erfreuten. Sie brachten aber viel Geld zur Bedienung der Witwen. Denn er hatte sie in den Städten versammelt, und (ihnen allen) schickte er durch seine Diakone das Notwendige, sowohl Kleidung als auch besonders das zur Nahrung Erforderliche. Er selbst aber hörte nicht auf, zu predigen und zu ihnen zu reden und zu zeigen, daß dieser sei Jesus der Christus, von dem die Schriften verkündet hatten, daß er nach seinem Kommen gekreuzigt und nach drei Tagen von den Toten erweckt werden würde. Er zeigte ihnen aber auch, indem er erklärte und von den Propheten anhob, was über den Christus gesagt war, daß er kommen und durch ihn alles zuvor über ihn Verkündete zur Vollendung gebracht werden müßte 4. Und die Kunde von ihm verbreitete sich in alle Städte und Dörfer. Und alle, die Kranke hatten oder solche, die von unreinen Geistern belästigt wurden, brachten sie herbei. Manche legten sie aber auch auf den Weg, auf dem er durchkommen sollte. Und er heilte alle durch die Kraft des Herrn. Da sprachen alle durch ihn Geheilten einmütig und mit einer Stimme: Dir sei Preis, J esus, der du auf gleiche Weise (allen) Heilung gewährt hast durch deinen Knecht (p.177) und Apostel Thomas! Und gesund und voller Freude bitten wir dich, daß wir (Glieder) deiner Herde und deinen Schafen zugezählt werden! Nimm uns doch an, Herr, und rechne lIDS unsere Fehltritte und (früheren) Vergehungen nicht an, die wir begangen haben, als wir in Unwissenheit waren! 60 Der Apostel aber sprach: Preis sei dem Eingeborenen vom Vater 5, Preis dem Erstgeborenen von vielen Brüdern6 , Preis dir, dem Helfer und Beistand derer, die zu dir Zuflucht nehmen, Schlafloser und der, der die Schlafenden erweckt, Lebendiger und der, der die, welche im Tode liegen, lebendig macht, Gott Jesus Christus, des lebendigen Gottes Sohn, Erlöser und Helfer, Zuflucht und Ruhe aller, die in deiner Arbeit müde werden, der du aber denen Heilung gibst, die um deines Namens willen die Last und Hitze des Tages 7 ertragen: wir danken den uns von dir gegebenen Gnadengaben und der uns von dir geschenkten Hilfe und deiner Versorgung, die von dir her auf uns gekommen ist. 61 Vollende nun dies an uns bis zum Ende, dalnit wir freudige Zuversicht zu dir haben. Blicke auf uns (und sieh), daß wir um deinetwillen unsre Häuser und unser väterliches Gut verlassen habenS und um deinetwillen gern und freiwillig Fremdlinge geworden sind. Blicke auf uns, Herr, (und sieh), (p. 178) daß wir den eigenen Besitz um deinet1
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Vglo Kolo 3, 9. 1. Petr. 3, 9. Joh. 1, 14. Mt. 20,12.
2 4
8 8
V glo Eph. 4, 28. Vglo Lk. 24, 27. Röm. 8,29. Vglo Mt. 19,27.29.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
willen aufgegeben haben, damit wir dich, den unentreißbaren Besitz, gewännen. Blicke auf uns, Herr, daß wir unsere Verwandten verlassen haben, um mit deiner Verwandtschaft vereinigt zu werden. Blicke auf uns, Herr, die wir unsere Väter und Mütter und Ernährer verlassen haben, um deinen Vater zu schauen und mit seiner göttlichen Nahrung gesättigt zu werden. Blicke auf uns, Herr, denn um deinetwillen haben wir unsere leiblichen Ehefrauen und unsere irdischen Früchte verlassen, um an jener bleibenden und wahrhaftigen Gemeinschaft teilzuhaben und wahrhaftige Früchte hervorzubringen, deren Natur von oben stammt, (die) niemand von uns nehmen kann, bei denen wir bleiben und sie bleiben bei uns. Siebente Tat Über den Kriegsobersten 62 Als der Apostel Thomas in ganz Indien das Wort verkündigte, kam ein Kriegsoberster des Königs Misdai (Masdai S) zu ihm und sprach zu ihm: Ich habe von dir gehört, daß du von niemand Lohn nimmst, sondern (alles), was du hast, den Bedürftigen gibst. Denn wenn du Lohn nähmest, hätte ich dir eine angemessene Summe Geldes gesandt, und ich selbst wäre nicht hierher gekommen, denn der König führt nichts ohne mich aus. Denn ich habe viele Güter und bin reich, einer der (p. 179) Wohlhabenden in Indien. Ich habe aber niemals irgendwem Unrecht zugefügt. Das Gegenteil aber ist mir widerfahren. Ich habe eine Frau und hatte von ihr eine Tochter; und ich liebe sie (die Gattin) sehr, wie auch die Natur verlangt, und habe es mit keiner anderen Frau versucht. Es geschah aber, daß in unserer Stadt eine Hochzeit stattfand, und die, die Hochzeit machten, waren mir sehr befreundet. Sie kamen nun und baten mich (um meine Einwilligung), indem sie sie (meine Frau) und ihre Tochter einluden. Da sie mir sehr befreundet waren, konnte ich es nicht abschlagen. Ich sandte sie nun, obwohl sie nicht gehen wollte, schickte aber auch viele Sklaven und Diener mit ihnen. Sie gingen also fort, reich geschmückt, sie und ihre Tochter. 63 Als es Abend geworden war und es Zeit (war), von der Hochzeit aufzubrechen, da sandte ich ihnen Lampen und Fackeln entgegen. Und ich stand auf der Straße und schaute aus, wann sie kommen und ich sie zugleich mit meiner Tochter sehen würde. Und als ich so stand, hörte ich Klagegeschrei. Wehe ihr! hörte man aus jedem Munde. Die Sklaven kamen mit zerrissenen Kleidern zu mir und meldeten, was geschehen war. Wir sahen, sprachen sie, einen Mann und einen Knaben bei ihm. Und der Mann legte seine Hand an deine Frau und (p. 180) der Knabe an deine Tochter. Sie aber flohen vor ihnen. Wir aber verwundeten sie mit den Schwertern, doch unsere Schwerter fielen zu Boden, und gleichzeitig fielen sie (die Frauen) nieder, wobei sie mit den Zähnen knirschten und ihre Köpfe auf die Erde schlugen. Und als wir dies sahen, kamen wir, es dir zu melden. Und als ich dies von den Sklaven hörte, zerriß ich mein Gewand und schlug mein Gesicht mit den Händen und lief, als wäre ich wahnsinnig geworden, den Weg entlang. Und als ich losgerannt war, fand ich sie auf dem Markt hingestreckt. Und ich nahm und brachte sie in mein Haus und nach langer Zeit kamen sie zur Besinnung, und nachdem sie aufgerichtet waren, setzten sie sich. 64 Ich begann nun meine Frau auszuforschen. Was ist dir widerfahren? Sie aber sagte mir: Hast du nicht erkannt, was du mir angetan hast? Denn ich bat dich, (mich) nicht zur Hochzeit zu schicken, da es um mein körperliches Befinden nicht wohl bestellt war. Und
5. Thomasakten
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als ich auf dem Wege fortging und nahe an die Leitung gekommen war, in der das Wasser floß, sah ich einen schwarzen Mann mir gegenüberstehen, der seinen Kopf
Vgl. Mk. 9, 24. Vgl. 2. Mose 32.
2
Vgl. Mk. 6, 45ff. parr.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
seinetwillen auf sich laden, und den Sündenschmutz (nehmen sie) mit sich. Selten aber werden Reiche in der Übung von Barmherzigkeit gefunden. Die Barmherzigen aber (p. 184) und die vOn Herzen Demütigen - sie werden das Reich Gottes erben 1. (Auch) die Schönheit bleibt dem Menschen nicht. Denn die, welche sich darauf verlassen, werden, wenn das Alter eintritt, plötzlich beschämt werden. Alles nun hat seine Zeit: es wird zeitweise geliebt und zeitweise gehaßt 2 • Es gründe sich also die Hoffnung auf Jesus Christus, den Sohn Gottes, der immer geliebt und immer begehrt wird; und gedenkt unser, wie wir euer gedenken! Denn auch wir (selbst sind, wenn wir nicht die Last der Gebote tragen), nicht würdig, Prediger dieses Namens zu sein, und werden später dort Strafe leiden. 67 Und nachdem er mit ihnen gebetet hatte und lange Zeit im Gebet und in der Bitte geblieben war, befahl er sie dem Herrn und sprach: Herr, der du Herr jeder Seele bist, die in einem Körper wohnt; Herr, Vater der Seelen, die auf dich die Hoffnungen setzen und dein Erbarmen erwarten, der du die dir eigenen Menschen vom Irrtum erlöst und von der Knechtschaft und vom Verderben diejenigen befreist, die dir untertan sind und zu dir Zuflucht nehmen, komm du zu der Herde Xenophons, salbe sie mit heiligem Öl, heile sie von den Wunden und bewahre (p. 185) sie vor den raubenden Wölfen! Und er legte seine Hand auf sie und sprach: Der Friede des Herrn komme auf euch und gehe auch mit uns! Achte Tat Über die wilden Esel 68 Der Apostel ging nun aus, um auf dem Wege fortzugehen. Es geleiteten ihn aber alle mit Tränen und beschworen ihn, ihrer in seinen Gebeten zu gedenken und sie nicht (zu vergessen). Als er nun aufgestiegen war und sich auf den Wagen gesetzt hatte und alle Brüder zurückgeblieben waren, ging der Kriegsoberste hinzu, befahl dem Wagenlenker aufzustehen und sprach: Ich bitte und bete, gewürdigt zu werden, unter seinen Füßen zu sitzen, und will sein Wagenlenker auf diesem Wege werden, damit er mein Geleiter auf jenem Wege werde, auf welchem nur wenige gehen. 69 Als sie nun einen Weg von ungefähr zwei Meilen zurückgelegt hatten, bat der Apostel den Kriegsobersten, hieß ihn aufstehen und ließ ihn neben sich setzen, indem er dem Wagenlenker erlaubte, sich auf seinen eigenen Platz zu setzen. Als sie aber auf dem Wege weiterfuhren, geschah es, daß die Zugtiere infolge der großen Hitze müde geworden waren und sich durchaus nicht mehr bewegen (konnten). Der Kriegsoberste wurde betrübt und war ganz verzweifelt, indem er erwog, auf eigenen Füßen (p. 186) hinzugehen und für den Wagen andere Zugtiere herbeizuholen. Der Apostel aber sprach: Dein Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht 3, sondern glaube an Jesus Christus, den ich dir verkündigt habe, so wirst du große Wunder sehen! Als er umherschaute, sah er eine Herde Wildesel neben dem Wege weiden. Und er sprach zu dem Kriegsobersten: Wenn du an Christus Jesus (glaubst), so geh zu jener Wildeselherde und sprich: Es sagt euch Judas Thomas, der Apostel Christi, des neuen Gottes: Vier von euch sollen kommen, die, derer wir bedürfen. 70 Und der Kriegsoberste ging hin, obwohl er sich fürchtete. Denn es waren viele (Esel). Und als er losging, kamen sie ihm entgegen. Als sie nahe gekommen waren, 1
3
Vgl. Mt. 5, 7; 11,29. Vgl. Joh. 14,27.
2
Vgl. Pred. Sal. 3,1-8.
5. Thomasakten
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sprach er zu ihnen: Judas Thomas, der Apostel des neuen Gottes, befiehlt euch: Vier von euch sollen kommen, die, derer ich bedarf. Als die Wildesel das gehört hatten, kamen sie einmütig im vollen Lauf zu ihm. Und nachdem sie gekommen waren, fielen sie vor ihm auf die Knie*. Der Apostel aber sprach zu ihnen: Friede sei mit euch! Spannt vier (von euch) anstatt dieser beiseite gestellten Zugtiere unters Joch! Und jeder von ihnen kam heran und drängte sich dazu, eingespannt zu werden. Es waren dort nun vier, die stärker waren (als die anderen), und diese wurden eingespannt. (p. 187) Die anderen aber gingen teils voran, teils folgten sie. Als sie aber einen kurzen Weg zurückgelegt hatten, entließ er (sie), indem er sprach: Euch Bewohnern der Wüste sage ich: Geht auf eure Weideplätze! Denn wenn ich alle brauchte, würdet ihr alle mit mir kommen. Nun aber geht an euern Ort, an dem ihr euch (aufhieltet)! Sie aber gingen in Ruhe fort, bis sie nicht mehr zu sehen waren. 71 Als der Apostel, der Kriegsoberste und der Wagenlenker (sich setzten S), zogen die Wildesel in Ruhe und gleichmäßig, um den Apostel Gottes nicht zu erschüttern. Als sie aber in die Nähe des Stadttores gekommen waren, bogen sie ab und blieben vor den Toren des Hauses des Kriegsobersten stehen. Der Kriegsoberste aber sprach: Es ist mir nicht gestattet (nicht möglich), das Vorgefallene zu erzählen, sondern ich will den Ausgang abwarten und dann reden. Die ganze Stadt kam nun, nachdem sie die wilden Esel angejocht gesehen hatte. SIe hörten aber auch gerüchtweise vom Apostel, daß er sich dort aufhalten wollte. Der Apostel aber fragte den Kriegsobersten: Wo ist deine Wohnung, und wohin führst du uns1 Der aber sprach zu ihm: Du selbst weißt, daß wir vor den Türen stehen, und diese, die auf deinen Befehl mit dir gekommen sind, wissen es besser als ich. 72 Als er dies gesagt hatte, ließ er sich vom Wagen hinab. Der Apostel fing nun an zu sagen: Jesus Christus, (dessen Erkenntnis in diesem Lande verschmäht wird S), Jesus Christus, dessen Ruf in dieser Stadt fremd ist, Jesus, der du alle (p. 188) Apostel in jedem Lande und in jeder Stadt aufnimmst, und alle deiner Würdigen werden durch dich verherrlicht, J esus, der du eine Gestalt angenommen hast und wie ein Mensch geworden
* Hier hat der Syrer folgenden Hymnus des .Apostels: Gepriesen seist du, Gott der Wahrheit und Herr aller Wesen, daß du in deinem Willen gewollt und alle deine Werke gemacht und alle deine Geschöpfe vollendet und sie zur Ordnung ihrer Natur gebracht und auf sie alle deine Furcht gelegt hast, daß sie sich deinem Befehl unterwerfen. Und dein Wille hat den Weg gebahnt von deiner Verborgenheit zum Offenbaren und hat jede Seele, die du gemacht hast, versorgt. Und er wurde verkündigt durch den Mund aller Propheten in allen Gesichten, Stimmen und Gesängen. .Aber Israel gehorchte nicht wegen seiner bösen Neigung. Und weil du Herr von allem bist, trägst du auch Sorge für deine Geschöpfe, daß du über uns deine Barmherzigkeit ausbreitetest in dem, der durch deinen Willen gekommen ist und den Körper, dein Geschöpf, angezogen hat; er, den du gewollt und gebildet hast nach deiner gepriesenen Weisheit; den du in deiner Verborgenheit verordnet und in deiner Offenbarung aufgerichtet hast; dem du den Namen "Sohn" beigelegt hast; der dein Wille (und) die Kraft deines Gedankens ist; die ihr in verschiedenen Namen, Vater, Sohn und Geist, seid wegen der Leitung deiner Geschöpfe, zur Ernährung aller Naturen, während ihr einer seid in Herrlichkeit, Macht und Willen. Und ihr seid geteilt, ohne getrennt zu sein, und einer, obgleich geteilt, und alles besteht in dir und ist dir untertan, weil alles dir gehört. Und ich vertraue auf dich, Herr, und durch deinen Befehl habe ich dieses sprachlose Tier unterworfen, daß du uns und sie (die Tiere) regiertest, weil es notwendig ist (eine Hs: daß du uns und sie versorgtest mit dem. was notwendig ist), und damit dein Name an uns und dem sprachlosen Tiere verherrlicht werde. 22 Henneoke, Apokryphen Bd. 2
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
und uns allen erschienen bist, um uns nicht von deiner Liebe zu trennen, Herr, du bist der, der sich für uns gegeben und durch dein Blut uns als einen teuern Besitz erkauft und erworben hat. Was aber haben wir dir, Herr, zu geben als Gegenzahlung für dein Leben!, das du für uns gegeben hast? (Denn was wir haben, ist dein Geschenk.) (Auch verlangst du von uns nichts S) als dies, daß wir dich bitten und (dadurch) das Leben haben. 73 Als er aber dies sagte, versammelten sich von allen Seiten viele, den Apostel des neuen Gottes zu sehen. Der Apostel sprach aber wieder: Was stehen wir müßig? Herr J esus, die Stunde ist da. Was verlangst du, daß geschehen som Befiehl also, daß das vollendet werde, was jetzt geschehen muß ... Der Apostel sprach aber zu einem der wilden Esel, welche auf der rechten Seite angejocht waren: Geh hinein in den Hof und stelle dich hin, ruf dorthin die Dämonen und sprich zu ihnen: Es sagt euch Judas Thomas, der Apostel und Schüler Jesu Christi: Kommt hierher heraus! (p.189) Denn um euretwillen und gegen euer Geschlecht bin ich gesandt worden, um euch zu vernichten und an euern Ort zu verfolgen, bis die Zeit der Vollendung kommt und ihr in eure finstere Tiefe hinabsteigt. 74 Der wilde Esel ging nun in Begleitung vielen Volks hinein und sprach: Euch sage ich, den Feinden J esu, der Christus genannt wird, euch sage ich, die ihr die Augen schließt, das Licht nicht zu sehen - denn die allerschlechteste Natur kann sich nicht zum Guten wandeln -, euch sage ich, den Kindern der Gehenna und des Verderbens, (den Kindern) dessen, der ohne Aufhören bis jetzt Böses tut, der immer seine Wirkungen und das seinem Wesen Entsprechende erneuert, euch sage ich, Unverschämteste, die ihr durch euch selbst zugrunde geht - was ich aber über euer Verderben und Ende sagen und was ich anraten soll, weiß ich nicht. Denn es gibt viele und zum Hören unermeßliche Dinge. Größer aber sind eure (Vergehungen) als die Strafe, die euch aufbewahrt ist. Dir aber, Dämon, und deinem Sohn, der dir folgt, sage ich, denn jetzt bin ich gegen euch gesandt worden - Weshalb mache ich aber viele Worte über eure Natur und Abstammung, die ihr selbst kennt, und seid doch unverschämt? Es befiehlt euch aber Judas Thomas, der Apostel Christi, des Jesus, der aus vieler Liebe und freundlicher Gesinnung hierher gesandt wurde: vor (p.190) allem hier stehenden Volk geht heraus und sagt mir, von welchem Geschlecht ihr seid! 75 Und sogleich kam die Frau mit ihrer Tochter heraus, (wie) tot und entehrt. Als der Apostel sie sah, wurde er betrübt, besonders wegen des Mädchens, und sprach zu den Dämonen: Euch möge keine Versöhnung und Schonung zuteil werden, denn ihr kennt (auch) keine Schonung und kein Mitleid. Im Namen Jesu, verlaßt sie und tretet zur Seite! Als dies der Apostel gesagt hatte, fielen die Frauen hin und starben. Denn sie hatten weder Atem noch gaben sie einen Laut von sich. Der Dämon aber antwortete, indem er mit lauter Stimme sprach: Bist du wieder hierher gekommen, du Verspotter unserer Natur und Sippe? Bist du wieder gekommen, der du unsere listigen Veranstaltungen (Spuren S) tilgst? Und wie mir scheint, willst du uns überhaupt nicht auf der Erde bleiben lassen. Das kannst du aber zu dieser Zeit nicht tun. Der Apostel erkannte aber, daß dies der Dämon war, der aus jener Frau ausgetrieben worden war. 76 Der Dämon aber sprach: Ich bitte dich, erlaube mir dahin zu gehen und da zu wohnen, wo du willst, und laß mich von dir einen Befehl dazu empfangen, so fürchte ich mich nicht vor dem Machthaber, der über mich Macht hat. Denn wie du gekommen bist, (ins Werk zu setzen), so bin ich gekommen, zu zerstören. Und wie dich der, welcher dich gesandt hat, 1
Vgl. Mk. 8,37 parr.; 2. Clem. 1.
5. Thoma8alcten
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bestraft, wenn du nicht seinen Willen erfüllst, so gehe ich, wenn ich nicht (p. 191) den Willen des, der mich gesandt hat, tue, vor der Zeit und bestimmten Frist in meine Natur ein. Und wie dir dein Christus bei dem hilft, was du ausrichtest, so hilft auch mir mein Vater bei dem, was ich ausrichte. Und wie er dir als Gefäße die bereitet, welche würdig sind, daß du darin wohnst, so sucht er (mein Vater) auch mir Gefäße aus, durch die ich seine Taten vollbringe. Und wie er seine Untergebenen ernährt und versorgt, so bereitet er (mein Vater) mir Strafen und Qualen samt denen, die meine Wohnungen geworden sind. Und wie er dir als Lohn für dein Wirken das ewige Leben gibt, so gewährt er (mein Vater) mir als Vergeltung für meine Werke das ewige Verderben. Und wie du dich an deinem Gebet und guten Werken und deinen geistlichen Hymnen erfreust, so erfreue ich mich an Morden und Ehebrüchen und den auf den Altären dargebrachten Weinopfern. Und wie du die Menschen zum ewigen Leben bekehrst, so verkehre ich die, welche mir gehorchen, zu ewiger Verdammnis und Bestrafung. Und du empfängst dei(nen Lohn), ich (den) meinigen. 77 Als der Dämon dies und anderes mehr zu ihm gesagt hatte, (p. 192) sprach der Apostel: Jesus befiehlt dir und deinem Sohn durch mich, daß (ihr) nicht mehr in eine Menschenwohnung (eingeht), sondern zieht aus und geht und wohnt gänzlich außerhalb der Wohnung der Menschen! Aber die Dämonen sprachen zu ihm: Einen harten Befehl hast du uns gegeben. Was wirst du aber gegen die unternehmen, die jetzt vor dir verborgen sind ~ Denn die Verfertiger ( .. ) der Götzenbilder freuen sich ihrer mehr als du, und die Menge betet sie (.) an und tut ihren Willen, indem sie ihnen opfert und durch Spenden (aus) Wein und Wasser Nahrung zuführt (und Weihgeschenke darbringt). Und der Apostel sprach: Auch sie werden jetzt mit ihren Taten vernichtet werden. Und plötzlich wurden die Dämonen unsichtbar. Die Frauen aber lagen wie Tote hingestreckt und hatten keine Stimme mehr. 78 Und die wilden Esel standen beieinander und trennten sich nicht voneinander; aber der wilde Esel, dem durch die Kraft des Herrn die Rede verliehen worden war, sprach zum Apostel, während alle schwiegen und hinsahen, was sie denn (p. 193) tun würden: Was stehst du müßig, Apostel Christi, des Höchsten, der darauf hinsieht (erwartet), daß du ihn um das schönste Wissen bittest~ Was zögerst du also~ Denn dein Lehrer will seine Großtaten durch deine Hände zeigen. Was stehst du, Herold des Verborgenen ~ Denn dein Meister will durch dich das Geheime bekannt machen, indem er es für die aufbewahrt, die er für würdig hält, es zu hören. Warum ruhst du, der du große Taten im Namen des Herrn vollbringst~ Denn dein Herr ermuntert dich, indem er Mut in dir erzeugt. Fürchte dich also nicht! Denn er wird keine Seele verlassen, die dem Geschlecht nach zu dir gehört. Fang also an, ihn anzurufen, so wird er dich bereitwillig hören. Was stehst du und bewunderst alle seine Taten und Wirkungen~ Denn diese Dinge sind gering, die er durch (dich) gezeigt hat. Und was willst du über seine großen Gaben erzählen~ Denn du wirst nicht imstande sein, sie völlig auszusagen. Was wunderst du dich aber über seine körperlichen Heilungen, (die doch vergehen S), besonders da du die zuverlässige und bleibende Heilung kennst, die er denen, die (sein Eigentum) sind, gewährt~ Und warum blickst du auf dieses zeitliche Leben hin, und über das ewige denkst du nicht nach~ 79 (p. 194) Euch aber, Volksmengen, die ihr dabeisteht und erwartet, daß die zu Boden gestreckten (Frauen) erweckt werden, sage ich: Glaubt dem Apostel J esu Christi! Glaubt dem Lehrer der Wahrheit! Glaubt dem, der euch die Wahrheit zeigt! Glaubt an Jesus! Glaubt an Christus, der geboren wurde, damit die Geborenen durch sein Leben das Leben hätten, der auch (ein Kind wurde und 22*
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auferzogen ward), damit (die vollkommene Menschheit durch ihn) zur.Erscheinung käme. Er lehrte seine eigenen (Lehrer)1, denn er ist der Lehrer der Wahrheit und der Weiseste der Weisen, der auch im Tempel die Gabe darbrachte 2, um zu zeigen, daß alle Darbringung (durch ihn) geheiligt werde. Dieser da ist sein Apostel, der Offenbarer der Wahrheit. Dieser ist es, der den Willen dessen ausrichtet, der ihn gesandt hat. Es werden aber Lügenapostel und Propheten der Gesetzlosigkeit kommen, deren Ende nach ihren Taten sein wird3 , welche zwar predigen und Gesetz geben, daß man vor der Gottlosigkeit fliehen solle, selbst aber zu aller Zeit in Sünden befunden werden. Sie sind zwar mit Scha/s/ellen bekleidet, inwendig aber sind sie reißende Wöl/e 4 ; sie, welche, mit einem Weibe nicht zufrieden, viele Frauen verderben; sie, welche sagen, daß sie Kinder verachten und viele Kinder (zugrunde richten), (p. 195) für welche sie Strafe erleiden; die mit ihrem Besitz nicht (zufrieden sind), sondern wollen, daß alles (Brauchbare) ihnen allein diene, während sie doch von sich aussagen, daß sie seine (Christi) Jünger seien; und mit ihrem Munde reden sie so, in ihrem Herzen aber denken sie anders; den andern gebieten sie, sich vor den Schlechtigkeiten zu sichern, sie selbst aber vollbringen nichts Gutes; die für Mäßige gehalten werden und den anderen gebieten, sich der Hurerei, des Diebstahls und der Habsucht zu enthalten, (heimlich aber alle diese Dinge selbst ausüben), während sie die andern lehren, sie nicht auszuüben. 80 Als der wilde Esel dies (aussagte), blickten alle auf ihn. Und als er schwieg, sprach der Apostel: Was ich über deine Schönheit, Jesus, denken und was ich über dich aussagen soll, weiß ich nicht. Vielmehr aber, ich vermag es nicht. Denn ich bin nicht imstande, Christus, es völlig a.uszusagen, Ruhender und Einziger, der weise ist, der allein, was im Herzen ist, kennt und den Inhalt des Gedankens versteht - dir sei Preis, Barmherziger und Gelassener; dir sei Preis, weises Wort *; Preis sei deiner Barmherzigkeit, die über uns ausgegossen ist; Preis sei deinem Mitleid, das über uns ausgebreitet ist; Preis sei deiner Majestät, die sich um unsertwillen herabgelassen hat; Preis sei deinem höchsten Reiche, das sich um unsertwillen erniedrigt hat; Preis sei deiner Stärke, die (p. 196) um unsertwillen schwach wurde; Preis sei deiner Gottheit, die um unsertwillen in einem Menschenbilde erschien; Preis sei deiner Menschheit, die um unsertwillen starb, um uns lebendig zu machen; Preis sei deiner Auferstehung von den Toten, denn durch sie wird unsern Seelen Auferstehung und Ruhe zuteil; Preis und Ruhm sei deiner Auffahrt in den Himmel, denn durch sie hast du uns den Weg zur Höhe gezeigt, nachdem du uns versprochen hattest, daß wir zu deiner Rechten sitzen und mit dir die zwölf Stämme Israels r?;chten sollten 5 • Du bist das himmlische Wort des Vaters, du bist das verborgene Licht des Verstandes, du bist der, welcher den Weg der Wahrheit zeigt, 0 Verfolger der Finsternis und Vernichter des Irrtums! 81 Als der Apostel dies gesagt hatte, trat er zu den Frauen hin und sprach: Mein Herr und mein Gott, ich zweifle nicht an dir noch rufe ich dich im 1 Vgl. Kindheitserzählung des Thomas 6-8; 14 u. 15; 19, Bd. I, S. 294ff. • Vgl. Mt. 17,27. 3 Mt. 7, 15; 24, H parr.; 2. Petr. 2,1; 2. Kor. H, 13. 15. , Mt. 7, 15. * Hier hat der Syrer: Wie ich dich nennen soll, weiß ich nicht. 0 Edler, Schweigsamer, Ruhiger und Sprechender, Sehender, der du im Herzen, und Suchender, der du im Verstand bist. Preis dir Gnädigem, Preis dir lebendigem Wort; Preis dir, der du viele Gestalten hast; Preis sei deiner Barmherzigkeit ... 6 Mt. 19, 28; vgl. 20, 23.
5. Thomasakten
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Unglauben an, der du jederzeit unser Helfer und Beistand und Wiederaufrichter bist, der du uns deine Kraft einhauchst, uns ermutigst und deinen Knechten Freimut in Liebe gibst, ich bitte dich: mögen diese Seelen geheilt aufstehen und so werden, wie sie waren, bevor sie von den Dämonen geschlagen wurden! Als er dies aber gesagt hatte, wendeten sich die Frauen (p. 197) und setzten sich. Und der Apostel befahl dem Kriegsobersten, daß seine Diener sie nähmen und hineinführten. Als sie aber hineingegangen waren, sprach der Apostel zu den Wildeseln: Folgt mir! Und (sie folgten ihm S) bis außerhalb der Tore. Und als sie herausgegangen waren, sprach er: Geht in Frieden auf eure Weideplätze! Die Wildesel gingen nun bereitwillig fort. Der Apostel aber stand und achtete auf sie, damit ihnen nicht von jemand ein Unrecht zugefügt würde, bis sie, weit weg, unsichtbar wurden. Da kehrte der Apostel mit der Menge in das Haus des Kriegsobersten zurück.
Neunte Tat Über die Frau des Charis 82 Es traf sich aber, daß eine Frau, (die Frau) von Charis, dem nahen Verwandten des Königs, namens Mygdonia, kam, die (neue Erscheinung des neuen Gottes, der gepredigt wurde,) und den neuen Apostel zu schauen und zu sehen, der sich in ihrem Lande aufhielt. Sie wurde aber von ihren Sklaven getragen, aber wegen des vielen Volks und des engen Raumes konnten sie sie nicht zu ihm hineinführen. Sie schickte aber zu ihrem Manne, er solle ihr mehr von ihren Dienern senden. Sie kamen nun und (gingen vor ihr her), dabei die Leute drängend (p. 198) und schlagend. Als aber der Apostel es sah, sprach er zu ihnen: Weshalb (veranlaßt ihr die zur Umkehr), welche kommen, das Wort zu hören und auch Bereitwilligkeit dazu haben1 Ihr aber wollt bei mir sein, während ihr doch fern seid - wie von dem Volke gesagt worden ist, das zum Herrn kam: Ihr habt Augen und seht nicht, und ihr habt Ohren und hört nicht l . Und er sprach zu der Volksmenge: Wer Ohren hat zu hören, der höre!! Und: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken 3 ! 83 Indem er aber auf ihre (Mygdonias) Träger hinblickte, sprach er zu ihnen: Diese Seligpreisung und diese Ermahnung', die jenen zuteil geworden, (ist jetzt euch selbst widerfahren), die ihr belastet seid. Ihr seid es, die unerträgliche Bürden tragen, die ihr durch ihren (der Frau) Befehl (vorwärts getrieben werdet). Und obwohl ihr Menschen seid, legt man euch, wie unvernünftigen Tieren, Lasten auf, indem (p. 199) eure Machthaber glauben, daß ihr nicht Menschen seid wie sie selbst. (Und sie wissen nicht, daß alle Menschen vor Gott gleich sind S), mögen sie nun Knechte oder Freie sein. (Und gerecht ist das Gericht Gottes, welches über alle Seelen auf Erden kommt, und niemand entrinnt ihm S). Denn weder wird den Reichen der Besitz etwas nützen noch wird die Armen ihre Armut vom Gericht erretten. (Denn) wir haben kein Gebot empfangen, das wir nicht erfüllen können, noch hat er uns schwer zu tragende Lasten auferlegt, welche wir nicht tragen können. Weder hat er (uns) einen solchen Bau (auferlegt), wie ihn die Menschen bauen, 1 Mk. 8, 18 (Jer. 5, 21; Ez. 12,2). 2 Mt. 11, 15 par. 3 Mt. 11,28. , Das Folgende nach der - hier allerdings sehr verdorbenen - römischen Handschrift U. Die Pariser Handschrift P ist sehr viel kürzer.
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noch Steine zu behauen und Häuser herzurichten, wie eure Künstler durch ihre Einsicht herstellen, sondern wir haben das Gebot vom Herrn empfangen, daß wir das, was uns nicht gefällt, wenn es uns von einem andern geschieht, keinem andern zufügen 1. 84 Enthaltet euch nun zuerst des Ehebruchs, denn dieser ist Veranlassung zu allem Bösen, (und des Mordes, dessentwegen der Fluch über Kain gekommen ist 2 S), (p. 200) sodann auch des Diebstahls, welcher Judas Ischarioth anlockte und dann zum Erhängen brachte 3 , (und der Völlerei, welche Esau um das Recht der Erstgeburt gebracht hat 4 , und der Habsucht S), denn die (sich der Habsucht ergeben), sehen nicht, was von ihnen geschieht; und der Prahlerei (und der Ver·· leumdung S) und aller häßlichen Taten, besonders der leiblichen, (und des häßlichen Verkehrs und Lagers der Unreinheit S), deren Folge ewige Verdammnis ist. Denn diese (die Unreinheit) ist der Ausgangspunkt alles Bösen. In gleicher Weise aber führt sie auch die, so stolz einhergehen, in Knechtschaft, indem sie sie in die Tiefe hinabzieht und ihren Händen unterwirft, damit sie nicht sehen, was sie tun, weshalb ihre Taten ihnen unbekannt sind. 85 Ihr aber (wandelt in Heiligkeit, denn diese ist mehr als alles andere Gute vor Gott erwählt S), und werdet dadurch Gott wohlgefällig, (und in Mäßigkeit, denn diese zeigt den Verkehr mit Gott S) und gibt das ewige Leben und verachtet den Tod. Und (wandelt) in Freundlichkeit, ( .... ), denn diese besiegt die Feinde und erhält allein den Siegeskranz. Und in (Gütigkeit) und (p. 201) (in Handreichung gegen die Armen und Ausfüllung) des Mangels der Bedürftigen, indem (ihr) (von eurem Gute) bringt und den Bedürftigen mitteilt, besonders denen, die in Heiligkeit wandeln. Denn diese ist von Gott erwählt und führt zum ewigen Leben. Denn diese ist vor Gott der Ausgangspunkt von allem Guten. Denn die, die nicht in der Kampfbahn Christi laufen, werden nicht die Heiligkeit erlangen. Und die Heiligkeit erschien von Gott her, die Hurerei vernichtend, den Feind bezwingend, Gott wohlgefällig. Sie ist ein unbesiegbarer Athlet, sie steht bei Gott in Ansehen und wird von vielen verherrlicht. Sie ist eine Gesandte des Friedens, indem sie Frieden predigt. (Die Mäßigkeit aber -) wenn jemand sie erwirbt, so bleibt er ohne Sorge, indem er dem Herrn gefällt und die Zeit der Erlösung erwartet. Denn sie tut nichts Ungehöriges und gibt Leben und Ruhe und Freude allen, die sie erwerben. 86 Die Sanftmut aber hat den Tod unterworfen, indem sie ihn unter ihre Gewalt gebracht hat. Die Sanftmut (p. 202) hat den Feind unterjocht 5 • Die Sanftmut ist ein gutes Joch. Die Sanftmut fürchtet niemand und leistet nicht ( .. ) Widerstand. Die Sanftmut ist Friede und Freude und Frohlocken der Ruhe. Bleibt also in der Heiligkeit und nehmt die Sorglosigkeit und kommt der Sanftmut nahe! Denn in diesen drei Hauptstücken wird der Christus abgebildet, den ich euch predige. Die Heiligkeit ist der Tempel des Christus, und wer in ihr wohnt, gewinnt sie zur Wohnung. (Und die Mäßigkeit ist die Ruhe (Erquickung) Gottes. S) Denn vierzig Tage und vierzig Nächte fastete er, ohne etwas zu genießen6 • Und wer sie (die Mäßigkeit) bewahrt, wird in ihr wohnen wie auf einem Berge. Die Sanftmut aber ist sein Ruhm, denn er sprach zu unserm Mitapostel Petrus: Wende dein Schwert zurück und stecke es wieder in seine Scheide! Denn wenn ich dies tun wollte, könnte ich nicht mehr als zwölf Legionen Engel von meinem Vater mir zur Vgl. Did. 1,2; Tob. 4,15; Mt. 7, 12. 2 Vgl. 1. Mose 4,11 f. Vgl. Joh. 12, 6; Mt. 27, 5; AG 1,18. 4 Vgl. 1. Mose 25,29-34. • Von hier ab wieder nach den beiden Handschriften P und U. 6 Vgl. Mt. 4, 2. 1
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Seite stellen?! 87 Als der Apostel dies sagte und der ganze Volkshaufe es hörte, drängten und traten sie einander. Die Frau des Charis aber, des Verwandten des Königs, sprang von dem Tragsessel auf, warf sich vor dem Apostel auf die Erde, faßte seine Füße an, bat und sprach: Schüler des lebendigen Gottes, du bist in ein wüstes Land gekommen. Denn wir wohnen in einer Wüste, da wir durch unsern Wandel vernunftlosen Tieren gleichen; jetzt aber werden wir durch deine Hände gerettet werden. Ich bitte dich nun, sorge für mich und bete für mich, damit die Barmherzigkeit des Gottes, der von dir gepredigt wird, auf mich komme und ich (p. 203) seine Wohnung werde und (mit euch teilhabe) am Gebet und an der Hoffnung und am Glauben an ihn und auch ich das Siegel empfange und ein heiliger Tempel werde und er selbst in mir wohne. 88 Und der Apostel sprach: Ich bete und bitte für euch alle, Brüder, die ihr an den Herrn glaubt, und für euch Schwestern, die auf Christus hoffen, daß auf euch alle das Wort Gottes sich niederlasse und in euch wohne; denn wir haben über euch keine Macht. Und er begann zu der Frau Mygdonia zu sagen: Steh auf von der Erde und besinne dich. Denn zu nichts wird dir dieser angelegte Schmuck nützen noch die Schönheit deines Körpers noch deine Kleider. Weder der Ruf von dem dich umgebenden Ansehen noch die Macht dieser Welt noch dieser schmutzige Verkehr mit deinem Manne wird dir nützen, wenn du des wahrhaftigen Verkehrs beraubt bist. Denn der Prunk des Schmuckes wird vernichtet, und der Körper altert und verändert sich, und die Kleider veralten, und die Macht und Herrschaft geht vorüber, begleitet von der Strafe dafür, wie sich ein jeder in ihr (der Herrschaft) gehalten hat. Es vergeht aber auch die Gemeinschaft des Kinderzeugens, da sie eben ein Gegenstand der Verachtung ist. J esus allein bleibt immer und die, so auf ihn hoffen. Als er dies gesagt hatte, sprach er zu der Frau: (p.204) Geh fort mit Frieden 2 , und der Herr wird dich seiner Geheimnisse würdig machen. Sie aber sprach: Ich fürchte mich wegzugehen, (in der Besorgnis,) daß du mich vielleicht verläßt und zu einem andern Volke gehst. Der Apostel aber sprach zu ihr: Wenn ich auch gehe, so werde ich dich nicht allein lassen, sondern J esus wird wegen seines Erbarmens mit dir sein. Sie aber fiel nieder, betete ihn an und ging fort in ihr Haus. 89 Charis aber, der Verwandte des Königs Misdai, ging, nachdem er sich gebadet hatte, hinauf und legte sich zum Mahl nieder. Er fragte aber nach seiner Frau, wo sie wäre. Denn sie war nicht, wie üblich, aus ihrem Schlafgemach gekommen, um ihn zu treffen. Ihre Dienerinnen aber sprachen zu ihm: Ihr ist unwohl. Er sprang auf und ging in ihr Schlafgemach und fand sie verschleiert auf dem Bett liegen. Und er entschleierte sie, küßte sie und sprach: Weshalb bist du heute so traurig? Sie aber sprach: Mir ist unwohl. Er sprach zu ihr: Weshalb hast du denn nicht den dir als einer Freien geziemenden Anstand gewahrt und bist in deinem Haus geblieben, sondern bist weggegangen und hast dir unnütze Worte angehört und Werke der Zauberei angesehen? Doch steh auf und iß mit mir, denn ohne dich kann ich nicht essen! Aber sie sprach zu ihm: Heute entschuldige mich, denn ich bin sehr erschreckt. 90 Und als Charis dies von Mygdonia gehört hatte, wollte er nicht zum Essen fortgehen, sondern er befahl seinen Sklaven, sie herbeizuführen, um mit ihm zu essen. (p. 205) Und als sie sie hereingeführt hatten, verlangte er, sie solle mit ihm essen. Sie aber entschuldigte sich. Da sie nun nicht wollte, aß er allein und sagte ihr: Deinetwegen habe ich abgelehnt, bei König Misdai zu speisen, und du, wolltest du nicht mit mir essen? Sie aber sprach: Weil mir unwohl ist. Als 1
Mt. 26, 52f.
2
Vgl. Lk. 7, 50.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
er aufstand, wollte Charls nun nach seiner Gewohnheit mit ihr schlafen. Sie aber sprach: Habe ich dir nicht gesagt, daß ich es für heute abgelehnt habe~ 91 Als er dies hörte, ging er fort und legte sich in einem andern Bett schlafen. Als er aber vom Schlafe erwachte, sprach er: Meine Herrin Mygdonia, höre den Traum, den ich gesehen habe! Ich sah mich in der Nähe des Königs Misdai zu Tisch liegen, und neben uns stand ein vollbesetzter Tisch. Und ich sah einen Adler vom Himmel herabkommen und von dem Platze vor mir und dem Könige zwei Rebhühner rauben, welche er in sein (Nest) trug. Und wieder näherte er sich uns und flog über uns herum. Der König befahl aber, ihm einen Bogen (zu bringen). Der Adler raubte nun wiederum von dem Platze vor uns eine Taube und eine Turteltaube. Der König aber warf nach ihm einen Pfeil, und er durchdrang ihn von einer Seite zur andern, schadete ihm jedoch nichts. Und er erhob sich, ohne daß ihm geschadet war, in sein Nest. Und aus dem Schlafe geweckt, bin ich in Furcht und sehr betrübt, weil ich das Rebhuhn gekostet hatte und er mir nicht erlaubte, es noch zu meinem Munde zu führen. Mygdonia aber sprach zu ihm: Dein Traum ist schön, denn du ißt täglich Rebhühner, dieser Adler aber hatte bis jetzt noch kein Rebhuhn gekostet. 92 (p. 206) Als es aber Morgen geworden war, ging Charls und kleidete sich an, und er zog den linken Schuh an den rechten Fuß!. Und innehaltend, sprach er zu Mygdonia: Was bedeutet denn nun diese Sache ~ Denn siehe: der Traum und (dieses Tun)! Mygdonia aber sprach zu ihm: Auch dieses ist nicht schlecht, sondern scheint mir sehr schön: aus einer schlechten Sache nämlich wird die bessere werden. Er aber ging, nachdem er die Hände gewaschen hatte, zur Begrüßung des Königs Misdai fort. 93 Ebenso ging auch Mygdonia am frühen Morgen zur Begrüßung des Apostels Judas Thomas. Sie traf ihn aber an, wie er sich mit dem Kriegsobersten und der ganzen Volksmenge besprach. Und er ermahnte sie, indem er über die Frau redete, die den Herrn in ihre Seele aufgenommen hatte, (und fragte,) 2 wessen Gemahlin sie wäre. (Der Kriegsoberste sprach): Sie ist die Frau des Charls, des Verwandten des Königs Misdai. Und: ihr Mann ist sehr hart, und in allem, was er dem König sagt, gehorcht ihm dieser 3 • Und er läßt sie auch nicht bei dieser Erkenntnis, zu der sie sich bekannt hat, bleiben. Denn er hat sie auch oft in Gegenwart des Königs gepriesen und gesagt, daß keine andere zur Liebe so trefflich sei wie diese. Alles, worüber du mit ihr sprichst, ist ihr fremd. Der Apostel aber sprach: Wenn wahrhaft und sicher der Herr in ihrer Seele (als Sonne) aufgegangen ist und sie den ausgeworfenen Samen aufgenommen hat, so wird sie sich weder um das (p. 207) zeitliche Leben sorgen noch den Tod fürchten, noch wird Charls sie irgendwie verletzen können. Denn größer ist der, den sie in ihre Seele aufgenommen hat, wenn sie ihn wahrhaft aufgenommen hat. 94 Als Mygdonia dies hörte, sprach sie zum Apostel: In Wahrheit habe ich, mein Herr, den Samen deiner Worte empfangen und werde Früchte hervorbringen, die solchem Samen gleichen. Spricht der Apostel: Es preisen dich, Herr, und danken dir (diese Seelen, welche dein Eigentum sind), es danken dir die Körper, welche du gewürdigt hast, Wohnungen deiner himmlischen Gabe zu werden. Er sprach aber auch zu allen Umstehenden: Selig sind die Heiligen, die niemals von ihren Seelen verurteilt wurden; denn weil sie diese (Seelen) erworben haben, zweifeln sie nicht 1 2
3
Vgl. Th.Ev. Logion 22, Bd. I, S. 215. Das Folgende nach U. Anders P. Von hier ab wieder nach beiden großen Handschriften.
5. Thomasakten
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an sich selbst. Selig sind die Geister der Heiligen und die, welche die himmlische Krone unversehrt von dem Aion empfangen haben, der ihnen bestimmt war. Selig sind die Körper der Heiligen, weil sie gewürdigt wurden, Tempel Gottes zu werden, damit Christus in ihnen wohne. Selig seid ihr, weil ihr Macht habt, Sünden zu erlassen 1. Selig seid ihr, wenn ihr das euch Anvertraute nicht verliert, sondern es mit Freude (und Frohlocken) mit euch nehmt. Selig seid ihr Heiligen, weil euch gegeben ist, zu bitten und zu nehmen. Selig seid ihr Sanftmütigen 2, weil Gott euch gewürdigt hat, Erben des himmlischen Reiches zu werden. Selig seid ihr Sanftmütigen, denn ilir seid es, (p. 208) die den Bösen besiegt haben. Selig seid ihr Sanftmütigen, weil ihr das Angesicht des Herrn sehen werdet 3. Selig seid ihr, die ihr wegen des Herrn hungert 4 , denn euch ist die Ruhe aufbehalten, und eure Seelen frohlocken von jetzt an. Selig seid ihr Ruhigen, (weil ihr gewürdigt wurdet), von der Sünde ( ......... ) befreit zu werden. Als der Apostel dies unter dem Zuhören des ganzen Volkshaufens gesagt hatte, wurde Mygdonia mehr befestigt im Glauben und in der Herrlichkeit und Majestät des Christus. 95 Charis aber, des Königs Verwandter und Freund, kam zum Frühstück und fand seine Frau nicht im Hause. Und er fragte alle in seinem Hause aus: Wohin ist eure Herrin gegangen? Einer aber von ihnen hob an und sprach: Sie ist zu dem Fremden gegangen. Und als er dies von seinem Sklaven gehört hatte, ward er über seine übrigen Sklaven unwillig, weil sie ihm nicht sogleich das Geschehene gemeldet hatten. Und er setzte sich und wartete auf sie. Als es aber Abend geworden war und sie ins Haus eintrat, sprach er zu ihr: Wo warst du? Sie aber antwortete und sprach: Beim Arzt. Er sprach: Ist der Fremde ein Arzt? Sie sprach: Ja, er ist ein Seelenarzt. Denn die meisten Ärzte heilen die Körper, die der Auflösung verfallen, dieser aber die Seelen, die nicht zugrunde gehen. Als Charis dies hörte, war er gegen Mygdonia wegen des Apostels innerlich sehr aufgebracht. Er antwortete ihr aber nichts, da er sich fürchtete. Denn sie übertraf ihn sowohl an Reichtum als an Einsicht. Er ging nun zum (p. 209) Mahle, sie aber trat in ihr Schlafgemach ein. Und er sprach zu seinen Sklaven: Ruft sie zum Mahle! Sie aber wollte nicht. 96 Als er hörte, daß sie das Schlafgemach nicht verlassen wollte, ging er hinein und sprach zu ihr: Weshalb willst du nicht mit mir essen? Und vielleicht willst du auch nicht nach der Gewohnheit mit mir schlafen? Und in dieser Hinsicht habe ich größeren Argwohn; denn ich habe gehört, daß jener Zauberer und Verführer lehrt, niemand solle seiner eigenen Frau beiwohnen, und daß er umkehrt, was die Natur verlangt und die Gottheit verordnet hat. Als Charis dies sagte, schwieg Mygdonia. Wiederum sprach er zu ihr: Meine Herrin und meine Gattin Mygdonia, laß dich nicht durch betrügerische und unnütze Worte verführen noch durch Werke der Zauberei, welche dieser, wie ich gehört habe, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes tut! Denn es wurde in dieser Welt noch nie gehört, daß jemand einen Toten auferweckt hat. Wie ich aber höre, (geht über ihn das Gerücht), daß er Tote auferweckt. Und wenn er weder ißt noch trinkt, so glaube nicht, daß er um der Gerechtigkeit weder ißt noch trinkt. Er tut es vielmehr deshalb, weil er nichts besitzt. Denn was sollte er tun, der nicht einmal das tägliche Brot hat? Und er hat nur ein Kleid, weil er arm ist. Daß er von niemand etwas annimmt, (p. 210) (tut er,) weil er weiß, (daß durch ihn überhaupt niemand wirklich geheilt wurde). 97 Als aber Charis dies sagte, war Mygdonia 1 Vgl. Joh. 20, 23; Mt. 16, 19; 18,18. aMt. 5, 8; vgl. Offb. 22, 4.
2 4
Mt. 5, 5. Mt. 5, 6.
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XIII. Apo8telgeachichten de8 2. und 3. Jahrhundert8
stumm wie ein Stein. Sie betete aber darum, daß sie, wenn es Tag würde, zum Apostel Christi gehen dürfe. Er aber verließ sie und ging betrübt zum Essen. Er sorgte sich aber (bei dem Gedanken), nach seiner Gewohnheit mit ihr zu schlafen. Als er aber hinausgegangen war, beugte sie ihre Knie und betete: Herr Gott, Herrscher, barmherziger Vater, und Erlöser Christus, gib du mir Kraft, daß ich Charis' Schamlosigkeit besiege, und gewähre mir, die Heiligkeit zu bewahren, an der du Gefallen hast, damit auch ich durch sie ewiges Leben finde. Nachdem sie aber so gebetet hatte, legte sie sich verschleiert aufs Bett. 98 Charis aber trat, nachdem er gegessen hatte, neben sie. Sie aber schrie: Hinfort hast du keinen Platz bei mir, denn mein Herr Jesus, der mit mir ist und in mir ruht, ist besser als du. Er aber sagte lachend: Schön verspottest du mit diesen Worten jenen Zauberer und schön verlachst du ihn, der da sagt: Ihr habt kein Leben bei Gott, wenn ihr euch nicht heiligt. Als er dies gesagt hatte, versuchte er, mit ihr zu schlafen. Sie duldete es nicht, sondern schrie bitterlich: Ich rufe dich an, Herr J esus, verlaß mich nicht! Zu dir habe ich meine Zuflucht genommen. Denn wie ich lernte, daß du es bist, der die in Unwissenheit Gefangenen aufsucht und die im Irrtum Festgehaltenen rettet, so bitte ich dich jetzt, von dem ich (p. 211) die Botschaft vernommen und an den ich geglaubt habe: Komm du mir zu Hilfe, und rette mich von Charis' Schamlosigkeit, (damit) seine Unreinigkeit nicht Macht über mich gewinne! Und sie schlug ihre Hände (gegen ihr Gesicht) und floh entblößt von ihm. Und beim Hinausgehen riß sie den Vorhang des Schlafgemaches herab, schlug diesen um sich, ging zu ihrer Amme und schlief dort bei ihr. 99 Mißmutig verbrachte Charis die ganze Nacht und schlug mit den Händen sein Gesicht. Er wollte aber augenblicklich hingehen und dem König von der ihn umgebenden Gewalt Mitteilung machen. Er erwog aber und sprach bei sich: Wenn die große Betrübnis, die mich umgibt, mich zwingt, jetzt zum König zu gehen, wer führt mich zu ihm hinein? Denn ich weiß: 1 üble Nachrede hat mich von meinem Stolz und der Prahlerei und Großsucht heruntergestürzt und in diese Niedrigkeit geworfen und meine Schwester Mygdonia von mir getrennt 2 • Selbst wenn auch der König zu dieser Stunde vor der Tür stünde, ginge ich nicht hinaus und gäbe ihm (keine) Antwort. Aber ich will warten, bis es Tag wird. Ich weiß aber, daß der König, wenn ich ihn um etwas bitte, es mir gewährt. Ich will aber von dem Wahnsinn jenes Fremden reden, der eine Tyrannei ausübt und die Großen (p. 212) und Angesehenen in die Tiefe stürzt. Denn es schmerzt mich nicht, daß ich ihres Verkehrs beraubt bin, sondern um sie selbst bin ich betrübt, weil ihre hohe Seele erniedrigt wurde. Sie, eine anständige Frau, der keiner der Sklaven jemals (eine Unschicklichkeit S) angemerkt hat, ist entblößt aus ihrem Schlafgemach geflohen und hinausgelaufen, und ich weiß nicht, wohin sie gegangen ist. Und vielleicht ist sie, durch jenen Zauberer rasend geworden, in ihrer Raserei auf den Markt gegangen und sucht ihn. Denn ihr erscheint nichts angenehm(er als) jener und seine Worte. 100 Als er dies gesagt hatte, begann er wehklagend zu sprechen: Wehe mir, Gattin, und wehe auch dir! Denn ich wurde zu schnell deiner beraubt. Wehe mir, Geliebteste, denn du bist besser als mein ganzes Geschlecht! Weder Sohn noch Tochter habe ich von dir, daß ich mich auf sie stützen könnte. Nicht einmal (ein volles) Jahr hast du mit mir zusammengewohnt 3, und ein nei1 2 3
Das Folgende nach U. Anders P. Von hier ab wieder nach beiden großen Handschriften. Das Folgende nach U. P anders und sehr viel kürzer.
5. ThfYl1'!asakten
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disches Auge hat dich von mir gerissen. (.) Hätte dich doch die Gewalt des Todes weggerafft, so hätte ich (mich) zu Königen und Anführern (gerechnet). Aber daß ich von einem Fremdling solches leiden muß! Und vielleicht ist er ein Sklave, der zu meinem und meiner ganz unglücklichen Seele Schaden entlaufen ist. (p. 213) Es möge für mich kein Hindernis da sein, bis ich ihn vernichtet und diese Nacht gerächt habe. Und möge ich vor König Misdai nicht wohlgelitten sein, wenn er mir nicht durch den Kopf des Fremden Rache verschafft und hinsichtlich des Kriegsobersten Sifar, welcher die Ursache (für ihr Verderben S) geworden ist. Denn durch ihn erschien er hier, und bei ihm kehrte er ein. Und viele sind es, die dort ein und aus gehen, die er eine neue Lehre lehrt, indem er sagt, daß niemand leben könne, wenn er sich nicht von all seinem Besitz befreie und wie er selbst verzichtet. Und er bemüht sich, viele Anhänger für sich zu gewinnen l . 101 Während Charis dies erwog, wurde es Tag. Und nachdem er die Nacht durchwacht hatte, zog er ein billiges Gewand an, band sich Schuhe unter und ging traurig und betrübt, den König zu begrüßen. Als ihn aber der König sah, sprach er: Weshalb bist du so betrübt und bist in solchem Aufzug gekommen~ Ja, ich sehe auch dein Angesicht vertauscht. Charis aber spricht zu dem König: Eine neue Sache habe ich dir zu erzählen und eine neue Verwüstung, welche Sifar (p. 214) über Indien gebracht hat: einen hebräischen Magier, den er in seinem Hause sitzen hat, der nicht von ihm weggeht. Und viele gehen zu ihm hinein, und er lehrt sie einen neuen Gott und legt ihnen neue Gesetze auf, von denen man noch nicht gehört hat, indem er sagt: es ist unmöglich, daß ihr ins ewige Leben, welches ich euch verkündige, eingehet, wenn ihr euch nicht von euern Frauen befreit, desgleichen auch die Frauen von ihren Männern. Es traf sich aber, daß auch mein unglückliches Weib zu ihm hinging und auf seine Worte hörte. Und sie glaubte ihnen, verließ mich während der Nacht und lief zu dem Fremden. Aber laß Sifar und den bei ihm verborgenen Zauberer holen und bestrafe sie mit dem Tode, damit nicht alle Angehörigen unsers Volkes umkommen. 102 Als sein Freund Misdai dies hörte, sprach er zu ihm: Betrübe dich nicht und sei nicht mutlos! Denn ich werde ihn kommen lassen und dich rächen und du wirst wieder deine Frau besitzen. (Denn wenn ich andere räche S), die (sich selbst) nicht rächen können, so will ich (vor allem dich S) rächen. Und der König ging hinaus und setzte sich auf den Richtstuhl. Als er sich aber gesetzt hatte, befahl er, den Kriegsobersten Sifar zu rufen. Und als sie in sein Haus kamen, fanden sie ihn zur Rechten (p. 215) des Apostels und Mygdonia zu seinen Füßen sitzen, die ihm mit der ganzen Menge zuhörte. Und des Königs Gesandte näherten sich dem Sifar und sprachen: Du sitzt hier und hörst nutzlose Worte an, und der König Misdai sinnt in seinem Zorn darauf, dich wegen dieses Zauberers und Betrügers, den du in dein Haus eingeführt hast, zu verderben. Als Sifar dies gehört hatte, ward er mutlos, nicht wegen des Königs Drohung gegen ihn, sondern wegen des Apostels, weil der König feindlich über ihn urteilte. Und er sprach zum Apostel: Ich bin um dich besorgt. Denn ich habe dir von Anfang an gesagt, daß jenes Weib die Frau von Charis, dem Verwandten und Freund des Königs, ist und daß er sie nicht tun läßt, was sie verspricht, und daß der König ihm alles, worum er bittet, gewährt. Der Apostel aber sprach zu Sifar: Fürchte nichts, sondern glaube an Jesus, der für uns alle als Verteidiger auftritt. Denn wir sind zu seinem Zufluchtsort versammelt worden. Als Sifar dies gehört und seinen Mantel umgeworfen hatte, ging 1
Von hier ab wieder nach beiden großen Handschriften.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
er zum König Misdai fort. 103 Der Apostel aber forschte Mygdonia aus: Was ist die Ursache davon geworden, daß dein Mann in Zorn geraten ist und diese Anschläge gegen uns vorbereitet hat~ Sie aber sprach: Weil ich mich nicht seinem Verderben hingegeben habe. Denn am Abend wollte er mich bezwingen und jener Leidenschaft, der er dient, unterwerfen. Aber der, dem ich meine Seele befohlen habe, befreite mich (p. 216) aus seinen Händen. Und ich floh entblößt von ihm und schlief bei meiner Amme. Was ihm aber begegnet ist, daß er diese listigen Anschläge gemacht hat, weiß ich nicht. Der Apostel sprach: Dieses wird uns nicht schaden. Aber glaube an Jesus, so wird er Charls' Zorn und seinen Wahnsinn und seine böse Leidenschaft vernichten, und er wird dir Reisegefährte auf der gefahrvollen Straße werden und selbst dich in sein Reich führen; er wird dich aber ins ewige Leben einführen, indem er dir die zuversichtliche Hoffnung gewährt, die nicht vergeht und sich nicht ändert. 104 Sifar aber stand vor dem König, und dieser fragte ihn: Wer und woher ist er~ Und was lehrt jener Zauberer, den du in deinem Hause versteckt hältst~ Sifar aber antwortete dem König: Du bist schwerlich in Unkenntnis, mein König, was für Mühe und Betrübnis ich samt meinen Freunden wegen meiner Frau hatte, die du kennst und an die sich viele andere erinnern, und wegen meiner Tochter, die ich meinem ganzen Besitz vorziehe, was für eine Zeit und Prüfung ich erduldet habe. Denn ich wurde zum Spott und Fluch für unser ganzes Land. Ich hörte aber die Kunde von diesem Manne, ging zu ihm, bat und nahm ihn und führte ihn hierher. Und unterwegs (p. 217) sah ich wunderbare und staunenswerte Dinge, und hier haben viele von dem Wildesel gehört und von jenem Dämon, den er ausgetrieben hat; und er heilte meine Frau und Tochter, und jetzt sind sie gesund. Lohn aber fordert er nicht, sondern er verlangt Glauben und Heiligkeit, um Genossen bei seinem Tun zu erlangen. Dies lehrt er: einen Gott, den Herrn von allem, und J esus Christus, seinen Sohn, zu ehren und zu fürchten, damit sie das ewige Leben haben. Was er aber ißt, das ist Brot und Salz, und sein Trank ist Wasser vom Abend bis zum Abend; (und) er betet viel, und alles, worum er Gott bittet, das gibt er ihm. Und er lehrt, daß dieser Gott heilig und mächtig und der Christus Leben und Lebensspender sei. Deshalb ermahnt er auch die, welche bei ihm sind, in Heiligkeit, Reinheit, Liebe und Glauben ihm (Gott) zu nahen. 105 Als der König Misdai dies von Sifar gehört hatte, schickte er viele Soldaten in das Haus des Kriegsobersten Sifar, um den Apostel Thomas und alle, die dort gefunden würden, herbeizuführen. Als die Abgesandten aber ins Haus hineingingen, fanden sie ihn dabei, daß er eine große Menge lehrte, und Mygdonia saß zu seinen Füßen. Da sie aber das viele Volk um ihn herum erblickten, fürchteten sie sich und gingen zu ihrem König und sprachen: Wir haben ihm nichts zu sagen gewagt, denn viel (p. 218) Volk war um ihn, auch Mygdonia hörte, zu seinen Füßen sitzend, auf seine Worte. Und als der König Misdai und Charls dies hörten, sprang Charls aus der Nähe des Königs auf, nahm viel (Kriegs-)Volk mit sich und sprach: Ich bringe ihn, König, und Mygdonia, die er um ihren Verstand gebracht hat. Und er kam sehr verwirrt in das Haus des Kriegsobersten Sifar. Und er fand ihn lehren, Mygdonia aber traf er nicht an, denn sie war in ihr Haus zurückgekehrt, da sie erkannt hatte, daß ihrem Mann verraten war, daß sie dort sei. 106 Charls aber sprach zum Apostel: Steh auf, Böser und Zerstörer und Feind meines Hauses, denn mir schadet deine Zauberei nichts, denn ich werde deine Zauberei auf dein Haupt legen! Als er aber dies gesagt hatte, blickte der Apostel auf ihn und sprach zu ihm: Deine Drohungen werden sich gegen dich wenden, denn du wirst mir keinerlei Schaden zufügen. Denn
5. Thomasakten
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größer als du und dein König und euer ganzes Heer ist der Herr Jesus Christus, auf den ich die Hoffnungen setze. Char'ls aber nahm ein Halbkleid (Umschlagtuch) eines seiner Sklaven, warf es auf den Nacken des Apostels und sprach: Schleppt und führt ihn fort! Ich will doch sehen, ob Gott ihn aus meinen Händen retten kann. Sie schleppten ihn aber und führten ihn zum König Misdai fort. (Als aber der Apostel) vor den König (trat), sprach der König zu ihm: Sage mir, wer du bist und durch was für eine Gewalt! du diese Dinge vollbringst? Der Apostel aber schwieg still. Und der König befahl seinen Untergebenen, daß er hundertachtundzwanzig Geißelhiebe erhalten und dann gefesselt ins (p. 219) Gefängnis geworfen werden solle. Und sie fesselten ihn und führten ihn fort. Der König aber und Char'ls überlegten, wie sie ihn töten sollten. Die Menge verehrte ihn aber wie einen Gott. Sie hatten aber im Sinn zu sagen: Der Fremde hat gegen den König gefrevelt und ist ein Betrüger. 107 Und als der Apostel in das Gefängnis fortging, sprach er in Freude und Frohlocken: Ich preise dich, Jesus, daß du mich nicht allein des Glaubens an dich würdig gemacht hast, sondern auch dessen, vieles um deinetwillen zu ertragen. Ich danke dir nun, Herr, daß du für mich gesorgt und mir die Geduld gegeben hast. Ich danke dir, Herr, daß ich um deinetwillen ein Zauberer und Magier genannt worden bin. (Möge ich) also von der Seligpreisung der Geringen und der Ruhe der Müden und von den Seligpreisungen derer (empfangen), welche die Menschen hassen und verfolgen und schmähen, indem sie Übles von ihnen reden 2 • Denn siehe, um deinetwillen werde ich gehaßt; siehe, um deinetwillen bin ich von der Menge gemieden, und um deinetwillen nennen sie mich einen solchen, der ich nicht bin. 108 Alle Gefangenen aber sahen ihn beten und baten ihn, für sie zu beten. Als er aber gebetet und sich gesetzt hatte, begann er solches Lied zu sagen: 1 Als ich ein kleines Kind war Und im (Reiche), dem Hause meines Vaters wohnte 2 Und am Reichtum und der (Pracht) Meiner Erzieher mich ergötzte, 3 Sandten mich meine Eltern aus dem Osten, unserer Heimat, Mit einer Wegzehrung fort; 4 Und aus dem Reichtum unseres Schatzhauses Hatten sie mir schon längst eine Traglast zusammengebunden. 5 Sie war groß, aber (so) leicht, Daß ich sie allein zu tragen vermochte: 6 Gold vom Hause der Hohen Und Silber vom großen (p. 220) Ga(n)zak 7 Und (Chalcedone aus) Indien Und (Opale des) Kusanreiches. 8 Und sie gürteten mich mit Diamant, Der Eisen ritzt. 9 Und sie zogen mir das (Strahlen(kleid) aus, Das sie in ihrer Liebe mir gemacht hatten, 10 Und meine scharlachfarbene Toga, Die meiner Gestalt angemessen gewebt war, 1
AG 4, 7.
2
Vgl. Mt. 5, 11.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhundert8
11 Und machten mit mir einen Vertrag Und schrieben ihn mir in mein Herz, daß ich (ihn) nicht vergessen sollte: 12 "Wenn du nach Ägypten hinabsteigst Und die eine Perle (bringst), 13 Die im Meere ist, Das der schnaubende Drachen umringt, 14 Sollst du dein Strahlen(kleid) (wieder) anziehen Und deine Toga, die darüber liegt, 15 Und mit deinem Bruder, unserm Zweiten, (Erbe) in unserem Reiche (werden)." 109 16 Ich verließ den Osten und stieg hinab, Geleitet von zwei (Kurieren), 17 Da der Weg gefahrvoll und schwierig Und ich (noch zu) jung war, ihn (allein) zu gehen. 18 Ich schritt über die Grenzen von Maisan (Mesene), (Dem Sammelpunkt der Kaufleute) des Ostens, 19 Und gelangte ins Land Babel Und trat ein in die Mauern von Sarbug, 20 Ich stieg herab nach Ägypten, Und meine Begleiter verließen mich. 21 Ich ging geradewegs zum Drachen, Ließ mich nahe bei seiner Herberge nieder, 22 Bis daß er schlummern und schlafen würde, Um (dann) von ihm meine Perle zu nehmen. 23 Und da ich einer und einsam war, War ich den Mitbewohnern meines Rasthauses fremd. 24 (Aber) einen Stammesgenossen, einen Edelmann Aus (dem Osten), sah ich dort, 25 Einen schönen (und) lieblichen Jüngling, 26 Einen (Gesalbten), Und er kam, mir (.) anzuhangen, (p.221) 27 Und ich machte ihn zu meinem Gesprächspartner, Dem Genossen, dem ich mein Geschäft (Sendung) mitteilte. 28 Ich warnte ihn vor den Ägyptern Und dem Verkehr mit den Unreinen. 29 Ich aber kleidete mich gleich ihren Gewändern, Damit (sie mich) nicht (beargwöhnten), daß ich von außen gekommen wäre, 30 Um die Perle zu nehmen, Und (sie) (nicht) gegen mich den Drachen (weckten). 31 Aber aus irgendeiner Ursache Merkten sie(.), daß ich nicht ihr Landsmann war, 32 Und sie mischten (sich) mit mir durch ihre Listen, Auch gaben sie mir zu kosten ihre Speise. 33 Ich vergaß, daß ich ein Königssohn war, Und diente ihrem König. 34 Und ich vergaß sie, die Perle, Um derentwillen mich meine Eltern geschickt hatten.
5. Thomasakten
35 Und durch die Schwere ihrer (Nahrung) Sank ich in tiefen Schlaf. 110 36 (Und alles dieses), das mir zustieß, Bemerkten meine Eltern und betrübten sich um mich. 37 Und eine Botschaft erging in unserem Reich, Jedermann solle zu unserem Tor reisen, 38 Die Könige und Häupter Parthiens Und alle Großen des Ostens. 39 Und sie faßten einen Beschluß über mich, Daß ich nicht in Ägypten gelassen werde, 40 Und sie schrieben mir einen Brief, Und jeder (Große) setzte seinen Namen darauf: 41 "Von deinem Vater, dem König der Könige, Und deiner Mutter, der Herrscherin des Ostens, 42 Und von deinem Bruder, unserem Zweiten, Dir, unserem Sohn in Ägypten, Gruß! 43 (Erwach) und steh auf von deinem Schlaf, Und vernimm die Worte unseres Briefes. 44 Erinnere dich, daß du ein Königssohn bist. Sieh die Knechtschaft: wem du dienst. 45 (p.222) Gedenke der Perle, Derentwegen du nach Ägypten gegangen bist. 46 Erinnere dich deines Strahlen(kleides), Gedenke deiner herrlichen Toga, 47 Damit du sie anlegst und (dich damit schmückst), (Auf daß) im Buch der Helden dein Name (gelesen werde) 48 Und du mit deinem Bruder, unserem Stellvertreter, (Erbe) in unserem Reiche (werdest)." 111 49 Und mein Brief war ein Brief, Den der König mit seiner Rechten (versiegelt hatte), 50 Vor den Bösen, den Leuten aus Babel Und den (aufrührerischen) Dämonen von Sarbug. 51 Er flog in Gestalt des Adlers, Des Königs (alles) Gefieders, 52 Er flog und ließ sich nieder neben mir Und wurde ganz Rede. 53 Bei seiner Stimme und der Stimme (seines Rauschens) Erwachte ich und stand auf von meinem Schlaf, 54 Nahm ihn und küßte ihn, Und ich löste (sein Siegel) und las. 55 Und ganz wie (es) in meinem Herzen stand, Waren die Worte meines Briefes geschrieben. 56 Ich gedachte, daß ich ein Königssohn sei und meine Freiheit nach ihrer Natur verlange. 57 Ich gedachte der Perle, Derentwegen ich nach Ägypten gesandt ward, 58 Und ich begann zu bezaubern Den schrecklichen und schnaubenden Drachen.
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
59 Ich brachte ihn in Schlummer und Schlaf, Indem (.) ich den Namen meines Vaters über ihm nannte 60 Und den Namen unseres Zweiten Und den meiner Mutter, der Königin des Ostens, 61 Und ich erhaschte die Perle Und kehrte um, um mich nach meinem Vaterhaus zu wenden. 62 Und ihr schmutziges und unreines Kleid Zog ich aus und ließ es in ihrem Lande 63 Und richtete meinen Weg, (daß ich käme) Zum Licht unserer Heimat, dem Osten. 64 Und meinen Brief, meinen Erwecker, Fand ich vor mir auf dem Wege; 65 Wie er mit seiner Stimme (mich) (p. 223) geweckt hatte, (So) leitete er mich ferner mit seinem Licht, 66 Auf chinesischem Gewebe mit Rötel (geschrieben), Vor mir mit seinem Aussehen glänzend 67 Und durch seine Stimme und durch seine Führung Wiederum mein Eilen ermutigend 68 Und mich mit seiner Liebe (ziehend). 69 Ich zog hinaus, kam durch Sarbi'tg, Ließ Babel zu meiner Linken 70 Und gelangte zur großen (Stadt) Maisan (Mesene), Dem Hafen der Kaufleute, 71 (Das) am Ufer des Meeres (liegt). 72 Und mein Strahlen(kleid), das ich ausgezogen hatte, Und meine Toga, mit der es umhüllt war, 73 Sandten von den Höhen (von) Warkan (Hyrkanien) meine Eltern dorthin 74 Durch ihre Schatzmeister, Die wegen ihrer Wahrhaftigkeit damit betraut waren. 112 75 Wohl erinnerte ich mich nicht mehr seiner Würde, Weil ich es in meiner Kindheit in meinem Vaterhaus gelassen hatte, 76 (Doch) plötzlich, als ich es mir gegenüber sah, Wurde das (Strahlen(kleid) (ähnlich) meinem Spiegelbild mir gleich; 77 Ich sah es (ganz) in mir, Und in ihm sah ich (mich) auch (mir ganz) gegenüber, 78 So daß wir Zwei waren in Geschiedenheit Und wieder Eins in einer Gestalt. 79 Und auch die Schatzmeister, Die es mir gebracht hatten, sah ich ebenso, 80 Daß sie zwei waren von einer Gestalt, Denn ein Zeichen des Königs war ihnen eingezeichnet, 81 (Dessen), der mir die (Ehre G), Mein Pfand und meinen Reichtum durch sie zurückgab, 82 Mein Strahlen(kleid), geschmückt (.) In herrlichen Farben (erglänzend), 83 Mit Gold und mit Beryllen, Mit Chalcedonen und (Opalen)
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84 Und verschieden(farbigen) (Sardonen), Auch dies in seiner Erhabenheit gefertigt, 85 Und mit Steinen von Diamant (Waren) all seine (Gürtel-?)Gelenke festgesteckt. 86 Und das Bild des Königs der Könige War ihm (vollständig) überall aufgemalt 87 (Und wie) Steine von Saphir Wiederum seine Farben blau gemalt. 113 88 (p.224) Ich sah ferner überall an ihm Die Bewegungen der (Erkenntnis) zucken. 89 Und ferner sah ich, Daß es sich wie zum Reden anschickte. 90 Den Klang seiner Lieder vernahm ich, Die es bei (seinem Herabkommen) lispelte: 91 "Ich gehöre dem tapfersten Diener an, Für den sie mich vor meinem Vater großzogen, 92 Und ich (nahm) auch an mir selbst (wahr), Daß meine Gestalt entsprechend seinen Werken wuchs." 93 Und mit seinen königlichen Bewegungen Ergoß es sich ganz zu mir hin, 94 Und an der Hand seiner Überbringer Eilte es, daß ich es nehmen sollte; 95 Und auch mich stachelte meine Liebe, Ihm entgegenzulaufen und es zu empfangen, 96 Und ich streckte mich hin und empfing es. Mit der Schönheit seiner Farben schmückte ich mich. 97 Und meine glänzendfarbige Toga Zog ich (vollständig) über mich ganzen. 98 Ich bekleidete mich damit und stieg empor Zum Tore der Begrüßung und der Anbetung. 99 Ich neigte mein Haupt und betete an Den Glanz des Vaters, (der) mir es (das Kleid) gesandt hatte, 100 Dessen Gebote ich ausgeführt hatte, Wie auch er getan, was er verheißen hatte. 101 Am Tore seiner Satrapen Mischte ich mich unter seine Großen. 102 Denn er freute sich über mich und empfing mich, Und ich war mit ihm in seinem Reich. 103 Und mit (Orgel)klang Priesen ihn alle seine Diener. 104 Und er verhieß mir, daß ich wieder zum Tore Des Königs der Könige mit ihm reisen 105 Und mit meiner Gabe und mit meiner Perle Mit ihm vor unserem König erscheinen sollte. 114 Charis ging in Freude nach Hause, weil er glaubte, daß seine Frau wieder mit ihm zusammensein und so (werden würde S) wie (p. 225) früher, bevor sie das göttliche Wort hörte und an Jesus glaubte. Als er aber weggegangen war, fand er 23
Henneeke, Apokryphen Bd. 2
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sie mit (geschorenen Haaren S) und zerrissenem Gewand. Als er sie sah, sprach er zu ihr: Meine Herrin Mygdonia, warum hält dich diese schwere Krankheit gefangen? Und weshalb hast du dies getan? Ich bin der von deiner Jungfrauenzeit her mit dir verbundene Gemahl, und sowohl die Götter als auch die Gesetze verleihen mir, über dich zu herrschen. Was für ein großer Wahnsinn ist das von dir, daß du im ganzen Volk zum Spott geworden bist? Doch lege die von jenem Zauberer stammende Besorgnis ab. Ich aber werde seinen Anblick wegschaffen, daß du ihn nicht mehr siehst. 115 Als Mygdonia diese Worte hörte, ließ sie (den Schmerz) hervorbrechen, seufzte und wehklagte. Und wieder Chans: So sehr also habe ich gegen die Götter gefrevelt, daß sie mich in ein so großes Übel verstrickt haben! Wodurch habe ich mich nur so sehr vergangen, daß sie mich in so große Erniedrigung gestürzt haben? Ich bitte dich, Mygdonia, quäle meine Seele nicht durch diesen deinen bejammernswerten Anblick und deine niedrige Erscheinung und beschwere mein Herz nicht durch die Sorgen um dich! Ich bin dein (Ehemann) Charis, den das ganze Volk ehrt und fürchtet. Was soll ich tun? Ich weiß auch nicht, wie ich mich (wenden soll). Was soll ich aber auch denken? Soll ich schweigen und aushalten? Wer wird es ertragen, wenn man ihm seinen Schatz nimmt? Wer aber könnte erdulden, daß er deiner vornehmen Art beraubt wird? ( ... ) Dein Wohlgeruch ist in meiner Nase, und dein glänzendes Antlitz liegt in meinen Augen. Sie nehmen (p.226) meine Seele weg, und den überaus schönen Körper, dessen ich mich erneute, wenn ich ihn sah, verderben sie, und das so scharf blickende Auge blenden sie und hauen mir meine rechte Hand ab. Meine Freude wird in Trauer verkehrt und mein Leben in den Tod, und das Licht wird in Finsternis (eingetaucht). Keiner meiner Verwandten (soll fernerhin mich sehen), von denen mir keine Hilfe geworden ist, und die Götter des Ostens werde ich ferner nicht anbeten, die mich mit so großem Unheil umgeben haben. Und gewiß werde ich nicht mehr zu ihnen beten noch ihnen opfern, nachdem ich meiner Gattin beraubt bin. Was aber soll ich anderes von ihnen bitten? Denn mein ganzer Ruhm ist weggenommen. Ich bin aber Fürst, Zweiter der Herrschaft des Königs. Dies alles hat Mygdonia, (indem sie mich verwarf), weggenommen. (Möchte man immerhin meine Augen ausschlagen, wenn du deine Augen in der gewohnten Weise auf mich richtest.) 116 Während Chans dies unter Tränen sagte, saß Mygdonia schweigend und sah auf den Boden. Er aber ging wieder hinzu und sprach: Meine geliebteste Herrin Mygdonia, erinnere dich, daß ich von (allen) Frauen in Indien dich als die schönste ausgewählt und genommen habe, obgleich ich andere, die viel (schöner) waren als du, heiraten konnte. Vielmehr aber, ich lüge, Mygdonia. Denn bei den Göttern: es (ist) nicht möglich, daß eine andere deinesgleichen im Lande der Inder gefunden wird. Wehe mir immerdar, daß du mir nicht einmal (p. 227) antworten willst. Mißhandle (mich) doch, wenn du Lust hast, damit ich nur (eines Wortes) von dir gewürdigt werde! Blicke mich an (und sieh), daß ich (um vieles besser und schöner S) bin als jener Zauberer! (Ich habe Reichtum und Ehre, und alle erkennen, daß niemand eine solche Familie hat wie ich. Aber mein Reichtum und meine Ehre bist du.) Familie und Verwandtschaft bist du. Und siehe, er trennt dich von mir! 117 Als Chans dies gesagt hatte, sprach Mygdonia zu ihm: (Der), den ich liebe, ist besser als du und dein Besitz. Denn dein Besitz kehrt, da er aus der Erde ist, zur Erde zurück. Der aber, den ich liebe, ist himmlisch und wird auch mich mit sich in den Himmel führen. Dein Reichtum wird vergehen, und deine Schönheit wird zerstört werden ebenso deine Gewänder und deine vielen Werke. Du aber (bleibst) allein mit deinen Vergehungen ( ... ).
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Erinnere mich aber nicht an deine Handlungen an mir. Denn ich bete zum Herrn, daß du vergessen mögest, so daß du nicht mehr an die früheren Lüste und das körperliche Zusammenleben denkst, welche wie ein Schatten vorübergehen werden; Jesus allein aber bleibt in Ewigkeit und die Seelen, die auf ihn hoffen. Jesus selbst wird mich von den (.) häßlichen Taten befreien, welche ich früher mit dir tat. Als aber (p. 228) Charis dies gehört hatte, wendete er sich, in der Seele gebrochen, zum Schlaf, indem er zu ihr sprach: Überlege bei dir heute die ganze Nacht hindurch! Wenn du mit mir sein willst, wie du früher warst, bevor du den Zauberer gesehen hast, so werde ich alle deine Wünsche erfüllen, und wenn es dir wegen deiner freundlichen Gesinnung gegen ihn beliebt, werde ich ihn aus dem Gefängnis herauslassen und freigeben, und er mag in ein anderes Land gehen. Und ich werde dich nicht betrüben, denn ich weiß, daß du sehr an dem Fremden hängst. Und die Sache hat nicht mit dir ihren Anfang genommen, sondern er hat mit dir auch viele andere Frauen betrogen. Diese aber sind zur Vernunft, gekommen und haben sich auf sich besonnen. Achte nun meineWortenichtfür nichts, undmachemichnichtzumSchimpfimLande der Inder. 118 Während Charis dies sagte, schlief er ein. Sie aber nahm zehn Denare und ging heimlich fort, um sie den Gefängniswärtern zu geben und zum Apostel hineinzugehen. (Unterwegs aber traf Judas Thomas mit ihr zusammen, als er zu ihr ging.) Und als sie ihn sah, fürchtete sie sich. Sie glaubte nämlich, daß er einer der Fürsten wäre. Denn viel Licht ging vor ihm her. Und während sie floh, sprach sie bei sich: Ich habe dich zugrunde gerichtet, arme Seele, denn du sollst nicht wieder Judas, den Apostel (Gottes, des Lebendigen), sehen und hast bis (p. 229) jetzt das heilige Siegel nicht empfangen. Und fliehend eilte sie zu einem engen Platz und verbarg sich dort, indem sie sprach: Es ist besser von Ärmeren (gefangen) zu werden, die man überreden kann, als diesem mächtigen Fürsten zu begegnen, der Geschenke verachtet. Zehnte Tat Wie Mygdonia die Taufe empfängt 119 Als Mygdonia dies bei sich überlegte, kam Judas herein und trat zu ihr. Und als sie ihn sah, fürchtete sie sich, fiel vor Furcht hin und lag wie tot da. Er aber trat hinzu, nahm sie bei ihrer Hand und sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Mygdonia; nicht wird Jesus dich verlassen, und nicht wird dein Herr, dem du deine Seele geweiht hast, dich übersehen; nicht wird dich seine erbarmungsvolle Ruhe im Stiche lassen; nicht wird dich der Freundliche im Stiche lassen wegen seiner großen Freundlichkeit und der Gute wegen seiner Güte. Steh also von der Erde auf, da du ganz über sie erhoben bist. Sieh das Licht, denn der Herr läßt die, die ihn lieben, nicht in der Finsternis wandeln. Schau auf den Begleiter seiner Knechte, weil er selbst ihr Mitkämpfer in Gefahren ist. Und Mygdonia stand auf, blickte ihn an und sprach: Wo gingst du hin, mein Herd Und wer ist's, der dich aus dem Gefängnis herausgeführt hat, die Sonne zu sehen? Spricht Judas Thomas zu ihr: Mein Herr Jesus ist mächtiger als alle Gewalten und Könige und Fürsten. 120 Und Mygdonia sprach: Gib mir das Siegel Jesu Christi, und ich will von deinen Händen eine Gabe empfangen, (p. 230) bevor du aus dem Leben scheidest! Und sie nahm ihn und ging in den Hof hinein, weckte ihre Amme und sprach zu ihr: Meine Mutter und Amme Marcia (Narcia S), alle Hilfen und Erquickungen, die du mir von 23*
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Kindheit an erwiesen hast, waren nichtige, und ich schulde dir dafür (nur) zeitlichen Dank. Erweise mir jetzt aber auch eine Gnade, damit du fortwährend von dem Vergeltung empfängst, der die großen Gaben schenkt. Bei diesen Worten sprach Marcia: Was willst du, meine Tochter Mygdonia, und was kann dir zur Freude geschehen~ Die Ehren, die du mir (früher) versprachst, ließ dich der Fremde nicht zu Ende führen, und du hast mich zum Schimpf im ganzen Volk gemacht. Und jetzt - was trägst du mir Neues auf~ Und Mygdonia sagte: Werde mir Genossin des ewigen Lebens, damit ich von dir vollkommene Nahrung empfange. Nimm ein Brot und bringe mir's, desgleichen auch eine Mischung von Wasser (und Wein), indem du auf meine freie Geburt schonende Rücksicht nimmst. Die Amme aber sprach: Ich werde dir viele Brote und statt des Wassers Metreten Wein bringen und deinen Wunsch erfüllen. Sie aber sprach zur Amme: Metreten bedarf ich nicht, noch auch der vielen Brote, sondern dies allein bring: eine Mischung von Wasser (und Wein) und ein Brot und Öl. 121 Als aber Marcia diese Dinge gebracht hatte, stellte sich Mygdonia mit enthülltem Haupt vor den Apostel, und er nahm das Öl, goß es auf ihr Haupt und sprach: Heiliges Öl, das uns zur Heiligung gegeben ist; verborgenes Geheimnis, in welchem uns das Kreuz gezeigt wurde; du bist der Ausdehner der (p. 231) (gekrümmten) Glieder; du bist der Demütiger der harten Werke; du zeigst die verborgenen Schätze an; du bist der Sproß der Güte. Möge deine Kraft kommen und sich auf deine Dienerin Mygdonia setzen, und heile sie durch diese (Ölsalbung) ! Als aber das Öl aufgegossen war, befahl er ihrer Amme, sie zu entkleiden und ihr ein leinenes Kleid umzulegen. Es war aber dort eine Wasserquelle, und zu ihr ging der Apostel hinauf und taufte Mygdonia auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Als sie aber getauft war und sich angekleidet hatte, brach er ein Brot, nahm einen Becher mit Wasser, ließ sie teilnehmen an dem Leibe des Christus und an dem Becher des Gottessohns und sprach: Du hast dein Siegel empfangen und ewiges Leben (erworben). Und augenblicklich wurde von obenher eine Stimme gehört, welche sprach: Ja, Amen. Als aber Marcia diese Stimme hörte, erschrak sie und bat den Apostel, daß auch sie das Siegel empfinge. Und der Apostel gab es ihr und sprach: Der Eifer des Herrn umgebe dich wie (die andern)! 122 Als aber der Apostel dies getan hatte, kehrte er ins Gefängnis zurück und fand die Türen geöffnet und die Wächter noch schlafend. Und Thomas sprach: Wer ist wie du, Gott, der du deine zärtliche Liebe und deinen Eifer von keinem (p. 232) fernhältst~ Wer ist dir gleich (an Barmherzigkeit), der du deine (Geschöpfe) vom Bösen errettet hast? Leben, das den Tod bezwungen, Ruhe, welche die Mühe beendet hat! Preis sei dem Eingeborenen vom Vater!, Preis sei dem Barmherzigen, der aus der Barmherzigkeit gesandt worden ist! Als er dies gesagt hatte, erwachten die Wächter und sahen alle Türen geöffnet, die Gefangenen aber drinnen. Und sie sprachen bei sich: Haben wir nicht die Türen gesichert~ Wie sind sie jetzt geöffnet, und die Eingeschlossenen noch drinnen~ 123 Charis aber ging, sobald es Tag wurde, zu Mygdonia. Er fand sie aber (beide) zusammen beten und sprechen: Neuer Gott, der du durch den Fremden zu uns hierher gekommen bist; Gott, der du vor der Einwohnerschaft Indiens verborgen bist; Gott, der du durch deinen Apostel Thomas deine Herrlichkeit gezeigt hast; Gott, von dem wir durch Hörensagen gehört und an den wir geglaubt haben; Gott, zu dem wir gekommen sind, um gerettet zu werden; Gott, der du aus Menschen1
Vgl. Joh. 1, 14.
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freundlichkeit und Erbarmen zu unserer Niedrigkeit herabgekommen bist; Gott, der du uns aufgesucht hast, als wir dich nicht kannten; Gott, der du die Höhen bewohnst und (vor den) Tiefen nicht verborgen bleibst -, wende Charis' Wahnsinn von uns ab! Als Charis dies hörte, sagte er zu Mygdonia: Mit Recht nennst du mich böse und einen Rasenden und häßlich. Denn wenn ich (p. 233) deinen Ungehorsam nicht ertragen und dir nicht Freiheit geschenkt hätte, so hättest du nicht (die Zauberei jenes Mannes S) wider mich angerufen und meines Namens vor Gott gedacht. Glaube mir aber, Mygdonia, daß bei jenem Zauberer kein Nutzen ist und daß er nicht ausrichten kann, was er verspricht. Ich tue dir alles, was ich verspreche, vor den Augen, damit du glaubst und meine Worte erträgst und gegen mich (wieder) wirst, wie du früher warst. 124 Sage die Wahrheit: erschien (ich dir schöner zu jener Zeit) oder Jesus zu dieser? Und Mygdonia sprach: Jene Zeit verlangt das Ihre, und diese verlangte das Ihre. Jene Zeit war die des Anfangs, diese aber ist die des Endes. Jene Zeit war die des zeitlichen Lebens, diese ist die des ewigen. Jene war die einer vorübergehenden Freude, diese aber ist die einer fortwährend bleibenden. Jene war die des Tags und der Nacht, diese ist die des Tags ohne Nacht. Du hast jene Hochzeit gesehen, die vorüberging (und hier (auf der Erde) bleibt), diese Hochzeit aber bleibt in Ewigkeit. Jene Gemeinschaft war die des Verderbens, diese ist die des ewigen Lebens. Jene Brautführer und -führerinnen sind zeitliche Männer lmd Frauen, die jetzigen aber bleiben bis ans Ende. (Jene Hochzeit war gegründet auf der Erde, auf welcher sich unaufhörliche Bedrückung (Drangsal) ausbreitet, diese ist gegründet auf der Brücke aus Feuer, auf die Gnade gesprengt wurde. S) Jenes Brautgemach vergeht, dieses aber bleibt immer. Jenes Bett war (mit Mänteln) bedeckt, dieses aber mit Liebe und Glauben. Du bist ein Bräutigam, der vergeht und zerstört wird, (p.234) Jesus aber ist der wahrhaftige Bräutigam, da er in Ewigkeit unsterblich bleibt. Jenes Brautgeschenk waren Schätze und Gewänder, die veralten, dieses aber sind lebendige Worte, die niemals vergehen. 125 Als Charis dies gehört hatte, ging er zum König und meldete ihm alles. Der König aber befahl, Judas herbeizuführen, damit er ihn richte und tötete. Charis aber sprach: Ertrage (ihn) noch eine Weile, König. Schrecke den Mann zuerst mit Worten, (und überrede ihn), daß er Mygdonia bestimme, gegen mich wie früher zu werden. Und Misdai schickte nach dem Apostel Christi und ließ ihn aus dem Gefängnis holen. Alle Gefangenen aber betrübten sich darüber, daß der Apostel von ihnen ging - denn sie sehnten sich nach ihm -, und sprachen: Auch diesen Trost, den wir hatten, hat man von uns genommen. 126 Misdai aber sprach zum Apostel: Weshalb lehrst du diese neue Lehre, welche Götter und Menschen hassen und (in der kein Nutzen ist)? Und Judas sprach: Was lehre ich Schlechtes? Misdai sprach: Du lehrst: (es ist nicht möglich, daß die Menschen bei Gott Leben haben, wenn sie sich nicht dem Gott, den ich predige, rein bewahren.) Judas sprach: Du sprichst wahr, 0 König, so lehre ich wirklich. Denn sage mir: bist du nicht darüber unwillig, wenn dich deine Soldaten in schmutzigem Kleide begleiten? Wenn nun du, der du ein irdischer König bist und zur Erde gehst, (p. 235) forderst, daß deine Untergebenen (in ihrem Äußern) anständig seien, wie konntet ihr dann zürnen und sagen, daß ich schlecht lehre, wenn ich sage: Die meinem Könige dienen, müssen heilig und rein sein und frei von jeder Trauer und Sorge um Kinder und unnützen Reichtum und von nichtiger Unruhe? Denn von deinen Untergebenen verlangst du, daß sie deinem Wrandel und deinen Sitten nachgehen, und wenn sie deine Befehle verachten, strafst du sie um wieviel mehr müssen die, welche an meinen Gott glauben, ihm mit vieler Heilig-
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keit, Reinheit und (Keuschheit) dienen, frei von allen leiblichen Vergnügungen, von Ehebruch und Verschwendung, von Diebstahl, Trunkenheit, Völlerei und (andern) häßlichen Taten. 127 Als Misdai dies hörte, sprach er: Siehe, ich gebe dich frei. Geh nun hin und überrede Mygdonia, Charis Weib, daß sie sich nicht von ihm trennen wolle! Spricht Judas zu ihm: Zögere nicht, wenn du (gegen mich) etwas tun willst! Denn wenn jene das, was sie gelernt hat, so, wie es richtig ist, aufgenommen hat, dann wird nicht Eisen noch Feuer noch etwas anderes, was stärker ist als diese Dinge, ihr schaden noch den (von ihr) entfernen können, den sie in ihrer Seele festhält. Spricht Misdai zu Judas: Die einen Arzneien machen die anderen unwirksam, und Theriak macht Otternbisse unwirksam. Und du kannst, wenn du nur willst, die (früher von dir angewandten) Zaubermittel unwirksam machen und Frieden und Eintracht in der (p. 236) Ehe herbeiführen. Denn wenn du dies tust, schonst du dich selbst. Denn du hast dein Leben noch nicht bis zur Sättigung ausgelebt. Wisse aber, daß ich dich, wenn du sie nicht überredest, aus (diesem verwünschten) Leben fortreißen werde. Und Judas sprach: Dieses Leben ist uns zum Gebrauch gegeben, und diese Zeit verändert sich. Jenes Leben aber, das ich lehre, ist unvergänglich. Aber die Schönheit und der Glanz der Jugend wird nach kurzer Zeit nicht mehr sein. Spricht der König zu ihm: Ich habe dir geraten, was dir nützlich ist. Du aber weißt, was dich angeht. 128 Als aber der Apostel (vom) König wegging, trat Charis hinzu und sagte bittend zu ihm: Ich bitte dich, Mensch, durch nichts habe ich mich jemals weder gegen dich oder gegen einen andern noch gegen die Götter vergangen - weshalb hast du so großes Unheil wider mich erregt? Und weshalb hast du einen so großen Aufruhr in meinem Hause hervorgerufen? Und was für einen Nutzen hast du davon? Wenn du aber etwas zu gewinnen glaubst, so sage mir, welcher Art der Gewinn ist, und ich werde ihn dir ohne Mühe verschaffen. Weswegen aber bringst du mich von Sinnen, dich aber stürzt du ins Verderben? Denn wenn du sie nicht überredest, so werde ich sowohl Hand an dich legen als auch mich schließlich selbst ums Leben bringen. Wenn aber, wie du sagst, nach der (Befreiung von dem Leben hier) es auch dort Leben und Tod, ferner Verurteilung und Sieg (im Rechtsstreit) und Gericht gibt, so erscheine ich auch dort und werde mit dir vor Gericht stehen. Und wenn der Gott, den du predigst, auch gerecht ist und gerecht die Strafen herbeiführt, so weiß ich, daß ich Recht (gegen dich) bekommen werde. (p. 237) Denn du hast mir geschadet, ohne daß dir von mir Unrecht geschehen ist. Denn auch hier kann ich mich (für alles) rächen, (was) du gegen mich getan hast. Gehorche mir also und gehe mit mir in mein Haus und überrede Mygdonia, sich so gegen mich zu verhalten wie früher, bevor sie dich gesehen hat! Judas aber sprach zu ihm: Glaube mir, Kind, wenn die Menschen Gott so sehr liebten wie einander, so würden sie alles, worum sie bäten, von ihm empfangen, ohne daß ihm jemand Zwang antut. 129 Als Thomas dies sagte, gingen sie in Charis' Haus und trafen Mygdonia sitzend an -, Marcia aber stand bei ihr und hatte ihre Hand an Mygdonia(s Wange) gelegt -, und sie sagte: Möchten doch bei mir, 0 Mutter, die übrigen Tage meines Lebens verkürzt werden und möchten alle Stunden wie eine Stunde werden und möchte ich das Leben verlassen, damit ich schneller weggehe und jenen Schönen sehe, von dem ich durch Hörensagen gehört habe, den Lebendigen, der allen Leben schenkt, die an ihn glauben, dorthin (gehe), wo weder Tag und Nacht ist noch Licht und Finsternis, weder Guter und Böser noch Armer und Reicher, Mann und Weib, nicht Freier und Sklave, nicht Hochmütiger und der die Demütigen unterwirft. Während sie dies sagte, trat der
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Apostel zu ihr. Und augenblicklich stand sie auf und fiel vor ihm nieder. Da sprach Charls (p. 238) zu ihm: Siehst du, wie sie dich fürchtet und ehrt und alles, was du befiehlst, freiwillig tut1 130 Als er aber dies sagte, sprach Judas zu Mygdonia: Gehorche, meine Tochter Mygdonia, dem, was Bruder Charls sagt! Und Mygdonia sprach: Wenn du die Sache nicht durch ein Wort (zu bezeichnen) vermochtest, (wie) zwingst du mich, die Tat zu ertragen1 Denn ich hörte von dir, daß dieses Leben ein Darlehen (.) und diese Ruhe zeitlich und dieser Besitz kein bleibender sind. Und wiederum sagtest du, daß, wer sich von diesem Leben abwendet, das ewige empfangen wird, und wer das Licht des Tages und der Nacht haßt, Licht (sehen wird), das keine (Unterbrechungen erleidet), und daß der, welcher diese Güter verachtet, andere, ewige Güter :finden wird. Nun aber (sagst du dieses S), weil du dich fürchtest. Wer aber, der etwas getan hat und für (sein) Werk gerühmt wird, ändert (es)1 (Wer baut einen Turm und) zerstört ihn wieder von Grund auf? Wer schüttet, wenn er an einem trockenen Ort eine Wasserquelle ausgegraben hat, diese wieder zu1 Wer :findet einen Schatz und gebraucht ihn nicht1 Als Charls dies hörte, sprach er: Ich werde euch nicht nachahmen noch mich beeilen, euch zu verderben. (Dich aber S) werde ich, da es mir ja freisteht, in Fesseln legen und dir nicht erlauben, dich mit jenem Zauberer zu besprechen. Und wenn du mir (nicht) gehorchst, so weiß ich, was ich zu tun habe. 131 Judas aber verließ Charls' Haus und ging in das Haus Sif6rs und wohnte dort mit ihm. Sif6r aber sprach: Ich will für Judas ein Triclinium herrichten, in welchem er lehren (wird). (p. 239) Und er tat so. Und Sif6r sprach: Ich und meine Frau und meine Tochter wollen fernerhin in Heiligkeit, in Reinheit und in einer Gesinnung wohnen. Ich bitte dich, daß wir das Siegel von dir empfangen, damit wir dem wahrhaftigen Gott Diener und solche werden, die zu seinen Lämmern und Schäfchen gehören. Judas aber spricht: Ich fürchte zu sagen, was ich erwäge. Ich weiß etwas, und was ich weiß, bin ich nicht imstande auszusagen. 132 Und er begann über die Taufe zu reden: Diese Taufe ist Vergebung der Sünden 1. Sie gebiert wieder ein ringsum ausgegossenes Licht. Sie gebiert wieder den neuen Menschen, (erneuert die Gedanken, vermischt Seele und Leib, S) richtet auf dreifache Weise den neuen Menschen auf und ist Teilnahme an der Sündenvergebung. Dir sei Preis, verborgene Kraft, die durch die Taufe mit uns verbunden wird! Dir sei Preis, unsichtbare Kraft, die in der Taufe liegt! Dir sei Preis, Erneuerung, durch welche die Täuflinge erneuert werden, die mit Neigung dich ergreifen2 • Und als er dies gesagt hatte, goß er Öl auf ihr Haupt und sprach: Dir sei Preis, Liebe des Erbarmens! Dir sei Preis, (p. 240) Name des Christus! Dir sei Preis, Kraft, die du in Christus wohnst! Und er ließ eine Wanne bringen und taufte sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. 133 Als sie aber getauft waren und sich bekleidet hatten, legte er Brot auf den Tisch und sprach segnend: (Brot) des Lebens, dessen Esser unvergänglich bleiben sollen; Brot, das hungernde Seelen mit seiner Seligkeit sättigt - du bist es, das gewürdigt (worden ist), eine Gabe zu empfangen, damit du uns Vergebung der Sünden würdest und die, welche dich essen, unsterblich würden; wir nennen über dir den Namen der Mutter des verborgenen Geheimnisses der verborgenen Herrschaften und Gewalten, wir nennen (über dir den Namen Jesu). Und er sprach: Möge kommen die Kraft des Segens und (sich auf das Brot niederlassen), damit 1 2
Das Folgende im wesentlichen nach U. Anders P. Von hier ab wieder nach beiden großen Handschriften.
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alle Seelen, die daran teilnehmen, von ihren Sünden abgewaschen werden! Und er brach das Brot und gab es Sifar und seiner Frau und Tochter. Elfte Tat Über die Frau des Misdai 134 Nachdem der König Misdai Judas entlassen hatte, ging er nach Hause (um zu essen S). Und er erzählte seiner Frau, was ihrem Verwandten Charis widerfahren sei, indem er sprach: Sieh, was dem Unglücklichen geschehen ist! Du weißt doch selbst, meine Schwester Tertia, daß es für einen Mann nichts (p. 241) (Schöneres) gibt als seine eigene Frau, bei der er ausruht. Es geschah aber, daß seine Frau zu jenem Zauberer hinging, von dem du gehört hast, der nach dem Land der Inder gekommen ist, so daß sie in seine Zaubereien hineingeriet und sich von ihrem Manne trennte. Und er weiß nicht, (was) er tun soll. Aber als ich den Übeltäter vernichten wollte, wollte er es nicht. Doch gehe du hin und rate ihr, sich zu ihrem Manne zurückzuwenden und sich von den törichten Worten des Zauberers fernzuhalten. 135 Und Tertia stand sogleich auf und ging in das Haus des Charis, des Verwandten ihres Mannes. Und sie fand Mygdonia in Demut auf dem Boden liegen. Und Äsche und ein Sack waren unter sie gelegt. Und sie betete, daß der Herr ihr ihre früheren Sünden vergeben und sie schnell aus diesem Leben scheiden möge. Und Tertia sprach zu ihr: Mygdonia, meine geliebte Schwester und Gesellschafterin, ( ..... ) was für eine Krankheit hat dich ergriffen? Und warum tust du die Werke der Wahnsinnigen? Erkenne dich nun selbst, und wende dich zu deiner Rückkehr! Nähere dich deiner zahlreichen Familie, und schone deinen wahrhaftigen Mann, Charis, und tue nichts, was deiner freien Geburt fremd ist! Mygdonia aber sprach zu ihr: 0 Tertia, du hast noch nicht den Prediger des Lebens gehört! Noch ist (seine Botschaft) nicht zu deinen Ohren gedrungen, (p. 242) noch hast du nicht die Arznei des Lebens gekostet und bist nicht von den verderblichen Seufzern befreit worden. Da du im zeitlichen Leben stehst, kennst du das ewige Leben und die Erlösung nicht, und ohne die unvergängliche Gemeinschaft wahrzunehmen, (wirst du durch verderbliche Gemeinschaft gequält S). Du stehst da, in veraltende Gewänder gehüllt, und begehrst nicht nach den ewigen. Und du bist stolz auf diese Schönheit, die zerstört wird, die Häßlichkeit der Seele aber erwägst du nicht. Und an einer Menge von Sklaven bist du reich, (deine eigene Seele aber hast du nicht befreit von der Sklaverei S). Und auf den Ruhm vor der Menge bist du stolz, von der Verurteilung zum Tode aber befreist du dich nicht. 136 Als Tertia dies von Mygdonia gehört hatte, sprach sie: Ich bitte dich, Schwester, führe mich zu jenem Fremden, der diese großen Dinge lehrt, damit ich auch hingehe und ihn höre und gelehrt werde, den Gott zu verehren, den er verkündigt, und Teilhaberin seiner Gebete werde und teilhaftig aller Dinge, die du mir gesagt hast. Mygdonia aber sprach zu ihr: Er ist im Hause des Kriegsobersten Siför. Denn (dieser) ist die Ursache (zum Leben) für alle geworden, die in Indien gerettet werden. Als aber Tertia dies gehört hatte, ging sie eilends zum Hause Sifars, um den ins Land gekommenen neuen Apostel zu sehen. Als sie aber eingetreten war, sprach Judas zu ihr:Was bist du zu sehen gekommen? Einen Fremden und Armen und Verachteten und Bettler, der weder Reichtum noch Besitz hat? Ein Besitztum aber habe ich, das (p. 243) weder ein König noch Fürsten wegnehmen können, das weder zerstört wird noch aufhört, welches Jesus ist, der Er-
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löser der ganzen Menschheit, der Sohn des lebendigen Gottes, der allen Leben gegeben hat, die an ihn glauben und zu ihm ihre Zuflucht nehmen, und der an der Zahl seiner Diener erkannt wird. Tertia spricht zu ihm: Möge ich Teilhaberin an diesem Leben werden, welches, wie du versprichst, alle empfangen (werden), die zur Herberge Gottes zusammenkommen! Und der Apostel sprach: Die Schatzkammer des heiligen Königs ist geöffnet, und die, welche würdig an den dort niedergelegten Gütern teilnehmen, ruhen aus, und indem sie ausruhen, herrschen sie 1. (.) Niemand aber kommt zu ihm, wenn er unrein und böse ist. Denn er kennt unser Inneres und die Tiefen der Gedanken, und niemand kann vor ihm verborgen bleiben. Auch du also wirst, wenn du wahrhaft an ihn glaubst, seiner Geheimnisse gewürdigt werden, und er selbst wird dich groß und reich und zur Erbin seines Reiches machen 2 • 137 Als Tertia dies gehört hatte, ging sie in Freude nach Hause zurück. Und sie fand ihren Mann, wie er, ohne gefrühstückt zu haben, (auf sie wartete). Als Misdai sie sah, sagte er: Warum ist dein Eintreten heute schöner (als sonst)? Und weshalb bist du zu Fuß gekommen, was für eine Freie wie dich unziemlich ist? Und Tertia sagte zu ihm: Ich schulde dir sehr großen Dank, daß du mich zu Mygdonia gesandt hast. Denn als ich hinging, hörte ich von dem neuen Leben und sah den Apostel des (neuen) Gottes, der denen das Leben gibt, die an ihn glauben und seine Befehle erfüllen. (p. 244) Ich bin es demnach auch meinerseits schuldig, dir diese Gunst und Mahnung (Aufforderung) durch eine (eigene) gute Mahnung (Aufforderung) zu vergelten. Denn du wirst im Himmel ein großer König sein, wenn du mir gehorchst und den von dem Fremden verkündigten Gott fürchtest und dich dem lebendigen Gott heilig bewahrst. Denn dieses Königreich vergeht, und deine Ruhe wird in Bedrängnis verwandelt werden. Doch geht zu jenem Mann und glaube ihm, und du wirst bis zum Ende leben! Als Misdai dies von seiner Gattin hörte, schlug er sein Gesicht mit den Händen, zerriß sein Gewand und sprach: Die Seele des Charls möge keine Ruhe finden, denn er hat mich an der Seele verletzt; und er möge keine Hoffnung haben, weil er meine Hoffnung fortgenommen hat. Und bestürzt ging er hinaus. 138 Und er fand seinen Freund Charls auf dem Markt und sprach: Warum hast du mich (als Freund S) in den Hades geworfen? Warum hast du mich beraubt und mir Schaden zugefügt, ohne selbst etwas gewonnen zu haben? Warum hast du mir geschadet, ohne daß du einen Nutzen hattest? Warum hast du mich getötet, ohne selbst Leben zu haben? Warum hast du mir Unrecht zugefügt, ohne doch selbst das Recht gewonnen zu haben? Warum hast du mir nicht erlaubt, jenen Zauberer zu vernichten, bevor er durch seine (Zauberei) mein Haus vernichte? Und (er stritt mit Charls S). Charls aber sprach: Was ist dir widerfahren? Und Misdai sprach: Er hat Tertia bezaubert. (p. 245) Und sie gingen beide in das Haus des Kriegsobersten Sifar. Und sie fanden Judas sitzen und lehren. Alle Anwesenden standen vor dem König auf; er (Judas) selbst aber stand nicht auf. Misdai erkannte aber, daß er jener war, und er nahm den Sessel, kehrte ihn um, hob den Sessel mit beiden Händen und schlug ihn so fest auf seinen Kopf, daß er ihn verwundete. Und er übergab ihn seinen Soldaten mit den Worten: Führt ihn fort und schleppt ihn brutal und ohne Zurückhaltung, damit allen seine Frechheit deutlich werde. Und sie schleppten ihn an einen Ort, wo Misdai zu richten pflegte. Dort trat er hin, bewacht von Misdais Soldaten. 1 2
Vgl. Hebräerevangelium 4a. b. 2, Bd. I, S. 107 u. 108. Vgl. auch nächste .Anmerkung. Vgl. Th.Ev. Logion 2, Bd. I, S. 214. Vgl. auch vorige .Anmerkung.
XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
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Zwölfte Tat Über Vazan (Vizan), Misdais Sohn 139 Aber Vazan, der Sohn Misdais, ging zu den Soldaten und sprach: Gebt ihn mir, damit ich mich mit ihm unterhalte, bis der König kommt! Und sie gaben ihn. Er aber führte ihn dahin, wo der König zu richten pflegte. Und Vazan sprach: Weißt du nicht, daß ich der Sohn des Königs Misdai bin und daß es mir freisteht, dem König zu sagen, was ich will, und er, (wenn ich es ihm sage), dir das Leben schenken wird. Sage mir nun, wer ist dein Gott und (p. 246) an wessen Macht hältst du dich und rühmst dich ihrer? Denn wenn es eine Zauberkraft und -kunst ist, so sage es und lehre (mich), und ich mache dich frei. Spricht Judas zu ihm: Du bist der Sohn des Königs Misdai, der ein zeitlicher König ist. Ich aber bin der Knecht Jesu Christi, (des) ewigen Königs. Dir steht es frei, deinem Vater zu sagen, daß er die, welche du willst, in diesem zeitlichen Leben rette, in welchem die Menschen nicht dauernd bleiben, welches du und dein Vater (ihnen) gebt. Ich aber bitte meinen Herren und rufe laut zu ihm für die Menschen, und er gibt ihnen neues Leben, das fortwährend (bleibt). Du prahlst mit Besitz, Sklaven, Gewändern, Schwelgerei und unreinem Beilager; ich aber rühme mich der Armut, Liebe zur Weisheit ('philosophia'), der Demut, des Fastens und Gebets und der Gemeinschaft mit dem heiligen Geiste und mit meinen Brüdern, welche Gottes würdig sind, und ich rühme mich ewigen Lebens. Du hast zu einem Menschen deinesgleichen Zuflucht genommen, der nicht imstande ist, seine Seele vom Gericht und vom Tode zu erlösen; ich aber habe Zuflucht zum lebendigen Gott genommen, zu dem Erlöser von Königen und Fürsten, welcher aller Richter ist. Und ihr lebt vielleicht heute, morgen aber nicht mehr; ich aber habe zu dem Zuflucht genommen, der in Ewigkeit bleibt, der alle unsere Zeiten und Zeitumstände kennt. Wenn du aber Diener dieses Gottes werden willst, sollst du (es) bald werden. Und daß du ein seiner würdiger Diener sein wirst, (wirst du) in folgenden Stücken zeigen: zuerst in der Heiligkeit, welche das Hauptstück aller guten Dinge ist; sodann durch die Gemeinschaft mit diesem Gott, den ich predige, durch die Liebe zur Weisheit ('philosophia'), durch die Einfachheit, durch die Liebe, durch den Glauben, durch (die Hoffnung auf ihn) und durch (die Lauterkeit eines reinen Wandels). (p.247) 140 Der Jüngling aber, der durch den Herrn überzeugt wurde, suchte nach einer Gelegenheit, wie er Judas zur Flucht verhelfen könne. Während er aber darüber nachsann, (kam) der König. Und die Soldaten nahmen Judas und führten ihn heraus. Und Vazan ging mit ihm heraus und stand bei ihm. Der König setzte sich und befahl, Judas mit auf den Rücken gebundenen Händen hereinzuführen. Er wurde herbeigeführt und trat in die Mitte. Und der König sprach: Sage mir, wer du bist und durch was für eine Gewalt 1 du diese Dinge tust. Judas sprach zu ihm: Ich bin ein Mensch wie du und tue dies durch die Kraft J esu Christi. Und Misdai sagte: Sage mir die Wahrheit, bevor ich dich verderbe. Und Judas sprach: Du hast keine Macht über mich, wie du meinst, und wirst mir nicht schaden. Unwillig über diese Worte befahl der König, (eiserne) Platten zu erhitzen und ihn barfuß auf sie zu stellen. Als die Soldaten ihm die Schuhe losbanden, sprach er: Die Weisheit Gottes ist besser als die Weisheit der Menschen. Du, Herr und König, trete seinem (Misdais) Zorn entgegen! Und sie brachten die Platten, die Feuer glichen, und stellten den Apostel 1
AG 4, 7.
5. Thoma8akten
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darauf. Und sogleich quoll Wasser in Mengen aus der Erde hervor, so daß die Platten verschlungen wurden. Und die ihn festhielten, ließen ihn los und wichen zurück. 141 Als aber der König die Wassermenge sah, sprach er zu Judas: Bitte deinen Gott, daß er mich von diesem Tode rette, damit ich nicht in der Überschwemmung zugrunde gehe. Der Apostel aber betete und sprach: Der du diese Natur gebunden und an einen (p.248) Ort vereinigt hast und in verschiedene Länder aussendest; der du sie aus der Unordnung zur Ordnung geführt hast; der du große Taten und große Wunder durch die Hände deines Knechtes Judas tust; der du mit meiner Seele Mitleid hast, damit ich allezeit dein Licht empfange; der du den Müden Lohn gibst; der Retter meiner Seele und der du sie wieder zu ihrer eigenen Natur bringst, sich den Schädigern nicht anzuschließen; der du immer Ursache des Lebens wirst -, besänftige du dies Element, damit es sich nicht erhebe und zerstöre! Denn es sind einige unter denen, die hier stehen, welche leben werden, wenn sie zum Glauben an dich gekommen sind 1. Als er aber gebetet hatte, wurde in kurzem das Wasser verzehrt, und der Platz wurde trocken. Und da Misdai dies sah, befahl er, ihn ins Gefängnis zu führen, 'bis ich Beschluß gefaßt habe, wie man mit ihm verfahren soll'. 142 Als Judas aber in das Gefängnis fortgeführt wurde, folgten ihm alle. Und Vazan, des Königs Sohn, schritt zu seiner Rechten und Sifor zu seiner Linken. Nachdem er ins Gefängnis eingetreten war, setzte er sich, ebenso Vazan und Sifor, der auch seine Frau und Tochter überredete, sich zu setzen. Denn auch sie waren hereingekommen, um das Wort des Lebens zu hören. Denn sie wußten, daß Misdai ihn wegen seines übermäßigen Zornes töten würde. Judas aber (p. 249) begann zu reden: Befreier meiner Seele aus der Knechtschaft der Menge, weil ich mich dargegeben habe, verkauft zu werden, siehe, ich freue mich und (frohlocke), da ich weiß, daß die Zeiten erfüllt sind, daß ich eingehe und (dich S) empfange. Siehe, ich werde von den irdischen Sorgen befreit. Siehe, ich mache die Hoffnung voll und empfange Wahrheit. Siehe, ich werde von Traurigkeit befreit und ziehe nur Freude an. Siehe, ich werde frei von Sorge und Schmerz und wohne in Ruhe. Siehe, ich habe Zeiten und Zeitläufen gedient und bin (über) Zeiten und Zeitläufe erhoben worden. Siehe, ich empfange (meinen Lohn S) vom Lohnzahler, welcher gibt, ohne zu rechnen, (weil sein Reichtum für seine Gaben ausreicht). (Siehe, ich entkleide mich und bekleide mich S), und werde nicht wieder entkleidet werden. Siehe, ich schlafe und wache auf, und werde nicht wieder schlafen. Siehe, ich sterbe und lebe wieder auf, und werde nicht wieder den Tod kosten 2 • Siehe, mit Freude erwarten sie, daß ich komme und mit ihren Verwandten vereint und als Blume in ihren Kranz gesetzt werde. Siehe, ich herrsche in dem Reiche, auf welches ich von hier aus gehofft habe. (Siehe, es werden die Bösen zuschanden, welche geglaubt haben, daß sie mich ihrer Macht unterwerfen würden S). Siehe, es fallen die Ungehorsamen vor mir, weil ich ihnen entronnen bin. Siehe, es ist Friede geworden, welchem alle entgegengehen. 143 Als der Apostel dies sagte, hörten alle Anwesenden ihm zu, indem sie glaubten, daß er noch (in dieser Stunde) aus dem Leben scheiden (werde). Und er sprach weiter: Glaubt an den Arzt alles Sichtbaren und Unsichtbaren und an den (Erlöser) der Seelen, welche seiner Hilfe bedürfen. Er ist ein Freier und stammt von Königen ab. Er ist der Arzt seiner (Geschöpfe). Er ist es, (p.250) der von seinen eigenen Knechten geschmäht wird. Er ist der Vater der Höhe und Herr und Richter der Natur. Der Höchste wurde er vom Größten her, der eingeborne 1 Vgl. :Mk. 9, 1 paIT.
2
Mk. 9, 1.
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X/Il. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhundert8
Sohn der Tiefe. Und er wurde Sohn der Jungfrau Maria genannt und hieß Sohn des Zimmermanns Joseph; er, dessen Niedrigkeit (wir) mit unsern leiblichen Augen (geschaut), dessen Hoheit wir aber durch den Glauben erkannt haben, und wir sahen sie in seinen Werken; dessen menschlichen Leib wir auch mit Händen betastet, dessen verändertes Aussehen wir mit unsern Augen gesehen haben!, dessen himmlische Gestalt wir aber auf dem Berge nicht sehen konnten 2; er, welcher die Fürsten getäuscht und den Tod bezwungen hat; er, der untrügliche Wahrheit ist und Steuer (und S) Kopfsteuer für sich und seine Jünger gegeben hat 3 ; (er, bei dessen) Anblick der Gewalthaber in Furcht geriet und die mit ihm verbundenen Mächte bestürzt wurden. Und der Gewalthaber (fragte), wer und woher er wäre, und er wußte das Wahre nicht, da er ja der Wahrheit fremd ist 4 ; er, obwohl er über die Welt und die in ihr vorhandenen Freuden, Schätze und Muße Macht hat, (hält alle diese Dinge von sich fern), und treibt seine Untertanen an, keinen Gebrauch davon zu machen. 144 Und als er diese Rede beendet hatte, stand er auf und betete so: Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name; dein Reich komme; dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden; (gib uns beständig das tägliche Brot S); vergib uns unsere Schuld, wie auch wir unsern Schuldnern vergeben haben; führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen 5 . (p. 251) Mein Herr und mein Gott 6, Hoffnung und Vertrauen und Lehrer (und mein Ermutiger S), du hast mich gelehrt, so zu beten. Siehe, dies Gebet bete ich und deinen Befehl vollbringe ich. Sei du mit mir bis zum Ende. Du bist es, der von Kindheit an Leben in mich gepflanzt und mich vor dem Verderben bewahrt hat. Du bist es, der mich in die Armut der Welt geführt und zum wahrhaftigen Reichtum eingeladen hat. Du bist es, der sich mir kundgetan und mir gezeigt hat, daß ich dein bin; und vom Weibe hielt ich mich fern, damit das, was du verlangst, nicht in Befleckung gefunden werde. 145 (p. 252) Mein Mund vermag nicht, dir zu danken, und mein Verstand nicht, (deinen Eifer für mich) zu erwägen, der du mir, während (ich) reich werden und erwerben (wollte), ( ... ) gezeigt hast, daß (vielen) auf Erden der Reichtum zur Strafe wird. Ich glaubte aber deiner Offenbarung und blieb in der Armut der Welt, bis (du), der wahrhaftige Reichtum, erschienst und mich und die (deiner) Würdigen mit Reichtum anfülltest und von Dürftigkeit, Sorge und Habsucht befreitest. Siehe also, dein Werk habe ich vollbracht und deinen Befehl vollzogen und bin arm, bedürftig, fremd, Sklave, verachtet, gefangen, hungrig, durstig, nackt und müde geworden. Möge (p. 253) mein Vertrauen nicht der Erfüllung verlustig gehen und möge meine Hoffnung auf dich nicht zuschanden werden! Meine Mühen mögen nicht vergeblich sein! Mögen nicht untergehen meine beharrlichen Gebete und Fasten, und mögen meine Taten an dir nicht geringer werden (im Wert sinken)! Möge der Teufel nicht den Weizensamen (aus dem) Lande rauben, (und möge nicht 1. Joh. 1, 1. 2 Vgl. Mk. 9, 2ff. parr. 3 Vgl. Mt. 17,24-27. 4 Vgl. Joh. 8, 44. Mt. 6, 9ff. Von jetzt ab gehen die beiden Handschriften U und P stark auseinander. P (und 3, teilweise sogar 4 andere Handschriften) bringen (vor allem mit stark abweichendem Text) dieses große Gebet (von Mein Herr und mein Gott ab bis c. 148) erst in dem 1
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Martyrium (nach c. 167). S stimmt dagegen im großen und ganzen mit U überein. James (p. 364) hält die von P (und den parallelen Handschriften) gebotene Stellung und Textüberlieferung dieser Kapitel für ursprünglicher. (Vgl. auch das unten zum Martyrium Gesagte.) Der oben gebrachte Text folgt jedoch der wesentlich kürzeren Textform von U und ihrer Einordnung ins Ganze. 6 Joh. 20, 28.
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sein Unkraut auf ihm gefunden werden l ; denn dein Land nimmt sein Unkraut nicht auf, es kann auch nicht in die Scheuer deines Ackerbauern gelegt werden. (Und weiter sprach er): 146 Deinen Weinstock habe ich ins Land gepflanzt S); möge er Schosse in die Tiefe treiben und seine Ranken mit dem Himmel verflechten! Mögen seine Früchte sich auf der Erde zeigen, und die sich daran ergötzen, die deiner würdig sind und die du erworben hast! Dein Silber, das du mir gegeben hast, habe ich (p. 254) auf den Tisch (der Wechsler) niedergelegt2; fordere es ein und gib es mir mit seinen Zinsen zurück, wie du versprochen hast! Mit deiner Mine habe ich zehn andere erhandelt 3 ; mögen sie mir (meinem Eigentum) hinzugefügt werden, wie du befohlen hast! Den Schuldnern habe ich die Mine nachgelassen'; möge sie nicht in meiner Hand gesucht werden, die ich erlassen habe! Zum Mahle eingeladen, kam ich, vom Acker und vom Weibe befreit; möge ich nicht von (ihm) verwiesen werden, möge ich aber fehlerlos (von ihm) kosten 6 ! Zur Hochzeit wurde ich eingeladen und habe weiße Gewänder angezogen; möge ich ihrer würdig sein und nicht, an Händen und Füßen gebunden, in die äußerste Finsternis hinausgehen müssen 6! (Meine Lampe strahlt in ihrem Lichte 7; möge ihr Herr sie bewahren (brennend erhalten), bis er das Hochzeitshaus verläßt und ich ihn empfange; möge ich nicht sehen, daß sie aus (p. 255) Ölmangel qualmt!) Meine Augen mögen dich schauen, und mein Herz möge sich freuen, weil ich deinen Willen erfüllt und deine Befehle ausgeführt habe! (Möge ich dem tatkräftigen und gottesfürchtigen Knechte gleichen, der mit sorgfältigem Fleiß die Wachsamkeit nicht vernachlässigt 8!) Die ganze Nacht wachend habe ich mich abgemüht, mein Haus vor Räubern zu bewahren, damit sie nicht durchgrüben 9. 147 10 Meine Lende habe ich mit Wahrheit gegürtet l l und meine Schuhe (fest) an meine Füße gebunden l2 , damit ich ihre Bänder nicht völlig gelöst sehe. Meine Hände habe ich an die Pflugschar gelegt und habe mich nicht umgewendetl3 , damit die Furchen nicht krumm würden. Das Feld ist weiß geworden, und die Ernte steht bevor l " damit ich meinen Lohn empfange. Mein Kleid, welches alt wird, habe ich (p. 256) alt gemacht, und die mühevolle Arbeit, welche zur Ruhe bringt, habe ich vollendet. Ich habe die erste, zweite und dritte Nachtwache gehalten 16, damit ich dein Angesicht schaue und deinen heiligen Glanz anbete. Ich habe die (Vorratshäuser) zerstört und sie auf der Erde verwüstet, damit ich mit deinen Schätzen angefüllt würde 16. Die wasserreiche Quelle in mir habe ich ausgetrocknet, damit ich deine lebendige Quelle finde 17 . Den Gebundenen, den du mir übergeben hast, habe ich getötet, damit der Gelöste, der in mir ist, nicht das Vertrauen verliere. Das Innere habe ich zum Äußeren gemacht und das Äußere (zum Inneren)18, und deine ganze Fülle wurde in mir zur Erfüllung gebracht. Rückwärts habe ich mich nicht gewendet, sondern Vgl. Mt. 13,25. • Vgl. Mt. 25, 27. 3 Vgl. Lk. 19, 13ft'. Vgl. Mt. 18, 23ft'. 6 Vgl. Lk. 14, 16ft'. par. 6 Vgl. Mt. 22, 1ft'. 7 Vgl. Mt. 25, 1ft'. 8 Vgl. Mt. 24,45ft'. 9 Vgl. Mt. 24, 43. 10 c. 147 ist nach der von P und S gebrachten Überlieferung ergänzt. U hat hier nur zwei Sätze. n Vgl. Eph. 6, 14. 12 Vgl. Eph. 6, 15. 13 Vgl. Lk. 9, 62. 14 Vgl. Joh. 4, 35. 16 Vgl. Lk. 12, 38. 16 Einige griechische Handschriften haben hier: ".All meine Habe habe ich verkauft, damit ich dich, die Perle, gewinne." 17 Vgl. Th. Ev. Logion 13, Bd. I, S. 206. 18 Vgl.,Ägypterevangelium, Bd. I, S. lUg; Th.Ev. Logion 22, Bd. I, S. 215. 1
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
bin zu dem, was vor mir ist, geschritten, damit ich nicht zu einer Schmach würde. Den Toten habe ich lebendig gemacht und den Lebenden getötet, und das, was fehlt, habe ich ausgefüllt, damit ich (p. 257) den Siegeskranz empfange und die Macht Christi in mir vollendet werde. Schmach habe ich auf der Erde empfangen verschaffe mir Lohn und Vergeltung im Himmel! 148 Laß nicht die Mächte und Gewalten mich wahrnehmen und laß sie nicht über mich Beschluß fassen! Laß nicht die Steuererheber und die Tributeinforderer Forderungen an mich stellen! Laß nicht die Niedrigen und Bösen mich verspotten (mich, den Tapferen und Gütigen)! Und wenn ich emporgeführt werde, laß sie sich nicht erkühnen, mir in den Weg zu treten, durch deine Macht, 0 J esus, die mich umkränzt. Denn sie fliehen und verbergen sich; sie können dich nicht ansehen. Denn plötzlich fallen sie über die her, die ihnen hörig sind, und der Teil (das Los) der Kinder des Bösen schreit selbst und überführt sie. (p. 258) Und niemand von ihnen bleibt verborgen, weil ihre Natur sich kenntlich macht. Abgesondert sind die Kinder des Bösen; (der Baum ihrer Früchte ist Bitterkeit S). Gewähre mir nun, daß ich in Ruhe vorübergehe und mit Freude und Frieden hinübergehe und vor dem Richter stehe. Und laß den Verleumder nicht auf mich blicken; seine Augen laß geblendet werden durch dein Licht, das du in mir hast wohnen lassen. Verstopfe seinen Mund, denn nichts hat er gegen mich. 149 1 Und er sagte wieder zu denen, die um ihn waren: (Glaubt, meine Kinder, an diesen Gott, den ich predige; glaubt an Jesus Christus, den ich verkündige; glaubt an den Lebendigmacher und Helfer seiner Knechte; S) glaubt an den Erlöser derer, die sich in seinem Dienst müde gearbeitet haben! Denn meine Seele frohlockt schon, weil meine Zeit nahe ist, ihn zu empfangen. Denn da er schön ist, bringt er mich dazu, immer über seine Schönheit zu reden, von welcher Art sie ist, obwohl ich nicht nach Würdigkeit darüber reden kann und vermag. Der du das Licht meiner Armut und der Ergänzer meiner Mängel und der Ernährer meiner Dürftigkeit bist -, sei du mit mir, bis ich komme und dich in Ewigkeit empfange. (p. 259)
Dreizehnte Tat Wie Vazan mit den Übrigen die Taufe empfängt
150 Der Jüngling Vazan aber bat den Apostel und sprach: Ich bitte dich, Mensch, (heiliger Mann S), Apostel Gottes, gestatte mir fortzugehen, und ich werde den Gefängniswärter überreden, dir zu erlauben, mit mir nach Hause zu gehen, damit ich durch dich das Siegel empfange und dein Diener und Bewahrer der Gebote des Gottes werde, den du verkündigst. Denn auch schon früher wandelte ich so, wie du es lehrst, bis mein Vater mich zwang und mit einer Frau, namens Mnesar, verband. Denn obwohl ich (erst) 21 Jahre alt bin, bin ich schon 7 Jahre verheiratet. Vor dem ehelichen Verkehr aber habe ich keine andere Frau gekannt. Deshalb hielt mich (mein) Vater auch für nichtsnutzig. Und mir ist weder ein Sohn noch eine Tochter jemals von dieser Frau geboren. Aber auch meine Frau lebte mit mir diese Zeit in Keuschheit zusammen, und ich weiß, daß ich heute Ruhe hätte, wenn (p. 260) sie gesund wäre und deine Worte gehört hätte und ewiges Leben empfinge. Doch sie wird durch Gefahr und viel Leiden geprüft. Ich will also den Wächter 1 c. 149 haben U und S allein, in den Kapiteln 150-158 stimmen die großen griechischen Handschriften ziemlich überein.
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überreden, wenn du mir versprichst, mit mir zu kommen. Denn ich wohne besonders (abseits) für mich allein. Und zugleich heilst du jene Unglückliche. Als Judas, der Apostel des Höchsten, das hörte, sprach er zu Vazan: Wenn du glaubst, wirst du die Wunder Gottes sehen und wie er seine Knechte rettet. 151 Während sie sich aber so unterredeten, standen Tertia, Mygdonia und Marcia in der Tür des Gefängnisses, und nachdem sie dem Gefängniswärter 363 Statere Silber gegeben hatten, gingen sie zu Judas hinein. Und sie fanden Vazan und Sif6r, dessen Frau und Tochter und alle Gefangenen, wie sie herumsaßen und das Wort hörten. Und als sie zu ihm traten, sprach er zu ihnen: Wer hat euch erlaubt, zu uns zu kommen? Und wer hat euch die versiegelte Tür geöffnet, um herauszugehen? Da sprach Tertia zu ihm: Hast du uns nicht die Türen geöffnet und uns in das Gefängnis gehen heißen, (p. 261) damit wir unsere dort befindlichen Brüder anträfen und dann der Herr seine Herrlichkeit an uns zeigte? Und als wir nahe an die Tür gekommen waren, trenntest du dich von uns - ich weiß nicht wie - und gingst, indem du dich verbargst, zuvor hierher, wo wir das Geräusch der Tür warnahmen, als du uns ausschlossest. Wir gaben also nun den Wächtern Geld und kamen herein. Und siehe, da sind wir und bitten dich, daß du dich überreden läßt und wir dir zur Flucht verhelfen, bis der Zorn des Königs gegen dich aufhört. Zu ihr sagte Thomas: Erzähle uns zuerst, wie ihr eingeschlossen wurdet. 152 Und sie sprach zu ihm: Du warst bei uns und entferntest dich nie auch nur eine Stunde von uns und fragst nun, wie wir eingeschlossen wurden? Aber wenn du hören willst, so höre: Der König Misdai ließ mich holen und sprach zu mir: Noch ist der Magier nicht Herr über dich geworden, da er ja, wie ich höre, die Menschen durch Öl, Wasser und Brot bezaubert und dich noch nicht bezaubert hat. Aber gehorche mir, da ich dich sonst einschließen und zerschlagen, jenen aber vernichten werde. Denn ich weiß, daß er, (solange) er dir nicht auch noch Öl, Wasser und Brot gegeben hat, noch nicht imstande gewesen ist, Macht über dich zu gewinnen. (p. 262) Ich sprach aber zu ihm: Über meinen Körper hast du Gewalt; tu ihm alles, was du willst; meine Seele aber werde ich nicht mit dir zugrunde richten. Als er dies aber gehört hatte, schloß er mich in ein Zimmer ein. Aber auch Charis brachte Mygdonia und schloß sie mit mir ein. Und du hast uns herausgeführt und bis zu den hier (Versammelten) gebracht. So gib uns schnell das Siegel, damit die Hoffnungen Misdais, der solches vorhat, vereitelt werden. 153 Als der Apostel dies gehört hatte, sprach er: Preis sei dir, vielgestaltiger Jesus, dir sei Preis, der du (wie unsre arme Menschheit) erscheinst! Dir sei Preis, der du uns ermutigst und stärkst und (Freude) gibst und uns tröstest und uns in allen Gefahren beistehst und unsre Schwachheit stärkst! Als er aber dies sagte, kam der Gefängniswächter und sprach: Setzt die Lampen beiseite, damit (uns) niemand beim Könige verklage! Und dann wandten sie sich, als sie die Lampen ausgelöscht hatten, zum Schlafe. Der Apostel aber redete mit dem Herrn: Nunmehr ist es für dich, J esus, Zeit zur Eile. Denn siehe, die Kinder der Finsternis (setzen uns in) ihre Finsternis. So beleuchte nun du uns (durch das Licht deiner Natur)! Und plötzlich war das ganze Gefängnis hell wie der Tag. Während aber alle, die im Gefängnis waren, in tiefem Schlafe lagen, waren allein die an den Herrn Glaubenden wach. 154 (p. 263) Judas sprach nun zu Vazan: Geh voraus und bereite uns, was wir nötig haben! Da sprach Vazan: Und wer wird mir die Pforten des Gefängnisses öffnen? Denn die Wächter haben sie geschlossen und sich schlafen gelegt? Und Judas sprach: Glaube an J esus und du wirst die Türen geöffnet finden! Als er aber von ihnen fortging, um herauszugehen, folgten ihm die anderen alle nach. Und
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XIII. Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts
während Vazan vorausging, begegnete ihm seine Frau Mnesar, die zum Gefängnis ging. Und als sie ihn erkannte, sprach sie zu ihm: Bruder Vazan, bist du es? Er aber sprach: Ja. Du aber bist Mnesar? Sie sprach: Ja. Vazan sprach zu ihr: Wohin gehst du, und noch dazu zu solcher Unzeit? Und wie konntest du aufstehen? Sie aber sprach: Dieser Jüngling legte seine Hand auf mich und richtete mich auf, und im Schlafe sah ich, daß ich dahin gehen solle, wo der Fremde sitzt, und vollkommen gesund werden. Vazan sprach zu ihr: Was für ein Jüngling ist bei dir? Sie aber sprach: Siehst du den nicht, der zur Rechten mich führt? 155 (p. 264) Während sie sich aber so unterhielten, kamen Judas und Sifor, dessen Frau und Tochter und Tertia, Mygdonia und Marcia, (um) in Vazans Haus (zu gehen). Als aber Mnesar, Vazans Frau, das sah, fiel sie auf ihre Knie und sprach: Bist du gekommen, unser Retter von der schweren Krankheit? Du bist der, den ich in der Nacht sah, der mir diesen Jüngling übergab, um mich ins Gefängnis zu führen. Aber deine Güte ließ nicht zu, daß ich mich anstrengte, sondern du bist selbst zu mir gekommen. Als sie dies gesagt hatte und sich umwandte, sah sie den Jüngling nicht mehr. Und da sie ihn nicht fand, sprach sie zum Apostel: Ich kann allein nicht gehen. Denn der Jüngling ist nicht da, den du mir gegeben hast. Und Judas sprach: Jesus wird dich weiterhin an der Hand führen. Danach ging sie (vor ihnen her S). Als sie aber in das Haus Vazans, des Sohnes des Königs Misdai, eingetreten waren, leuchtete ihnen, obwohl es noch Nacht war, viel Licht, das um sie ausgegossen war. 156 Da begann Judas zu beten und so zu sprechen: Gefährte und Bundesgenosse, Hoffnung der Schwachen und Vertrauen der Armen, Zuflucht und Herberge der Müden, (Stimme, die von der Höhe ausgegangen ist), Tröster, der (p. 265) mitten (unter uns) wohnt, Herberge und Hafen derer, die (durch finstere (?) Länder reisen S), Arzt, der unentgeltlich heilt, der du bei den Menschen für viele gekreuzigt wurdest, der du mit vieler Macht in den Hades hinabgingst, dessen Anblick die Fürsten des Todes nicht ertrugen, und stiegst mit großer Herrlichkeit empor, versammeltest alle, die zu dir Zuflucht nehmen, und bereitetest den Weg, und in deinen Spuren gingen alle, die du erlöstest, und du führtest sie in deine Herde ein und vereinigtest sie mit deinen Schafen; Sohn der Barmherzigkeit, der aus Menschenliebe von dem oberen, dem vollkommenen Vaterlande uns gesandte Sohn; Herr (unbefleckter S) Besitztümer; der du deinen Knechten dienst, damit sie leben; der du die Schöpfung mit deinem Reichtum angefüllt hast; Armer, der bedürftig war und vierzig Tage gehungert hat!; der du dürstende Seelen mit deinen Gütern sättigst -, sei du mit Vazan, Misdais Sohn, und Tertia und Mnesar und versammle (sie) in deine Hürde und (p. 266) vereinige sie mit deiner Zahl; sei ihr Führer im Lande des Irrtums, sei ihr Arzt im Lande der Krankheit, sei ihre Ruhe im Lande der Müden, heilige sie (im unreinen) Lande, sei der Arzt ihrer Körper und Seelen, mache sie zu deinen heiligen Tempeln, und es wohne in ihnen dein heiliger Geist! 157 Nachdem der Apostel so für sie gebetet hatte, sprach er zu Mygdonia: Entkleide deine Schwestern! Sie aber entkleidete sie, legte ihnen Schurze um und führte sie hinzu. Vazan aber war vorher hinzugegangen und jene nach ihm. Und Judas nahm Öl in einem silbernen Becher und sprach so dazu: Frucht, schöner als die andern Früchte, mit welcher überhaupt keine andere verglichen werden kann; du überaus mitleidige; du, die du durch die Gewalt des Wortes glühst; Kraft des Holzes, durch welche die Menschen, wenn sie sie anziehen (sich mit ihr salben), ihre Gegner besiegen; die 1
Vgl. Mt. 4, 2.
5. Thomasakten
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du die Sieger bekränzest; Merkzeichen und Freude der Müden; die du den Menschen die frohe Botschaft ihrer (p. 267) Rettung gebracht hast; die du denen Licht zeigst, die in der Finsternis sind; die du den Blättern nach bitter, (der Frucht nach süß bist); die du dem Aussehen nach rauh, dem Geschmack nach aber zart bist; die du schwach scheinst, durch das Außerordentliche deiner Kraft aber die alles sehende Kraft trägst; ( ... ) J esus, es komme (deine) sieghafte Kraft und (lasse sich auf dieses Öl nieder, wie sie sich damals) auf das ihm verwandte Holz niederließ ( .... ) -, und deine Kreuziger konnten ihr Wort nicht ertragen; möge nun auch die Gabe kommen, durch welche du (deine) Feinde anbliesest und dadurch bewirktest, daß sie zurückwichen und lang hinfielen, und möge sie in diesem Öle wohnen, über welchem wir deinen heiligen Namen nennen! Und als der Apostel dies gesagt hatte, goß er es zuerst auf das Haupt Vazans, danach auf die Frauen, indem er sprach: In deinem Namen, Jesus Christus, gereiche es diesen Seelen zur Vergebung der Sünden und zur Abwendung des Feindes und zur Rettung ihrer Seelen! Und er befahl Mygdonia, sie (die Frauen) zu salben, er selbst aber salbte Vazan. Als er sie aber gesalbt hatte, ließ er sie ins Wasser hinabsteigen auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. (p. 268) 158 Als sie aber aus dem Wasser hinaufgestiegen waren, nahm er Brot und Becher, segnete und sprach: Deinen heiligen Leib, der für uns gekreuzigt wurde, essen wir, und dein Blut, das für uns zur Erlösung vergossen wurde, trinken wir. Möge uns nun dein Leib Erlösung werden und dein Blut zur Sündenvergebung dienen! Für die Galle aber, die du um unsertwillen getrunken hast, möge die Galle des Teufels rings um uns weggenommen werden, und für den Essig, den du für uns getrunken hast!, werde unsere Schwachheit gestärkt; für den Speichel, den du unsertwegen empfangen hast 2, laß uns den Tau deiner Güte empfangen, und (für das) Rohr, mit dem sie dich um unsertwillen geschlagen haben 3 , laß uns das vollkommene Haus empfangen! Daß du aber um unsertwillen eine Dornenkrone empfangen hast 4 , dafür laß uns, die wir dich geliebt haben, mit einer unverwelklichen Krone umwinden! Und für die Leinwand, in welche du gewickelt wurdest 5, laß uns mit deiner unbesiegbaren Kraft umkleidet werden, für das neue Grab 6 aber und die Bestattung laß uns Erneuerung der Seele und des Leibes empfangen! Daß du aber auferstanden (p. 269) und wieder aufgelebt bist, dafür laß uns wieder aufleben und leben und vor dir in gerechtem Gericht stehen! Und er brach (das Brot der) Eucharistie und gab (es)7 Vazan, Tertia, Mnesar und der Frau und Tochter Siförs und sprach: Gereiche euch diese Eucharistie zur Rettung und Freude und zur Gesundheit eurer Seelen! Und sie sprachen: Amen. Und eine Stimme wurde gehört, welche sprach: Amen. Fürchtet euch nicht, sondern glaubt nur S ! Martyrium des heiligen und berühmten Apostels Thomas 9 159 Und danach ging Judas fort, sich einschließen zu lassen. Auch Tertia, Mygdonia und Marcia (p. 270) gingen, sich ebenfalls einschließen zu lassen. Und 3 Vgl. Mt. 27, 30. Vgl. Mt. 27, 34. 48. 2 Vgl. Mt. 27, 30. 6 Vgl. Mt. 27, 60. Vgl. Mt. 27, 29. 5 Vgl. Mt. 27, 59. 7 Vgl. Mt. 26, 26. 8 Vgl. Mk. 5, 36 parr. 9 In der Überlieferung des Martyriums gehen die großen griechischen Handschriften U und P, auch abgesehen von dem Einschub des großen Gebetes in P (vgl. 0., S. 364, Anm. 5) stark auseinander. Es spricht manches dafür, daß der Text des Martyriums seine eigene
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Henneoke, Apokryphen Bd. 2
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XIII. Apostelge8chichten des 2. und 3. Jahrhunderts
zu ihnen sprach Judas: Meine Töchter, Dienerinnen Jesu Christi, hört mich an diesem meinem letzten Tage, (an dem) ich unter euch mein Wort vollenden werde, um nicht weiter im Leibe (mit euch) zu reden. Denn siehe, ich werde hinaufgehoben zu meinem Herrn Jesus, der Mitleid mit mir gehabt, der sich bis zu meiner Niedrigkeit gedemütigt und mich zum Dienst der Majestät hinaufgeführt und mich gewürdigt hat, sein Diener zu werden. Ich freue mich aber, daß die Zeit der Befreiung von hier nahe ist, daß ich weggehe und (p. 271) am Ende meinen Lohn empfange. Denn gerecht ist mein Vergelter, er weiß, wie man vergelten muß. Denn er ist nicht neidisch, sondern freigebig mit seinen Gütern, da er darauf vertraut, (daß sein Besitz nichts bedarf). 160 Ich bin nicht Jesus, sondern ein Knecht Jesu. Ich bin nicht Christus, sondern ein Diener Christi. Ich bin nicht Gottes Sohn, ich bete aber darum, bei ihm für würdig gehalten zu werden. Bleibt aber im Glauben an Jesus Christus! Wartet auf die Hoffnung des Sohnes Gottes! Tragt nicht Bedenken in Nöten, und zweifelt nicht, wenn ihr seht, daß ich beschimpft und eingeschlossen werde und sterbe. Denn in diesen Stücken vollbringe ich, was mir vom Herrn befohlen ist. Denn wenn ich (.) nicht sterben (wollte), so (wißt ihr S), daß ich es könnte. Dieser scheinbare Tod ist kein Tod, sondern Befreiung und Lösung vom Körper. (p. 272) Und ich werde ihn mit Freude erwarten, damit ich weggehe und jenen Schönen und Barmherzigen empfange. Denn ich bin sehr müde geworden durch den Dienst, den ich ihm getan, und durch das, was ich durch seine Gnade ausgeführt habe, und jetzt wird er mich nicht im Stiche lassen. Ihr aber seht zu, daß nicht der in euch hineinkomme, der eindringt und die Gedanken zerteilt (in Zweifel versetzt). Denn stärker ist jener, den ihr aufgenommen habt. Erwartet nun seine Ankunft, daß er komme und euch empfange. Denn ihr werdet ihn bei (nach) eurem Weggehen sehen. 161 Als er aber die Rede an sie vollendet hatte, trat er in (das) dunkle Haus ein und sprach: Mein Erlöser, der vieles um unsertwillen erduldet hat, mögen diese Türen werden wie sie waren und (mögen ihre (p. 273) Siegel heil (unverletzt) werden)! Und er verließ die Frauen und ging hin, sich einschließen zu lassen. Sie aber waren betrübt und weinten, da sie wußten, daß der König Misdai ihn verderben würde. 162 Judas fand aber, als er (zurückgekehrt) war, die Wächter streiten und sagen: Was haben wir gegen diesen Magier gefehlt, daß er durch magische Kunst die Türen des Gefängnisses geöffnet hat und allen Gefangenen zur Flucht verhelfen will? Aber laßt uns gehen und dem König Meldung machen, (laßt uns ihm aber auch) über seine Frau und seinen Sohn (berichten)! Während die Wächter dies erwogen, hörte Judas schweigend zu. Gleich, als sie am Morgen aufgestanden waren, gingen sie zum König (p. 274) Misdai und sprachen: Herr, entlaß diesen Zauberer oder laß ihn anderswo bewachen. Denn (zweimal) hat dein Glück die Gefangenen zusammengehalten. Wenn wir die Türen rechtzeitig geschlossen haben, so finden wir sie beim Erwachen geöffnet. Aber auch deine Frau und dein Sohn, zusammen mit jenen Übrigen, lassen nicht von dem Manne. Als der König dies gehört hatte, ging er, die Siegel zu besichtigen, die er an die Türen gelegt hatte. Und er fand die Siegel, wie sie gewesen waren. Und er sprach zu den Gefängniswärtern: Weshalb lügt ihr? Denn diese Siegel sind bisher unversehrt. Und wie sagt ihr, daß Tertia und Mygdonia ins Gefängnis gehen? Die Wächter sprachen: Wir haben die Überlieferungsgeschichte gehabt hat. So bevorzugt James (S. 434ff.) den Text von P (und seine parallelen Handschriften). Wir bringen auch hier (wie Raabe, vgl. auch Bonnet) den Text von U.
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Thomasakten
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Wahrheit gesagt. 163 (p. 275) Danach ging der König ins (Gerichtshaus S) und ließ Judas holen. (Als er kam), zogen sie ihn aus, umgürteten ihn mit einem Schurz und stellten ihn vor den König. Misdai aber sprach zu ihm: Bist du ein Sklave oder ein Freier? Judas sprach: Ich bin ein Sklave, (du aber hast ganz und gar keine Macht über mich). Und Misdai sprach: Wie bist du als Entlaufener in dieses Land gekommen? Judas sprach: Ich kam hierher, um viele zu retten und um selbst durch (p. 276) deine Hände diesen Körper zu verlassen. Spricht Misdai zu ihm: Wer ist dein Herr, und welches ist sein Name, und über was für ein Land herrscht er? Mein Herr, spricht Thomas, ist mein und dein Herr, da er der Herr Himmels und der Erde ist. Und Misdai sprach: Wie heißt er? Spricht Judas: Seinen wirklichen Namen kannst du zu dieser Zeit nicht hören, ( ... ) der Name, der ihm für eine Zeit beigelegt wurde, ist Jesus, der Christus. Und Misdai: Ich habe nicht geeilt, dich zu verderben, sondern ich habe mich zurückgehalten. Du aber hast zu deinen Taten eine Zugabe gemacht, so daß man im ganzen Land von deinen Zaubereien (p. 277) hörte. Jetzt aber werde ich (so) mit dir verfahren, (daß) deine Zaubereien mit dir zugrunde gehen und unser Volk (von ihnen rein werde). Und Judas sprach: Diese Zaubereien, wie du sie nennst, ( ... werden sich niemals von hier entfernen). 164 Während dieser Worte erwog Misdai, wie er ihn töten solle, denn er fürchtete sich vor der herumstehenden Menge, da viele - auch von den angesehenen Leuten an ihn glaubten. Er stand auf und nahm Judas mit aus der Stadt heraus. Es folgten ihm aber wenige bewaffnete Soldaten. Die <-> Menge aber vermutete, der König wolle etwas von ihm (p. 278) lernen (erfahren). Und sie standen und beobachteten ihn. Als sie aber drei Stadien weit gegangen waren, übergab er ihn vier Soldaten und einem von den Anführern, indem er ihnen befahl, ihn auf den Berg zu führen und zu erstechen. Er selbst kehrte in die Stadt zurück. 165 Die Anwesenden liefen zu Judas, mit der Absicht, ihn zu befreien. Er aber wurde fortgeführt, begleitet von je zwei Soldaten an jeder Seite, die Speere in den Händen hatten, während der Anführer seine Hand (p. 279) festhielt und (ihn) führte. Und während sie gingen, sprach Judas: 0 deine verborgenen Geheimnisse, (welche) bis zu unserem Lebensende an uns zur Erfüllung gebracht wurden! 0 Reichtum deiner Gnade, der du nicht zugibst, (daß wir die körperlichen Leiden fühlen)! Denn siehe, wie vier mich ergriffen haben, da ich aus den vier Elementen geworden bin! Und einer führt mich, da ich. ja einem gehöre, zu dem ich weggehe ( .. ). Jetzt aber erfahre ich, daß mein Herr, da er ja aus einem war, zu dem ich weggehe und der immer unsichtbar bei mir ist, von einem durchbohrt wurde!, ich aber, da ich aus vieren bestehe, von vieren durchbohrt werde. 166 (p. 280) Als sie aber zu der Stelle kamen, wo sie ihn erstechen wollten, sagte Judas zu denen, die ihn festhielten: Hört mich wenigstens jetzt an, weil ich vor dem Weggang aus diesem Körper stehe! Und die Augen eures Verstandes mögen nicht verfinstert noch eure Ohren verstopft werden, daß sie nicht hören ( ... )! Glaubt an Gott, den ich verkündige! Befreit von dem frechen Hochmut des Herzens wandelt in einem Freien angemessenen Leben, im Ruhm bei den Menschen und im Leben bei Gott! 167 (p. 281) Aber zu Vazan sprach er: Sohn des irdischen Königs, Diener Jesu Christi, gib denen, die den Befehl des Königs Misdai ausführen, was nötig ist, damit ich von ihnen losgelassen werde, hingehe und bete! Als Vazan die Soldaten überredet hatte, wandte sich Judas zum Gebet. Es war aber folgendes (Gebet): Mein Herr und mein Gott 2 , meine Hoffnung und mein Erlöser und mein 1
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Vgl. Joh. 19, 34.
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Vgl. Joh. 20, 28.
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XIII. Apoatelgeachichten de8 2. und 3. Jahrhundert8
Führer und Wegweiser in allen Ländern, sei du mit allen, die dir dienen, und führe mich heute, da ich zu dir komme! Niemand nehme meine Seele, die ich dir übergeben habe. Mögen die Zöllner mich nicht sehen und die Tributeinforderer mich nicht falsch anklagen! Möge mich die Schlange nicht sehen und die Drachenbrut mich nicht anzischen! Siehe, (p. 282) Herr, ich habe dein Werk zur Erfüllung gebracht und deinen Befehl vollendet. Ich bin ein Sklave geworden, deshalb empfange ich heute die Freiheit. Du nun gib sie mir (vollkommen)! Dies aber sage ich nicht als ein Zweifelnder, sondern damit die (es) hören, welche hören sollen. 168 Als er aber gebetet hatte, sprach er zu den Soldaten: Kommt, erfüllt (den Befehl) dessen, der euch gesandt hat! Und die vier durchstachen ihn zugleich und töteten ihn. Alle Brüder aber weinten. Und sie kleideten ihn in schöne Gewänder und (p. 283) viele feine, leinene Kleider (Binden) und begruben ihn in dem Grabmahl, in welchem die ehemaligen Könige (begraben worden waren). 169 Sifar aber und Vazan wollten nicht in die Stadt hinabgehen, sondern, nachdem sie sich den ganzen Tag dort aufgehalten hatten, verbrachten sie auch die Nacht da. Und es erschien ihnen Judas und sprach: Ich bin nicht hier. Was sitzt ihr hier und bewacht mich? Denn ich bin hinaufgegangen und habe empfangen, was ich gehofft habe. Aber steht auf und wandelt, und nach kurzer Zeit werdet ihr zu mir versammelt werden. Misdai aber und Charis nötigten Tertia und Mygdonia sehr, überredeten sie aber nicht, ihre Meinung aufzugeben. Und Judas erschien ihnen und sprach: (p.284) Vergeßt nicht das Frühere! Denn Jesus, der Heilige und Lebendige, wird selbst euch helfen. Als die um Misdai und Charis sie nicht überredet hatten, ließen sie sie nach ihrem eigenen Willen leben. Alle dortigen Brüder aber hielten Versammlungen ab. Denn Judas hatte auf dem Berge, als er zum Sterben geführt wurde, Sifar zum Presbyter, Vazan (p. 285) aber zum Diakon gemacht. Der Herr aber half ihnen und mehrte durch sie den Glauben. 170 Es (traf) sich aber nach Verlauf langer Zeit, daß einer von den Söhnen des Königs Misdai von einem Dämon besessen wurde; da aber der Dämon hartnäckig war, so war niemand imstande zu heilen. Misdai überlegte aber und sprach: Ich will hingehen und das Grab öffnen und (eins von den Gebeinen des Apostels) Gottes nehmen und an meinen Sohn hängen, und ich weiß, daß er geheilt werden wird. Und er ging fort, das auszuführen, was er im Sinne hatte. (p. 286) Da erschien ihm Judas und sprach: Da du an den Lebenden nicht geglaubt hast -, wie willst du an den Toten glaubenP Aber fürchte dich nicht! Jesus, der Christus, bezeigt sich wegen seiner großen Güte menschenfreundlich gegen dich. Misdai fand aber die Gebeine nicht. Denn einer der Brüder hatte sie heimlich weggenommen und in die Gegend des Westens getragen. Da nahm er Staub von der Stelle, wo die Gebeine des Apostels gelegen hatten, hängte ihn (p. 287) an seinen Sohn und sprach: Ich glaube jetzt an dich, Jesus, nachdem der mich verlassen hat, der immer die Menschen verwirrt, damit sie nicht auf dein vernünftiges Licht schauen. Als aber der Sohn auf diese Weise gesund geworden war, nahm er (Misdai) an den Versammlungen der Brüder teil, indem er sich Sifar unterwarf. Und er forderte die Brüder alle auf, für ihn zu beten, daß er von unserm Herrn Jesus Christus Erbarmen erlangen möchte. Ende der Taten des Apostels Thomas Judas, die er im Lande der Inder tat, indem er den Befehl seines Senders erfüllte, welchem Ehre sei in alle Ewigkeit! Amen. 1
Vgl. Th.Ev. Logion 52, Bd. I, S.218.
XIV. DIE PSEUDO-CLEMENTINEN (J.lrmscher) 1. INHALT. Als Pseudo-Clementinen bezeichnet man eine Reihe von Schriften, welche über das Leben des heiligen Clemens von Rom handeln und diesen selbst als ihren Verfasser nennen. Der Inhalt ist in den Hauptzügen überall der gleiche: Clemens entstammt einer vornehmen stadtrömischen Familie, über die großes Unglück hereingebrochen ist dadurch, daß Clemens' Mutter, der Weisung eines Traumgesichtes folgend, zusammen mit zwei älteren Zwillingsbrüdern des Erzählers die Stadt heimlich verlassen hat. Da alle Nachforschungen nach ihr ergebnislos verlaufen, macht sich der Vater schließlich selbst auf die Suche, um ebenfalls nicht zurückzukehren. Clemens, inzwischen zum Jüngling herangewachsen, beschäftigt sich mit ganzer Hingabe mit religiösen Problemen, auf welche ihm die Lehren der Philosophen keine befriedigende Antwort zu geben vermögen. Darum geht er unverzüglich auf die Reise, als er von dem Auftreten des Gottessohnes in Judäa Kunde erhält. Er findet Anschluß an Petrus, der ihm das Gotteswort verkündet, das seine Zweifel beseitigt, und schließt sich hinfort dem Apostel als Jünger auf seinen Missionsfahrten an, die ihn in die Städte des syrischen Küstengebietes führen. Als Prediger, als Missionar und als Apologet vermag hier Petrus eine reiche Wirksamkeit zu entfalten; von besonderer Bedeutung ist dabei die Auseinandersetzung mit dem aus der AG (8,9-24) bekannten Simon Magus, der mit seinen Zauberkünsten als Petrus' Gegenspieler auftritt und von diesem schließlich durch Wort und Tat widerlegt wird. Am Ende wird auch Clemens' Familie wieder vereinigt, deren einzelne Glieder, wie sich zeigt, zwar zerstreut wurden, aber doch sämtlich am Leben geblieben sind. Diese Wiedererkennungen (avayvWetapo{, avayvwaetc;, recognitiones) wie auch andere Motive der Erzählung stellen die Clementinen in die Nähe des profanen Romans, dem gerade diese Entwicklungen geläufig sind (W. Bousset, ZNW 5,1904, S. 18ff.; K. Kerenyi, Die griechisch-orientalische Romanliteratur, 1927, S. 67ff.; R. Helm, Der antike Roman, 1948, S. 61; A. Salac, Listy filologicke 7, Etlliomia 3, 1959, S.45ff.). Doch ist das bloße Berichten nur ein Anliegen dieser Literatur, zumindest in ihrer ursprünglichen Gestaltung, neben welchem die Absicht steht, apologetisch und systematisch die christliche Lehre bzw. bestimmte Erscheinungsformen derselben zu vermitteln. Dadurch setzen sich die Clementinen in einen gewissen Abstand zu den apokryphen Apostelgeschichten, die ja in erster Linie acta, :n;ed~ct" Berichte sein wollen (0. Stählin, Die altchristliche griechische Literatur, S.A. 1924, S. 1200f.), und durch ebendiese theologische Tendenz boten sie zugleich Anreiz zu mannigfacher Umgestaltung und Überarbeitung. 2. QUELLEN UND TEXTGESCHICHTE. Die Clementinen sind nicht in ihrer Urfassung auf uns gekommen. Weithin anerkannt ist heute die Ansicht, daß sie auf eine Grundschrift zurückgehen (B. Rehm, ZNW 37, 1938, S. 155f.); dagegen ist gegenüber der vor allem von H. Waitz (Die Pseudoklementinen, 1904, und zuletzt ZKG 59,1940, S. 327ff.) vertretenen These, wonach diese Grundschrift sich auf zwei im Wesentlichen noch rekonstruierbare Hauptquellenschriften, die K1]evypa:ra IIheov und die IIed~et, IIb:eov, gestützt habe, Zurückhaltung geboten. Die Grundschrift ist nicht erhalten, läßt sich aber nach den von
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XIV. Die Pseudo-Clementinen
ihr abgeleiteten Rezensionen in großen Zügen erschließen. Die entscheidenden Bestandteile des Clemensromanes gehören ihr bereits an. Ihre Grundhaltung ist der Rationalismus der Apologetenzeit. Die irdische Gerechtigkeit gibt die Bürgscbaft für erfolgreicbes Bestehen beim Jüngsten Gericht; rationabiliter vivere ist die aus solcher Lebensweisbeit sich ergebende Forderung. Der Glaube spielt eine nur untergeordnete Rolle, Jesu Tod hat keine religiöse Bedeutung, das christologische Problem besteht kaum. Garant der metaphysischen Anschauungen ist der wahre Prophet, dessen Berufung sich am Eintreffen seiner Voraussagen zu erweisen hat. Die Grundschrift gehört nach Syrien, wo sie in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts entstanden sein dürfte (Waitz, a.a.O., S. 72ff.; Rebm, a.a.O., S. 156). Die Grundschrift, die sicher keine weite Verbreitung fand, erfuhr eine erste Umarbeitung durcb einen spekulativ gericbteten Tbeologen, den Homilisten. Mit einem tiefen ethiscben Interesse verband er ein metaphysisches, das ihn geradezu einen eigenen "Lehrbegriff" (G. Uhlhorn, Die Homilien und Recognitionen des Clemens Romanus, 1854, S.153ff.) entwickeln ließ, den er freilich an dem bereits vorliegenden Stoffe nicht überall bis ins letzte folgerichtig durchzuführen vermochte. Die Lehre von den Syzygien, den Gegensatzpaaren, die der Homilist überall in der Welt, sogar im Wesen Gottes wiederfindet, gibt die Begründung für die Gegnerschaft des Petrus mit Simon, welche zum Leitmotiv der Handlung wird. Bemerkenswert ist das kritische Verhältnis, das der Homilist dem AT gegenüber einnimmt (Rehm, a.a. 0., S.159). Seine Stellungnahme zu den trinitarischen Fragen (XVI 16; XX 7) legt ihn auf die Zeit vor 381 fest; auch er dürfte im Osten geschrieben haben. Höcbstwahrscheinlich ist diese so originelle Schrüt nicht weit verbreitet gewesen und wäre vielleicht überhaupt verlorengegangen, hätten nicht Ebionäer daran Gefallen gefunden, denen das vorbildhafte Beispiel für ihr FesthaIten an jüdischer Überlieferung zupaß kam. Durch geeignete Interpolationen verstärkten sie diese Tendenzen noch und machten im übrigen durch Anfügung der Epistula Petri und der Llwp,a(!7:vl1la die Schrift zum Bestandteil einer petrinischen, antipaulinischen Gebeimtradition. Es ist möglich, daß diese häretische Verfälschung der Homilien den Anstoß zur Abfassung der Rekognitionen gab, die neben der Grundschrift die Homilien voraussetzen und sich bald an diese, bald an jene enger anschließen. Die ebionitische Herausstellung von Petrus und Jakobus wird noch unterstützt; sonst aber beschränkt sich der Autor, dem Dogma der Großkirche Widersprechendes auszuschalten. Die Abfassungszeit fällt vor die der apostolischen Konstitutionen, die zwischen 360 und 380 in Syrien entstanden sind (E. Schwartz, ZNW 31, 1932, S. 178). Docb wie die Homilien traf auch die Rekognitionen das Mißgeschick, von Ketzern zur Beglaubigung ihrer abweichenden Lebren interpoliert zu werden. In geradezu genialer Weise verstand es ein Anhänger des Eunomius, für seine Auffassung der Trinität darin Platz zu schaffen (IH 2-11), mit dem Erfolg, daß auch die Rekognitionen in der Großkirche verdächtig wurden und allmählich verschwanden. Rufin, der Gegenspieler des Hieronymus, der die Rekognitionen ins Lateinische übersetzte, verhalf ibnen im Westen zu Geltung und Verbreitung, indem er die anstößigen Partien in seiner Übertragung ausließ; daß sie später von einem anderen Übersetzer nachgetragen wurden, vermochte daran nichts mehr zu ändern. Soweit die Textgeschichte, wie sie Bernhard Rehm, a.a.O., S. 77ff. herausgearbeitet hat. 3. ÜBERLmFERUNG. Die Homilien (KÄfll)'BVTOr; TOV IIiTl10v snu51Jp,twv X1Jl1vyp,rl.TOJV SntTOp,Ij) nebst je einem Brief des Petrus und Clemens an Jakobus sowie der Anweisung zum richtigen Gebraucb der Scbrift (Llwp,aI1TVl1la n611t TWV TOV ßtßÄlov Äap,ßav6VTOJv) sind griechisch in zwei Codices erhalten, dem von XIX 14 an unvollständigen Parisinus Graecus 930 und dem 1838 von A.R.M. Dressel entdeckten Vaticanus Ottobonianus 443. Die erste vollständige Ausgabe stammt von Dressel und erschien 1853 in Göttingen (abgedruckt bei Migne PG 2, Sp. 19ff.). Sie ist inzwischen überholt durch die Editionen de Lagardes, Leipzig 1865, und B. Rebms (GCS 42), Berlin 1953. Die Rekognitionen sind nur in der lateiniscben Übertragung Rufins auf uns gekommen ohne die Lltap,al1TVl1la und die beiden Briefe, von denen der Übersetzer den des Clemens
XIV. Die P8eudo-Glementinen
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gesondert herausgegeben hatte (ediert von O. F. Fritsche, Universitäts-Programm, Zürich 1873). Das Buch, dem eine Widmung an den Bischof Gaudentius vorangeht, hat im Abendlande weite Verbreitung gefunden, wie über hundert erhaltene Handschriften beweisen. Sie sind sämtlich für die in Kürze zu erwartende Ausgabe Berhard Rehms in den GCS herangezogen worden, während die letzte vorhandene Ausgabe - von E. G. Gersdorf, Leipzig 1838, abgedruckt bei Migne PG 1, Sp. 1201ff. - heutigen Ansprüchen nicht mehr genügt. Ins Syrische sind sowohl die Homilien wie auch die Rekognitionen schon früh übersetzt worden. Eine Handschrift aus Edessa (British Museum Add. 12150) vom Jahre 411 enthält eine Textzusammenstellung von R I-IV 1, 4 und H X-XIV 12 aus der Feder zweier verschiedener Übersetzer. Nach de Lagarde (Leipzig 1861) ist dieser Text nebst einer Rekonstruktion der griechischen Vorlage herausgegeben von W. Frankenberg, TU 48, 3 (1937). Das auf den Erzählungsteil der Clementinen gerichtete Interesse weiter Kreise der Leserschaft gab Veranlassung zur Abfassung von Auszügen, in welchen die dogmatischen Erörterungen zurücktraten. In griechischer Sprache besitzen wir zwei solcher Epitomen (hrsg. v. DresseI1859). Zumal die ältere der beiden, die in ca. 30 Handschriften überliefert ist, gewinnt für die Textgestaltung der Homilien Bedeutung; die in zahlreichen Codices aufgezeichnete sog. Coteliersche Epitome dagegen stellt lediglich eine Paraphrase des älteren Auszuges dar. Neben der arabisch abgefaßten Sinai-Epitome (hg. v. M. Gibson, Studia Sinaitica 5, 1896), die einen von Rutin unabhängigen Rekognitionentext bietet, besitzen wir schließlich noch Clementinenfragmente in äthiopischer Sprache (Stählin, a. a. 0., S. 1213). 4. LrrERATUR. Die zahlreichen literarischen und theologischen Probleme, die sich a.n die Clementinen knüpfen, haben eine Vielzahl von Abhandlungen und Untersuchungen hervorgerufen. Die älteren Zusammenstellungen und Arbeiten bis 1937 verzeichnet B. Rehm, ZNW 37, 1938, S. 77, Anm. 1. Die danach erschienenen Arbeiten finden sich bei G. Strecker, Das Judenchristentum in den Pseudoklementinen, TU 70, 1958, S.276ff. Strecker selbst trägt eine von der hier vertretenen Auffassung abweichende Ansicht vor. Vgl. auch o. S. 63 ff. Außer der dort angegebenen Literatur vgl. man noch W. Frankenberg, ZDMG 91,1937, S. 577ff.; H. J. Schoeps, Iranisches in den Pseudoklementinen, ZNW 51,1960, S. 1-10; W. Ullmann, The Significance of the Epistola Clementis in the Pseudo-Clementines, JThSt, NS 11,1960, S.295ff. TEXTE*
Olemens' innere Entwicklung (H 1) 1 1 Ich, Clemens, ein römischer Bürger, habe auch während meiner Jugendzeit eine besonnene Lebensführung üben können, weil meine Nachdenklichkeit von Kindheit an mein Triebleben niederhielt und mir viel Betrübnis und Drangsal brachte. 2 Immer wieder kamen mir - woher, weiß ich nicht - Gedanken an den Tod, daran, daß ich nach meinem Dahinscheiden nicht mehr sein und keiner sich meiner erinnern würde, s da ja die Zeit, die keine Grenzen kennt, alles, aber auch alles in Vergessenheit bringt, und ich dachte daran, daß ich sein würde, ohne Existenz zu besitzen und ohne um die zu wissen, denen Existenz zukommt ... 4 Ist die Welt zu einer Zeit entstanden? fragte ich weiter. Und was war dann vor ihrer Entstehung? Wenn sie nämlich immer bestanden hat, dann wird sie auch weiterbestehen ; ist sie jedoch geworden, so muß sie auch vergehen. 5 Und was wird dann nach ihrer Auflösung sein als vielleicht Schweigen und Vergessen? Oder könnte es dann gar etwas geben, was wir uns jetzt nicht einmal vorstellen können? 2 1 Mit solchen und ähnlichen Gedanken beschäftigte ich mich - warum, weiß ich nicht - immerfort und wurde dadurch so schmerzlich betrübt, daß ich an Bleichsucht und Auszehrung erkrankte.
* Eine Übersetzung der Epistula. Petri und der Contestatio oben bei Strecker, S. 69 ff.
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XIV. Die Pseudo-Olementinen
Doch das Schlimmste dabei war, daß ich, wenn ich einmal diese Gedanken als müßig zu verdrängen suchte, nur noch ärger leiden mußte. 2 Das verbitterte mich, weil ich noch nicht wußte, daß ich in diesen Gedanken gute Wegbegleiter besaß, die für mich einen rechten Anfang zur Unsterblichkeit bedeuten sollten, 3 wie mir später die Erfahrung meines Lebens zeigte, und ich bin Gott, dem Herrn aller Dinge, dankbar dafür geworden. Durch diese Besorgnisse nämlich, die ich im Anfang als drückend empfand, wurde ich veranlaßt, den Dingen auf den Grund zu gehen und diesen Grund zu finden; 4 nunmehr beklagte ich diejenigen, deren Glück ich vorher aus Unwissenheit glaubte preisen zu sollen. 3 1 Da ich mich also von Kindheit an mit solchen Problemen befaßte, so suchte ich, um etwas Gewisses zu erfahren, die Vorlesungen der Philosophen auf. Die widerlegten Lehrsätze und stellten neue auf, stritten und zankten sich, entwickelten ausgeklügelte Folgerungen und erfanden neue Schlüsse; aber etwas anderes vermochte ich bei ihnen nicht zu erblicken. 2 Einmal hieß es, um ein Beispiel zu geben, die Seele sei unsterblich, ein andermal, sie sei sterblich. Wenn die Ansicht galt, sie sei unsterblich, dann freute ich mich; hieß es dagegen, sie sei sterblich, so war ich deshalb traurig. 3 Noch größer war allerdings meine Verzweiflung darüber, daß ich weder die eine noch die andere Auffassung mir zu eigen machen konnte; ich hatte vielmehr den Eindruck, daß die aufgestellten Hypothesen je nachdem, wer sie verficht, als falsch oder richtig angesehen und nicht in ihrem Wahrheitsgehalt herausgestellt werden. 4 Sobald ich aber einmal begriffen hatte, daß Schlüsse nicht nach Maßgabe der verteidigten Fakten gezogen werden, sondern sich Auffassungen nach der Persönlichkeit ihrer Verfechter durchzusetzen pflegen, vergrößerte sich meine Verwirrung in diesen Fragen noch mehr. Darüber seufzte ich aus tiefstem Herzen. Denn ich konnte weder zu einem festen Entscheid kommen, noch hatte ich die Kraft, mich von diesen Gedanken überhaupt frei zu machen, obgleich ich, wie ich bereits erzählte, den Willen dazu besaß ... (R I 6)
6 1 Während mich eine Flut solcher Überlegungen erfaßte, drang unter der Regierung des Kaisers Tiberius eine Nachricht zu uns durch, die im Osten ihren Ursprung hatte; überallliin breitete sie sich aus und erfüllte schließlich als eine gute Botschaft Gottes die ganze Welt; daß der Wille Gottes unverkündet bliebe, wollte sie nicht dulden. 2 Sie gelangte bis in den letzten Winkel, und das war ihr Inhalt: Da sei ein Mann in Judäa und verkünde seit Beginn des Frühlings den Juden das Reich Gottes; diejenigen, behauptet er, würden es erlangen, die die Forderungen seiner Gebote und seiner Lehre hielten. 3 Zum Beweise, daß seine Rede Glauben verdiene und von göttlichem Geiste sei, lasse er, so erzählte man, durch sein bloßes Wort viele Zeichen und seltsame Wundertaten geschehen, 4 so daß er gleichsam in Gottes Vollmacht die Tauben hören und die Blinden sehen mache, die Siechen und Lahmen aufrichte, jegliche Schwäche und alle Dämonen aus den Menschen vertreibe, ja sogar Tote, die man vor ihn bringe, auferwecke, ferner Aussätzigen, welche er von ferne erblicke, Heilung bringe und es überhaupt nichts gäbe, was für ihn unmöglich wäre. 5 Von solchen Dingen erfuhren wir im Fortgang der Zeit nicht mehr bloß durch die zahlreich umgehenden Gerüchte,. vielmehr fanden diese bald ihre Bestätigung durch zuverlässige Berichte von Reisenden, die aus jener Gegend kamen, und die Richtigkeit des Erzählten wurde mit jedem Tage deutlicher. 7 1 Am Ende fanden in Rom da und dort Zusammenkünfte statt, man besprach
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sich über diese Nachrichten und äußerte sein Interesse dafür, wer das denn sei, der da in Erscheinung trat, und was für eine Botschaft er den Menschen überbracht hätte. 2 Das ging so lange, bis noch um dasselbe Jahr auf einem sehr belebten Platze der Stadt ein Mann auftrat und sich mit folgenden Worten an die Menge wandte: 3 "Hört mich an, ihr Bürger von Rom! Der Sohn Gottes ist im Lande Judäa erschienen und verspricht allen, die es hören wollen, das ewige Leben, sofern einer sein Handeln nach dem Willen Gottvaters, von dem jener gesandt ist, gestaltet. 4 Bekehrt euch darum vom Bösen zum Guten, von dem, was zeitlich, zu dem, was ewig ist! 5 Erkennt, daß es ein Gott ist, der Himmel und Erde lenkt und unter dessen gerechten Augen ihr ohne Gerechtigkeit die Welt bevölkert, die ihm gehört! 6 Doch wenn ihr euch bekehrt und nach seinem Willen handelt, werdet ihr in ein neues Zeitalter eingehen, unsterblich werden und an seinen unsagbar herrlichen Gütern und Gaben teilhaben." 7 Der Mann, der so zu der Menge sprach, stammte aus dem Morgenlande, war ein Hebräer mit Namen Barnabas und behauptete, zum Kreise der Schüler jenes Gottessohnes zu gehören und dazu ausgesandt zu sein, daß er diese Botschaft denen, die sie hören wollten, verkündete. 8 Nachdem ich das vernommen, lief ich mit den anderen Leuten hinter ihm her und hörte weiter auf das, was er sagte. Denn es war mir klar, daß bei diesem Manne die Worte nicht bloßer rhetorischer Aufputz waren, sondern er schlicht und ohne Umschweife darlegte, was er von dem Gottessohne gehört oder gesehen hatte. 9 Seine Behauptungen untermauerte er nämlich nicht mit plausiblen Beweisgründen, sondern führte für die Reden und die Wunderdinge, die er verkündete, Zeugen zahlreich, auch aus dem Kreise der Umstehenden, vor. 8 1 Als nun aber die einfachen Leute so lauteren Worten gerne zustimmten und an der schlichten Redeweise zunehmend Gefallen fanden, da begannen die, welche sich als Gelehrte und Philosophen dünkten, Barnabas zu verlachen und zu verspotten und die Fallstricke ihrer Syllogismen als ihre schwersten Waffen gegen ihn zu richten. 2 Doch der ließ sich dadurch nicht irre machen, achtete ihre Spitzfindigkeiten für Narrenpossen und würdigte sie selber nicht einmal einer Antwort, sondern setzte mutig den Weg fort, den er eingeschlagen hatte. 3 Als ihn so einmal jemand bei einem Vortrage mit der Zwischenfrage unterbrach, warum die Mücke, ein doch nur winziges Tier, so gestaltet sei, daß sie sechs Füße und dazu noch Flügel besitze, hingegen der Elefant trotz seiner außergewöhnlichen Größe gar keine Flügel und nur vier Beine habe, 4 ging er darauf überhaupt nicht ein, sondern setzte seine Rede, welche die unpassende Bemerkung unterbrochen hatte, bei anhaltender Aufmerksamkeit fort; nur die eine Mahnung äußerte er immer dann, wenn er unterbrochen wurde: 5 "Wir haben den Auftrag, euch die Worte und Wundertaten dessen zu verkünden, der uns gesandt hat, und die Zuverlässigkeit unserer Verkündigung nicht durch künstliche Beweisgründe, sondern durch Zeugen aus euern eigenen Reihen zu bekräftigen. 6 Denn ich sehe sehr viele unter euch stehen, die, wie ich weiß, mit uns gehört haben, was wir hörten, und mit uns gesehen haben, was wir sahen. Es liegt in eurer Entscheidung, unsere Predigt anzunehmen oder zu verwerfen. 7 Wir können das nicht verschweigen, was, wie wir wissen, euch nützlich ist; denn weml wir es nicht nennen, so ist es uns zum Schaden, euer Verderben jedoch, das nicht anzunehmen, was wir verkündigen. 8 Aber auch auf eure törichten Einwände - ich denke an den Unterschied zwischen Mücke und Elefant - würde ich ohne Schwierigkeit antworten, wenn ihr fragtet, um die Wahrheit zu erfahren; doch wäre es unsinnig, jetzt zu euch von den Geschöpfen zu reden, da ihr den Schöpfer und Urheber aller Dinge nicht
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kennt." 9 1 Kaum hatte er geendet, begannen auf einmal alle wie auf übereinkunft ein hemmungsloses Gelächter, durch das sie ihn einschüchtern und zum Schweigen bringen wollten, und nannten ihn einen Barbaren, der nicht bei Sinnen sei. 2 Da ich das alles mit ansehen mußte, ergriff es mich plötzlich - ich weiß nicht, wie -, heiliger Zorn entbrannte in mir, ich konnte nicht mehr an mich halten, sondern erklärte mit allem Freimut: 3 "Mit gutem Recht hat der allmächtige Gott vor euch seinen Willen verborgen, deren Unwürdigkeit, ihn zu erkennen, er voraussah, so wie sie aus euerm jetzigen Verhalten jedem Einsichtigen nur allzu offenkundig wird. 4 Denn während ihr die Verkünder des Willens Gottes bei euch seht, deren Redeweise von keiner grammatischen Schulung zeugt, die vielmehr in schlichten, ungekünstelten Worten euch die göttlichen Gebote vermitteln, so daß alle Hörer folgen und das Gesagte verstehen können, 5 lacht ihr über die Vollstrecker und überbringer eures Heils, da ihr nicht wißt, daß es für euch, die ihr euch klilge Leute und tüchtige Redner dünkt, das Verdammungsurteil bedeutet, wenn die Wahrheit von Wilden und Unzivilisierten erkannt wird. 6 Denn nachdem sie zu euch gekommen, findet sie keine gastliche Aufnahme, obschon sie doch, stünden dem nicht eure Auflehnung und Zügellosigkeit entgegen, eure liebe Mitbürgerin hätte sein müssen. 7 Infolgedessen macht man euch den Vorwurf, ihr seid nicht Freunde der Wahrheit und Philosophen, sondern Prahlhänse und Aufschneider, die da meinen, daß die Wahrheit nicht auch in schlichten, sondern nur in klügelnden und geistreichen Reden zu finden sei, und viele tausend Worte schwätzen, die doch ein einziges wahres nicht aufzuwiegen vermögen. 8 Was glaubt ihr denn, ihr Griechen alle, was mit euch geschehen wird, wenn das Gericht Gottes stattfindet, von dem dieser Mann da spricht1 9 Hört darum sofort auf, zu eurem eignen Verderben über ihn zu lachen, und einer von euch erkläre uns, warum ihr durch euer Geblök auch die Ohren derer zu überschreien sucht, die gerettet sein wollen, und weshalb ihr durch euern Lärm die Sinne derer, die zu glauben bereit sind, zum Abfall in den Unglauben verleitet! 10 Wie soll euch je verziehen werden, wenn ihr den Abgesandten der Gottheit, der euch die Erkenntnis Gottes verheißt, verspottet und mißhandelH 11 Er müßte euch in jedem Falle, selbst wenn er keinerlei Wahrheit zu bringen hätte, allein schon wegen seines so freundlichen Anerbietens an euch angenehm und willkommen sein." 10 1 Während ich mich so und ähnlich äußerte, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen unter den Dabeistehenden, insofern einige mit Barnabas, der doch ihr Gast war, Mitleid empfanden und infolgedessen meine Ansprache für durchaus berechtigt hielten, während andere aus Frechheit und Dummheit an mir ebenso wie an Barnabas ihr Mütchen zu kühlen suchten. 2 Doch sobald der Abend hereinbrach, ergriff ich Barnabas' Rechte, brachte ihn, ohne auf sein Widerstreben zu achten, in mein Haus und ließ ihn nicht mehr hinaus, damit nicht irgendein Rohling sich an ihm vergreifen konnte. s So verbrachten wir mehrere Tage zusammen; er legte mir in aller Kürze das Wort der Wahrheit dar, und ich war dabei sein williger Zuhörer. 4 Dennoch drängte er zum Aufbruch, da er, wie er sagte, den bevorstehenden Festtag seiner Religion unbedingt in J udäa begehen wolle; dort werde er auch mit seinen Landsleuten und Brüdern zusammensein können. Dabei brachte er offen zum Ausdruck, daß ihn die Erregung über das erlittene Unrecht schwer betroffen habe. n 1 Schließlich sagte ich zu ihm: "Erkläre mir doch die Lehre jenes Mannes, dessen Erscheinen du verkündigst! Ich will dann deine Worte in meine Reden einfließen
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lassen und von dem Königtum und der Gerechtigkeit des allmächtigen Gottes predigen und danach, wenn du es wünschst, mit dir fahren. 2 Denn ich möchte sehr gern Judäa kennenlernen, um womöglich für immer bei euch zu bleiben." 3 Darauf erwiderte Barnabas: "Wenn du unser Vaterland sehen und das, was du zu erfahren begehrst, lernen willst, so segle jetzt gleich mit mir! 4 Falls dich jedoch hier noch etwas bindet, so werde ich dir die Erkennungszeichen unserer Wohnung mitteilen, damit du uns leicht finden kannst, wenn du kommen magst. Ich werde mich nämlich bereits morgen auf den Weg machen." 5 Da mir deutlich war, daß er diesen Entschluß nicht mehr umstoßen würde, geleitete ich ihn bis zum Hafen und ließ mir die Kennzeichen seiner Wohnung, von denen er gesprochen hatte, genau erklären. Dabei sagte ich ihm: 6 "Müßte ich nicht noch von Schuldnern eine Summe Geld einfordern, so würde ich keinen Augenblick mehr zögern; aber ich werde dir bald folgen." 7 Nachdem ich das gesagt und Barnabas den Schiffsherren wärmstens empfohlen hatte, kehrte ich traurig zurück; 8 denn ich hatte Sehnsucht nach diesem lieben Gast und guten Freund. 12 1 Nachdem ich die Frage meiner Außenstände im großen ganzen geregelt hatte, wobei ich, um nicht von meinem Vorhaben abgelenkt zu werden, in der Eile sehr viel überging, segelte ich ein paar Tage später direkt nach Judäa und ging nach fünfzehntägiger Fahrt in Cäsarea Stratonis, der größten Stadt Palästinas, an Land. 2 Als ich mich nach Verlassen des Schiffs nach einem Quartier erkundigte, erfuhr ich aus den Erzählungen der Leute, daß ein gewisser Petrus, ein höchstbewährter Jünger des Mannes, der in Judäa auftrat und unter dem Volk aus göttlicher Kraft viele Zeichen und Wunder getan hat, am nächstfolgenden Tage mit Simon, einem Samaritaner aus dem Flecken Gittha, eine gelehrte Disputation halten werde. 3 Auf diese Nachricht hin bat ich, mir Petrus' Unterkunft zu zeigen. 4 Nachdem ich sie gefunden hatte und zur Tür getreten war, teilte ich dem Pförtner mit, wer ich wäre und woher ich käme. 5 Doch da kam schon Barnabas hinzu und :fiel mir, sobald er mich gesehen, unter Freudentränen in die Arme. Dann nahm er mich an der Hand und führte mich zu Petrus hinein. 6 Auf diesen wies er mich schon von weitem: "Das da ist Petrus, von dem ich dir erzählte, daß er am tiefsten in die göttliche Weisheit eingedrungen. Ich habe ihm unverzüglich über dich berichtet; 7 du kannst ihm also wie ein guter Bekannter gegenübertreten. 8 Von allen deinen guten Eigenschaften hat er näInlich genaue Kenntnis, und mit Aufmerksamkeit hat er deinen Plan verfolgt; deshalb möchte er dich sehr gern kennenlernen. 9 Und so bringe ich dich ihm heute als ein großes Geschenk mit meinen Händen dar." Indem er mich vorstellte, sagte er: "Das ist Clemens, lieber Petrus!" 13 1 Als Petrus, dieser gütige Mann, meinen Namen vernommen, trat er auf mich zu, blieb eine Weile vor mir stehen und sagte dann, nachdem er mich aufgefordert, Platz zu nehmen: 2 "Du tatest gut daran, daß du Barnabas, einen Verkünder der Wahrheit, zu dir aufnahmst, ohne dich vor der Wut des rasenden Pöbels zu fürchten; selig wirst du werden. 3 So, wie du nämlich den Boten der Wahrheit aufgenommen hast, wird auch dich die Wahrheit selber, wenn du ein Pilger und Fremdling bist, aufnehmen und dir das Bürgerrecht ihrer Stadt verleihen. Es wird dann eine große Freude für dich bedeuten, wenn du dafür, daß du jetzt eine geringe Gefälligkeit erwiesest, zum Erben ewiger Güter eingesetzt wirst. 4 Du brauchst dich jetzt nicht darum zu bemühen, mir über dich Aufklärung zu verschaffen. Barnabas hat mir nämlich über dich und deine Charaktereigenschaften alles wahrheitsgemäß berichtet und fast täglich ohne Unterlaß deine guten Taten gerühmt."
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Glemens' äußere Schicksale (H XII)
8 2 (Verwandt mit mir) sind viele bedeutsame Männer, die zur Familie des Kaisers gehören. Deshalb hat auch der Kaiser meinem Vater, weil er mit ihm zusammen aufgewachsen war, eine Verwandte von sich zur Frau bestimmt; diese schenkte uns drei Brüdern das Leben, und zwar den beiden andern Brüdern vor mir. Übrigens waren das Zwillinge und wurden einander ganz ähnlich, wie mir der Vater es selber erzählt hat. Ich kenne nämlich weder sie noch die Mutter, sondern trage nur traumhaft dunkel ihr Bild in mir. 3 Meine Mutter hieß übrigens Mattidia, der Vater Faustus, von den Brüdern der eine Faustinus und der andere Faustinianus. 4 Nachdem ich nun als dritter nachgeboren war, hatte meine Mutter einmal- so erzählte es mir jedenfalls der Vater - einen Traum: wenn sie nicht sogleich zusammen mit ihren Zwillingssöhnen die Stadt Rom für die Dauer von zehn Jahren verlasse, so werde sie mit diesen gemeinsam eines furchtbaren Todes sterben müssen. 9 1 Da versorgte der Vater, der seine Kinder sehr liebte, sie ausreichend mit allem Notwendigen, brachte sie zusammen mit Sklaven und Sklavinnen auf ein Schiff und schickte sie nach Athen, wo die Söhne bei dieser Gelegenheit ihre Ausbildung finden sollten; nur mich behielt er als einziges Kind zum Troste bei sich. Und ich bin sehr dankbar dafür, daß der Traum nicht auch mir geboten hatte, in Begleitung der Mutter Rom zu verlassen. 2 Als nämlich ein Jahr verflossen war, sandte der Vater für die Seinen Geld nach Athen und ließ nachfragen, wie es ihnen ginge. Doch die, die sich auf die Reise gemacht hatten, kehrten nicht zurück. 3 Im dritten Jahre brachte der Vater in seiner Verzweiflung andere Boten, ebenfalls mit Geld für den Unterhalt, auf den Weg, die im vierten Jahre wiederkamen mit der Nachricht, sie hätten weder meine Mutter noch meine Brüder gesehen, ja diese seien überhaupt nicht nach Athen gekommen, und auch von ihren Begleitern habe sich nicht die geringste Spur ausfindig machen lassen. 10 1 Als der Vater das hörte, verging er fast in seiner großen Trauer, denn er wußte nicht mehr, wohin er sich hätte wenden und nach den Seinen suchen sollen. Schließlich nahm er mich mit sich und begab sich mit mir zum Hafen hinunter. Dort richtete er immer wieder bald an den, bald an jenen die Frage, ob er nicht gesehen oder gehört hätte, wo sich vier Jahre vorher ein Schiffbruch ereignete. Darauf erhielt er viele Antworten. Weiter forschte er, ob die ans Land gespülten Leichen einer Frau und ihrer Kinder gesehen worden seien. 2 Als die Befragten darauf erwiderten, sie hätten zahlreiche Leichen an verschiedenen Orten gesehen, da seufzte der Vater bei dieser Nachricht. Gleichwohl warf er, durch sein großes Herzeleid verwirrt, die unsinnige Frage auf, daß er versuchen müsse, das Meer, soweit es auch reichen möchte, zu durchforschen, und man muß es ihm zugute halten, daß er sich aus Liebe zu den Vermißten so vagen Hoffnungen hingab. Schließlich unterstellte er mich, den damals Zwölf jährigen, der Obhut von Erziehern und ließ mich so in Rom zurück, während er selbst unter Tränen zum Hafen hinunterging, ein Schiff bestieg, in See stach und sich auf die Suche begab. 3 Und von diesem Tage ab bis heute habe ich weder einen Brief von ihm erhalten, noch weiß ich genau, ob er am Leben oder tot ist. 4 Allerdings halte ich es für das Wahrscheinlichere, daß auch er irgendwie zugrunde ging, vielleicht, daß ihn der Schmerz überwältigte oder er einem Schiffbruch zum Opfer fiel. Für diese Vermutung spricht, daß ja schon zwanzig Jahre vergangen sind, seit ich keine sichere Nachricht mehr über ihn erhielt.
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Der wahre Prophet (H I) 18 1 (Petrus spricht zu Clemens:) Gottes Wille ist aus vielerlei Gründen in Vergessenheit geraten, 2 vor allem infolge unzulänglicher Unterweisung, nachlässiger Erziehung, schlechter Gesellschaft, unpassender Gespräche und unrichtiger Darstellung. 3 Daraus ergibt sich Unwissenheit, aber auch Zügellosigkeit, Unglaube, Unzucht, Habgier, Eitelkeit und unzählige Laster dieser Art, welche die Welt gewissermaßen wie ein Haus bewohnen, das sie, einer Rauchwolke gleich, angefüllt haben; sie haben so die Augen der im Hause wohnenden Menschen getrübt, haben sie nicht aufblicken und aus seinen Werken den Schöpfergott erkennen noch seinen Willen erschließen lassen. 4 Darum müssen die Freunde der Wahrheit im Hause aus voller Brust nach Hilfe für ihre wahrheitsuchende Seele rufen, damit, wenn einer draußen vor dem raucherfüllten Hause ist, er hinzukommt und die Tür aufmacht, so daß das Sonnenlicht von außen in das Haus dringen und der Rauch, der drinnen ist, vertrieben werden kann. 19 1 Den Mann nun, der hier helfen kann, nenne ich den wahren Propheten; er allein vermag Menschenseelen zu erleuchten, daß sie wohl gar mit eigenen Augen den Weg zum ewigen Heil zu sehen vermögen. 2 Auf andere Weise ist das nicht möglich, wie du ja selber weißt; sprachst du doch eben erst davon, 3 daß jede Auffassung ihre Freunde und Gegner findet und je nach der Befähigung ihres Verteidigers als wahr oder falsch gilt und infolgedessen die verschiedenen Ansichten nicht als das zutage treten, was sie sind, sondern von ihren Verteidigern her den Anschein von Wert oder Unwert empfangen: 4 Deshalb bedurfte es all der frommen Anstrengungen des wahren Propheten, daß er uns die Dinge so nennt, wie sie wirklich sind, und was man in allem zu glauben hat. 5 Zu allererst muß man demnach den Propheten mit allem Ernste prüfen und zu der Gewißheit gelangen, daß er ein wahrer Prophet ist, 6 dann aber soll man ihm in allen Stücken glauben und darf auch nicht an der geringsten Kleinigkeit des von ihm Gesagten deuteln, sondern muß alle seine Worte für gültig nehmen, wie es scheinen mag, im Glauben, in Wirklichkeit jedoch auf Grund zuverlässiger Prüfung. 7 Denn durch eine Beweisführung am Anfang und die umfassende genaue Prüfung ist alles mit rechter Überlegung aufgenommen. 8 Daher gilt es vor allem, den wahren Propheten zu finden, weil ohne ihn unmöglich bei den Menschen etwas Sicheres bestehen kann. Die Lehre von den Gegensatzpaaren oder Syzygien (H 11) 15 1 (Petrus:) Da nun nahm Gott, der selber eine einzige Person ist, um die Menschen zur wahren Erkenntnis aller Dinge zu führen, eine klare Scheidung nach Gegensatzpaaren vor, indem er, der von Anbeginn einziger und alleiniger Gott war, Himmel und Erde, Tag und Nacht, Leben und Tod schuf. 2 Unter diesen hat er allein den Menschen mit einem freien Willen begabt, so daß der die Möglichkeit hat, gerecht oder ungerecht zu werden. Für ihn hat er auch die Erscheinung der Gegensatzpaare vertauscht, indem er ihm zuerst das Kleine und dann das Große, zuerst die Welt und dann die Ewigkeit vor Augen stellte, ist doch diese Welt vergänglich, die zukünftige aber ewig so, wie der Erkenntnis das Unwissen vorausgeht. 3 In derselben Weise hat er es mit den Trägern prophetischen Geistes gehalten. Da nämlich die gegenwärtige weiblich ist und einer Mutter gleich Kindern das Leben gibt, die zukünftige, männliche Zeit dagegen ihre Kinder in der Weise eines Vaters aufnimmt,
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4 darum kommen zuerst die Propheten dieser Welt, (die falsch prophezeien, und) ihnen folgen die, welche Kenntnis von den ewigen Dingen besitzen, weil sie Söhne der kommenden Weltzeit sind. 5 Hätten die gottesfürchtigen Menschen dieses Geheimnis gekannt, so würden sie nimmer haben irregehen können und hätten auch diesmal gewußt, daß Simon, der jetzt alle verwirrt, nur ein Gehilfe der schwachen linken Hand (Gottes, d.h. des Bösen) ist. 16 1 Mit der Ordnung des Prophetentums verhält es sich nämlich folgendermaßen. So, wie Gott, der eine Person ist, im Anfang gleichsam als rechts und links zuerst den Himmel und dann die Erde schuf, hat er auch in der Folge alle Gegensatzpaare begründet. Bei den Menschen verhält er sich jedoch nicht mehr so, vielmehr kehrt er hier alle Paare um. 2 Wenn nämlich bei ihm das Erste das Stärkere und das Zweite das Schwächere ist, so finden wir bei den Menschen das Gegenteil, zuerst also das Schwächere und dann das Stärkere. 3 So ging sogleich von Adam, der nach dem Bilde Gottes gestaltet wurde, als erster Sohn der ungerechte Kain und als zweiter der gerechte Abel aus. 4 Und ebenso wurden von dem Manne, der bei euch Deukalion heißt, zwei Sinnbilder des Geistes, nämlich des unreinen und des reinen, ausgeschickt, der schwarze Rabe und darauf die weiße Taube. 5 Und auch von Abraham, dem Stammvater unseres Volkes, sind zwei Söhne ausgegangen, der ältere Ismael und dann Isaak, der von Gott gesegnet wurde. 6 Ebendiesem Isaak entstammten wiederum zwei Söhne, der gottlose Esau und der fromme Jakob. 7 Ebenso kam als erster, weil zuerst in der Welt geboren, der Hohepriester (Aaron) und dann der Gesetzgeber (Moses). 17 1 Die mit Elias zusammengehörige Syzygie hielt sich, als sie hätte kommen müssen, aus freien Stücken für einen andern Termin zurück, entschlossen, zu gegebener Zeit ihre Stelle einzunehmen. 2 Dann aber kam in derselben Weise auch der "unter den von Weibern Geborenen"l zuerst, und erst danach trat der zu den Menschensöhnen Gehörige als zweiter auf. 3 Dieser Ordnung nachgehend, hätte man erkennen können, wohin Simon gehört, der als erster vor lnir zu den Heiden gegangen ist, und wohin ich gehöre, der ich nach ihm kam und ihm folgte wie das Licht auf die Finsternis, die Erkenntnis auf die Unwissenheit, die Heilung auf die Krankheit. 4 So muß denn, wie es der wahre Prophet gesagt hat 2, zuerst ein falsches Evangelium von einem Betrüger kommen, und dann erst, nach der Zerstörung des heiligen Ortes, kann ein wahres Evangelium ausgesandt werden zur Berichtigung der kommenden Sekten. 5 Und danach zum Ende muß wieder erst der Antichrist kommen und darauf erst Jesus, unser wirklicher Christus, erscheinen und dann mit dem Aufgang des ewigen Lichtes alles, was der Finsternis angehört, unsichtbar werden. 18 1 Weil nun, wie gesagt, manche die Gesetzmäßigkeit der Syzygien nicht kennen, darum wissen sie nicht, wer dieser Simon, mein Vorläufer, ist. Denn wäre es bekannt, so würde man ihm nicht glauben. Nun aber, da er unerkannt blieb, schenkte man ihm zu Unrecht Vertrauen. 2 So findet der Liebe, der tut, was die Hasser tun, wird der Feind wie ein Freund aufgenommen, sehnt man ihn, der der Tod ist, als Heilbringer herbei, wird er, wiewohl er Feuer ist, für Licht gehalten, findet er, obgleich ein Schwindler, wie ein Verkünder der Wahrheit Gehör.
Simons Vorleben (H II) 22 2 (Aquila [so S.396] erzählt:) Der Vater dieses Simon heißt Antonius, seine Mutter Rache!. Er ist seiner Nationalität nach Samaritaner und stammt aus dem 1
Mt. 11, 11.
• Vgl. Mt. 24. 24; 7,15.
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Dorfe Gittha, das sechs Meilen von der Hauptstadt entfernt ist. 3 Während eines .Aufenthaltes in Ägypten eignete er sich die griechische Bildung in weitem Maße an und brachte es zu ausgebreiteten Kenntnissen und Fähigkeiten in der Magie. Jetzt tritt er mit dem .Anspruch auf, als eine mächtige Kraft ebendes Gottes zu gelten, der die Welt erschaffen hat. Gelegentlich spielt er sich auch als Messias auf und bezeichnet sich als den Stehenden. 4 Diesen Titel verwendet er, da er ewig bestehen werde und es nicht möglich sei, daß sein Leib einem Verderbenskeim erliege. 5 .Auch leugnet er, daß der Gott, der die Welt erschaffen, der höchste sei, noch glaubt er an die .Auferweckung der Toten. Von Jerusalem wendet er sich ab und setzt an seine Stelle den Berg Garizim. 6.An unseres, des wahren Christus Statt gibt er sich für den Christus aus. Den Inhalt der Gesetze deutet er nach persönlicher Willkür. Zwar spricht er von einem zukünftigen Gericht; doch rechnet er im Ernst nicht damit; denn wäre er überzeugt, daß Gott ihn zur Verantwortung ziehen wird, dann hätte er es nicht gewagt, in seinem Frevelmut sich gegen Gott selbst zu wenden. 7 So finden nicht wenige ihren Untergang, die nicht wissen, daß Simon die Frömmigkeit nur als einen Vorwand benutzt, um den Menschen heimlich die Früchte der Wahrheit zu entwenden, und die ihm, als wäre er selbst gläubig, seine mannigfachen Versprechungen und das von ihm verheißene Gericht glauben. 23 1 Simons Berührung mit religiösen Lehren kam folgendermaßen zustande. Es war ein gewisser Johannes der Täufer aufgetreten, der nach der Ordnung der Syzygien zugleich der Vorläufer unseres Herrn Jesus war. 2 Und so, wie der Herr nach der Zahl der zwölf Sonnenmonate zwölf .Apostel gehabt hat, so sammelten sich auch um Johannes gemäß der Berechnung des Mondrnonats dreißig hervorragende Menschen. 3 Unter diesen befand sich eine Frau namens Helena, damit auch hier eine sinnvolle Ordnung herrschte. Denn die Frau, die doch nur die Hälfte des Mannes ausmacht, ließ die Zahl 30 unvollständig, genauso wie beim Monde, dessen Umlauf die Dauer eines Monats nicht ganz ausfüllt. 4 Von diesen Dreißig galt dem J ohannes Simon als der erste und bedeutendste, der dann freilich, wie wir gleich hören werden, nach dem Tode des Johannes daran gehindert wurde, eine führende Stellung einzunehmen. 24 1 J ohannes wurde nämlich gerade zu der Zeit beseitigt, als Simon zum Studium der Magie nach Ägypten gereist war; deshalb konnte ein gewisser Dositheos, der danach strebte, Schulhaupt zu werden, die falsche Nachricht von Simons Tod verbreiten und die Leitung der Sekte übernehmen. 2 .Als nun Simon wenig später zurückkehrte, forderte er beim Zusammentreffen mit Dositheos diesem seine Stelle nicht ab, so heftig er sie auch für sich begehrte, weil er genau wußte, daß der, der ihm in diesem .Amte zuvorgekommen, gegen seinen Willen nicht abgesetzt werden konnte. 3 .Aus diesem Grunde heuchelte er Freundschaft und gab sich für eine Zeitlang mit der zweiten Stelle nach Dositheos zufrieden. 4 .Als er jedoch nach einiger Zeit mit seinen dreißig Mit jüngern zusammentraf, fing er an, gegen Dositheos Verleumdungen auszustreuen. Dieser, behauptete er, überliefere die Lehren nicht richtig und tue das weniger aus einer bösen .Absicht als vielmehr aus Unwissenheit. 5 .Als Dositheos merkte, daß Simons wohlberechnete Verleumdungen seine eigene Geltung bei der großen Menge wankend machten, so daß sie ihn nicht mehr für den Stehenden hielt, da schlug er einmal, während Simon zu der üblichen Zusammenkunft eintraf, im Zorn auf ihn ein. Doch der Stock schien durch Simons Leib hindurchzugehen, als wäre er Rauch. 6 Darüber erschrocken, rief Dositheos ihm zu:, ,Bist du der Stehende, so will auch ich dir huldigen." 7 Da Simon bejahte, wurde es Dositheos klar, daß er selbst nicht der Stehende war;
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darum fiel er nieder und huldigte Simon, und indem er sich den 29 andern beigesellte, stellte er jenen an seinen Platz. Und so ist Dositheos, nachdem Simon zum Stehen, er selber aber zum Fallen gekommen war, wenige Tage darauf verstorben. 25 1 Simon nahm nun Helena zu sich und zieht seither Init ihr herum und bringt bis zum heutigen Tage, wie du selber siehst, die Leute in Aufregung. 2 Von Helena selbst behauptete er, er habe sie von den obersten Himmeln zur Welt herabgebracht, deren Herrin sie sei als allmütterliche Wesenheit und Weisheit. Ihretwegen, sagte er, sei es zum Kampf zwischen Griechen und Barbaren gekommen, wobei diese sich freilich an ein Abbild der Wirklichkeit hielten; denn die wahre Helena weilte damals bei dem obersten Gotte. 3 Indem er so auch andere Erfindungen der griechischen Sage in einleuchtender Weise umdeutet, betrügt er viele, zumal er dabei zahlreiche Wundertaten verrichtet, durch die selbst wir uns hätten täuschen lassen, wüßten wir nicht, daß er sie nur durch Zauberei bewirkt... 26 1 Er hatte nämlich auch Blutschuld auf sich geladen und sogar selber unter den Freunden erzählt, daß er im Innern seines Hauses, wo sich seine eigene Lagerstatt befinde, die Seele eines Knaben verwahre, die er mittels geheimer Beschwörungen von ihrem Körper trennte, wobei er den Knaben auf einem Bilde abmalte, zur Beihilfe bei seinen Vorstellungen. 2 Diesen Knaben, behauptete er, habe er einst durch göttliche Verwandlung aus Luft gebildet, dann seine Erscheinung im Bilde festgehalten und ihn wieder der Luft zurückgegeben. 3 Das sei auf folgendem Wege zustande gekommen. Der Menschengeist, der auf das Warme gerichtet sei, ziehe nach seiner Auffassung zuerst in der Art einer Gurke die ihn umgebende Luft an und sauge sie ein; ins Innere des Menschengeistes eingedrungen, verwandle diese Luft sich dann in Wasser. 4 Weil sich nun aber das Wasser in dem Menschengeiste als Folge von dessen Konsistenz nicht genießen lasse, müsse es eine Umwandlung in Blut durchmachen. Gerinne das Blut, so bilde es das Fleisch. Auch das Fleisch verdichte sich, und es komme so ein Mensch zustande nicht von Erde her, sondern aus der Luft. 5 Und Simon fand Glauben, daß er auf solche Weise einen neuen Menschen habe bilden können; von diesem behauptete er, er habe ihn der Luft zurückgegeben, indem er die eingetretenen Veränderungen rückgängig machte. Streitgespräch zwischen Simon und Petrus in Oäsarea (H II) 35 1 Gegen Morgen trat Zakchäus herein mit folgender Mitteilung an Petrus: 2 "Simon läßt die Disputation auf morgen verschieben; 3 der heutige Tag fällt nämlich auf seinen zehntäglichen Sabbat." 4 Petrus antwortete darauf: "Richte Simon aus, er solle es nach seinem Gutdünken regeln und davon überzeugt sein, daß wir uns bereit hielten, ihm, wann er wolle, in Gott wohlgefälliger Weise entgegenzutreten." 5 Als das Zakchäus gehört, machte er sich auf den Weg, um die Antwort zu überbringen.
(H III) 29 1 Zakchäus kam zurück und sagte: "Nunmehr, lieber Petrus, ist es an der Zeit, zur Disputation zu gehen. 2 Auf dem Hofe wartet nämlich eine große Volksmenge, die sich dort versammelt hat, und in ihrer Mitte steht Simon wie ein Feldherr, den die Leute wie seine Trabanten umringen." 3 Als Petrus das vernahm, forderte er mich, da ich die heilsnotwendige Taufe noch nicht empfangen hatte, auf, ein wenig
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beiseite zu treten; denn er wollte sein Gebet verrichten. Zu denen jedoch, die bereits durch die Taufe vollendet waren, sprach er: 4, "Wir wollen uns erheben und dafür beten, daß Gott in seinem unendlichen Erbarmen mir Beistand leiste in meinem Kampfe zur Errettung der von ihm geschaffenen Menschen." 5 Danach betete er und begab sich hinaus in den großen, offenen Hofraum, in dem viele Neugierige versammelt waren, hatte doch die bevorstehende Entscheidung ihren Wunsch, diese mitzuhören, noch gesteigert. 30 1 Dorthin also trat Petrus, und nachdem er die Menge, deren Augen alle bei lautloser Stille auf ihn gerichtet waren, und den Magier Simon, der in der Mitte stand, angesehen hatte, begann er, wie folgt, zu reden: 2 "Friede sei mit euch allen, die ihr bereit seid, euch auf die Wahrheit Gottes zu verpflichten, diese seine große und unvergleichliche Gabe für unsere Welt! Der, der uns gesandt, der wahre Prophet des guten Prinzips, hat uns aufgetragen, zu euch von dieser Wahrheit bereits beim Gruße noch vor jeder Belehrung zu sprechen. 8 Wenn daher einer unter euch ein Kind des Friedens ist, so soll in ihm kraft unserer Unterweisung der Friede Einzug halten; will aber einer unter euch den Frieden nicht annehmen, dann sollen wir zum Beweis dafür den Straßemtaub, den wir zu euerm Heile von den Strapazen des Weges her an uns trugen und zu euch brachten, von uns abschütteln und in fremde Häuser und Städte gehen ... "l 38 1 Als Petrus so gesprochen, rief Simon laut fernab von der Menge: "Was willst du durch dein Lügen die dich umringenden einfältigen Menschen betrügen, indem du ihnen einredest, man dürfte weder glauben noch behaupten, daß es Götter gibt, obgleich doch die Literatur der Juden viele Götter nennt1 2 Jetzt nämlich möchte ich mit dir in Gegenwart aller aus ebendiesen Büchern darüber disputieren, daß man notwendig die Existenz von Göttern annehmen muß. Zuerst handelt es sich um den Gott, von dem du sprachst und von dem ich bewies, daß er nicht die höchste und allmächtige Kraft sein kann, weil er nicht die Zukunft vorauszusehen vermag, daß er unvollkommen, nicht bedürfnislos und nicht gut und zahllosen bedenklichen Leidenschaften unterworfen ist. s Ist das aber erst einmal aus der Heiligen Schrift bewiesen, so bleibt, behaupte ich, noch ein anderer, in der Schrift nicht erwähnter Gott übrig, der die Zukunft vorhersieht, vollkommen, bedürfnislos, gut und frei von allen bedenklichen Leidenschaften ist ... 39 1 So wird denn sogleich Adam, der nach jenes Bilde entstanden ist, blind erschaffen und weiß, wie es heißt, weder um das Gute noch um das Böse, er erweist sich als ungehorsam, wird aus dem Paradies vertrieben und mit dem Tode bestraft. 2 .Ähnlich spricht auch sein Schöpfer, da er ja nicht überallhin sehen kann, beim Untergange Sodoms: , Wohlan, laßt um hinuntergehen und sehen, ob sie nach dem Geschrei über sie, das vor mich kommt, handeln oder nicht, damit ich es wisse'2, und macht so sein Nichtwissen offenkundig. s Wenn es von Adam heißt: ,Wir wollen ihn hinaustreiben, damit er nicht etwa seine Hand ausstrecke, den Baum des Lebens berühre, davon esse und ewig am Leben bleibe's, so beweist das etwa seine Unwissenheit und der Satz davon esse und ewig am Leben bleibe seinen Neid noch dazu. 4, Und wenn geschrieben steht: ,Gott reute es, daß er den Menschen geschaffen hatte", so weist das auf Sinnesänderung und Unwissen. Denn er bereute bezeichnet das Nachdenken, durch das einer, der nicht weiß, was er will, seine Absichten festzulegen sucht, oder auch das, was für den Reumütigen kennzeichnend ist, dem etwas nicht nach Wunsch ging. 1 I
Vgl. Mt. 10, 12ff.; Mk. 6, 11; Lk. 10,5. 1. Mos. 3, 22.
25 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
I 1. Mos. 18, 21. , 1. MOB. 6, 6.
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Und wenn geschrieben steht: ,Und es roch der Herr wohlriechenden Duft'l, so deutet das nicht auf Bedürfnislosigkeit, und daß er sich über den Rauch des Opferfleisches freut, ist nicht gerade ein Beweis seiner Güte. Sein Versuchen-es heißt ja: ,Und der Herr versuchte Abraham'2 -läßt auf ein Wesen schließen, das böse ist und das Ende seiner Geduld nicht absieht." 40 1 Auf solche Art erbrachte Simon von der Heiligen Schrift her scheinbar mannigfach den Beweis, daß Gott allen Affekten unterworfen sei. Petrus erwiderte darauf: "Ist ein Bösewicht oder übeltäter bereit, sich selbst seine Vergehen einzugestehen? Darauf gib mir Antwort!" - "Nein", erwiderte Simon, "er ist es nicht." 2 Fuhr Petrus fort: "Wie kann dann Gott schlecht und böse sein, wenn die ihm zugeschriebenen Schandtaten ihm mit seiner Zustimmung in aller Öffentlichkeit beigelegt werden?" - Simon: "Es ist anzunehmen, daß die Anklage gegen ihn von einer andem Macht gegen seinen Willen formuliert wurde." 3 Wieder Petrus: "Wollen wir das zuerst untersuchen! Wenn er sich aus eigenem Antrieb beschuldigte, so kann er, wie du eben zugabst, nicht böse sein; geschah es aber durch Einwirkung einer andem Macht, so ist zu fragen und mit allen Mitteln zu prüfen, ob nicht jemand ihn, den einzigen Guten, allen diesen übeln erlegen machte." 41 1 Darauf Simon: "Augenscheinlich möchtest du die sich aus der Heiligen Schrift gegen deinen Gott ergebenden Anklagen überhören." Wieder Petrus: "Ich glaube, gerade du tust das. Denn wer sich nicht an die Ordnung einer Diskussion halten will, dem ist durchaus nicht an einer wirklichen Klärung gelegen. 2 Wenn ich daher der Reihe nach vorgehe und zuerst einmal den Autor zu betrachten wünsche, so wird klar, daß ich mich für den geraden Weg entscheide." . .. 42 2 Wieder Simon: "Wie kann man die Wahrheit erkennen, wenn von den Büchern der Schrift die einen Gott als böse und die andern ihn als gut bezeichnen?" 3 Darauf Petrus: "Diejenigen Aussagen der Heiligen Schrift, die mit der von Gott gewirkten Schöpfung in Einklang stehen, müssen als richtig, die, welche ihr widersprechen, als falsch gelten." 4 Simon: "Wie kannst du beweisen, daß es in der Heiligen Schrift Widerspruch gibt?" Darauf Petrus: "Von Adam behauptest du, er sei blind erschaffen worden, was er jedoch nicht war. Denn an einen Blinden hätte Gott nicht das Gebot gerichtet: Vom Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen sollt ihr nicht essen." 3 5 Simon: "Als blind hat er seinen Sinn bezeichnet." Petrus: "Wie konnte der an seinem Sinn blind sein, der, ehe er von der Frucht aß, im Einverständnis mit seinem Schöpfer allen Lebewesen die ihnen zukommenden Namen gab?" 6 Simon: "Warum hat Adam, wenn er in die Zukunft sehen konnte, den Betrug der Schlange an seiner Frau nicht vorausgeahnt?" - 7 Petrus: "Wie konnte Adam, wenn er nicht in die Zukunft zu sehen vermochte, seinen Söhnen bei ihrer Geburt Namen nach ihren zukünftigen Taten beilegen? Denn seinen ersten Sohn nannte er Kain, das bedeutet Eifersucht; aus Eifersucht erschlug dieser nämlich seinen Bruder Abel, dessen Namen Trauer bedeutet, trauerten doch um ihn, den ersten Ermordeten, seine Eltern. 43 1 Wenn nun aber Adam, der doch ein Geschöpf Gottes war, in die Zukunft zu sehen vermochte, um wieviel mehr dann der Gott, der ihn erschuf! 2 Auch ist es unrichtig, wenn geschrieben steht: Gott reute es 4 , als habe er sich aus Unwissenheit bedenken müssen. Ebenso wenn es heißt: Der Herr versuchte Abraham 5, um 5
1 8 6
1. MOB. 8, 21. 1. MOB. 2,17. 1. MOB. 22, 1.
• 1. Moa. 22, 1. , 1. MOB. 6, 6.
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zu erfahren, ob er durchhalten würde... s.Alle diese Stellen ... werden von anderen, die das Gegenteil behaupten, umgestoßen und als falsch erwiesen." 58 2 Diese Disputation dauerte drei Tage. Als der vierte anbrach, hatte sich des Nachts Simon in Richtung Tyrus davongemacht. Die Einsetzung des Zakchäus (H III)
59 1 In der folgenden Nacht rief Petrus die Schar seiner Anhänger zusammen. Sobald sie sich versammelt hatten, sprach er zu ihnen: 2 "Während ich mich zu den Heiden begebe, die an eine Vielzahl von Göttern glauben, um ihnen durch meine Predigt den einen einzigen Gott zu verkünden, der Himmel und Erde geschaffen hat und alles, was darinnen ist, damit sie ihn liebgewinnen und gerettet werden können, ist mir nach dem Syzygiengesetz die Bosheit zuvorgekommen und hat Simon vorangeschickt, s damit die Menschen, welche die angeblich auf der Erde vorhandenen Götter verworfen haben und nicht mehr von deren Vielzahl sprechen, glauben sollen, es gäbe im Himmel viele Götter. So sollen die Menschen dazu gebracht werden, die Gabe der Alleinherrschaft Gottes zu verunehren, schwerer Strafe und ewiger Verdammnis verfallen... 5 Ich muß ihm aber schleunigst nach, damit seine lügnerischen Behauptungen nicht Fuß fassen und sich überall festsetzen. 60 1 Da es nun jemand zu bestimmen gilt, der an meiner Stelle meinen Platz ausfüllt, so wollen wir alle Gott einmütig darum bitten, den Tüchtigsten hier unter uns kenntlich zu machen, der sich auf den Stuhl Christi setzen und seine Gemeinde im Geiste der Frömmigkeit leiten soll. 2 Wer also wird bestimmt werden1 Durch Gottes Ratschluß wird als selig der Mensch bezeichnet, den sein Herr zum Dienst an seinen Mitknechten einsetzen wird, um ihnen zu ihrer Zeit ihre Kost zu geben 1, ohne bei sich zu denken: Mein Herr verzieht zu kommen 2 ••• 61 1 Wollte sich aber einer der Anwesenden, der den Unverstand seiner Mitbürger zu steuern vermöchte, dieser Verpflichtung lediglich aus Sorge für seine persönliche Ruhe entziehen, so muß er darauf gefaßt sein, daß er wird vernehmen müssen: Du böser, fauler Kneoht, du häUest dein Geld beim Weohsler deponieren sollen, dann häUe ich bei meiner Rückkehr meinen Gewinn gehabt; jagt den unnützen Kneoht hinaus in die äußerste Finsternis!3 2 Und das mit Recht. Denn es ist deine Pflicht, Mensch, - will er damit sagen -, meine Worte gleichsam als Münze zu den Wechslern zu bringen und sie als Besitzwerte anzusehen. s Die Gemeinschaft der Gläubigen muß eben einem einzelnen gehorsam sein, um so ihre Einheit bewahren zu können. 4 Denn die sich schließlich ergebende Führung durch ein einziges Regierungsorgan im Abbilde zur Alleinherrschaft Gottes bringt diejenigen, die sich ihr fügen, in den Genuß des Friedens ... 62 1 Darüber hinaus aber sollten uns wahrlich die vor Augen liegenden Ereignisse belehren, wie jetzt beständig Kriege geführt werden, weil in aller Welt viele Könige regieren; ist doch für jeden die Herrschaft des andern Grund genug zum Kriege. 2 Ist aber einer Oberhaupt des Ganzen, so hat der keinen Anlaß zum Kriege und hält darum ewigen Frieden. s Am Ende nämlich setzt Gott für die, welche des ewigen Lebens für wert gehalten werden, in dieser Welt einen König über alles em, damit als Folge dieser .Alleinherrschaft ein nicht zu erschütternder Friede herrsche. 4 Kurzum, es müssen alle 1 8
25*
Mt. 24, 45ff.; Lk. 12,42. Mt. 25, 26f., 30; Lk. 19,23.
I
Mt. 24, 48; Lk. 12, 45.
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XIV. Die P8eudo-Olementinen
einem einzigen als ihrem Führer folgen, in dem sie das Abbild Gottes verehren; der Führer aber muß den Weg wohl kennen, der zur heiligen Stadt geht!. 63 1 Wen sonst aber unter den Anwesenden sollte ich dazu auswählen als Zakchäus, bei dem sogar unser Herr eingekehrt und gerastet hat 2, weil er ihn für wert hielt, gerettet zu werden 1" Mit diesen Worten legte er dem vor ihm stehenden Zakchäus die Hand auf und nötigte ihn, auf seinem Sessel Platz zu nehmen. 2 Zakchäus aber fiel Petrus zu Füßen und bat darum, ihm das Regieren zu erlassen, indem er nachdrücklich versicherte: "Alles, was ein Regent tun muß, will ich besorgen, nur gestatte mir, auf den Namen eines solchen zu verzichten! Es ist mir nämlich recht bedenklich, diese Bezeichnung zu führen, birgt sie doch bittern Neid und Gefahr in sich." 64 1 Petrus erwiderte: "Wenn du das befürchtest, so laß dich nicht als Regenten bezeichnen, sondern als Beauftragten, eine Bezeichnung, die der Herr selbst geprägt hat; wenn er sagte: Selig der Mensch, den der Herr mit dem Dienste an seinen Mitknechten beauftragen wird!3 2 Wenn du es aber unbedingt ablehnst, als Träger eines Verwaltungsamtes angesehen zu werden, so bist du dir anscheinend nicht bewußt, daß die anerkannte Stellung eines Vorsitzenden viel dazu beitragen kann, die Menge in Schach zu halten; denn es gehorchen dem Amtsträger alle, weil ihr Gewissen eine starke Nötigung dazu ausübt. s Und ist es dir denn nicht deutlich genug, daß du nicht wie die Regenten der Völker zu herrschen hast, sondern als ein Knecht, welcher ihnen dient wie ein Vater, der für sie sorgt, wie ein Arzt, der sie besucht, wie ein Hirt, der sie bewacht -, kurz als einer, der sich ihr Wohl in jeder Hinsicht angelegen sein läßM Glaubst du etwa, ich wüßte nicht, welche Last ich dir aufbürde, wenn ich verlange, daß du dich vom Pöbel kritisieren läßt, dem es niemand recht machen kann 1 . .. 4 Darum bitte ich dich, getrost anzunehmen um Gottes und Christi willen, den Brüdern zu Heil und Segen und dir selber zu Nutz und Frommen. 651 Und bedenke auch das andere, daß um so größer der Lohn, je mühevoller und gefährlicher es ist, die Kirche Christi zu verwalten, um so größer aber auch die Strafe für den, der dazu in der Lage gewesen wäre und sich versagte. 2 Ich wünsche also, daß du, von dem ich weiß, daß er gebildeter ist als die andern Anwesenden, die schönen Kenntnisse, die dir der Herr anvertraut hat, wuchern lassest, damit es dereinst von dir heißen kann: Recht, mein guter und getreuer K necht!4 und du nicht wie der, der das Talent verbarg, gescholten und für strafwürdig erklärt wirst 5. s Willst du aber nicht ein guter Hirte der Gemeinde werden, so benenne einen andern an deiner Statt, der mehr weiß und zuverlässiger ist als du! 4. Doch du wirst es nicht können, warst du ja doch sogar mit dem Herrn zusammen, hast seine Wundertaten gesehen und die Kirche zu verwalten gelernt. 66 1 Deine Sache ist es, zu befehlen, was not tut, die der Brüder, sich zu fügen und nicht ungehorsam zu sein. Fügen sie sich, so werden sie gerettet, bleiben sie im Ungehorsam, so werden sie durch Christus bestraft werden, weil dem Vorsitzenden Christi Platz anvertraut ist. 2 Daher fällt Ehrung oder Verunglimpfung des Vorsitzenden auf Christus und von Christus auf Gott. s Das habe ich gesagt, damit auch die Brüder die Gefahr erkennen, in die sie Ungehorsam gegen dich führt. Denn wer sich deinem Befehl widersetzt, widersteht Christus, wer aber Christus ungehorsam geworden, der erzürnt Gott 6 • 1 S
6
Vgl. Offb. 3, 12; 21, 10. vgl. Mt. 24, 45f.; 25,21.; Lk. 12, 42f. Vgl. Mt. 25, 27. 30.
2 Lk. 19, 5. 9. • Mt. 25, 21. 6 Vgl. Lk. 10, 16.
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67 1 Die Gemeinde als eine auf der Höhe gebaute Stadt! muß eine gottgefällige Ordnung und eine gute Verwaltung haben. Vor allem muß der Bischof als der maßgebliche Redeführer gehört werden. 2 Die Presbyter haben für die Durchführung seiner Anordnungen Sorge zu tragen. Die Diakonen sollen umhergehen, sich die Brüder auf Leib und Seele hin ansehen und dem Bischof Bericht erstatten. 3 Alle übrigen Brüder sollen bereit sein, auch Unrecht zu leiden. Wünschen sie aber eine Untersuchung des ihnen angetanen Unrechts, so sollen sie sich vor den Presbytern vergleichen; den Vergleich haben die Presbyter dem Bischof zu unterbreiten. 68 1 Diese sollen auf Verehelichung nicht nur der jungen Leute drängen, sondern auch der älteren, damit nicht die auflodernde Begierde durch Unzucht oder Ehebruch die Gemeinde verpeste. 2 Denn mehr als jede andere Sünde ist Gott das Vergehen des Ehebruchs verhaßt, weil es nicht nur den Sünder selbst verdirbt, sondern auch die, welche mit ihm schmausen und Freundschaft halten; es gleicht der Tollwut, da es die Eigenschaft besitzt, den eignen Wahnsinn weiterzuverbreiten. 3 Um der Sittlichkeit willen sollen nicht nur die Presbyter, sondern auch alle anderen Gemeindeglieder die Eheschließung fördern; denn die Sünde des Unkeuschen geht notwendig auf alle anderen über. 4 Die Brüder zur Sittlichkeit anzuhalten, das ist der oberste Liebesdienst; denn das bedeutet Heilung für die Seele, während die Ernährung des Körpers nur eine Erfrischung darstellt. 69 1 Trotzdem werdet ihr, wenn ihr eure Brüder liebt, nichts von dem Ihrigen nehmen, vielmehr ihnen noch von dem, was ihr besitzt, abge ben; denn die Hungrigen sollt ihr speisen, den Durstigen zu trinken geben, die Nackten bekleiden, die Kranken besuchen, den Gefangenen nach Kräften helfen 2, Fremde bereitwillig in eure Hütten aufnehmen und niemanden hassen 3. 2 Wie ihr eure Frömmigkeit zu beweisen habt, das soll euch, die ihr vernünftig genug seid, euer eigener Verstand zeigen. Vor allem müßt ihr, wenn ich auch das noch sagen soll, recht häufig zusammenkommen, womöglich stündlich, jedenfalls aber an den festgesetzten Versammlungstagen. 3 Wenn ihr das tut, so befindet ihr euch innerhalb der Mauern einer Freistatt; denn alles Verderben fängt mit Eigenbrötelei an. 4 So halte sich also niemand aus kleinlicher Gesinnung einem Bruder gegenüber von der Gemeinschaft fern. Denn wenn einer von euch die Gemeinschaft aufgibt, so wird man ihn denen zuzählen, welche die Gemeinde Christi zerstreuen 4, und er wird wie ein Führer der Feinde Christi seine Strafe finden. 5 Zusammen mit den Ehebrechern wird er verworfen werden. Denn wie ein Ehebrecher hat er es durch den in ihm wohnenden Geist unter irgendeinem Vorwand zur Trennung kommen lassen, und dem Bösen hat er gegen sich Raum gegeben, das Schaf zu rauben, das er vorgeblich außerhalb der Hürde fand. 70 1 Hört ferner auf euren Bischof und werdet nicht müde, ihm alle Ehre zu erweisen; denn ihr müßt wissen, daß sie, dem Bischof erwiesen, auf Christus und von Christus auf Gott übertragen und dem, der sie erweist, vielfältig vergolten wird. 2 Haltet also den Stuhl Christi in Ehren, wurdet ihr doch auch angehalten, den Stuhl Moses' zu ehren 5 , wiewohl seine Inhaber als Sünder zu gelten haben. 3 Damit wäre für euch genug gesagt. Dagegen erübrigt es sich, dem Zakchäus davon zu sprechen, wie er sein Leben ohne Makel zu führen hat, ist er doch ein wahrhafter Schüler dessen, der auch mich gelehrt hat. 71 1 Einige Dinge gibt es allerdings, liebe Brüder, die 1
Mt. 5, 14.
8
Didache 2, 7.
5
Mt. 23, 2f.
I Vgl. Mt. 25, 35 ff. • Vgl. Mt. 12,30.
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XIV. Die Pseudo-Clementinen
ihr euch nicht erst sagen lassen dürft, sondern die ihr aus euch selbst heraus erkennen solltet. Zakchäus allein geht gänzlich im Dienste für euch auf. Auch er hat Lebensbedürfnisse, doch keine Zeit für sich. Wie sollte er sich da den notwendigen Unterhalt beschaffen? 2 Wäre es also nicht das Richtige, wenn ihr alle für seine Bedürfnisse Sorge trüget, ohne zu warten, ob er euch darum bittet? Denn das hieße ja betteln, und er würde eher verhungern als sich dazu verstehen wollen. 3 Und wie solltet ihr nicht straffällig werden, wenn ihr nicht daran denken wollt, daß der Arbeiter seines Lohnes wert l ist? Auch sage keiner: ,So soll denn das umsonst empfangene Wort verkauft werden !'2 Keinesfalls! 4 Wenn einer, der besitzt, wovon er leben könnte, dennoch etwas annimmt, dann verkauft der das Wort; wer aber nichts besitzt und für seinen Lebensunterhalt annimmt, der tut nichts Unrechtes. Denn auch der Herr hat ja bei Tischgesellschaften und unter Freunden angenommen zu jener Zeit, als er, der später alles besitzen sollte, nichts besaß. 5 Entsprechend sollt ihr auch Presbyter, Katecheten, brauchbare Diakonen, Witwen mit ordentlichem Lebenswandel und Waisen als Kinder der Gemeinde in Ehren halten. Wenn aber zu irgendeinem Zweck sich Ausgaben erforderlich machen, so sollt ihr allesamt beisteuern. 6 Übt Frömmigkeit gegeneinander und zögert nicht, alles auf euch zu nehmen, was eurem Heile dient." 72 1 Nach diesen Worten legte er die Hand auf Zakchäus und sagte: "Gebieter und Herr des Alls, Vater und Gott, bewache du den Hirten samt der Herde. 2 Du bist die Veranlassung, du bist die Kraft. Wir sind es, denen die Hilfe gilt; du bist der Helfer, der Arzt, der Heiland, die Mauer, das Leben, die Hoffnung, die Zuflucht, die Freude, die Erwartung, die Ruhe, in einem Worte: Du bist alles. 3 Zum ewigen Heil verhilf, errette und bewahre uns! Alles vermagst du. Du bist der Fürst der Fürsten, der Herr der Herren, der Gebieter der Könige. 4 Gib du dem Vorsitzenden Macht, zu lösen, was zu lösen, und zu binden, was zu binden ist! 3 Bewahre durch ihn als dein Werkzeug die Gemeinde deines Christus wie eine schöne Braut. 5 Denn dein ist ewige Herrlichkeit, Lobpreis dem Vater und dem Sohne und dem heiligen Geiste in alle Ewigkeit. Amen." Die Appiondisputation (H IV)
1 1 Von Cäsarea Stratonis begab ich mich zusammen mit Niketas und Aquila nach Tyrus in Phönizien, und auf Weisung des Petrus, der uns ausgesandt hatte, nahmen wir Quartier bei Berenike, der Tochter der Kanaanäerin Justa, die uns sehr freundlich empfing ... 6 2 Am Morgen aber kam eine Verwandte der Berenike und erzählte uns, daß Simon nach Sidon abgesegelt sei, jedoch aus dem Kreise seiner Schüler die folgenden zurückgelassen habe: Appion Pleistonikes aus Alexandria, einen Gelehrten von Beruf, in welchem ich einen Freund von Vatersseite her wiedererkannte, Annubion aus Diospolis, einen Astrologen, und Athenodor aus Athen, einen Epikureer. 3 Nachdem wir das über Simon erfahren, schrieben wir es nieder und sandten zu Petrus; darauf unternahmen wir einen Spaziergang. 7 1 Dabei begegnete uns Appion, begleitet nicht nur von den beiden obengenannten Gefährten, sondern dazu noch von etwa dreißig anderen Männern. 2 Sowie er mich erblickt hatte, begrüßte und küßte er mich: "Das hier ist Clemens, von dessen vornehmer Herkunft und edler Gesittung ich euch viel erzählt habe; er gehört zur 1
Lk. 10,7.
• Vgl. Mt. 10, 8.
3
Vgl. Mt. 16, 19; 18, 18.
XIV. Die P8eudo-Olementinen
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Familie des Kaisers Tiberius und ist auf allen Gebieten der griechischen Bildung bewandert, nur hat er sich durch einen Barbaren namens Petrus dazu betrügen lassen, daß er jetzt nach jüdischen Formen denkt und handelt. a Daher bitte ich euch nun um eure Hilfe bei meinem Bemühen, ihn zu bessern, und in eurer Gegenwart frage ich ihn. Da er doch glaubt, sich der Pflege der Frömmigkeit ergeben zu haben, so möge er mir erklären, ob er nicht gerade dadurch im höchsten Maß sündigt, daß er die althergebrachten Ordnungen verläßt und sich barbarischen Sitten zuwendet." 8 1 Darauf antwortete ich: "Ich erkenne den guten Willen an, den du mir gegenüber bezeugtest, doch weise ich deine Unkenntnis zurück." ... 2 Sagte Appion: "Als Unkenntnis scheinst du es zu werten, wenn einer an den althergebrachten Gewohnheiten festhält und griechischer Auffassung folgt?" a Antwortete ich: "Wer sich vornimmt, fromm zu werden, darf niemals aus Prinzip am Althergebrachten festhalten, sondern muß es bewahren, wenn es fromm, und sich davon lossagen, wenn es unfromm ist. Es ist nämlich durchaus denkbar, daß jemand von einem unfrommen Vater abstammt, aber selbst fromm sein möchte und darum nicht bereit ist, den Grundsätzen seines Vaters zu folgen." 4 Darauf entgegnete Appion: "Was, du zeihst also deinen Vater eines schlechten Lebenswandels?" "Nicht sein Lebenswandel war schlecht", erwiderte ich, "sondern seine religiöse Überzeugung." 5 Appion: "Was war denn so schlecht an seinen Auffassungen, möchte ich wissen?" Darauf ich: "Daß er an die unwahren, schlechten Mythen der Griechen glaubte." 6 Fragte Appion: "Was sind denn das für falsche, schlechte Griechenmythen?" Wieder ich: "Ihre falsche Gottesvorstellung ... 11 1 Denn, liebe griechische Freunde, es besteht ein großer Unterschied zwischen Wahrheit und Gewohnheit. Wo man nämlich ehrlich nach der Wahrheit sucht, da läßt sie sich auch finden, die Gewohnheit jedoch, mag sie nun richtig oder falsch sein, behauptet sich unangefochten so, wie sie übernommen wurde, und der, der sie übernahm, hatte keine Freude an ihr, wenn sie richtig, noch macht es ihm Ärger, wenn sie falsch ist ... 2 Und es ist nicht leicht, das althergebrachte Gewand abzustreifen, selbst wenn es dem Träger abgegriffen und lächerlich erscheint. 12 1 Ich behaupte also geradeheraus, die ganze griechische Bildung ist die schlimmste Erfindung des bösen Geistes. 2 Manche von den Griechen haben viele Götter eingeführt, böse, vielfältig schuldige Götter, damit, wer selber ähnliche Dinge tun will, sich nicht, wie es dem Menschen natürlich ist, zu schämen braucht, weil er ja den schlimmen, sündhaften Lebenswandel der mythischen Götter als Beispiel anführen kann ... a Andere wieder haben das Schicksal eingeführt ... , gegen dessen Willen niemand etwas tun oder leiden kann. 4 Auch hier verhält es sich ähnlich wie im ersten Falle; denn wenn einer glaubt, daß er wider sein Geschick nichts tun und nichts leiden kann, so ist er leicht bereit zu sündigen ... 13 1 Wieder andere glauben an den unvorhergesehenen Zufall und meinen, daß alles von selbst seinen Lauf nehme ohne Aufsicht eines Herrschers. Diese Ansicht ist ... von allen Auffassungen die schlimmste. 2 Wenn es nämlich kein Wesen gibt, das alles leitet und für alles sorgt und jedem nach Gebühr seinen Anteil zuweist, so sind die Menschen, weil sie ja nichts zu fürchten haben, zu allem möglichen schnell bereit... a Dagegen ist die Lehre der, wie ihr sagt, barbarischen Juden höchst fromm. Sie nimmt einen Vater und Schöpfer der ganzen Welt an, der seiner Natur nach gut und gerecht ist, gut, indem er denen, die ihre Sünden bereuen, seine Zuneigung schenkt, gerecht, indem er jedem, der keine Reue kennt, nach seinen Taten vergilt. .. 15 1 Doch ich kehre zu der ersten Ansicht der Griechen zurück, die von
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der Existenz vieler, vielfach schuldig gewordener Götter spricht. 2 Nur will ich nicht auf bekannte Dinge viel Zeit verwenden und von jedem dieser sogenannten Götter seine ruchlosen Taten erzählen ... , die euch ja durch eure hellenische Bildung wohl vertraut sind; 16 1 wohl aber möchte ich einmal mit dem so königlichen Zeus den .Anfang machen ... 2 Der hat seinen eigenen Vater gefesselt und im Tartarus eingekerkert und bestraft die anderen Götter! Für die, welche nicht auszusprechende Unzucht treiben wollen, hat er die Metis, nachdem sie von ihm gezeugt worden war, verschluckt. Metis bedeutet nämlich der Same, denn ein Kind zu verschlucken, wäre unmöglich. 3 Zur Entschuldigung für die Päderasten entführte er den Ganymed. Zum Beistand für die Ehebrecher wird er selber häufig als Ehebrecher entdeckt. Zur Geschwisterehe regt er an, indem er seinen eigenen Schwestern beiwohnt, der Hera, der Demeter und der Aphrodite Urania ... 4 Denjenigen, die ihren Töchtern beischlafen wollen, wird er dadurch zum schlimmen mythischen Beispiel, daß er der Persephone beiwohnte. Und in vielfacher anderer Weise hat er sich sonst noch vergangen ... 17 1 Daß sich Menschen ohne Bildung über solche Anschauungen nicht viel Gedanken machen, könnte man schon verstehen; doch was müßten Gebildete dazu sagen~ Nun, manche unter ihnen, die Grammatiker und Sophisten sein wollen, behaupten, daß sich solche Taten mit der Götterwürde vertrügen. 2 Sie selber führen nämlich ein ungezügeltes Leben und nehmen darum gern den Mythus zum Vorwand, um sozusagen nach dem Beispiel höherer Mächte ohne Bedenken ihre Schandtaten begehen zu können ... 193 Man muß daher solchen Mythen der Griechen aus dem Wege gehen wie auch ihren Theatern und ihren Büchern, ja, wenn es möglich wäre, auch ihren Städten. Denn deren Einwohner sind voller falscher Lehren und übertragen diese wie eine Pest. .. 20 1 Einige unter ihnen, die sich sogar für Philosophen ausgeben, stellen diese Vergehen als indifferent hin und schelten die, welche über solche Taten Unwillen empfinden, für Dummköpfe ... 22 1 Doch lassen wir es jetzt damit genug sein! Soviel jedenfalls wissen wir alle, daß nur zu häufig Männer darüber in unbeherrschten Zorn geraten, Kriege deshalb ausbrechen, Häuser zerstört und Städte besetzt werden und vieles anderes mehr. 2 Ich habe deshalb zu dem heiligen Gotte und dem Gesetze der Juden meine Zuflucht genommen, nachdem ich durch sichere Prüfung die überzeugung gewann, daß auf der Grundlage des gerechten Gottesgerichtes auch das Gesetz festgelegt wurde und daß die Seele in allen Fällen dereinst empfangen wird, was ihr nach ihren Taten zukommt."
Petrus auf seinen Missionsreisen (H VII)
1 1 In Tyrus kamen nicht wenige Leute aus der Umgebung und zahlreiche Einwohner der Stadt zu Petrus und riefen ihm zu: "Möge sich Gott unser durch dich erbarmen, möge er uns durch dich Heilung bringen!" 2 Petrus aber trat, um von allen gesehen werden zu können, auf einen hohen Fels, begrüßte sie nach frommem Brauche und begann folgendermaßen: 2 1 "Gott, der den Himmel und das All geschaffen hat, fehlt es nicht an dem Vermögen, die zu retten, die gerettet werden wollen ... 4 2 Das Gott Wohlgefällige aber besteht darin, daß man zu ihm betet und ihn als den, der alles nach einem gerechten Gesetze darreicht, darum bittet, man möge dem Tische der Dämonen 1 fernbleiben, kein totes Fleisch genießen, kein 1
Vgl. 1. Kor. 10,21.
XIV. Die Pseudo·Olementinen
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Blut anrühren, von aller Befleckung sich reinwaschen 1. 3 Das übrige laßt auch euch so, wie es die gottesfürchtigen Juden vernahmen, in einem Worte gesagt sein, indem ihr euch, so viele ihr auch seid, als eines Sinnes zeigt: ,Was ein jeder sich Gutes wünscht, dasselbe erkenne er auch seinem Nächsten zu !'2" ... 5 1 Nachdem sie so ein paar Tage lang von Petrus unterwiesen und geheilt worden waren, ließen sie sich taufen. Bei seinen sonstigen Wundertaten aber saßen die anderen mitten auf den öffentlichen Plätzen in Sack und Asche beieinander und taten Buße für ihre früheren Sünden. 2 Als die Sidonier das vernahmen, taten sie das gleiche und richteten eine Bittgesandtschaft an Petrus, weil sie selbst wegen ihrer Krankheiten nicht zu ihm kommen könnten. 3 Nachdem sich Petrus ein paar Tage in Tyrus aufgehalten, alle Einwohner der Stadt unterrichtet und sie von zahlreichen Leiden erlöst hatte, begründete er eine Gemeinde und bestellte für sie aus der Zahl der ihn begleitenden Presbyter einen Bischof; dann brach er nach Sidon auf. 6 1 Als Petrus in Sidon einzog, brachten die Leute viele Kranke in Betten und setzten diese vor ihm nieder. 2 Er aber sprach zu ihnen: "Glaubt nur nicht, daß ich, ein sterblicher Mensch, der selber für viele Leiden anfällig ist, etwas zu eurer Heilung tun kann! Dagegen will ich euch gern die Art und Weise angeben, auf die ihr gerettet werden könnt. .. 7 1 Dafür nenne ich euch zwei Wege 3, indem ich erstens zeige, auf welchem man ins Unglück gerät, und zweitens, auf welchem man unter Gottes Führung gerettet wird. 2 Der Weg derer, die zugrunde gehen, ist breit und sehr bequem, aber er führt ohne weiteres ins Unglück; der Weg derer, die gerettet werden, ist eng und rauh, aber er führt am Ende die zum Heil, die seine Beschwernisse auf sich genommen haben. 3 Vor diesen beiden Wegen stehen Glaube und Unglaube" ... 8 3 Solche Ansprachen hielt Petrus in Sidon. Als innerhalb weniger Tage auch dort viele bekehrt, gläubig und gesund wurden, begründete Petrus eine Gemeinde und setzte einen der ihn begleitenden Presbyter als Bischof ein. Dann verließ er Sidon. 9 1 Sogleich nach der Ankunft des Petrus in Berytus ereignete sich ein Erdbeben; und es kamen Leute zu Petrus und sprachen: "Hilf, denn wir sind in großer Angst, daß wir allesamt zugrunde gehen müssen!" 2 Da erdreistete sich Simon, sich zusammen Init Appion, Annubion, Athenodor und seinen anderen Genossen vor allen Leuten gegen Petrus zu wenden: "Flieht, ihr Leute, vor diesem Manne; 3 denn er ist ein Zauberer - ihr könnt es Inir glauben - und hat uns selbst dieses Erdbeben erregt und die Krankheiten verursacht, um euch zu erschrecken, als sei er selber ein Gott!"
Vgl. AG. 15,20.29; 21,25.
8
vgl. Mt. 7, 13f.
2
Vgl. Tob. 4,15; Mt. 7, 12; Lk. 6, 31.
XIV. Die Pseudo-Olementinen
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ergriffen sie unverzüglich Knüttel und verfolgten jene damit, bis sie sie ganz aus der Stadt vertrieben hatten ... 12 2 Nachdem sich Petrus mehrere Tage bei den Einwohnern von Berytus aufgehalten, viele mit der Verehrung des einen Gottes vertraut gemacht und getauft hatte, setzte er einen der ihn begleitenden Presbyter als Bischof ein und reiste dann nach Byblus. 3 Dort angekommen, erfuhr er, daß Simon nicht einmal einen einzigen Tag auf ihn gewartet hatte, sondern sogleich nach Tripolis aufgebrochen war. So blieb Petrus ein paar Tage bei den Bybliern, vollzog nicht wenige Heilungen und unterwies sie in den heiligen Schriften. Dann reiste er auf den Spuren Simons nach Tripolis, entschlossen, ihn lieber zu verfolgen als ihm Platz zu machen.
(H VIII) 1 1 In Tripolis hielten zusammen Init Petrus auch Lernbegierige aus Tyrus, Sidon, Berytus und Byblus und den Nachbarorten ihren Einzug, und in nicht geringerer Zahl drängten die Leute aus der Stadt selbst heran, welche Petrus kennenlernen wollten. .. 4 1 Verwundert über diesen Eifer der Menge, entgegnete Petrus: "Ihr seht, liebe Brüder, wie sich die Worte unseres Herrn augenscheinlich erfüllen. Denn ich erinnere mich, wie er sagte: ,Viele werden kommen von Osten und Westen, von Norden und Süden und im Schoße Abrahams, Isaaks und Jakobs ruhen'l. Doch viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt 2. 2 Daß sie auf den Ruf hin kommen, soviel ist erfüllt. 3 Doch da das nicht bei ihnen liegt, sondern bei Gott, der sie gerufen hat und sie hat kommen lassen, so haben sie deswegen allein keinen Lohn ... 4 Wenn sie aber nach ihrer Berufung Gutes tun, was bei ihnen selber liegt, so werden sie dafür ihren Lohn empfangen. 5 1 Denn auch die Hebräer, die doch an Moses glauben ... , werden nicht gerettet, wenn sie sich nicht an das halten, was zu ihnen gesagt ist. 2 Denn daß sie an Moses glauben, liegt nicht an ihrem Willensentschluß, sondern an Gott, der zu Moses gesprochen hat: ,Siehe, ich lcomme zu dir in einer Woll.;ensäule, damit das Volk hört, wie ich zu dir spreche, und sie auf Ewigkeit glauben!' 3 3 Da es also den Hebräern und den aus der Schar der Heiden Berufenen geschenkt worden ist, den Lehrern der Wahrheit zu glauben, während es der persönlichen Entscheidung jedes einzelnen überlassen bleibt, ob er gute Taten vollbringen will, so fällt der Lohn mit Recht denen zu, die gut handeln. 4 Denn weder Moses noch Jesus hätten zu kommen brauchen, wenn die Menschen aus sich selbst heraus den vernünftigen Weg hätten erkennen wollen, und darin, daß einer an Lehrer glaubt und sie seine Herren nennt, liegt noch kein Heil. 6 1 Darum wird vor den Hebräern, die Moses als ihren Lehrer empfangen haben, Jesus verhüllt und vor den Jesusgläubigen Moses verborgen. 2 Da nämlich durch beide ein und dieselbe Lehre offenbar wird, so nimmt Gott den Menschen an, der an einen von ihnen glaubt. 3 Doch der Glaube an einen Lehrer zielt auf das Tun dessen ab, was von Gott angeordnet wird. 4 Daß dem so ist, spricht unser Herr selbst aus: ,Ich bekenne dir, Vater des Himmels und der Erde, daß du das vor den Weisen und Alten verborgen, es aber den Toren und Unmündigen enthüllt hast.'4 5 So hat Gott selber den einen den Lehrer verborgen, weil sie zuvor wußten, was zu tun nötig ist, und ihn den andern enthüllt, weil sie nicht wissen, was sie zu tun haben. 7 1 Also werden die Hebräer nicht verurteilt, weil sie J esus nicht kannten ... , wenn sie nur nach den Weisungen des Moses handeln und so den nicht verletzen, den sie nicht kennengelernt haben, 2 und 1
Mt. 8,11; Lk. 13,29.
2
Mt. 22,14.
3
2. Mos. 19,9.
4
Mt. 11,25; Lk. 10,21.
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wiederum werden die Abkömmlinge der Heiden nicht verurteilt werden, die ... Moses nicht kennengelernt haben, wenn sie nur nach Jesu Worten handeln und so den nicht verletzen, den sie nicht kennengelernt haben. B Auch nützt es nichts, wenn manche ihre Lehrer als ihre Herren bezeichnen, aber das nicht tun, was Knechten zukommt. 4 Darum äußerte sich unser Herr Jesus zu einem, der ihn immer wieder Herr nannte, dabei aber sich an keines seiner Gebote hielt: , Was sprichst du zu mir Herr und tust doch nicht, was ich sage?'l Denn nicht das Reden wird jemandem nützen können, sondern das Handeln. 5 Unter allen Umständen bedarf es guter Werke, es sei denn, daß einer gewürdigt werde, beide Lehrer als Verkünder einer einzigen Lehre kennenzulernen ; denn dieser Mann gilt als reich in Gott ... "
Aus den Wiedererkennungssunen (H XII) 12 1 Einer von uns faßte sich Mut und richtete in aller Namen an Petrus die Bitte, wir wollten den Tag darauf frühmorgens nach der gegenüberliegenden Insel Arados fahren. .. 13 1 Petrus, der als einziger es nicht für nötig gehalten hatte, die dortigen Sehenswürdigkeiten in Augenschein zu nehmen, beobachtete aufmerksam eine Frau, die draußen vor den Toren saß und sich ihren Lebensunterhalt erbettelte. 2 "Liebe Frau," redete er sie an, "welches Glied fehlt dir, daß du solche Schande auf dich genommen - ich meine das Betteln - und dir nicht lieber durch Arbeit mit den dir von Gott gegebenen Händen deinen Unterhalt verdienst?" B Sie antwortete mit einem Seufzer: "Hätte ich nur Hände, die arbeiten könnten! Jetzt haben sie bloß noch das Aussehen von Händen und sind in Wirklichkeit tot ... " 4 Auf Petrus' Frage: " Was ist denn der Grund, daß du solches schweres Unglück erlitten?", 5 antwortete sie: "Die Schwachheit meiner Seele und nichts anderes. Hätte ich nämlich ein männliches Herz, so gäbe es einen Abgrund, gäbe es eine Meeresfl.ut, in die ich mich hätte stürzen und so meinem Leben ein Ende machen können." 19 1 Während die Frau ihre Lebensgeschichte erzählte, hatte es den Anschein, als zögen Petrus seine Gedanken bald hierhin und bald dahin... B Schließlich fragte er: "Liebe Frau, nenne mir doch deine Familie, deine Heimat und die Namen deiner Kinder!" ... 4 Die Frau aber behauptete, sie stamme aus Ephesus und ihr Mann sei Sizilianer, und änderte zugleich die Namen ihrer drei Söhne ab. 5 Petrus wa,r der Meinung, sie rede die Wahrheit und sagte daher: "Schade, liebe Frau, ich dachte, ich würde dir heute eine große Freude machen können; denn ich glaubte, du seiest eine bestimmte Person, deren Lebensgeschichte ich vom Hörensagen recht gut kenne." 6 Da beschwor sie ihn mit den Worten: "Ich bitte dich, sage es mir, damit ich weiß, ob es unter allen Frauen eine gibt, die noch unglücklicher ist als ich!" 20 1 Und Petrus, der nicht lügen konnte, begann aus Mitleid zu ihr mit seinem der Wahrheit entsprechenden Bericht: "Unter meinen Begleitern befindet sich ein junger Mann, der sich gern an religiösen Gesprächen beteiligt, ein römischer Bürger, der, wie er mir erzählte, neben dem Vater zwei Zwillingsbrüder besitzt und von diesen noch keinen zu Gesicht bekam. 2 Seine Mutter habe nämlich der Darstellung seines Vaters zufolge einen Traum gehabt und sei daraufhin zusammen mit ihren Zwillingssöhnen für eine Zeitlang von Rom fortgegangen, um nicht eines schlimmen Todes sterben zu müssen; seit sie mit jenen jedoch die Stadt verlassen, wäre sie nicht 1
vgl. Mt. 7, 21; Lk. 6, 46.
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mehr aufzufinden gewesen. 3 Ihr Mann, der Vater des Erzählers, sei mit diesem auf die Suche gegangen und seither verschollen." 21 1 Bei diesen Worten des Petrus fuhr die Frau, die aufmerksam zugehört hatte, vor Staunen zusammen. Da trat Petrus zu ihr, stützte sie und forderte sie auf, Haltung zu bewahren, indem er ihr anriet, offen auszusprechen, was in ihr vorging. 2 Und während ihr Körper noch wie von einem Rausch befallen war, gewann sie doch die Besinnung zurück und vermochte so die Größe der zu erwartenden Freude zu ermessen. Sich die Augen reibend, fragte sie: "Wo ist dieser junge Mann1" 3 Doch Petrus, der alles durchschaute, erwiderte: "Sprich du dich erst aus; denn sonst wirst du ihn nicht sehen können." So beeilte sie sich: "Ich bin die Mutter des jungen Mannes." Petrus: "Wie heißt er1" Sie: "Clemens." 4 Darauf Petrus: "So ist er es." ... 5 Sie: "Ich bin zu allem bereit; laß mich nur mein einziges Kind sehen! Denn in ihm werde ich meine beiden hier verstorbenen Kinder wiedererkennen. "
(H XIII) 1 3 Am nächsten Tage gelangten wir nach Laodizea. Und denk dir, vor den Toren begegneten uns Niketas und Aquila; die begrüßten uns und führten uns in die Herberge. 4 Als Petrus die schöne, große Stadt sah, meinte er: "Hier lohnt es sich, ein paar Tage zu bleiben." 5 Und Niketas und Aquila fragten, wer die fremde Frau sei. Da antwortete ich ihnen: "Meine Mutter! Gott hat es mir geschenkt, sie durch Petrus, meinen Herrn, wiederzuerkennen." 2 1 Nach diesen Worten berichtete ihnen Petrus alles in den Hauptzügen ... 3 1 Darüber erschraken Niketas und Aquila und riefen: 2 "Herr und Gebieter aller Dinge, ist das Wahrheit oder Traum1" Petrus erwiderte: "Sofern wir nicht schlafen, ist es Wahrheit. " 3 Die beiden hielten ein wenig inne, um zur Besinnung zu kommen, und sagten dann.: "Wir sind Faustinus und Faustinianus !" 7 1 Darauf begann Niketas zu berichten: "In jener Nacht, in der, wie du weißt, das Schiff zu Bruch ging, bargen uns ein paar Männer, welche ohne innere Hemmungen Seeraub trieben. Die setzten uns in ein Boot und ... brachten uns nach Cäsarea Stratonis. 2 Weil wir vor Hunger, aus Furcht und wegen der empfangenen Schläge weinten, verkauften sie uns, nachdem sie noch unsere Namen geändert hatten, damit nicht einer unversehens etwas ihnen nicht Genehmes sagen könnte. 3 Eine recht achtbare Frau, die sich dem Judentum angeschlossen hatte, Justa mit Namen, kaufte uns und hielt uns an Kindes Statt und erzog uns mit viel Aufmerksamkeit auf allen Gebieten der griechischen Bildung. 4 Als wir in das verständige Alter kamen, gewannen wir den Kultus lieb und fanden Gefallen am Studium, damit wir durch Gespräche mit anderen Völkern diese in ihrem Irrtum überführen könnten. Aber auch mit den Lehren der Philosophen machten wir uns gründlich vertraut, besonders mit den höchst gottlosen des Epikur und des Pyrrhon, um sie desto besser widerlegen zu können. 8 1 Mit dem Magier Simon waren wir geradezu Schulkameraden und gerieten so in Gefahr, über diese Freundschaft Opfer eines Betruges zu werden."
(H XIV) 2 1 Petrus ... erzählt ... : 2 "Während ihr euch entferntet, war ein alter Arbeitsmann herzugekommen, der sich merkwürdig zurückhielt, um, ehe er selbst gesehen wurde ... , feststellen zu können, was wir tun würden. .. 3 Dann war er uns weiter gefolgt, um bei passender Gelegenheit heranzukommen und mich anzusprechen:
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,Seit langem bin ich schon hinter dir her und möchte einmal mit dir reden; doch fürchtete ich, du könntest mir wegen meiner Neugier böse sein. Jetzt aber sage ich dir, was mir als die Wahrheit erscheint, wenn du es hören willst.' ... 3 5 Und ich fragte: ,Was ist es denn, was du hast erdulden müssen?' - ,Das brauche ich jetzt nicht zu sagen', erwiderte er, ,vielleicht wirst du es später erfahren, wer ich bin, woher ich stamme und in was für Umstände ich geraten bin. Jetzt möchte ich, daß dir klar werde, daß alles von der Nativität abhängt.' 4 1 Ich sagte darauf: ,Wenn alles von der Nativität abhängt und du überzeugt bist, daß dem so ist, so stehen deine jetzigen Erwägungen im Widerspruch zu deinen Grundauffassungen. 2 Denn wenn es nicht möglich sein soll, wider die Nativität auch nur einen Gedanken zu fassen, was machst du dir dann müßige Sorgen darüber, ob etwas geschehen könnte, was doch unmöglich geschehen darf? 3 Doch selbst wenn die Nativität ihre Bedeutung hat, brauchst du dir keine Mühe zu geben, um mich davon abzubringen, daß ich den verehre, der auch Herr der Sterne ist; wenn der will, daß etwas nicht geschieht, so kann es unmöglich eintreten. Denn notwendigerweise muß der untergebene Teil stets dem vorgesetzten Folge leisten.' . .. 6 1 ,Das klingt schon einigermaßen wahrscheinlich', antwortete der Alte darauf, ,doch steht deiner unvergleichlichen Beweisführung im ganzen meine Lebenserfahrung gegenüber. 2 Ich lebte nämlich früher als Astrolog in Rom, kam dort mit einem Angehörigen des Kaiserhauses in Berührung und erhielt Kenntnis von der Nativität dieses Mannes und der seiner Frau, und nachdem ich gesehen habe, daß ihr Schicksal tatsächlich in Übereinstimmung mit ihrer Nativität verlief, vermag ich mich durch deine Darlegung nicht mehr überzeugen zu lassen. 3 Die Konstellation der Nativität der Frau ging nämlich dahin, daß sie Ehebruch begehen, ihre eigenen Sklaven lieben und in der Fremde im Meere den Tod finden werde. Und das ist auch so gekommen. Denn sie fand Gefallen an ihrem Sklaven und floh mit ihm, weil sie die Schande nicht tragen konnte, ging ins Ausland, lebte mit jenem zusammen und fand schließlich im Meere den Tod.' 7 1 Dazu fragte ich: ,Woher weißt du, daß sie nach ihrer Flucht in der Fremde den Sklaven heiratete und nach dieser Heirat den Tod fand?' Darauf der Alte: 2 ,Die Sache mit ihrer Heirat weiß ich natürlich nicht so genau, da ich ja auch von ihrer Liebe nichts wußte; doch hat mir nach ihrem Weggang der Bruder des Mannes ihre ganze Liebesgeschichte erzählt... und auch davon, daß die Unglückliche - denn man kann ihr ja keinen Vorwurf machen, da sie all das zu tun und auf sich zu nehmen durch ihre Nativität gezwungen war - sich einen Traum ausgedacht hatte, wobei ich nicht weiß, ob dieser echt oder falsch war. 3 Seiner Erzählung zufolge behauptete sie jedenfalls, ihr sei im Traum ein Mann erschienen und habe ihr befohlen, zusammen mit ihren Kindern unverzüglich Rom zu verlassen. 4 Aus Sorge um das Wohl seiner Frau und seiner Kinder schickte jener sie sofort in Begleitung der Mutter und mehrerer Sklaven zur Ausbildung nach Athen; nur den dritten, jüngsten Sohn behielt er bei sich, da die Person, die im Traume erschienen war, gestattet hatte, daß dieser bei ihm blieb. 5 Als er im Verlaufe längerer Zeit von seiner Frau keine Nachricht erhielt, obgleich er selber häufig nach Athen schickte, bat er mich als den ihm am nächsten Stehenden zu sich und begab sich mit mir auf die Suche. 6 Gern ertrug ich auf dieser Reise zusammen mit ihm die vielen Strapazen in Erinnerung daran, daß er mich früher an all seinem Glück hatte teilnehmen lassen, weil er mich mehr liebte als alle seine anderen Freunde. 7 Wir verließen Rom und kamen hierher nach Syrien. In Seleukia gingen wir an Land, und nachdem wir das Schiff verlassen, geschah es, daß mein Freund nach wenigen Tagen aus
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Verzweiflung starb, während ich hierher gelangte, mich verdingte und durch meiner Hände Arbeit mir bis heute mein Brot verdiene.' 8 1 Während der Alte das berichtete, wurde mir deutlich, daß der Mann, von dem er behauptete, daß er gestorben sei, er selber war, nämlich euer Vater. Doch wollte ich ihm nicht euer Schicksal gegenüberstellen, ehe ich mich nicht euch anvertraut."
Die Einsetzung des GIemens (Epit. II) 144 So blieben wir also, ich Clemens, Aquila und Niketas, zusammen mit dem Apostel Petrus und verkündigten in göttlichem Auftrag in sehr vielen Dörfern und Städten das Wort der Wahrheit. Petrus, der Apostel Christi, pflegte viele Kranke, heilte Besessene und erweckte durch die Kraft des Herrn J esus Christus zahlreiche Verstorbene wieder zum Leben; er führte mich durch Städte und Dörfer und begab sich schließlich sogar nach Rom, um auch dort das Wort der Wahrheit zu verkünden. In der Stadt angekommen, lehrte er täglich in Synagogen und Privathäusern das Wort der Wahrheit und führte durch die heilige Taufe Christus viele Leute zu, bedeutende und unbedeutende und schließlich auch die maßgebenden unter den vornehmen Frauen, so daß in kurzer Zeit beinahe alle zur heiligen Taufe kamen und durch die Lehre des Apostels an Gott glaubten. 145 ... Als die Brüder versammelt waren, faßte mich Petrus plötzlich an der Hand, erhob sich und sprach vor der Gemeinde: 146 "Hört mich, Brüder und Mitknechte ! Da ich von dem Herrn und Meister J esus Christus, der mich gesandt hat, darüber belehrt wurde, daß die Tage meines Todes nahe sind, so bestelle ich Clemens zu eurem Bischof. Ihm vertraue ich mein Lehramt an; denn er ist vom Anfang bis zum Ende mein Gefährte gewesen und hat so alle meine Predigten mitangehört. An allen meinen Versuchungen hat er teilgenommen, und stets zeigte es sich, daß er im Glauben durchhalten konnte. Ihn habe ich mehr als alle anderen erprobt als gottesfürchtig, besonnen, human, gut, gelehrt, keusch, gerecht, geduldig und imstande, gelassen die Unarten einiger Katechumenen hinzunehmen. Deshalb übertrage ich ihm die Macht, zu binden und zu lösen, auf daß alles, was er auf Erden anordnet, im Himmel beschlossen sei 1. Er wird binden, was zu binden ist, und lösen, was zu lösen ist, da er die Richtschnur der Kirche kennt. Auf ihn hört und seid gewiß, daß, wer den Lehrer der Wahrheit betrübt, gegen Christus sündigt und den Vater aller Dinge erzürnt; daher wird er nicht leben. Der Vorsitzende selbst aber soll die Stellung eines Arztes einnehmen, nicht jedoch die Gemütsart eines wilden Tieres zeigen." 147Während dieser Rede fiel ich Petrus zu Füßen und bat ihn flehentlich, mir Ehre und Macht des Bischofsamtes zu erlassen. Doch Petrus antwortete: "Bitte mich nicht darum! Denn es ist so beschlossen, weil dieser Bischofsstuhl keinen unbedachten Ehrgeizling, sondern einen charakterlich zuverlässigen, geistig gebildeten Mann nötig hat. Oder gib mir einen besseren, der mehr als du mit mir zusammen gereist ist, mehr Predigten gehört und die Leitung der Gemeinde gründlicher gelernt hat, und ich werde dich nicht zwingen, wider deinen Willen Gutes zu stiften ... Je eher du also zusagst, um so mehr wirst du meine schwierige Lage erleichtern." 158 Nach diesen Worten legte er vor aller Augen seine Hände auf mich und hieß mich auf seinem Sitze Platz nehmen. 1
Vgl. Mt. 16, 19; 18,18.
xv. JüNGERE APOSTELAKTEN (w. Schneemelcher und A. de Santos)
Die literarische Gattung der apokryphen Apostelgeschichten hat über das 3. Jahrhundert hinaus weitergelebt und gewirkt und ist dann nach und nach in die Gattung der Heiligenlegende übergegangen. Dieser übergang hängt natürlich mit dem Entstehen und der Ausbreitung des Kultus der Heiligen zusammen. Dabei haben nun die fünf alten Apostelgeschichten mancherlei Wirkung gehabt, sind benutzt und bearbeitet worden, waren vielleicht auch Vorbild für spätere Werke. Aber nicht sie sind es, die die weitere Entwicklung dieser Literatur bestimmt haben. Vielmehr muß man wohl ebenso stark die gesteigerte Wundersucht (und das heißt: das verstärkte Eindringen antik-heidnischen Erbes in die Kirche), mancherlei theologische Tendenzen und andere Faktoren in Rechnung stellen. Jedenfalls gibt es seit dem 4. Jahrhundert eine Fülle von Texten, die als späte apokryphe Apostelgeschichten bezeichnet werden können. Dabei muß man sich allerdings darüber klar sein, daß die Grenze zu der hagiographischen Literatur schwer zu ziehen ist. Vielleicht kann man sagen, daß die theologische Intention, die ja den alten apokryphen Apostelgeschichten zu eigen ist, zurücktritt. Ebenso aber tritt auch das unterhaltende Moment nicht mehr so in den Vordergrund. Dafür wollen diese späten Schriften in einem anderen Sinne als die früheren erbauen, sind ja auch vielfach - zumindest in dem Teil, der das Martyrium des Helden behandelt - für den liturgischen Gebrauch bestimmt. Wichtig ist auch hier das Verhältnis zum Kanon: Während man bei den fünf großen frühen Akten noch vermuten darf, daß sie die kanonische AG ergänzen wollten, fällt diese Absicht bei den späteren Werken völlig weg. Der Kanon ist längst eine feste Größe, und die neu geschaffenen Werke wollen nicht an diesem Zustand irgend etwas ändern. Nun kann hier natürlich diese breite Literatur nicht ausführlich behandelt werden. Neutestamentliche Apokryphen sind diese Schriften ja ohnehin nicht mehr, wenn man den Begriff nicht völlig verwaschen will. Aber ein kurzer überblick über den Bestand, die Ausgaben und die Literatur sei gegeben. Die Auswahl der Texte, die aufgezählt werden sollen, ist nicht leicht und sicher etwas willkürlich. Sie erfolgt unter dem Gesichtspunkt, daß Beispiele für das Material gegeben werden sollen, das für die Entwicklung von den Apokryphen zu der Heiligenliteratur wichtig ist. Es bleibt ein bedauerlicher Mangel dieser übersicht, daß die vielfachen orientalischen überlieferungen nicht genügend berücksichtigt werden können. Aber das würde den Rahmen völlig sprengen. Es sei dafür auf die Literatur Bd. I, S. 37 f. verwiesen. Zur späteren Hagiographie ist zu vergleichen: F. Halkin, Bibliotheca hagiographica
xv. Jüngere Apostelakten
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graeca, I-III, 31957 (BHG). Dieses Werk wird im einzelnen unten nicht jeweils angeführt, sondern vorausgesetzt. Weiter vgl. H. G. Beck, Kirche und theologische Literatur im byzantinischen Reich, 1959, S.267-275. A. FORTBILDUNG DER ALTEN ApOSTELAKTEN. 1. PETRUS. a) Martyrium beati PetriA postoli a Lino episcopo conscriptum (Text: Aa I, S.I-22; A.H. Salonius, Martyrium b. Petri ... , Soc. Scient. Fennica, Commentationes Humanorum Litterarum I 6,1926). Dieser, wohl im 6. Jahrhundert entstandene Text ist eine lateinische Paraphrase und Erweiterung des Martyriums der alten Petrusakten (s. o. S. 216 ff.), vermutlich auf Grund des griechischen Textes, aber nicht nach der lateinischen Übersetzung der Actus Vercellenses hergestellt. Inhaltsübersicht bei Lipsius, Apostelgeschichten, II 1, S. 91-93; Lipsius zählt auch die Handschriften auf, wertet aber den Text falsch. Vgl. weiter Harnack, Litgesch., I 1, S. 133. b) Acten des N ereus und des Achilleus (Text: H. Achelis, TU XI 2,1893). Dieser Bericht über das Martyrium der Domitilla und einer Reihe anderer Glaubenszeugen (vor allem aus der Zeit Domitians und Trajans) ist eine Kombination verschiedener Berichte. Im ersten Teil sind die Petrusakten die Grundlage der Erzählung; der Märtyrerbericht wird mit der Petrus-Simon-Legende verknüpft. Der Verfasser kannte auch den Teil der Petrusakten, der nur in dem koptischen Fragment erhalten ist (vgl. dazu o. S. 184; C. Schmidt, Studien zu den alten Petrusakten, ZKG 43,1924, S. 340ff.). Ob er auf die griechische oder die lateinische Fassung sich stützt, ist schwer zu entscheiden. Benutzt hat er auch die Linustexte der Passiones Petri und Pauli. Die Abfassungszeit der griechischen Akten wird verschieden bestimmt: 5. oder 6. Jahrhundert; die lateinische übersetzung stammt wohl aus dem 7. J ahrhundert. Vgl. neben Achelis auch Lipsius, Apostelgeschichten, II 1, S.106ff. c) Die Predigt des Simon Kepha in der Stadt Rom (Text: W. Cureton, Ancient Syriac Documents, 1864, S. 35-41), syrisch verfaßt (5./6. Jh.) und überliefert, hängt nur sehr lose mit den alten Petrusakten zusammen, hat aber gewisse Züge daraus entnommen und durch viele andere Überlieferungen erweitert. Die dogmatischen Aussagen verweisen das Werk in die Zeit der späteren christologischen Kontroversen. Vgl. Lipsius, Apostelgeschichten, II 1, S. 206f.; A. Baumstark, Die Petrusund Paulusakten in der literarischen Überlieferung der syrischen Kirche, 1902, S. 38 bis 40. d) Eine syrische Geschichte des Simon Kephas, des Hauptes der Apostel (Text: P. Bedjan, Acta martyrum et sanctorum I, 1890, S.I-33) beruht auf den pseudo-clementinischen Recognitionen, der oben unter c erwähnten Predigt des Simon Kepha, den Angaben der AG und schließlich der Erzählung der Petrusakten. Vgl. Baumstark, a.a.O., S. 40ff.; Harnack, Litgesch., I 2, S. 928. e) Slavische Petrusberichte (A. de Santos). Es gibt drei kirchenslavische Schriftstücke, die vom Leben Petri handeln. über die slavischen 'Passio' und 'Disputatio cum Simone Mago', die mit den Petrusakten zusammenhängen, haben Lipsius-Bonnet (Aa I, S. LXXXIX-XC), M.N. Speranskij (Bibliograficeskie Materialy: Otenija v Imp. obscestve istorii i drevnostej rossijskich pri moskovskom Universitete, Moskau 1889, S. 1-52) und N. Bonwetsch (bei Harnack, Litgesch., I 2, S. 903 bis 904) berichtet.
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A. Fortbildung der alten Apostelakten
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Darüber hinaus liegt eine slavische "Vita Petri" vor, deren griechisches Original unbekannt ist. Von der Verbreitung dieses merkwürdigen Schriftstückes im slavischen Raum zeugt der slavische Apokrypheni~dex, der in zwölf von seinen insgesamt fünfzehn verschiedenen Fassungen ein "Zitie blazenago apostola Petra" erwähnt und ihm häretischen Ursprung zuschreibt (vgl. A. I. Jacimirskij, Bibliograficeskij obzor Apokrifov v juznoslavjanskoj i russkoj pis'mennosti. I, St. Petersburg 1921, S.44f. unter Nr. 46). Der eben genannte Index unterscheidet zwei Teile: a) eine "Vita Petri" mit Hinweis auf merkwfudige in ihr erzählte Wunder und b) eine Beschreibung der "Kindheit Christi". Im vorliegenden Text sind beide Stücke in eine einheitliche Erzählung zusammengeschmolzen, die zwar von der Reise Petri nach Rom handelt, deren Hauptperson aber Christus selbst in der Gestalt eines Kindes ist. Diese "Vita" hat nichts Gemeinsames weder mit der bisher bekannten Petrusliteratur noch mit den apokryphen Kindheitserzählungen (auch nicht mit dem späteren "Evangelium Petri Infantiae" von Catulle Mendes, vgl. James, S. 89). Wenn man diesen Text vom sprachlichen Standpunkt aus betrachtet, so kommt man leicht zu der überzeugung, daß es sich hier um keine originale slavische Bearbeitung handelt, sondern daß diese Erzählung von einer alten übersetzung aus dem Griechischen herrührt. Diese Ansicht gewinnt an Interesse und auch an Sicherheit, wenn man bedenkt, daß wir, was die Petrusliteratur anbelangt, vielfach auf Versionen angewiesen sind. Inhaltlich weist die slavische "Vita Petri" manche gemeinsamen Züge (meistens gnostischer Färbung) mit den bekannten Apostelakten auf. Es sei auf einige hingewiesen. Die Einschiffung des Petrus (vgl. Radcenko - s. u. - S. 200 Z. 25) erfolgt unter ähnlichen Umständen wie bei den "Acta Andreae et Matthiae" c. 5 (vgl. Aa 11 1, S. 69f.). Die Erscheinung Christi in der Gestalt eines Kindes in der Wüste (vgl. Radcenko, S. 199 Z. 23) erinnert an eine ähnliche Erscheinung im griechischen "Martyrium Matthaei" c. 1 (vgl. Aa 11 1; S. 217). Der Verkauf Christi durch Petrus (vgl. Radcenko, S. 204 Z. 7) findet schließlich sein Vorbild in den "Acta Thomae" (vgl. Aa 11 2, S. 10lf.), wo aber umgekehrt Thomas (oder Judas?) von Christus verkauft wird. Interessant ist auch der Hinweis auf die von Christus dem Petrus anvertraute Schrift, die an den "Vom Himmel (auf den Altar Petri) gefallenen Brief Christi" erinnert (vgl. De Santos, Los Ev. Ap., S. 712-725 und in Studia Patristica, TU 78, S. 290-296). Die slavische "Vita Petri" liegt in zwei verschiedenen Redaktionen vor. Die erste ist durch die Handschrift Nr. 111 a. 10 der Agramer Akademie, fol. 45-49 (XVI. Jahrh.) vertreten. Sie ist als eine spätere Zusammenfassung der zweiten Redaktion anzusehen. Dieser Text wurde erst von V.N. Mocul'skij (Apokrific. Zitie apostola Petra: Trudy X-go Archeologiceskago S'ezda v Rige, Moskau 1896) veröffentlicht. Von der zweiten Redaktion sind bisher zwei Texte ediert worden. Der erste stammt aus dem Sammelcodex Nr. 68 der Volksbibliothek in Sofia (XVI. Jahrh.) und ist nur fragmentarisch erhalten. Er wurde von A. S. Archangel'skij (K istorii juzno-slavjanskoj i drevnerusskoj apokrificeskoj literatury: Izvestija Otdelenija Russkago Jazyka i Slovesnosti Akademii Nauk IV, 1899, S.101-147) veröffentlicht. Allein auf diesem Fragment beruhen die Ausführungen von I. Franko in: Beiträge aus dem Kirchenslavischen zu den Apokryphen des NT, 11: zu den gnostischen ,,7tSe{OOOt lliTeov" (ZNW 3,1902,315-335). Der vollständige Text der zweiten Redaktion ist im Sammelcodex Nr. 137 der 26 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
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XV. Jüngere .Apostelakten
Wiener Hofbibliothek foI. 169v -177 (XIV. Jahrh.) erhalten und wurde von K. Th. Radcenko (Zametki 0 pergamennom Sbornike XIV-go veka Venskoj Pridvornoj Biblioteki: Izvestija Otdelenija Russkago Jazyka i Slovesnosti Akademii Nauk, St. Petersburg VIII, (1903), kn. 4, S. 199-211) herausgegeben. Dieser Text ist der älteste und am besten erhaltene der slavischen "Vita Petri". Zum Schluß sei noch auf andere Handschriften hingewiesen. Miron verweist in einem Artikel (vgI. "Kievskaja Starina" 47, 1894, S. 431) auf einen Sammelcodex im Besitz von Pop Jaremeckij. In diesem Codex dürften sich unter Nr. 22 und 26 zwei Handschriften ukrainischer Herkunft unserer "Vita" befinden. Hierher dürften ebenso die von Bonwetsch (a. a. 0., S. 904) unter den Titeln" Wanderung" oder "Auszug des Apostels Paulus durch die Länder" angegebenen und mit Fragezeichen versehenen Handschriften gehören. Diese sind: Soloveck. Bibliothek Nr. 89 s. XVI foI. 3-5 (heute in Leningrad: Gosudarstvennaja Ord. Trud. Krasn. Znameni Publicnaja Bibliotheka imeni M. E. Saltykova-Scedrina) und Moskovsk. Sinodal'n. BibI. Nr. 51 s. XVI/XVII foI. 311 v (heute in Moskau: Gosudarstvennyj Istoriceskij Muzej). Der Umstand, daß unsere "Vita" mit einem Hinweis auf die Missionstätigkeit Pauli unter den Heiden (während Petrus, von den Juden enttäuscht, sich in die Wüste zurückzieht) beginnt, kann den Berichterstatter dazu verleitet haben, diese Handschriften als zu den "Periodoi Paulou" gehörig zu betrachten. 2.PAULUS. a) Martyrium beati Pauli Apostoli a Lino episcopo conscriptum (Texte: Aa I, S. 23-44). Dieses Martyrium, in dessen Titel bei einem Teil der Überlieferung die Worte 'a Lino episcopo conscriptum' ausgelassen sind, stellt eine spätere lateinische Bearbeitung des Schlußteiles der Paulusakten (s. o. S. 265 ff.) dar. Die Abfassungszeit ist kaum zu bestimmen; sicher ist nur, daß dieser Text jünger ist als die kürzere Form des Martyriums (gegen Lipsius). VgI. Bardenhewer, Litgesch., I, S. 559f. b) Die syrische Geschichte des heiligen Apostel Paulus (Text: Bedjan. a. a. 0., I, S. 33-34) scheint nicht auf die Paulusakten zurückzugehen, sondern sich vor allem auf die kanonische AG zu stützen. VgI. Harnack, Litgesch., 12, S. 128; Baumstark, a. a. 0., S. 40ff. 3. PETRUS UND PAULUS. Die Akten des Petrus und des Paulus sind eine spätere Kompilation verschiedener Traditionen, darunter sicher auch der alten Petrusakten, durch die das gemeinsame Wirken der beiden Apostel in Rom und ihr Märtyrertod geschildert werden soll. Es gibt drei verschiedene Fassungen des (auch Marcellustext genannten) Werkes: a) n I2MI3l~ TW'I' ay{w'I' anoO'ToAW'I' n B-r120V Kat I1 aVAOV (Aa I, S.178-222); b) Passio sanctorum apostolorum Petri et Pauli (griech. und lat. Aa I, S.118-177); c) Passio apostolorum Petri et Pauli (lat. Kompilation: Aa I, S.223 bis 234). "Über den Ursprung der Akten des Petrus und des Paulus ruht ein dichter Schleier" (Bardenhewer, Litgesch., I, S. 567). Die Hypothesen von Lipsius sind sicher falsch. Die Abfassungszeit läßt sich vorläufig nicht genau festlegen, außer für die unter c genannte Kompilation, die wohl in das 6. oder 7. Jahrhundert gehört. VgI. Bardenhewer, Litgesch., I, S. 564-568; R. Söder, a. a. 0., S. 11 f.; A. van Lantschoot, Contribution aux Actes de S. Pierre et de S. Paul, Museon 68, 1955, S. 17-46 u. 219-233 (aethiopisch). 4. JOHANNES. a) Die J ohannesakten des Prochorus, n12MI3l~ TOV ay{ov anOO'ToAOV Kat svaYYsAWTOV 'I wa'l''I'ov TOV {hoMyov O'vYYl2arpo'l"ro~ TOV aVTov p,aßrJ'rov n120Xo12ov (Text: Th. Zahn, Acta Joannis, 1880, S. 1-165). Dieser Text, angeblich verfaßt von Prochorus (vgI. AG 6, 5), der in viele Sprachen übersetzt
A. Fortbildung der alten Apo8telakten
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worden ist, berichtet von den Taten des J ohannes, vor allem auf Patmos (Inhaltsangabe bei Lipsius, Apostelgeschichten, I, S. 366-397). Der Verfasser hat die alten Johannesakten benutzt, den Stoff aber sehr frei gestaltet. Abfassungszeit ist wohl das 5. Jahrhundert. Vgl. Lipsius, a.a.O.; Zahn, a.a.O.; Bardenhewer, Litgesch., I, S. 578; Musikides, Nea Sion (Jerusalem), 1947, S. 245f.; 1948, S. 51-53; 12lf. b) Die Virtutes J oannis (Text: J.A. Fabricius, Codex apocryphus novi Testamenti, 1703, II, S. 531-590), ein Teil der sogenannten Abdias-Sammlung (nicht vor Ende des 6. Jahrhunderts), haben die Johannesakten stärker benutzt. Vgl. Lipsius, Apostelgeschichten. S. 408-431; Zahn, a. a. 0., passim. c) Eine Passio J oannis unter dem Namen des Mellitus von Laodicea (= Melito von Sardes?) ist nur eine kürzere und jüngere Redaktion der unter b genannten Virtutes (Text mehrfach ediert, s. Lipsius I, S. 408; die Ausgabe von G. Reine, Bibliotheca anecdotorum I, Leipzig 1848, S. 108ff. ist abgedruckt bei Migne, PG V, Sp.1241ff.). Vgl. Lipsius, a.a.O.; Zahn, a.a.O.; Bardenhewer, Litgesch., I, S. 578f. 5. ANDREAS. a) Die Taten des Andreas und des Matthias bei den Menschenfressern, IIeMel~ 'A'Vbesov xai Ma7:{}da el~ dl'V :JUJAl'V TO)'V a'V{}ewnocpayw'V (Text: Aa II 1, S. 65-116), ein auch in verschiedenen Übersetzungen vorliegender Bericht (6. Jh.?) über die Schicksale des Matthias und des Andreas (Inhaltsangabe bei Lipsius, Apostelgeschichten, I, S. 550-553), der wohl zum Teil auf die alten Andreasakten zurückgeht. Vgl. J. Flamion, Les actes d'Andre et les textes apparentes, 1911; Bardenhewer, Litgesch., I, S. 570ff.; F. Blatt, Die lateinischen Bearbeitungen der Acta Andreae et Matthiae apud anthropophages mit sprachlichem Kommentar hrsg. (Beih. ZNW 12), 1930. b) Die Taten der Apostel Petrus und Andreas, IIeMel~ TW'V ay{w'V anoO'T6AW'V IIsTeov xai 'Avbesa (Text: Aa II 1, S. 117-127), griechisch, slavisch und äthiopisch erhalten, eine Fortsetzung der Acta Andreae et Matthiae (Inhaltsangabe bei Lipsius, Apostelgeschichten, I, S. 553-557), sind ebenfalls eine Bearbeitung des Stoffes der alten Andreasakten. Vgl. Flamion, a.a.O.; Bardenhewer, Litgesch., I, S.571f. c) Martyrium des Andreas. Eine Reihe von Fassungen des Martyriums ist bereits o. S. 270f. aufgezählt. Vgl. weiter BRG3, I, S. 29-33. d) Die Akten des Andreas und des Paulus, eine koptisch erhaltene Erzählung (Text: G. Zoega, Catalogus codicum copticorum, 1810, S. 230-235; teilweise auch bei G. Steindorff, Kurzer Abriß der koptischen Grammatik, 1921, S.34*-47*), berichten von einer Unterweltsfahrt des Paulus und von seiner Errettung durch Andreas (Inhaltsangabe bei James, S. 472-474). Der Text scheint eher mit den Paulusakten als den Andreasakten zusammenzuhängen. Vgl. Lipsius, Apostelgeschichten, Erg.heft, S. 95f.; S. Morenz, Der Apostel Andreas als 'Vso~ Eaea1tl~, ThLZ 72,1947, S.295-297. 6. THoMAs. Eine griechische Bearbeitung der Thomasakten gibt es unter dem Titel IIea~el~ TOV ay{ov ano0'T6AOv eWfl6. (Text: M.R. James, Apocrypha anecdota II, 1897, S.28-45). Das Alter dieses Textes ist allerdings kaum zu bestimmen. Verwandt damit ist ein mittelalterliches äthiopisches Werk: Der Kampf des Thomas (Text: E.A. W. Budge, The Contendings of the Apostles, 1899; engl. Übersetzung von S. C. Malan bei J ames, a.a.O., S. 46-63). Vgl. Bardenhewer, Litgesch., I, S. 584.
26*
404
XV. Jüngere Apostelakten
B. SPÄTERE AKTEN ANDERER ApOSTEL.
1. PHILIPPUSAKTEN. Die Philippusakten sind nur bruchstückhaft in Einzeltaten überliefert (Text: Aa II 2, S. 1-90; dazu eine jüngere Zusammenfassung: S. 91-98). Der Held der Erzählung, Philippus, ist der 'Apostel' (Mk. 3, 18 Par. u.a.) und der 'Diakon' (AG 6, 5; 21, 8) in einer Person. Das Werk ist von älteren Legenden abhängig und ist frühestens Ende des 4. Jahrhunderts, wahrscheinlich erst im 5. Jahrhundert entstanden. Eine syrische Fassung (Text: W. Wright, Apocryphal Acts oftheApostles, 1871, I, S. 73-99; engl. übersetzung: II, S. 69-92) ist eine jüngere überarbeitung. Vgl. Bardenhewer, Litgesch., I, S. 584-588; Lipsius, Apostelgeschichten, II 2, S. 1-53; E. Peterson, Die Haeretiker der Philippus-Akten, ZNW 31, 1932, S. 97-111; ders., Zum Messalianismus der Philippus-Akten, Oriens Christ. 29, 1932, S. 172-179; ders., Die Philippus-Akten im armenischen Synaxar, Theol. Quartalschr. 113, 1932, S. 289-298; A. Kurfess, Zu den Philippusakten, ZNW 44, 1952/53, S. 145-151. 2. MATTHÄUSAKTEN. Von den Matthäusakten ist in griechischer und lateinischer Fassung nur das Martyrium mit der umrahmenden Erzählung erhalten (Text: Aa II 2, S. 217-262). Trotz einer gewissen Anlehnung gehören diese Akten nicht zu den Akten des Andreas und des Matthias (s. o. A 5 a). Die koptischen Akten (F. Wüstenfeld, Synaxarium, 1879, S. 65ff.) sind eine verkürzte Fassung. Vgl. Lipsius, Apostelgeschichten, II 2, S. 109-141; Bardenhewer, Litgesch., I, S. 588f.; R. Söder, a.a. 0., S. 17f.; T. Atenolfi, I testi meridionali degli Atti di S. Matteo l'Evangelista, 1958. 3. BARTHOLOMÄUSAKTEN. über Bartholomäus berichtet ein griechisch und lateinisch erhaltenes Martyrium (Text: Aa II 1, S.128-150), entstanden wohl im 5. oder 6. Jahrhundert. Dazu kommen spätere äthiopische und armenische Texte. Vgl. Lipsius, Apostelgeschichten, II 2, S. 54-108; Erg.heft, S. 130 (Index s. v. Bartholomäusakten); R. Söder, a.a. 0., S. 18. 4. SIMON- UND JUDASAKTEN. Eine lateinische Passio Simonis et J udae (Text: Fabricius, a.a. 0., II, S. 608ff.) ist wohl ein Teil eines größeren Sammelwerkes über die Apostel gewesen und schildert die Tätigkeit der beiden genannten in Babylonien und Persien. Verfaßt ist das Werk frühestens im 6. Jahrhundert. Vgl. Lipsius, AposteIgeschichten, II 2, S.164-178; R. Söder, a.a.O., S.19. 5. THADDÄUSAKTEN. Die griechischen Thaddäusakten (Text: Aa I, S. 273-278 und 279-283) hängen eng mit der Abgarsage zusammen. Dazu vgl. Bd. I, S.325-329. 6. BARNABASAKTEN. Unter dem Titel IIc:(!toool ual fW(!rv(!Wy rov aytov Ba(!vaßa rov anoaro/tov (Text: Aa II 2, S. 292-302) gibt es einen angeblich von J ohannes Markus verfaßten Bericht über die Tätigkeit und den Tod des Barnabas auf Cypern. Entstanden sind diese Akten wohl Ende des 5. oder Anfang des 6. J ahrhunderts. Vgl. Lipsius, Apostelgeschichten, II 2, S. 270-320; Bardenhewer, Litgesch., I, S. 116.
c.
APOKALYPSEN UND VERWANDTES
EINLEITUNG
(P. Vielhatter) Das Christentum begann seinen Lauf als eschatologische und enthusiastische Bewegung und hat seinem Glauben weitgehend in der Sprache der Apokalyptik und der Prophetie Ausdruck verliehen. Vom Ende des 1. Jh.s bis ins beginnende Mittelalter hat es eine umfangreiche Apokalypsenliteratur, zu der auch die Sibyllinen gehören, hervorgebracht. Die christliche Prophetie ist nicht in derselben Weise literarisch produktiv geworden, muß aber wegen ihrer tatsächlichen historischen Bedeutung in dem Zusammenhang "Apokalypsen und Verwandtes" beachtet werden. Während die Evangelien eine vom Urchristentum selbst geschaffene literarische Gattung darstellen und die apokryphen Apostelakten - im Unterschied zur kanonischen Apostelgeschichte - in die Tradition des hellenistischen Romans gehören, hat das Christentum die Gattung der Apokalypsen aus dem palästinischen, die der Sibyllinen aus dem hellenistischen Judentum übernommen. Es konnte das tun, weil die älteste Gemeinde aufs stärkste von apokalyptischen Vorstellungen und Erwartungen bewegt war und diese bei der Mission weitergab; daß dies schließlich zur Abfassung von Apokalypsenbüchern führte, war nur natürlich. Darüber hinaus hat sich das Urchristentum jüdische Apokalypsen angeeignet; es hat sie als heilige Schriften benutzt (vgl. z.B. die apokryphen Zitate in Jud. 9 u. 14) und durch Überarbeitung verschiedener Art christianisiert. Dieser Aneignung ist es übrigens zu verdanken, daß diese (wie überhaupt fast die ganze erhaltene nicht-rabbinische) jüdische Literatur vor der Vernichtung durch das "orthodoxe" Judentum, d.h. durch die nach 70 n. Chr. sich siegreich durchsetzende Partei bewahrt wurde. Bei dieser Sachlage muß in der folgenden Einleitung die jüdische Apokalyptik charakterisiert werden, damit die Verwandtschaft und Verschiedenheit der christlichen und jüdischen deutlich werden; wir gehen dabei vom literarischen Phänomen, nicht von Zeitstimmungen aus. Ferner ist eine Charakterisierung der jüdischen und der christlichen Prophetie nötig, damit ihr Verhältnis zueinander und zur Apokalyptik klar wird; dabei ist es allerdings nicht möglich, von größeren literarischen Selbstzeugnissen auszugehen, man ist auf Zeugnisse über sie und auf Rückschlüsse angewiesen. LITERATUR:
R.H.Charles, The Apocrypha and Pseudepigrapha of the OId Testament,
2 Bd., 1913; E. Kautzsch, Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testamentes, 2 Bd., 1921; P. Rießler, Alt jüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel, 1928; W. Bousset/H. Greßmann, Die Religion des Judentums im späthellenistischen Zeitalter, 31926; P. Volz, Die Eschatologie der jüdischen Gemeinde im neutestamentlichen Zeitalter, 21934 (hier auch
Näheres zu den literarischen Problemen der Texte); H. H. Rowley, The relevance of Apocalyptc, 21955; M. Noth, Das Geschichtsverständnis der alttestamentlichen Apokalyptik, in Gesammelte Studien zum AT, 1957, S. 248-273; ders., Die Heiligen des Höchsten, ebd.,
408
s. 274-290;
Einleitung O. Plöger, Theokratie und Eschatologie, 1959; D. Rößler, Gesetz und Ge-
schichte, 1960. 1. DIE APOKALYPTIK
a) NAME UND BEGRIFF. Mit dem Wort Apokalyptik bezeichnet man erstens die Literaturgattung der Apokalypsen, d.h. Offenbarungsschriften, die jenseitige und vor allem endzeitliehe Geheimnisse enthüllen, und zweitens die Vorstellungswelt, aus der jene Literatur stammt. Diese Bezeichnung ist offenbar der neutestamentlichen Johannes-Apokalypse entnommen; denn der Inhalt des Buches wird 1, 1 charakterisiert als ' AnouaÄV'lpl~ ,lrJC10v X(!un:ov, fjv BOWUeV avup 0 ße6~, Oei~al Toi~ OOVÄOl~ aVTov ä Mi yeV8Cfßal sv TaXel. Das Wort anouaÄV'l.pl~ wird hier zum ersten Mal in der Bedeutung gebraucht als "Offenbarung dessen, was in Kürze geschehen muß". Es begegnet zum ersten Mal als Buchbezeichnung in der Inscriptio der Joh.-Apk.: ' AnouaÄV'lpl~ , Iwavvov. Infolge der Bedeutung der Joh.-Apk. wurde das Wort anouaÄV'lpl~ auch literarische Bezeichnung und Selbstbezeichnung verwandter christlicher Bücher um 200 n. Chr. nennt der Kanon Muratori "apocalypse ... johannis et petri" (Z. 71f.) - und dann auch auf die jüdischen Werke dieser Art übertragen, und zwar von den Christen. Allerdings erscheint das Wort auch in der Überschrift einer jüdischen Apokalypse, des syrischen Baruch: "Schrift der Offenbarung des Baruch, Sohnes des Neria, übersetzt aus dem Griechischen ins Syrische" (Kautzseh, Pseudepigraphen, S. 410); diese Bezeichnung gehört aber offenbar nicht zum ursprünglichen Bestand der Apokalypse; da diese aus dem Griechischen übersetzt ist und wohl auf ein hebräisches oder aramäisches Original zurückgeht, das Original aber zwischen 70 und 132 n.Chr. entstanden sein dürfte (Plöger, RGG3 I, Sp. 902), so wird man in der Überschrift der syrischen Übersetzung den Einfluß christlichen Sprachgebrauchs für möglich oder wahrscheinlich ansehen können. Dasselbe gilt für die Überschrift des griechischen Baruch. Jedenfalls ist der Ausdruck "Offenbarung" als Bezeichnung dieser Literaturwerke vorchristlich nicht nachweisbar. Diese Literaturgattung scheint ursprünglich überhaupt keine gemeinsame Bezeichnung gehabt zu haben. b) DER LITERARISCHE CHARAKTER. Bei den meisten jüdischen Apokalypsen kehren bestimmte formale Eigentümlichkeiten wieder, die man als feste Züge, als Stilelemente dieser I,iteraturgattung ansehen muß. 1. Pseudonymität. Der Apokalyptiker schreibt nicht unter seinem eigenen Namen, sondern unter dem Namen eines Großen der Vorzeit (z.B. Daniel, Elia und Jesaja, Mose und Esra, Henoch und Adam). Er hat nicht genügend eigene Autorität wie etwa die Schriftpropheten, sondern muß sie sich von diesen Großen borgen. Mit der PseudonyInität ist die fiktive Vorzeitlichkeit als Stilelement der Apokalyptik gegeben. Es muß dann erklärt werden, warum das Buch erst jetzt und nicht schon längst bekannt geworden ist. Das geschieht durch die Versiegelung bzw. den Befehl der Geheimhaltung des Buches bis auf das Ende der Tage (Dan. 12, 9; 4. Esr. 12, 35-38; 14, 7f. u. ö.). 2. Visions bericht. Der Apokalyptiker empfängt seine Offenbarungen meist in Visionen, während dem Propheten sie meist durch Auditionen zuteil wurden. Wie die Propheten auch Gesichte hatten, so haben die Apokalyptiker auch gelegentlich Auditionen, aber die Visionen überwiegen so stark, daß die Apokalypsen sich meist in der Form eines Visionsberichtes darstellen. Die apokalyptische Schau geschieht
1. Die Apokalyptik
409
in verschiedenen Weisen: Einmal durch den Traum (Dan. 7,1 ff., vgl. auch 2,1; 4,2; äth. Hen. 83f.; 85ff.; sI. Hen. 1, 3ff.; 4. Esr. 11,1; 12, 1; 13, 1.13 usw.); dann durch visionäre Ekstase. Die Visionen Dan. 10-12 will der Seher in wachem Zustand erlebt haben. Vgl. syr. Bar. 13, lf. und vor allem 22, 1: Und danach, siehe, taten sich die Himmel auf, und ich sah es ... , und eine Stimme ward aus den Höhen vernommen, und sie sagte zu mir ...
In der Joh.-Apk. gibt es keine Traumvisionen, sondern nur ekstatische Visionen (1,10; 4, 2; vgl. 17, 3; 21, 10). Bousset meint, die jüdische Apokalyptik habe sich "mehr und mehr von der Richtung des einfachen Traumgesichtes zur ekstatischen Vision bewegt" (Die Offenbarung Johannis, 1906, S.4). Schließlich geschieht die apokalyptische Schau durch visionäre Entrückung. Der Seher erlebt in seiner Ekstase Ortsveränderungen und wandert durch fremde geheimnisvolle Gegenden auf der Erde und im Himmel. Solche Entrückung findet sich erstmalig bei Ezechiel, der ja überhaupt sehr stark auf die Apokalyptik eingewirkt hat (Ez. 8, 3ff.). Der Prophet Habakuk (Drache zu Babel) und Baruch (syr. Bar. 6, 3ff.) werden entrückt. Entrückungen in den Himmel erleben Henoch (äth. Hen.70f.), Paulus (2. Kor. 12, 3) und der Apokalyptiker Johannes (4,1). Die Vorstellung von der Himmelsreise, ursprünglich nur Mittel zum Zweck, wird Thema einer eigenen Literatur, in der kosmologische, astrologische und überhaupt jenseitige Geheimnisse enthüllt werden (sI. Hen.). Das Geschaute selbst ist Bild: entweder Bild, das die Ereignisse selbst direkt darstellt, oder Bild, das die Ereignisse indirekt, in Form von Symbolen und Allegorien schildert. In dem letztgenannten Fall ist eine Deutung nötig. Diese wird durch einen Offenbarungsmittler gegeben. So deutet Daniel den Traum Nebukadnezars. Meist übernimmt ein Deuteengel, ein angelus interpres, diese Funktion; so Dan. 7, wo der Seher die Vision und ihre Deutung im Traum erlebt. Im äth. Hen. gibt es eine ganze Anzahl solcher angeli interpretes. Der Deuteengel spielt im 4. Esr. nur eine geringe Rolle und fehlt ganz im syr. Bar., wo der Seher direkt mit Gott verkehrt. Manchmal, wie in der Tiervision des äth. Hen., fehlt jede Deutung, sie bleibt dem Leser überlassen. Die Bilder der Visionen sind weitgehend traditionell; oft widersetzt sich ein übernommenes geprägtes Bild der restlosen allegorischen Ausdeutung. Manchmal fügt der Seher einem übernommenen Bild sekundär ein neues hinzu, das die Beziehung auf die aktuelle Situation herstellen soll. Nach Bousset ist die kleine allegorische Vision die Keimzelle der Apokalypsen; entweder wird in ihnen eine Menge von Einzelzügen zu einem allegorischen Bild verwoben oder eine Menge kleiner Einzelbilder aneinandergereiht. Im Hinblick auf den traditionellen Charakter der Bilder und der Art ihrer Komposition stellt sich die Frage nach der Erlebnisechtheit der apokalyptischen Visionen. Die Apokalyptik ist Buchweisheit, "Literatur", und zwar Sammelliteratur. Aber die Glut der Erwartung und die Stärke der Hoffnung sind echt. Es läßt sich auch nicht leugnen, daß die Apokalyptiker visionäre Erlebnisse hatten; eine andere Frage ist es, wieweit diese Erlebnisse sich literarisch niedergeschlagen haben. Auch mit Hilfe der Religions- und Typenpsychologie wird es schwerlich gelingen, echtes Erlebnis und literarische Arbeit in den Apokalypsen säuberlich zu scheiden.
410
Einleitung
Tatsächlich gibt es eine apokalyptische Kultur, die den Ekstatikern bis zu einem gewissen Grade feststehende Gesichte und Erlebnisse überliefert, - so sehr es als psychologische Merkwürdigkeit anmuten mag, daß einer nachfiebert, was ein anderer ihm vorgefiebert, und daß man unselbständig, anleiheweise und nach Schablone verzückt ist. Dennoch ist dies der Sachverhalt (Th. Mann, Doktor Faustus, S. 567). 3. Geschichtsüberblicke in Futur-Form. Mit der Fiktion der Vorzeitlichkeit hängt es zusammen, daß die Apokalyptiker häufig die Geschichte der Vergangenheit bis auf ihre Gegenwart in Form von Weissagungen darstellen. Immer folgt darauf eine Weissagung des Endes, auf der das Schwergewicht liegt. Denn die Gegenwart des wirklichen (nicht des fiktiven) Autors ist immer die letzte Zeit. Diese Naherwartung kann auch vom Standpunkt des fiktiven Verfassers aus formuliert werden: "In zwölf Teile ist die Weltgeschichte geteilt; gekommen ist sie bis zum zehnten, zur Hälfte des zehnten; überbleiben aber zwei nach der Hälfte des zehnten" (4. Esr. 14, 11f.). Die Darstellung bedient sich dabei natürlich nicht des Klartextes (der Namen von Personen, Ländern usw.), sondern der Verschlüsselung durch Bilder, Symbole und Allegorien, und meist schließt sich eine umfangreiche Deutung an. "Diese Methode ermöglicht oft die Datierung der Apokalypsen: wo die Darstellung an Genauigkeit verliert, da ist der Zeitpunkt der Niederschrift" (C. K. Barret, Die Umwelt des NT, 1959, S. 245). Man kann zwei Typen dieser Geschichtsdarstellungen unterscheiden: erstens diejenige, die die Weltgeschichte als ganze in den Blick nimmt, und zweitens diejenige, die bei einem bestimmten innergeschichtlichen Zeitpunkt, meist bei der Zeit des fiktiven Verfassers, einsetzt und von da das Bild bis zum Ende entwirft. Beide finden sich gelegentlich in derselben Apokalypse (Dan. und syr. Bar.). Zum ersten Typus gehören: das Bild von den vier Weltreichen (Dan. 2 u. 7), die in ihrer Vierzahl das Ganze der Weltgeschichte repräsentieren, die Wolkenvision (syr. Bar. 53-71), die die Weltgeschichte von Adam bis zum Erscheinen des Messias und seiner Herrschaft schildert, ferner die Tiervision und die Zehnwochenapokalypse des Henoch (äth. Hen. 85-90 u. 93; 91,12-17). Zum zweiten Typus gehören: die Visionen Dan. 8-12, die mit dem Pers erreich beginnen und von denen die letzte (10,11-11,45) in eine sehr genaue Schilderung des zeitgenössischen Geschehens als der eschatologischen Zeit mündet, ferner die sogenannte Zedernvision (syr. Bar. 35-40), die den Ablauf der Geschichte von der Gegenwart des biblischen Baruch, von der Exilierung Judas, durch die BabyIonier, in dem nun ganz anders verwendeten Schema der danielischen vier Reiche bis zum Ende skizziert, dann die Apokalypse Test. Levi 16-18 (Einsatz bei Aaron), die Adlervision 4. Esr. 11f., die mit dem danielischen vierten Reich beginnt und es ausdrücklich auf Rom umdeutet, Ass. Mos. 2-10 und Apk. Abr. 27-30. Gelegentlich werden diese Geschichtsabrisse periodisiert: die Weltgeschichte in vier Reiche bei Dan., in zehn Wochen bei Hen. (vgl. Sib. 4, 47ff.), in zwölf Teile im 4. Esr. und in derWolkenvision des syr. Bar.; die Geschichte Israels in sieben Jubiläen (Test. Levi 17); nicht klar durchgeführt ist die innerisraelitische Periodisierung nach siebzig Hirten (äth. Hen.89, 59ff.). Die Periodisierungen, so mannigfach sie sind und so spielerisch sie manchmal erscheinen mögen, verfolgen .denselben Zweck wie die Geschichtsüberblicke überhaupt, das Bewußtsein des nahen Endes auszudrücken und zu wecken. Die Apokalyptiker verwenden diese Geschichtsdarstellung in Futurform, um für ihre eigenen Zukunftsweissagungen Vertrauen zu erwecken: wenn der fiktive Autor die vom Standpunkt der Leser aus kontrollierbare Vergangenheit so präzise geweis-
1. Die Apokalyptik
411
sagt hat, dann wird auch die Zukunft so eintreffen, wie er sie prophezeit. Doch wird man nicht verkennen dürfen, daß hinter der pia fraus dieses Stilmittels die religiöse Vorstellung von der Determinierung des Weltenlaufs durch Gott steht. Diese Geschichtsdarstellung als vaticinium ex eventu hat in dem Segen Jakobs (1. Mos. 49) und Moses (5. Mos. 33) oder in den Bileamsprüchen (4. Mos. 23f.) nur sehr entfernte alttestamentliche Parallelen, die als Vorbilder kaum in Frage kommen. Man hat vermutet, daß die sibyllinische Orakelliteratur des hellenistischrömischen Zeitalters, die als Weissagung bis zur jeweiligen Gegenwart führt, als Modell für die apokalyptische Geschichtsdarstellung gedient hat. Auch für die apokalyptische Pseudonymität hat man ein sibyllinisches Vorbild angenommen; die uralte, durch die Zeiten wirkende Sibylle habe den Anstoß dazu gegeben, daß man in der Apokalyptik Gestalten der Heilsgeschichte zu den Gewährsmännern dieser Weissagungen machte (R. Meyer, Th Wtb VI, S. 828). 4. Formen und Formenmischung. Es gab, wie gesagt, in vorchristlicher Zeit offenbar keine gemeinsame Bezeichnung für die Literaturgattung der Apokalypsen. Im äth. Hen. begegnet mehrfach die Charakterisierung Bilderrede (1, 2; 37,5; 38,1; 45, 1; 58,1); sie steht gelegentlich in Parallele zu Gesicht (1,2; 37,1) und Segensrede (1, 1), Weisheitsreden und Heiligenreden (37,2). Der Ausdruck Bilderrede bezeichnet nicht immer den bildlichen oder allegorischen Charakter der Ausführungen (äth. Hen.1-6), aber der Visionsbericht wird meist in bildlicher Form gegeben. Nicht alle Apokalypsen sind Visionsberichte. Die Ass. Mos. z.B. gibt sich als Rede Moses kurz vor seinem Tod an Josua, um ihn zu seinem Nachfolger einzusetzen und über Israels künftiges Geschick zu belehren; diese Apokalypse hat die Form einer Abschiedsrede und zeigt alle Merkmale dieser Gattung. Der sI. Hen. ist ebenfalls eine Abschiedsrede, die Henoch am Tage seiner Entrückung an seine Söhne hält und in der er seine am selben Tage erlebte Reise ins Jenseits schildert; der sI. Hen. ist ein Visionsbericht in Form einer Abschiedsrede. Ähnliches ist in manchen Partien des äth. Hen. festzustellen, nur daß Henoch sich nicht ausdrücklich als Scheidenden kennzeichnet; aber da er auf oft lange zurückliegende Gesichte zurückgreift, ist wohl vorausgesetzt, daß er seine Offenbarungen kurz vor seiner Entrückung kundtut; er erzählt seinem Sohn Methusalah die beiden Traumgesichte vom kommenden Sintflutgericht (83f.) und vom Schicksal Israels (Tiervision 85 bis 90), ebenso gibt sich das paränetische Buch (91-105) als Rede Henochs an seine Söhne; das astronomische Buch (72-82) ist ebenso für Methusalah verfaßt (76, 14) wie die kleine Schlußmahnung (108). Man hat also auch hier eine Kombination von Visionsbericht und Abschiedsrede. Trotzdem ist nicht diese, sondern jener das eigentlich apokalyptische Genus. Man muß beide Gattungen genau unterscheiden, auch wenn sich in Abschiedsreden wie den Test. XII Patr. gelegentlich eschatologische Texte und sogar kleine Apokalypsen finden (Test. Levi 18; vg1. D. Rössler, a.a.O., S. 43). Sehr häufig legen die Apokalyptiker Gebete in ihre Bücher ein. Sie stehen nicht selten zwischen Vision und Deutung und steigern sich manchmal zu hymnischen Formen von großer Schönheit (vg1. Dan. 9, 4-19; äth. Hen. 84, 2-6; syr. Bar. 38; 48; 54 usw.). Vor allem ist 4. Esr. reich an Gebeten; der Seher exponiert vor den vier ersten Gesichten seine Fragen jeweils im Gebet (3, 4-36; 5, 23-39; 6, 38-59; 9, 29-37) und erhält Antworb in Vision und Deutung; sein Buch macht manchmal den Eindruck einer Gebetssammlung (8, 6-19. 20--36; 13, J 4-20; 14, 18-22).
412
Einleitung
Schließlich enthalten alle Apokalypsen auch Paränese, und zwar sowohl Mahnungen zu Buße und Umkehr im Hinblick auf das nahe Ende und Gericht als auch Paränese im formgeschichtlichen Sinn des Wortes, d. h. traditionelle ethische Mahnungen in Form von Sprüchen und Spruchreihen, die gelegentlich thematisch geordnet sind. Im äth. Hen. steht die Paränese am Anfang und Ende (2-5; 91-105; 108), im sI. Hen. bildet sie den letzten Teil des Buches (43-65 Riessler), in 4. Esr. und syr. Bar. ist die Paränese in die Weissagungen eingeschoben. Auch die Paränese wird gelegentlich in Form einer Abschiedsrede erteilt (äth. Hen. 91-105; sI. Hen. 43-65; syr. Bar. 44f.). c) VORSTELLUNGSWELT. Die Apokalypsen enthalten nicht nur Offenbarungen über die letzten Dinge (einschließlich Geschichtsabläufe), sondern auch über andere Geheimnisse, über das Jenseits, Himmel und Hölle und ihre Insassen, über Astronomie, Meteorologie und Geographie (so besonders äth. und sI. Hen.), aber auch über die Herkunft von Sünde und Übel in der Welt (4. Esr., syr. Bar.). Das Hauptinteresse liegt aber nicht auf kosmologischen oder Theodizeeproblemen, sondern auf der Eschatologie. Man kann deshalb die Apokalyptik als eine besondere Ausprägung der jüdischen Eschatologie bezeichnen, die neben der nationalen, von den Rabbinen vertretenen Eschatologie existierte. Sie ist mit dieser durch mancherlei Vorstellungen verbunden, aber durch ein grundsätzlich anderes Verständnis von Gott, Welt und Mensch getrennt. Die Vorstellungswelt der Apokalyptik ist sehr bunt und alles andere als einheitlich; im folgenden sollen nur ihre wichtigsten gemeinsamen Grundzüge charakterisiert werden. L Zwei-Äonen-Lehre. Der wesentlichste Grundzug der Apokalyptik ist ihr Dualismus, der in verschiedenen Ausprägungen ihre Vorstellungswelt beherrscht. Vor allem in der Lehre von den zwei Äonen, dem dualistischen Zeitschema zweier Weltzeiten (0 alw')! O{jTO~ und 0 alw')! IU3AAW')!) , das den gesamten Weltenlauf umfaßt. Dieser Äon wird endgültig abgelöst von dem kommenden Äon -, wobei die Vokabeln dieser und der kommende nicht einfach Zeitbestimmungen sind, sondern qualifizierende Bedeutung haben: Dieser Äon ist vorläufig und vergänglich, der kommende Äon unvergänglich und ewig. Diese Vorstellung wird erst in der späteren Apokalyptik begrifflich explizit (4. Esr., syr. Bar.), ist aber faktisch schon in den ältesten Apokalypsen vorhanden. Sie findet ihren symbolischen Ausdruck schon bei Daniel in dem Gegensatz zwischen den vier Reichen und dem Stein bzw. Menschensohn, der jene vernichtet und so das ewige Reich herbeiführt (Dan. 2 u. 7). Auch die nationale Eschatologie kennt die Zwei-Äonen-Lehre; aber hier ist bis in das 2. Jh. n. ehr. der kommende Olam die innerweltliche Fortsetzung dieses Olams in dem glanzvollen irdischen Messiasreich (vg1. Volz, Eschatologie, S. 64ff., 71 f., 166f.). Nach apokalyptischer Auffassung dagegen ist der neue Äon transzendenter Art; er bricht auf supranaturale Weise, durch göttliches Eingreifen und ohne menschliches Zutun, aus dem Jenseits herein und setzt dieser Weltzeit ein Ende. Besonders eindrucksvoll findet dieser Gedanke seinen Ausdruck in dem Bild vom Stein, der "ohne Zutun von Menschenhand von dem Berge losbrach, auf die eisernen und tönernen Füße des Bildes aufschlug und sie zermalmte", und in seiner Deutung: "Der Gott des Himmels wird ein Reich erstehen lassen, das ewig unzerstörbar bleibt, und die Herrschaft wird keinem andern Volke überlassen werden. Alle diese Reiche wird es zermalmen und vernichten, selbst aber in alle Ewigkeit bestehen" (Dan. 2, 34. 44; vg1. 7,11-14.18). Dieses Ende ist radikal, es ist Gericht, Vernichtung dieser Welt und gleichzeitig Erscheinung einer neuen, eines "neuen Himmels
1. Die Apokalyptik
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und einer neuen Erde" (äth. Hen. 45, H.; 91,16 u.ö.), einer "neuen Schöpfung" (äth. Hen. 72, 1; 4. Esr. 7, 75; syr. Bar. 32, 6 u. ö.). Der Dualismus der Zwei-ÄonenLehre kennt keine Kontinuität zwischen dieser und der kommenden Weltzeit: "Denn siehe, Tage kommen: da wird alles, was geworden ist, der Vernichtung hingegeben werden, und es wird werden, wie wenn es nicht gewesen wäre" (syr. Bar. 31,5). Zwischen beiden Äonen besteht ein qualitativer Unterschied; am schärfsten kommt er in Dan. 7 zum Ausdruck durch die Entgegensetzung der aus dem Chaosmeer aufsteigenden Bestien und des vom Himmel kommenden "Menschen" (vgl. auch 4. Esr. 7, 52-61). Dieser eschatologische Dualismus der zwei Äonen ist das wesentlichste inhaltliche Merkmal der Apokalyptik; er unterscheidet sie grundsätzlich auch von den Texten, die formal eine Ähnlichkeit mit apokalyptischen besitzen und deren Sprache und Bilderwelt bereichert haben (z. B. Ezechiel). Erst muß das Alte völlig verschwinden, bevor das Neue, das Heil als endgültiger Zustand sich etablieren kann. Dieser Dualismus ist kein absoluter, metaphysischer, sondern ein zeitlicher, und er ist dadurch von dem Dualismus der Gnosis unterschieden. Gott ist Schöpfer und Herr der beiden Äonen (s. u. Nr. 4). 2. Pessimismus und Jenseitshoffnung. Die Jenseitigkeit des kommenden Äons schließt eine radikale Abwertung dieses Äons, den sog. apokalyptischen Pessimismus in sich. Die wesenhafte Schlechtigkeit und Vergänglichkeit dieser Weltzeit wird mythologisch durch die Vorstellung von der Herrschaft Satans und böser Mächte über sie symbolisiert, dann aber auch durch den Gedanken ihrer zunehmenden physischen und moralischen Degeneration zum Ausdruck gebracht. Für den physischen Niedergang vgl. das Bild von den vier Metallen Dan. 2 oder die Aussage Esras: Denn die Welt hat ihre Jugend verloren, die Zeiten nähern sich dem Alter. (4. Esr. 14,10; vgl. 5,55; syr. Bar. 85, 10). Die moralische Degeneration stellt sich dem Apokalyptiker dar in einem Zerfall aller Sitte und der Zunahme der Gottlosigkeit, die in einer Zusammenballung der gottfeindlichen Mächte zur Bekämpfung der Gerechten und Gottes selbst in einem letzten Kampf gipfelt (Dan. 7, 19-25; äth. Hen. 93, 9; 4. Esr. 13 u. ö.). Die Apokalyptiker wenden der letzten bösen Zeit (den sog. Wehen des Messias) ihr besonderes Interesse zu, ist sie doch ihre Gegenwart und ihre unmittelbare Zukunft, und gestalten sie bunt aus. Das natürliche Altern der Welt und der sittliche und religiöse Niedergang der Menschheit münden in eine kosmische Katastrophe, in der dieser Äon untergeht, um dem neuen Platz zu machen: Dann wird sich die Welt zum Schweigen der Urzeit wandeln, sieben Tage lang, wie im Uranfang, so daß niemand überbleibt. Nach sieben Tagen aber wird der Äon, der jetzt schläft, erwachen und die Vergänglichkeit selber vergehen (4. Esr. 7,30f.). In diesem Pessimismus wird der Grundgedanke des apokalyptischen Dualismus besonders deutlich, er indiziert die radikale Diskontinuität zwischen diesem und dem kommenden Äon und damit die strenge J enseitigkeit des letzteren. Der Abwertung dieses Äons korrespondiert eine Steigerung der Jenseitssehnsucht und -spekulation. Die Apokalyptiker kompensieren ihr Leiden an dem Leid dieser Welt durch phantastische Ausmalungen des Jenseits, der Herrlichkeit der Seligen und der Qualen der Gottlosen. Der Intention nach spricht sich in dieser Phantastik
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das Wissen um die Jenseitigkeit der göttlichen Welt aus. Wie sie auf wunderbare Weise herbeigeführt wird - wobei Auferweckung und Gericht die Hauptakte bilden(4. Esr. 7, 32-38), so ist sie selbst wunderbar und göttlich. Auf die verschiedenen Bilder für den kommenden Äon (neue Schöpfung, neuer Himmel und neue Erde, himmlisches Jerusalem, Paradies) sei nur hingewiesen. Ihre Merkmale sind Unvergänglichkeit (4. Esr. 7,31) und Ewigkeit (Dan. 2, 44; äth. Hen. 91, 17; sI. Hen. 65, 7f.; syr. Bar. 44, 11f.). 3. Universalismus und Individualismus. Mit dem bisher Gesagten ist schon ein anderer Wesenszug der Apokalyptik deutlich geworden, ihr Universalismus. Ihr zeitlicher Horizont ist ungleich weiter als der der nationalen Eschatologie, er reicht von der Erschaffung bis zum Untergang der Welt, und der Raum des Geschehens ist nicht auf die Erde mit Palästina und Jerusalem als Mittelpunkt beschränkt, sondern umfaßt Erde, Himmel und Unterwelt (kosmologische Spekulationen; Vorstellung vom Gericht über die Engel). In diesem kosmisch-universalen Rahmen spielt das jüdische Volk nicht die zentrale und tragende Rolle wie in der nationalen Eschatologie, auch dann nicht, wenn in manchen Apokalypsen ein stark national-jüdischer Einschlag spürbar ist. Denn die Tendenz der apokalyptischen Betrachtungsweise ist unverkennbar universal: Daniel kann die ganze Weltgeschichte in einer Statue aus vier Metallen oder in vier Tieren symbolisieren, ohne Israel auch nur zu nennen; und dort, wo Israels Geschichte nacherzählt wird, geschieht das in einem möglichst universalen Rahmen, etwa durch einen zeitlichen Rückgang bis zurWeltschöpfung (Stiervision äth. Hen. 85-90; Zehnwochenapokalypse äth. Hen. 93; 91, 12-17; Wolkenvision syr. Bar. 53-71); ganz unverhüllt kommt die universale Tendenz bei der Schilderung der eschatologischen Ereignisse zur Geltung, denn diese - Auferweckung, Weltgericht, Weltuntergang - sind von kosmischem Ausmaß. Der Apokalyptiker sieht die Welt und die Menschheit als Einheit und Ganzheit und so als Gegenüber Gottes. Wie das Geschick der ganzen Menschheit in das apokalyptische Drama einbezogen ist, so steht der Mensch nicht mehr als Glied des jüdischen Heilsvolkes oder der Heidenvölker, sondern als Einzelner vor Gott. Daher der Gedanke der individuellen Auferstehung und des individuellen Gerichtes (Dan. 12, 1 ff. usw.). Daher die Forderung, in diesem Äon je als Einzelner das Gesetz zu halten und Gerechtigkeit zu üben (vg1. die Paränesen in den Apokalypsen); der Mensch muß als Einzelner seine Gerechtigkeit bewähren, um im Gericht zu bestehen. 4. Determinismus und Naherwartung. Neben dem Dualismus ist der Determinismus das hervorstechendste Merkmal der apokalyptischen Gedankenwelt. Gott hat alles vorherbestimmt ; alles, was geschieht, geschieht genau nach Gottes festgelegtem Plan, den menschliches Planen und Handeln weder fördern noch hindern können: Er sprach zu mir: Im Anfang der Welt, ehe des Himmels Pforten standen, ehe der Winde Stöße bliesen; ehe der Donner Schall ertönte, ehe der Blitze Leuchten strahlte; ehe die Grundlagen des Paradieses gelegt, ehe die Schönheit seiner Blumen zu schauen war; ehe die Mächte der Bewegung bestellt,
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ehe die zahllosen Heere der Engel versammelt; ehe die Höhen der Lüfte sich erhoben, ehe die Räume des Himmels Namen trugen; ehe Zions Schemel bestimmt war, ehe die Jahre der Gegenwart berechnet; ehe die Anschläge der Sünder verworfen, aber, die Schätze des Glaubens sammeln, versiegelt: damals habe ich dieses alles vorbedacht, und durch mich und niemand weiter ward es erschaffen; so auch das Ende durch mich und niemand weiter! (4. Esr. 6, 1-6). Gott hat die beiden Äonen geschaffen ("Der Höchste hat nicht einen Äon geschaffen, sondern zwei" 4. Esr. 7, 50; "Diese Welt hat der Höchste um vieler willen geschaffen, aber die zukünftige nur für wenige" 4. Esr. 8, 1). Und zwar hat er alles gleichzeitig geschaffen, a,uch die Eschata, den kommenden Äon, "der jetzt schläft" (4. Esr. 7, 31), die Heilspersonen und Heilsgüter des kommenden Äons; sie sind präexistent, der Seher kann sie in der oberen Welt oder aus ihr herabkommend sehen (Dan. 7, 13; äth. Hen. 39, 3ff.; 48,3.6; 49,2; 4. Esr. 13, 36). Allem hat Gott sein Maß gesetzt, alles läuft ohne Eingriff und Widerruf ab: Gott hat auf der Wage den Äon gewogen, er hat die Stunden mit dem Maß gemessen und nach der Zahl die Zeiten gezählt. Er stört sie nicht und weckt sie nicht auf, bis das angesagte Maß erfüllt ist (4. Esr. 4,36ff.). Da alles zeitlich genau determiniert ist, kann man das Ende dieses Äons berechnen. Entweder so, daß man seine ganze Dauer von der Weltschöpfung an ausrechnet (wobei man zu verschiedenen Ergebnissen kommt; vgL Volz, a.a.O., S.143f.), oder so, daß man von einem innergeschichtlichen Zeitpunkt an rechnet (wobei sich die Apokalyptiker von Daniel an in komplizierten und dunklen Zahlenspielereien ergehen; vgLVolz, a.a. 0., S.142f.), oder so, daß man die Zeichen der Zeit beobachtet. Aber immer sind diese Berechnungen von der Überzeugung bestimmt, das Ende stehe ganz nahe bevor. Dieselbe Überzeugung von der Determiniertheit alles Geschehens und von der Nähe des Endes steht auch hinter der Einteilung der Geschichte in Perioden (vgL o. S. 410). Vom nahen Ende her sieht der Apokalyptiker die Geschichte abgeschlossen, so wie Gott sie im Uranfang geschaut hat, als Einheit und Ganzheit, und zwar so sehr als Einheit und Ganzheit, daß alle Bewegungen der Geschichte nivelliert und uninteressant werden und die Periodisierung der Geschichte im freien Belieben des einzelnen Apokalyptikers steht. Ob er die Geschichte unter Verwendung der Vier-Zeitalter-Lehre Hesiods oder unter Benutzung der biblischen Berichte in den Blick nimmt, ob er Israel hervorhebt oder nicht, ob er sie in vier, sieben, zehn oder zwölf Perioden einteilt, ist belanglos. Es kommt weder auf die Geschichte selbst noch auf Gottes Wirken in ihr an - man weiß ja ohnehin, daß sie nach seinem vorzeitlichen Plan abrollt -, sondern einzig darauf, ihre Abgeschlossenheit und damit den eigenen geschichtlichen Standort als unmittelbar vor dem Ende befindlich nachzuweisen. "Im Grunde ging es der Apokalyptik ja doch nur um die letzte Generation Israels, die nach ihrer Überzeugung im Begriff war,
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in die Eschata einzutreten; deshalb ist es verhältnismäßig nebensächlich, ob die Geschichte des Gottesvolkes einmal ausführlicher, einmal knapper dargestellt wird" (G. v. Rad, Theologie des Alten Testaments II, 1960, S. 317). Die Naherwartung spricht sich in den verschiedensten Weisen aus. Nicht nur in den Geschichtsüberblicken und -periodisierungen, in der Reflexion über die Weltdauer, in der Beobachtung der Zeichen der Zeit und in den Berechnungen des Endes, sondern schon in der Existenz, bzw. der Publikation der Apokalypsen; denn diese Bücher von Gestalten der Vergangenheit sollten ja erst am Ende der Tage publik werden (Dan. 12, 4.9; äth. Hen.105, 1; 4. Esr.12, 37f.; 14, 7f. usw.). Aber all dies bedeutet nicht, daß die Naherwartung stimuliert werden sollte; sie ist durchaus eoht. Sie spricht sich in überzeugender Unmittelbarkeit in den sehnsüohtigen Fragen nach dem Ende aus, die alle Apokalypsen durchziehen (Dan. 8,13; 12, 5ff.; 4. Esr. 6,59; syr. Bar. 26; 81,3 usw.) und oft die Zeichen eschatologischer Ungeduld an sich tragen: Ich antwortete und sprach: Wie lange noch? Wann soll das geschehen? Unser Leben ist ja so kurz und so elend. Er aber antwortete und sprach: Du willst doch nicht mehr eilen als der Höchste? Denn du willst Eile um deiner selbst willen, der Höchste aber für viele (4. Esr. 4,33f.; vgl. äth. Hen. 97,3. 5; 104,3). In solcher Ungeduld spiegeln sich die Nöte der Gegenwart (Makkabäerzeit, Zerstörung Jerusalems usw.). Aber sie sind nur Anlaß, nicht Ursache der apokalyptischen Endzeitstimmung, sonst wäre diese mit jenen verschwunden; sie ist aber durchgängig (Dan. 2; 7; 11,21-12,4; äth. Hen. 93, 9f.; 4. Esr. 4, 48--50; 5,55). Denn die Jugend der Welt ist vergangen, und die Vollkraft der Schöpfung ist schon längst zu Ende gekommen, und das Herbeikommen der Zeiten ist beinahe (schon) da und (fast schon) vorübergegangen. Denn nahe ist der Krug dem Brunnen und das Schiff dem Hafen und die Karawane der Stadt und das Leben dem Abschluß (syr. Bar. 85, 10). Diese kosmologisohe Aussage macht deutlich, daß die überzeugung von der Nähe des Endes in tiefen Schichten des apokalyptischen Weltverständnisses verwurzelt ist. G. v. Rad stellt die Frage, "ob die Apokalyptik zu der Dimension der Gesohichte überhaupt noch einen existentiellen Bezug hat" und "ob diese Konzeption nicht das Signal eines großen Geschichtsverlustes ist, ob hinter dieser gnostisierenden Auffassung von den Abläufen, die man messen, ja die man errechnen kann, nicht ein im Grunde geschichtsloses Denken steht, weil es ja das Phänomen der Kontingenz eliminiert hat" (a.a.O., S. 317; 318f.). Seine Frage impliziert schon die Antwort. Auch er könnte wie R. Bultmann (Geschichte und Eschatologie, 1958, S.35) von einer "durch die Apokalyptik vollzogenen Entgeschichtlichung der Gesohichte" spreohen. Im Gegensatz dazu vertritt D. Rößler in seinem anspruohsvollen Büohlein (Gesetz und Gesohiohte) die kuriose These, das eigentliche Interesse der Apokalyptik liege auf der Geschichte, und zwar der Gesohiohte Israels. Er kann diese These aufstellen, da er die Esohatologie und Naherwartung der Apokalyptik großzügig ignoriert. Er ignoriert auch einiges andere; z. B., trotz gelegentlioher Erwähnung, Daniel und Noths Aufsatz über "Das Gesohichtsverständnis der alttestamentlichen Apokalyptik", den Dualismus und die Zwei-Äonen-Lehre, um nur das Wichtigste zu nennen. Infolgedessen verkennt er die Funktion, die die Gesohichtsüberblioke in der auf das Ende gerichteten Gedankenwelt der Apokalyptik haben, finden auoh seine riohtigen und manohmal interessanten Beobaohtungen nicht den ihnen zukommenden Ort im apokalyptisohen Koordinatensystem, und wird die
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ganze Darstellung so einseitig, daß sie nicht mehr zutrifft. Da ihm das Wesentliche der Apokalyptik abhanden gekommen, ist das Büchlein kaum ein weiterführender Beitrag zum Verständnis dieses religionsgeschichtlichen Phänomens. 5. Uneinheitlichkeit. Daß die Vorstellungswelt der Apokalyptik nur in ihrer Grundstruktur einheitlich, in ihren Äußerungen aber uneinheitlich und nicht harmonisierbar ist, braucht nach dem Gesagten nicht mehr betont zu werden. Anhangsweise sei nur auf die Verschiedenheiten in der Auffassung vom Heilbringer hingewiesen. Die Zentralfigur der nationalen Eschatologie, der davidische Messias, fehlt in manchen Apokalypsen völlig; hier ist es Gott oder sind es Gottes Engel, die Gericht und Heil herbeiführen und den alten durch den neuen Äon ersetzen (Dan. 2; 7; 12,1-4; Zehnwochenapokalypse äth. Hen. 93;91 Ass. Mos.). Da, wo das Weltgericht eine so große Rolle spielt, ist die Figur des nationalen irdischen Heilskönigs nicht am Platze. Sie wird denn auch gelegentlich durch die präexistente und transzendente Richter- und Rettergestalt des Menschensohns ersetzt (äth. Hen. 37-71; 4. Esr. 13), die manchmal Titel und Züge des davidischen Messias attrahiert, ohne daß man von einer Verschmelzung beider Gestalten sprechen dürfte. Freilich ließ sich die Erwartung des davidischen Messias nicht radikal ausschalten. So erscheint er in der Stiervision des äth. Hen. völlig unmotiviert und plötzlich und ohne etwas zu tun zu haben, nachdem das Weltgericht schon vollzogen und die neue Welt schon heraufgeführt ist (90, 37); in 4. Esr. 7 ist die nationale und transzendente Erwartung in der Weise kombiniert, daß am Ende dieses Äons ein 400 Jahre dauerndes messianisches Zwischenreich eingeschaltet wird, an dessen Ende der Messias und alle Menschen sterben, worauf dieser Äon in das Schweigen der Urzeit versinkt, das Weltgericht stattfindet und der neue Äon erscheint (7, 26-31). Weniger geglückte Kombinationen finden sich im syr. Bar. (zur Analyse vgl. Volz, a.a.O., S. 40f.). Test. Levi 18 wird die Gestalt eines priesterlichen Messias verheißen, die ihre Parallele in Qumrantexten hat, aber im Unterschied dazu transzendenter Art ist (1 QS IX, 11 ; 1 QSa II, 11-21; vgl. M. Burrows, Mehr Klarheit über die Schriftrollen, 1958, S. 257 ff.; A. Dupont-Sommer, Die essenischen Schriften vom Toten Meer, 1960, S. 104 A. 2; 119f.). Wieweit diese Uneinheitlichkeit in der Auffassung des Heilsbringers auf literarischer Komplikation oder auf der Verarbeitung heterogener Traditionen beruht, wäre je im einzelnen zu untersuchen. Dasselbe gilt auch für die Komplexität anderer apokalyptischer Themenkreise; der des Heilsbringers wurde wegen seiner Bedeutung für die christliche Apokalyptik kurz skizziert. d) HERKUNFT. Die Frage nach der Herkunft, d. h. nach der Entstehung der Apokalyptik und nach dem "Sitz im Leben" der Apokalypsen, ist noch ungelöst und kann hier nur kurz behandelt werden. Zweifellos hat das Einströmen fremder Vorstellungen, vor allem des kosmologischen Dualismus iranischer Herkunft (Zwei-Äonen-Lehre, Determinismus), eine wesentliche Rolle bei der Entstehung der jüdischen Apokalyptik gespielt. Aber damit ist das eigentliche Problem, inwiefern eine solche, den alttestamentlichen Grundüberzeugungen so entgegengesetzte Auffassung von Gott, Welt und Mensch in Israel aufgenommen werden konnte, nicht gelöst, sondern erst gestellt, zumal dieses Einströmen in der nachexilischen Zeit (der persischen und hellenistischen Periode) geschehen sein muß, als sich "Israel" als Theokratie konsolidierte und gegen alle fremden Einflüsse abzuschirmen suchte. O. Plöger (Theokratie und Eschatologie, 1959) ist dieser Frage nachgegangen mit dem Ergebnis, daß eschatologisch bewegte Kreise der nachexilischen Gemeinde (ca. 400-200 v.Ohr.), die in 27 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
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gewisser Opposition zur eschatologielosen Theokratie standen und von dieser immer mehr in die Rolle des Sektentums gedrängt wurden, die "weiche Stelle" waren, an der die fremden Gedanken Einlaß fanden. In diesen Kreisen, auf die er mit guten Gründen die "anonymen Zusätze" zu den Prophetenbüchern (z.B. Jes.24-27; Sach. 12-14 u.a.) zurückführt, sieht er die Anfänge der Apokalyptik beheimatet, die sich dann in den Nöten der Makkabäerzeit gewaltig entfaltete. Man hat - unter Anerkennung der fremden Einflüsse - in der Apokalyptik die Fortsetzung der Prophetie sehen wollen (so zuletzt H. H. Rowley, The Relevance of Apocalyptic, 21955). Hier ist zu fragen, ob sie das nach Meinung der Apokalyptiker und ob sie das tatsächlich war. Die erste Frage ist m. E. zu bejahen. Die "anonymen Zusätze" zu den Prophetenbüchern wollen zweifellos als weiterführende Interpretation verstanden sein -, wobei allerdings die Tatsache, daß diese Zusätze nicht als solche gekennzeichnet, sondern den Propheten im eigentlichen Sinn des Wortes "zugeschrieben" werden und damit die Anonymität an die Grenze der Pseudonymität rückt, ein Zeichen dafür ist, daß die betreffenden Verfasser sich nicht für Propheten hielten. Dasselbe zeigt sich bei der eigentlichen, der pseudonymen Apokalyptik. Wenn z. B. Daniel die in J er. 25, 11 ff.; 29, 10 erwähnten siebzig Jahre als siebzig Jahrwochen interpretiert (Dan. 9, 2. 20--27) und wenn der Engel zu Daniel sagt: "Siebzig Jahrwochen sind über dein Volk ... bestimmt ... , bis Gesicht und Prophet ... bestätigt werden", so wird das Selbstverständni.3 des Apokalyptikers deutlich: er ist nicht selbst Prophet, wohl aber authentischer Deuter der Prophetie und als solcher der legitime Nachfolger der Propheten. Daß solches Selbstverständnis nicht danielisches Sondergut ist, zeigt syr. Bar., in dem sich eine bewußte Reflexion über das Verhältnis zur Prophetie zeigt. Hier findet sich der bekannte Satz, der leicht als Eingeständnis des eigenen Epigonentums verstanden werden kann ("Jetzt aber ... haben sich die Propheten schlafen gelegt" 85, 3), der aber nur einen Teilaspekt bietet; den andern macht das Buch als Ganzes sichtbar. Baruch überbringt Jeremia den Befehl Gottes, Jerusalem zu verlassen (2, lf.; 5,5ff.), ebenso nach der Zerstörung, mit den Gefangenen nach Babel zu ziehen, während er selbst auf göttliches Geheiß in J erusalem bleibt: Sage Jeremia, daß er hingehe und für die Gefangenen des Volkes bis nach Babel hin sorge. Du aber verweile hier auf der Trümmerstätte von Zion, und ich tue dir kund nach diesen Tagen, was sich ereignen wird am Ende der Tage (syr. Bar. 1O,2f.). Baruch empfängt seine umfangreichen Gesichte, fungiert als Gottesbote an die .Ältesten (44--46) und das Volk (77), schreibt an die Exulanten, nicht nur wie Jeremia an die in Babel (Jer. 29), sondern auch an die assyrische Gola (78-86) und ist der überzeugung, mehr und Besseres zu wissen und zu sagen als die Propheten (10, 3; 85, H.). Das Selbstverständnis des Apokalyptikers wäre demnach so zu umschreiben: die Propheten sind verschwunden, die Apokalyptiker treten an ihre Stelle und setzen ihr Werk in anderer, aber besserer Weise fort. Die andere Frage, ob die Apokalyptik tatsächlich eine Fortführung der alttestamentlichen Prophetie ist, muß m. E. mit M. Buber (Kampf um Israel, 1933, S. 50-67) und G. von Rad (Theologie des AT II, 1960, S. 314-328) verneint werden. Der Dualismus, Determinismus und Pessimismus der Apokalyptik bilden die Kluft, die zwischen ihr und der Prophetie besteht. Der prophetische Endzeitglaube ist in allem wesentlichen autochthon, der apokalyptische ist in allem wesentlichen aus Elementen des iranischen Dualismus aufgebaut.
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Demgemäß verheißt jener eine Vollendung der Schöpfung, dieser ihre Aufhebung, ihre Ablösung durch eine andere, durchaus andersartige Welt; jener läßt die jetzt richtungslosen Mächte, das "Böse", die Richtung auf Gott finden und sich ins Gute einwandeln, dieser sieht am Ende der Tage Gut und Böse endgültig getrennt, das eine erlöst, das andre auf ewig unerlösbar ; jener glaubt an die Heiligung der Erde, dieser verzweifelt an der hoffnungslos verderbten; jener läßt den schöpferischen Urwillen Gottes sich ohne Rest erfüllen, dieser das ungetreue Geschöpf über den Schöpfer mächtig sein, indem es ihn zwingt, die Natur preiszugeben.... Die Apokalyptiker wollen ein unabänderlich feststehendes künftiges Ereignis voraussagen; auch damit wurzeln sie in iranischen Vorstellungen, die die Geschichte in gleichmäßige Jahrtausendzyklen einteilte und das WeItende, den Endsieg des Guten über das Böse, zahlengenau vorbestimmten. Anders die Propheten Israels: sie weissagten "auf die Umkehrenden hin", d.h. sie sagen nicht etwas an, was auf jeden Fall geschehen werde, sondern etwas, was geschehen werde, wenn die zur Umkehr Aufgerufenen nicht umkehren (M. Buber, a.a.O., S. 61-63).
Zu dem gleichen Ergebnis kommt v. Rad auf dem Hintergrund einer eindringenden Analyse der prophetischen überlieferung: er faßt die unüberbrückbaren Unterschiede in der prägnanten Formel von der "Unvereinbarkeit des Geschichtsverständnisses der Apokalyptik mit dem der Propheten" zusammen (a.a. 0., S.316). Die früheren Theorien über die geistige Heimat der Apokalyptik - die Apokalypsen seien "Volksbücher" (W. Bousset, E. Stauffer) oder die esoterische Literatur der Rabbinen (A. Schlatter, J. Jeremias) - werden heute kaum noch vertreten. Es läßt sich vielmehr die zunehmende Neigung beobachten, unter dem Eindruck der Funde vom Toten Meer einen "essenischen" Ursprung der Apokalyptik nachzuweisen. Unter den in Qumran entdeckten Texten befinden sich Fragmente des Buches Henoch, der Testamente der Zwölf Patriarchen (Levi u. Naphtali) und der Jubiläen. In Terminologie und Vorstellungswelt bestehen verwandtschaftliche Beziehungen, der eigentümlich gebrochene Dualismus, der die apokalyptische ZweiÄonen-Lehre kennzeichnet, charakterisiert auch die qumranische Lehre von den zwei Geistern; hier und dort ist eine kräftige Naherwartung des Endes lebendig. Freilich reicht das Material m. E. noch nicht zu überzeugenden Schlüssen aus. Daß das Henochbuch in Qumran gelesen wurde, beweist noch nicht, daß es auch dort entstanden ist. Die eschatologischen Texte der Qumrangemeinde unterscheiden sich formal und sachlich von den jüdischen Apokalypsen: die einschlägigen Passagen der Sektenregel, die Kriegsrolle, die Kommentare zu Habakuk und Nahum sowie die anderen Kommentarfragmente zu prophetischen Büchern sind keine Apokalypsen im formgeschichtlichen Sinne; vielleicht ist das anders bei der "Pseudodaniel-Apokalypse" aus Höhle IV (vgl. Dupont-Sommer, a.a.O., S. 346ff.). Sachliche Unterschiede zeigen sich einmal hinsichtlich des Heilspersonals - der Lehrer der Gerechtigkeit, der Prophet und die beiden Messiasse finden sich in dieser Kombination in keiner unserer Apokalypsen - und dann hinsichtlich der Art der Eschata - sie sind in den qumranischen Texten irdisch, in der Apokalyptik, gerade auch in den in Qumran bekannten Partien des Henochbuches, transzendent. So stellen sich der Annahme essenischen Ursprungs der Apokalyptik einige Bedenken entgegen. Mit Nachdruck hat v. Rad die Weisheit (Chokma) als "den eigentlichen Mutterboden" der Apokalyptik wahrscheinlich zu machen versucht (a.a.O., S.319ff.): Daniel, Henoch und Esra werden als "Weise" charakterisiert (Dan. 1, 3 ff.; 2, 48; äth. Hen. 32, 2-4; 4. Esr. 14, 50; Traumdeutung als Domäne des Weisen Dan. 2,30; 5, 11; 1. Mos. 41, 8. 39); die Gattung der Bilderreden sei eine "traditionell weisheit27*
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liche Lehrform" ; weisheitlich sei auch weitgehend der Stoff: die Wissenschaft vom Kosmos, die besonders äth. Hen. 8; 72-79 ausgebreitet wird, und von der Geschichte, d.h. genauer die Art "jener heilsgeschichtlich entleerten, die Ereignisse nur noch aufzählenden Darstellung", deren erstes Beispiel Sir. 44-50 ist. Man wird sich der Kraft der Argumente v. Rads schwerlich entziehen können; aber die Tatsache, daß dem Vorhandensein weisheitlicher Motive in den Apokalypsen kein Vorhandensein von Eschatologie und Naherwartung in der Weisheitsliteratur entspricht, bildet eine unüberwindliche Gegeninstanz gegen die These v. Rads. Die eschatologischen Vorstellungen und Erwartungen sind zweifellos primär und so fundamental, daß die weisheitlichen Elemente nicht als Basis, sondern als Einschlag zu werten sind. Aber daß Beziehungen zur "Weisheit" bestehen - vg1. auch äth. Hen. 42 1 ; 4. Esr. 5, 9f. -, ist unleugbar, und dies würde die auch von v. Rad hervorgehobene Verbindung der Apokalyptik mit der Gnosis verständlich machen. Mit aller gebotenen Zurückhaltung und gebührenden Revisionsbereitschaft wird man als Heimat der Apokalyptik jene eschatologisch bewegten und erregten Kreise annehmen dürfen, die von der Theokratie immer mehr in ein Konventikeldasein gedrängt wurden (Plöger), die durch eschatologische Naherwartung, dualistische Vorstellungen und Esoterik eine gewisse Verwandtschaft mit der Gemeinde von Qumran, durch Bildung, Wissensstoff und Formen eine gewisse Verwandtschaft mit den Kreisen der "Weisheit" besitzen. Die Entstehung und vor allem die Geschichte dieser Kreise sind noch ungeklärt. Die Apokalypsen stellen die Literatur dieser Konventikel dar; sie sind oft genug aus aktuellen Nöten und zur Stärkung der Gemeinschaft in diesen geschrieben worden (Dan., Ass. Mos., 4. Esr., syr. Bar.), nicht zur Belehrung einer interessierten Öffentlichkeit in Wissenschaft und Lebensklugheit wie Sap. Sa1. und Sir., auch wenn manche Apokalypsen eine "enzyklopädische Gelehrsamkeit" entfalten (große Partien des äth. Hen., gr. Bar., sI. Hen.); dieses Wissen ist Geheimwissen. Die Esoterik und die aktuelle Ausrichtung auf Stärkung und Tröstung der eigenen Gemeinschaft kennzeichnen diese Werke als Konventikelliteratur. e) WEITERWIRKEN IM CHRISTENTUM. Vorstellungswelt und Stimmung der jüdischen Apokalyptik waren weitgehend auch die des jungen Christentums, bes. des palästinischen und hellenistisch-judenchristlichen Teils. Es übernahm daher auch, wie schon gesagt, ihre literarischen Dokumente, die Apokalypsen, und christianisierte sie durch überarbeitung verschiedener Art und Stärke. Es übernahm aber auch die Literaturgattung und produzierte zahlreiche eigene Werke dieses Genres. Die in den Abschnitten XVI-XVIII dargebotenen christlichen Apokalypsen sind die ältesten und am meisten charakteristischen. Der Bestand ist aber viel größer. Einen Überblick über "Die spätere christliche Apokalyptik" gibt H. WeineI, EYXAPI~THPION 2. Teil, 1923, S. 141-173); zwei der von ihm besprochenen Apokalypsen, die des Paulus und die des Thomas, finden sich unten im XVIII. Abschnitt. Da über die andern im Rahmen dieses Buches nicht referiert werden kann, sei auf Weinels Aufsatz verwiesen. Die Zahl der christlichen, bzw. christlich-gnostischen Apokalypsen wird sich vielleicht durch die Funde von N ag Hamadi vermehren. Leider sind die Texte bis jetzt (Januar 1962) noch nicht zugänglich. Man ist einstweilen auf den dankens1 Doch ist dieses Kapitel möglicherweise interpoliert; vgl. E. Sjöberg, Der Menschensohn im Äthiopischen Henochbuch, 1946, S. 34f.
1. Die A polcalyptik
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werten und interessanten Bericht von Jean Doresse, Les Livres Secrets des Gnostiques d'Egypte, 1958, S. 169-280 angewiesen. Es gibt hier Schriften mit dem Titel Apokalypse des ... oder Offenbarung(en) des ... , aber ihr Inhalt scheint weitgehend kosmogonischer und soteriologischer, nicht jedoch eschatologisch-apokalyptischer Art zu sein. Andrerseits scheinen sich apokalyptische Inhalte in Schriften mit anderer Etikettierung (Evangelium; Brief) oder ohne eine solche zu finden (vgl. den Text Nr. 24 bei Doresse S. 204f.). Das "Heilige Buch des Großen Unsichtbaren Geistes" schließt mit der typisch apokalyptischen Geheimhaltungsklausel: Ce hvre, le Grand 8eth l'a ecrit dans des ecritures de cent trente annees: ill'a depose dans la montagne appeIee Charax, afin que, dans les derniers temps et les derniers instants, il soit manifeste (Doresse a. a. 0., 8. 197). Sein Titel am Schluß des Werkes heißt aber: "L'Evangile des Egyptiens, livre ecrit de Dieu, sacre et cache ... ". Es handelt sich um gnostische Offenbarungsschriften, die verschiedenen literarischen Gattungen angehören; die Gattungsbezeichnungen (Evangelimn, Apokalypse), die diese Schriften häufig in ihren Titeln führen, dürfen nicht im traditionellen Sinn als literarische Charakteristik verstanden werden; sie bedeuten offenbar soviel wie Enthüllung der bzw. Heilsbotschaft von der erlösenden Gnosis. Wieweit die "Apokalypsen" oder andere Texte von Nag Hamadi nach Form, Stil und Inhalt in der Tradition jüdischer und christlicher Apokalyptik stehen, läßt sich beim heutigen Stand ihrer Edition nicht sagen (vgl. auch H. Ch. Puech, Band I, S. 158-271). Wie die jüdische, so ist auch die christliche Apokalyptik pseudepigraph. Nur der Verf. der Joh.-Apk. schreibt unter eigenem Namen (ebenso Hermas, aber sein Buch ist keine echte Apokalypse). Alle andern sind unter die Autorität großer Namen gestellt: Jesu (z.B. die synoptische Apokalypse; das Testamentum Domini), verschiedener Apostel (Petrus, Paulus, Thomas, J ohannes, BartholomäuB, Philippus usw.), der Mutter Jesu, Maria; aber auch alttestamentliche Gestalten werden zu Gewährsmännern christlicher Apokalypsen (Abraham und Esra, Zephania und Elia). Visionen und Entrückungen sind die üblichen Offenbarungsmodi. Inhaltlich übernehmen diese christlichen Bücher im weitesten Umfang jüdisches Material - bestehe das nun in "Traditionen" (festen Vorstellungen, Bildern und Schemata) oder in schriftlichen Dokumenten. Aber durch ihre Ausrichtung auf die Parusie Christi findet eine Konzentration auf diese eine Gestalt statt, die eine starke Reduktion des jüdischen Materials und Apparats bedeutet. Vor allem verschwinden die Geschichtsüberblicke; sie wandern aus der Apokalyptik in die Apologetik (z. B. zu Lukas und Theophilos von Antiochien) und vertauschen ihre eschatologische mit der heilsgeschichtlichen Funktion. Andrerseits nimmt die christliche Apokalyptik viel nicht jüdischen, heidnischen und gnostischen Stoff auf, bes. Jenseitsvorstellungen (Asc. Jes.; Petrus-Apokalypse). Die Thematik der christlichen Apokalypsen grenzt sich je länger desto mehr ein. War zunächst die Naherwartung der Parusie das gestaltende Prinzip, so verlagert sich mit dem Ausbleiben der Wiederkunft Christi das Interesse auf den Antichristen und was mit ihm zusammenhängt und auf das Jenseits, den Himmel und seine Seligkeiten, die Hölle und ihre Qualen. Der Antichrist und das Jenseits - im NT nur Nebenmotive der Parusieerwartung - sind die beiden Hauptthemen, um die seit der Mitte des 2.Jh.s die christliche Apokalyptik kreist.
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Einleitung
2. DIE SIBYLLISTIK
Die Sibyllistik repräsentiert die Apokalyptik des hellenistischen Diasporajudentums (von dem nur eine eigentliche Apokalypse, das auf ein griechischea Original zurückgehende slawische Henochbuch bekannt ist). Es griff in der 2. Hälfte des 2.Jh.s v. Chr. die griechische Sibyllenliteratur als Mittel der literarischen Propaganda auf. Die griechischen Sibyllinen hatten damals schon längst ihre endgültige Form gefunden: Gesänge - in Hexametern -, die Weissagungen unheilvollen Inhalts enthielten und die auf die uralte, durch die Zeiten weissagende Sibylle zurückgeführt wurden; es handelte sich bei diesen Prophezeiungen um vaticinia ex eventu, um "eine Art griechischer Geschichte in Futurform" (J. Geffcken, Apokr. 2, S.400). Das Diasporajudentum eignete sich diese literarische Gattung in der Weise an, daß es in die heidnischen Texte Weissagungen auf Israel und Geschehnisse der jeweiligen jüngsten Vergangenheit und Gegenwart einschaltete, desgleichen Angriffe auf den Polytheismus und Werbungen für den Monotheismus, ferner eschatologische Verheißungen und Drohungen oder auch ganz neue Sibyllinen dieses Inhalts schuf. In verschiedener Hinsicht sind die jüdischen Sibyllinen den Apokalypsen verwandt, formal durch die Pseudonymität, d.h. durch die Rückführung der Aussagen auf eine uralte geheiligte Autorität und durch die Geschichtsdarstellung im Futur, inhaltlich durch das eschatologische Material. Auf die Vermutung, daß die beiden genannten Züge der Apokalyptik aus der Sibyllistik stammen, wurde schon hingewiesen. Ein grundsätzlicher Unterschied besteht aber in der Funktion der beiden Gattungen; während die Apokalypsen von Haus aus Konventikel-Literatur zur Stärkung der eigenen Gemeinschaft sind, sind die jüdischen Sibyllinen als missionarische Propagandaschriften entstanden, die sich von vornherein an Außenstehende wenden; ihr "Sitz im Leben" ist ursprünglich die Heidenmission des Diasporajudentums. In der zweiten Hälfte des 2.Jh.s n.Chr. übernahmen die Christen vom hellenistischen Diasporajudentum diese Literaturgattung, die in Form, Thematik und Stimmung sehr geeignet zum Kampf um die Selbstbehauptung nach außen schien, und verfuhren bei der Rezeption der jüdischen Sibyllinen ähnlich wie die Juden mit den heidnischen. Genaueres über Vorgeschichte und Ausbildung der christlichen Sibyllistik s. u. XVII 2. 3. DIE PROPHETIE
Die Prophetie der in Frage kommenden Zeit (ca. 200 v.-200 n. Chr.) ist nicht in gleicher Weise faßbar wie die Apokalyptik oder Sibyllistik, denn sie hat nicht wie diese oder die Schriftpropheten des AT literarische Dokumente hinterlassen. Und doch darf ihre Bedeutung im Judentum und erst recht im Urchristentum nicht unterschätzt werden. Nur ist man zu ihrer Kenntnis auf Berichte über sie, auf literarkritische und formgeschichtliche Analysen und auf spärliche Selbstzeugnisse angewiesen. a) DAS JUDENTUM der hellenistisch-römischen Zeit war keineswegs prophetenlos, wie eine verbreitete Theorie behauptet, sondern reich an prophetischen Gestalten (vgl. R.Meyer, ThWtbVI, S.813-828). Sie finden sich nach Josephus in fast allen Gruppen des jüdischen Volkes. Er berichtet besonders von den Essenern, sie hätten die Gabe des Sehertums besessen und gepflegt (Bell. 2, 159), und überliefert Namen
2. Die Sibyllistik. - 3. Die Prophetie
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essenischer Propheten und den Inhalt mancher ihrer Weissagungen; er erwähnt ferner prophetisch begabte Pharisäer am Hofe des Herodes (Ant. 17, 43ff.), erzählt von einem zelotischen "Pseudopropheten" aus den letzten Stunden des Tempels (Bell. 6, 283-286), von einer Massenekstase der Priester (ebd. 299) und von dem Bauern Jesus ben Chananja, der mit seiner unheimlichen Unheilsprophetie jahrelang Jerusalem beunruhigt hat (ebd.300-309). Rabbinische Quellen schreiben manchen Gelehrten neben anderen wunderbaren Fähigkeiten auch prophetische zu, und daß R. Akiba als Prophet des Messias Simon ben Koseba aufgetreten ist, ist bekannt. Trotz der Vielfalt der Erscheinungen und trotz der tendenziösen Darstellung des J osephus lassen sich einige Typen der Prophetie erkennen (die Schau in die Zukunft, die manche Rabbinen auf dem Sterbebett gehabt haben sollen, bleibt hier unberücksichtigt) : Einmal die pneumatische und aktualisierende Deutung prophetischer Schriften, wie sie von den Essenern geübt wurde (Jos. Bell. 2, 159; ein Beispiel ist der Habakuk"Kommentar" aus Qumran; besonders instruktiv für die geistgewirkte Erkenntnis dessen, was Gott durch den Propheten wirklich hat sagen wollen, ist 1 QpHab. 7, 1-5; ein ähnliches Phänomen Dan. 9,1-3.20-27). Daß solche Deutung nicht rein akademisch war und nicht auf die Essener beschränkt blieb, zeigt die Tatsache, daß im jüdischen Krieg "ein zweideutiges Orakel, das in den heiligen Schriften gefunden worden war" - man denkt gerne an Dan. 7, 13f. - und das "einem aus diesem Lande" die Weltherrschaft verhieß, öffentlich heftig umstritten wurde und die Geister sich an der Frage schieden, ob es für Israel Heil oder Unheil bedeute (Jos. Bell. 6, 312f.). Beide Male sieht man in der Erfüllung der Prophetie ein eschatologisches Ereignis. Daneben gibt es die verschiedenen Typen aktiver Prophetie, der Schau in die Zukunft. Man kann sie in Heils- und Unheilsprophetie einteilen, kommt aber damit ihrem Wesen nicht näher. Der Typus professioneller Prophetie, die man erlernen kann, ist neben dem erstgenannten bei den Essenern vertreten. Der Essener Judas, der dem Antigonos den Untergang weissagt, wird begleitet "von seinen Gefährten und Vertrauten, die sich bei ihm aufhielten, um zu lernen, die Zukunft vorherzusagen" (Jos. Ant. 13, 311). Solche Propheten sagen einzelnen Menschen, vor allem Herrschern, ihr Schicksal voraus (Menachem dem jungen Herodes, Ant. 15,373 ff.), gelegentlich in Form einer Traumdeutung (Ant.17, 345ff.). Ein besonderer Typus ist in den "messianischen Propheten" (R. Meyer), bzw. den prophetischen Messiasprätendenten zu sehen, die dem Volk ein Beglaubigungswunder und den Anbruch der nahen Heilszeit verheißen. Dazu gehören: Der Samaritaner, der seinen Anhängern die von Mose auf den Garizim verborgenen Tempelgeräte zu zeigen verspricht (Jos. Ant. 18, 85ff.), Theudas, der dem Volk die Wiederholung des Josuawunders, die Spaltung des Jordan, verheißt (Ant. 20, 97f.; Apg. 5, 36), die "Verführer", "Schwindler", die immer wieder das Volk in die Wüste führen (Bell. 2, 258ff., Ant. 20, 167f.) und der Prophet aus Ägypten, der die Wiederholung des Jerichowunders an Jerusalem in Aussicht stellt (Ant. 20, 169ff.; Apg. 21,38). Diese Propheten waren der Überzeugung, daß die eschatologische Heilszeit der Urzeit Israels entspreche (Wüsten- und Mose-Typologie), daß die Heilszeit bevorstehe und daß sie als zweiter Mose oder Josua zu ihrer Herbeiführung berufen seien. Diese Messiasprätendenten sind Exponenten der Naherwartung der nationalen Eschatologie.
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Schließlich ein Typus, der den alttestamentlichen Propheten am nächsten zu kommen scheint, Männer, die in eine bestimmte politische Situation hinein einen Gottesspruch bringen. Die eindrucksvollste Gestalt ist jener Jesus ben Chananja, der am Laubhüttenfest 62 n.Chr., vier Jahre vor Ausbruch des Krieges, in Jerusalem erschien und die im tiefsten Frieden ruhende Stadt durch seine Weherufe in Schrecken versetzte und, gleich unempfindlich gegen Mißhandlungen und Wohltaten, unentwegt sieben Jahre und fünf Monate seine Unheilsprophetie fortsetzte, bis er kurz vor Einnahme der Stadt fiel (Jos. Bell. 6, 300ff.). Möglicherweise war auch der Zelot, der wenige Stunden vor dem Tempelbrand 6000 Menschen in den Tod trieb, kein "Pseudoprophet", sondern ein von eschatologischer Naherwartung erfüllter Prophet, der die verzweifelte Menge durch ein Heilsorakel mit sich riß. Wie unentwirrbar religiöser Enthusiasmus und nationaler Fanatismus in der messianischen Hoffnung des Judentums, zumal in Krisenzeiten, verbunden waren, zeigt die Gestalt des R. Akiba, der sich religiös und politisch an dem Aufstand gegen Hadrian engagierte und unter Einsatz seiner ganzen Autorität Simon ben Koseba als Messias propagierte. Es gab gewiß noch mehr Typen von Prophetie, aber die Tendenz des Josephus, ein hellenisiertes Bild des Judentums zu geben und den jüdischen Messianismus möglichst zu verschweigen, macht es schwer, das Selbstverständnis der von ihm als Verführer, Schwindler und Banditen bezeichneten und gekennzeichneten Gestalten zu erkennen; mit Sympathie schildert er nur die essenischen und pharisäischen Wahrsager und die Unheilspropheten. Aus diesem Grunde sind wir auch über die Form prophetischer Rede wenig unterrichtet. J osephus gibt die Weissagung meist in indirekter Rede, nur zweimal, soviel ich sehe, in direkter Rede. Einmal das Orakel des Menachem an den jungen Herodes, das mit einem bekräftigenden Zeichen verbunden ist (Ant. 15, 374ff.). Er prophezeit den Aufstieg des Herodes zur Königsherrschaft, weist auf die Unbeständigkeit der Tyche hin, mahnt zu Gerechtigkeit, Frömmigkeit und Milde, sagt ihm seine Gottlosigkeit voraus und droht ihm mit Gottes Zorn. Im Hinblick auf die hellenistische Terminologie erscheint es wahrscheinlich, daß J osephus das Orakel nicht wörtlich zitiert, sondern selbständig formuliert hat. Dagegen dürfte er den Unheilsruf des Jesus ben Chananja in wörtlicher Übersetzung wiedergegeben haben: Eine Stimme von Sonnenaufgang, eine Stimme von Sonnenuntergang, eine Stimme aus den vier Windrichtungen: Wehe über J erusalem und den Tempel! Wehe über Bräutigam und Braut! Wehe über das ganze Volk! (Bell. 6, 301) Die rhythmisch gebundene Form der zwei Dreizeiler, der parallelismus membrorum und die Semitismen sprechen für Ursprünglichkeit (vgl. R. Meyer, Der Prophet aus Galiläa, 1940, S. 46f.). Ein Drohwort, ohne begründendes Scheltwort und ohne Bußruf, das in der zweiten Strophe die Unausweichlichkeit und Vollständigkeit der Vernichtung verkündigt und in der ersten Strophe mit unheimlicher Eindringlichkeit den göttlichen Ursprung des Orakels behauptet. - Die Weissagungen der Messiasprätendenten und des zelotischen Heilspropheten lassen sich nur ungefähr inhaltlich,
3. Die Prophetie
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nicht aber in ihrer formalen Struktur rekonstruieren. Die prophetische Propaganda Akibas für Simon arbeitete mit der aktualisierenden Deutung des "Sterns aus Jakob" (4. Mos. 24, 17) auf diesen Führer; noch wichtiger als diese Deutung einer traditionell messianisch verstandenen Weissagung auf eine Gestalt der Gegenwart ist der Ausspruch Akibas über Simon ben Koseba: "Das ist der König, der Messias!" (jTaan. 4,8 (68d, 50), zit. bei R. Meyer, ThWtb VI, S. 825 u. A. 306). Der Satz hat Struktur und Sinn einer Akklamation. Diese Bemerkungen mögen genügen, um zu zeigen, wie lebendig und vielgestaltig die Prophetie im Judentum dieser Zeit war. Diese Propheten glaubten sich von Gott beauftragt (auch die essenischen Wahrsager). Sie wurden in ihrer messianischen Hoffnung religiös und politisch aktiv, aber im Unterschied zu den Apokalyptikern nicht literarisch produktiv. Ihre Prophetie ist ganz von der nationalen Eschatologie bestimmt und ist neben der Apokalyptik die heute schwer faßbare, damals aber mindestens ebenso wirkungsmächtige Ausprägung der eschatologischen Erwartung des Judentums. Eine Sonderstellung nimmt Johannes der Täufer ein; er ist Prophet, lehnt aber die nationale Hoffnung des Judentums ab, er ist kein Apokalyptiker, obwohl er das Kommen einer überirdischen Gestalt und das nahe WeItende verkündigt; er verbindet radikale Eschatologie mit altprophetischer Bußpredigt und der sakramentalen Pönitenz der Taufe (vgl. RGG3, III, Sp. 804-808). b) DIE UROHRISTLICHEN PROPHETEN (vgl. RGG3, V, Sp. 633f. u. Fascher ebd. Sp. 634f.) sind ebenfalls Charismatiker, bilden aber im Unterschied zu den sporadisch auftretenden jüdischen Propheten einen an die Lokalgemeinde gebundenen "Stand", der an Autorität unter den Aposteln und über den Lehrern rangiert (1. Kor. 12, 28; Eph. 2, 20; 3,5; 4,11; Apk.18, 20; Apg.13, 1), und haben ihre Funktion vornehmlich im Gottesdienst (1. Kor. 11, 5; 14, 23f. 29ff. u. noch Did. 10, 7; 11, 9). Wanderpropheten gehören nicht mehr der neutestamentlichen Zeit an (Did. 11, 3; 13, 1; Lukas trägt dieses Phänomen in die Anfangszeit zurück, Apg. 11, 27f.; 21, 10). Die Bestimmung von Did. 13, 1, die Propheten dürften sich - im Unterschied zu den Aposteln Did. 11, 5 - für längere Zeit in einer Gemeinde niederlassen, ist wohl Reflex ihrer ursprünglichen Seßhaftigkeit. Überhaupt spiegeln die Rechte, die ihnen in Did. zugebilligt werden, ihre ursprüngliche Bedeutung in der Leitung der Gemeinden wider, von der auch Eph., der die Propheten für seinen Bereich als vergangene Größen kennzeichnet, Zeugnis ablegt (Eph. 2, 20; 3, 5; 4,11). Das urchristliche Prophetenturn hat eine territorial sehr verschiedene Geschichte gehabt. Paulus gibt ein relativ deutliches Bild der Funktion der Propheten in seinen Gemeinden. Prophetie ist da.s höchste Charisma. Die Propheten erhalten Kenntnis von "Geheimnissen" (1. Kor. 13,2) und teilen sie mit, sie haben die Aufgabe des Zuspruchs und Trostes, des Prüfens und "Überführens" (1. Kor. 14, 3. 24f.), unterstehen ihrerseits aber der Kontrolle (1. Kor. 14,29-33 vgl. Rm. 12, 6; anders Did. 11,7). Sehr wenig wissen wir aber vom Inhalt dieser Prophetie; man vermutet, daß ähnliche "Geheimnisse" dazu gehören, wie sie Paulus selbst geoffenbart wurden (Rm. 11, 25f.; 1. Kor. 15, 5lf.), oder andere eschatologische Aussagen (wie Gal. 5,21), aber auch gewisse Voraussagen irdischer Ereignisse (wie 1. Thess. 3, 4; vgl. Apg.ll, 27f.; 21, 10ff.); vor allem aber hat Käsemann wahrscheinlich gemacht, daß "Sätze heiligen Rechtes" auf die Propheten zurückgehen, Sätze, die das eschatologische ius talionis statuieren (1. Kor. 3,17; 14,38; 16,22); sollte diese
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Vermutung zutreffen - m. E. ist sie richtig -, dann würde verständlich, warum die Propheten eine den Aposteln ähnliche Autorität in den Gemeinden besaßen. Aus den synoptischen Evangelien kann man einige Aufschlüsse über die palästinisch-christliche Prophetie gewinnen. Zwar erwähnen diese Bücher - als Berichte über Jesus - naturgemäß nie christliche Propheten, aber ihre nachdrückliche Warnung vor falschen Propheten (Mk. 13, 22 Parr.) setzt die echten als bekannte und verbreitete Erscheinung voraus; daß Mk. 13, 22 nicht nur jüdische Messiasprätendenten (s.o.) gemeint sein können, geht aus 13, 6 hervor; die Polemik gegen christliche Pseudopropheten zeigt, daß im Entstehungsbereich unseres ältesten Evangeliums, also in Palästina-Syrien, das Problem der Unterscheidung von wahren und falschen Propheten aktuell war. Aber die formgeschichtliche Analyse der synoptischen Tradition läßt in älteren Schichten der überlieferung, und d. h. in früheren Zeiten und im palästinischen Raum, das Wirken christlicher Propheten erkennen. Sie zeigt, daß es zahlreiche "unechte" Herrenworte gibt, die nicht als Deformationen von echten oder als literarische Fälschungen oder aus der Diskussion mit den Juden, bzw. aus innergemeindlichen Kontroversen zu verstehen sind, sondern als Äußerungen von Männern, die "im Namen", d.h. im Auftrag und mit der Autorität des Erhöhten sprachen und deren Worte als Worte des Erhöhten gehört und respektiert und bei der Darstellung seines irdischen Lebens als Worte des Irdischen weitergegeben wurden. Diese Männer sind mit der Bezeichnung palästinisch-christliche Propheten gemeint. Zum Verständnis ihres prophetischen Selbstbewußtseins wäre der "Himmelsbrief" Apk. 2 u. 3 heranzuziehen oder auch das bekannte Wort Od. SaI. 42, 6: Und ich bin erstanden und bin bei ihnen und ich rede durch ihren Mund. Prophetensprüche, die Jesus in den Mund gelegt sind, finden sich vor allem in jener Gattung der Herrenworte, die Bultmann als "Prophetische und apokalyptische Worte" bezeichnet, aber auch unter den "Gesetzesworten und Gemeinderegeln" (vgI. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 31957, S.1l3ff., 138ff.). Die auf Propheten zurückgehenden Worte hier aufzuzählen, ist nicht möglich. Bei den Prophetensprüchen lassen sich verschiedene Formen feststellen; Bultmann unterscheidet im einzelnen Heilspredigt, Drohworte, Mahnrede, apokalyptische Weissagungen, und Käsemann weist auch hier "Sätze heiligen Rechtes" nach (z.B. Lk. 12, 8 Parr.). Diese Beobachtungen nötigen zu dem Schluß, daß das palästinische Christentum einen starken pneumatischen Einschlag hatte und daß die Propheten in der Leitung der palästinischen Gemeinde eine erhebliche Bedeutung gehabt haben müssen. Die christliche Prophetie Palästinas steht in schroffem Gegensatz zu der gleichzeitigen jüdischen; sie lehnt die nationale Eschatologie und Messianologie ab und huldigt, wie die Urgemeinde überhaupt, apokalyptischen Anschauungen. Hier findet sich erstmalig die Verbindung von Prophetie und Apokalyptik, eine Verbindung, die sich dann noch einmal und besonders eindrucksvoll in dem Verfasser der Johannes-Offenbarung darstellt (s. u. XVI, Einleitung). Aber die Propheten waren nicht hauptberuflich Apokalyptiker, sondern charismatische Leiter der Gemeinden, und der Seher J ohannes hat die Apk. nicht in seiner Eigenschaft als Prophet verfaßt - denn die andern von ihm erwähnten Propheten schreiben keine derartigen Bü-
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eher -, sondern auf den direkten Befehl des Erhöhten, und d. h. nun doch: mit echt prophetischem Selbstbewußtsein; daher schreibt er auch nicht pseudonym, sondern unter eigenem Namen. Später fallen Apokalyptik und Prophetie wieder auseinander; alle christlichen Apokalypsen sind pseudonym. Die Prophetie hat am Ende des l.Jh.s ihre ursprüngliche Bedeutung verloren; nur in Kleinasien scheint sie noch eine Rolle zu spielen, falls die Aussagen der Johannes-Apokalypse der historischen Realität entsprechen und nicht Postulate des Sehers sind. Lebendig war sie freilich geblieben, aber sie geriet immer mehr in das Zwielicht der Diskussion über wahre und falsche Propheten (Did. 11, 7 ff.; Herm. Mand. XI; Justin, Dial. 35, 3; 51,2; 69,1; 82, lf.). In der sich immer mehr auf das hierarchische Amt und die normative Tradition gründenden Kirche hatte sie bald keinen Raum mehr; sie stand als solche im Verdacht, gnostisch zu sein, und war um die Mitte des 2.Jh.s von der sich konsolidierenden Orthodoxie in die Häresie abgedrängt. Sie flammte gelegentlich am Rande der Kirche wieder auf, in Elchasai am Anfang und in Montanus am Ende des 2.Jh.s, und hat sich hier auch einen literarischen Niederschlag geschaffen - die einzigen literarischen Selbstzeugnisse, die wir von der urchristlichen Prophetie besitzen.
XVI. APOKALYPTIK DES URCHRISTENTUMS 1. EINLEITUNG
( P. Vielhauer) Im folgenden sollen die apokalyptischen Stoffe und Entwürfe in der urchristlichen Literatur vom NT bis zur Entstehung der ältesten apokryphen Apokalypsen dargestellt werden, um den Hintergrund dieser Literatur deutlich zu machen. Bei dieser Übersicht wird den Texten, die besondere Probleme bieten, ein größerer Raum gewidmet, so daß die Darstellung etwas ungleichmäßig in den Proportionen wird.
1. JESUS. In der Verkündigung J esu, soweit sie sich aus der synoptischen überlieferung noch kritisch zurückgewinnen läßt, sind es die Begriffe Reich Gottes und Menschensohn, die das stärkste Band zur Apokalyptik bilden. Die Echtheit der Menschensohnworte ist auch in der kritischen Forschung umstritten; m. E. überwiegen die Gegengründe (vgl. P. Vielhauer, Gottesreich und Menschensohn, Festschr. G. Dehn, 1957, S. 51-79; dagegen E. Schweizer, Der Menschensohn, ZNW 50, 1959, S. 185-209). Gottesherrschaft ist kein geläufiger apokalyptischer Begriff, entspricht aber in etwa dem kommenden Äon, der neuen Schöpfung, dem neuen Himmel und der neuen Erde und spricht aus, was diese Begriffe intendieren. Die Reichspredigt Jesu und sein Beruf setzen den apokalyptischen Dualismus insofern voraus, als Jesus das Kommen der Gottesherrschaft nicht als innerweltlichen Vorgang, sondern als göttliches Wunder versteht, das dieser Welt und Zeit ein radikales Ende setzt und die ewige Welt Gottes heraufführt. Doch sind die Unterschiede zur jüdischen Apokalyptik unverkennbar. Sie kommen schon in der Wahl des Zentralbegriffes Gottesherrschaft zum Ausdruck, mit dem Jesus die gängigen apokalyptischen Vorstellungen vom eschatologischen Heil durch den Gedanken ersetzt, daß Gott König ist und sich zum Herrn über alles macht. Die Strenge und Reinheit dieses Begriffes schließen alle Schilderungen des spectaculum mundi und der jenseitigen Herrlichkeit aus; nur das Bild vom Mahl als Bild der Gemeinschaft mit Gott bleibt erhalten. Auch die Naherwartung scheint Jesus mit der Apokalyptik zu verbinden. Aber neben den Aussagen über die Nähe der Gottesherrschaft stehen solche über ihr Gekommensein, und dieses eigentümliche Nebeneinander von Zukünftigkeit und Gegenwärtigkeit sprengt das Zeitschema der Zwei-Äonen-Lehre. Damit entfällt die Frage nach dem Zeitpunkt; denn der Sinn der Naherwartung besteht "in der Qualifizierung der menschlichen Situation angesichts des Kommens des Reiches. Man kann jetzt nicht mehr beobachtend nach dem Termin fragen, sondern sich nur noch augenblicklich auf das Reich einstellen, d.h. Buße tun" (Conzelmann, RGG3, II, Sp. 667). Daher fehlen in der Verkündigung Jesu Geschichtsüberblicke und Periodisierungen, Zahlenspekulationen und Zeichendeutung. Auch
1. Einleitur,g
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formal hat sie mit der Apokalyptik nichts zu tun. Schließlich ist die Autorität, mit der Jesus auftritt, weder die eines Apokalyptikers (einer fiktiven Gestalt der Vergangenheit) noch die einer apokalyptischen Figur (eines Engels oder des Menschensohns); sie ist höher, als daß sie sich mit Kategorien eschatologischer Erwartung angemessen wiedergeben ließe. Jesus erhebt den Anspruch, daß seine Verkündigung der Gottesherrschaft und seine Taten als Zeichen dieser Herrschaft der letzte Ruf Gottes sind, an dessen Annahme oder Ablehnung sich das ewige Heil oder Unheil entscheide. Insofern "impliziert" J esu Verkündigung eine Christologie, auch wenn er seine Person nicht zum Gegenstand des Glaubens gemacht hat (Bultmann). 2. APOKALYPTISCHE STOFFE IM NT. a) Ansatzpunkt. Die Urgemeinde konnte die Verkündigung Jesu nicht unverändert weitergeben, sondern mußte seinen Tod und seine Auferstehung in ihre Predigt miteinbeziehen. Sie verstand beides als eschatologische und soteriologische Ereignisse, die gemäß den Schriften geschehen sind (1. Kor. 15, 3ff.), d.h. als eschatologische Erfüllung der Weissagungen der Schrift. Während sie Jesu Tod zunächst kultisch-juridisch als Sühnopfer deutete (1. Kor. 15, 3; Rm. 3, 25; 4, 25 u. ö.), verstand sie seine Auferweckung als Erhöhung zu Gott, d.h. als Einsetzung in die Würde eines eschatologischen Heilbringers. An Stelle der Erwartung der Gottesherrschaft tritt nun die Erwartung der Parusie Christi. Und an dieser Stelle findet nun das folgenschwere Einströmen apokalyptischer Vorstellungen statt. Die Anschauung von dem jetzt bei Gott weilenden und am Ende der Tage als Richter und Retter vom Himmel kommenden Menschensohn war am besten geeignet, die himmlische Würde des Erhöhten mit dem eschatologischen Entscheidungscharakter der Person des Irdischen zu verbinden; die nationale Erwartung des davidischen Messias war auf Grund von Jesu Verkündigung und Schicksal hierfür unbrauchbar. Die apokalyptischen Menschensohn-Vorstellungen beherrschen und gestalten die urchristliche Parusieerwartung, auch da, wo der Titel Menschensohn durch andere Würdenamen ersetzt ist, z.B. durch Gottessohn (1. Thess. 1, 10), Kyrios (1. Thess. 4, 15ff.) oder Soter (Phil. 3, 20), die nicht aus der Apokalyptik stammen. b) Träger und Formen apokalyptischer Belehrung. Die älteste Form apokalyptischer Mitteilung ist der J esus-Spruch. Das zeigen nicht nur die zahlreichen "unechten" Jesusworte apokalyptischen Inhalts in der synoptischen Überlieferung, sondern auch das von Paulus 1. Thess. 4, 16f. zitierte "Herrenwort". Man könnte in dieser Tatsache eine Analogie zur Pseudonymität der Apokalypsen erblicken. Aber es handelt sich bei diesen Worten offenbar um .Äußerungen urchristlicher Propheten, die als .Äußerungen des Erhöhten verstanden wurden (s. o. S.426). Anders verhält es sich bei der Komposition solcher Sprüche und anderer Stoffe zu einer apokalyptischen "Rede" Jesu (zur synoptischen Apokalypse s. u. S.434ff.); hier liegt Pseudonymität vor. Die Belehrung über die Parusie Christi gehörte zu den Hauptstücken der Missionspredigt an die Heiden (1. Thess. 1, 9f.); Träger dieser Belehrung waren also die Apostel und Missionare. Sie waren aber offenbar nur Übermittler, ohne den Gedanken weiter auszugestalten. Paulus jedenfalls äußert sich hierüber in seinen echten Briefen sehr zurückhaltend, traditionsgebunden und nie thematisch; so ist die Darstellung der Parusie 1. Thess. 4, 15ff. ein Zitat, das im Zusammenhang einer tröstenden Belehrung über das Schicksal der verstorbenen Christen steht, und ähnlich steht die Parusieschilderung 1. Kor. 15, 20-28 in einer Belehrung über die leibliche Auferstehung. Soviel wir aus seinen Briefen sehen können, hat Paulus
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XVI. Apokalyptik des Urchristentums
apokalyptische Belehrungen größeren Umfangs nur über die Auferstehung und das Sein "mit Christus" (allerdings unter Zuhilfenahme gnostischer Motive) erteilt. Sein widerwillig berichtetes visionäres Erlebnis der Entrückung in das Paradies und in den dritten Himmel (2. Kor. 12,1-4) hat literarische Folgen gehabt (Paulusapokalypse). Erst in der nachapostolischen Generation werden "die Apostel des Herrn" zu Trägern und Garanten apokalyptischer Überlieferung (Jud. 17); und damit wird der fingierte apostolische Brief die Form ihrer Mitteilung (2. Thess.; 2. Petr.), eine Parallele zu den Apokalypsen unter apostolischen Namen. Auf dem weiten und keineswegs geradlinigen Weg von der einfachen Form des apokalyptischen Jesus-Spruchs bis zur ausgeformten Apokalypse läßt sich ein Wachsen der Thematik beobachten: zuerst die Parusie und die ihr folgenden Ereignisse (Auferstehung und Gericht), dann Einbeziehung der der Parusie unmittelbar vorangehenden Zeit (mit ihren "Zeichen", Abfall und Antichrist), schließlich ein apokalyptischer Gesamtentwurf, der die Zeit von der Gegenwart bis zum Ende umfaßt. Daß die Verwendung apokalyptischer Stoffe und Formen das Auf und Ab der urchristlichen Naherwartung besonders deutlich spiegelt, ist selbstverständlich. c) Parusie. Die apokalyptischen Jesus-Sprüche über den kommenden Menschensohn variieren in ihrer Tendenz: Sätze heiligen Rechts (Mk. 8, 38; Lk. 9, 26; 12, 8f.; Mt. 10, 32f.), Trost (Mt. 10, 23), Warnung (Mt. 24, 26f.; Lk. 17, 23f.) und Drohung (Mt. 24, 37ff.; Lk.17, 26f.). Dementsprechend variiert die Thematik: die Parusie geschieht plötzlich und unverkennbar, daher die Forderung der ständigen Bereitschaft (Mt. 24, 37ff. Par.) und Warnung vor Täuschung (Mt. 24, 26f. Par.); der Menschensohn ist der Retter seiner Gemeinde (Mt. 10, 23) und der Richter, der nach dem eschatologischen ius talionis richtet (Mk. 8, 38; Lk. 12, 8f. Parr.). Dagegen ist das Herrenwort 1. Thess. 4, 16f., dessen ursprünglicher Wortlaut nicht mit Sicherheit zu rekonstruieren ist (vgl. M. Dibelius, Handb. z. NT. z. St.), eine Miniaturapokalypse, die den Vorgang der Parusie selbst darstellt; sie schildert ihn in drei Akten, auf die dann die Auferstehung und die Entrückung der Gläubigen zur Einholung des Herrn folgen. Dieser literarisch älteste apokalyptische Text des NT zeigt, daß die Urgemeinde die Parusie schon sehr früh mit apokalyptischem Material ausmalte (Belege bei Dibelius z. St.). Die Verbindung der Parusie mit der Totenauferstehung ist naturgemäß sehr häufig -, das entspricht der jüdischen Eschatologie und den apokalyptischen Menschensohn-Anschauungen. Es ist begreiflich, daß der Vorgang der Parusie immer stärker mit apokalyptischen Farben und Requisiten ausgestattet, ja geradezu durch Übernahme jüdischer Texte geschildert wurde. So etwa Mk. 13, 24-27 Parr. (kosmische Katastrophen, Erscheinen des Menschensohns und Sammlung der Erwählten). Der Schilderung der Parusie Christi in dem deuteropaulinischen 2. Thess. (1,5-10) liegt, wie Dibelius wahrscheinlich gemacht hat, der jüdische Text einer Gerichtstheophanie zugrunde; er folgt in der Rekonstruktion von Dibelius: (Das ist) ein .Anzeichen des gerechten Gerichts Gottes: ... denn es ist rechtens bei Gott, euern Bedrängern Drangsal heimzuzahlen und euch Bedrängten Befreiung... (zu schenken), bei der Offenbarung des Herrn ... vom Himmel her mit den Engeln seiner Macht in loderndem Feuer, der Vergebung übt an allen, die Gott nicht kennen ... Sie werden als Strafe empfangen ewiges Verderben vom Angesicht des Herrn und von der Majestät seiner Stärke, wenn er kommt, verherrlicht zu werden unter seinen Heiligen und gefeiert zu werden unter allen Gläubigen ... an jenem Tag (2. Thess. 1,5-10; vgl. Dibelius, a. a. 0., S. 40-43).
1. Einleitung
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Dieser Text dürfte das erste Beispiel für die Literarisierung der urchristlichen Apokalyptik sein. d) Die Vorzeichen. Während die neutestamentlichen Autoren in der Schilderung der auf die Parusie folgenden Ereignisse von bemerkenswerter Zurückhaltung sind, haben sie der ihr voraufgehenden Zeit um so größere Aufmerksamkeit gewidmet. Als eschatologische Gemeinde verstand die Urchristenheit ihre Gegenwart und nächste Zukunft als Endzeit und die ihr widerfahrenden Schicksale als in notwendiger Verbindung mit dem gekommenen und wiederkommenden Christus stehend. Die mysterienhafte und gnostische Ausprägung dieses Selbstverständnisses kann hier, wo es nur um die apokalyptische geht, auf sich beruhen. Die schweren Erfahrungen der Gemeinde verbanden sich mit der der gesamten jüdischen Eschatologie gemeinsamen Vorstellung einer letzten bösen Zeit ("Wehen des Messias") vor dem Erscheinen des Heilbringers. Diese Verbindung, die einer weitgehenden Beibehaltung überkommener jüdischer Eschatologie gleichkam, lag an sich nahe und wurde dadurch noch gefördert, daß die Gemeinde gewisse Topoi der jüdischen Eschatologie in ihren Erfahrungen bestätigt fand (Verfolgung; Auftreten politischer und religiöser Verführer). So finden die Motive von Kriegen und Hungersnöten, vom Zerfall der Familien, von der Steigerung der Not zum übermaß und vom Erscheinen des letzten großen Widersachers Aufnahme in die apokalyptischen Vorstellungen der Urchristen. Ihren Niederschlag hat diese Verbindung traditioneller jüdischer Elemente mit aktuellen christlichen Erfahrungen in den "Herrenworten" Mk. 13, 5-23 Parr.; Mt. 10, 17-36 und - in mannigfachen Brechungen - in der Briefliteratur gefunden. Schon in der Verkündigung Jesu und der ältesten Gemeinde (Paulus) hatten "die Zeichen der Zeit" eine Rolle gespielt, allerdings mit dem Zweck der Erkenntnis der Zeit, nicht der Berechnung der Zeit, d. h. mit dem Zweck, die Gegenwart als Situation der Entscheidung angesichts des Endes klarzumachen, nicht, ein Bild der Zukunft zu entwerfen. Daher die Mahnung zur Wachsamkeit und ständigen Bereitschaft für die Gottesherrschaft bei Jesus und für die Parusie Christi bei Paulus (1. Thess. 5, 1ft". u.ö.). Die Systematisierung dieser Vorstellung zu einem apokalyptischen Zukunfts bild setzt voraus, daß man das Ende nicht mehr ganz unmittelbar bevorstehend glaubt, wenn auch eine relative Naherwartung noch vorhanden sein kann (zur synoptischen und Joh.-Apokalypse s.u. S. 434ft.; 437ft".). Wie ein solcher Entwurf, speziell die Verifizierung bestimmter Zeichen der Zeit, sich sogar gegen die Naherwartung wenden kann, zeigt die Apokalypse 2. Thess. 2,1-12, die wegen ihrer Bedeutung und Problematik hier etwas ausführlicher behandelt werden soll. Der Verfasser macht gegen die Meinung, der Tag des Herrn stehe unmittelbar bevor, den Einwand, zuerst müsse der große Abfall kommen und der Antichrist erscheinen, dann erst würde Christus wiederkommen; zwar sei "das Geheimnis der Gesetzlosigkeit" schon wirksam, aber die Parusie des Antichrists werde noch durch eine retardierende Größe aufgehalten (Ta xudxo'V V. 6, 0 xudxw'V V.7) und könne erst nach deren Beseitigung erfolgen. Alle Züge in diesem Bild sind traditionell, aber die Akzentuierung im Sinne einer Dämpfung der Naherwartung ist neu. Der retardierenden Größe kommt deshalb besonderes Interesse zu. Der große Abfall ist neben dem Ansturm der Feinde des Gottesvolkes ein fester Zug der jüdischen (nationalen und apokalyptischen) Eschatologie (Dan. 11, 31; Jubil. 23, 14--23; äth. Hen. 91, 7; Ass. Mos. 5; 4. Esr. 5, lf.; Damask.1, 20; 5,21; 8,19; 19,5.32; 1 QpHab. 2,1-6 usw.).
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XVI. Apokalyptik de8 Urchri8tentums
Der Antichrist stellt eine christliche Variante des endzeitlichen Gegenspielers Gottes in der Apokalyptik dar. Dieser Gegenspieler dürfte, wie Bousset, Gunkel und Dibelius gezeigt haben, mythologischen Ursprungs sein: ein mythisches Ungeheuer, Gottes Gegner bei der Schöpfung, das nach der altorientalischen Auffassung von der Wiederkehr der Urzeit in der Endzeit am Ende wieder erscheint, seinen Kampf gegen Gott neu aufnimmt, aber dann endgültig vernichtet wird; im Kampf der Urzeit wurde es nur besiegt und gebunden. Als Gegenspieler Gottes tritt es in der Endzeit als Satan oder Drache auf, aber auch in vermenschlichter Gestalt als Tyrann oder gottfeindlicher Prophet: die Erfahrungen mit heidnischen Herrschern, besonders in der Makkabäerzeit (Antiochos IV. Epiphanes), haben den mythischen Unhold vergeschichtlicht zum Repräsentanten oder Gesandten des Teufels. Die Figur erscheint nicht in allen jüdischen Apokalypsen. Ob sie zur Gestalt eines Antimessias ausgearbeitet wurde, ist strittig; diese Modifikation wird von einigen Forschern postuliert, ist aber nicht nachweisbar; es handelt sich immer um den Gegner Gottes, nicht des Messias oder des Menschensohns. Es ist daher möglich, daß der Antichrist nicht ein christianisierter jüdischer Antimessias, sondern eine christliche Modifikation des vermenschlichten Gegenspielers Gottes der jüdischen Apokalyptik ist. Die Bezeichnung "Antichrist" findet sich im NT nur 1. Joh. 2, 18.22; 4,3; 2. Joh. 7. Aber die Gestalt findet sich außer 2. Thess. 2, 1-12 auch Mk. 13, 14 Parr. und Apk. 13 u. 17, jeweils mit verschiedenen Zügen. 2. Thess. 2 kennzeichnet diesen "Widersacher" Gottes und aller Religion (V. 4a) als Werkzeug des Satans (V. 9a) und als Antityp Christi: er vollbringt Machttaten, Zeichen und Wunder, durch die er die Menschen gewinnt (V. 9b. lOa), er setzt sich in den Tempel und proklamiert sich selbst als Gott (V. 4 b). Das Motiv der Tempelschändung findet sich auch Mk. 13, 14 (auf Grund von Dan. 12, 11) und in spiritualisierter Form Apk. 13, 5f., das Motiv der Selbstvergottung Apk. 13, 4. 8. 12 (vgl. Ez. 28, 2); die Parallelisierung mit Christus wird Apk. 13, 3. 12 um den Zug tödlicher Verwundung und Genesung vom Tode bereichert. In allen drei Texten ist der Antichrist eine politische Gestalt, ein mächtiger Tyrann; seine äußere Gewalt und Verführungsrnacht, 2. Thess. 2 in derselben Gestalt vereinigt, sind in Apk. 13 auf den Antichristen und den falschen Propheten verteilt. Während der Antichrist 2. Thess. 2 eine individuelle Gestalt ist, repräsentiert er in Apk. 13 als römischer Kaiser zugleich das Imperium Romanum. Die Kollektivierung der ursprünglichen mythischen und historischen Figur zeigt sich auch in ihrer Deutung auf eine Vielzahl von Antichristen (1. Joh. 2, 18ff.), d.h. auf Irrlehrer. Der retardierende Faktor, einmal neutrisch Ta ua'l'ixo'll, einmal maskulinisch ua'l'ixw'lI bezeichnet, beide Male ohne Objekt, ist eine gegenwärtige Größe, die die Thessalonicher kennen:
o
Und was ihn jetzt noch bindet, auf daß er sich (erst) zu seiner Zeit offenbare, wißt ihr ja auch. Denn das Geheimnis der Sünde ist schon am Werke, nur (währt es noch eine Weile), bis der beseitigt ist, der es zur Zeit noch bindet, und dann wird sich der Frevler offenbaren (2. Thess. 2, 6ff. Übers. von Dibelius; zur Beziehung des pVP s. M. Dibelius, Hdb. z. NT und B. Rigaux, Les Epitres aux Thess., Etudes Bibliques, 1956, z. St.).
Die Identifikation des Katechon ist unsicher. Die sehr lange vorherrschende, auf die Apologeten und ihre Reichsideologie zurückgehende politische Deutung des uadxo'll auf das Imperium Romanum und des uadxw'll auf den römischen Kaiser findet heute kaum noch Vertreter; sie ist weder von jüdischen Voraussetzungen aus
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wahrscheinlich, da für die apokalyptisch und national gesinnten Juden der römische Staat und Kaiser der Inbegriff der Gottesfeindschaft sind, noch von christlichen Voraussetzungen aus, da die Christen des ersten Jahrhunderts trotz Rm 13 keine Staatsmetaphysik kannten, da der Antichrist nach Apk.13 sich im römischen Kaiser verkörpert und auch 2. Thess. 2, 4 politische Züge trägt. Heute am weitesten verbreitet ist die heilsgeschichtliche Deutung, die O. Cullmann in ingeniöser Weise vorgetragen hat (Rev. d'hist. et de phiI. reI. 16, 1936, 210-245) und die vor allem von J. Munck vertreten wird (Paulus und die Heilsgeschichte, 1954, 28-34): 1:d uadxoy ist das Evangelium, das "zuerst allen Heiden verkündigt werden muß" (Mk. 13, 10), bevor das Ende kommt, und <5 uadxwy ist der Heidenapostel Paulus, dessen Tod den Auftakt zum Erscheinen des Antichrists gibt. Aber Riga ux hat unter Voraussetzung der Echtheit des 2. Thess. gegen diese Deutung schwerwiegende Bedenken erhoben (a.a.O., S.274-280): Entweder hat Paulus sich während seines Aufenthalts bei den Thessalonichern nicht darauf beschränkt zu lehren, dem Tag des Herrn müßten zwei Zeichen vorhergehen, sondern er hat hinzugefügt, die Offenbarung des Antichrists werde durch die apostolische Verkündigung und seine eigene Tätigkeit verzögert. In diesem ersten Fall kann man nicht mehr verstehen, daß die Thessalonicher wenige Monate nach der Abreise des Paulus glauben konnten, das Evangelium sei bis zu den Enden der Erde vorgedrungen, oder daß sie vergessen hatten, daß die Parusie nicht kommen könnte, solange Paulus predigte. Oder er hat in Thessalonike nur vom Abfall und vom Menschen der Sünde gesprochen und fügt nun brieflich hinzu, daß dies Kommen des Frevlers durch die christliche Verkündigung und seine eigene verzögert wird. In diesem zweiten Fall hätten die Thessalonicher einen Exegeten nötig gehabt, um unter den Sätzen des Paulus eine Vorhersage bezüglich der christlichen Verkündigung und der Tätigkeit des Paulus selbst zu entdecken. Schließlich darf man gegen diejenigen, die Paulus mit dem ua7:ixwv identifizieren und seinen Tod zur Bedingung des Ausbruchs des eschatologischen Kampfes machen, hervorheben, daß in diesem Falle ein flagranter Widerspruch zwischen unserer Perikope und 1. Thess. 4,13-18 bestünde, wo Paulus die Hoffnung ausspricht, die Parusie zu erleben (S. 276f.).
Erst recht ist unter Voraussetzung der Unechtheit des 2. Thess. diese Deutung des Katechon nicht möglich: nach dem Tode des Paulus ist der Antichrist ja nicht gekommen, und der Verfasser glaubt sein Erscheinen noch in weiter Ferne. - Die mythologische Deutung des Katechon sieht in ihm eine göttliche oder himmlische Macht, die den mythischen Unhold bis zu der von Gott bestimmten Stunde gebundenhält.Wie in einem ägyptischen Gebet Horus <5 uadxwy 0l2auoY1:a und in einem Zauberpapyrus Michael cl uadxwy, 8y ua').üfOV<1lY 0l2auona heißen, so ist es Apk. 20, 1-10 ein Engel, der den Teufel gefangenhält. In Analogie dazu läßt 2. Thess. 2, 6f. den Antichristen, den vermenschlichten Teufel, "gebunden" sein. Schwierig ist bei diesem Verständnis die Aussage, daß die "bindende" himmlische Macht "beseitigt" wird. Es bleibt auch dunkel, wen der Verfasser unter ihr versteht. Bei Annahme der Echtheit des Briefes sieht man in 2, 6f. eine neue Belehrung, daß nämlich noch ein Hindernis für das Kommen des Antichrists besteht, aber nicht darüber, worin es besteht. Bei Annahme der Unechtheit wird man darüber hinaus noch sagen müssen, daß dieser Wechsel im Genus eine beabsichtigte Verhüllung, also ein apokalyptisches Stilmittel ist. Die Datierung der kleinen Apokalypse ist unsicher. Die Tendenz, die Naherwartung zu dämpfen, rückt sie in nachpaulinische Zeit. Weitere Indizien sind nicht eindeutig: das Motiv der Tempelschändung beweist nicht die Entstehung vor 28 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
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XVI. Apokalyptik du Urehri8tentumIJ
70 n.Chr., da sie auch nach der Zerstörung des Tempels ein häufiger Zug in den Apokalypsen ist (vgl. Dibelius, a.a.O. S. 45f.); die Selbstapotheose weist nicht unbedingt in die flavische Zeit - erst unter den Flaviern wurde die göttliche Verehrung des lebenden Kaisers Usus -, da dieser Zug Reflex des hellenistischen Herrscherkultes oder Reminiszenz an Ez. 28 sein kann und offensichtlich noch nicht aktuell ist. Der Brief gehört in eine Zeit, in der die Parusieverzögerung zum Problem geworden war, und wendet sicb gegen Enthusiasten, die unter Berufung auf Paulus die Naherwartung künstlich wiederbeleben wollten. e) Dogmatisierung apokalyptischer Vorstellungen. Der Verfasser des 2. Petr., der spätesten neutestamentlichen Schrift aus der Mitte des 2.Jh.s, dagegen bekämpft Gnostiker, die über die Parusieverzögerung spotten und mit ihren Argumenten Eindruck auf Teile der Gemeinde machen. Er charakterisiert sie als von den alttestamentlichen Propheten und neutestamentlichen Aposteln geweissagte Erscheinungen der Endzeit. In den letzten Tagen werden Spötter mit Spottreden auftreten, die naoh ihren eigenen Lüsten wandeln und sagen: Wo bleibt die Verheißung seiner Parusie? Denn seit die Väter entsohlafen sind, geht alles so wie von Anfang der Welt weiter (3, 3f.).
Der Verfasser verficht die traditionelle apokalyptische Eschatologie des Urchristentums, wobei er besonderes Gewicht auf den plötzlichen und spektakulären Weltuntergang legt (3, 10); als Ziel zeichnet er "den siegreichen Einmarsch der Gläubigen in das ewige Reich und die Vernichtung der Gottlosen" (Käsemann, Eine Apologie der urchristlichen Eschatologie, in Exegetische Versuche und Besinnungen, I, 1960, S. 157; vg1.1, 11; 2,9; 3,7). Er argumentiert für die Naherwartung: 1) Zeitbegriffe seien in bezug auf das Handeln Gottes unzulänglich (3, 8), 2) handele es sich nicht um Verzögerung, sondern um Langmut (3, 9), und 3) könnten und sollten die Gläubigen durch einen heiligen Wandel das Kommen der Parusie beschleunigen (3, Hf.). Die apokalyptische Eschatologie wird als locus de novissimis festgehalten und die Naherwartung künstlich als Dogma rezitiert, ohne daß beides noch einen lebendigen Bezug zur christlichen Existenz hätte; es gehört einfach zum überlieferten Zukunftsbild und wird als solches dogmatisiert. (Zum 2. Petr. vgl. vor allem E. Käsemann, a.a.O. S.135-157). 3. DIE SYNOPTISCHE ApOKALYPSE. a) Die synoptische Apokalypse Mk. 13 bringt einen ausführlichen Abriß der Endereignisse. Markus stellt diese Apokalypse formal als esoterische Rede Jesu an die vier Vertrauten dar, die auf seine Weissagung von der Zerstörung des Tempels (V. 2) hin die Frage gestellt hatten: "Wann wird dies sein1 Und welches ist das Zeichen, wann sich dies alles vollenden wird1" (V. 4). In seiner Antwort entwirft Jesus zunächst ein Zukunftsbild: Auftreten vieler Verführer, die sich für Christus ausgeben, Kriege, Erdbeben und Hungersnöte (V. 6-8); Bedrängung der Jünger, Verfolgung durch jüdische und heidnische Gerichte, Spaltungen in den Familien, Haß um Jesu willen (V. 9-13); dann die letzte große Drangsal: Schändung des Tempels, Flucht in die Berge (V. 14-20) und Auftreten falscher Propheten und Messiasse (V. 21-23); schließlich das Ende: Erscheinen des Menschensohns unter kosmischen Katastrophen, SamIulung der Erwählten (V. 24-27). Dann beendet Jesus seine Antwort mit einer ausführlichen Paränese zur Beobachtung der Zeichen und zur ständigen Bereitschaft, da der Termin des Endes unbekannt. aber nahe sei (V. 28-37). Diese "Rede" ist, wie die kritische Analyse gezeigt hat, eine Komposition aus
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größeren und kleineren Einzelstücken verschiedener Herkunft und oft divergierender Tendenz, die der Evangelist mit eigenen Zutaten versehen und zu einem Ganzen gestaltet hat. Neben Stücken, die die Situation der christlichen Gemeinde widerspiegeln (V. 5f. 9. 11. 13. 21-23), stehen solche jüdisch-apokalyptischer Art, die nichts Christliches aufweisen (V. 7f. 12. 14-20. 24-27); auf den Evangelisten dürften V.I0 (vielleicht auch V. 6) und manche Zeitnotizen zurückgehen. Umstritten ist vor allem die Frage, ob er die ganze Rede aus Einzelsprüchen zusammengefügt hat oder ob ihm in V. 7f.12. 14-20.24-27 eine zusammenhängende jüdische Apokalypse bzw. zusammenhängende Teile einer solchen vorgelegen haben. G. Hölscher (Theol. Blätter, 12, 1933, S. 193ff.) hält die genannten Verse für ein apokalyptisches Flugblatt aus dem Jahre 40 n. Chr., als Caligula die Aufstellung seiner Statue im Jerusalemer Tempel forderte; dagegen wendet W. G. Kümmel ein, diese "Apokalypse" sei zu kurz und farblos (Verheißung und Erfüllung, 21953, S. 88ff.). Doch sind jedenfalls die beiden Stücke V. 14-20. 24-27 in sich und untereinander so kohärent, daß man in ihnen eine literarische Vorlage zu sehen haben wird. Die kritischen Korrekturen, die Markus in V.5-13 anbringt (s. u.), lassen darauf schließen, daß er auch hier nicht gesammeltes Gut ganz selbständig komponiert, sondern daß ihm in diesem Komplex ein, wenn auch nicht literarischer, so doch schon festgewordener Traditionszusammenhang vorgegeben war. Man wird also folgern dürfen, daß schon vor Markus eine christliche Apokalypse existierte, die aus den genannten jüdischen Fragmenten und christlichen Elementen zusammengefügt war, und d.h. eine Apokalypse, die nicht nur die Parusie und die ihr unmittelbar vorangehenden Ereignisse, sondern auch die noch früheren, bis in die Gegenwart des Evangelisten und seiner Gemeinde reichenden Geschehnisse umfaßte; freilich wird sich ihr Umfang nicht mit Sicherheit aus Mk. 13 rekonstruieren lassen. Wichtig ist, daß der heutige Text eine zeitliche Gliederung und sachliche Akzentuierung aufweist. Daß die Zeitnotizen nicht alle gleichwertig sind und nur z. T. der Chronologie dienen, ist weitgehend anerkannt. Im einzelnen gehen die Ansichten weit auseinander, besonders in der Frage, wo die eigentlichen Endereignisse nach Meinung des Markus beginnen, ob V. 14 oder V. 24. Für das erste spricht die begründete Annahme, daß V. 14-20. 24-27 ursprünglich einen zusammengehörenden Text gebildet haben; E. Lohmeyer (Kommentar z. St.) und W. Mausen (Der Evangelist Markus, 1956, S. 112ff.) lassen denn auch mit V. 14 die eigentlichen Endereignisse beginnen. Dagegen betont H. Conzelmann (Geschichte und Eschaton nach Mk. 13, ZNW 50, 1959, S. 210ff.) mit guten Gründen, daß Markus zwei entscheidende Einschnitte mache, einmal in V. 14, wo er mit der Schilderung der letzten Epoche der Geschichte einsetzte, und dann in V. 24, wo er ("nach jener Trübsal" !) mit der Darstellung des eigentlichen Eschaton, der nicht mehr geschichtlichen, sondern supranaturalen Parusie beginne. Conzelmann konstatiert, daß Markus an Stelle der gleitenden Übergänge in die Zukunft, wie sie aus der Apokalyptik bekannt seien, eine prinzipielle Unterscheidung zwischen Geschichtlichem und Supranaturalem setze: "Das eigentliche Novum der marcinischen Darstellung liegt ... darin, daß hier (soviel wir sehen können, zum erstenmal) die künftigen (!) Vorgänge bewußt in zwei zwar aufeinander bezogene, aber doch grundsätzlich zu unterscheidende Gruppen zerlegt werden: es heben sich voneinander ab die letzte Epoche der Weltgeschichte, nämlich die große Drangsal, welche bei aller Steigerung ... doch grundsätzlich im Rahmen des bisherigen Geschichtsablaufes bleibt, und die abschließende kosmische Katastrophe, welche sich in supranaturalen Formen abspielt; 28*
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diese ist das wahre Zeichen der Parusie, aber so, daß Zeichen und Anbruch zusammenfallen" (S. 215). Ist dies richtig, so wird man die beiden vorhergehenden Abschnitte entsprechend verstehen: V. 5-8 nicht so sehr als erste Phase denn als "summarischen überblick", der die grundsätzliche Situation der Welt charakterisiert, V. 9-13 als Kennzeichnung der gegenwärtigen Situation der Kirche in dieser Welt. Die Notizen "aber das ist noch nicht das Ende" (V. 7) und "das ist der Anfang der Wehen" (V. 8) dürften Bemerkungen des Markus sein, die nicht der zeitlichen Gliederung der Zukunft, sondern als kritische Abwehr gängiger Deutungen von Zeitereignissen als Endereignissen dienen: solche Geschehnisse sind "noch nicht das Ende", sondern erst "der Anfang der Wehen". In dieser Antithese zu traditionell apokalyptischen und weitgehend auch urchristlichen Anschauungen macht sich die Reflexion auf die Parusieverzögerung bemerkbar. Erst recht gilt dies von dem markinischen V. 10, der zwischen Gegenwart und Parusie die Zeit der christlichen Weltmission als gottgewollte Epoche (c5.si) einschiebt. Trotzdem will Markus nicht wie der Verfasser von 2. Thess. 2 die Naherwartung dämpfen, sondern gerade erhalten (V. 30). Er versucht "den Ausgleich zwischen den beiden Motiven, welche zum festen Bestand der Eschatologie gehören: der Beobachtung von Zeichen, in denen sich das Kommende ankündigt, und der Erwartung eines plötzlichen und ungeahnten Einbruchs" (Conzelmann a. a. 0., S. 220). Daher ist die apokalyptische Belehrung nicht Selbstzweck; wie sie durchsetzt ist mit Warnung, Mahnung und Trostworten, so folgt ihr eine ausführliche Paränese (V. 28-37). Ihr Zweck ist die Mahnung zu Nüchternheit und ständiger Bereitschaft. Für die Datierung von Mk. 13 als literarischem Ganzen finden sich in diesem Kapitel keine Anhaltspunkte. Abgesehen von der etwaigen Caligula-Apokalypse, die auf 40 n. Chr. zu datieren wäre, sind die übrigen Stoffe wegen ihres traditionellen Charakters chronologisch nicht verwertbar. Auch das Motiv der Tempelschändung (V. 14) spricht weder für noch gegen eine Abfassung vor 70 n. Chr., da es auch nach der Tempelzerstörung noch in apokalyptischen Texten auftaucht. Man kann auch nicht postulieren, daß die Tempelzerstörung in der Formulierung von V. 14 ihre Spuren hätte hinterlassen müssen, und, da dies nicht der Fall sei, Mk. 13 vor 70 n.Chr. entstanden sein müsse; denn auch bei Mt. finden sich an dieser Stelle keine Spuren (24,15), obwohl das Matthäusevangelium nach dem Fall von Jerusalem entstanden ist, und die Tempelzerstörung war ja schon Mk. 13, 2 deutlich genug geweissagt. Die Entstehung des Markusevangeliums, und damit auch der jetzigen Gestalt von Mk. 13, dürfte wegen Mk. 12, 9; 15, 38 eher in die Zeit nach der Zerstörung J erusalems als vor ihr zu setzen sein. b) Die Umbildung der synoptischen Apokalypse bei Mt. und Lk. kann hier nicht im einzelnen behandelt werden; nur einige Punkte seien hervorgehoben. Beide Evangelisten verwandeln die esoterische Rede Jesu in eine öffentliche, Mt. in eine allgemeine JÜllgerbelehrung, Lk. in eine Rede an Jesu übliches Publikum. Beide reflektieren stärker als Mk., wenn auch in verschiedener Weise, auf die Parusieverzögerung. Mt. versetzt Mk. 13, 9-13 in die Aussendungsrede (Mt. 10, 17-21) und ersetzt diesen Passus durch allgemeiner und "apokalyptischer" gehaltene Prophezeiungen von äußerer Bedrängnis und innerer Gefährdung der Gemeinde (24,10-12). Sonst hat er den Aufriß von Mk. übernommen und durch Worte aus Q bereichert, die vor falschen Identifikationen des Menschensohns warnen und auf die Plötzlichkeit
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seiner Parusie hinweisen (24, 26-28. 37-41). Er eliminiert die Naherwartung nicht, betont aber stärker als Mk. die Zwischenzeit der Kirche und der Weltmission : deren Existenz ist ein Zeichen der nahen Gottesherrschaft (24, 14), also ein eschatologisches Phänomen (10,1-40; 13, 36-43). Anders als Mk. qualifiziert er die Zwischenzeit der Kirche durch die Gegenwart des erhöhten Christus als des Herrn der Welt in seiner Gemeinde (28, 18-20; 18,20). Lk. verändert den markinischen Aufriß durch unscheinbare, aber um so tiefer gehende Eingriffe (21,5-36). Vor allem durch die Bemerkung "vor all diesem" (V. 12) rückt er die Verfolgung der Gemeinde an den Anfang der Geschehnisse, die Mk. 13,5-8 = Lk. 21, 8-11 geschilderten Ereignisse, die er noch durch kosmische Katastrophen vermehrt (11 b), weit hinaus vor die Parusie; durch Zusätze verändert er Mk. 13, 14-20 so, daß aus der letzten Epoche der Weltgeschichte die Episode der Zerstörung J erusalems, aus einem eschatologischen Akt ein vergangenes historisches Ereignis wird. So stellt Lk. folgenden Ablauf dar: 1) Verfolgung der Gemeinde, 2) politische und 3) kosmische Katastrophen. Die Tendenz geht darauf, die Parusie möglichst weit hinauszuschieben und die eschatologische Deutung von Zeitereignissen zu unterbinden. Lk. fügt gleich am Anfang der Rede eine ausdrückliche Ablehnung der Naherwartung ein (vgl. V. 8 mit Mk. 13, 5f.) und kennzeichnet ihre Vertreter ebenso als Verführer wie die falschen Messiasse. Die sachliche Verbindung mit 2. Thess. 2, 1ff. ist deutlich: ein Verdikt, in noch viel schärferem Ton als dort und nicht mit der Autorität eines Apostels, sondern Jesu selbst gefällt. Die Zwischenzeit der Kirche wird nicht wie bei Mt. als endzeitliches Phänomen, sondern als selbständige Epoche der Heilsgeschichte verstanden (vgl. H. Conzelmann, Die Mitte der Zeit, 31960). 4. DIE JOHANNEs-ApOKALYPsE. Die Offenbarung des Johannes ist die einzige christliche Apokalypse, die als selbständiges Buch Aufnahme in den Kanon des NT gefunden hat. Sie zeigt einerseits die enge Verwandtschaft mit der jüdischen Apokalyptik in Form und Stoff, andrerseits aber auch den nicht unerheblichen Einfluß christlicher Elemente auf die übernommene Tradition; sie stellt jedoch auch unter den christlichen Apokalypsen ein Unikum dar. a) Form. Die Apk. gibt sich durch einen schmalen brieflichen Rahmen (Präskript 1, 4f. vgl. V. 11; Schlußgruß 22,21) als Sendschreiben "an die sieben Gemeinden in der Asia". Der briefliche Charakter tritt sonst nur noch in Kap. 2 und 3 hervor, die für jede der sieben kleinasiatischen Gemeinden ein besonderes Sendschreiben enthalten. Als Ganzes ist die Apk. von 1, 9-22, 20 ein Visionsbericht; der Verfasser betont mehrfach seinen ekstatischen Zustand (1,10; 4,2; 17,3; 20,10). Der Seher Johannes erlebt an einem Herrentag auf der Insel Patmos eine Berufungsvision (1,9-20), in der ihm der erhöhte Christus den Befehl erteilt, alles, was er sehe, in ein ßtß}..tov zu schreiben und es an die sieben Gemeinden zu senden; in dieser Vision schreibt er auch auf Diktat des Erhöhten die sieben Sendschreiben (Himmelsbriefe). Mit 4, lf. scheint eine neue Ekstase einzusetzen; in ihr schaut der in den Himmel entrückte Seher das in 4, 1-22, 20 Geschilderte; am Ende der Vision scheint auch die Niederschrift des ßtß}..tov abgeschlossen zu sein (22, 10); man darf nicht fragen, wann er das geschrieben hat: derartiges gehört zum apokalyptischen Stil (Dan. 12, 6). b) Komposition. Den Aufriß des Buches gibt 1, 19 an: "Schreibe, was du gesehen hast und was ist und was danach geschehen wird"; also Berufungsvision (1,9-20), die sieben Sendschreiben an die Gemeinden über ihren gegenwärtigen
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Zustand (2f.) und die Offenbarung des künftigen Geschehens (4,1-22,5). In der Komposition der Apk. spielt die Siebenzahl eine große Rolle. Die sieben Gemeinden, samt ihren Symbolen (Leuchtern und Sternen), stellen in ihrer Siebenzahl die Gesamtheit der Kirche dar. Im apokalyptischen Teil heben sich drei SiebenerVisionen heraus; Siegelvisionen (5,1-8,1), Posaunenvisionen (8, 2-9, 21; 11, 15-19) und Schalenvisionen (15f.). Auch in Kap. 14 kann man sieben Visionen zählen. Daneben kommen andre Zahlen zur Geltung: drei, vier und zwölf. Aber die Siebenzahl ist die wichtigste. Dennoch ist sie nicht der Schlüssel zur Komposition der Apk. Wichtiger für die Aufhellung der Komposition ist das Verständnis des "Buches mit den sieben Siegeln" (5, 1) und der Parallelität gewisser Partien in Kap. 6-20 (hierzu vor allem: G. Bornkamm, Die Komposition der apokalyptischen Visionen in der Offenbarung Johannis, in Studien zu Antike und Urchristentum, 1959, S. 204-222). Das "außen und innen beschriebene, mit sieben Siegeln versiegelte ßtßÄloy" (5, 1; so nach der wahrscheinlich richtigen Lesart) ist nach Bornkamms überzeugenden Ausführungen "eine zweiteilige Urkunde, die, in doppelter Ausführung geschrieben, einen rechtsgültigen Text und einen unversiegelten, jedermann zur Einsicht dargebotenen, entsprechenden zweiten Text enthielt" (S. 205); das "außen" bezeichnet den unversiegelten, das "innen" den versiegelten Teil der Urkunde. Demnach bilden die Phänomene, die das Öffnen der sieben Siegel begleiten (6,1-8,1), nicht den Inhalt des Dokumentes, denn dieser ist erst nach Lösung des letzten Siegels zugänglich. Er umfaßt vielmehr das Folgende, die Gesichte 8, 2-22, 5. Die Parallelität der drei Siebenervisionen war schon immer aufgefallen. Bornkamm hat aber auch die Parallelität der den Posaunen- und Schalenvisionen folgenden Texte nachgewiesen (Kap. 12-14 und 17-19) und auf Grund einer sorgfältigen Analyse den Schluß gezogen, daß in 8,2-14,20 und in 15,1-20,5 dieselben Endereignisse, zunächst vorläufig, dann endgültig, dargestellt werden, in knappen Umrissen auch in den Siegelvisionen. Die Kapitel 12-14 und 17-19 bringen nicht die chronologische Fortsetzung der in den Posaunen- und Schalenvisionen geweissagten Geschehnisse, sondern nachträgliche, konkrete Ergänzungen zu dem in den Siebenerreihen schematisch Gezeichneten. Die Komposition des eigentlich apokalyptischen Teils der Apk. (4,1-22,6) ist also dadurch bestimmt, daß dieselbe eschatologische Zeit dreimal geweissagt wird: summarisch in den sieben Siegelvisionen 6,1-8,1, andeutend und fragmentarisch in 8, 2-14, 20, endgültig und vollständig in 15, 1-22, 5. Dabei ist die summarische Schilderung 6,1-8,1 als die auf der Außenseite der Doppelurkunde sichtbare Inhaltsangabe des versiegelten Textes auf ihrer Innenseite zu verstehen, der nach der Lösung des siebten Siegels in 8, 2-22, 5 geboten wird. Die Siebenzahl der Siegel-, Posaunen- und Schalenvisionen bedeutet jeweils das Ganze der Zeit und der Ereignisse. Daß der Verf. die Schilderungen von Kap. 12-14 und 17-19 als Nachträge bringt, statt sie in das Heptadenschema einzuarbeiten, liegt z. T. daran, daß sein Material sich gegen solche Verarbeitung sperrte. Auch die mannigfachen Spannungen in dem apokalyptischen Gesamtbild liegen weitgehend an dem traditionellen Material, mit dem der Seher arbeitet, und ferner an den zeitgeschichtlichen Akzenten, die er setzt. Aber als Ganzes ist die Apk. ein Werk von strenger Komposition und großartiger Geschlossenheit. c) Quellen. Auf die komplizierte Quellenfrage und die Hypothesen zu ihrer Lösung kann hier auch nicht andeutungsweise eingegangen werden; man vergleiche
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die Kommentare und den Forschungsbericht von E. Lohmeyer, Theol. Rundschau NF 6, 1934, S. 269-314; 7, 1935, S. 28-62. Die Fragmententheorie W.Boussets (Die Offenbarung Johannis, 1906) dürfte - bei Modifikationen im einzelnenam ehesten dem Tatbestand sprachlich stilistischer Einheitlichkeit und angestrebter kompositorischer Geschlossenheit einerseits und mancherlei sachlicher Spannungen andrerseits gerecht werden. Solche übernommenen Fragmente sind 7, 1-8; 11,1-13; 12 oder finden sich in 13f.; 17f.; 2lf. Nach Art und Herkunft sind sie sehr verschieden: während 11, lf. ein jüdisches Flugblatt aus der Zeit der Belagerung Jerusalems sein dürfte, entstammt die Vision von der Himmelskönigin, dem Kind und dem Drachen altorientalischer Mythologie (12), und in Kap. 17 scheinen eine ältere und eine jüngere Version der Sage vom Nero redivivus verschmolzen zu sein. Der Apokalyptiker hat diese Fragmente teils gar nicht, teils in verschiedener Stärke überarbeitet. Es ist nicht immer klar, ob die Fragmente in schriftlicher oder in mündlicher Fixierung vorlagen. Als" Quelle" hat dem Seher das AT gedient; die Apk. wimmelt von alttestamentlichen Bildern und Anspielungen; konstitutiv sind die Wagenvision Ez. 1 und das Menschensohn-Kapitel Dan. 7 geworden. Ferner finden sich zahlreiche Parallelen zu jüdischen Apokalypsen, aber keine direkten Zitate, aus denen man auf literarische Abhängigkeit schließen könnte; es handelt sich um gemeinsame Abhängigkeit von derselben apokalyptischen Vorstellungswelt. d) Eigenart. Trotzdem bestehen bemerkenswerte Unterschiede. Der aufiälligste, durch den sich die Joh.-Apk. auch von allen christlichen Apokalypsen unterscheidet, ist das Fehlen der Pseudonymität und der fingierten Vorzeitlichkeit. Der Ven. schreibt nicht in der Maske und geborgten Autorität eines Heros der Vergangenheit, sondern unter seinem eigenen Namen und in eigener Autorität. Denn er ist echter Prophet. Sein Selbstbewußtsein gründet darin, daß er sich von Christus zum Propheten berufen weiß (1, 9-20), und äußert sich darin, daß er seine Schrift als Myot Tijr; :rceoq;rp:e{ar; bezeichnet (1,3; 22,7 . 10. 18f.) und daß er für sie "kanonische" Autorität beansprucht (22, 18f.). Es fehlen alle mit der Pseudonymität und Vorzeitlichkeit zusammenhängenden traditionellen apokalyptischen Züge: die periodisierten Geschichtsabrisse in Weissagungsform und die Versiegelung der Offenbarungen samt Geheimhaltungspflicht (22,10; vgl. dagegen Dan. 8, 26; 12,4). Der Ven. betont nachdrücklich die Gleichzeitigkeit mit seinen Lesern, gibt an Stelle eines Geschichtsrückblickes eine Darstellung und Kritik des gegenwärtigen Zustandes der Gemeinde (Kap.2f.) und sorgt dafür, daß seine Schrift nicht als Geheimbuch, sondern als ökumenischer Brief verstanden wird (1,4.11. 19; 22, 16.21). Diesen Besonderheiten entspricht das relative Zurücktreten von vaticinia ex eventu auf Ereignisse der Gegenwart oder jüngsten Vergangenheit. Trotz des Siebenerschemas fehlt jede Berechnung des Endes; denn die dreieinhalb Jahre, 42 Monate oder 1260 Tage (11, 2f.; 12,6.14; 13,5) sind eine stereotype apokalyptisohe Zahl und chronologisoh unbrauohbar. Und trotz der zahlreichen kosmisohen Phänomene, die der Seher sohildert, liegt sein Interesse nicht an der Kosmologie. Zu den Besonderheiten der J oh.-Apk. gehört schließlioh die Tatsache, daß als Offenbarungsmodus nie der Traum, sondern die visionäre Ekstase dient - ein Zeiohen fortgesohrittener Entwicklung der Apokalyptik -, daß als Offenbarungsmittler nur selten ein angelus interpres (17, Iff.; 21,9; vgl. 1,1; 22,6ff.), sonst immer Christus fungiert - eine verständliche christliche Modifikation -, und daß
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nur selten eine Deutung der Visionen gegeben wird (z.B. Kap. 17; sonst nur für Einzelheiten). e) Absicht. Die .Apk. ist höchstwahrscheinlich zu Beginn der sog. domitianisehen Verfolgung (ca. 95 n.Chr.) in Kleinasien entstanden. Sie hat den Zweck, die Christen in dieser Not zu treuem Ausharren und bekennendem Zeugnis zu stärken. Aber bedurfte es dazu eines so großen Aufwandes, der Abfassung einer ganzen Apokalypse1 Ihr Inhalt geht weit über ihren aktuellen Zweck hinaus. Er ist die Kodifikation und in gewisser Weise die Systematisierung apokalyptischer Erwartungen, wie sie in judenchristlichen, eschatologisch bewegten Kreisen Kleinasiens gepflegt wurden. Der Verfasser will nicht nur trösten und stärken, sondern ebenso für diese Anschauungen werben. Das scheint sogar sein Hauptzweck zu sein. Daher überwiegt der apokalyptische Stoff (4-22) den paränetischen (2f.) und gibt der Apokalyptiker 1, 1 nur jenen als Inhalt des Buches an. Von seinen Anschauungen, die hier nicht im einzelnen zu behandeln sind, seien einige dem Verf. offenbar besonders wichtige herausgegriffen. Er ist wie alle Apokalyptiker nicht an der Vergangenheit, sondern nur an der Zeit von der Gegenwart bis zum Ende interessiert. Und diese Zeit ist sehr kurz. Die ganze Apk. ist von einer starken Naherwartung bestimmt (1,1.3; 3,11; 16,15; 22,7.10.17.20); sie ist intensiver als in der synoptischen Apk. Mk. 13 und d.h., da Spuren der Parusieverzögerung vorhanden sind (z.B. 3,3), die Naherwartung ist neu erwacht, und der Apokalyptiker will sie da, wo sie nicht mehr vorhanden ist, neu erwecken. Er verwendet zu diesem Zweck, wie schon gesagt, keine GeschichtsIÜckblicke in Weissagungsform, sondern kühne, aber für damalige christliche Leser ziemlich durchsichtige Deutungen von Größen und Gestalten seiner Gegenwart und jüngsten Vergangenheit. So in dem vaticinium ex eventu 17, 3-11, das in V. 10 die kurze Regierungszeit des 7. Königs (des Titus) voraussagt, d.h. voraussetzt, und in V. 11 Domitian als 8. König, der einer von den sieben früheren sei, charakterisiert, d.h. ihn als Nero redivivus kennzeichnet. Domitian ist auch mit dem Tier aus dem Abgrund (11,7; 17,8) bzw. aus dem Meer (13, 1-10.18) gemeint. Wenn der Seher dieses Tier zur Zeit der 6. Posaune (11,7 vgl. 9,13; 11,15) und der 6. Schale (16, 13ff.) seine Verfolgung der Zeugen und der Christen entfalten läßt, so wird deutlich, daß er das Ende unmittelbar bevorstehend glaubt. Er vertritt noch deutlicher als die Apokalypsen Mk. 13 Parr. und 2. Thess. 2 mit ihrem (}et den apokalyptischen Determinismus. Der Geschichtsplan Gottes ist in dem "Buch mit den 7 Siegeln" unabänderlich festgelegt und rollt nach ihrer Öffnung unaufhaltsam ab. Aber - und das ist ein christliches Element - das Buch liegt in den Händen des Lammes, das allein die Siegel zu lösen vermag; d. h. Christus ist es, der das Endgeschehen inauguriert. Dieser Gedanke findet sich in den andern apokalyptischen Texten des NT nicht, nach denen Christus erBt ganz am Schluß der Ereignisse in Aktion tritt, hat aber eine gewisse Parallele beiPaulus (1. Kor. 15, 24f.). Auch der apokalyptische Dualismus ist in der Joh.-Apk. stärker als in der übrigen neutestamentlichen Apokalyptik ausgeprägt. Er äußert sich in der Vorstellung, daß Himmel und Erde, Raum und Zeit vergehen müssen, um dem neuen Himmel und der neuen Erde Platz zu machen (20, 11; 10, 6f.; 21, 1; vgl. 2. Petr. 3, 12f.). Er äußert sich im Antagonismus von christlicher Gemeinde und heidnischer Weltmacht, der aber nur der Vordergrund des eigentlichen Gegensatzes von Christus und Satan ist (12-14). Er äußert sich nicht zuletzt darin, daß in den Posaunen- und Schalenvisionen häufig Geschichtskatastrophen als Naturkatastrophen geschildert und ihre
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Akteure gelegentlich als dämonische Wesen gezeichnet werden, m. a. W. daß das Endgeschehen in kosmische Dimensionen (Engel-Dämonen) gerückt wird; die strenge Unterscheidung zwischen geschichtlichem und supranaturalem Geschehen wie in Mk. 13 findet sich hier nicht. Der Seher will im apokalyptischen Teil seines Buches zweierlei zeigen: einmal die Endereignisse, die die ganze Welt betreffen; sie skizziert er in den Siebenervisionen, deren Schematismus die determinierte Unaufhaltsamkeit des Geschehens deutlich macht; dann die Ereignisse, die speziell die Gemeinde angehen; sie schildert er in den Nachträgen (12f.; 17f.), deren Antithese Christus-Satan die Entscheidungssituation der Gemeinde aufweist. Er verbindet beide Themenkreise so, daß er Motive des zweiten in die Siebenerreihen einschaltet (11,3-14; 16, 13-16; vgl. auch 6,9-11) und daß er im letzten Akt beide Themen verschmilzt (Weltuntergang und Besiegung der satanischen Mächte, 16,17-21; 19,11-20,15); dabei verlagert sich der Akzent immer mehr auf das zweite Thema. Auf ihm liegt das eigentliche Interesse des Verf.; deshalb arbeitet er es nicht in die Siebenervisionen ein, sondern in Nachträgen aus. Die Motive des zweiten Themenkreises sind größtenteils aus Mk. 13 Parr. und 2. Thess. 2 bekannt, sie werden aber in der J oh.-Apk. breiter und deutlicher, mythologischer, aber auch in aktueller Gezieltheit ausgeführt. Der Satan, der Mk. 13 Parr. gar nicht, 2. Thess. 2, 9 nur kurz erwähnt wird, erscheint in der Apk. als der eigentliche Gegenspieler Christi und seiner Gemeinde (12-20). Den Antichristen, Mk. 13,14 Parr. in verhüllenden Worten erwähnt und 2. Thess. 2 prägnant geschildert, charakterisiert der Seher als Spiegelbild Satans und Gegenbild des gestorbenen und auferstandenen Christus, als Repräsentanten des römischen Weltreiches und identifiziert ihn erstmalig mit einer Gestalt der Gegenwart, mit dem als Nero redivivus verstandenen Kaiser Domitian (12, 18-13, 10. 18; 17,3-11). Die falschen Propheten, die 2. Thess. 2 fehlen, Mk. 13, 22ff. parr. Zeichen der Endzeit sind, erscheinen Apk. 13, 11-17 in einer einzelnen Gestalt, dem zweiten Tier, dem Pseudopropheten (16, 13); ob der Seher eine konkrete zeitgenössische Person meint oder eine Personifikation vornimmt, ist nicht zu entscheiden. Jedenfalls schließt er den Teufel, den Antichristen und den Pseudopropheten höchst eindrucksvoll zu einer "satanischen Trinität" zusammen (12f., 16, 13; vgl. W. Bousset, Der Antichrist, 1895; H. Schlier, Vom Antichrist, in: Die Zeit der Kirche, 1956, S.16-29). Er motiviert die Verfolgung der Gemeinde (vgl. Mk. 13, 9ff.; vielleicht angedeutet 2. Thess. 2,4) mit dem Kaiserkult (13,4ff.; 12-17), kennzeichnet sie als Satanswerk (12, 13-17) und läßt sie übergehen in den großen Ansturm der gottesfeindlichen Mächte (16,13-16; 17,12-14). Demgemäß schildert er die Parusie Christi als Messiasschlacht und Sieg über die gottfeindlichen Mächte, und zwar gleich zweimal (14,14-20; 19,11-20,3); auch 2. Thess. 2, 8 ist sie als Besiegung des Antichristen und damit des Satans gekennzeichnet; Mk. 13,26 ist der Gedanke des Sieges angedeutet. Mit der Parusie verbindet der Apokalyptiker zwei im NT singuläre, ihm aber offenbar wichtige Gedanken. Einmal die Vorstellung vom tausendjährigen Reich, einem messianischen Friedensreich auf dieser Erde zwischen Parusie und Weltuntergang, während dessen Dauer der Teufel gebunden ist und nach dem er, wieder losgelassen, die Weltmächte (Gog und Magog) zum nun allerletzten Kampf gegen die heilige Stadt führt, besiegt und auf ewig in den Pfuhl von Feuer und Schwefel geworfen wird (20,1-10); dann erfolgen Weltuntergang, Gericht und Erscheinung
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der neuen Welt. Diese Vorstellung eines messianischen Zwischenreiches stammt aus der jüdischen Apokalyptik (z.B. 4. Esr. 7, 28ff.; syr. Bar. 29, 3ff.) und ist eine Kombination der nationalen und transzendenten eschatologischen Erwartungen. Dann die Vorstellung zweier Auferstehungen, einer vor und einer nach dem tausendjährigen Reich (20,4-6. 12-15); das ist eine Kombination zweier jüdischer Anschauungen, einer älteren von der Auferstehung nur der Gerechten und einer jüngeren von der allgemeinen Totenauferstehung. - Singulär im NT ist auch die farbenprächtige Schilderung der neuen Welt (21, 1-8) und des neuen Jerusalems (21, 9-22, 5), mit der der Seher seinen verfolgten Glaubensgenossen einen verheißungsvollen Ausblick in eine herrliche Zukunft eröffnen will. Auf eine entsprechende Ausmalung der Hölle hat er verzichtet; dies wurde von späteren Apokalyptikern nachgeholt. Als der aktuelle Anlaß ihrer Entstehung vergangen war, wurde auch die Absicht der Apokalypse nicht mehr verstanden. Aus der konkreten zeitgeschichtlichen Bezogenheit gelöst, wurde sie selbst zu einem "Buch mit sieben Siegeln", das für die einen suspekt und verwerflich war, für die andern aber zu einem unerschöpflichen Arsenal apokalyptischer Spekulationen wurde. 5. DAS SCHLUSSKAPITEL DER DIDACHE. - Literatur. Textausgaben: Th. Klauser, Doctrina duodecim. apostolorum. Barnabae epistula (Florilegium Patristicum 1) 1940; K. Bihlmeyer.W. Schneemelcher, Die Apostolischen Väter I, "1956. - lTbersetzung und Erklärung: R. Knopf, Handb. z. NT Ergbd., 1923, 1-40; Hennecke, Apokr. 2, 1925, 555-565; J ..P. Audet, La Didache (Etudes Bibliques) 1958 (Lit.). - Spezialuntersuchungen: A. Adam, Erwägungen zur Herkunft der Didache, ZKG 68,1957,1-47; E. Peterson, lTber einige Probleme der Didache.lTberlieferung, in Frühkirche, Judentum und Gnosis, 1959, 146-182; E. Bammel, Schema und Vorlage von Didache 16, in Studia Patristica IV (TU 79), 1961, 253-262. Die Didache, eine vermutlich im l.Jahrzehnt des 2.Jh.s n.Ohr. in Syrien zusammengestellte Kirchenordnung, bringt als Schluß eine kleine Apokalypse (Did.16) : 1. Wacht 1 über euer Leben! Eure Lampen sollen nicht ausgelöscht und eure Lenden nicht kraftlos werden', sondern werdet bereit! Denn ihr kennt die Stunde nicht, in der euer Herr kommt. 2. Versammelt euch häufig, indem ihr sucht, was euern Seelen nottut. Denn die ganze Zeit eures Glaubens wird euch nichts nützen, wenn ihr nicht in der letzten Zeit vollkommen seid 3. 3. Denn in den letzten Tagen werden die falschen Propheten und Verderber zahlreich werden, und die Schafe werden sich in Wölfe verwandeln, und die Liebe wird sich in Haß verwandeln 4. 4. Denn wenn die Gesetzlosigkeit sich gemehrt hat, werden sie einander hassen und verfolgen und verraten 5, und dann wird der Weltverfüh· rer 6 erscheinen wie Gottes Sohn und Zeichen und Wunder tun, und die Erde wird in seine Hände dahingegeben werden, und er wird Frevel begehen, die seit Weltbestehen niemals begangen worden sind 7. 5. Dann wird die Menschenwelt in die Feuersglut der Prüfung kommen 8, und viele werden sich ärgern 9 und verlorengehen, diejenigen aber, die im. Glauben ausgeharrt haben 10, werden von dem Verfluchten (? Christus? - Audet: vor dem Grabe) gerettet werden. 6. Und dann werden die Zeichen der Wahrheit erscheinen 11:
Vgl. zum ganzen Vers Mt. 24, 42. 44; 25, 13. • Vgl. Lk. 12, 35. 3 Barn. 4, 9. • Vgl. Mt. 24,10-12; 7, 15; 2. Petr. 3, 3; 1. Tim.. 4, 1. 5 Vgl. Mt. 24, 24. 6 Vgl. 2. Joh. 7; Apk. 12, 9. 7 Vgl. 2. Thess. 2, 3f. 9f.; Apk. 13, 1-10. 13f. 8 Vgl. Mt. 24, 2lf. Parr. 9 Vgl. Mt. 24, 10. 10 Vgl. Mt. 24, 13 Parr. 11 Vgl. Mt. 24, 30. 1
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erstens das Zeichen der Öffnung der Himmel, dann das Zeichen des Posaunentons 1 und drittens die Auferstehung der Toten", 7. - aber nicht aller, sondern, wie gesagt wurde: 'Kommen wird der Herr und alle Heiligen mit ihm' 3.8. Dann wird die Welt den Herrn kommen sehen auf den Wolken des Himmels '. Der Text beginnt mit einer Mahnung zu ständiger Wachsamkeit und Bereitschaft für das Kommen des Herrn (V. H.) und bringt darauf einen ebenso knappen wie klar gegliederten Abriß der letzten Dinge, deren Hauptakte jeweils durch ein 1'6-re in ihrer zeitlichen Reihenfolge gekennzeichnet werden (4 b, 5, 6, 8): 1. Anwachsen der "Gesetzlosigkeit"; Auftreten von Pseudopropheten und Verderbern ; Kampf aller gegen alle (3. 4a); 2. Erscheinen des "Weltverführers" (des Antichristen), der Zeichen und Wunder tut, nie dagewesene Frevel vollbringt und sich die Welt unterwirft (4 b); 3. Eintritt der letzten Not, in der nur das Ausharren im Glauben rettet (5); 4. Erscheinen der "Zeichen der Wahrheit", dreier apokalyptischer Akte (6f.); 5. Parusie des Kyrios auf den Wolken des Himmels (8). Das Schema und die Einzelheiten dieser Apokalypse sind aus Mt. 24 und 2. Thess. 2 bekannt. Man empfindet aber die Parusieschilderung V. 8 als unvollständig. Die georgische Übersetzung gibt 16, 8 folgendermaßen wieder: Dann wird die Welt unsern Herrn Jesus Christus, den Sohn des Menschen, der (gleichzeitig) Sohn Gottes ist, sehen (als) kommend auf den Wolken mit der Macht und großen Herrlichkeit, damit er jedem Menschen gemäß seinenWerken in seiner heiligen Gerechtigkeit vergelte vor dem ganzen Menschengeschlecht und vor den Engeln. Amen. (Gr. Peradse, 'Die Lehre der zwölf Apostel' in der georgischen Überlieferung, ZNW 31,1932, 111-116; Zitat S. 116). Einen ähnlichen Schluß bietet die Wiedergabe im VII. Buch der Apostolischen Konstitutionen: ... mit den Engeln seiner Macht, auf dem Herrschaftsthron zu richten den Weltverführer, den Teufel, und zu vergelten jedem nach seinem Tun (Audet, S. 73). Auch paläographische Beobachtungen am Manuskript des Bryenniostextes sprechen dafür, daß der heutige Text von 16, 8 unvollständig ist und im Sinne der beiden oben mitgeteilten Schlüsse ergänzt werden müßte (Audet, S. 73f.; S. 473f.; Bammel, S. 259f.). Freilich ist das vermißte Gericht schon in der Aussage von V. 7 enthalten (wenn dieser Satz nicht ein sekundärer Nachtrag ist, vgl. Bammel, S. 261 Anm. 3). Trotzdem fehlt in V. 8 etwas, wenn nicht das Gericht, so doch die Sammlung der Erwählten (Mt. 24, 31) bzw. die Vereinigung der Gläubigen mit dem Kyrios (1. Thess. 4, 17). Auffällig ist das fast völlige Fehlen spezifisch christlicher Züge in V. 3-8; sieht man von dem änigma tischen xaul:{}sf-laV. 5 ab, so weist lediglich die Charakterisierung des Weltverführers als w~ vld~ {Jsov in christlichen Bereich; aber sie könnte ohne Störung des Textes gestrichen werden, und dieser wäre rein jüdisch. Denn in der Schilderung der Not V. 3-5 wird durch nichts angedeutet, daß die Verfolgung sich gegen Christen richtet. Trotzdem wird man kaum annehmen dürfen, es liege hier ein jüdischer Text mit christlichen Interpolationen vor. Natürlich sind Schema und Stoff dieser Apokalypse wie überhaupt der urchristlichen Apokalyptik jüdischer Vgl. Mt. 24, 31; 1. Kor. 15,52; 1. Thess. 4, 16. " Vgl. 1. Thess. 4, 16. 3 Sach. 14, 5. • Vgl. Mt. 24, 30; 26, 64. 1
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Herkunft. Aber die Darstellung V. 3-8 arbeitet so stark mit neutestamentlicher Phraseologie, vor allem mit der von Mt. 24, dann aber auch von 2. Thess. 2, daß man wohl diese Texte als "Vorlage" annehmen muß. Im Unterschied zu den apokalyptischen Partien des NT fehlt der Apokalypse Did. 16, 3-8 jeder Bezug zur Gegenwart ihres Verfassers. Es fehlt die Naherwartung. Diese spricht sich auch nicht in der einleitenden Mahnung zu ständiger Wachsamkeit und Bereitschaft für die unbekannte Stunde der Parusie aus (V. lf.); denn diese Mahnung ist traditionell, und V. 2 zeigt deutlich, daß "die letzte Zeit" nach Meinung des Verfassers noch nicht begonnen hat. Did. 16 hat also nicht den Zweck, eine in eschatologischer Spannung und Bedrängnis stehende Gemeinde zu mahnen und zu trösten oder auch (wie 2. Petr.) eine träge gewordene Gemeinde zu neuer eschatologischer Hoffnung zu erwecken. Did. 16 hat aber auch keinen spekulativen Zweck. Der Text malt nichts aus. Alles ist vielmehr schematisiert. Dem Verfasser kommt es offenbar darauf an, einen Gesamtentwurf der letzten Dinge in übersichtlicher Knappheit und klarer Gliederung zu geben. Das spricht dafür, daß Did.16 ein katechismusartiges Stück ist. Es paßt als solches gut in die Didache und hat wohl von Anfang an zu ihr gehört. Ob es ursprünglich den Abschluß des Zwei-Wege-Katechismus gebildet hat, ist fraglich. Wichtiger als die Frage der Quellen und der Redaktion ist für unsern Zweck die Beobachtung, daß eine Apokalypse - ohne konkreten Gegenwartsbezug und ohne Interesse an der spekulativen Ausgestaltung der letzten Dinge - Bestandteil der "Lehre" geworden ist und als locus de novissimis Platz in einer Kirchenordnung gefunden hat. 6. DER HIRT DES HERMAB. a) Literatur. Textausgaben: O. von Gebhardt A. Harnack, Hermae Pastor graece addita versione latina recentiore e codice Palatino, Patr. Apostol. Opera, Fasc. III, 1877; F. X. Funk, Opera PatT. Apostol. I, 21901; M. Whittaker, Der Hirt des Hermas, GCS48, 1956.-Kommentar: M.Dibelius, Der Hirt des Hermas, Handb. z. NT Erg. bd. 1923, S. 415-644 (Lit.). - Untersuchungen: M. Dibelius, Der Offenbarungsträger im "Hirten" des Hermas (Botschaft und Geschichte II, 1956, S. 80-93); R. van Deemter, Der Hirt des Hermas. Apokalypse oder Allegorie1, 1929; A.V.Ström, Der Hirt des Hermas. Allegorie oder Wirklichkeit1 (Act. Sem. NT Ups. III), 1936; E. Peterson, Beiträge zur Interpretation der Visionen im "Pastor Hermae" (Frühkirche, Judentum und Gnosis, 1959, S. 254-270); ders., Kritische Analyse der fünften Vision des Hermas (ebd. S. 271-284); ders., Die Begegnung mit dem Ungeheuer (ebd. S. 285-309); E. Molland, RGG3, III, Sp. 242 (Lit.). b) überlieferung. Der griechische Text des Pastor Hermae ist nicht vollständig erhalten. Den umfangreichsten Text (Vis. I, I-Sim. IX, 30,2) bietet die Handschrift 96 aus dem Gregorioskloster auf dem Athos, die sich zum Teil in Leipzig befindet (14. oder 15.Jh.; Siglum A = Athous, früher G). Der Codex Sinaiticus (4.Jh.; N) bringt nach dem NT und dem BarnabasbriefVis. I, I-Mand IV, 3, 6. Zu diesen schon früher bekannten Handschriften kam 1936 der Papyrus 129 der Papyrussammlung der Universität Michigan (3.Jh.; Siglum M), der Sirn. II, 8-Sim. IX, 5, 1 enthält. Der griechische Text wird ferner durch eine große Anzahl von Papyrus- und Pergamentfragmenten bezeugt, die größere oder kleinere Bruchstücke aus allen Teilen des Hermasbuches enthalten. Von den übersetzungen sind die zwei lateinischen die wichtigsten: die sogenannte V ulgata, eine altlateinische übersetzung, die in einer Anzahl Handschriften vor-
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liegt und die den griechisch nicht erhaltenen Schluß des Buches enthält (Siglum LI); ferner die sogenannte Palatina, die in zwei Handschriften des 15.Jh.s vorhanden ist (L2). Hinzu kommen eine äthiopische Übersetzung (vermutlich 6.Jh.; E) und zwei koptische Übersetzungen, eine achmimische (Cl) und eine sahidische (C2), allerdings nur in Fragmenten, und schließlich eine fragmentarische mittelpersische Übersetzung (Mpers). Zur Textkritik werden auch Ps. Athanasius, Praecepta ad Antiochum (ed. G. Dindorf, 1857) und Antiochus Monachus, Homiliae (PG 89, 1413ff.) herangezogen. Es ist noch nicht gelungen, die griechischen Zeugen und die Übersetzungen in ein Abhängigkeitsverhältnis zu bringen und ein Stemma aufzustellen. Doch ist die Textkritik des Pastor Hermae durch die Entdeckung des Michiganpapyrus M sehr gefördert worden. Eine kritische Ausgabe der lateinischen Übersetzungen steht in Aussicht. Die Textzeugen differieren in den Überschriften und in deren Bezifferung. Letztere ist bei den Visionen auch sinnlos. Die neueste Ausgabe, die von Whittaker, ersetzt daher die traditionelle Einteilung in 5 Visionen, 12 Mandata und 10 Similitudines und deren Unterteilung in Kapitel und Paragraphen durch eine durchlaufende Zählung der Kapitel, die ihrerseits in die traditionellen Paragraphen gegliedert sind. Diese neue Zählungsweise ist gewiß kürzer als die umständliche frühere, aber keineswegs bequemer oder gar klarer; da sie für unsere Zwecke ungeeignet ist, bleiben wir bei der herkömmlichen Zitierweise. c) Inhalt. Das Buch ist in Form und Stil eine Apokalypse, inhaltlich aber nicht, da es keine Enthüllungen der eschatologischen Zukunft oder der jenseitigen Welt enthält. Zwei himmlische Gestalten, eine Greisin und ein Hirt, übermitteln dem Hermas in und bei Rom Offenbarungen über die Möglichkeit der Christenbuße. Seinen Namen hat das Buch von dem zweiten Offenbarungsträger, dem Hirten, auf den etwa 4/5des Buches zurückgehen. Vis. I enthält zunächst die Vorgeschichte: Hermas sieht seine frühere Herrin im Tiber baden und wünscht sich eine so schöne Frau als Gattin zu besitzen. Dann folgt der Bericht über die eigentliche Vision: einige Tage später wird Hermas auf dem Weg nach Cumae vom Geist in eine fremde Gegend entrückt und sieht seine frühere Herrin als himmlische Erscheinung, die ihn darüber belehrt, sein Wunsch sei eine Gedankensünde gewesen. Darauf erscheint ihm eine Greisin in strahlendem Gewande mit einem Buch in der Hand, läßt sich auf einem großen, weißen Sessel nieder, predigt dem Hermas und seinem Hause Buße und liest ihm einen Lobpreis Gottes vor (2. 3); danach tragen Engel den Sessel und dann die Greisin hinweg (4). Vis. II spielt ein Jahr später an demselben Ort; die Greisin übergibt Hermas einen Himmelsbrief, den er, ohne ihn zu verstehen, kopiert und der dann geheimnisvoll verschwindet (1). Erst vierzehn Tage später nach Beten und Fasten kann Hermas den Brief lesen; er enthält die göttliche Botschaft, die gegenwärtige Christenheit habe noch die Möglichkeit einer einmaligen Buße, und den Auftrag an Hermas, diese Botschaft den Vorstehern der Gemeinde mitzuteilen (2 u. 3). Es folgen zwei Nachtragsvisionen : Hermas erhält im Schlaf die Offenbarung, die Greisin sei nicht die Sibylle, wie er meine, sondern die Kirche; dann erscheint die Greisin in seinem Hause und gibt ihm Anweisungen über die Verbreitung des Himmelsbriefes (4). Vis. III, die Turmbauvision. Hermas wird nach langem Beten und Fasten von der Greisin auf seinen Acker beordert, findet dort eine elfenbeinerne Bank vor, auf der sich die Greisin niederläßt und ihm den Platz zu ihrer Linken anweist. Sie
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XVI. Apokalyptik du UrckriatentumB
zeigt ihm, wie sechs Jünglinge einen gewaltigen, über dem Wasser errichteten Turm aus weißen Steinen bauen, die von Tausenden von Männern herbeigetragen werden (1 u. 2), und deutet den Turmbau allegorisch auf die Kirche (3-7). Sie läßt ihn ferner sieben Jungfrauen rings um den Turm sehen und deutet sie auf die Tugenden (8,1-7), und vermittelt ihm Mahnungen an die Gemeinde (8,11-9,10). In einem langen Nachtrag, der noch von zwei Visionen berichtet, erfährt man, daß die Greisin bei den drei bisherigen Begegnungen in jeweils verjüngter Gestalt aufgetreten war; Hermas erhält eine allegorische Deutung dieser drei Gestalten (10-13). Vis. IV, die Tiervision. Hermas begegnet zwanzig Tage später auf dem Weg m seinem Acker einem riesigen Meerungeheuer (I) und der zur Jungfrau verwandelten Greisin, die ihm das Untier auf die kommende Drangsal deutet (2, 1-3, 6) und dann auf geheimnisvolle Weise für immer verschwindet. Vis. V, Einleitungsvision zu den Mandata und Similitudines. Der neue Offenbarungsträger, der Hirt, erscheint dem Hermas in seinem Hause und gibt sich ihm als den zu erkennen, dem er "übergeben worden" sei, und Hermas erkennt ihn als "den Engel der Buße". Der Hirt befiehlt dem Hermas, seine Gebote und Gleichnisse niederzuschreiben. Mand.
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" " " " " Sim.
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I: II: III: IV: V: VI: VII: VIII: IX: X: XI: XII: I: II: III: IV: V: VI: VII: VIII: IX:
X:
Glaube, Furcht, Enthaltsamkeit. Lauterkeit. Wahrheit. Keuschheit, Ehescheidung und zweite Ehe (darin 2,1-3,7 Christenbuße). Geduld und Jähzorn. Die doppelte Art des Glaubens. Die doppelte Art der Furcht. Die doppelte Art der Enthaltsamkeit. Zweifel. Traurigkeit. Der falsche Prophet; wahre und falsche Prophetie. 1,1-3,1: Zwiefache Art der Begierde. 3, 2-6, 5: Epilog zu den Mandata. Die fremde und die Heimatstadt. Ulme und Weinstock. Der winterliche Wald. Der sommerliche Wald. Der treue Sklave (I. 2); Deutung auf die Werke (3), auf Christus (4-6) und die Bewahrung des Fleisches (7). Der Engel der Schwelgerei und der Strafengel. Wirkung des Strafen gels auf Hermas. Weidenbaum; allegorische Deutung. Die zwölf Berge in Arkadien (I); Wiederholung der Turmbauvision (2-4); Prüfung und Reinigung des Turmes (5-11); Deutung des Turmbaus (12-16) und der Berge (17,1-31,3); Schlußmahnung (31, 4-33, 3). Erscheinung Christi vor Hermas und dem Hirten; Schlußmahnung und Verheißung.
1. Einleitung
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d) Komposition. Die Einteilung des Buches in Visiones, Mandata und Similitudines entspricht nicht seinem kompositorischen Aufbau. Denn die fünfte Vision gehört nicht zu den vier vorhergehenden, sondern ist die Einleitung zu den folgenden Mandata und Similitudines. Der in Vis. V erscheinende Hirt fungiert als Vermittler dieser Gebote und Gleichnisse, während die Greisin in Vis. I-IV, und nur hier, Offenbarungsträgerin ist. Ist also durch die Verschiedenheit der Offenbarungsträger eine kompositorische Zäsur zwischen Vis. IV und V sichtbar, so scheint eine solche zwischen Mand. und Sim. nicht vorzuliegen. Es findet sich zwar ein langer Epilog zu den 12 Mandata (Mand. XII 3, 2-6, 5), aber der Hirt ist nach wie vor der Hauptakteur; Sim. I bringt keine neue Situationsangabe, sondern beginnt mit der Anreihungsformel "Er sprach zu mir", und die überschriften ("Gleichnisse, die er zu mir sprach" u. ä.) stammen nicht vom Verfasser, sondern sind in der handschriftlichen überlieferung zugewachsen (wie die äthiopische übersetzung deutlich zeigt, die eine entsprechende überschrift vor Mand. XII 3,4 bringt). Hinzu kommt, daß der Verfasser die Gebote und Gleichnisse als Einheit aufgefaßt zu haben scheint; denn in der Einleitungsvision (Vis. V 5f.) wird von ihnen dreimal in einer Weise gesprochen, daß man sie als engstens zusammengehörig verstehen muß (das erste Mal sind die beidenBegriffee'vrDÄul und :rcueußoÄul durch das nur einmal gesetzte Personalpronomen, die beiden anderen Male durch den nur einmal gesetzten Artikel verbunden); ebenso Sim. IX I, 1. Ferner sind die ersten Similitudines mit den Mandata eng verwandt (vgl. Dibelius, Kommentar, S.493f., S.546, S. 550f.), und Sim. VII 7 wird von den :rcueußoÄul als e'VToÄul gesprochen. Der Unterschied zwischen ihnen ist so fließend, daß er nicht auf eine Buchdisposition hinweisen kann. Dibelius vermutet wohl mit Recht, daß die Einteilung in Mandata und Similitudines erst nach dem Doppelausdruck geschaffen und daß der Epilog zu Mand. XII "nachträglich eingefügt" worden sei (a.a.O. S.493). Das Buch zerfällt in zwei Teile von sehr ungleichem Umfang, die Visionen (Vis. I-IV) einerseits und die Gebote und Gleichnisse andererseits. Der zweite Teil hat offensichtlich ursprünglich mit Sim. VIII geschlossen. Sim. IX I, 1 setzt ganz neu ein ("Als ich die Gebote und Gleichnisse des Hirten, des Engels der Buße, niedergeschrieben hatte" - Hermas hat den Befehl des Hirten Vis. V 5 ausgeführt -, "kam er zu mir und sprach zu mir: Ich will dir alles zeigen, was dir der heilige Geist gezeigt hat, der in der Gestalt der Kirche mit dir sprach") und bringt 1,4-33,3 eine exzessiv ausholende und allegorisierende Wiederholung der Turmbauvision von Vis. 111 (" Und du sollst von mir alles noch genauer erfahren" Sim. IX 1, 3). Diese Wiederholung ist also ein Nachtrag und als solcher deutlich gekennzeichnet; dann ist der Satz des Hirten Vis. V 5a ("Denn ich ward gesandt ... , dir alles wieder zu zeigen, was du früher gflsehen hast, das, was besonders wichtig und für euch nützlich ist") ein Zusatz, der den Nachtrag vorbereiten soll (Dibelius, a.a.O. S. 421, S.493, S.60lf.). Diese Beobachtungen sprechen für die von Dibelius und anderen geäußerte Hypothese, daß 1. das Visionenbuch (Vis. I-IV) und das Buch der Gebote und Gleichnisse (Vis. V-Sim. VIII) unabhängig voneinander entstanden und existierten, daß 2. das Visionenbuch das ältere der beiden ist und daß 3. bei der Verbindung beider Bücher Sim. IX und X angefügt wurden - Sim. IX zur Unterstreichung dessen, was der Verfasser für besonders wichtig und nützlich hielt, Sim. X als Abschluß der gesamten Komposition. Beide Bücher sowie ihre Verbindung stammen wohl von dem gleichen Verfasser.
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XVI. Apokalyptik des Urchristentums
Jedenfalls legt die Komposition die Annahme mehrerer Autoren nicht nahe; und die vielen Unstimmigkeiten lassen sich, wie Dibelius gezeigt hat, besser traditionskritisch als literarkritisch lösen. Nur der Epilog Mand. XII 3,2-6,5 dürfte eine Interpolation sein. Ein Teil der überschriften und vor allem ihre Numerierung sind Zuwachs in der handschriftlichen überlieferung. e) Der literarische Charakter. Die Form des Buches ist insofern apokalyptisch, als angeli interpretes seinen ganzen Inhalt dem Hermas offenbaren und deuten. Dieser Form entsprechen die Apparatur (Visionen, Entrückungen), der Ichbericht des Ganzen und die vielen Dialoge. Die beiden Offenbarungsträger sind nun aber nicht wie in den jüdischen Apokalypsen und in der Joh.-Apk. anonyme oder auch namentlich benannte Engel, die in ihrer Interpretenfunktion aufgehen, sondern, wie vor allem Di beli us gezeigt hat, mehrschichtige Gestalten. Die Greisin wird in Vis. 11 4, 1; III 3, 3 mit der Kirche identifiziert, ein durchaus sekundärer Zug, der sich mit der Tatsache stößt, daß die Kirche die Empfängerin der Bußbotschaft der Greisin ist und daß ihr Zustand in Vis. III von der Alten behandelt wird. Für deren Gestalt'hat die Sibylle Modell gestanden; bestimmte Züge zeigen eindeutig, daß die Greisin eigentlich die Sibylle ist, für die Hermas sie zunächst auch hält (hohes Alter, Weg nach Cumae, schriftliche Mitteilung der Offenbarung, Sessel; auch das Schema der drei Altersstufen bringt Peterson S.267 mit der Sibylle in Beziehung). Analoges findet sich beim Hirten. Er wird als Engel der Buße bezeichnet. Aber er ist auch der, dem Hermas "übergeben wurde" und der "bei ihm die künftigen Tage seines Lebens wohnen" soll, also ein Schutzengel. Mit dieser Funktion hängt das Hirtenkostüm zusammen, und dieses weist auf nichtjüdischen Ursprung der Gestalt, auf Hermes, für den auch die Erwähnung Arkadiens spricht (Sim. IX 1, 4; weitere Belege bei Dibelius, a.a. O. S. 495f., und Botschaft und Geschichte 11, S. 80ff.); das Erscheinen des Hirten Vis. V zeigt die typischen Züge der Epiphanie einer Gottheit. Beide Gestalten sind offenbar heidnischer Herkunft, eine Sibylle und ein Schutzgott; sie haben ferner die Funktion des angelus interpres und sind schließlich Allegorien christlicher Größen, der Kirche und des Bußengels. An den beiden Hauptgestalten des Buches tritt ein für das ganze Werk bezeichnender Zug hervor, die künstliche Verbindung und Allegorisierung verschiedener Figuren und Motive. Der Verfasser läßt sich vor allem die Allegorie angelegen sein, um mit ihrer Hilfe sein heterogenes und divergierendes Bild- und Vorstellungsmaterial seiner Tendenz gefügig zu machen. Hermas will zweifellos eine Apokalypse schreiben. Aber der apokalyptische Rahmen umspannt kein apokalyptisches Gemälde. Die Mandata enthalten Paränese, traditionelles ethisches Spruchgut, das der Verfasser thematisch geordnet, interpretierend ausgeführt und teilweise dialogisiert hat; auf die kommentierende Wiederholung der drei Themen von Mand. I in Mand. VI-VIII wurde schon bei der Inhaltsübersicht hingewiesen. "Die Einkleidung dieser Regeln in eine himmlische Offenbarung ist am Inhalt im allgemeinen nicht zu spüren, so wie dieser Bußengel konnte mancher urchristliche Lehrer reden - und hat es auch getan" (Dibelius, Kommentar, 496). Nur Mand. IX fällt aus dem paränetischen Rahmen heraus, fügt sich aber mit seiner aktuellen Warnung vor falschen Propheten der ethischen Tendenz der Manda ta ein. Die mit stark allegorisierenden Zügen ausgestatteten "Gleichnisse" Sim. I-V tragen "Gebotscharakter" (Dibelius), dienen also ebenfalls der Paränese; auch der
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christologische Passus Sim. V 4-6 ist ethisch orientiert. Eschatologische Gedanken finden sich kaum -, ganz nebenbei und unbetont wird V 5,3 die Parusie erwähnt, und gelegentlich verheißt der Hirt den Gerechten, die seine Gebote befolgen, ewiges Leben. Sim. VI-IX sind "visionäre Gleichnisse" (Dibelius), Allegorien in visionärer Form über den Erfolg der Buße; am deutlichsten ist der visionäre Charakter in Sim. IX (Entrückung), er ist aber auch Sim. VI und VIII unverkennbar (Auftreten von Engeln: der elegante Hirt = der Engel der Schwelgerei; der wilde Hirt = der Strafengel Sim. VI; Erscheinung des Engels des Herrn Sim. VIII). Sim. X ist kein Gleichnis, sondern Bericht über die Epiphanie des Gottessohnes; es handelt sich also um ein Pendant zur Eingangsvision Vis. V. Das Vorhandensein von Paränese und Allegorie würde an sich nicht gegen den apokalyptischen Charakter des Buches sprechen, da beides in den Apokalypsen vorkommt, da speziell die Allegorie ein Stilmittel der Apokalyptik ist und jede ältere jüdische und christliche Apokalypse paränetisch ausgerichtet ist. Nur sind hier Paränese und Allegorie eschatologisch bestimmt, und diese eschatologische Bestimmtheit fehlt ihnen im Pastor Hermae. Dasselbe gilt aber auch für das Visionenbuch (Vis. I-IV). Trotz apokalyptischer Requisiten bringt es keine Offenbarungen über das Eschaton oder über das Jenseits. Es gehört auch, wenn überhaupt, nur sehr bedingt zur Visionsliteratur (vgl. die Zusammenstellung bei M. Buber, Ekstatische Konfessionen, 1921). Alle vier Visionen (die Bußpredigt der Greisin Vis. I, der Himmelsbrief über die Christenbuße II, die Turmbauallegorie III und die Tiervision IV) haben keinen eschatologischen, sondern einen moralischen Skopus. Vis. III und IV sind mühsame und nicht ganz stimmige Allegorien; der Verfasser macht traditionelle Stoffe seinem, ihrem ursprünglichen Sinne nicht entsprechenden Zwecke dienstbar (vgl. Dibelius, a. a. 0., S.454ff., S.482ff.). Besonders deutlich wird dies in Vis. IV, dem einzigen Abschnitt des Buches, in dem Hermas mit apokalyptischem Material arbeitet, und der deshalb hier zitiert sei: Viertes Gesicht, das ich, ihr Brüder, zwanzig Tage nach dem vorigen Gesicht schaute, ein Bild der kommenden Drangsal. Ich ging auf der Via Campana nach meinem Acker; von der Hauptstraße liegt er etwa 10 Stadien ab, und man kann gut an den Platz gelangen. Als ich so einsam dahinwanderte, bat ich den Herrn, die Offenbarungen und Gesichte zu vollenden, die er mir durch seine heilige Kirche gezeigt hatte, damit er mich stärke und seinen zu Fall gekommenen Knechten Buße verleihe; so möge sein großer und herrlicher Name gepriesen werden dafür, daß er mich gewürdigt hat, mir seine Wunder zu zeigen. Während ich ihm so Lob und Dank sagte, gab mir eine Art Stimme zur Antwort: "Hermas, zweifle nicht!" Da begann ich bei mir zu überlegen: "Was soll ich wohl zu zweifeln haben, da mich der Herr auf so festen Grund gestellt hat und mich herrliche Dinge hat schauen lassen?" Ich ging etwas weiter, ihr Brüder, und siehe, da gewahrte ich eine Staubwolke, die anscheinend bis zum Himmel (die Luft erfüllte), und ich begann mich zu fragen: "Ob da vielleicht Tiere gezogen kommen, die den Staub aufwirbeln?" Dabei war es etwa ein Stadion von mir entfernt. Als aber die Staubwolke größer und größer wurde, da merkte ich, daß es etwas Göttliches sei. Da brach die Sonne einen Augenblick durch und siehe, ich erblickte ein riesengroßes Tier, einem Meerungeheuer ähnlich, aus dessen Munde kamen feurige Heuschrecken. An hundert Fuß war es lang, und sein Kopf war wie ein Bottich (?). Da begann ich zu weinen und den Herrn zu bitten, er möchte mich vor ihm erretten; und ich dacbte an das Wort, das ich vernommen hatte: "Hermas, zweifle nicht!" Da gewann ich, ihr Brüder, neuen Glauben an den Herrn, stellte mir die großen Dinge vor Augen, die er mich gelehrt, und ging mutig auf das Tier los. Dieses aber kam mit solchem Schnauben daher, daß es eine Stadt hätte 29 Henneoke, Apokryphen Bd. 2
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vertilgen können. Wie ich nun in seine Nähe kam, da streckte sich das riesenhafte Untier am Boden aus und tat nichts anderes, als daß es seine Zunge herausstreckte, ja es rührte sich überhaupt nicht, bis ich an ihm vorüber war. Und vier Farben trug das Tier auf seinem Kopf: schwarz, rot wie Feuer und Blut, golden und weiß. Als ich an dem Tier vorbei und etwa dreißig Fuß weitergegangen war, siehe, da begegnete mir eine Jungfrau, geschmückt wie eine Braut, die aus der Kammer tritt, ganz in Weiß, mit weißen Schuhen, bis zur Stirne verschleiert und mit einer Mitra als Kopfbedeckung; auch hatte sie leuchtendes Haar. Ich erkannte sie von den früheren Gesichten her: Es war die Kirche. Da ward mir wieder froher zu Mut. Sie grüßte mich: "Guten Tag, du Menschenkind!", und ich antwortete ihr: "Herrin, guten Tag!" Sie erwiderte mir: "Ist dir nichts begegnet?" "Herrin", sagte ich, "so ein gewaltiges Tier, es könnte ganze Völker umbringen! Aber ich bin ihm entronnen dank der Gnade und Kraft des Herrn." "Du bist ihm glücklich entronnen", sprach sie, "weil du deine Sorge auf Gott geworfen und dein Herz dem Herrn aufgetan hast, gewiß im Glauben, daß du durch nichts anderes Rettung erlangen könntest als durch den großen und herrlichen Namen. Darum hat der Herr seinen Engel gesandt, dem die Tiere untertan sind - sein Name ist Thegri -, der hat ihm den Rachen zugehalten, damit er dir nicht schade. Aus großer Not bist du entronnen, weil du geglaubt und beim Anblick solch eines gewaltigen Tieres nicht gezweifelt hast. So gehe nun hin und erzähle den Ausgewählten des Herrn seine großen Taten und sage ihnen, daß dieses Tier ein Bild der großen kommenden Drangsal ist. Wenn ihr euch also bereitet und von ganzem Herzen büßend zum Herrn bekehrt, dann werdet ihr daraus entrinnen können, wenn euer Herz rein und fleckenlos wird und ihr die künftigen Tage eures Lebens dem Herrn ohne Fehl dient. Werfet eure Sorgen auf den Herrn, dann wird er sie zum guten Ende führen. Vertraut nun dem Herrn, ihr Zweifler, daß er alles vermag: seinen Zorn von euch kehren, aber auch euch Zweiflern Strafen senden. Wehe denen, die diese Worte vernehmen und überhören; es wäre besser für sie, wenn sie nie geboren wären." - Da fragte ich sie nach den vier Farben, die das Tier auf seinem Kopfe trug. Sie antwortete mir: "Du bist wieder neugierig nach solchen Dingen. " "Ja, Herrin," antwortete ich, "tue mir kund, was sie bedeuten". "Höre", sprach sie. "Das Schwarze ist diese Welt, in der ihr wohnt; das Feuer- und Blutrote aber, daß diese Welt in Blut und Feuer untergehen muß. Die goldene Farbe bezieht sich auf euch, die ihr dieser Welt entflohen seid. Denn wie das Gold durch Feuer geprüft und tauglich wird, so werdet auch ihr geprüft, die ihr unter jenen wohnt. Und ihr alle, die ihr ausharrt und die Feuerprobe von ihnen erleidet, werdet rein werden. Wie das Gold seine Schlacke darangibt, so werdet auch ihr alle Trauer und Angst darangeben und werdet rein werden und brauchbar zum Bau des Turmes. Die weiße Farbe aber bedeutet die künftige Welt, in der die Auserwählten Gottes wohnen werden; denn fleckenlos und rein werden sein, die Gott erwählt hat zum ewigen Leben. Du aber höre nicht auf vor den Ohren der Heiligen zu reden. Nun kennt ihr auch das Bild der großen kommenden Drangsal. Wenn ihr aber wollt, wird sie ein Nichts sein. Denkt an das früher Aufgezeichnete!" Nach diesen Worten entfernte sie sich, ohne daß ich sehen konnte, nach welcher Seite sie wegging. Denn es entstand ein Getöse, und ich drehte mich voll Furcht um, weil ich glaubte, das Tier käme.
Die wichtigsten Ergebnisse der Analyse von Dibelius (S. 482ff.) und Peterson (8. 285ff.) seien kurz angemerkt. Daß die Heuschrecken nicht gedeutet werden und daß die Deutung der vier Farben künstlich ist - wie sollte das Unheilstier die Farben der Christen und der kommenden Welt tragen 1 -, macht deutlich, daß Hermas das Bild nicht selbst geschaffen, sondern übernommen hat. Dieses Bild und seine Gestalten sind apokalyptischer Herkunft: das Meerungeheuer ist der mythische Unhold, der seit der Schöpfung gefesselt ist und am WeItende freigelassen wird, die Heuschrecken sind eschatologische Plagen, die vier Farben, ursprünglich kosmische Farben, sind Kennzeichen apokalyptischer Gestalten (Apk. 6, 1 ff.). All das sind
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feste Züge im Bilde der künftigen Endzeit, die die ganze Menschheit bedrohen. In Vis. IV dienen sie aber keiner apokalyptischen Schilderung; sie werden enteschatologisiert und umgedeutet. Hermas "erblickt nicht ein Stück Endzeit auf visionäre .Art im voraus, sondern erlebt Endzeits-Erscheinungen bei einem Gang in der Nähe Roms als persönliche Bedrohung in der Gegenwart visionär ... Der eigentümliche Charakter der Tiervision erklärt sich also daraus, daß der Autor apokalyptische Schrecknisse individualisiert hat" (Dibelius, a. a. 0., S. 485). In solcher Modifikation meldet sich ein neues Daseinsverständnis zu Wort. "Diese Individualisierung entspricht der für jene Zeit bezeichnenden Umwandlung der christlichen Hoffnung: nicht das Schicksal der Menschheit am Ende der Tage, sondern das Schicksal des Einzelnen am Ende seines Lebens zieht das Interesse auf sich" (Dibelius, a.a.O., S. 486). Die Schilderung der Himmelswanderung des einzelnen Menschen wird mit Zügen des kosmischen Endschicksals ausgestattet. Dieses Beispiel zeigt besonders augenfällig, wie Hermas überliefertes Material umdeutet. Wie den apokalyptischen Stoff, so hat er auch die apokalyptische Form seinen Zwecken dienstbar gemacht. Die literarische Form der Apokalypse ist bei ihm nicht mehr der adäquate Ausdruck ihrer Aussage -, wie es noch bei der späten Paulusapokalypse der Fall ist. Man wird den Pastor Hermae nur im uneigentlichen Sinne der Gattung der Apokalypsen zurechnen dürfen und ihn als Pseudoapokalypse bezeichnen müssen. f) Tendenz. Die Tendenz des Buches ist durchweg paränetisch und auf die Buße gerichtet. Das geht nicht nur aus den Mandata und aus Sim. I-IV hervor, die überhaupt nur Paränese enthalten, sondern auch aus den übrigen Teilen; denn sie sind eindeutig paränetisch orientiert und haben die Buße zum Ziel, sei es, daß sie sie selbst (Sim. V) oder ihren Erfolg (Sim. VI-VIII) oder ihre Bedeutung für die Kirche (Vis. III, Sim. IX) veranschaulichen. Vis. Ir proklamiert diese Buße durch einen Himmelsbrief und Vis. I führt das Hauptthema ein. Es handelt sich bei der von Hermas propagierten Buße um die von Gott eröffnete Möglichkeit, daß Christen nach der Buße bei Bekehrung und Taufe noch ein letztes Mal Buße tun dürfen; diese Möglichkeit wird ihnen durch die Botschaft des Hermas angeboten. Hermas wird durch den Himmelsbrief beauftragt, die Möglichkeit der Christenbuße der Gemeinde kundzutun: Wenn du ihnen diese Worte kundgetan hast, die mir der Herr zur Offenbarung an dich auftrug, dann werden ihnen alle Sünden vergeben, die sie früher begangen haben, und ebenso allen Heiligen, die Sünde getan haben bis auf diesen Tag, wenn sie von ganzem Herzen Buße tun und allen Zweifel aus ihrem Herzen verbannen. Denn der Herr hat bei seiner Herrlichkeit diesen Schwur über seine Auserwählten getan: wenn nun, da dieser Tag festgesetzt ist, noch Sünde geschieht, so haben sie keine Rettung mehr. Denn die Bußfrist für die Gerechten nimmt ein Ende; abgelaufen sind die Tage der Buße für alle Heiligen; den Heiden aber steht die Buße frei bis zum jüngsten Tag. (Vis. II 2, 4f.).
Mit diesem Programm setzt sich Hermas von älteren christlichen Auffassungen ab, die nur die Bekehrungsbuße kannten (Hebr. 6, 4ff.; 10,26-31; 12, 16f.; l.Joh. 3,6). Die Christensünde war nie thematisch zum theologischen Problem geworden - obwohl die faktisch vorhandenen Sünden der Christen eine Theorie der Sündlosigkeit unmöglich machten - und damit auch nicht die Christenbuße; das war eine Folge der eschatologischen Naherwartung. Mit deren Nachlassen infolge des Weiterbestehens der Welt wurden Christensünde und Christenbuße zum Problem. 29*
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XV1. A polcalyptik de8 Urchri8tentums
Hermas ist sich der Neuheit seiner Lösung des Problems bewußt, mit der er von dem auch nach seiner Meinung im Grunde richtigen urchristlichen Radikalismus abweicht: Ich sagte: "Herr, ich habe von einigen Lehrern gehört, daß es keine andere Buße gebe als die von damals, da wir ins Wasser hinabstiegen und Vergebung unserer früheren Sünden empfingen." Er (der Hirt) antwortete mir: "Da hast du ganz recht gehört; so verhält es sich auch. Denn wer Vergebung der Sünden empfangen hatte, war verpflichtet, nicht mehr zu sündigen, sondern in Reinheit zu verharren. Da du aber so genau nach allem fragst, will ich dir auch dies offenbaren; nur will ich damit die künftigen Gläubigen oder die eben erst an den Herrn gläubig gewordenen nicht (zur Sünde) verleiten. Denn alle, die jetzt gläubig geworden sind oder es in Zukunft werden, haben keine Möglichkeit mehr für (künftige) Sünden Buße zu tun, wohl aber empfangen sie Vergebung ihrer früheren Sünden. Für alle aber, die vor dieser Zeit berufen sind, hat der Herr eine Buß(möglichkeit) festgesetzt. Denn der Herr, der Herzenskündiger, der alles voraussieht, wußte um die Schwachheit der Menschen und die Verschlagenheit des Teufels: daß er den Knechten Gottes Böses antun würde und Schlimmes gegen sie verüben. Da erbarmte sich der Herr, der barmherzige, seines Geschöpfes und setzte diese Buße fest -, und mir ward die Vollstreckung dieser Buße übertragen. Aber ich sage (nun) auch", sprach er: "Wenn jemand nach jener großen und heiligen Berufung durch des Teufels Versuchung in Sünde fällt, so gibt es eine Buße für ihn; wenn er aber immer wieder sündigt und Buße tut, so nützt sie solchen Menschen nichts mehr; denn er wird schwerlich zum Leben gelangen." Da sprach ich zu ihm: "Ich lebe wieder auf, seitdem ich dies so genau von dir gehört habe. Denn nun weiß ich, daß ich gerettet werde, wenn ich meinen Sünden keine weiteren hinzufüge." "Du wirst gerettet werden", sagte er, "und alle, wenn sie dies tun." (Mand. IV 3). Man wird in der Befristung der Buße einen Nachklang der eschatologischen Naherwartung zu sehen haben; Gott vergönnt den Seinen "eine letzte Gnadenstunde" (Dibelius). Hermas begründet die Dehnung der Zeit Mand. IV. 3, 5 mit der Barmherzigkeit Gottes, wie der ungefähr gleichzeitige 2. Petr. (3, 9) mit seiner Langmut. Aber das Eschatologische ist ins Ethische umgedeutet (der ursprünglich das Ende bezeichnende "Tag" z.B. ist nach Vis. II 2, M. der Bußtermin der Botschaft des Hermas). Hermas ist sich seines Gegensatzes zur früheren Eschatologie ebenso bewußt wie zur früheren Bußtheorie und -praxis. Er läßt das Verhältnis der kommenden großen Trübsal zum Ende absichtlich im Unklaren. Wie seine Bußtheorie eine Folge des Ausbleibens des WeItendes, der Dehnung der Zeit ist, so verlängert er die Bußfrist: die Veröffentlichung des Himmelsbriefes wird verzögert (Vis. II 4, 2f.), und es wird ausdrücklich von einer "Pause" im Turmbau der Kirche gesprochen (Sim. IX 5, 1; 14,2): "Um euretwillen ist der Bau unterbrochen worden. Wenn ihr nicht eilig Gutes tut, so wird der Turm vollendet, und ihr werdet ausgeschlossen werden" (Sim. X 4, 4). Wie wenig lebendig diese theoretisch festgehaltene Naherwartung ist, geht aus Vis. III 8, 9f. hervor, einer Stelle, die die Frage nach dem Ende als Torheit abweist und den Frager auf die "Erinnerung" und die "Erneuerung des Geistes", die Buße, hinweist: Ich fragte sie auch wegen des Zeitpunktes, ob das Ende schon da sei. Da rief sie mit lauter Stimme: "Du törichter Mensch, siehst du nicht, daß am Turm noch gebaut wird? Erst wenn der Turmbau vollendet sein wird, ist das Ende da. Aber bald wird er fertig werden. Frage mich nichts mehr. Dir und den Heiligen sei's genug mit dieser Erinnerung und der Erneuerung eures Geistes. Aber es ward nicht für dich allein offenbart, sondern damit du es allen kundtust .... "
1. Einleitung
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Hier wird die Situation des Hermas sehr deutlich: das traditionelle Motiv der Naherwartung und das aktuelle Problem des Lebens der Christen in der weiterbestehenden Welt sowie der Kirche als corpus permixtum stoßen aufeinander; er rettet sich aus dieser Kollision mit seiner Theorie und Botschaft von der einmaligen befristeten Christenbuße. Das Problem, das ihn beschäftigt, ist nicht das ausgebliebene WeItende, sondern das Verhältnis von idealer und empirischer Kirche; die letztere muß gereinigt und auf diese Weise vollendet werden -, die Deutung des Gleichnisses vom Unkraut unter dem Weizen (Mt. 13, 36ff.) hat in der Allegorie vom Turmbau (Vis. III, Sim. IX) eine breite kasuistische Weiterführung gefunden (vgl. auch die Allegorie vom Weidenbaum Sim. VIII). Erst wenn ideale und empirische Kirche sich decken, "erst wenn der Turmbau vollendet sein wird, ist das Ende da" (Vis. III 8, 9). g) Die Bedeutung der Form. Die Bedeutung der Form wird verständlich, wenn man des Hermas Situation und Programm bedenkt, dessen Gegensatz zu den früheren rigorosen Auffassungen ihm bewußt war. "Eine Durchbrechung der radikalen Forderungen ist ... überhaupt nur möglich, wenn Gott selbst den Anstoß dazu gibt" (Dibelius, a.a.O., S. 511). Daher wird die Möglichkeit einer einmaligen Buße nach der Taufe erst in Form eines Himmelsbriefes proklamiert und dann von dem Hirten, dem "Engel der Buße", programmatisch wiederholt. Daher die apokalyptische Form des Buches überhaupt; sie soll ihm Offenbarungscharakter, d.h. den in ihm erhobenen Forderungen göttliche Autorität verleihen, eine Autorität, die der Verfasser von sich aus nicht beanspruchen kann. h) Verfasser; Ort und Zeit der Abfassung. Der Verfasser ist kein Apokalyptiker, da er keine Enthüllungen über das WeItende oder das Jenseits bringt. Er ist auch kein Prophet, da ihn die angebliche Aufnahme des "alten prophetischen Bußrufs" noch nicht als solchen qualifiziert (gegenWeinel, Apokr. 2, S. 327f.) und da die urchristlichen Propheten keine apokalyptische Literatur hervorbrachten (auch wenn sich der Apokalyptiker J ohannes zu den Propheten rechnete; s. o. S. 439); vergleiche auch die Schilderung des falschen und wahren Prophetentums (Mand. XI). Hermas mag Visionär gewesen sein und seine Erleuchtung über die Möglichkeit einer einmaligen Christenbuße in einem ekstatischen Zustand empfangen haben; vor allem aber war er in der Vorstellungswelt der Apokalyptik und der Zauberpapyri, vielleicht auch in der einschlägigen Literatur bewandert; jedenfalls verstand er es, dieses Material seinen Zwecken entsprechend zu formen. Dieser Nachweis der stark traditionellen Elemente im Hermas buch ist von D i be li us und Pe te r s 0 n überzeugend erbracht worden; die Versuche R. van Deemters und A. V. Ströms, den Verfasser als echten apokalyptischen Visionär, zudem noch eines bestimmten psychologischen Typs, zu erweisen, haben wider Willen jenen Nachweis nur bestätigt. Es ist umstritten, ob und wieweit man den zahlreichen autobiographischen Notizen des Hermas über sich und seine Familie trauen kann. Nach Abzug dessen, was an diesen Notizen typologisch gemeint sein kann (vgl. Dibelius, a.a. 0., S.419f. und passim), scheint Hermas ein kleiner Geschäftsmann in Rom gewesen zu sein. Der Oanon Muratori behauptet, er sei der Bruder des damaligen römischen Bischofs Pius gewesen (Z. 73ff., vgl. Bd.I, S.20); ebenso der Oatalogus Liberianus (A.Harnack, Chronologie, I, S.145) und der Liber Pontijicalis (Dibelius, a.a.O.). Man hat diese Angaben in Zweifel gezogen, weil der Canon Muratori die Kanonizität des "Hirten" mit einer offensichtlich tendenziösen Spätdatierung bestreitet (Hermas habe das Buch "ganz vor kurzem in unseren Tagen ... verfaßt, als auf dem Thron der Kirche
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XVI. Apokalyptik des Urchristentums
der Stadt Rom der Bischof Pius, sein Bruder, saß"). E. Peterson deklariert diese Notiz als "falsche Zuschreibung", und diese als "eine bestimmte Form der Schulpolemik" in den Kreisen der römischen "Lehrer" des 3.Jh.s an den von der Kirche überkommenen Apokalypsen. Aber polemisch ist lediglich die Datierung: das junge Alter des "Hirten" macht ihn für den gottesdienstlichen Gebrauch ungeeignet; die Person seines Verfassers bleibt unangetastet. Daß diese spezielle Datierung des Buches in die Amtszeit des Pius die Verwandtschaft des Autors mit dem römischen Bischof - richtiger wohl Presbyter - nicht ausschließt, hat Dibelius gezeigt (a.a.O. S. 42lf.). Man wird also dieser Behauptung trauen dürfen. Peterson, der das ganze Buch von Rom trennen will, sieht in Hermas einen palästinischen Judenchristen und in seinem "Haus" eine chaburah judenchristlicher Asketen. Aber gegen diesen und ähnliche Versuche muß man die methodologischen Bedenken geltend machen, die Dibelius schon 1923 erhoben hat: "Die starken Berührungen des Buches mit jüdischer Tradition auf judenchristliehe Herkunft des Verf. zu deuten, besteht kein Anlaß. Usuelle Semitismen auf Grund von Bibellektüre, jüdische Kultformeln und jüdische Paränese werden von der Kirche des II.Jh.s in solchem Umfang als Erbe übernommen, daß man nicht jeden Verwalter des Erbes für einen Verwandten des Erblassers erklären darf" (a.a.O. S.423). Die Abfassung des Buches dürfte nach inneren Kriterien in das dritte, höchstens in das vierte Jahrzehnt des zweiten Jahrhunderts fallen (Dibelius, a.a.O. S.422; WeineI, a.a. O. S. 331; ähnlich Molland, RGG3, III, Sp. 242).
2. DIE HIMMELFAHRT DE S JE SAJA
(J. Flemming-H. Duensing) EINLEITUNG - 1. ZUSAMMENSETZUNG; ABFASSUNGSZEIT. Die folgende Schrift fällt in zwei inhaltlich verschiedene Stücke auseinander: Kap. 1-5, welche das Martyrium des Jesaja erzählen, und Kap. 6-11, welche eine Himmelfahrt oder Vision des Propheten schildern. Beide Teile sind auch in sich nicht einheitlich. Im ersten Teil bildet 3, 13-5, 1 einen Fremdkörper, im zweiten 11, 2-22. Daß letzterer auszuscheiden ist, wird dadurch bestätigt, daß dieser Abschnitt in der 1522 zuerst veröffentlichten lateinischen sowie in den drei slavischen Übersetzungen fehlt, die Zerlegung des Ganzen in die beiden disparaten Teile dadurch, daß in den genannten Übersetzungen nur die Vision überliefert ist. Im ersten Teil ist das erste Kapitel nicht aus einem Guß. Mindestens sind die Verse 2b bis 5a und der Hauptteil von Vers 13 auszuscheiden, andernfalls müsste man mit Dillmann und anderen das ganze erste Kapitel als später vorgesetzt betrachten. Das im ersten Teil erzählte Martyrium ist eine jüdische Schrift aus nicht sicher bestimmbarer Zeit, deren Stoff im ersten christlichen Jahrhundert nach Hebr. 11, 37 bekannt war. - Die Vision, welche die Auffahrt des Jesaja durch die sieben Himmel und die Offenbarung der kommenden Erlösung durch Christus schildert, mag aus dem 2.Jh. n. Chr. stammen. Christliche Produkte sind auch die übrigen oben ausgeschiedenen Stücke. Entgegen dieser bis dahin fast allgemein angenommenen Anschauung von der Komposition des Ganzen setzten sich F. C. Burkitt (Jewish and Christian Apocalypses, 1914) und Vacher Burch (Journal of Theol. Studies 21, 1920, 249ff.) für Einheitlichkeit der Schrift, abgesehen von der Interpolation in Kap. 11, ein. 2. ÜBERLIEFERUNG; AUSGABEN. Einzelne Teile oder Bruchstücke des Werkes sind in griechischer, aItslavischer und koptischer Sprache vorhanden, das Ganze ist nur in äthiopischer Übersetzung auf uns gekommen. Ausgaben des äthiopischen Textes von dem Engländer R. Laurence, 1819, A. Dillmann, 1877, R.H. Charles, The Ascension of Isaiah,
2. Die Himmelfahrt des Jesaja
455
London 1900 (mit vielen Konjekturen). Druck des lateinischen Textes der Vision c. 6-11 zu Venedig 1522, wiederholt von Gieseler 1832; der Bruchstücke c. 2, 14-3, 13 und 7, 1-19 nach einer altlateinischen Übersetzung durch A. Mai 1828; diese Texte auch bei Dillmann, CharIes und Tisserant. Die Stücke 2,14-3,13 und 7,1-19 finden sich in lateinischer Form bei Migne PL 13, Sp. 629 und 630. Von c. 6-11 sind drei slavische Versionen vorhanden. Fragmente aus Kap. 3,3-6; 9-12 und aus Kap. 11,24-31; 35-40 im sahidischen sowie aus Kap. 7, 12-15; 8, 16f.; 9, 9-11; 10,9-11 im achmimischen Dialekt des Koptischen sind von Lefort im Museon 1938 und 1939 herausgegeben worden, weitere Bruchstücke von Lacau ebenda 1946 S. 453-467, nämlich die Stücke 1, 1-5; 3, 25-28; 5, 7-8; 6, 7-11; (7,10 bis 15); 7, 28-32; (8, 16f.; 9, 9-11); 9, 28-30; (10,9-11); 10, 17; 11, 14-16; (11,35-37). Die eingeklammerten Stücke hatte schon Lefort herausgegeben (s.o.). Ein griechisches Bruchstück c. 2, 4-4, 4 gaben Grenfell und Hunt 1900 in The Amherst Papyri 1 heraus, und O. v. Gebhardt veröffentlichte eine griechische Umarbeitung der ganzen Ascensio zu einer christlichen Heiligenlegende, wiederholt von CharIes und von Tisserant, Ascension d'Isaie, Paris 1909, ins Französische übersetzt; hier S. 42-61. 79-83 und bei Schürer 3, S. 386-393 die näheren Literaturnachweise. Englische Übersetzung bei CharIes a.a.O. und bei G.H. Box 1919 (vgl. M. Dibelius, ThLZ 47, 1922, Sp. 544); dänische Übersetzung des Martyrium des Jesaja von E. Hammershaimb in: De Gammeltestamentlige Pseudepigrafer, Heft 3, Kopenhagen, Oslo, Lund 1958, S. 303-315. Zu den Beziehungen zwischen der Himmelfahrt des Jesaja und der Sekte vom Toten Meer vgl. D. Flusser, The Apocryphal Book of Ascensio Isaiae and the Dead Sea Sect in: Israel Exploration Journal (Jerusalem) 3, 1953, 30-47. (Vorher schon in: Bulletin of the Isra.el Exploration Society, 1952,28-46, in hebräischer Sprache).
Die Himmelfahrt des Propheten Jesaja 1 1. Es geschah im 26. (Kopt.: 16) Jahre der Herrschaft Hiskias, des Königs von Juda, da berief er den Manasse seinen Sohn, denn er war der einzige, den er hatte. 2. Und er berief ihn in Gegenwart des Propheten Jesaja, des Sohnes des Amoz und in Gegenwart Jasubs, des Sohnes des Jesaja, um ihm die Worte der Gerechtigkeit (Wahrheit?) zu überliefern, die er, der König, selbst gesehen hatte!, 3. und die ewigen Gerichte und die Strafen der Hölle und des Fürsten dieser Welt und seiner Engel, Herrschaften und Mächte, 4. und die Worte des Glaubens an den Geliebten, den er selbst gesehen hatte im 15. Jahre seiner Herrschaft während seiner Krankheit. 5. Und er überlieferte ihm die aufgezeichneten Worte, die Sebna, der Schreiber, geschrieben hatte, und auch das, was ihm samt den Propheten Jesaja, der Sohn des Amoz, übergeben hatte, daß sie es aufschreiben und bei ihm niederlegen sollten, was er selbst im Hause des Königs über das Gericht der Engel und über die Vernichtung dieser Welt und über die Kleider der Gerechten und über den Ausgang, die Verwandlung, Verfolgung und Himmelfahrt des Geliebten gesehen hatte. 6. Und im 20. Jahre der Herrschaft Hiskias hatte Jesaja die Worte dieser Weissagung gesehen und sie seinem Sohne J asub überliefert. Und während jener Befehl gab im Beisein J asubs, des Sohnes J esajas, 7. sagte J esaja zum König Hiskia, aber nicht in Gegenwart Manasses allein sagte er zu ihm: So wahr der Herr lebt, dessen Name nicht in diese Welt gesandt worden ist, und so wahr der Geliebte meines Herrn lebt und so wahr der Geist lebt, der in mir redet: alle diese Befehle und diese Worte werden keine Geltung haben bei deinem Sohne Manasse, und durch die Freveltat seiner Hände werde ich unter Martern meines Leibes dahingehen. 1
Jes. 7, 3.
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XVI. Apokalyptik de8 Urchri8tentums
8. Und Sammael MaIkira wird dem Manasse dienen und allen seinen Willen tun, und er wird mehr Beliars als mein Nachfolger sein. 9. Und viele in Jerusalem und Juda wird er vom wahren Glauben abtrünnig machen und Beliar wird in Manasse wohnen und durch seine Hand werde ich zersägt werden. 10. Und als Hiskia dieses Wort hörte, weinte er sehr heftig, zerriß seine Kleider, warf Staub auf sein Haupt und fiel auf sein Angesicht. 11. Und Jesaja sprach zu ihm: Der Plan Sammaels gegen Manasse ist (schon) abgemacht, nichts wird dir helfen. 12. An jenem Tage erwog Hiskia bei sich, seinen Sohn Manasse zu töten. 13. Aber J esaja sprach zu Hiskia: Der Geliebte wird deinen Plan vereiteln, und die Gedanken deines Herzens werden nicht geschehen, denn mit dieser Berufung bin ich berufen worden, und am Erbe des Geliebten soll ich mein Erbteil haben. 2 1. Und nachdem Hiskia gestorben und Manasse König geworden war, gedachte er nicht mehr der Gebote seines Vaters Hiskia, sondern vergaß sie, und Sammael ließ sich auf Manasse nieder und klammerte sich fest an ihn. 2. Und Manasse hörte auf, dem Gotte seines Vaters zu dienen, und diente dem Satan und seinen Engeln und Mächten. 3. Und er machte das Haus seines Vaters, nämlich die, welche unter den Augen Hiskias gewesen waren, abtrünnig (von) den Worten der Weisheit und dem Gottesdienst. 4. Auch änderte Manasse seinen Sinn, so daß er ein Diener Beliars wurde, denn der Fürst der Ungerechtigkeit, der diese Welt beherrscht, ist Beliar, dessen Name Matanbukus ist. Dieser hatte seine Freude in Jerusalem an Manasse und er bestärkte ihn in der Verführung zum Abfall und in der Ungerechtigkeit, die in Jerusalem verbreitet war. 5. Und es nahm zu die Zauberei, die Beschwörungskunst, das Wahrsagen aus dem Vogelflug, die Zeichendeutung, die Hurerei, [der Ehebruch] und die Verfolgung der Gerechten durch Manasse, [Belchira,] Tobia den Kanaaniter, Johannes von Anathot und (Zadok) den Oberaufseher der Arbeiten. 6. Der Rest der Erzählung ist in dem Buche der Könige von Juda und Israel aufgezeichnet!. 7. Und als Jesaja, der Sohn des Amoz, das Unrecht sah, das in Jerusalem geschah, den Dienst des Satans und seine Possen, zog er sich aus Jerusalem zurück und ließ sich in Bethlehem-Juda nieder. 8. Aber auch da war viel Ungerechtigkeit; und indem er auch aus Bethlehem sich zurückzog, ließ er sich auf einem Berge in wüster Umgebung nieder. 9. Und der Prophet Micha und Anania, der Alte, und J oel, Habakuk und J asub, sein Sohn, und viele Gläubige, die an die Himmelfahrt glaubten, zogen sich zurück und ließen sich auf dem Berge nieder. 10. Alle legten einen Sack um und alle waren Propheten, die nichts bei sich hatten, sondern sie waren nackt und trauerten tief über den Abfall Israels. 11. Und sie hatten nichts zu essen als wilde Kräuter, die sie auf den Bergen sammelten und, nachdem sie sie gekocht hatten, mit dem Propheten Jesaja zusammen verspeisten. Und so brachten sie zwei Jahre Zeit auf den Bergen und Hügeln zu. 12. Und darnach, als sie sich in der Wüste befanden, trat ein Mann auf in Samarien mit Namen Belchira aus dem Geschlecht Zedekias, des Sohnes Kenaans, eines Lügenpropheten, der seinen Wohnsitz in Bethlehem hatte - und Hiskia, der Sohn Kananis, der Bruder seines Vaters, war in den Tagen Ahabs, des Königs von Israel, der Lehrer der 400 Baalspropheten, und er (d. i. Zedekia) schlug und beschimpfte den Propheten Micha, den Sohn Jimlas. 13. Und er, Micha, war (auch) von Ahab beschimpft und in das Gefängnis geworfen worden. (Und er war) mit dem (Lügen)propheten Zedekia zusammen. Es befanden sich bei Ahasja, dem Sohne Ahabs (1), in Sa1
2. Kön. 21, 17; 2. Chron. 33, 18.
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2. Die Himmelfahrt des Jesaja
marien (?) ... 14. Aber Elia, der Prophet aus Thisbe in Gilead, schalt den Ahasja und Samarien, und weissagte über Ahasja, daß er auf dem Krankenlager sterben und daß Samarien in die Hand Salmanassars gegeben werden würde, weil er die Propheten Gottes getötet habe. 15. Und als die Lügenpropheten, die sich bei Ahasja, dem Sohne Ahabs, befanden, und ihr Lehrer Jallarias vom Gebirge Joel (Israel?) es hörten, -16. er (d. i. Jallarias) [Belchira] war ja ein Bruder des Zedekia-, als sie es hörten, überredeten sie den Ahasja, König von Gomorrha, und (töteten) den Micha. 3 1. Belchira aber erfuhr und sah den Aufenthaltsort J esajas und der Propheten, die um ihn waren, denn er hauste in der Gegend von Bethlehem; und hing dem Manasse an. Und er trat als falscher Prophet in Jerusalem auf, und viele aus Jerusalem schlossen sich mit ihm zusammen, obwohl er aus Samarien war. 2. Und es geschah, als Salmanassar, der König von Assyrien, kam, Samarien gefangen fortführte und die neun (und ein halb) Stämme in die Gefangenschaft führte und sie fortschleppte in die Berge der Meder und an den Fluß Gozan, 3. da entkam dieser, noch ein Jüngling, und gelangte in den Tagen Hiskias, des Königs von Juda, nach Jerusalem; aber er wandelte nicht auf den Wegen seines Vaters, des Samaritaners, denn er fürchtete den Hiskia. 4. Und man traf ihn an in den Tagen Hiskias, wie er gottlose Reden in Jerusalem hielt. 5. Da klagten ihn die Diener Hiskias an, und er entfloh in die Gegend von Bethlehem. Und sie überredeten (Sah. u. Äth.: er überredete) ... 6. Und Belchira klagte den Jesaja und die Propheten, die bei ihm waren, an, indem er sprach: Jesaja und seine Genossen weissagen gegen Jerusalem und gegen die Städte Judas, daß sie verwüstet werden sollen, (und gegen die Kinder Judas) und Benjamins, daß sie in die Gefangenschaft wandern sollen, und auch gegen dich, 0 Herr König, daß du mit Haken und eisernen Ketten (gebunden) dahin gehen sollst!; 7. aber sie weissagen Lügenworte über Israel und Juda. 8. Und Jesaja selbst hat gesagt: Ich sehe mehr als der Prophet Moses. 9. Moses hat zwar gesagt: Es gibt keinen, der Gott schaute und am Leben blieb, Jesaja aber hat gesagt: Ich habe Gott geschaut, und siehe, ich lebe!2 10. Erkenne doch, 0 König, daß er ein Lügner ist. Und weiter hat er J erusalem Sodom genannt und die Fürsten von Juda und Jerusalem für Volk Gomorrhas erklärt 3. Und er klagte in vielen Dingen Jesaja und die Propheten bei Manasse an. 11. Aber Beliar hatte sich eingenistet im Herzen Manasses und im Herzen der Fürsten Judas und Benjamins, der Eunuchen und Ratgeber des Königs. 12. Und die Rede Belchiras gefiel ihm [gar sehr], und er schickte und ließ den Jesaja ergreifen. 13. Denn Beliar hegte großen Zorn auf Jesaja wegen des Gesichtes und wegen der Enthüllung, durch die er Sammael enthüllt hatte, und daß durch ihn die Ankunft des Geliebten aus dem siebenten Himmel offenbart worden war, und seine Verwandlung und sein Hinabsteigen und seine Gestalt, in die er verwandelt werden sollte, nämlich in Menschengestalt, und die Verfolgungen, die er erleiden sollte, und die Martern, mit denen die Kinder Israels ihn martern sollten, und [das Kommen] der zwölf Jünger [und die] Unterweisung, [und daß er vor dem Sabbat am Holze gekreuzigt werden sollte,] und daß er mit Übeltätern zusammen gekreuzigt werden sollte und daß er in einem Grabe begraben werden würde 14. und daß die Zwölf, die bei ihm waren, an ihm Anstoß nehmen würden, und die Bewachung durch die Wächter des Grabes; 15. und das Hinabsteigen des Engels der Kirche, die in 1
Vgl. 2. ehron. 33. 11.
12. MOB. 33,20; Jes. 6,5.
• JeB. 1,10.
458
XVI. Apokalyptik des Urchristentums
den Himmeln ist, den er rufen wird in den letzten Tagen, 16. und daß der Engel des Heiligen Geistes und Michael, der Oberste der heiligen Engel, am dritten Tage sein Grab öffnen werden, 17. und daß der Geliebte auf ihren Schultern sitzend hervortreten und seine zwölf Jünger aussenden wird, 18. und daß sie alle Völker und alle Zungen die Auferstehung des Geliebten lehren werden, und daß die, welche an sein Kreuz glauben, werden gerettet werden, und an seine Auffahrt in den siebenten Himmel, woher er gekommen ist; 19. und daß viele, die an ihn glauben, in (der Kraft) des heiligen Geistes reden werden, 20. und daß viele Zeichen und Wunder geschehen werden in jenen Tagen. 21. Und darnach, wenn er nahe ist, werden seine Jünger die Lehre der zwölf Apostel und den Glauben, ihre Liebe und ihre Reinheit verlassen, 22. und es wird viel Streit entstehen über [seine Ankunft und] sein Nahesein. 23. Und in jenen Tagen wird es viele geben, die das Amt lieben, obwohl sie der Weisheit bar sind, 24. und viele Älteste werden ungerecht und gewalttätige Hirten ihrer Schafe sein, und sie werden zu Räubern (an den Schafen) werden, weil sie keine heiligen Hirten fanden. 25. Und viele werden die Herrlichkeit des Kleides der Heiligen mit dem Kleid des Habgierigen vertauschen, und Rücksichtnahme auf die Person wird in jenen Tagen oft vorkommen und solche, welche die Ehre dieser Welt lieben. 26. Und es wird viel Lästerung und Ruhmredigkeit geben beim Nahen des Herrn, und der Heilige Geist wird sich von vielen zurückziehen. 27. Und in jenen Tagen wird es nicht viele Propheten geben, noch solche, welche Gewisses reden, außer einigen hier und dort 28. wegen des Geistes des Irrtums, der Hurerei, der Ruhmredigkeit und der Habgier, die in denen sein wird, die doch Diener jenes genannt werden und die ihn aufnehmen. 29. Und es wird unter ihnen große Zwietracht entstehen, zwischen Hirten und Ältesten untereinander. 30. Denn große Eifersucht wird in den letzten Tagen herrschen, denn jeder wird reden, was in seinen Augen wohlgefällig scheint. 31. Und sie werden die Weissagungen der Propheten, die vor mir waren, beiseite lassen und sich auch um diese meine Gesichte nicht kümmern, um (aus dem) Schwall ihres Herzens (heraus) zu reden. 41. Und nun Hiskia und Jasub, mein Sohn, das sind die Tage der Vollendungn) der Welt. 2. Und nachdem es mit ihr zu Ende gekommen ist, wird Beliar, der große Fürst, der König dieser Welt, der sie beherrscht hat, seit sie besteht, herabkommen, und er wird aus seinem Firmament herabsteigen in der Gestalt eines Menschen, eines ungerechten Königs, eines Muttermörders, was eben dieser König ist, - 3. die Pflanzung, die die zwölf Apostel des Geliebten gepflanzt haben, wird er verfolgen, und von den Zwölfen wird einer in seine Hand gegeben werden. - 4. Dieser Herrscher (also) wird in der Gestalt jenes Königs kommen, und es werden mit ihm alle Mächte dieser Welt kommen und sie werden ihm in allem gehorchen, was er will. 5. Auf sein Wort wird die Sonne in der Nacht aufgehen, und er wird bewirken, daß der Mond in der sechsten Stunde erscheint. 6. Alles was er will, wird er in der Welt tun, er wird tun und reden in der Weise des Geliebten und sagen: Ich bin Gott und vor mir hat es keinen gegeben. 7. Und alle Menschen in der Welt werden an ihn glauben 8. und werden ihm opfern und ihm dienen, indem sie sagen: Das ist Gott, und außer ihm gibt es keinen andern. 9. Und der größte Teil derer, die sich vereinigt haben, um den Geliebten zu empfangen, wird sich ihm zuwenden. 10. Und die Kraft seiner Wunder wird sich in den Städten und Ländern zeigen, 11. und er wird sein Bild vor sich aufstellen in allen Städten 12. und wird drei Jahre, sieben Monate und siebenundzwanzig Tage herrschen. 13. Und die vielen Gläubigen und
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2. Die Himmelfahrt des J esaja
Heiligen, nachdem sie gesehen haben, den sie erhofften, Je.sum Christum, den Gekreuzigten - nachdem ich, Jesaja, ihn gesehen habe, der gekreuzigt worden und aufgefahren ist, - die also gläubig wurden an ihn: (nur) wenige von ihnen werden in jenen Tagen als seine Diener übrigbleiben, von Wüste zu Wüste fliehend und seine Ankunft erwartend 1. 14. Und nach <eintausend)dreihundertundzweiunddreißig Tagen wird der Herr mit seinen Engeln und mit den Heerscharen der Heiligen aus dem siebenten Himmel kommen mit der Herrlichkeit des siebenten Himmels und wird Beliar samt seinen Heerscharen in die Gehenna schleppen 2 15. und er wird den Frommen, die er in dieser Welt in Leibesleben finden wird, Ruhe bringen [und die Sonne wird schamrot werdenJ3 16. und alle, die um des Glaubens an ihn willen Beliar und seine Könige verflucht haben. Die Heiligen aber werden mit dem Herrn kommen, mit ihren Kleidern, die oben im siebenten Himmel niedergelegt sind; mit dem Herrn werden die kommen, deren Geister bekleidet sind, sie werden herabsteigen und in der Welt sein, und es wird stärken, die im Leibe angetroffen werden, das Bild der Heiligen in den Kleidern der Heiligen, und der Herr wird denen, die in dieser Welt wachsam gewesen sind, dienen 4. 17. Und darnach werden sie sich in ihren Kleidern aufwärts wenden, aber ihr Leib wird in der Welt zurückbleiben. 18. Dann wird die Stimme des Geliebten im Zorn diesen Himmel und dieses Trockene (= diese Erde) schelten und die Berge und Hügel, die Städte, die Wüste und die Bäume, den Engel der Sonne und den Mond und alles, wo Beliar sich zeigt und offen handelt in dieser Welt, und Auferstehung und Gericht wird unter ihnen in jenen Tagen stattfinden, und der Geliebte wird Feuer von sich auffahren lassen und es wird alle Gottlosen verzehren und sie werden sein, als wären sie nicht geschaffen. 19. Und der Rest der Worte des Gesichts ist aufgezeichnet im Gesicht über BabyIon 0. 20. Und der Rest des Gesichts des Herrn, siehe er ist in Gleichnissen aufgezeichnet in meinen Worten, in dem, was in das Buch geschrieben ist, das ich offen verkündet habe. 21. Und auch das Hinuntersteigen des Geliebten in das Totenreich, es ist aufgezeichnet in dem Abschnitt, wo der Herr spricht: Siehe, mein Knecht ist verständig 6 • Und siehe, dieses alles steht geschrieben [in den Psalmen] in den Sprüchen Davids, des Sohnes Isais, in den Sprüchen seines Sohnes Salomo, in den Reden Korahs und Ethans, des Israeliten, und in den Reden Asaphs und in den übrigen Psalmen, die der Engel des Geistes hat reden lassen, 22. bei denen, deren Name nicht verzeichnet ist, und in den Reden des Amoz, meines Vaters, und des Propheten Hosea und Micha, Joel, Nahum, Jona, Obadia, Habakuk, Haggai, Zephanja, Sacharja und Maleachi und in den Reden Josephs, des Gerechten, und in den Reden Daniels. 5 1. Dieser Gesichte wegen nun ergrimmte Beliar über Jesaja und er nahm Platz im Herzen Manasses, und [man] zersägte den Jesaja mit einer Baumsäge. 2. Und während Jesaja zersägt wurde, stand sein Ankläger Belchira und alle Lügenpropheten dabei, indem sie lachten und ihre Schadenfreude über Jesaja äußerten. 3. Und Belchira stand auf Veranlassung des Mekembekus vor J esaja, ihn verlachend. 4. Da sagte Belchira zuJesaja: Sprich: Alles, was ich geredet habe, habe ich gelogen; die Wege Manasses sind gut und recht, 5. auch die Wege Belchiras und seiner Genossen sind gut. 6. Dies sprach er zu ihm, als man anfing, ihn zu zersägen. 7. Aber Jesaja 1 4
Vgl. 1. Kor. 1,7. Vgl. Lk. 12,37.
• Vgl. 2. Thess. 1, 7ft". S Vgl. Jes. 13, 1 LXX.
• Vgl. Jes. 24,23. 6 Jes. 52, 13 LXX.
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XVI. Apokalyptik des Urchristentums
(war versunken) in ein Gesicht des Herrn, und obwohl seine Augen aufgetan waren, sah er sie nicht. 8. Und Belchira sprach also zuJesaja: Sprich, was ich dir vorsagen werde, so will ich ihren Sinn ändern und Manasse und die Fürsten Judas und das Volk und ganz Jerusalem dahin bringen, daß sie dich (kniefällig) verehren. 9. Da antwortete Jesaja und sprach: Soweit es - sozusagen - von mir abhängt, verwünscht und verflucht seist du, alle deine Mächte und dein ganzes Haus, 10. denn du kannst nicht mehr als die Haut meines Fleisches nehmen. 11. Da ergriffen und zersägten sie Jesaja, den Sohn des Amoz, mit einer Baumsäge. 12. Und Manasse, Belchira, die Lügenpropheten, die Fürsten, das Volk: alle standen dabei und sahen zu. 13. Und den Propheten, die bei ihm waren, sagte er, bevor er zersägt wurde: Geht in die Gegend von Tyrus und Sidon, denn mir allein hat Gott den Becher gemischt. 14. Aber Jesaja schrie nicht und weinte nicht, als er zersägt wurde, sondern sein Mund redete mit dem Heiligen Geiste, bis er in zwei Stücke zersägt worden war. 15. Das tat Beliar dem Jesaja durch Belchira und Manasse, denn Sammael hegte gewaltigen Zorn auf Jesaja seit den Tagen Hiskias, des Königs von Juda, um der Dinge willen, die er in betreff des Geliebten geschaut hatte, 16. und wegen der Vernichtung Sammaels, die er durch den Herrn gesehen hatte, als noch sein Vater Hiskia König war. Und er handelte nach dem Willen Satans. Das Gesicht, welches Jesaja, der Sohn des Amoz, sah
6 1. Im zwanzigsten Jahre der Herrschaft Hiskias, des Königs von Juda, kamen Jesaja, der Sohn des Amoz, und Jasub, der Sohn Jesajas, von Gilgal nach Jerusalem zu Hiskia. 2. Und (nachdem er (Jesaja) eingetreten war,) setzte er sich auf das Bett des Königs, und (obwohl) man ihm einen Sessel brachte, wollte er sich nicht darauf niederlassen. 3. Da fing J esaja an, mit dem König Hiskia Worte des Glaubens und der Gerechtigkeit zu reden, während alle Fürsten Israels (herum) saßen samt den Eunuchen und Räten des Königs. Und es waren daselbst 40 Propheten und Prophetensöhne, die waren aus den Nachbarbezirken, aus den Bergen und von den Feldern gekommen, als sie hörten, Jesaja würde aus Gilgal zu Hiskia kommen. 4. Und sie waren gekommen, ihn zu begrüßen und seine Reden zu hören, 5. und daß er seine Hand auf sie legen sollte und daß sie weissagten und er ihre Weissagung höre; und sie alle waren vor Jesaja. 6. Dann redete Jesaja mit Hiskia Worte der Wahrheit und des Glaubens, und alle hörten [die Tür, die (jemand) geöffnet hatte, und] die Stimme des Geistes. 7. Da rief der König alle Propheten und das ganze Volk, das sich daselbst vorfand, und sie kamen (herein) und Micha und Anania, der Alte, und J oel und J asub setzten sich zu seiner Rechten (und zu seiner Linken). 8. Und es geschah, als sie alle die Stimme des Heiligen Geistes hörten, fielen sie alle anbetend auf ihre Knie und priesen Gott der Gerechtigkeit, den Höchsten in der höchsten Welt, der als Heiliger hoch oben seinen Sitz hat und unter den Heiligen ruht!, 9. und sie gaben Ehre dem, der so(lch) eine Tür (Slav.: Vortrefflichkeit der Worte) in der fremden Welt verliehen hat, einem Menschen verliehen hat. 10. Und während er durch den Heiligen Geist redete, indem alle zuhörten, schwieg er (plötzlich) still, und sein Bewußtsein ward von ihm genommen, und er sah die Männer nicht (mehr), die vor ihm standen; 11. und seine Augen waren geöffnet, aber sein Mund war stumm, und das Bewußtsein seiner Körperlichkeit war von ihm genommen, 12. aber sein Odem war (noch) in ihm, denn er sah ein Gesicht. 1
Vgl. Jes. 57, 15 nach LXX.
2. Die Himmelfahrt des Jesaja
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13. Und der Engel, der entsandt war, ihn schauen zu lassen, gehörte nicht zu diesem Firmament und nicht zu den Engeln der Herrlichkeit dieser Welt, sondern er war aus dem siebenten Himmel gekommen. 14. Und das Volk, welches herumstand, mit Ausnahme des Kreises der Propheten, meinte (nicht), daß der heilige Jesaja hinaufgenommen sei. 15. Und das Gesicht, das er sah, war nicht von dieser Welt, sondern aus der Welt, die (allem) Fleisch verborgen ist. 16. Und nachdem Jesaja dieses Gesicht geschaut hatte, teilte er es dem Hiskia, seinem Sohne Jasub und den übrigen Propheten, die gekommen waren, mit. 17. Aber die Obersten, die Eunuchen und das Volk hörten nicht zu, mit Ausnahme von Sebna, dem Schreiber, Jojakim und Asaph, dem Chronisten, denn die waren Täter der Gerechtigkeit, und der Wohlgeruch des Geistes war in ihnen. Das Volk aber hörte nicht zu, denn Micha und Jasub, sein Sohn, hatten es hinaustreten lassen, als das Wissen um diese Welt ihm genommen und er wie ein Toter war. 7 1. Das Gesicht aber, welches Jesaja gesehen hatte, erzählte er dem Hiskia, seinem Sohne Jasub, dem Micha und den übrigen Propheten und sprach: 2. In diesem Zustande, als ich weissagte, nach dem Gehörten, das ihr gehört habt, sah ich einen hehren Engel, und er glich nicht der Herrlichkeit der Engel, die ich (sonst) immer zu sehen pflegte, sondern er besaß große Herrlichkeit und Würde, so daß ich die Herrlichkeit dieses Engels nicht beschreiben kann. 3. Und als er mich bei meiner Hand gefaßt hatte, sah ich (Slav.: führte er mich empor); und ich sprach zu ihm: Wer bist du, und wie ist dein Name, und wohin führst du mich aufwärts? Denn mir war die Macht verliehen worden, mit ihm zu reden. 4. Und er sprach zu mir: Wenn ich dich stufenweise aufwärts geführt haben werde und dir das Gesicht, zu dem ich gesandt worden bin, gezeigt haben werde, dann wirst du erkennen, wer ich bin; 5. aber meinen Namen wirst du nicht erfahren, denn du mußt in diesen deinen Leib zurückkehren. Wohin ich dich aber emportragen werde, wirst du sehen, denn dazu bin ich gesandt worden. 6. Und ich freute mich, daß er freundlich mit mir redete. 7. Und er sprach zu mir: Freust du dich, daß ich freundlich mit dir geredet habe? - und er sprach weiter - aber du wirst einen sehen, der größer ist als ich, wie er freundlich und ruhig mit dir reden wird; 8. und auch den Vater dessen, der größer ist, wirst du sehen, denn dazu bin ich aus dem siebenten Himmel gesandt worden, um dir Licht zu bringen in dies alles. 9. Und wir stiegen hinauf zum Firmament, ich und er, und daselbst sah ich den Sammael und seine Heerscharen, und ein großer Kampf fand gegen ihn statt, und die Engel (so LI) Satans waren aufeinander neidisch. 10. Und so wie droben, also ist es auch auf der Erde, denn das Abbild dessen, was in dem Firmament ist, ist hier auf Erden. 11. Und ich sprach zu dem Engel: (Was ist's mit diesem Kampf) und 'Vas ist's mit diesem Neide? 12. Und er sprach zu mir: So geht es, seitdem diese Welt besteht, bis jetzt, und dieser Kampf (wird dauern), bis der kommen wird, den du sehen sollst, und ihn (Satan) vernichten wird. 13. Und darnach brachte er mich hinauf über das Firmament, das ist der (erste) Himmel. 14. Und daselbst sah ich in der Mitte einen Thron, und rechts und links davon waren Engel. 15. Aber (die Engel zur Linken) waren nicht gleich den Engeln, die zur Rechten standen, sondern die zur Rechten stehenden besaßen eine größere Herrlichkeit; und sie lobsangen alle mit einer Stimme, und ein Thron war in der Mitte; und in derselben Weise lobsangen auch die zur Linken nach ihnen, aber ihre Stimme war nicht wie die Stimme derer zur Rechten, und ihr Lobgesang nicht wie der Lobgesang jener. 16. Und ich fragte den Engel, der mich führte, und sprach zu ihm: Wem wird dieser Lobgesang gesandt? 17. Und
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XVI. Apokalyptik de8 Urchristentums
er sprach zu mir: (Er ist) zum Preise <dessen, der im) siebenten Himmel ist, für den, der unter den Heiligen
2. Die Himmelfahrt des Jesaia
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8 1. Und wiederum hob er mich empor in den Luftkreis des sechsten Himmels, und ich sah daselbst eine Herrlichkeit, wie ich sie im fünften Himmel nicht gesehen hatte, 2. als ich aufstieg, nämlich Engel in großer Herrlichkeit, 3. und daselbst war ein heiliger und wunderbarer Lobgesang. 4. Und ich sprach zu dem Engel, der mich führte: Was ist das, was ich sehe, mein Herr1 5. Und er sprach: Ich bin nicht dein Herr, sondern dein Genosse. 6. Und ich fragte abermals und sprach zu ihm: Warum sind die Engel nicht (mehr) paarweis1 7. Und er sprach: Vom sechsten Himmel an und aufwärts gibt es nunmehr keine zur Linken und keinen Thron in der Mitte stehend, sondern von der Kraft des siebenten Himmels, wo der Unnennbare sitzt, und sein Auserwählter, dessen Name unergründbar ist, und dessen Namen alle Himmel nicht erfahren können, (empfangen sie ihre Ordnung), 8. denn er allein ist es, auf dessen Stimme alle Himmel und Throne Antwort geben. Ich bin also ermächtigt und gesandt worden, um dich hier hinaufzubringen, daß du diese Herrlichkeit sehest, 9. und sehest den Herrn aller jener Himmel und dieser Throne 10. sich verwandeln, bis er euer Aussehen und eure Gestalt bekommt. 11. Ich sage dir aber, Jesaja, daß keiner, der in einen Leib dieser Welt zurückkehren muß, aufgestiegen ist und gesehen und wahrgenommen hat, was du wahrgenommen hast und was du (noch) sehen sollst, 12. denn dir ist es bestimmt nach dem Lose des Herrn [, dem Lose des (Kreuz)holzes,] hierherzukommen [, und von hier kommt die Kraft des sechsten Himmels und des Luftkreises ]. 13. Und ich erhob mit Lobpreisung meinen Herrn, daß ich nach seinem Lose hierher kommen würde. 14. Und er sprach: Höre nun noch dies von deinem Genossen: wenn du aus dem Leibe nach dem Willen Gottes als Geist hier hinaufgestiegen bist, dann wirst du das Kleid empfangen, das du sehen wirst, und auch die andern Kleider, gezählt und beiseite gelegt, wirst du sehen, 15. und dann wirst du den Engeln im siebenten Himmel gleichen. 16. Und er brachte mich hinauf in den sechsten Himmel, da gab es keine zur Linken und keinen Thron in der Mitte, sondern alle hatten ein Aussehen und ihr Lobgesang war der gleiche. 17. Und mir war (Macht) gegeben, und ich lobsang mit ihnen, und auch jener Engel, und unser Lobgesang war wie der ihrige. 18. Und daselbst nannten alle den ersten Vater und seinen Geliebten Christus und den Heiligen Geist, alle mit einer Stimme, 19. und sie war nicht wie die Stimme der Engel im fünften Himmel, 20. und nicht wie ihre Rede, sondern eine andere Stimme erscholl daselbst, und viel Licht war daselbst. 21. Und dann, als ich im sechsten Himmel war, hielt ich für Finsternis jenes Licht, das ich in den fünf Himmeln gesehen hatte. 22. Und ich freute mich und pries den, der solches Licht denen, die seine Verheißung erwarten, geschenkt hat. 23. Und ich flehte den Engel, der mich führte, an, daß er mich von nun an nicht mehr in die Welt des Fleisches zurückführen solle. 24. Ich sage euch aber, Hiskia und Jasub, mein Sohn, und Micha, daß viel Finsternis hier ist. 25. Und der Engel, der mich führte, fühlte, was ich dachte, und sprach: Wenn du dich schon über dieses Licht freust, wie vielmehr, wenn im siebenten Himmel du das Licht sehen wirst, wo Gott und sein Geliebter ist, woher ich gesandt worden bin, [der in der Welt Sohn genannt werden soll. 26. Noch nicht ist er offenbart worden, der in der verderbten Welt sein soll I, und die Kleider und Throne und Kronen, die für die Gerechten zurückgelegt sind, für die, welche an jenen Herrn glauben, der in eurer Gestalt herabkommen wird. Denn das Licht daselbst ist groß und wunderbar. 27. Was aber deinen (Wunsch,) nicht in das Fleisch zurückzukehren, betrifft, so sind deine Tage noch nicht erfüllt, daß du hierherkommen könntest. 28. Als ich das hörte, wurde ich traurig; er aber sprach: Sei nicht traurig.
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XVI. Apokalyptik d€1J Urchristentums
9 1. Und er trug mich in den Luftkreis des siebenten Himmels, und ich hörte nochmals eine Stimme, die sprach: Bis wieweit soll er hinaufsteigen, der bei Fremden wohnt?, und ich fürchtete mich und begann zu zittern. 2. Und als ich zitterte, siehe da kam eine andere Stimme von da gesandt und sprach: Es sei dem heiligen Jesaja erlaubt, bis hierher aufzusteigen, denn hier ist sein Kleid. 3. Und ich fragte den Engel, der mit mir war, und sprach: Wer ist jener, der mir verbot, und wer ist dieser, der mir erlaubte aufzusteigen? 4. Und er sprach zu mir: Der (es) dir verbot, ist der, welcher über die Lobgesänge des sechsten Himmels (gesetzt ist), 5. und der dir Erlaubnis gab, ist dein Herr, Gott, der Herr Christus, der auf Erden Jesus genannt werden soll, aber seinen Namen kannst du nicht hören, bis du aufsteigen wirst aus diesem Leibe. 6. Und er ließ mich aufsteigen in den siebenten Himmel, und daselbst sah ich ein wunderbares Licht und Engel ohne Zahl. 7. Und daselbst sah ich alle Gerechten von Adam an, 8. und daselbst sah ich den heiligen Abel und alle Gerechten. 9. Und daselbst sah ich Henoch und alle, die mit ihm waren, entkleidet des fleischlichen Gewandes, und ich sah sie in ihren höheren Gewändern, und sie waren wie die Engel, die daselbst in großer Herrlichkeit stehen. 10. Aber auf ihren Thronen saßen sie nicht, noch waren die Kronen ihrer Herrlichkeit auf ihrem Haupte. 11. Und ich fragte den Engel, der mit mir war: Wie kommt es, daß sie wohl ihre Kleider empfangen haben, aber ohne ihre Throne und ihre Kronen sind? 12. Und er sprach zu mir: Die Kronen und Throne der Herrlichkeit haben sie jetzt nicht empfangen, (sondern) erst, wenn der Geliebte hinabsteigen wird in der Gestalt, in der du ihn herabsteigen sehen wirst -; 13. es wird nämlich in den letzten Tagen der Herr, der Christus genannt werden soll, in die Welt hinabsteigen. - Aber dennoch sehen sie die Throne und wissen, wem von ihnen sie gehören werden und wem die Kronen gehören werden, nachdem er hinabgestiegen und euch an Aussehen gleich geworden sein wird, und man meinen wird, er wäre Fleisch und ein Mensch. 14. Und der Gott jener Welt wird die Hand gegen seinen Sohn ausstrecken, und sie werden Hand an ihn legen und ihn kreuzigen am Holze, ohne zu wissen, wer es ist. 15. Und so wird sein Herabkommen, wie du sehen wirst, den Himmeln verborgen sein, so daß unbemerkt bleibt, wer es ist. 16. Und wenn er dem Engel des Todes die Beute genommen haben wird, wird er am dritten Tage aufsteigen und wird in jener Welt 545 Tage bleiben, 17. und dann werden viele von den Gerechten mit ihm aufsteigen, deren Geister die Kleider nicht empfangen, bis der Herr Christus aufsteigen wird, und sie mit ihm aufsteigen. 18. Dann also werden sie [ihre Kleider und] ihre Throne und Kronen empfangen, wenn jener in den siebenten Himmel aufgestiegen sein wird. 19. Und ich sprach zu ihm: Wonach ich dich schon im dritten Himmel fragte: 20. zeige mir (Ath. dafür: und er sprach zu mir), wie das, was in jener Welt geschieht, hier bekannt wird. 21. Und während ich noch mit ihm redete, siehe da (kam) einer von den Engeln, die umherstanden, herrlicher als die Herrlichkeit jenes Engels, der mich aus der Welt heraufgebracht hatte. 22. Und er zeigte mir Bücher [aber nicht wie Bücher dieser Welt], und er öffnete sie, und die Bücher waren geschrieben, aber nicht wie Bücher dieser Welt. Und er gab sie mir, und ich las sie, und siehe, die Taten der Kinder Israels waren darin aufgezeichnet, und die Taten solcher, die ich (Ath.: du) nicht (fehlt in Ath.) kenne (Ath.: kennst), mein Sohn Jasub. 23. Und ich sprach: Wahrhaftig, es ist nichts verborgen im siebenten Hi=el von dem, was in dieser Welt geschieht. 24. Und ich sah daselbst viele Kleider niedergelegt und viele Throne und viele Kronen. 25. Und ich sprach zu dem Engel, der mich führte: Wem gehören
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diese Kleider und Throne und Kronen? 26. Und er sprach zu mir: Diese Kleider sollen viele aus jener Welt empfangen, wenn sie glauben an die Worte jenes, der, wie ich dir gesagt habe, genannt werden soll, und sie halten und daran glauben und an sein Kreuz glauben. Für sie sind sie niedergelegt. 27. Und ich sah einen dastehen, dessen Herrlichkeit alles überragte, und seine Herrlichkeit war groß und wunderbar. 28. Und nachdem ich ihn erblickt hatte, kamen alle Gerechten, die ich sah, und alle Engel, die ich sah, zu ihm, und Adam, Abel und Seth und alle Gerechten traten zunächst heran, beteten ihn an und priesen ihn alle mit einer Stimme, und auch ich lobsang mit ihnen und mein Lobgesang war wie der ihrige. 29. Und dann traten alle Engel heran, beteten und lobsangen. 30. Und ich wandelte mich (Äth.: er wandelte sich) (wiederum) und wurde wie ein Engel. 31. Da sprach der Engel, der mich führte, zu mir: Den bete an! und ich betete an und lobsang. 32. Und der Engel sprach zu mir: Es ist der Herr aller Herrlichkeit, den du gesehen hast. 33. Und während er (der Engel) noch redete, sah ich einen andern Herrlichen, der ihm glich, und die Gerechten traten zu ihm heran, beteten an und lobsangen, und auch ich lobsang mit ihnen, aber meine Herrlichkeit wandelte sich nicht nach ihrem Aussehen. 34. Und darnach traten die Engel heran und beteten an. 35. Und ich sah den Herrn und den zweiten Engel, und sie standen, der andere aber, den ich gesehen hatte, war zur Linken meines Herrn. 36. Und ich fragte: Wer ist dieser? und er sprach zu mir: Bete ihn an, denn dieser ist der Engel des Heiligen Geistes, der durch dich und die andern Gerechten redet (Äth.: geredet hat). 37. Und ich schaute die große Herrlichkeit, indem die Augen meines Geistes geöffnet wurden, und ich vermochte darnach nicht zu sehen, noch der Engel, der mit mir war, noch alle Engel, die ich meinen Herrn hatte anbeten sehen. 38. Aber die Gerechten sah ich mit großer Kraft die Herrlichkeit jenes schauen. 39. Da trat mein Herr zu mir, und der Engel des Geistes und sprach: Siehe, wie dir gegeben ist, Gott zu schauen, und um deinetwillen ist dem Engel bei dir Macht gegeben worden. 40. Und ich sah, wie mein Herr anbetete und der Engel des Heiligen Geistes und wie beide zusammen Gott priesen. 41. Und darnach traten alle Gerechten heran und beteten an, 42. und die Engel traten heran und beteten an, und alle Engel lobsangen. 10 1. Und darnach hörte ich die Stimmen und Lobgesänge, die ich in jedem einzelnen der sechs Himmel hatte aufsteigen hören (und die) hier (vernehmbar waren). 2. Und sie wurden alle jenem Herrlichen geschickt, dessen Herrlichkeit ich nicht sehen konnte. 3. Und ich selbst hörte und sah den Lobgesang für ihn. 4. Und der Herr und der Engel des Geistes hörten alles und sahen alles. 5. Und alle Lobgesänge, die aus den sechs Himmeln gesandt wurden, wurden nicht allein gehört, sondern sie waren auch sichtbar. 6. Und ich hörte den Engel, der mich führte, wie er sprach: Das ist der Höchste der Hohen, der in der heiligen Welt wohnt und unter den Heiligen ruht, der von dem Heiligen Geiste durch den Mund der Gerechten Vater des Herrn genannt werden soll. 7. Und ich hörte die Worte des Höchsten, des Vaters meines Herrn, wie er zu meinem Herrn Christus, der J esus genannt werden soll, sprach: 8. Geh und steige hinab durch alle Himmel und steige hinab zum Firmamente und zu dieser Welt, bis zum Engel im Totenreich, aber bis zur Hölle sollst du nicht gehen. 9. Und du sollst gleich werden dem Bilde aller, die in den fünf Himmeln sind, 10. und der Gestalt der Engel im Firmament wirst du mit Sorgfalt gleichen und auch den Engeln, die im Totenreich sind. 11. Und keiner von den Engeln dieser Welt wird erkennen, daß du mit mir zusammen der Herr der sieben Himmel und ihrer Engel bist. 12. Und sie werden nicht erkennen, daß du 30 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
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XVI. Apokalyptik des Urchristentums
zu mir gehörst, bis ich mit der Stimme der Himmel ihre Engel und ihre Lichter rufen und die gewaltige Stimme zum sechsten Himmel hin erschallen lassen werde, daß du richten und vernichten sollst den Fürsten und seine Engel und die Götter dieser Welt, und die Welt, die von ihnen regiert wird, 13. denn sie haben mich verleugnet und gesagt: Wir allein und außer uns niemand. 14. Und dann wirst du von den Engeln des Todes zu deinem Platze aufsteigen und dich nicht verwandeln in jedem Himmel, sondern in Herrlichkeit wirst du aufsteigen und zu meiner Rechten sitzen. 15. Und dann werden dich die Fürsten und Mächte dieser Welt anbeten. 16. Das hörte ich die große Herrlichkeit meinem Herrn befehlen. 17. Und darnach sah ich, als mein Herr aus dem siebenten Himmel in den sechsten Himmel heraustrat. 18. Und der Engel, der mich führte [aus dieser Welt, war bei mir und] sprach: Merke auf, Jesaja, und schau, daß du die Verwandlung des Herrn und sein Hinabsteigen siehst. 19. Und ich schaute, und als die Engel ihn dann sahen, die im sechsten Himmel sind, priesen und lobten sie ihn, denn er war noch nicht verwandelt in die Gestalt der Engel daselbst, und sie priesen ihn, und auch ich pries mit ihnen. 20. Und ich sah, als er in den fünften Himmel hinabstieg und im fünften Himmel das Aussehen der Engel daselbst annahm, und sie priesen ihn nicht, denn sein Aussehen war wie das ihrige. 21. Und alsbald stieg er in den vierten Himmel hinab und nahm das Aussehen der Engel daselbst an, 22. und als sie ihn sahen, priesen und lobten sie ihn nicht, denn sein Aussehen war wie das ihrige. 23. Und wiederum sah ich, als er in den dritten Himmel hinabstieg und das Aussehen der Engel im dritten Himmel annahm. 24. Und die Hüter an der Pforte des Himmels verlangten das Losungswort, und der Herr gab es ihnen, um nicht erkannt zu werden, und als sie ihn sahen, priesen und lobten sie ihn nicht, denn sein Aussehen war wie das ihrige. 25. Und wiederum sah ich, als er in den zweiten Himmel hinabstieg, und abermals gab er daselbst das Losungswort, denn die Türhüter verlangten es, und der Herr gab es. 26. Und ich sah, wie er die Gestalt der Engel im zweiten Himmel annahm und sie ihn sahen und nicht priesen, weil sein Aussehen wie das ihrige war. 27. Und abermals sah ich, wie er in den ersten Himmel hinabstieg und auch daselbst das Losungswort den Türhütern gab und das Aussehen der Engel annahm, die zur Linken jenes Thrones sind, und wie sie ihn nicht priesen und lobten, weil sein Aussehen wie das ihrige war. 28. Mich aber fragte niemand wegen des Engels, der mich führte. 29. Und weiterhin stieg er hinab in das Firmament, wo der Fürst dieser Welt wohnt, und er gab das Losungswort denen zur Linken, und sein Aussehen war wie das ihrige, und sie priesen ihn nicht daselbst, sondern sie bekämpften einander aus Neid, denn daselbst herrscht die Macht des Bösen und Neid um das Geringste. 30. Und ich sah, als er hinabstieg und den Engeln der Luft gleich wurde und er war wie einer von ihnen. 31. Und er gab kein Losungswort, denn einer beraubte und vergewaltigte den andern. 11 1. Und darnach schaute ich, und der Engel, der mit mir redete, welcher mich führte, sprach zu mir: Merke auf, Jesaja, Sohn des Amoz, denn dazu bin ich von Gott gesandt. 2. Und ich sah aus dem Geschlechte Davids, des Propheten, ein Weib mit Namen Maria, die war eine Jungfrau, und einem Manne mit Namen Joseph verlobt!, einem Zimmermann, und auch er war aus dem Samen und dem Geschlechte des gerechten David aus Bethlehem in Juda. 3. Und er kam zu seinem Anteil. Und als sie verlobt war,fand es sich, daß sie schwanger war, und J oseph, der Zimmer1
Lk. 1,27.
2. Die Himmelfahrt des Jesaja
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mann, wollte sie verlassen. 4. Aber der Engel des Geistes erschien in dieser Welt, und darnach verließ J oseph Maria nicht, sondern bewahrte sie; er offenbarte aber niemand diese Angelegenheit!. 5. Und er nahte sich nicht Maria, sondern bewahrte sie wie eine heilige, wenn auch schwangere, Jungfrau. 6. Und er wohnte (noch) nicht zwei Monate mit ihr. 7. Und nach zwei Monaten an Tagen, als Joseph in seinem Hause war und Maria sein Weib, jedoch beide allein, 8. da geschah es, während sie allein waren, daß Maria alsbald mit ihren Augen hinschaute und ein kleines Kind sah, und sie war bestürzt. 9. Und als die Bestürzung gewichen war, wurde ihr Mutterleib wie zuvor befunden, ehe sie schwanger war. 10. Und als ihr Mann J oseph zu ihr sagte: Was macht dich bestürzt1 wurden seine Augen geöffnet, und er sah das Kind und pries Gott, daß der Herr zu seinem Anteil gekommen sei. 11. Und eine Stimme kam zu ihnen: Erzählt dieses Gesicht niemand. 12. Aber das Gerücht über das Kind verbreitete sich in Bethlehem. 13. Einige sagten: Die Jungfrau Maria hat geboren, bevor sie zwei Monate verheiratet war, 14. und viele sagten: Sie hat nicht geboren, und die Wehmutter ist nicht (zu ihr) hinaufgegangen, und wir haben keinen Schmerzensschrei gehört. Und sie waren alle im Dunkel über ihn, alle wußten von ihm, aber keiner wußte, woher er war. 15. Und sie nahmen ihn und kamen nach Nazareth in Galiläa 2• 16. Und ich sah, 0 Hiskia und mein Sohn Jasub, und erkläre vor den übrigen Propheten, die (hier) stehen, daß er allen Himmeln und allen Fürsten und jedem Gott dieser Welt verborgen war. 17. Und ich sah: er sog in Nazareth die Brust wie ein Säugling und wie es Sitte war, um nicht erkannt zu werden. 18. Und als er herangewachsen war, tat er große Zeichen und Wunder im Lande Israel und in J erusalem. 19. Und darnach wurde der Widersacher neidisch auf ihn und reizte die Kinder Israels gegen ihn auf, indem sie nicht wußten, wer er war, und überlieferten ihn dem Könige und kreuzigten ihn, und er stieg hinab zum Engel (der Unterwelt). 20. In Jerusalem nämlich sah ich, wie sie ihn kreuzigten am Holze, 21. und auch wie er nach drei Tagen auferstand und (noch manche) Tage blieb. 22. Und der Engel, der mich führte, sprach zu mir: Merke auf, Jesaja! Und ich sah, als er seine zwölf Jünger aussandte und auffuhr. 23. Und ich sah ihn, und er war im Firmament, aber er hatte sich nicht verwandelt in ihre Gestalt, und alle Engel des Firmamentes und Satan sahen ihn und beteten ihn an. 24. Und es erhob sich daselbst große Trauer, indem sie sprachen: Wie ist unser Herr herabgekommen über uns, und wir merkten nicht die Herrlichkeit, [die über ihm war], die, wie wir sehen, sich über ihm befand vom sechsten Himmel her1 25. Und er stieg auf in den zweiten Himmel und verwandelte sich nicht, sondern alle Engel zur Rechten und zur Linken und der Thron in der Mitte 26. beteten ihn an und priesen ihn und sprachen: Wie ist unser Herr uns verborgen geblieben, als er hinabstieg, und wir merkten nichts 1 27. Und ebenso stieg er auf zum dritten Himmel, und sie lobsangen und sprachen in gleicher Weise, 28. und in dem vierten und fünften Himmel sprachen sie genau ebenso, 29. es war vielmehr ein Lobgesang und (auch) darnach verwandelte er sich nicht. 30. Und ich sah, als er in den sechsten Himmel aufgestiegen war, und sie ihn anbeteten und ihn priesen, 31. aber in allen Himmeln wuchs die Lobpreisung. 32. Und ich sah ihn, wie er in den siebenten Himmel aufstieg und alle Gerechten und alle Engel ihn priesen. Und alsbald sah ich, wie er zur Rechten jener großen Herrlichkeit sich niedersetzte, deren Herrlichkeit ich, wie ich euch sagte, nicht zu schauen vermochte. 33. Und auch den Engel 1
SO*
Mt. 1, 18-20.
• Mt. 2, 23; Lk. 2, 39.
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XV1. A polcalyptik des Urchristentums
des Heiligen Geistes sah ich zur Linken sitzen. 34. Und dieser Engel sprach zu mir: Jesaja, Sohn des Amoz, es ist genug für dich, denn das sind gewaltige Dinge, du hast ja geschaut, was kein Fleischgeborener sonst geschaut hat, 35. und du wirst in dein Kleid zurückkehren, bis deine Tage erfüllt sind; dann wirst du hierher kommen. Dies habe ich gesehen. 36. Und Jesaja erzählte es allen, die vor ihm standen, und sie lobsangen. Und er redete mit dem König Hiskia und sprach: Solches habe ich geredet, 37. und das Ende dieser Welt 38. und dieses ganze Gesicht wird sich erfüllen im letzten Geschlecht. 39. Und Jesaja ließ ihn schwören, daß er dies dem Volke Israel nicht erzählen würde, noch irgendeinem Menschen gestattet würde, die Worte niederzuschreiben. 40. (Soweit ihr vom Könige vernehmen werdet, was in den Propheten gesagt ist), soweit sollt ihr es lesen. Und auch ihr sollt im Heiligen Geiste sein, damit ihr eure Kleider und die Throne und Kronen der Herrlichkeit, die im siebenten Himmel aufbewahrt werden, empfangt. 41. Wegen dieser Gesichte und Weissagungen zersägte Sammael Satan durch die Hand Manasses den Propheten J esaja, den Sohn des Amoz. 42. Und dieses alles überlieferte Hiskia dem Manasse im 26. Jahre. 43. Aber Manasse dachte nicht daran und nahm es nicht zu Herzen, sondern nachdem er dem Satan untertan geworden war, ging er zugrunde. Hier ist zu Ende das Gesicht des Propheten Jesaja samt seiner Himmelfahrt.
3. OFFENBARUNG DES PETRUS
(Oh. Maurer; Übersetzung des äthiopischen Textes durch H. Duensing) 1. TEXTÜ:BERLIEFERUNG. Der Text der Petrusoffenbarung ist seit 1887 in einem griechisch geschriebenen Fragment und seit 1910 in einer äthiopischen Ubersetzung bekannt. Der griechische Text geht auf den Fund von Akhmim (Oberägypten) zurück, welcher aus dem Grabe eines christlichen Mönches die Petrusoffenbarung zusammen mit dem Fragment des Petrusevangeliums und dem griechischen Henochbuch zu Tage förderte. Die Handschrift liegt in Kairo. Die in allen drei Schriften gleiche Hand hat im 8./9.Jh. gearbeitet. Der Text der Petrusoffenbarung, der nicht ganz die Hälfte des ursprünglichen Buches umfaßt, ist durch Harnack in 34 Verse eingeteilt worden. Trotz mangelnder Überschrift stand die Identität sofort fest. Denn V. 26 stimmt mit einem Zitat überein, welches Clemens von Alexandria (eclog. 41,2) aus der Petrusapokalypse gibt. Schon A. Dillmann (NGA 1858) und P. de Lagarde (Mitteilungen IV, 1891) hatten auf die ausgedehnte äthiopische Übersetzung des Corpus Clementinum, welche als ganze ins 7./8.Jh. zu setzen ist, verwiesen. E. Bratke hatte dort bewußt nach der Petrusoffenbarung gesucht (ZwTh 36,1893, S. 454-493), doch ohne Erfolg. Sylvain Grebaut veröffentlichte 1907/10 in der Revue de I'Orient chretien aus der Sammlung vonA. d'Abadie die Handschrift Nr. 51, enthaltend einige Traktate dieser Literatur, und gab eine französische Übersetzung dazu. Sofort erkannte der englische Apokryphenforscher M.R. James, daß darin die Petrusapokalypse enthalten sei. Sein Aufsatz, der alle Probleme des neuen Fundes behandelt, ist heute noch wegleitend (JThSt, 1910/11). H. Duensing schuf dazu in der ZNW 14,1913, S.65ff. eine deutsche Übersetzung. In Anlehnung an die Sinnabschnitte bei Grebaut teilte H. Weinel in Apokr. 2 den Text in 17 Kapitel ein. Neben dem Akhmimfragment und der äthiopischen Übersetzung existieren noch zwei kleine griechische Fragmente: Dasjenige aus der Bodleiana, enthaltend griechisch V. 33-34, stammt aus dem 5.Jh. und wurde 1894/95 in Ägypten aufgekauft. Das andere liegt in der Rainersehen Sammlung in Wien, stammt vielleicht aus dem 3./4.Jh. und gibt Kp. 14 wieder. James (JThSt, 1931, S. 278) sieht beide Fragmente als Teile derselben Handschrift an.
3. Offenbarung des Petrus
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An Väterzitaten sind zu nennen: Theophilus von Antiochien (ad Autolycum H, 19) spielt um 180 auf die Petrusoffenbarung (Akhmimfragm. V. 15) an, Clemens von Alexandria (t vor 215) zitiert zweimal Kp. 8, Methodius von Olymp (t 3U) einmal Kp. 8, Makarios von Magnesia (um 400) je einmal Kp. 4 und 5. - Als laufenden Text bieten wir unten die Übersetzung des Äthiopiers durch H. Duensing (nach ZNW 1913 mit eigenhändigen Verbesserungen Duensings), in der Kolonne rechts daneben erscheint die Übersetzung des Akhmimtextes. Die Väterzitate stehen in den Anmerkungen. Mit der unsrigen nicht zu verwechseln ist die gnostische Petrusapokalypse, welche mit weiterer gnostischer Literatur im Jahre 1946 bei Nag-Hammadi gefunden wurde und sich im koptischen Museum in Kairo befindet (siehe S. IH). Ebenfalls finden sich keine Berührungspunkte mit der aus dem Arabischen übersetzten sog. Petrusapokalypse (A. Mingana: The Apocalypse of Peter, edited and translated, Woodbrooke Studies 3,2, Cambridge, 1931; Rezensiert durch M.R. James, JThSt 33,1932, S. 3Uff.). 2. ENTSTEHUNGSZEIT UND VERBREITUNG. Da Olemens von Alexandria die Offenbarung als eine Schrift des Apostels Petrus nennt (Eusebius, hist. eccl. VI, 14, I), ist die Entstehungszeit mindestens in die erste Hälfte des 2.Jb.s zu setzen. Den terminus a quo bilden das wahrscheinlich verwendete, um 100 n. Ohr. entstandene 4. Buch Esra (vgl. 4. Esr. 5, 33 mit Kp. 3), sowie der zweite Petrusbrief, dessen Priorität F. Spitta bewiesen hat. Wenn das Feigenbanmgleichnis in Kp. 2 zum ursprünglichen Bestande gehört und auf den christenfeindlichen Juden Bar Kochba zu beziehen wäre (WeineI), so würden wir in die Zeit um 135 gelangen. Die widerspruchslose Anerkennung durch Olemens sowie der Hinweis auf die ägyptische Tierverehrung in Kp. 10 (sofern es sich nicht um einen späteren Einschub handelt!) könnten auf Ägypten als Entstehungsort hinweisen. Trotz des Mißtrauens, das ihr in kirchlichen Kreisen begegnete, hat die Petrusoffenbarung sowohl im Westen wie im Osten weite Verbreitung gefunden. Im Osten rechnet sie Methodius noch zu den inspirierten Schriften, die Stichometrie des Nikephorus zählt sie zu den Antilegomena, während Makarios und Eusebius (hist. eccl. IH, 3, 25) sie unter die unechten Schriften verweisen. Doch wird sie weit herum gelesen, vor allem wohl in Ägypten, von wo aus sie den Weg ins Arabische und Äthiopische gefunden haben mag, dann auch in Palästina, wo Sozomenos noch im 5.Jh. die regelmäßige öffentliche Vorlesung erwähnt (hist. eccl. VII, 19). Im Westen bringt sie der Kanon Muratori unter den widersprochenen Schriften. Ferner ist sie verwertet in einer lateinischen Predigt aus dem 4.Jh. (vgl. James, JThSt, 19U, S. 383 zum MS aus Epinal). Über weitere indirekte Zeugnisse aus dem Westen vergleiche Harnack, TU 13, 1895, S. 7lff. 3. DAS PROBLEM DER BEIDEN TEXTE. Welcher Text, derjenige des Akhmimfragmente8 oder der äthiopi8chen Übersetzung, steht der ursprünglichen Petrusoffenbarung näher? Neben etlichen sprachlichen Differenzen, die sich aus der Tatsache erklären, daß der Äth. eine zum Teil fehlerhafte Übersetzung darstellt, sind folgende Unterschiede da: 1. Der Umfang des ganzen Berichtes ist nach Äth. fast dreimal so groß wie derjenige des Akhm. - 2. Beim Inhalt der parallelen Stücke ist, mehr als dies bisher beachtet wurde, ein beträchtlicher Unterschied zwischen der Schilderung der Hölle und derjenigen des Himmels festzustellen. In der ersteren stimmen die beiden Fassungen sachlich weitgehend überein. Allerdings bricht Akhm. mitten in der Schilderung ab und läßt auch mitten in seinem Text ein Stück vermissen (vgl. Kap. 8 bund U ff.). Große Unterschiede zeigen sich in der Paradiesdarstellung. Der Äthiopier redet, genau genommen, nur in Kap. 14 vom Ort der Erwählten. Kap 15f. hingegen, in einem neuen Einsatz, wird die Verklärungsgeschichte mit dem Auftreten des Mose und des Elia sowie der übrigen at.lichen Gerechten erzählt, wobei Jesus hinzufügt, daß seine Jünger zu gleicher Ehre und Herrlichkeit gelangen werden. Im Akhm. findet sich keine Parallele zu Äth. Kap. 14, hingegen ist die Verklärungsgeschichte zu einer eigentlichen Paradiesschilderung geworden, wobei die ausdrückliche Bitte der Jünger um die Schau der abgeschiedenen Gerechten und deren Welt sowie die Ausführlichkeit der entsprechenden
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XVI. Apokalyptik des Urchristentums
Schilderung auffallen. - 3. Die Form der Darstellung ist zwar im Bericht über die Welt der Gerechten in beiden Fassungen gleich. Petrus berichtet in der Vergangenheitsform über die Schau, welche Jesus auf dem heiligen Berge vermittelt hat. Die griechische Fassung stellt die Schilderung der Hölle in den gleichen Rahmen, die äthiopische Überlieferung aber gibt diese Darstellung als eine Zukunftsweissagung des Herrn. - 4. Die Reihenfolge der Schilderungen ist hier und dort umgekehrt. Im Zusammenhang mit der Weissagung Christi über seine Wiederkunft, über Totenauferstehung und letztes Gericht bringt Ath. zuerst die Höllenschilderung, dann erst als zweites die Verklärungsgeschichte. Der Akhm. hingegen hat die umgekehrte Reihenfolge. In Weiterführung der Vermutung Dieterichs und Zahns kommt James zum Schlusse, daß Ath. so ziemlich der ursprünglichen Petrusoffenbarung entspreche, Akhm. hingegen ein Teil des Petrusevangeliums darstelle. Dabei stimmt James mit Zahn überein, daß die ursprüngliche Petrusapokalypse nicht, wie Dieterich vermutete, aus dem Petrusevangelium herausgewachsen, sondern in dieses hinein verarbeitet worden sei. So sei das Akhmimfragment als Umgießung der ursprünglichen Petrusoffenbarung zu einer apokalyptischen Rede Jesu in der Art von Mk. 13 zu verstehen. Weinel hingegen findet im Ath. spätere Züge, ja sieht die Paradiesgeschichte geradezu als eine weitere Entwicklung des älteren Akhmimtextes an. In dieser Diskussion können folgende Punkte als fest gelten: 1. Die äth. Fassung entspricht ungefähr dem ursprünglichen Umfang der Petrusoffenbarung, da sie nur wenig über die Angaben hinausgeht, welche die Stichometrie des Nikephorus (300 Stichoi) und des Codex Claromontanus (270 Stichoi) machen. - 2. Auf das Ganze gesehen, bietet Ath. den ursprünglichen Inhalt der Offenbarung. Denn alle alten Zitate sind hier wiederzufinden, und zwar verteilt auf die Kap. 4,5,8,10,12 und 14. - 3. Daß aber der Ath. durch die Übersetzung stark gelitten hat, zeigt mit aller Deutlichkeit das Rainerfragment. Prümm legt an diesem dar, wie viele Einzelheiten einfach auf die mangelnden Griechischkenntnisse des äthiopischen Übersetzers zurückzuführen sind (Biblica X, 1929, S. 77ff.). 4. In der Höllenschilderung ist wegen der Bezeugung von dritter Seite dem Ath. der Vorzug zu geben. Die Clemenszeugnisse und das Bodleianische Fragment zeugen für die Weissagungsform des Ath., und wiederum Clemens und Methodius bezeugen Kap. 8b als zur ursprünglichen Petrusoffenbarung gehörig. Als entscheidendes Problem bleiben somit nur noch der Inhalt der Verklärungs- bzw. Paradiesschilderung und die Reihenfolge der Berichte über Himmel und Hölle. Hier scheint mir nun eindeutig, daß das Akhmimfragment verstanden werden kann als die Überarbeitung eines Mannes, welcher von der ganzen Petrusapokalypse nichts anderes kannte als die beiden Bruchstücke Kap. 7-10 und 15-16a. Auf Grund des "Ich" in Kap. 15 und 16a konnte er den Text als zur Petrusoffenbarung gehörig erkennen. Da er aber wegen des Fehlens von 16 b nicht erkennen konnte, daß es sich hier um die Verklärungsgeschichte handelte, die dann in Kap 17 in den Himmelfahrtsbericht überging, so durfte er annehmen, das klare Gegenstück zum andern Fragment, also die eigentliche Paradiesschilderung vor sich zu haben. Durch die vorgenommenen sachlichen Ergänzungen (Bitte der Jünger, die abgeschiedenen Brüder und deren Welt zu schauen; ausgedehntere Schilderung des Lichtortes und dessen Bewohner; Änderung der at.lichen" Väter" in nt.liche "Hohepriester (Brüder?) ") rundete er dieses neue Bild ab. Die ersten Worte von Kap 15 faßte er als Einleitung des Ganzen, woraus sich die Umstellung in der Reihenfolge ergibt. Ein sekundäres Zeugnis für die ursprüngliche Reihenfolge besitzen wir in Sibylle II, 238-338 (3.Jh., vgl. unten S. 507 ff.), wo die Petrusapokalypse verwendet ist. Die parallelen Aussagen in Akhm. V. 17 f. und V. 21 (Licht- bzw. Strafengel; helle bzw. dunkle Luft; die nur hier vorkommende prägnante Bezeichnung des Himmels bzw. der Hölle als "Ort") gehören zur überleitenden Redaktorenarbeit, ebenso die Verse 1-3, welche aus 2. Petr. 2, 1ff. ausgezogen sind. Welche Gründe aber konnten den Finder der Fragmente zu einem solchen Abrundungsversuch verleiten? Die Antwort ist nun wohl in jener Vermutung Dieterichs, Zahns und James' zu finden, welche auf Grund des gemeinsamen Fundortes und sprachlicher Ver-
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wandtschaften den .Akhm.imtext als ein zum Petrusevangelium gehörendes Stück ansehen. Die Vermutung wird bestärkt durch die Beobachtung, daß unter anderem die zwei wichtigsten Parallelen nur in der zusätzlichen redaktionellen Arbeit zu finden sind: Das absolute "der Herr" kommt im Petrusevangelium öfters vor (V. 2. 3. 6 u. ö.), im Akhmjmtext in V. 4. 6. 12. 15. 20, überall als Sondergut der griechischen Fassung gegenüber dem Äth., welcher diesen Ausdruck nie verwendet. "Wir die zwölf Jünger" findet sich Petrusevg. V. 59 und Akhm. V. 5, während der Äth. diese Wendung nicht kennt. Nun vermitteln uns die alten Zeugnisse das Petrusevg. und die Petrusoffenbarung stets als zwei verschiedene Schriften. Darum ist anzunehmen, daß nicht schon der Autor des Petrusevangeliums die Petrusoffenbarung mitverarbeitete (Zahn, James), sondern erst ein späterer Finder der beiden griechischen Bruchstücke die Offenbarung dem Evangelium anpaßte. War es vielleicht sogar erst der Abschreiber der Akhmimfragmente aus dem 8./9. Jh.? 4. DIE BEDEUTUNG der Petrusoffenbarung liegt vor allem auf religions geschichtlichem Gebiet. Denn wir haben einen hervorragenden und alten Typus jener Schriften vor uns, durch welche die ausgemalten Vorstellungen von Himmel und Hölle in die christliche Kirche übernommen worden sind. Im Gegensatz etwa zur Johannesoffenbarung, welche den endzeitlichen Kampf und Sieg J esu Christi zeichnet, geht hier das Interesse nicht mehr auf die Person des Erlösers, sondern auf die Zustände im Jenseits, auf die Darstellung der verschiedenen Sünderklassen, auf Strafe der Bösen und Heil der Gerechten. Wenn die Petrusoffenbarung als Buch ihre Bedeutung mit der Zeit verlor, so haben doch die in ihr vertretenen Gedanken in verschiedenster Weise weitergelebt (Sibyllinen II; Thomasapokalypse 55-57, Paulusapokalypse, apocalypsis seu visio Mariae virginis, bis hin zum breiten Strom der Schilderungen in Dantes Divina Commedia). Den Ursprung dieses Gedankengutes suchte Dieterich eindeutig in den orphisch-pythagoräischen Mysterien. Mag dies für die Höllenschilderungen weitgehend zutreffen, so sind doch die Vorstellungen vom jüngsten Gericht, von der Auferstehung der Toten, vom Untergang der Welt durch Feuer usw. durch das Medium der jüdischen Apokalyptik (Henochbuch, Zephanjaapokalypse, Weisheit Salomos u.a.) auf orientalische Ursprünge zurückzuführen. 5. LITERATUR. a) Ausgaben und Übersetzungen: Akkmimtext: Editio princeps: U. Bouriant (Memoires publiees par les membres de la mission arcMologique fran9aise au Caire, Tom. IX, Paris, 1892). - Mit Wiedergabe der Handschrift: A. Lods, ebda, 1893; O. v. Gebhardt, 1893 (mit deutscher Übersetzung); - Ferner: E. Preuschen: Antilegomena, 11905 (mit deutscher Übersetzung); E. Klostermann, KlT 3, 1903; "1908 und Nachdrucke; James S. 505-524 (englische Übersetzung); Apokr. 2, S. 314-327. Äthiopi8cher Text: Sylvain Grebaut. Revue de l'Orient chretien, Paris, 1907, S. 139ff.; 1910, S. 198ff.; 307ff.; 425ff. (mit französischer Übersetzung). - Deutsche Übersetzung: H. Duensing: Ein Stücke der urchristlichen Petrusapokalypse enthaltender Traktat der äthiopischen pseudoclementinischen Literatur, ZNW 14, 1913, S. 65ff.; H. Weinel: Apokr. 2 S.318ff. b) Untersuchungen: auf Grund des .Akhm.imtextes: A. v. Harnack: Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus, TU 9, 1893; ders.: Die Petrusapokalypse in der abendländischen Kirche, TU 13, 1895, S.71ff.; A. Dieterich: Nekyia, 1893, 11913; F. Spitta: Die Petrusapokalypse und der zweite Petrusbrief, ZNW 12, 1911, S.237ff.; Th. Zahn: Grundriß der Geschichte des nt.lichen Kanons, "1904, S. 24. Seit Erscheinen des äthiopischen Textes: M.R. James: A new Text ofthe Apocalypse of Peter, JThSt, 1911, S. 36ff.; 362ff.; 573ff.; ders.: The Recovery ofthe Apocalypse ofPeter, The Church Quarterly Review, April 1915, S. I ff.; O. Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Literatur Bd. 1. 21913, S. 610-615; K. Prümm: De genuino apocalypsis Petri textu, examen testium iam notorum et novi fragmenti Raineriani, Biblica X, Rom, 1929, S. 62ff.; J. R. Harns: The Odes of Salomon and the Apocalypse ofPeter, Expository Times 42, 1930, S. 2lf.; M. R. James: The Rainer Fragment of the Apocalypse of Peter, JThSt 32, 1931, S. 270-278; C.M.Edsmann: Le bapteme de feu, Leipzig-Uppsala, 1940, S. 57-63; J. Qua-
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XV1. .Apokalyptik des Urchristentums
sten: Patrology, Vol. I, The Beginning of Patristic Literature, 1950, S. 144--146 (mit Bibliographie); G. Quispel and R.M. Grant: Note on the Petrine Apocrypha, VigChr 6, 1952, S.31-32; E. Peterson: Die Taufe im Acherusischen See, VigOhr 9,1955, S.I-20; W. Michaelis: Die Apokryphen Schriften zum Neuen Testament, übersetzt und erklärt, 1956, S. 469-481 (mit Übersetzung des .Akhmimtextes). (Äth.)
1. Und indem er auf dem (Jlberg saß, traten zu ihm l die Seinigen, und wir beteten ihn an und flehten einzeln 2 ihn an und baten ihn, indem wir zu ihm sagten: "Tue uns kund, was die Zeichen deiner Parusie und des Endes der Welt 3 sind, damit wir erkennen und merken die Zeit deiner Parusie und die nach uns Kommenden unterweisen, denen wir das Wort deines Evangeliums predigen und die wir in deine(r) Kirche (ein)setzen, damit sie, wenn sie es hören, sich in acht nehmen, daß sie merken die Zeit deiner Parusie." Und unser Herr antwortete uns, indem er zu uns sagte: "Gebt acht, daß man euch nicht verführe 4 und daß ihr nicht Zweifler werdet und anderen Göttern dienet. Viele werden kommen in meinem Namen, indem sie sagen:
3. Offenbarung des Petrus
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Israel ist? Wahrlich, ich sage dir, wenn seine Zweige getrieben haben am Ende, werden lügnerische Ohristusse kommen! und die Hoffnung erwecken (mit den Worten): 'Ich bin der Ohristus 2, der ich (einst) in die Welt gekommen bin.' Und wenn sie die Bosheit seines (je des falschen Christus) Tuns sehen, werden sie sich abwenden hinter ihnen her und den verleugnen, dem unsere Väter Lobpreis sagten(?), die den ersten Christus kreuzigten und damit schwer sündigten. Dieser Lügnerische ist aber nicht Christus. Und wenn sie ihn verschmähen, wird er mit Schwertern (Dolchen) morden, und es wird viele Märtyrer geben. Alsdann werden die Zweige des Feigenbaumes, d.h. des Hauses Israels, treiben, allein es werden viele durch seine Hand Märtyrer werden, sie werden sterben und Märtyrer werden. Henoch und Elias werden gesandt werden, um sie zu belehren, daß das der Verführer ist, der in die Welt kommen 3 und Zeichen und Wunder tun muß, um zu verführen 4 • Und deshalb werden diese, welche durch seine Hand gestorben sind, Märtyrer und werden gerechnet zu den guten und gerechten Märtyrern, welche Gott in ihrem Leben gefallen haben." 3. Und er zeigte mir in seiner Rechten die Seelen von allen (Menschen) und auf seiner rechten Handfläche das Bild von dem, was sich am jüngsten Tage erfüllen wird; und wie die Gerechten und die Sünder geschieden werden, und wie diejenigen tun werden, die rechten Herzens sind, und wie die übeltäter für alle Ewigkeit ausgerottet werden. Wir sahen, wie die Sünder in großer Betrübnis und Trauer weinten, bis alle, die es mit ihren Augen sahen, weinten, seien es Gerechte oder Engel oder auch er selbst. Ich aber fragte ihn und sagte zu ihm: ,,0 Herr, erlaube mir, daß ich inbetreff dieser Sünder dein Wort sage: 'Es wäre ihnen besser, sie wären nicht geschaffen'." Und der Heiland antwortete mir und sagte zu mir: ,,0 Petrus, warum redest du so, 'das Nichtgeschaffensein wäre ihnen besser'?5 Du bist es, der wider Gott streitet. Du würdest dich seines Gebildes nicht mehr erbarmen als er; denn er hat sie geschaffen und hat sie dahin gebracht, wo sie (vorher) nicht waren (wohl = und hat sie aus dem Nichtsein ins Dasein gebracht). Und weil du gesehen hast die Klage, welche die Sünder treffen wird in den letzten Tagen, darum ist dein Herz betrübt, aber ich will dir ihr Tun zeigen, mit dem sie sich an dem Höchsten versündigt haben. 4. Sieh jetzt, was sie treffen wird in den letzten Tagen, wenn der Tag Gottes kommt. Und am Tage der Entscheidung des Gerichtes Gottes werden alle Menschenkinder vom Osten bis zum Westen vor meinem Vater, dem ewig Lebendigen, versammelt werden, und er wird der Hölle gebieten, daß sie ihre stählernen Riegel öffnet und alles, was in ihr ist, zurückgibt 6 • Und den wilden Tieren und Vögeln wird er gebieten, daß sie alles Fleisch, was sie gefressen haben, zurückgeben, indem er will, daß die Menschen (wieder) sichtbar werden; denn nichts geht für Gott zugrunde und nichts ist ihm unmöglich, da alles sein ist. Denn alles (geschieht) am Tage der Entscheidung, am Tage des Gerichtes mit dem Sprechen Gottes, und alles geschieht, wie er die Welt schafft, und alles, was darin ist, hat er geboten, und alles geschah 7; ebenso in den letzten Tagen, denn alles ist Gott möglich, und also sagt er in der Schrift: 'Menschenkind, weissage über die einzelnen Gebeine und sage
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Mk. 13, 22 u. Par. a 2. Joh. 7; Offb. Joh. 12, 9. 5 Mk. 14, 21 u. Par. 7 vgl. 1. MOB. 1, 3; Ps. 33, 9.
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• Mt. 24, 5. 4 Mk. 13,22 u. Par. 6 Offb. Joh. 20, 13.
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x VI . .Apokalyptik dea Urchristentums
zu den Knochen: Knochen zu den Knochen in Glieder, Muskel, Nerven, Fleisch und Haut und Haare darauf'. Und Seele und Geist! soll der große Urael 2 auf Befehl Gottes geben. Denn ihn hat Gott bestellt bei der Auferstehung der Toten am Tage des Gerichtes. Sehet und bedenkt die Samenkörner, die in die Erde gesät 3 sind. Wie etwas Trockenes, das seelenlos ist, sät man sie in die Erde. Und sie leben auf, bringen Frucht, und die Erde gibt (sie) wieder wie ein anvertrautes Pfand. Und dieses, was stirbt, was als Same in die Erde gesät wird, lebendig wird und dem Leben zurückgegeben wird, ist der Mensch. Wie viel mehr wird Gott die an ihn Gläubigen und von ihm Erwählten, um derentwillen er (die Erde) gemacht hat, auferwecken am Tage der Entscheidung, und alles wird die Erde wiedergeben am Tage der Entscheidung, weil sie an ihm zugleich mit gerichtet werden soll und der Himmel mit ihr'. 5. Und es wird geschehen am Tage des Gerichtes derer, die abgefallen sind vom Glauben an Gott und die Sünde getan haben: Feuerkatarakte werden losgelassen, und Dunkel und Finsternis wird eintreten und die ganze Welt bekleiden und einhüllen, und die Wasser werden sich verwandeln und gegeben werden in feurige Kohlen und alles in ihr (d. Erde 1) wird brennen, und das Meer wird zu Feuer werden; unter dem Himmel ein bitteres Feuer, das nicht verlöscht, und fließt zum Gericht des Zorns. Und die Sterne werden zerfließen durch Feuersflammen6 , als ob sie nicht geschaffen wären, und die Festen des Himmels werden aus Mangel an Wasser dahingehen und werden wie ungeschaffen. Und nicht (1) mehr werden sein die Blitze des Himmels, und durch ihre Zauberei werden sie die Welt erschrecken (vielleicht: Der Himmel wird zu Blitzen werden, und seine Blitze werden die Welt erschrecken). Und der Geist der Leichname wird ihnen gleichen und auf Befehl Gottes Feuer werden. Und sobald die ganze Schöpfung sich auflöst, werden die Menschen im Osten nach Westen fliehen (und die im Westen) nach Osten fliehen; und die im Süden werden nach Norden fliehen und die im (Norden nach) Süden, und überall wird sie der Zorn schrecklichen Feuers treffen. Und indem eine unverlöschliche Flamme sie treibt, bringt sie sie zum Zorngericht in den Bach unverlöschlichen Feuers, der fließt, indem Feuer darin flammt, und indem seine Wogen sich eine von der andern im Sieden trennen, entsteht viel Zähneknirschen 6 der Menschenkinder. 6. Und alle werden sehen, wie ich auf ewig glänzender Wolke komme und die Engel Gottes, die mit mir sitzen werden auf dem Thron meiner Herrlichkeit zur Rechvgl. Ez. 37, 4ff. • vgl. Henoch 20, 1. vgl. 1. Kor. 15, 36ff. 4 Vgl. Makarius Magnes, Apocritica IV, 6; 16: "Zum Uberfluß sei auch noch jenes Wort aus der Offenbarung des Petrus angeführt. Er führt nämlich an, daß der Himmel zugleich mit der Erde werde gerichtet werden, indem er folgendes sagt: 'Die Erde wird alle, die gerichtet werden sollen, am Tage dea Gerichtes vor Gott hinstellen, und sie selbst wird gerichtet werden mit dem sie umfassenden Himmel'. " 5 Vgl. Makarius l\:Iagnes, Apocritica IV, 7: "Und wieder sagt er (sc. Petrus in der Offbg.) jenes Wort, das auch wieder voller Gottlosigkeit ist, indem er spricht: ' Und alle Macht des Himmels wird verbrennen, und der Himmel wird wie ein Buch aufgerollt werden, und alle Sterne werden fallen wie Blätter vom Weinstock, und wie die Blätter vom Feigenbaum fallen'." - Wahrscheinlich hat der von Makarius bekämpfte Heide nicht nur den ersten Teil, sondern auch die Fortsetzung aus Jes. 34, 4 (hebr. Text): "und der Himmel wird aufgerollt werden ... fallen" in seinem Text der Offbg. Ptr. gelesen. Vgl. 2. Petr. 3, 10ff. 6 Mt. 8, 12 u.Ö. 1
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3. Offenbarung des Petrus
ten meines himmlischen Vaters. Der wird eine Krone auf mein Haupt setzen. Sobald das die Völker sehen, werden sie weinen!, jedes Volk für sich. Und er wird ihnen befehlen, daß sie in den Feuerbach 2 gehen, während die Taten jedes einzelnen von ihnen vor ihnen stehen. (Es wird vergolten werden) einem jeden nach seinem Tun 3. Betreffs der Erwählten, die Gutes getan haben, sie werden zu mir kommen, indem sie den Tod verzehrenden Feuers nicht sehen werden (n. Die Bösewichter, Sünder und Heuchler aber werden in den Tiefen nicht verschwindender Finsternis stehen, und ihre Strafe ist das Feuer, und Engel bringen ihre Sünden herbei; und bereiten ihnen einen Ort, wo sie für immer bestraft werden, je nach ihrer Versündigung. Der Engel Gottes Urael bringt die Seelen derjenigen Sünder, die in der Sintflut umgekommen sind, und aller, die in allen Götzen, jeglichem Gußbild, jeglicher Liebe und in Bildern, und derer, die auf allen Hügeln und in Steinen und am Wege wohnen, (die) man Götter nannte; man wird sie mit ihnen (d.h. den Gegenständen, in denen sie hausten) in ewigem Feuer verbrennen. Nachdem alle mit ihrer Wohnstätte zugrunde gegangen sind, wird man sie ewig strafen. (A·th.)
( Akhm.)
7. Dann werden Männer und Weiber an den ihnen bereiteten Ort kommen. An ihrer Zunge, mit der sie den Weg der Gerechtigkeit gelästert haben, wird man sie aufhängen. Man breitet ihnen hin nie verlöschendes Feuer ... Und siehe wiederum ein Ort: da ist eine große volle Grube. Darin die, welche verleugnet haben die Gerechtigkeit. Und Strafengel suchen (sie) heim, und hier in ihr zünden sie das Feuer ihrer Strafe an. Und wiederum zwei Weiber: Man hängt sie an ihren Nacken und Haaren auf, in die Grube wirft man sie. Das sind die, welche sich Haarflechten 4 gemacht haben nicht zur Schaffung des Schönen, sondern um sich zur Hurerei zu wenden, damit sie fingen Männerseelen zum Verderben. Und die Männer, die sich mit ihnen in Hurerei niedergelegt haben,
21. Ich sah aber auch einen andern Ort, jenem gegenüber, einen ganz düstern; und dies war der Ort der Strafe, und die dort gestraft wurden, wie auch die strafenden Engel, trugen das finstere Gewand, gekleidet entsprechend der Luft des Ortes. 22. Und etliche waren dort an ihrer Zunge aufgehängt. Das waren die, welche den Weg der Gerechtigkeit gelästert hatten, und unter ihnen lag Feuer, das loderte und quälte sie. 23. Und es war ein großer See da, gefüllt mit brennendem Schlamm, in welchem etliche Menschen steckten, welche sich von der Gerechtigkeit abgewandt hatten, und quälende Engel setzten ihnen zu. 24. Es waren aber auch andere da: Frauen, an ihren Haaren über jenem aufkochenden Schlamm aufgehängt. Das waren die, welche sich zum Ehebruch geschmückt hatten. Diejenigen (Männer) aber, welche sich zur ehebrecherischen Befleckung mit ihnen vereinigt hatten, (waren) an den Füßen (aufgehängt und) hatten ihre Häupter im Schlamm, und mit (lauter Stimme) rie-
1 Mt. 26, 64 u. Par.; Mt. 24, 30 u. Par.; Mt. 16, 27; Lk. 9, 26 u. Par. • Vgl. Dan. 7, 9f. 3 Mt. 16, 27; Ps. 62, 13. 4 Vgl. 1. Petr. 3,3.
XVI. Apokalyptik des Urchristentums
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hängt man an ihren Schenkeln in diesen brennenden Ort und sie sagen untereinander: "Wir haben nicht gewußt, daß wir in die ewige Pein kommen müßten." Und die Mörder und die mit ihnen gemeinschaftliche Sache gemacht haben, wirft man ins Feuer, an einen Ort, der angefüllt ist mit giftigen Tieren, und sie werden gequält ohne Ruhe, indem sie ihre Schmerzen fühlen, und ihr Gewürm ist so zahlreich wie eine finstere Wolke, und der Engel Ezrael bringt die Seelen der Getöteten herbei; und sie sehen die Qual (derer, die sie) getötet haben, und sie sagen untereinander: "Gerechtigkeit und Recht ist das Gericht Gottes 1 • Denn wir haben es zwar gehört, aber nicht geglaubt, daß wir an diesen ewigen Gerichtsort kommen würden". 8. Und bei dieser Flamme ist eine große und sehr tiefe Grube, und es fließt daalles von überall her: Gehinein richt und Schauderhaftes und Aussonderungen. Und die Weiber (sind) verschlungen (davon) bis an ihren Nacken und werden bestraft mit großem Schmerz. Das sind also die, welche ihre Kinder abtreiben und das Werk Gottes, das er geschaffen hat, verderben. Gegenüber von ihnen ist ein anderer Ort, wo ihre Kinder sitzen; aber beide lebendig, und sie schreien zu Gott. Und Blitze gehen aus [und] von diesen Kindern, welche die Augen derer durchbohren, welche durch diese Hurerei ihren Untergang bewirkt haben 2. Andere Männer und Weiber stehen nackt oberhalb davon. Und ihre Kinder stehen hier ihnen gegenüber an einem Ort des Entzückens. Und sie seufzen und schreien zu Gott wegen ihrer Eltern: "Das sind die, welche vernachlässigt und
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fen sie: "Wir hätten nicht geglaubt, an diesen Ort zu kommen." 25. Und ich sah die Mörder und ihre Mitwisser, in eine Schlucht voll giftigen Gewürms geworfen, und geplagt von jenen Tieren und so sich windend in jener Qual. Es bedrängten sie aber Würmer wie dunkle Wolken. Die Seelen der Ermordeten aber standen dabei, schauten die Strafe jener Mörder und spraehen: ,,0 Gott, gerecht ist dein Gericht!" 1
26. Nahe bei diesem Ort sah ich eine andere Schlucht, in welche der Eiter und der Unrat der Gequälten niederrann und dort zu einem See wurde. Und dort saßen Frauen, denen der Eiter bis zum Halse ging, und ihnen gegenüber saßen viele Kinder, welche vorzeitig geboren waren, und weinten. Und von ihnen gingen Feuerflammen aus und trafen die Frauen in die Augen 2. Das waren die, welche un (ehelich) die Kinder empfangen und abgetrieben hatten.
Ps. 19, 10; Offbg. Joh. 16, 7; 19,2. Vgl. Clemens Alexandrinus, eclog. 41: "Die Schrift sagt, daß die ausgesetzten Kinder einem Schutz- (= temeluchos)engel übergeben würden, durch welche sie erzogen würden und aufwüchsen. Und sie werden sein, sagt er, wie die hundertjährigen Gläubigen hier (vgl. Jes. 65,20; Sap. Sal. 4,16). Darum sagt auch Petrus in seiner Offenbarung: •Und ein Feuerblitz, 1
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ausgehend von jenen Kindern und in die Augen der Frauen schlagend'."
3. Offenbarung des Petrus
verflucht und deine Gebote übertreten haben. Und sie töteten uns und fluchten dem Engel, der (uns) geschaffen hatte, und hängten uns auf. Und sie enthielten das Licht, das du für alle bestimmt hast, (uns) vor." Und die Milch ihrer Mütter fließt von ihren Brüsten und gerinnt und stinkt, und daraus gehen fleischfressende Tiere hervor, und sie gehen heraus, wenden sich und quälen sie in Ewigkeit mit ihren Männern, weil sie verlassen haben das Gebot Gottes und ihre Kinder getötet haben. Und ihre Kinder wird man dem Engel Temlakos geben 1. Und die sie getötet haben, wird man ewig quälen, weil Gott es so will. 9. Es bringt der Zornengel Ezrael Männer und Weiber zur Hälfte (des Körpers) brennend und wirft sie an einen Ort der Finsternis, der Hölle der Männer, und ein Geist des Zornes züchtigt sie mit jeglicher Züchtigung, und nimmer schlafendes Gewürm frißt ihre Eingeweide. Das sind die Verfolger und Verräter meiner Gerechten. Und bei denen, die hier waren, andere Männer und Weiber, die kauen ihre Zunge, und man quält sie mit glühendem Eisen und verbrennt ihre Augen. Das sind die Lästerer und Zweifler an meiner Gerechtigkeit.
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27. Und andere (Männer) und Frauen standen bis zur Mitte ihres Leibes in Flammen und waren an einen finstern Ort geworfen und wurden von bösen Geistern gepeitscht und in ihren Eingeweiden von nimmermüden Würmern zerfressen. Das waren die, welche die Gerechten verfolgt und sie ausgeliefert hatten. 28. Und nahe bei denen waren wieder andere Männer und Frauen, welche ihre Lippen zerbissen und gequält wurden und feuriges Eisen in ihre Augen bekamen. Das waren die, welche den Weg der Gerechtigkeit gelästert und verleumdet hatten.
1 Vgl. dazu: a) Clemens Alexandrinus, eclog. 48f.: "Gleich darauf sagt Petrus in der Offenbarung, daß die abgetriebenen Kinder das bessere Los empfangen. Diese würden einem Schutz- (= temeluchos)engel übergeben werden, damit sie, nachdem sie Erkenntnis bekommen hätten, den bessern Aufenthalt erlangen würden, wie wenn sie gelitten hätten, was sie, auch zum Leibesleben gelangt, gelitten haben würden. Die andern aber werden nur das Heil erlangen als solche, welche Unrecht erfahren und Erbarmen gefunden haben, und werden ohne Strafe sein, indem sie dies als Geschenk empfangen. 49. Die Milch der Frauen aber, welche von ihren Brüsten herabfließt und gerinnt, sagt Petrus in der Offenbarung, wird winzige fleischfressende Tiere erzeugen, und diese laufen an ihnen hinauf und verzehren sie, indem er lehrt, daß die Strafen um der Sünden willen geschehen. " b) Methodius, Symposion H, 6: "Deshalb haben auch wir in von Gott eingegebenen Schriften überliefert bekommen, daß die zur (Früh-)geburt gebrachten Kinder, auch wenn sie aus Ehebruch stammen, Schutzengeln übergeben würden . ... Wie würden sie auch ihre eigenen Eltern, um gegen sie Anklage zu erheben, freimütig vor den Richterstuhl Christi rufen und sagen dürfen: Du, 0 Herr, hast uns dieses (allen) gemeinsame Licht nicht neidisch versagt, diese aber haben uns zum Tode gebracht, indem sie dein Gebot verachteten".
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XVI. Apokalyptik des Urchristentutn8
Andern Männern und Weibern - und ihre Taten (bestanden) in Betrug - schneidet man die Lippen ab, und Feuer geht in ihren Mund und in ihre Eingeweide. (Das sind die), welche die Märtyrer getötet haben lügnerischerweise. Und an einem nahe bei ihnen gelegenen Orte, auf dem Stein eine Feuersäule (1), und die Säule ist spitzer als Schwerter Männer und Weiber, die man kleidet in Plunder und schmutzige Lumpen und darauf wirft, damit sie das Gericht unvergänglicher Qual erleiden. Das sind die, welche vertrauen auf ihren Reichtum und Witwen und das Weib (mit) Waisen ... verachtet haben Gott ins Angesicht. 10. Und an einem andern Ort dabei wirft man mit Ausscheidungen Gesättigte, Männer und Weiber, hinein bis an die Knie. Das sind die, welche leihen und Zins nehmen.
29. Und diesen gegenüber waren wieder andere Männer und Frauen, welche ihre Zungen zerbissen und flammendes Feuer in ihrem Munde hatten. Das waren die falschen Zeugen. 30. Und an einem andern Ort waren glühende Kieselsteine, schärfer als Schwerter und als jeder Spieß; und Männer und Frauen, angetan mit schmutzigen Lumpen, wälzten sich auf ihnen in ihrer Qual. Das waren die, welche reich waren und auf ihren Reichtum vertraut und sich nicht der Waisen und Witwen erbarmt, sondern das Gebot Gottes mißachtet hatten.
Und andere Männer und Weiber stoßen sich selbst von einer Höhe herunter und kehren wieder zurück und laufen, und Dämonen treiben sie an. Das sind die Götzendiener, und man stellt sie an das Ende des Denkens (so!,Abhanges1), und sie stürzen sich hinab. Und also tun sie fortwährend, in Ewigkeit werden sie gequält. Das sind die, welche ihr Fleisch geschnitten haben als Apostel eines Mannes und die Weiber, die mit ihnen waren ... und darin die Männer, die wie Weiber sich untereinander befleckt haben.
31. In einem andern großen See, voll von Eiter und Blut und aufwallendem Schlamm, standen Männer und Frauen bis zu den Knien; das waren die, welche Geld ausgelehnt und Zinseszins gefordert hatten. 32. Andere Männer und Frauen, welche von einem hohen Abhang heruntergeworfen wurden, kamen unten an und wurden von ihren Peinigern wieder angetrieben, den Abhang hinaufzusteigen und wurden dort hinuntergeworfen und hatten keine Ruhe von dieser Qual. Das waren die, welche ihre Leiber befleckt hatten, indem sie sich wie Frauen hingegeben hatten. Aber die Frauen bei ihnen, das waren die, welche untereinander verkehrt hatten wie Männer mit der Frau.
Und bei diesen. . . (unübersetzbares Wort), und unter ihnen macht der Engel Ezrael einen Ort von vielem Feuer, und alle goldenen und silbernen Götzen, alle Götzen, das Werk von Menschenhand, und was glich den Bildern von Katzen und Löwen, von Reptilien und wilden Tieren, und welche Bilder davon angefertigt hatten, Männer und Weiber, in feurigen Ketten, die gezüchtigt werden wegen ihrer Verirrung vor ihnen (den
33. Und bei jenem Abhang war ein Ort, erfüllt von dem mächtigsten Feuer. Und dort standen Männer, welche sich mit ihren eigenen Händen Bilder an Stelle Gottes geschnitzt hatten. Und bei jenen waren andere Männer und Frauen, welche glühende Ruten hatten und einander schlugen und nie Ruhe hatten von dieser Qual. 34. Und nahe bei jenen waren wieder andere Frauen und Männer, welche ge-
3. Offenbarung des Petrus
Götzenbildern), und so ist ihr Gericht in Ewigkeit. Und bei ihnen andere Männer und Weiber, die brennen in der Flamme des Gerichtes, für ewig ist ihre Pein. Das sind die, welche verlassen haben das Gebot Gottes und sind gefolgt ... (unbekanntes Wort) der Dämonen l .
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brannt und (im Feuer) gewendet und gebacken wurden. Das waren die, welche den Weg Gottes verlassen hatten l •
11. Und ein anderer sehr hoher Ort ... (einige unverständliche Worte), die Männer und Weiber, welche einen Fehltritt begehen, gehen rollend hinunter dahin, wo der Schrecken ist. Und wiederum, indem das bereitete (Feuer) fließt, steigen sie herauf und wieder herab und wiederholen so das Rollen. So werden sie gestraft in Ewigkeit. Das sind also die, welche Vater und Mutter nicht geehrt haben und freiwillig sich ihrer enthalten haben. Deshalb werden sie gestraft ewiglich. Weiter bringt der Engel Ezrael Kinder und Jungfrauen, um ihnen die Bestraften zu zeigen. Sie werden bestraft mit Schmerz, mit Aufhängen (1) und vielen Wunden, die ihnen fleischfressende Vögel beibringen. Das sind die, welche trauen auf ihre Sünde, ihren Eltern nicht gehorsam sind, und die Lehre ihrer Väter nicht befolgen und, die älter sind als sie, nicht ehren. Bei ihnen Jungfrauen und die bekleiden sich mit Finsternis als Kleidern, und sie werden ernst bestraft, ihr Fleisch wird auseinandergerissen. Das sind die, welche ihre Jungfrauenschaft nicht bewahren bis dahin, wo sie in die Ehe gegeben werden, sie werden mit dieser Strafe bestraft, indem sie fühlen. Und wiederum andere Männer und Frauen, welche ruhelos ihre Zunge zerkauen, indem sie gequält werden mit ewigem Feuer. Das sind die Sklaven, welche ihren Herren nicht gehorsam gewesen sind. Dies ist also ihr Gericht für ewig. 12. Und bei dieser Qual sind blinde und stumme Männer und Weiber, deren Gewand weiß ist. Dann pferchen sie sich gegenseitig zusammen und fallen auf Kohlen nicht verlöschenden Feuers. Das sind die, welche Almosen geben und sagen: "Wir sind gerecht vor Gott", während sie doch der Gerechtigkeit nicht nachgetrachtet haben. Der Engel Gottes Ezrael läßt herausgehen aus dieser Flamme und stellt hin Gericht der Entscheidung (?). Dies ist also ihr Gericht. (Und) ein Feuerbach fließt, und es zieht sich herunter alles Gericht (= alle Gerichteten 1) 2 mitten in den Bach. Und es stellt sie (dort) hin Urael. Und Feuerräder gibt er, und Männer und Weiber daran aufgehängt durch die Kraft seines Rollens. Die in der Grube sind, brennen. Das sind nämlich die Zauberer und Zauberinnen. Diese Räder (sind) bei aller Entscheidung durch Feuer ohne Zahl (?). 1 Vgl. das Bodl. Fragment (James, JThSt, 1911, S. 367ff.): " ... (Männer und) Frauen, welche Ketten halten und sich selbst vor den verführerischen Götzenbildern peitschen, und unaufhörlich werden sie die Qual haben; und nahe bei ihnen werden andere M änner und Frauen sein ... , das sind die, welche den Weg Gottes< vollständig) verlassen haben und vorge .•. " 2 Vgl. die Predigt über das Gleichnis von den 10 Jungfrauen in der Epinal-Handschrift aus dem 4. Jahrhundert (zitiert bei James, JThSt, 1911, S. 383): "Die verschlossene Türe ist der Feuerstrom, durch welchen die Gottlosen vom Reiche Gottesferngehalten werden, wie bei Daniel (vgl. Dan 7, 9f.) und bei Petrus in seiner Offenbarung geschrieben steht", und: "Auch jener Teil der Törichten wird aufer8tehen und wird die Türe 8chon geschlossen finden, da nämlich der Feuerstrom davorliegt. "
480
XVI. Apokalyptik des U'rchristentums
13. Darauf brachten Engel meine Auserwählten und Gerechten, die vollkommen sind in aller Gerechtigkeit, indem sie sie trugen auf ihren Händen, indem sie bekleidet waren mit den Kleidern des ewigen Lebens. Sie sehen (ihre Lust) an jenen, die ihn gehaßt haben!, indem er sie bestraft. Qual (ist) einem jeden in Ewigkeit nach seinem Tun. Und alle, die in der Qual sind, sagen einstimmig: "Erbarm dich unser, denn jetzt haben wir erkannt das Gericht Gottes, das er uns vorher angekündigt hat und wir nicht geglaubt haben." Und es kommt der Engel Tatirokos (= Tartarouchos) und züchtigt sie mit noch größerer Qual und sagt zu ihnen: "Jetzt habt ihr Reue, wo es nicht mehr Zeit zur Reue gibt und nichts vom Leben übriggeblieben ist." Und alle sagen: "Gerecht ist das Gericht Gottes; denn wir haben gehört und erkannt, daß gut ist sein Gericht 2, denn wir werden gestraft nach unserm Tun." 14. Dann werde ich meinen Erwählten und Gerechten die Taufe und das Heil geben, um das sie mich gebeten haben, bei dem Gefilde: Akrösjä (= Acherusia), das man nennt: ' Aneslaslejä (= Elysium). Sie schmücken mit Blumen das Teil der Gerechten, und ich gehe, ... ich mich mit ihnen erfreuen. Ich lasse eintreten die Völker in mein ewiges Reich und erweise ihnen das Ewige, worauf ich ihre Hoffnung gerichtet habe, ich und mein himmlischer Vater. Ich habe es, Petrus, zu dir geredet und dir kundgetan. Gehe hinaus also und wandere also in die Stadt des Westens in den Weinberg, den ich dir sagen werde ... aus den Händen meines Sohnes, der ohne Sünde ist, damit geheiligt werde sein Werk ... der Untergang. Und du bist auserwählt in der Hoffnung, auf welche ich dich habe hoffen lassen. Und sende also in alle Welt meine Botschaft in Frieden! Denn es hat sich gefreut (?) der Quell meines Wortes, die Hoffnung des Lebens, und plötzlich ist die Welt entrafft 3 • (Äth.)
(Akhm.) 1. Viele von ihnen werden falsche Propheten sein, und sie werden Wege und verschiedene Satzungen des Verderbens lehren. 2. Jene aber werden Söhne des
Ps. 54, 9; 59, 11. Ps. 19, 10; Offbg. Joh. 16,7; 19, 2. 3 Vgl. das Rainer-Fragment (PO XVII, 1924, S. 482f.; K. PrÜlllm: Biblica X, 1929, S. 77ff.; M.R. James: JThSt, 1931, S. 270ff.): "Ich werde meinen Berufenen und Auserwählten jeden gewähren, den sie von mir aus der Qual erbitten (so James, welcher ov edv alr~aWVTat liest statt des schwierigen {}eov edv ariawvrat = ich werde ihnen Gott gewähren, wenn sie mich in der Qual anrufen) und ich werde ihnen eine köstliche Taufe geben im Heil des acherusischen Sees, von dem man sagt (er befinde sich) auf dem elysischen Gefilde, das Teil der Gerechten mit meinen Heiligen. Und ich werde hingehen, ich und meine jubelnden Auserwählten zusammen mit den Patriarchen, in mein ewiges Reich, und werde ihnen meine Verheißungen erfüllen, die ich ihnen gegeben habe, ich und mein Vater in den Himmeln. Siehe, ich habe dir, Petrus, alles geoffenbart und dargelegt. So gehe in die Stadt, welche herrscht über den Westen (so James, welcher bvaew, liest statt onvaew, = über Hurerei), und trinke den Kelch, den ich dir verheißen habe (vgl. Mk. 10, 39 par.) aus den Händen des Sohnes dessen, der im Hades (ist), damit seine Vernichtung (vgl. 2. Thess. 2, 3. 8) den Anfang nehme und du der Verheißung würdig seiest (?) ... Die Überführung von Menschen aus der Flammenqual zum acherusiscben See durch die Fürbitte der Seligen findet sich vor allem auch Orac. Sibyll. II, 330-339. 1
2
3. Offenbarung des Petrus
15. Und es sprach zu mir mein Herr J esus Christus, unser König: "Laßt uns auf den heiligen Berg gehen." Und seine Jünger kamen mit ihm, indern sie beteten 3 •
Und siehe, da waren zwei Männer, und wir konnten ihr Angesicht nicht ansehen, denn von ihnen geht ein Licht aus, das mehr leuchtet wie die Sonne, und auch ihre Gewänder waren glänzend 4 , und man kann es nicht beschreiben, und es gibt nicht etwas ausreichend damit Vergleichbares in dieser Welt. Und seine Milde ... , daß ein Mund nicht aussagen kann die Schönheit ihrer Form. Denn staunenswert war ihr Aussehen und wunderbar. Und der andere, große, sage ich, leuchtet in seinem Aussehen mehr als Hagel (Kristall). Rosenblume ist das Gleichnis der Farbe seines Aussehens und seines Leibes ... sein Haupt. Und auf seinen Schultern und an ihrer Stirn war ein Kranz von Narde, ein Flechtwerk aus schönen Blumen. Wie der Regenbogen war sein Haar im Wasser. So war die Anmut seines Antlitzes, und geschmückt war er mit jeglichem Schmuck. Und als wir sie plötzlich sahen, wunderten wir uns.
16. Und ich trat zu Gott Jesus Christus und sagte zu ihm: "Mein Herr, wer ist
Verderbens sein 1. 3. Und dann wird Gott zu meinen Gläubigen kommen, welche hungern und dürsten 2 und bedrängt werden und in diesem Leben ihre Seelen erproben, und wird die Söhne der Gesetzlosigkeit richten. 4. Und der Herr fuhr fort und sprach: "Lasset uns auf den Berg gehen, wir wollen beten." 3 5. Wir aber, die zwölf Jünger, gingen mit ihm und baten ihn, uns einen unserer gerechten Brüder zu zeigen. welche von der Welt abgeschieden sind, damit wir sähen, von welcher Gestalt sie seien, und Mut schöpfend auch die Menschen, die auf uns hören, mutig machen könnten. 6. Und wie wir beten, erscheinen plötzlich zwe1: Männer, vor dem Herrn stehend, welche wir nicht anRchauen konnten. 7. Denn es ging von ihrem Angesicht ein Glanz w1:e von der Sonne aus, und ihr Kleid war leuchtend, wie es noch nie 4 das Auge eineR Mensch(en sah. Denn auch) die Herrlichkeit, womit sie bekleidet waren, und die Schönheit ihres Angesichtes vermag kein Mund zu schildern und kein H(erz zu erdenke)n. 8. Als wir sie sahen, entsetzten wir uns, denn ihre Leiber waren weißer als aller Schnee und röter als jede RORe. 9. Es war aber rlafl Rot an ihnen mit dem Weiß vermischt, und ich kann einfach ihre Schönheit nicht Rchildern. 10. Denn auch das Haar war gelockt und anmutig und paßte sich ihrem Antlitz und ihren Schultern an wie ein einziger Kranz, geflochten aus Nardenblüten und bunten Blumen oder wie Ain Regenbogen im Äther. So wohlgestaltet war ihr Aussehen. 11. Als wir ihre Schönheit sahen, ent'letzten wir uns vor ihnen, da sie plötzlich erschienen waren. 12. Und ich trat zum Herrn und sprach: "Wer sind diese?" 13. Er spricht zu mir:
1 Vgl. 2. Petr. 2, lff.; J oh. 17, 12; 2. Thess. 2, 3. • Vgl. Mt. 5,6. 32. Petr. 1,18; Mk. 9, 2ff. u. Par.; Lk. 9,28. 4 Vgl. Mk. 9, 2ff. u. Par.
31 Henneoke, Apokryphen Bd. 2
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XVI. Apokalyptik des Urchristentums
das?" Und er sagte zu mir: "Das ist Moses und Elias."l Und ich sagte zu ihm: ,,(Wo sind denn) Abraham, Isaak, Jakob und die anderen gerechten Väter?" Und er zeigte uns einen großen geöffneten Garten. (Er war) voll von schönen Bäumen und gesegneten Früchten 2, voll von Duft von Wohlgerüchen. Sein Duft war schön, und sein Duft reichte zu uns. Und von ihm ... sah ich viele Früchte.
Und es sagte zu mir mein Herr und Gott J esus Christus: "Hast du gesehen die Scharen der Väter? Wie ihre Ruhe ist, so ist die Ehre und Herrlichkeit derer, die man um meiner Gerechtigkeit willen verfolgt." 4
"Dies sind eure gerechten Brüder, deren Gestalt ihr sehen wolltet." 14. Da sprach ich zu ihm: "Und wo befinden sich alle Gerechten, oder wie ist der Äon beschaffen, in welchem diejenigen sind, die solche Herrlichkeit haben?" 15. Und der Herr zeigte mir einen weit ausgedehnten Ort außerhalb dieser Welt 3 , ganz schimmernd im Lichte, und die Luft dort durchleuchtet von Sonnenstrahlen, und die Erde selbst sprossend von unverwelklichen Blumen und voll von Gewürzkräutern und von Pflanzen, welche prächtig blühen und nicht verwelken und gesegnete Früchte tragen. 16. So stark war der Blumenduft, daß er von dorther sogar bis zu uns herübergetragen wurde. 17. Die Bewohner jenes Ortes waren bekleidet mit einem leuchtenden Engelsgewand, und ihr Kleid paßte zu ihrem Aufenthaltsort. 18. Engel aber wandelten dort unter ihnen. 19. Alle dortigen Bewohner hatten den gleichen Glanz, und mit einer Stimme priesen sie Gott den Herrn, sich freuend an jenem Ort. 20. Da spricht der Herr zu uns: "Dies ist der Ort eurer Hohenpriester (Brüder?), der gerechten Menschen. "
(Und ich ward froh und glaubte), und hegriff das, was geschrieben ist im Buche meines Herrn Jesus Christus. Und ich sagte zu ihm: "Mein Herr, willst du, daß ich drei Hütten hier mache, eine dir, eine Moses, eine Elias?"5 Und er sagte zu mir im Zorn: "Satan führt gegen dich Krieg, und er hat dein Denken 6 verschleiert, und die Güter dieser Welt besiegen dich. Deine Augen sollen also geöffnet sein und deine Ohren sich auftun, daß ... eine Hütte, die nicht Menschenhand gemacht hat, die gemacht mein himmlischer Vater mir und den Erwählten." Und wir sahen (es) voll Freude. 17. Und siehe, plötzlich kam eine Stimme vom Himmel, indem sie sagte: "Dies ist mein Sohn, den ich liebe, und an dem ich Gefallen habe 7 und meine Gebote ... ". Mk. 9, 4 u. Par. • 1. MOB. 1, 8ff.; Offbg. Joh. 22, 2. Zum Folgenden vgl. Theophilus von Antiochia, Ad Autolycum II,19: Gott erwählt für Adam als Paradies "einen Platz in den östlichen Gegenden, ausgezeichnet durch 1
a
Licht, durchstrahlt von leuchtender Luft, mit wunderschönen Pflanzen". 4 Mt. 5, 10. 6 Mt. 17,4 u. Par. 6 Mt. 16,23 u. Par. 7 Mt. 17,5 u. Par.; Mt. 3, 17 u. Par.
3. Offenbarung des Petru8
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Und es kam eine so große und sehr weiße Wolke über unser Haupt und nahm unsern Herrn und Moses und Elias fort 1 • Und ich erbebte und entsetzte mich, und wir blickten auf, und der Himmel öffnete sich, und wir sahen Menschen im Fleische, und sie kamen und begrüßten unsern Herrn und M01\es und Elias und gingen in den zweiten Himmel. Und erfüllt war das Wort der Schrift: "Dieses Geschlecht sucht ihn und sucht das Antlitz des Gottes Jakobs."2 Und große Furcht und großes Entsetzen trat ein im Himmel. Die Engel scharten sich zusammen, damit erfüllt würde das Wort der Schrift, das sagt: "Oifnet die Tore, ihr Fürsten!"a Darauf wurde der Himmel geschlossen, der geöffnet worden war. Und wir beteten und gingen vom Berge herab, indem wir Gott priesen 4, der die Namen der Gerechten im Himmel in das Buch des Lebens eingeschrieben 5 hat. Mt. 17,5; AG. 1,9. • Ps. 24, 6. Ps. 24,7-9. - E. Kähler, Studien zum Te Deum und zur Geschichte des 24. Psalms in der alten Kirche, 1958, S.53-55, findet in Kap. 17 der Petrusoffenbarung die nachösterliche triumphale Himmelfahrt des Erlösers geschildert, bei welcher der Widerstand feindlicher Mächte durch die Engel gebrochen und die Gerechten im Gefolge des Erlösers in den zweiten, d.h. eigentlichen Himmel geführt werden. 4 Mk. 9, 9 u. Par.; Lk. 24, 52f. 5 Dan. 12,1; Offbg. Joh. 17,8 u.ö. 1 8
31"
XVII. APOKALYPTISCHE PROPHETIE DER FRüHEN KIRCHE EINLEITUNG
(W. Schneemelcher)
Das Judentum der hellenistisch-römischen Zeit war von vielfachen Hoffnuugen und Erwartungen bewegt. In Apokalyptik, Sibyllistik und mancherlei Prophetie haben sich diese Hoffnungen recht unterschiedlich Ausdruck verschafft. Dabei ist mit dem Aufweis eines Gegensatzes zwischen nationaler und universaler Eschatologie nur ein Aspekt dieses bunten Bildes gekennzeichnet (zur jüdischen Apokalyptik vgl. oben S. 408ff.). Im frühen Christentum wirken Apokalyptik, Sibyllistik und Prophetie weiter, werden aber von ihren national-jüdischen Elementen gereinigt. Wichtig ist, daß sich im frühen Christentum die Verbindung von Apokalyptik und Prophetie findet (vgl. oben S. 425ff.), d.h. daß die urchristlichen Propheten, die doch wohl vor allem charismatische Gemeindeleiter waren, sich apokalyptischer Terminologie und Vorstellungen bedienten. Diese Verbindung hielt nur so lange, wie die Propheten in den christlichen Gemeinden eine gewisse Rolle spielten. Von der Zeit an, da die Propheten durch andere Amtsträger ersetzt wurden, erhielt auch die Apokalyptik in der Kirche einen anderen Platz: sie wurde wieder das, was sie ursprünglich gewesen war, nämlich Buchweisheit, in der viele überlieferte Stoffe weiterlebten, die aber doch eine Randerscheinung der durch Amtsträger geleiteten Kirche blieb. Nur wenige Zeugnisse für das, was man apokalyptische Prophetie im 2.Jh. nennen kann, sind erhalten; ja, man könnte wohl fragen, ob die in diesem Abschnitt zusammengestellten Stücke (5./6. Esra, Sibyllinen, Elchasai) mit dieser Sammelbezeichnung richtig charakterisiert sind. Sie stellen sicher keine Einheit dar: hier redet ein Apokalyptiker als alttestamentlicher Prophet; daneben steht die 'uralte Seherin', die Sibylle, und gibt ihre von jüdischer und christlicher Apokalyptik geprägten Sprüche von sich; schließlich taucht der Prophet Elchasai auf, der Visionen und Paränesen mit jüdisch-apokalyptischen Prophezeiungen verbindet. Auch religionsgeschichtlich sind diese Texte kaum eine Einheit. Aber das wird für die Propheten in der frühen Kirche ohnehin charakteristisch sein, daß sie keine theologischdogmatische Einheit darstellen und daß sie auch gemäß ihrer Herkunft ihrer Verkündigung sehr verschiedene Gewänder geben konnten. Zusammengehalten werden die hier gebotenen Texte dadurch, daß in ihnen Propheten, d. h. geisterfüllte Männer reden und daß sie ihr Reden in apokalyptische Bilder und Vorstellungen kleiden. Nun muß man sich darüber klar sein, daß es in der Zeit der frühen Kirche offensichtlich eine Fülle solcher prophetischer Gestalten in den verschiedensten Bereichen
Einleitung
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gegeben hat. Wie sehr sich diese Phänomene in Christentum, Heidentum und Judentum ähneln können, zeigt die Unsicherheit in der Deutung eines Berichtes des Celsus, der von solchen Propheten erzählt: Viele Leute und (zwar solche) ohne Namen bewegen sich mit größter Leichtigkeit aus einem zufälligen Anlaß wie Wahrsager innerhalb wie außerhalb der Heiligtümer, andere ziehen auch bettelnd in Städten und Lagern umher. Einem jeden aber ist es zur Hand und geläufig zu sagen: 'Ich bin Gott oder Gottes Kind oder göttlicher Geist. Ich bin aber gekommen; denn schon vergeht die Welt und ihr, 0 Menschen, geht dahin wegen der Ungerechtigkeiten. Ich aber will euch retten, und ihr werdet mich wiederkommen sehen mit himmlischer Macht. Selig, wer mich jetzt verehrt hat, allen anderen aber werde ich ewiges Feuer auferlegen, Städten und Ländern. Und die Menschen, die ihre Buße nicht kennen, werden vergeblich bereuen und seufzen; die aber mir gehorchen, werde ich ewig bewahren' ... Dieses führen sie weit aus und fügen dann noch unverständliche, halbverdrehte und gänzlich undeutbare Worte hinzu, deren Sinn wohl kein Verständiger herausfinden kann. (Origenes, c. Cels. VII 9)
Man hat gemeint, in den von Celsus karikierten Gestalten christliche, christlichgnostische oder montanistische Propheten sehen zu können. Aber wahrscheinlicher ist doch wohl, daß Celsus hier irgend welche heidnische Propheten aus Phönizien oder Palästina vor Augen hat!. Jedenfalls scheint es mancherlei Erscheinungen dieser Art in allen Religionen gegeben zu haben. Aber solche Propheten haben sich wohl kaum mit dem Schreiben von Büchern aufgehalten, zumindest ist von einem solchen literarischen Niederschlag der prophetischen Tätigkeit nicht viel bekannt. Man kann annehmen, daß die Verfasser der unten zusammengestellten Texte solche prophetischen Gestalten gewesen sind, ohne sie damit aber nun voll und ganz mit allen Kennzeichen der Propheten des Celsus belasten zu wollen. Auch die letzte große prophetische Bewegung in der frühen Kirche, der Montanismus, hat keine Bücher hinterlassen, obwohl die Ketzerbestreiter berichten, Montanus selbst, Priscilla (Prisca) und Maximilla hätten zahlreiche Schriften verfaßt 2. Erhalten ist davon aber leider nichts; wir sind vielmehr auf die wenigen überlieferten Prophetensprüche angewiesen, wenn wir die Frage beantworten wollen, ob der Montanismus - und zwar der Montanismus in Kleinasien im 2.Jh., also nicht der Montanismus in Afrika (Tertullian) im 3.Jh. - unter den Begriff apokalyptische Prophetie fällt oder nicht. Diese Frage ist die einzige, der wir in unserem Zusammenhang nachgehen können; alle anderen Probleme, die der Montanismus stellt, können hier nicht erörtert werden 3. Zunächst seien die Prophetensprüche zusammengestellt, deren Echtheit gesichert erscheint 4 • 1 Daß es sich nicht um montanistische Propheten handelt, hat schon P. de Labriolle, La crise montaniste, 1913, S. 99f. betont. 2 Hippolyt, Ref. VIII 19, 1; Euseb, h.e. VI 20,3. Weiteres bei K. Aland, Bemerkungen zum Montanismus: Kirchengeschichtliche Entwürfe, 1960, S. 105f.; dort auch der Hinweis auf die spätere staatliche Gesetzgebung gegen den Montani, mus, die für den Untergang der montanistischen Literatur verantwortlich gemacht wird. Aber hat es überhaupt eine solche Literatur gegeben? 3 Vgl. zum Montanismus allgemein Aland a. a. 0.; dort auch ältere Literatur. Zur Chronologie: G. S.P. Freeman-Grenville, The date of the outbreak of Montanism: Journ. of Eccl. History 5, 1954, S. 7-15. 4 Näheres zu der Frage der Echtheit bei Aland, a.a.O., S. 111ff. und S. 143ff.; auf die Angabe der verschiedenen Numerierungen der Sprüche bei Hilgenfeld, Bonwetsch, Labriolle und Aland ist hier verzichtet worden.
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XVII. Apokalyptische Prophetie der frühen Kirche
1. (Montanus sagt:) Ich bin der Vater und ich bin der Sohn und ich der Paraklet. (Dialog eines Montanisten mit einem Orthodoxen, hrsg. von G.Ficker, ZKG 26,1905, S. 452; vgl. auch Didymus, De Trin. III 41,1) 2. (Montanus spricht:) Ich der Herr, der allmächtige Gott, verweile im Menschen. (Epiphanius, I-Iaer. 48, 11, 1) 3. (Montanus sagt:) Weder Engel noch Gesandter, sondern ich der Herr, Gott Vater bin gekommen. (Epiphanius, Haer. 48, 11, 9) 4. (Montanus sagt:) Siehe, der Mensch ist wie eine Leier, und ich fliege hinzu wie ein Schlegel. Der Mensch schläft, und ich wache. Siehe, der Herr ist es, der die Herzen der Menschen erregt (in Ekstase versetzt) und den Menschen ein (neues) Herz gibt. (Epiphanius, Haer. 48, 4, 1) 5. (Montamts sagt:) Warum nennst du den übermenschen einen Geretteten? Denn der Gerechte, sagt er, wird leuchten hundertmal stärker als die Sonne, die Kleinen aber unter euch, die gerettet werden, werden hundertmal stärker als der Mond leuchten. (Epiphanius, Haer. 48, 10, 3) 6. (Der Paraklet in den neuen Propheten sagt:) Die Kirche kann die Sünde vergeben, aber ich will es nicht tun, damit nicht auch noch andere sündigen. (Tertullian, De pud. XXI, 7) 7. (Der Geist sagt:) Du wirst öffentlich gezeigt; das ist dir gut; denn wer nicht vor Menschen öffentlich gezeigt wird, der wird vor dem Herrn in die Öffentlichkeit gezogen. Laß dich nicht verwirren! Die Gerechtigkeit führt dich in die Mitte (der Menschen). Was verwirrt dich, der du doch Ruhm davonträgst? Macht geschieht, wenn du von den Menschen erblickt wirst. (Tertullian, De fuga IX, 4) 8. (Der Geist spricht:) Wünscht euch nicht, im Bett, noch bei Entbindungen und durch erschlaffendes Fieber zu sterben, sondern in Martyrien, damit der verherrlicht werde, der für euch gelitten hat. (Tertullian, De fuga IX, 4; vgl. Tertullian, De anima LV, 5) 9. (Der Paraklet sagt durch die Prophetin Prisca:) Sie sind Fleisch und sie hassen (doch) das Fleisch. (Tertullian, De resurr. mort. XI, 2) 10. (Die heilige Prophetin Prisca verkündigt:) Ein heiliger Diener muß verstehen, der Heiligkeit zu dienen. Denn wenn das Herz Läuterung gibt (?), sagt sie, sehen sie auch Gesichte (visiones), und wenn sie ihr Antlitz senken, so vernehmen sie auch heilbringende Stimmen, ebenso deutlich wie auch verborgen. (Tertullian, De exhort. cast. X, 5) 11. (Quintilla oder Priscilla sagten:) In Gestalt eines Weibes, sagt sie, mit leuchtendem Gewand geschmückt kam Christus zu mir und legte in mich die Weisheit und offenbarte mir, daß dieser Ort (= Pepuza) heilig sei und Jerusalem aus dem Himmel hierher herabkommen werde. (Epiphanius, Haer. 49, 1, 2-3) 12. (Maximilla sagt:) Nach mir, sagt sie, wird es keinen Propheten mehr geben, sondern (nur) die Vollendung. (Epiphanius, Haer. 48, 2, 4)
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Einleitung
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13. (Maximilla sagt:) Höret nicht auf mich, sondern höret auf Christus. (Epiphanius, Haer. 48, 12, 4) 14. (Maximilla sagt:) Es hat mich der Herr als Parteigänger, Verkünder und Dolmetscher dieser Mühsal und dieses Bundes und dieser Verheißung gesandt, gezwungen, willig oder unwillig Gotteserkenntnis zu lernen. (Epiphanius, Haer. 48, 13, 1) 15. (Der Geist spricht durch Maximilla:) Ich werde verfolgt wie ein Wolf aus (der Herde) der Schafe (heraus); ich bin nicht ein Wolf; Wort bin ich und Geist und Kraft. (Euseb, H. e. V 16, 17) Eine Einzelinterpretation dieser 15 Sprüche, die aus der Frühzeit des Montanismus stammen mögen, kann hier nicht geboten werden 1. Läßt sich nun aus diesen Sprüchen ablesen, was der Montanismus gewesen ist? Nun, natürlich nicht ohne Berücksichtigung der Berichte, die wir über die "phrygische Bewegung" sonst noch haben. Aber das Selbstverständnis des Montanus und seiner beiden Prophetinnen scheint mir doch in diesen Worten zu Tage zu treten. Drei Punkte müssen hervorgehoben werden: 1. Montanus bat sich ausschließlich als Werkzeug Gottes angesehen. Durch ihn redet Gott bzw. der Geist Gottes (Spr. 1-4). Man darf doch wohl aus Spruch 1 nicht auf irgend welche trinitarischen Sonderlehren schließen - der Montanismus ist in seiner Anfangszeit als rechtgläubig anerkannt -, sondern kann ibn nur als Zeugnis der Geisterfülltheit des Propheten verstehen. Und auch die Sprüche 11 (Vision der Priscilla) und 14 (Selbstzeugnis der Maximilla) sind in dieser Richtung zu deuten. Gerade an Spruch 14 wird ja deutlich, daß die Prophetin gegen ihren Willen getrieben wird. Das heißt doch nun aber, daß der Montanismus in seiner Anfangszeit eine prophetische Bewegung war, die in nicht näher nachweisbarem Zusammenhang mit urchristlichem Prophetentum stand. 2. Diese prophetische Bewegung scheint nicht besonders stark von apokalyptischen Gedanken bewegt gewesen zu sein, jedenfalls treten in den Sprüchen spezifisch apokalyptische Gedanken nicht in den Vordergrund. Nur die Naherwartung (Spr. 12) und die Hoffnung auf das Herabkommen des himmlischen Jerusalems in Pepuza (Spr.11) lassen darauf schließen, daß im Montanismus apokalyptische Vorstellungen nachwirken. Dabei mag die Offenbarung des Johannes solche Gedanken nahegelegt haben. Aber im ganzen scheint der frühe Montanismus eine prophetische, jedoch keine streng apokalyptische Bewegung gewesen zu sein. 3. Auch wenn die rigoriRtisehe Ethik erst in der späteren Phase des Montanismus (Tertullian) in den Vordergrund getreten ist, so weisen doch einige der Prophetenworte (Spr. 4; 5; 6) darauf hin, daß ein solches Drängen auf ethische Erneuerung in der Frühzeit nicht ganz gefehlt hat. Auch das Bemühen der Gegner, die Moral der Montanist.en herabzusetzen, deutet darauf hin, daß ein Teil der Verkündigung des Montanus der sittlichen Erneuerung und der Buße galt. Der Geist gibt nicht nur die Ekstase, sondern auch ein neues Herz (Spr. 4). Auch dieser Zug ordnet sich gut in das Bild der prophetischen Bewegung ein. Das prophetische Charisma zeigt sich auch in paränetischen Sprüchen. Natürlich hat auch der Apokalyptik die Paränese nicht gefehlt; aber sie ist dort nicht ein Spezifikum und ist auch kaum rigoristisch im montanistischen Sinn. Im ganzen also wird man den Montanismus als eine 1 Auch auf eine formgeschichtliche Untersuchung dieser Sprüche muß verzichtet werden; sie würde sich lohnen.
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XVII. Apokalyptische Prophetie der frühen Kirche
Restaurat,ion urchristlicher Prophetie verstehen müssen, wobei die apokalyptische Vorstellungswelt zurücktritt. Auf eine Frage muß schließlich noch hingewiesen werden: Haben die Sprüche des Montanus und seiner Prophetinnen, die ja offenbar früh gesammelt und tradiert wurden, eine Autorität genossen, die man als kanonisch bezeichnen kann ~ Der Gebrauch, den Tertullian von diesen Sprüchen gemacht hat, könnte diesen Gedanken nahelegen, zumindest zeigt er, welche Autorität diesen Sprüchen zugemessen wurde. Aber sie haben wohl kaum je an die Stelle der Schrift treten sollen, jedenfalls nicht in der zweiten Periode des Montanismus (nach 200), aber wahrscheinlich auch nicht in der ersten Zeit. Auch das scheint doch darauf hinzuweisen, daß die Propheten des Montanismus in der Kontinuität mit den frühchristlichen Propheten, aber nicht mit der Apokalyptik standen.
1. DAS FÜNFTE UND SECHSTE BUCH ESRA
(H. Duensing) 1. ÜBERLIEFERUNG. Das vierte Esrabuch hat in den Drucken der lateinischen Bibel am Anfang und am Schluß je zwei Zusatzkapitel, welche in den orientalischen Übersetzungen fehlen. Kap. 1 und 2 sind eine christliche Apokalypse, die in den Hss. vor oder nach dem 4. Esra eingefügt und z. T. als 5. Buch Esra bezeichnet ist. Kap. 15 und 16 bilden einen Anhang, sind dem Stil nach mit Weherufen erfüllte Prophezeiungen nach atl. Art, die wie die Eingangskapitel als Ganzes nur lateinisch überliefert sind. Sprachliche Beobachtungen führen auf ein griechisches Original, was für Kap. 15/16 durch Auffindung eines kleinen griechischen Bruchstückes aus Kap. 15, v. 57-59 unter den Oxyrhynchus·Papyri bestätigt wird. Die handschriftliche Überlieferung ist in zwei Gruppen gespalten, eine fränkische, vertreten durch S, den Codex Sangermanensis aus dem Jahre 822, und den Codex A = Ambianensis, ebenfalls aus dem 9.Jh., und eine spanische, vertreten durch C = Complutensis aus dem 9.-1O.Jh., und M = Mazarinaeus aus dem 11.-12.Jh., nebst einigen anderen Trabanten, worunter der Cod. Legionensis = L einen stark abweichenden Text hat, dies aber nach Violet dem abändernden Verfahren eines selbständig denkenden Schreibers verdankt. Die Gruppe S A steht in der Regel an Wert weit über der anderen C M (NVL). 2. INHALT. Die Prophetie der beiden Anfangskapitel zerfällt in zwei Teile, von denen der erste sich gegen das jüdische Volk wendet, der zweite an das Christenvolk, das an seine Stelle treten soll. Es ist möglich, daß im ersten Teil Stoffe aus einer jüdischen Schrift verwendet sind, die christlich überarbeitet (s. 1,11; 1,24; 1, 30 und besonders 1, 35-40) zu einer Invektive gegen das jüdische Volk ausgestaltet wurden. Der zweite Teil 2, 10-48 dagegen, welcher eine trostvolle Verheißung für das Christenvolk bringt, ist trotz 2, 33. 42 u. a. m., die Einkleidung sind, rein christlich. Das Kap. 15 und 16 umfassende sechste Esrabuch enthält Schilderungen des sich in gewaltigen Kriegs- und Naturereignissen vollziehenden Weltunterganges, wobei BabyIon, Asien, Ägypten und Syrien besonders bedroht werden, dagegen das Gottesvolk, welches Verfolgungsleiden zu erdulden haben wird, ermahnt, gestärkt und getröstet wird. 3. ABFASSUNGSZEIT. In 2, 42-47 wird eine unzählbar große Schar christlicher Märtyrer gekrönt. Das führt über das erste Jh. hinaus. Der Jüngling von großer Gestalt hat eine Parallele im Petrusev., in den Akten der Perpetua und der Felicitas wie auch im Hirten des Hermas. Dieser Zug weist ins zweite Jh. Da nun auch die Auseinandersetzung mit dem Judentum noch Tageswichtigkeit besitzt, so darf man die Schrift nicht zu spät ansetzen. Man mag bei ungefähr 200 stehen bleiben. Anders steht es mit dem Anhang Kap. 15-16. Hier ist eine Verfolgung vorausgesetzt, die sich über die ganze Osthälfte des Römerreiches erstreckt, bei der die aus den Häusern ver-
1. Das fünfte und sechste Buch Esra
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triebenen, ihres Gutes beraubten und gefangengesetzten Christen gezwungen werden, Götzenopferfleisch zu essen. So bleibt der weite Spielraum von etwa 120 bis zum Aufhören der Verfolgungen unter Konstantin. Aus einigen Einzelheiten, die man zeitlich festlegen zu können meinte, hat man die Schrift ins dritte Jh. setzen wollen. Aber eine genaue Bestimmung der Abfassungszeit ist nicht möglich, ebensowenig wie eine Fixierung des Ortes der Entstehung, wenn auch die westlichen Länder des Orients die meiste Wahrscheinlichkeit für sich haben. 4. BEDEUTUNG. Wie sehr der apokalyptische Stoff des 5. Esra die Christen selbst späterer Zeiten angezogen hat, ist neben andern Berührungen und Anklängen in der offiziellen römisch-katholischen Liturgie aus der Tatsache zu ersehen, daß in einem Fragment eines Missale aus dem 11.Jh. die Stelle 2, 42-48 als Epistel für die Messe de communi plurimorum martyrum in vollem Wortlaut mitgeteilt wird. Dazu haben viele Einzelheiten des Stoffes besondere Bedeutung. So die 12 Engel mit Blumen in 1, 40, das Gottesvolk, das von Osten kommt in 1,38, der Lebensbaum im Paradiese in 2, 12, die 12 Fruchtbäume daselbst in 2, 18, die Auferweckung in 2, 31 und der überaus große Gottessohn in 2,43 (zu dem WachstumMotiv vgI. das Material bei E. Hammerschmidt, Studies in the Ethiopic Anaphoras, 1961, S.98). Demgegenüber bietet der 6. Esra mehr Gerichtsdrohung und Trost und Mahnung in der bestimmten Lage der Verfolgungszeit. Alles ist hier erdgebundener. Trotzdem erschien auch dieses Werk geeignet zu Drohung und Mahnung gebraucht zu werden, wie der ins 7. oder 6.Jh. gesetzte Brief des angelsächsischen Schriftstellers Gildas zeigt, in dem Kap. 15,21-27 und Kap. 16, 3 f. 5-12 im Wortlaut wiedergegeben werden. 5. LITERATUR. O.F. Fritzsche, Libri apocryphi Veteris Testamenti, Leipzig 1871 (S. 640ff.); R.L. Bensly, The Fourth Book of Ezra (mit einer Einführung von M.R. James), Texts and Studies III, 2, 1895; das oben erwähnte griechische Bruchstück zu 4. Esra 15, 57-59 in: The Oxyrhynchos Papyri, Part. VII (ed. A. Hunt), 1910, S. 11 ff.; ältere Literatur bei E. Schürer, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi, III, 41909, S. 33Of.; dazu noch M.J. Labourt: Le cinqui'me livre d'Esdras, Rev. BibI. 17, 1909, S. 412 bis 434; D. de Bruyne, Fragments d'une apocalypse perdue, Rev. Bened. 33, 1921, S. 97-109; A. Oepke, Ein bisher unbeachtetes Zitat aus dem 5. Buche Esra, Coniect. Neotestament. XI, 1947, S. 179-195 (wieder abgedruckt in ZNW 42,1949, S. 158-172); O. Plöger, Artikel "Das 5. und 6. Esrabuch" inRGG3, II, 1958, Sp. 699f.; vgI. auch die Einleitung zum 4. Esra (Kap. 3-14) von B. Noack in: De Gammeltestamentlige Pseudepigrapher, Heft 1, 1953, S.I-13. 5. ESRA *
1 4. Das Wort Gottes, welches zu Esra karn, dem Sohn Chusis, in den Tagen des Königs Nebukadnezar, also: 5. Gehe und tue meinem Volke seine Schandtaten kund und seinen Söhnen das Böse, das sie gegen mich begangen haben, damit sie davon ihren Kindeskindern wiedererzählen. 6. Denn die Sünden ihrer Väter sind in ihnen (noch) gewachsen: sie haben mich vergessen und fremden Göttern geopfert. 7. Habe ich sie nicht aus dem Lande Ägypten, aus dem Diensthause geführt1 Sie aber haben mich zum Zorne gereizt und meine Ratschläge verachtet. 8. Du jedoch schüttle das Haar deines Hauptes und laß alles Schlimme auf sie fallen, da sie meinem Gesetz nicht gehorcht haben, das halsstarrige Volk! 9. Wie lange soll ich sie ertragen1 Habe ich ihnen doch soviel Gutes erwiesen! 10. Viele Könige habe ich um ihretwillen gestürzt, den Pharao mit seinen Dienern
* Zu dem folgenden Stück (1, 4-2,9) werden keine biblischen Zitate und Anspielungen geboten, da der Text nichts anderes als ein Mosaik aus zahllosen alttestamentlichen Sätzen ist.
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XVII. Apokalyptische Prophetie der frühen Kirche
und sein ganzes Heer habe ich zerschmettert. 11. Habe ich nicht um euretwillen die Stadt Bethsaida zerstört und im Osten zwei Städte, Tyrus und Sidon, mit Feuer verbrannt~ 12. Sprich du nun zu ihnen also: So spricht der Herr: 13. Fürwahr, ich habe euch durch das Meer geführt und in unwegsamer Wüste euch gebahnte Straßen dargeboten. Als Führer habe ich euch den Moses gegeben und den Aaron als Priester. 14. Licht habe ich euch durch die Wolkensäule gewährt und große Wundertaten unter euch getan. Ihr aber habt mich vergessen! spricht der Herr. - 15. So spricht der Herr, der Allmächtige: Die Wachtel ist euch zum Zeichen gewesen, ein Lager habe ich euch zum Schutze gegeben. Und da habt ihr gemurrt! 16. Und nicht habt ihr triumphiert in meinem Namen über die Vernichtung eurer Feinde, nein bis zu diesem Tage murret ihr noch! 17. Wo sind die Wohltaten, die ich euch erwiesen habe? Habt ihr nicht in der Wüste, als ihr Hunger und Durst littet, zu mir geschrien: 18. Was hast du uns in diese Wüste geführt, uns zu töten? Besser, wir frondeten den .Ägyptern, als daß wir sterben in dieser Wüste! 19. Eure Schmerzen haben mir leid getan, und ich habe euch das Manna zur Speise gegeben, das Brot der Engel habt ihr gegessen. 20. Habe ich nicht, als ihr Durst littet, den Felsen gespalten, und es floß Wasser in Fülle? Vor der Hitze deckte ich euch mit Baumblättern. 21. Fette Länder habe ich euch zugeteilt, die Kanaaniter, die Pheresiter und Philister habe ich hingestreckt vor eurem Angesicht. - Wa8 soll ich euch noch tun~ spricht der Herr. - 22. So spricht der Herr, der Allmächtige: Als ihr in der Wüste waret, dürstend am bittern Wasser und meinen Namen verwünschend, 23. da habe ich nicht Feuer auf euch regnen lassen ob eurer Lästerungen, sondern durch ein Holz, das ins Wasser geworfen wurde, machte ich den Fluß süß. - 24. Was soll ich dir tun, Jakob? Du wolltest mich nicht hören, Juda! Ich werde zu anderen Völkern wandern und ihnen meinen Namen geben, auf daß sie meine Satzungen halten. 25. Weil ihr mich verlassen habt, will ich euch auch verlassen. Wenn ihr mich um Erbarmen anfleht, will ich mich euer nicht erbarmen. 26. Wenn ihr mich anruft, werde ich euch nicht hören. Denn ihr habt eure Hände mit Blut befleckt, und eure Füße sind rasch dabei, Mordtaten zu vollführen. 27. Nicht als ob ihr mich im Stiche gelassen hättet, nein, euch selber! spricht der Herr. 28. So spricht der Herr, der Allmächtige: Habe ich euch nicht bittend gemahnt wie ein Vater seine Söhne, wie eine Mutter ihre Töchter, wie eine Amme ihre Säuglinge, 29. ihr solltet mir zum Volk sein und ich euch zum Gott, ihr mir zu Söhnen und ich euch zum Vater? 30. So habe ich euch gesammelt wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel. Nun aber, was soll ich euch tun? Ich werde euch vertreiben von meinem Angesicht! 31. Wenn ihr mir Opfer bringt, werde ich mein Angesicht von euch wenden; denn Feste und Neumonde und fleischliche Beschneidungen habe ich euch nicht geboten. 32. Ich habe meine Knechte, die Propheten, zu euch gesandt, die habt ihr genommen und getötet und ihre Körper zerfleischt. Ihr Blut will ich an euch heimsuchen, spricht der Herr. - 33. So spricht der Herr, der Allmächtige: Euer Haus ist wüste, ich will euch davontreiben wie der Wind die Spreu. 34. Und eure Kinder werden keine Nachkommen erzeugen, denn sie haben mit euch mein Gebot verachtet und getan, was böse ist in meinen Augen. 35. Ich werde eure Wohnungen einem Volke geben, welches kommen wird, denen, die mich nicht gehört haben und doch glauben; denen ich keine Wunderzeichen gegeben habe. Sie werden tun, was ich geboten habe. 36. Die Propheten haben sie nicht gesehen, und sie werden doch ihre Geschichte im Gedächtnis behalten. 37. Ich
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bezeuge die Gnade, die dem kommenden Volke widerfahren soll, dessen Kinder vor Freude hüpfen, ob sie mich gleich mit den Augen des Körpers nicht sehen, nein im Geiste glauben sie, was ich gesagt habe. 38. Und jetzt, Vater, blicke her in Herrlichkeit und sieh dein Volk, das von Sonnenaufgang kommt! 39. Ihnen werde ich geben die Herrschaft mit Abraham, Isaak und Jakob, Elia und Henoch, Sacharja und Hosea, Amos, Joel, Micha, Obadja, 40. Zephanja, Nahum, Jona, Mattathias, Habakuk und den zwölf Engeln mit Blumen. 2 1. So spricht der Herr: Ich habe dies Volk aus der Knechtschaft geführt, habe ihnen Gebote gegeben durch meine Knechte, die Propheten, aber sie haben sie nicht hören wollen, sondern meinen Rat in den Wind geschlagen. 2. Die Mutter, die sie geboren hat, spricht zu ihnen: Gehet, meine Söhne, denn ich bin verwitwet und verlassen. 3. Ich habe euch mit Freuden großgezogen und mit Schmerz und Trauer verloren, weil ihr gesündigt habt vor dem Herrn und getan, was böse ist in meinen Augen. - 4. Nun aber, was soll ich euch tun1 - Ich bin verwitwet und verlassen. Gehet, meine Söhne, und bittet den Herrn um Erbarmen. 5. Ich aber rufe dich, Vater, zum Zeugen an für die Mutter der Söhne, weil sie meinen Bund nicht haben halten wollen: 6. LaßVerstörung über sie kommen und Plünderung über ihre Mutter, damit sie keine Nachkommen mehr bekommen. 7. Laß sie unter die Völker zerstreut, ihre Namen vernichtet werden von der Erde, weil sie meinen Bund verachtet haben. 8. Wehe dir, Assur, die du Ungerechte in dir birgst! Böse Stadt, bedenke, was ich an Sodom und Gomorrha getan habe, 9. deren Land in Pechklumpen und Aschenhaufen liegt: So will ich die machen, die nicht auf mich gehört haben, spricht der Herr, der Allmächtige. 10. Dies spricht der Herr zu Esra: Verkünde meinem Volke, daß ich ihnen das Reich Jerusalem geben werde, welches ich Israel geben wollte. 11. Und ich werde mir die Herrlichkeit jener (= der Israeliten) nehmen und ihnen die ewigen Hütten l geben, welche ich jenen bereitet hatte. 12. Der Baum des Lebens 2 wird ihnen zum Wohlgeruch einer Salbe werden, und sie werden sich nicht abmühen noch ermüden. 13. Bittet, so werdet ihr empfangen 3, erbittet euch wenige Tage, daß sie verkürzt werden. Schon ist euch das Reich bereitet: Wachet! 14. Ich rufe Himmel und Erde zu Zeugen an: habe ich doch das Böse eingestellt und das Gute geschaffen, denn (= so wahr als) ich lebe, spricht der Herr. 15. (Gute) Mutter, umarme deine Kinder, ziehe sie mit Freuden auf wie eine Taube (CM: gib ihnen Freude wie eine Taube, die ihre Jungen führt), stärke ihre Füße, denn ich habe dich erwählt, spricht der Herr. 16. Und ich werde die Toten aus ihren Örtern auferwecken und werde sie aus den Grabmälern herausführen4, weil ich meinen Namen in ihnen erkannt habe. 17. Fürchte dich nicht, Mutter der Kinder, denn ich habe dich erwählt. 18. Ich werde dir als Hilfe schicken meine Knechte Jesaja und Jeremia (CM und Daniel), nach deren Rat ich (CM: dich) geheiligt und dir bereitet habe zwölf Bäume, mit mannigfaltigen Früchten schwer behangen, 19. und ebensoviele Quellen, die von Milch und Honigfließen 5 , und sieben unermeßliche Berge 6 , voll Rosen und Lilien, auf denen ich deine Kinder mit Freude erfüllen werde.
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Lk. 16,9. Vgl. Mt. 7,7 par. • 2. Mos. 3,8 u.a.ID.
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Offbg. 22, 2. Vgl. Jes. 26, 19; Mt. 24,22; 24,42. Henoch 24.
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20. Schaffe der Witwe Recht, dem Mündel verhilf zum Recht, dem Bedürftigen gib, die Waise schütze, den Nackten kleide, 21. den Krüppel und den Schwachen pflege, den Lahmen verlache nicht, beschütze den Gebrechlichen und den Blinden laß zum Schauen meiner Klarheit gelangen 1. 22. Den Greis und den Jüngling hüte in deinen Mauern, deine kleinen Kinder bewahre, deine Sklaven und Freien sollen sich freuen, und deine ganze Schar in Frohsinn leben. 23. Wo du Tote findest, da übergib sie einem Grabe, es bezeichnend: so werde ich dir den ersten Sitz bei meiner Auferstehung geben. 24. Raste und ruhe, mein Volk, denn deine Ruhe wird kommen 2. 25. Gute Amme, nähre deine Kinder, stärke doch ihre Füße! 26. Die (SA: Sklaven), welche ich dir gegeben habe, - keiner von ihnen wird umkommen 3, denn ich werde sie suchen nach deiner Zahl. 27. Angstige dich nicht, denn wenn der Tag der Not und der Drangsal gekommen ist, werden andere weinen und traurig sein, du aber heiter und reich. 28. Völker werden eifern und nichts gegen dich vermögen, spricht der Herr. 29. Meine Hände werden dich schützen, damit deine Kinder nicht die Gehenna schauen. 30. Freue dich, Mutter, mit deinen Kindern, denn ich werde dich erretten, spricht der Herr. 31. Deiner schlafenden Kinder gedenke, denn ich werde sie aus den versteckten Gräbern in der Erde herausführen und Barmherzigkeit an ihnen üben, denn ich bin barmherzig, spricht der Herr 4 • 32. Umarme deine Geborenen, bis daß ich komme, und verkünde ihnen Barmherzigkeit, denn meine Brunnen strömen über, und meine Gnade wird nicht aufhören. 33. Ich, Esra, empfing das Gebot vom Herrn auf dem Berge Horeb, daß ich zu Israel gehen sollte; als ich zu ihnen kam, verwarfen sie mich und nahmen das Gebot Gottes nicht an. 34. Deshalb sage ich euch, ihr Völker (= Heiden), die ihr hört und versteht: Erwartet euren Hirten! Er wird euch die ewige Ruhe geben, denn sehr nahe ist der, welcher am Ende der Welt kommen wird. 35. Seid bereit für die Belohnungen des Reiches, denn immerwährendes Licht wird euch leuchten für ewige Zeit. 36. Fliehet den Schatten dieser Welt, nehmt an die Freude eurer Herrlichkeit; ich bezeuge offen meinen Heiland. 37. Das vom Herrn Angebotene nehmet an und freuet euch, dem dankend, der euch zu seinem himmlischen Reich berufen hat S • 38. Erhebt euch und steht und seht die Zahl der Versiegelten beim Mahle des Herrn 6. 39. Diejenigen, welche sich vom Schatten der Welt abgewandt haben, haben glänzende Gewänder vom Herrn empfangen 7. 40. Empfange, Zion, deine Zahl (s. 26) und umschließe deine Weißgekleideten 8 , die das Gesetz des Herrn erfüllt haben. 41. Die Zahl deiner Kinder, die du erwünschtest, ist voll, erbitte das Reich des Herrn, daß dein Volk geheiligt werde, welches berufen ist von Anfang an. 42. Ich, Esra, sah auf dem Berge Zion eine große Schar, die ich nicht zählen konnte, und alle lobten den Herrn mit Gesängen. 43. Und in ihrer Mitte war ein Jüngling hoch von Gestalt, der sie alle überragte, und er setzte jedem einzelnen von ihnen eine Krone aufs Haupt und wuchs noch mehr empor. Ich aber wurde von dem Wunder gefesselt 9. 44. Dann fragte ich den Engel und sagte: Wer sind diese, Herr? 45. Er antwortete mir und sagte: Das sind die, welche das sterbliche Vgl. Jes. 1,17; 58,6f.; Jer. 7, 5f.; Jak. 1,27; Tob. 1,20. Vgl. Hebr. 4, 9. 3 Vgl. Joh. 17, 12; auch 10, 28. 4 Jer. 3, 12. 5 1. Thess. 2, 12. 6 Vgl. Offbg. 7, 4ff.; Lk. 14,15. 'Vgl. Offbg. 6, ll; 7,9. a Vgl. ebd. 9 Vgl. Hermas, Sim. IX 6, 1. 1
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Kleid abgelegt und das unsterbliche angelegt und den Namen Gottes bekannt haben l . Jetzt werden sie gekrönt und erhalten Palmen. 46. Und ich sagte zum Engel: Wer ist jener Jüngling, der ihnen Kronen aufsetzt und Palmen in die Hände gibt? 47. Er antwortete mir und sagte: Das ist der Sohn Gottes, den sie in der Welt bekannt haben. Ich aber fing an, die zu preisen, welche tapfer für den Namen des Herrn eingetreten waren. 48. Darauf sagte mir der Engel: Geh! Verkünde meinem Volke, was für Wunder Gottes des Herrn und wie große du geschaut hast. 6. ESRA
15 1. Siehe, rede zu den Ohren meines Volkes Worte der Weissagung, die ich dir in den Mund legen werde, spricht der Herr, 2. und laß sie auf Papier schreiben; denn sie sind glaubhaft und wahr. 3. Fürchte nicht die Pläne (,die man) gegen dich (schmiedet), laß dich nicht verwirren durch den Unglauben der Widersacher; 4. denn wer ungläubig ist, wird in seinem Unglauben sterben. 5. Siehe, ich führe Unheil über den Erdkreis herauf, spricht der Herr, Schwert, Hunger, Tod und Verderben, 6. weil Ungerechtigkeit die ganze Erde bedeckt hat und ihre schändlichen Werke voll sind. 7. Darum spricht der Herr: 8. Nicht mehr will ich zu ihren Gottlosigkeiten schweigen, die sie frevelnd begehen, noch will ich ertragen, was sie Unrechtes üben. Siehe, unschuldiges und gerechtes Blut schreit zu mir empor, und die Seelen der Gerechten schreien beständig. 9. Schreckliche Rache will ich an ihnen nehmen, und alles unschuldige Blut will ich an ihnen heimsuchen. 10. Siehe, mein Volk wird wie eine Herde zur Schlachtung geführt. Nicht mehr will ich es wohnen lassen im Lande Ägypten, 11. sondern ich werde es herausführen mit starker Hand und erhobenem Arme und Ägypten wie einst mit Plagen heimsuchen und sein ganzes Land verderben. 12. Trauern soll Ägypten und seine Grundfesten unter dem Schlage der Züchtigung und Bestrafung, die der Herr heraufführen wird. 13. Trauern sollen die Bauern, die das Land bestellen, denn ihr Getreide soll ausbleiben, und ihre Bäume sollen verwüstet werden durch Brand und Hagel und schrecklichen Sturm. 14. Wehe der Welt und allen, die in ihr wohnen! 15. Denn genaht hat sich das Schwert und ihre Vernichtung. Und erheben wird sich ein Volk wider das andere zur Schlacht, und das Schwert in ihren Händen! 16. Denn Zwiespalt wird unter den Menschen ausbrechen; die einen werden sich gegen die andern erheben und sich nicht um ihren König und Führer ihrer Machthaber bekümmern im Gefühl ihrer Macht. 17. Wird dann jemand begehren, in eine Stadt zu gehen, so wird er es nicht vermögen. 18. Denn ob ihres übermutes werden ihre Städte in Verstörung gesetzt, ihre Häuser zerstört werden, die Menschen werden sich fürchten. 19. Kein Mensch wird sich seines Nächsten erbarmen; einbrechen werden sie in ihre Häuser mit dem Schwert, um ihre Habe zu plündern aus Hunger nach Brot und großer Bedrängnis. 20. Siehe, ich rufe zusammen, spricht der Herr, alle Könige der Erde, aufzustören die, welche von Norden und von Süden, von Osten und von Westen kommen, daß sie sich gegeneinander kehren und (vergeltend) zurückgeben, was sie jenen gegeben haben. 21. So wie sie bis heute meinen Auserwählten tun, so werde ich tun und zurückgeben in ihren Schoß. So spricht der Herr Gott: 22. Nicht wird meine 1
Vgl. Offbg. 7, 13f.
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Rechte der Sünder schonen, noch wird mein Schwert ablassen von denen, die unschuldiges Blut auf der Erde vergießen. 23. Und Feuer wird ausgehen von seinem Zorn und die Grundfesten der Erde verzehren und die Sünder wie angezündetes Stroh. 24. Weh denen, die sündigen und meine Gebote nicht halten, spricht der Herr: 25. Ich werde ihrer nicht schonen! Fort von mir, abtrünnige Söhne! Beflecket meine Heiligkeit nicht! 26. Denn der Herr kennt alle, die sich an ihm vergehen, deswegen hat er sie in den Tod und das Verderben dahingegeben. 27. Denn schon ist Unheil über den Erdkreis gekommen und ihr werdet darin aushalten müssen, denn nicht wird euch Gott befreien, weil ihr euch gegen ihn vergangen habt. 28. Siehe, ein Gesicht, und es war schrecklich! Und seine Erscheinung kam von Osten. 29. Und ausziehen werden die Völkerschaften des Drachen der Araber in vielen Wagen, und ihr Zischen wird am Tage ihres Auszuges über die Erde hin tönen, so daß sich alle, die sie hören, fürchten und erzittern. 30. Rasende Karmonier werden im Grimm hervorbrechen wie Eber aus dem Walde, in großer Macht herankommen, mit ihnen in einer Schlacht kämpfen und einen Teil des Landes der Assyrer mit ihren Zähnen verwüsten. 31. Und danach werden die Drachen, eingedenk ihres Ursprunges, die überhand gewinnen, und wenn sie sich umgewandt hahen, schnaubend mit großer Macht, um sie zu verfolgen, 32. dann werden jene verwirrt werden und verstummen vor ihrer Kraft und ihre Füße zur Flucht wenden. 33. Und vom Lande der Assyrer wird einer, der ihnen auflauert, ihnen einen Hinterhalt legen und einen von ihnen vernichten. Da wird Furcht und Zittern ihr Heer befallen und Ohnmacht ihre Könige. 34. Siehe - Wolken von Osten und Norden bis hin nach dem Süden! Und ihr Aussehen war ganz entsetzlich voll Zorn und Sturm. 35. Und sie werden aneinanderstoßen, und sie werden gewaltiges Unwetter über die Erde ausgießen. Und das Blut von den Schwertern wird reichen bis an den Bauch des Pferdes, 36. den Schenkel des Menschen und den Hinterbug des Kameles. Und viel Furcht und Zittern wird auf der Erde sein. 37. Entsetzen werden sich alle, die jenen Zorn sehen, und Furcht wird sie erfassen. Und danach werden zahlreiche Wolken 38. von Süden und von Norden und ein anderer Teil von Westen aufsteigen. 39. Aber mächtiger werden Winde von Osten her werden und ihn und die Wolken einschließen, die er im Zorne hat aufsteigen lassen; und das Unwetter, das von Osten und Westen her entstanden war, um Vernichtung anzurichten, wird verletzt werden. 40. Und aufsteigen werden große und starke Wolken voll Zorn und Unwetter, um die ganze Erde und ihre Bewohner zu vertilgen. Sie werden über jeden Hohen und Erhabenen schreckliches Unwetter ausschütten, 41. Feuer, Hagel, fliegende Schwerter und große Wasser(ströme), so daß alle Felder und alle Bachtäler von der Menge dieses Wassers erfüllt werden. 42. Und sie werden Städte und Mauern, Berge und Hügel, die Bäume der Wälder, das Heu der Wiesen und ihr Getreide vernichten. 43. Sie werden in einem Lauf weiterströmen bis nach Babyion und es vernichten. 44. Bei ihm werden sie zusammenströmen, es umfließen und all ihr Unwetter und den ganzen Zorn auf es ausgießen, bis sie es von Grund aus zerstören. Da wird der Staub und der Rauch bis zum Himmel dringen, und alle ringsum werden es betrauern. 45. Und die überlebenden werden die Sklaven derer werden, die es zerstört haben. 46. Und du, Asien, die du teilhattest an der Pracht Babyions und an der Herrlichkeit seiner Stellung, 47. wehe dir, du Elende! Denn du bist ihm gleich geworden, hast deine Töchter zum Schandgewerbe geschmückt, damit du gefielest und gerühmt
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seist unter deinen Liebhabern, die stets deiner begehrten! 48. Die verhaßte Hure hast du nachgeahmt in allen Werken und Listen. Darum spricht Gott: 49. Ich werde dir Unheil senden: Witwenschaft, Armut, Hunger, Schwert und Pest; die sollen deine Häuser verwüsten, sollen vernichten und töten. 50. Und die Herrlichkeit deiner Macht wird verwelken wie eine Blume, wenn sich der Gluthauch erhebt, der wider dich entsandt ist. 51. Du wirst schwach werden und elend von den Schlägen und zerschlagen von den Striemen, so daß du deine Mächtigen und Liebhaber nicht aufnehmen kannst. 52. Würde ich so gegen dich eifern, spricht der Herr, 53. wenn du nicht meine Auserwählten zu jeder Zeit getötet hättest, jauchzend mit Händeklatschen und lachend bei ihrem Tode, da du trunken warest? 54. Schmücke nur die Pracht deines Antlitzes! 55. Hurenlohn trägst du im Schoße deines Gewandes, deshalb wirst du Vergeltung empfangen in deinen Schoß! 56. Wie du meinen Auserwählten tust, spricht der Herr, so wird dir Gott tun und dich in Leiden stürzen. 57. Deine Kinder werden Hungers sterben, du wirst durch das Schwert fallen, deine Städte werden vernichtet werden, und alle die Deinen werden auf dem Felde durchs Schwert fallen. 58. Und alle, die auf den Bergen sind, werden durch Hunger ums Leben kommen; sie werden ihr eigen Fleisch fressen und ihr Blut trinken, aus Hunger nach Brot und Durst nach Wasser. Unglückliche! 59. Elend wirst du vor allen andern werden, und Leid wird dir zur Vergeltung widerfahren. 60. Im Vorüberziehen werden sie die verhaßte Stadt anfallen, und sie werden einen Teil deines Landes und einen Teil deiner Herrlichkeit vernichten, wenn sie von Babyion wieder zurückkehren. Und wenn du zerstört 61. und verwüstet bist, wirst du ihnen wie Stroh sein, und sie werden dir Feuer sein! 62. Sie werden dich und deine Städte verzehren, dein Land und deine Berge, alle deine Wälder und deine Fruchtbäume werden sie mit Feuer verbrennen. 63. Deine Söhne werden sie gefangen wegführen, deine Schätze werden sie zur Beute machen, und die Herrlichkeit deiner Pracht werden sie vernichten. 16 1. Wehe dir, Babyion und Asien !Wehe dir, Ägypten und Syrien! 2. Umgürtet euch mit Säcken und härenem Tuch, beklagt eure Söhne und beweint sie, denn nahe ist eure Vertilgung. 3. Ausgeschickt ist gegen euch das Schwert! 4. Wer ist da, der es abwende? Ausgeschickt ist gegen euch das Feuer! 5. Und wer ist da, der es lösche? Ausgeschickt sind gegen euch Leiden! Und wer ist da, eier sie vertreibe? 6. Kaun einer den hungrigen Löwen im Walde vertreiben oder das Feuer verlöschen, wenn Stroh angezündet worden ist? 7. Kann einer den Pfeil zurückschlagen, der von einem starken Schützen geschossen ist? 8. Gott der Herr schickt die Leiden, und wer möchte sie vertreiben? 9. Feuer wird ausgehen von seinem Zorne, und wer ist da, der es lösche? 10. Er wird seinen Blitz senden, und wer wird sich nicht fürchten? Er wird donnern, und wer wird sich nicht entsetzen? 11. Der Herr wird drohen, und wer wird nicht ganz und gar zergehen vor seinem Angesicht? 12. Die Erde erbebt und ihre Fundamente, das Meer wogt aus der Tiefe empor, seine Wogen werden verwirrt und seine Fische vor dem Antlitz des Herrn und der Herrlichkeit seiner Macht. ] 3. Denn stark ist seine Rechte, die den Bogen spannt; scharf die Pfeile, dir von ihm entsandt werden, nie versagen sie, wenn er beginnt, sie nach der Erde zu versenden. 14. Siehe, Leiden werden ausgesandt werden und nicht wieder umkehren, bis sie auf die Erde kommen. 15. Feuer wird angezündet werden und nicht wieder verlöschen, bis es die Fundamente der Erde verzehrt. 16. Wie der Pfeil nicht umkehrt, versandt von einem starken Schützen, so werden die Leiden nicht umkehren, die auf die Erde ausgesandt sind.
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XVIl. Apokalypti8che Prophetie der frühen Kirche
17. Weh mir! Weh mIT! Wer wird mich befreien in jenen Tagen? 18. Der Anfa.ng der Schmerzen (kommt) - und viele stöhnen, der Anfang der Hungersnot - und viele werden umkommen, der Anfang der Kriege - und Mächte entsetzen sich, der Anfang der Leiden - und alle werden zittern. 19. Was werden sie (erst) dabei tun, wenn die Leiden (selbst) kommen? 20. Siehe, Hunger und Plage und Verwirrung und Not sind gesandt als Zuchtruten zur Besserung. 21. Und bei dem allem werden sie sich nicht abkehren von ihren Ungerechtigkeiten, noch werden sie immer der Zuchtruten gedenken. Siehe, es wird das Getreide wohlfeil werden auf der Erde, so daß sie glauben, der Friede sei ihnen geschenkt. 22. Dann aber werden die Leiden auf der Erde emporsprossen, Schwert, Hunger und große Verwirrung. 23. Hungers werden die meisten Bewohner der Erde sterben, und das Schwert wird die andern vernichten, welche die Hungersnot überlebt haben. 24. Tote werden wie Kot auf der Straße liegen, und niemand wird da sein, sie zu beklagen (?). Denn die Erde wird verlassen sein, und ihre Städte werden zerstört werden. 25. Keiner wird übriggelassen, die Erde zu bebauen und Samen auf sie zu säen. 26. Die Bäume werden ihre Frucht bringen, aber wer wird sie ernten? 27. Die Traube wird reif werden, aber wer wird sie treten? Denn es wird allerorten tiefe Einöde sein. 28. Sehnlich verlangen wird ein Mensch. einen Menschen zu sehen und seine Stimme zu hören. 29. Denn von einer Stadt werden zehn übrigbleiben und von einem Weiler zwei, die sich verborgen hatten in dichten Wäldern und in den Spalten der Felsen. 30. Wie in einem Olivengarten an den einzelnen Bäumen drei oder vier Oliven übrigbleiben, 31. oder wie in einem Weinberge bei der Lese einzelne Beeren übriggelassen werden von denen, die den Weinberg sorgfältig durchsuchen, 32. so werden in jenen Tagen drei oder vier übriggelassen werden von denen, welche ihre Häuser mit dem Schwerte durchsuchen. 33. Und das Land wird verlassen bleiben, seine Äcker werden zu Dornhecken werden, und seine Wege und alle Pfade werden Dornen aufwachsen lassen, weil keine Schafherden es mehr durchziehen. 34. Trauern werden die Jungfrauen, weil sie keine Verlobten mehr haben, trauern die Frauen, weil sie keine Männer haben, trauern ihre Töchter, weil sie ihrer Stütze beraubt sind. 35. Ihre Verlobten werden im Krieg vertilgt und ihre Männer vor Hunger aufgerieben werden. 36. Höret aber dies und verstehet es, ihr Knechte des Herrn! 37. Siehe, ein Wort des Herrn (ist's); nehmet es auf! Zweifelt nicht an dem, was der Herr gesagt hat: 38. Siehe, es kommen Leiden und lassen nicht auf sich warten! 39. Wie ein Weib, das im neunten Monat mit seinem Kinde schwanger geht, wenn sich die Stunde ihres Gebären!:! naht, zwei oder drei Stunden vorher wehe Schmerzen in ihrem Leibe empfindet und, wenn das Kind ihren Leib verläßt, nicht einen Augenblick zögert: 40. So werden die Leiden nicht zögern, hervorzukommen über die Erde hin. Und die Welt wird Weh leiden, und Schmerzen werden sie umfangen! 41. Höret das Wort, ihr, mein Volld Bereitet euch zum Kampf, und im Leiden benehmet euch wie Fremdlinge auf der Erde: 42. Wer verkauft, als sei er auf der Flucht, und wer kauft, als sei er im Begriff zu verlieren; 43. wer handelt, als werde er keinen Gewinn mehr einnehmen; wer baut, als werde er nicht mehr wohnen; 44. wer sät, als ob er nicht ernten, ebenso auch wer (seine Weinstöcke) beschneidet, als ob er nicht Lese halten werde; 45. die da heiraten so, als ob sie keine Kinder erzeugen würden, und die nicht heiraten, als ob sie verwitwet wären. 46. Deshalb arbeiten umsonst, die da arbeiten: 47. Ihre Frucht werden Fremde ernten, und ihr Vermögen werden sie rauben, ihre Häuser zerstören, ihre Söhne in Gefangenschaft
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führen. Darum sollen die da heiraten wissen, daß sie ihre Kinder in Gefangenschaft und Hungersnot hervorbringen werden. 48. Und die Handel treiben, tun es, wie man Beute macht. Denn je mehr sie ihre Städte und Häuser und Besitztümer und ihre Person schmücken, 49. desto mehr will ich eifern wider sie um ihrer Sünden willen, spricht der Herr. 50. Denn wie eine schöne und edle Frau eifert wider eine Buhlerin, 51. so wird die Gerechtigkeit wider die Ungerechtigkeit eifern, wenn diese sich schmückt, und sie klagt sie ins Angesicht an, wenn der kommt, welcher (sie) verteidigt, indem er jede Sünde auf der Erde heimsucht. 52. Deshalb gleichet ihr nicht und ihren Werken! 53. Denn, sieh, noch einen Augenblick, und die Ungerechtigkeit wird von der Erde vertilgt werden und die Gerechtigkeit wird unter uns herrschen. 54. Nicht soll der Sünder sagen, er habe nicht gesündigt, noch der Ungerechte, er habe gerecht gehandelt; denn Feuerkohlen wird er auf dem Haupte dessen anzünden, der da sagt: Ich habe nicht gesündigt, bei Gott und seiner Herrlichkeit! Siehe, der Herr kennt alle Werke des Menschen, 55. ihr Dichten und Trachten, ihre Gedanken und ihre Herzen. 56. Der da gesagt hat: Es werde die Erde, und sie ward, es werde der Himmel, und er ward, 57. durch dessen Wort die Sterne gegründet wurden, der die Zahl der Sterne kennt - 58. der die Tiefen erforscht und ihre Schätze - der das Meer gemessen hat und seinen Inhalt - 59. der die Welt eingeschlossen hat inmitten der Wasser und die Erde über den Wassern aufgehängt hat durch sein Wort - 60. der den Himmel ausgespannt hat wie ein Gemach und auf den Wassern ihn gegründet - 61. der in der Wüste Wasserquellen schuf und auf den Gipfeln der Berge Seen, damit sie von oben her Flüsse entsendeten, die Erde zu tränken - 62. der den Menschen gebildet hat, ihm ein Herz mitten in den Leib gegeben, ihm Atem und Leben und Verstand eingeflößt hat 63. und den Hauch des allmächtigen Gottes, der alles gemacht hat und das Verborgene an verborgenen Stellen erforscht: 64. Sicherlich kennt er unser Dichten und Trachten und was ihr denkt in euren Herzen !Wehe den Sündern und denen, die ihre Sünden verheimlichen wollen! 65. Denn der Herr wird wahrhaftig alle ihre Werke erforschen und euch alle öffentlich zur Schau vorüberführen ! 66. Und ihr werdet verwirrt sein, wenn eure Sünden vor den Augen der Menschen einhergehen und eure Ungerechtigkeiten als Ankläger auftreten werden an jenem Tage. 67. Was werdet ihr tun1 Oder wie wollt ihr eure Sünden verbergen vor dem Angesicht Gottes und seiner EngeH 68. Siehe, Richter ist Gott! Fürchtet ihn! Laßt ab von eurer Sünde und vergeßt, eure Ungerechtigkeiten in Ewigkeit weiter zu tun, so wird Gott euch herausführen und befreien aus aller Drangsal. 69. Denn siehe, der Zorn einer großen Menge wird gegen euch entbrennen, sie werden einige von euch gefangen nehmen und Götzenopferfleisch essen lassen. 70. Und die sich von ihnen verführen lassen, werden von ihnen verspottet und geschmäht und mißhandelt werden. 71. Denn es wird ... sein und in den benachbarten Städten eine große Erhebung wider die Gottesfürchtigen. 72. Denn die Menschen werden Mangel leiden und durch ihre Leiden wie Wahnsinnige sein, keinen verschonen, um die, welche noch Gott fürchten, auszuplündern und zu vernichten; 73. denn sie werden ihr Hab und Gut zerstören und plündern und sie aus ihren Häusern vertreiben. 74. Dann wird die Probehaltigkeit meiner Auserwählten an den Tag kommen, wie das Gold, das durch Feuer erprobt wird. 75. Höret, meine Auserwählten, spricht der Herr! Siehe, die Tage der Drangsal sind da, und ich will euch aus ihnen befreien! 76. Fürchtet euch nicht und wanket nicht; denn Gott ist euer Führer! 77. Und ihr, die ihr meine Gebote und Vorschriften beobachtet, spricht der Herr Gott, laßt eure Sünden nicht die Oberhand über euch 32 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
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XVII. Apokalyptische Prophetie der frühen Kirche
gewinnen noch eure Ungerechtigkeiten Herr werden! 78. Wehe denen, die von ihren Sünden eingeschnürt und von ihren Ungerechtigkeiten überwuchert werden wie ein Feld, zu dem kein Mensch hingeht, vom Walde eingeschnürt und seine Saat ihm von Dornen überwuchert wird; es wird umgerodet und ins Feuer geworfen, daß es verbrenne. 2. CHRISTLICHE SIBYLLINEN
(A. Kurfess) 1. LITERATUR. Rzach, Pauly-Wissowa-Kroll II A, 2073-2183 (darin sämtliche Literatur bis 1920); K. Prüm, Lex. f. Theol. u. Kirche. IX, 525ff. (dort neuereLiteratur); Ausgaben: Rzach, 1891 (beste kritische Ausgabe); J. Geffcken, GCS 8, 1902 (wichtig wegen des religionsgeschichtlichen Apparates). Text mit Übersetzung: P. Lieger, Christus im Munde der Sibylle, Progr. Schottengymn. Wien 1911; A. Kurfess, München 1951 (dieser verbesserte Text liegt der Übersetzung zugrunde). Untersuchungen: H. Erbse, Fragmente griechischer Theosophien, 1941; H. Diels, Sibyllinische Blätter, 1890; J. Geffcken, TU 23,1, 1902; Max. J. Wolff, Sibyllen und Sibyllinen, Archiv f. Kulturgesch. 24, 1934, 312-325; H. Fuchs, Der geistige Widerstand gegen Rom in der antiken Welt, 1938; A. Kurfess, ZNW 40,1941, 151-165 (B. I/II); 38, 1939, 171-181 (Ps. Phokylides: B. II, 34 bis 153); ders., Mnemosyne 1941, 195ff.; ders., WürzburgerJahrb. 2, 1947, 373ff. (B. VII); ders., Pastor Bonus, Trier 1930, 262-271 (Vergil der Prophet). Zu Hystaspes (Quelle zu B. II): H. Windiseh, Verh. Akad. Amsterdam 1929; Bidez - Cumont, Les Mages hellenises, Paris 1931, 1,215-23; II, 359-77. Zur Tiburtinischen Sibylle: E. Sackur, Sibyllinische Texte und Forschungen, 1898, 126-187; F. Kampers, Die tiburtinische Sibylle im Mittelalter, 1894; ders., Vom Werdegang der abendländischen Kaisermystik, 1924. Über die neuerdings in Rom gefundene Statue der Thea Sibylla: R. Herbig, Jahrb. d. Deutsch. Arch. Inst. 59/60, 1944/45 (1949), 141ff. Weitere Literatur: A. Kurfess, Wie sind die Fragmente der Oracula Sibyllina einzuordnen? Ein Beitrag zu ihrer Überlieferung, Aevum 26,1952,228-35; ders., Sibyllarum carmina chromatico tenore modulata, ebd., 385-94; ders., Zu den Oracula Sibyllina, Colligere Fragmenta, Beuron 1952, 75-83; ders., Ad Oracula Sibyllina (ed. J. Geffcken 1902), Symbolae Osl. 24,1952,54-77; ders., Alte lateinische Sibyllinenverse, Theol. Quartalsehr . 133, 1953, 80-96; ders., J uvenal und die Sibylle, J udaica 10, 1954, 60-63; dera .• Horaz und die Sibyllinen, Ztschr. f. Religions- und Geistesgeschichte 8, 1956, 253-256; ders., Zum 5. Buch der Oracula Sibyllina, Rhein. Museum f. Philologie 29, 1956,225-41; J.B. Bauer, Die Gottesmutter in den Oracula Sibyllina, Marianum 18,1956,118-224; ders., Or. Sib. I 323ab, ZNW 47,1956, 284f.; ders., Das Sprichwort Or. Sib. III 737, Rhein. Mus. f. Philol. 29, 1956, 95f.; A. Kurfess, Juvenal und die Sibylle, Histor. Jahrb. 76, 1957, 79-83; ders., Dies irae. Zum sog. 2. Buch der Or. Sibyll .• Histor. Jahrb. 77, 1958, 328-338.
2. "SIBYLLE" UND SIBYLLEN. Unter Sibyllen verstand man im Altertum Frauen, die in einem Zustand der Ekstase kommende, meist unerfreuliche Ereignisse aus eigenem Antrieb verkündeten, ohne befragt zu sein oder mit einem festen Orakelsitz in Verbindung zu stehen. Den Griechen ist diese Art Prophetentum aus dem Osten vermittelt; vielleicht ist ihr ältester Kult im Persisch-Iranischen zu suchen. Die Sibylle wird mit der Sintflut (= dem zoroastrischen Weltenwinter) in Zusammenhang gebracht und verkündet den Weltenbrand (= Weltensommer); danach wird für die Frommen und Getreuen die Welt wieder erneuert. Der Name "Sibylle" ist nicht griechisch und bis heute nicht erklärt; Varros Deutung (bei Laktanz) = Lllo<; ßOVA~ ist natürlich Volksetymologie. Ursprünglich gab es nur die Sibylle als Eigenname (Heraklit, Vorsokr. fr. 92, Diels, aus Plutarch, de Pyth. or. 6, 397 A: "Die Sibylle. mit rasendem Munde Ungelachtes und Ungeschminktes und Ungesalbtes hinausrufend. dringt durch Jahrtausende mit der Stimme, getrieben vom Gott"). Ihre Blütezeit fällt in das 8.-6.Jahrhundert (vgl. E. Rohde, Psyche IIu, 63ff.), und ihre Tätigkeit erstreckt sich
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hauptsächlich auf das Gebiet der kleinasiatischen griechischen Kolonien. Bezeichnend ist ihr hohes Alter, von dem auch sonst die Rede ist (z. B. bei Pausanias 10, 12; Euseb, Chronik ed. HelmS, GCS 47, 1956, S. 89b; Augustinus, de civ. dei 18,23, Corp. Christian. ser.lat. 48, 1955, S. 613). Daher die Vorstellung, daß sie weite Reisen gemacht und an verschiedenen Orten geweissagt habe. Die Sibylle scheint ursprünglich ein sagenhaftes dämonisches Wesen zu sein. Auf einer Münze (vgl. B. V. Head, Historia numorum, Oxford 1887, S. 499; in Vergrößerung bei Roscher 4, 798) wird sie geradezu als Göttin bezeichnet ("Thea Sibylla"). Aus der einen Sibylle (vgl. Arrian,FHG 3, 598, 64) sind später nach Entstehung verschiedener Orakelsammlungen bzw. verschiedener Kultstätten (Buchholz) mehrere geworden. Der Eigenname wurde zum Gattungsnamen, und die einzelnen Sibyllen bekamen eigene Namen, so z. B. die erythräische Herophile, die samische Phyto, die cumanische Demo bzw. Demophile (vgl. Diels, a.a.O. 51 1 f.). Die älteste hellenische Sibylle ist die von Marpessos, von der Tibull noch Kunde hat (Il 5, 71; vgl. Würzb. Jb. 2, 1948, 402ff.) Doch die bedeutendste, die ihr den Rang streitig machte, ist die von Erythrai (vgl. die 1891 dort gefundene Inschrift von 162 n. Chr.; Text bei Rzach, a. a. O. 2085). In Rom hat man ihr Standbild gefunden, das R. Herbig a. a. O. als Replik der Kultstatue von Erythrai bestimmt. Auf ihren weiten Reisen kam die Erythräerin auch nach Delphi, wo sie sich (nach Pausanias 10, 12,2) in ihren Versen als Artemis und auch als Apollos eheliche Gattin, dann wieder als dessen Schwester oder Tochter bezeichnet hat. Den Anfang dieses ältesten carmen Sibyllinum überliefert uns Clemens Alex. (Strom. I, 108 aus Herakleides Pontikos, 4. Jh. v. Chr., der zuerst von mehreren Sybillen spricht schließlich wurde die Zehnzahl durch Varro - bei Laktanz - kanonisiert, zu der dann im Mittelalter noch zwei weitere hinzukamen - und die Nachrichten um die Sibylle zu ordnen sucht: vgl. A. Tesp, Die Fragmente d. griech. Kultschriftsteller, 1914, 177ff.); die Fortsetzung überliefert uns Phlegon von Tralles, ein Zeitgenosse des Kaisers Hadrian (Macrob. 4,7 = FHG III, 610): darnach werde sie aus Neid und Mitleid von Apollos Pfeil getötet werden. In ihrem Bestreben, der Pythia den Rang streitig zu machen, war sie also unterlegen (vgl. Geffcken, N. Jbb. 15, 1912, 594). Wichtig aber ist, daß die Sibylle von Delphi den Hexameter als Vers der Weissagungen übernommen hat. Früh scheint die Sibylle (aus Euboia: vgl. Diels a.a. 0.98) nach Cumae gekommen zu sein. Unter allen Sibyllen der Folgezeit ist neben der erythräischen die cumanische die berühmteste geworden. Sie soll 1 000 Jahre gezählt haben und schließlich nur noch als flüsternder Laut in der vulkanischen Grotte, ihrem Orakelsitz, umhergeschwebt haben (über ihre Verbindung mit der Erythräerin vgl. Ps. Aristot., mirab. 1 108; Serv. zu. Verg., Aen. 6,321). Ihre Legende haftet wohl an der berühmten Sibyllengrotte am Fuß der Burg von Cumae, die uns Vergil im 6. Buch der Aeneis schildert (vgl. über die dortigen Ausgrabungen von 1920: Gnomon 2, 1926,366.747; Mnemosyne 55,1927, 370ff.). Über die Legende, nach der die Sibylle dem König Tarquinius Priscus zuerst neun, dann drei Bücher zu hohen Preisen angeboten habe, vgl. W. Hoffmann, Wandel und Herkunft der SibylI. Bücher in Rom, Diss. Leipzig 1933 (Gnomon 10,1934, 387f.). Der historische Kern der Legende ist der, daß die Orakelsprüche von Cumae wohl schon in der Königszeit nach Rom kamen, wo man das Orakelwesen verstaatlichte und nach cumanischen Vorbildern sibyllinische Orakel Verfaßte. Die im Kapitolinischen Tempel aufbewahrten Sprüche wurden einer staatlichen Kommission von ursprünglich zwei, schließlich 15 Mitgliedern anvertraut. 83 v. Ohr. gingen die Sibyllinischen Bücher beim Brande des Jupitertempels zugrunde. Nun wurden von Staats wegen von überall, besonders von Erythrai, neue Sprüche gesammelt, und ihre staatliche Pflege dauerte fort, bis sie Stilicho kurz nach 400 n. Chr. verbrennen ließ. Nach einem solchen Orakel, das uns bei Phlegon erhalten ist (vgl. Diels, a. a. O. 133 ff.), veranstaltete Augustus im Jahre 14 v. Chr. die große Säkularfeier. Am berühmtesten aber wurde die Sibylle von Cumae durch Virgils vierte Ekloge, die einen Welt:leiland prophezeite (40 v. Chr.), aus der zablreiche christliche Schriftsteller einzelne Verse (bes. V.7) auf Christus bezogen; Kaiser Konstantin hat in seiner ersten bei Euseb überlieferten Rede an die Versammlung 32*
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der Heiligen (nach Anführung des berühmten Akrostichon Or. Sib. VIII 217-250) in Kap. 19-21 das ganze Gedicht auf Christus gedeutet. Die jüngste Sibylle ist die hebräische, die von Pausanias zu Unrecht mit der babylonischen Sibylle, Sabbe oder Sambethe mit Namen, gleichgesetzt wurde. Es scheint aber in der hellenistischen Zeit eine chaldäische Sibylle gegeben zu haben, die in griechischen Hexametern babylonische Sagen mit hellenistischen Vorstellungen vortrug. Tochter des Berossos hieß sie, weil sie aus dem Geschichtswerk des Berossos schöpfte. Stücke dieser chaldäischen Sibyllendichtung wurden von der jüdischen Ursibylle (= Or. Sib. B. III) übernommen (vgl. P. Schnabel, Berossos und die babylon.-hellenist. Lit., Leipzig 1923, 69 bis 93 bes. 78ff.; A. Peretti, La Sibilla Babilonese nelle propaganda hellenistica, Firenze 1943). 3. SIBYLLISTIK (JÜDISCHE UND HELLENISTISCHE). Der große Aufschwung der Sibyllinendichtung setzte wohl bald nach dem Tode Alexanders des Großen ein. Lykophrons Alexandra (= Kassandra), von der die Sibyllisten die Geschichtserzählung in Form der Weissagung übernahmen, ist um 270v. Chr. entstanden. Der Zufall hat uns ein längeres, allerdings nur lückenhaft überliefertes Bruchstück eines heidnischen sibyllinischen Orakels beschert (vgl. Crönert, Symb. Osl. 6, 1928, 57; Papyri OsI. fase. 2, 1931, 27ff.). Es zeigt denselben Stil und dieselbe Technik wie unsere Sammlung der Or. Sib., in der ja genug heidnische (erythräische) Orakel vorliegen, die die jüdischen Sibyllisten in ihre Prophezeiungen eingereiht haben, um ihrer jüdischen Propaganda unter den Heiden mehr Ansehen zu verschaffen und ihre Fälschungen als echte Verse alter anerkannter Sibyllen zu erweisen. Hatten doch die Weherufe der heidnischen Sibylle, hauptsächlich der Erythrea, auf Städte, Inseln und Länder Ähnlichkeit mit den Drohweissagungen der atl. Propheten. Das Kernstück der Sibyllinen bildet die Schilderung des Weltunterganges. Die in die Vergangenheit zurückgreifenden historischen Partien entwickeln sich zu einer Deutung der Geschichte unter dem Gesichtspunkt der Offenbarung der Allmacht des einzigen wahren Gottes und der Messiaserwartung. Die jüdische Sibyllendichtung hat ihren Mittelpunkt in Alexandreia. Ein dortiger Jude hat das erste wirklich literarische Sibyllenbuch (= Or. Sib. III in seiner ursprünglichen Gestalt; die erweiterte Fassung, wie sie uns heute vorliegt, ist um 140 v. Chr. verfaßt) geschrieben und damit eine neue Kunstgattung geschaffen. "Die jüdische Sibylle braucht ... einen Vergleich mit der zeitgenössischen Dichtung der Alexandriner nicht nur nicht zu scheuen, sondern hat auf einen hervorragenden Platz darin Anspruch" (P. Lieger). Den Römerhaß zur Zeit des Vespasian und des Titus spiegeln Or. Sib. IV und V wider (vgl. H. Fuchs, a. a. 0.). Die letzten Sibyllenbücher, die abgesehen von einigen interpolierten Versen (s. u. S. 501) alle jüdisch sind, stehen zum Reich in loyalem Verhältnis (zwischen Buch VIII und IX ist kein Buch ausgefallen. Daß die letzten Bücher als XI-XIV statt IX-XII gezählt werden, liegt an der Zählung des Überlieferungszweiges .Q, in dem BuchVIII in drei Teile geteilt wird, die dann als 3 Bücher gezählt werden). Rein christlich sind das VI., VII. und VIII. Buch. Buch I/lI, die eine Einheit bilden, sind ursprünglich jüdisch, später christlich überarbeitet worden. Im Buch I ist 1-323 jüdisch (abgesehen von der Interpolation des Rätsels 137-146: das Gegenstück zu 326-330); nach einer größeren Lücke, die durch die vier aus der sog. Sibyllentheosophie neu gewonnenen Verse keineswegs ausgefüllt ist (323a-d) 224-400 christlich (Erscheinung und Wesen Ohristi, Israels Versündigung an Christus und Sturz). Im jetzigen II. Buch - das ursprünglich II. (jüdische) Buch begann wohl mit dem sog. Proömium (frg. 1-3, überliefert bei Theophilus); der Schluß steht am Anfang unseres jetzigen III. Buches, V. 1-92, von Blasz übersetzt bei Kautzsch, Die Apo. kryphen und Pseudepigraphen des AT, 1900 - ist es kaum möglich, das Christliche vom Jüdischen zu trennen (über II 34-153 vgl. ZNW 38,1939, 171ff.); für sicher christlich halte ich die VV.179-181; 190-192; 241-244; 263-267; 311f. 4. CHARAKTER DER CHRISTLICHEN SIBYLLEN. A:sFASSUNGSZEIT, FORTLEBEN. Zeigt der Hirt des Hermas Bekanntschaft mit der auch den Ohristen heiligen jüdischen Sibylle (Vis II, 4), so lernen wir bald auch selbständige christliche Sibyllen kennen, die wohl im 2. Jahr-
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hundert entstanden sind. Wie die jüdische Sibyllistik aus der Propaganda der Juden, so ist die christliche aus dem Kampf der Christen gegen das Heidentum hervorgegangen. Im VIII. Buch haben wir wilden, von der Verfolgung entflammten Haß gegen Rom; nicht mehr das sündige Babel wird bekämpft, sondern Rom selbst wird mit Namen genannt; schrecklich jubelnd sieht der Sibyllist schon den gespenstischen Nero - Antichrist herandrohen, um der abscheulichen Stadt ein Ende zu bereiten. Selbst mit Roms Schicksal im Jenseits ist er beschäftigt. So mag das VIII. Buch, mit Sicherheit der erste Teil, noch aus der Zeit vor 180 n. Chr. stammen. Das VII. Buch zeigt gnostisierende Anschauungen: zu V. 71 vergleicht Geffcken Acta Thomae, Kap. 17-23 (s. o. S. 315ff.) und Hermas, Vis. III4, 1; zu Uranos als mythologische Person: Epiphanius, haer. 31, 1,3; zu Gottes edlen "Müttern" (Hoffnung, Frömmigkeit, Gottesfurcht): Irenaeus I 5, 2f. (p. 45f. Harvey), ähnliche Begriffsgestalten Hermas, Vis. III 8; Epiphanius 31, 5 (über die Valentinianer); V. 139f. "Gnostisierende Begriffe", vgl. Pistis Sophia 244f.; zur Ogdoas: Epiphanius, haer. 31,6. Deswegen setzt Geffcken das Buch in das 3. Jahrhundert. Doch scheint mir solche "Gnostisierung" schon Ende des 2. Jahrhunderts möglich zu sein. Buch VI, ein Hymnus auf Christus, wird im VII. Buche benützt (VI 6 entspricht VII 84 "Feuertaufe"). Während das jüdische "Urgedicht" kurz vor oder nach Christi Geburt entstanden ist, setzen Buch I/lI, die in ihrer Endgestaltung trotz einiger Lücken und Unebenheiten ein schönes Ganzes bilden, die Abfassung der Johannesapokalypse und des Johannesevangeliums voraus. Jerusalem und der Tempel sind zerstört; die Hebräer irren in der Fremde umher als Widersacher der Gläubigen. Andererseits ist das Heidentum noch nicht überwunden. Das alles führt in die Zeit bald nach Hadrian: also Abfassungszeit um 150 (bald nach Erscheinen des Ägypterevangeliums, aber vor dem VII. und VIII. Buch, da darin I/lI benutzt sind, vgl. ZNW 40, 1941, 151-165). Rom konnte den revolutionären Okkultismus, wie er im VII. Buch sich geltend macht, nicht dulden; so stand auf der Lektüre solcher Schriften die Todesstrafe (Justin, Apol. 144). Aber die Christen sahen in der Sibylle, die ihnen stets die Bundesgenossin im Lager der Heiden blieb, einen der unmittelbaren Zeugen der fle8ta Dei. Nach dem Hirten des Hermas und nach Justin, die sie kannten, ohne sie viel zu benutzen, finden wir sie zitiert bei Athenagoras, Theophilus, Pseudo-Melito, Tertullian, Clemens von Alexandrien, Commodian, Laktanz, Eusebius (Konstantin - Rede cap. 18/19), in den pseudojustinischen Schriften der Ermahnungen an die Griechen, die Fragen und Antworten an die Orthodoxen, in den Apostol. Konstitutionen, bei Gregor von Nazianz, Sozomenos, Augustinus, Ps.-Augustinus. Später läuft dann die sibyllinische Weissagung in die prosaische Prophetie der Byzantiner aus; im Abendland tritt die tiburtinische Sibylle auf. Auch die vielberufene Weissagung des Klosters Lehnin geht in letzter Instanz auf die Sibyllendichtung zurück. 5. DIE TIBURTINISCHE SIBYLLE. Im Mittelalter war diese Sibylle besonders angesehen; im Sibyllenkatalog des Varro (Lactant., div. inst. I 6, 8) steht sie an letzter (10.) Stelle. Von der ursprünglich sicher griechisch abgefaßten Weissagung kennen wir eine lateinische Version, deren Kern Sackur (a.a.O. 155ff., Text 177 ff.) in das 4.31. n. Chr. setzt, und einige orientalische Fassungen (übers. von Schleifer, Denkschrift d.Wien. Ak. 2III, 1910. Iff.), die wahrscheinlich noch ins 3.31. zurückgehen. Den wesentlichen Inhalt bildet die Auslegung eines Traumes, den in ein und derselben Nacht 100 römische Senatoren hatten, durch die Sibylla Tiburtina, eine Tochter des Königs Priamos (= Kassandra I), mit lateinischem NamenAlbunea. Die Senatoren hatten von neun Sonnen mit verschiedenem Aussehen geträumt. Die Sibylle legt ihnen die neun Sonnen als neun Zeitalter aus; im vierten (nach den orientalischen Versionen im sechsten) werde Christus geboren. Wirre Kämpfe verschiedener Machthaber füllen das letzte (9.) Zeitalter aus: man fühlt sich lebhaft an die Erzählungen der jüdischen Sibyllen (XI-XIV) von Begebenheiten aus der römischen Kaisergeschichte erinnert, die das Muster für die Weissagungen von deutschen und lombardischen Herrschern waren, die hier eingefügt werden. In sibyllinischer Weise werden diese Fürsten durch die Anfangsbuchstaben ihrer Namen angedeutet. Je nach der Entstehungszeit der Handschrif-
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XVII. Apokalyptische Prophetie der frühen Kirche
ten werden die Regentenlisten dem historischen Verlaufe der Ereignisse gemäß ergänzt und umgestaltet. In der ältesten Handschrift, dem Escorialensis aus dem Jahre 1047, erscheint als letzter Herrscher ein König Enomine Salicus deFrancia, d. i. Enricus, der damals (1039-1052) regierende Heinrich III. aus dem Geschlechte der salischen Franken (Sackur 134). Nach Abschluß der Reihe wird das Auftreten des messianischen Königs geschildert, der das christlicheWeltreich abschließt: rex Romanorum et Graecorum, cuius nomen Oonstans: hic erit statura grandis, aspectu decorus, vultu splendidus atque singula membrorum lineamenta decenter conpositus. Das griechische Original hat S.G. Mercati entdeckt (Melanges Gregoire, 1949, S. 473-481). B. Bischof hat (Melanges J. de Ghellinck, Gembloux 1951, S. 121-147) eine lateinische Prophetia Sibillae magae (Mundus origo mea est) nach 3 Handschriften veröffentlicht, von denen 2 aus dem 9. Jh. stammen. Das Gedicht, das mit 3 Distichen beginnt, im übrigen Hexameter mit grauenhafter Metrik und ganz verwildertem Text aufweist (eine griechische Vorlage ist nicht nachweisbar), zeigt in seiner Christologie einen vermittelnden Monarchianismus (vgl. V. 20. 29 und 61 ff.); eine patripassianische Formulierung ist vermieden (4.Jh.?).
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a (Wenn das Mädchen den Logos des höchsten Gottes gebären, b Aber als eh'liches Weib dem Logos den Namen wird geben, c Dann wird im Osten ein Stern am hellerlichten Tage d Glanzvoll strahlend erscheinen erdwärts von himmlischer Höhe, e Kündend ein großes Zeichen den armen sterblichen Menschen.) Ja, dann kommt zu den Menschen der Sohn des gewaltigen Gottes, Irdischen Leibs, vom Fleische umhüllt und den Sterblichen ähnlich. Vier Vokale er hat und zweimal den Konsonanten, Und nun will ich dir auch die gesamte Zahl noch verkünden: Einer sind acht vorhanden und Zehner noch ebensoviele ; Hunderter acht noch dazu verrät ungläubigen Menschen Seines Namens Gestalt; doch du im gläubigen Herzen Denke sofort an Christus, den Sohn des erhabenen Gottes. Gottes Gebot erfüllet er selbst, nicht löst er die Satzung, Bietet als Muster sich dar den Seinen und lehret sie alles. Diesem nahen die Priester und bringen ihm reiche Geschenke: Gold und Weihrauch und Myrrhen; denn so wird alles er fügen. Wenn man dereinst seine Stimme vernimmt im Schweigen der Wüste, Botschaft bringend den Menschen und alle eindringlich ermahnend, Eben zu machen die Pfade und auszutilgen im Herzen Bosheit jeglicher Art, im Bade des Heiles zu läutern Ganz den sündigen Leib, auf daß sie, aufs neue geboren, Meiden die Sünde und nie des Rechtes Pfade verlassen, -
323a--e aus der Sib.-Theosophie, vgl. Erbse, a.a.O., S. 191; zu 323a vgl. Hennecke, Apokr. 2, S. 388 (Hesekielapokryphon). 331 vgl. I 137-146. 332, vgl. Mt. 5,17. 332-382 vgl. VIII 269-320. 334f. vgl. Mt. 2, 11. 336 Mt. 3, 3 u. Par. 339 vgl. VIII 247. 340 Joh. 3, 3.
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Dann ein Barbar, von der Tänzerin Kunst berückt und bezaubert, Lohnet den Tanz mit des Rufenden Haupt, und ein plötzliches Wunder Bietet den Menschen sich dar, wenn sicher und frei aus Ägypten Kommt der köstliche Stein, an dem sich das Volk der Hebräer Stößt mit strauchelndem Fuß, die heidnischen Völker dagegen Sammeln sich freudig um ihn: des waltenden Gottes Gebote Lernen sie kennen durch ihn und den Pfad im gemeinsamen Lichte. Seinen Erwählten zum Lohn verschafft er das ewige Leben, Bringt als Strafe den Bösen das unauslöschliche Feuer. Und dann heilt er die Kranken und bringt den Gequälten Erlösung, Die an ihn glauben und froh den Namen des Höchsten bekennen. Sehend macht er die Blinden, und hurtig laufen die Lahmen; Taube verstehen genau, es reden der Sprache Beraubte; Böse Dämonen vertreibt er, und Tote erweckt er zum Leben, Wandelt zu Fuß übers Meer und in öder, verlassener Gegend Macht er tausende satt mit fünf armseligen Broten Und einem winzigen Fisch; die Reste des leckeren Mahles Füllen zum Rande zwölf Körbe noch voll für die heilige Jungfrau.
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Und einem Trunkenen gleich kommt Israel nicht zur Besinnung, Hört nicht die warnende Stimme, die Ohren durch Taubheit verschlossen; Wann aber einmal der Zorn des höchsten Gottes hereinbricht Schrecklich auf die Hebräer und ihnen den Glauben hinwegnimmt, Weil das himmlische Kind des Herrn sie haben mißhandelt, Dann werden Backenstreiche und giftigen Speichel die Juden Ruchlos entgegen ihm schleudern auf seine besudelten Wangen. Bittere Galle zur Speise und brennenden Essig zum Tranke Flößen ihm ein die Unholde in maßlos grausigem Wüten, Herz und Gefühle verhärtet, vom Wahne die Augen geblendet; Gleich einem Maulwurf blind und abscheulich sind sie wie Schlangen, Scheußlich wie Nattergezücht: der Schlaf ihrer Torheit umfängt sie. Wenn seine Arme am Kreuz, weit offen, umspannen das Weltall, Dornengekrönt sein Haupt, wenn nach dem Gesetze die Seite Grausam geöffnet der Speer, dann wird durch volle drei Stunden Mitten am Tage die Welt in schauriges Dunkel gehüllt sein. Dann wird der Tempel, den Salomon schuf, ein mächtiges Wunder, Zeigen dem Menschengeschlecht, wenn jener hinab in den Hades Wandert, dem Volke der Toten die Auferstehung zu bringen. Wenn er dereinst dreitägigem Schlafe des Grabes entronnen,
342f. vgl. Mt. 14, 6ff. 345 vgl. 1. Petr. 2,4. 346 Röm. 9,33 (Jes. 8, 14; 28, 16). 346f. vgl. 384. 353 vgl. Mt. 11, 5 u. Par. 353-355 vgl. VIII 205-207. 356 vgl. Mt. 6,48 u. Par. 357ff. vgl. VIII 275-278; Mk.6, 38ff.; Mt. 14, 17ff. ; Joh. 6, 7ff. 360-380 vgl. VIII 287-320. 365 vgl. Mt. 26, 67 u. Par. 369ff. vgl. Jes. 6, 9f.; Mt. 13, 14; Mk. 4, 12; Lk. 8, 11; Joh. 12,40; AG 28,26. 375f. vgl. VIII 305ff.; Mt. 27,54; Mk. 15, 38; Lk. 23,44f.
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Wenn er ein Vorbild den Seinen gezeigt und alles gelehrt hat, Fährt er auf Wolken empor in die Wohnung des himmlischen Vaters; Aber der Welt hinterläßt er des Evangeliums Satzung. Und es erblüht aus heidnischem Stamm die neue Gemeinde; Christi Geboten getreu ererbt sie den Namen des Meisters. Aber auch dann leiten als kundige Führer des Lebens Weise Berater das Volk anstatt der Propheten und Seher. Denn wenn Israels Volk einheimst die Ernte des Frevels, Dann schleppt Haufen von Silber und Gold ein römischer König Trotzig hinweg. Darnach werden wieder andere Reiche Ununterbrochen sich folgen, und Königreiche verschwinden Und bedrängen die Menschen. Doch wenn sie begonnen ihr Wüten, Droht ein gräßlicher Sturz den übermütigen Feinden. Aber wenn Salomos Tempel auf heiliger Erde dahinsinkt, Niedergeworfen von erzgepanzerten Männern der Fremde, Und aus dem Lande gejagt die Hebräer die Heimat verlassen, Irrend umher und mischend viel Unkraut unter den Weizen, Dann steht sämtlichen Menschen bevor ein schrecklicher Aufruhr. Nach Jerusalems Sturz wird die eine Stadt über die andere Weinen, und eine Stadt wird bedrängt von der anderen werden. [H.] Buch
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Und Gott wird alsdann ein großes Zeichen vollführen. Denn es erglänzt ein Stern einem leuchtenden Kreuze fast ähnlich, Glänzend und überall leuchtend herab vom strahlenden Himmel Und nicht wenige Tage hindurch; denn vom Himmel wird er dann Zeigen am Siegerkreuz den Menschen, die ihn sich erkämpfen. Dann aber kommt auch die Zeit des festlichen großen Triumphzugs In die himmlische Stadt, und zwar sämtlichen Menschen gemeinsam Wird auf Erden er sein und den Ruhm der Unsterblichkeit haben. Und es wird jedes Volk alsdann in unsterblichen Kämpfen Ringen um herrlichen Sieg; dann nicht wird einer dann schamlos Dort einen silbernen Kranz um Geld sich können erwerben; Denn als Ordner des Kampfs mit strenger Gerechtigkeit waltet Christus: den Besten verleiht er den Kranz, und die Märtyrerkrone Allen, die treu und beharrlich den Kampf bis zum Tode durchkämpften. Auch jungfräulichen Seelen, die rühmlich durchmaßen die Laufbahn, Gibt er den Preis und jedem, der Recht und Gerechtigkeit übte, Unter den Menschen zumal und den Völkern anderer Länder, Welche untad'lig gelebt und Gott den Einen erkannten. Denen jedoch, die lieben die Eh' und der Buhlerei fremd sind, Gibt er reiche Geschenke dazu und ewige Hoffnung. Denn eine jegliche Seele der Menschen ist göttliche Gabe,
384 vgl. 346f. 387 vgl. Mt. 24,32; Mk.13, 28; Lk. 21,30; Offbg.14, 15; Hermas, Sim. 389f. vgl. Mt. 24,7. 396f. vgl. Mt. 13,28. 37ff. vgl. 1. Kor. 9,24; Hehr. 12, 8; 2. Tim. 4, 7. 47f. vgl. Offbg. 2, 10. 48 vgl. 1. Kor. 9,25.
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Und kein Recht hat der Mensch, sie mit allerlei Schmach zu beflecken. Dies ist der Kampf, dies ist das Bemühen und solches der Kampfpreis ; Das ist des Lebens Tür und das der Unsterblichkeit Eingang, Welchen der himmlische Gott den gerecht befundenen Menschen Setzte als Siegespreis. Die eher ruhmreich erhalten Jenen Kranz, die werden durch diesen Eingang hindurchgehen. Wenn aber einst auf der ganzen Welt dies Zeichen erscheinet, Kinder von der Geburt an ergraut sind an ihren Schläfen, Dann überkommt Pest, Hunger und Krieg als Drangsal der Menschen, Wechsel der Zeiten und Kummer und Leid und zahllose Tränen. Ach, wie vieler Kinder in allen Ländern verzehren Jammervoll klagend die Eltern, das Fleisch in die Mäntel gehüllet Sie im Mutterschoß der Erde bestatten, besudelt Ganz von Blut und von Staub; ihr elenden, feigen Gesellen, o des letzten Geschlechts unglückliche Menschen, ihr Frevler, Merket ihr nicht, verblendetes Volk, sobald zu gebären Aufhört der Weiber Geschlecht, daß nahe die Ernte? Nah ist Vernichtung und Ernte, sobald gleich Gottes Propheten Lügner erscheinen auf Erden und predigen unter den Menschen. Und auch Beliar kommt und tut viel Zeichen und Wunder Unter den Menschen. Und dann wird große Verwirrung entstehen Unter den Frommen und Treuen; Vernichtung der Auserwählten, Auch der Hebräer erfolgt. Doch gewaltige Wut überkommt sie, Wenn das Volk, in zwölf Stämme geteilt, von Osten erscheinet, Um zu suchen das Volk, das Assyriens Sproß hat vernichtet, Der vereinten Hebräer. Die Heiden dann gehen zugrunde. Und dann werden beherrschen die übermütigen Menschen Auserwählte und treue Hebräer, nachdem sie geknechtet All ihre Feinde wie vordem, da niemals die Kraft sie verlassen. Und der Höchste im Himmel, der alles und jegliches schauet, Wird die Menschen in Schlummer versenken, die Lider beschwerend. o glückselige Knechte, die wachsam, wenn er erscheinet, Findet der Herr, die den bleiernen Schlaf von den Lidern verscheuchten, Stets sein Kommen erwartend mit nimmer ermüdenden Augen. Früh wird's sein oder spät, vielleicht auch mitten am Tage, Einmal kommt er gewiß und so, wie ich sage, geschieht es. Schlummernden wird er erscheinen, wenn einst am sternenreichen Himmel Alle Gestirne am hellichten Tag werden allen sich zeigen Samt den zwei Leuchten in rasch verlaufender Folge der Zeiten. Und dann fährt der Thesbite vom Himmel herab auf die Erde, Lenkend den himmlischen Wagen, und gibt drei Zeichen den Menschen, Welche die Erde bewohnen, die Zeichen des endenden Lebens.
150 vgl. Mt. 7, 13; Joh. 10,7. 155 vgl. 4. Esr. 6,21. 157 vgl. VIII 214f. 163f. vgl. .Äg.-Ev., Bd. I, S. 109 f. 165f. vgl. Mt. 24,11; Did. 16,3. 167f. vgl. 2. Kor. 6,15; Himmelf. Jes. 4,2 (S.458). 171 vgl. 4. Esr. 13, 39. 179 vgl. Mt. 24,46; Lk.17, 37. 180f. vgl. Lk_12, 46; Mt. 24, 42. 184ff. vgl. VIII 203ff.; 4. Esr. 5, 4. 187 vgl. Mal. 4, 4; Mt. 11,14; 16, 14; 17, 10. 188 vgl. Did.16,6.
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Wehe den schwangeren Frauen, die niederkommen an jenem Tage! Wehe den Müttern, die nähren am Busen die kleinen Kinder! Weh auch denen, die fahren zur See auf den Wogen des Meeres! Weh den Unseligen, weh! die den Tag des Grauens erleben! Denn stockfinstere Nacht umhüllt den unendlichen Erdkreis, Mitternachtslande zugleich und Morgen und Abend und Mittag. Dann aber wird ein mächtiger Strom von brennendem Feuer Fließen vom Himmel herab und vernichten die herrliche Schöpfung: Trocknes Land und Meer, des Ozeans bläuliche Fluten, Seen und Flüsse und Quellen, den unerbittlichen Hades Und das Himmelsgewölbe Der Mond und die leuchtende Sonne Fließen zusammen in eins, und alles wird Wüste und Öde; Denn vom Himmel herab in den Ozean fallen die Sterne. Sämtliche lebenden Menschen da werden mit Zähnen knirschen, Brennend im Strom voller Schwefel und von dem anstürzenden Feuer In der gewaltigen Flur, und Asche wird alles verhüllen. [Und es veröden zugleich die sämtlichen Weltelemente : Luft und Erde und Meer, Licht, Himmel und Tage und Nächte]. Nimmer durcheilen die Luft unzähliger Vögel Geschlechter, Nicht mehr ziehn in den Fluten die Scharen der schwimmenden Fische, Kein beladenes Schiff fährt über die schaukelnden Wogen, Nimmer durchschneiden am Pflug die Stiere mit Furchen das Erdreich; Aufhört das Rauschen der Bäume von Winden geschüttelt. Doch alles Klumpt sich in eins zusammen und trennt sich zur Läuterung wieder. Wenn aber nun die unsterblichen Boten des ewigen Gottes, Michael, Gabriel, kommen zusammen mit Raphael, Uriel, Die da wissen genau, was vordem Böses begangen Jeglicher Mensch: die führen sodann aus nebligem Dunkel Alle die Seelen heran zum Richterstuhl des großen Ewigen Gottes und Herrn; denn unvergänglich allein ist Er, der Beherrscher des Alls, und Er ist Richter der Menschen. Seele und Atem hierauf und Stimme verleiht den Entschlaf'nen Neuerdings Gottes Geheiß; die Gebeine, verbunden zu Gliedern Mancherlei Zwecken gemäß, im Fleische die kräftigen Sehnen, Adern und Haut, die die Muskeln umspannt, das frühere Haupthaar. Wunderbar kräftig gefügt, beseelt und frei sich bewegend, Werden der Sterblichen Leiber an einem Tage erstehen. Unerbittlich und unzerreißbar, erbarmungslos ist Hades' Riesenverschluß der ganz aus Erz gefertigten Tore: Doch Uriel, der gewaltige Bote zerreißt sie und öffnet, Alle Gestalten voll Trauer er führt zum Gottesgerichte: Jene Schattenbilder der längst vergang'nen Titanen
19Of. vgl. M:k. 13, 17; Mt. 24,19; Lk. 21, 23. 196-213 vgl. VIII 337-350; Offbg. Petr. Kap. 5 (0. S. 474). 196 vgl. 256; VII 120; VIII 243. 200-213 vgl. 305ff. 202 vgl. VIII 190. 213 vgl. VIII 412. 215 vgl. Henoch Kap. 9f.; Apok. Mos. R. 27. 216vgl. Ps. 68, 29 (Offbg. 17, 8;Phil.4, 3); Henoch 108, 7. 221ff. vgl. Hes. 35, 5ff.; Offbg. Petr., Kap. 4 (0. S. 473 f.). 227ff. vgl. Apok. Elias S. 45, 6, 18 (ed. Steindorff233ff.); vgl. Henoch 61, 5.
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Und der Giganten, und welche die Sintflut hatte verschlungen, Und die auf hoher See vernichtet die Woge des Meeres, Und die die Tiere und Schlangen und Vögel haben zerrissen, All die wird er jetzt rufen zum Throne des göttlichen Richters; Wiederum all die Gestalten, die fleischvernichtendes Feuer Hatte verbrannt, die sammelt und stellt er vor Gottes Gerichtsstuhl. Wenn er die Toten erwecket, nachdem er ihr Schicksal erfüllet, Und auf dem himmlischen Thron sich gesetzet und eine gewaltige Säule Festgefügt Sabaoth Adonai, der Donn'rer der Höhe, Dann in den Wolken der Ewige selber zum Ewigen kommet, Christus in all seinem Glanz mit all seinen heiligen Engeln, Und er setzt sich dem Großen zur Rechten und richtet vom Thron das Leben der Frommen und auch der gottlosen Männer Gesinnung. Moses erscheint, der Große, der Freund des unsterblichen Gottes, Fleischumkleidet, und Abraham selbst, der Große, wird kommen, Isaak und Jakob zugleich, Elias und Josua, Daniel, Jonas und Habakuk auch, und die die Hebräer erschlugen. [Die wird nach J eremias am Throne er alle vernichten, Angeklagte Hebräer, auf daß sie würdige Werke erlangen, Und sie büßen, was jeder dem anderen Böses getan hat.] Und dann werden sie alle den Strom des Feuers durchschreiten, Unauslöschlicher Flammen verzehrende Glut. Die Gerechten Werden gerettet; verloren, verdammt sind auf ewige Zeiten Alle, die früher in Sünden gelebt und Böses getan und Morde verübet, auch alle, die Mitwisser waren, die Lügner, Diebe, Betrüger und schreckliche Frevler an anderer Habe, Schlemmer, Ehebrecher und solche, die üble Nachrede führen, Schlimme Verbrecher und Frevler, vor allem die Götzenanbeter, Solche, die abgefallen vom großen, unsterblichen Gott, und Alle, die Gotteslästerung getrieben, die Frommen verfolgten, Gläubige gemordet, und die nach dem Leben Gerechter getrachtet, Auch alle, welche mit schlauem und schamlosem Mienenspiele Einst als Presbyter und ehrwürd'ge Diakonen schauten Auf die Person und den Reichtum der Partner und ungerecht richtend (?) Anderen Unrecht taten, von falschen Zeugen beeinflußt ... Schlimmer als PerdeI und reißende Wölfe ... Und die entsetzlichen Stolz und Hochmut zeigten, die Wuch'rer, Welche sich häuserweise ihr Geld auf Zinsen anlegten Und arme Witwen und Waisen sogar um das Letzte gebracht und Welche den Witwen und Waisen nur geben von unrechtem Gute, Die aber, wenn sie für ehrliche Arbeit haben gegeben, Noch dafür schmähen; und solche, die ihre Eltern im Alter Haben verlassen, ohn' ihnen etwas zu geben; den Eltern
24Uf. vgl. Mt. 25, 31; 19,28; Offbg. Petr., Kap. 6 (0. S. 474f.). 245ff. vgl. Apok. Elias S. 59, 14, lOff.; Apok. Esr. p. 30; Apok. Paul. (u. S. 55lf.). 248vgl. Mt. 23, 34. 252f. vgl. VllI 411. 255-283 vgl. VIII 419ff.; Mk. 7, 2lf.; Röm 1,29; l. Kor. 6, 9; Ga!. 5, 20; Did. 3,5; Offbg. Petr., Kap. 6-12 (0. S.474ff.).
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XVII. Apokalypti8che Prophet·ie der frühen Kirche
Nicht mal die Notdurft des Lebens gegeben; und die nicht gehorchten, Gegen die Eltern nur harte Worte im Munde geführet; Ferner die Treu und Glauben genommen und dann es geleugnet, Auch die Diener, die gegen den eigenen Herrn auftraten, Und wieder die ihr eigenes Fleisch mit Unzucht befleckten, Und alle, die den jungfräulichen Gürtel gelöset und heimlich Beilager suchten, und Frauen, die töten im Leibe die Frucht, und Welche den Eltern ganz recht- und gesetzlos weisen die Schwelle, Giftmischer oder Giftmischerinnen mitsamt ihrem Anhang Wird der Zorn des himmlischen, unvergänglichen Gottes Nun an den Pranger stellen da, wo um sie alle im Kreise Unermüdlich der Feuerstrom fließt, doch all diese zusammen Fesseln mit unzerreißbaren Ketten von oben herab und Zücht'gen gar schrecklich mit lodernden Peitschen und feurigen Ketten Abgesandte des ew'gen und immerwährenden Gottes. Dann aber werden im schwarzen Dunkel der Nacht sie geworfen Unter die vielen und schrecklichen Tiere im Tartarus drunten, In der Gehenna, wo undurchdringliche Finsternis herrschet. Aber wenn sie dann vielerlei Pein allen auferlegt haben, Deren Herz grundschlecht war, dann wieder das feurige Drehrad Aus dem mächtigen Strom sie dränget und wirbelt umher, weil All ihr Sinnen und Trachten auf törichte Werke gerichtet. Und dann werden sie jammern, bald hier und bald dort in der Ferne über ihr schreckliches Los, die Väter und arglosen Kinder, Mütter samt ihren Kleinen, die weinen am nährenden Busen. Nicht wird der Tränen je Sättigung sein, und niemand vernimmt das Flehen der bald hier bald dort wehklagenden Jammergestalten. Drunten jedoch in des weiten und breiten Tartarus Dunkel Marter erduldend sie schrein, an unheiligem Orte sie büßen Dreifach jeglichen Frevel, den einst sie aus Bosheit begangen, Brennend in ewiger Glut. Mit den Zähnen knirschen sie alle, Furchtbar geplagt von brennendem Durst und harter Bedrängnis. Und sie rufen: "Wie schön wär' der Tod!", doch der meidet sie alle; Denn sie wird nicht mehr der Tod, nicht mehr die Nacht sie erlösen. Ach, vergebens sie flehen zu Gott, dem Herrscher der Höhe. Offensichtlich wendet er jetzt sein gnädiges Antlitz von ihnen. Siebenmal schon ist verstrichen die Frist zur Bekehrung und Buße, Die er den Irrenden gab durch der heiligen Jungfrau Vermittlung. Aber die anderen Menschen, die Werke der Tugend verrichtet, Und in Frömmigkeit wandelnd, die rechte Gesinnung betätigt, Werden, von Engeln entrückt, aus dem Strome des brennenden Feuers Auf zum Lichte geführt in ein Leben voll Wonne und Freude. Wo der ewige Pfad des gewaltigen Gottes hinführt und Dreifach Quellen entspringen von Wein und von Milch und von Honig. Gleich ist die Erde für alle, und nicht durch Mauern und Schranken
286 vgl. 196. 295 vgl. Offbg. Petr., Kap. 12 (0. S. 479). 305-312 vgl. VIII 350-358. 3Uf. vgl. 4. Esr. 5, 75ff. 318-321 vgl. vm 208-212.
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Abgeteilt, bringt dann sie hervor noch viel mehr Früchte Ganz von selber: gemeinsam das Leben im herrenlosen Reichtum! Knechte gibt es nicht dort noch Gebieter, nicht hoch oder niedrig, Könige nicht noch Fürsten, und alle sind gleich vor dem Höchsten. Niemand sagt mehr: "Die Nacht bricht an", und keiner: "Auf morgen" ; Niemand spricht mehr von Gestern und zählet die Menge der Tage, Kümmert sich nicht um Frühling und Herbst, um Sommer und Winter, Nicht um Hochzeit und Tod, um Käufe nicht oder Verkäufe, Nicht um Morgen und Abend: es gibt nur verlängerte Tagzeit. Und der allherrschende, ewige Gott wird noch etwas andres Jenen Frommen verleihen, wenn sie flehen zum ewigen Gotte: Aus dem schrecklichen Feuer und unvergänglichen Peinen Wird er die Menschen zu retten verleiten. Dies wird er vollführen. Denn er sammelt sie wieder, versetzt sie aus rastloser Flamme Anderswohin und entsendet sie seinem Volke zuliebe Zu einem andern und ewig währenden Leben, zur Flur des Sel'gen Elysiums, wo weithin Wasser ihm fließen Des Acherusischen Sees, des ew' gen, von grundloser Tiefe. Wehe mir Armen, wie wird's mir an jenem Tage ergehen! Habe ich Törin doch alle an Frevelmut überboten, Hab' nicht an Heirat gedacht und keine Vernunft angenommen. Und auch im eig'nen Palast eines schwerreichen Mannes verwies ich Darbende oft von der Schwelle. Und wieviel Schlechtes hab' früher Wissentlich ich getan! Du Heiland, errette mich Hündin, Vor meinen Peinigern mich, die so schamlose Dinge getan hat! Dich auch flehe ich an, laß ein wenig vom Sange mich ausruhn, Heiliger Mannaspender, du König des mächtigen Reiches! VI. Buch: Hymnus auf Christus
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Singen will ich aus Herzensgrund von dem großen, berühmten Sohn des Unsterblichen, dem seinen Thron gab der höchste Erzeuger Vor der Geburt; denn im Fleisch, das ihm ward, trat er auf und Ließ sich taufen im strömenden Wasser des Jordanflusses, Der mit bläulichem Fuß seine Wogen wälzend dahinrollt: Feurigem Glanze entsteigend er schaut Gottes lieblichen Geist, der Kommt vom Himmel herab in der Taube weißem Gefieder. Aufblühen wird eine reine Blüte, es springen die Quellen. Zeigen wird er den Menschen die Wege und zeigen die Pfade Himmelwärts und auch alle mit weisen Worten belehren, Führt sie zum Recht und bekehrt die verl:ltockten Herzen des Volkes, Laut bekennend den ruhmreichen Stamm seines himmlischen Vaters,
322ff. vgl. VIII HOf. 121. 325ff. vgl. VIII 424ff. 330ff. aus Hystaspes? (vgl. Lact. VII 18,2). 337f. vgl. Offbg. Petr., Kap. 14 (0 .. S. 480). 340-344 vgl. VII 151ff. 4f. vgl. VII 66f. 6 vgl. VII 84; Ebion.-Ev., Frg. 4 (Bd. I, S. 103). 7 vgl. Mt. 3, 16; Mk. 1,10. 8 vgl. Jes. H, 1.
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XVII. Apokalyptische Prophetie der frühen Kirche
Wandelt zu Fuß übers Meer und von Krankheit befreit er die Menschen. Wecken wird er die Toten zum Leben, verscheuchen viel Schmerzen. Aber aus einem Ranzen mit Brot er sättigt die Menschen, Wenn Davids Haus seinen Schößling treibt. Aber in seiner Hand ruht Alle Welt: die Erde sowohl wie das Meer und der Himmel. Hinblitzen über die Erde wird er, wie ihn einstmals erscheinen Sahen die zwei, aus den Seiten erzeugt voneinander. Da wird die Erde sich freuen der Hoffnung auf dieses Knäblein. Dir, sodomitisches Land, allein sind Leiden beschieden: Deinen Gebieter und Herrn verstießest du feindlichen Sinnes, Als er im Fleische erschien; aus spitzigen Dornen geflochten, Drücktest du ihm die Krone aufs Haupt, zu frevelem Tranke Hast du ihm Galle gemischt: das bringt dir bittere Leiden. o du gepriesenes Holz, auf dem ausgestreckt war der Herrgott, Nicht mehr birgt dich die Erde, am Firmamente erscheinst du, Wenn dein feuriges Auge, 0 Gott, wird erblitzen am Himmel. VII. Buch
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Rhodos, unseliges du; denn dich will zuerst ich beweinen. Unter den Städten die erste, wirst du auch als erste zugrunde gehn. All deiner Männer beraubt, wirst du völlig des Lebens entbehren. Delos, du wirst dich bewegen und unstet sein auf dem Wasser. Cypern, dich wird einst vernichten die Woge des bläulichen Meeres. Dich, Sizilien, verbrennt das Feuer, das gegen dich wütet.
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Das, prophezei' ich, ist Gottes entsetzliches Wasser, das anstürmt. N oah allein konnt' von allen Männern als Flüchtling sich retten. Erde schwimmet, es schwimmen die Berge, es schwimmt auch der Äther. Wasser wird überall sein, und im Wasser geht alles zugrunde. Stillhalten Winde, es kommt eine weitere Weltperiode. Phrygien, du wirst zuerst aufschimmern über dem Wasser. Du bist die erste jedoch, die frevelhaft leugnet den Herrgott, Götzen nur zum Gefallen, die stumm sind und welche dich, Arme, Werden vernichten im Kreislauf der zahlreichen kommenden Jahre. Ihr armseligen Aethiopier, ihr werdet noch schreckliche Leiden Dulden, von Schwertern geschlagen und tief in dem Fleische verwundet, Und das fette Aegypten, in Sorge stets um seine Saaten, Welches der Nil jedes Jahr mit sieben Strömungen tränket, Wird vernichten der Aufstand der Bürger; dann werden die Männer,
13 vgl. Mt. 14, 26; l\ik. 6, 48; Joh. 6, 19. 14f. vgl. I 353ff.; VIII 205ff.; Mt. 11, 5 u. Par. 15 vgl. I 357ff.; VIII 275ff.; l\ik. 6, 43; Mt. 14,20; Joh. 6,13. 16 vgl. VII 31. 18 vgl. Mt. 24,27. 20 vgl. Protev. Jak. 18 (0. Bd. I S.287). 21 vgl. Offbg. 11,8. 24f. vgl. VIII 303 (Ps. 68,22). 27 vgl. Ev. Petr. 39f. (o.Bd. I, S.123). 28 vgl. Offbg. 1,7; 19,11. 7 vgl. I 183. 8 vgl. I 125. 9-11 = I 193-195. 12 vgl. I 196.
2. Ohristliche Sibyllinen
Bar aller Hoffnung, den Apis, den heillosen Götzen, vertreiben. Weh, weh, Laodicea, du hast Gott niemals geschaut, du Freche, du lügst, doch die Woge des Lykos spült dich von dannen.
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Selber der mächtige Gott, der Erzeuger, wird Himmelsgestirne Schaffen, und mitten im Aether aufhängen wird er die Achse, Stellt, für die Menschen entsetzlich zu schauen, eine Säule hoch droben, Riesig im Ausmaß, inmitten gewaltigen Feuers; die Funken Werden vernichten Geschlechter der Menschen für all ihre Bosheit. Dann wird noch einmal Gelegenheit sein, wo die Menschen mit Gott sich Werden versöhnen, doch nicht die unendlichen Qualen sie hemmen. Erst durch Davids Haus wird alles erfüllet, denn diesem Hat ja Gott selber den Thron zum eignen Besitz übergeben. Doch seine Sendboten werden zu Füßen schlafen sich legen, Und die zünden die Feuer, die spenden das Wasser der Flüsse, Die auch beschirmen die Städte, und die entsenden die Winde. Vielen Menschen jedoch steht ein schlimmes Leben bevor, das Eindringt in ihre Seelen und ändert der Menschen Gesinnung.
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Das wird geschehen in der Fülle der Zeiten. Allein wenn dann andre Herrschen, der streitbaren Perser Geschlechter, sofort wird es arge Ehe- und Brautlager geben infolge der gottlosen Werke. Haben wird ja die Mutter den eigenen Sohn auch als Mann. Der Sohn verkehrt mit der Mutter; die Tochter, zum Vater sich beugend, Beischlaf pflegt nach dem Brauch der Barbaren. Doch später wird ihnen Leuchten der römische Ares von den Spitzen zahlloser Lanzen, Und mit Männerblut werden sie weithin färben das Erdreich. Doch Italiens Fürst wird dann fliehen vor der Wehrkraft des Speeres Aber sie lassen am Boden die Lanze mit gold'ner Verbrämung, Welche ja immer beim Sturme das Zeichen des Zwanges voranträgt. Wahrlich es kommt die Zeit, wo die arge, gar unglückseI' ge Ilias nur das Begräbnis, nicht mehr die Hochzeit bereitet, Wo tief seufzet die Braut, weil sie ihren Gott nicht erkannte; Immer mit Pauken und Zymbel Getön hat verursacht die Arme. Weissage nun, Kolophon; ganz furchtbares Feuer dir drohet. Unglücksbraut Thessalien, dich wird nicht mehr schauen die Erde, Auch nicht die Asche; gar einsam verläßt du fliehend das Festland; So wirst du, Arme, ein kläglicher Auswurf des Kriegsgeschehens, Opfer reißender Strömung, soweit nicht das Schwert dich vernichtet. Unglücksel'ges Korinth, einen schweren Krieg wirst du, Arme, Haben im Land, und ihr richtet einander selber zugrunde.
33-35 vgl. Hermas Vis. III 4, 1.
60f. vgl. VI 4ft".
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XVII. Apokalyptische Prophetie der frühen Kirche
Tyros, wie bleibst du doch einsam; von frommen Männern verwaiset, Wirst du an eigener Ohnmacht doch völlig gehen zugrunde. 0 Coelesyrien, du letztes Land phönikischer Männer, Armes, nicht hast du erkannt deinen Gott, der einstmals gebadet, In der Strömung des Jordans - der Geist überflog ihn als Taube-, Der einst der Erde und auch des sternenreichen Himmels Schöpfer Wurde, der Logos, vereint mit dem Vater und Heiligen Geiste; Fleisch annehmend entflog er schnell zur Wohnung des Vaters. Und drei Burgen hat ihm der mächtige Himmel errichtet, Drinnen jetzt Wohnung genommen die adligen Mütter des Gottes: Hoffnung und Ehrfurcht und Heiligkeit, nach der alle verlangen; Nicht an Gold sie sich freuen und Silber, nur an Gebeten Und an den Opfern der Menschen und ihrer echten Gesinnung. Opfern sollst du dem ewigen, großen, erhabenen Gotte, Nicht im Feuer ein Weihrauchkorn schmelzend, noch mit dem Messer Schlachtend den zottigen Widder, vielmehr sollst du nehmen mit allen Deinen, die gleichen Geblüts, eine Taube der Wildnis, und sollst sie Unter Gebeten entsenden, die Augen zum Himmel gerichtet. Wasser sollst du dann gießen in reines Feuer und rufen: "Wie dich als Logos der Vater erzeugte, entsandt' ich den Vogel, Schnellen Verkünder der Worte, als Logos, mit heiligem Wasser Deine Taufe besprengend, durch die du aus Feuer erschienest." Sollst auch die Türe nicht schließen, wenn dir ein Fremder sich nahet, Inständig bittend, du mögest ihm Armut und Hunger abwehren. Sondern fasse das Haupt dieses Mannes, bespreng' es mit Wasser Und bete dreimal und rufe zu deinem Gotte wohl also: "Ich begehre nicht Reichtum; bedürftig nahm auf ich den Dürftigen". Und an der Schwelle: ,,0 Vater, du reicher Spender, erhör' uns! Wirst auch dem Bittenden geben." Doch wenn er nach draußen gegangen: "Nicht bedräng' mich, gerechte und heilige Majestät Gottes, Hehre, unbeugsame Macht, selbst in der Gehenna erprobet! Stärke mein armes Herze, 0 Vater; auf dich schaute stets ich, Nur auf dich Unbefleckten, den keine Hände geschaffen."
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Du, Sardinien, gedrückt jetzt, bald wirst du in Asche verwandelt; Nicht mehr wirst Insel du sein, wenn der gehende Zeitlauf gekommen. Segelnd im Wasser sie werden dich suchen, wenn du bist verschwunden. Eisvögel über dir werden ein schreckliches Klagen anstimmen. Rauchland Mygdonien, du schwer passierbare Fackel des Meeres, Prahlest auf ewig, für ewige Zeiten wirst völlig ein Opfer Werden des Gluthauchs und rasen alsdann unter zahllosen Qualen. Keltenland, gelehnt ans Gebirge, an unübersteigbare Alpen, Gänzlich wird dich verschütten der Sand; keine Zölle mehr zahlst du,
68f. vgl. VIII 264. 71 vgl. Hermas Via. m 4, 1. VI 6. 89 vgl. 11 56. 109.
73 vgl. Hermas Via. m, 8.
84 vgl.
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Lieferst kein Futter mehr und keinen Halm; wirst entvölkert für immer, Und von Eiskristall überzogen wirst büßen du all die Schande und Schmach, die du nicht erkanntest, du ruchlose Gegend. Du starkmutiges Rom, nach makedonischem Kampfe Willst den Olymp du erstürmen; doch Gott wird dir Garaus machen, Wenn du vermeinst, zu viel stärkerem Ansturm seßhaft zu bleiben. Da will ich folgende Worte dir rufen: "Wirst auch im Sterben Deine Stimme erheben, gar herrlich strahlend im Glanze des Ruhmes. Rom, noch ein zweites Mal will ich, ein zweites Mal wieder dich rufen." Kurz noch will ich auch dich, armes Syrien, kläglich beweinen. übel beratenes Theben, ein übles Getöne von Flöten Steht dir bevor, dir wird die Trompetp ein übles Getöne Lassen erschallen; ihr werdet das ganze Land untergehn seh'n. Wehe dir, unglücksel'ge, weh dir, böswillige Meerflut! Ganz von Feuer verzehrt wirst ein Volk durch die Flut du vernichten. Denn mit solcher Gewalt wird rasen das Feuer auf Erden, Wie sich das Wasser ergießt, und die ganze Erde vernichten. Berge verbrennt's, entzündet die Flüsse und leeret die Quellen. Nicht mehr Welt ist die Welt, wenn die Menschen gehen zugrunde. übel brennend dann schauen die Unglücksel'gen zum Himmel, Welcher nicht mehr von Sternen, vielmehr im Feuerschein leuchtet. Aber sie gehn nicht plötzlich zugrunde, im Fleische vergehend Und doch weiter brennend im Geiste für ewige Zeiten, Werden sie sehn, daß Gottes Gesetz nicht trügerisch ist, und Unter dem anderen Schweren, daß Not jetzt leidet die Erde, Weil sie vermessen annahm die Opferstätten der Götter Und durch den schwärzlichen Rauch in den Lüften verführt und betrogen (Nimmer gehorchte den Worten des einen, mächtigen Gottes.) Die aber werden gar sehr Leid tragen, die nur aus Gewinnsucht Schmählich Orakel verkünden, die schlimmen Zeiten verlängernd, Die zwar nach außen sich hüllen in wollige Felle der Schafe, Fälschlich Hebräer sich nennen, obwohl sie von anderem Geschlecht sind, Treulose Zungenhelden, zum eignen Verderben profitlieh, Welche ihr Leben nicht ändern und nicht. die Gerechten verführen, Die ihren Herrn und Gott getreulich im Herzen versöhnen. Doch in der dritten "Ewe" des rollenden Kreises der Jahre "Erster Oktav" wird wieder erschaut ein anderer Kosmos. Nacht wird es überall sein unerbittlich und lange auf Erden. Dann wird des Schwefels Dunst ringsum gar schrecklich sich breiten, Tod auf Tod verkündend, wenn jene dann gehen zugrunde Unter dem Schrecken der Nacht. Dann wird ER reine Gesinnung Unter den Menschen erzeugen, erneuern das Menschengeschlecht. Nicht mehr wird man die Scholl' in der Tiefe auflockern mit Krummpflug; Nicht mehr pflügen die Stiere mit gradegerichtetem Eisen. Dornen und Disteln gibts nicht, sondern alle zumal werden jetzo
120 vgl. II 196. 4,40f.
134 vgl. Mt. 7,15.
33 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
139f. vgl. Apokr. 2, S. 19*
146f. vgl. Verg. Ecl.
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XVII. Apokalyptische Prophetie der trUhen Kirche
Tauiges Manna als Speise mit weißen Zähnen genießen. Dann wird auch Gott selbst unter ihnen sein und sie belehren, Wie mich Unglücksel'ge. Was habe doch früher ich Böses Wissend verübt! Und auch sonst hab' ich übles getan unbedenklich. Zahllose Beilager hatt' ich, und dachte doch nie an die Heirat. Allen hab' ich Treulose den heiligen Eid abverlanget. Darbenden wies ich die Tür, und im eigenen Hause verübt' ich Blutschande, ohne den Spruch zu beachten des mächtigen Gottes. Darum wird mich ergreifen das Feuer und gänzlich verzehren. Selber ich lasse mein Leben, Vernichtung bringt mir die böse Zeit. Dann kommen die Leute und schaufeln das Grab mir Elenden. Oder sie werden mich stein'gen, ich hab ja, vom eigenen Vater Schwanger, drei Kindlein beseitigt. DrUlll Rteiniget, steinigt mich alle! So werd' ich büßen im Tode und himmelwärts heften die Augen. VIII. Buch
Von dem gewaltigen Zorn, der hereinbricht am Ende der Zeiten über die trotzige Welt als Gottes Strafgericht, künd' ich Allen Menschen zumal, von Stadt zu Stadt prophezeiend. Als einstürzte der Turm und die Zungen der sterblichen Menschen 5 In eine VieTheit von Sprachen sich teilten, erhob sich zuerst die Herrschaft Ägyptens, der Perser, der Meder, Äthiopier, Assur Und Babylonien, sodann Makedonien, das prahlte mit richt'gem Wesen, und fünftens der Römer berüchtigte Willkürherrschaft, 10 Welche zuletzt viel übel schafft allen sterblichen Menschen Und alle Länder der Erde in Frondienst richtet zugrunde, Führet der Völker noch nicht unterworfene Kön' ge ZUlll Westen, Gibt allen Völkern Gesetze und unterwirft sich den Erdkreis. Gottes Mühlen mahlen zwar spät, doch mahlen sie fein, denn 15 Feuer wird alles zermalmen, als feinen Staub übergeben Hochbelaubete Gipfel der Berge und alles im Fleische. Anfang der Laster bei allen ist Unverstand und die Habgier. Denn es entsteht das Verlangen nach trüg'rischem Golde und Silber. Denn nichts schätzen die sterblichen Menschen ja höher als dieses, 20 Nicht den Sonnenschein, noch den Himmel oder die Meerflut, Nicht die breitrückige Erde, aus welcher noch alles entsprießet, Nicht den alles gehenden Gott den Erzeuger von allem, Treue und Frömmigkeit nicht sie schätzen höher als dieses. Quelle der Gottlosigkeit und der Unordnung Wegweiser ist sie, 25 Aller Kriege Ursache, des Friedens gräßliche Feindin, Maeht den Kindern die Eltern verhaßt und die Kinder den Eltern. Nicht steht ohne das Gold eine Heirat jemals in Ehren. Und daR Land erhält Grenzen und jegliches Meer seine Wächter, Schlau verteilt nur an solche, die Gold und Schätze besitzen. so Und als sollten sie ewig besitzen die vielernährende Erde, 151-155 vgl. II 343f.
1 vgl. 1. Thess. 1, 10.
4 vgl. 1. MOB. 11.
27 vg). Hebr. 13,4.
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Plündern aus sie die Armen, damit sie selber noch mehr Land Zuerwerben und prahlend in Großsucht sich unterjochen. Und wenn die riesige Erde vom sternreichen Himmel nicht hätt' so Weit ihren Sitz, dann hätten die Menschen das Licht nicht gemeinsam. Wahrlich der Markt ständ' nur den Goldreichen noch zur Verfügung, Und für den Bettelmann müßt' eine andere Welt schaffen der Herrgott. Kommen wird über dich, hochnackige Roma, der gleiche Blitzschlag von oben, und du wirst zuerst deinen Nacken beugen; Du wirst dem Erdboden gleich, und das Feuer wird ganz dich verzehren; Hingekauert am eigenen Boden; der Reichtum vergehet, Und deine Grundfesten werden dann Wölfe und Füchse bewohnen. Und dann wirst ganz verlassen du sein, als wärest du nicht da. Wo ist dann dein Palladium? Und welcher Gott wird dich retten? Einer von Gold oder Erz oder Silber? Wo bleiben dir aber Dann des Senates Beschlüsse? Wo Rheas und Kronos' Stammbaum; Oder die Abkunft von Zeus und allen, die du verehrtest? Leblose Geister und Schattenbilder verstorbener Toten, Mit deren Gräbern das unglückselige Kreta wird großtun, Das für gefühllose Tote die Stuhlsetzung festlich begehet! Aber wenn dir, du Stolze, dann dreimal fünf Kön'ge geworden, Welche den Erdkreis knechten vom Aufgang der Sonne bis Westen, Wird ein Graukopf herrschen, benannt nach dem Meer in der Nähe, Der den Erdkreis durchwandert im Eilmarsch und viele Gaben Bringt und unendlich viel Silber und Gold hat, und von den Feinden Mehr noch sammelt, sie ganz ausplündert und dann zurückkommt. Teil nimmt er auch am Geheimnis der heiligen Kunst der Magie und Zeigt einen Knaben als Gott, und löset, was sonst gilt als heilig, Und die Mysterien uralter Irrlehren eröffnet er allen. Dann wird ein Jammertag sein, wenn der "Jämmerling" selber zugrunde geht. Und das Volk wird mal sagen: "Es stürzet, 0 Stadt, deine Großmacht", Wissend sofort die Zukunft: ein böser Tag bricht herein jetzt. Und dann werden sie trauern zusammen, vorahnend ihr Schicksal, Ihr unsel'ges, die Väter und ihre unseligen Kinder. Wehrufe lassen ertönen die Armen am Ufer des Tibers. Und dann werden drei herrschen am letzten Tage der Zeiten, Welche den glorreichen Namen des himmlischen Königs erfüllen, Dessen Gewalt noch jetzt wie immer in Ewigkeit währet. Einer, ein würdiger Mann, wird sein Szepter weithin erstrecken, Und doch ein Jammerkönig, der sämtliche Schätze der Erde Einschließt in seinem Hause, um dann, wenn der Mörder der Mutter Von den Grenzen der Erde als Flüchtling wieder zurückkommt, Allen zu geben und großen Reichtum nach Asien zu bringen. Und dann wirst du betrauern den Fürsten mit Purpurstreifen Und deinen Mantel ablegen und anziehn Trauergewänder. Du hoffärtige Herrin, du Sproß der lateinischen Roma, Nicht mehr wird man dann reden von deinem hochfahrenden Wesen;
64 vgl. Ps. 136, 1. SS*
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XVII. Apokrilypti8che Prophetie der frühen Kirche
Nie wirst du je wieder aufgerichtet im Unglück, sondern gebeuget. Der Legionen Ruhm, die den Adler tragen, wird fallen. Wo ist dann deine Kraft? Welches Land ist dein Bundesgenosse, 80 Das du geknechtet mit Eitelkeiten ganz recht- und gesetzlos? Dann wird unter den Menschen der Erde Verwirrung entstehen, Wenn er selbst auf dem Throne erscheint, der Allmächt'ge, zu richten, Was auf der Welt, der Toten und der Lebendigen Seelen. Und nicht lieb sind die Eltern den Kindern, noch Kinder den Eltern 85 Wegen der Gottlosigkeit und der hoffnungslosen Bedrängnis. Dann gibt's Zähnegeklapper, Zerstreuung, Gefangenschaft, wenn das Unglück nahet den Städten und klaffend die Erde sich öffnet. Und wenn der purpurne Drache daherfährt über die Wogen Mit einer Menge im Bauche und dann deine Kinder bedränget, 90 Da ja Hungersnot herrschet und schrecklicher Bürgerkrieg tobet, Nahe ist dann das Ende der Welt und der letzte der Tage Und den bewährten Beruf'nen Entscheidung des ewigen Gottes. Aber zuerst gegen Rom wird unerbittlicher Zorn sein, Und blutrünstige Zeit, armseliges Leben wird kommen. 95 Weh dir, italisches Land, du großes barbarisches Volk, du Hast nicht erkannt, von wannen du nackt und verachtet einst kamst zum Licht der Sonne, um wieder zum gleichen Platze zu gehen, Nackt und bloß, und dann vor Gottes Gericht zu erscheinen, Weil du einst ungerecht Urteile fälltest ... 100 Du wirst von Riesenhänden allein auf der ganzen Welt jetzt Aus deiner Höhe gestürzt, wirst unter der Erde nun wohnen. Naphtha und Asphalt und Schwefel, ein mächtig loderndes Feuer Wird dich völlig vernichten, und brennender Staub wirst du sein für Ewige Zeiten, und wer es auch sieht, wird vom Hades vernehmen 105 Lautes Trauergeheul und schreckliches Zähnegeklapper, Und wie du mit den eigenen Händen die gottlose Brust schlägst. Gleiche Nacht umhüllt allezumal, sowohl Reiche wie Bettler; Nackt von der Erde, nackt wieder zum Erdreich kommen sie alle, Enden ihr Leben, nachdem ihre Zeit dies Leben beendet. 110 Keine Knechte gibt's dann, keine Herren und keine Tyrannen, Könige nicht, noch Fürsten, die in ihrem Dünkel sich großtun, Keinen rechtskundigen Redner, noch einen bestoch'nen Archonten, Der zu Gericht sitzt; und Opfernde gießen nicht Blut auf den Altar. Keine Pauke ertönt, keine Zimbel macht noch Getöse, 115 Keine löch'rige Flöte, die zwerchfellerschütternden Klang hat, Auch nicht Pfeifengesurr, das klingt wie Schlangengezische, Nicht die Trompete, die Botin des Krieges, barbarisch erdröhnend; Kpine Betrunk'nen bei rohen Tänzen und ruchlosem Festschmaus, Auch kein Zithergeklimper; es gibt keine boshafte Arglist, 84 vgl. Henoch 56,7; 99,5; 100,2. 86 vgl. 105. 125; Mt. 8, 12; Lk. 13, 14. 88 vgl. Offb. 12, 3f. 91 vgl. Offbg. 1, 3; 22, 10. 92 vgl. Joh. 12, 31; Offbg. 14, 7. 96 vgl. Hiob 1, 21; Pred. Salom. 5, 14; Offbg. 17,16; Joh. 5,24. 102 vgl. Offbg. 18,8; 19,20; 20,10; 21, 8. 103 vgl. Offbg. 19,3. 108 vgl. 96. 110ff. vgl. II 322-324, VIII 424ft". 112 vgl. II 62. 113 vgl. II 96.
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Keinen Streit, keinen mannigfaltigen Zorn, und kein Messer Ist bei den Toten, vielmehr ein neuer Aeon allen Menschen . . .. (Alle samt und sonders schleppt der) Schließer aus dem gewalt'gen Verließ vor den Richterstuhl Gottes. (Immerzu bauet, ihr Städte, und schmückt euch alle gar herrlich Jetzt mit Tempeln und Märkten und Rennbahn; schaffet euch Bilder,) Silbern und golden, und solche aus Stein, und putzet euch stattlich, Um zu kommen zum bitteren Tag und zu schauen, 0 Rom, die Erste Bestrafung und zu vernehmen dein Zähnegeklapper. Und nicht mehr wird den Nacken dann unter dein Sklavenjoch beugen Weder der Syrer noch Grieche, noch auch ein Barbar, und kein Volk sonst. Rom, du wirst völlig zerstört und erledigt für all deine Taten Und gibst seufzend die Steuer aus Angst, bis du alles bezahlt hast. Du wirst der Welt ein Triumph und Schandfleck werden für alle.
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Wenn dann wieder der Zeitpunkt naht, wo der Phönix erscheinet, Kommt, der vernichtet der Heiden Geschlecht und zahllose Stämme, Auch das Hebräervolk. Dann wird Ares den Ares ausplündern, Und der Römer hochmütiges Drohen wird selbst er vereiteln. Denn Roms Herrschaft, die einst so blühende, ist jetzt dahin, die Alte Beherrscherin rings umliegender Nachbarstädte. Nicht mehr wird siegen das Land der üppig blühenden Roma, Wenn er von Asien her mit Ares siegreich heranrückt. Wenn er das alles vollbracht, wird er plötzlich kommen zur Hauptstadt. Dreimal dreihundert und achtundvierzig Jahre erfüllst du, Wenn das aufgezwung'ne und unglücksel'ge Verhängnis über dich kommt, das deinen Namen wird endlich erfüllen. Wehe mir dreimal Unsel'ge, wann werde ich schaun jenen Tag, dir, Roma, Verderben bringend und bitter für alle Latined Feiere dann, wenn du willst, den Mann von verborgener Herkunft, Der von Asiens Lande besteiget den troischen Wagen Mit dem Mut eines Löwen. Doch wenn er den Isthmus durchschneidet, Finster blickend, sich allen nahend, die Salzflut vertauschend, Dann kommt über das riesige Tier ein dunkler Blutstrom: Aber den Leu, den Vernichter der Hirten, ein Hund hat verfolget. Stürzen werden sie ihn von dem Throne; er steigt in den Hades. Kommen wird auch über Rhodos das letzte Unheil, das schwerste. Und auch Theben bleibt dann nur übrig schlimme Erob'rung. Aber Ägypten gehet zugrund an der Schlechtigkeit seiner Führer. [Wer aber dann von den Menschen dem jähen Verderben entronnen, Der wäre dreimal glücklich und viermal selig zu preisen.] Rom wird sein eine Gasse und Delos für immer verschwinden, Samos jedoch wird ein Sandhaufe werden ... Später wird dann auch über die Perser das Unheil kommen Für ihren Hochmut; verschwinden wird jegliche Art überhebung. Dann wird der heilige Herrscher das Szepter über den Erdkreis
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XVII. Apokalyptische Prophetie der frühen Kirche
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Führen für immer und ewig nach Auferstehung der Toten. Drei wird der Höchste dann führen nach Rom zum schlimmen Verhängnis, Und alle Menschen gehn in den eigenen Häusern zugrunde. Trotzdem gehorchen sie nicht, was freilich wäre viel besser. Aber wenn sich dann für alle verlängert der schreckliche Wehtag Mit unerträglichem Hunger und Seuchen und Kriegsgetümmel, Dann wird wieder der unglückselige Herrscher von früher Einberufen den Rat, zu beraten, wie er verderbe ...
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Dürres Gezweig wird zusammen mit neuen Schößlingen blühen. Aber die himmlische Feste wird bringen am steinigen Felsen Regen und Glut und gewaltigen Sturmwind über die Erde Und eine Menge von Rost verdorbener Saaten ins Brachland
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Aber noch immer mit schamlosem Sinne vollbringen sie Taten Ohne zu fürchten das Strafgericht Gottes und Rache der Menschen, Jeglichen Schamgefühls bar, Schamlosigkeit immer erstrebend, Unbeständ'ge Tyrannen und Bosheit übende Frevler, Lügner, treulose Freunde und Übeltäter voll Falschheit, Treubrecber, nicht um Gründe verlegen, elende Verleumder. Nicht wird ihnen am Reichtum ja Sättigung; schamlos sie raffen Immer noch mehr; von Tyrannen beherrscht gehn sie zugrunde. Sämtliche Sterne nun stürzen gerade hinab in die Meerflut. Neue Gestirne erscheinen, und einen Strahlenkometen Nennen die Menschen den Stern, ein schreckliches Zeichen von vieler Not, die hereinbrechen wird, von Krieg und Schlachtengetümmel. Nimmer möchte ich leben, wenn Szepter führet das Schand weib, Sondern dann, wenn himmlische Anmut begleitet die Herrschaft. Und wenn der heilige Knabe einst allen Frevel vertilget Und den Verderben sinnenden Menschen den Abgrund eröffnet, Dann wird plötzlich ein hölzernes Haus die Frommen umschließen. Wenn dann das zehnte Geschlecht in des Hades Behausung hinabging, Darnach herrschet ein Weib mit großer Gewalt, unter welcher Viele Leiden Gott selber vermehret, wenn sie ihrer Herrschaft Ehre gekrönt und vollendet; das Volljahr hat nur noch Halbzeit. Sonne geht finster die Bahn und zeigt sich im nächtlichen Dunkel, Sterne verlassen den Himmel, und stürmend in schrecklicher Windsbraut, Wird Er die Erde veröden. Dann folgt der Toten Erweckung. Und der Lahmen Lauf wird flink, und der Taube wird hören; Sehen werden die Blinden, die Stummen beginnen zu reden. Allen gemeinsam ist jetzt das Dasein und auch der Reichtum. Gleich ist für alle die Erde, und nicht mehr durch Mauern getrennet
190 vgl. 341; II 202; Jes. 34, 4; Mk. 13, 25; Mt. 24,29; Offbg. 6, 13. 12, 5; 20, 2f.; Verg. Ecl. 4, 14f.
196 ff. vgl. Offbg.
2. Christliche Sibyllinen 210
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Oder durch Schranken, sie bringt viel mehr noch Früchte hervor jetzt. Quellen voll süßen Weines und weißer Milch und von Honig Wird sie hervorsprudeln lassen ... Dann das Gericht des ewigen Gottes, des mächtigen Königs. Aber wenn Gott dann die Zeiten geändert ... Winter zum Sommer gemacht, dann erfüllen sich an seine Worte. Doch wenn vernichtet die Welt (und wenn dann der Ewige kommt, Feuer wird herrschen im Dunkel und Stille imnitten der Nacht sein).
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JESUS CHRISTUS GOTTES SOHN ERLÖSER KREUZ
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Jedes Geschöpf auf Erden erwartet den Richttag in Angstschweiß. Endlich erscheint vom Himmel herab der ewige König, Seiner Verheißung getreu, was Fleisch ist auf Erden, zu richten. Und es erblicken sodann die Sterblichen, seien sie gläubig, Seien sie Feinde des Glaubens, am Ende der Zeiten den Höchsten: Christum, gefolgt von der Heiligen Schar, der alles, was Fleisch ist, Richtet, sobald verdorrt ist das Land und Dornen nur sprießen. Ihre armseligen Götzen verwerfen die Menschen mit Abscheu, Spähendes Feuer verzehrt den Himmel, die Erd' und des Meeres Tosende Flut und verbrennt die Kerkertore des Hades. Und an das Licht der Freiheit gelangt von den Toten ein jeder, So sich im Leben bewährt; die Bösen erwartet das Feuer. Gründlich und offen bekennt, was er heimlich gesündigt, ein jeder. Ohne Erbarmen durchleuchtet der Herr des Herzens Geheimnis. Tausende heulen vor Wut, man hört das Knirschen der Zähne. Traurig verbleichen die Sterne, der Glanz der Sonne verliert sich. Ebenso schwindet der Mond. Es wankt das Himmelsgewölbe. Schluchten und Täler erblickst du nicht mehr, die Berge versinken: Scheidet ja doch auch Menschen nicht mehr der leidige Rangstreit. Offenes Land ersetzt die Gebirge, und keines der Meere Hat jetzt Schiffe zu tragen. Die Erde ist dürr und vertrocknet. Nicht mehr murmelt der Quell, die rauschenden Ströme versiegen. Eines nur störet die Stille des Tods: der Klang der Trompete. Ruchlose Greuel beklagt sie, beklagt den Jammer der Menschheit. Lüstern nach menschlichem Fleisch gähnt furchtbar des Tartarus Rachen. Öffentlich fiehn um gnädigen Spruch die stolzesten Herrscher. Schwefliger Dampf, dem Feuer gesellt, ergießt sich vom Himmel. Ein verläßliches Zeichen, ein kenntliches Siegel indessen Richtet die Gläubigen auf: das Kreuz, die Säule der Hoffnung; Kraft verleiht es den Frommen, zum Ärgernis dient es den Bösen, Rettet und heilt die Erwählten in zwölffach sprudelnder Quelle, Eint als eiserner Stab in der Hand des Hirten die Völker.
224 Jes. 2,18. 231 vgl. 350; II 305; Mt. 8,12; Lk. 13, 28. 234ff. vgl. Jes. 40, 3ff.; Bar. 5,7; Himmelf. Mos. 10,4. 236f. vgl. 348. 239 vgl. Mt. 24,31; 1. Thess. 4, 16; 1. Kor. 15,52. 243 vgl. II 196. 244 Offbg. 7, 2f. 2451. Sam. 2, 10; Ps. 131, 17; Lk. 1, 69. 246 vgl. Röm. 9, 33. 248 Ps. 2, 9; Offbg. 2, 27; 12, 5; 19, 15.
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XVII. Apokalyptische Prophetie der frühen
Kircl~e
Unsern Erlöser und Herrn, den Ewigen habe ich also Zum Gedächtnis der Welt in Akrostichen besungen. Er war bezeichnet, da Moses streckte die heiligen Arme Siegend ob Amalek im Glauben, dem Volke zur Kenntnis, Daß erwählt bei Gott dem Vater und immer geehrt sei Davids Rute, sowie auch der Stein, den er einstens versprochen, Dem man gläubig vertrauen soll, um ewiges Leben zu haben. Denn nicht in Herrlichkeit, sondern als Mensch wird er kommen auf Erden, Elend, entehrt, unansehnlich, den Elenden Hoffnung zu geben. Er wird vergänglichem Fleische Gestalt und himmlischen Glauben Den Ungläubigen geben und ausgestalten den Menschen, Welchen im Anfang Gottes heilige Hände geschaffen, Und den die Schlange betörte, daß nun er zum Schicksal des Todes Kam und nach Wunsch die Erkenntnis gewann vom Guten und Bösen, So daß er Gott verließ und huldigte sterblichem Wesen. Ihn auch nahm als Berater im Anfang Gott der Allmächt'ge, Sprechend die Worte: "So wollen wir beide zusammen, mein Kind, nun Sterblicher Menschen Geschlecht abbilden nach unserem Gleichnisl Jetzt will ich mit den Händen, doch du alsdann mit dem Logos Sorgen für unsre Gestalt und gemeinsam schaffen Erstehung!" Dieses Beschlusses gedenkend wird er jetzt kommen auf Erden, Das nachahmende Ebenbild bringend der heiligen Jungfrau Und mit Wasser taufend zugleich durch ältere Hände, Alles bewirkend durchs Wort und heilend jegliche Krankheit. Durch sein Wort wird er stillen die Winde und glätten die Meerflut, Während sie tobt, sie mit Füßen des Friedens, im Glauben betretend. Mit fünf Broten zumal und einem einzigen Seefisch Wird in der Wüste er sätt' gen fünftausend hungrige Menschen. Und mit den übriggebliebenen Brocken allein wird er füllen Zwölf gewaltige Körbe zur Hoffnung der schmachtenden Völker. Und er wird rufen die Seelen der SeI' gen, die Elenden lieben, Die zwar boshaft verspottet, doch Böses mit Gutem vergelten, Und trotz Schlägen und Peitschenhieben nach Armut sich sehnen. Alles merkend und alles erschauend und alles erhörend, Wird er ins Herz tief blickend das Inn're zur Prüfung enthüllen; Denn er selber ist aller Gehör und Verstand und Gesichte. Und das Wort, das die Welten erschuf und dem alles gehorsam, Das sogar Tote erweckt und Heilung bringet den Siechen, Kommt in der Bösen Gewalt, gottloser, ungläubiger Menschen. Schläge versetzen dem Gott ruchlose, unheilige Hände, Und aus ekelem Mund besudelt ihn giftiger Speichel. Er aber bietet geduldig den blutigen Rücken der Geißel. Trotz aller Schläge wird stille er schweigen, daß keiner erkenne,
251 vgl. 2. Mos. 17, 11; 254 vgl. Jes. 11, 1; 1. Petr. 2,6. 255 vgl. Joh. 3, 36. 257 vgl. Jas. 53, 2ft". 264ft". vgl. 439ft".; Hermas, Sim. IX 12, 2. 2661. Mos.l, 26. 272 vgl. Mt. 15,30. 273 vgl. MIr. 6,48; Joh. 6, 18f. 275-278 vgl. I 357-359; VI 15. 275 vgl. MIr. 6, 38ft". par. 287-320 vgl. I 360-380. 288 Mt. 26,69 par. 291 ist fraglich u. hier aus-
gelassen.
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Wer und wessen er sei und woher, um die Toten zu rufen. Und von Dornen den Kranz wird er tragen; denn immerdar kommen Wird aus den Dornen der Kranz der Heiligen, welche erwählt sind. Auch schlägt man mit dem Rohr seine Seite nach ihrem Gesetze ... Doch wenn all dies dann sich erfüllt hat, was ich geredet, Dann wird in ihm sich lösen jedes Gesetz, das von Anfang Wegen des trotzigen Volkes durch menschliche Satzungen aufkam. Doch er wird ausbreiten die Hände und messen das Weltall. "Und sie reichten ihm Galle zur Speise und Essig zum Trinken": Solchen ungastlichen Tisch ihm werden die Gottlosen zeigen. Und der Vorhang zerreißt im Tempel, und mitten am Tage Wird drei Stunden hindurch ganz dunkle gewaltige Nacht sein. Denn nicht mehr nach geheimem Gesetz noch im Tempel verborgen Vor den Erscheinungen in dieser Welt den Gottesdienst zu halten Wurde gezeigt, als der ewige Herrscher auf Erden herabstieg. Und dann steigt er zur Hölle hinab, den Seelen der Frommen Hoffnung zu künden, das Ende der Zeit und den jüngsten der Tage. Wo ist dein Stachel, 0 Tod, wenn jener drei Tage entschlafen? Denn dann kehrt er zurück ans Licht aus dem Reiche des Hades Auferstehung und Leben den Auserwählten zu bringen, Tilgend im Wasser unsterblichen Quells ihrer früheren Bosheit Schlacken und häßlichen Schmutz, auf daß sie aufs neue geboren Nicht mehr frönen hinfort der Welt abscheulichen Bräuchen. Seinen Erwählten zuerst erscheint der Erstandene wieder Menschlichen Leibs, wie er ehemals war; doch Hände und Füße Zeigen vier Male, von Nägeln gebohrt in die göttlichen Glieder: Osten verstehe und Westen, an Mitternacht denke und Mittag; das sind die Reiche der Erde, die Gottes erhabenen Sohn einst Morden verblendeten Sinns, das Vorbild unseres Lebens. Freu dich, Tochter Sion, du heil'ge, nach so vielen Leiden! Selber dein König kommt auf zahmen Füllen geritten. Siehe, gar sanftmütig kommt er, damit er das Sklavenjoch trage, Das schwer tragbar auf unserm Nacken jetzt lieget und lastet, Und uns löse die gottlose Satzung und drückende Fesseln. Ihn erkenne als deinen Gott, der zugleich Gottes Sohn ist; Diesen preise und trag' ihn in deinem Herzen und lieb' ihn Aus deiner ganzen Seele und halt' seinen Namen in Ehren. Alte Gesetze lasse beiseite und wasch' dich von Blutschuld! Nicht durch deine Gesänge und deine Gebete wird er versöhnt, nicht Achtet vergängliche Opfer der unvergängliche Herrscher, Sondern stimm' aus verständigem Mund ein heiliges Lied an Und erkenne sein Wesen, so wirst du dann schaun den Erzeuger.
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294 Mt. 27, 29. 296 vgl. Mt. 11,7. 297f. verderbt, daher ausgelassen. 300 vgl. Röm. 7,4ff. 303 Ps. 68,22. 305ff. vgl. I 376ff. 310ff. vgl. 1. Petr. 3, 19; 4, 6. 316 Joh. 3,3.7. 324ff. Sach. 9,9 (Mt. 21, 4ff.; Joh. 12, 15). 325f. Mt. 11,29. 331 vgl. AG 9, 15. 334 vgl. Hos. 6, 6; Mt. 9, 13. 335 vgl. 498ff.
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XVII. Apokalyptische Prophetie der frühen Kirche
Dann alle Urelemente des Weltalls werden verschwinden: Luft und Erde und Meer und das Licht des strahlenden Feuers; Und das Himmelsgewölbe und Nacht und sämtliche Tage Stürzen in eins zusammen, sich hüllend in völliges Dunkel. Sämtliche Lichter der Sterne jetzt wieder vom Himmel verschwinden. Nicht mehr werden die Lüfte die schnellen Vögel durchfliegen; 's gibt keine Stütze der Erde. Denn sämtliche Tiere verenden. Keine Stimme der Menschen, der Tiere, der Vögel vernimmt man. Und der verworrene Kosmos hört nimmer das glückhafte Echo; Dröhnt doch das tiefe Meer das gewaltige Echo der Drohung. Sämtliche schwimmenden Tiere des Meeres da zittern und sterben, Und kein Schiff mit Fracht noch fährt auf den Wogen des Meeres. Und dann krachet die Erde, vom Mordblut der Kriege beflecket, Sämtliche Seelen der Menschen, sie knirschen vor Angst mit den Zähnen, Schwindend vor Durst und Hunger, von Seuchen und zahllosen Morden, Und sie rufen: "Wie schön wär' der Tod!", doch der meidet sie alle; Denn sie wird nicht mehr der Tod, nicht mehr die Nacht sie erlösen. Ach, vergebens sie flehen zu Gott, dem Herrscher der Höhe; Offensichtlich wendet er jetzt sein gnädiges Antlitz von ihnen. Sieben Ewigkeitstage zur Reue und Umkehr gab Er den Planlos irrenden Menschen vermittelst der heiligen Jungfrau. Gott hat mir selber das alles gelegt in den Sinn und wird alles, Was er durch meinen Mund hat vormals verkündet, erfüllen: "Ja, ich weiß der Sandkörner Zahl und die Maße des Meeres, Weiß die Verstecke der Erde und kenne des Tartaros Luftraum, Weiß die Zahlen der Sterne, die Bäume, und wieviel Geschlechter Der Vierfüßler, der schwimmenden Tiere, der hurtigen Vögel, Auch der Menschheit, die jetzt und in Zukunft lebt, und der Toten. Denn ich selbst hab' Gestalten und Sinn der Menschen gebildet, Gab ihnen rechten Verstand und vermittelte ihnen Erkenntnis. Ich bin's, der Augen und Ohren gebildet, sehend und hörend, Jeden Gedanken ersinnend und allen Mitwisser seiend. Drinnen im Herzen, ich schweige und werd' sie dann selbst überführen.
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Auch den Tauben versteh' ich und höre auf den, der nicht spricht, und Wie groß im ganzen die Höh' von der Erde zum Himmelsgewölbe, Anfang und Ende ich weiß, weil ich Himmel und Erde geschaffen. Denn ich allein bin Gott, und es gibt keinen anderen daneben. Und sie zeigen mein Bild, das aus Holz sie geschnitzet, Und einen stummen Götzen, den sie mit den Händen gestaltet, Ehren sie mit Gebeten und ruchlosen Kultusgebräuchen, Mich, den Schöpfer, verlassend, sie dienten nur ihren Lüsten; Wertlose Gaben verschenken die Menschen an unnütze Götzen,
337 vgl. II 200ff. 305-312. 341 vgl. 190; II 202. 342-348 vgl. 4. Esr. 5, 6. 236f. 350-358 vgl. II 305-312. 353 vgl. Offbg. 9, 6. 355f. vgl. Mt. 25, 41ff. Ps. 94, 9.
348vgl. 368 vgl.
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Und das alles, als ob sie mich ehrten, sie wähnen als nützlich, Fetten Opferschmaus haltend, wie ihren Toten zu Ehren. Große Stücke von Fleisch sie verbrennen und markreiche Knochen Auf ihren Opferaltären und bringen Blutopfer den Göttern. Ja, sie zünden gar Lichter mir an, der ihnen das Licht gab, Und als dürstete Gott, die Menschen ihm spenden den Wein und Machen sich zwecklos trunken den unnützen Götzen zu Ehren. Ich bedarf keiner Opfer von euch und auch keiner Spende, Nicht des abscheulichen Fettes und nicht des verhaßten Blutes. Denn das werden sie tun zum Gedächtnis der Kön'ge und Herrscher, Toten Dämonen zu Ehren, als wären sie Himmelsbewohner, Kultdienst übend ganz gottlos, der führet in's sich're Verderben. Und die Gottlosen rufen die Bilder von ihnen als Götter, Ihren Schöpfer verlassend, im Wahne, sie hätten von ihnen Jegliche Hoffnung und Leben, nur Tauben und Stummen vertrauend Zu ihrem Unheil, da jene ein glückliches Ende nicht kennen. Hab' ich doch selbst zwei Wege gesetzt, den des Lebens und Todes, Und ihren Willen empfohlen, das gute Leben zu wählen; Sie aber sind in den Tod und das ewige Feuer gestürzet. Abbild von mir ist der Mensch, mit rechter Vernunft ausgestattet. Diesem stell' einen reinen und unbefleckten Tisch hin, Füll' ihn mit Gütern voll und gib dem Hungernden Brot und Reiche dem Durstigen Trank und Kleider dem nacketen Leibe, Aus dem eigenen Kummer gewährend mit heiligen Händen! Der Bedrückten nimm stets dich an und hilf dem Erschöpften, Bring dieses lebende Opfer doch mir, dem lebendigen Gotte, Jetzt nur säend ins Wasser, damit auch ich dir einst gebe Unvergängliche Früchte; das ewige Licht sollst du haben, Unverwesliches Leben, wenn alle ich prüfe im Feuer. Alles werde ich schmelzen und wieder zur Läuterung scheiden, Werde den Himmel erschüttern, die Schlünde der Erde eröffnen, Und dann will ich die Toten erwecken, das Schicksal lösend Und den Stachel des Todes, und alsbald komm' ich zum Gerichte, Um zu richten das Leben der frommen und gottlosen Menschen; Und da werd' ich dem Widder den Widder, dem Hirten den Hirten, Und den Stier dem Stier gegenüberstellen zur Prüfung. Alle, die waren erhöht, überführt bei dem großen Verhör, und Jedem den Mund verstopften, um selber voll Neid und voll Mißgunst Alle, die Gutes getan, gleichermaßen zu knechten und schinden, Schweigen ihnen gebietend, doch nur dem Gewinne nachjagten, Die werden alle, bei mir nicht bewährt, jetzt abtreten müssen. Nicht mehr sagst du in Zukunft voll Trauer: "Wird's morgen wohl sein?" Oder: "Ist's gestern gewesen?" Nicht sorgst du für mehrere Tage;
387 vgl. Jes. 1, 11; Mich. 6, 6ff. 390 vgl. 333f.; II 82. 392f. vgl. 46ff. 399 vgl. Did. 1, 1. 402 vgl. 1. Mos. 1, 26. 403 vgl. II 96; 3. Mos. 17, 10; AG 15, 20; 21, 25. 403 ff. vgl. 480ff. 404f. vgl. II 83f.; Jes. 28, 7f. 10. 408 Röm. 12,1. 415 (Hos. 13, 14); 1. Kor. 15, 55. 417 vgl. (Ez.34, 17); Mt. 25, 32f. 419ff. vgl. II 255ff. 424ff. vgl. II 325ff.
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XVII. Apokalypti8che Prophetie der frühen Kirche
Frühling, Sommer und Winter und Herbsteszeit gibt es nicht mehr, Auch keinen Abend und Morgen; verlängern werd ich den Tag jetzt. Aber auf ewig ersehnt wird das Licht des gewaltigen Gottes.
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Selbsterzeugt und rein, beständig während und ewig Er vermag auch den feurigen Hauch abzumerzen des Himmels (1), Hemmet des Donners Szepter zugleich mit dem schrecklichen Blitze Und besänftigt das Rollen des furchtbar krachenden Donners, Und die Erde erschütternd er hemmt das Tosen (des Meeres), Mildert auch die feuerflammenden Geißeln der Blitze, Und des Regens gewaltige Güsse, den Hagelschlag, den Kalten, der Wolken Entladung, die tobenden Sturmesgewitter.
Der schon vor jeglicher Schöpfung bei dir war als Sohn und Berater, Er ist der Schöpfer der Menschen und er der Spender des Lebens. Damals nahmst du als erster das Wort und redetest also: "Laß den Menschen uns machen, 0 Sohn, nach unserem Bilde, Hauchen wir ihm in die Brust den lebenerhaltenden Odem; Ist er auch sterblichen Leibs, so soll doch alles ihm dienen, Und der aus Erde geformt, soll König und Herrscher der Welt sein." Also sprachst du zum Logos, und alles geschah, wie du wolltest, Deinem Geheiß gehorchten sofort die Weltelemente : Himmel und Erde und Feuer und Luft, die Länder und Meere, Sonne und Mond und der leuchtende Kranz der himmlischen Sterne, Tage und Nächte und Schlaf wie Erwachen und Leben und Wille, Herz und Verstand und Kunst, die menschliche Rede und Tatkraft, Wesen von mancherlei Art, die die Luft und das Wasser bevölkern, Tiere des Lands und Gewürm, Amphibien, Zwittergestalten: Alles erschuf er im Bunde mit dir nach deinem Ermessen. Und in der Fülle der Zeit entsprang dem Schoße Marias Gott in Kindergestalt als Licht, die Welt zu erleuchten. Und der dem Himmel entstammt, verschmähte der Menschen Gestalt nicht. Gabriel ward auf die Erde gesandt, vom Glanze umflossen; Denn zu der Jungfrau sprach die Stimme des himmlischen Boten: "Nimm, Holdselige, Gott in deinen jungfräulichen Schoß auf." Sprach's und hauchte der Lieblichen ein die göttliche Gnade. Sie aber faßte beim Hören Erstaunen zugleich und Verwirrung; Zitternd stand sie vor ihm wie erstarrt, der Sprache nicht mächtig, Klopfenden Herzens, erschreckt von der unvermuteten Botschaft. Dann aber freute sie sich und Wärme durchströmte die Glieder; Bräutlich lachte sie drauf, von Rot übergossen die Wange,
4421.
MOB.
1,26; 2, 7.
447ff. vgl. Spr. 8, 22ff.
2. Ohristliche Sibyllinen
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Höchlich entzückt, von lieblicher Scham die Sinne befangen. Also faßte sie Mut; und das Wort, in Demut empfangen, Wurde zu Fleisch mit der Zeit, und im Schoße der Mutter Reift es heran zur Menschengestalt und wurde ein Knäblein Durch einer Jungfrau Geburt: ein großes Wunder den Menschen, Aber kein Wunder vor Gott und Gottes unsterblichem Sohne. Kaum war geboren das Kind, so ward es mit Jubel empfangen, Himmel und Erde frohlockten, es lachte vor Freude das Weltall, Und ein prophetischer Stern erregte das Staunen der Weisen. Bethlehem ward die Heimat des Logos durch göttliche Wahl. Zahlreich wallte zur Krippe im Stall die Menge der Frommen, Hirten der Rinder und Schafe und Hirten der meckernden Ziegen.
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Demut zu üben im Herzen und kränkenden Hochmut zu meiden, Innig den Nächsten wie sich und Gott über alles zu lieben, Willigen Sinns und freudig dem Herrn des Himmels zu dienen. Christus' heiligem Stamm und himmlischem Samen entsprossen, Werden wir Brüder genannt, die des wonnigen Mahles Gedächtnis Treulich bewahren, und immer beim göttlichen Dienste erneuen, Die der Gerechtigkeit Pfad und der Frömmigkeit Wege nur wandeln. Niemals dürfen wir nah'n dem inneren Raume der Tempel, Niemals spenden den Götzen und nie mit Gelübden sie ehren, Noch mit der Blumen erfreulichem Duft und des brennenden Lichtes Leuchtendem Glanz; nicht schmücken mit Weihegeschenken die Bilder. Noch mit Weihrauchdüften die Glut der Altäre entzünrlen, Auch nicht zu Spenden bei Stieropfern Blut von geschlachteten Schafen Gleichsam als Lösegeld senden, zur Sühnung irdischer Strafe, Noch mit fettigem Dampf vom fleischverzehrenden Holzstoß Und mit häßlichem Rauch den Glanz des Äthers beflecken: Sondern in reinen Gedanken, mit immer frohem Gemüte, Reichlich gebender Hand und niemals kargender Liebe, Lieblichem Psalmengesang und gotteswürdigen Liedern Unablässig und treu zu verherrlichen sind wir berufen Dich, Gott, Schöpfer des Alls, den Allweisen ... Prophezeiung der Magierin Sibylla (4./5. Jh.) ( M undus or1:go mea est) Ursprung mein ist die Welt; doch die Seele hab' ich vom Himmel. Meinen keuschen Leib schüttert ja gänzlich der Gott. (Was mir Gott legte ins Herz. das will ich den Menschen verkünden,) Wenn demütiger Sinn gläubiges Herze beseelt.
476 vgl. Mt. 2, 2. 477f. Lk. 2, 7ft'. 480ft'. vgI. 403ft'. 48lf. Mt. 22, 39. 37 u. Par. 482 vgl. II 60. 498 vgI. Eph. 5, 19f.; KoI. 3, 16f. 498ft'. vgl. 335f.
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XVII. Apokalyptische Prophetie der frühen Kirche
Früher schon wurde in Versen so manches Lied euch gesungen, Doch das Gedicht, das ich jetzt schreibe, das kennet nur Gott. Himmlischer Heimat Feste zunächst durch sein Wort hat geschaffen [Als vollkomm'nes und herrliches Werk und als ganz große Gabe] Zu Beginn des Lichts und vor dem Chaos Gott selbst. 10 Anfang ahn' Ende ist Gott, Gott auch Urheber für alles. Er hat beseitigt das Dunkel, getrennt von der lieblichen Nacht und Festgesetzt den Tag und bestimmt, daß Nächte und Tage Mit ihren Leuchten sich wechseln und durch das Gestirn sich bewegen Und durch der Dinge Kreis, die die Jahrhundert' erneuern. 15 über die Länder ergoß er die Flut, eine Gabe von oben. Aber nachdem Gott der Herr die Wasser in Ufer gezwänget, Ward er als erster vom Himmel in eigenem Auftrag geboren, Stieg auf Erden herab als Kind unberühreter Jungfrau, Auf purpurnem Nacken den Kranz mit sich tragend für immer. 20 Und Gott Vater sich eigen selbst nahte sich bei der Geburt, und Einig ward die Seele und einig der Geist seines Sohnes, Nur der Name geteilt, ungeteilt die göttliche Herrschaft. Seine Geburt hat der Magier im Auftrag der Sterne verkündet, Und herabstieg das Lamm, das kaum das Weltenrund faßte, 25 Annehmen wollte er dennoch die Glieder des menschlichen Körpers. Aber in geistiger Frische der Tugend, vom keuschesten Leibe, Bleibet er ewiglich jung und vermag nicht zu altern. Er allein allmächtig wird später den Erdball entsünd'gen, Und der Sproß ist der Vater selber, in beiden ist ein Geist, 30 Eine einzige Macht, ein Wille, der niemals geteilt ist. Und mit des Vaters Tugend beherrscht er den friedlichen Erdkreis, Heimkehrend dann in den Himmel, ins goldene Haus seines Vaters. Preiset inbrünstig mit lauter Stimme den mächtigen Herren! Mich läßt er prophezei'n, der das ganze Weltmeer umfaßet. 35 Höchster Gott Vater, (du Zuflucht) und Hoffnung der Deinen, Höchster Sohn des Vaters, des Ursprung bestehet im Logos, Die ihr eueren Willen gar gnädig im GeiRte vereinigt, Ihr legt uns ins sterbliche Herz die geheimsten Gedanken, Die zu wissen verbietet die höhere Weisheit des Höchsten: 40 Gegenwart und Vergangenheit und die Zukunft zu künden, Welche Furcht uns treibt, welchen Geist die Seele bedränget, Welches Schicksal die Kön' ge regiert oder göttliches Walten? Auch der Könige Seelen beeinflußt eure Bestimmung, Wie die Völker stürzen und Frieden nimmer erstehet, 45 Sondern Seuchen und Fieber und schädliche Hitze des Klimas, Ein mondähnlicher Schein entsteht und Verfinsterung der Sonne, Und der Ansturm des Meeres in Wechsel bewegung das Land netzt. Die ihr Sternen den Namen, Gestirnen Zeichen gegeben, Ihr laßt die heißen Quellen im Innern der Erde entströmen, 50 über brennende Wiesen die Lavaströme enteilen (?). 5
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= Verg. 4. Ekl. v.
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2. Ohristliche Sibyllinen
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Euch ist bekannt das Feuer der Sonne; zu wissen vermögt ihr Menschengedanken, und selbst nur gedachte Sünden ihr kennet. Sag, was treibt der. 0 Mensch, einen Teil des Körpers vernichtend1 Höchster Gott, über laß mich doch nicht dem Blut und dem Feuer! Wenn nur die Seele du rettest, wenn du die Leiber vernichtest! Und ich weiß, daß meine Gestalt in mich kehret zurücke. Ja, ich erwarte das Feuer, doch Feuer genügt nicht dem Feuer; Zweimal brennend ertrag 'ich den Zorn und die Drohung des Mächt'gen. Fürcht' ich mich doch, wenn er aufsteht, dem dienet der oberste Äther. Kommen wird jener Tag, dessen Stunde der Höchste nur kennet, Die uns zu wissen (der Vater) verwehrt und dem Sohne versagt hat. Doch ich möchte das nimmer behaupten; er weiß doch den Zeitpunkt, Der doch Vater sich selbst, sich nicht unterscheidet vom Vater, Der kann es wissen, denn ihm ist dieselbe Macht ja beschieden. Dann erleiden wir alle gebührend verschiedene Strafe. Dann wird manch Vater (1) den Höchsten fürchten und Tränen erwecken, Sieht er, wie seine Söhne vom Wirbel der Flamme gequält sind, und kein Ende setzet den Peinen. Wie die Feuerkraft wächst Dann sind machtlos die Reiche, und keine Macht hat mehr der Kön'ge Purpur und bunte Gewänder, noch Kronen mit Perlen ge schmücket, Noch das Zepter, das ihnen war anvertraut für ein ganzes Jahrhundert (n. Nichts vermögen die Künste, kein Wahrsager kommet zu Hilfe. Müde jetzt alles schwankt: die Ehre, die Macht und die Herrschaft. Gott Vater selber verbirgt sich im Reich des schneeigen Äthers. Er gewährt seinen Heil'gen den Sitz des strahlenden Glanzes. Flehentlich beten sie alle, der Zorn möchte finden ein Ende. Kommen nur reuige Heil'ge mit reinem Herzen zusammen, Richt,ig im Herzen verehrten sie immer den Mächtigen Herrgott, In deren Herzen gewohnt hat die nährende Kraft seines Geistes; Sie, die immer in ehrlichem Streben Gebote erfüllten, Tüchtig Gott immer gepriesen und demütig haben geflehet, Und alle Tage und Nächte ihm haben entgegengeseufzet. So er euch, seine Heil' gen, anredet gar gnädigen Sinnes: "Seht. ich bin's, der das Firmament und die Sterne geschaffen, Der in zwiefachem Lichte den Erdenballließ erstehen, Länder und Meere gegründet, die Seelen hat ausströmen lassen, Der mit den Händen Gelenke verteilte über die Glieder, Der den Knochen das Fleisch beigab und das Mark in den Knochen, Der die Sehnen gefügt hat und Adern gefüllt mit dem Blut und Der die glänzende Haut mit klebendem Schlamme gebildet, Der einsetzte die Seelen und mehrte der Herzen Empfindung, Der den Seelen die Nahrung vermittelt, den Körpern die Speise, Der auch Reichtum gegeben den Flüssen, den Fluren Metalle, Der gab reine Quellen, den Quellen entsprechende Wasser,
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60f. vgl. Mk. 13, 32. 84ff. vgl. VIII 361ff. brieflich mitteilte).
65 ff. vgl. II 284 ff. 77-83: Akrostichon KRISTUS. 87ff. vgl. II 221ff. (nach Poseidonios, wie mir Prof. H. Hommel
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XVII. Apokalyptische Prophetie der frühen Kirche
Großvieh, Schafe und Ziegen, sowie das Geschlecht der Geflügel, Der nach Absond'rung des Blutes die Milch in die Euter geschlossen, Der hat gewollt, daß das Gras auf dem Trocknen in Furchen ergrÜlle, Der die zierlichen Halme in Ährensamen geschlossen, Der die Erde mit bunter Pracht dPT Blumen geschmückt hat, Der für die lieblichen Bienen und ihre Behausungen sorgte, Der den Äpfeln durch Feuchte ließ wachsen die rundlichen Früchte, Der die Weinberge gab und Adern im Innern der Erde (?). So sorgt' ich für den Menschen, verwehrt' ihm nicht eigne Erfindung. Doch unbedankt blpib' ich, und den Dank dafür erntet ein andrer. Dies Werk wird mit Verdiensten verglichen, der Lohn mit den Taten. Berge und Felsen verehr'n sie und Widder, Stiere und Grotten, Standbilder, Quellen, Altäre, sogar ein leeres Grabmal! Vögel geben Vorzeichen, und Sonne und Mond sie anbeten. Doch sie verachten den Schöpfer, verlassen den mächtigen Herren. Sehet auf mich: warum hab' ich mit Blut euch alle erlöset, Wo doch die Menschen den irdischen Herrnsitz haben vertauschet1 Größer war ihre Gier als die Angst vor der Finsternis DunkeL Daß mir die Seele gehört, wird sie mich rechtzeitig suchen (1)." Nehmet doch an mit keuschem Leib die Gebote im Herzen! Die ihr Tränen vergießet, erzeigt euch würdig des Lohnes! Ja, es drängen die Jahre; zum Ende Jahrhunderte eilen, Welches nur Gott kennt und welches zu wissen er mir hat versaget. Ich weiß nur, was ist und was prophezeit wird im Liede. Alles, was uns hat gehört, verschwindet; die Sterne erblassen, Auflöst sich die Erde, die armsel'ge Luft wird verkehret. Ist entzogen das Blut, verenden die Menschengeschlechter (1). Taten beschweren den Menschen, Gedanken verderben den Schuld'gen. Doch er bittet und fleht, der Glaube mög' tilgen die Sünden. Jeder ersteht aus dem Stoff, den er hergibt dann aus sich selber (?). Gott wird den Reinen den Glanz auf ewig lassen bestehen; Und die die Palme verdienen, den Keuschen gewähret er Wohnung. Unter solchem Herrn wird der Reiche nicht haben mehr Platz; der Arme wird reich jetzt sein, der tief im Herzen geglaubt hat. Sünder finden nicht Gnade, erhalten keine Belohnung. Das ist der Richtweg des Lebens: im übermaß Gutes zu tun, und Sagen, was lieb ist und was der höhere Urheber gern hat (?), Streben (?) nach dem, was die schlichte Natur im Menschen genährt hat. Seht, ich armseliger Mensch, hab' das Lied, das ich wußte, gesungen. Möge es nicht der verfluchte Tag und die Stunde der Endzeit, Falls ich's verdiene, entraffen, die Seele mir bergen im HimmeL Doch ist das Leben nicht kurz, kein Jahr mehr gibt es dort oben.
3. Da8 Buch de8 Elcha8ai
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3. DAS BUCH DES ELCHASAI (J. Irm8cher)
1. NAME UND ÜBERLIEFERUNG. Hippolyt (Ref. 9, 13-17 und 10,29), Epiphaniu8 (haer. 19 und 30) sowie Origene8 (bei Euseb, h. e. VI 38) erwähnen das Buch eines gewissen Elchasai, das bei mehreren Sekten in Gebrauch war, voran derjenigen der Elkesaiten, die sich nach jenem Elchasai benannte. Hippolyt ebenso wie Epiphanius bringen, der letztere offensichtlich vom ersteren unbeeinflußt, Auszüge aus diesem Buche, die einzigen Reste, die wir davon besitzen. Eines dieser Fragmente (Nr. 9) enthält einen Geheimspruch, der, vom mittelsten Worte ab unter Umkehrung der Reihenfolge der Buchstaben gelesen, eine aramäische Formel ergibt; ein solches Wortspiel setzt Leser voraus, die Aramäisch verstehen, und macht es wahrscheinlich, daß das Buch in seiner Urfassung in aramäischer Sprache geschrieben war. Der Name des Verfassers wird von Hippolyt bzw. seinem Gewährsmann, dem Elchasaischüler Alkibiades, ebenso wie später von dem arabischen Schriftsteller en Nedlm im Fihrist (vgl. D. Chwolsohn, Die Ssabier und Ssabismus, 2,1856,543) als Elchasai, von Epiphanius als Elxai angegeben; die erste, besser bezeugte Form verdient den Vorzug. Zurück gehen beide Namensformen auf das aramäische 'C~ ,'n, das Epiphanius (haer. 19,2, 10) richtig als "verborgene Kraft" übersetzt. Nicht auszumachen ist, ob Elchasai Eigenname oder Beiname war (wie z. B. der Beiname des Simon Magus, AG 8, 10). 2. INHALT. Wenn Hippolyt (Ref. 9, 14, 3) angibt, daß er das Buch des Elchasai durchgehen wolle, so kann daraus geschlossen werden, daß er seine Auszüge in der gleichen Reihenfolge bringt, die er in seiner Vorlage vorfand. Prüft man diese Auszüge durch, so trifft man auf eine sinnvoll fortschreitende Entwicklung des Gedankens; das Buch des Elchasai muß also mehr gewesen sein als eine bloße Aphorismensammlung. Einleitend mag darin gestanden haben, daß es Elchasai durch göttliche Offenbarung zuteil geworden. Auf diese Vision und in Verbindung mit ihr folgte die Verkündigung eines Sündenerlasses. Dieser gilt vor allem auch den groben Sündern und ist an eine Wiedertaufe geknüpft. Rituelle Tauchbäder werden auch als Heilmittel für allerlei Krankheiten empfohlen und darüber hinaus eine jüdisch-gesetzliche Lebensweise vorgeschrieben. Opfer und damit in Verbindung stehende priesterliche Handlungen fallen unter Verbot. Sodann verheißt der Apokalyptiker einen Krieg unter den Mächten der Gottlosigkeit; sollten die Anhänger des Elchasai dabei in Bedrängnis geraten, so wird ihnen, wenn sie nur im Herzen fest bleiben, selbst die äußere Verleugnung verziehen. Man brauche dann nur einen Zauberspruch zu beten, die Verheißung des Elchasai: "Ich werde über euch Zeuge sein am Tage des großen Gerichts." Im übrigen gelte es, das Buch vor den Augen Unberufener zu schützen. 3. Der GRUND CHARAKTER des Buches ist Judentum, jedoch kein reines, sondern ein synkretistisches. Jüdisch ist vor allem die Forderung der Beschneidung, der Sabbatheiligung und des Gebetes in Richtung auf Jerusalem (Epiph., haer. 19,3,5). Im Gegensatz zum Judentum steht die Verwerfung der Opfer sowie die damit verbundene Kritik am AT (ebda. 19,3,6). Christlich mit starkem gnostischen Einschlag sind die Vorstellungen von dem Sohne Gottes bzw. Christus und von dem Heiligen Geist als himmlischen Wesen (s. Fragm. 1. u. 2), außerdem die religiösen Verheißungen der Sündenvergebung und des ewigen Heiles sowie die sittlichen Forderungen der Heiligung. Im Gegensatz zum kirchlichen Christentum steht die Vorschrift einer zweiten Taufe. Heidnischen Ursprungs sind die Tauchbäder unter Anrufung der sieben Elemente (s. Fragm. 2 u. 4) sowie die astrologischen Vorstellungen vom Einfluß unheilvoller Gestirne. 4. HERKUNFT UND VERBREITUNG. Nach seiner eignen Mitteilung (Fragm. 2) trat Elchasai im dritten Jahre Trajans (101) mit seiner Botschaft hervor; er scheint sein Buch noch unter der Regierung des gleichen Kaisers abgefaßt zu haben, wie die in Fragm. 7 gegebene, 34 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
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XVII. Apokalyptische Prophetie der frühen Kirche
nicht erfüllte Weissagung eines drei Jahre nach dem Partherkrieg (114-116) noch unter Trajans Herrschaft entbrennenden Weltkampfes wahrscheinlich macht. Die Nachrichten über die Heimat des Elchasei sind widerspruchsvoll; Glauben verdienen Hinweise des Epiphanius (haer. 19,2, lOff.; 53,1, Uf.), die auf das Ostjordanland zielen. Gewidmet war das Werk den "Sobiai" (nicht "dem" S., wie Hippolyt, Ref. 9, 13, 1-3 = Fragm. la unrichtig annahm), wie sich die Anhänger des Elchasai nannten, den "Gebadeten" (von !l~:.t). Es fand aber auch bei anderen religiösen Gruppen, judenchristlichen sowohl wie jüdischen, Verbreitung, wofür wiederum Epiphanius die Belege liefert (haer. 19, 1; 30, 18; 53). Nach Rom in die Gemeinde des Kallistus brachte es, und zwar in griechischer Fassung, ums Jahr 220 der bereits erwähnte Alkibiades von Apamea, der in der Reichshauptstadt missionarisch wirksam wurde. Einen propagandistischen Vorstoß der Sekte nach Cäsarea im Jahre 247 erwähnt Eusebius (h.e. VI 38). Er scheint von nur geringem Erfolge gewesen zu sein, wie überhaupt die werbende Kraft der Sekte bald erlahmte, obschon diese an einzelnen Orten noch Jahrhunderte hindurch dahinvegetierte. 5. LITERATUR. Bruchstücke und Testimonien bei A. Hilgenfeld, Novum Testamentum extra canonum receptum HI 2",1881, S. 227-240; W. Brandt, Elchasai, ein Religionsstifter und sein Werk, 1912 (umfassende Monographie, jedoch nicht zu benutzen ohne die Besprechung von A. v. Harnack in ThLZ 37, 1912, Sp. 683 ff.) ; H. Waitz, Das Buch des Elchasai, Harnack-Ehrung, 1921, S. 87-104; J. Thomas, Le mouvement baptiste en Palestine et Syrie, 1935; H.J. Schoeps, Theologie und Geschichte des Judenchristentums, 1949, S. 325ff.; ders., Artikel Elkesaiten in RGG3, H, Sp. 435; G. Strecker, Artikel Elkesai in RAC V, Sp. 1171-1186.
Bruchstücke 1. Ein gewisser Alkibiades, der in Apamea in Syrien ansässig war, ... begab sich nach Rom und brachte dabei ein Buch mit. Von dem behauptete er, es habe Elchasai, ein gerechter Mann, aus Seres im Partherlande bekommen und es an einen gewissen Sobiai weitergegeben. Besorgt habe es ein Engel; dessen Länge betrug 24 Schoinen = 96 Meilen, seine Breite vier Schoinen, die Entfernung von Schulter zu Schulter sechs Schoinen, seine Fußspuren 1 Y2 Schoinen = 14 Meilen in der Länge, 1 Y2 Schoinen in der Breite und einen halben Schoinos in der Höhe. Bei diesem Engel habe sich auch eine weibliche Gestalt befunden, deren Maße Alkibiades übereinstimmend mit den vorgenannten angibt; die männliche Gestalt sei der Sohn Gottes, die weibliche werde als Heiliger Geist bezeichnet. (Hippolyt, Ref. 9, 13, 1-3)
"Und woher", sprach er, "wußte ich die Maße1" - "Davon", antwortete er,. "daß ich an den Bergen sah, wie ihre Köpfe heranreichten, und nachdem ich das Maß des Berges festgestellt hatte, kannte ich auch die Maße Christi und des Heiligen Geistes." (Epiphanius, haer. 30, 17, 7)
2. Folgendes behauptete er: Es sei den Menschen die Frohbotschaft einer neuen Sündenvergebung im dritten Jahre der Regierung Trajans verkündet worden. Auch eine Taufe setzte er ein ... , von der er behauptete, daß durch sie, wer sich durch irgendwelche Ausschweifung, Verunreinigung und Gesetzwidrigkeiten befleckt hat, Sündenvergebung empfängt, ... sofern er sich bekehrt, auf das Buch hört und daran glaubt. (Hippolyt, Ref. 9, 13, 3-4)
3. Da8 Buch des Elcha8ai
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"Wenn nun, Kinder, jemand mit irgendeinem Tier oder einer männlichen Person oder einer Schwester oder einer Tochter geschlechtlich verkehrt oder Ehebruch oder Hurerei getrieben hat und Vergebung seiner Sünden empfangen will, der lasse sich, sobald er dieses Buch angehört, zum zweitenmal im Namen des großen und höchsten Gottes und im Namen seines Sohnes, des großen Königs, taufen. Er reinige sich und heilige sich und ziehe die sieben Zeugen bei, die in diesem Buche aufgezeichnet sind, den Himmel, das Wasser, die heiligen Geister, die Engel des Gebets, das Öl, das Salz und die Erde." (Hippolyt, Ref. 9, 15, 1-2)
3. Nochmals sage ich es, ihr Ehebrecher, Ehebrecherinnen und falschen Propheten, wenn ihr euch bekehren wollt, damit euch die Sünden vergeben werden, so werdet ihr Frieden erlangen und teilhaben mit den Gerechten, sobald ihr dieses Buch angehört habt und zum zweitenmal in Kleidern getauft seid. (Hippolyt, Ref. 9, 15, 3)
4. Wenn nun einen Mann oder eine Frau, einen Burschen oder ein Mädchen ein rasender, toller Hund, in dem ein Geist des Verderbens wohnt, gebissen, gerissen oder berührt hat, der laufe zur selben Stunde mit allem, was er anhat, steige in einen Fluß oder eine Quelle, wo nur eine tiefe Stelle ist, tauche sich in aller seiner Bekleidung und bete aus gläubigem Herzen zu dem großen und höchsten Gott. Dann ziehe er die sieben Zeugen bei, die in diesem Buche aufgezeichnet sind: "Sieh, ich nehme mir zu Zeugen den Himmel, das Wasser, die heiligen Geister, die Engel des Gebets, das Öl, das Salz und die Erde. Bei diesen sieben bezeuge ich, daß ich nicht mehr sündigen, nicht ehebrechen, nicht stehlen, kein Unrecht tun, nicht übervorteilen, nicht hassen, nicht freveln noch an irgendeiner Bosheit Gefallen haben will." Das sage er und tauche sich mit allem, was er anhat, im Namen des großen und höchsten Gottes ... Auch die Schwindsüchtigen sollen sich innerhalb von sieben Tagen vierzigmal ins kalte Wasser tauchen und ebenso auch die Besessenen. (Hippolyt, Ref. 9, 15, 4-16, 1)
5. Er verbietet, nach Osten hin zu beten, und sagt, man dürfe sich nicht so wenden, sondern müsse von überallher das Antlitz nach J erusalem richten 1, die im Osten westlich auf Jerusalem zu, die im Westen ostwärts ebendorthin, die vom Norden südlich und die vom Süden nördlich, so daß von jeder Richtung her das Antlitz J erusalem gegenübersteht. (Epiphanius, haer. 19, 3, 5)
6. Er verwirft Opfer und priesterliche Handlungen, da sie Gott zuwider und den Vätern und dem Gesetz zufolge ihm überhaupt niemals dargebracht worden seien . ... Daß aber das Wasser Gott angenehm und das Feuer Gott zuwider ist, erklärt er mit folgenden Worten: "Kinder, geht nicht dem Trugbilde des Feuers nach, weil ihr dann in die Irre geratet! Denn das heißt irren: Du siehst es ganz nahe, und es ist doch ganz fern", behauptet er. "Geht nicht seinem Trugbild nach, folgt vielmehr der Stimme des Wassers!" (EpiphaniuB, haer. 19, 3, 6 f.) 1
34*
Vgl. Dan. 6, 11; Ez. 8, 16ff.; Berakhot 4,5.
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XVII. A pokalyptisehe Prophetie der frühen Kirehe
7. Es gibt böse Gestirne der Gottlosigkeit. Das nun gilt euch, ihr Frommen und Jünger: Hütet euch vor der Macht der Tage, an denen sie herrschen, und beginnt keine Arbeit an ihren Tagen! Tauft weder Mann noch Frau an den Tagen, an denen sie Gewalt haben, wenn der Mond an ihnen vorübergeht und mit ihnen wandelt! Wartet den Tag ab, bis der Mond ihre Bahn verläßt, und tauft dann und beginnt mit allem, was ihr zu tun habt! Achtet auch auf den Sabbattag, denn er ist einer von diesen Tagen! Hütet euch aber auch, am dritten Tage nach dem Sabbat etwas anzufangen! Denn wenn wiederum drei Jahre des Kaisers Trajan erfüllt sind, seit er die Parther seiner Herrschaft unterwarf, wenn diese drei Jahre erfüllt sind, entbrennt der Krieg zwischen den gottlosen Engeln des Nordens; deshalb geraten alle gottlosen Königreiche in Verwirrung. (Hippolyt, Ref. 9, 16, 2-4) 8. Er behauptet, es sei keine Sünde, wenn einer auch einmal in Zeiten drohender Verfolgung Götterbilder verehrt, sofern er es nur nicht aus innerer Überzeugung tut und er sein Bekenntnis nur mit dem Munde, nicht aber im Herzen ablegt ... Ein Priester Pinehas 1 aus dem Geschlechte Levis und Aarons und des alten Pinehas habe so während der babylonischen Gefangenschaft zur Zeit des Großkönigs Darius die Artemis in Susa angebetet und sei dadurch dem Todesverderben entronnen. (Epiphanius, haer. 19, 1, 8-9) 9. Keiner forsche nach der Deutung, sondern spreche nur im Gebete die Worte ... : "Abar anid moib nochile daasim ana daasim nochile moib anid abar. Selam." (Epiphanius, haar. 19, 4, 3) Von der Mitte aus nach beiden Seiten gelesen, ergibt das den aramäischen Satz: K~" K~"
t:l,,~ i':l'~!l ':-TClQ K~K
"Ich bin Zeuge über euch am Tage des großen Gerichts". Vgl. M.A. Levy, ZDMG 12, 1858, S. 712.
10. Dieses Wort lest nicht allen Menschen vor, und diese Gebote bewahrt mit Sorgfalt; denn nicht alle Männer sind zuverlässig noch alle Frauen aufrichtig. (Hippolyt, Ref. 9, 17, 1) 1
Vg14.
MOB.
25, 7; Jes. Sir. 45, 23.
XVIII. SPÄTERE APOKALYPSEN
EINLEITUNG
(w. Schneemelcher) Es ist bereits oben (S. 420f.) festgestellt worden, daß die jüdische Apokalyptik im Christentum fortgewirkt hat und daß die Literaturgattung der Apokalypsen im Raum der Kirche weiterlebte. Diese Literaturgattung ist nun je länger, desto mehr in ihrer Thematik auf Jenseits-, Antichrist- und Gerichtsschilderungen eingegrenzt. Dabei ist das Drängen auf Buße ein notwendiger Bestandteil dieser Werke. Es gibt nun eine große Anzahl späterer Apokalypsen, die zum Teil auf jüdischer Grundlage basieren, teils aber nur traditionelles Material selbständig verarbeiten und unter einem Namen des AT oder NT in Umlauf gesetzt worden sind. Eine kurze Analyse der wichtigeren Texte findet sich bei H. WeineI, Die spätere christliche Apokalyptik (EYXAP]:ET HP] ON Studien zur Religion und Literatur des AT und NT, Gunkel-Festschrift 1923, 11, S.141-173). Weitere Angaben: Lexikon für Theologie und Kirche, 2. AufL, Bd. I, Artikel Apokalypsen (H. Gross und J. MichI). Aus der Fülle der Texte haben wir unten zwei ältere Texte vollständig geboten (Paulus- und Thomasapokalypse), für einige andere seien hier kurze Hinweise gegeben. 1.
ApOKALYPSE DES SOPHONIAS (ZEPHANJA)
Ein Buch des Propheten Sophonias (Zephanja) bzw. eine Offenbarung des S. werden in der Stichometrie des Nikephoros und in dem Verzeichnis der 60 Bücher (vgl. Bd. I, S. 25) als apokryph abgelehnt. Clemens von Alexandrien bietet Strom. V 11,77 ein Zitat aus einem Sophoniasbuch. Aus welchem Werk das Zitat stammt, ist nicht feststellbar, da der koptische Text einer Sophoniasapokalypse dieses Zitat nicht enthält. Wahrscheinlich ist das Clemens-Zitat einer jüdischen Schrift entnommen, während der koptische Text eine christliche überarbeitung (dieses jüdischen Textes?) darstellt. Einen großen Raum in dem erhaltenen koptischen Text nimmt die Schilderung des Strafortes ein. Das Verhältnis zu der Paulusapokalypse ist von Harnack dahingehend bestimmt, daß die Paulusapokalypse von der Sophoniasapokalypse abhängig sei (Gesch. der altchristl. Lit. 11 1, S.573). Aber das bedarf wohl noch näherer Untersuchung, wie auch die Zuteilung der 'anonymen Apokalypse' (bei Steindorff) an die Sophonias-Apokalypse nicht
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XVIII. Spätere Apokalypsen
über jeden Zweifel erhaben ist. Der koptische Text dürfte nicht vor 400 verfaßt sein. - Text und übersetzung: G. Steindorff, Die Apokalypse des Elias, eine unbekannte Apokalypse und Bruchstücke der Söphonias-Apokalypse (TU 17, 3a) 1899; P. Riessler, Alt jüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel, 1928, S. 168-177.Harnack, a.a.O. I 2, S. 854; II 1, S. 572f.; WeineI, a.a.O., S.163f. 2.
ApOKALYPSE DES ELIAS
Auch die Eliasapokalypse wird in der Stichometrie des Nikephoros und im Verzeichnis der 60 Bücher verworfen (vgl. Bd. I, S. 24f.). Die sonstigen Erwähnungen eines Elias-Apokryphons in der altkirchlichen Literatur stehen zumeist im Zusammenhang mit den beiden Paulusstellen I. Kor. 2, 9 und Eph. 5, 14 (vgl. die Zusammenstellung bei Harnack, a.a.O. 12, S. 853f.). Da Eph. 5, 14 ein christlicher Hymnus ist (vgl. M. Dibelius, Handbuch z. NT, z. St.), kann diese Stelle hier beiseite bleiben. Zu I. Kor. 2, 9 ist zu bemerken, daß dieses Wort ohne Zweifel ein weitverbreitetes Logion ist (vgl. Bd. I, S. 217 zu Logion 17 des Thomasevangeliums) und daher von diesem Wort aus kaum Aussagen über die Eliasapokalypse zulässig sind. Es findet sich auch nicht in dem koptischen Text, der Fragmente der Eliasapokalypse enthält. Diese, zumindest christlich überarbeitete Apokalypse (WeineI, Ende des 4.Jh.; Riessler: beträchtlich früher) bietet Mahnreden, Weissagungen, Schilderung des Antichristen u. a. Das Verhältnis zu einer jüdischen, hebräisch erhaltenen Eliasapokalypse bedarf noch weiterer Klärung. Text: Steindorff, a.a.O. (siehe oben Nr.l); P. Riessler, a.a.O., S.114-125 und 234-240. - Harnack, a.a.O. 12, S. 853; II 1, S. 571f.; WeineI, a.a.O., S.164ff.; M. Buttenwieser, Die hebräische Eliasapokalypse, 1897. 3.
ApOKALYPSE DES ZACHARIAS
In alten Kanonsverzeichnissen wird eine Schrift, die mit Zacharias, dem Vater des Johannes, zusammenhängt, erwähnt (vgl. Bd. I, S. 25f.). Bemerkenswert dabei ist, daß dieses Buch unter die alttestamentlichen Apokryphen gerechnet ist, Zacharias also mit Sacharja identifiziert wird. A. Berendts hat gemeint, daß ein alttestamentliches Apokryphon nicht ausreichend bezeugt sei, und möchte hinter diesem Titel einen durch Matth. 23, 35 (Luk. 11, 51) angeregten Bericht über die Ermordung des Zacharias, des Sohnes des Barachios, sehen, der auf den Vater des Täufers bezogen und legendär ausgeschmückt worden sei. Eine solche Legende (3.j4.Jh. sei dann die Quelle für die Erzählung im Protevangelium Jacobi Kap. 22-24 (Bd. I, S. 289f.; dieses Stück ist offensichtlich nachträglich dem Protev. zugefügt worden) und für eine slavische Legende von der Geburt Johannes des Vorläufers und von dem Tode seines Vaters Zacharias gewesen. Ob diese Lösung der sehr verworrenen Problematik richtig ist, müßte noch einmal nachgeprüft werden. Daß es eine Schrift (vielleicht apokalyptischen Inhalts) gab, die mit dem Namen Zacharias verbunden war, ist sicher. Wie sie ausgesehen hat, können wir aber nicht genau sagen. - A. Berendts, Studien über Zacharias-Apokryphen und Zacharias-Legenden, 1895; ders., Die handschriftliche überlieferung der Zacharias- und Johannes-Apokryphen (TU 26,3) 1904. Vgl. auch H. Wall, A Coptic Fragment concerning the Childhood of J ohn the Baptist, Revue d'Egyptologie 8, 1951, S. 207-214.
n
Einleitung
4.
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ApOKALYPSEN DES JOHANNES
Unter dem Namen des Johannes sind drei spätere Apokalypsen bekannt: a) 'Ano"aÄ.V1pl~ TOV aytov'I wa'/l'/lov TOV {)eoÄ.6yov (Text bei Tischendorf, Apa S. 70-94), eine in Frage und Antwort gehaltene Enthüllung vieler Einzelheiten des Jenseits. Der Antichrist wird geschildert, das Schicksal des Einzelnen bei der Auferstehung bis ins Detail erörtert, Höllenstrafen und Paradiesesfreuden dargestellt. Die Schrift benutzt wahrscheinlich Ephraem (vgl. Bousset, Der Antichrist, 1895, S. 26), ist also wohl erst im 5.Jh. verfaßt. Die älteste Bezeugung stammt aus dem 9.Jh. - Vgl. Weinel, a.a.O., S.149-151. b) Eine kürzere Johannesapokalypse hat F. Nau herausgegeben: Une deuxieme Apocalypse apocryphe grecque de S. Jean (RevBib123, 1914, S.209-221). Nach Nau ist diese Apokalypse zwischen dem 6. und 8.Jh. auf Zypern entstanden. c) Eine dritte apokalyptische Schrift unter dem Namen des Johannes ist in einer koptischen Handschrift des l1.Jh.s erhalten, die E. A. W. B u dge herausgegeben hat (Coptic Apocrypha in the Dialect of Upper Egypt, 1913, S. 59-74; englische Übersetzung ebd. S.241-257). Titel dieses Werkes: "Dieses sind die Mysterien des J ohannes, des Apostels und jungfräulichen Heiligen, welche er lernte in dem Himmel." J ohannes sieht auf einer Himmelsreise die Geheimnisse der Welt. Ob diese koptische Schrift auf eine griechische Grundschrift zurückgeht, ist bisher nicht genau untersucht; ebenso ist die Entstehungszeit unbekannt. 5.
ApOKALYPSEN DER MARIA
Zwei Schriften unter dem Namen der Gottesmutter gehören in unseren Zusammenhang: a) 'Ano"aÄ.V1pl~ Tij~ ayta~ l}eoT6"ov nBelTW'/I "oÄ.aO'BW'/l, griechisch, armenisch, äthiopisch und altslavisch erhalten. Es handelt sich um eine Offenbarungsschrift, in der Maria die Strafen der Verdammten gezeigt werden, worauf sie für diese Verdammten um Gnade bittet. Die Schrift "bedeutet einen Versuch, die Höllenstrafen der älteren Apokalypsen in ein festeres System zu bringen (Weinei, a. a. 0., S. 156). Entstanden wahrscheinlich im 9.Jh., ist sie von Paulus- und Petrusapokalypse abhängig. -, Text: M. R. James, Apocrypha anecdota, 1893, S.115-126; Textproben: Tischendorf, Apa, S. XXVII-XXX. - Vgl. Weinei, a.a.O., S.156f. Eine kretische Fassung bei R. M. Dawkins, Ke'YJ7:l"~ 'Ano"aÄ.V'lJ'l~ Tij~ IIa'/layta~ (Ke'YJ"C. X(!OPl"a 2, 1948, S.487-500). b) Ebenfalls von der Paulusapokalypse abhängig ist die äthiopische Apocalypsis sen Visiso Mariae Virginis, die frühestens im 7.Jh., wahrscheinlich später entstanden ist. Lat. übersetzung von M. Chaine, CSCO. Script. Aeth. Sero I, Bd. VII, 1909, S. 43-68. Der von Tischendorf, Apa, S. 95-112 abgedruckte Liber Johannis de dormitione Mariae ist keine Apokalypse, sondern eine Legende. 6.
ApOKALYPSE DES STEPHANUS
Eine revelatio sancti Stephani wird im sog. Decretum Gelasianum als apokryph verworfen (vgl. Bd. I, S. 23). Weiteres über diese Apokalypse ist nicht bekannt. Man hat, vielleicht mit Recht, vermutet, daß hier ein Mißverständnis vorliege: es handele sich bei der Notiz des Decr. Gel. gar nicht um eine Apokalypse, sondern um einen Bericht über die Auffindung der Reliquien des Stephanus, den ein
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XVIII. Spätere Apokalypsen
Presbyter Lucian von Kaphar Gamala im Jahre 415 griechisch verfaßt habe und der dann in zwei unterschiedlichen Rezensionen ins Lateinische übertragen sei, eine davon durch Avitus von Braga. - Texte dieser Berichte: PL 41, 805-815; S. Vanderlinden, Revelatio S. Stephani (Revue des etudes byzantines 1, 1946, S. 178-217). Weiteres bei Altaner, S. 72.
7.
ApOKALYPSE DES BARTHOLOMÄUS
Die in der modernen Literatur immer wieder auftauchende BartholomäusApokalypse ist keine Apokalypse. Es handelt sich bei den in Frage kommenden Texten vielmehr um spätere Kompilationen, die eher zu den Evangelienbildungen gehören, auch wenn sicher manches Stück apokalyptischer Tradition entstammen mag. Die Texte sind daher bereits Bd. I, S. 359ft'. behandelt. Zu den koptisch-gnostischen sogenannten Apokalypsen von Nag-Hamadi vgl. oben S. 420f. und die Angaben bei H.-Ch. Puech, Les nouveaux ecrits gnostiques decouverts en Haute-Egypte (Coptic Studies in honor of W. E. Crum, 1950, S.91 bis 154). 1. APOKALYPSE DES PAULUS
(H. Duensing) BEZEUGUNG. Barhebraeus bringt in seinem Nomokanon VII 9 einZitat aus Origenes, wonach die Apokalypse des Paulus mit anderen Apokalypsen wie auch dort aufgezählte andere urchristliche Schriften von der Kirche angenommen seien. Wird dieses Zitat nicht mit Zahn dahin geändert, daß statt Paulu8 Petrus eingesetzt und somit unverändert als echt angenommen wird, dann könnte man auch in seinen Homil. in Psalm os, wo er (ed. Lommatzsch XII, 233) eine Beschreibung des Schicksals der Seelen nach dem Tode gibt, die sich eng mit Kap. 13ff. der Paulusapokalypse berührt, Bekanntschaft wenigstens mit dem Stoff derselben annehmen. Denn daß ihm auf keinen Fall unsere Rezension vorgelegen haben kann, ergibt sich nicht nur aus inhaltlichen Gründen, sondern auch aus Sozomenus (Hist. ecc!. VII 19, ed. Bidez - Hansen, GCS 50, 1960,331), der von der Paulusapokalypse sagt, daß keiner der Alten sie gekannt habe, daß sie vielmehr angeblich unter der damaligen Regierung gefunden sei, womit er auf die darin enthaltene Auffindungsgeschichte anspielt, daß aber nach einer Anfrage bei einem alten Presbyter in Tarsus sich das als Schwindel herausgestellt habe. Sollte Origenes eine Schrift gleichen Titels gekannt haben, so könnte es nicht die Apokalypse in der Form gewesen sein, in der sie uns vorliegt. Ein sicheres Zeugnis für ihre Existenz finden wir bei Augustin (In loh. tract. 98,8, ed. R. Willems, Corp. Christ. 36, 1954,581), wo er sagt, daß einige die Apokalypse des Paulus, welche die gesunde Kirche nicht annimmt, erdichtet haben. Und wenn er sich im Enchiridion (112-113, PL 40, 284-285) mit dem Gedanken der Erleichterung des Loses der verdammten Seelen am Tag des Herrn auseinandersetzt, so wird er das aus unserer Schrift entnommen haben, wie auch zu fast gleicher Zeit (etwa 402) Prudentius in seinem Cathemerinon (V. 125ff., ed. J. Bergman, CSEL 61,1926,30) diesen Gedanken bringt. Im Decretum Gelasianum erscheint die Paulusapokalypse unter den apokryphen Büchern, welche nicht angenommen werden (ed. v. Dobschütz, TU 38,4, 1912, 12). Spätere Bezeugungen beweisen nur noch vorhandene Bekanntschaft mit diesem Apokryphon und eventuelle Ausdehnung seines Einflusses. ÜBERLIEFERUNG. Der griechische Urtext ist nur in einer verkürzten Form, die einem Auszug gleicht, auf uns gekommen (s. u.). Sie hat auch Zusätze erhalten, wie die Versionen beweisen, z.B. stehen 62, 5ff. Sätze, die gegen die Nestorianer gerichtet sind. Der vollständigste und zugleich älteste Zeuge ist die la teinis che Übersetzung, wie sie von James
1. ApokalYP8e des Paulus
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nach einer Pariser Handschrift herausgegeben worden ist und sich in gleicher Form als Torso in der St. Gallener Stadtbibliothek im Cod. 317 findet und danach von Silverstein (Studies and Documents IV, London 1935) herausgegeben worden ist. Daneben gibt es eine ganze Reihe lateinischer Redaktionen. Eine syrische Übersetzung wurde zuerst in englischer Übertragung nach einer Handschrift in Urmia bekanntgemacht und in deutscher Wiedergabe nach dem später von Ricciotti 1933 gedruckten Text des Cod.Vatican. Syriacus 180 von Zingerle (in Heidenheims Vierteljahrsschrift IV, 1871, 139-183) herausgegeben. Von Syrien aus ist der Text wie so viele andere nach Armenien gewandert und dort in vierfacher Form aufbewahrt. Ebenso hat sich das Werk slavisch erhalten, in bester Form in altrussischer Überlieferung. Als wichtigster Zeuge neben dem Lateiner ist der bei Kap. 15 einsetzende und zum Teil erweiterte koptische Text zu nennen, den Budge 1915 mit englischer Übersetzung herausgegeben hat. Eine bearbeitete Wiedergabe von Kap. 13-44 stellt die äthiopische Apokalypsis Mariae Virginis dar, welche Chaine herausgegeben hat (vgl. o. S. 535). Die Unterschiede der verschiedenen Texte sind so groß, daß eine Zusammenarbeitung unmöglich ist. Man muß sich an die vollständigste und verhältnismäßig gut überlieferte Form halten, und das ist die von James herausgegebene lateinische, und die anderen zur Ergänzung und Korrektur heranziehen. Casey sagt mit Recht (S. 5) : Für die meisten Zwecke ist es genügend, den Inhalt des Werkes zu kennen. INIIALT und QUELLEN. Die Entrückung ins Paradies, von der Paulus 2. Kor. 12 erzählt, gab einem mit der apokalyptischen Tradition vertrauten Manne Anlaß, das, was er über das Jenseits wußte oder dachte, dem Apostel als Berichterstatter in den Mund zu legen. Mit der Schwierigkeit, daß Panlus das Gehörte als unsagbar bezeichnet hatte, fand er sich so ab, daß er teilte zwischen solchen Dingen, über die Paulus nicht berichten durfte, und anderen, zu deren Wiedergabe er Erlaubnis bekam (s. u., Kap. 21). Der einleitende Bericht über die Auffindung sollte erklären, wie es kommen konnte, daß diese wichtigen Enthüllungen nicht schon früher, womöglich zur Zeit des Paulus selbst, an die Öffentlichkeit gekommen sind. Stammt dieser Bericht von dem (ersten) Verfasser selbst, so ist die Zeit des Werkes auf das Ende des vierten bzw. den Anfang des fünften Jahrhunderts festgelegt. Auf jeden Fall gehört die uns vorliegende Rezension dahin. Nach diesem Einleitungsstück, welches der Syrer ans Ende gesetzt hat, erfolgt in Kap. 3 die Entrückung in den dritten Himmel, wo Paulus über die Klagen, welche die Schöpfung gegen die sündigenden Menschen vorzubringen hat, informiert wird und über den Grund des Aufschubes der Endbestrafung, nämlich die göttliche Geduld (Kap. 3-6). Von Kap. 7 an wird über die Berichterstattung, welche die Engel abends und morgens Gott über die Taten der Menschen geben, das Nötige gesagt (Kap. 7-10). Mit Kap. II tritt eine Ortsveränderung ein zu dem Zweck, daß der Apostel die Seelen der Gerechten wie der Sünder bei und nach ihrem Abscheiden und ihren Verbleib beobachten soll. So darf er denn sehen, wie ein Gerechter stirbt und es ihm ergeht, ein Sünder und eine Seele, welche leugnet, aber dann denen gegenübergestellt wird, an denen sie sich bei Leibesleben vergangen hat (Kap. 11-18). Paulus wird nun zum Paradies gebracht, dessen Pforte mit goldenen, beschriebenen Tafeln Anlaß zu einer Frage gibt. Die Namen der Gerechten ständen darauf, erklärt der angelu8 interpres. Nach dem Eintritt wird Paulus von Henoch und auch von Elias begrüßt. Er sieht vom Himmel den die Erde umgebenden Ozean, sieht das Land der Verheißung, sieht den Acherusischen See, weißer als Milch, in dem reuige Sünder vom Erzengel Michael getauft werden, damit sie in die Stadt Christi eingeführt werden können. Zu dieser Stadt gelangt er in einer Fahrt über den Acherusischen See in einem goldenen Schiff. Dort sind u. a. vier Flüsse zu sehen, einer mit Honig, einer mit Milch, einer mit Wein, einer mit Öl. Am ersten weilen die Propheten, am zweiten die bethlehemitischen Kinder und solche, die ihnen ähnlich sind, am dritten die Patriarchen, Lot, Hiob und andere Heilige, am vierten frohlockende und Psalmen singende Gestalten. Er sieht und hört in der Stadt auch David, Halleluja singend (Kap. 19-30). In Kap. 31 beginnt die Besichtigung der Hölle mit ihren verschiedenen Straforten. Presbyter (Kap. 34), Bischof (Kap. 35), Diakon und Anagnost (Kap. 36) befinden sich auch unter den
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XVIII. Spätere Apokalypsen
Verdammten. Auf Bitten Michaels und anderer Engel und um des Paulus willen wird den Verdammten Freiheit von der Qual am Sonntag von Christus zugestanden (Kap. 31-44). Dann folgt (Kap. 45) wieder ein Besuch im Paradies. Hier wird im Anfang eine Merkwürdigkeit gezeigt: ein Baum, auf dem der Geist von Gen. I ist, bei dessen Bewegung die Wasser der vier Paradiesesflüsse fließen (Kap. 45). Wiederum begegnet Paulus den Patriarchen (Kap. 47), weiter Moses (Kap. 48), dann Propheten, Lot, Hiob (49), Noah (Kap. 50), Elias und Elisa (Kap. 51), nur die Begegnung mit Maria (Kap. 46) ist noch nicht erwähnt. Der Text bricht in Kap. 51 mit den Worten "so werde ich Regen auf die Erde senden" plötzlich ab, nur der Kopte geht weiter. Noch einmal läßt er Paulus in den dritten Himmel entrückt werden (s. die Inhaltsangabe unten S. 566). Schon die vielfachen Dubletten in dem zusammengestoppelten Werk zeigen, daß der Verfasser Stoffe, die ihm vorlagen, benutzt hat. Von seiner Individualität tritt nur das zutage, daß er das Leben der Mönche und Nonnen hochschätzt und offenbar selbst zu diesen Kreisen gehört. Mögen die dieses Leben betreffenden Stücke seiner Phantasie entstammen, so ist er doch sonst von der apokalyptischen Tradition abhängig, die, beeinflußt und bereichert durch griechische Jenseitsvorstellungen wie die vom Tartarus, dem Acherusischen See, dem Fährschiff u. a. m., in immer breiter werdendem Strome schon die alte Kirche und dann auch das Mittelalter durchzieht. Deutlich ist, daß er den Stoff der P e tru s apo kaI yp s e gekannt hat, wie sich das vor allem in der Schilderung der Straforte und hier besonders deutlich in der des Strafortes für die der Abtreibung Schuldigen zeigt, und ganz unwidersprechlich sein würde, wenn der Kopte den ursprünglichen Schluß bewahrt haben sollte, wonach Paulus nach seiner Himmelsreise in den Kreis der auf dem Ölberg versammelten Apostel zurückkehrt. Der Verfasser hätte dann seine Vorlage verständigerweise nur insofern geändert, als er nicht Klemens, wie das in der Petrusapokalypse geschieht, sondern die Paulusjünger Markus und Timotheus das Geschaute niederschreiben läßt. Andere Entlehnungen sind der Acherusische See (s.o.), das Treffen mit den Patriarchen, der feurige Strom, derEngel Tartaruchos bzw. Temeluchos. Das Übersetzen mit dem Schiff über den genannten See kommt auch in der Zephaniaapokalypse (G. Steindorff, TU 17,3a, 1899) vor, ebenso die Schreiberengel mit dem Chirographon - Übereinstimmung im griechischen Ausdruck! - wie auch die Begegnung mit allen Gerechten, die in der Himmelswelt sind, insbesondere mit den Patriarchen, Henoch, Elia und David. Eine auffällige Berührung mit der Eliasapokalypse (TU 17, 3a) findet sich gleich zu Anfang in Kap. 3, wo der folgende Satz: DM Wort des Herrn erging an mich also: 0 Menschensohn, sage diesem Volke: 'Weswegen häuft ihr Sünde auf Sünde und erbittert Gott den Herrn, der euch geschaffen hat' (Steindorff, S. 155) nur wenig verändert wiedergegeben ist. Ist der Überschuß des Kopten am Ende ursprünglich, so hat der Verfasser aus der Zephaniaapokalypse abgeschrieben, wo es heißt: 'Sei stark, damit du siegst, und sei mächtig, damit du den Ankläger besiegst und herauf aus der Unterwelt kommst' (Steindorff, S. 170; vgl. dort auch S. 55, Kap. 12, Z. 12ff. der Eliasapokalypse, oder S. 153: 'Sei siegreich und stark, denn du bist stark und besiegst den Ankläger und kommst herauf aus der Unterwelt und dem Abgrund'; vgl. auch auf derselben Seite die letzten 4 Zeilen). Auf Übereinstimmung in der Paradiesesschilderung mit dem slavischen Henoch, Kap. VIII-IX (Morfil-Charles, S. 7-9) macht Casey (S. 22ff.) aufmerksam, auf eine Berührung mit dem Testament Hiobs James (S. 552, Anm. I). Woher der Verfasser die mit der Schilderung des Papias (bei Irenäus, V 33, 3f.) sich deckende phantastische Darstellung der endzeitlichen ungeheuren Fruchtbarkeit in der Natur in Kap. 22 bezogen haben mag, ist nicht zu sagen. Alle diese Entlehnungen machen eine späte Abfassung wahrscheinlich. LITERATUR. - Die gesamte bis 1935 in Frage kommende Literatur ist verzeichnet in Studies and Documents (ed. Lake) vol. IV: Visio sancti Pauli, ed. by Th. Silverstein, 1935, S. 219-229. Dieses Werk klärt in sorgfältigster Weise die verzweigte lateinische Überlieferung und bietet einen Abdruck der Handschrift 317 der St. Gallener Stadtbibliothek. Als wichtigste Publikationen kommen daneben in Frage: die Edition des verkürzten griechischen Textes von Tischendorf, Apocalypses apocryphae, 1866, S. 34-69; die Edition
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der ältesten lateinischen Version 1 in Texts and Studies, VoI. II 3: Apocrypha anecdota by M.R. James, Cambridge 1893 (hier auf S. 4-7 eine Vergleichung des Bestandes von Gr., Syr. und Lat.); die Edition des Syrers in Orientalia, II, 1933, Apocalypsis Pauli syriace ed. G. Ricciotti, S. 1-24 und S. 120-149, mit lateinischer Übersetzung. Der syrische Text nach Cod. Vatic. syr. 180 verglichen mit und ergänzt nach Cod. Borgianus syr. 39. Ersteren hatte Z inger I e schon 1871 ins Deutsche übersetzt; die Edition des Kopten in Miscellaneous Coptic Texts ed. by E. A. Wallis Budge (mit englischer Übersetzung auf den Seiten 1043 bis 1084), 1915. - Eine ausgezeichnete Untersuchung einschlägiger Fragen gab R. P. CaseyinJThSt, 1933, S. 1-32. Einen im wesentlichen mit dem von Silverstein (S.153-155) gedruckten Abschnitt aus dem Wiener Cod. 362 sich deckenden Text aus dem Cod. 28 der Kathedrale von Barcelona gab der Archivar Jose Oliveras Caminal im Scriptorium I, 1946/47, S. 240-242 heraus. Neuere Literatur bei Altaner, S. 72. Nach Erscheinen des grundlegenden Werkes von Silverstein sind noch folgende Arbeiten über dieses Thema hervorzuheben: A. Landgraf, ZkTh, 1936,299-370; Th. Silverstein, Did Dante know the Vision of St. Paul?, Harvard Studies and Notes in Philology and Literature 19, 1937, S. 231-247; B. Fis cher, VigChr 5,1951, S.84-87 (Benutzung durch Cäsarius von Arles).· Das große Verdienst Silversteins liegt vor allem darin, die westliche Überlieferung der Paulusapokalypse gründlichst untersucht zu haben. In dieser Überlieferung hat er die besten Vertreter des angeblich ursprünglichen griechischen Textes entdeckt (Paris, B. N., Ms. Nouv. acq. lat. 1631 und St. Gallen, Stadtbibliothek - BibI. Vadiana, Cod. 317). Ähnliche Arbeiten über die einzelnen orientalischen Versionen wären zur Wiederherstellung der ursprünglichen Fassung äußerst wertvoll. James hat in seiner Übersetzung des Pariser lateinischen Textes die syrische und die koptische Version herangezogen. Vor allem bedarf die slavische Überlieferung einer eingehenden Untersuchung. Das verfügbare Material ist größtenteils von N. Bonwetsch bei Harnack, Geschichte der altchristlichen Literatur, I 2, S. 910 f. verzeichnet. Hinzu kommen die neu entdeckten Handschriften; vgI. hierzu I. Ja. J acimirskij, Opisanie jUZno-slavjanskich i russkich rukopisej zagranicnich Bibliotek, Bd. I, St. Petersburg 1921; A. P. Konusov - V. F. Pokrovskaja, Opisanie rukopisnogo Otdelenija Biblioteki Akademii Nauk SSSR, Bd. IV, Moskau-Leningrad 1951. Daß die hier behandelte Paulusapokalypse nichts zu tun hat mit der bei Nag-Hammadi zutage gekommenen koptischen Apokalypse des Paulus aus gnostischen Kreisen, zeigt H. Ch. Pu e ch in Coptic Studies in Honor of Walter Ewing Crum, S. 134f. Abkürzungen für die Lesarten: L = Lateiner; Gr = Grieche; St.G. = St. Gallener Text; C = Kopte; S = Syrer; A = Armenier. Wo Lesarten des lateinischen Textes der St. Gallener Handschrift gegenüber dem von James herausgegebenen Texte zu bevorzugen sind oder dessen Verbesserungen bestätigen, ist das unter dem Text der Übersetzung vermerkt.
Paulusapokalypse Die Offenbarung des heiligen Apostels Paulus: was ihm offenbart wurde, als er bis zum dritten Himmel aufstieg und ins Paradies entrückt wurde und unsagbare Worte hörte 3 • Sie wird von mir mit LI bezeichnet. Nach dem Erscheinen der Hauptarbeit Silversteins über die Visio Pauli (1935) sind acht neue lateinische Texte dieser Apokalypse bekannt geworden. Silverstein hat diese neuen Dokumente untersucht und fünf von ihnen ediert: Th. Silverstein, The Vision of St. PauI. New Links and Patterns in the Western Tradition (Archives d'histoire doctrinale et littemire du Moyen Age 34, 1959, S. 199-248). Das neue Material wirft Licht auf das Problem der Textüberlieferung vom 11. bis 16. Jh. in Italien. Aufgrund dieser Texte läßt sich aber vor allem die Entwicklung der abgekürzten Fassungen genauer verfolgen. [A. de Santo8 atem]. 3 So Gr; LI zitiert statt dessen 2. Kor. 12, 1-5 und stellt die Verbindung mit dem Folgenden durch die Frage her: Zu welcher Zeit ist sie veröffentlicht worden? 1 2
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1. Unter dem Konsulat des Theodosills Augustus des Jüngeren, und des Cynegius 1 offenbarte 2 einem angesehenen Manne, der damals in Tarsus in dem Hause, das dem heiligen Paulus gehört hatte, wohnte, ein Engel, ihm nachts erscheinend, und sagte, er solle die Fundamente des Hauses aufbrechen und was er gefunden hätte, veröffentlichen. Er meinte aber, dies sei eine Täuschung. 2. Zum dritten Mal aber kommend, geißelte ihn der Engel und zwang ihn, das Fundament aufzubrechen. Und nachgrabend fand er ein marmornes Kästchen, das auf den Seiten beschrieben war: darin war die Offenbarung des heiligen Paulus und seine Schuhe, in welchen er zu wandeln pflegte, wenn er das Wort Gottes lehrte. Er scheute sich aber, das Kästchen (selbst?) zu öffnen und brachte es dem Richter Der Richter sandte es nach Empfang, so wie es war, mit Blei versiegelt dem Kaiser Theodosius in der Befürchtung, es könnte etwas anderes sein. Der Kaiser öffnete es nach Empfang und fand die Offenbarung des heiligen Paulus. Er sandte die Originalschrift nach J erusalem, nachdem eine Abschrift gemacht war. 3 Es war darin aber also geschrieben: 3. Das Wort des Herrn erging an mich als0 4 : Sage diesem Volke: 'Wie lange wollt ihr sündigen und häuft Sünde auf Sünde 5 und versucht den Herrn, der euch gemacht hat, sagend 6, ihr seid Kinder Abrahams 7, aber die Werke des Teufels tuend1 Wandelnd 8 in der Zuversicht auf Gott (LI: Christus), euch rühmend allein wegen eures Namens, aber arm wegen der Materie der Sünde 91 Gedenkt also und erkennt, Menschenkinder, daß die ganze Schöpfung Gott untertan ist, das menschliche Geschlecht aber allein sündigt! Es herrscht aber über alles Geschöpf, und mehr als alle Natur sündigt es. 4. Denn oft hat das große Licht, die Sonne, Einspruch erhoben beim Herrn, sagend: 0 Herr, allmächtiger Gott, ich sehe auf die Gottlosigkeiten und Ungerechtigkeiten der Menschen; erlaube mir, und ich will ihnen tun nach meinen Fähigkeiten, damit sie erkennen, daß du allein Gott bist. Und es erging eine Stimme an sie sagend: Dies alles weiß ich; denn mein Auge sieht und mein Ohr hört, aber meine Geduld trägt sie noch, bis daß sie sich bekehrend Buße tun. Wenn sie aber nicht zu mir zurückkehren, werde ich sie richten. 5. Bisweilen haben nämlich der Mond und die Sterne Einspruch beim Herrn erhoben sagend: Herr, allmächtiger Gott, uns hast du Macht über die NachPo gegeben; wielange sollen wir ansehen die Gottlosigkeiten und Hurereien und Morde, welche die Menschenkinder begehen 1 Erlaube uns, daß wir entsprechend unsern Fähigkeiten gegen sie handeln, damit sie erkennen, daß du allein Gott bist. Und So von J ames mit Recht hergestellt und auf das Jahr 388 berechnet. Gr passivisch: offenbarte sich. Wohl besser. 3 Diese beiden letzten Sätze sind nach Gr eingesetzt. L' hat umgekehrt: Ein Exemplar davon sandte er nach Jerusalem, und das Original behielt er bei sich. Diese Auffindungsgeschichte steht in der syrischen Überlieferung als Nachtrag am Ende. Die Unterschiede der voneinander abweichenden syrischen Übersetzungen sind hier als zu weit führend durchgehend unberücksichtigt geblieben. 4 LI schickt sekundär voraus: Während ich im Leibe war, in welchem ich entrückt wurde 1
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bis in den dritten Himmel. 5 Jes. 30, 1. 6 Dieses Wort fehlt in L', welcher infolgedessen den unsinnigen Satz hat: Ihr seid Kinder Gottes. 7 Vgl. Joh. 8, 33ft'. 8 Fehlt in L'. • Nach Gr. 10 Vgl. Jer. 31,35.
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es erging an sie eine Stimme sagend: Ich erkenne dies alles, und mein Auge sieht und mein Ohr hört, aber meine Geduld trägt sie noch, bis daß sie sich bekehren und Buße tun. Wenn sie aber nicht zu mir zurückkehren, werde ich si!' richten. 6. Und häufig hat auch das Meer ausgerufen sagend: Herr, allmächtiger Gott, die Menschen haben deinen heiligen Namen auf mir befleckt; erlaube, daß ich mich erhebe und jeden Wald und Gebüsch und die ganze Welt bedecke, bis ich alle Menschenkinder von deinem Angesichte weg vertilge, damit sie erkennen, daß du allein Gott bist. Und wiederum erging eine Stimme und sagte: Ich weiß alles; denn mein Auge sieht alles und mein Ohr hört, aber meine Geduld trägt sie noch, bis daß sie sich bekehren und Buße tun. Wenn sie aber nicht zurückkehren, werde ich sie richten. Bisweilen haben auch die Wasser Einspruch erhoben gegen die Menschenkinder sagend: Herr, allmächtiger Gott, die Menschenkinder haben alle deinen heiligen Namen befleckt. Und es erging eine Stimme sagend: Ich erkenne alles, bevor es geschieht, denn mein Auge sieht und mein Ohr hört alles, aber meine Geduld trägt sie noch, bis daß sie sich bekehren. Wo nicht, werde ich richten. Oft hat auch die Erde zum Herrn gerufen, gegen die Menschenkinder sagend: Herr, allmächtiger Gott, ich werde mehr als alle deine andere Kreatur geschädigt, indem ich ertrage(n muß) Hurereien, Ehebrüche, Morde, Diebstähle, Meineide, Magie, Zauberei der Menschen und alles Böse, was sie begehen, so daß der Vater sich erhebt gegen den Sohn und der Sohn gegen den Vater, der Fremde gegen den Fremden, so daß ein jeder das Weib seines Nächsten verunreinigt. Der Vater besteigt das Lager seines Sohnes, und der Sohn besteigt in gleicher Weise das Polster seines Vaters, und mit allen diesen übeltaten haben die, welche deinem Namen ein Opfer bringen wollten, deinen heiligen Ort befleckt. Deswegen leide ich mehr Schaden als alle (übrige) Schöpfung, und obwohl ich es nicht will, gebe ich 1 den Menschenkindern mein Vermögen und meine Früchte. Erlaube mir, daß ich die Kraft meiner Früchte tilge. Und es erging eine Stimme und sagte: Ich weiß alles, und es gibt keinen, der sich vor seiner Sünde verbergen kann. Ihre Gottlosigkeiten aber kenne ich, aber meine Heiligkeit duldet sie noch, bis daß sie sich bekehren und Buße tun. Wenn sie aber nicht zu mir zurückkehren, werde ich sie richten 2. 7. Seht, Menschenkinder, die Schöpfung ist Gott unterworfen; aber das menschliche Geschlecht allein sündigt. Deshalb, ihr Menschenkinder, preiset den Herrn Gott unaufhörlich zu allen Stunden und an allen Tagen, besonders aber bei Sonnenuntergang. Denn zu dieser Stunde gehen alle Engel zum Herrn, um ihn anzubeten und die Werke der Menschen ihm zu bringen, welche ein jeder Mensch von früh bis zum Abend wirkt, seien es gute oder böse. Und da ist ein Engel, der froh von dem Menschen fortgeht, welchen er bewohnt, ein anderer aber geht mit trauriger Miene 3 • Wenn also die Sonne in der ersten Stunde der Nacht untergegangen ist, in eben der Stunde (trifft) der Engel eines jeden Volkes und jedes Mannes und Weibes, welche (Engel) sie beschützen und bewahren, weil der Mensch das Bild Gottes ist 4 , ebenso auch zur Morgenstunde, welche die zwölfte der Nacht ist, treffen alle Engel der Männer und Weiber mit Gott zusammen, um Gott anzubeten So nach SI. Gr läßt die Klage des Wassers und der Erde aus. S verbindet Meere und Flüsse. Armenische Versionen noch anders. 3 Dies letztere nach Gr Al A 4 • 4 Hier ist wohl einzuschieben: mit Gott zusammen. 1
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und jedes Werk zu bringen, welches ein jeder Mensch gewirkt hat, sei es gut oder bös. An jedem Tag und (jeder) Nacht bringen die Engel Gott die Rechenschaft über alle Taten des menschlichen Geschlechtes. Deshalb sage ich euch, Menschenkinder, preist den Herrn Gott unablässig an allen Tagen eures Lebens! 8. Zur festgesetzten Stunde also schreiten alle Engel, ein jeder froh, zusammen in eins vor Gott, um ihm zu begegnen zur festgesetzten Stunde. Und siehe, plötzlich geschah zur Stunde eine Begegnung (?) 1, und die Engel kamen, vor Gott anzubeten, und der Geist ging ihnen entgegen, und eine Stimme erging und sagte: Woher seid ihr gekommen, ihr unsere Engel, Lasten von Nachrichten bringend? 9. Sie antworteten und sagten: Wir kommen von jenen, welche dieser Welt entsagt haben wegen deines heiligen Namens, als Fremdlinge umherirrend und wohnend 2 in einer Höhle von Felsen und weinend zu allen Stunden, in welchen sie die Erde bewohnen, weinend und hungernd und dürstend um deines Namens willen, an den Lenden gegürtet, in den Händen den Weihrauch ihres Herzens habend und betend und preisend zu allen Stunden, bedrängend und zähmend sich selbst mehr als die übrigen, die auf Erden wohnen, weinend und trauernd. Und wir, ihre Engel, trauern mit ihnen; befiehl uns also, daß wir gehen und dienen, wohin es dir gefällt. Befiehl, Herr, daß sie bis ans Ende in deiner Gerechtigkeit bleiben 3. Und es erging eine Stimme Gottes an sie sagend: Ihr sollt wissen, daß euch hier nun meine Gnade festgestellt werden wird, und meine Hilfe, welche mein höchst geliebter Sohn ist, wird ihnen zur Seite stehen, sie leitend zu jeder Stunde; ihnen auch dienend, verläßt er sie niemals, weil ihr Ort seine Wohnung ist (In Gr lautet die Gottesstimme am Schluß von Kap. 8 kurz: Ich habe sie bewahrt und werde sie vorwurfsfrei bewahren in meinem Reiche). 10. Als diese Engel sich entfernten, siehe da kamen andere Engel, um anzubeten angesichts der Herrlichkeit, zum Zusammentreffen, welche weinten; und der Geist Gottes ging ihnen entgegen, und es erging die Stimme Gottes und sagte: Woher seid ihr, unsere Engel, gekommen, tragend die Lasten als Diener der Nachrichten der Welt? Antwortend sagten sie angesichts Gottes: Wir sind von jenen gekommen, die deinen Namen angerufen haben, und die Hindernisse der Welt haben sie elend gemacht, indem sie zu jeder Stunde viel Gelegenheiten erfinden, nicht ein reines Gebet und nicht von ganzem Herzen in der gesamten Zeit ihres Lebens verrichtend. Weshalb also ist es nötig, Menschen, die Sünder sind, beizustehen? Und es erging die Stimme Gottes an sie: Ihr müßt ihnen dienen, bis sie sich bekehren und Buße tun: wenn sie sich aber nicht rur zuwenden, werde ich sie richten 4. Erkennt also, Menschenkinder, daß das, was von euch gewirkt wird, die Engel Gott berichten, sei es gut oder böse. 11. Und darauf nach diesem sah ich eins von den Geistwesen bei rur, und es entraffte mich im heiligen Geist und trug ruch bis zum dritten Teil des Himmels, welches der dritte Himmel 5 ist 6 • Und antwortend sagte der Engel zu mir: Folge mir, und ich will dir den Ort der Gerechten zeigen, wohin sie geführt werden, wenn sie abgeschieden sind. Und danach will ich dich zum Abgrund nehmen und Der Text ist nicht in Ordnung. 2 wohnend nach Seingesetzt. Diesen Satz habe ich Gr entnommen anstelle der unverständlichen lateinischen Worte: ne et alii fecerint 8ed inopes pr(ae)caeteris qui 8unt in terra. 4 Hebr. 1,14. 5 Vgl. 2. Kor. 12,2. • Dieser für das Verständnis der Lage unentbehrliche Satz nach dem Syrer ed. Ricciotti S. 9 eingefügt. 1
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dir die Seelen der Sünder zeigen, in was für einen Ort sie geführt werden, wenn sie abgeschieden sind. Und ich ging hinter dem Engel, und er führte mich in den Himmel, und ich sah das Firmament und sah dort die Machtl, und dort war das Vergessen, welches täuscht und zu sich die Herzen der Menschen verführt, und der Geist der Verleumdung und der Geist der Hurerei und der Geist der Wut und der Geist der Unverschämtheit, und dort waren die Fürsten der Bosheiten; die sah ich unter dem Firmament des Himmels. Und wiederum blickte ich und sah Engel ohne Erbarmen, die kein Mitleid hatten, deren Miene voll Wut war, und ihre Zähne ragten aus dem Munde hervor; ihre Augen blitzten wie der Morgenstern des Ostens, und von den Haaren ihres Hauptes gingen Feuerfunken aus, auch aus ihrem Munde. Und ich fragte den Engel sagend: Wer sind diese, Herd Und der Engel sagte antwortend zu mir: Das sind die, welche bestimmt werden für die Seelen der Gottlosen in der Stunde der Not, die nicht geglaubt haben, daß sie den Herrn als Helfer hätten, und nicht auf ihn gehofft haben. 12. Und ich blickte in die Höhe und sah andere Engel, deren Angesicht wie die Sonne blitzte, die Lenden umgürtet mit goldenen Gürteln, in ihren Händen Palmen habend und das Zeichen Gottes 2 , bekleidet mit Gewandung, die beschrieben war mit dem Namen des Sohnes Gottes, aber erfüllt mit aller Milde und Barmherzigkeit. Und ich fragte den Engel und sagte: Wer sind die, Herr, in solcher Schönheit und Barmherzigkeit? Und der Engel sagte antwortend zu mir: Dies sind die Engel der Gerechtigkeit, die gesandt werden, in der Stunde der Not die Seelen der Gerechten herbeizuführen, die geglaubt haben, daß sie den Herrn zum Helfer hätten. Und ich sagte zu ihm: Müssen Gerechte und Sünder notwendigerweise den Zeugen begegnen, wenn sie gestorben sind1 Und der Engel sagte zu mir antwortend: Einer ist der Weg, auf dem alle zu Gott hinübergehen, aber die Gerechten, weil sie bei sich einen heiligen Helfer haben, werden nicht verstört, wenn sie gehen, um vor Gott zu erscheinen. 13. Und ich sagte zu dem Engel: Ich wollte die Seelen der Gerechten und der Sünder sehen, wie sie aus der Welt gehen. Und antwortend sagte der Engel zu mir: Blicke hinunter auf die Erde! Und ich blickte vom Himmel auf die Erde und sah die ganze Welt, und sie war wie nichts in meinem Blick, und ich sah die Menschenkinder, als ob sie nichts wären und schwächer werdend; und ich wunderte mich und sagte zu dem Engel: Das ist die Größe der Menschen1 Und antwortend sagte der Engel zu mir: Das ist sie, und das sind die, welche von früh bis zum Abend schaden (Syr.: sündigen). Und ich blickte, und ich sah eine große Wolke von Feuer ausgebreitet über die ganze Welt. Und ich sagte zu dem Engel: Was ist das, Herr1 Und er sagte zu mir: Das ist die Ungerechtigkeit, gemischt von den Fürsten der Sünder (1) (Gr.: mit dem Verderben der Sünder. Syr.: mit dem Gebet der Menschen). 14. Ich aber, als ich dies gehört hatte, weinte seufzend und sagte zu dem Engel: Ich wollte warten auf die Seelen der Gerechten und der Sünder und sehen, auf welche Weise sie aus dem Körper herausgehen. Und der Engel sagte antwortend zu mir: Blicke wiederum auf die Erde! Und ich blickte und sah die ganze Welt, und die Menschen waren wie nichts und schwach werdend. Und ich blickte hin und sah einen Menschen im Begriff zu sterben. Und der Engel sagte zu mir: Der, den du siehst, ist ein Gerechter. Und wiederum blickte ich und sah alle seine Werke, 1 2
Man erwartet den Plural, wie der Syrer ihn hat (die Mächtigen). Vgl. Offbg. 7,9; 22,4.
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die er getan hatte um des Namens Gottes willen; und alle seine Neigungen, deren er sich erinnerte und deren er sich nicht erinnerte, standen alle vor seinem Blick in der Stunde der Not. Und ich sah, daß der Gerechte Fortschritte gemacht und Erquickung und Vertrauen gefunden hatte, und bevor er aus der Welt ging, traten ihm gleichzeitig zur Seite heilige und gottlose Engel, und ich sah sie alle, aber die gottlosen fanden keinen Platz in ihm zu wohnen, die heiligen aber beherrschten seine Seele, sie führend, bis sie aus dem Körper herausging. Und sie ermunterten die Seele sagend: Seele, nimm Kenntnis von deinem Körper, aus dem du ausgezogen bist, denn es ist nötig, daß du am Tage der Auferstehung in denselben Körper zurückkehrst, damit du empfangest, was allen Gerechten verheißen ist. Die Seele also aus dem Körper in Empfang nehmend, küßten sie sie sogleich, als ob sie ihnen täglich bekannt sei, ihr sagend: Sei guten Muts, denn du hast den Willen Gottes getan, solange du auf Erden sein solltest. Und es kam ihr entgegen der Engel, der sie an den einzelnen Tagen beobachtete, und sagte zu ihr: Sei guten Muts, Seele; denn ich freue mich über dich, weil du den Willen Gottes auf Erden getan hast. Denn ich berichtete Gott alle deine Werke, wie sie sich verhalten. In gleicher Weise ging ihr auch der Geist entgegen und sagte: Seele, fürchte dich nicht und beunruhige dich nicht, bis du gekommen sein wirst an den Ort, welchen du niemals gekannt hattest, aber ich werde dir Helfer sein, denn ich habe iu dir einen Ort der Erquickung gefunden in der Zeit, in welcher ich in dir wohnte, während ich (?) auf Erden war. Und der Geist derselben stärkte sie, und ihr Engel nahm sie auf und führte sie in den Himmel. [Und der Engel sagte]1: Und es gingen ihr entgegen die bösen Herrscher, die unter dem Himmel sind 2 , und es kam zu ihr jener Geist des Irrtums und sprach (zu ihr LI: Wohin eilst du, Seele, und wagst einzutreten in den HimmeH Warte und laß uns sehen, ob etwas Unsriges in dir ist.) (8 allein weiter also:) Und die Seele wurde dort gebunden. Und es entstand ein Kampf zwischen jenen guten und jenen bösen Engeln 3. Und als jener Geist des Irrtums (es) sah, jammerte er mit (lauter) Stimme und sagte: Ach! deinetwegen, weil wir an dir nichts von dem Unsrigen gefunden haben; und siehe! alle Engel und Geister helfen dir gegen mich, und siehe! diese alle sind mit dir, und du bist von uns hinübergegangen 4. Und dann ging ein anderer Geist, der ein Verleumder ist, und ein Geist der Hurerei aus, und sie kamen ihr entgegen. Als sie sie aber sahen, weinten sie gegen sie und sagten: Wie ist diese Seele uns entflohen? Sie hat den Willen Gottes auf der Erde getan. Und siehe! es helfen ihr nämlich die Engel und lassen sie von uns weg hinübergehen. - Und alle Herrschaften und bösen Geister kamen ihr entgegen und zu ihr. Aber nicht fanden sie an ihr etwas von ihrem Eigenen. Und sie waren nicht imstande, etwas für sich zu tun. Und sie knirschten (mit) ihre(n) Zähne(n) wider diese Seele und sagten: Wie ist sie uns entronnen? Und es antwortete jener Engel, der sie führte, und sagte zu ihnen: Wendet euch beschämt! Es gibt für euch keinen Weg zu ihr. Sehr listig waret ihr zwar; ihr habt ihr geschmeichelt, solange sie auf der Erde war, aber sie hat nicht auf euch gehört. Die eingeklammerten Worte sind zu streichen. Das Folgende ist nach dem Syrer gegeben. Die ausführliche Beschreibung der Mächte der Finsternis, welche der Kopte hier bringt, ist nach Ausweis der andern Versionen sekundär. 3 Vgl. Offbg. 12,7. 4 LI hat: Und siehe! nichts haben wir in dir gefunden. Ich sehe auch göttlichen Beistand und deinen Engel, und der Geist freut sich mit dir, weil du den Willen Gottes auf Erden getan hast. Das Folgende nach Sund St. G. 1
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Und dann hörte ich die Stimme einer Myriade von Myriaden heiliger Engel, wie sie sagten: Freue dich und frohlocke, 0 Seele, sei stark und erzittere nicht! - Und sehr wunderten sie sich über jene Seele, weil sie das Siegel des lebendigen Gottes l festgehalten hatte. Und so ermutigten sie sie und priesen sie selig und sagten: Wir alle freuen uns über dich, weil du den Willen deines Herrn getan hast 2 • - Und sie geleiteten sie, bis sie anbetete angesichts Gottes. Und als sie aufgehört hatte 3 , da fielen sogleich Michael und das ganze Heer der Engel nieder und beteten den Schemel seiner Füße an und zeigten der Seele sagend: Dies ist der Gott aller, der dich 4 nach seinem Bild und Gleichnis gemacht hat. Es eilte aber ein Engel ihr voraus und erklärte sagend: Gott, sei eingedenk ihrer Arbeiten; denn dies ist die Seele, über deren Werke ich dir, Herr, täglich berichtete, nach deinem Gericht handelnd. Und der Geist sagte in gleicher Weise: Ich bin der Geist der Belebung, sie durchhauchend und wohnend in ihr; ich habe nämlich bei ihr Erquickung gehabt in der Zeit, in der ich in ihr gewohnt habe. Sie hat nach deinem Gericht gehandelt. Und es erging die Stimme Gottes und sagte: Wie diese mich nicht betrübt hat, so werde ich sie auch nicht betrüben; wie sie sich erbarmt hat, werde ich mich über sie erbarmen. Sie möge also Michael, dem Engel des Bundes, übergeben werden, und er möge sie in das Paradies des Frohlockens führen, daß sie dort bis zum Tag der Auferstehung sei, daß sie auch Miterbe mit allen Heiligen werde. Und ich hörte danach die Stimme von tausend mal tausend Engeln und der Erzengel und der Cherubim und der vierundzwanzig Ältesten, die Hymnen sangen, den Herrn verherrlichten und riefen: Gerecht bist du, Herr, und gerecht sind deine Gerichte, und es ist kein Ansehen der Person bei dir, sondern du vergiltst einem jeden nach deinem Urteil 6 • Und der Engel antwortete und sagte zu mir: Hast du geglaubt und erkannt, daß, was immer ein jeder von euch gehandelt hat, er das sieht in der Stunde seiner Not? Und ich sagte: Ja, Herr. 15. Und er sagte zu mir: Blicke wiederum hinab auf die Erde und warte auf jene 6 andere Seele eines Gottlosen, wie sie aus dem Körper geht, die den Herrn bei Tag und Nacht gereizt hat sagend: Nichts anderes kenne ich als diese Welt; ich esse und trinke und genieße 7, was in der Welt ist. Denn wer ist in die Unterwelt hinabgestiegen und hat uns heraufsteigend berichtet, daß dort ein Gericht ist? Ich blickte aber und sah alle Verachtung des Sünders und alles, was er gehandelt hat, und das stand vor ihm in der Stunde der Not. Und ich sah, daß jene Stunde ihm bitterer war als das zukünftige Gericht. Und jener Mann sagte: 0 daß ich nicht geboren und nicht in der Welt gewesen wäre 8 ! Und danach kamen zugleich heilige und boshafte Engel, und die Seele des Sünders sah beide, und die heiligen Engel fanden keinen Platz in ihr. Die bösen Engel bemächtigten sich ihrer; und als sie sie aus dem Körper herausführten, ermahnten die Engel sie dreimal sagend: o elende Seele, sieh dir dein Fleisch an, aus dem du ausgegangen bist; denn du mußt am Tage der Auferstehung in dein Fleisch zurückkehren, um zu empfangen das deiner Sünden und deiner Gottlosigkeiten Angemessene. St. G.: des Kreuzes des Sohnes Gottes. • Von hier an wieder nach LI und St. G. • Singular herzustellen oder St. G. zu korrigieren in: Quam cum audissent, als sie diese gehört hatten. 4 Das Folgende meist nach St. G. 5 Vgl. Offbg. 4,10; 5, 8.14; 11, 16; 19,4. 6 Im folgenden meist nach St. G. ' Vgl. Jes. 22, 13; 1. Kor. 15, 32; Lk. 17,26f. 8 Die beiden letzten Sätze nach S. Vgl. Hiob 3,3; Jer. 20, 14. 1
35 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
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XVIII. Spätere Apokalypsen
16. Und als sie sie vorführten, ging ihr der vertraute Engel vorauf und sagte zu ihr: 0 elende Seele, ich bin der Engel, der dir anhing, täglich dem Herrn berichtend deine bösenWerke, die du Tag und Nacht getan hast; und wenn es in meiner Macht gewesen wäre, so würde ich dir auch nicht an einem einzigen Tage gedient haben, aber nichts davon konnte ich tun. Denn 1 Gott ist barmherzig und ein gerechter Richter, und er hat uns geboten, daß wir nicht aufhören sollen, der Seele zu dienen, bis ihr bereut. Du aber hast die Zeit der Reue verloren. Und ich bin dir heute ein Fremder geworden und du mir. Laß uns also zu dem gerechten Richter gehen; ich will dich nicht entlassen, bevor ich vom heutigen Tage an weiß, daß ich dir ein Fremder geworden bin. Und der Geist verwirrte sie, und der Engel beunruhigte sie. Als sie aber zu den Mächten gekommen war, da sie schon in den Himmel einzutreten fortging, da wurde eine schlimme Last über die andere auf sie gelegt. Denn der Irrtum und die Vergeßlichkeit und das Zutragen kamen ihr entgegen und der Geist der Hurerei und die übrigen Mächte und sagten zu ihr: Wohin gehst du, elende Seele, und wagst es, in den Himmel zu eilen1 Halt an, daß wir sehen, ob wir an dir unser Eigentümliches haben, weil wir keinen heiligen Helfer bei dir sehen. (S.:) Und als sie sie besehen hatten, freuten sie sich und sagten: Ja, ja, es ist in dir, und du gehörst uns ganz; jetzt wissen wir, daß auch dein Engel dir nicht helfen und uns entreißen kann. - Aber der Engel antwortete und sagte: Wisset, daß sie eine Seele des Herrn ist, und er läßt sie nicht, und ich lasse das Bild Gottes 2 auch nicht in den Händen der Bösen. Denn jener, der mich unterstützt hat alle Tage des Lebens dieser Seele, er kann unterstützen und helfen mir und ihr. Und ich lasse sie nicht, bis sie zum Thron des erhabenen Gottes aufsteigt. Und wenn er sie sieht, er hat Macht über sie und schickt sie dahin, wohin er wi1l 3• Und darauf hörte ich Stimmen in der Höhe des Himmels, die sagten: Bringt die elende Seele Gott, damit sie erkenne, daß ein Gott ist, den 4 sie verachtet hat. Als sie also eingetreten war in den Himmel, sahen sie alle Engel, tausend mal tausend, riefen alle mit einer Stimme aus, sagend: Wehe dir elende Seele, wegen deiner Werke, die du auf der Erde getan hast; welche Antwort willst du Gott geben, wenn du herzugetreten sein wirst, ihn anzubeten 1 Und es antwortete der Engel, der mit ihr war, und sagte: Weinet mit mir, meine Geliebtesten, denn ich habe keine Ruhe gefunden in dieser Seele! Und es antworteten ihm die Engel und sagten: Eine solche Seele soll aus unserer Mitte geschafft werden. Denn seit sie eingetreten ist, ist ihr Gestank auf alle 6 Engel übergegangen. Und danach wurde sie fortgeschafft, um angesichts Gottes anzubeten, und es zeigte ihr der Engel Gott, den Herrn, der sie gemacht hat nach seinem Bilde und Gleichnis 6 • Ihr Engel aber eilte ihr voraus sagend: Herr, allmächtiger Gott, ich bin der Engel jener Seele, deren Werke ich dir berichtete Tag und Nacht (nicht handelnd nach deinem Gericht). Tue ihr nach deinem Urteil! Und der Geist sprach gleicherweise: Ich bin der Geist, welcher in ihr wohnte, seitdem sie gemacht war in der Welt, und sie ist nicht gefolgt meinem Willen. Richte sie, Herr, nach deinem Urteil! Und die Stimme Gottes erging an sie und sagte: Wo ist deine Frucht 7 , die du gebracht hast entsprechend 1 2
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Im folgenden meist nach St. G. Vgl. 1. Mos. 1,26. Hier endet das Sondergut des Syrers. Im folgenden meist nach St. G. Vgl. Lk. 13, 6f.
• St. G. 6 Vgl. 1. MOB. 1,27; 9, 6.
1. Apokalypse des Paulus
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dem Guten, welches du empfangen hast1 Habe ich einen Unterschied auch nur eines Tages zwischen dir und einem Gerechten gesetzt1 Ließ ich nicht die Sonne aufgehen über dir wie über einem Gerechten 1 1 Sie aber verstummte, da sie nichts zu antworten hatte. Es erging wiederum eine Stimme, die sagte: Gerecht ist das Gericht Gottes, und es ist kein Ansehen der Person bei Gott 2 ; denn wer Barmherzigkeit geübt hat, dessen wird man sich erbarmen 3, und wer nicht barmherzig gewesen ist, dessen wird sich Gott auch nicht erbarmen. Er soll übergeben werden dem Engel Tartaruchus 4 , der gesetzt ist über die Strafen, und der möge ihn schicken in die äußere Finsternis, wo Weinen und Zähneknirschen 5 ist, und dort möge er sein bis zum großen Tage des Gerichtes. Und danach hörte ich die Stimme der Engel und Erzengel, die sagten: Gerecht bist du, Herr, und gerecht ist dein Gericht6 • 17. Und wiederum sah ich und siehe! Eine Seele, welche herbeigeführt wurde von zwei Engeln weinend und sagend: Erbarme dich meiner, Gott, gerechter Richter 7. Denn es sind heute sieben Tage 8, daß ich aus meinem Körper gegangen bin, und ich bin jenen zwei Engeln übergeben, und sie haben mich geführt an (die) Orte, welche ich niemals gesehen hatte. Und es sagte zu ihr Gott, der gerechte Richter: Was hast du getan1 Du hast nämlich niemals Erbarmen geübt, deshalb bist du solchen Engeln übergeben, die kein Erbarmen haben, und weil du nicht das Rechte getan hast, deshalb sind sie auch nicht mitleidig mit dir verfahren in der Stunde deiner Not. Bekenne also deine Sünden, die du begangen hast, als du in die Welt gestellt warst I Und sie antwortete und sagte: Herr, ich habe nicht gesündigt. Und es wurde in Wut erzürnt der Herr Gott, der gerechte Richter 9, als sie sagte, ich habe nicht gesündigt, weil sie log; und Gott sagte: Glaubst du noch in der Welt zu existieren, wie jeder von euch dort sündigend es verheimlicht und seine Sünde seinem Nächsten verbirgt1 Hier wird aber nichts verborgen. Denn wenn die Seelen gekommen sind, um im Anblick des Thrones anzubeten, werden sowohl die guten Werke einer jeden als auch ihre Sünden offenbart10 • Und dies hörend, schwieg die Seele, da sie keine Antwort hatte. Und ich hörte Gott, den Herrn, den gerechten Richter, wiederum sagen: Komm, Engel dieser Seele, und tritt in die Mitte! Und es kam der Engel der sündigen Seele, in den Händen ein Schriftstück habend, und sagte: Dies, Herr, sind in meinen Händen alle Sünden dieser Seele von ihrer Jugend an bis zum heutigen Tag, von den Jahren ihrer Geburt an; und wenn du befiehlst, Herr, so will ich ihre Handlungen aufzählen, seit sie anfing, 15 Jahre alt zu seinl l . Und Gott, der Herr, der gerechte Richter, sagte: Ich sage dir, Engel, ich erwarte von dir nicht die Rechenschaft, seit sie anfing, 15 Jahre alt zu sein, sondern setze ihre Sünden auseinander fünf Jahre, bevor sie starb und hierherkam. Und wiederum sagte Gott, der gerechte Richter: Ich schwöre bei mir selbst und bei meinen heiligen Engeln und bei meiner Macht, daß, wenn sie bereut hätte fünf 12 Jahre, bevor sie starb, wegen der Bekehrung eines Jahres Vergessen aller übeltaten nun eintreten würde, die sie vorher gesündigt hat, und sie würde Verzeihung und Erlaß der Sünden haben13 , nun aber mag sie zugrunde gehen. Und es antwortete der Engel der sündigen Seele und sagte: Befiehl, Herr, daß jener Engel jene Seelen herbeibringe! Vgl. Mt. 5, 45. Vgl. Mt. 5,7. 5 Vgl. Mt. 8, 12; 22, 13. , St. G.
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St. G.
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St. G.
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St. G.: ein.
Vgl. Apg. 1O,34f. St. G.: des Tartarus; Gr.: Temeluchos. 6 Vgl. Offbg. 16, 7; 19, 2. B Vgl. Sir. 22, 13. 10 Vgl. Sir. 39, 24. 13 Vgl. Hesek. 18,21. 2
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XVIII. Spätere Apokalypsen
18. Und in derselben Stunde wurden die Seelen in die Mitte gebracht, und die Seele des Sünders erkannte sie. Und der Herr sagte zur Seele des Sünders: Ich sage dir, Seele, bekenne deine Taten, die du begangen hast gegen diese Seelen, die du siehst, als siel in der Welt waren 5 • Und antwortend sagte sie: Herr, es ist noch kein volles Jahr, seitdem ich diese getötet und ihr Blut auf die Erde vergossen habe, und mit der andern habe ich gehurt; nicht aber dies allein, ich habe sie auch sehr geschädigt, denn 2 ich habe ihr Vermögen weggenommen. Und es sagte Gott, der Herr, der gerechte Richter: Oder wußtest du nicht, daß, wer einem andern Gewalt antut, wenn der, welcher die Gewalt erlitten hat, eher stirbt, an diesem Ort aufbewahrt wird, bis der Schädigende stirbt, und dann treten beide vor den Richter, und nun hat (St. Gr und L.: wird) jeder empfangen nach dem, was er getan hat1 Und ich hörte die Stimme eines, der sagte : Jene Seele möge in die Hände des Tartarus 2 übergeben werden, und sie muß hinab zu den Unterirdischen geführt werden, man führe sie in das Gefängnis der Unterirdischen, und sie werde in Qualen geschickt und dort gelassen bis zum großen Tage des Gerichtes. Und wiederum hörte ich tausend mal tausend von Engeln, die dem Herrn einen Hymnus sagten und ausriefen: Gerecht bist du, Herr, und gerecht sind deine Gerichte 3 • 19. Der Engel antwortete und sagte zu mir: Hast du dies alles wahrgenommen1 4 Und ich sagte: Ja, Herr. Und er sagte zu mir: Folge mir wiederum, und dich lnitnehmend will ich dir die Stätten der Gerechten zeigen. Und ich folgte dem Engel, und er erhob lnich bis zum dritten HimmelS und stellte lnich an die Tür der Pforte. Und aufmerkend sah ich, und die Pforte war golden, und zwei goldene Säulen vor ihr 6 und zwei goldene Tafeln darüber voll von Buchstaben 6. Und es wandte der Engel sich wiederum mir zu und sagte: Selig bist du, wenn du in diese Pforten eingetreten sein wirst, weil nur denen es gestattet wird einzutreten, welche Güte und Unschuld der Körper haben. Und ich fragte den Engel und sagte: Herr, sage mir, weshalb diese Buchstaben auf jene Tafeln gesetzt sind1 Der Engel antwortete und sagte zu lnir: Das sind die Namen der Gerechten, die Gott von ganzem Herzen dienen, welche (= solange sie) die Erde bewohnen. Und wiederum sagte ich: Herr, so sind also ihre Namen im Himmel angeschrieben, während sie noch in die Welt gestellt sind1 Und er antwortete und sagte zu mir: Nicht nur ihre Namen, sondern auch ihre Mienen, und das Gleichnis derer, die Gott dienen, ist im Himmel, und den Engeln sind die Diener Gottes bekannt, die es aus ganzem Herzen sind, bevor sie aus der Welt gehen. 20. Und als ich in das Innere der Pforte des Paradieses eingetreten war, ging mir ein alter Mann entgegen, dessen Angesicht wie die Sonne leuchtete. Und lnich umarmend sagte er: Sei gegrüßt, Paulus, von Gott Geliebtester ! Und er küßte lnich mit heiterer Miene. Und danach fing er an zu weinen 7. Und ich sagte zu ihm: Vater 1, warum weinst du1 Und wiederum seufzend und weinend sagte er: Wir werden ja geschädigt von den Menschen, und sie betrüben uns sehr; denn viel sind die Güter, welche der Herr bereitet hat, und groß ist seine Verheißung, aber viele nehmen sie nicht an. Und ich fragte den Engel und sagte: Wer ist diesed Und er sagte zu lnir: Dieser ist Henoch, der Schreiber der GerechtigkeitS Und ich trat in 1 St. G.: du ... warst. s Vgl. Offgb. 19,2. 5 Vgl. 2. Kor. 12,2.4. 7 St. G.
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Gr: Tartaruchos; C: Temeluchos. Gr, St. G. gesehen St. G., Gr. Vgl. Apokr. Titusbrief, o. S. 98f.
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das Innere jenes Ortes ein, und sogleich sah ich Elias 1 und kommend begrüßte er mich heiter und sich freuend. Und als er (mich)2 gesehen hatte, wandte er sich ab und weinte und sagte zu mir: Paulus, daß du doch die Belohnung für 3 deine Arbeiten, die du im menschlichen Geschlecht geleistet hast, erhieltest! Was mich betrifft, ich habe die großen und zahlreichen Güter, die Gott allen Gerechten bereitet hat, gesehen, und groß sind die Verheißungen Gottes, aber die Mehrzahl bekommen sie nicht; aber auch durch viele Mühen tritt kaum der eine oder der andere in jene Stätten ein. 21. Und der Engel antwortete und sagte zu mir: Was ich dir nun hier zeige und was du gehört haben wirst, das sollst du niemandem auf Erden mitteilen. Und er führte mich und zeigte mir, und ich härte dort Worte, die ein Mensch nicht sagen darf4. Und wiederum sagte er: Folge mir weiter, und ich werde dir zeigen, was du öffentlich erzählen und berichten darfst. Und er ließ mich vom dritten Himmel herab und führte mich in den zweiten Himmel, und wiederum führte er mich an das Firmament, und vom Firmament führte er mich zu den Toren des Himmels. Und er machte eine Öffnung auf5, und es war der Anfang seines Fundamentes über einem Fluß, welcher die ganze Erde bewässert. Und ich fragte den Engel und sagte: Herr, was ist dieser Fluß von Wasser? Und er sagte zu mir: Dies ist der Ozean. Und plötzlich ging ich aus dem Himmel und begriff, daß es das Licht des Himmels ist, welches dem ganzen Land dort7leuchtet. Dort aber jenes7 Land ist siebenmal heller als Silber. Und ich fragte: Herr, was ist dieser Ort~ Und er sagte zu mir: Das ist das Land der Verheißung. Hast du noch nicht gehört, was geschrieben ist: Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben~6 Die Seelen aber 7 der Gerechten, wenn sie aus dem Körper gegangen sind, werden einstweilen nach diesem Ort entlassen. Und ich sagte zu dem Engel: Wird also dies Land nach 2 einer Zeit in Erscheinung treten? Der Engel antwortete und sagte zu mir: Wenn Christus, den du predigst, kommt, um zu regieren, dann wird durch Machtspruch Gottes die erste Erde aufgelöst werden, und dies Land der Verheißung wird dann gezeigt werden, und es wird sein wie Tau oder eine Wolke, und dann wird der Herr Jesus Christus, der ewige König, offenbart werden und wird mit allen seinen Heiligen kommen 8, um darauf zu wohnen, und wird über sie tausend Jahre regieren 9, und sie werden essen von den Gütern, welche ich dir jetzt zeigen werde. 22. Und ich beschaute jenes Land, und ich sah einen Fluß, der floß von Milch und Honig10 , und am Ufer des Flusses waren Bäume gepflanzt voll Früchte; jeder Baum aber trug zwölfmall l zwölf Früchte im Jahr, mannigfaltige und verschiedene. Und ich sah das Geschöpf jenes Ortes und alles Werk Gottes, und ich sah dort Palmen von 20 Ellen, andere aber von 10 Ellen. Jenes Land aber war siebenmal heller als Silber. Und die Bäume waren voll von Früchten von der Wurzel bis zum Gipfel. (Statt des hier unverständlichen LI hat 0:) Von der Wurzel jeden Baumes bis 1 So mit S und dem Wiener Cod. 362 zu lesen. Das solem bzw. 80lum (St. G.) anderer Hss. ist durch Verlesung des griechischen Helias in Helio8 zu erklären, s. Silverstein S. 37. 2 Vgl. Apokr. Titusbrief a.a.O. 3 merces nach Wien. C. 362 einzusetzen. 42. Kor. 12,4. 5 St. G. 6 Matth. 5,5. 7 St.G. 8 Vgl. 2. Thess. 1, 10. 9 Offbg. 20, 2. 10 Vgl. 2. Mos. 3,8. 1] St. G. besser: zwölfmal im Jahre mannigfaltige und verschiedene Früchte.
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XVIII. Spätere Apokalypsen
zu seinem Herzen waren zehntausend Zweige mit Zehnern von Tausenden von Trauben, [und es waren zehntausend Trauben an jedem Zweig] und es waren zehntausend Datteln an jeder Traube. Und so war es auch bei den Weinstöcken. Jeder Weinstock hatte zehntausend Reben, und jede Rebe hatte an sich zehntausend Beerentrauben, und jede Traube hatte zehntausend Beeren 1. Und dort gab es noch andere Bäume, Myriaden von Myriaden davon, und ihre Frucht war in demselben Verhältnis. (L:) Und ich sagte zu dem Engel: Warum bringt ein jeder Baum Tausende von Früchten 1 Der Engel sagte antwortend zu mir: Weil der Herr Gott seine Gaben in seinem ÜberHuß den Würdigen fließend gibt, weil sie, solange sie in der Welt weilten, aus freiem Willen sich selbst niederbeugten, indem sie alles um seines heiligen Namens willen taten. Und wiederum sagte ich zu dem Engel: Herr, sind dies die einzigen Verheißungen, welche der Herr Gott seinen Heiligen verheißen hat1 Und antwortend sagte er zu mir: Nein, es gibt nämlich welche, die siebenmal größer sind. Ich sage dir aber, daß, wenn die Gerechten aus dem Körper gegangen sind und 2 sehen werden die Verheißungen und Güter, welche ihnen Gott bereitet hat, sie wiederum noch seufzen und weinen werden sagend: Warum nur haben wir ein Wort aus unserm Munde hervorgehen lassen, den Nächsten zu reizen auch nur an einem Tag1 Ich aber fragte und sagte wiederum: Sind nur dies die Verheißungen Gottes1 Und antwortend sagte der Engel zu mir: Das, was du jetzt siehst, ist für die, welche verheiratet sind und die Keuschheit in der Ehe bewahren, indem sie sich enthalten. Für die Jungfräulichen aber und solche, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit 3 und sich um des Namens des Herrn willen demütigen, wird Gott Dinge geben, die siebenmal größer sind als diese, was ich dir nun zeigen werde. Und danach nahm er mich weg aus jenem Orte, wo ich dies sah, und siehe! ein Fluß und seine Wasser waren sehr weiß, mehr als Milch. Und ich sagte zu dem Engel: Was ist das 1 Und er sagte zu mir: Dies ist der Acherusische See, wo die Stadt Christi ist, aber nicht jedermann wird gestattet, in jene Stadt einzutreten. Dies ist nämlich der Weg, welcher zu Gott führt; und wenn einer ein Hurer oder Gottloser ist und sich bekehrend Buße tut und der Buße würdige Frucht bringt, wird er, wenn er aus dem Körper herausgegangen ist, zuerst hingeführt und betet Gott an, und von dort wird er auf Befehl des Herrn dem Engel Michael übergeben, und der tauft ihn im Acherusischen See. So führt er ihn in die Stadt Christi neben die hin, die nicht gesündigt haben. Ich aber wunderte mich und pries den Herrn Gott wegen alledem, was ich sah. 23. Und der Engel antwortete und sagte zu mir: Folge mir, und ich will dich in die Stadt Christi führen. Und er stand am Acherusischen See und setzte mich in ein goldenes Schiff, und ungefähr dreitausend Engel sagten einen Hymnus vor mir, bis ich zur Stadt Christi gelangte. Die aber die Stadt Christi bewohnten, freuten sich sehr über mich, wie ich zu ihnen ging, und ich trat ein und sah die Stadt Christi 4, und sie war ganz golden, und zwölf Mauern umgaben sie, und zwölf Türme darin (C: ein Turm auf jeder Mauer; S: und zwölftausend befestigte Türme sind in ihrer Mitte), und die einzelnen Mauern hatten unter sich je ein Stadium im Umkreis 5. Und ich sagte zudem Engel: Herr, wievielist ein Stadium? Es antwortete Vgl. die Schilderung des Papias (Irenäus, V 33, 3f.). 2 und nach Seingesetzt. Mt 5, 6. 4 Vgl. hierzu u. zum folgenden Offbg. 21, 10ff. 5 S Urmiensis: und zwischen ihnen jeder war ein Stadium. C: Der Umkreis jeder war 100 Stadien. 1
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der Engel und sagte zu mir: Es ist so viel wie zwischen dem Herrn Gott und den Menschen, die auf Erden sind, weil nämlich einzig groß ist die Stadt Christi. Und zwölf Tore von großer Schönheit waren im Umkreis der Stadt, und vier Flüsse l umgaben sie. Es waren aber ein Fluß von Honig und ein Fluß von Milch und ein Fluß von Wein und ein Fluß von Öl. Und ich sagte zu dem Engel: Was sind das für Flüsse, welche diese Stadt umgeben? Und er sagte mir: Dies sind die vier Flüsse, welche reichlich fließen für die, welche in diesem Lande der Verheißung sind, deren Namen sind: der Fluß von Honig wird genannt Pison und der Fluß von Milch Eufrat und der Fluß von Öl Gihon und der Fluß von Wein Tigris2. Wie die Gerechten also in der Welt sind, haben sie die Macht über diese Dinge nicht gebraucht, sondern haben ohne sie gehungert und sich gedemütigt wegen des Herrn Gott. Deshalb wird der Herr ihnen, wenn sie in diese Stadt eintreten, dieses über Zahl 3 und Maß geben. 24. Und ich sah, als ich in das Tor eintrat, große und sehr hohe Bäume, die keine Frucht, (sondern) nur Blätter hatten. Und ich sah einige Männer, die zerstreut inmitten der Bäume waren; und sie weinten sehr, wenn sie einen in die Stadt eintreten sahen. Und jene Bäume taten Buße für sie, indem sie sich selbst erniedrigten und neigten, und sie richteten sich wieder auf. Und ich sah es und weinte mit ihnen und fragte den Engel und sagte: Herr, wer sind diese, die man nicht in die Stadt Christi hat eintreten lassen? Und er sagte zu mir: Das sind die, welche eifrig mit Fasten Tag und Nacht Verzicht geübt haben, aber sie haben ein Herz gehabt, das stolzer war als die übrigen Menschen, indem sie sich selbst rühmten und lobten und dem Nächsten nichts taten. Denn die einen grüßten sie freundlich, andern sagten sie nicht einmal: Sei gegrüßt! und welchem sie wollten, öffneten sie die Pforte des Klosters 4, und wenn sie ihrem Nächsten einmal ein bißchen erwiesen, waren sie aufgeblasen. Und ich sagte: Herr, wie also, ihr Stolz hat sie gehindert, in die Stadt Christi einzutreten? Und antwortend sagte der Engel zu mir: Die Wurzel aller übel ist der Stolz. Sind sie etwa besser als der Sohn Gottes, der zu den Juden in großer Demut kam? Und ich fragte ihn und sagte: Was ist es damit, daß die Bäume sich erniedrigen und wiederum sich aufrichten? Und der Engel antwortete und sagte zu mir: All die Zeit, die jene auf Erden zubrachten, Gott dienend, haben sie wegen der Beschämung und der Vorwürfe der Menschen zeitweilig errötend sich erniedrigt, sind aber nicht betrübt gewesen noch haben sie Buße getan, daß sie abließen von ihrem Hochmut, der in ihnen war. Das ist der Grund, warum die Bäume sich erniedrigen und wiederum sich aufrichten. Und ich fragte und sagte: Weshalb sind sie zugelassen an den Toren der Stadt? Der Engel antwortete und sagte zu mir: Wegen der großen Güte Gottes und weil hier der Eingang aller Heiligen, die in diese Stadt eintreten, ist. Deswegen sind sie an diesem Ort gelassen, daß, wenn der ewige König Christus mit seinen Heiligen einzieht, alle Gerechten bei seinem Eintritt für sie bitten, und sie dann mit ihnen in die Stadt einziehen, jedoch vermag niemand derselben dasselbe Vertrauen zu haben, welches jene hatten, die sich demütigten, dem Herrn Gott dienend in ihrem ganzen Leben. 25. Ich aber schritt unter Führung des Engels einher, und er brachte mich zu dem Flusse von Honig, und ich sah dort Jesaja und Jeremia und Ezechiel und 1 3
St. G. ohne welche St. G.
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Vgl. 1. Mos. 2, llff.
• St. G.
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XVIII. Spätere Apolcalypsen
Amos und Sacharia, die kleineren und größeren Propheten, und sie grüßten mich in der Stadt. Ich sagte zu dem Engel: Was ist dieser Weg? Und er sagte zu mir: Dies ist der Weg der Propheten. Jeder, der seine Seele trübe gestimmt und nicht seinen eigenen Willen um Gottes willen getan hat, wenn er aus der Welt gegangen und zum Herrn Gott geführt ist und ihn angebetet hat, wird dann auf Befehl Gottes Michael übergeben, und der führt ihn in die Stadt an diesen Ort der Propheten, und sie begrüßen ihn wie ihren Freund und Nächsten, weil er den Willen Gottes getan hat. 26. Wiederum führte er mich dahin, wo der Fluß von Milch war. Und ich sah an jenem Orte alle Kinder, welche der König Herodes um des Namens Christi willen getötet hat!, und sie grüßten mich. Und der Engel sagte zu mir: Alle, welche Keuschheit und Reinheit bewahren 2, wenn sie aus dem Körper gegangen sind, werden, nachdem sie den Herrn Gott angebetet haben, Michael übergeben und zu den Kindern geführt, und sie grüßen sie sagend: Sie sind unsere Brüder und Freunde und (Mit-) Glieder. Unter ihnen werden sie die Verheißungen Gottes erben. 27. Wiederum nahm er mich und brachte mich zum Norden der Stadt und führte mich dahin, wo der Fluß von Wein war; und ich sah dort Abraham, Isaak und Jakob, Lot und Hiob und andere Heilige; und sie grüßten mich. Und ich fragte und sagte: Was ist dies für ein Ort, Herr? Es antwortete der Engel und sagte zu mir: Alle, die Fremde aufgenommen haben, wenn sie aus der Welt gegangen sind, beten zuerst den Herrn Gott an und werden Michael übergeben und auf diesem Wege in die Stadt geführt, und alle Gerechten begrüßen sie 3 wie Söhne und Brüder und sagen zu ihnen: Weil ihr bewahrt habt Menschlichkeit und Gastfreundschaft von Pilgern, kommt, habt das Erbe in der Stadt unseres Gottes. Ein jeder Gerechte wird nach seiner besonderen Handlung in der Stadt die Güter Gottes erhalten. 28. Und wiederum brachte er mich an den Fluß von Öl östlich der Stadt. Und dort sah ich Männer, die frohlockten und Psalmen sangen, und ich sagte: Wer sind diese, Herr? Und der Engel sagte zu mir: Dies sind die, welche sich von ganzem Herzen Gott geweiht haben und nicht Stolz in sich haben. Denn alle, welche sich in dem Herrn Gott freuen 4 und von ganzem Herzen dem Herrn psallieren, werden hierher in diese Stadt geführt. 29. Und er trug mich in die Mitte der Stadt neben die zwölfte 5 Mauer. Sie war aber an dieser Stelle höher als andere. Und ich fragte und sagte: Gibt es in der Stadt Christi eine Mauer, die an Ehre dieser Stelle vorangeht? Und antwortend sagte der Engel zu mir: Die zweite ist besser als die erste und ebenso die dritte als die zweite, weil eine die andere übertrifft bis hin zur zwölften Mauer. Und ich sagte: Weshalb, Herr, übertrifft eine die andere an Ruhm? Deute es mir! Und antwortend sagte der Engel zu mir: Allen, die in sich auch nur ein wenig Verleumdung oder Eifersucht oder Stolz haben, wird etwas vom Ruhm derselben gemindert, auch wenn sie in der Stadt Christi zu sein scheinen 6 • Blicke rückwärts! Und ich wandte mich und sah goldene Throne, die an die einzelnen Tore gestellt waren, und auf ihnen Männer, die goldene Diademe und Edelsteine hatten. Und ich blickte und sah zwischen den zwölf Männern in anderer Ordnung gestellte Vgl. Mt. 2, 16. aSt. G. Im folgenden meist nach St. G. • Vgl. Ps. 68, 4. 5 St. G. und C. • Auch wenn ... 8cheinen nach St. G., Ll anders. 1
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1. Apokalypse des Paulus
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Throne, die von großer Herrlichkeit (zu sein) schienen, so daß niemand ihr Lob auszusagen vermag. Und ich fragte den Engel und sagte: Herr, wer sind die, welche auf den Thronen sitzen werden l . Und antwortend sagte der Engel zu mir: Dies sind die Throne derer, welche Güte und Verständnis des Herzens hatten und sich (gleichwohl) selbst zu Toren gemacht haben um des Herrn Gottes willen, indem sie weder die Schriften kannten noch mehrere Psalmen, sondern eines Kapitels über die Gebote Gottes eingedenk und sie hörend nach diesen (Geboten) in großer Sorgfalt gehandelt haben und (dabei) rechten Eifer vor dem Herrn Gott zeigend. Und über diese ergreift alle Heiligen vor dem Herrn Gott Bewunderung, . indem sie sich unterhaltend einer zum andern sagen: Wartet und seht diese Unerfahrenen, die nichts weiter wissen, wie sie ein so großes und schönes Gewand verdient haben und solchen Ruhm wegen ihrer Unschuld. Und ich sah mitten in der Stadt einen großen, sehr hohen Altar, und es stand einer neben dem Altar, dessen Gesicht leuchtete wie die Sonne, und er hielt in seinen Händen ein Psalterium und eine Zither, und er psallierte sagend: Halleluja 2 • Und seine Stimme erfüllte die ganze Stadt. Und sobald alle, die auf den Türmen und an den Toren waren, ihn hörten, antworteten sie: Halleluja, so daß die Fundamente der Stadt sich bewegten. Und ich fragte den Engel und sagte: Wer ist, Herr, der hier von so großer Gewalt1 Und der Engel sagte zu mir: Dies ist David; dies ist die Stadt Jerusalem. Wenn aber Christus, der König der Ewigkeit, mit dem Vertrauen(?) seines Reiches gekommen sein wird, dann wird er wiederum vorausschreiten, um zu psallieren, und alle Gerechten psallieren gleichzeitig respondierend: Halleluja. Und ich sagte: Herr, wieso macht allein David vor den übrigen Heiligen den Anfang des Psallierens1 Und antwortend sagte der Engel zu mir: Weilm Christus, der Sohn Gottes, sitzt zur Rechten seines Vaters, wird auch dieser David vor ihm psallieren im siebenten Himmel, und wie es im Himmel geschieht, so gleicherweise auch unterhalb, weil es nicht erlaubt ist, ohne David Gott ein Opfer darzubringen, sondern es ist nötig, daß David psalliere in der Stunde der Darbringung des Leibes und Blutes Christi; wie es im Himmel ausgerichtet wird, so auch auf der Erde. 30. Und ich sagte zu dem Engel: Herr, was ist Halleluja1 Und antwortend sagte der Engel zu mir: Du forschest und fragst in (bei) allen Dingen. Und er sagte zu mir: Halleluja wird gesagt in der hebräischen Sprache Gottes und der Engel; die Bedeutung von Halleluja ist aber diese: teceI. cat. marith. macha. Und ich sagte: Herr, was ist teceI. cat. marith. macha1 Und antwortend sagte der Engel zu mir: Dies ist teceI. cat. marith. macha: Laßt uns ihn preisen all zusammen. Ich fragte den Engel und sagte: Herr, preisen alle, welche Halleluja sagen, Gott1 Und der Engel antwortete und sagte zu mir: So ist es; wiederum, wenn jemand also Halleluja psalliert und die anwesend sind, nicht gleichzeitig psallieren, begehen sie Sünde, weil sie nicht mitpsallieren. Und ich sagte: Herr, sündigt auch ähnlich, wenn einer kindisch oder sehr alt ist1 Es antwortete der Engel und sagte zu mir: Nein, wer es aber vermag und nicht mitpsalliert, einen solchen erkennt man als Verächter des Wortes. Und es wäre stolz und unwürdig, daß er nicht den Herrn Gott, seinen Schöpfer, preise. 31. Und als er aufgehört hatte, zu mir zu reden, führte er mich nach draußen außerhalb der Stadt mitten durch Bäume und rückwärts weg von den Stätten des 1
St. G.
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Vgl. Ps. 57, 9.
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XVIII. Spätere Apokalypsen
Landes der Güter und stellte mich an den Fluß von Milch und Honig. Und danach führte er mich zum Ozean, der die Fundamente des Himmels trägt. Und der Engel antwortete und sagte zu mir: Begreifst du, daß du von hier fortgehst? Und ich sagte: Ja, Herr. Und er sagte zu mir: Komm und folge mir, und ich will dir die Seelen der Gottlosen und Sünder zeigen, damit du erkennst, wie beschaffen der Ort ist. Und ich brach mit dem Engel auf, und er trug mich nach Sonnenuntergang zu, und ich sah den Anfang des Himmels gegründet auf einem großen Fluß Wassers, und ich fragte: Was ist dieser Fluß von Wasser? Und er sagte zu mir: Dies ist der Ozean, welcher die ganze Erde umgibt. Und als ich an der Außenseite des Ozeans war, blickte ich umher, und es war nicht Licht an jenem Orte, sondern Finsternis und Traurigkeit und Betrübnis, und ich seufzte. Und ich sah dort einen Fluß von Feuer siedend, und hineingeschritten war eine Menge von Männern und Weibern, eingesunken bis an die Knie, und andere Männer bis an den Nabel, andere bis an die Lippen, andere aber bis zu den Haaren. Und ich fragte den Engel und sagte: Herr, wer sind die im feurigen Flusse? Und der Engel antwortete und sagte zu mir: Sie sind weder heiß noch kaltl, weil sie weder in der Zahl der Gerechten gefunden sind noch in der Zahl der Gottlosen. Diese verwandten nämlich die Zeit ihres Lebens auf Erden, indem sie einige Tage mit Gebeten zubrachten, andere Tage aber in Sünden und Hurereien bis zum Tode. Und ich fragte und sagte: Wer sind die, Herr, welche bis zu den Knien im Feuer eingesunken sind? Antwortend sagte er zu mir: Das sind die, welche, wenn sie aus der Kirche gegangen sind, sich damit beschäftigen, in fremdartigen Gesprächen zu debattieren. Die aber, welche bis zum Nabel eingesunken sind, das sind die, welche, wenn sie Leib und Blut Christi genommen haben, hingehen und huren und nicht ablassen von ihren Sünden, bis sie sterben. Die bis an die Lippen Eingesunkenen sind wechselseitige Verleumder, wenn sie in der Kirche Gottes zusammenkommen. Die bis an die Augenbrauen Eingesunkenen aber sind die, welche sich zuwinken, ihrem Nächsten (dabei) Bosheit heimlich bereiten. 32. Und ich sah nach Norden zu einen Ort von mannigfaltigen und verschiedenen Strafen, voll von Männern und Weibern, und ein feuriger Fluß floß auf sie 2 herab. Ich blickte aber und sah Gruben von außerordentlicher Tiefe, und in ihnen waren sehr viele Seelen zusammen, und die Tiefe jenes Ortes war ungefähr 3000 3 Ellen, und ich sah sie seufzend und weinend und sagend: Erbarme dich unser, Herr! Aber niemand erbarmte sich ihrer. Und ich fragte den Engel und sagte: Wer sind diese, Herd Und antwortend sagte der Engel zu mir: Dies sind die, welche nicht auf den Herrn gehofft haben, daß sie ihn zum Helfer haben könnten. Und ich fragte und sagte: Herr, wenn diese Seelen von vor dreißig oder vierzig Generationen so eine auf der andern bleiben, wenn sie nicht 4 tiefer hinabgelassen werden, glaube ich, würden die Gruben sie nicht fassen. Und er sagte zu mir: Der Abyssus hat kein Maß, überdies folgt auch auf ihn nämlich der (Abgrund?), welcher darunter ist. Und es ist so, wie wenn etwa jemand einen Stein nimmt und wirft ihn in einen sehr tiefen Brunnen, und nach vielen Stunden gelangt er zur Erde, so ist der Abyssus. Wenn die Seelen dahinein geworfen werden, gelangen sie kaum nach fünfhundert Jahren auf den Grund. 33. Ich aber, als ich das gehört hatte, weinte und seufzte über das menschliche 1
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V gl. Offbg. 3, 16. St. G.: 30000 Stadien.
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St. G. Ich ändere si in nisi.
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Geschlecht. Es antwortete der Engel und sagte: Warum weinst du? Bist du barmherziger als Gott?! Da nämlich Gott gütig ist und weiß, daß es Strafen gibt, trägt er geduldig das menschliche Geschlecht, indem er einem jeden nach seinem eigenen Willen zu handeln erlaubt in der Zeit, wo er auf der Erde wohnt. 34. Und ich blickte noch auf den feurigen Fluß und sah dort, wie einem Menschen von tartarushütenden Engeln die Kehle zugeschnürt wurde, die in ihren Händen ein Eisen mit drei Zacken hatten, womit sie die Eingeweide jenes Greises durchbohrten. Und ich fragte den Engel und sagte: Herr, wer ist jener Greis, dem solche Qualen auferlegt werden? Und antwortend sagte der Engel zu mir: Der, welchen du siehst, war ein Presbyter, der seinen Dienst nicht wohl versehen hat. Während er aß und trank und hurte, brachte er dem Herrn das Opfer an seinem heiligen Altar dar 2 • 35. Und ich sah nicht weit entfernt einen andern Greis, den vier böse Engel in Eile laufend herzubrachten, und sie ließen ihn bis an die Knie in den feurigen Fluß hinab und bewarfen ihn mit Steinen und verwundeten sein Gesicht wie ein Sturm und erlaubten ihm nicht zu sagen: Erbarme dich meiner! Und ich fragte den Engel, und er sagte zu mir: Der, welchen du siehst, ist Bischof gewesen, aber er hat sein Bischofsamt nicht gut ausgeführt; er hat zwar einen großen Namen erhalten, aber er ist nicht eingetreten in die Heiligkeit dessen, der ihm den Namen gegeben hat, in seinem ganzen Leben, weil er nicht gerechtes Gericht gehalten und sich der Witwen und Waisen nicht erbarmt hat. Nun aber ist ihm vergolten gemäß seiner Ungerechtigkeit und seinen Werken. 36. Und ich sah einen andern Menschen im feurigen Flusse bis an die Knie. Es waren aber seine Hände ausgestreckt und blutig, und Würmer gingen aus seinem Munde und aus seinen Nasenlöchern, und er war seufzend und weinend, und ausrufend sagte er: Erbarme dich meiner, denn mir wird mehr Leid zugefügt, als den übrigen, die in dieser Strafe sind. Und ich fragte: Wer ist dieser, Herr? Und er sagte zu mir: Dieser, den du siehst, ist Diakon gewesen, der die Opfergaben aufaß und hurte und das Rechte angesichts Gottes nicht tat. Deshalb bezahlt er unaufhörlich diese Strafe. Und ich blickte und sah an seiner Seite einen andern Menschen, den man in Eile brachte und in den feurigen Fluß warf, und er war (darin) bis an die Knie. Und es kam der Engel, der über die Strafen (gesetzt) war, mit einem großen feurigen Schermesser, und damit zerfleischte er die Lippen jenes Mannes und die Zunge in gleicher Weise. Und seufzend weinte ich und fragte: Wer ist jener, Herr? Und er sagte zu mir: Der, welchen du siehst, ist Vorleser (Lektor) gewesen und hatte dem Volke vorgelesen, er selbst aber beobachtete die Gebote Gottes nicht. Nun bezahlt er auch seine besondere Strafe. Vgl. 4. Esra 8, 19. Ursprünglicher sind hier C und S. C: Dann blickte ich auf den Fluß von Feuer; ich sah einen alten Mann, welcher (Gr: von zweien) gezogen wurde. Sie tauchten ihn bis an seine Knie unter. Und der Engel Aftemeluchos kam mit einer großen feurigen Forke, welche drei Zacken hatte, damit zog er seine Eingeweide aus dem Munde. (St. G. fast gleichlautend.) - S: Und ich blickte und sah wiederum einen Fluß von Feuer, der sehr viel reißender war als jener andere Fluß, und einen alten Mann, den führten Engel und tauchten ihn in diesen Fluß von Feuer bis an seine Knie. Und es kam ein Diener von den Engeln, und er hatte in seiner Hand einen Stab von Eisen, an dem waren drei Zähne. Und er brachte die Eingeweide jenes Alten (damit) aus seinem Munde heraus. 1
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37. Und ich sah eine andere Menge von Gruben an jenem Orte und in der Mitte davon einen Fluß, der angefüllt war mit einer Menge von Männern und Weibern, und Würmer verzehrten sie. Ich aber weinte, und seufzend fragte ich den Engel und sagte: Herr, wer sind diese? Und er sagte zu mir: Das sind die, welche Zinseszins eintrieben und auf ihre Reichtümer vertrauten 1, nicht hoffend auf Gott, daß er ihnen Helfer wäre. Und wiederum blickte ich und sah einen andern sehr engen Ort, und er war wie eine Mauer und in seinem Umkreis Feuer. Und ich sah darin Männer und Weiber, die ihre Zunge zerkauten, und fragte: Wer sind diese, Herr? Und er sagte zu mir: Dies sind die, welche in der Kirche das Wort Gottes verunglimpfen, nicht darauf achtend, sondern gewissermaßen Gott und seine Engel für nichts achtend. Deshalb bezahlen sie nun in gleicher Weise ihre besondere Strafe. 38. Und ich blickte und sah ein anderes Loch 2 unten in der Grube, und sein .Anblick war wie Blut. Und ich fragte und sagte: Herr, was ist dieser Ort? Und er sagte zu mir: In dieser Grube fließen alle Strafen zusammen. Und ich sah Männer und Weiber, eingetaucht bis an die Lippen, und fragte: Wer sind diese, Herr? Und er sagte zu mir: Diese sind Zauberer, welche Männern und Weibern magische Zaubermittel dargereicht haben und es nicht möglich machten, daß sie zur Ruhe kamen, bis sie starben. Und wiederum sah ich Männer und Weiber von sehr schwarzem .Angesicht in der Feuergrube und seufzte und weinte und fragte: Wer sind diese, Herr? Und er sagte zu mir: Diese sind Hurer und Ehebrecher, die, obwohl sie eigene Frauen hatten, die Ehe gebrochen haben; gleicherweise haben auch die Weiber in derselben Art die Ehe gebrochen, obwohl sie eigene Männer hatten. Deshalb bezahlen sie unaufhörliche Strafen. 39. Und ich sah dort Mädchen, welche schwarze Gewänder hatten, und vier fürchterliche Engel, die in ihren Händen feurige Ketten hatten. Und sie legten sie (die Ketten) an ihre Nacken und führten sie in die Finsternis. Und wiederum weinend fragte ich den Engel: Wer sind diese, Herr? Und er sagte zu mir: Diese sind solche, welche, obwohl sie als Jungfrauen bestellt waren, ihre Jungfrauenschaft ohne Wissen ihrer Eltern verunreinigt haben. Deshalb bezahlen sie unaufhörlich ihre besonderen Strafen 3 • Und wiederum erblickte ich dort Männer und Weiber mit zerschnittenen (oder: abgeschnittenen) Händen und Füßen gestellt' und nackt an einen Ort von Eis und Schnee, und Würmer verzehrten sie. Wie ich es aber sah, weinte und fragte ich: Wer sind diese, Herr? Und er sagte zu mir: Diese sind die, welche Waisen und Witwen und Arme geschädigt 5 und nicht auf den Herrn gehofft haben. Deshalb bezahlen sie unaufhörlich ihre besonderen Strafen. Und ich blickte und sah andere hängend über einem Wasserlauf, und ihre Zungen waren hinlänglich trocken, und viele Früchte waren in ihrem .Anblick angebracht, aber es wurde ihnen nicht erlaubt, von diesen zu nehmen. Und ich fragte: Wer sind Vgl. Sir. 5, 1. I Loch nach Gr statt Mann von V. Der Grund der Strafe wird klarer in C und in Gr angegeben: C: Das sind die, welche ihre JungfräUlichkeit befleckt haben, bevor sie den Gatten gegeben wurden; bevor sie erwachsen waren, befleckten sie (sie), auch wußten ihre Eltern nicht von ihnen. Gr: Diese sind die, welche ihren Eltern nicht gehorchten, sondern vor der Heirat ihre Jungfräulichkeit befleckten. • Man sollte gestellt hinter an einen Ort von Eis und Schnee erwarten. 5 Vgl. Sach. 7, 10. 1
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die, Herr? Und er sagte zu mir: Das sind die, welche vor der festgesetzten Stunde das Fasten gebrochen haben. Deswegen bezahlen sie unaufhörlich diese Strafen. Und ich sah andere, Männer und Weiber, aufgehängt an ihren Augenbrauen und Haaren, und ein feuriger Fluß zog (?) sie, und ich sagte: Wer sind diese, Herr~ Und er sagte zu mir: Dies sind solche, die sich nicht den eigenen Männern und Frauen hingeben, sondern Ehebrechern, und darum bezahlen sie unaufhörlich die besonderen Strafen 1. Und ich sah andere, Männer und Weiber, mit Staub bedeckt, und ihr Anblick war wie Blut, und sie waren in einer Grube von Pech und Schwefel und liefen in einen feurigen Fluß hinab. Und ich fragte: Wer sind diese, Herr~ Und er sagte zu mir: Diese sind die, welche die Gottlosigkeit von Sodom und Gomorra begangen haben, Männer mit Männern 2 • Deshalb bezahlen sie unaufhörlich Strafen. 40. Und ich blickte und sah Männer und Weiber, angetan mit hellen Gewändern, welche blinde Augen hatten, in eine Grube von Feuer 3 gesetzt. Und ich fragte: Wer sind diese, Herr~ Und er sagte zu mir: Diese sind von den Heiden, die Almosen gegeben haben und den Herrn Gott nicht kannten; deshalb zahlen sie unaufhörlich ihre besondere Strafen. Und ich blickte und sah andere Männer und Weiber auf einer feurigen Spitzsäule, und Tiere zerrissen sie, und es wurde ihnen nicht erlaubt zu sagen: Erbarme dich unser, 0 Herr ! Und ich sah den Engel 4 der Strafen in stärkster Weise Strafen auf sie legen und sagen: Erkennt das GerichtS des Sohnes Gottes an! Denn es ist euch vorausgesagt; wenn euch die göttlichen Schriften vorgelesen wurden, gabt ihr nicht acht; deshalb ist das Gericht Gottes gerecht; eure bösen Handlungen haben euch erfaßt und euch in diese Strafen geführt. Ich aber seufzte und weinte und fragte und sagte: Wer sind diese Männer und Weiber, die im Feuer erwürgt werden und Strafen bezahlen~ Und er antwortete mir: Dies sind die Weiber, welche das Gebilde Gottes befleckten, indem sie aus dem Mutterschoß Kinder hervorbrachten, und das sind die Männer, die ihnen beiwohnten. Ihre Kinder aber gingen den Herrn Gott und die Engel, die über die Strafen (gesetzt) waren, an sagend: Verteidige uns 6 vor unsern Erzeugern?, denn sie haben das Gebilde Gottes befleckt; den Namen Gottes zwar habend, aber seine Gebote nicht beobachtend, haben sie uns zur Speise den Hunden und zum Zertreten den Schweinen gegeben8 , andere in den Fluß geworfen. Jene Kinder aber wurden den Engeln des Tartarus 9 , die über die Strafen waren, 1 Der bessere koptische Text dieses Absatzes lautet: Und ich sah andere Männer und Weiber aufgehängt mit dem Kopf nach unten, und große Fackeln von Feuer brannten vor ihren Gesichtern, und Drachenschlangen waren ~tm ihre Leiber geschlungen und verschlangen sie. Und ich sagte zu dem Engel: Wer sind diese, mein Herr, die in dieser schrecklichen Weise leiden? Und der Engel sagte zu mir: Diese sind die, welche sich zu schmücken pflegen mit Teufelssalben und gehen in die Kirche um Ehebruchs willen und nicht ihrer Ehemänner wegen. Sie machten Gott sich zum Feinde wegen ihrer täuschenden Salben. Deshalb werden sie diese Strafe erhalten, welche in Ewigkeit bleibt. I Vgl. 1. Mos. 19,4:ff. 3 St. G. • C: Aftemelouchos. 5 So C. 6 St. G. 7 Gr.: Schaffe uns Recht gegen unsere Mütter! 8 C fügt hinzu: und erlaubten uns nicht zu gerechten Menschen heranzuwachsen und Gott zu dienen. Apoc. Mariae: sie erlaubten uns nicht heranzuwachsen, um Gutes oder Böses zu tun. 9 Gr: einem Engel. St. G: dem tararushütenden Engel. Apoc. Mariae: Temliaqos = Temeluchos.
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übergeben, daß sie sie an einen geräumigen Ort des Erbarmens führten. Ihre Väter und Mütter aber wurden in ewiger Strafe erstickt. Und darauf sah ich Männer und Weiber angetan mit Lappen voll von Pech und Schwefel von Feuer, und Drachen waren gewunden um ihre Hälse und Schultern und Füße, und Engel, die feurige Hörner hatten, hielten sie im Zaum und schlugen sie und schlossen ihre Nasen, sagend: Warum habt ihr nicht erkannt die Zeit, in welcher es recht war, daß ihr Buße tatet und Gott dientet, und habt es nicht getan~ Und ich fragte: Wer sind diese, Herd Und er sagte zu mir: Diese sind die, welche der Welt zu entsagen schienen, indem sie unser Gewand anlegten, aber die Hindernisse der Welt machten sie zu Elenden, indem sie nicht eine einzige! Agape veranstalteten, und der Witwen und Waisen erbarmten sie sich nicht; den Ankömmling und Fremden nahmen sie nicht auf, auch nicht eine Gabe (Oblation) darbringend, und erbarmten sich nicht des Nächsten. Ihr Gebet aber stieg auch nicht an einem Tage als reines zu dem Herrn Gott empor; viele Hindernisse der Welt aber hielten sie ab, und sie konnten nicht das Rechte tun angesichts Gottes. Und Engel gingen mit ihnen umher 2 an dem Ort der Strafen. Es sahen sie aber die, welche in Strafen waren, und sagten zu ihnen: Wir wenigstens in der Welt lebend, haben Gott vernachlässigt; warum habt ihr gleicherweise gehandelt~ Und sie führten sie an einen andern Ort, und auch die sagten in gleicher Weise zu ihnen: Wir, da wir in der Welt waren, wußten, daß wir Sünder waren; wir sahen aber euch in heiligem Gewande und priesen euch selig, indem wir sagten: "Die sind gerecht und Diener Gottes". Nun aber haben wir erkannt, daß ihr eitel nach dem Namen Gottes genannt seid; deshalb zahlt ihr die beständige Strafe. Und seufzend weinte ich und sagte: Wehe den Menschen, wehe den Sündern! Weshalb sind sie geboren worden~ Und antwortend sagte der Engel zu mir: Warum weinst du ~ Bist du barmherziger als der Herr Gott, der gepriesen ist in Ewigkeit, der Gericht festgesetzt hat und einem jeden erlaubt hat, nach eigenem Willen gut und böse zu wählen und zu tun, was ihm beliebt~ Wiederum weinte ich noch auf das heftigste, und er sagte zu mir: Weinst du, während du bisher noch nicht größere Strafen gesehen hast~ Folge mir, und du wirst welche sehen, die siebenmal größer sind als diese. 41. Und er trug mich nach Norden, dem Ort aller Strafen 3 und stellte mich an einen Brunnen, und ich fand ihn mit sieben Siegeln versiegelt 4 • Und antwortend sagte der Engel, der mit mir war 5 , zu dem Engel jenes Ortes: Öffne die Mündung des Brunnens, damit Paulus, der Höchstgeliebte Gottes, hineinblicke, weil ihm die Vollmacht gegeben ist, daß er alle Strafen der Unterwelt sehe. Und der Engel sagte zu mir: Steh entfernt, weil du nicht den Gestank dieses Ortes auszuhalten vermagst! Als also der Brunnen geöffnet worden war, stieg sogleich ein harter und sehr bösartiger Geruch auf, der alle Strafen übertraf. Und ich blickte in den Brunnen und sah feurige Massen von allen Seiten brennend, und die Enge des Brunnens war an der Mündung des Brunnens so eng, daß er nur einen einzigen Menschen zu fassen vermochte. Und der Engel antwortete und sagte zu mir: Wenn einer in diesen Brunnen des Abgrundes geschickt und über ihm versiegelt worden ist, geschieht niemals seiner Erwähnung vor dem Vater und dem Sohne und dem heiligen Geiste 1 3
6
St. G., C. St. G., C, S. Im folgenden öfter nach St. G.
• Das Folgende meist nach St. G. 4 Vgl. Offbg. 5, 1.
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und den heiligen Engeln. Und ich sagte: Wer sind diese, Herr, welche in diesen Brunnen geschickt werden 1 Und er sagte zu mir: Diese sind: wer nicht bekannt hat, daß Christus im Fleisch gekommen ist l und daß ihn die Jungfrau Maria geboren hat, und wer sagt2, daß das Brot der Eucharistie und der Kelch des Segens nicht Leib und Blut Christi sei. 42. Und ich blickte von Norden nach Westen und ich sah dort den nicht ruhenden Wurm 3, und an dem Orte war Zähneknirschen". Der Wurm aber hatte an Maß5 eine Elle, und zwei Köpfe waren daran. Und ich sah dort Männer und Weiber in Kälte und Zähneknirschen. Und ich fragte: Herr, wer sind diese an diesem Orte1 Und er sagte zu mir: Dies sind die, welche sagen, daß Christus von den Toten nicht auferstanden ist und daß dieses Fleisch nicht aufersteht 6 • Und ich fragte und sagte: Herr, gibt es nicht Feuer und Wärme an diesem Orte1 Und er sagte zu mir: An diesem Orte gibt es nichts anderes als Kälte und Schnee. Und wiederum sagte er zu mir: Auch wenn die Sonne über ihnen aufginge, würden sie nicht warm wegen der übermäßigen Kälte jenes Ortes und des Schnees. Als ich dies hörte, streckte ich meine Hände aus und weinte, und seufzend sagte ich wiederum: Besser wäre es für uns, wenn wir nicht geboren wären, wir alle, die wir Sünder sind. 43. Als aber die, welche an demselben Orte waren, mich bei dem Engel weinen sahen, riefen sie aus und weinten auch selbst sagend: Herr Gott, erbarme dich unser! Und danach sah ich den Himmel geöffnet und Michael, den Erzengel, herabsteigend vom Himmel und mit ihm das ganze Heer der Engel, und sie gelangten zu denen, die in die Strafen gesetzt waren; und als sie ihn sahen, riefen sie wiederum weinend aus und sagten: Erbarme dich unser, Erzengel Michael, erbarme dich unser und des menschlichen Geschlechtes, weil wegen deiner Gebete die Erde besteht. Wir haben nun das Gericht gesehen und den Sohn Gottes erkannt. Es war vordem uns unmöglich, hierfür zu beten 7 , ehe wir an diesen Ort kamen. Denn wir haben gehört, daß ein Gericht sein würde, ehe wir aus der Welt gingen, aber die Hindernisse und das weltliche Leben ließen es nicht zu, daß wir Buße taten. Und Michael antwortete und sagte: Hört, wenn Michael redet: ich bin es, der ich zu jeder Stunde vor Gott stehe 8 • So wahr der Herr lebt 9 , in dessen Gegenwart ich stehe, ich lasse nicht ab, nur an einem Tage oder einer Nacht unaufhörlich zu beten für das menschliche Geschlecht, und ich bete für die, die (noch) auf der Erde sind. Sie aber hören nicht auf, Schlechtigkeit zu begehen und Hurerei, und sie standen mir nicht bei im Guten, solange sie auf Erden gesetzt waren. Und ihr habt die Zeit, in der ihr hättet Buße tun müssen, in Nichtigkeit zugebracht. Ich aber habe immer so gebeten und flehe jetzt, daß Gott Tau sende und Regen bestimmt werde über die Erde, und noch bitte ich, bis die Erde ihre Früchte hervorbringe; und ich sage, daß, wenn einer auch nur ein bißchen Gutes getan hat, ich für ihn kämpfe, ihn schützend, bis er entgeht dem Gericht der Strafen. Wo sind also eure Gebete1 Wo eure Buße1 Ihr habt die Zeit verächtlich verloren. NunlO aber weint, Vgl. 1. Joh. 4,3. 2 Gr, vgl. auch St. G. • Vgl. Barn. 6,20. • Vgl. Mk. 9, 43f. • St. G. 6 Vgl. 1. Kor. 15, 12:1f. • Dafür St. G.: (Nun haben wir das Gericht erkannt,) weil es uns möglich war, dem Sohne Gottes vorher zu begegnen, ehe ..• 8 Vgl. Dan. 12, 1. 9 So nach Gr, S, C. 10 St. G. 1
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und ich und die Engel, die mit mir sind, werden weinen zusammen mit dem höchstgeliebten Paulus, ob der barmherzige Gott Erbarmen übe und euch Erquickung gebe. Als aber jene diese Worte hörten, riefen sie aus und weinten sehr und sagten alle einstimmig: Erbarme dich unser, Sohn Gottes! Und ich, Paulus, seufzte und sagte: Herr Gott, erbarme dich deines Gebildes, erbarme dich der Menschenkinder, erbarme dich deines Bildes. 44. Und ich blickte und sah den Himmel bewegen 1 wie einen Baum, der vom Winde bewegt ist. Plötzlich aber warfen sie sich auf ihr Angesicht vor dem Thron; und ich sah die 24 Altesten und die 4 Tiere Gott anbeten 2, und ich sah den Altar und den Vorhang und den Thron, und alles war frohlockend, und es erhob sich der Rauch eines guten Geruches neben dem Altare des Thrones Gottes, und ich hörte die Stimme eines, der sagte: Um weswillen bittet ihr, unsere Engel und unsere Diener1 Und sie riefen aus sagend: Wir bitten, da wir deine große Güte gegen das Menschengeschlecht sehen. Darauf sah ich den Sohn Gottes herabsteigen vom Himmel, und es war ein Diadem auf seinem Haupte. Als aber die, welche in die Strafen gesetzt waren, ihn sahen, riefen sie alle einstimmig aus sagend: Erbarme dich, Sohn des erhabenen 3 Gottes! Du bist es, der du allen Erquickung gewährt hast 4 im Himmel und auf Erden, erbarme dich unser gleicherweise; seitdem wir nämlich dich gesehen haben, haben wir Erquickung. Und es ging eine Stimme vom Sohne Gottes aus durch alle Strafen hin sagend: Und welches 5 Werk habt ihr getan, daß ihr von mir Erquickung fordert1 Mein Blut ist um euretwillen vergossen worden, und ihr habt auch so nicht Buße getan. Um euretwillen habe ich eine Krone aus Dornen auf meinem Haupte 6 getragen; für euch habe ich Backenstreiche auf meine Kinnbacken erhalten, und auch so habt ihr nicht Buße getan. Um Wasser habe ich am Kreuze hängend gebeten, und sie gaben mir Essig mit Galle gemischt?; mit einer Lanze haben sie meine rechte Seite geöffnet 8 • Meines Namens wegen haben sie meine Diener, die Propheten und die Gerechten, getötet 9 , und bei all diesem habe ich euch Raum zur Buße gegeben, und ihr habt nicht gewollt. Nun aber: um Michaels, des Engels meines Bundes, und der Engel, die mit ihm sind, und um Paulus, meines Hochgeliebten, den ich nicht betrüben will, um eurer Brüder, die in der Welt sind und Opfergaben darbringen, und um eurer Kinder, weil meine Gebote in ihnen sind1o , und noch mehr um meiner eigenen Güte willen: an dem Tage nämlich, an welchem ich von den Toten auferstanden bin, gewähre ich euch allen, die ilir in Qualen seid, eine Nacht und einen Tag Erquickung für immer1 • Und alle riefen aus und sagten: Wir preisen dich, Sohn Gottes, daß du uns eine Nacht und einen Tag Erquickung gegeben hast. Besser ist nämlich für uns die Ob nicht Gr entsprechend das Passiv herzustellen ist (moveri statt movere)? • Vgl. Offbg. 4, 9-10. 3 St. G. 4 St. G.: gewähr8t. 5 Gr: u. gute. Ebenso C und Cod. Mon. 2625. 6 Vgl. Mk. 15, 17 par. 7 Vgl. Mt. 27, 34. 8 Joh. 19,34. • Vgl. Mt. 5, 11f. 10 St. G.: und 1tm eurer Freunde willen, die meine Gebote tun. Ähnlich C. 11 Vgl. Isr. Levi, Le repos sabbatique des ames damnees, in Revue des etudes juives, XXV, 1892, S. 1-13 und XXVI, 1893, S. 131-135 (jüdische Parallelen). Von christlicher Seite: Merkle, Die Sabbatruhe in der Hölle, in: Röm. Quartalschrift 1895 S. 489-505. Bemerkenswert: Prudentius, Cathemerinon V. 125ff. und Augustin Enchiridion Kap. 112; vgl. dazu o. S. 536. 1
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Erquickung eines Tages als alle Zeit unseres Lebens, die wir auf der Erde waren, und wenn wir deutlich erkannt hätten, daß dieser (Ort) bestimmt ist für die, welche sündigen, würden wir überhaupt keine andere Arbeit gemacht haben, nichts gehandelt! haben und keine Bosheit begangen haben. Was wäre es für uns nötig gewesen, in die Welt (hinein) geboren zu sein 2? Hier nämlich ist unser Stolz gefaßt, der aus unserm Munde gegen den Nächsten aufsteigt. Beschwerde und unsere allzugroßen Ängste und Tränen und die Würmer, welche unter uns sind, das ist weit schlechter für uns als die Strafen, welche ... uns 3 • Als jene dies redeten, wurden die bösen Engel und die über die Strafen erzürnt auf sie sagend: Wie lange habt ihr geweint und geseufzt? Denn ihr habt nicht Erbarmen gehabt. Dies nämlich ist das Gericht Gottes über den, der nicht Erbarmen geübt hat. Diese große Gnade aber habt ihr erhalten: in der Nacht und am Tage des Sonntags Erquickung um des hochgeliebten Paulus willen, der zu euch hinabgestiegen ist. 45. Und danach sagte zu mir der Engel: Hast du alles gesehen? Und ich sagte: Ja, Herr. Und er sagte zu mir: Folge mir, und ich will dich ins Paradies führen. Und es sollen dich die Gerechten, die dort sind, sehen; siehe! sie hoffen nämlich, dich zu sehen und sind bereit, dir entgegenzugehen in Freude und Jubel. Und ich folgte dem Engel aus Antrieb des heiligen Geistes, und er (ver)setzte mich ins Paradies und sagte zu mir: Dies ist das Paradies, in welchem Adam irrte und sein Weib 4 • Ich trat aber in das Paradies ein und sah den Ursprung der Wasser; und der Engel winkte mir und sagte zu mir: Schaue, sagte er, die Wasser; dies ist nämlich der Fluß Pison, der das ganze Land Hevila umzieht, und der andere ist Gihon, der das ganze Land Ägypten und Äthiopien umzieht, und der andere ist der Tigris, der den Assyriern gegenüber liegt, und der andere ist der Euphrat, welcher das Land Mesopotamien bewässert 5 • Aber weiter hineingegangen, sah ich einen Baum gepflanzt, von dessen Wurzeln Wasser hervorflossen, und von ihm aus war der Ursprung der vier Flüsse; der Geist Gottes aber ruhte über jenem Baume, und wenn der Geist wehte, flossen 6 die Wasser. Und ich sagte: Herr, ist es dieser Baum selbst, welcher die Wasser fließen läßt? Und er sagte zu mir: Weil im Anfang, bevor Himmel und Erde in Erscheinung traten, alles unsichtbar war, der Geist Gottes über den Wassern schwebte 7 ; seitdem aber das Gebot Gottes Himmel und Erde zum Vorschein brachte 8, ruhte der Geist auf diesem Baume. Deshalb, wenn der Geist geweht hat, fließen die Wasser aus diesem Baume. Und er hielt mir die Hand (fest) und führte mich zum Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen 9 und sagte: Dies ist der Baum, durch den der Tod in die Welt eingetreten ist, und von ihm her hat Adam, von seinem Weibe erhaltend, gegessen, und der Tod ist in die Welt eingetreten. Und er zeigte mir einen andern Baum in der Mitte des Paradieses und sagte zu mir: Dies ist der Baum des Lebens1o . 46. Während ich noch das Holz (= den Baum) betrachtete, sah ich aber eine Jungfrau von ferne kommen und zweihundert Engel vor ihr Hymnen sagend. Und keinen Handel getriehen. nasum ist entstellt aus natum esse, wie C zeigt. 3 Der Passus von Hier an ist entstellt. Auch C bringt keine Hilfe. 4 Vgl. 1. Mos. 2, 12. 5 Vgl. 1. Mos. 2, 11 ff. • Nach Korrektur. 7 Ausdruck der Vulgata in 1. Mos. 1,2. B Unmögliche Übersetzung. Vielleicht ist vor praeceptum ein per ausgefallbu. Dann ist statt brachte kamen zu übersetzen. 9 Vgl. 1. Mos. 2, 17. 10 Vgl. 1. Mos. 2, 9. 1 = 2
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XVIII. Spätere Apokalypsen
ich fragte und sagte: Herr, wer ist diese, die in solcher Pracht kommt~ Und er sagte zu mir: Dies ist Maria, die Mutter des Herrn. Als sie aber nahe herzukam, grüßte sie mich und sagte: Sei gegrüßt, Paulus, du von Gott und den Engeln und den Menschen Hochgeliebter! Denn alle Heiligen haben meinen Sohn Jesum, der mein Herr ist, gebeten, daß du hierher im Körper kommen möchtest, damit sie dich sähen, bevor du aus der Welt gingest, und der Herr hat ihnen gesagt: Wartet und haltet euch geduldig! Noch ein wenig, und ihr werdet ihn sehen, und er wird ewig bei euch sein. Und wiederum sagten alle gemeinsam zu ihm: Betrübe uns nicht! Wir wollten ihn nämlich (noch) im Fleisch befindlich sehen; durch diesen ist ja dein Name in der Welt sehr verherrlicht!, und wir haben gesehen, daß er alle Werke der Kleinen und der Großen auf sich genommen hat. Von denen, die hierher kommen, erfragen wir sagend: Wer ist es, der euch in der Welt geleitet hat~ Und sie berichten uns: Es ist einer in der Welt, dessen Name Paulus ist: der kündigt Christus verkündend an, und wir glauben, daß durch die Kraft und Süßigkeit seiner Rede viele ins Reich eingetreten sind. Siehe! alle Gerechten selbst sind hinter mir, die dir entgegengehen. Ich sage dir aber, Paulus, daß ich deshalb zuerst denen entgegengehe, die den Willen meines Sohnes und meines Herren J esu Christi getan haben, ich gehe ihnen zuerst entgegen und lasse nicht zu, daß sie wie Fremdlinge sind, bis sie in Frieden meinem geliebten Sohne 2 begegnen. 47. Während sie noch redete, sah ich drei von fern kommend, sehr schön, nach der Art Christi, und ihre Bilder waren leuchtend, und ihre Engel. Und ich fragte: Wer sind diese, Herr~ Und er sagte zu mir: Kennst du sie nicht~ Und ich sagte: Nein, Herr. Und er antwortete: Diese sind die Väter des Volkes: Abraham, Isaak und Jakob. Und nahe herzukommend, grüßten sie mich und sagten: Sei gegrüßt, Paulus, Hochgeliebter Gottes und der Menschen; selig ist, wer Gewalt erträgt um des Herrn willen. Und es antwortete Abraham und sagte: Dies ist mein Sohn Isaak, und Jakob, mein Hochgeliebter. Und wir haben den Herrn erkannt und sind ihm gefolgt. Selig sind alle, die deinem Wort geglaubt haben, daß sie das Reich Gottes ererben können durch Arbeit, Entsagung und Heiligung und Demut und Liebe und Milde und rechten Glauben an den Herrn. Und wir haben auch Ergebung gegen den Herrn gehabt, den du predigst, mit dem Verbündnis, daß wir allen Seelen, die ihm glauben, beistehen und ihnen dienen, wie Väter ihren Söhnen dienen. Während sie noch redeten, sah ich andere Zwölf von weit in Ehre herankommen. Und ich fragte: Wer sind diese, Herd Und er sagte: Diese sind die Patriarchen. Und herzu tretend grüßten sie mich und sagten: Sei gegrüßt, Paulus, Hochgeliebter Gottes und der Menschen! Der Herr hat UDS nicht betrübt, so daß wir dich noch im Körper befindlich sehen, bevor du aus der Welt gehst. Und ein jeder gab mir seinen Namen an, der Reihe nach von Ruben bis Benjamin; und es sagte zu mir J oseph: Ich bin es, der verkauft worden ist 3 ; ich sage dir aber, Paulus, daß ich, was alles auch meine Brüder mir angetan haben, in keinem Stück boshaft mit ihnen verfahren bin, auch nicht in aller Mühe, die sie mir auferlegt haben, noch habe ich sie in allen Stücken verletzt deswegen 4 von früh bis zum Abend. Selig ist VgI. Apg. 9,15. 2 meinem geliebten Sohne aus C ergänzt. VgI. 1. Mos. 37, 23ff. 4 C: hielt ich nicht zurück eine Bosheit in meinem Herzen gegen sie nicht an einem Tag. Danach ist eos zu streichen und zu übersetzen: noch bin ich in irgendwelchen Stücken von ihnen verletzt worden = habe ich mich verletzt gefühlt usw. 1
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der, welcher in einem Stück geschädigt wird um des Herrn willen und ausgehalten hat, weil der Herr ihm (das) vielfältig vergelten wird, wenn er aus der Welt gegangen sein wird. 48. Während er noch redete, sah ich einen andern Schönen von fern kommen und seine Engel Hymnen singen und fragte: Wer ist dieser, Herr, schön von Antlitz? Und er sagte zu mir: Kennst du ihn nicht1 Und ich sagte: Nein, Herr. Und er sagte zu mir: Dieses ist Moses, der Gesetzgeber, welchem Gott das Gesetz gegeben hat. Und als er neben mich getreten war, weinte er sogleich, und danach begrüßte er mich. Und ich sagte zu ihm: Was weinst du? Ich habe nämlich gehört, daß du jeden Menschen an Milde übertriffst. Und er antwortete mir sagend: Ich weine über die, welche ich mit Mühe gepflanzt habe, weil sie Frucht nicht gebracht haben und keiner von ihnen Fortschritte gemacht hat. Und ich sah, daß alle Schafe, die ich weidete, zerstreut und geworden sind wie solche, die keinen Hirten haben 1, und daß alle Mühen, die ich wegen der Kinder Israel ertragen habe, für nichts geachtet 2 sind, und wieviele Krafttaten ich in ihrer Mitte vollbracht habe, sie es nicht begriffen haben; und ich wundere mich, daß Fremde und Unbeschnittene und Götzenanbeter sich bekehrend in die Verheißungen Gottes eingetreten sind, Israel aber nicht eingetreten ist. Und ich sage dir, Bruder Paulus, daß in jener Stunde, als das Volk Jesum, den du predigst, aufhängte, der Vater, der Gott von allem, der mir das Gesetz gegeben hat, und Michael und alle Engel und Erzengel und Abraham und Isaak und Jakob und alle Gerechten weinten über den Sohn Gottes, der ans Kreuz gehängt war. Alle Heiligen richteten ihre Aufmerksamkeit in jener Stunde auf mich schauend und sagten zu mir: Sieh, Moses, was sie von deinem Volke dem Sohne Gottes getan haben! Deshalb bist du selig, Paulus, und selig ist das Geschlecht und das Volk, welches deinem Worte geglaubt hat. 49. Während er noch redete, kamen andere Zwölf3, und als sie mich sahen, sagten sie: Du bist Paulus, gepriesen im Himmel und auf der Erde? Und ich antwortete und sagte: Wer seid ihr? Der erste antwortete und sagte: Ich bin Jesaja, dem Manasse den Kopf mit einer Holzsäge zersägte". Und der Zweite sprach ähnlich: Ich bin Jeremia, der von den Kindern Israel gesteinigt 5 und getötet wurde. Und der Dritte sagte: Ich bin Ezechiel, den die Kinder Israel an den Füßen über den Felsen auf den Berg schleiften, bis daß sie mein Gehirn ausschütteten. Und alle diese Mühsale haben wir ertragen, weil wir die Kinder Israel retten wollten. Und ich sage dir, daß ich nach den Mühsalen, die sie mir auferlegt haben, mich vor dem Herrn auf mein Angesicht warf. für sie betend, die Knie beugend bis zur zweiten Stunde des Sonntages, bis Michael kam und mich von der Erde aufhob. Selig bist du, Paulus, und selig ist das Volk, das durch dich zum Glauben gekommen ist. Als diese vorübergingen, sah ich einen andern, schön von Angesicht, und ich fragte: Wer ist dieser, Herr? [Als er mich gesehen hatte, freute er sichJ6. Und er sagte zu mir: Das ist Lot, der in Sodom als gerecht befunden wurde. (Als er mich gesehen hatte, freute er sich) und sich nähernd grüßte er mich und sagte: Selig bist du, Paulus, und selig ist das Geschlecht, das du bedient hast. Und antwortend Vgl. Mt. 9, 36. 2 disputati (Bunt>. 3 Gr: drei. Vgl. Hebr. 11, 37; .Ascensio Jsaiae 1, 7; 5, 1 ff. s. o. S. 459 f. 5 Vgl. die spanische Bibel von S. Pere de Roda (XI. Jh.). • Diesen Satz in eckigen Klammern habe ich in runden Klammern als .Anfang in den folgenden Satz versetzt. 1
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XVIII. Spätere Apokalypsen
sagte ich zu ihm: Du bist Lot, der in Sodom als gerecht befunden wurde1 Und er sagte: Ich habe die Engel als Fremde in meinem Hause aufgenommen, und als die aus der Stadt sie vergewaltigen wollten, habe ich ihnen meine beiden jungfräulichen Töchter, die noch keinen Mannesumgang kennengelernt hatten, angetragen und ihnen gegeben sagend: Gebraucht sie, wie ihr wollt, nur diesen Männern tut nichts schändlicherweise ; deshalb sind sie unter das Dach meines Hauses eingetreten 1. Deshalb müssen wir also Vertrauen haben und wissen, daß, wenn ein jeder etwas getan hat, Gott ihnen vielfältig vergilt, wenn sie zu ihm gekommen sind. Selig bist du, Paulus, und selig das Volk, das deinem Wort geglaubt haben wird. Als er nun aufgehört hatte, zu mir zu sprechen, sah ich einen andern von weither kommen, sehr schön von Angesicht, lächelnd und seine Engel Hymnen singend, und ich sagte zu dem Engel, der bei mir war: Es hat also ein jeder der Gerechten einen Engel als Genossen 1 Und er sagte zu mir: Ein jeder der Heiligen hat einen eigenen, der ihm beisteht und einen Hymnus singt, und einer weicht nicht vom andern. Und ich sagte: Wer ist dieser, Herr1 Und er sagte: Dieser ist Hiob. Und herantretend begrüßte er mich und sagte: Bruder Paulus, du hast großes Lob bei Gott und den Menschen. Ich aber bin Hiob, der ich eine Zeit von dreißig Jahren infolge des Serums des Schlages viel gelitten habe. Und anfangs waren die Wunden, die aus meinem Körper hervorkamen, wie Weizenkörner, die Würmer aber, welche herabfielen, hatten eine Länge von vier Fingern. Und der Teufel erschien mir zum dritten Male und sagte zu mir: Sag ein Wort gegen den Herrn und stirb 2 ! Ich sagte zu ihm: Wenn es so der Wille Gottes ist, daß ich in dem Schlage die ganze Zeit meines Lebens bleibe, bis ich sterbe, werde ich nicht aufhören, den Herrn Gott zu preisen und werde mehr Lohn empfangen. Ich weiß nämlich, daß die Mühsale dieser Welt nichts sind gegen die Erquickung, die später ist 3 • Deshalb bist du selig, Paulus, und selig ist das Volk, das durch dich zum Glauben gekommen ist. 50. Während er noch redete, kam ein anderer von weither rufend und sagend: Selig bist du, Paulus, und ich bin selig, weil ich dich, den von dem Herrn Geliebten, gesehen habe. Und ich fragte den Engel: Wer ist dieser, Herd Und antwortend sagte er zu mir: Dies ist Noah zur Zeit der Sintflut. Und sogleich begrüßten wir uns 4 einander. Sich sehr freuend sagte er zu mir: Du bist Paulus, der Hochgeliebte Gottes. Und ich fragte ihn: Wer bist du1 Und er sagte: Ich bin Noah, der zur Zeit der Sintflut war. Ich sage dir aber, Paulus, daß ich hundert Jahre mit der Herstellung der Arche zugebracht habe 5, indem ich das Gewand, mit dem ich bekleidet war, nicht auszog und das Haar meines Hauptes nicht schor. Dazu beeiferte ich mich der Enthaltsamkeit, indem ich mich meinem eigenen Weibe nicht näherte; in jenen hundert Jahren wuchs das Haar meines Hauptes nicht in die Größe, und meine Kleider wurden nicht beschmutzt. Und ich bat die Menschen zu jener Zeit sagend: Tut Buße! Es wird nämlich eine Wasserflut über euch kommen. Sie verlachten mich aber und verhöhnten meine Worte. Und wiederum sagten sie zu mir: Diese Zeit ist vielmehr für die, welche spielen können und nach Belieben sündigen wollen 6, für den, wem es möglich ist, nicht wenig zu huren; denn Gott sieht dies nicht und beachtet nicht, was von uns allen gehandelt wird, und eine Sintflut von Wasser Vgl. 1. Mos. 19, 1ff. a Vgl. Röm. 8,18. s Vgl. 1. Mos. 6,14ff. 1
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Vgl. Hiob 2, 9f. Lies nos statt vos. Vgl. Mt. 24,38 par.
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wird ganz und gar nicht in diese Welt kommen. Und sie ließen ihre Sünden nicht, bis Gott alles Fleisch, welches Lebensgeist in sich hatte, vernichtete. Erkenne aber, daß Gott einen Gerechten mehr liebt als ein ganzes Jahrhundert von Gottlosen. Deshalb: selig bist du, Paulus, und selig ist das Volk, das durch dich gläubig geworden ist. 51. Und mich wendend sah ich andere Gerechte von weither kommend, und ich fragte den Engel: Wer sind diese, Herr1 Und er antwortete mir: Das sind Elias und Elisa. Und sie begrüßten mich. Und ich sagte zu ihnen: Wer seid ihr1 Und es antwortete einer von ihnen: Ich bin Elias, der Prophet Gottes. Ich bin Elias, der gebetet hat, und wegen meines Wortes regnete der Himmel nicht in drei Jahren und sechs Monaten wegen der Ungerechtigkeiten der Menschen l . Gerecht ist Gott und wahrhaftig, der den Willen seiner Diener tut. Denn oft haben die Engel den Herrn gebeten um den Regen, und er hat gesagt: Bezeigt Geduld, bis mein Diener Elias betet und dieserhalb bittet, so werde ich Regen auf die Erde senden ... 2• Die Leiden, welche ein jeder erduldet um Gottes willen, wird Gott ihm vergelten zwiefach. Selig bist du, Paulus, und selig das Volk, das durch dich glauben wird. Wie dieser redete, kam nämlich ein anderer, Henoch, grüßte mich und sagte zu mir: Die Leiden, welche der Mensch um Gottes willen erträgt, Gott betrübt ihn nicht, wenn er aus der Welt geht. Wie dieser mit mir redete, siehe! da kamen zwei andere miteinander, und ein anderer ging hinter ihnen her, indem er ihnen zurief: Wartet auf mich, daß ich komme, damit ich den Geliebten Gottes, Paulus, sehe; es wird Befreiung für uns sein(1), wenn wir ihn sehen werden, während er noch im Leibe ist. Ich sagte zum Engel: Mein Herr, wer sind diese1 Er sagte zu mir: Dieser ist Zacharias und Johannes, sein Sohn 3. Ich sagte zum Engel: Der andere denn, der hinter ihnen läuft1 Er sagte: Dieser ist Abel, den Kain getötet hat"'. Sie grüßten mich und sagten zu mir: Selig bist du, Paulus, der du gerecht in allen deinen Werken bist. Es sagte Johannes: Ich bin der, dessen Haupt sie im Gefängnis wegnahmen um eines Weibes willen, das bei einem Mahle tanzte 5• Es sagte Zacharias: Ich bin es, den sie töteten, indem ich Gott ein Opfer darbrachte; und als die Engel zum Opfer kamen, brachten sie meinen Leib zu Gott empor, und kein Mensch fand meinen Leib, wohin er genommen war 6 • Abel sagte: Ich bin der, den Kain getötet hat, indem ich Gott ein Opfer darbrachte"'. Die Leiden, die wir um Gottes willen erduldet haben, sind nichtige Dinge; was wir um Gottes willen getan haben, haben wir vergessen. Und die Gerechten und alle Engel umgaben mich; sie freuten sich mit mir, [weil] sie mich im Fleisch gesehen hatten. Ich blickte und sah einen andern, der sie alle übertraf. Und ich sagte zu dem Engel: Wer ist dieser, mein Herr1 Er sagte zu mir: Dieser ist Adam, der Vater von euch allen. Während er zu mir gelangte, begrüßte er mich mit Freude. Er sagte zu mir: Mutig, Paulus, Geliebter Gottes, der du eine Menge hast zum Glauben an Vgl. 1. Kön. 17, 1ff. Hier bricht die gemeinsame Grundlage von L, Sund Gr plötzlich ab. Das Folgende ist die Fortsetzung, welche der Kopte bietet. Wie der Syrer an dieser Bruchstelle nach den Worten Und oft haben die Engel gebeten, daß er ihnen Regen gäbe fortfährt, siehe am Schluß. 3 Vgl. Lk. 1,5ff. 4 Vgl. 1. MOB. 4, 8. 5 Vgl. Mk. 6,24.25 Par. 6 Vgl. Protevangelium Jacobi 24, 3 (Bd. 1,290). 1
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XVIII. Spätere Apokalypsen
Gott gebracht und zur Reue, wie ich selbst bereut habe und genommen habe meinen Preis von dem Barmherzigen und Mitleidigen. James hält es für möglich, daß die Apokalypse hier endete. Andererseits vermißt man einen wirklichen Schluß. Wenn in C jetzt ein neuer Besuch im (dritten) Himmel erfolgt mit mehrfachen Dubletten, so wird das sekundär sein. Vielleicht aber enthält der Schluß von C mit der Rückkehr des Apostels in den Kreis der Mitapostel auf den Ölberg das Ursprüngliche und würde voraussetzen, daß die Entrückung auch vom Ölberg aus erfolgt ist. Im folgenden wird eine Inhaltsangabe von C gegeben, der Schluß aber in wörtlicher Übersetzung. Paulus wird in einer Wolke in den dritten Himmel entrückt. Dort empfängt er den Befehl, die Dinge, welche er sehen wird, keinem Menschen zu offenbaren. Nichtsdestoweniger erzählt er von einem Siegel und einem Altar mit sieben Engeln des Lichtes zur Rechten und zur Linken. VieItausend Engel singen dem Vater. Den niedergefallenen Apostel richtet der begleitende Engel wieder auf und verspricht ihm, ihm seinen Platz zu zeigen. Er wird nun ins Paradies mit seinen leuchtenden Bewohnern und glänzenden Thronen gebracht. Auf seine Bitte wird ihm sein Thron in einem Zelt von Licht gezeigt, vor dem zwei singende Engel sich befinden, welche als Uriel und Suriel vorgestellt werden. Er wird begrüßt von Bewohnern, welche der Engel als die Pfl.a.nzen erklärt, die Paulus in der Welt gepflanzt habe. Nach erneuter Ankündigung des Engels sieht er das Paradies. Drei Mauern umgeben es konzentrisch, zwei silberne und zwischen beiden in der Mitte eine goldene. In der Beschreibung des Paradieses ist der Zug bemerkenswert, daß die Bäume des Paradieses dreimal täglich Gott preisen, nämlich morgens, mittags und abends. Das Bedenken des Paulus, er möchte nicht würdig sein, im Paradiese zu wohnen, redet der Engel ihm aus: er würde in der Unterwelt (Amente) den Sieg über den Ankläger davontragen. Auch würde er bei Rück. kehr in die Welt sehr große Ehre haben. Und wenn das ganze Menschengeschlecht die Worte dieser Apokalypse hören werde, würden viele Buße tun und leben. PaulUB bekommt dann auf Thronen die Kleider und Kronen seiner Mitapostel zu sehen, auch begegnet er noch einmal dem singenden David mit seiner Harfe. Sodann sieht er den Platz der Märtyrer.
Der Engel des Herrn hob mich empor und brachte mich auf den Ölberg. Dort fand ich, Paulus, die Apostel versammelt zusammen. Ich begrüßte sie und verkündigte ihnen jedes Ding, welches mir begegnet war, und das, was ich gesehen hatte, und die Ehre, welche den Gerechten widerfahren wird, und den Untergang und das Niederreißen, welches den Gottlosen widerfahren wird. Da freuten sich die Apostel und frohlockten und segneten Gott, und sie befahlen uns zusammen: mir, Markus und Timotheus, dem Schüler des heiligen Paulus(!), dem Lehrer der Kirche, in Schrift zu fassen diese heilige Apokalypse zum Frommen und zum Nutzen derer, die sie hören werden. Als die Apostel mit uns redeten, offenbarte sich uns der Heiland Christus aus dem Wagen der Cherubim und sagte zu uns: Seid gegrüßt, meine heiligen Jünger, welche ich erwählt habe aus der Welt! Sei gegrüßt, Petrus, Krone der Apostel! Sei gegrüßt, J ohannes, mein Geliebter! Seid gegrüßt, (ihr) Apostel alle! Der Friede meines guten Vaters sei mit euch! Dann wandte er sich zu unserm Vater und sagte zu ihm: Sei gegrüßt, Paulus, geehrter Briefschreiber!l Sei gegrüßt, Paulus, Mittler des Bundes! Sei gegrüßt, Paulus, Dach und Fundament der Kirche! Hast du dich überzeugt von den Dingen, die du gesehen hast1 Bist du voll überzeugt von den Dingen, die du gehört hast1 Paulus antwortete: Ja, mein Herr. Deine Gnade und deine Liebe haben mir Großes, was gut ist, erwiesen. Der Heiland antwortete und sagte: 0 Geliebter des Vaters, Amen, Amen, ich sage euch, daß die Worte dieser Apokalypse in der ganzen Welt gepredigt 1
Wörtlich Briefträger
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werden zum Nutzen derer, die sie hören werden. Amen, Amen, ich sage dir, Paulus, daß der, welcher sorgen wird für diese Apokalypse, sie schreiben wird und niederlegen als ein Zeugnis für die kommenden Geschlechter, dem werde ich nicht zeigen die Unterwelt mit dem bittern Weinen bis zum zweiten Geschlecht seines Samens. Und den, welcher sie liest im Glauben, werde ich segnen und sein Haus. Wer verspottet die Worte dieser Apokalypse, den werde ich bestrafen 1. Und nicht soll man lesen darin außer an den heiligen Tagen, weil ich das ganze Geheimnis meiner Gottheit euch offenbart habe, 0 meine heiligen Glieder. Siehe! ich habe euch jedes Ding bereits verkündigt. Geht nun und geht hinaus und predigt das Evangelium von meiner Herrschaft, da sich genähert hat nämlich euer Lauf und euer heiliger Kampf. Du selbst aber, mein Erwählter, Paulus, du wirst vollenden deinen Lauf, du und mein Geliebter, Petrus, am fünften Tag des Monats Epep 2. Du wirst in meinem Reich in Ewigkeit sein. Meine Kraft wird mit euch sein. - Und sogleich befahl er der Wolke, aufzunehmen die Jünger und sie zu führen in das Land, welches er ihnen zugewiesen hatte. Und sie sollten predigen an jedem Ort das Evangelium vom Himmelreich in Ewigkeit wegen der Gnade und Menschenliebe unsers Herrn Jesu Christi, unseres Heilandes, welchem Ruhm ist und seinem gütigen Vater und dem heiligen Geist bis in alle Ewigkeit. Amen." Der Syrer f'ährt an der Bruchstelle in Kap. 51 nach den Worten: Und oft haben die Engel gebeten, daß er ihnen Regen gäbe, fort:
bis ich ihn von neuem anrief, und dann gab er ihnen. Aber selig bist du, Paulus, daß dein Geschlecht und deine Schülerschaft alle Kinder des Reiches sind. Und wisse, Paulus, daß jeder, der durch dich glaubt, selig ist und Seligkeit ihm aufbewahrt ist. - Dann schied er von mir. Und als er von mir geschieden war, führte mich der Engel, der mit mir war, hinaus und sagte in großem Ernste: Paulus, dir ist das Geheimnis dieser Offenbarung gegeben; wie du willst, tue es kund und offenbare es den Menschen. - Ich, Paulus, aber kam zu mir und erkannte und wußte alles, was ich gesehen hatte, und schrieb es in eine Rolle. Und solange ich im Leben war, hatte ich keine Ruhe, dies Geheimnis zu offenbaren, sondern ich schrieb es (auf) und legte es unter die Mauer eines Hauses jenes gläubigen Mannes, bei dem ich in Tarsus, einer Stadt Ciliciens, war. Als ich aber aus diesem zeitlichen Leben entlassen war (und) vor meinem Herrn (stand), da sagte er so zu mir: Paulus, habe ich dir dies alles gezeigt, daß du es unter die Hausmauer legest1 Vielmehr schicke und offenbare seinethalben, damit die Menschen es lesen und sich wenden auf den Weg der Wahrheit, damit sie nicht in diese bittern Qualen kommen. Und so wurde diese Offenbarung gefunden. Hier folgt die Auffindungsgeschichte.
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Vgl. Offbg. 22, 18f. = der 11. koptische Monat (Beginn: 25. Juni).
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XVIII. Spätere Apokalypsen
2. THOMASAPOKALYPSE (A. de Santos Otero)
Jahrhunderte lang war die Apokalypse des Thomas nur durch den Hinweis des Decretum Gelasianum (unter Nr. 27, vgl. Bd. I. S.23) bekannt. 1908 machte C. Frick (ZNW 9, 1908, 172) auf einen anderen Hinweis aufmerksam, der in der Hieronymuschronik des Codex Philippsianus Nr. 1829 von Berlin enthalten ist. Dabei heißt es zum 18. Regierungsjahr des Kaisers Tiberius: in libro quodam apocrypho qui dicitur Tho'l1lae apostoli scriptum est dominum iesum ad eum dixisse ab ascensu suo ad celum uEque in secundum adventum eius novem iobeleus contineri. Heute liegen zwei Fassungen der Thomasapokalypse vor. Die längere ist vertreten durch: a) Cod. Clm 4585 fol. 66 v -67 v (IX.Jh.) aus Benediktbeuern. Dieser Text ist von Fr. Wilhelm in seinem Werk: Deutsche Legenden und Legendare, 1907, herausgegeben worden; b) Eine Handschrift aus der Kapitelbibliothek von Verona (VIII.Jh.), die vonM.R.James inJThSt 11,1910, S.288-290 veröffentlicht wurde; c) Cod. Vatic. Palat. Nr. 220, von E. v. Dobsch ütz entdeckt und von Bihlmeyer in seiner Ausgabe des Cod. Clm 4563 benutzt. Eine altenglische Version dieser Fassung befindet sich im 15. Sermon der berühmten angelsächsischen Handschrift von Vercelli (IX.Jh.). Vgl. M.R. James, The Apoer. NT, S. 556ff. Diese Fassung besteht aus zwei verschiedenen Teilen. Der erste befaßt sich mit den Begebenheiten und Zeichen, die dem Jüngsten Gericht vorausgehen sollen. Dabei verrät er starke Anlehnung an ähnliche Schilderungen anderer Apokryphen apokalyptischen Charakters, z.B. die der Assumptio Mosis, der Ascensio Isaiae und der Libri Sibyllini. Dieser Teil ist als eine Interpolation anzusehen, deren Entstehung man aufgrund mancher historischen Hinweise des Textes (z. B. auf den Kaiser Theodosius und seine zwei Söhne Arcadius und Honorius) in der ersten oder zweiten Hälfte des V.Jahrhunderts datieren kann. Vgl. Bihlmeyer in Rev. Bened. 28, 1911, S. 277. Der zweite Teil stimmt im Umfang und Inhalt mit der kürzeren Fassung der Thomasapokalypse überein. Diese Fassung ist vertreten durch: a) Cod. Vindob. Palatinus 16 (einst Bobbiensis) fol. 60 r -60 v aus dem V.Jahrhundert. Dieser Text wurde zunächst von J. Bick (SWA 159, 1908, 90-100) entdeckt und von E. Hauler (Wiener Studien 30, 1908, 308-340) als Fragment der Thomasapokalypse identifiziert. Er ist der älteste Zeuge unserer Apokalypse überhaupt; b) Cod. Clm 4563 fol. 40 r -40 v (XI/XII. Jh.) aus Benediktbeuern, von Bihlmeyer entdeckt und ediert (Rev. Bened. 28, 1911, 272-276). Dieser Text stimmt mit Vindob. Palat. 16 grundsätzlich überein, ist vollständig erhalten und weist keine Interpolation auf. Die kürzere Fassung ist für uns der älteste Zeuge der ursprünglichen Thomasapokalypse, die im Laufe der Zeit verschiedenen orthodoxen und ketzerischen Bearbeitungen unterzogen gewesen sein soll. Diese Entwicklung muß man vor allem in Verbindung mit manichäischen und priszillianischen Strömungen setzen. Dafür spricht nicht nur die Erwähnung der Thomasapokalypse im Decretum Gelasianum, sondern auch manche Parallelstelle in priszillianischen Schriften. Vgl. dazu De Bruyne (Rev. Bem§d. 24,1907,318-335) und Bihlmeyer (ebd. 28. 1911, S. 279). Manche typisch manichäischen Begriffe, z.B. der des Lichtes, tauchen in unserer Apokalypse immer wieder auf. In diesem Zusammenhang verweist Bihlmeyer (ebd. S. 282) auch auf den Namen Thomas, den einer der drei größten Schüler des Mani nach den Acta Archelai des Hegemonius getragen haben soll. Sowohl die längere wie die kürzere Fassung (der Cod. Vindob. Palat. 16 stammt aus dem V. Jh.!) legen die Vermutung nahe, daß die Thomasapokalypse vor dem V. Jh. entstanden ist. In starker Anlehnung an die kanonische Apokalypse des Johannes ist sie die einzige apokryphe Apokalypse, die die Begebenheiten der Jüngsten Tage auf sieben Tage verteilt. Das erinnert eindeutig an die sieben Siegel, die sieben Posaunen und die sieben Schalen der Apo-
2. ThomaaapokalYp8e
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kalypse Johannis (Offbg. 5-8, 2; 8,2-11; 16). Die zahlreichen Varianten der lateinischen Codices deuten auf verschiedene Versionen eines ursprünglich griechischen Textes hin. Unserer Übersetzung liegt der lateinische Text vom Cod. Clm 4563 zugrunde nach der Ausgabe von Bihlmeyer (Rev. Bened. 28, 1911, 272-276), bei der er die Varianten der anderen Codices herangezogen hat. Eine vollständige englische Übersetzung beider Fassungen bei M. R. James.
Thomasapokalypse Höre Thomas 1 , denn ich bin der Sohn Gottes des Vaters 2 und ich bin der Vater aller Geister! 3 Höre von mir die Zeichen, die sich beim Untergang dieser Welt ereignen werden, wenn das Ende derWelt vollbracht wird, bevor meine Auserwählten aus der Welt scheiden. Ich teile dir offen mit, was nun den Menschen geschehen soll'. Wann dies aber stattfinden wird, das wissen die Fürsten der Engel nichtS, denn es ist vor ihnen verborgen. Dann werden sich die Könige die Welt untereinander teilen 6: großer Hunger, Seuchen und vielfache Not werden auf der Erde herrschen 7. Die Menschenkinder werden in allen Nationen zu Sklaven werden und durch das Schwert umkommen8 • Ein großer Aufruhr wird in der Welt ausbrechen. Daraufhin, wenn die Stunde des Endes näherrückt, werden große Zeichen am Himmel sieben Tage lang erscheinen, und die Kräfte des Himmels werden sich in Bewegung setzen 9. Dann am ersten Tage, zu Beginn der dritten Stunde, wird eine mächtige und laute Stimme am Firmament des Himmels erschallen. Eine Wolke aus Blut lO wird von Norden her aufgehen, ihr werden große Donner und mächtige Blitze folgen, und sie wird den ganzen Himmel bedecken. Dann wird ein Blutregen auf die Erde niedergehen. Dies sind die Zeichen des ersten Tages. Und am zweiten Tage wird eine mächtige Stimme am Firmament des Himmels ertönen. Die Erde wird von einer Erschütterung heimgesucht werden l l• Die Pforten des Himmels werden sich am Himmelsfirmament von Osten her öffnen. Durch sie 1 Fast alle Vertreter der längeren Fassung leiten dieses Schriftstück ein mit den Worten: ineipit epistula domini ad Thomam. Danach folgt eine lange Beschreibung der Dinge, die in den letzten Tagen stattfinden sollen. Diese Beschreibung, die den ersten Teil der Fassung ausmacht und die als eine Interpolation anzusehen ist, wird mit einer Reihe von Anathemen und Vae Rufen abgeschlossen. Anschließend hebt die Beschreibung der letzten sieben Tage an. Sie verläuft mit wenigen Abweichungen wie bei der kürzeren Fassung. 2 An der hervorragenden Stellung, die die Person Dei Patris im Laufe des ganzen Schriftstücks einnimmt, hat Bihlmeyer (a.a.O. S. 280) Spuren monarchianischen Einflusses gesehen. 3 Vgl. Priszillian, Tract. 11.: tu animarum pater ... tu operatio spirituum, tu prineipum arehangelorum, tu angelorum opus (ed. Schepss OSEL 18, 104). 4 An dieser Stelle scheint der Text korrupt zu sein. Die..längere Fassung bietet keine Parallele. 5 Ood. Vindob. Palat. Nr. 16: prineipes angelorum. Ood. Olm 4563: prineipes, angeli. Vgl. Mk 13,:32 par. 6 Ood. Olm 4563: Tune erunt partieipationes in saeeulo inter regem et regem. Die Stelle kann als eine Anspielung auf die Kämpfe und Fehden um die Weltherrschaft in Anlehnung an Mk. 13, 8 aufgefaßt werden. 7 Vgl. Lk. 21, 11; Mt. 24,9. 8 Vgl. Lk. 21, 24. e Vgl. Lk. 21, 11. 26; Mt. 24, 29; Mk. 13,24f. 10 Vgl. Offbg. 6,12; Joe12, 30. 11 Vgl. Offbg. 6, 12ff.•
570
XVIII. Spätere Apokalypsen
wird der Rauoh eines großen Brandes l hinausgespien werden, von dem der ganze Himmel bis zum Westen hin bedeokt sein wird. Ein großes Bangen und Angst wird an diesem Tage in der Welt herrsohen 2. Dies sind die Zeiohen des zweiten Tages. Und am dritten Tage, gegen die dritte Stunde, wird eine mäohtige Stimme im Himmel ersohallen, und die Abgründe der Erde werden von den vier Eoken der Welt aus brüllen 3. Die Zinnen des Himmels:lirmaments werden aufplatzen, und die ganze Atmosphäre wird voll Rauohsäulen sein. Ein übler Geruoh naoh Sohwefel wird bis zur zehnten Stunde anhalten'. Die Mensohen werden sagen: das Ende der Welt ist über uns hereingebroohen, wir gehen zugrunde. Dies sind die Zeiohen des dritten Tages. Und am vierten Tage, zur ersten Stunde, wird der Abgrund von Osten her sohmelzen und brüllen. Die ganze Erde wird vor der Wuoht der Ersohütterung beben. An diesem Tage werden die Götzenbilder der Heiden 6 sowie alle Gebäude der Erde vor der Wuoht des Erdbebens einstürzen. Dies sind die Zeiohen des vierten Tages. Und am fünften Tage, zur seohsten Stunde, werden plötzlioh mäohtige Donner im Himmel dröhnen, und die Kräfte des Liohtes werden zuoken, und der Sonnenball wird aufplatzen 8 , und eine diohte Finsternis wird sioh der (ganzen) Welt bis zum Abendland bemäohtigen 7 • Das All wird ohne Sonne und Mond traurig sein. Die Sterne werden aufhören, ihren Dienst zu tun. An diesem Tage werden alle Nationen so sehen, als (ob sie) in einem Saok (eingesperrt wären). Sie werden das Leben dieser Welt veraohten 8 • Dies sind die Zeiohen des fünften Tages. Und am seohsten Tage, zur vierten Stunde, wird eine mäohtige Stimme im Himmel erschallen. Das Firmament des Himmels wird sioh vom Osten her bis zum Westen öffnen 9, und die Engel werden duroh die Klüfte des Himmels auf die Erde hinausblioken, und alle auf der Erde wohnenden Mensohen werden die vom Himmel herabsohauende Engelsohar sehen können. Und alle Mensohen werden dann in die Gräber fliehen lo , um sioh vor den gereohten Engeln zu versteoken, indem sie sagen: Möge sioh die Erde öffnen und uns versohlingen. Es werden nämlioh Dinge passieren, die nooh nie seit der Entstehung dieser Welt vorgefallen sind ll. Dann werden sie mioh sehen, indem ioh im Liohte meines Vaters mit der Kraft und der Ehre der Vgl. Offbg. 9,2. 2 Vgl. Lk. 21,26. Vgl. Offbg. 7,1; Ezech. 7,2; 37, 9; Mt. 24, 31; Lk. 21,25; 4. Esra 5, 7. 4 Vgl. Offbg. 9,17. 6 Das adornamenta des Ood. Olm 4563 wird bei Ood. Olm 4585 durch idola8 und bei Vatic. PaIa.t. Nr. 220 durch monumenta ersetzt. Der Sinn ist ohnehin klar. Vgl. Jes. 2,18; PseudoMatthäus 22, 2. 23 (De Santos, S. 234-235); Ev. Infantiae Arab. 10 (Übers. ebda. S. 333). 6 Bei Olm 4563 heißt es et rota 8oli8 aperietur. Bihlmeyer (a. a. O. schlägt vor operietur anstatt aperietur. 7 VgI. Mt. 24,29; Apok. 6, 12. 8 Bei Olm 4563 heißt es: In iUa die omne8 gentea ita videbunt, velut in 8acculo. James (The Apocr. NT, S. 560) ersetzt das BaCCUlo durch 8peculo und übersetzt: in thaJ; day 8hall all nation8 behold aB in a mirror, ohne die Möglichkeit des 8acculo auszuschließen. Die Handschriften bieten keinen Anhaltspunkt zum Verständnis dieser dunklen Stelle. S Vgl. Kopt. Eliasapokalypse (ed. Steindorff S. 154) und Johannesapokalypse Kap. 17 (ed. Tischendorf, Apa.. S.85). 10 Bei Vat. Pa.lat. Nr. 220 heißt es: SpelUnca8 montium anstatt monumenti8 wie bei Olm 4563. Vgl. Offbg. 6, 15. 11 Vgl. Mt. 24,21; Mk. 13,19; Offbg. 16,18; Dan. 12,1. 1
3
2. Thomasapokalypse
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heiligen Engel von oben herabkomme 1. Bei meiner Ankunft wird dann die Feuerumfriedung des Paradieses aufgebrochen werden, denn das Paradies ist mit Feuer umzäunt 2. Das ist aber das ewige Feuer, das den Erdkreis und alle Bestandteile der Welt verzehrt 3. Dann werden die Geister und die Seelen der Heiligen das Paradies verlassen und auf die Erde kommen, jeder in seinem eigenen Leib, wo dieser auch immer begraben ist. Und jeder wird sagen: hier liegt mein Leib begraben. Und wenn die mächtige Stimme jener Geister vernommen wird, dann werden sich überall Erderschütterungen ereignen, und die Wucht dieses Erdbebens wird gegen die Gebirge einsetzen, und die Steine werden sich durch und durch spalten. Dann wird die Seele eines jeden in ihr Gefäß zurückkehren 4, und die Leiber der entschlafenen Heiligen werden aufstehen 5 • Dann werden sich ihre Leiber in die Ähnlichkeit und das Abbild und die Ehre der heiligen Engel und in die Kraft des Bildes meines heiligen Vaters verwandeln 6. Dann werden sie das Kleid des ewigen Lebens anziehen 7 : das Kleid aus der Wolke des Lichtes 8, die auf dieser Welt noch nie zu sehen war. Denn diese Wolke kommt vom oberen Himmelsreich von der Macht meines Vaters herab. Sie wird alle Seelen, die an mich geglaubt haben, mit ihrem Glanz umhüllen. Dann werden sie angezogen und durch die Hände meiner heiligen Engel, wie gesagt, getragen werden 9. Dann werden sie ins All auf einer Wolke aus Licht entrückt werden 10. Froh werden sie mit mir zusammen in den Himmel kommen und im Lichte und in der Ehre meines Vaters bleiben. In der Gegenwart meines Vaters und meiner heiligen Engel werden sie tiefste Freude empfinden. Dies sind die Zeichen des sechsten Tages. Und am siebenten Tage, zur achten Stunde, werden Stimmen in den vier Ecken 11 des Hintmels erschallen. Das All wird sich in Bewegung setzen und von heiligen Engeln wimmeln. Diese werden den ganzen Tag hindurch gegeneinander kämpfen l2 • An jenem Tage werden die Auserwählten durch die heiligen Engel vom Weltuntergang errettet werden 13. Dann werden alle Menschen einsehen, daß die Stunde ihres Verderbens geschlagen hat. Dies sind die Zeichen des siebenten Tages. 1 Vgl. Mt. 24, 30; Mk. 13, 27 f.; Lk. 21, 27; Dan. 7, 13. Auf die Anwesenheit der Engel bei der Parusie verweisen auch Mt. 25,31; Lk. 9, 26; 1. Thess. 3,13. Vgl. Dan. 7, 10. 2 Ob hier eine Anspielung auf die Vertreibung Adams aus dem Paradies (1. Mos. 3, 24) vorliegt oder eher auf die Vorstellung, wonach der Thron Gottes vom Feuer umgeben ist (vgl. Dan. 7,9; Ezech. 1, 4; Offbg. 4,5), ist nicht klar. Von "Feuermauern" spricht auch ein priszillianisches Apokryphon (Rev. Bened. 24, 1907, S. 323). Dort sollen sie allerdings die "Hölle" umgeben. 3 Vgl. 2. Petr. 3,7. • Vgl. 1. Thess. 4, 4. 5 Vgl. Mt. 27, 52. • Vgl.1. Mos. 1,26; 1. Kor. 15,49; 2. Kor. 3, 18. 7 Vgl. Ascensio Isaiae 9, 2 (Übers. s. o. S.464). 8 Vgl. Acta Thomae Kap. 108-114, s.o. S. 349ff. Die große Rolle, die in unserer Apokalypse das Licht spielt, läßt an manichäische und gnostische Kreise denken, bei denen das Thema des Lichtes bekanntlich sehr beliebt war. Vgl. Bihlmeyer, S. 281. 9 Vgl. Apok. Moses, Kap. 37 (ed. Tischendorf, Apa, S.20); Geschichte Josephs des Zimmermanns 23, 2 (S. Morenz, TU 56, 1951). 10 Vgl.1. Thess. 4, 17. 11 Vgl. Offbg. 7, 1. 12 Vgl. Offbg. 12, 7. 13 Bei Palat. Vatic. 220 heißt es querent electi de toto animo ut libenntur de perditione. Vgl. Offbg. 7, 3; Mt. 24, 31; Mk. 13,27.
572
XVIII. Spätere Apokalypsen
Und wenn die sieben Tage vorüber sind, am achten Tage zur sechsten Stunde wird sich eine zarte und leise Stimme von Osten her melden. Dann wird jener Engel in Erscheinung treten, der über die heiligen Engel Gewalt hat. Mit ihm werden alle Engel zusammen ausziehen, auf denWolkenwagen meines heiligen Vaters sitzend, frohlockend, in der Luft unter dem Himmel umherschweifend, um meine Auserwählten, die an mich geglaubt haben, zu retten; froh schließlich darüber, daß der Untergang der Welt hereingebrochen ist. So weit die Worte des Heilandes an Thomas über das Ende dieser Welt.
ANHANG: DICHTUNGEN
1. DER N.AASSENERPSALM (W. Bauer) EINLEITUNG. In seiner Widerlegung der gnostischen Naassener teilt Hippolyt (V 6ff.) die sog. Naassenerpredigt mit (V 7, 3ff., ed. Wendland (GCS 26) 1916, S. 79ff.), nach Reitzensteins Nachweisen l eine ursprünglich heidnische Rede oder vielleicht richtiger ein synkretistisches Gebilde, dessen heidnischer Hauptinhalt von Anfang an durch einige jüdische Beigaben bereichert gewesen ist. Die christlichen Zutaten zu diesem Kern sind jedenfalls leicht abzuscheiden. Und was zurückbleibt, ist eine in allem Wesentlichen heidnische Predigt, eine allegorisierende Umdeutung des am Schlusse gegebenen Kultliedes auf Attis (V 9, 8f.), das - zunächst zum Vortrag im Theater bestimmt - sich an archaische Formen anlehnt (J. Kroll, Die christliche Hymnodik bis zu Klemens von .Alexandreia, 1921, S. 93). Ob die christlichen Naassener es gleichfalls zu gottesdienstlichen Zwecken verwandt haben oder nur zur Stütze ihrer Spekulationen, läßt sich nicht mehr feststellen. Viel glaubhafter erscheint der kultische Gebrauch bei einer zweiteiligen Hymne, die Hippolyt im Anschluß an die Predigt als Psalm der Naassener mitteilt (V 10, Iff., ed. Wendland, S. 102ff.). Mit Ausnahme der ersten Zeilen, die ein erweitertes Metrum haben, ergeht sich dieses Lied in Anapästen, dem geläufigsten Versmaß der Kaiserzeit. Seine poetiBche Form hat zahlreiche Philologen angezogen (vgl. J. Kroll, a. a. 0., S. 96, Note, und die hier namhaft gemachte Literatur). Der Psalm ist eigentlich ganz heidnisch. Nur an einer Stelle ist er durch Einsetzung des Namens Jesus für eine ursprünglich dort genannte Gottheit deutlich christianisiert. Zum Inhalt vgl. J.Kroll, a.a.O., S. 94-97.
DER N.AASSENERPSALM (Hippol., Eleneh. V 10, 2fI.) Urprinzipium aller Dinge, erster Grund des Seins und Lebens ist der Geist; zweites Wesen, ausgegossen von dem ersten Sohn des Geistes, ist das Chaos; und das Dritte, das (von beiden Sein und Bildung) hat empfangen, ist die Seele. Und sie gleicht dem scheuen Wilde 2, das gehetzt wird auf der Erde von dem Tod, der seine Kräfte unentwegt an ihr erprobet. Ist sie heut' im Reich des Lichtes, morgen ist sie schon im Elend, 1 Poimandres, 1904, S. 82ff.; Studien zum antiken Synkretismus 1926, S. 104ff.; 161 bis 173. 2 So nach dem überlieferten Text: TOVTO lD.acpov fl-O(!CPfJv ns(!t"stfl-E'T}v. H.Jonas, Gnosis und spätantiker Geist, I, 1954, S. 343 möchte konjizieren: ... eAacp«(! )ov .•• Diese Konjektur hat viel für sich. Jonas übersetzt: "Darum umhüllt von geringer Gestalt / Quält sie sich mühvoll in Todes Gewalt."
&a
576
Anhang
tief versenkt in Schmerz und Tränen. Der Freude folgt die Träne 1, der Träne folgt der Richter, dem Richter folgt der Tod. Und im LabJI'inthe irrend, sucht vergebens sie den Ausweg. Da sprach Jesus: Schau', 0 Vater, auf dies heimgesuchte Wesen, wie es fern von deinem Hauche kummervoll auf Erden irret, will entflieh'n dem bitt'ren Chaos, aber weiß nicht, wo der Aufstieg. Ihm zum Heile sende, Vater, mich, daß ich herniedersteige mit den Siegeln in den Händen, die Äonen all durchschreite, die Mysterien alle öffne, Götterwesen ihm entschlei're und des heil'gen Wegs Geheimnis - Gnosis nenn' ich's - ihm verkünde. Die Übersetzung nach A. v.Harnack (Lehrbuch der Dogmengeschichte 1,5. Aufl., 1931, S. 257; Apokr. 2, S.436).
2. DIE ODEN SALOMOS
(W. Bauer) EINLEITUNG UND LITERATUR. Die Oden Salomos waren früher nur bekannt aus zwei alten Kanonsverzeichnissen, die den Namen nannten, aus einem Zitat des Lactantiu8 (Inst. IV 12, 3: Ode 19, 6f.) sowie durch den Umstand, daß die koptisch erhaltene gnostische Schrift Pistis Sophia fÜllf Oden (1; 5; 6; 22; 25) aufgenommen hat. 1909 entdeckte J.RendeI Harris in einem etwa 400 Jahre alten syrischen Manuskript die Sammlung selbst, die von den Psalmen Salomos gefolgt war, und schenkte uns im gleichen Jahr die editio princeps. Auf seiner Handschrift (Sigl. H) beruht noch heute in erster Linie unsere Kenntnis der Oden. Einen zweiten syrischen Kodex fand F.C.Burkitt 1912. Er setzt freilich erst bei Ode 17, 7 ein, gehört dafür aber möglicherweise noch in das 10. Jahrhundert (Sigl. B). Übrigens ist auch H unvollständig, da er erst innerhalb der dritten Ode beginnt. Hier tritt, wenigstens was die Ode 1 anlangt, die Pistis Sophia hilfreich ein. Kap. 59 lautet es: "Es antwortete aber ((je) 2 Maria, die Mutter Jesu, und sprach: 'Mein Herr, deine Lichtkraft hat einst betreff dieser Worte durch Salomo in der 19. Ode (cp(jrj) prophezeit (neoCf!'TJTSVetv) und gesagt'." Es folgt ein fünfgliedriges Lied. Daß es unsere Ode ist, erweist die Zahl 19, die sich daraus erklärt, daß sich in der Vorlage offenbar die 'Oden' an die 18 'Psalmen' Salomos angeschlossen hatten mit weiterlaufender Bezifferung. Der koptische Text der Pistis Sophia ist abschließend herausgegeben von C. Schmidt, Coptica 11, 1925. Von ihm stammt auch die deutsche Übersetzung in GCS 13, 1905. Auch 1 2
mit.
Der Text ist in dieser und den beiden folgenden Zeilen verdorben. Die eingeklammerten Vokabeln führt der koptische Text als griechische Fremdwörter
2. Die Oden Salomos
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die Oden Salomos haben eine gediegene Edition gefunden: R.Harris and A.Mingana, The Odes and Psalms of Salomon, I. II, 1916. 1920. Auf dem hier zusammengetragenen und bearbeiteten Material beruht: Die Oden Salomos, herausgegeben von W.Bauer, KlT 64, 1933, die Grundlage unserer Behandlung des Gegenstandes. Diese legt bei der Übersetzung nur auf Genauigkeit Gewicht und hat, wo irgend angängig, die Wortstellung bewahrt. Retouchen zur Erzielung eines durchsichtigeren oder gar ästhetisch befriedigenderen Wortlautes sind absichtsvoll vermieden worden. Neuerdings ist nun auch der griechische Text wenigstens einer Ode bekannt geworden: Papyrus Bodmer X-XII. X: Correspondance apocryphe des Corinthiens et de l'apötre Paul; XI: Onzieme Ode de Salomon; XII: Fragment d'un hymne liturgique; manuscrit du IIIe siec1e, publie par M. Testuz, Cologny-Geneve (BibI. Bodmeriana) 1959. Die Grundsprache der Oden ist wohl sicher das Griechische 1 , doch haben sich von Anfang an namhafte Forscher für ein syrisches Original eingesetzt 2• Der Gedanke, die Oden hätten ihre Gestalt durch die Bearbeitung eines Grundstocks seitens einer anders gerichteten Persönlichkeit gewonnen, hat sich nicht durchzusetzen vermocht (G.Kittel, Die Oden Salomos: überarbeitet oder einheitlich? Beitr. z. Wissenschaft vom AT und NT 16, 1914). Ebensowenig die meisten der Vorschläge, die gleich nach dem Auftauchen des neuen Fundes seine religionsgeschichtliche Stelle zu bestimmen suchten (die Literatur bis 1920 bei Harris-Mingana II, 455ff. Später ließ die Produktion erheblich nach). Harris vermutete judenchristliche Entstehung noch im 1. Jh. A.v.Harnack (Ein jüdisch-christliches Psalmbuch aus dem 1. Jh., TU 35,4,1910) und ähnlich F. Spitta (ZNW 11, 1910, S. 193-203. 259-290) nahmen jüdischen Ursprung mit christlicher Überarbeitung an. Th.Zahn (Neue kirchl. Zeitschr. 1910, S. 667-701. 747-777) dachte an einen Christen um 120-150, J.Labourt und P.Batiffol (Les Odes de Salomon, 1911) bestimmten diesen genauer als Heidenchristen. Franken berg (a. a. 0.) nahm Beziehungen zur alexandrinischen Theologie wahr. J.H.Bernard (The Odes of Salomon, 1912) glaubte die Lieder für den Unterricht vor der Taufe bestimmt. Auch die Montanisten erscheinen: F.C.Conybeare (ZNW 12,1911, S. 70-75), S.A.Fries (ebd., S.108-125). Doch mehr und mehr festigte sich die Auffassung, daß wir es mit einem gnostischen Hymnenbuch aus dem 2. Jh. zu tun haben: H. Gunkel (ZNW 11, 1910, S. 291-328; RGG2, V, 1931, Sp. 87-90), W. Stölten (ZNW 13, 1912, S.29-58), H. Gressmann (Apokr. 2, S. 437), J.Kroll (Die christliche Hymnodik, Verzeichnis der Vorlesungen an der Akademie Braunsberg 1921/22, S.70ff.), R.Abramowski (ZNW 35, 1936, S. 44-69). Gnostisch ist dabei in einem weiten Sinne zu fassen. Die genaue Bestimmung des Dichters ist unmöglich. Weder für Bardesanes (W.R. Newbold, JBL 30, 1911, S. 161-204) noch gar für Valentin (E.Preuschen, ZNW 11, 1910, S.328, 3) sprechen durchschlagende Gründe. Und auch die Annahme von Edessa (J. de Zwaan, The Edessene Origin of the Odes of Salomon, Quantulacumque, Festschr. K.Lake, 1937, S. 285--302; R.M. Grant, The Odes of Salomon and the Church of Antioch, JBL 63,1944, S. 363-377) oder Antiochien (Harris-Mingana u.a.) als Heimat der Oden bleibt Vermutung, die erstere gebunden an die Annahme einer syrischen Urgestalt. Hier sichere Erkenntnisse zu gewinnen ist auch deshalb so schwierig, weil einmal semitische Dichtkunst, vor allem durch Vermittlung des griechischen ATs, auch auf Menschen griechischer Zunge eingewirkt hat. J.Wellhausen (GGAI91O, S.642) beobachtet in den Oden wohl ~iblizismen, aber keine Semitismen. Andererseits sind Syrer vom Schlag des Bardesanes 1 F.Schulthess, ZNW 11,1910, S. 25lf., und überhaupt die Mehrzahl. Versuche einer Wiedergewinnung des griechischen (Ur· )Textes bei W. Fr anken b er g, Das Verständnis der Oden Salomos (BZAW 21) 1911. Vgl. auch die Übersicht über das pro und contra und bes. über die Arbeiten von Connolly bei A.Adam, Die ursprüngliche Sprache der SalomoOden, ZNW 52, 1961, S. 141-156. 2 So hat sich jüngst erst wieder A.Adam für ein semitisches Original ausgesprochen (ZNW 52, S. 141ff.), freilich für ein Aramäisch, "das dem edessenischen Syrisch nahesteht" (S.156).
117 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
578
Anhang
bei ihren poetischen Bestrebungen von griechischem Einfluß bestimmt worden (J.Kroll, Die christliche Hymnodik bis zu Klemens von Alexandreia, 1912, unter Hinweis auf die Kirchengeschichte des Sozomenus, der solches von Harmonius, dem Sohne des Bardesanes aussagt (III 16), und auf Grund eigener Beobachtungen). Weitere Literatur: H.J.E. W.Holstijn, Oden van Salomo (Zangen van Rust in den Heere), Zutphen 1942; A.Omodeo, Le Odi di Salomone, Parola deI Passato 1, 1946, S. 84 bis 118; M.MarJ osip, Oldest Christian hymnbook, Temple (Tex.) 1948; B. Steidle, 15. Ode Salomos, Benedikt. Monatsschr. 24, 1948, S. 24lf.; C.Charlier, in Esprit et Vie (Paris) 1, 1948, S. 239-44 (Ode 1; 11; 12; 17; 35; 42 keltisch); H.E.del Medico, La Lamelle Virolleand., IIay",deneta, Melanges H. Gregoire (Annuaire de l'Inst. de Philol. et d'Hist. Orientales et Slaves 9, Bruxelles 1949) S. 179-192; O.Casel, in Archiv für Liturgiewissenschaft 1, 1950, S.297ff. (Literaturbericht); W.Baumgartner, Das trennende Schwert in den Oden Salomons 28, 4, Festschr. Bertholet, 1950, S. 50-57; A.Vööbus, Celibacy, a Requirement for Admission to Baptism in the Early Syrian Church (Papers of the Esthonian Theol. Society in Exile, 1) Stockholm 1951; A. Ehr h ard t, The Birth of the Synagogue and R.Akiba, Studia Theologica IX, 2, 1955, S. 88f. (die Oden jüdischen Ursprungs. Verwandtschaft mit den Psalmen vom Toten Meer); J.Danielou, Odes de Salomon, Dict. de la Bible, Suppl. 32, Sp. 677-84; F.M.Braun, L'enigme des Odes de Salomon, Rev. Thomiste 57, 1957, S. 597-625; E.Fab bri, EI tema de Cristo vivificante en las Odas de Salom6n, Ciencia y Fe (Buenos Ayres) 14, 1958, S. 483-98; R.M.Schenke, Die Herkunft des sog. Evangelium Veritatis, 1959 (die Oden Salomos und Ev. Veritatis gehören inhaltlich zusammen; beide nicht valentinianisch); F.M.Braun, in Jean le tMologien et son Evangile dans rEglise ancienne (Etudes bibliques) 1959, S. 224-251.
DIE ODEN Auf die Überschrift folgt jeweils die Darlegung von Inhalt und Gedankengang. Daran schließt sich die Übersetzung. Das Ende bilden Noten, die der Einzelerklärung dienen wollen. Ode 1 ist die einzige, die nur koptisch vorhanden ist. In allen anderen Fällen liegt die syrische Gestalt der Übersetzung zugrunde.
ODE 1 Der Herr ist mein Kranz Auf dem Haupte des Erwählten ruht Gott als der Kranz der Wahrheit, dessen unverwelkliche Zweige die vollkommenen Früchte des Heils hervorsprossen lassen.
1 Der Herr ist auf meinem Haupte wie ein Kranz, und ich werde mich nicht von ihm trennen. 2 Man hat mir den Kranz der Wahrheit (UA1j#SW) geflochten, und er hat deine Zweige (UA&OO~) aufsprossen lassen in mir. 3 Denn er gleicht nicht einem Kranze, der vertrocknet ist, so daß er niemals aufsproßt; 4 sondern (UAAa) du bist lebendig auf meinem Haupte und bist aufgesproßt auf mir. 5 Deine Früchte (uaen6~) sind voll und sind vollkommen, indem sie voll sind von deinem Heil.
2. Die Oden Salomo8
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Zum Bild von Gott als dem Kranz (auch Ode 5,12) vgl. Jes. 28, 5; Herm., sim. VIII 2, 1 mit der Erklärung von M.Dibelius im Handb. zum NT. Der Mithrasmyste rühmt: "Mithras ist mein Kranz" (Tertullian, de corona 15). Häufig in den Mandäischen Schriften, z.B. Ginza (S.344, 23f. Lidzb.): "Eine Krone gleich der reinen Krone bist du auf unserem Haupte." Die Unverwelklichkeit des Kranzes erwähnt S. 9, 6f. - K.Baus, Der Kranz in Antike und Christentum 1940. ODE 2 (fehlt) ODE 3 Des Geliebten Vermählung mit dem liebenden Herrn Von der Liebe des Herrn getroffen brennt der Erwählte seinerseits für ihn und gehört ihm ganz in innigster Vereinigung zu unsterblichem Leben. Vom Sohn geliebt wird er selbst zum Sohn. . . • 1 bekleide ich. 2 Und meine 2 Glieder sind bei ihm, und an ihnen hange ich 3, und er glüht für mich. 3 Denn nicht verstünde ich den Herrn zu lieben, wenn er mich nicht liebte 4 • 4 Wer ist's, der die Liebe zu begreifen vermag, außer dem, der geliebt wird? 5 Ich glühe für den Geliebten, und es liebt ihn meine Seele, und wo sein Ruhelager ist, bin auch ich 5 • 6 Und ich werde kein Fremdling 6 sein, weil es keine Mißgunst 7 gibt bei dem Herrn, dem höchsten und liebevollen. 7 Ich bin vermählt, weil der Liebende den Geliebten fand 8, weil ich ilin, den Sohn, lieben sollte, daß ich (selbst) Sohn sein möchte 9. 1 Der Anfang fehlt. Die Zählung des ersten vollständigen Verses als 2. bedeutet aber nicht, daß nur ganz wenige Worte verlorengegangen sein könnten. Die Größe der Einbuße vermögen wir nicht mehr zu bestimmen. 2 Hier hat es ursprünglich geheißen "seine Glieder", aber der Schreiber selbst hat es in "meine GI." verbessert. "Seine" paßt zu dem folgenden "bei ihm" schlecht, um so besser zu dem "an ihnen" der nachfolgenden Zeile. Der Verlust des Anfangs erschwert Änderungsvorschläge. Das Bequemste wäre der Ersatz von "an ihnen" durch "an ihm". S vgl. Gen. 2,24; Mt. 19,5 Par. 4 vgl. 1. Joh. 4, 19; Homilie des Gnostikers Valentin "Über Freunde" (bei Clemens Alex. Strom. 6, 52, 4): "Dies ist das Volk des Geliebten, das geliebt wird und ihn liebt." Ii Thomasakten 35: "Wenn du Untertan dessen sein wirst, nach dem du jetzt infolge deiner glühenden Liebe verlangst, so wirst du ihn sehen und in Ewigkeit mit ihm sein und an seiner Ruhestätte ausruhen und in seiner Freude sein." Vgl. auch Joh. 14,3. 6 vgl. Eph. 2, 19. 7 Daß der Herr ohne Mißgunst ist, wird immer wieder betont: 7, 3; H, 6; 15, 6; 17, 12; 20,7; 23, 4; dazu Johannesakten 55: "Wir hören, daß der Gott, den du verkündest, ein neidloser Gott ist." Ein solcher Gott spendet "reichlich" entsprechend dem griechischen a'ly{}ovor;, arp{}ov{a. 8 vgl. Hohel. 3, 4. • vgl. Gal. 4, 5.
37*
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Anhang
8 Denn, wer mit dem verbunden ist, der unsterblich ist, wird auch unsterblich sein 1. 9 Und wer am Leben Wohlgefallen hat, wird lebendig sein. 10 Das ist der Geist des Herrn, der ohne Trug 2, der die Menschen lehrt, daß sie seine Wege kennen. 11 Seid weise und habt Erkenntnis und seid wachsam 3! Hallelujah! V. 10 und 11, möglicherweise ein Nachtrag, machen das Lied des einzelnen Frommen zum Gemeindelied. Zum Mysterium des Brautgemaches oder dem Sakrament der mystischen Hochzeit bei den Gnostikern vgl. A. Dieterich, Eine Mithrasliturgie, 31923, S. 128 ff.; W. Bousset, Hauptprobleme der Gnosis, 1907, S. 315-18. ODE 4 Der Gläubige vor Ewigkeit erwählt, für immer begnadet Gott hat in seinen Gläubigen Wohnung genommen, so daß sie sein Tempel sind. Wie dieses vor aller Zeit vorgesehene Heiligtum keinem anderen weicht, so gelten auch Gottes Verheißungen ewig, können seine Gaben nicht zurückgenommen werden: Gnade, Gemeinschaft, himmlisches Siegel.
1 Niemand verändert deinen heiligen Ort 4 , mein Gott, und keiner ist, der ihn verändern und an einen anderen Ort stellen könnte. 2 Denn keine Herrschaft gibt es über ihn; hast du doch dein Heiligtum bedacht, bevor du die Orte machen wolltest. 3 Der ältere soll keine Veränderung erfahren von seiten derer, die geringer sind als er. Du gabst dein Herz, 0 Herr, deinen Gläubigen 5 • 4 Niemals wirst du nachlassen, noch wirst du ohne Früchte sein. 5 Denn eine Stunde des Glaubens an dich ist mehr wert als alle Tage und Jahre 6. 6 Denn wer bekleidete sich wohl mit deiner Güte und fiele in Ungnade1 7 Ist doch dein Siegel' bekannt, und gekennzeichnet sind damit deine Geschöpfe; vgl. Joh. 14, 19. • Zum "truglosen Gott' s. Wörterbuch zum NT, 51958 d!pevel1j<;. • vgl. 1. Petr. 5, 8. • Der heilige Ort ist nicht, wie man vielfach seit Harris, Harnack, Spitta u. a. meint, der Tempel von Jerusalem, der nach 6,8, auch Ode 20, keineswegs ewige Dauer haben soll, sondern nach V. 3 der Gläubige oder die Gemeinschaft der Gläubigen, in die der Herr seinen Einzug gehalten hat (Eph. 3, 17ff. Vgl. Wörterbuch vao<; 2), um sie zu seinem Tempel zu machen. 5 Montanus (Epiphanius, pan. 48, 4): der Herr gibt den Begeisterten ein (neues) Herz. 6 vgl. Ps. 83, 11 (hier und im folgenden nach Septuaginta). 7 ZurVersiegelung: W.Heitmüller, "Im Namen Jesu", 1903; W.Bousset, Hauptprobleme, S. 286ff.; Weiteres im Wörterbuch unter acpeay{<;. 1
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8 und deine Heerscharen haben es in Besitz, und auserwählte Erzengel sind damit bekleidet!. 9 Du gabst uns die Gemeinschaft mit dir; nicht ist es so, daß du unser bedürftest, sondern wir bedürfen deiner 2 • 10 Sprenge auf uns deine Tropfen 3 und öffne deine reichen Quellen, damit sie für uns Milch und Honig fließen lassen. 11 Bei dir ist ja keine Reue, daß du Reue empfändest über etwas, was du verheißen hast 4 ; 12 und der Ausgang ist dir offenbar. 13 Denn, was du gabst, ohne Entgelt 5 gabst du (es), so daß du dich also nicht anders entschließen und es (wieder) nehmen wirst. 14 Denn alles war dir als Gott offenbar und stand von Anfang an bereit vor dir. 15 Und du, Herr, hast alles gemacht. Hallelujah!
ODE 5 Der Herr ist meine Hoffnung Meine Verfolger können mir nichts anhaben, denn du machst ihre Anschläge zunichte. Wenn alles wankt, stehe ich fest; wenn die Erscheinungswelt vergeht, bleibe ich am Leben.
1 Ich preise dich, 0 Herr, denn ich liebe dich. 2 Höchster, du darfst mich nicht verlassen, denn meine Hoffnung bist du. 3 Ohne Entgelt 5 empfing ich Deine Güte, von ihr werde ich das Leben haben. 4 Kommen mögen meine Verfolger, sie werden mich doch nicht erblicken. 5 Eine Wolke des Dunkels wird auf ihre Augen fallen, und ein Dunst 6 der Finsternis wird sie umschatten. 6 Und sie werden kein Licht haben, um sehen zu können, daß sie mich nicht fassen. 7 Entarten wird ihr Denken, lmd was sie ausgesonnen haben, wird sich gegen ihre Häupter kehren. 1 Celsus (bei Origenes, contr. Cels. VI 27) spricht von Engeln, die der Seele des Sterbenden das Siegel übergeben. Unbekanntes aItgnostisches Werk (S.351, 21ff., C.Schmidt) von den zwölf Gerechten: "Es sind Kränze auf ihren Häuptern und ein Siegel (acpeay{t;) von Herrlichkeit in ihrer Rechten." • vgl. AG. 17, 25 und dazu M.Dibelius, Paulus auf dem Areopag, 1939 (wieder abgedruckt in M.Dibelius, Aufsätze z. Apostelgeschichte, Forsch. z. Lit. und Religion des A. und NT. 42 (60), 1951, S. 29-70). 8 s. u. zu 35, 1 (unten, S. 615, Anm. 2). 'vgl. 4. Mos. 23,19; 1. Sam. 15,29; Röm. 11,29; Hebr. 6, 17; Philo, Quod deus sit immutabilis. 5 vgl. Röm. 3, 24; Ode 5, 3. G Das mit "Dunst" wiedergegebene Wort ist wohl im Syrischen (s. Th.Nöldeke, Kurzgefaßte syrische Grammatik, 21898 § 88) wie im Koptischen das griechische d1je.
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8 Denn sie haben einen Plan geschmiedet, und nicht war er für sie (ausführbar). 9 Sie haben sich in schlimmer Absicht bereit gemacht, und sie erwiesen sich als erfolglos. 10 Denn auf dem Herrn beruht meine Hoffnung, und nicht muß ich mich fürchten. 11 Und weil der Herr meine Rettung ist, muß ich mich nicht fürchten. 12 Und wie ein Kranz ist er auf meinem Haupt!, und nicht muß ich wanken. 13 Und wenn alles wanken wird, ich stehe fest. 14 Und wenn vergehen wird, was sichtbar ist, ich werde nicht umkommen 2. 15 Denn der Herr ist mit mir, und ich mit ihm. Hallelujah! V. l-U finden sich auch in der Pistis Sophia, Kap. 58. - Besonders stark häufen sich in dieser Ode die Anklänge an die Sprache der Psalmen; la: Ps. 9, 2; 74,2; UO, 1. 1 b: Ps 17,2. 2a: Ps. 26, 9. 2b: Ps. 21,10; 30, 15f. 5: Ps. 68,24.10: Ps. 145,5. 12b: Ps. 20, 8b. 15a: Ps. 22,4. 15 b: Ps. 72,23. Der Gedanke, daß der Anschlag der Gegner auf sie selbst zurückfällt, ist gleichfalls aus den Psalmen bekannt: 7,17; 9,16; 34,8; 53, 7. Und die Finsternis, mit der Gott die Gegner der Seinen schlägt, ist wenigstens alttestamentlich: Gen. 19, U; 2. Kö. 6, 18:1f. ODE 6 Der Geist und das Wasser des Herrn wecken überall unaufhaltsam die Erkenntnis Der Geist des Herrn, der die Seinen in Liebe ertönen läßt, vernichtet alles, was ihm fremd ist, und verbreitet seine Erkenntnis über die ganze Erde. Ein Bach wird zum Strom, der fortreißt, was sich ihm entgegenstellen will, selbst den Tempel. Wo immer sein Wasser hingelangt, trinken die Durstigen davon und gewinnen dauernde Stillung ihres Verlangens, Kraft, Licht und Leben. Heil denen, die vom Höchsten diesen Trank anvertraut erhalten haben, damit sie andere dadurch beleben! 1 Wie die Hand 3 durch die Zither wandert und die Saiten tönen 4, 2 so tönt in meinen Gliedern der Geist des Herrn, und ich ertöne in seiner Liebe 5. 3 Denn er vernichtet, was fremd, und alles ist des Herrn. vgl. zu Ode 1; auch 9, 8. Sieht der Sänger hier die Vernichtung des Weltalls (Ode 22, U) voraus, die ihm nicht schaden kann, oder gebraucht er eine Hyperbel im Sinne des Horazischen si fractus illabatur orbis, impavidum feriunt ruinae? • Vielleicht auch: "wie der Windhauch durch die Harfe fährt." Von dem mit Hand wiedergegebenen Wort ist nur ein Buchstabe sichtbar, der sich ebensogut zu Geist, Wind ergänzen läßt. • Eigentlich reden. Zu dem Bilde V. 1. 2 vgl., was der Geist durch Montanus sagt (bei Epiphanius pan. 48, 4): "Siehe, der Mensch ist der Zither gleich, und ich fliege darüber hin wie ein Plektron (Stäbchen zum Anschlagen der Saiten)." 6 Thomasakten, cap. 15: "des Herrn Liebe braust in mir ... aus Liebe zu ihm sage ich auch dies." 1
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4 Denn so war es von Anfang an und bis ans Ende, 5 daß nichts entgegen sein soll, und nichts sich erhebe gegen ihn. 6 Es mehrte seine Erkenntnis der Herr, und er bemühte sich, daß erkannt würde, was durch seine Güte uns geschenkt ward l • 7 Und seinen Lobpreis gab er uns für seinen Namen; unsere Geister preisen seinen heiligen Geist. 8 Denn entsprungen ist ein Bach und wurde ein großer und breiter Strom; denn er hat alles überschwemmt und fortgetragen den Tempel. 9 Und nicht vermochten ihn zu hemmen die Hemmnisse der Menschen, und auch nicht die Künste derer, die das Wasser hemmen. 10 Denn er gelangte über die Oberfläche der ganzen Erde, und er erfüllte alles 2. n Und es tranken alle Durstigen auf Erden, und der Durst wurde gestillt und erlosch. 12 Denn vom Höchsten wurde der Trank gegeben. 13 Heil drum den Dienern jenes Trankes, ihnen, denen das Wasser anvertraut ist! 14 Sie haben erquickt die trockenen Lippen, und den versagenden Willen haben sie aufgerichtet. 15 Und die Seelen, die dem Abscheiden nahe waren, haben sie dem Tode abgejagt. 16 Und die Glieder, die gefallen waren, haben sie geradegerichtet und aufgestellt 3 • 17 Sie haben Kraft verliehen, daß sie kommen können, und Licht für ihre Augen. 18 Denn jedermann hat sie erkannt im Herrn, und sie leben durch das Wasser ein Leben für die Ewigkeit. Hallelujah! Ob die beiden Hälften der Ode, die vom Geist (V. 1-7) und die vom Wasser handeln, heute zusammengehalten durch die Idee der unwiderstehlichen Allwirksamkeit der Gotteskraft der Gnosis, von jeher eine Einheit gebildet haben, darf man fragen. Die Pistis Sophia, Kap. 65 hat nur den zweiten Teil (V. 8-18). Die Auslegung, die unsere Ode hier findet (65 S., 132f. = S. 86f. der Übersetzung von C. Schmidt [GCS 13] 1905) deutet den Strom auf den Lichtabfluß (a:n6eeota), der sich von oben her zur Rettung der Erwählten in das Chaos ergossen hat, und die Diener V. 13 auf Michael und Gabriel. 1 vgl. l. Kor. 2, 12. Hermetische Schrift 1, 31: "Heilig ist Gott, der erkannt werden will und erkannt wird von den Seinen." 2 vgl. Jes. 11,9; Hab. 2,14. - Während Hes. 47 die Wasser des Lebensstromes vom Tempel ausgehen, spülen sie hier alles nicht zum Herrn Gehörige hinweg, auch das Heiligtum von Jerusalem. Den Gedanken, daß der Tempel nicht mehr gilt, seit die Erkenntnis des Herrn die ganze Erde überflutet, könnte man Joh. 4, 21-24 wiederfinden, in dessen Nachbarschaft (V. 13ff.) vom "Wasser des Lebens" die Rede ist, das man trinkt, um den Durst für immer zu verlieren (über dieses Wasser s. W.Bauer im Handb. z. NT VI, 31933, S. 68f.). 3 vgl. Jes. 35, 3; Hebr. 12,12.
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ODE 7 Die Menschwerdung des Herrn Vater und Sohn fließen im "Herrn" ineinander. Zu diesem führt den Frommen der breite, lichtstrahlende, ewige Weg der Gnosis und Vollkommenheit (V. 1-3a. 13. 14). Er, der Vater der Erkenntnis und Weisheit wie der Aeonen in ihrer Fülle, hat auch die Frommen geschaffen, ihnen Anteil an seinem Wesen gegeben und sich von ihnen schauen lassen (V. 7-12). Dazu war es nötig, daß er ihnen gleich wurde (V. 3b-6) und unter seinen Heiligen erschien. Sie ziehen ihm entgegen mit Gesang und Saitenspiel und preisen den Herrn für die Liebe, mit der er ihnen genaht ist. Vor der Liebe schwinden Haß und Mißgunst, und die Unwissenheit weicht der Erkenntnis. Und von der Gnosis ergriffen werden alle in den Preis der Güte des höchsten Herrn einstimmen (V. 15-25). I Wie Zorneslauf gegen den Frevelmut, so (ist) Lauf der Freude auf die Geliebte zu, und er brlligt von ihren 1 Früchten ungehindert ein. 2 Meine Freude ist der Herr und mein Lauf auf ihn zu. Dieser mein Weg ist schön, 3 denn ein Helfer ist er mir zum Herrn. Er ließ sich selbst mich erkennen ohne Mißgunst in seinem Edelmut 2, denn seine Freundlichkeit machte seine Größe klein 3 • 4 Er wurde wie ich, auf daß ich ihn erfassen könnte, an .Ähnlichkeit erschien er wie ich, auf daß ich ihn anziehen könnte 4 • 5 Und nicht erschrak ich, als ich ihn erblickte, weil er meine Gnade ist. 6 Wie meine Natur wurde er, auf daß ich ihn kennenlernen könnte, und wie mein Aussehen, auf daß ich vor ihm nicht zurückwiche. 7 Der Vater der Erkenntnis ist das Wort der Erkenntnis 5• 8 Der die Weisheit geschaffen hat, ist weiser als seine Werke. 9 Und der mich geschaffen hat, noch bevor ich werden sollte, wußte er, was ich täte, wenn ich werden würde 6. 10 Um deswillen hat er sich meiner erbarmt in seinem reichen Erbarmen 7 = der Freude. Zum Geliebten und den Früchten s. Hohel. 2, 3. Gott der edle Spender wie Jak. 1,5. 3 Zu V. 3. 4 vgl. Phi!. 2, 6ff.; Thomasakten, Kap. 80: "Preis deiner Großmächtigkeit, die um unseretwillen klein geworden ist"; 15: "Herr, der du dich erniedrigt hast bis zu mir und meiner Kleinheit, um mich neben deine Großmächtigkeit zu stellen und mit dir zu vereinen"; 72. 4 vgl. Röm. 13, 14. Gal. 3, 27. Wörterbuch zu bbvvw 2b. 6 Es gibt keine Erkenntnis ohne das Wort der Erkenntnis, das sie erzeugt. Hier steht für Wort das aus dem Persischen stammende Maskulinum pethghama an Stelle des üblicheren Femininums meltha. Dieses gnosiszeugende Wort ist V. 8 dem gleich, der die 'Weisheit geschaffen hat (Spr. 8, 22). Pistis Sophia 97 (S. 149, 30f.) spricht der Erlöser von dem "einzigen Wort des Unaussprechlichen", aus dem "die Erkenntnis des Alls" hervorgeht. 6 vgl. Ps. 138, 15f. 7 vgl. 1. Petr. 1, 3. 1
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und hat mir verliehen, daß ich ihn bitten dürfte und empfangen solle von seinem Opfer 1 • 11 Denn er ist unvergänglich, Fülle der Aeonen und ihr Vater 2. 12 Er hat sich gegeben, von denen sich sehen zu lassen, die sein sind, auf daß sie den erkennen sollten, der sie gemacht hat, und daß sie nicht meinen sollten, von sich selbst her zu sein 3 • 13 Denn zur Erkenntnis hin hat er seinen Weg angelegt, hat ihn breit und lang gemacht und ganz zur Vollkommenheit geführt'. 14 Und er hat auf ihn gesetzt die Spuren seines Lichtes 6, und er 6 läuft vom Anfang bis zum Ende. 15 Denn von ihm 7 ist er bedient worden, und er 8 war zufrieden mit dem Sohne 9. 16 Und um es zu erretten, sollte er alles in Besitz nehmen, und erkannt werden sollte der Höchste unter seinen Heiligen 10, 17 daß sie denen die frohe Botschaft künden, die Lieder haben für die Ankunft des Herrn, daß sie hinausziehen sollen ihm entgegen und ihm Lieder singen in Freude und mit der vieltönigen Zither. 18 Es sollen vor ihm hergehen die Seher und sich sehen lassen vor ihm 11. 19 Und sie sollen preisen den Herrn in seiner Liebe, weil er nahe ist und sieht. 20 Und weggenommen werden wird der Haß von der Erde, und mitsamt der Mißgeburt wird er verschwinden. 1 Eb. Nestle vermutet für die griechische Urgestalt ein ovula Wesen, das in f}vula verschrieben wurde. 2 Zu V. 11 vgI. Eph. 1,23; 3,19; KoI. 1,19; 2,9. Zu den Aeonen s.Wörterbuch alwv 4 und zu Ode 12, 4, unten, S. 592, Anm. 7. a vgI. Ps. 99, 3. , Hermet. Schrift. 11, 21: der von Gott angelegte bequeme Weg zur Gnosis, der geradewegs zum Guten hinführt. • Zu den Lichtspuren s. Ode 10, 6, unten, S. 590, Anm. 6. e = derWeg. • = dem Sohn. S = Gott, der Vater. • Der Sohn dient dem Vater gehorsam zum Zwecke der Erlösung, wie Phil. 2,8; Ga!. 4,4; Joh. 14, 31. Zum Wohlgefallen des Vaters vgI. Mt. 3, 17; 17, 5 Par. 10 Die Heiligen sind die Gott verwandten, ihm zugehörigen Naturen, wie 22,12; 23,1; unter Verwendung einer anderen Vokabel auch 9, 6. 11 Die Rolle, welche bei der feierlichen Prozession dem Herrn entgegen (in der Luft, wie 1. Thess. 4, 17?) den Sängern und Zitherspielern zufällt, ist deutlich. Aber, was sollen die Seher, die nur hier in den Oden vorkommen? Ihre über das Preisen hinausgehende Aufgabe besteht darin, "sich vor dem Herrn sehen zu lassen", was doch offenbar der Rest der feiernden Gemeinde ganz ebenso tut, wie nicht minder das Preisen. Und gleich darauflautet es V. 19: ,,(der Herr) ist nahe und sieht." In allen drei Fällen handelt es sich um das gleiche syrische Wort. Die an der ersten Stelle sich findende Form bezeichnet entweder jemanden, der etwas sieht, etwa die Augenzeugen Luk. 1, 2, oder den Seher-Propheten, z. B. 1. Sam. 9, 9. Aber vielleicht läuft das Ganze letzten Endes auf ein Wortspiel hinaus.
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21 Denn vertilgt worden ist auf ihr l die Unkenntnis, weil gekommen ist auf sie die Erkenntnis des Herrn 2 • 22 Besingen sollen die Sänger die Güte des höchsten Herrn und ihre Gesänge darbringen. 23 Und wie der Tag (so hell) wird ihr Herz sein, und wie die große Schönheit des Herrn ihrer Stimmen Klang. Und keine Person wird es geben weder ohne Erkenntnis noch stumm. 24: Denn er hat seinen Geschöpfen den Mund gegeben zu erheben 3 die Stimme des Mundes vor ihm. und zu seinem Preise. 25 Bekennet seine' Macht und tut seine Güte kund! Hallelujah! ODE 8 Der Herr, der sich als liebevoller Helfer erwiesen, ruft zur Gegenliebe in Glauben und Erkenntnis auf Die Frommen werden aufgefordert zu jubelndem Dank: und zur Liebe gegen den Herrn, der sie aus der Niedrigkeit erhoben hat. Sein Wort der Wahrheit sollen sie hören und seine Erkenntnis empfangen. Nun folgt (V. 9-21) eine gnostischeOffenbarungsrede Gottes: bewahret mein Geheimnis, meinen Glauben, meine Erkenntnis, meine Liebe! Von Urbeginn ha.t der Herr die Seinen gekannt, sie versiegelt, ihre Glieder gebildet samt Verstand und Herz und sie mit der Milch seiner Brüste genährt. Wer wollte sich gegen sie erheben, die zu seiner Rechten stehen, im Schutze seiner Gerechtigkeit und seines Namens! Der Schluß (V. 22. 23) nimmt die Mahnungen des .Anfangs wieder auf: betet fort und fort und bleibet in der Liebe des Herrn!
1 Öffnet, öffnet eure Herzen zum Jubel über den Herrn, und eure Liebe wachse vom Herzen bis (hinauf) zu den Lippen, 2 Früchte zu bringen dem Herrn, ein heiliges Leben, und zu reden in Wachsamkeit in seinem Lichte! 3 Stehet auf und stehet fest, die ilir zeitweilig darnieder lagt! 4: Die ihr im Schweigen wart, redet, da euer Mund aufgetan worden ist! 5 Die ihr verachtet wart, erhebt euch nun, da euere Gerechtigkeit erhoben worden ist! 6 Denn die Rechte des Herrn ist mit euch, und er ist euch ein Helfer. 7 Und bereitet wurde euch der Friede, noch bevor euer Krieg ausbrechen sollte 5 • 1
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der Erde.
a Hermet. Schrift. 13, 8: "Es kam zu uns die Erkenntnis (YIIWO"t,) Gottes; durch ihr
Kommen wurde die Unkenntnis (äYllota) vertrieben." Gnostiker Markus bei Irenaeus, haar. I, 15,2: die Erkenntnis des Vaters des Alls bedeutet die Vernichtung der Unkenntnis. a Wörtlich zu öffnen entspr. dem Munde. , Dieses 8eine ist im überlieferten Text nicht ausgedrückt. 6 Der Herr ist Helfer der Seinen und erzwingt für sie den Frieden, noch bevor sie selbst
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8 Höret das Wort der Wahrheitl, und empfanget die Erkenntnis des Höchsten! 9 Nicht soll euer Fleisch wissen, was ich euch sage, auch nicht euer Kleid 2, was ich euch kundtue. 10 Bewahret mein Geheimnis, die ihr dadurch bewahrt seid 3! 11 Bewahret meinen Glauben, die ihr dadurch bewahrt seid! 12 Und erkennet meine Erkenntnis, die ihr in Wahrheit mich erkennt! 13 Liebet mich mit Inbrunst, die ihr liebt! 14 Denn nicht wende ich mein Antlitz ab von den Meinigen, weil ich sie kenne, 15 und, bevor sie werden sollten, sie durchschaut habe 4 • Und ihre Angesichter, ich habe sie gesiegelt. 16 Ich habe ihre Glieder hingestellt, und meine eigenen Brüste habe ich für sie bereitet, daß sie meine heilige Milch 5 trinken könnten, um davon zu leben. 17 Ich habe Wohlgefallen an ihnen gefunden und schäme mich ihrer nicht. 18 Denn mein Werk sind sie und die Kraftleistung meiner Gedanken. 19 Wer sollte sich also erheben gegen mein Werk, oder wer ihnen nicht folgen 1 den Kampf beginnen. Excerpta ex Theodoto 72: "Vor diesem Aufruhr und Kampf der Mächte errettet uns der Herr und gewährt den Frieden vor der Schlachtordnung der Mächte und der der Engel." Thomasakten, cap. 39: "Jesus ... , Beistand und Helfer deiner Knechte im Kampfe, der du den Feind von uns abwendest und verscheuchst, der du in vielen Kämpfen für uns kämpfst und uns in allem siegreich machst." 1 Wort der Wahrheit: Joh. 17,17; 2. Kor. 6, 7; Eph. 1, 13 (hören); 2. Tim. 2,15; Jak. 1, 18. - Zum ganzen Zusammenhang: Pist. Soph. 97 (S. 153, 7.20): "Wenn der Mensch ... Mysterien (/-lva.f}eta) ... empfangen hat und des Wortes der Wahrheit (dil.fJihta) teilhaftig (/-lBr0Xo,) ist, ... jener Mensch wird an keinem Ort (.6,,0,) der Archonten (äexovu,) gerichtet ("elvl:w) werden können." Mand. Liturgien (S. 30, Lidzb. 165): "Ihr seid aufgerichtet und gefestigt (V. 3), meine Erwählten (V. 20), durch die Rede der Wahrheit (V. 8), die zu euch gekommen ist. Die Rede der Wahrheit kam zu den Guten, die wahrhafte Rede zu den Gläubigen ... Du warst siegreich, Manda d'Haije, und verhalfest allen deinen Freunden zum Sieg (V. 7)." • Fleisch = Kleid, äußere Hülle. S. zu Ode 25,8, unten, S. 607, Anm. 1. - Zur Unwissenheit des Fleisches vgl. 1. Buch des Jeu 4 (S. 260,2 C. Schmidt). 3 Das Gottesgeschenk des Mysteriums (Thomasakten, cap. 88) muß bewahrt, geheimgehalten werden: nach Hippol., Ref. (S. 2, 9ff. Wendl.) verpflichten die Gnostiker die Einzuweihenden eidlich, von den unaussprechlichen Geheimnissen nichts auszusagen. In der gnost. Baruchapokalypse bei Hippol., Ref. V 27 (S. 133,2) wird gefordert, "diese Mysterien zu bewahren und sie niemanden zu verraten". Gleiches hören wir über die Elkesaiten (Hippol. IX 15). Auch der von Apuleius beschriebene Isiskult kennt das Gelöbnis des Schweigens. Desgleichen Hermet. Sehr. 13,22. 4 Die vorzeitliche Erwählung wie Eph. 1, 4; 2. Tim. 1, 9. 5 Zur "heiligen Milch" vgl. die Belege und Literatur im Wörterbuch zu ydil.a 2. Zu den Brüsten des Herrn s. Ode 19.
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20 Ich habe Verstand und Herz nach meinem Willen gebildet, und mein sind sie, und zu meiner Rechten habe ich meine Auserwählten gestellt. 21 Und es zieht vor ihnen her meine Gerechtigkeitl, und nicht sollen sie verlassen werden von meinem Namen, weil er bei ihnen ist. 22 Betet für und für 2 und bleibet in der Liebe des Herrn 3, und (seid) Geliebte in dem Geliebten und solche, die bewahrt sind in dem, der lebt, und erlöst in dem, der erlöst ist'. 23 Und unvergänglich werdet ihr erfunden werden in allen Ewigkeiten um des Namens eueres Vaters willen 5 • Hallelujah! ODE 9 Die vollkommene Vereinigung mit dem Herrn ist der Sieg Wie Vater und Sohn im "Herrn" (Ode 7), so fließen Christus und die Christen in dem "Gesalbten" zusammen. Auf beide richten sich Gedanke und Wille des Herrn, die Leben, Vollendung, Erlösung und Frieden bedeuten. Niemand, der mit dem Herrn die Seele ausgetauscht hat (V. 2) und so in den Besitz der vollkommenen Erkenntnis und der ewigen Krone der Wahrheit, des Kostbarsten, was sich denken läßt, gelangt ist, kann im Kampfe fallen. Steht er doch im Bunde mit dem Herrn und ist im Buche des Sieges verzeichnet. 1 Öffnet eure Ohren, BO will ich zu euch reden. 2 Gebet mir eure Seele, daß auch ich euch meine Seele geben kann. 3 Das Wort des Herrn und seine Willensregungen (sind) ein heiliger Gedanke, den er gedacht hat über seinen Christus. 4 Denn im Willen des Herrn beruht euer Leben, und sein Gedanke ist ewiges Leben. Und unvergänglich ist eure Vollendung. 5 Werdet reich in Gott dem Vater, und nehmet an den Gedanken des Höchsten! Seid stark und lasset euch erlösen durch seine Güte! 6 6 Denn ich verkündige Frieden 7 euch, seinen Heiligen, daß alle, die (darauf) hören, nicht im Kampfe fallen werden, vgI. Jes. 58, 8; Ps. 84, 14. vgI. 1. Thess. 5, 17. - Gebet in Verbindung mit der Gottesliebe, wie Jud. 20f. • Bleiben in der Liebe des Herrn, wie Joh. 15, 9f. 4 Zum erlösten Erlöser vgI. Ode 17. 6 Bewahrung durch den Namen des Vaters, wie Joh. 17, 11. 6 Güte oder Gnade entsprechend dem griechischen xdet,; sie errettet den Gläubigen (s. Eph. 2, 8; Röm. 3,24). 7 Friedensverkündigung: Jes. 52, 7; Nah. 2, 1; AG. 10,36; Eph. 2, 17. 1
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7 und die hinwiederum, die ihn erkannt haben, nicht zugrunde gehen werden, und daß, die (ihn) annehmen, nicht zuschanden werden sollen 1. 8 Eine ewige Krone ist die Wahrheit Heil denen, die sie auf ihr Haupt setzen! 2 9 ein Stein von hohem Wert; wurden doch Kriege geführt um die Krone. 10 Und es nahm sie die Gerechtigkeit und gab sie euch. 11 Setzet die Krone auf im echten Bunde 3 mit dem Herrn! und alle die, welche gesiegt haben, werden eingeschrieben in sein Buch 3 • 12 Denn ihr (Eingetragenwerden in das) Buch, das ist der Sieg, der euch (winkt); und er' sieht euch vor sich und will, daß ihr erlöst werdet. Hallelujah! ODE 10 Durch den erleuchteten Frommen gewinnt Christus dem Höchsten die Welt Der Fromme, erfüllt mit unsterblichem Leben, bekehrt willige Seelen und führt sie aus der Gefangenschaft in die Freiheit, welche Gefangenschaft für Christus bedeutet, der von V. 4 an deutlich das Wort führt. Kraftvoll hat er die Welt dem Höchsten unterworfen zu dessen Ruhm. Im Bekenntnis zu ihm, dem Unbefleckten in der Höhe, haben sich die zerstreuten Völker versammelt und sind, vom himmlischen Lichte geleitet, in Christi Leben eingegangen als sein einheitliches Volk für alle Ewigkeit.
1 Geleitet hat meinen Mund der Herr durch sein Wort, und geöffnet hat er mein Herz durch sein Licht. 2 Und er hat in mir wohnen lassen sein unsterbliches Leben 5 und hat mir gegeben, zu reden von der Frucht 6 seines Heils, 3 zu bekehren die Seelen derer, die zu ihm kommen wollen, und gefangen zu führen edele Gefangene zur Freiheit. 1 Ginza (S. 31, 20ff. Lidzb.): "Wer auf ihn (den Herrn der Größe, den Lichtkönig) vertraut, kommt nicht in Schande, wer seinen Namen aufrichtig preist, kommt nicht zu Falle, wer im Vertrauen auf ihn dasteht, wird nicht erniedrigt." ! Die Wahrheit als Krone; s. Thomasakten, Kap. 6 im Hochzeitslied der Sophia: "Wahrheit ruht auf ihrem Haupte." I Der "Bund" (Gen. 17, 7; Ps. 88, 29 u. ö.) und das "Buch" (Ex. 32, 32 f.; Ps. 68, 29; Dan. 12,1; Offb. 3,5 u.ö.) sind geläufige at!. Begriffe, die in den christlichen Sprachgebrauch übergehen. Im "Seelenhymnus" der Thomasakten (Kap. 110) wird der Königssohn aufgefordert, an das hohe Kleinod der Perle zu denken sowie daran, daß sein Name im Buche des Lebens (der syr. Text hat: im Buche der Tapferen) steht. , = der Sieg. 5 Zu V. 1. 2 vgl. Ode 32. Zum göttlichen Licht im Herzen des Gläubigen s. den Brief Valentins (Clemens Alex., Strom. II 114, 6): "Wenn der allein gute Vater das Herz heimgesucht hat, so ist es geheiligt und erstrahlt von Licht ... " Zum unsterblichen Leben s. z. B. Ginza (S. 180, 12f. Lidzb.): "Fürchtet und preiset, ihr Männer von erprobter Gerechtigkeit, das Leben, und das Leben wird auf euch ruhen." 6 Das Bild von den "Früchten" ist in den Oden sehr beliebt: 1,5; 4, 4; 7, 1; 8, 2; 11, 1. 12.23; 12,2; 14,6.7; 16,2; 17, 13; 37, 3; 38, 17. An unserer Stelle besteht die Frucht in dem Heil Gottes und wird denen zuteil, die sich zu ihm bekehren und sich als Gefangene in die wahre Freiheit hinein fortführen lassen. Vgl. Ps. 67, 19; Eph. 4, 8.
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4 Ich bin stark geworden und kraftvoll und habe die Welt gefangen geführP; und das ward mir zum Preise des Höchsten und Gottes meines Vaters 2. 5 Und versammelt haben sich gemeinsam die Völker, die zerstreut waren 3, und ich war nicht befleckt durch Sünde von mir 4 , weil sie sich zu mir in den Höhen 5 bekannt haben, 6 Deshalb sind die Spuren des Lichtes auf ihre Herzen gesetzt worden 6, und sie sind eingegangen in mein Leben und erlöst worden, und sie sind mein Volk geworden für alle Ewigkeit. Hallelujah! ODE 11 Die Pflanzung des Höchsten Der göttliche Pflanzer hat das Herz des Frommen durch Beschneidung mit dem heiligen Geist zu Blüte und Frucht gebraoht und ihm daduroh Erlösung in Frieden und Wahrheit gespendet. Das redende lebendige Wasser aus der Quelle des Höchsten hat ihn wohl trun· ken gemacht, doch mit einem Rausoh, der, statt die Erkenntnis zu verdunkeln, die Eitel· keiten vernichtet und daduroh die Verbindung mit Gott um so inniger werden läßt. Dieser sohenkt dem Frommen ein himmlisohes Liohtgewand, macht ihn zu einem Felde voller Früohte und erquiokt ihn mit seinem Licht, Tau und Duft. Ja, er hat ihn sohon jetzt ins Paradies verpflanzt, wo die Fülle des Herrn herrsoht und für alle Raum ist, die sich von der Finsternis zum Liohte wenden.
1 Mein Herz wurde beschnitten 7, und seine Blüte erschien, und es wuchs in ihm die Güte 8 , und es brachte Früchte für den Herrn. 2 Denn der Höchst.e beschnitt mich durch seinen heiligen Geist 7 und legte offen vor sich meine Nieren 9 und erfüllte mich mit seiner Liebe. 3 Und es wurde mir seine Beschneidung zur Erlösung, und ich eilte dahin auf dem Wege zu seinem Frieden 1o, auf dem Wege der Wahrheit. 4 Von Anfang an und bis zum Ende empfing ich seine Erkenntnis. vgl. Joh. 16, 33. o Die Machtstellung des Christus dient der Ehre Gottes wie Phil. 2, 11. 3 Sammlung der Zerstreuten, d.h. naoh V. 3 derer, die zu ihm kommen wollen. Vgl. Joh. 11,52. 4 Sündlosigkeit des Erlösers: Joh. 8,46; 7, 18. Ginza (S. 59, 1--4 Lidzb.): "Der wahr· haftige Gesandte bin ioh, an dem keine Lüge ist, der Wahrhaftige, an dem keine Lüge ist, nicht ist an ihm Mangel und Fehl." • Der unbefleokte Erlöser in den Höhen im Johannesbuoh der Mandäer (S. 224 Lidzb.): "Darauf führte ich der Reihe nach die Werke aus, die mein Vater mir aufgegeben ... Ohne Fehler stieg ich empor, und nicht war an mir Fehl noch Mangel." 6 Ode 7, 14; 39, 10-13 (s. u., S. 620, Anm. 8) markieren die Lichtspuren einen Weg, der die Begnadeten sioher leitet. In unserer Ode sind sie deren Herzen eingeprägt und ermög· lichen ihnen so, den Eingang ins Leben zu finden. 7 Zur Beschneidung des Herzens im Geiste s. Röm. 2, 29 und Lietzmann z. St. mit Hin· weisen auf das AT und Philo. - Barn. 9, 1. 3. B oder Gnade; s. zu 9,5, oben, S. 588, Anm. 6. • Ps. 7,10; Jer. 11,20 u.ö. Offb. 2,23. 10 Weg des Friedens Jes. 59, 8; Lk. 1, 79; Röm. 3, 17. 1
2. Die Oden Salomos
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5 Und ich wurde befestigt auf dem Felsen der Wahrheit da, wo er mich hinstelltel. 6 Und redendes Wasser berührte meine Lippen aus der Quelle des Herrn ohne Mißgunst 2. 7 Und ich trank und wurde berauscht 3 von dem lebendigen Wasser 4 , das nicht stirbt. 8 Und mein Rausch war nicht ohne Erkenntnis 5, sondern ich ließ die Eitelkeiten fahren. 9 Und ich wandte mich hin zu dem Höchsten, meinem Gott, und wurde reich durch sein Geschenk. 10 Und ich habe die Torheit zurückgelassen, abgeworfen auf der Erde, und habe sie ausgezogen und von mir geworfen. 11 Und der Herr erneuerte mich durch sein Gewand 6 und machte mich bereit durch sein Licht. 12 Und von oben her schuf er mir unvergängliche Ruhe, und ich wurde wie das Land, das sproßt und über seine Früchte frohlockt 7. 13 Und der Herr (war) wie die Sonne über dem Antlitz der Erde 8. 14 Meine Augen erleuchtete er, und mein Angesicht 9 empfing Tau. 15 Und meine Nase wurde erfreut durch den erfreulichen Duft des Herrn. 16 Und er führte mich in sein Paradies lO da, wo der Reichtum der Erfreulichkeit des Herrn (ist). 17 Und ich warf mich nieder vor dem Herrn, nm ihn zu preisen. 18 Und ich sprach: "Heil denen, 0 Herr, die da gepflanzt sind in deinem Lande l l, und denen, die einen Platz haben in deinem Paradiese 19 und wachsen im Wachstum deiner Bäume l2 und gewandert sind aus der Finsternis ins Licht. Zur Sicherung auf dem Felsen durch Gott s. Ps. 26, 5; 39, 3; 60, 3. • vgl. 3, 6, oben, S. 579, Anm. 7. - Redendes Wasser: Ign., Röm. 7,2. • Zu der durch die Quelle des Lebens gewirkten Trunkenheit s. Ps. 35, 9f. H.Lewy, Sobria ebrietas, BZNW 9, 1929, bes. S. 73-107. • Zum lebendigen Wasser = Wasser des Lebens vgl. Handb. z. NT zu Joh. 4, 10-14. 5 Der Rausch ist nicht der der ayvwa{a {}sov (aus dem 1. Kor. 15, 34 zur Nüchternheit ruft), sondern der der yvwaL~, der Absage an die Eitelkeiten der Welt und Hinwendung zu Gott herbeiführt. e Zum Lichtgewand s. Bousset, Hauptprobleme S. 303,2. 7 V. 12 kehrt zum Anschauungskreis der Landwirtschaft zurück. Vgl. dazu das ähnliche Bild bei Ptolemaeus, ad Floram 5, 11. 8 Zauberpap. 4, 1611 ff.: "Aufsproßte die Erde, als du über sie glänztest, und die Gewächse trugen Früchte, als du lachtest." 9 :n:(!oaw:n:ov als Fremdwort im Syrischen. 10 Paradies kommt in Ode II viermal vor (V. 16. 18. 23. 24); sonst in den Oden nur noch einmal (20, 7). 11 Zur Seligpreisung V. 18f. vgI. Ps. Sal. 14, 3f. 12 Zur göttlichen Pflanzung s. Mandäische Liturgien (S. 190 Lidzb.) u. Reitzenstein, Das iranische Erlösungsmysterium 1921, S. 138-146. 1
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20 Siehe! alle deine Arbeiter sind trefflich, da sie wirken gute Werke 1 21 und sich wenden von der Schlechtigkeit zu deiner Freundlichkeit. Und sie wandten die Bitterkeit 2 der Bäume von sich, als sie gepflanzt wurden in dein Land. 22 Und alles wurde wie ein Rest von dir und eine Erinnerung für die Ewigkeit deinen gläubigen Knechten. 23 Denn viel Platz ist in deinem Paradiese, aber nichts Überflüssiges ist darin, sondern alles ist voller Früchte s. 24 Preis dir, Gott, Erfreulichkeit im Paradiese für die Ewigkeit. Hallelujah! ODE 12 Das Wort des Höchsten Der Höchste verlieh sein Wort, und mit ihm Licht und Erkenntnis den Äonen, den Verkündigern seiner Herrlichkeit und Boten seiner Gedanken, zur Weitergabe an die Welt. Das Wort ist ebenso schnell wie scharf; niemand kann ihm Halt gebieten, noch es zu Fa.ll bringen. Mit ihm begabt haben die Aeonen zu reden begonnen. Durch sie kam das Wort zu dem Menschen, der seine eigentliche Wohnstätte ist, und erfüllte ihn mit Liebe und Eintracht als der göttlichen Wahrheit.
1 Er erfüllte mich mit Worten der Wahrheit, weil ich sie' verkünden sollte. 2 Und wie das Fließen des Wassers, so floß die Wahrheit von meinem Munde, und meine Lippen taten ihre 5 Früchte 6 kund. 3 Und er machte reich in mir seine Erkenntnis; denn der Mund des Herrn ist das echte Wort und die Pforte seines Lichtes. 4 Und der Höchste gab es seinen Aeonen 7, den Dolmetschern seiner Schönheit und Verkündern seiner Herrlichkeit und Predigern seines Ratschlusses und Boten seines Gedankens und Erziehern seiner WerkeS. Es sind keine e(2yd.at dt5t'Xta, (Lk. 13, 27 nach Ps. 6, 9). Zum "bitteren" Baum vgl. die Worte des Thomas an den Dämon (Thomasakten Kap. 44): ,,0 bitterer Baum, dem auch seine Früchte gleichen." Hebr. 12, 15 nach Deut. 29, 17. "Bitter" = ungenießbar, fast = giftig; s. Wörterbuch zu nt'X(2ta 1. 8 s. Offenb. des Petrus 16. 4 = die Wahrheit. 6 = der Wahrheit. e vgl. die Früchte der Lippen Hos. 14, 3; Hebr. 13, 15. 7 Schwerlich = Welten, sondern Aeonen als Personwesen (s. Wörterbuch alc6v 4). Excerpta ex Theod. 7, 1: "Da der Vater unerkannt war, wollte er von den Aeonen erkannt werden." Oft bei den Manichäern. 8 d. h. Geschöpfe; so nach der Vokalisation der Handschrift. Bei einer anderen Punktsetzung ergibt sich: seine Knechte. 1 I
2. Die Oden Salomas
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5 Denn die Schnelligkeit des Wortes ist ohne ... und wie seine ... , 1 so ist auch seine Schnelligkeit und seine Schärfe, und keine Grenze hat seine Bewegungsfreiheit 2 • 6 Und niemals fällt es, sondern es steht und steht und kennt nicht sein Herabkommen noch seinen Weg. 7 Denn wie seine Wirkung, so (ist) seine Erwartung, denn Licht und Helligkeit für das Denken ist es. S Und die Aeonen 3 haben durch es geredet, einer mit dem anderen, und des Wortes waren mächtig, die schweigsam gewesen waren. 9 Und von ihm kam Liebe und Eintracht, und sie redeten einer zum anderen von dem, was ihnen geworden. 10 Und sie wurden angetrieben von dem Wort und erkannten den, der sie gemacht hat, dadurch daß sie sich in Eintracht befanden. 11 Und es redete zu ihnen der Mund des Höchsten, und in schnelle Bewegung kam durch ihn seine Erklärung. 12 Denn die Wohnstätte des Wortes ist der Mensch, und seine Wahrheit ist die Liebe. 13 Heil denen, die durch dieses 4 alles verstehen gelernt und erkannt haben den Herrn in seiner Wahrheit! Hallelujah! ODE 13 Der Herr ist unser Spiegel Im Herrn als Spiegel können wir ihn wie uns selber schauen. Unsere Schmutzigkeit fordert Säuberung; seine Heiligkeit, die es zu lieben und anzuziehen gilt, ruft uns zum Lobpreis.
1 Siehe! Unser SpiegelS ist der Herr. Öffnet die Augen und betrachtet sie 6 darin, 2 und lernet, wie euer Antlitz ist! Und traget Lobgesänge seinem Geiste vor, 3 und wischet den Schmutz von eurem Antlitz! Und liebet seine Heiligkeit und kleidet euch darin, 4 so werdet ihr ohne Fehl allezeit bei ihm sein! Hallelujah! 1 Der Text ist sichtlich in Unordnung. In beiden Lücken hat die Überlieferung das gleiche Wort mit der Bedeutung "Erzählung" oder auch "Rede", "Predigt", "Gespräch" (s. C.Brockelmann, Lexicon Syriacum, 21928, Sp.829a). 2 Hermet. Schr. 1, 5 heißt das Feuer, das der ..1.6yo, aYID, hervorgehen läßt, "leichtbeschwingt, scharf und tatkräftig". Vgl. Hebr. 4, 12. 3 S.o., S. 592, Anm. 7. 4 nämlich: das Wort. 5 Zum Bild vom Spiegel s. Sap. Sal. 7, 26ff.; 1. Klem. 36,2. Literatur dazu im Wörterbuch bei eaOnT(!Ov. Besonders R.Reitzenstein, Historia Monachorum 1916, S. 244-255; 262. 6 Sie = die Augen, wohl in dem Doppelsinn, den im Deutschen "das Gesicht" und im Griechischen ai ötpet, haben.
38 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
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ODE 14 Auf des Herrn Gaben richtet sich unser sehnliches Verlangen Ebenso sehnsuchtsvoll wie die Augen des Sohnes dem Vater sind die Augen des Frommen dem Herrn zugewandt in der Erwartung seiner Gaben, der Früchte des Geistes. Sie sollen ihm dienen zur Leitung, Erlösung und Belehrung, dem Herrn zu Preis und Ehren.
1 Wie die Augen des Sohnes auf seinen Vater, so sind meine Augen, Herr, allezeit, zu dir (gewandt)1; 2 denn bei dir sind die Brüste 2 für mich und meine Wonne. 3 Wende deine Barmherzigkeit nicht von mir, Herr, und nimm nicht von mir deine Freundlichkeit! 4 Strecke mir, Herr, allezeit deine Rechte entgegen, und sei mir ein Führer bis zum Ziel nach deinem Willen! 5 Ich möchte wohlgefällig sein vor dir um deiner Ehre willen, und um deines Namens willen möchte ich von dem Bösen erlöst sein 3. 6 Und deine Milde, Herr, bleibe bei mir und die Früchte deiner Liebe! 7 Lehre mich die Lieder deiner Wahrheit, daß ich durch dich Früchte bringe! 8 Und die Zither deines heiligen Geistes tue mir auf 4 , daß ich in allen Tonarten dich preisen kann, Herr! 9 Und entsprechend der Größe deiner Barmherzigkeit mögest du mir geben, und eilends erfülle unsere 5 Wünsche; 10 bist du doch gewachsen allen unseren Bedürfnissen! Hallelujah ! ODE 15 Der Herr, die Sonne, erweckt zu vollkommenem Leben Die belebenden Strahlen der himmlischen Sonne haben den Erwählten aufstehen lassen, seine Augen und Ohren geöffnet und sein Denken geweckt. So vermochte er den Weg des Irrtums zu verlassen und den Herrn zu finden, der ihn zur Unvergänglichkeit erlöst hat. Tod und Hölle sind für ihn abgetan, und unsterbliches Leben ist ihm erwachsen im Lande des Herrn. 1 Wie die Sonne eine Freude ist für die, die nach ihrem 6 Tag verlangen, so ist meine Freude der Herr. vgl. Ps. 122, 2. • Wohl ganz Bild wie 1. Thess. 2, 7. • Zu V. 5 vgl. Ps. 24, 11; 30, 4; 53, 3; 78, 9; 142, 11. Auch Mt. 6, 13. • V. 8a mag eine Verkürzung sein von: öffne meinen Mund (7, 24), daß er das Instrument deines heiligen Geistes werde (6, 1. 2). 6 Zum Abschluß vgl. 3, 10. 11. Auch unser Lied läuft in eine Äußerung der Gemeinde aus. Die Einzahl des Redenden weicht der Mehrzahl. Auch manichäische Lieder kennen den Wechsel von Einzelstimme und Antwort der Gesamtheit (A Manichaean Psalm-Book II ed. C.R.C.Allberry 1938, S.47, 15-17). 6 = der Sonne. 1
2. Die Oden Srilom08
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2 Denn er ist meine Sonne, und seine Strahlen haben mich aufstehen lassen I, und sein Licht hat alle Finsternis von meinem Angesicht vertrieben. 3 Erhalten habe ich durch ihn Augen, und geschaut habe ich seinen heiligen Tag. 4 Geworden sind mir Ohren, und gehört habe ich seine Wahrheit 2. 5 Geworden ist mir das Denken der Erkenntnis, und ich bin ergötzt worden durch ihn 3. 6 Den Weg des Irrtums habe ich verlassen, und ich bin hingegangen zu ihm und habe empfangen Erlösung von ihm ohne Mißgunst. 7 Und nach seiner Gabe hat er mir gegeben, und nach der Größe seiner Schönheit hat er mich gemacht. 8 Ich habe angezogen die Unvergänglichkeit durch seinen Namen, und ich habe abgelegt die Vergänglichkeit durch seine Güte. 9 Der Tod ist vergangen vor meinem Antlitz 4, und die Unterwelt 6 hat aufgehört durch mein Wort 6. 10 Und es ist erwachsen im Lande des Herrn Leben ohne Tod und ist bekannt geworden seinen Gläubigen und ist gegeben worden ohne Abzug allen denen, die auf ihn bauen. Hallelujah! ODE 16 Preis des Herrn um seiner Schöpfung willen Die Beschäftigung des Frommen ist der Lobpreis des Herrn, den er liebt und an den er glaubt, und dessen Geist ihm den Mund öffnet. Das Wort des Herrn hat dessen Plan offenbart und damit die Schöpfung begründet. Erde und Meer, der Himmel und seine Sterne sind geworden; dann ruhte der Herr von seinen Werken. .Aber seine Geschöpfe laufen ihren Lauf und wirken ihr Werk ohne Stillstand und Müßiggang. Die Heerscharen gehorchen seinem Wort. Tag und Nacht verkünden in ihrem Wechsel von lichter Sonnenhelle und schwarzer Finsternis die Schönheit Gottes. Es gibt nichts, was nicht von ihm herrührte, der vor allem da war. 1 Wie der Beruf des Landmannes der Pflug ist und der Beruf des Steuermannes 7 die Führung des Schiffes so ist auch mein Beruf der Psalm des Herrn bei seinen Lobpreisungen 8. vgI. Eph. 5, 14. Zu V. 1--4 vgI. Ginza (S. 57, 20ff. Lidzb.): "Herr aller Seelen! Wir schauten deinen Glanz und erhielten Leben. Wir schauten dein Licht und wurden gläubig. Wir hörten deine Lobpreisung, und in unser Herz legte sich Kustä (= Wahrheit)." • = den Herrn. , ne6awnov als Fremdwort im Syrischen. 6 Syrisch: Scheol (aus dem Hebräischen). 8 zu V. 8. u. 9 vgl. 1. Kor. 15, 53-55. 1 uvßeevfrr'fjt; als Fremdwort im Syrischen. 8 Beruf und Pflicht des Lobgesanges wie bei Epiktet 1, 16, 15-21. 1
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2 Meine Kunst und mein Geschäft bestehen in seinen Lobpreisungen; denn die Liebe zu ihm hat mein Herz genährt, und bis zu meinen Lippen (hinauf) hat sie ihre Früchte getrieben 1. 3 Denn meine Liebe ist der Herr, deshalb muß ich ihm singen. 4 Denn voller Kraft bin ich bei seinen Lobpreisungen und habe Glauben an ihn. 5 Ich werde meinen Mund auftun, und durch mich wird sein Geist verkünden 2 die Herrlichkeit des Herrn und seine Schönheit, 6 das Werk seiner Hände und das Gebilde seiner Finger, 7 die Fülle seiner Barlnherzigkeit und die Kraft seines Wortes. 8 Denn das Wort 3 des Herrn ergründet, was unsichtbar ist, und ermittelt sein<1 Denken. 9 Denn es schaut das Auge seine Werke, und das Ohr vernimmt sein Denken. 10 Er hat die Erde weit gemacht und dem Wasser im Meere Wohnung angewiesen. 11 Er hat den Himmel ausgespannt und die Sterne an ihren Platz gestellt. 12 Und er hat die Schöpfung gegründet und sie aufgerichtet, und er hat sich ausgeruht von seinen Werken. 13 Und die Geschöpfe laufen in ihren Läufen und wirken ihre Werke und kennen kein Stillestehen und Müßiggehen. 14 Und die Heerscharen gehorchen seinem Wort. 15 Die Schatzkammer des I.Jichtes ist die Sonne, die Schatzkammer der Finsternis ist die Nacht. 16 Es bewirkt aber die Sonne für den Tag, daß er hell sei, die Nacht aber bringt die Finsternis auf das Antlitz der Erde. 17 Und indem es einer vom anderen empfängt 5, verkündigen sie die Schönheit Gottes. 18 Und es gibt nichts, was abseits (wäre) vom Herrn; denn er ist gewesen, bevor überhaupt irgend etwas war. 19 Und die Welten sind durch sein Wort geworden und durch das Denken seines Geistes 6. Ode 8, 1. s. Ode 6, 1. 2; 14,8. a Da das syrische meltha hier als Femininum gebraucht wird, ist es gewiß nicht der Logos; s. Nöldeke, Gramm." § 87 und auch zu Ode 41, unten, S. 622, Anm. 9. Es ist nach V.19 das Schöpferwort, das den Plan des Herrn kennt, ihn ausspricht und so die Schöpfung herbeiführt. Vgl. außer der atl. Schöpfungsgeschichte auch Ginza (S.15, 19 f. Lidzb.): "Der hohe Lichtkönig sprach das Wort aus, da entstand jegliches Ding durch sein Wort." Hermet. Schr. 1, 31: "Heilig bist du, der du durch das Wort geschaffen hast, was ist." • = des Herrn. 5 s. Ps. 19, 3. o Wörtlich: Herzen8; aber das Herz ist der Sitz des Denkens. 1 8. 2
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20 Preis und Ehre seinem Namen! Hallelujah! Der Hymnus geht ganz in den Bahnen des ATs (Einzelnachweise in den Noten zur Übersetzung H. Greßmanns in Apokr. 2). Entsprechend ist der Schluß fern von allem Dualismus und Pessimismus. ODE 17 Der erlöste Erlöser Von Gott gekrönt durch unvergängliche Erlösung, gerechtfertigt, von allem irdischen Wesen entbunden und jeglicher Fessel ledig, ist der Redende eine neue Person geworden, so daß, wer immer ihn sieht, ihn als einen Fremden anstaunt. Der Höchste, der alle Vollkommenheit und Erkenntnis besitzt, hat auch ihn auf die Höhe der Wahrheit und Gnosis geführt. So ist er fähig geworden, im göttlichen Auftrag das Erlösungswerk zu verrichten. Er zersprengt die Tore der Unterwelt und befreit alle die "Seinen", denen er Erkenntnis und volles Leben verleiht. Sie werden seine Glieder, wie er ihr Haupt. Am Schluß antwortet die Gemeinde der Frommen dem Sprecher: "Preis sei dir, unserem Haupt, Herr, Christus!"
1 Ich bin aber bekränzt worden durch meinen Gott, und mein Kranz ist lebendig!. 2 Und ich bin gerechtfertigt 2 worden durch meinen Herrn, meine Erlösung aber ist unvergänglich. 3 Ich bin befreit worden von den Eitelkeiten und bin nicht verurteilt. 4 Meine Fesseln sind durch ihn zerrissen worden, Antlitz und Gestalt einer neuen Person 3 habe ich empfangen und wandelte in ihr und wurde erlöst. 5 Und das Denken der Wahrheit leitete mich, und ich ging ihm nach und ging nicht irre. 6 Und alle, die mich sahen, erstaunten, und wie ein Fremder 4 kam ich ihnen vor. 7 Und er, der die Erkenntnis besitzt und mich wachsen ließ, ist der HöchsteS in seiner ganzen Vollkommenheit. Und er brachte mich zu Ehren in seiner Freundlichkeit und erhöhte zur Höhe der Wahrheit mein Erkenntnisvermögen. S Und von da gab er mir den Weg seiner Schritte (frei), und ich öffnete die Tore, die verschlossen waren, 9 und ich zerschlug die eisernen Riegel 6 • Mein eigenes Eisen 7 aber geriet in Glut und schmolz vor mir. 1 Zum Kranz vgl. Ode 1. Der "lebendige Kranz" = Kranz des Lebens Jak. 1, 12; Offb. 2, 10. 2 vgl. 1. Tim. 3, 16. 3 :n:(!6aw:n:o'P als Fremdwort im Syrischen. • ~EvO, als Fremdwort im Syrischen. 5 Hier setzt die Handschrift Bein. G p, oXÄ6, als Fremdwort im Syrischen. Vgl. Ps. 106, 16b. 7 = die eiserne Fessel. Auch der Erlöser war im Hades zunächst gebunden und mußte befreit werden. Anders Reitzenstein, Erlösungsmysterium, S. 87, 1. J.Kroll, Gott und Hölle 1932, S. 37, 2. 46.
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10 Und nichts erwies sich für mich als verschlossen, weil ich der geworden war, der alles öffnet. 11 Und ich ging hin zu allen den Meinen, die eingeschlossen waren, sie zu befreien, daß ich keinen ließe gebunden oder bindend 1. 12 Und ich gab meine Erkenntnis ohne Mißgunst und meine Fürbitte voller Liebe. 13 Und ich säte in die Herzen meine Früchte und verwandelte sie durch mich. 14 Und sie empfingen meinen Segen und wurden lebendig, und sie versammelten sich bei mir und wurden erlöst.. 15 Denn sie sind mir Glieder geworden und ich ihr Haupt 2 • 16 Preis dir, unserem Haupte, Herr, Christus! Hallelujah! ODE 18 Der Sieg der Gnosis über ihre Gegner Der Fromme ist sich des Beistandes des Höchsten, dessen Königtum feststeht, gewiß. Hat er doch die göttliche Hilfe schon erfahren dürfen. Im Kampfe zwischen Finsternis, Trug und Tod hier, Erleuchtung, Wahrheit und Leben dort, muß der auf seiner Seite sein, der nichts weiß von Lüge und Nichtigkeit. Eitel ist der Wahn derer, denen die Gnosis fremd blieb; sicher der Sieg denen, die in ihr mit dem Höchsten verbunden sind. Von seinem Hauche inspiriert reden sie die Wahrheit.
1 Mein Herz wurde erhoben durch die Liebe des Höchsten und wurde reich, daß ich ihn preise durch meinen Namen 3. 2 Meine Glieder wurden stark, daß sie nicht fallen sollten aus seiner Kraft. 3 Die Krankheiten wichen von meinem Leibe, und er stand auf für den Herrn nach seinem Willen, weil sein Königtum feststeht. 4 Herr, mögest du nicht um derentwillen, die mangelhaft sind, dein Wort von mir nehmen! 5 Auch nicht um ihrer Taten willen mögest du mir deine Vollkommenheit vorenthalten. 6 Nicht möge der Erleuchtete besiegt werden von dem Finsteren 4, auch nicht möge fliehen die Wahrheit vor dem Truge. 7 Zum Siege führe unsere Erlösung deine Rechte 5, und du mögest aufnehmen von überall her, und du mögest bewahren einen jeden, der in Übel verstrickt ist. 1 Keiner der Seinen blieb gebunden, kein Dämon in der Lage zu binden. - Zur Höllenfahrt des Erlösers s. Ode 42. • vgI. KoI. 1, 18; 2, 19. 8 Name, wie ovopa, = Person. Soll streng an der Bedeutung Name festgehalten werden, dann ist das überlieferte meinen Namen wohl in seinen Namen zu verändern. , Möglich auch: von der Finsternis. 6 = rechte Hand.
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8 Du, mein Gott, Trug und Tod sind nicht in deinem Munde, sondern es ist Vollkommenheit dein Wille. 9 Und Nichtigkeit kennst du nicht, weil auch sie dich nicht kennt. 10 Und nicht kennst du Irrung, weil auch sie dich nicht kennt. 11 Und es erwies sich als Staub die Unkenntnis l und als Nebel des Meeres. 12 Und es dachten von ihr die Nichtigen, daß sie gewaltig sei, doch wurden auch sie ihr gleich und nichtig. 13 Und es erkannten die Besitzer der Erkenntnis und prüften, und nicht wurden sie befleckt in ihren Gedanken, 14 weil sie in der Einsicht des Höchsten waren und sich lustig machen über die, die in der Irrung wandeln. 15 Sie (selbst) aber reden die Wahrheit infolge des Hauches, den gehaucht hat in sie der Höchste. 16 Preis und große Schönheit seinem Namen! Hallelujah! ODE 19 Die göttliche Milch Die göttliche Milch stammt vom Vater und wurde durch Vermittlung des Geistes im Sohne der Welt gereicht. Wer sie annimmt, tritt damit auf die rechte Seite zu den Vollkommenen. Der Gottessohn wurde durch die Jungfrau geboren, in der Kraft Gottes zum Erwerb aller himmlischen Güter.
1 Ein Becher Milch wurde mir gereicht, und ich trank ihn in der süßen Freundlichkeit des Herrn. 2 Der Sohn ist der Becher, und der, der gemolken wurde, der Vater, und, der ihn molk, der heilige Geist 2. 3 Weil seine Brüste voll waren und es unerwünscht war, daß seine Milch zwecklos verströmte, 4 öffnete seinen 3 Busen der heilige Geist und vereinte die Milch der beiden Brüste des Vaters' 5 und gab die Mischung der Welt, ohne daß man es wußte. Und die (sie) annehmen, sind in der Vollkommenheit der Rechten. Die ayvota oder ayvwala, das Gegenteil der yvwat,. • Zum Gedanken der Dreieinigkeit vgl. 23, 22. 8 s. Note zur Ausgabe. Das "sein" bezieht sich auf den Vatet". 4 Zu dem eigenartigen, ja grotesken Bild am Anfang vgl. Clemens Alex., Paed. I 35, 3: "Ich (Paulus) habe euch in Christus mit einfacher und wahrer und natürlicher Speise, der geistlichen, unterrichtet; denn dies ist das Wesen der lebenspendenden Milch, die aus zärtlich liebenden Brüsten quillt ... Wie die Ammen mit der Milch die neugeborenen Kinder ernähren, so auch ich, indem ich euch mit dem Wort, der Milch Christi, geistliche Speise einflöße." 36, 1: "In diesem Sinne ist die vollkommene Milch eine vollkommene Speise und führt zu einer unaufhörlichen Vollendung." 43, 3: "Die Speise, das ist der Herr J esus, der 1
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6 Es! fing auf 2 der Sohoß der Jungfrau, und sie empfing und gebar. 7 Und es wurde Mutter die Jungfrau in großer Gnade und kam in Wehen und gebar einen Sohn, ohne Sohmerz zu empfinden 3, 8 weil es nioht zweoklos 4 gesohah. 9 Und nioht verlangte sie eine Hebamme 3 , weil er 6 ihr seine Hilfe angedeihen ließ 6. 10 Wie ein Mann gebar sie mit (festem) Willen, und sie gebar in Siohtbarkeit und erwarb in vieler Kraft 11 und liebte in Erlösung und bewahrte in Freundliohkeit und maohte siohtbar in Größe 7. Hallelujah! ODE 20 Das wahre Opfer Dem Ich V. 1-4 folgt ein Du V. 5-9. Der Redner - so scheint es - stellt sich zunächst als Priester seiner Gemeinde vor, um sie dann predigend anzusprechen. Unsicher bleibt dabei, ob an einen bestimmten Amts- und KuItträger zu denken ist. Das dem göttlichen Denken oder Willen gemäße Opfer, das er bringt, ist im Gegensatz zu Weit und Fleisch die Gerechtigkeit und Reinheit von Herz und Lippen. Statt den Mitmenschen zu schädigen, mache man sich würdig der Güte des Herrn, des Eintritts ins Paradies, des Kranzes vom Baume des Lebens, der seligen Ruhe.
1 Ein Priester des Herrn bin ioh, und ihm leiste ioh Priesterdienst. 2 Und ihm opfere ioh das Opfer seines Denkens 8. 3 Denn nioht ist wie die Welt, Logos Gottes, Fleisch gewordener Geist. Die Speise ist die Milch des Vaters, durch die allein die Unmündigen gesäugt werden." 46, I: "Für uns Unmündige, die wir das Himmelswort saugen, ist die Speise Christus selbst ... Den Unmündigen, die das Wort suchen, spendet die liebevolle Brust des Va ters die Milch." - Die Milch der Brüste, mit der Gott die Seinen nährt, ebenso Ode 8, 16. In der gleichen Ode (8,20) haben wir auch die Auserwählten auf der Rechten (zu 19, 5). 1 Gegen die Vermutung von R.Harris (p. 116) und H. Greßmann, V. 6-11 sei eine ursprünglich selbständige Ode, könnte sprechen, daß schon Lactantius, inst. 4, 12, 3 den V. 6 als Bestandteil der ode undevicesima kennt. Z s. die Note zur Ausgabe. Überlieferung wie Deutung sind unsicher. 3 Zur Schmerzlosigkeit der Geburt und der Figur der Hebamme s. o. Himmelfahrt des Jesaja ll, 14, wo Bewohner von Bethlehem sagen: "Sie (Maria) hat nicht geboren, und die Wehemutter ist nicht (zu ihr) hinaufgegangen, und wir haben keinen Schmerzensschrei gehört." Möglicherweise redet in der Himmelf. d. J. der alter propheta, der sich Actus Petri cum Simone, Kap. 24 ganz ähnlich vernehmen läßt. Vgl. Bauer, Leb. Jesu S. 68, 2. • Die gleiche Form wie in V. 3. • er = Gott. 6 s. Note zur Ausgabe. • Der Schlußhymnus V. 10. II erinnert in seiner Form an 1. Tim. 3, 16. 8 "seines Denkens" = wie er es meint. Möglich auch "seines Willens" = das er will.
2. Die Oden Salomo8
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auch nicht wie das Fleisch sein Denken 1, auch nicht wie die, welche fleischlich dienen. 4, Das Opfer des Herrn ist Gerechtigkeit 2 und Reinheit des Herzens und der Lippen. 5 Bringe zum Opfer dar deine Nieren ohne Makel, und dein Herz soll kein Herz bedrängen, und deine Seele soll keine Seele bedrängen. 6 Nicht sollst du erwerben einen Fremden durch das Blut deiner Seele 3 , und du sollst auch nicht danach trachten, deinen Nächsten zu betrügen, und du sollst ihm auch nicht rauben die Decke für seine Blöße. 7 Ziehe vielmehr an die Güte des Herrn ohne Mißgunst 4 und komme in sein Paradies und mache dir einen Kranz von seinem Baum, 8 und setze ihn auf dein Haupt und freue dich, und lege dich nieder auf seiner Milde! 9 Und es wird gehen vor dir her sein Preis 5, und du wirst empfangen von seiner Freundlichkeit und von seiner Güte, und du wirst blühen 6 in Wahrheit durch den Preis seiner Heiligkeit. 10 Preis und Ehre seinem Namen! Hallelujah! ODE 21 Dank für die Erlösung Der Begnadete hat die Fesseln der Endlichkeit abgestreift und für seine Seele einen Körper erhalten frei von Krankheit und Schmerzen. Der Finsternis entkleidet und mit dem Lichtleib angetan wird er ins Licht emporgehoben, dem hilfreichen Herrn entgegen, dem er nahekommen darf, um von ihm begeistert sich in einem Bekenntnis voll Jubel und Preis zu ergießen. 1 Meine Arme hob ich empor zur Höhe 7 zur Gnade des Herrn, 2 weil er meine Fesseln abgestreift hat von mir s und mein Helfer mich erhoben hat zu seiner Gnade und Erlösung. 3 Und ich zog die Finsternis aus und tat das Licht an 9. 4, Und es wurden mir Glieder 10 an meiner Seele, in denen keine Krankheit ist noch Qual noch Schmerzen. oder: Wille. 2 vgl. Ps. 4, 6. Den merkwürdigen, vielleicbt unmöglichen Ausdruck "Blut deiner Seele" haben beide Handschriften. 4 Ohne Mißgunst = reichlich gespendet; s. zu Ode 3, 6, oben, S. 579, Anm. 7. 6 vgl. Jes. 58, 8; Ps. 84, 14; Barn. 4, 12. 6 wörtlich: "fett sein". 7 Gebärde des Beters; vgl. 1. Tim. 2,8. 8 vgl. Ps. 106, 14; 115, 7. 9 Zum himmlischen Lichtleib, der an die Stelle irdischer Finsternis tritt, s. Bousset, Hauptprobleme, S. 303, Anm. 2. 10 Glieder = ein Leib, was Ta pi).'Yj ebenfalls bedeuten kann. 1 3
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5 Und überaus hilfreich war mir der Ratschluß des Herrn und seine l unvergängliche Gemeinschaft. 6 Und ich wurde emporgehoben in das Licht und ging vorüber vor seinem Angesicht. 7 Und ich kam ihm nahe, indem ich ihn pries und bekannte 2 • 8 Er ließ mein Herz aufsprudeln, und es befand sich in meinem Munde und ist aufgegangen auf meinen Lippen. 9 Und groß wurde auf meinem Antlitz der Jubel über den Herrn und sein Preis. Hallelujah! ODE 22 Der Sieg über die Höllenmacht Danklied des Erlösers. V. 1-530 wird der beschrieben, der dann 5b-12 angeredet ist. Der ganze Erlösungsvorgang bis hin zur Weltvernichtung und Welterneuerung sowie Gründung des ewigen Gottesreiches der Heiligen wird in der Vergangenheitsform erzählt und so bis zu seinem Abschluß hin vorweggenommen. Aus der Höhe kommt der Befreier und fährt in die Tiefen, von Gott geleitet, der ihm auch die Mitte, die Welt der Menschen übereignet. Alle Gottesfeinde werden vernichtet, der siebenköpfige Drache wird niedergeschmettert. Bis ins Totenreich hinein bricht Gott die Bahn, auf der die Gläubigen - wiederbelebt in neuen Leibern - den Rückweg antreten, während die Ungläubigen tot zurückbleiben. Die Höllenfahrt findet sich auch 17, 8ff. und 42,10--18. - Ode 22 kehrt in der Pistis Sophia (Kap. 71) wieder. - Zum Descensus ad inferos: Ganschinietz, PWRE X 2, 1919 Sp. 2359-2449. Bou8set, Hauptprobleme, S. 244ff.; Kyrios Christos 21921, S. 32f.; ZNW 19, 1920, S. 50ff. C. Schmidt, TU 43,1919, S. 453ff. Reitzenstein, D. mand. Buch des Herrn der Größe 1919, S. 25f. J.Kroll, Gott und Hölle 1932 (reiches religionsgeschichtliches Materia.l).
1 Er, der mich hinabführt aus der Höhe und mich hinaufführt aus den Tiefen; 2 und er, der sammelt, was in der Mitte 3 , und es mir überweist; 3 Er, der zerstreute meine Feinde und meine Gegner; 4 er, der mir Macht gab über die Fesseln, so daß ich sie lösen kann; 5 er, der niederwarf durch meine Hände den siebenköpfigen Drachen ... und du stelltest mich auf seine Wurzeln, daß ich seinen Samen vernichten sollte 4 • 6~ Du bist dort gewesen und halfst mir, und aller Orten umgab mich dein Name. 7 Es zerstörte deine Rechte sein schlimmes Gift, und es ebnete deine Hand den Weg für die, die an dich glauben. seine = des Herrn. 2 Der Lobpreis des Verzückten vor dem Herrn, wie Ode 36,2 (s. zu dieser Stelle). 3 Der Ausdruck Ort der Mitte oder ähnlich findet sich oft in der Pistis Sophia (S. 121,21. 31. 33; 127, 6; 128,5 u.ö.); ebenso bei den Valentinianern (lrenaeus, haer. I 7,1; II 30,2). 4 Der Drache = Teufel und Satan Offb. 12, 9; 20,2. Seine sieben Köpfe Offb. 12, 3. Zur Wurzel Satans vgl. Johannesakten, Kap. 98; 114. . 1
2. Die Oden SalO1nos
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8 Und du erwähltest sie aus den Gräbern und trenntest sie von den Toten l . 9 Du nahmst die toten Gebeine und kleidetest über sie Leiber. 10 Und sie waren unbeweglich, und du gabst ihnen die Fähigkeit zum Leben. 11 Unvergänglich war dein Leben und deine Person 2. Du brachtest deine Welt zum Vergehen, daß alles aufgelöst und erneuert wurde 3 12 und daß die Grundlage für alles dein Felsen 4 sei. Und auf ihn bautest du dein Königreich, und es wurde zur Wohnung der Heiligen. Hallelujah! ODE 23 Der Himmelsbrief Freude, Güte und Liebe gehören den Auserwählten, die, wenn sie den Herrn so erfassen, zur vollkOlnnlenen Erkenntnis seines Wesens gelangen. Vielleicht soll damit der göttliche Ratschluß beschrieben sein, derV. 5ff. in Form eines Briefes von oben herabkommt. V. 17 freilich scheint auf einen anderen Inhalt zu führen, der aber aus dem Zusammenhang unserer Ode heraus kaum verständlich ist. Den Brief möchten viele gern erhaschen, vermögen es aber nicht, da er und sein Siegel ihnen Schrecken einflößen. So beschränken sie sich darauf, ihn von ferne zu beobachten. Nun ändert sich die Szene. Ein Rad erscheint als Zeichen von Königtum und Herrschaft, nimmt den Brief auf und bricht ihm gewaltsam Bahn. Was weiter folgt und des Rätsels Lösung bringen sollte (V. 16ff.), erklärt J. Wellhausen, GGA 1910, S. 635 für unverständlich. Jedenfalls öffnet sich die breite Bahn, die das Rad reißt, auch der Phantasie des Erklärers. Der Brief scheint V. 17 ff. alle Welt zur Huldigung für "den echten Sohn des höchsten Vaters" versammeln zu sollen. Aber 19f. sind "die Vielen" dann Abtrünnige und Verfolger. V. 22 endlich enthält der Brief - eine von Gott selbst beschriftete Tafel - die Namen der Dreieinigkeit, was dem Dreiklang von Freude, Güte, Liebe am Anfang entsprechen könnte. Doch über Vermutungen gelangt man nicht hinaus. 1 Die Freude gehört den Heiligen; und wer sollte sie anziehen, außer ihnen allein? 2 Die Güte gehört den Auserwählten; und wer sollte sie empfangen außer jenen, die auf sie trauen von Anbeginn? 3 Die Liebe gehört den Auserwählten; und wer sollte sie anziehen außer jenen, die sie besessen haben von Anbeginn. Zu V. 8-10 vgl. Hes. 37. Im Griechischen hat hier 7ll2oaw7lov gestanden, was der Kopte mit "Angesicht" wiedergibt. Der Syrer läßt das Wort stehen, das in seine Sprache als Fremdwort übergegangen ist. Da es aber im Syrischen wie im Griechischen mehrere Deutungen zuläßt (Angesicht, Person; vgl. 11, 14; 15, 9; 17, 4 u.ö.), ergeben sich für die Übersetzung verschiedene Möglichkeiten. 3 vgl. 2. Petr. 3, 10f. t An Stelle von dein Felsen hat der Kopte dein Licht. Bei der Lesart Fel8 spielt wohl irgendwie Mt. 16, 18f. mit. Denn die Ode gebraucht hier das auch an der angeführten Evangelienstelle vorkommende Wort kepha, während der Felsen (der Wahrheit) 11, 5 8chu'a heißt. 1
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4 Wandelt in der Erkenntnis des Höchsten und ihr werdet erkennen die Güte des Herrn (, die) ohne Mißgunst (spendet), so daß ihr über ihn jubelt und seine Erkenntnis vollkommen wird. 5 Und sein Ratschluß war wie ein Brief, und sein Wille kam herab aus der Höhe l . 6 Und er wurde entsandt wie ein Pfeil vom Bogen 2, der abgeschnellt wird mit Gewalt. 7 Und hin eilten zu dem Briefe viele Hände 3 , ihn zu packen und zu nehmen und zu lesen. 8 Und er entzog sich ihren Fingern, und sie bekamen Angst vor ihm und vor dem Siegel auf ihm, 9 weil sie keine Macht hatten, zu lösen sein Siegel. Denn die Kraft, die auf dem Siegel war, war stärker als sie 4 • 10 Es gingen aber hinter dem Briefe her jene, die ihn gesehen hatten, daß sie erfahren möchten, wo er sich niederließe, und wer ihn lesen und wer ihn hören dürfe. n Ein Rad aber nahm ihn in Empfang, und er kam auf es; 12 und so war das Zeichen mit ihm des Königtums und der Herrschaft 5 • 13 Und alles, was im Wege war dem Rade, mähte es nieder und schnitt es ab. 14 Und eine Menge drängte es zurück von solchem, was entgegenstand, und schüttete zu die Flüsse 15 und ging hinüber, rodete viele Wälder aus und legte einen breiten Weg an. 16 Es stieg herab das Haupt zu den Füßen, weil bis zu den Füßen das Rad gelaufen war. Und das, was auf ihn kam, 17 der Brief, enthielt ein Gebot, damit sich versammelten zugleich alle Länder. 1 Zum Himmelsbrief vgl. Thomasakten, Kap. HO. IH. Hermas, vis. 2, 1. Manichäer (Kephalaia I 1935) S. 182, 2ff.: der lebendige Geist hat von der Höhe einen Friedens- und Grußbrief (im koptischen Text die griechischen Wörter el(p]'V1'j, danaa!l6r; emrJ7;oAt)) an den Urmenschen in der WeIt geschrieben und geschickt. Weiteres bei A.Deißmann, Licht v. Osten 41923, S. 208,2. W.Köhler, RGG" II 1928, Sp. 1901f. 2 Pistis Sophia 66, S. 88,26: eine Lichtkraft kommt aus der Höhe herab wie ein fliegender Pfeil. S Die Hände für die tätigen Personen wie AG. 17,25. 4 Zur Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit, die Siegel himmlischer Urkunden zu lösen, vgl. Offb. 5, 2f. • Zum "Rad der Herrschaft" und seinem möglicherweise indischen Ursprung s. G.Kittel, Die Oden Salomos 1914, S. 172. H. Greßmann, Od. Sal., S. 23: SBA 37,1921, S.616ff. Auch in manichäischen Schriften spielen "das Rad (Teox6r;), das sich vor dem Großen König der Ehre befindet und in dem sein ganzer Wille enthalten ist" (Kephal. I, S. 87, 31ff.), oder eine Mehrheit von Rädern, die dem König der Herrlichkeit zu Diensten stehen (S. H3, 3lf. u.ö.), eine Rolle, auch als Träger (S. H9, lOf. 24f.).
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18 Und zu sehen war an seinem KopP das Haupt, das sich offenbarte, und der echte Sohn vom höchsten Vater. 19 Und er erbte alles und nahm es in Besitz, aber es versagte völlig der Anschlag der vielen. 20 Es begehrten aber alle Abtrünnigen auf und flohen (dann doch), und schlaff wurden die Verfolger und erloschen. 21 Es war aber der Brief eine große Tafe1 2, die beschrieben war vom Finger Gottes ganz und gar 3 • 22 Und der Name des Vaters (stand) darauf und der des Sohnes und der des heiligen Geistes, zu herrschen in Ewigkeit der Ewigkeiten. Hallelujah! ODE 24 Die Vernichtung der Unterwelt Nach den Eingangsworten möchte man meinen, es handele sich um die Taufe. Aber der Gesang der Taube über dem Haupt des Herrn Christus ist nur der Auftakt einer Welt und Hölle erschütternden Katastrophe. Die gottfeindlichen Tiefen, die den Herrn verschlingen wollen, werden ihrerseits durch Überflutung vernichtet. Haben sie von Anfang an Verderben geübt, so steht am Ende solchen Tuns doch das Leben. Jedenfalls für alle die, bei denen die Wahrheit ist.
1 Die Taube flog auf das Haupt unseres Herrn Christus, weil er ihr Haupt war. 2 Und sie sang über ihm, und gehört wurde ihre Stimme. 3 Und es fürchteten sich die Einwohner, und es gerieten in Erregung die Fremdlinge. 4 Die Vögel ließen ihre Flügel hängen, und das Gewürm starb alles in seiner Höhle. 5 Und die Tiefen öffneten sich und deckten sich (wieder) zu, und sie waren gierig nach dem Herrn, wie die Gebärenden 4. 6 Und nicht wurde er ihnen zum Fraß gegeben, weil er nicht zu ihnen gehörte. 1
Beidemal das gleiche Wort.
• mvau{(5tov als Fremdwort im Syrischen. a Zur eigenhändigen Schrift des Gottes vgl. A.Bertholet, Die Macht der Schrift in Glau-
ben und Aberglauben 1949, S. lOff. Ex 24,12; 31,18. Bertholet S. 11: das Original des Koran, der vom Himmel auf die Erde herabgesandt wurde, ist in einer "wohlverwahrten Tafel" erhalten. 4 Eine in mancher Beziehung dunkle Ode. Über die einleitenden Verse und ihr Verhältnis zum Übrigen s. oben die Inhaltsübersicht. Aber auch V. 5 die "Gier der Gebärenden" bleibt unverständlich. Eine Gebärende will doch nichts aufnehmen. Anders steht es mit dem ähnlichen Bild AG 2,24, wo der Tod in Wehen liegt und deshalb den Christus nicht behalten kann, sondern von sich lassen muß. In unserer Ode aber darf der Abgrund den Herrn sich gar nicht einverleiben. Von einem Wiederausspeienmüssen des zunächst Verschlungenen (wie 42, 11) ist keine Rede.
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7 überflutet aber wurden die Tiefen duroh die überflutung des Herrn, und es gingen zugrunde an jenem Plan 1, die vormals gewesen waren. S Denn sie haben Verniohtung geübt von Anfang an, aber das Ende der Verniohtung war das Leben. 9 Und zugrunde geriohtet wurde von ihnen alles, was mangelhaft war, weil ihnen nioht (möglioh) war, das Losungswort zu geben, damit sie bleiben könnten. 10 Und der Herr maohte die Gedanken zuniohte aller derer, bei denen die Wahrheit nioht gewesen. 11 Denn es ermangelten der Weisheit jene, die übermütig waren in ihrem Herzen. 12 Und sie wurden verworfen, weil nioht bei ihnen die Wahrheit war. 13 Denn der Herr hat kundgetan seinen Weg und ausgebreitet seine Güte. 14 Und jene, die es 2 erkannt haben, kennen seine Heiligkeit. Hallelujah! ODE 25 Dank für die Befreiung zu himmlisohem Leben Gott hat den Frommen aller hemmenden Bande entledigt und seinen vielen Feinden und Verächtern gewehrt. Er hat ihm Kraft und volles Licht verliehen, ein Kleid des Geistes für das Kleid von Fell. Wahrheit und Gerechtigkeit sowie ewige Ruhe sind sein Teil geworden durch die Freundlichkeit des Herrn.
1 Entronnen bin ioh aus meinen Banden, und zu dir bin ioh geflüohtet, mein Gott. 2 Denn du warst die Reohte der Erlösung und mein Helfer 3 •
3 Du hemmtest die, welohe gegen mioh aufstanden, und sie sind nioht wieder zum Vorsohein gekommen. 4 Denn deine Person 4 war mit mir, sie, die mioh rettete duroh deine Güte. 5 loh wurde aber veraohtet und verworfen in den Augen der vielen, und ioh war in ihren Augen wie (wertloses) Blei 6. 1 Was für ein Plan? Der des Herrn, der die feindlichen Tiefen durch Überflutung vernichtet? Oder handelt es sich um den gegen den Herrn gerichteten "Anschlag" (23, 19) des Abgrundes, der nun diesem selbst zum Verderben ausschlägt? Zur Vernichtung der Tiefen durch den Herrn vgl. 31, 1 f. Zu V. 4 könnte man heranziehen das Gebet des Isisgläubigen (Apuleius, metam. 11, 25, 4): "Vor deiner Majestät erzittern die Vögel am Rinlmel, die wilden Tiere der Bergwelt, die Schlangen sm Boden und die Ungetüme des Meeres." 2 "es". Im Syrischen steht ein Femininum, das sich auf "Weg" oder "Güte" bezieht. 8 vgl. Ps. 117, 6f.; 39, 18. 4 s. zu Ode 22, 11, oben, S. 603, Annl. 2. • vgl. Jes. 1, 25.
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6 Und es war nur Stärke von dir her und Hilfe. 7 Leuchter stelltest du mir hin zu meiner Rechten und zu meiner Linken, auf daß nichts an mir sein möchte ohne Licht. 8 Und ich wurde bekleidet mit dem Kleide deines Geistes und tat ab von mir die Fellgewänder 1 . 9 Denn deine Rechte erhöhte mich 2 und ließ abziehen die Krankheit von mir. 10 Und ich war kräftig in deiner Wahrheit und heilig in deiner Gerechtigkeit. 11 Und es gerieten in Furcht vor mir alle meine Gegner, und ich war des Herrn im Namen des Herrn. 12 Und ich wurde gerechtfertigt durch seine Freundlichkeit, und seine Ruhe währt in Ewigkeit der Ewigkeiten 3. Hallelujah! ODE 26 Preis des Herrn Preis dem Herrn, der sich nicht erklären läßt, weder in dem, was er ist, noch in dem, was er tut. Es muß genügen, ihn zu erkennen und darin Ruhe zu finden. Das gewährt der Herr denen, die sein Lob singen, weil sie ihm gehören. 1 Ich ließ sprudeln Preis dem Herrn 4 ; denn sein bin ich. 2 Und ich will sprechen sein heiliges Lied; denn mein Herz ist bei ihm. 3 Denn seine Zither 5 ist in meinen Händen, und nicht sollen verstummen die Lieder seiner Ruhe. 4 Ich will zu ihm rufen mit meinem ganzen Herzen. Ich will ihn preisen und erheben mit allen meinen Gliedern. 5 Denn von Osten und bis zum Westen der Preis ist sein 6. 6 Und vom Süden und bis zum Norden sein ist das Bekenntnis. 1 Der Zustand von Gen. 3, 21 wird rückgängig gemacht. Das Kleid ist die äußere, fleischliche Hülle (s. Ode 8, 9). Ebenso wird die Genesisstelle in den Exc. ex Theodoto 55 und von Julius Cassian samt manchem anderen (Clemens Alex. 3, 95, 2) verstanden. Und schon Justin bekämpft diese Auslegung (A.Hilgenfeld, Ketzergeschichte 1884, S. 359 Note 604). Der bibI. Ausdruck kehrt bei Porphyrius, abst. 1,31 p. 109, 14 Nauck" wieder, und das Ausziehen der Fellgewänder bedeutet für ihn die neuplatonische Ertötung der Sinnlichkeit. • vgI. Ps. 117, 16. a Die Ode findet sich auch in Pistis Sophia Kap. 69. Zum Inhalt vgl. die ähnliche Ode 21. , Zum Bilde vgl. 21, 8. 6 Zur Zither vgI. 6,1; 7, 17; 14, 8. • vgl. Ps. 112, 3.
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7 Und vom Gipfel der Höhen und bis zu ihrem Ausläufer die Vollkommenheit ist sein. 8 Wer ist es, der da schreibt die Lieder des Herrn, oder wer ist es, der sie liest? 9 Oder wer ist es, der anleitet seine Seele zum Leben, daß erlöst würde seine Seele? 10 Oder wer ist es, der auf dem Höchsten ruht, der reden könnte aus seinem 1 Munde? 11 Wer ist imstande, zu erklären die Wunder des Herrn? Weil nämlich der, der erklärt, vergehen wird und bestehen bleiben wird der, der erklärt werden soll. 12 Denn es genügt, Erkenntnis zu haben und (darin) Ruhe zu finden s; denn die Sänger stehen fest in Ruhe 13 wie ein Fluß, dessen Quelle reich ist und der dahinfließt zur Hilfe für die, die ihn suchen. Hallelujah! ODE 27 Das Kreuzeszeichen 1 Ich streckte meine Hände aus und hielt heilig meinen Herrn. 2 Denn das Ausbreiten meiner Hände ist sein Zeichen; 3 und mein Ausstrecken ist das aufgerichtete Holz. Hallelujah! Diese Ode deckt sich mit 42, 1. 20.. S. dort.
ODE 28 Die Welt vermag nichts gegen den, der seit Ewigkeit dem Höchsten gehört Die Taubenmutter schirmt ihre Jungen mit den Flügeln, und in inniger Vertrautheit kehren die Jungen ihr die Schnäbel zu. So wendet auch der Gläubige sein Haupt dem zu, an den er glaubt, und dieser wieder umfängt ihn mit seiner segensvollen Gegenwart. Solche unlösbare Verbindung führt dazu, daß (von V. 5 an) der Erlöser und der Erlöste zusammenfließen, das Schicksal des einen ZUDl Schicksal des andem wird, aus diesem jener redet. Schon bevor es eine Vergänglichkeit gab, hat die Unvergänglichkeit ihm den Geist und damit unsterbliches Leben eingeflößt. Daran zerbricht alle Feindseligkeit der Welt. Deren so unbegreifliche Bekämpfung des Frommen schlägt ihnl zur Erlösung aus. Denn des Höchsten Plan vermag niemand zu durchkreuzen.
1 Wie die Flügel der Tauben über ihren Jungen (sind) und die Schnäbel ihrer Jungen ihren Schnäbeln zu(gekehrt), so (sind) auch die Flügel des Geistes über meinem Herzen. = des Höchsten. Zum Verhältnis von Erkenntnis und Ruhe vgl. Hebräerevgl. 40.. b (Bd. I, S. 108); Ox.Pap. 654, Logion 2 (Bd. I, S. 63); Clemens Alex., Paed. 1, 29, 3: "Die Erkenntnis (YVWGt,) ist in der Erleuchtung; das Ende der Erkenntnis aber ist die Ruhe (ava:n;avGt,), die als das letzte Ziel begriffen wird." 1
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2 Fröhlich ist mein Herz 1 und hüpft wie das Ungeborene, das hüpft im Leibe seiner Mutter 2 • 3 Ich kam zum Glauben, dadurch fand ich auch die Ruhe 3 ; denn des Glaubens wert ist der, an den ich zum Glauben kam. 4 Segensvoll segnete er mich, und mein Haupt ist zu ihm (gekehrt). Und das Schwert trennt mich nicht von ihm noch auch der Säbel 4 • 5 Denn ich wurde bereitet, bevor die Vernichtung war, und wurde gelegt an den Busen 5 der Unvergänglichkeit. 6 Und es umfing mich 6 das Leben 7 ohne Tod und küßte mich. 7 Und von ihm stammt der Geist, der in mir (ist), und er 8 kann nicht sterben, weil er lebendig 9 ist. 8 Es staunten die, welche mich sahen, weil ich verfolgt wurde 10. 9 Und sie meinten, ich wäre verschlungen worden, weil ich ihnen erschien wie einer von den Zugrundegegangenen. 10 Meine Unterdrückung aber Erlösung wurde sie mir. 11 Ihr Auswurf l l aber wurde ich, weil kein Eifern in mir war. 12 Weil ich jedermann Gutes tat, wurde ich gehaßt. 13 Und sie umstellten mich wie tolle Hunde 12, die da, ohne (sie) zu erkennen, losgehen auf ihre Herren. 14 Denn gestört ist ihr Verstand und verunstaltet ihr Denkvermögen. 15 Ich aber hielt das Wasser 13 in meiner Rechten, und ihre Bitterkeit hielt ich aus 14 in meiner Süßigkeitl5 • 16 Und ich ging nicht zugrunde, weil ich nicht ihr Bruder war, war doch auch meine Erzeugung nicht wie die ihre l6 • vgl. Ps. 15, 9. • vgl. Luk. 1, 41. 44. a vgl. Hebr. 4, 3. Griechisches, aus dem Persischen stammendes Lehnwort (Jafltp~(!a; s. Nöldeke, Gramm. § 88. 6 oder: in die Arme. 6 Hdschr. H hat: es ging hervor. 7 "Das (große) Leben" als Bezeichnung für Gott oft in den Mandäischen Schriften: Ginza 610a (Lidzb. (Reg.)). 8 er = der Geist. • Nach Hdschr. B: Leben oder das Leben. 10 vgl. Jes. 52, 13 ff. 11 vgl. Ps. 21, 7. 1. vgl. Ps. 21, 17. Ginza 5,3 (S. 183) spricht der "Mann von erprobter Frömmigkeit", der auf der Wanderung von der irdischen Welt zum Jenseits begriffen ist: "Ich ging hin und kam nach dem Wachthause der gierigen tollwütigen Hunde, deren Augen geblendet sind, daß sie nicht sehen usw." 13 das Wasser des Lebens. 14 Hdschr. B: vergaß ich. 15 die im Wasser liegt; vgl. 30, 4. 16 Hdschr. B hat: kannten sie doch auch nicht meine Erzeugung. Vgl. Joh. 7,28; 8,14. 1
4
39 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
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17 Und sie erstrebten meinen Tod und brachten (ihn doch) nicht zustande, weil ich älter war, als ihre Erinnerung (reicht)!; und erfolglos bedrohten 2 sie mich. 18 Und diejenigen, die nach mir kamen vergeblich die Erinnerung an den, der vor ihnen war, suchten sie auszutilgen. 19 Denn nicht zu überflügeln ist der Verstand des Höchsten, und sein Herz 3 ist überlegen aller Weisheit. Hallelujah! ODE 29 Der Glaube an den Christus ist der Sieg 4 Der Fromme setzt seine Hoffnung auf den Herrn, dessen Herrlichkeit und Güte, dessen Barmherzigkeit und Schönheit er erfahren hat. Errettet aus der Gewalt des Todes ist er an Christus den Herrn gläubig geworden. Der hat ihm die Macht verliehen über alle Feinde.
1 Der Herr ist meine Hoffnung, nicht werde ich zuschanden an ihm. 2 Denn, wie seine Herrlichkeit (ist), machte er mich, und, wie seine Güte (ist), so beschenkte er mich auch; 3 Und, wie seine Barmherzigkeit (ist), erhöhte er mich; und, wie die Größe seiner Schönheit (ist), erhob er mich. 4 Und er ließ mich emporsteigen aus den Tiefen der Unterwelt 6, und aus dem Rachen des Todes riß er mich. 5 Und ich demütigte meine Feinde, und er rechtfertigte 6 mich in seiner Güte. 6 Denn ich glaubte an den Christus des Herrn, und ich sah, daß er der Herr war. 7 Und er zeigte mir sein Zeichen 7 und leitete mich in seinem Licht. 8 Und er gab mir den (Herrscher-)Stab seiner Macht, daß ich unterwerfen solle die Anschläge der Völker und die Kraft der Helden zu demütigen; 9 zu führen den Krieg durch sein Wort und den Sieg davonzutragen durch seine Macht. 1 Der .Ältere dem Späteren überlegen (V. 17. 18) wie Joh. 1,15.30; 8,53.58; Zauberpap. 13, 543; Ode 4, 3. • Hdschr. B (u. H am Rande): sie warfen das Los; vgl. Ps. 21,19. 3 Das Herz als Sitz des Denkens wie 16, 19. - Zum Ineinssetzen des Erlösten und des Erlösers s. Ode 3, 7; 36, 3. 4 Ein Danklied mit Anklängen an die atl. Psalmen: V. I s. Ps. 30, 2 - V. 4 s. Ps. 29, 4 V.6 (die beiden Herren) s. Ps. 109,1 (Mt. 22,44; Mk. 12,36; Lk. 20,42; AG. 2,34) - V. 8 s. Ps. 109,2; Ps. 32, 10 - V. 10 s. Ps. 1,4 - V. U s. Ps. 85, 16; U5, 7. 6 Syrisch: Scheol (aus dem Hebräischen). 6 Rechtfertigen im Sinne von zum Siege führen wie 1. Tim. 3, 16. 7 Zum Zeichen des Christus vgl. 27,2; 42, 1.
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10 Und nieder warf meinen Feind der Herr durch sein Wort, und er wurde wie Staub, den der Wind fortträgtl. 11 Und ich gab Preis dem Höchsten, weil er großgemacht hat seinen Knecht und den Sohn seiner Magd. Hallelujah! ODE 30 Die Lebensquelle des Herrn Die Dürstenden werden gerufen, aus der Lebensquelle zu schöpfen, um Ruhe zu finden für ihre Seelen. Nichts ist süßer als dieser Trunk, der von den Lippen und aus dem Herzen des Herrn kommt und der trotz seiner unbegrenzten Fülle unbekannt war, bevor er offenbar gemacht wurde.
1 Füllet euch Wasser (ein) 2 aus der lebendigen Quelle des Herrn, weil sie aufgetan wurde für euch! 2 Und kommet, a.lle ihr Dürstenden, und nehmet den Trunk 3 • Und findet Ruhe an' der Quelle des Herrn! 3 Denn schön ist sie und rein und beruhigend die Seele. 4 Denn viel süßer als Honig ist ihr Wasser und die Wabe der Bienen nicht vergleichbar mit ihr 5. 5 Denn von den Lippen des Herrn geht sie aus 6 und vom Herzen des Herrn ihr Name 7. 6 Und sie kam unbegrenzt und unsichtbar, und bis sie gegeben war mitten hinein, erkannte man sie nicht. 7 Selig die, die aus ihr getrunken haben und Ruhe gefunden haben durch sie! Hallelujah! ODE 31 Der neue Zustand auf Grund der Erlösertat des Herrn Die Ode ist zweiteilig. V. 1-5 beschreiben den durch den Herrn herbeigeführten freudevollen und hochzupreisenden Zustand. Dann spricht V. 6-13 der Erlöser selbst und schildert nach einer Aufforderung, sich die nunmehr erreichbaren Güter anzueignen (V. 6. 7), wie es zur Erlösung gekommen ist. Totenreich, Finsternis und Irrtum sind vor dem Herrn und seiner Wahrheit zunichte geworden. Nun kann der Herr Güte und Freude verkünden 1 Pistis Sophia 50 (S. 58, H. C. Schmidt): "Möge ihre (= meiner Bedränger) Kraft wie Staub werden, und möge dein Engel (llyysi\o,) Jeu sie niederschlagen (naraaastv)." • Wasser einfüllen hat bei den Syrern die Bedeutung von Wasser schöpfen; vgl. den hebr. und griech. Wortlaut von Jes. 12, 3 mit dem der Peschito und die syrischen Übersetzungen von Joh. 4, 7 mit dem Griechischen. 3 Zur Aufforderung vgl. Jes. 55, 1 (Offb. 22,17); Joh. 7,37. 4 Die Präposition ('al) will im Syrischen nicht die örtliche Nähe anzeigen, sondern ist zu verstehen im Sinne von "ausruhen auf". • vgl. Ps. 18, H; H8, 103; Sir. 24,27. 6 vgl. Sir. 24, 4. 7 vgl. Joh. 7, 38.
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und den Höchsten preisen. - Er ruft selbst dazu auf, Freude und Leben in Besitz zu neh· men. Die Voraussetzung dazu hat er geschaffen, indem er schweigend und standhaft litt, um sein Volk zu retten und ihm das den Erzvätern verheißene Erbe zu sichern.
1 Es schmolzen 1 vor dem Herrn die Tiefen,
und es verging die Finsternis vor seinem Anblick. 2 Es verirrte sich der Irrtum und ging zugrunde durch ihn 2, und die Torheit verlor die Fähigkeit zu gehen und sank zusammen vor der Wahrheit des Herrn. 3 Seinen Mund öffnete er 2 und redete Güte und Freude und redete neuen Lobpreis 3 seinem 4 Namen. 4 Und er erhob seine Stimme zum Höchsten und führte ihm als Söhne zu jene, die in 5 seinen Händen waren. 5 Und gerechtfertigt 6 wurde seine Person 7 ; denn also verlieh (es) ihm sein heiliger Vater 8 • 6 Ziehet aus ihr, die ihr bedrängt wurdet, und empfanget Freude! 7 Und erbet eure Seele durch die Güte, und nehmet für euch in Besitz das Leben ohne Tod! 8 Und sie beschuldigten mich, als ich auftrat, mich, der ich keine Schuld trug. 9 Und sie teilten meine Beute 9, obwohl ihnen nichts geschuldet wurde. 10 Ich aber duldete und schwieg und hielt Ruhe, als würde ich nicht erregt von ihnen 10. 11 Vielmehr stand ich ohne Bewegung, wie ein fester Felsen 11, er, der gepeitscht wird von den Wogen und standhält. 12 Und ich ertrug ihre Bitterkeit aus Demut, weil ich erlösen wollte mein Volk und es zum Erbe haben; 13 und daß ich nicht zunichte machen möchte die Verheißungen an die Erzväter 12, die ich verheißen hatte zur Erlösung ihres Samens. Hallelujah! vgl. die Menschen-Vision im 4. Esra (13, 3.5; vis. 6, 2, 5, S. 174 Violet). • Gemeint ist der Herr. I vgl. Ode 41, 16; Ps. 32, 3; 95, 1 u. ö.; Offb. 5, 9; 14, 3. , gewiß des Höchsten; vgl. V. 4. 5 oder: durch seine Hände = durch ihn (Söhne geworden) waren; vgl. Joh. 1, 12. 6 vgl. 1. Tim. 3, 16. - Die Rechtfertigung erfolgt im Gegensatz zu denen, die ihn ver· dammt haben (V. 8). 7 :ne6aw:no'P als Fremdwort im Syrischen. 8 vgl. das Unbekannte altgnostische Werk Kap. 11 (S. 350, 12 C. Schmidt), wo der heilige Vater neben dem eingeborenen Sohn steht. 9 vgl. Ps. 21, 19; Mt. 27, 35; Mk. 15,24; Lk. 23, 34; Joh. 19,24. 10 vgl. Petr.-Evgl. 4, 10 vom gekreuzigten Jesus: er blieb stumm wie einer, der keinerlei Schmerz empfindet. S. auch Jes. 53, 7 (AG. 8,32); Mt. 26, 63a; 27,12. 14; Mk. 14,61; 15,5; Luk. 23, 9; Joh. 19,9; 1. Petr. 2, 23. 11 vgl. J es. 50, 7. 12 vgl. Micha 7, 20; Luk. 1,55; Röm. 15,8; zu dem Gedanken, daß der Erlöser den Erzvätern die Verheißung gegeben hat, vgl. Joh. 8, 56-58. 1
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ODE 32 Das Wort der Wahrheit ist die Freude des Erlösten Der Herr wohnt im Herzen der Erlösten, schenkt ihnen sein Licht und das Wort der Wahrheit, das kraft des Höchsten ewig unerschüttert bleibt. 1 Den Seligen (kommt) die Freude aus ihrem Herzen und das Licht von dem, der in ihnen wohnt, 2 und das Wort von der Wahrheit her, die aus sich selbst (stammt)!. 3 Weil sie stark wurde in der heiligen Kraft des Höchsten 2, ist auch es ohne Erschütterung in Ewigkeit der Ewigkeiten. Hallelujah! ODE 33 Die Predigt der vollkommenen Jungfrau V. 1 und von 5 an ist von einem weiblichen Wesen die Rede, V. 2.4 jedoch von einem "Er". Ist hier etwas in Unordnung, so daß man berechtigt wäre, mit H. Greßmann überall ein Femininum einzusetzen? Auch das im Grunde beziehungslose "wiederum" am Anfang könnte darauf führen. So, wie der Text heute lautet, muß wohl der Er der Erlöser sein, in dem die Sie, die Güte oder Gnade Gottes von oben herabkam. - Die Jungfrau, deren Stimme vom hohen Berge über die ganze Welt hin (vgI. Luk. 4, 5 v.I.) schallt, ist kein böser Geist, sondern vollzieht die Funktion des Richters und damit des Erlösers. Deshalb predigt sie Abkehr von den Wegen des Verderbens und Hinkehr zu den Wegen der Wahrheit. Möglich ist solches allen denen, die sie in sich aufnehmen und sich dadurch weise und selig machen lassen. Die Ode enthält typische Motive der hellenistischen Missions- und Bußpredigt: Spr. 8f.; Hermet. Schr. 1, 27f.; 7, H.; Properz 4,1; Celsus bei Origenes, c. Cels. 7, 8; vgl. R.Reitzenstein, GGA 1911, S. 554ft".; E.Norden, Agnostos Theos, 1913, S. 4ft".; 129ft".; 188ft".; 294ft". Die Jungfrau, die mit der Weisheit Gottes gleichzusetzen ist, findet sich ebenso in dem Hochzeitslied der Thomasakten (Kap. 6f.), in der Pistis Sophia (s. zu V. 11) und in manichäischen Texten (Reitzenstein, Das mandäische Buch des Herrn der Größe, 1919, S. 52ft".). 1 Es eilte aber wiederum herbei die Güte und vertrieb das Verderben, und sie stieg auf es herab, um es zunichte zu machen. 2 Und er vernichtete die Vernichtung vor sich her und zerstörte ihre ganze Zurüstung. 3 Und er stand auf dem erhabenen Gipfel und ließ seine Stimme ausgehen von den Enden der Erde und bis zu ihren Enden 3 • 4 Und er zog an sich alle die, die auf ihn hörten, und nicht erschien er als ein Böser', 5 sondern sie stand da als vollkommene Jungfrau, die verkündete und rief und sprach: 6 "Ihr Söhne der Menschen kehret um, und ihr, deren 5 Töchter, kommet herbei! 6 1 2 3
•
Licht, Wort und Einwohnung des Herrn im Herzen der Frommen wie 10, 1. 2. Die Kraft des Höchsten auch Luk. 1,35; Thomasakten, Kap. 27. Zu V. 3 vgI. Spr. 8, 2f.; 1, 20ft". 4 möglich auch: "der Böse". = der Menschen. 8 Zu V. 6 vgI. Spr. 8, 4.
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Anhang
7 Und verlasset die Wege dieses Verderbens und nahet euch mir! 8 Und ich will in euch einziehen und will euch herausführen aus der Vernichtung und will euch weise machen in den Wegen der Wahrheit. 9 Nicht sollt ihr dem Verderben verfallen, auch nicht der Vernichtung. 10 Höret auf mich und lasset euch erlösen; denn die Güte Gottes rede ich unter euch! 11 Und durch mich sollt ihr erlöst werden und selig sein; euer Richter, das bin ich 1. 12 Und die, die mich angezogen haben, werden nicht in Ungnade fallen 2, sondern sie werden besitzen in der neuen Welt Unvergänglichkeit 3. 13 Meine Erwählten, wandelt in mir! Und meine Wege will ich kennen lehren die, die mich suchen, und Vertrauen will ich ihnen einflößen auf meinen Namen 4. Hallelujah! ODE 34 Die wahre Welt und die Welt des Scheins Die untere Welt ist nur in der Einbildung dessen vorhanden, der keine Erkenntnis besitzt. Ein solcher gelangt nicht in die Tiefe des erleuchteten Denkens, in der alle Plage und Zwiespältigkeit schöner Einheitlichkeit weicht. Wer aber die göttliche Offenbarung im Glauben erfaßt und sich dadurch erlösen läßt, der ist in der wahren, der oberen Welt heimisch geworden.
1 Es gibt keinen harten Weg da, wo ein einfältiges Herz (ist), auch keine Plage 5 bei aufrichtigen Gedanken. 2 Auch keinen Sturm in der Tiefe erleuchteten Denkens. 3 Da, wo ringsum schönes Land, ist nichts Zwiespältiges drinnen. 4 Urbild dessen, was drunten ist, ist das, was droben 6. 5 Denn alles ist droben, und drunten ist nichts, sondern es erscheint (nur so) denen, in denen keine Erkenntnis ist. 1 Zu V. 11 vgI. Pistis Sophia 111 (S. 185, 5 C. Schmidt): "die Richterin ("etT'l7~), die Licht jungfrau (-JlaeIUvo~)"; s. auch die Fortsetzung und S. 395b im Register. s Zu V. 12a vgI. 4, 6. 3 Zu V. 12 vgI. Eph. 4, 24; KoI. 3, 10; K. G. Kuhn, Die in Palästina gefundenen hebr. Texte und das NT, ZThK 47, 1950, S. 211: "Überhaupt ist der ganze Abschnitt Eph. 4, 17-5, 20 und 6, 10-19 durchsetzt mit Gedanken, Vorstellungen und Ausdrücken dieser neuen Texte." Das, wie manches andere, ergibt Beziehungen zwischen diesen Texten und den Oden Salomos (Kuhn, S. 197). • Zu V. 13 vgI. KoI. 2. 6f. 5 Das syrische Wort (mechotha) bedeutet eigentlich Schlag (Nöldeke, Gramm., §77) und setzt wohl ein griechisches JlA1)Y'Ij voraus. 6 vgI. W.C. van Unnik, A Note on Ode of Salomon 34, 4; JThSt 37,1936, S. 172-75.
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6 Die Güte ist offenbar geworden zu eurer Erlösung. Glaubet und lebet und lasset euch erlösen! Hallelujah! ODE 35 Die Himmelfahrt der Seele Vom HeITn gegen alle dämonischen Widersacher geschützt steigt der Fromme in der Verzückung getrost zum Himmel auf. Anbetend breitet er seine Hände aus, streckt sich dem Höchsten entgegen und findet bei ihm die Erlösung.
1 Der Tauregen des Herrn hat mich als Gabe beschattetl, und eine Wolke des Heils stellte er über mein Haupt 2, 2 die mich beschirmte allezeit; und Erlösung wurde mir zuteil. 3 Erschüttert wurden alle und erschreckt, und es ging von ihnen aus Rauch und Gericht 3 • 4 Und ich war ruhig im Auftrage 4 des Herrn, und mehr als Schatten(-Spender) war er mir und mehr als Fundament. 5 Und wie ein Knäblein von seiner Mutter wurde ich getragen, und er gab mir Milch, (nämlich) den Tau 5 des Herrn. 6 Und ich wurde groß durch seine Gabe und fand Ruhe in seiner Vollkommenheit. 7 Und ich streckte meine Hände aus 6 bei der Himmelfahrt meiner Seele und richtete mich gerade auf den Höchsten hin und wurde erlöst bei ihm. Hallelujah! An dieser Zeile bereitet nicht nur das schiefe Bild Unsicherheit. Die bildlichen Ausdrücke des ersten Verses erinnern an Jesaja: 4, 5 (beschattende Wolke); 18,4 (Tauwolke); 26, 19 (Tau von dir bringt Heilung). Ebenso legt sich 1. Kor. 10, 1. 2 nahe. Aber ob der Sänger - wie der Apostel Wolke und Meer - Tau und Gewölk von einer Taufe oder sonstigen sakramentalen Handlung versteht, die zum Aufstieg fähig macht, bleibt ungewiß. 3 Aus dem überlieferten "Gericht" macht eine ziemlich geringfügige Änderung des syrischen Textes das sachlich besser passende "Gestank" (H. Greßmann bei H. Gunkel, ZNW 11,1910, S.318f.). Zum Gestank als dem Element des Fürsten dieser Weltzeit vgI. Ginza S. 10,38.14,35 u.ö. (Lidzb.); Ign., Eph. 17,1; Thomasakten, Kap. 55; 57. R.Reitzenstein, D. mand. Buch des HeITn der Größe, 1919, S. 16; E.Lucius, Die Anfänge des Heiligenkultes, 1904, S. 365.357. Auch W.Bousset, Hauptprobleme, S.301-303. E.Lohmeyer, Vom göttI. Wohlgeruch 1919. • TUrfta, das hier als Fremdwort im Syrischen erscheint, ist auch in dieser Sprache sowohl "Abteilung", "Gruppe", "Klasse" als "Anordnung", "Auftrag", "Befehl". 5 Milch des HeITn auch sonst (8, 16; 19, 1. 3. 4). Doch erscheint sie in unserer Ode vielleicht nur im Anschluß an die Mutter mit ihrem kleinen Kinde, wie ähnlich 40, 1. Mit der Milch wechselt als Bild für die Gabe des HeITn der Tau (vgI. 11, 14). S. oben Note 2 und vgI. Thomasakten, Kap. 158: "laß uns den Tau deiner (= des HeITn) Güte empfangen." Pistis Sophia 93 (S. 137, 7 der Übersetzung von C. Schmidt): "der heilsame Tau." 6 Das Ausstrecken der Hände ist die Gebärde der Anbetung; vgI. 37, 1. 1
S
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Anhang ODE 36 Die Wiedergeburt durch den Geist vor dem Höchsten im Himmel
Vom Geiste emporgetragen steht der Verzückte lobsingend vor der Herrlichkeit des Herrn. Hier gebiert ihn der Geist (als Mutter) dem Herrn (als Vater) zu neuem himmlischen Leben. Der bisher Mensch war, wird dadurch Sohn Gottes, ein Leuchtender, Gepriesener, ein Großer unter Großen, ja der Größe des Höchsten gleich. Mit dessen Vollkommenheit gesalbt gewinnt der Begnadete den Zugang zu ihm und damit den festen Grund des Heils. Nun gehen ihm Herz und Mund über von der erfahrenen Gnade. 1 Ich legte mich nieder auf dem Geiste des Herrn, und er hob mich zur Höhe. 2 Und er stellte mich auf meine Füße l in der Höhe des Herrn vor seine Vollkommenheit und Herrlichkeit, während ich (ihn) pries mit der Zurüstung seiner Lieder 2 • 3 Er 3 gebar mich vor dem Angesicht des Herrn 4, und während ich ein Mensch war, wurde ich genannt der Leuchtende 5 , der Sohn Gottes 6 , 4 indem ich gepriesen war unter den Gepriesenen 7 und groß war unter den Großen. 5 Denn, wie die Größe des Höchsten (ist), so hat er 3 mich gemacht und, wie seineS Erneuerung (ist), hat er S mich erneuert. 6 Und er S salbte 9 mich mit seiner Vollkommenheit, und ich wurde einer der ihm Nahestehenden. 1 Der Eingang erinnert an Hes. 2, 2. Der emportragende Geist auch Hes. 8, 3; U, 1. Hebräerevgl. 5 (ed. E.Klostermann "1929, S. 7; vgl. Bd. I, S. 108). Valentin b. Hippol. VI 37,7 (S. 167 Wendland): "Alles schau vom Pneuma ich getragen." a Der Verzückte naht Gott mit Lobgesang, wie 21, 6f. Vgl. Hermet. Schr. 1, 30ff.; A.Dieterich, Mithrasliturgie, S. llff.; 194. 8 Er = der Geist, im Syrischen weiblichen Geschlechtes. 4 Der Geist als Mutter neben dem göttlichen Vater wie im Hebräerevgl. a. a. O. 5 Der "Leuchtende" ist wohl das griechische tpWTewo,. Vgl. Hermet. Schr. 1, 6: 6 l~ voa, tpwT6wa, Äoyo, vIa, f}eoV. tpWTeWO,; als Eigenschaft der Himmelswelt : Hierocles, Comm. in aureum carmen 3 (p. 424 Mullach) : die Gott am nächsten stehenden Himmelswesen heißen tpWT6tVOl. Bitys bei Zosimus (Reitzenstein, Poimandres, S. 105). Die "Mutter" der Archontiker b. Epiph. I, 40, 2. Zur großen Bedeutung des Lichtes in allen möglichen Beziehungen für die Koptisch-gnostischen und die Mandäischen Schriften s. die Register der Ausgaben, jener von C. Schmidt, dieser von M.Lidzbarski. Über den Manichäismus s. H.J.Polotsky: PWRE Suppl. VI 1934, S. 245ff. Weiteres im Hdb. z. NT zu Joh. 1,4 und b. K. G.Kuhn, D. in Paläst. gefundenen hebr. Texte u. das NT, ZThK 47, 1950, 197ff. 8 Zur Neuzeugung und Wiedergeburt vgl. Handb. z. NT 6", 1933, S. 51-53. 7 Die Hdschr. H hat unter den Preisenden. In diesem Fall würde sich auch für das Verbum der aktivische Gebrauch nahelegen, wie in V. 2. Zum Lobgesang der Himmelsbewohner zu Ehren Gottes s. Hermet. Schr. 1,26; Ginza (S. 12, 32ff. Lidzb.); Lied v. d. Perle in den Thomasakten, Kap.U5. Die zweite Zeile von V. 4 spricht freilich mehr für den passivischen Sinn. Dazu wäre zu vgl. Slav. Henoch 22, 10, wo Henoch bei seiner Himmelfahrt sagt: "Ich war wie einer seiner Herrlichen." 8 Maskulinum, daher auf den Höchsten zu beziehen. D Zur Salbung s. Slav. Henoch 22, 8. Bousset, Hauptprobleme, S. 303. Reitzenstein, Hellenistische Mysterienreligionen, "1927, S.394f. Die Salbung befähigt zur Verkündigung: Jes.61,lf.
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7 Und es öffnete sich mein Mund wie eine Tauwolke, und es sprudelte mein Herz, ein Sprudel der Gerechtigkeit. 8 Und es war mein Nahesein in Heil, und ich wurde fest gegründet im Geiste der Herrschaftl. Hallelujah! ODE 37 Danklied Der Fromme erhebt seine Stimme zum Höchsten. Dieser erwidert seine Bitte und schenkt ihm als Frucht seiner Mühen die Ruhe. 1 Ich streckte meine Hände aus zu dem Herrn, und zum Höchsten erhob ich meine Stimme. 2 Und ich redete mit den Lippen meines Herzens, und er hörte mich, als meine Stimme zu ihm drang. 3 Sein Wort kam zu mir, das gab mir die Früchte meiner Mühen. 4 Und es gab mir Ruhe in der Güte des Herrn. Hallelujah! ODE 38 Von der Wahrheit auf gefahrvollem Wege zum Sitz des Ewigen Lebens geleitet, wird die Seele Gottes Bau und Pflanzung Die Seele steigt empor und gelangt zum Ort des Lebens und der Ruhe. Wohl drohen schlimme Gefahren, aber die Wahrheit geleitet sie sicher. Indem die Wahrheit der Seele alle Erscheinungen deutet, denen beide begegnen, gibt sie ihr die Sicherheit, die alle Macht und Verführung des Widergöttlichen zuschanden werden läßt. Selbst das teuflische Paar Irreführer und Irrung, das so viele trunken macht und verdirbt, vermag nichts gegen den Schützling der Wahrheit. Durch die Belehrung weise geworden entzieht sich dieser allen Nachstellungen und erreicht sein Ziel. Er wird Bau und Pflanzung Gottes. 1 Ich stieg hinauf zum Licht der Wahrheit 2 wie auf einem Wagen 3, und es leitete mich die Wahrheit und führte mich 4. 2 Und sie ließ mich überschreiten Grüfte und Schluchten, und vor Klippen und Wellen rettete sie mich 5. 1
Das gleiche Wort wie 23, 12. Vgl. noch Slav. Henoch 22,6.
a Der Aufstieg der Seele in den Himmel ist ein sehr verbreitetes Motiv in den synkreti-
stischen Religionen: A.Dieterich, Eine Mithrasliturgie, 1903, S.179ff.; W.Anz, Zur Frage nach dem Ursprung des Gnostizismus, TU 15,4,1897, S.llff.; Bousset, Hauptprobleme, S. 313f.; J.Kroll, Gott und Hölle, 1932, S. 533b. Register (Ascensus). 8 Zum Gebrauch des Wagens s. Dieterich, S.183f. Elias. Adam: LebenAdams u. Evas 33 (S. 524 Kautzseh). 4 Die Wahrheit als Führerin Ps. 42, 3. 5 Auch von den Gefahren, die die Seele bedrohen, hört man oft; vgl. Dieterich, S.180. An unserer Stelle werden sie beschrieben auf Grund menschlicher Erlebnisse zu Lande (V. 2a) und zu Wasser (2b).
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3 Und sie wurde mir ein Hafen 1 der Rettung und legte mich auf die Arme des Lebens ohne Tod. 4 Und sie ging mit mir und schaffte mir Ruhe 2 und verließ mich nicht, daß ich mich verirrte, weil sie die Wahrheit war und ist. 5 Und nicht war nur Gefahr 3, weil ich mit ihr wandelte, und ich irrte in nichts, weil ich ihr gehorchte. 6 Denn es floh vor ihr die Irrung' und trat ihr nicht entgegen. 7 Die Wahrheit aber ging auf rechtem Wege, und alles, was ich nicht wußte, zeigte sie mir 5, 8 alle Gifte der Irrung und jene Lockungen 6, die anzusehen sind als Süßigkeit des Todes. 9 Und 7 den Verderber des Verderbens 8 sah ich, während sich schmückte die verdorbene Braut und der Bräutigam, der verderbend und verdorben (ist). 10 Und ich fragte die Wahrheit: "Wer sind diese1" Und sie sagte mir: "Das sind der Irreführer und die Irrung. 11 Und sie ahmen nach den Geliebten und seine Braut und führen die Welt in die Irre und verderben sie. 1 Das griechische J..t/-,ljv als Fremdwort im Syrischen. Hermet. Schr. 7, 1 Ti/e; aWT1'j(}tae; J..t/-,ljv. Apuleius, metam. 11, 15, 1: nach vielen Stürmen erreicht der Isisgläubige den portU8 quieti8. S. auch folgende Anm. I "Ruhe" = dva:n;avO'te; ist bei Bardesanes "der ständige Ausdruck für den Ort der Sophia. und die dort genossene Seligkeit": W . .Anz, 80.80.0., S. 37,4. Auch in den manichäischen Schriften ist oft die Rede von der Ruhe als dem Ziel der Sehnsucht. Keph. I, S. 149, 19f.: die Gläubigen sollen "gelangen zum Lande der Ruhe und des Friedens (el(}ljvf]), zum Ruheort, der ihnen bereitet ist". S. 150, 32; 204, 16; 213, 1. Kopt.-gnost. Schriften I, 1905, (C. Schmidt) S. 401 b (Reg.); dazu S. 307, 36; 318, 25. 8 Das griech. utvdvvoe; als Fremdwort im Syrischen. 4 Diese Femininbildung ist erforderlich, weil das auch V. 8 u. 10 vorkommende Wort an der letzten Stelle Bezeichnung eines weiblichen Wesens ist, der "verdorbenen Braut". 6 Die Wahrheit als angelu8 interpreB (vgl. V. 10) nach einer ähnlich oft wiederkehrenden Vorstellung, die uns außer in jüdischer Apokalyptik auch Offb. 19, 9f.; 22, 8f. sowie bei Hermas in der Greisin der Visionen und dem Hirtenengel begegnet. M. Dibelius, Handb. z. N.T. Ergänzungsband, 1923, S.494 u. Der Offenbarungsträger im "Hirten" des Hermas: A. v.Harnack-Ehrung 1921, S.105-18. - Zu Einzelheiten vgl. Hermet. Schr.13, 9 (Ausgabe v. R.Reitzenstein, Poimandres S. 343,7ff.): uaJ..w TnV dJ..IjDetav. cpevye d:n;aTf], dJ..IjDeta :n;aeaY{VeTat; MB :n;we; Ta dyaDov :n;e:n;J..ljewTat, :n;aeaywo/-,Bvf]e; Ti/e; d/..f]Detae;. 6 Zur Übersetzung vgl. die Note in meiner Ausgabe. - Der Sitz aller widergöttlichen Schändlichkeit scheint zwischen Erde und (innerstem) Himmel gedacht, jenem Gebiet, das die aufsteigende Seele durchmessen muß. S. Wörterbuch zu dlje. Bes. Eph. 2,2. 1 Im Folgenden schaut der Seher ein dämonisches Aeonenpaar, gleichend, freilich in völlig entgegengesetzter Weise, dem "Geliebten und seiner Braut" (V. 11). Zu diesen echt gnostischen Ideen vgl. Irenaeus I 7, 1 über die Hochzeit des Soter mit der Sophia: "Das ist der Bräutigam und die Braut, das Brautgemach aber ist das ganze Pleroma. " Bousset, Hauptprobleme, S. 267-69; 315. E.Preuschen, Zwei gnostische Hymnen, 1904, S. 28ff. 8 Die Verdoppelung soll wohl eine .Art Superlativ sein wie "Eitelkeit der Eitelkeiten", "Lied der Lieder", "Ewigkeit der Ewigkeiten"; etwa ".Allverderber".
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12 Und sie laden viele zum Trinkgelage! und geben ihnen zu trinken den Wein ihrer Trunkenheit, 13 daß sie ausspeien ihre Weisheit und ihre Denkkraft, und machen sie ohne Verstand 2; 14 und dann lassen sie sie laufen. Jene aber gehen umher, indem sie rasen und Verderben anrichten, da kein Herz 3 in ihnen ist; verlangen sie doch auch gar nicht danach." 15 Und ich wurde weise, so daß ich nicht fiel in die Hände des Irreführers, und ich beglückwünschte mich selbst dazu, daß mit mir ging die Wahrheit. 16 Ich aber wurde gefestigt und lebte und wurde erlöst, und es wurden gelegt meine Fundamente durch den Herrn 4, weil er mich pflanzte. 17 Denn er steckte die Wurzel und begoß sie und gab ihr Festigkeit und Gedeihen, und ihre Früchte sind in Ewigkeit. 18 Tief senkte er ein, und sie stieg empor, und er gab Breite 5 und Fülle, und sie wurde prächtig. 19 Und gepriesen wurde der Herr allein durch seine Pflanzung und durch seinen Anbau 6 , 20 durch seine Sorgfalt und durch die Segnung seiner Lippen, durch die schöne Pflanzung seiner Rechten 21 und durch die Pracht seiner Pflanzung und durch die Einsicht seines Verstandes. Hallelujah! ODE 39 Nur die Gläubigen gelangen in das Land des Heils, das gewaltige Ströme sichern. Reißende Ströme, vernichtender und schneller als der Blitz, scheiden Diesseits und Jenseits. Ihrer bedient sich Gott als seiner Streitmacht, um alle seine Verächter, die den Übergang versuchen, ganz und gar zu vernichten. Nur die gläubigen Seelen finden den Weg hinüber, wenn sie - gesichert durch den Namen des Höchsten - den Fußtapfen des Herrn folgen, der ihnen vorausgegangen ist und dabei unverwischbare Spuren zurückgelassen hat. Wer Christi Namen verehrt und sich mit ihm im Glauben vereint, findet den Weg und gelangt sicher auf die andere Seite. 1 Hier ist wohl an das höllische Hochzeitsmahl gedacht. Dabei werden die Eingeladenen - doch offenbar Menschen - irgendwie in Beziehung gesetzt zu der überirdischen Welt, in der das Dämonenpaar sein Wesen treibt. • Hermet. Sehr. 7, 1: Menschen, die trunken sind vom Wein der ayywcr{a, den sie nicht vertragen körnlen und wieder ausspeien müssen. 3 Das Herz als Denkorgan. 4 'al 'idha wörtl. auf der Hand, hier durch die Hand oder einfach durch; vgl. Berakot 4,2 'al iadhi durch mich, von mir. - Das Nebeneinander von Bau und Pflanzung wie 1. Kor. 3,9 in seinem Zusammenhang. 5 Hdschr. H hat: tief senkte er ein und ließ emporsteigen und gab Breite. 6 Als Ausdruck der Garten· und Landwirtschaft. - Zur Pflanzung Gottes vgl. Jes. 61, 3; Ps. Sal. 14, 3.
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1 Gewaltige Ströme sind die Streitmacht des Herrn, die diejenigen, welche ihn verachten, kopfüber dahinführen 1. 2 Und sie hemmen ihre Schritte und zerstören ihre Übergänge 2 • 3 Und sie raffen ihre Leiber dahin und vernichten ihre Seelen. 4 Durchdringender sind sie nämlich als der Blitz und schneller. 5 Doch die, die sie überschreiten im Glauben, sollen nicht erschüttert werden. 6 Und die, die in ihnen gehen ohne Fehl, sollen nicht verwirrt werden 3. 7 Denn das Zeichen an ihnen ist der Herr und das Zeichen ist der Weg derer\ die hinübergehen im Namen des Herrn. 8 Ziehet also den Namen des Höchsten an 5 und erkennet ihn, und ihr werdet hinübergehen ohne Gefahr 6 , da die Ströme euch gehorsam sein werden. 9 Es überbrückte sie der Herr durch sein Wort, und er ging hin und überschritt sie zu Fuß. 10 Und seine Fußtapfen standen fest auf dem Wasser und wurden nicht zerstört, sondern sie waren wie Holz, das wirklich eingerammt ist. 11 Und hüben und drüben erheben sich Wogen, aber die Fußtapfen unseres Herrn Christus stehen fest7; 12 Und sie werden nicht verlöscht, auch nicht zerstört 8 .
1 Zugrunde liegt der Durchzug durchs Rote Meer (2. Mos. 14; Ps. 76, 20f.), vor allem in der Deutung, die er später erfahren hat. M.Lidzbarski, Das Johannesbuch der Mandäer, 1915, S. XXI: "Bis auf die alexandrinische Hermeneutik reicht der Versuch zurück, den Auszug aus .Ägypten allegorisch und eschatologisch auszudeuten . .Ägypten mit seinen Fleisch· töpfen, ein Bild des leiblichen und sinnlichen Daseins, der Auszug die Flucht aus dieser hylischen in die pneumatische Welt, das Rote Meer die Scheide zwischen beiden Welten; darin finden die Bösen ihr Ende, nur die Frommen überschreiten es. Diese Vorstellungen zeigen ihre Nachwirkung auch in der mandäischen Literatur." Sie leben nicht in den rabbi· nischen Schriften, wohl aber "in gnostischen Kreisen fort". 2 Möglich ist sowohl die Bedeutung des Hinübergehens als die der Furt. • Zu V. 5. 6 vgl. Jes. 43, 2. • ist der Weg derer: das Mittel, den Weg zu finden für die, ... 6 Den Namen anziehen, d.h. sich mit dem schirmenden Namen decken. Vgl. Wörterbuch evovw 2b und o'Popa I4b. 6 Das griech. 'Xt'PoV'/Jor:; als Fremdwort im Syrischen. 7 vgl. 2. Mos. 14,22. 8 V. 9. 10 und 11. 12 sind nicht genau aufeinander abgestimmt. 9. 10 schreitet der Herr über dem Wasser hin (wie Jesus Mt. 14,26; Mk. 6,48; Joh. 6,19), und das Erstaunliche ist, daß seine Fußspuren auf dem Wasser nicht erlöschen, sondern den Seinen als Wegemarken dienen können (dies wie 7, 14). V. ll. 12 dagegen sind die Fußtapfen deshalb dauerhaft, weil sie über festen Boden führen. Das Wunder besteht darin, daß sich die Flut hüben und drüben aufgestaut hat (2. Mos. 14, 22).
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13 Und es wurde ein Weg angelegt für die, die hinter ihm hinübergehen, und für die, die übereinstimmen mit dem Gange seines Glaubens l und anbeten seinen Namen. Hallelujah! ODE 40 Im Verkehr mit Gott Wie die Wabe von Honig und die stillende Mutter von Milch überfließen, so bricht aus dem Frommen die Hoffnung auf Gott in ungehemmter Fülle hervor. Er strömt über von Lobpreis und genießt den Umgang mit Gott, der ihn völlig gefangennimmt und beseligt. Da. wandelt sich alle Furcht in Vertrauen, und der Gewinn des Ewigen Lebens wird beglückende Gewißheit.
1 Wie der Honig tropft aus der Wabe der Bienen und die Milch fließt aus der Frau, die Kinder hegt, so ist auch meine Hoffnung auf dich, mein Gott. 2 Wie die Quelle ihr Wasser sprudelt, so sprudelt mein Herz den Preis des Herrn, und meine Lippen bringen ihm Preis hervor. 3 Und meine Zunge ist süß bei den Gesprächen mit ihm, und geschwellt sind meine Glieder durch die Kraft seiner Lieder. 4: Und es frohlockt mein Angesicht im Jubel über ihn, und es jubelt mein Geist in Liebe zu ihm, und meine Seele strahlt in ihm. 5 Und die Furcht wird in ihm Vertrauen finden, und die Erlösung wird in ihm sichergestellt werden. 6 Und der Gewinn von ihm ist das Leben ohne Tod, und seine Empfänger (sind) unvergänglich. Hallelujah! ODE 41 Lobpreis für die Erlösung und Bekenntnis zu dem Erlöser Deutlich ist V. 1-7 die Aufforderung zu gemeinsamem (wir) Preis des Herrn für seine Güte. Diese hat sich in der Erlösung offenbart, deren großer Tag angebrochen ist. Ebenso klar lautet V. 11-16 das Bekenntnis zu ihm (er), dem Erlöser, der unsere Seelen lebendig macht, wie es am Anfang und am Ende (V. 11 und 16) heißt. Dazwischen jedoch schieben sich die Verse 8-10 ein, die in der Ichform reden. Der nächstliegende, z. B. von Greßmann geltend gemachte Grund dafür könnte sein, daß sich aus dem Chor der Frommen die Stimme eines Vorsängers erhebt, die mit V. 11 wiederum in das Lobopfer und Bekenntnis der Gemeinde einmündet. Dann möchte man sich an 8, 9ff.; 9, Iff.; 20, Iff. erinnert fühlen. Die Worte freilich, mit denen dieser Einzeme von sich spricht, passen im Grunde nur in den Mund des Erlösers selbst, auf den schon V. 3 hingewiesen hatte. Ist etwa in V. 8-10 der Gedanke der göttlichen Art und Präexistenz des Christus nachträglich einem Bekenntnis zugefügt, das ihn nicht deutlich genug zu enthalten schien, da es von dem Manne redete, der erniedrigt und dann erst erhöht wurde (V. 12)? Und will die starke Betonung der Einheit des Christus von Urbeginn an (V. 15) dem Auseinanderfallen eines himmlischen Christus und eines irdischen Jesus wehren? 1
vgl. Röm. 4, 12.
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Anhang
1 Es sollen den Herrn preisen alle seine Kinder, und sie sollen sich aneignen die Wahrheit seines Glaubens. 2 Und es werden anerkannt sein bei ihm seine Söhne. Deshalb wollen wir singen in seiner Liebe. 3 Wir leben im Herrn durch seine Güte, und das Leben empfangen wir durch seinen Christus. 4 Denn ein großer Tag leuchtete uns, und wunderbar ist, der uns von seinen Lobpreisungen gibt!. 5 Darum wollen wir uns allzumal vereinigen auf den Namen des Herrn und ihm Ehre geben in seiner Güte. 6 Und leuchten soll unser Angesicht in seinem Lichte, und nachsinnen sollen unsere Herzen in seiner Liebe bei Nacht und bei Tag 2 • 7 Wir wollen jubeln vor Jubel über den Herrn 3. B Wundern werden sich 4 alle die, welche mich sehen, weil ich von anderem Geschlechte 5 bin. g Denn der Vater der Wahrheit 6 gedachte meiner, er, der mich bereitete am Anfang. 10 Denn sein Reichtum 7 hat mich gezeugt und der Gedanke seines Herzens 8 • 11 Und sein Wort 9 ist mit uns auf unserem ganzen Wege. Der Erlöser, der lebendig macht und nicht verwirft unsere Seelen, 12 der Mann, der erniedrigt wurde und erhöht wurde um seiner Gerechtigkeit willen, 13 der Sohn des Höchsten ist erschienen in der Vollkommenheit seines Vaters. 14 Und das Licht ging auf lO von dem Wort 9, das von jeher in ihm war. 1 d.h. der uns die Fähigkeit gibt, ihn zu preisen. Vgl. Ginza (S. 55, 10 Lidzb.): "Gott der Lobpreisung!" und die Rolle des Lobpreises in dem Unbekannten altgnostischen Werk (S. 396a C. Schmidt). 2 vgl. Ps. 1, 2. 3 Zu dem Preis V. 1-7 vgl. Ginza (S. 180, 12ff. Lidzb.): "Preiset, ibr Männer von erprobter Gerechtigkeit, das Leben, und das Leben wird auf euch ruhen ... Leuchtet und erleuchtet; mein Licht soll über euch aufgehen. Dann wird den Männern von erprobter Gerechtigkeit das Antlitz leuchten ... " 4 Zur Verwunderung vgl. Ode 28, 8 und bes. 17, 6. 5 Das griechische yevoc; als Fremdwort im Syrischen; Nöldeke, Grammatik', § 74. 6 Vater der Wahrheit: Herakleon bei Orig., Joh. Kommentar, Buch 13, 16,97 (Preuscben). 7 Das Wort uthra bedeutet Reichtum, ist aber bier als Erzeuger mindestens halb zur Person geworden. Die Mandäer sind in der Verpersönlichung des Uthra weiter gegangen und nennen engelartige Wesen so (oft von Ginza S. 6, Note 8 an. Vgl. nocb M. Lidzbarski, Uthra und Malakba: Th.Nöldeke-Festschrift, 1906, S. 537ff.). 8 Unbek. altgnost. Werk 21 (S. 362, 33f.) "er ist ihr Vater und hat sie aus seinem ersten Gedanken (lvvow) emaniert (n(!oß6)).e/,V)". 9 Das syrische meltha ist, wo es sonst in den Oden auftritt (noch neunmal), das machtvolle Wort, mit dem Gott etwa die Schöpfung erstehen läßt oder seine Feinde niederstreckt. Nirgends hat es den Sinn von Logos (wie Joh. 1, 1). 10 oder: strahlte aus.
2. Die Oden Salomo8
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15 Der Christus ist in Wahrheit einer 1 , und er war bekannt vor der Gründung der Welt 2, 16 der lebendig machen wird die Seelen in Ewigkeit durch die Wahrheit seines Namens. Ein neuer Lobpreis 3 dem Herrn von denen, die ihn lieben. Hallelujah ! ODE 42 Triumph des Erlösers, der verworfen schien und doch Sieger blieb 42, 1. 2a ist = Ode 27. Das Ich der Ode 27 kann man schwerlich auf Christus deuten, sondern nur von dem Gläubigen verstehen, der seinem Herrn dadurch die Ehre gibt, daß er das Kreuzeszeichen durch Ausstrecken der Hände nachbildet {vgl. Unbek. altgnost. Werk 2 (So 336, 8): "die Ausbreitung seiner Hände ist die Offenbarung des Kreuzes"). In Ode 42 aber spricht von V. 3 an deutlich Christus, und V. 1. 2 scheinen hier auch auf ilin bezogen werden zu sollen. Unklar bleibt, wie das im einzelnen gemeint ist; vielleicht (mit Greßmann; M.Dibelius, Die Isisweilie des Apuleius, 1917, S. 47ff. u.a.) so, daß der in der Haltung des Gekreuzigten auftretende Fromme mit dem Herrn eins wird und im Folgenden aus dessen Geist redet (s. Ode 28). Der siegreiche Erlöser jubelt darüber, daß alle seine Verfolger tot sind, während er auferstanden ist und durch die reden kann, die bei ihm das Leben suchen. Auch diese zwar werden verfolgt; doch was will das bedeuten angesichts seiner Liebe zu ihnen, durch die sie mit ilim verbunden sind wie die Braut mit dem Bräutigam. Diese Liebe ist ja nicht die eines Schwachen, der zugrunde ging, sondern paart sich mit höchster Stärke, die über Tod und Hölle triumphierte. Sich selbst erzwang er die Rückkehr ins Leben und öffnete das Tor der Unterwelt für alle, die ihn als Erlöser anriefen. 1 Ich streckte meine Hände aus und nahte mich meinem Herrn; denn das Ausbreiten meiner Hände ist sein Zeichen. 2 Und mein Ausstrecken ist das ausgestreckte Holz, das angebracht wurde auf dem Wege des Aufrichtigen'. 3 Und ich war ohne Nutzen für die, die mich (nur) kennen, weil ich mich verbergen sollte vor denen, die mich nicht ergreifen 6, 1 Zu dem einen Christus vgl. auch 1. Kor. 8,6; Ign. Magn. 7, 2; dazu H. Schlier, Religionsgeschichtl. Untersuchungen zu den Ignatiusbriefen, BZNW 8,1929, S. 97ff.; R.Abramowski, ZNW 35, 1936, S. 57. I Die letzten fünf (im Syrischen vier) Worte sind in der Peschita des NTs Wiedergabe für :n:eo (&:n:o) "a-caßoÄijt; "oap.ov. - Der Christus vor aller Schöpfung (wie die göttliche Weisheit Spr. 8, 23ff.) Joh. 1, 1-3; 1. Kor. 8, 6; KoI. I, 16f.; Hebr. 1,2. 8 Der neue Lobpreis wie 31, 3 (s. o. S. 612). , Das Wort, das 42, 2b mit der Aufrichtige übersetzt ist, gehört 27, 3 (= 42, 2a) zum Holz (aufgerichtet, nicht wie 42, 2a ausgestreckt). Das mit Ausbreiten wiedergegebene Wort (V.l b) ist anderen Stammes als die drei, sprachlich übereinstimmenden, mit Ausstrecken übersetzten Wörter (V. 1 a. 2a zweimal). Ausgebreitet (oder "ausgespannt") wird V. 9 das BrautzeIt wie Ode 16, 11 der Himmel. 6 Das Nichtergreifen im Gegensatz zur liebevollen Aneignung wie Joh. 1, 5.
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Anhang
4 aber ich werde sein bei denen, die mich lieben. 5 Es starben alle meine Verfolger, und es suchten mich die, die auf mich hofften, weil ich lebendig bin. 6 Und ich stand auf und bin bei ihnen und ich will reden durch ihren Mund 1. 7 Denn sie verachteten die, die sie verfolgen, und ich warf 2 auf sie das Joch 3 meiner Liebe. 8 Wie der Arm des Bräutigams auf der Braut, so (liegt) mein Joch 3 auf denen, die mich kennen 4. 9 Und wie die Brautlaube aufgeschlagen 5 ist im Hochzeitshaus, so (ruht) meine Liebe auf denen, die an mich glauben 6 • 10 Nicht wurde ich verworfen, auch wenn ich es schien, und nicht ging ich zugrunde, auch wenn man es über mich dachte 7 • 11 Die Unterwelt 8 sah mich und wurde schwach, und der Tod spie mich aus und viele mit mir 9• 12 Essig und Bitterkeit war ich ihm, und ich stieg hinab mit ihm bis in die unterste Tiefe. 13 Und die Füße und das Haupt ließ er sinken, weil er nicht zu ertragen vermochte mein AngesichPo.
1 Der Auferstandene bei den Seinen wie Mt. 18, 20; 28, 20. Zum Reden durch ihren Mund AG 18, 9f. 2 Das entspricht wohl einem griechischen ßd.)')'StV, das aber nicht nur werfen, sondern auch legen bedeutet. 8 Zum Bild vom Joch bei den Juden und im NT s. Handb. z. NT zu Mt. 11, 29f. Außerdem 1. eIern. 16, 17; Did. 6,2. Auch der Isisgläubige trägt "das Joch der Religion" (mini8terii iugum: Apuleius, metam. 11, 15, 5). 'Anders als das (nur) Kennen V. 3 ist das Kennen hier = Anerkennen (Wörterbuch 'Ytvwauw). Dem Gegensatz von Nichtergreifen V. 3 und Anerkennen V. 8 entspricht die Gleichsetzung von Nichtergreifen und Nichtanerkennen Joh. 1, 5 u. 10. 6 aufgeschlagen, wörtlich ausgespannt als Zelt. S. zu V. 1. 6 Der Gedanke der Vereinigung von Gott und Mensch als Bräutigam und Braut und Einweihungsbräuche unter dem Bild der Hochzeit und des Brautgemaches sind bei Gnostikern beliebt: A. Dieterich, Mithrasliturgie, S.126ff.; Bousset, Hauptprobleme, S. 315ff.; Reitzenstein, Die hellenistischen Mysterienreligionen, 31927, S. 34f.; 99; 245-52. 7 Das nur scheinbare Unterliegen wie Ode 28, 8. 9. 8 s. zu Ode 15, 9, oben, S. 559, Anm. 5. 9 Der Tod als alles verzehrendes Ungeheuer (s. J.Kroll, Gott und Hölle, 1932, S.41-43) hat in seiner Gier auch den Herrn verschlungen. Aber da der Fürst des Lebens in ihm wie Essig und Galle wirkt, muß er ihn wieder ausspeien (s. das Erlebnis des Hibil-Ziwa: Ginza. (S.157, 20ff. Lidzb.); Marcioniten bei Esrik: A.v.Harnack, Marcion 2 , 1924, S.376*), und mit ihm die vielen, die ihm schon vorher zum Fraße gedient haben. Mit dieser Vorstellung verbindet sich die andersartige, derzufolge der Erlöser siegreich herabsteigt bis in die unterste Tiefe (V. 12), den Tod seiner Macht entkleidet, zur Flucht zwingt und an dem Tor erscheint, das die Gestorbenen zurückhält (V. 17). Auf ihre Bitten befreit er sie. Vgl. Thomasakten, Kap. 10; 32; 156. 10 :ne6aw:nov; s. zu 22, H, oben, S. 603, Anm. 2. Zauberpap. 13, 273: "heiliger Thayth, dessen wahres Antlitz (:ne6aw:nov) zu sehen keiner der Götter erträgt."
2. Die Oden Salomo8
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14 Und ich machte eine Gemeinde von Lebendigen unter seinen Toten und ich redete mit ihnen mit lebendigen Lippen, weil nicht vergeblich sein sollte mein WorP. 15 Und es liefen zu mir hin, die gestorben waren, und sie riefen und sprachen: "Erbarme dich unser, Sohn Gottes! 16 Und handle mit uns nach deiner Freundlichkeit und bringe uns heraus aus den Banden der Finsternis 2 • 17 Und öffne uns das Tor, durch das wir zu dir hinausgehen können. Denn wir sehen, daß sich unser Tod dir nicht naht. 18 Erlöst werden möchten auch wir mit dir; denn du bist unser Erlöser." 19 Ich aber hörte ihre Stimme und ich nahm mir zu Herzen ihren Glauben. 20 Und ich setzte auf ihr Haupt meinen Namen 3, denn meine freien Söhne sind sie und mir gehören sie 4 • Hallelujah! 1 Zur Predigt des Erlösers im Hades vgl. H.Windisch, Handb. z. NT 15 2, 1930 (31951) zu 1. Petr. 3, 19; 4, 6. 2 Erlösung aus den Banden der Finsternis: Pistis Sophia, S. 50, 38; 96, 2; 98, 2; 99, 22. 3 Zur Versiegelung auf dem Haupt: 2. Buch des Jeu 46, S.311, 16:ff. Jesus besiegelte (rYrpeuytCuv) seine Jünger "auf ihrer Stirn mit dem Siegel (rYrpeuytr;) der Licht jungfrau (-nuefHvor;), das sie zu dem Lichtreiche rechnen läßt." Mithrasmysten bei Tertullian, de praescr. haeret. 40; Bousset, Hauptprobleme, S.286:ff. - Zur Erlösung der Gläubigen: Ginza (S.196, 17:ff. Lidzb.): "Entsprechend diesem Aufstiege, mit dem ich aufgestiegen bin, mögen alle wahrhaften und gläubigen Menschen emporsteigen, die mit dem Zeichen des Lebens gezeichnet, mit der reinen Taufe getauft und über die der Name des gewaltigen, ersten Lebens gesprochen ist." 4 Die Höllenfahrt des Erlösers wird auch Ode 17 und 22 (hier ist Literatur angegeben) behandelt. Sie ist für den Kreis, dem unsere Lieder entstammen, von großer Bedeutung als ein Hauptstück des Erlösungsvorgangs. S. zu Ode 42 noch die zahlreichen Bezugnahmen bei J.Kroll, Gott und Hölle, S. 561 b (Stellenregister).
40 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
REGISTER DER BIBELSTELLEN (in Auswahl) Die Zahlen verweisen auf die Seiten, ohne Zusatz auf Bd. I, mit vorgesetzter 11 auf Bd. 11. 1. Mose 11 12 18ft". 114 126f. 2 16 217 2 18-20 221f. 320 322 46ft". 524 66 6 11-9 19 821 122f. 1821 221 3023 4910
1162 236 11482 128 128 1172 11386 237 250 237 11385 1174 347 11 385; 11 38 239 11386 284 11385 11386 282 1174
2. Mose 199 23 20f. 326 3228 3320
11394 347 11101 11101 11457
4. Mose 178 192
283 11106
5. Mose 1915 2123 2223 2722 345
347 347 1194 11106 348
345f.
1174
Richter 819 11 38
281 1193
1. Samuel 111
281
2. Könige 2
344
Nehemia 815
11105
Hiob 38 10f.
128
Psalmen 15 32-9 49 133 1910 237 237f. 238 246 247-9 376 4918 4919b 4920 4921 b 549 5911 6213 767 7820 826I.
371 137 11100 146 11480 351 355 351 11483 11483 1194 146 146 146 146 11480 11480 11475 11 102 146 11107
627
Register der Bibelstellen
106 28 1188 11822 11826 1487
II 101 II 93 II211 352 307
Sprüche 21 1
II 131
Jesaja 13 122 58 65 714 823 91 11 6f. 191 2619 2816 301 344 5213 532 534 538 563 566 567
306 II 95 II 97 II 457 II 211 349 349 307 308 351 II 211 II 540 II 474 II 459 II 211 II 208 II 211 110 II 105 II 105
Jeremia 3 12 521 9 23 1011 175
II 492 II 341 II 93 348 II 93
Klagelieder 327f.
II 97
Hesekiel 122 226f.
II 341 II 105
Daniel 234 355 713 121
II 211 128 II 211 II 483
Micha 51
91
40'
Haggai 2 11-14
II 106
Sacharja 58 145
II 108 II 443
Tobit 415 416
II 393 135
J esus Sirach 247 30 19f.
106 II 103
Weisheit 727
106
Matthäus 11-17 1 18-20 119 1 20f. 1 21 124 21-5 22 25 28 29 211 212 2 16 223 314f. 316f. 317 41-11 42 45 55 56 57 58 514 516 517 518 522 5 28 544 69ff. 6 10 624
320 II 467 285 285 284 285 289 289; 309 91 289 289 289 289 289 II 467 103 349 II 482 77 280 95 II 345; II 549 II 345; II 550 II 244 II 244; II 345 70; II 389 II 100 II 75 II 70; II 75 95 II 98 135 II 364 II 310 II 92
628 625 626 634 75 76 77 712 715 721 723 82-4 811 822 92ff. 915 9 20 ff. 1010 10 16 1017 10 17-21 10 24 1032 10 32f. 10 33 118 1111 11 12 11 15 11 25 11 28 11 29 1231 1240 1241 1242 12 47-50 133 134 147ff. 155 15 7ff. 1514 162f. 1616 1617 1626 1627 174 175 1819 1820 1911
Register der Bibelstellen
II 324 II 320 II 320 94; 95 258 II 146; II 327 II 393 II 340 94; 95; 113 113 60 II 394 II 221 128 156 129 174 95; 113; 116 118 II 436 174 113 II 109 258 II 324 II 382 96 II 341 96; II 394 II 340; II 341 II 97 372 96 II 80 II 80 103 189 189 129 96 60 153 96 II 77; II 313 96 113 II 320; II 472; II 475 II 482 II 482 218 69; 110 258
19 16-24 1932 2012 2214 22 15-18 232f. 23 25f. 243 244 245 2426 2430 2435 2445 ff. 2448 2521 2526f. 2530 25 31-46 2541 3636 2638 2641 2645 2652 2661 2664 2674 2715ff. 2717 2719 2724f. 27 24ff. 2725 2751 2754 2765 282-4 285-7 2810 28, 12-14 2819
Markus 111 1 40-44 21ff. 23ff. 217 321 335 57 5 25 ff.
77 II 323 II 333 II 394 60 II 75; II 389 II 79 II 472 II 472 II 472; II 473 II 472 II 475 II 70; II 75 II 387 II 387 II 380 II 387 II 387 261 II 107 156 350 156 156 II 342 337 II 475 97 339 92 336 337 339 341 122 122; 377 98 342 342 130; 131 342 249
103 60 339 128 113 312 114 II 327 129
629
Register der Bibelstellen
534 5 35 ff. 536 6 38 ff. 76ff. 818 91 92ff. 94 99 10 46 ff. 1210 12 13-15 1225 13 1322 1326 13 28f. 1421 1533 1538 1539 16 16-18 Lukas 1 13 127 128 130f. 1 31 1 32 1 34 135 1 38 141 1 42 143 144 148 1 56 21 27 225 228-35 234 239 241-52 2 51 322 3 23-38 424 512-14 64
155 128 II 317 129 60 II 341 II 363 II 481 II 482 II 483 339 II 211 60 II 92; II 100 II 434ff. II 473 II 211; II 472 II 472 II 473 122 122 123; 377 343
281 II 466 284 284 284 284 285 284 284 285 284; 298 285 285 284 285 285 128; 289 290 346 347 II 467 298 298 103 320 69 60 55
627 631 632 635 639 642 646 714 7 Hf. 813 820 8 43ff. 849ff. 926 928 107 1021 11,31 11 32 128 1242 1245 13 6ff. 1327 1329 1610 1613 16 19-31 1720 1923 20 20-23 21 5-36 2134 2228 2242 2334 2335 2339 2343 2344-48 2348 23 50-53 24 36-41 2452f. Johannes 11 114 1 29 2 32 35 42
135 II 393 115 115; 135 153 67 60 II 213 128 258 260 129 128 II 472; II 475 II 481 II 390 II 394 II 80 II 80 113 II 387 II 387 II 472 113 II 394 114 113 258 II 472 II 387 60 II 437 II 324 II 15 II 310 88; 340 340 340 352 341 88 341 83 II 483
135 128; II 333 349 128 60 II 77 II 14
630 524 539 545 69ff. 73-5 730 7 53-8 11 844 929 10 31 10 38 10 39 II 39ff. II 52 1238 1334 1410 1411-20 1412 1415 1421 1510 1520 17 21-23 1830 1831 18 33-37 1838 1912 1941 2017 2019 2021 2025 2026 2027 2028 Apostelgeschichte 15 19 1 12 1 14 2 47 534 940 10 1042 157 1520 1529 1636
Register der Bibelstellen 138 59 59 129 312 60 78 I! 74 60 60 135; I! 208 60 128 197 145 135 135 135 I! 99 139 139 139 156 135 337 337; 338 337 337 339 122 130; I! 99 I! 319 I! 319 122; 288 I! 319 122; 128; I! 152 I! 364
I! 267 155; 248 248 312 100 I! 349; I! 362 376 I! 146 100 I! 320; I! 321 127 135 135 155
1811 19 23 ff. 202 20 17-38 2035 223 273 275f. 28 30f. Römer 829 1219 1519 1620 1. Korinther 29
51ff. 727 7 32-36 734 925 ll3 124 157 1550 1555 1613 1623
I! 236 I! 233 I! 236 I! 237 54 376 I! 231 I! 230 I! 238
I! 328; I! 333 341 I! ll8 I! 329
217; I! 91; I! 220; I! 324; I! 534 I! 97 lU lU I! 92 I! 98 364 I! 549 104 I! 93 351 I! 196 I! 314
2. Korinther 48ff. U 23
I! 93 I! 92
Galater 11 13 211 5 13 618
I! I! I! I! I!
Epheser 1 21
128
Philipper 12 13 1 13 1 18 1 19f. 1 21
I! I! I! I! I! I!
83 83 34 95 84
83 83 83 83 83 83
631
Register der Bibelstellen
22 29 212 218 319 46 48 49 422 488 Kolosser 39f. 416
II 83 II 319 II 83 II 83 153 II 83 II 83 II 83 II 83 II 84 II 329 II 81
l. Thessalonicher 212 416f.
II 492 54
2. Thessalonicher 1 5-10 21-12
II 430 II 431
l. Timotheus 615
128
2. Timotheus 114 22 41
160 160 II 472
JakobuB 216
155
l. Petrus 45
II 472
2. Petxus 118 38
II 481 II 434
l. Johannes 11
128; II 364
2. Johannes 7
II 473
Offenbarung 11 111 27 321 69 818 129 144 167 178 1714 192 1916 204, 2013 222
II 408 II 164 II 108 II 109 134 372 II 473 II 92 II 480 II 483 128 II 480 128 134 II 473 II 482; II 491
REGISTER DER NAMEN UND SACHEN Die Zahlen verweisen auf die Seiten, ohne Zusatz auf Bd. I, mit vorgesetzter 11 auf Bd. 11. Hochgestellte Zahlen bzw. * hinter der Seitenangabe verweisen auf die entsprechenden Anmerkungen. Die fett gedruckten Zahlen geben die Hauptabschnitte an, in denen das jeweilige Stichwort thematisch behandelt wird. - Bei Namen von Autoren oder Schriften verweisen kursiv gesetzte Zahlen auf Stellen, an denen wörtliche Anführungen gebracht werden. A: 295f.; 299. - Vgl. Alpha Aaron: 103; 11 76; 11 490; 11 532 Abban: 11 309f., 11 315 Abdias: s. Pseudo-Abdias Abdus: 329 Abeiron: 228 Abel: 238; 244f.; 11 73; 11 76,11 382; 11 386; 11 464f.; 11 565 Aberamenthö: 182 Abercius: 182 (Vita Abercü) Abgar: 325ff. (A. V Ukkamah); 326 (A. IX) Abgarsage: 325:0'.; 11 298 Abiram: 284 Abisag, die Sunanitin: 11 106 Abraham: 141; 280; 288; 343; 349; 361; 11 76; 11 94; 11 102; 11 382; 11 386; 11 394; 11 421; 11 482; 11 491; 11 507; 11 540; 11 552; 11 562 f. Abraham Ecchellensis: 158; 187 Abraham, Bischof v. Seleukia: 316 Abrisias, Bischof v. Seleukia: 316 Abschiedsrede : 11 411 Abschwörungsformel, große u. kleine: 265 Abuthem: 347 Abyssus: 11 554 Achäa: 11 276; 11 291; 11 294. - Achäer: 11 87 Achamot: 11 306 Achar: 345 Acherusischer See: 11 480'; 11 509; 11 550 Achtheit (Ogdoas): 11 154 Acta Andreae et Matthiae: 11 401; 11 403. (vgl.: Akten d. Andr. und Matthias) Acta Archelai : LXII 6: 265. - LXVII 5: 258 Acta Santi Nerei et Achillei: 11 183. - (vgl. Akten des Nereus u. Achilleus)
Acta Pauli et Theclae: 11 224. - (vgl.: Paulus-Thekla-Akten) Acta Xanthippae et Polyxenae: 11 182 Actus Petri Apostoli: 11 183. - (s. Petrusakten) Actus Petri cum Simone: 11 183. - (s. Petrusakten) Actus Vercellenses: 11 183; II 191ff. - (s. Petrusakten) Adam: 98f.; 148; 237; 240; 245; 250; 349; 35lf.; 361; 363; 370; 374f.; 11 72; 11 76; U 286f.; 11 382; 11 385; 11 464f.; 11 561; 11 565 Adamas: 236 Adamsbuch, lat. 3701 Adar: 11 263 Ad(d)as: 330; 342f.; 346 Addai: 325 Adler: 11 301; 11 344; 11 351 Adonai: 233; 349; 355; 11 507 Adonias: 11 106 Adria: 11 195 Aegeates: 11 278f.; 11 280 (Egetes); 11 285 bis 287; 11 289; 11 291-296 Ägypten: 73; 95; 243; 302; 305f.; 308; 310; 336; 339f.; 11 350f.; 11 383; 11 489; 11 493; 11 495; 11 503; 11 510; 11 514; 11 517; 11 561 Ägypter: 308; 11 490. - Ägypterin: 11 210 Ägypterevangelium: 50; 70; 109:0'.; 155; 174; 186; 200; 205; 214-216; 260; 270; 11365 Ägypterevangelium, kopt., von Nag Hamadi: B. Buch, heiliges, des großen unsichtbaren Geistes Ähnlichkeit: 11 584
Register der Namen und Sachen
Älteste: 122; 337f.; 343f.; II 70f. - vierundzwanzig Älteste: II 545; II 560 Äon, Äonen: 125; 235f.; 241; 301; 365; II 73; II 143; II 171; II 266; II 295; II 311; II 412; II 414; II 427; II 482; II 517; II 576; II 585; II 592f. Aetheria: 326 Äthiopien: 99; 376; II 561 Äthiopier: 306; II 510; II 514; II 278 (Dämon). - Äthiopierin: II 210 (Dämon) Affekt: II 386 Affrodosius: 309 Afrika: II 485 Agape: II 558 Agrapha: 52ft.; 212; 262; II 75 2 Agrippa (ein Jude): 336. - (König A.): 313. - (Praefekt): II 213f.; II 218f.; II 221 Agrippa Castor: 226; 258 Agrippina: II 218 Agrippus: II 205f. Ahab: II 456f. Ahasja: II 456f. Ahriman: II 300 'Ain Karim: 310 Akiba, Rabbi: II 423-425 Akhmin: 118 Akrösja (= Acherusia): II 480 Akten des Andreas und des Matthias: II 276; II 404. - (vgl. Acta Andreae et Matthiae) Akten des Andreas und des Paulus: II 403. Akten der zwölf Apostel: II 119 Akten des Nereus und Achilleus: II 400. (vgl. Acta Nerei et Achillei) Akten der Perpetua und Felicitas: II 488 Akten des Petrus und Andreas: II 276 Akten des Petrus und Paulus: II 402 Aktencorpus, manichäisches: 11 117ft.; II 1351 'alaph: 266 al-Awfi: 265 al-Beriini: 265 -, Chronologie: 266; 267 -, India I: 1901.; 263 -, Kitab al-Athär al-baqiya: 1911. Albinos, Didasc. 14: II 273 Albinus: 313; II 218 Albius: 358 Albunea: II 501 Alexander: 33M.; II 248 Alexandria: II 390; II 500 Alexandrinerbrief des Paulus: II 41; II 55 Aline: II 253
633
al-Jaqiibi, Chronik: 191; 265; 267 Alkibiades v. Apamaea: II 529f. Alkman : II 280 Allegorie: II 449 aAA6.ew<;: II 273 Almosen: II 316 al-Murta<;la: 267 Alpha: 128; 182;266;295 Alphabet: 296; 299. - Buchstaben des syr. A.: 266 Alphäus: 124; 245; 316; II 13 al-Razi: 265 Altar (d. Artemis): II 160 Amalech, Berg: 355 Amalek: II 520 Amasea: II 276 Amathios: II 260 ambrosische Quelle: II 318 Ambrosius v. Mailand, Expos. Ev. Luc. I 2: 186; 257; 260 Amente: 374; II 566 Am(m)aon (Emausjünger) : II 39 Ammia: II 269f. Amnes: 336 Amos: II 491; II 552 Amoz (Vater d. Jesaja): II 455; II 459f.; II 466; II 468 Amphion: II 231; II 254 Amtsträger : II 388 ,Avaßa{}/l-ol ' Iauwßov: II 66. - (vgl. Aufstiege des Jak.) Anania, der Alte: II 456; II 460 Ananias: (v. Bethlehem): 313. - (Eilbote): 327 f. - (Leibgardist): 333 Ananus, Hoherpriester: 313; 324 Anaphora des Pilatus: 356 Anchares (Panchares): II 226 5 ; II 242 f. Andrapolis: II 310 Andreas: 102; 124; 128; 180; 182f.; 253f.; 36M.; II 13f.; II 20; II 23; II 34; II 45; II 104; II 118; II 120; II 151; II 309 Andreasakten: 188; II 1045 ; II 117; II 123; 11 270ft.; II 403. - Andreasakten, c. 6: 196 Andreasevangelium: II 23 Andronikus: (Rm. 16, 7): II 35. - (Joh.Akten): II 133; II 138f.; II 141; II 149f.; II 159; II 161; II 165-173 'Aneslasleja (Elysium): II 480 Angaeus, Angaios: 330; 342f.; 346f. angelus interpres: II 439; II 448. - (vgl. Deuteengel) Anna: 280ff.; 318
634
Register der Namen und Sachen
an-Nadim: 258 Annas, Hoherpriester: 99; 285f.; 294; 334; 336f.; 343; 345; 347f.; 354-357 Annubion: II 390; II 393 Anonymität: II 54 Anse1m: 99 Antichrist: 352; II 95; II 382; II 421; II 43lf.; II 441; II 501 (Nero) Antigones : II 423 Antiochener: II 248 Antiochien: II 225-227; II 242f.; II 248; II 251 Antipaulinismus : II 67 Antonius: 336 Antulus: II 204 Anziehen: II 584; II 603; II 620. - (vgl. Kleid) Apamaea: II 530 Aparktias: 368 Apelles: 54; 259f. Aphrodite: II 392 Apis: II 5ll Apocalypsis beatae Dei Genetricis de poenis: II 102 2 ; vgl. II 535 Apocalypsis seu visio Mariae Virginis: II 471; II 535 Apokalypse, Apokalypsen: II 90; II 407ff.; II 420 (christlich-gnost.); II442 (Did.16); II 445 u. 448 (Hermas); II 566 Apokalypse im Namen Abrahams: 232 Apokalypse, anonyme: II 533 Apokalypse des Bartholomäus: II 536 Apokalypse des Elias, c. 43, 10: 134Apokalypsen des Jakobus: 246 Apokalypsen des Johannes, apokryphe: II 535. - A. im Namen d. J oh.: 233. - A. d. Joh (= interrogatio Johannis): 234 Apokalypsen der Maria: II 535 Apokalypsen von Nag Hamadi: II 536 Apokalypse des Paulus: II 41; II 420; II 430; II 451; II 471; II 533; II 53611. Apokalypse des Paulus, Kopt., v. Nag Hamadi: II 539 Apokalypse des Sophonia (Zephanja): II 533 Apokalypsen, spätere: 11 53311. Apokalypse des Stephanus: II 535 Apokalypse, synoptische: 1143411. Apokalypse des Zacharias: II 534 'A:n:oxaAVlpt, 'AAAOYevoV,: 233 'A:n:oxaAVlpt<;" TOV dylov' Iwavvov TOV ihoA6yov: II 535 'A:n:oxaAvtpt<;" Tij<;" dyla, 6COT6xov :n:sei Tiiw xoAaaswv: II 535; vgl. II 102 2
Apokalyptik, apokalyptisch: II 407; 11 40811.; II 426; 11 42811.; (A. d. Urchristentums); II 471 (jüd. A.); II 484; II 487 Apokryphen, apokryph: 4ff.; II 90. - Apokryphen, neutestamentl.: 6 f.; 32 ff.; 35 ff. - Apokryphen, pseudapostol.: II 9 Apokryphon des Jakobus: 243 3 ; 24511.; II 49f.; II 269 (apokr. Jakobusbrief) Apokryphon des Johannes: 50; 167; 169; 175; 186; 199; 202; 22911.; 244; 247; 253; 270f.; II 47. - Apokr. d. Joh. 21, 14-18: 250. -122, 19: 256. Apollinaris von Laodicea: 88 Apollo, Gott der Sidonier: II 253 Apologeten, frühchristl.: II 374 Apologetik: ll9; 275; II 373; II 421. - apologet. Literatur: II 59 Apostel: 9; 127 (Kollegium d. A.); 156; 184f.; 198 (hebr. A.); 361; 364f.; 367; 372; 374; 11311.;II4 (d:n:6aToAo,); II llff. (Nachrichten); II 13 (Berufung); II 14 (Beruf und Bildung); II 16; 11 4111. (Träger der Überlieferung); II 77; II 195; II 197; II 202; II 258f.; II 289; II 292; II 309ff. (= Thomas); II 325 (A. d. Höchsten); II 337f. (A. d. neuen Gottes); II 341 u. 360 (d. neue A.); II 425f.; II 429; II 566. - II 303 (72 Apostel). Apostel, die zwölf: 102; 171; II 7; II 12; II 42; II 101; II 303; II 383; II 458 Apostelakten, apokryphe: II 9f.; II 90. (vgl. Apostelgeschichten apokr.) Apostelakten, jüngere: 11 39911. Apostelamt (unter den Heiden): II 175 Apostelbegriff : II 5 Apostelbild : 11 11 11. Apostelgeschichte des Lukas: II lllf. Apostelgeschichten, apokryphe: 11 11011. Apostelinstitut: II 5 Apostellisten : II II f. Apostelroman: II 142 Apostelschaft : 157 Aposteltätigkeit: II 6 Apostolat: II 3 Apostolisch: II 311.; II 7 (d:n:oaTOA!x6,) Apotaktiten: II 272 Apphia: II 231 Appion: II 390f.; II 393 Apronianus: II 89 Apuleius, Metamorph. XI 25, 4: Il 606 1 Aquila: II 254; II 268f.; II 390; II 396; II 398 Arados : II 395
Register der Namen und Sachen Aramaismen: 212 Arche N oah: 353 Archelaus: 130; 357 Archont, Archonten: 195; 228; 237f.; 256; 267; 301; II 170; II 301 Archontiker: 233; 238; 243 Ardhang: 269 Ares: II 511; II 517 Aretalogie: II 115f.; II 186 Aricia: II 193; II 217 Arimanios, Pharisäer: 235 Arimathia: 348f. Aristeus: II 193 Aristides: II 59 Aristion: II 36; II 45 Aristippus: II 165 Aristobula: II 165 Aristodemus: II 134; II 137; II 144; II 147 Ariston: II 195-197 Aristoteles, Metaphys. A 2, 982b: 225 Arkadien: II 448 'Arsani'äh (Arsenoe) : 262 Arsakiden: II 304 Artemilla: II 255-257 Artemis: II 159-161; II 532. -Artemisbild: II 278. - Artemispriester: II 16lf. Artemistempel: II 159ff. Artemon : II 238; II 263 Arundel-Handschrift (= Cod. Brit. Mus. 404): 276; 300; 304; 309f. Arzt: II 345; II 363; II 368 Asaph: II 459; II 461 Asclepius 13: 225 Asia: II 118. - Asien: II 118; II 193; II 494f.; II 517. - (vgl. Kleinasien) Asketen: II 90; II 454 (judenchristl.). Asketismus : II 307 Assia: 312 Assur, Assyrien: Ir 457; II 491; II 505; II 514; II 561. - Assyrer: II 494 Asterius: 336 Astrolog: II 390; II 397 Athanasius v. Alexandrien, 39. Osterfestbrief: 17; 30f. Athen: II 380; II 390; II 397 Athenodor : II 390; II 393 Atticus: (Statthalter): 317. - (reicherJÜllgling): II 134; II 137 Attis:II575 Audianer: 232; 238; 243 Auditionen: II 408 Auferstehung: 116 (Mysterium der A.); 119
635
(A. J esu); II 240; II 243 (A. des Geliebten); II 245; II 258; II 260; II 414; II 442 (zwei Auferstehungen); II 443; II 458f.; II 503; II 559. - (vgl. Totenauferstehung) Aufseher: II 323 Aufstieg der Seele: 195 Aufstiege des Jakobus: 314; II 39 - (vgl. 'Avaßa{}ftol 'Iauwßov)
Augen des Verstandes: II 335 Augenzeuge: II 7 Augustinus, Aurelius: 17 -, c. Adim. 17: II 182 -, c. adv. leg. proph. II 4, 14: 218 -, Ep. 237, 5-9: II 1532 -, c. Felic. 116: 265. - II 6: II 274 -, in Joh. tract. 9, 14; 10, 12: 237 Augustus: 286 Auserwählte(r): II 463; II 480; II 493; II 495; II 588; II 603 Autorität der Apostel: II 17 B:297 Babel, Babylon, Babylonien: II 305 (SarMg); II 308; II 352; II 355; II 404; II 459; II 494f.; II 514 Bad (Taufe): II 250 Balämis: 192 Balbus: II 193 Balthasar: 303 Barabbas: 92; 97; 339 Barachios: II 534 Barachja: 97 Barbar(en):II 378; II 384; II 391 Barbelo: 236; 271; 301 Barbelo-Gnostiker: 231; 243; 271 Bardesanes: 191; 260; 326; II 308; II 577. - Dialog neel elftaeft8v'Yjr;: II 69 Bardesanismus, Bardesaniten: 187 f.; II 306f. Barnabas: Ir 13; II 35f.; II 46; II 194; Ir 226; II 242; II 337-339 Barnabasakten: II 404 Barnabasbrief: II 58. - c. 4, 9: II 442 Barnabasevangelium: II 36 Barsabbas Justus, der Plattfuß: II 266f. Bartholomäus: 128; 171; 182-185; 359 ff. ; II 12f.; II 19f.;II29; II 309; II 421 Bartholomäusakten: II 404 Bartholomäusapokalypse: 359 Bartholomäusevangelium: 249; 260; 319; 35911. Bartholomäustexte, kopt.: 37211.
636
Register der Namen und Sachen
Baruch: (Engel): 300; II 99. - (Prophet): 218 Baruchapokalypse, gnost. II 587 3 Baruchapokalypse, syrische: II 408. - c. 10, 2f.: Il 418. - c. 13, I; 22, I: II 409. c. 85.10: Il416 Basilides: 226; II 51. - Exegetica: 258 Basilidianer, basilidianisch: 225f. Bassus: II 88 Bau: II 617 Baum, Bäume: 237f.; 244f., 349; II 108; II 199; II 313; II 327; II 491; II 551; II 561; II 566; II 59lf. Baumeister: II 315 Becher (eucharist. mit Wasser): II 356; II 369 Beda venerabilis, in Luc. ev. expos. I prol.: 186;224;257;259 Beelphegor: II 101 Beelzebub: 351; 362 Befreiung: 196; II 606 Begierde: 109 Behnesa, Begräbnisbinde: 216f.; 222 Bekenntnis: II 621 Belchira: II 456f.; II 459f. Belehrung, apokalyptische: II 429 Belehrungen Adams: 232 Beliar: 362; 367 f.; II 456-459; II 505 Benjamin: II 457; II 562 Berenike: II 193 (Matrone). - II 390 (Tochter der Kanaanäerin Justa) Berge, die zwölf, in Arkadien: II 446 Bernike (Veronica): 339 Beröa: 82 Berossos: II 500 Berus: II 103 8 • - (vgl. Verus) Berytus: II 393 f. Beschneidung: 210; II 590 Beta: 128 Beten: 65 Bethlehem: 128; 286-288; 320; 340; II 264; II 456f.; II 466f.; II 525 Bethsaida: 98; II 490 BfßAOt 'AAAOYCVOV!;': 233 Bild des Johannes: II 147f. Bilderrede : II 411 Bileam: II 325 Binden und Lösen: II 398 Bischöfe aus Jesu Verwandtschaft: 316 Bischof: II 71; II 213; II 389; II 393f.; II 398; II 555 Bischofslisten, jerusalem.: 314 Bischofsreihe : II 42
Bischofsstuhl: II 398 Bithynien: II 118; II 194 Blut (eucharist.) : II 369 Bodleian-Fragment der Petrus-Offenbarung: Il479 1 Bogomilen: 238; 361 Borborianer: 189; 23F; 250 Boreas: 368 Bräutigam: II 315; II 357; II 618; II 624 Braut: 198; II 315 Brautgemach: 198; II 311; II 314; II 580 Brautführer, sieben: II 311 Brief (Epistel): II 55; II 352; II 439; II 604f. - Pseudapostol. Brief: II 10; II 53; II 55; II 430 Brief Christi, vom Himmel gefallener: II 40 I Brief des Clemens an Jakobus: II 65; II 374 Brief des Eugnostos: 169; 172; 176 Brief der Pelagia : II 232 3 Brief des Petrus an Jakobus: II 57; II 65; II 69/.; II 374 Briefwechsel des Paulus mit den Korinthern: s. Korintherbrief, dritter Briefwechsel zw. Paulus und Seneca: II 41; II 53; 11 84fl'. Brot: II 190; II 191 (Brot u. Wasser als Opfer); II 195; II 262; II 320; II 329 (Brot d. Segens); II 356; II 359; II 367; II 369; II 559 (Brot der Eucharistie) Brotbrechen: II 168; II 172; II 174; II 256; II 319; II 243; II 356; II 360; II 369 Brotkommunion: II 306 Bruder des Thomas (Christus): II 313 Brüder Jesu: 312; 316 Buch, Bücher: II 464; II 589. - 247 (geheimes Buch). - 164 u. II 483 (B. d. Lebens) Buch der Auferstehung J esu Christi von Bartholomäus, dem Apostel: 359; 372:0'. Buch des Elchasai: 11 529:0'. Buch des Erlösers = Pistis Sophia (vgl. d.): 175 Buch der Fremden: 232 Buch der Gesetze der Länder: II 307 Buch vom Hahn: 373 Buch, heiliges, des großen unsichtbaren Geistes (kopt. Ägypterevangelium von Nag Hamadi): 109; 112; 169; 230f.; 244; 2701.; II 421 Buch des Jakobus = ProtevangeliumJacobi (vgl. d.): 278 Bücher des Jeu: 183:0'. -Prol.: 183. - c.I-3: 184/. - c.3: Il 12. - c. 43: 185/.; 250. c. 46: II 625 3 • - c. 52: 201
Register der Namen und Sachen Buch vom großen "m:a p,vrYTiJewv A6yo~ = Bücher des Jeu (vgl. d.): 183 Buch der Norea: 197;244 Bücher der Patriarchen: II 105 Buch von Thomas, dem Athleten: 2231.; 227; II31 Buch des Zoroaster: 242 Buchstaben: 294; 299 Buddha.Legenden: 293 Buni: II 12 Buße: II 445f.; II 448f.; II 451 (Bekeh. rungsbuße u. Christenbuße); I! 452f.; II 550; II 559 Bußfrist: I! 45lf. Byblos: II 394 Byzanz: I! 276 Caesar: II 80 (= Caligula); I! 214 (Anrede an den Praefekten Agrippa). Caesaraea (Stratonis): 82; 84; II 194; II 232; I! 379; II 384; I! 390; II 396 Caligula: I! 88 Caligula.Apokalypse: I! 436 Candida: II 191 Canon Muratori: 13; 18ff.; II 177 Capito: II 89 Castellius: I! 245 Catechese celtique (cod. Vat. Reg. lat. 49): 89;98 Celsus: I! 485 Cestus, Centurio: I! 266f. chabura: I! 454 Chairum : 368 Chalcedon (Juwel): I! 349 Chalkathura: 369 Chaos: I! 575f.; I! 583 Charis: I! 301; I! 341; II 343-349; I! 353 bis 361; I! 367; I! 372 Charismatiker: II 425; II 484 Charuth: 369 X'YjATove6.: 364" Cherubim (Engel): II 545; I! 566 Cherubim (Ort) : 364" ; 366 Chorazim: 98 Christologie: ebionäische: 102. - der Pau· lusakten: I! 241 Christus als Äon: 236 Chritir: 364 Chronos: I! 515 Chrysa: I! 253 Chryse: I! 216 Chrysippus: I! 231; I! 254 Chusis: I! 489
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Cilicien: 145, I! 567 Claudius: 353; I! 263 Clemens v. Alexandrien: 13; I! 46 -, Adumbr. zu 1. Joh. 1, 1: II 47f.; II 126 -, Eclog. Proph. 14, 1: 217. - 41 : II 476". 48f.: II 4771 • - 58: II 61 -, Hypot.: II 27. - V: II 34. - VI: II 37.VI!: II 28; II 46 -, Päd. I 29,3: II 608". -I 35,3; 36, 1; 43, 3 II 599 4 • - I 46, 1 : II 600 4 -, Protr. IX 87, 4: II 55 -, Strom.: II 49f. - I 24,158: 54. - I 29, 182: II 61. - I! 9, 45: 76f.; 108. - I! 15, 68: II 61. -I!45, 4: 224. -I!45, 5: 214; 216; 225. -II 114,6: I! 589 5 .-I! 118, 2f.: 226. -lI! 1,1: 258. - II! 1,1 bis 3, 4: 226. - III 3, 3f.: 226. - II! 26, 3: 224; 226. - II! 45: 109. - III 63: 109. -lI! 64: 110. - II! 66: 110. - II! 68: 110; 217. - II! 91ff.: 111. - II! 92: 215; 217. - III 97: 111. - III 99,4: 217. - IV 12, 81: 258. - IV 35, 2: 224f. - V 14, 96: 76f.; 108. - V 96, 3: 214; 216; 225. - VI 5,39--41: II 61f. VI 5, 43: II 62. - VI 6, 48: II 63. - VI 7, 58: II 62. - VI 15,128: II 63. - VI 52, 4: II 579 4 • - VI 53, 4: 225. - VI! 63, 3: II 22. - VII 82,1: 224. - VII 106, 4: 161; 257. - VII 108, 1: 226 Clemens v. Rom: 192; I! 36; II 373ff.; I! 538 Clemensbrief, 1., c. 20, 2f. 6f.: 128 Clemensbrief, 2.: c. 2, 4: 113. - c. 3, 2: 113. - c. 4, 2: 113. - c. 4, 5: 94.113. - c. 5, 2--4: 113. - c. 5,5: 216. - c. 6, 1: 113. - c. 6, 2: 113. - c. 8, 5: 113. - c. 9, 11: 114. - c. 11, 2--4: 114. - c. 11,7: 114. - c. 12, H.: 111. - c. 12,2: 113. - c. 12, 2-6:215;217.c.13, 4: 114 Codex Askewianus (Brit. Mus. Add. 5114): 174 Codex Brit. Mus. M. S. Orient. 6804: 372 Codex Brucianus (Bod!. Bruce M. S. 96): 183;244 Codex Cambrai 254: II 190 Codex Casanatensis 1880: 360 Codex Claromontanus (Paris. gr.l07 = Cod. D): 21 Codex Hereford Cap. O. 3. 9: 276, 304 Codex Hierosol. Sabaiticus 13: 360 Codex Jung: 161. - p. 1,8-35: 247. - p. 2, 19-39: 247. - p. 14,29-15,37: 248f.p. 16, 31-17, 4: 162. - p. 19, 18-34: 163. -po 20, 6-39: 163. -p.31, 35-32,34: 163f.
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Register der Namen und Sachen
Codex Laurent. Orient. 32: 302 Codex Vatic. gr. 808: II 271 ; 1I 285ff. Codex Vatic. syr.159: 302 Codex Vatic. Reg. lat. 1050: 360 Codex Vindob. gr. hist. 67: 360 Codex Vindob. slaw. 125: 360 Codex Wfuzburg 145: 218 Codices von Kairo, kopt.: s. N ag Hamadi Coelesyrien: II 512 Commodian, .Apol. V 564: 126; 1321 Constitutiones .Apost.: II 43; II 374. - lib. VI 16: 158. -lib. VIII: 135 6 • -lib. VII 34,6:237 Contestatio: II 65; 1I 70f.; II 374 Corpus Hermeticum: I 31: 1I 583 1 ; II 596". - IV 2: 225. - XIII 9: 1I 586 2; 1I 618 5 . XIV4:225 Cumae: II 445; II 499 Cura sanitatis Tiberü: 358 Cynegrius: II 540 Cypern: II 510 Cyprian v. Karthago, Test. III 29: 218 Ps.-Cyprian, De mont. Sina et Sion, c. 4: 237. - c. 13: 1I 56; II 141 -, De rebapt. c. 17: 1I 56 Cyrill v. Jerusalem, Cat. VI 22: 265 -, Rede in kopt. Übers. : 88; 107 Cyrus: II 88 Dämon, Dämonen: II 161; II 201; II 205; II 210; II 278; II 281-284; II 326f.; II 335; II 338f.; II 341; II 348; II 351 (D. v. SarbfIg); II 372; II 392 (Tische der D.) Dämonengeschichten : II 300 Dämonikus: II 144; II 147 Dalmatien: II 265 Damaskus: 145; II 40 ; II 225; II 242; II 269 Daniel: II 98; II 269; II 459; II 507 Danklied: II 617 Dante, Divina Commedia: II 471 Daphne: II 247 Daphnus: II 258 Darius: II 88; II 532 Dathaes: 334 Dathan: 228; 284 Daveithe: 236 David: 137; 146; 181; 284; 315f.; 318; 341; 355; II 94; II 102; II 258f.; II 262; II 459; II 466; II 510f.; II 553; II 566; II 620 Decretum Gelasianum: 21ft. - c. 3, 1: 224 Delos: II 510; II 517 Delphi : II 499
Demas: II 243; II 245 f. Demeter: II 392 Demetrius: II 193 Demiurg: 238f. Descensus: s. Höllenfahrt Christ. (jsan6avvot: 316
Determinismus: II 411; II 414; II 440 Deukalion (= Noah): II 76; II 382 Deuteengel : II 409. - (vgl. angelus interpres) (jta(j0X1): II 51 f. Diakon: II 213; II 329; II 333; II 389f.; II 507; II 555 Dialog (als literar. Form): 114; 234; 250. (vgl. Zwiegespräch) Dialog Christi mit Salome: II 0; 114 Dialog des Erlösers: 50; 117; 169; 173f.; 232 Dialog eines Montanisten mit einem Orthodoxen: 11486 LJwf-Lae7:Ve{a (= Contestatio): II 374 Diatessaron: 260-262 Didache: II 8; II 43; 11 442ft. - c. 1, 2: 135 6 • - c. 1,3: 114. - c. 2, 7: II 389. - c. 3,1: II 98 5 • - c. 16, 1-8: 1I 442f. - c. 16, 7: 1345 Didaskalie: lat. c. II: 1356 • - syr.: II 18; II 43. - syr. c. XXIX: 119 LJ!(jaauaAta IIireov: II 60 Didymus v . .Alexandrien, zu Ps. 88: 219 Didymus Judas Thomas: 62; 205f.; II 30; II 298. - (vgl. Thomas) Diener (Gottes bzw. Christi): II 195; II 200; II 205; II 318. - Dienerin: II 250; II 370. - (vgl. Knecht, Sklave) Dike: II 145 Dion: II 25lf. Dionys (v. Syrakus): IIS8 Dionysius: II 193 Diophantes: II 255f. Diospolis : II 390 Disputatio cum Simone Mago, slaw.: II 400 Doctrina .Addai: 325 Doctrina Petri : II 60 Dodekas: II 143 Dogmatisierung der .Apokalyptik: II 434 Doketismus: 258; 300; II 187; II 240 Domitian: 315; 317; II 131 Domitilla: II 400 Doppelsinnigkeit : II 300 Doris: II 218 Dormitio Mariae: 319; II 120 Dositheus: II 383f. Drache: 238; 307; II 32lf.; II 326; II 350f.; II 372 (Drachenbrut); II 494
Register der Namen und Sachen Drangsal: II 450 Drusiana: II 132-134; II 136; II 141; II 150; II 159; II 165ff. Dualismus: II 412f.; II 417; II 440 Duft des Herrn: II 591 Dumachus: 305 Duth: 369 Dyrus: II 103; II 140 Dysmas: 340 Ebionäer, Ebioniten: 76; 96; 279; 314; 321; 331; 1I 374 Ebionäerevangelium,Ebionitenevangelium: 89; 100ft'.; 112, 190; 214; 256; II 12; II 56 Edem: 300 Eden: 352 Edessa: 325-327; II 298; II 307 Egetes (Aegetes): II 280 Ehe: 109 Einsicht seines Verstandes: II 619 Ekhamöth, Ekhmöth: 198 Ekstase: II 409; II 439 Elchasai: II 427; II 484; II 529 f. Elemente, die vier: II 371 Elf (die 11 Apostel): 125; 263; II 11. - (vgl. Zwölf) Eli: 320 Elia: 344f.; 352; 356; 362; II 76; II 98f.; II 102; II 382; II 421; II 457; II 473; II 482f.; II 491; II 507; II 549; II 565 Eliasapokalypse: II 102"; II 534; II 538 Eliasapokryphon: II 534 Elieser: II 30 Elisa: 344; II 99; II 260; II 565 Elisabeth: 74; 103; 284; 289; 301; 31Of.; 318 Elkesaiten: II 529 Elöaios: 256 Elohim, Eloim: 233; 238; 256; 300f. - (vgl. Heloi) Elxai: II 529 Elysium: II 480 3 ; II 509 Emmausjünger: II 34; II 38f. Ende der Zeit: II 452. - Endereignisse : II 441 Engel: 132; 239; 248; 349; 36lf.; 365f., 369, II 170; II 214; II 252; II 258; II 268; II 317; II 459; II 461--464; II 473; II 477; II 480; II 486; II 491 (12. E. mit Blumen); II 530; II 540ff. - E. des Bundes: II 545. -E. der Buße: II 446; II 448; II 453. - E. des Firmaments: II 467. - Fürsten der E.: II 568. - E. des (hlg.) Geistes: II 458f.; II 462; II 465;
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II 467f. - E. der Kirche: II 457. - E. des Mangels: 240. - E. des Nordens: II 532. - E. des Lichts: II 566. - E. der Sonne: II 459. - Tartarushütende E.: II 555. E. des Todes: II 464; II 466. - E. im Totenreich: II 465. - E. der Unterwelt: II 467. Engel Satans: II 456; II 461. - E. Satans = Simon Magus: II 186; II 196; II 206; II 217 Enkratiten, enkratitisch, Enkratismus: 109; 111; 223; 258; 323; 11 114; 11 126; 11 128; II 187; II 240; II 272f.; II 275; II 277; II 296 Enoch: s. Henoch Entgeschichtlichung: II 416 Enthaltsamkeit: 109; II 230; II 240; II 243f. Entrückung: II 409; II 448. - E. des J ohannes (vgl. Metastasis) : II 176 Epep: II 567 Epheserbrief: II 41; II 81 Ephesus: II 24; II 118; II 130-132; II 136; II 143f.; II 150; II 159-161; II 164-166; II 232; II 242; II 254; II 268; II 395. Epheser: II 270 Ephräm d. Syrer, Komm. z. Diat.: 217; II 15 Epiklesen an die Mütter: II 306 Epikur: II 396. - Epikuräer: II 390 Epinal-Handschrift (der Petrus-Offenbarung): II 479" Epiphanius (ein Korinther): II 261 Epiphanius Monachus, Vita Andreae : II 270 Epiphanius v. Salamis: 79ff.; 114 -, Haer. (= h.) 19, 1, 8f.: II 532. - h. 19,3, 5. 6f.: II 531. - h. 19, 4, 3: II 532. - h. 23,1, 8f.: 237. - h. 24, 3, 7: 226. - h. 24, 5,2: 258. -ho 25. 3, 2: 250. -ho 26, 1, 1-3: 244. - h. 26, 1,3,3-9: 197. - h. 26, 2, 5: 159. - h. 26, 2, 6: 166; 167. - h. 26, 3, 1: 166. - h. 26, 5, 1: 168. - h. 26, 8,1: 233; 250. - h. 26, 8, 2-3: 250. - h. 26, 8, 4-9, 9: 250. - h. 26,10,6: 250. - h. 26, 1O,8f.: 250. - h. 26, 10,9: 196. - h. 26, 12,2--4: 255. - h. 26, 13, 2f.: 195. - h. 28, 5, 1: 256. - h. 29, 9,4: 74. - h. 30, 3, 7: 80.h. 30, 13,2: 80.-h. 30,13, 2f.: 102.-h.30, 13, 4f.: 103. - h. 30, 13, 6: 103. - h. 30, 13, 7f.: 103. - h. 30, 14, 3: 80. - h. 30, 14,5: 103. - h. 30, 16: II 39. - h. 30, 16, 4f.: 104. - h. 30,17,7: II 530. - h. 30,22,4: 104. - h. 31, 5-6: 161. - h. 33, 7, 9, II 51.
640
Register der Namen und Sachen
-ho 34,18,13: 218. - h. 37, 4,1-3: 237.h. 38, 1,5: 228. - h. 38,2,4: 228. - h. 38, 2, 6f.: 244. - h. 39,2,1-7: 238; 244. - h. 39,5,1: 233.-h. 40, 2, 2: 233.-h.40, 5, 3: 238. - h. 40, 5, 3f.: 244. - h. 40, 6, 9: 238. - h. 40, 7, 1: 238. - h. 40, 7, 4: 233. - h. 44,2: 54. - h. 44, 2, 6: 260. - h. 46,1: 81. - h. 48, 2, 4: II 486. - h. 48, 4,1: II 486. - h. 48,10,3: II 486. - h. 48,11,1: II 486. - h. 48,11,9: II 486. - h. 48,12,4: II 487. - h. 48, 13, 1: II 487. - h. 49, 1, 2f.: II 486. - h. 51, 7, 3: 256. - h. 62, 4: 112. - h. 66, 2, 9: 265. - h. 66, 13, 3-5: 266 Epistel: S. Brief Epistula Apostolorum: 126ft.; II 44; II 57; II 296. - C. 30 (41): II 18. - C. 42-51: 241 Epitomae, pseudoc1ement.: II 375 Erbauungsbuch: II 113f. Erbauungssprache : II 239 Erbteil des Vaters (=des Teufels): II 215 Erfüllung der Weissagungen: II 429 Erkenntnis: 72; II 46; II 561; II 582-584; II 586f.; II 590; II 592; II 595; II 597 bis 599; II 604; II 608; II 614 Erleuchtet: II 589; II 598 Erlöser: II 304 (Erlösung des E.); II 519; II 597 (erlöster E.); II 611; II 622 Erlösung: II 304 (E. des Erlösers); II 590; II 601; II 606; II 611 (Erlösertat des Herrn); II 612; II 615; II 621 Erlösungsmythos, gnost. : II 300 Erotik: II 115 Erquickung (vgl. Ruhe): II544; II560; II 560f. (sonntägl. E. in der Hölle). Erscheinung Christi, irdische: 322ft.; II 15lf. Ertenk, ErZeng : 269 Erucia: II 282 Erwählt: II 475; II 580 Erythrai: II 499 Erzählung: 93; 274; II 116 Erzengel: 132; II 545; II 581 Erzteufel : 351 Esau: II 76; II 342; II 382 Eschatologie, eschatologisch: II 412; II 422; II 426 (nationale E.); II 452; II 484 (universale u. nationale E.) Esel: 255; 306; II 325 (Eselsfüllen). - wilde Esel: II 336-341 Esra: II 105; II 421; II 489; 49lf. Esra,IV., c.4, 33: II 416. - C. 4, 36ff.: II 415. - C. 6,1-6: II 4141. - C. 7, 30f.: II 413.C. 14, 10: II 413. - C. 14, 11 f.: II 410
Esra, V. u. VI.: II 488ft. Essenisch: II 419; II 422 Estha: 320 Ethan: II 459 Eubula: II 185; II 204-206; II 211; II 255 bis 257 Eubulus: II 258 Eucharistie: 198 (mit Wein U. Wasser); 375; II 173; II 19lf.; II 195; II 305f. (mit Brot U. Wasser); II 319f.; II 329; II 369 Eugenius: II 134; II 137 Eugnostos (Goggessos): 271 Euklia: II 280 Eunomius: II 374 Euphemia: II 218 Euphrat: 371; II 551; II 561 Euseb V. Caesarea: 16; 77ff. -, Chron. 33: 314 -, Kirchengesch. I 12, 2: II 34. - K. G. I 13, 5: 327. - K. G. II 1, 3f.: 248. - K. G. II 1,4: II 46. - K. G. II 2: 330. - K. G. II 23,3: 313.-K. G.II23,4-18: 313. -K. G. II 23, 24f.: 30. - K. G. III I, 2: II 178.K. G. III 3: 30. 118. - K. G. III 20,1-6: 315. - K. G. III 25: 29f.; 118. - K. G. III 25, 5: 77. - K. G. III 25, 6: 199; 224. K. G. 1II27, 4: 78. -K. G. 1II29,2: 226. -K. G. III 31, 3: II 29. -K. G. III 32, 6: 315. - K. G. III 36, 11: 83. - K. G. III 39, 4: II 45. - K. G. III 39, 95: II29. - K. G. III 39,17: 78. - K. G. IV 5, 3: 314. - K. G. IV 7, 7: 226; 258. - K. G. IV 8, lf.: 313. - K. G. IV 22, 1: 313. - K. G. IV 22, 8: 78. - K. G. V 16,17: II487. - K.G. VI 12: 118. - K. G. VI 14, 5-7: II 37.K. G. VI 14, 7: II 27. -K. G. VII 32, 29: 315 -, Praep. ev. XV 12, 3: II 273 -, Theoph.: 79; 97f. Euthine (= Judith): 280 Eutychus, Diakon: II 258 Eva: 166ff.; 237f.; 250; 366; 370; 374; II 103; II 286f.; II 321 Evangelienausgabe "Zion": 87 f.; 95; 96; 97; 98 Evangelienharmonie: 262 Evangelium, Evangelien: 41ft.; 113f.; 172; II 142f.; II 260; II 324; II 567; II 504.apokryphe Evv.: 33; 48ft.; 261; II 10.Evv. in Dialogform: 174; 181. - die vier Evv.: 111; 158; 261 Evangelium 'älaph: 266-268. - (vgl. Evangelium der Zweiundzwanzig)
Register der Namen und Sachen Evangelium des Apelles: 257; 259 f. Evangelium nach den Aposteln, judenchristI.: 84 f.; 100 Evangelium 'arab ('älaph): 266 Evangelium des Bardesanes: 260 Evangelium des Bartholomäus: s. Bartholomäusevangelium Evangelium des Basilides: 186; 200; 2571.; 260 Evangelium der Eva: 166ft.; 253 Evangelium des Gamaliel: 359; 3761. Evangelien, gnostische: 158ft.; 250 Evangelium, das große (von Alpha bis Omega), des Mani: 265; 270. - (vgl. Evangelium, lebendiges; Evangelium des Mani; Evangelium der Zweiundzwanzig) Evangelium der vier Himmelsgegenden (oder der vier WeItenden) : 158 I. Evangelium des Jakobus des Älteren (vom Sacro Monte de Granada): 246 Evangelium des Judas: 228 f. Evangelien, judenchristliche: 49f.; 75ft. (vgl. Ebionäerevangelium, Hebräerevangelium; Nazaräerevangelium) Evangelium der Kerinth: 256 Evangelium, lebendiges, lebenspendendes, des Lebens, der Lebendigen (des Mani): 19lf.; 262; 265f.; 268. - (vgl. Evangelium des Mani) Evangelium des Mani: 261 ft. - (vgl. Evangelium, das große; Evangelium, lebendiges; Evangelium der Zweiundzwanzig) Evangelium des Marcion: 2581.; 260 Evangelium nach Maria: 169; 229; 251ft. Evangelium nach Matthias: 186; 199; 224ft.; 260 Evangelium der Siebzig: 19111.; 261 Evangelium tau: 266. - (Vgl. Evangelium der Zweiundzwanzig) Evangelium der Vollendung: 159 f. Evangelium der Wahrheit: 51; 160ft.; 170; 246 Evangelium der Zweiundzwanzig: 266. (vgl. Evangelium des Mani) Evangelium nach den Zwölfen (judenchristl.): 85; 100; 155; 1861.; 200; 260 Evangelium der zwölf Apostel (manichäisch): 1901.; 261 Evangelium der Zwölf (quqelanisch): 100; 1871. Evangelium der Zwölf (nach Revillout): 373 Evangelien der zwölf Apostel, andere: 193 41
Hennecke, Apokryphen Bd. 2
641
Evangeliumsverkündigung des J ohannes (Joh.-Akten 87:ff.): II 150ft.; II 180 Evodius v. Uzala, De fide c. Manich. 38: II 271; II 280. - c. 40: II 137 Exuos: II 277 Ezechiel: s. Hesekiel Ezrael, Engel: II 476; II 477 (Zornengel); II 478f.; Färber: 299 Fajjum-Fragment: 74; 1141 Falconilla: II 248 f Farben: II 148; II 450 Fasten: 65; 67 Fathpur-Sikri (Agraphon von F.) : 55 Faustinianus: II 380; II 396 Faustinus: II 380; II 396 Faustus: II 380 Feigenbaum: II 472 Felix, Manichäer: II 122 Festus: "der Galater" : II 266. - Statthalter: 313 Feuertaufe: 185; 198 Filastrius v. Brescia, Haer. 2: 238. - 32, 7: 226. - 33, 7: 159. - 61: II 272 Finsternis: 361 Flötenspielerin: II 311 Form und Gattung: 32:ff.; 45f.; 207; II 9; II 111; II 113; Il 117; Il 210; II 399; II 407; 411; II 429 Formeln: 185 Fortunatus: II 169; Il 171-173 Forum: II 204 u. 206 (julisches F.); II 213 Fragen des Bartholomäus: 359; 360ft.; 375 Fragen der Maria: 2501.; - große F. d. M.: 168; 250. - kleine F. d. M.: 176; 251 Frauen: die heiligen: 173; 183. - die sieben: 171 Freer-Logion: 1251. Freiheit: II 589; II 594 Fremdling: Il 333 Freude: II 594; II 613 Frugi: II 88 Fürst: II 259 (Teufel); II 456 (F. der Ungerechtigkeit); II 458 (der große F. = Beliar). - Fürsten (= Mächte): 132; II 466f.; II 568. - Fürsten Israels bzw. Judas: II 460 Fülle: 245; 247; Il 585. - (vgl. Pleroma) Gaben des Herrn: Il 594 Gabriel: 132f.; 285; 301; 311; II 506; Il 524; II 583
642
Register der Namen und Sachen
Gad: II 317; II 319 Gaius: II 26 ; II 45 Galaterbrief: II 87 Galatien: II 118 Galiläa: 171; 262; 342f.; 345; 354; II 467 Galiläer ( = J esus) : II 278 GaIlien: II 265 Gamaliel: 334; 348; 376f. Gamalielevangelium: 359; 376 f; Ganymed: II 392 Ganzak: II 349 Garizim: II 383; II 423 Gaspar: 303. - (vgl. Kaspar) Gattung: s. Form Gaudentius: II 375 Gebet Jesu: 361 Geburt unseres Herrn und der Herrin Maria (= Protevangelium J acobi, s. d.): 278 Geburt der Maria, kopt. Literatur: 303 Geburt der Maria. Offenbarung des Jakobus (= Protevangelium Jacobi, s. d.): 278; 290 Gefährtin: II 73 Gegenden der Erde: II 309 Gegensatzpaare: II 76; II 381. - (vgl. Syzygien) Geheimbuch : II 439 Geheimnis, Geheimnisse: 219; 238; 241; 361; 375; II 157ff. (Kreuzesgeheimnis); II 196; II 211; II 219f.; II 292; II 313; II318f.; II 328f.; II 361; II371; II412; II 425; II 587. - (vgl. Mysterium) Geheimtradition, Geheimüberlieferung : II 43; II 48 Gehenna: II 102; II 338; II 459; II 508; II 512 Geidsi: II 99 Geißlein: 306 Geist (heiliger): 108; 301; II 458f.; II 462; II 465; II 467; II 607; II 616 Geistchristologie : II 240 Geisterfülltheit: II 487 Geisttaufe : 185 Gelasius: 275 Geliebter: II 456-458; II 460; II 462-464; II 579 Gemeinde: II 389; II 625 Gemellus: II 217 Gemüse: II 320 Genna Marias: 2551.; 261; 300; 319 Gennesareth: II 152 Geon (vgl. Gihon): 371 Gericht, individuelles: II 414
Germanus v. Konstantinopel, De haer. et syn.4:265 Gesandter: II 313*; II 486 Geschichte von der Geburt der Maria: 304 Geschichte von Joseph dem Zimmermann: 293;320 Geschichte, syrische, des heiligen Apostels Paulus: II 402 Geschichte, syrische, des Simon Kephas, des Hauptes der Apostel: II 400 Geschichtsdarstellung: II 112f. Geschichtsüberblicke in Futurform: II 410 Geschichtsverständnis: II 114 Geschlechtlichkeit: 110 Gesetz: 97 (G. u. Propheten); II 67; II 74; II 153 Gesetzlosigkeit: II 340 Gespräch des J ohannes mit J esus : 2441. Gespräche zwischen Auferstehung und Himmelfahrt: 223 Gespräche Jesu (mit seinen Jüngern): 155; 190;209;252 Gespräch zwischen Tod und Leichnam J esu: 375 Gestaltwandel: II 48 (Christus). II 322 (Thomas); II 327 (Dämon). - (vgl. Vielgestaltigkeit) Gestas: 340 Gestirne, böse: II 532 Gewand: II 591. - (vgl. Kleid) Gibeoniten: II 101 Gihon: II 551; II 561 Gilead: II 457 Gilgal: II 460 Ginza,S.15, 19f. Lidzbarski: II 596". -So 31, 20ff.: II 5891 • - S. 57, 20ff.: II 595 2 • - S. 59,1-4: II 590 4 • -S.108, 4-113, 6: 237.S. 180, 12ff.: II 589'; 11 622 3 • - S. 183: II 609 12 • - S. 196,17 ff.: II 625 3 • - S. 454, 18 bis 23: 237 Gischala: II 40 Gittha: II 379; II 383 Glaube: II 586; II 610 Glaukias: 257; II 22; II 51 Gleichnisse: II 448 Glieder: II 598 Glossolalie: II 268 Gnade: II 154; II 2951 Gnosis, gnostisch: 114; 119f.; 243; 275. 360; II 42f.; II 46f.; II 67f.; II 72f.; II 76; II 142; II 187; II 272; II 300; II 304; II 306-308; II 434; II 576; II 583f.; n 598
Register der Namen und Sachen Gnostiker (Sektenbezeichnung) : 159; 166; 168; 176; 189; 197; 233; 243; 250; 255f. Godzan (Fluß): II 457 Götter: II 16Of.; II 293; II 354 (G. des Ostens) ; II 385; II 387; II 391 f. Götterbilder: II 160. - (vgl. Götzenbilder) Göttlicher Mensch (= Simon Magus) : II 204 Götzenbilder: 308; II 339. - (vgl. Götterbilder) Götzentempel (der Artemis in Ephesus): II 160f. Goggessos (Eugnostos): 271 Golden: II 450 Goldgießer (von Ephesus): II 255 Goliath: 341 • Gomorrha: II 253; II 457; II 491 ; II 557 Gott: II 171 (Christus, G. der Äonen); II 341 u. 356 (der deue G.); II 48lf. (Jesus Christus) Gottesdienst des J ohannes : II 173 Gottesherrschaft: II 427. - (vgl. Reich) Gräber der Apostel: II 17 Granada, Bleikisten des Sacro Monte: 246 Graphathas: 369 Gregorv. Nazianz, Ep. 20; Orat.17, 5: 1160 Gregor v. Tours, Liber de miraculis beati Andreae: II 271; II 276 Greisin: II 445; II 448 Griechen: II 6lf.; II 378; II 384; II 392; II 517 Griechentum: II 391 (griech. Gottesvorstellung) Grundschrift der Pseudoclementinen: II 373 Gundafor: II 309; II 315; II 319 Habakuk: II456; II459; II491; II 507 Hades: 349-351; 355f.; 360; 362; 370; II 313; II 317; II 361; II 480 3 ; II 503; II 506; II 518. - (vgl. Hölle; Totenreich; Unterwelt) Hadrian: II 131 Hafen der Rettung: II 618 Haggai: II 459 Hagiographische Literatur: II 399 Haimo v. Auxerre, Kom. z. Jes. 53,12: 88f.; 98. -Kom. z. Hebr.13, 4: 88f.; 2251 Hallelujah: II 553 Hand: II 328 (rechte H. des Lichts). - II 382 (schwache linke H. Gottes) Handauflegung: II 161 Handel des Petrus mit Simon (= Actus Vercellenses) : 11 191ff. Harmonius: II 578 41*
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Harmozel: 236 Haupt: II 598 Haus: II 319 (Mutter der 7 Häuser; das 8. Haus) Hebräer: 198; 228f.; 335; II 311f.; II 377; II 394; II 503-505; II 507; II 513; II 517. - Hebräerin: II 309 Hebräisch: II 267; II 318 Hebräerbrief: II 38 Hebräerevangelium: 89f.; 98; 104ft"; 112; 117; 200; 205; 214; 225; 314; 11 361 1 ; II 608 2 Hegesipp: 11; 78; 313 Heil: II 619 (Land des Heils) Heiland der Römer ( = Simon Magus) : II194 Heilbringer : II 417 Heiligenlegende, Heiligenrede : II 399; II 411 Heiligkeit: II 593 Heilsfügung : II 173. - (vgl. Heilsplan) Heilsgeschichte: II 112 Heilsplan: II 236; II 262; II 290. - (vgl. oluovoflla)
Heilsweg (oluovoflla): II 197 Heimgang der Jungfrau Maria: 319. - (vgl. Dormitio Mariae) Heleleth: 236 Helena: II 301; II 383 f. !;tel kesäj : II 529 "Hellenisten" : II 6 Heloi (Elohim): 355 Helvidius: 316 Henoch: 347; 352; 356; 362; II 98f.; II 473; II 491; II 548 Henochbuch: II 471. - c. 24: II 491. - slaw. Henoch, c. VIIIf.: II 538. - c. XXX 13f.: 237 Hera: II392 Herakleon: 219; II 26; II 62 Hermas: II 421; II 444ff. - Hirt des Hermas: II 44411'.; II 488; - Mand.: II 446; II 448. - Mand. IV 3: 11 452. - Sim.: II 446. - Vis. I f.: II 445. - Vis II 2, 4f.: 11 451. - Vis. III: II 445f. - Vis. III 8, 9f.: 11 452. - Vis. IV: II 446; 11 449f.; II 451. - Vis. V: II 446 Hermias: II 250 Hermippus: II 251-253 Hermogenes (Kupferschmied): II 243; II 245f. Hermokrates: II 251-253 Hermon, Bischof v. J erusalem: 315 Hermopolis: 308 Herodes: 80; 103; 121; 261; 288-290; 300;
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Register der Namen und Sachen
310f.; 315f.; 334; 340; 356f.; 374; I! 199; I! 322; I! 423f.; I! 552 Herr der Sterne: I! 397 Herrentag : 135; I! 256; I! 320f. Herrenworte: I! 426; I! 429. - versprengte H.:62fl'. Herrschaften: 132 Heryaqos v. al-Bahnasa: 376 Herzenskundiger : I! 247 Hesekiel (Ezechiel): I! 96; II 107; I! 551; I! 563 Heuschrecken, feurige: I! 449 Hevila: II 561 Hieronymus: 81ff.; 303; 316 -, Chron.: II 568 -, Dial. adv. Pelag. III 2: 84; 95; 96 -, Ep. 20, 5: 91. -Ep.120, 8: 84; 97 -, Hom. zu Jer. 15,4: 108 -, Jes.-Kom. XVIII praef: 82. - zu 11,2: 84; 107. -zu 40, 9: 108 -, Hes.-Kom. zu 16, 13: 108. - zu 18,7: 108 -, Micha-Kom. zu 7,6: 81; 108 -, Mt.-Kom., Prol.: 186; 224; 259. -zu 6,11: 95. - zu 12, 13: 84; 96. - zu 21,12: 891. zu 23, 25: 97. - zu 27,16: 97. -zu 27,51: 97 -, Eph.-Kom.zu5,4: 81;108 -, Onomastikon: 92 -, Tract. in Ps. 135: 95 -, De vir. ill., c. 2: 82; 108. - c. 3: 82; 95.c. 7: I! 223. - c. 12: I! 85. - c. 16: 82 Hieronymus, Statthalter: I! 255-257 Himmel: II 318; I! 427 (neuer H.); I! 467. - 3. Himmel: I! 539; I! 542; I! 549; I! 566. -7. Himmel: I! 459; I! 461-464; I! 467 f.; II 553 Himmelfahrt des Elia: 196 Himmelfahrt des J esaja: I! 421; I! 46411. c. 1,7: I! 563'. - c. 5, llff.: II 563'. - c. 9, 16: 248. - c. 10,7 ff.: 132. - c. 11,5 ff. : 300. c. 11, 13f.: I! 211. - c. 11, 14: 600 3 Himmelfahrt Jesu: 319 Himmelfahrt des Paulus: I! 41 Himmelfahrt, HimmeIsreise der Seele: I! 301; I! 615. - (vgl. Himmelswanderung) Himmelreich: 215 Himmelsbrief : I! 445; I! 451 ; I! 453; I! 603 Himmelswanderung: I! 451. - (vgl. Himmelfahrt der Seele) Hiob: I! 552; II 564 Hippolyt von Rom: 11 -, Kirchenordnung: I! 43 -, Dan.-Kom. m 29: II 223
-, Ref. V 6: 159. - V 7: 314. - V 7,1: 246; II 50. - V 7, 8f.: 111f. - V 7, 9: 270.V 7, 20: 199; 200f.; 216. - V 8, 19-21. 201. - V 8,32: 204; 217. - V 8,38: 159. - V 10, 2ff.: II 575f. - V 16, 8. 13f.: 168. - V 26: 300. - V 26,23: 238. - V 27: I! 5873 • - VI 20: II 178. - VI 37, 7: II 616 1 • - VI! 20,1: 257. - VII 20, Iff.: 226. - VII 28,3: 237. - VII 38, 2: 260. -IX 13,1 bis 3.3-4: II 530. - IX 15, 1-2. 3: II 531.IX 15, 4-16, 1: II 531. - IX 16, 2--4: I1 532.-IX 17, I:II 532.-X9: 314 Hirt: I! 390; I! 445 f.; II 448; I! 453 Hirt des Hermas: s. Hermas Hiskia: I! 455-458; I! 460 f. ; I! 463; I! 467 f. Historia Passionis Domini: 89; 99f. Hochzeit: I! 301 (heilige H.); I! 302 (Mysterium des leeoc; yd..uoc;); I! 310; I! 314; II 334; I! 357; I! 580 (mystische H.) Hochzeitslied (Thomasakten 6f.): II 302; I1311f· Höhle: 287; 309 Hölle: 374; I! 465; I! 473; I! 521. - (vgl. Hades; Unterwelt) Höllenfahrt Christi: Vorgang: I! 602. Schriftstück: 240; 33011.; 36311. (lat. Bearbeitungen); I! 124 Höllenfahrt der Seele: I! 301 Höllenmacht : II 602 Hoethra: 369 Hoffnung: I! 581 f. ; I! 610 Holz: I! 608; I! 623 Horeb: II 492 Hosea: I! 459; I! 491 Hund, sprechender: I! 200-202 Hymnische Formen: II 411 Hymnus Christi (Johannesakten 94ff.): I1 153ff· Hypostase der Archonten: 196f.; 244 Hyrkanien: I! 352 Ialdabaöth: 237-239. - Ialdabaäth-Saklas: 236 Ignatius v. Antiochien: 82; I! 8. - Smyr. 3, H.: 83. - Smyr. 3,2: 132 Ikonium: II 227; I! 243; II 245; I! 247; II 250. - Ikonier: I! 248 Ikonoklasten: I! 118 Ilias: I! 511 Illyrien: I! 118 Indien: 292; 302; I! 118; I! 298; I! 309; I! 315; I! 325f.; I! 334; I! 347; I! 349; I! 354; I! 356; I! 360; 11 372
Register der Namen und Sachen Individualismus, Individualisierung: II 414; II 451 Innergeschichtlicher Zeitpunkt: II 410 Innocenz I: 275 Interrogatio Johannis: 233 f. Investitur des Michael: 232 Iphidamia: II 279f.; II 285f.; II 289; II 294 Iphitus: II 193 Iranisch: II 417 Irenäus v. Lyon: 12 -, Apod.43:217 -, Haer. I 1, 3: 252. - 13,2: 248. - I 8, 4: 163. - I 11, 1: 243. - I 13, 1: 292. - I 16, lf.: 163. - I 20,2: 218. - 124,1: 237.124,5: 226. - I 25,5: 189f. - I 26, 2: 76. - I 29: 231; 242. - I 30, 6: 237. - I 30, 7: 238. - 130, 14: 159; 248. - 131, 1: 228.II 24,6: 163. - II 27,2: II 43. - III 3, 4: II 44. - III 4, 1: II 42. - III 11, 7: 76. III 11, 8: 158/. - III 11, 9: 160. - III 18, 5: 113. - III 21,1: 76. - VI, 3: 76. - V 33,2: II 45. - V 33, 3f.: II 5501 Isaak: 141; 280; 288; 343; 361; II 76; II 94; II 382; II 394; II 482; II 491; II 507; II 552; II 562f. Isaak: (ein Jude): 336. - (Rabbi): 347 Isai: II 459 Isidor, Gnostiker: 226 Ismael: II 76; II 382 Israel: 143; 146; 261; 280; 288-290; 306; 343; 346; 349; 358; 363; II 18; II 259; II 263; II 322; II 457; II 460; II 464; II 467f.; II 472; II 49lf.; II 503f.; II 563. - Israeliten: 344 Isthmus: II 517 Italicus: II 204 Italien: II 194-196; II 236; II 263; II 511 Jahr: elf Jahre: 177. - zwölf Jahre: II 18; II 62; II 185; II 194 Jairus: 334; 347 Jakob: 141; 261; 288; 343; 348; 361; II 76; II 94; II 107; II 382; II 394; II 482f.; II 490f.; II 507; II 552; II 562f. Jakob (Mt. 1, 15): 320 Jakobus: Bischof v. Seleukia: 316. - Enkel des Herrenbruders Judas: 315. - ein Jude: 336. - Vater des Judas: 316. - Jakobus der Kleine: 317; II 121 Jakobus, Sohn des Alphäus: 245; 316; II 13; II 31 (der Lebbäer); II 34; II 309 Jakobus (Bruder Jesu oder Sohn des Zebedäus?): 247-249; II 47--49
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Jakobus, Bruder Jesu: 104f.; 108; 209; 214; 222; 245f.; 278; 290; 297; 312-316; 324; II 6; II 19; II 39; II 46; II 69-71 ;:i~~ Jakobus de Varagine, Goldene Legende: 304 Jakobus, Sohn des Zebedäus: 102; 128; 180; 182; 184f.; 235; 245; 317; II 12-14; II 19f.; II 25; II 28; II 45; II 15lf.; II 309 Jakobusbrief, koptischer: 107 3 J allarias: II 457 J ambres: 338 Jannes: 338 Jao:301 Jasub: II 455f.; II 458; II 460f.; II 463f.; II 467 Jave:238 Jenseitshoffnung: II 413 J eremias: 355; II 99; II 507; II 551; II 563 J ericho : 344; II 242; II 269 J erusalem: 95; 103; 122; 145; 290; 298; 314; 327; 342; 344; 346; 357; 363; II 96; II 100; II 118; II 144; II 185; II 194; II 211;II225;II232; II242; II383; II456f.; II 460; II 467; II 491; II 504; II 531; II 540; II 553. - himmlisches J.: II 486f. Jesaja: 349; 351; 355; II 94f.; II 454ff.; II 551; II 563 J esus ben Chananj a: II 423 f. Jesuspruch: II 429. - (vgl. Herrenwort) Jeu: 185 Jimla: II 456 Joachim: 275; 280ff.; 318 Joel: II 456; II 459f.; II 491 Joel, Gebirge: II 457 Johannes (statt Jona, Vater des Petrus): 96 Johannes v. Anathot: II 456 Johannes v. Damaskus, Sacra paralI. Nr. 502: II 60. -Nr. 503: II 60/. J ohannes Markus: II 404 J ohannes v. Parallos : 232 J ohannes, Presbyter: II 36; II 45 Johannes der Täufer: 74; 80; 95; 103; 255; 289; 301; 310; 349; 355; II 383; II 425; II 534. - (vgl. Ps.-Serapion v. Thmuis) Johannes v. Thessalonich: 11120 Johannes, Sohn des Zebedäus: 99f.; 102; 128; 180; 183-184; 233; 235f.; 245; 314; 364f.; 377; II 12-14; II 17-19; II 23ff.; II 44--47; II 103f.; II 118; II 120f.; II 185; II 309; II 403; II 421; II 565f. Johannesakten: 188; II 103 7 ; II 1043 ; II 117f.; II 121; II 123; II 120ft.; II 180; II 403. - c. 55: II 579 7• - c. 88-105: II 47. - c. 98: 218; II 180. - c. 100: 135
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Register der Namen und Sachen
Johannesakten des Ps.-Prochorus: ll420f. Johannesapokalypse, kanon. : II 421 Johannesapokalypse, kürzere: II 535 Johannesbrief, apokrypher: II 56 Johannesbriefe: II 27f. Johannesbuch der Mandäer: 11590· Johannesevangelium: II 26 Johannesüberlieferung: II 47 f. ; II 143 Jojada: 97 Jojakim:ll461 Jona (Prophet): II 80; II 260; II 459; II 491;ll507 J ona (Vater des Petrus) : 97 Jordan: 60; 80; 103; 264; 344; 352; 354; II 509;ll512 Joseph v. Arimathia: 121f.; 331; 333; 341f.; 344f.; 347f.; 353f. Joseph Barsabbas, genannt Justus: II 29; ll35f. J oseph der Gerechte: II 459 Joseph (der Zimmermann): 73; 98f.; 128; 168; 181; 198; 283ft'.; 294ft'.; 305f.; 308; 310; 318-320; 330; 334; 336; 340; II 30; II 364; ll466f. J osephus, Flavius: 100 -, Ant. XVllI3, 3: 324. - XX 9, 1: 313; 324 -, Bell. judo VI 301 : 11 424 Joses: 317. - (Bruder Jesu) : 312 Josua: 345; II 507 Jota: 182 Jubel der Apostel: 232 Juda: II 74; II 455-457; II 460; II 466; II 490 Judäa: 82; 103; 121; 210; 283; 286; 288f.; 353; 357f.; II 194; II 196; ll200; ll204; II 206; II 210; II 264; II 376-379 Judas: (Apostel): 173f.: II 30; II 32. (Essener): II 423. - (ein Jude): 336. (Schriftgelehrter): 334 Judas, Bruder Jesu: 312; 315; 317; II 30; ll269 Judas Ischariot: 102; 374f.; II 13; II 32f.; II 199; II 322; II 242 Judas Jakobi: 316; II 12f.; II 30; II 32; II 97; II 309 (Bruder des Jakobus) Judas Thomas: 206 (J. Th., der Zwilling); 223; 227; 328; II 30; II 298ft'. - (vgl. Thomas) Judas Zelotes: 128; II 32 Juden: 144 (Paulus ein J.); II 62; II 153; ll191 Judenchristen: 314; II 240 Judenchristentum: 90; 105
Judentum: II 68; II 407 (palästinens. u. hellenist.); II 422 (hellenist.); II 529 (synkretist. ) Judith: 280 Jünger: 172; 177; 182; II 14 (Herkunft). J. = Christen: II 293; II 295; II 340. elf J.: 346. - siebzig J.: II 35. - zwölf J.: 124; 171; 247; ll457f.; ll467; ll481 Jüngerin: 182; 184 Jüngling (= himml. Erscheinung): 123; II 168; II 170; II 195; II 319; II 493. (vgl. Knabe) Julius Cassianus: 109-111; 114; 215; 217 Jungfrau: II 450 (Kirche); II 613 (vollkommeneJ.) Jungfrauengeburt:279;ll187 Junias:ll35 Justa: II 390; II 396 Justin, Gnostiker: 238; 276; 300 Justin, Märtyrer: 10 -, Apol. I 16,11 U. I 19, 7: 113. - I 35 u. I 48:330 -, Dial. 35, 3: 54. - Dial. 76, 5: 113. - Dial. 78:99 Justus, Bruder Jesu: 315 J ustus = J oseph Barsabbas: II 36 Kain: 238; 244f.; 374; II 73; II 76; II 287; II 321; II 342; II 382; II 386; II 565 Kainiten: 228; 238; II 33 Kaiphas (Kaiaphas): 80; 99; 103; 334; 336f.; 342f.; 345; 347f.; 354-357; II 39; II 199; ll322 Kaiserhaus: II 195; ll265; ll392 Kaiserstatue: II 201 Kalb (goldenes) : II 322 Kallimachus: II 132-134; II 166ft'. Kallipus: II 145 Kalvarien: 377 Kampf des Thomas: II 403 Kana: 128; 318 Kanaanäer, Kanaaniter: II 264; II 490 Kanani: II 456 Kandake: II 35 Kanon, kanonisch: 1:0'.; 8:0'. (Geschichte des ntl. K); II 399 Kapernaum: 102; 318 Kapitol Ägyptens: 308 Kappadozien: II 118 Karinus: 353-356; II 124. - (vgl. Leucius) Karpokrates:256 Karpokratianer: 189; 256 Kaspar: 99. - (vgl. Gaspar)
Register der Namen und Sachen Kastor: II 217 Kastor und Pollux: II 87 Katechet: II 390 "aTBXov, "aTBXwv: II 432 Katechumen: II 398 Katharer: 219 Katholisch: 127 Katholizität: II 42 Kaufmann: II 309 Kelch (des Segens) : II 559 Keltenland: II 512 Kenaan: II 456 Kephalaia, Schmidt/Böhlig I, S. 14f.: II 308. - S. 42, 24-43, 21 : 201. - S. 55, 17: 11 304f. - S. 85, 24f.: 11 304. - S. 87, 31 ff.: 604 5 • - S. 153, 29-31: 267. - S. 163, 26 bis 29: 263. - S. 163, 28f.: 216; 225. S. 223, 3f.: 264. - S. 234, 8f.: 264. - S. 235,1-17:270 Kephas: 128; II 12; II 34f. Kerinth: 80; 127; 129 Kerinthianer: 256 Kerkutha: 368 Kerygma: II 53 Kerygma Petrou: 83; II 10; II 53f.; II 58ff. Kerygmata Petrou: 101; 106; II 53f.; II 63ff.; II 373 Kidron-Tal: 313 Kinderzeugung : 109 Kindheit des Herrn J esus (= Kindheitsevangelium des Thomas) : 292 Kindheitsevangelien: 33; 51; II 272ff. jüngere K.: 302ff. Kindheitsevangelium, arabisches: 276; 299; 302f.; 305f. Kindheitsevangelium, armenisches: 168; 303 Kindheitsevangelium, lateinisches: 304; 309f· Kindheitsevangelium des Thomas: 200; 276; 290ff.; 302f.; - c. 6, 3: 128. - c. 6-8: II 3401 • - c. 6-8 syr. Fassung: 298f. c.14, 2: 128. - c.14f.; 19: II 3401 Kindheitsgeschichte Jesu: 272ff. Kindheitsgeschichte des Mt. und Lk.: 272f. Kindheitslegenden, gnostische 276; 300 ff. Kindheitslegenden, mittelalterliche: 275 Kirche: II 106; II 388; II 445f.; II 448 bis 453; II 457 Kirchenordnung: II 444 Kirchenordnung, apostolische: 115 Klassen: 132 Kleid: 71; II 250; II 353; II 463-465; II
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468; II 571; II 587; II 607. - (vgl. anziehen; Gewand) Kleinasien: II 18; II 128; II 143; II 164 (die 7 kleinasiat. Städte d. Offbg.); II 188; II 241 Kleobius: II 144f.; II 147; II 165; II 193; II 258; II 262 Kleon: II 253 Kleopas, Kleopatros: 317; II 39 Kleopatra: II 144-148 Klopas: 316f. Knabe, schöner: II 256. - (vgl. Jüngling) Knecht (Gottes bzw. Christi): II 165; II 170; II 200; II 362; II 459; II 496. - (vgl. Diener; Sklave) Kochaba: 316 Koddianer: 188 König: (König Israels): 121. - (König der Könige): II 351; II 353. - (König dieser Welt = Beliar): II 458 Königssohn: II 350f. Königtum Gottes: II 379 Kokaje: 100 Kolophon: II 511 Kolosserbrief: II 84 Kommunion: II 306 Komposition der Evangelien: 47 Kor (Hohlmaß): 296 Korah: 228 (Koran) ; 284; II 459 Korinth: II 235f.: II 257-261; II 263; II 511 Korintherbrief, dritter: II 10; II 41; II 57; II 114; II 224; II 234f.; 11 258ff. Korintherbriefe: II 87 Kosmas: 361 Kosmogonie: II 421 Kosmokrator:196 Kosmologie: II 412 Kraft: 122; 125; 132; II 194; II 196; II 233. - die (große) K. Gottes = Simon Magus: II 193; II 217; II 383 Kranz: II 174; II 270; II 283; II 310; II 578; II 582; II 597; II 601 Kraton: II 134; II 136 Kreta: II 232 Kreuz: 123; 134; 352; 356; 361; 11 143 (Lichtkreuz); II 157ff. (Kreuzesgeheimnis); II219f.; II247; II 273; II 289; II 292f.; II 295; II 297; II 329; II 356; II 458; II 465; II 472; II 503f.; II 519. - Kreuzzeichen: 349; 352; 355; II 102; II 608 Kreuzigen: II 258; II 263; II 291
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Regi8ter der Namen und Sachen
Kriegsdienst (für Christus): II 219 Kriegsoberst : II 334-337; II 341 Krishna-L€'genden: 293 Krispus: 336 Krone: II 589 Kfmev. Edessa: 326f. Kusan: II 349 Kyrios: II 429 Labyrinth: II 576 Lactanz, Div. inst. IV 8: 217. - IV 21,2--4:
1157 LilJ;mMaryam: 376 Lampe: II 319; II 442 Laodicea: II 83; II 164f.; II 396; II 511 Laodicenerbrief: II 9; II 41; II 53f.; 11 80ft. Latiner: II 517 Laudatio (Acta Andreae Apostoli): II 270f. Lazarus: (der Arme): 141. - (der von Jesus Auferweckte): 339; 350. - (ein Jude): 336 Lebbäus: II 12f.; II 32 Leben: 64; 238; II 483; II 491; II 561; II 571; II 594; II 606; II 617 Leben Jesu: 117. - Leben-Jesu-Fälschungen: 5F; 304 Lebendig: (Attribut J esu): 184f.; 205; II 372. - (Gemeinde v. Lebendigen): II 655. - lebendige Quelle: II 611. - lebendiges Wasser: II 591 Lebensquelle: II 611 Lebensspender : 206; II 348 Lebensumstände J esu: 322ft. Legende: II 8 Lehramt: II 398 Lehrer: 346; II 340; II 425 Leib (eucharist. ) : II 369 Lektor: II 555 Lektra: II 243 Lemma: II 269 Leo d. Gr., Ep. 15, 15: 11 128 Lconidas: II 120 Leopard: 307 Lesbius: II 278 Leuchtender: II 256; II 616 Leuchter: II 607 Leucius, Leucius Charinus: 190; 353-356; 11 117ft.; II 120-124; II 127; II 144; II 180; II 223; II 280; II 299 Levi (Stammvater): II 532.- (Apostel, Sohn des Alphäus bzw. Zöllner): 124; 254; II 13; II 25; II 31; II 33f. - (Oberpriester): 58. - (Schriftgelehrter): 334; 346f. Leviten: 337f.; 342-344; 346
Liber Johannis de dormitione Mariae : II 535 Libertinismus : 226 Licht: 69; 136; 149; 178; 182; 220; 235; 236 (vier große Lichter = Äonen); 265; 267; 309; II 153; II 157; II 197; II 207 ; II209; II 215; II 251; II 264; II 287; II 311f.; II 314; II 316; II 319; II 323; II 328; II 352; II 355; II 368; II 566; II 575; II 581; II 583; II 585f.; II 589-593; II 595f.; II 601 f.; II 613; II 617; II 622 Lichtabfluß (d:n6eeota): II 583 Lichtgestaltig: II 323 Licht jungfrau : 189; 268 Lichtkraft: 177; 194 Lichtkreuz: II 142f. Lichtmenschen: 180 Lichtreich: 194; II 575 Lichtschatz : 182 Lichtstrahlen: 179 Lichtsubstanz: 195 Licianus: 357f. Liebe: II 593f. Lieder der Thomasakten: II 300; II 302 Links: 382 (schwache linke Hand Gottes) Liturgie: II 399 Löwe: 66; 307; II 233; II 248f.; II 255; II 257; II 269; II 312 Logia: 262 Logiensammlung: 204 Logos: 365; 370; II 157-159; II 292; II 502; II 512; II 524 Logoschristologie : II 241 Longinus: 347; II 260 f. Longus (Praefekt): II 266f. Losungswort: II 466. - (vgl. Paßwort) Lot: II 552; II 563 f. Lucian v. Kaphar Gamala: II 536 Lucilius: II 85; II 87 Lügenapostel: II 340 Lügenprophet: II 456; II 459f. - (vgl. Pro· pheten, falsche; Pseudopropheten) Lukas: 193; II 7; II 36-38; II 238f.; II 265; II 267f. Lukaskommentar, historischer: 89; 98; 99 Lurco: 89 Lydia (Schwester J esu): 312 Lykomedes: II 144-148; II 165 Lykos: II 511 Lysimachus: II 193 Lystra: II 243 Macedonien: II 194; II 257f.; II 276; II 514
Register der Namen und Sachen Macedonierbrief: II 55 Macht: 245 (5 Mächte); 363 (Macht der Welt); II 466 (Fürsten u. Mächte dieser Welt) Männlich: II 381 (männliche Zeit) Märtyrer: II 566 Magd Gottes: II 305. - (vgl. Knecht) Magdalena: 198. - (vgl. Maria Magdalena) Magie: II 383 Magier: (die 3 M.): 288 f.; 303. - (Vorwurf gegen Thomas): II 316; II 347; II 370 Makarios Magnes, Apocrit. III 22: II 22. IV 6: II 474 4 • - IV 7: II 474 5 • - IV 16:
II 474 4 Makarismen: 208; II 244; II 344f. Maleachi: II 459 Maler: II 148 Mambre (Berg) : 366 Mamilch (Berg): 342f.; 346f. Manasse: II 455--457; II 459 f. ; II 468 Mandäer: II 306 Mandäische Liturgien, S. 165 Lidzbarski: II 587 1 Mandäische Texte: II 304 Mani: 190f.; 200; 268; 326; II 304f.; II 307f -, Buch der Mysterien: 263 -, Ep. Fund.: 203; 216 Manichäer, Manichäismus: 188-191; 196; 200; 238; 250; 261; 265; II 117ff.; II 306 f.; II 568 Mann Gottes: II 323 f. Marcellus: II 144; II 198-203; II 206; II 209f.; II 212; II 215; II 218; II 221 Marcellus-Text: II 402 Marcia (Narcia) : II 355 f.; II 358; II 367 bis 369 Marcion: 11; 191; 197; 226; 229; 259; 326; II 81 . Marcioniten: 187; 197; 327 Marcionitische Fälschung: II 82 Maria: II 307. - die "andere" M.: 317. Schwester Jesu: 312. - Schwester der Martha: 130f. Maria, Frau des Klopas: 198; 316f. Maria Magdalena: 123; 130f.; 171 (Mariham); 173; 180; 183; 194; 210 (Mariham); 216; 218; 246; 250f.; 253; 254 (Mariham) 317-319; 333; 374; II 23; II 50 (Mariamme) Maria, Mutter Jesu: 73; 107; 128; 133; 180f. 198; 250; 256; 279; 282ff.; 299f.; 305f.; 308f.; 311; 318; 330; 334; 336; 346; 364 bis 366; 377; II 197; II 258; II 259 u. 264
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(die Galiläerin); II 364; II 421; II 466f.; II 524; II 559; II 562 Maria Salome: 250. - (vgl. Salome) Mariam:263 Mariamme: 246; 314; II 50 Marienklage : 376 Mariham: 171; 173; 210; 254 Marihamme: 173f. Mariologie: II 307 Mariosa, Mariossa: 99 Markosianer, markosianisch: 163; 218; 292; II 302; II 306f. Markus: (Evangelist): II 22; II 36f. - (Paulusschüler): II 538; II 566. - (Valentiner): 166 Marpessos: II 499 Martha: 130f.; 180 Martyrium: II 236 Martyrium des Andreas: II 403 Martyrium Andreae alterum : II 270 Martyrium Andreae prius: II 270 Martyrium des J esaja: II 454 Martyrium Matthaei: II 401 Martyrium Pauli: II 225; II 238; II 265ff. Martyrium beati Pauli Apostoli a Lino episcopo conscriptum (= Passio Pauli): II 402. - c. 1 : II 85 Martyrium Petri: II 183-185; II 216ff.; II 238 Martyrium beati Petri Apostoli (Ps.-Linus): II 400 Martyrium Polykarps: II 8; II 238 Martyrium des Thomas: II 369 ff. Marütä v. Maiperkat: 158; 187 Maryam:262 Matanbukus: II 456 Matarea: 305 Matronen: II 216 Mattathias: II 491 Matthäus: 82;89; 96f.; 102; 128; 171; 173f.; 180; 184f.; 194; 199; 206; 210; 223; 227; II 12-14; II 25; II 29-31; II 33; II 45; II 309 Matthäusakten: II 404 Matthäusevangelium: 76; 79f.; 84 Matthai : II 12 Matthan: 320 Matthias: 194; 224ff.; 257; II 7; II 13; II 31; II 34-36; II 51; II 121 Matthiasakten: II 35 Matthiastraditionen: II 51 Mattidia: II 380 Mauria (Berg), Mav(!d: 366
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Register der Namen und Sachen
Maximilla: (Montanistin): II 458. - (Andreasakten): II 278-280; II 285-287; II 289; II 294f. Meder: II 457; II 514 Meerungeheuer: II 449 Mekembekus: II 459 Melchi: 320 Melchisedek: 244f. Melchus: 99 Melioth: 369 Mellitus v. Laodicea: II 136; II 403 Melqon: 303 Memoria Apostolorum : 188fl'.; 261 Menahem: II 424 Menschensohn: 301; II 417; II 427; II 429; II443 Menschwerdung des Herrn: II 584 Mereim:246 Merinth: 80 Merinthianer: 256 Mermeoth: 369 Meroe,Meruae:99 Mesene (Maisän): II 305; II 307; II 350; II352 Mesopotamien: II 561 Messala: II 88 Messias: II 417 Metastasis des Johannes: II 132-135; II 137; II 139; II 173ff. Methodius v. Olympos, Symp. 2, 6: II 4771 Metis: II 392 Micha: II 97; II 456f.; II 459-461; II 463; II491 Michael: 88; 107; 132; 311; 352f.; 361; 370; II 458; II 506; II 545; II 550; II 552; II 559 f.; II 563; II 583 Milch: II 267; II 587; II 599; II 615 Milet: II 1441'.; II 159; II 232 Mischna: 376 Misdai: II 300 f. ; II 334; II 343 f.; II 347 bis 349; II 357f.; II 360-363; II 367f.; II 370-272 Mission: II 6; II 17 Missionar: II 7; II 429 Missions- und Bußpredigt, hellenist. : II 613 Missionspredigt des Petrus (= Kerygma Petrou) : II 59 Mithras : II 579 Mnesar: II 366; II 368 f. Modalismus : II 142 Mohammed: 302 Monarchianismus: II 142f; II 187
Mondgott : 267 Montanus: II 427; II 485; II 487 f.; II 582 4 Montanismus: II 485 Mors Pilati: 358 Mose: 228; 338f.; 348; II 69f.; II 74; II 76; II 79; II 199; II 382; II 394f.; II 457; II 482 f. ; II 490; II 507; II 520; II 563 Mutter: 108 (= hlg. Geist); 235 (Selbstprädikation des Offenbarers); 236 u. 239 (Sophia); 268; II 306f.; II 312; II 319; II 325; II 329; II 359; II 384 (allmütterliche Wesenheit = Helena) Mygdonia: II 301; II 341; II 344-348; II 354-361; II 367-370; II 372 Mygdonien: II 512 Myra: II 227; II 229; II 250-253 Myrte: II 236; II 262 Mystagoge: II 52; II 305 Mysterien des Johannes: 244; II 535 Mysterien, orphisch-pythagoreische: II 471 Mysterienhandlung: II 306 Mysterienreligionen: II 52 Mysterium, Mysterien: 177 (das 24. M.); 183; 185; 194 (das 1. M.); 206; 228; 240; 245; 263; 301 (das 1. M.); II 158; II 173; II 283; II 295; II 300; II 302; II 576. (vgl. Geheimnis) Mythen, griechische: II 391 Naasener: lllf.; 200; 204; 216f.; 2311; 246; 314; II50 Naassenerpredigt: II 575 N aassenerpsalm : II I) 7I) f. Nachfolge: II 51 N ag Hamadi : II 469 ; II 536; II 539 -, Cod. I (Puech): 169; 173; 229f.; 241. Cod. III (Puech): 197; 202; 221; 223; 2301'.; 24lf.; 244. - Cod. VII (Puech): 244. - Cod. VIII (Puech): 231; 242. Cod. XI (Puech) : 244 Naherwartung: II 410; II 414; II 416; II 427; II 434; II 436; II 440; II 444; II 451--453; II 487 Nahum: II 459; II491 Name: II 78; II 174; II 202; II 2041.; II 207; II 209; II 219; II 306; II 319; II 322; II 328; II 331; II 336f.; II 352; II 369; II 371; II 426; II 542; II 583; II 588; II 598f.; II 60H.; II 614; II 620; II 623; II 625 N aoutha: 368 Naqai: II 12 N arcissus: II 193 f.; II 197; II 203; II 207
Register der Namen und Sachen Narratio (Martyrium Andreae) : II 270 N asiräer: II 328 Nathan: 320 Nathanael: 128; 368; II 12; II 34; II 38 Nativität: II 397 Natur: II 158; II 172; II 281; II 287-291; II 327f. Nazaräer, Nazarener, Na~w(!a{or; (Bezeichnung Jesu): 95; 198; 235; II 198; II 211; II 278 Nazaräer, Nazarener (Sektenname) : 96-100; 107f. Nazaräerevangelium: 89; 90fl'.; 312; II 56. - Fragm. 33 : II 23 Nazareth: 300; 311; 316; 320; II 264; II 467 Neapolis (Nablus): II 205 Nebukadnezar: II 74; II 94f.; II 489 Nephonos: 369 Nephtalim, Land: 349 Nephtalim (Schriftgelehrter): 334 Nero: II 87f.; II 118; II 191; II 221; II 265 bis 267; II 501 Neuplatonismus, neuplatonisch: II 272; II 275 Neupythagoräisch: II 272 Nezer: II 12 Nicaea: II 276 f. Nicaenische Synode von 787: II 128 Nikaria: II 218 Nikephorus, Stichometrie: 241.; 88 Niketas: II 390; II 396; II 398 Nikodemus: 334; 338f.; 341; 343-345; 348; 353f. Nikodemusevangelium: 51, 330ft'. Nikolaiten: 159, 189; 226; 250 Nikolaos : 226 Nikolaus v. Lyra: 89 Nikomedien: II 276 Nikostratos: II213; II 215f. Nil: II 510 Ninive: II 80. - Niniviten: II 260 Noah: 239; 24M.; II 99; II 564. - (vgI. Deukalion) Noet: II 143 Norden: II 532 Nympha: II 252f.
0: 295. - (vgI. Omega) Obadja: II 459; II 491 Oblias: 313 Ochse: 306 Oden Salomos: II 576ft'. - Od. SaI. 42, 6: II 426
651
Öl: II 305f.; II 318-320; II 336; II 356; II 359; II 367-369 Ölberg: 171; 177; 264; 366f.; 374; II 157; II 472; II 566 Ölmartyrium des J ohannes: II 139 Ölung: II 306 Oertha: 368 Offenbarer: 293; II 52 Offenbarung: II 449; II 567 Offenbarungen des Adam an seinen Sohn Seth: 232 Offenbarung des J ohannes: II 27; 11 437 ft'.; II 471 Offenbarungen des J ohannes : II 487 Offenbarung des Petrus: 11 468ft'. - (s. auch: Petrusapokalypse) Offenbarungsmittler : II 409 Offenbarungsrede : II 142; II 586 Offenbarungsschriften : 50; 167; II 408; II 421 Offenbarungsträger : II 447 f. Og: II 263 Ogdoas: II 143. - (vgI. Achtheit) oluovop{a: II 197'; II 236; II 263 3 • - (vgl. Heilsfügung; Heilsplan; Plan) Olyrnpiodor: 237 Omega: 182; 266 Onesiphorus: II 243f.; II 247f.; II 250 Onomatath: 369 Opal: II 349 Opfer: II 531; II 600 Ophiten, ophitisch: 237f.; 248; 256; II 302 Optatus v. Mileve, De schism. Donat. I5: II 56 Oracula Sibyllina: s. Sibyllinen Origenes: 15; 77; 82; 108; 118. - bei Euseb, Kirchengesch. III 1: II 118. - Eus., KG III 1, 2: II 178. - Eus., K G. VI 25: 26f· -, C. Celsum II, 27: 160. - VI 30. 37: 256. VII 9: II 485. - VII 40: 256. - VIII 15f.: 219 -, Ep. ad quosdam amicos Alexandrinos: 260 -, Jerem.-Hom. XV 4: 108.-XX 3: 55; 219 -, Luk.-Hom. I: 27ff.; 109; 186; 199; 224; 257.-XXIX: 160 -, Mt.-Kom. XIII 55: 314. - XV 14: 97. Com. ser. 25 in Mt.: 255 -, Joh.-Kom. II 12: 108. - XIII 17: II 62 - XX 12: II 223 -, Rm.-Kom. zu 5, 1: 258 -, De princ., praef. 8: 83; 11 60. - I 2, 3: II 223 Origenes-Scholion: 92
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Register der Namen und Sachen
Origenianer: II 272 Orion (Kappadozier): II 266 Ormuzd: II 300 Oroiael: 236 Orosius, Comm. 2: 188f. Ort, Örter: 64; 178f.; 247f.; II 580 Osten: II 316; II 322; II 349; II 354 Osterstreit: II 44 Ozean: 182; II 321 Palaestina: 243; II 485 Palast (im Himmel): II 315f.; II 317f. Palme: 307 Pamphilius: 82 Pamphylien: II 253 Panohares (Anohares) : II 226; II 242 Papias: ll; 78; II 25; II 29; TI 45; II 5501 Papyrus Antinoopolis: II 224 Papyrus Berolinensis 8502: 169; 229; 238 bis 240; 251. - p. 8, 12-9, 5; 9, 5-12: 252. - p. 9, 12-20.20-24; 17,7-22: 253. - p. 18, 1-21; 18,21-19,2: 254. - p. 19, 6-22: 235f. -po 26, 3-6: II 48. -po 75, 14-77,5: 241. - p. 77, 9-79, 18: 171. - p. 124,9 bis 126,16: 171f. - p. 126, 17-127, 10: 172.p. 128-132; 135-141: II 184; II 188f. Papyrus Berolinensis 13893: II 224 Papyrus Bodmer V: 277 Papyrus Cairensis 10735: 731. Papyrus Deir Bala'izah: 244f. Papyrus Egerton 2: 49; 58ft. Papyrus Hamburg der Paulusakten: II 224 Papyrus Heidelberg kopt. 1: II 224 Papyrus Miohigan 1317: II 224 Papyrus Miohigan 3788: II 224 Papyrus OxyrhynohoB 1: 66ft.; ll4f.; 212f.; 217;222 Papyrus Oxyrhynohos 6: II 224 Papyrus Oxyrhynohos210: 56; ll4f. Papyrus Oxyrhynohos 654: 61ft.; 77; 108; ll5; 205; 212-214; 216f.; 222; 225; II 608" Papyrus Oxyrhynohos 655: 70ft.; ll5; 212 bis 215 Papyrus Oxyrhynohos 840: 49; 571. Papyrus Oxyrhynohos 850: II 138f.; II 150 Papyrus Oxyrhynohos 1081: 56; 170 Papyrus Oxyrhynohos 1224: 55; 721. Papyrus Oxyrhynohos 1384: 57 Papyrus Oxyrhynohos 1602 (= Pap. Gent 62): II 224 Papyrus John Ryland 463: 251; 253f.
Papyrus Straßburg kopt. (Evangelienfrag· ment): ll6"; 155ft. Papyrus Utreoht kopt. I: II 271; II 281ff. Paradies: 352; 363; II 561; II 566; II 571; II 59lf.; II 601 naeaowat" naeaOto6vat: II 46; II 51 f. Paradosis des Pilatus: 356 Paränese: II 412; II 440; II 448f.; II 451 Paraklet: II 308; II 486 Parallelen, kanon., zum Thomasevangelium: 212 Parthenius: II 267 Parther: II 532. - Parthien: II 18; II ll8; II 298; II 351; II 530 Parusie: II 430; II 436; II 472 Parusie verzögerung : II 434 Pasoha: 134f.; 352 Passio Sanoti Andreae Apostoli ("oonversante et dooente"): II 271 Passio Apostolorum Petri et Pauli: II 402 Passio Sanotorum Apostolorum Petri et Pauli: II 402 Passio Johannis (Mellitus v. Laodioea): II 403 Passio Pauli (Martyrium Pauli) des Ps.Linus: II 402. - o. I: Il 85 Passio Petri, slawische: II 400 Passio Simonis et J udae : II 404 Paßwort: 185; 195. - (vgl. Losungswort) Pastoralbriefe : II 8 Patmos: II 25; II 130f.; II 164; II 403 Patrae: II 276; II 278; II 291. - Patraeer: II 294 Patriarohen: 349f.; 361; 363; II 480 Patroklus: II 265-267 Paulus: 144; 314; II6f.; II 13; II 17; II 25; II 38-41; II 53; II 67; II 76; II 83ff.; II 92; II 100; II ll3; II ll8; II 185; II 191 bis 194; II 196; II 200; II 2ll; II 225ff.; II 243 (Besohreibung des P.); II 421; II 425 Paulusakten: II 51; II ll3; II 117; II 181 ; II 187; II 221ft.; II 275; II 403 Paulusapokalypse: II 41; II 420; II 430; II 451; II 471; II 533; II 536ft. Paulusbild: II 227 Paulus-Thekla-Akten: II 224; II 243ff. 0.5: II 108. - c. 18: II 99 7 Paulus-Traditionen: II 51 Pepuza: II 486 Peraten: 168 Pergament BodI. MS Copt. f. 103: Il296f. Pergament J ohn Ryland Supp!. 44: II 224
Register der Namen und Sachen Pergamon: II 136 Perge: II 253 Perikopen, falsche: II 74. - Falscheperikopentheorie : II 68 Perinthus: II 276 Perioden der Geschichte: II 415. - Periodisierung: II 410 IIe(!iOOOt "ai p,a(!TV(!toV TOV aytov Ba(!vußa TOV 'AnouT6AoV: II 404 Perle: II 350; II 351-353 Perlenlied (der Thomasakten): II 303ff.; II 349ff. Persephone: II 393 Perser: II 511; II 514; II 517. - Persien: II 404 Pessimismus, apokalyptischer: II 413 Petronius: 122 Petrus (Apostel): 74; 82; 100; 102; 113; 128; 131; 180; 183; 218; 247f.; 252-254; 314; 364-366; 377; II 5f.; II 12-14; II 17; II 19ff.; II 25; II 36; II 39; II 45f.; II 67; II 69f.; II 75-77; II 94; II 113; II 118; II 120f.; II 15lf.; II 188ff.; II 263; II 265; II 309; II 373ff.; II 351; II 421; II 472f.; II 566f. - (vgI. Simon Petrus) Petrus v. Alexandrien: II 61 Petrus v. Riga: 89; 98 Petrus v. Sizilien, Hist. Manich. : 267 Petrusakten: II 51; II 94 2 ; II 113; II 117; II 123; 11 177ft. - Act. Vercell. c. 2: II 92 5 • - c. 10: 54; 115. - c. 20: II 180. - c. 23: II 1861 • - c. 35 (Mart. 6): II 181; II 237. - c. 37-39 (Mart. 8-10): II 186. - c. 38 (Mart. 9): 115; 215; 217. - c. 39 (Mart. 10): 217; II 912 Petrusapokalypse: 118; II 421; 11 468ft.; II 538. - c. 1: 134 Petrusapokalypse, arabische: II 469 Petrusapokalypse, gnostische, von Nag Hamadi:II469 Petrusberichte, slawische: 11 400ft. Petrusbrief, apokrypher: II 56 Petrusbrief, zweiter: II 434 Petrusevangelium: 50; 114; 118ft.; 199f.; 261; II 468; II 471; II 488. -v. 9: 262.v. 25: 88. -vv. 45-48: 262. -v. 60: 254 Petrus-Simon-Legende: II 400 Petrus-Traditionen: II 51 Pfingsten: 135; II 268; II 270 Pflanzen, Pflanzung: II 590f.; II 617; II619 Pforten: II 466 u. 569 (d. Himmels); II 548 (d. Paradieses) Phadizarda: 99
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Pharao: 309; 338; II 199; II 263; II 322; II 489 Pharisäer: 72f.; 103; 122; 208; II 79; II 152; II 423 Phemioniten: 231 1 Pheresiter: II 490 Pheretas: II 267 Phila: II 242 Philipp v. Macedonien: II 88 Philippi: II 234; II 257f.; II 260f.; II 276 Philippus (Apostel): 128; 171; 180; 182; 184f.; 194ft'.; 199; 227; II 12f.; II 17; II 20; II25; II28f.; II44f.; II 178; II265; II 309; II 404; II 421 Philippus (Diakon, Evangelist): II 29; II 404 Philippus (Tetrarch): 357 Philippus v. Side, Kirchengesch.: 186; 257 Philippusakten: II 182; II 404. - c. 140; 115;215;217 Philippusevangelium: 51; 176; 194ft.; 200; 202; 227; 261; II 28; II 51 Philippus-Tradition: II 51 Philister: II 490 Philogenes: 375 Philoges: 374 Philosoph: II 267; II 294; II 376-378; II 392; II 396 f{!tAOuof{!ta: II 362 Philostrate: II 193 Phinees : 330; 336; 342 f. ; 346 f. Phirmila: II 261 Phison: 370. - (vgI. Pison) Phoenix: II 517 Phönizien: II 269; II 390; II 485 Phogor: II 74 Photius: II 121 -, BibI. cod. 114: II 117/. -, C. Manich. 1 12: 266 Phrontina: II 26Of. Phrygien: II 510 Phrygische Bewegung: II 487 Pilatus: 121-123; 130; 26lf.; 324; 334ff.; 353;356-358;377;11322 Pilatusakten: 330ft. Pilatus-Literatur: 51; 119 Pinehas: II 532 Pisidien: II 253 Pison II 551; II 561. - (vgI. Phison) Pistis Sophia: 174ft.; 251; 254; 276. - c. 1: 177. - c. 2-6: 177ff. - c. 7f.: 301. - c. 42: 194; 227; II 28. - c. 43: 194; 227. - c. 44: 194. - c. 50: II 61]1. - c. 58: II 582. - c.
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Register der Namen und Sachen
59: II 576. - c. 61: 181; 301/. - c. 69: II 607 3 • - c. 96: 168; 180; II 23. - c. 97: II 5871 • - c. 100; 102: 216. - c. 136: 159; 181/. - c. 147: 250 Pius 1. : II 453 Pius V.: 275 Plan: II 269. - (vgl. Heilsplan; ol"oyofJ,la) Planeten, die sieben: II 143 Plato, Epinom. 986 c-d: 225 -, Phaid. 67 c; 83a: 197 -, Theait. 155 d: 224f. -, Tim. VIII 36b: II 273 Platonismus, mittlerer: II 273 Pleistonikes: II 390 Pleroma: 165; 198; II 306. - (vgl. Fülle; Vollendung) Plotin, Enn. III 8,10: 225 Polykarp: 82; II 25 Polykrates v. Ephesus: II 29 Polymorphie: II 180. - (vgl. Vielgestaltigkeit) Pompeius: II 206 Pontus: II 118; II 276 Poppaea Sabina : II 87 Porphyrius, Ep. ad. Marc.10: 196 Praedestinatio physica: II 272 Praedicatio Pauli: II 56 Praedicatio Petri et Pauli: 1157 Praefekt: II 210; II 212; II 215 Praetorium: II 286; II 289 Praxeas: II 143 Ile6.~etr;: II 115 Ile6.~e" .Wy aytwy d:n:oa.6AWY Ilb:(!ov "al IlavAov: II402 Ile6.~et"OV aytov d:n:oa.6Aov {9wfta; II403 Ile6.~St, Ili'eov: II 179; II 373 Predigt des Paulus in Puteoli: II 237 Predigt des Simon Kepha in der Stadt Rom: II 57; II400 Presbyter: II 258; II 389f.; II 393f.; II 507; II555 Priamus: II 501 Priester: 73; 337f.; 342-344; 346; II 164; II600 Prisca (Montanistin) : II 485 Priscilla (Frau des Aquila): II 254; II 268f. Priscilla (Montanistin) : II 485 Priscillan: 188f. Priscillianismus, Priscillianisten: 115f.; 188; II 90; II 127-129; II 568 Priscillianistischer Traktat von Würzburg I, S. 18,31-19,4 Schepss: 238 Prokla : 358; II 270
Prokonsul: II 246; II 270 Pronoia des Lichtes: 240 Propaganda: II 422 Prophet: 69; 97 (Gesetz und Propheten) ; 218 (24 jüdische Propheten); 338 (Mose und die Propheten); 349f.; 358; II 63; II 66 (der wahre P.); II 69; II 72 (der wahre P.); II 78; II 208; II 259f.; II 264; II 333; II 38lf. (wahrer P.); II 385 (wahrer P.); II 408; II 423 (essenische; messianische Propheten); II 42511'. (urchristliche Propheten); II 439; II 456; II 456 (400 Baalspropheten); II 457 (Mose); II 458; II 460f.; II 467; II 484; II 485 (christliche, gnostische, heidnische, montanistische Propheten); II 487 (urchristliche Propheten); II 490 I. ; II 504; II 552 Propheten, falsche: II 442. - (vgl. Lügenprophet) Propheten der Gesetzlosigkeit: II 340 Prophetensöhne : II 460 Prophetia Sibyllae Magae: II 502; II 525ff. Prophetie: II 407; II 418; II 42211'.; II 446 (wahre und falsche P.); II 48411'. (apokalyptische P.); II 488 (urchristliche P.) Prophetie, weibliche: II 66; II 73 Prophetinnen : II 487 Prophetentum, urchristliches: II 487 Prophezeiung der Magierin Sibylle: II 525 ff. Protevangelium Jakobi: 245; 258; 275f.; 27711'.; 300; 302f.; 316; II 565 6 • - c. 8f.: 118. - c. 18I.; 21: 99. - c. 22-24: II 534 Psalmbuch, manichäisches, S. 39, 19-22. 23f. Allberry: 264. - S. 93, 10I.: 264. S. 94, 24f.: 264. - S. 46, 20: 266. - S. 116, 24ff.:II 304. - S.142, 20:II 277.-S.143, 1lf.: II 133. -S.187, 2-29: 264.-S.187, 28f.: 218. - S. 192,2-3: 204; 216; 263.S. 192,33-193, 1: II 133. - S. 194; 13: II 308.-S.197;5: II 302.-S.219, 19f.:265 Psalmen: II 262 (P. Davids); II 268 Pseudapokalypse (Hirt des Hermas): II 451 Pseudapostolische Literatur: II 811'. Pseudepigraph: II 421 Pseudepigraphen, apostolische: II 8; II 53 Pseudo-Abdias: II 134; II 136; II 403 Pseudo-Clementinen: 101; 314; II 64; II 179; II 37311'. -, Epitome II, 144-147: II 398 -, Homilien: II 374. - H. I 1-3: 375/. - H. I 18f.: II 381. - H. II 15-18: II 381/. H. II 22-26: II 382 ff. - H. II 35: II 384. H. III 19: 324. - H. III 20, 2: 106. - H.
Register der Namen und Sachen
III 29--43: II 384ff. - H. III 58-72: II 387ff. -H. IV I, 1-3; 7, 1-8, 6; ll, 1-22,2: II 390ff. - H. VII 1, 1-12,3: II 392ff.H. VIIII, 1-7, 5: II 394f. - H XII 8-10: II 3801. -H. XII 12, 1-13,5; 19, 1-21,4: II 3951. - H. XIII I, 3-3, 3; 7, 1-8, I: II 396. H. XIV 2,1-8, I: II 396ff. -, Rekognitionen: II 374; II 400. - R. I 6-13: II 376ff. - R. III 75: II 66 Pseudo-Matthäus: 275f.; 303; 306ff. - c. 30,4:201.-c.38,1:128 Pseudonymität: II 54; II 408; II 422; II 427; II 429 ; II 439 Pseudopropheten: II 441. - (vgl. Lügenprophet) Ptolemäus: 160; II 26; II 51; II 189 Puteoli: II 195; II 237 f. Pyrrhon: II 396 Quartadecimaner: 331; II 44 Quartus: II 191 Quelle: II 318; II 611; II 621 Qumran: 90 (Sekte v. Q.); II 419 (Texte); II 423 (Habakuk-Kom.) "Quo vadis": II 218; II 237 Quqäje, Quqianer: 187; 237 Rab bi, drei galiläische: 354 Rabe: II 382 Rachel: II 382 Rainer-Fragment der Petrusoffenbarung: II 480' Raphael: 132; II 506 Rat des Erlösers: 232 Rationalismus, apologetischer: II 374 Reate: II 87 Rebhuhn: II 131; II 184; II 344 Rechabiten: 313 Rechts: II 382 (rechte Hand des Lichts) Rede des Petrus (Cod. Cambrai 254): II
184f.;II 190 Rede, prophetische: II 54; II 424 Reden des Paulus: II 241 Redestoff : 94 Reich: 63f.; 67; 71; 209; II 211; II 348; II 361; II 376; II 427; II 441; II 575 Reinheit: 58 u. II 79 (kultisch); II 284 (ethisch) Reinigungsbad: II 318 Reiseroute des Paulus: II 239 Rettung der Seele: II 304 Revelatio S. Stephani: II 538 Rhea: II 515
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Rhodos: II 510; II 517 Rhöne: 358 Rigorismus: II 487 Ritor: 364' Ritter (röm. Stand): II 216 Römer: II 270; II 514 Rom: II 40; II 118; II 131; II 185; II 188; II 191; II 193f.; II 197; II 200; II 217 bis 219; II 261-263; II 265; II 376f.; II 380; II 397f.; II 400; II 499; II 501; II 513; II 515-517; II 530 Roman, hellenistischer: II 111; II 116; II 299 Romreise des J ohannes: II 130 f. Rot: II 450 Rubellio: 334 Ruben (Rubel, Rubim): 280; 282; II 107; II 562 Rufin v. Aquileja: II 374 Rufina: II 19lf. Rufus: 334 Ruhe: 63; 106; 14lf.; 165; 171 (Ruhestätte); 173; 183; 198 (dvanav(rt,); 208; 210; 220; 253; II 158; II 17lf.; II 206; II 301; II 306; II 310; II 313; II 313*; II 315; II 319; II 323-326; II 329; II 333; II 340; II 342; II 355f.; II 363; II 368; II 459; II 492; II 607-609; II 611; II 617f. Ruhen: 107f.; II 156; II 288; II 292 (ausruhen); II 327 (ausruhen); II 361 (ausruhen) Ruhender (Christus): II 340 Ruhiger (Christus): II 340* Sabaoth: 301; II 507 Sabbat: 67; 293; II 215f.; II 256; II 384; II 457; II 532. - Sabbatruhe in der Hölle: II 56011 Sabbe:II500 Sabellianer: 112 Sabinus: II 89 Saßuhrayan: 261 Sabulon: 349 Sacharja: II 459; II 491; II 534; II 552 Säugling: II 203 Sakramente: 198; II 305 Saläm ben 'Abdalläh ben Saläm: 192 Salbe: II 310 Salbung durch Öl: II 318 Salem: 299 SaUust: II 85 Salmän Alfärisi: 192 Salmanassar: II 457
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Register der Namen und Sachen
Salöm (Salome): 262 Salome: 109-111; ll4f.; 117; 180; 183; 210; 215; 310f.; 317f. Salome (Schwester Jesu): 312 Salomo: 320; 337; 11 80; 11 102; 11 108; II 503f. Salpsan: 370 Salz: II 320 Samaria: II 96; II 456f. Samaritaner: II 379 Samariter: 210 Sambethe: II 500 Sammael: II 456 (S. Malkia); II 457; II 460f.; II 468 Sammlung (avAAegt,): 159; 195f. Samos: II 517 Samuel: 284 (Priester); 286 (Joseph); 336 (ein Jude) Sara: 130f.; 280 Sarblig: II 350; II 352 Sardinien: II 512 Satan: 125f.; 350f.; 355f.; 361; 368; II 166; II 176; II 441; II 456; II 460f.; II 467f.; II 482 Satanael: 368 Satornil: 237; 243 (Saturninus) Saul: (= Paulus): 144. - (König): II 262 Scha'ad v. Edessa: 326 Schaburakan:267 Schaliach: II 4 Scheinender (Christus): II 256 Schenute v. Atripe: 191 Schicksal: II 391 Schlaf: II 351 Schlafloser (Christus): II 333 Schlange: II 153; II 168; II 259; II 287f.; II 321; II 372; II 386 Schlangennatur: II 321 Schlüssel der Erkenntnis: 72 Schnelligkeit: II 593 Schöpfung: II 437 (neue Sch.); II 595f. Schrift, heilige: II 386. - Schriften, heilige: II 394. - Schriften, prophetische: II 203 ; II 423.-Schrift: II 473. - Schriften II 429 Schriftbeweis : 120 Schriftgelehrte: 72 f.; 122; 299; II 79 Schüler des lebendigen Gottes: II 343 Schutzengel: II 448; II476 2 ; II 477 1 Schwarz: II 331; II 450. - Schwarzer Mann: II 335 Schweigen: 245; 253. - (vgl. mY1}) Schweigsamer (Christus): II 340* Schwestern Jesu: 312
Sebna: II 455; II 461 Secundus: 160 Sedulius Scottus, Mt.-Komm.: 89; 99 See Tiberias: 102 Seele: II 307 (S. der seligen Maria); II 575 Segensmahl des Herrn: II 319 Segensrede : II 411 Seher: II 585 Seleukia: II 227; II 251; II 397 Seliger (Johannes): II 147 Semes: 334 Semmath: II 282 Senat: II 214 Senatoren: II 210; II 213; II 216 Sendschreiben, die 7 der Offenbarung: II 437f. Seneca: II 41 ; II 53; II 84 ff. Serapion v. Antiochien: 14; 118 Pseudo-Serapion v. Thmuis, Vita Johannes des Täufers: 276; 304; 310 Seres: II 530 Seth: 233; 236; 243; 271; 349; 353; 355; II 465 Sethianer: 232 f. ; 238; 243; 271 Severianer: 176 Sibylla, Magierin: II 525 Sibylle: II 445; II 448; II 484; II 498; II 500 (babylonische, chaldäische S.); II 501 (tiburtinische S.); Sibyllen, christliche: II 500f. Sibyllinen: II 407; II 411; II 498ff. - Or. Sib. I 323-395: II 502ff. - Or. Sib. II: II 471. Or. Sib. II 195: 237. - Or. Sib. II 34--345: II 504ff. - Or. Sib. II 330-339: II 480 3 • - Or. Sib. III 24--26: 237. - Or. Sib. VI 1-28: II 509f.-OrSib. VII 1-162: II 510 ff.: - Or. Sib. VIII 1-500: II 514Jf. - Or. Sib. VIII 321: 237. - Or. Sib. XI 3:237 Sibyllistik: II 422; II 484; II 500 (hellenistische, jüdische S.) Sidon: II 230; II 253 f.; II 390; II 393 f.; II 460; II 490. - Sidonier: II 393 Siebenzahl: II 438 Siebzig: (die "S." [Jünger]): 328; II 46. (70 Brüder): II 69. - (70 weise Männer): II 69f.; II 74 Siegel: 185; II 247; II251; II 267f.; II319; II 329; II 343; II 355; II 359; II 366f.; II 545; II 576; II 580; II 604 Siegelung (Ölsiegelung): II 306. - (vgl. Versiegelung)
Register der Namen und Sachen Siför: II 347 f.; II 359-361; II 363; II 367 bis 369: II 372 EtY~, Sige: 244; II 306. - (vgl. Schweigen) Simeon: vgl. auch Symeon Simeon: (Bischof v. Jerusalem, aus der Familie Jesu): 314; 316f.- (Bruder Jesu): 315. - (Priester): 311 Simmias : II 243 Simon: (Bruder Jesu): 99; 312. - (Emmausjünger): 317; II 39 Simon v. Kana: 182; II 13; II 20; II 31; II 309 Simon ben Koseba: II 423--425 Simon v. Kyrene: 333 Simon Magus: 127; 129; 158; II 32; II 39; II 76f. (= Paulus); II 117; II 178; II 186; II 193f.; II 196f.; II 200 (der jugendliche Gott); II 201-206; II 210; II 216; II258; II301; II 372ff. Simon Petrus: 96f.; 102; 124; 206; 210; 216; 262; 264; II 34; II 264f. Simon Zelotes: 102; II 3lf. Simon - und Judasakten: II 404 Simonianer: 158. - Simonianische Gnosis: II 186 Sinope: II 276 Sintflut: II 498; II 564 Siophanes: 375 Sizilien: II 510. - Sizilianer: II 395 Sklave (Gottes bzw. Christi): II 290-293; II 305; II 37lf. - (vgl. Knecht) Skythien: II 18; II 118 Smyrna: II 13lf.; II 159; II 161; II 164; II 232; II 254; II 268 Sobiai: II 530 Sodom: II 96; II 253; II 385; II 457; II 491; II 557; II 563 f. - Sodomitisches Land: II510 Sohn Gottes: 121; 128; II 327; II 429; II 442f. Soldat (Gottes bzw. Christi): II 266f. Sonne: II 459; II 594f. Sonntag: II 215 Sophia: 198; 236f; II 33; II 301; II 306 Sophia Jesu Christi: 50; 168f1'.; 173; 175; 229 Sosthenes : II 35 EWT~e: II 429 Soteriologie: II 421 Sotinen: 308 Spadones: II 90 Spanien: II 40; II 91; II 128; II 191; II 196 Sperlinge: 293 42 Hennecke, Apokryphen Bd. 2
657
Sphaera: 301 Spiegel: II 155; II 593. - Spiegelbild: II 352 Sprechender (Christus): II 340* Stacteus: II 137 Stadt Christi: II 550-552 Stammbäume Jesu: 320 Standbild des Simon Magus: II 185; II 200 Statthalter: II 246-249; II 254f. Staunen: 225 Stehen: der Stehende (Simon Magus): II 217; II 383. - vier stehende Brüder: II 321 Stephanus: (Märtyrer, "Diakon"): II 25. (Korinthischer Gemeindevorsteher): II 258 Strafengel: II 446; II 475 Straforte : II 332 Strahlenkleid : II 349; II 35lf. Stratiotiken: 2311 Stratokles: II 280; II 288; II 291; II 293 bis 296 Stratonike: II 258 Ströme (als Streitmacht des Herrn): II 620 Stuhl: (St. Christi): II 387; II 389. - (St. Mose) : II 389 Sühneleiden : 120 Sünde von Christen: II 451 Sündenvergebung, neue: II 530 Sukzession, apostolische: II 42 Suriel: II 566 Susa: II 532 Susanna: II 98 Evyysv~c;: II 273. - (vgl. wesensverwandt) Symeon, der Greis: 290 (Simeon); 333; 346 bis 348; 353 Synagogenvorsteher: 342; 344 Evva~tc;: 269 Synoptiker: 44ff. Syrien: 145; 243; II 128; II 298; II 495; II 513; II 530; II 597. - Syrer: II 517 Systematisierung apokalyptischer Erwartungen: II 440 Syzygien: II 374; II 381; II 387. - Syzygienreihe: II 67. - (vgl. Gegensatzpaare) Tag, Tage: (die 40 Tage): 331. - (7 Tage): II 568f. - (8. Tag): II 572 Tanz, tanzen: II 154f.; II 157 Tarsus: II 39 f.; II 540; II 567 Tartarus: II 322; II 392; II 508; II 522; II 548; II 555; II 557 Tartaruchus (Engel): II 547 Tat des Andreas: II 285ff.
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Register der Namen und Sachen
Taten des Andreas und des Matthias bei den Menschenfressern: II 403 Taten der Apostel Petrus und Andreas: II 403 Taten des Paulus und der Thekla: II 227.(vgl. Paulus-Thekla-Akten) Tatian: 81; llO; II 26; II 240; II 274f. Tatirokos (Engel, = Tartaruchus): II 480 Tau (taw): 266 Taube: 103; II 329; II 344; II 382 (weiße T.); II 605; II 608 Taufe, taufen: 95 u. 103 (T. Jesu); 185 (3 Taufen); 272 (T. Jesu); 352; II 13f. (T. der Jünger); II 195; II 247 (T. eines Löwen); II 256; II 257 u. 269 (T. eines Löwen); II 355f.; II 359; II 366; II 384f.; II 393; II 398; II 512; II 530-532 Tauflehre (der Kerygmata Petrou): II 67; II 78 Tauwolke : II 617 Temlakos (Engel) : II 477 Tempel (des Apollo zu Sidon): II 253f. Terracina: II 217 Tertia: II 301; II 360f.; II 367-370; II 372 Tertuliian: II 485; II 487 f. -, De anima 23: 237 -, Apol. 5; 21: 330 -, De bapt.17: II 222.-20,2: 54 -, De carne 7: 260 -, Exhort.l0, 5: II 486 -, De fuga 9, 4: II 486 -, Adv. Mare. IV 5, 3f.: II 37 -, De praescr. 25: 160; II 43 -, De pud. 21, 7: II 486 -, De resurr. ll, 2: 11486 -, Adv. Valent. 2: 170. - 4: 243 Pseudo-Tertuliian, Adv. omnes haer. 2: 237. -4: 160 Testament des Hiob: II 538 Testamentum Domini: 215; 217; II 421 Teufel: 350; II 173; II 186; II 190; II 199; II 215; II 217; II 265; II 287f.; II 290; II 540; II 564 Thabor: 108 Thaddäus: 102; 325; 328f.; 375; II 12f.; II 30; II 32; II 35 Thaddäusakten: II 404 Thamyris: II 244-246; II 248; II 251 Theben: II 513; II 517 Thegri: II 450 Thekla: II 100; II 133; II 243ff. Theklaakten: II 228. - (vgl. Paulus-TheklaAkten)
Thekla-Kult: II 229 Thekla-Traditionen: II 228 Theodas: 161;II40;II51 Theodizee: II 412 Theodor Abü Qurra, Traktat über den Schöpfer § 24: 190 Theodor bar Konai, Scholienbuch : 232; 237 Theodoret v. Kyrus, Haer. fab. comp. I 13: 2311.-1,15:228 Theodosius II.: 334; II 540 Theodot, bei Clemens v. Alexandrien, Exc. ex Theod. c. 2,2: 54; llF. - c. 7, I: 11 592'. - c. 14,3: ll3. - c. 21, 3: 219. - c. 51,3: U3. - c. 66: II 43. - c. 67: lll.c. 67, 2: 270. - c. 72: II 586 5 Theoklia: II 244-246; II 251 Theokratie: II 420 Theon: II 195-197; II 238 Theonoe: II 258 Theophilus: (Adressat des Lukas): II 38. (Begleiter des Paulus): II 87. - (korinthischer Presbyter): II 258 Theophilus v. Antiochien: 12 -, Ad Autol. II 19: II 482 3 Theophylakt, Enarr. in Ev. Luc. Prol.: 186 Thessalien: II 5ll Thessalonich: II 276f. Theudas: II 423 Thisbe: II 457. - Thesbiter: II 505 Thoda: II 12 Thomas: 62; 128; 171; 180; 182f.; 194; 199ff.; 223 (Th. der Athlet; Th., der Zwillingsbruder des Heilands) ; 227 ; 292f. ; 300; 375; II 13; II 15; II 18; II 20; II 25; II 29-31; II 45; II ll8; II 120; II 182; II 298ff.; II 309ff.; II 403; II 421; II 569; II 572. - (vgl. Didymus Judas Thomas; Judas Thomas) Thomasakten: 188; 206f.; II 30; II ll7f.; II 122; II 275; 11 297fI.; II 401; II 403.c. 6: II 589 2 • - c. 15: II 582 5 • II 5843 • c. 35: II 579 5 • - c. 39: II 5865 • - c. 43; 48: 196. - c. 44: II 592 2 • - c. 80: II 5843 • c. 108-114: II 571". - c. 136: 216. - c. 147: U5; 217. - c. 158: II 615 5 Thomasapokalypse: II 29; II 420; II 471; Il!i68fI. Thomasevangelium = Kindheitsevangelium des Thomas : s. d. Thomasevangelium, koptisches: 50; 108; U5; 174; 184; 186; 197; 199fI.; 227; 230; 260f.; 263; 270; 292; 11 30. - Prol.: 62; 213; 216. -log. I: 62; 205; 213; 216. -
Register der Namen und Sachen log. 2: 63; 207; 213; 214; 216; 225; II 298; II 361. -log. 3: 63f.; 213. -log. 4: 64; 203f.; 213; 216; 263. -log. 5: 65; 213; 216; 225; 263. -log. 6: 65; 213. - log. 7: 66; 213. -log 11: 204; 217. -log 12: 209; 214; 222; 314. -log. 13: 206f; 210; 217; II 298; II 324f.; II 328; II 365. -log. 16: 211; 217. -log. 17: 217; 219; 263; II 91"; II 220. -log. 18: 209. -log. 19: 217; 220. -log. 21: 210. -log. 22: 115; 207; 215; 217; II 298; II 344; II 365. -log. 25: 208. -log. 26: 67; 213. -log. 27: 67; 213; 217. -log. 28: 68; 213; 222. -log. 29: 68; 213. -log. 30: 69; 213; 217. -log. 31: 69; 213. - log. 32: 70; 213. - log. 33: 70; 213. log. 36: 71; 213. -log. 37: 71; 207; 213; 215; II 298; II 314. - log. 38: 72; 213; 218; 264. -log. 39: 72; 213. -log. 40: 72; 213. -log. 41: 207. -log. 42: 208. - log. 43: 209. -log. 44: 239. -log. 47: 210.log. 48: 218. -log. 49: 208. -log. 50: 220. -log. 52: 218; II 372. -log. 53: 210: -log. 56: 207. -log. 58: 208. - log. 60: 210. log. 61: 210; 215.-1og. 62: 219.-1og. 63: 211. -log. 64: 210f. -log. 67: 208. -log. 69: 208. - log. 72: 210. - log. 74: 219. log. 77: 69; 213. -log. 79: 212. -log. 80: 207. -log. 82: 55; 219. -log. 83: 220. log. 84: 220.-1og. 87: 208.-1og. 90:208. - log. 92: 208. - log. 97: 209. - log. 98: 209.-log.102:208.-1og.106:215.-1og. 111: 221.-1og. 112: 209.-1og. 114:210; 216;219;254 Thrakien: II 276 Thrasymachus: II 253 Threptus : II 258 Thron: II462; II464f.; II468; II552; II 566 Thunfisch: II 202 Tiber: 358; II 193 Tiberius: 334; 358; II 376; II 391 Tiefen: II 605f.; II 612 Tier: II 178 (sprechende Tiere): II 202 (stumme Tiere) ; II 337* (sprachlose Tiere) II 449 (Meerungeheuer); II 560 (4 Tiere) Tierkampf: II 248; II 256 Tiervision des Hermas: II 446 Tigris: 371; II 551; II 561 Timotheus (Paulusschüler) : II 194; II 238; II 538; II 566 Timotheus v. Konstantinopel, De recept. haer.: 265 Titus (Paulusschüler): II 90; II 238; II 265; II 267f. 42*
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Titus (Räuber): 305 Titusakten, c. 3: II 231. - c. 4: II 226. - c. 6 II 238 Titusbrief, apokrypher: 115; 126; II 23; II 53; 11 90ft.; II 139f.; II 184; II 190; II 548 8 ; II 549 2 Tobia, der Kanaaniter: II 456 Tobias: 328 Tochter: des Gärtners: II 184; II 190. - des Petrus: II 184; II 188. - Töchter des Phi· lippus: II 17; II 28 Tod: Engel des Todes: II 464; II 466 Toparch: 327 f. Totenauferstehung: II 430. - (vgl. Auferstehung) Totenreich: II 459; II 465. - (vgl. Hades) Tradition: 46f.; II 42f.; II 116 (Traditionen über die Apostel) Traditionen des Matthias = Evangelium nach Matthias: 224ft. Traditionsprinzip, gnostisches: II 46 Trajan: 315; 317 Traktatliteratur : II 53; II 55 Transitus Mariae: 319 Traum: II 409 Tripolis: II 394 Triumph des Erlösers: II 623 Trunkenheit: II 619 Tryphäna ("Königin"): II 229; II 248-250 Turfän-Fragmente: 193. - M 17: 266; 268.M 18: 261; 262. - M 132: 261; 262. - M 172: 268. - M 528 II: 238. - M 551: 217. -M 733: 267. -M 787: 217. - M 789: 263. -M 801: 268f. - SI: 266. - T II D II 134: 203; 216. -T II D 79 V: 238 Turmbauvision des Hermas: II 445f.; II 452 Turribius v. Astorga, Ep. ad Idac. et Cepon. 5: 188 Turteltaube: II 344 Tybi: 177f. Tyrus: II 231; II 254; II 387; II 390; II 392-394; II 460; II 490; II 512 Überlieferung: 226 (geheime Ü.); II 46; II 51 Übermensch: II 486 Ulme: II 446 Unbekanntes altgnostisches Werk: 1158J1; II 622 8 Universalismus: II 414 Unterwelt: 26lf.; 375; II 467; II 605; II 610; II 624. - (vgl. Hades) Urael (Engel): II 474f.; II 479
660
Register der Namen und Sachen
Urania: II 392 Urgemeinde: II 429 Uriel (Engel) : 132; II 506; II 566 Valentin: 1l0; 165f.; 170; 176; 226; 249; II 40; II 51; II 579 4 ; II 589 5 ; II 6161 Valentiner, Valentinismus, valentinisch: 160; 176; 187; 225; 231'; 248; 270; II 143; II 302 Valentinianus: 334 Varianus: II 281 Vater des Alls: II 312. - Vater der Wahrheit: II 312; II 622 Vatermörder: II 162ft". Vatienus: II 87 Vazan (Vizan): II 301; II 362f.; II 366-369; II 37lf. Vegetarianismus: 102 Verderber des Verderbens: II 618 Vereinigung: II 588 Vergil, Aen. V 815: II 88 4 Verkehr mit Gott: II 621 Verkündigung des J ohannes: 232 Verkündigung des Petrus (= Kerygma Petrou): II 59 Vermählung: II 579. - (vgl. Hochzeit) Vernichtung der Unterwelt: II 605 Veronika: 339; 358 Versiegelte: II 492 Versiegelung: II 176; II 305; II 319; II 331. - (vgl. Siegel; Siegelung) Verstand des Höchsten: II 610 Verus (Diakon): II 148; II 165; II 174. (vgl. Berus) Verwalteramt: II 176 Verwandtschaft J esu: 312 ft. Verzeichnis der 60 kanonischen Bücher: 251.; 224 Verzeichnis des Codex Claromontanus: 21 Vespasian: 313 Vettern des Herrn: 316 Via Campana: II 449 Via Sacra: II 217 Vielgestaltigkeit: 235; II 142; II 150; II 171; II 209; II 327f.; II 340*; II 367.(vgl. Polymorphie) Vienna: 358 Virgines: II 90 Virginität: II 90 VirtutesJohannis: II 128; II 134; II 403 De Virtutibus Sancti Andreae: II 276 Vision: II 448; II 529 Vision des J esej a: II 454
Vision des Petrus: II 204 Visionär: II 453 Visionenbuch : II 449 Visions bericht, Visionschrift : 167; 234; 253 ; II 408 Vita Abercii: II 182 Vita Petri, slawische: II 401 Volksliteratur : II 115 Vollenden: II 331; II 385 Vollendung: 159f.; 180 (n..111ew,ua); 238; II 486; II 588 Vollkommene (TBA8Wt): 160 Vollkommenheit: II 584; II 599; II 608; II 616 Volusianus: 358 Vorläufer: II 383 Vorsehung: II 195 Vorsitzender: II 388; II 390; II 398 Vorstellungswelt, apokalyptische: II 412ft". Vorväter: 351 Vorzeichen: II 431 Vorzeitlichkeit : II 408; II 439 Wagen des Geistes: 2491 Wahrheit: II 238; II 312; II 362; II 578; II 587; II 592; II 594f.; II 597; II 599; II 613f.; II 617f.; II 622 Wald: II 446 Wanderungen der Apostel: II 120 Wanderungen des J ohannes: II 124 Wanderungs- und Missionsaretalogie: II 115 Wanderungsmotiv : II 115 Wanzen: II 165f. Warkan (Hyrkanien): II 352 Waschen (Taufe): II 249 f. Wasser: II 78; II 191 (Brot u. W. als Opfer); II 247; II 256; II 305 f.; II 306 (Wasserkelch) ; II 329; II 356; II 367; II 369; II 452; II 582f.; II 591 (redendes, lebendiges W.); II 592; II 609; II 611 Wassertaufe: 185; 198 Wechselgespräche Jesu mit seinen Jüngern nach der Auferstehung: 125ft. Wechsler: II 75 Weg, Wege: II 393 (zwei Wege); II 614; II 621 Wehen des Messias: II 413 Weiblich: 109 (Werke des Weiblichen); lU (das Weibliche); II 66 u. 73 (weibliche Prophetie); II 381 (weibl. Zeit) Weidenbaum: II 446 Weihegaben: II 160 Weihegebete : II 300; II 305
Register der Namen und Sachen Weihnachtsfest: 272 Wein: II 356; II 619 Weinstock: 72; II 446 Weisheit: 132; 147; II 419 Weisheit Salomos: II 471 Weisheitsreden: II 411 Weiß: II 450 Welt: 182 u. 364 (Ecken der Welt); II 19 (12 Teile der Welt); II 324 (obere Welt); II 614 (wahre Welt; Welt der Scheins) Weltenbrand : II 498 Weltgeschichte: II 410 Weltreiche, die vier: II 410 Weltuntergang: II 571 Weltverführer : II 442 Werke Christi: II 246 Wesenheit, allmütterliche (Helena): II 384 Wesensverwandt: II 289. - (vgI. (]vyyev~,) Widersacher: II 467 Wiedererkennungen : II 373; II 395 Wiedergeburt: II 616 Wiedertaufe: II 529 Witwe: II 390 Wohlgeruch: II 461 Wort: II 220; II 238; II 587; II 592; II 596; II 613; II 622 Wüste: 310f. Wunder: II 115 Xanthippe: II 218 Xenocarides : II 120 Xenon: II 258 Xenophon: (Begleiter des Johannes): II 165. - (Diakon): II 335f. Zachäus (Lehrer): 294f.; 298f. Zachäus (Zöllner): 224; II 35; II 384; II 387-390 Zacharias: 103; 255; 279; 283f.; 289f.; 311; II 534; II 565 Zadok: II 456 Zärwan: 267 Zahlen: 185
661
Zanadiqa: 190 Zauberer: II 349; II 354f.; II 357; II 359; II 361; II 366; II 393 Zauberpapyri: II 453. - Zauberpap. 4, 1611ff.: II 591" Zavtai: 193 Zebedäus:99;102;193;235;245;317;II207 Zebedaiden: II 19 Zedekias: II 456 f. Zeichen des Herrn (Taufe): II 195. -Zeichen der Zeit: II 415; II 431 Zeit: II 381 (männliche u. weibliche Z.); II 546 (Z. der Reue) Zeno: (Sohn des Onesiphorus): II 243. - Zenon (ein Knabe): 296 Zephanja: II 421; II 459; II 491 Zephanja-Apokalypse: II 471; II 533; II 538 Zephta: II 92 Zeras: 336 Zeugen: II 531 Zeus: II 392; II 515 Zeuxis: II 138f. Zimmermann: II 309; II 315 Zion: 145; II 94; II 492; II 521 Zodiakalkreis: II 143 Zöker: 315 Zosimus v. Panopolis: 237 Zufall: II 391 Zustand, der neue: II 611 Zweiquellen-Theorie: 45 Zwiegespräch: 113f.; 116. - (vgI. Dialog) Zwilling (= Thomas): II 308f. - Zwillingsbruder Jesu (= Thomas): II 298; II 321; II 325 Zwölf: (die "Zwölf"): 136; 173; 184; II 5f.; II 11; II 40; II 63; II 264. - (vgI. Elf). (12 Dienende im Hochzeitslied) : II 311. - (12 Patriarchen): II 562. - (12 Propheten): II 563 Zwölfte Zahl (Dodekas): II 154 Zypern: II 232 Zypresse: 116
EDGAR HENNECKE
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Neutestamentliche Apol(ryphen in deutscher Übersetzung 3., völlig neubearbeitete Auflage herausgegeben von WILHELM SCHNEEMELCHER
I. Band: Evangelien 1959. VIII, 377 Seiten. Brosch. DM 19.60, Lw. DM 24.-
) This is without doubt the most scholarly and most comprehensive edition of apocryphal writings dealing with the life or sayings of Jesus.«
Paul Winter in Palestine Exploration Quarterly. April 1960 )Das hier vorgeführte gnostische Material ist bisher noch nirgends in solcher Fülle zugänglich gewesen. So kann der Rezensent mit dem Dank gegen den Herausgeber und seine Mitarbeiter nur die Hoffnung verbinden, daß auch der 2. Band mit seinem reichen Material an Apostelgeschichten und Apokalypsen dem l. bald Ernst Haenchen in Gnomon. 1960 folgen möge.« )Meine Anzeige wollte zunächst nur die editorische Leistung herausstellen. Gerade in diesem Falle überschreitet sie den Bereich des Organisatorischen, womit nicht gesagt sein soll, daß auch an diesem Punkte nichts Beachtliches und wohl auch dornenvolle Arbeit geleistet worden ist. Demgegenüber wurde die wissenschaftliche Leistung der einzelnen Mitarbeiter zurückgestellt, die nicht weniger dazu beigetragen haben, daß die Neuauflage einen so starken Eindruck hinterläßt. Die Beurteilung ihrer Beiträge wird jedoch der Lage entsprechend in erster Linie den Spezialkennern obliegen. So wird diese 3. Auflage unmittelbare Wirkungen in der Forschungsdebatte auslösen, diese jedoch ihr den festen Platz in derselben sichern, bis wohl nach weiteren Jahrzehnten eine neue Auflage nötig sein wird. «
Oarl Andresen in Zeitschrift für Kirchengeschichte. 71. Band (1960)
J.C.B. MOHR (PAUL SIEBECK) TÜBINGEN