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M. Liehn (Hrsg.) L. Steinmüller (Hrsg.) J.R. Döhler (Hrsg.) OP-Handbuch Grundlagen, Instrumentarium, OP-Ablauf 5. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage
M. Liehn (Hrsg.) L. Steinmüller (Hrsg.) J.R. Döhler (Hrsg.)
OP-Handbuch Grundlagen, Instrumentarium, OP-Ablauf
5. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage
Mit 1060 Abbildungen
123
Margret Liehn Zentrale Operationsabteilung Asklepios Klinik Altona Paul-Ehrlich-Str. 1 22763 Hamburg Dr. med. Lutz Steinmüller Schön Klinik Hamburg-Eilbek Abteilung für Visceral-, Gefäß- und Allgemeinchirurgie Dehnhaide 120 22081 Hamburg Prof. Dr. R. Döhler Kiefernweg 6 25336 Elmshorn
ISBN-13 ISBN-13
978-3-642-16844-4 978-3-540-72269-4
5. Aufl., Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York 4. Aufl., Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Springer-Verlag GmbH ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1995, 1999, 2003, 2007, 2011 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Susanne Moritz und Barbara Lengricht, Berlin Projektmanagement: Dr. Ulrike Niesel, Heidelberg Lektorat und Bildredaktion: Michaela Mallwitz, Tairnbach Zeichnungen: Adrian Cornford, Reinheim; Christiane und Dr. Michael von Solodkoff, Neckargemünd; Albert R. Gattung u. Regine Gattung-Petith, Edingen-Neckarhausen; Peter Lübcke, Wachenheim
Layout und Einbandgestaltung: deblik Berlin Satz und Reproduktion der Abbildungen: Fotosatz-Service Köhler GmbH – Reinhold Schöberl, Würzburg SPIN: 12758807 Gedruckt auf säurefreiem Papier
22/2122/UN – 5 4 3 2 1 0
V
Geleitwort Der rasante Fortschritt in der Medizin erfordert von allen beteiligten Berufsgruppen die ständige Aktualisierung des vorhandenen Wissens. Dazu zählen auch neue und weiterentwickelte Operationsverfahren sowie das dafür benötigte Instrumentarium und das medizintechnische Equipment. Darüber hinaus wird speziell von den pflegerischen Mitarbeitenden erwartet, dass sie ihre Flexibilität weiter steigern und in zunehmend mehr chirurgischen Fachdisziplinen eingesetzt werden können. Um diese große Flexibilität erreichen zu können, kann ein umfassendes Handbuch für den operativen Bereich hilfreich sein, wobei die Anforderungen an ein solches Handbuch vielfältig sind. Es soll zum einen als Nachschlagewerk für neue und für erfahrene Mitarbeitende einsetzbar sein und zum anderen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung Anwendung finden können. Der Einsatz im Rahmen der Instrumentation und der Springertätigkeit in unterschiedlichen operativen Fachdisziplinen erfordert von den Mitarbeitenden das Wissen um z. B. anatomische Grundlagen, Instrumentenkunde, Krankheitslehre, Operationslagerungen und um Operationsabläufe. Dieses Wissen sollte in einem Handbuch übersichtlich, kompakt und präzise dargestellt sein, damit die Mitarbeitenden die erwartete hohe Flexibilität erreichen können und somit zur qualitativ guten Patientenbetreuung und -behandlung beitragen. Das OP-Handbuch in der nun 5. Auflage wird diesen Anforderungen gerecht. Alle Kapitel wurden überarbeitet und aktualisiert. Neue Themenbereiche wie beispielsweise das Riskmanagement und die Transplantationschirurgie wurden ergänzt. Die übersichtliche inhaltliche Ausgestaltung wurde beibehalten und ermöglicht auch in neuen operativen Fachdisziplinen die schnelle Orientierung für die Mitarbeitenden. Herzlichen Glückwunsch den Herausgebern zur 5. überarbeiteten und erneut erweiterten Auflage. Petra Ebbeke Vertreterin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) im Board of Directors der European Operating Room Nurses Association (E.O.R.N.A.)
VII
Vorwort zur 5. Auflage Dieses Buch erscheint nun schon das 5. Mal, und wir haben wieder versucht, mit der Entwicklung der Chirurgie Schritt zu halten. Durch zunehmende Zentralisierung wird für die OP-Pflegekräfte das Spektrum immer breiter, und die Anforderungen wachsen mit kürzer werdenden Wechselzeiten, Zunahme des Einsatzes der Technik und sich verändernden OP-Abläufen. Die Vorbereitung des Patienten, der Materialien und der Instrumente ist ebenso wichtig wie die Durchführung der Lagerung, das Instrumentieren und die Springertätigkeit. Die Anforderungen an das medizinische Assistenzpersonal hinsichtlich der Gesamttätigkeiten im OP steigen ständig und erfordern ein hohes Maß an Kompetenz und einen ständigen Lernprozess. Am Konzept des Buches haben wir nichts geändert, aber wir haben vieles Neues eingefügt, Kapitel ergänzt und alles überarbeitet. Durch neue Autoren konnten wir den Anspruch auf inhaltliche Qualität erhalten. In 7 Kap. 1 hat Frau Ina Welk (Zentrumsleitung Pflege, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein) ein Unterkapitel zu dem brisanten Thema des Risikomanagements geschrieben. Frau Margret Liehn aktualisierte u. a. das Kapitel Nahtmaterial, das im Anschluss freundlicherweise von Frau Andrea AnbergenLanger (Marketing-Koordinatorin, Ethicon Medical) auf Richtigkeit überprüft wurde. 7 Kap. 2 wurde von Frau Liehn und Herrn Dr. Lutz Steinmüller in großem Umfang aktualisiert und neu geschrieben. Das Kapitel der minimal-invasiven Chirurgie wurde erweitert, und für die Proktologie konnte Herr Prof. Dr. Dr. Hendrik Schimmelpenning gewonnen werden. Frau Dr. Ursula Engel schrieb das Kapitel der Schilddrüsenchirurgie neu, und Frau Sabine Bröker (Universitätsklinikum HamburgEppendorf) erweiterte den Inhalt um die Lebertransplantation. 7 Kap. 3 wurde aktualisiert und um einige pflegerische Aspekte erweitert. Hier konnte Frau Silke Mein (Orthopädie, Schön-Klinik Eilbek) als zusätzliche Fachautorin gewonnen werden. Die Zehenchirurgie wurde ausführlich von Frau Dr. Angela Simon beschrieben. Die Handchirurgie, von Frau Gabi Walura, Herrn Dr. Rainer Thönnessen (beide Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg) und Frau Margret Liehn verfasst, ist an das Kapitel der Traumatologie gekoppelt und rundet es ab. Die Inhalte der Gefäßchirurgie und der Shunt- und Portsysteme (7 Kap. 4 und 5) wurden wieder von Frau Annette Kormann überarbeitet und mit Herr Dr. Marc Liedke (Westküstenklinikum Heide) abgestimmt. In dem Kapitel der Thoraxchirurgie (7 Kap. 6) überarbeitete Herr Dr. Masaki Nakashima mit Frau Rosa Böttger die Inhalte neu. Die Kardiochirurgie (7 Kap. 7) wurde überarbeitet und Neues von Frau Ulla Kammin (Cardiochirurgische OP-Abt. des Albertinen-Krankenhauses Hamburg) eingefügt. Für das Kapitel der Gynäkologie konnten mit Frau Ulrike Havemann und Frau Dr. Bazargan zwei erfahrene Mitarbeiterinnen gewonnen werden, die diesen Abschnitt ganz neu erstellten. Auch 7 Kap. 9 wurde völlig neu von Frau Brigitte Knöffler und Herrn Dr. Cord Matthies (Bundeswehrkrankenhaus Hamburg) unter Mithilfe von Frau Margret Liehn und Frau Anke Baumgarten erarbeitet. Auch hier leistete Frau Sabine Bröker einen Beitrag zur Nierentransplantation. Um dem technischen Fortschritt Rechnung zu tragen, wurde die Roboterchirurgie anhand der Prostatektomie von Frau Denise Oppermann und Herrn Dr. Alexander Haese (Martiniklinik Hamburg-Eppendorf) anschaulich beschrieben. Die Neurochirurgie (7 Kap. 10) wurde erweitert und aktualisiert, ebenso die HNO-Chirurgie, die MKGChirurgie, die Kinderchirurgie, die Augenchirurgie und die Verbrennungschirurgie. Für die Augenchirurgie (7 Kap. 14) konnte Herr Dr. Florian Rüfer gewonnen werden, die Verbrennungschirurgie (7 Kap. 15) wurde von Herrn Dr. Frank Bisgwa wieder fachlich durchgesehen. Den Abschluss der 5. Auflage bildet neu 7 Kap. 16 der Multiorganentnahme, das von Frau Margret Liehn erstellt wurde. Unser besonderer Dank gilt hier Herrn Dr. Helmut Kirschner von der DSO (Deutsche Stiftung Organspende) für die fachliche Durchsicht. Ohne die Hilfe der Mitarbeiter des Zentral-OP’s der Asklepios Klinik Altona – hier seien insbesondere Frau Annegret Nietz und Frau Heike Burzlaff genannt – wären viele Informationen nicht eingeflossen.
VIII
Vorwort zur 5. Auflage
Unser besonderer Dank gilt wieder dem Springer Verlag, dessen Mitarbeiter mit viel Engagement und Kompetenz an der Erstellung beteiligt waren: Frau Barbara Lengricht, die gewohnt kompetent diese Neuauflage plante, Frau Susanne Moritz, die die Planung fortführte, sowie Frau Dr. Ulrike Niesel, die das Projektmanagement innehatte. Last not least gilt unser besonderer Dank Frau Michaela Mallwitz, die als Lektorin dieses umfangreiche Buch von Anfang bis Ende intensiv redaktionell überarbeitete, Texte und Abbildungen prüfte und immer wieder geduldig Fragen beantwortete. Wir danken allen Lesern, ohne die es dieses Buch nicht gäbe, und wir freuen uns über konstruktive Kritik, damit es eine überabeitete 6. Auflage geben kann.
Im Mai 2011 Die Herausgeber Margret Liehn Fachkrankenpflegekraft im Operationsdienst in einer zentralen OP-Abteilung, freiberufliche Dozentin für OP-Pflege und Operationslehre Dr. med. Lutz Steinmüller, MBA Abteilung für Visceral-, Gefäß- und Allgemeinchirurgie, – Bauchzentrum –, Schön-Klinik Hamburg Eilbek Prof. Dr. med. Rüdiger Döhler, FRCSEd Orthopäde und Traumatologe
IX
Inhaltsverzeichnis 1
Grundlagen
1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10
Aufgaben einer Pflegekraft im Operationsdienst Operationslagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Aspekte zur pflegerischen Dokumentation . . . . Risikomanagement im OP . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgisches Nahtmaterial . . . . . . . . . . . . . . Werkstoffe des chirurgischen Instrumentariums Grundinstrumente und ihre Handhabung . . . . . Drainagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationsindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . Wunden und ihre Versorgung . . . . . . . . . . . . .
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2 4 8 12 14 21 21 24 28 29
2
Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M. Liehn, L. Steinmüller, S. Bröker, U. Engel, H. Schimmelpenning
37
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12 2.13 2.14 2.15
Zugangswege und Instrumentarium Schilddrüse . . . . . . . . . . . . . . . . . Hernien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Speiseröhre . . . . . . . . . . . . . . . . . Magen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Milz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gallenblase und Gallenwege . . . . . Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bauchspeicheldrüse . . . . . . . . . . . Dünndarm . . . . . . . . . . . . . . . . . Blinddarm . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dickdarm . . . . . . . . . . . . . . . . . . Proktologie . . . . . . . . . . . . . . . . . Peritonitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . Minimal-invasive Chirurgie . . . . . .
3
Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie .
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266 277 277 280 285
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Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zugänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lagerungen und Abdeckungen . . . . Erkrankungen des arteriellen Systems Intraluminale Dilatation . . . . . . . . .
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4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
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265
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Gefäßchirurgie
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162 163 164 167 169 199 242
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Anatomie und Physiologie von Knochen . . . . . Pathophysiologie von Knochen und Gelenken . . Behandlung von Frakturen . . . . . . . . . . . . . . Pflegerische Tätigkeiten in der Traumatologie . . Instrumente, Implantate und ihre Anwendung . Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte Handchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . J.R. Döhler, A. Gudat, K. Seide, Ch. Jürgens, J. Madert, A. Simon, S. Mein, G. Walura, R. Thönnessen, M. Liehn
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38 46 51 58 65 78 80 85 94 100 102 105 125 132 134
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1
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X
Inhaltsverzeichnis
4.6 4.7
Weitere Operationsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen des venösen Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
292 307
5
Shunt- und Portsysteme
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Kormann, M. Liedke, L. Steinmüller
311
5.1 5.2 5.3
Katheter und Shunts für die Hämodialyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Portsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peritoneovenöse Shunts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
312 313 315
6
Thoraxchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M. Liehn, R. Böttger, M. Nakashima
317
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10
Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thoraxinstrumentarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typische Zugangswege und Lagerungstechniken in der Thoraxchirurgie Thoraxdrainagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präoperative Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eingriffe an der Lunge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eingriffe an der Trachea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eingriffe an der Pleura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eingriffe am Mediastinum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knöcherne Thoraxwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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318 318 320 322 323 324 329 329 332 334
7
Kardiochirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F.-Ch. Rieß, U. Kammin, M. Liehn, B. von Essen, A. Urbans, L. Hansen
337
7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7 7.8 7.9 7.10 7.11 7.12 7.13 7.14 7.15 7.16 7.17
Geschichte der Kardiochirurgie . . . . . . . . Kardiochirurgische Operationsverfahren . Herz-Lungen-Maschine . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Zugänge . . . . . . . . . . . . . . Koronarchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . Linksventrikuläre Aneurysmektomie . . . . Aortenklappenchirurgie . . . . . . . . . . . . Mitralklappenchirurgie . . . . . . . . . . . . . Trikuspidalklappenchirurgie . . . . . . . . . Aortenaneurysmachirurgie . . . . . . . . . . Chirurgie kongenitaler Herzfehler . . . . . . Erkrankungen des Herzbeutels . . . . . . . . Herztumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pulmonale Thrombektomie . . . . . . . . . . Behandlung von Herzrhythmusstörungen Kreislaufunterstützungssysteme . . . . . . . Herztransplantation . . . . . . . . . . . . . . .
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338 338 338 340 342 347 348 357 360 361 365 371 372 373 374 376 378
8
Gynäkologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . U. Havemann, M. Bazargan
381
8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7 8.8
Anatomische Grundlagen . . . . . . Zugänge in der Gynäkologie . . . . Lagerungen und Abdeckung . . . . Gynäkologisches Instrumentarium Medikamente . . . . . . . . . . . . . . Operative Eingriffe . . . . . . . . . . . Laparoskopie/Pelviskopie . . . . . . Mammachirurgie . . . . . . . . . . . .
382 385 386 388 388 391 411 418
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XI Inhaltsverzeichnis
9
Urologie
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Lengersdorf, C. Matthies, M. Liehn, D. Oppermann, A. Haese, A. Baumgarten, S. Bröker
423
9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6 9.7 9.8 9.9 9.10 9.11 9.12 9.13
Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Spezielles urologisches Instrumentarium . . Transurethrale und perkutane Eingriffe . . . . Äußeres Genitale . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prostata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harnleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harninkontinenz der Frau . . . . . . . . . . . . Blasen-Scheiden-Fisteln . . . . . . . . . . . . . Harninkontinenz des Mannes . . . . . . . . . Harnröhrenplastik . . . . . . . . . . . . . . . . . Eingriffe an der Niere und am Nierenbecken Nierentransplantation (NTX) . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
424 428 431 445 456 467 470 478 480 481 484 487 493
10
Neurochirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M. Liehn, M. Brunken, M. Weissflog, A. Gudat
497
10.1 10.2 10.3 10.4 10.5 10.6 10.7 10.8 10.9
Anatomische und physiologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neurochirurgisches Basiswissen im Operationssaal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostische Untersuchungen in der Neurochirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intrakranielle Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intrakranielle Gefäßmissbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündliche Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schädel-Hirn-Traumata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen und Verletzungen des Rückenmarks, seiner Hüllen und der Wirbelsäule . Schädigung peripherer Nerven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . .
498 507 516 517 525 529 530 536 545
11
Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
549
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M. Liehn, G. Nehse
11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 11.6 11.7
Besonderheiten der Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten . . . . . . . . . . . . . . Frakturen und ihre Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . Tumor- und rekonstruktive Chirurgie . . . . . . . . . . . Weichteilchirurgie des Gesichtes . . . . . . . . . . . . . . Mikrochirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Kieferorthopädie . . . . . . . . . . . . . . .
12
Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie
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550 552 555 559 560 560 561
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
563
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M. Liehn, T. Grundmann, A. Paul
12.1 12.2 12.3 12.4 12.5
Grundlagen der Anatomie . . . . . . . Diagnostisches Instrumentarium . . Operationsinstrumentarium . . . . . Aufgaben der Operationspflegekraft Hals-Nasen-Ohren-Operationen . . .
. . . . .
564 565 566 568 572
13
Kinderchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . P. Reifferscheid, M. Liehn
583
13.1 13.2 13.3 13.4 13.5
Arbeitsbedingungen in der Kinderchirurgie Thorax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abdomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bauchwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urogenitaltrakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
584 587 597 622 631
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XII
Inhaltsverzeichnis
13.6 13.7
Zentralnervensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
649 659
14
Ophthalmologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Welk, A. Bunse, F. Rüfer
665
14.1 14.2 14.3 14.4
Anatomie des Auges . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten bei Operationen am Auge . . . Aufgaben der Operationspflegekraft . . . . . . . Beispiele für die häufigsten Eingriffe am Auge .
. . . .
666 667 669 670
15
Verbrennungen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
679
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Chr. Westphal, M. Liehn
15.1 15.2 15.3 15.4 15.5 15.6 15.7
16
Verbrennungen und Versorgungsbedarf . . . . . Erstversorgung Brandverletzter . . . . . . . . . . . Infektionsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hautersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operative Versorgung Schwerstbrandverletzter Elektrotrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postakutphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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680 680 681 681 682 685 685
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
687
Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Multiorganentnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hornhautspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
688 689 690
Organexplantation – Multiorganentnahme
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M. Liehn
16.1 16.2 16.3
Glossar und Abkürzungsverzeichnis Literatur
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
691
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
707
Herstellerverzeichnis
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
713
Stichwortverzeichnis .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
719
XIII
Mitarbeiterverzeichnis Baumgarten, Anke
Döhler, J. Rüdiger
Operationsabteilung Bundeswehrkrankenhaus Hamburg Lesserstr. 180 22049 Hamburg
Prof. Dr. med., FRCSEd Kiefernweg 6 25336 Elmshorn Engel, Ursula
Bazargan, Mahtab
Dr. med. Gynäkologie Asklepios Klinik Altona Paul-Ehrlich-Str. 1 22763 Hamburg Böttger, Rosa
Operationsabteilung Krankenhaus Großhansdorf Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie Wöhrendamm 80 22927 Großhansdorf Bröker, Sabine
Zentrale Operationsabteilung Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Martinistraße 52 20246 Hamburg Brunken, Martin
Dr. med. Neurochirurgische Abteilung Asklepios Klinik Altona Paul-Ehrlich-Str. 1 22763 Hamburg Bunse, Arndt
Dr. med. Klinik für Ophthalmologie Universitätsklinikum Schleswig-Holstein/ Campus Kiel Hegewischstr. 2 24105 Kiel
Dr. med. Trenkner Weg 100a 22605 Hamburg Grundmann, Thomas
Prof. Dr. med. HNO-Abteilung Asklepios Klinik Altona Paul-Ehrlich-Str. 1 22763 Hamburg Gudat, Anett
Zentrale Operationsabteilung Asklepios Klinik Altona Paul-Ehrlich-Str. 1 22763 Hamburg Haese, Alexander
Priv.-Doz Dr. med. Martiniklinik Hamburg-Eppendorf Martinistraße 52 20246 Hamburg Hansen, Lorenz
Dr. med. Cardiochirurgische Operationsabteilung Albertinen-Krankenhaus Hamburg Süntelstraße 11a 22457 Hamburg Havemann, Ulrike
Zentrale Operationsabteilung Asklepios Klinik Altona Paul-Ehrlich-Str. 1 22763 Hamburg
Caselitz, Jörg
Prof. Dr. med. Institut für Pathologie Asklepios Klinik Altona Paul-Ehrlich-Str. 1 22763 Hamburg
Jürgens, Christian
Prof. Dr. med. Berufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus Bergedorfer Str. 10 21033 Hamburg
XIV
Mitarbeiterverzeichnis
Kammin, Ursula
Nakashima, Masaki
Cardiochirurgische OP-Abteilung Albertinen-Krankenhaus Hamburg Süntelstraße 11a 22457 Hamburg
Dr. med. Thoraxchirurgische Abteilung Asklepios Klinik Harburg Eißendorfer Pferdeweg 52 21075 Hamburg
Kormann, Annette
Zentrale Operationsabteilung Asklepios Klinik Altona Paul-Ehrlich-Straße 1 22763 Hamburg
Nehse, Günter
Lengersdorf, Brigitte
Oppermann, Denise
OP-Abteilung Bundeswehr-Krankenhaus Hamburg Lesserstr. 180 22049 Hamburg
OP-Abteilung Martiniklinik Hamburg-Eppendorf Martinistraße 52 20246 Hamburg
Liedke, Marc
Paul, Anna
Dr. med. Westküstenklinikum Heide Esmarchstraße 50 25746 Heide
Dr. med. HNO-Abteilung Asklepios Klinik Altona Paul-Ehrlich-Str. 1 22763 Hamburg
Priv-Doz. Dr. med. Dr. med. dent. Heiderosenweg 9a 22359 Hamburg
Liehn, Margret
Zentrale Operationsabteilung Asklepios Klinik Altona Paul-Ehrlich-Str. 1 22763 Hamburg
Reifferscheid, Peter
Madert, Jürgen
Rieß, Friedrich-Christian
Dr. med. Chirurgisch-Traumatologisches Zentrum Asklepios Klinik St. Georg Lohmühlenstr. 5 20099 Hamburg
Priv-Doz. Dr. med. Abt. für Herzchirurgie Albertinen-Krankenhaus Hamburg Süntelstraße 11a 22457 Hamburg
Matthies, Cord
Rüfer, Florian
Dr. med. Urologie Bundeswehr-Krankenhaus Hamburg Lesserstr. 180 22049 Hamburg
Dr. med. Augenklinik Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Arnold-Heller-Str. 3 (Haus 25) 24105 Kiel
Mein, Silke
Schimmelpenning, Hendrik
Orthopädische OP-Abteilung Klinikum Eilbek / Schön-Kliniken Dehnhaide 120 22081 Hamburg
Professor Dr. Dr. Klinik für Chirurgie und Unfallchirurgie Schön Klinik Neustadt Am Kiebitzberg 10 23730 Neustadt in Holstein
Dr. med. Blechschmidstraße 12 22609 Hamburg
XV Mitarbeiterverzeichnis
Seide, Klaus
Welk, Ina
Priv-Doz. Dr. med. Berufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus Bergedorfer Str. 10 21033 Hamburg
Pflegerische Leitung, Bereich 3 Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Arnold-Heller-Str. 3 (Haus 18) 24105 Kiel
Simon, Angela
Westphal, Christel
Dr. med Klinik für Orthopädie 2 Diakonie Klinikum Dietrich Bonhoeffer GmbH Allendestr. 30 17036 Neubrandenburg
Berufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus Hamburg Bergedorfer Str. 10 21033 Hamburg
Steinmüller, Lutz
Dr. med., MBA Abteilung für Visceral-, Gefäß- und Allgemeinchirurgie Klinikum Eilbek / Schön-Kliniken Dehnhaide 120 22081 Hamburg Thönnessen, Rainer
Dr. med. Handchirurgie Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg Hohe Weide 17 20259 Hamburg Urbans, Anja
Cardiochirurgische OP-Abteilung Albertinen-Krankenhaus Hamburg Süntelstraße 11a 22457 Hamburg von Essen, Birgit
Drei Eichen 6a 25368 Kiebitzreihe Walura, Gabriele
Zentrale OP-Abteilung Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg Hohe Weide 17 20259 Hamburg Weissflog, Martin
Dr. med. Neurochirurgische Abteilung Asklepios Klinik Altona Paul-Ehrlich-Str. 1 22763 Hamburg
1
Grundlagen M. Liehn, J. Caselitz, L. Steinmüller, I. Welk
1.1
Aufgaben einer Pflegekraft im Operationsdienst
1.2
Operationslagerungen
1.3
Aspekte zur pflegerischen Dokumentation
1.4
Risikomanagement im OP
1.5
Chirurgisches Nahtmaterial
1.6
Werkstoffe des chirurgischen Instrumentariums
1.7
Grundinstrumente und ihre Handhabung
1.8
Drainagen
1.9
Operationsindikationen
–2
–4 –8
– 12 – 14
– 21
– 24 – 28
1.10 Wunden und ihre Versorgung
– 29
M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
– 21
1
2
Kapitel 1 · Grundlagen
1.1
Aufgaben einer Pflegekraft im Operationsdienst M. Liehn
Trotz steigender Anforderungen existiert kein festgelegtes Berufsbild einer Fachkrankenpflegekraft im Operationsdienst. In der folgenden 7 Übersicht werden die wichtigsten allgemeinen Anforderungen und operationspezifischen Aufgaben zusammengefasst. Allgemeines Kenntnis- und Leistungsspektrum 4 Aktuelle Kenntnisse der Hygienerichtlinien des RKI und der Arbeitssicherheitsvorschriften 4 Sicherer Umgang mit der Pflegedokumentation 4 Qualitätssicherung in der OP-Abteilung 4 Team- und Konfliktfähigkeit 4 Gutes Kommunikationsvermögen 4 Organisationsfähigkeit 4 Didaktische Kenntnisse zur Vermittlung fachpraktischer und theoretischer Fertigkeiten 4 Fähigkeit zur psychischen Betreuung von Patienten 4 Kenntnisse über pflegerische Maßnahmen, z. B. Katheterismus 4 Kenntnisse bezüglich des Strahlenschutzes 4 Kenntnisse der Unfallverhütungsvorschriften 4 Kenntnisse über die korrekte Vorbereitung des Patienten, z. B. für die Anwendung hochfrequenter Elektrochirurgiegeräte 4 Kenntnisse des Medizinproduktegesetzes (MPG)
Operationsspezifische Aufgaben 4 Vorbereitung des OP-Saales mit allen medizinischen Geräten, Instrumentarien und Verbrauchsmaterialien 4 Vorbereitung der OP-Tische 4 Einschleusung der Patienten 4 Durchführung und Überwachung der operationsspezifischen Lagerung des Patienten 4 Anlegen einer Blutsperre/Blutleere 4 Situationsgerechtes, schnelles Instrumentieren 4 Saalassistenz (»Springertätigkeit«) 4 Durchführung der Dokumentation 4 Vorbereitung und das Anlegen von Gipsen und Verbänden 4 Annahme, Beschriftung und Versendung von Präparaten für die Bakteriologie, Pathologie und Histologie 4 Dokumentation und Kontrolle der Raumluft Technischen Anlagen (RLTA)
Schon mit dem Betreten einer Operationsabteilung kommen besondere Anforderungen auf das OP-Personal zu. Korrektes Einschleusen setzt Wissen über die Hygiene voraus, denn das richtige Tragen von Kleidung, Mütze und Mundtuch resultiert aus der Einsicht in die Notwendigkeit. Alle neuen Mitarbeiter, Schüler und Gäste müssen dahingehend eingewiesen werden. Im Saal selbst gehören ruhige Bewegungen zum »normalen« Arbeitsablauf; Hektik darf nur im äußersten Notfall aufkommen. jSonstige Aufgaben
Das OP-Personal lernt neue Kollegen, operationstechnische Assistenten (OTA) oder Schüler an. Das Wissen über die organisatorischen Notwendigkeiten in einem OPBetrieb ist hierfür die Voraussetzung. Die Erstellung und regelmäßige Überprüfung von Standards sind im Rahmen der Qualitätssicherung unerlässlicher Bestandteil der Arbeit des OP-Personals. Die Einhaltung der Hygienerichtlinien und der Unfallverhütungsvorschriften ist obligat. Für einen reibungslosen Tagesablauf muss die Bevorratung ausreichend sein. Dazu muss die Bestellung von Bedarfsartikeln und Implantaten geregelt sein. Je nach Spezialisierung und Abteilung kommen zusätzliche spezifische Anforderungen hinzu. jOP-Vorbereitung
Das OP-Pflegepersonal bereitet anhand bestehender Standards den benötigten Operationstisch mit Lagerungshilfsmitteln vor. Der Patient wird eingeschleust, nach Standard und/oder Checkliste und entsprechend der geplanten Operation gelagert. Die instrumentierende Kraft und die »Saalassistenz« sollen kooperativ die Operation vorbereiten. Das setzt ein gut geplantes OP-Programm voraus, in dem auch die individuellen Probleme des Patienten berücksichtigt werden. Alle medizintechnischen Geräte werden vor der Operation gemäß dem Medizinproduktgesetz (MPG) geprüft. Instrumente, Wäsche, Kittel, Textilien und Nahtmaterialien werden gemeinsam zusammengestellt. Die/der Instrumentierende deckt die Tische steril ab und bereitet die Instrumente für die geplante Operation übersichtlich vor. ! Die Anordnung der Instrumente auf dem Tisch sollte in einer Operationsabteilung einheitlich sein. Im OP-Protokoll wird die Anzahl der Instrumente und Textilien prä-, intra- und postoperativ dokumentiert. jOperation
Kenntnisse der Anatomie des menschlichen Körpers und das Wissen um den Ablauf der geplanten Operationen sind
3 1.1 · Aufgaben einer Pflegekraft im Operationsdienst
für ein situationsgerechtes Instrumentieren, insbesondere in kritischen Phasen der Operation, unerlässlich. Das Anreichen der Instrumente während der Operation in der richtigen Reihenfolge sollte ohne direkte Aufforderungen möglich sein. Nach der Operation müssen alle Instrumente, Nadeln und Textilien noch einmal gezählt und das korrekte Ergebnis im OP-Protokoll festgehalten werden. jSaalassistenz
Die Saalassistenz hilft bei der operationsspezifischen Lagerung des Patienten nach der Narkoseeinleitung. Dies erfordert neben körperlicher Kraft und technischem Verständnis auch das Wissen über die Vermeidung von Lagerungsschäden. Dekubitalgeschwüre werden durch die Lagerung des Patienten auf Gelmatten oder Vakuummatratzen verhindert (7 Abschn. 1.2). Eine Thromboseprophylaxe erfolgt durch korrektes Lagern der Beine und ggf. durch das Tragen von angepassten Antithrombosestrümpfen, die keine Falten schlagen dürfen. Eine Wärmematte, entsprechend gewärmte Decken oder Isolierfolie vermindern den Wärmeverlust des Patienten. Die Saalassistenz reicht das benötigte Sterilgut an und steht hierzu immer mit dem Gesicht zum sterilen Bereich. Die Bedarfsartikel werden nie über den sterilen Tischen geöffnet, aber immer so, dass die Instrumentierende problemlos das Material abnehmen kann. Nach dem sterilen Abdecken des Patienten durch das operierende Team schließt der Springer die benötigten medizintechnischen Geräte an, u. a. den Sauger und bei Bedarf das Hochfrequenz (HF)-Gerät (7 Abschn. 1.2.3). Die Abwurfbehältnisse werden bereitgestellt. Die Saalassistenz verfolgt den Ablauf der Operation, um bei Bedarf unaufgefordert neue Materialien anzureichen. Sie versorgt anfallende Präparate, kümmert sich um die korrekte Dokumentation, zählt am Ende einer Operation die abgeworfenen Textilien und bestellt den nächsten Patienten. Nach erfolgter Hautnaht werden die neutrale Elektrode sowie Gurte und Lagerungshilfen vom Patienten entfernt und zur Reinigung und Desinfektion bereitgelegt. Die Drainagen und der Verband werden vor der Verlegung des Patienten in die Aufwacheinheit kontrolliert. Die Abfälle und der Saugerinhalt bzw. -beutel werden gemäß den Hygienerichtlinien entsorgt. Geräte und Instrumente, die für die Operation notwendig waren, werden aus dem Saal entfernt, damit das Reinigungspersonal den OP-Raum, die Möbel und die OPLampe reinigen kann.
jAufgaben einer operationstechnischen Assistentin
Die Aufgaben einer OTA unterscheiden sich nicht von denen der OP-Pflegekraft. Die OTA bekommt in einer von der DKG (Deutsche Krankenhausgesellschaft) geregelten 3-jährigen Ausbildung das Wissen und die Fertigkeiten vermittelt, die im laufenden OP-Betrieb benötigt werden. Hinzu kommen die Instrumentenaufbereitung, die Tätigkeit in der chirurgischen Ambulanz sowie einführende Kenntnisse für die Endoskopie und Anästhesie. Nach Ablauf der 3-jährigen Ausbildung kann die/der OTA die oben geschilderten Aufgaben übernehmen und so in das OP-Team integriert werden. jVorbereitung von Operations- und Biopsiematerial für die nachfolgende histologische Untersuchung
Biopsie- und Operationsmaterial werden in der Regel histologisch von einem Pathologen untersucht. Die feingewebliche Untersuchung trägt maßgeblich zur Diagnostik, insbesondere bei der Abklärung einer möglichen Krebserkrankung, bei. Für die Behandlung des Gewebes und/oder des Biopsiematerials gibt es prinzipiell 2 Möglichkeiten: 4 Schnellschnitt, 4 übliche Verarbeitung nach Fixierung. Schnellschnitt Bei der Schnellschnittdiagnostik wird
Frischmaterial unmittelbar nach der Entnahme in der Pathologie untersucht. Während des Transports darf das Material nicht austrocknen und wird deshalb mit einem Tupfer mit physiologischer Kochsalzlösung oder RingerLösung abgedeckt. Das native Gewebe wird eingefroren und anschließend am Gefrierschnitt untersucht. Die Diagnose kann nach etwa 5–10 min am Mikroskop erstellt werden. Da das Material beim Schnellschnitt frisch in die Abteilung für Pathologie gelangt, sind alle anderen methodischen Aufbereitungen noch möglich und können vom Pathologen in die Wege geleitet werden (z. B. mikrobiologische, biochemische Untersuchungen, molekularbiologische und genetische Analysen). Zu beachten sind die korrekte Beschriftung des Begleitscheins und die Angabe einer Telefon- oder Fax-Nummer, damit das Untersuchungsergebnis dem Chirurgen mitgeteilt werden kann. Fixierung Für die übliche Gewebsaufbereitung ohne
Schnellschnitt wird das Gewebe in der Regel fixiert, d. h. konserviert. Die Fixierung hat folgende Aufgaben: 4 Sie härtet das Gewebe und macht es damit für die nachfolgende histologische Untersuchung geeignet. 4 Sie macht das Gewebe haltbar. 4 Sie tötet Keime (Bakterien, Viren) ab und verhindert so fast alle relevanten Infektionen.
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4
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Kapitel 1 · Grundlagen
Für die Fixierung gibt es zahlreiche unterschiedliche Mittel. In der Praxis wird überwiegend 4- oder 6%iges Formalin verwendet, das durch Verdünnen der ca. 40%igen wässrigen Formaldehydstammlösung mit der entsprechenden Menge Leitungswasser hergestellt werden kann. Besser als Leitungswasser eignet sich phosphatgepufferte physiologische Kochsalzlösung. Die entsprechenden Rezepte und die Herstellung erfolgen in der klinikeigenen Apotheke oder in der Abteilung für Pathologie. Obwohl Formalin sehr lange haltbar ist, muss es in regelmäßigen Abständen neu angesetzt werden, damit keine Abbauprodukte wie Ameisensäure das Gewebe verändern. Gepuffertes Formalin ist insbesondere bei Tumorgewebe angezeigt, wenn eine ungewöhnliche Differenzierung zu erwarten ist. Für besondere Untersuchungen (z. B. am Elektronenmikroskop) wird gepuffertes Formalin verwendet. Im Einzelfall sollte jedoch vor dem Eingriff kurz Rücksprache mit dem Pathologen bzw. dem Histologielabor gehalten werden, der das Material nachbearbeitet. Praktische Hinweise Im OP-Raum und in der Poliklinik
sollte die Telefonnummer der Abteilung für Pathologie oder bei Bedarf die Piepernummer für entsprechende Rückfragen hinterlegt sein. ! Ein Tipp für die Praxis: Sollte unter Notfallbedingungen Formalin fehlen, so können ersatzweise Alkohol oder Lösungen wie Sterillium eingesetzt werden. Diese Fixierungsart sollte aber die Ausnahme sein und dem Pathologen mitgeteilt werden.
1.2
Operationslagerungen M. Liehn
1.2.1
Allgemeine Hinweise
Der regelhafte Ablauf einer Operation hängt nicht unerheblich von der richtigen Lagerung des Patienten ab, die in den meisten Abteilungen vom OP-Personal durchgeführt wird. Sie erfolgt nach Absprache mit dem Anästhesisten und dem Chirurgen, die sich die Verantwortung über die Kontrolle in den verschiedenen Phasen der Operation teilen (7 Abschn. »Juristische Verantwortung«). Nach der Narkoseeinleitung, die in Rückenlage auf dem geraden Tisch durchgeführt wird, beginnt die eigentliche Operationslagerung. Intraoperative Korrekturen oder Umlagerungen bergen Risiken der Verschiebung von Polstermaterial und beschleunigen damit die Entstehung von Druckgeschwüren. Fast jede Operation erfordert eine spezifische Lagerung, die für diesen Eingriff gesondert angesprochen wird,
aber gleichzeitig unterliegt jede Operationslagerung den folgenden festen Kriterien. Der OP-Tisch ist immer mit einer Gelmatte abgedeckt, um den Druck auf das Gewebe zu minimieren. Alternativ stehen z. B. Vakuummatratzen zur Verfügung. Armschiene und Beinausleger sind im Regelfall mit einer Gelmatte bedeckt. Für besonders gefährdete Patienten, wie alte, kachektische oder gefäßkranke Personen, empfiehlt sich bei längeren Eingriffen eine Vakuumauflage, die sich an die Konturen des Körpers anpasst. Die Mitarbeiter müssen in die Anwendung der OPTischauflagen eingwiesen sein. ! Immer gilt, den Patienten vor Schäden jeder Art zu schützen. Ein Wärmeverlust während der Operation kann zu einer erheblichen Gefahr für den Patienten werden.
Während der Narkose muss mit Wärmeverlust gerechnet werden. Großflächige OP-Zugänge, kalte Spüllösungen, Infusionen und zu geringe Raumtemperatur müssen vom Patienten kompensiert werden. Die Abdeckung des Körpers mit vorgewärmten Tüchern, das Liegen auf einer Wärmematte und angewärmte Spüllösungen sollten zum Standard gehören. Die Anwendung von energetisch betriebenen Wärmedecken (Warm Touch) ist unabdingbar. Sie können über 3 Temperaturstufen eine konvektive Erwärmung erreichen (Fa. Covidian). Auskühlung des Patienten wirkt sich auf die Narkoseführung aus. Die Aufwachphase wird verlängert, die Gefahr einer Dekubitusentstehung steigt. Die Wundheilung kann verzögert einsetzen.
Juristische Verantwortung Nicht selten taucht die Frage auf, wer bei Lagerungsschäden verantwortlich ist. Nach einer Absprache der Berufsverbände der Chirurgen (BDC) und der Anästhesisten (BDA) wurde die Verantwortlichkeit zwischen Chirurgie und Anästhesie in die im Folgenden aufgeführten 4 Phasen gegliedert. Verantwortlichkeit für die Lagerung 7 Präoperative Phase: Der Anästhesist ist so lange für die Lagerung verantwortlich, bis der Patient in Narkose für die Operation gelagert wird. 7 Lagerung zur Operation: Der Operateur entscheidet über die Art der Lagerung unter Berücksichtigung eventueller Einwände seitens des Anästhesisten. Der Chirurg ist verpflichtet, die Lagerung vor der Abdeckung 6
5 1.2 · Operationslagerungen
zu kontrollieren, und er ist gehalten, dieses zu dokumentieren. 7 Intraoperative Lageveränderungen: Nach intraoperativen Lagerungsänderungen ist der »Springer« gehalten zu kontrollieren, ob die Abpolsterung der gefährdeten Körperteile gewährleistet und der Sitz der neutralen Elektrode noch korrekt ist. 7 Postoperative Phase: Die Aufgabe des Anästhesisten erstreckt sich auf die Beobachtung der Lagerung während der Ausleitung und der Umlagerung ins Krankenbett. Sie endet erst mit der Übergabe des Patienten an die Station bzw. den Aufwachraum.
meiden. Besonders bei onkologischen oder gefäßkranken Patienten ist die Entstehung von Dekubitalgeschwüren zu erwarten, wenn keine prophylaktischen Maßnahmen ergriffen werden.
Lagerungsmittel Während der verschiedenen Operationen erleichtern Lagerungshilfen den Eingriff. In der Kopftieflage fallen die Darmschlingen z. B. nach kranial und ermöglichen einen besseren Zugriff ins kleine Becken oder in den Unterbauch. Die Fußtieflage verbessert den Zugang zum Oberbauch. Polster oder OP-Tischelemente erhöhen den Thorax, sodass der Zugang durch den gedehnten Zwischenrippenraum erleichtert ist. Gelmatten müssen gemäß Herstelleranweisung angewendet werden. In der Regel liegen sie direkt auf der Haut des Patienten, denn nur so ist eine erwünschte Druckverteilung zu erzielen.
Schädigungsarten ! Zur professionellen Pflege gehört unbedingt die standardisierte Vorbereitung und Durchführung einer OP-Lagerung. Aber die Kompetenz des Pflegenden zeichnet sich dadurch aus, dass er/sie bei Bedarf vom Standard abweicht, um optimale Bedingungen für den Patienten zu erzielen.
Der Patient ist durch Narkose, Relaxation und drohenden Wärmeverlust prädestiniert für Läsionen, Druckschäden und Lähmungserscheinungen. Folgendes ist zu beachten: 4 Starker Druck und massive Dehnung aller Nerven und Gefäße sind zu vermeiden; zu starke Flexion oder Beugung führen zu Schädigungen. 4 Übertriebene Rotation oder Abduktion z. B. des Armes führt zu Dehnungen des Plexus brachialis. 4 Befestigungen müssen locker und gut gepolstert sein. 4 Zu harte oder falsch platzierte Rollen führen zu Kompressionen. 4 Alle Gelenke werden leicht abgewinkelt gelagert. 4 Niemand darf sich auf einem Patienten abstützen. 4 Bei intraoperativen Lagerungsveränderungen muss ein Verrutschen des Patienten auf dem OP-Tisch vermieden werden.
Dekubitusprophylaxe Untersuchungen haben gezeigt, dass vielfach schon im OPSaal die Grundlage für Dekubitalgeschwüre gelegt wird. Selbst bei sehr gewissenhafter Betrachtung der Haut des Patienten nach einem Eingriff sind tiefe Hautschädigungen nicht erkennbar. Erst einige Tage postoperativ rötet sich die Haut. Die Ursache wird dann nicht mehr der OP-Lagerung zugeordnet. Durch eine optimale Polsterung, Wärmeisolierung und Pflege der Haut lässt sich der Dekubitus ver-
Lagerungsdokumentation Die Dokumentation von standardisierten Lagerungen ist einfach, da nicht mehr alle Lagerungshilfsmittel aufgezählt werden müssen. Folgende Bewandtnisse müssen dokumentiert werden: 4 Abweichungen vom Standard und ihre Begründung, 4 Namen des Durchführenden und des kontrollierenden Chirurgen, 4 Platzierung der Dispersionselektrode und Lageveränderungen.
Lagerung der Arme Der für die Narkose wichtige »Infusionsarm« wird in seiner gesamten Länge auf einer am Tisch fixierten Schiene ausgelagert. Die Schienenpolster müssen korrekt anliegen, um Schäden am N. radialis oder N. ulnaris zu vermeiden. Hierzu wird der Arm in Supinationsstellung (Handfläche einsehbar) leicht angewinkelt fixiert. Der andere Arm kann mit 2 gepolsterten Manschetten am Narkosebügel hochgehängt werden. Die Schulter muss dabei auf dem OP-Tisch aufliegen. ! Kein Hautareal des Patienten darf mit dem Metall des OP-Tisches in Berührung kommen, wenn während des Eingriffs mit dem HF-Gerät gearbeitet wird.
Soll der andere Arm seitlich an den Körper angelegt werden, muss er in einem Polsterkissen liegen und die Hand muss gepolstert fixiert sein. Ein Kontakt von Haut zu Haut muss vermieden werden, um Verbrennungen bei Anwendung der HF-Chirurgie zu verhindern. Während der Operation darf sich niemand gegen die Arme des Patienten lehnen, damit die Armlagerung sich nicht verändert.
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Kapitel 1 · Grundlagen
Lagerung des Kopfes
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Der Kopf wird auf einem Kopfkissen oder Gelring gelagert, wenn er nicht in einer Kopfkalotte liegt. ! Der Ring muss so liegen, dass im Schläfenbereich oder an der Kalotte keine Druckstellen entstehen können.
Lagerungen in der minimal-invasiven Chirurgie
. Abb. 1.1 Patientenlagerung auf einer Vakuummatratze für Oberbauchoperationen in Anti-Trendelenburg-Position. (Nach Krettek u. Aschemann 2005)
. Abb. 1.2 Patientenlagerung für auf einer Vakuummatratze Unterbauchoperationen in Rückenlage mit Trendelenburg-Position. (Nach Krettek u. Aschemann 2005)
Lagerung der Beine Die Beine werden parallel gelagert. Eine Druckeinwirkung auf Nerven und Gefäße, z. B. intraoperativ durch den Instrumententisch, muss verhindert werden. Der Auflagedruck verteilt sich besser, wenn die Beinplatten des OPTisches im Kniebereich etwas abgeknickt werden. In Höhe der Oberschenkel, etwas oberhalb der Patellae, wird ein breiter Gurt angelegt, der nicht zu stramm angezogen sein darf. ! Eine Hand sollte flach zwischen Gurt und Beine passen!
Beide Fersen werden separat abgepolstert.
Im Rahmen der minimal-invasiven Chirurgie (MIC) sind besondere Aspekte zu bedenken. Vielfach werden intraoperativ Lageveränderungen vorgenommen, um die Schwerkraft ausnutzen zu können. Hierdurch kann z. B. der Dünndarm in den Ober- oder Unterbauch verlagert werden. Grundsätzlich sollte das OP-Gebiet leicht erhöht liegen. So werden Unterbauchoperationen in der sog. Trendelenburg-Lagerung durchgeführt; hier wird der Kopf des Patienten tiefer gelagert als die Füße und der OP-Tisch wird zwischen 20 und 40° gekippt. Oberbauchoperationen werden in der Anti-Trendelenburg-Lagerung durchgeführt, bei der der Kopf höher liegt als die Füße. Der OP-Tisch wird häufig seitwärts gekippt. Auch bei extremen Lageveränderungen dürfen die Polsterungen nicht verrutschen. Des Weiteren müssen z. B. Schulter-, Fuß- und Seitenstützen angebracht werden, die eine Positionsveränderung des gesamten Körpers des Patienten verhindern. Laparoskopische Oberbauchoperationen erfolgen in der Regel in Rückenlage des Patienten. Manche Chirurgen bevorzugen die Lagerung des Patienten auf einem geraden Tisch, der in eine unterschiedlich extreme Anti-Trendelenburg-Position (. Abb. 1.1) gebracht wird. Bei Lagerung auf einem Steinschnitttisch ist unbedingt auf perfekte Polsterung und Fixierung der Beine sowie der Schultern zu achten. Durch richtige Beinlagerung in den Göbel-Stützen können Peronäusläsionen vermieden werden. ! Die korrekte Lage des ausgelagerten Armes muss nach jeder intraoperativen Lageveränderung kontrolliert und ggf. korrigiert werden, um Armplexusläsionen zu verhindern.
Bei laparoskopischen Eingriffen im Unterbauch liegt der Patient zunächst in horizontaler Rückenlage und wird erst nach Anlage des Pneumoperitoneums in die Trendelenburg-Position (. Abb. 1.2) gebracht, um das Dünndarmpaket in den Oberbauch gleiten zu lassen. Bei diesen Extremlagerungen ist die Abstützung an den Schultern (Trendelenburg) oder an den Füßen (AntiTrendelenburg) unerlässlich.
7 1.2 · Operationslagerungen
Eine Vakuummatte verhindert ebenfalls unkontrolliertes Verrutschen des Patienten. Eine Lagerung auf dem Steinschnitttisch ist zwingend erforderlich, wenn eine transanale Stapleranastomose geplant ist.
1.2.2
Abdeckungskonzepte
Die Abdeckungssystematik des OP-Gebietes ändert sich meist von Abteilung zu Abteilung. Die Art der Abdeckung hängt u. a. von den Materialien ab. Grundsätze 4 Ein modernes Abdeckungsmaterial muss Keimbarriere und Flüssigkeitsbarriere sein, z. B. um Verbrennungen zu vermeiden. 4 Um Störungen durch elektrische Felder in operativen und diagnostischen Geräten auszuschließen, muss die Abdeckung antistatisch sein; außerdem ist eine ungehinderte Thermoregulation von Bedeutung. 4 Die flexible Fixation mit Klebestreifen erleichtert die Abdeckung. 4 Abdeckungen sollen in Sets gelagert werden, standardisiert und operationsspezifisch, mit funktionell gefalteten Tüchern, die in der Reihenfolge ihrer Anwendung gepackt sind. 4 Eine effiziente Versorgung ebenso wie die Entsorgung muss gewährleistet sein. 4 Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit sind wichtige Faktoren.
Materialien Gore-Tex-OP-Textilien sind aus mikroporösem Material. Die Partikelabgabe während des Gebrauchs ist sehr gering. Das feinporige Material stellt eine optimale Keimbarriere dar. Es ist saugfähig und absolut wasserfest, solange es unbeschädigt ist. Es ist luftundurchlässig, aber eine ungehinderte Thermoregulation ist möglich. Gore-Tex-Textilien werden häufig über Leasingfirmen geliefert und aufbereitet. Vliesmaterialien aus Holzpulpe sind als Einwegabdeckungen im Handel. Sie sind wasserdicht, atmungsaktiv, weich und reißfest, haben eine geschlossene Materialstruktur und sind deshalb praktisch fusselfrei in der Anwendung. Sie können einzeln oder in verschiedenen Sets geliefert werden. Die Entsorgung erfolgt über den Krankenhausmüll in die Verbrennungsanlage. In der Regel enthält das operationspezifische Abdeckset das benötigte Einwegmaterial. Das vermindert das
Müllaufkommen und erleichtert die Operationsvorbereitung.
Präoperative Rasur Hygienische Anforderungen Die präoperative Rasur wird aus hygienischer Sicht unterschiedlich bewertet. Teilweise wird eine Rasur empfohlen, teilweise genügt die Kürzung der Haare. Der Patient sollte nicht früher als 2 h vor dem chirurgischen Eingriff rasiert werden, um die mit evtl. entstandenen Läsionen einhergehende Infektionsgefahr zu verringern. Von der Rasur unmittelbar im OP-Saal ist abzuraten, da die Unterlage des OP-Tisches nicht absolut vor Durchfeuchtung und Verschmutzung geschützt werden kann. Wenn in Ausnahmefällen doch im OP-Saal rasiert wird, muss die Unterlage des Patienten vor Durchfeuchtung geschützt werden, und die entfernten Haare dürfen nicht ins OP-Feld gelangen.
Rechtliche Anforderungen Ausgenommen von der Rasur ist immer der Gesichtsbereich. Die unerlaubte Entfernung der Augenbrauen kann als Körperverletzung interpretiert werden. Eine Bartrasur muss mit dem Patienten besprochen sein. jNassrasur
Dem Patienten wird eine Einwegunterlage unter das zu rasierende Körperteil gelegt; die Haut wird gründlich mit flüssiger Seife oder Rasierschaum angefeuchtet. Die Größe des behandelten Feldes hängt von der Schnittführung ab, als Anhaltspunkt gilt »Schnittlänge +10–20 cm Umfeld«, weil Schnitterweiterungen und Drainageaustrittstellen bedacht werden müssen. Rasur-Standards für die einzelnen Operationen definieren auch für Mitarbeiter auf peripheren Stationen, wie lang üblicherweise ein chirurgischer Zugang ist. Die Rasur reicht dann aus und muss nicht im OP-Saal erweitert werden. Damit können Missverständnisse und Kommunikationsprobleme vermindert werden. jTrockenrasur
Nur im Notfall sollte die Haut ohne Rasierschaum oder -seife rasiert werden. Besonders die Trockenrasur mit einem Einmalrasierer birgt die Gefahr der Hautläsionen und anschließenden Infektion. jChemische Depilation
Statt einer Nassrasur können auch chemische, keratinlösende Substanzen verwendet werden, die eine Enthaarung an der Hautoberfläche bewirken. Da sie keinerlei Hautläsionen hervorrufen, können sie mehrere Stunden vor dem Eingriff angewendet werden. Zur Vermeidung aller-
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1
Kapitel 1 · Grundlagen
gischer Reaktionen wird die Substanz vor der Anwendung z. B. in der Ellenbeuge des Patienten getestet. Im Intimbereich ist von chemischen Mitteln abzuraten, da der Kontakt mit Schleimhäuten Reizungen verursacht.
1.2.3
Regeln zur Anwendung des HF-Gerätes 4 Die »Neutralelektrode« (Dispersionselektrode) sollte so nah wie möglich am OP-Feld platziert werden, damit der Strom schnellstmöglich wieder darüber abfließen kann. Sie sollte immer an der zu operierenden Seite angebracht werden, damit der Strom nicht quer zur Körperachse fließen muss. Dies gilt besonders im thorakalen Bereich. 4 Die »Neutralelektrode« muss ganzflächig am Körper des Patienten anliegen. Behaarte oder narbige Körperteile sind daher ungeeignet. Der Stromfluss ist gestört, wenn das Kabel gebrochen ist, oder die Steckkontakte defekt sind. 4 Bei Patienten mit Pacern oder Herzschrittmacherelektroden kann die Anwendung von monopolarem Strom zu Störungen der Pacerfunktion und zu Kammerflimmern führen. Deshalb muss bei solchen Patienten mit bipolarem Strom gearbeitet werden. Herzschrittmacher der neueren Generation sind von monopolarem Strom nicht mehr zu stören, dazu ist es nötig, den HerzschrittmacherPass des Patienten zu beachten und zu dokumentieren. 4 Das instrumentierende Personal muss darauf achten, dass die sterilen Elektroden sauber sind. Verbrannte Gewebereste müssen ständig entfernt und Einmalelektroden bei Bedarf erneuert werden. Sollte die Koagulationsleistung des HF-Gerätes intraoperativ nachlassen, sind zunächst alle technischen Gegebenheiten zu prüfen, bevor die Stromstärke am Gerät erhöht wird.
Hochfrequenzchirurgie
Prinzip Nach dem Joule-Gesetz (benannt nach dem Physiker James Prescot Joule) entsteht Wärme, wenn elektrischer Strom durch einen leitfähigen Körper fließt. Hierbei gilt: Je höher die Stromdichte ist, desto mehr Wärme entsteht. Diese Tatsache wird in der Chirurgie genutzt, indem an den Körperstellen eine hohe Stromdichte erzeugt wird, an denen geschnitten oder koaguliert werden soll. Dazu werden hochfrequente Wechselströme durch den Körper des Patienten geleitet, der über die »Neutralelektrode« mit dem HF-Gerät verbunden ist. Den Gegenpol stellt der Handgriff mit der sterilen OP-Elektrode dar, die ebenfalls mit dem Gerät verbunden ist.
Anwendung Jedes Gerät hat eine Standardeinstellung, die vom Hersteller angegeben wird und dem OP-Personal bekannt sein muss. Bei Bedienung der Handelektrode schließt sich der Stromkreis; je nach Geräteeinstellung wird das Gewebe durch regelbare Hitzeeinwirkung koaguliert. Die Handelektrode wird unter Aufsatz der Messeroder der Stichelelektrode entweder zum Schneiden oder zum Koagulieren benutzt; mit der Knopfelektrode wird der Strom an die Pinzette geleitet, mit der ein blutendes Gefäß gefasst wurde (monopolare Anwendung). Die bipolare Anwendung erfordert keine Dispersionselektrode. Die entsprechenden Pinzetten und Scheren leiten den Strom von einem Arbeitsteil (Pol) zum zweiten Arbeitsteil (Pol).
Neben Ultraschallapplikatoren (7 Abschn. 2.15) stehen weitere Methoden zur Blutstillung zur Verfügung. Zum Beispiel kann mit dem Argonbeamer (monopolares »Sprayen« mit Argon als Trägergas) kontaktfrei koaguliert werden oder mit dem LigaSure (Fa. Covidien) Gefäße verschweißt werden.
Gefahren und Prophylaxen Hat der Patient während des Koagulierens Kontakt zu Metallteilen des Tisches, kann an diesen Stellen hochfrequenter Strom abfließen und Verbrennungen verursachen. Metallteile befinden sich an den seitlichen Gleitschienen des OP-Tisches und an Zubehörteilen wie Narkosebügel oder Armtisch. Zu den EKG-Elektroden muss ein Sicherheitsabstand von 150–200 mm eingehalten werden; HF-Geräte müssen gemäß MPG regelmäßig gewartet werden. Die falsche Bedienung oder die Nichtbeachtung der folgenden Vorsichtsmaßnahmen kann schwerwiegende Zwischenfälle verursachen.
1.3
Aspekte zur pflegerischen Dokumentation I. Welk
1.3.1
Grundlagen der Dokumentation
Seit 1978 besteht aufgrund der Rechtslage für den Arzt eine Dokumentationspflicht seiner Tätigkeiten (Mehrhoff 1988; Böhme 1991). Durch Dokumentation soll Transparenz erreicht werden, die es nachbehandelnden Personen (z. B. Ärzte, Gutachter) ermöglichen soll die Behandlung nach-
9 1.3 · Aspekte zur pflegerischen Dokumentation
vollziehen und beurteilen zu können. Eine gute Dokumentation soll alle relevanten Aspekte der Behandlung und getroffenen Maßnahmen enthalten. Für den Pflegebereich ist mit dem Krankenpflegegesetz von 1985 eine Regelung beschrieben. Hier wird u. a. als Ausbildungsziel von der »sach- und fachkundigen, umfassenden und geplanten Pflege des Patienten« (Kurtenbach et al. 1994) gesprochen, die nur mittels einer lückenlosen Dokumentation aller Pflegehandlungen gesichert werden kann. Verschiedene Gesetze und Vorgaben (Krankenpflegegesetz, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Sozialgesetzbuch SGB Buch V etc.) machen die Dokumentation heute zwingend notwendig. Auch medikolegale Anforderungen erfordern zunehmend den Dokumentationsnachweis, wobei nicht dokumentierte Inhalte als »nicht geleistet« interpretiert werden. Im Spannungsfeld zwischen Medizin, Pflege und Ökonomie wird verstärkt Dokumentationsbedarf gefordert (z. B. Dokumentation DRG-relevanter Maßnahmen etc.). Definition Dokumentation bedeutet eine beweiskräftige, wahrheitsgemäße Auflistung vorgenommener Maßnahmen.
Für den Patienten bedeutet dies mehr Sicherheit durch einen nahtlosen Informationsaustausch zwischen den ihn versorgenden Personen und Organisationseinheiten. Außerdem wird deren gegenseitige Kontrolle, sowie die Überprüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit der am Patienten vorgenommenen Handlungen im nachhinein gewährleistet. In der Praxis stellen sich die Auswirkungen und Vorteile der Dokumentationspflicht sehr vielschichtig dar, z. B. durch Vorgaben der Qualitätssicherung. Zusammengefasst sind folgende Schwerpunkte zu nennen: 4 Qualitätsleistung, Qualitätskontrolle, 4 gesicherte Informationsübermittlung, 4 Zeitersparnis (Vermeidung von Mehrfachmaßnahmen), 4 Nachweis erbrachter Leistung, 4 Sicherung der Patientenrechte als Bestandteil des Krankenhausvertrages, 4 Abrechnungsgrundlage, 4 Beweissicherung für Krankenhausträger, Personal und Patienten. Der letzt genannte Punkt muss jedem Dokumentierenden bewusst sein, denn nur ein exaktes und übersichtliches Vorgehen kann im Falle eines Rechtstreits (manchmal auch Jahre später) verhindern, dass es zu einer Umkehr der Beweislast kommt. Das bedeutet, dass im Falle einer man-
gelhaften Dokumentation das Krankenhaus die Beweislast für ein Nichtverschulden seinerseits an einem aufgetretenen Schaden zu tragen hat. Es gibt bis heute keine allgemeinverbindliche Richtlinie, in welcher Weise und mit welchen Inhalten eine Dokumentation angefertigt werden muss, um allen Ansprüchen Rechnung zu tragen. Durch gesetzliche Vorgaben zur Teilnahme an externen Qualitätssicherungsmaßnahmen ist eine Datenerfassung notwendig, die in Papierform schwer zu erbringen ist, aber Auswertungen zur Qualitätsüberprüfung zulassen muss. Mit dem Gesetz zur Einführung des Diagnose-orientierten Fallpauschalengesetzes für Krankenhäuser (FPG 2001) stiegen die Anforderungen an den Dokumentationsumfang. In einer Funktionsabteilung mit ihrer Vielzahl von individuellen Behandlungsabläufen, wie sich eine Operationsabteilung darstellt, ist es schwierig die Dokumentationsinhalte und Bedarfe zu standardisieren und/oder zu synchronisieren. Aus diesem Grund sind hier zunehmend flexible und an die jeweilige Infrastruktur des Krankenhauses adaptierte elektronische Dokumentationssysteme gefragt. In den Programmen finden sich in der Regel Dokumentationshilfen in Form von standardisierten Datensätzen für definierte OP-Gruppen und Eingabemasken für Operations- und Diagnoseverschlüsselung (OPS 301, ICD9, ICD 10). Diese werden auf Basis der internationalen Standards (WHO) regelmäßig vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) aktualisiert.
1.3.2
Grundlagen zur Implementierung einer EDV-gestützten OP-Dokumentation
Der Weg bis zur Einführung einer Software für den OPBereich ist nicht einfach, da unterschiedliche Zielgruppen an der Entscheidungsfindung beteiligt sind. Zu befürworten ist ein System, das unterstützend die Anwendung für Patientenadministration, Dokumentation, Planung, Materiallogistik für OP und Anästhesie integriert und als Arbeits- und Informationsinstrument für das OP-Management und alle anderen Mitarbeiter im OP genutzt wird. Der Anwender »bewertet« den Umgang mit dem EDVTool nach folgenden Kernpunkten: 4 Akzeptanz der Mitarbeiter (z. B. Anwenderfreundlichkeit, Zeitaufwand, selbsterklärende Maskenführung), 4 Parametrierung (Konfiguration der Programmmodule), 4 Abstimmung von Prozessen und Anwendung, 4 Anwenderschulungen,
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1
Kapitel 1 · Grundlagen
4 IT-Begleitung vor Ort, 4 Kooperation und Kommunikation mit den Herstellern, 4 Transparenz der Projektkomplexität (auch im Hinblick auf zunehmende Arbeitsverdichtung), 4 Schnittstellenintegration, 4 Wünsche und Fehlerkultur.
1.3.3
Datenschutz
Spezielle Anforderungen an ein EDV-gestütztes Dokumentations- und Erfassungssystem werden auch durch das Datenschutzgesetz vorgegeben, da es sich überwiegend um personenbezogene Daten handelt. Diese Anforderungen müssen ebenfalls durch den Software Hersteller berücksichtigt werden. So gilt z. B. die Wahrung der Vertraulichkeit von Daten. Eng verknüpft sind damit die Regelung von Zugriffsberechtigungen, Freigabeverfahren und die Archivierung (Art, Dauer). Diese Vorgaben müssen mit den betrieblichen Abläufen gesetzeskonform harmonisiert werden. Weitere Regelungen ergeben sich aus dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG regelt den Umgang mit personengebundenen Daten), der Datenschutzverordnung (die DSV formuliert notwendige Sicherheitsanforderungen bei der automatisierten Datenverarbeitung), sowie aus dem Landesdatenschutzgesetz, das aktuelle Schnittstellen zwischen Datenschutzkonzepten und dem Fortschritt der Informationstechnologie aufzeigt. Die Zunahme der Dokumentationsanforderungen verdeutlicht die Komplexität der Datenschutzaspekte und die Notwendigkeit einer Informationstransparenz im Rahmen einer Prozessoptimierung im täglichen Umgang mit hochsensiblen Daten.
1.3.4
Was kann elektronische Dokumentation?
Schon vor Einführung elektronischer Medien zur Dokumentation im Krankenhaus wurden in Papierform die wichtigsten Leistungsnachweise, bezogen auf die Maßnahmen am Patienten dokumentiert (z. B. OP-Bücher). Ziel der elektronischen Dokumentationsform ist die Loslösung von Papier sowie im Rahmen wachsender Vernetzungen Insellösungen für einzelne Bereiche zu vermeiden. Dabei sollen individuelle Anforderungen der Berufsgruppen und Bereiche im Krankenhaus Berücksichtigung finden. Der Anbietertrend entwickelt sich verstärkt in Richtung Gesamtpaketlösungen, die den Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung begleiten. Diese, in sog. Modulen aufgebaute EDV-Lösungen gibt es für alle Krankenhausbereiche. Planung, Dokumentation und Auswertung stehen allen berechtigten Mitarbeitern zeitaktuell zur Verfügung. Inter-
essant ist dabei auch die Verknüpfung zwischen Tagesgeschäft und administrativen Anforderungen der Krankenhausverwaltung. So kann z. B. nur bei vorhandener Fallnummer für jeden Behandlungsfall eine OP-Dokumentation angelegt werden (die Fallnummer erhält der Patient bei Aufnahme). Nutzerspezifische Zugangsberechtigungen ermöglichen den Zugang zur Dokumentation durch die Berufsgruppen, die an der Operation beteiligt sind. Voraussetzung dafür ist die Definition und personengebundene Zuordnung der Zugriffsberechtigungen (wer dokumentiert wann und was). Unterstützend für die Dokumentation sind definierte Prozesse, die auch in einem Qualitätsmanagement-Handbuch hinterlegt sind. Ist das Zeitfenster für die Dokumentation aufgrund vieler kurzer Eingriffe sehr klein, können Standardfelder hinterlegt werden, die den Zeitaufwand für die Dokumentation reduzieren. Die sog. ärztliche Dokumentation (z. B. Verschlüsselung von Diagnosen und Prozeduren bezogen auf eine bestimmte Operation) kann grundsätzlich durch Pflegepersonal ausgeführt werden. Diese Absprache ist in Anbetracht der organisatorischen Abläufe im OP-Bereich Zeit sparend, da bereits während der Operation die Eingaben durchgeführt werden können. Der verantwortliche Arzt gibt die Eingaben nach Beendigung der Operation frei. Die Freigabe der gesamten Dokumentation kann nur erfolgen, wenn alle Pflichtfelder vollständig ausgefüllt sind. Die einzelnen Schritte der Eingabe sind für den Anwender möglichst in selbsterklärenden Masken im Programm hinterlegt (Bestandteil des durch den Anwender definierten Anforderungsprofils für die Software!) und führen durch die Reihenfolge der Dateneingabefelder. Abschließend kann ein Papierausdruck für die Patientenakte direkt mitgegeben werden. Eine Unterschrift bestätigt, dass die Papierversion mit der elektronischen Dateneingabe übereinstimmt. Da auf dem Markt bereits eine Vielzahl von Systemen angeboten wird, sollen hier nur das allgemeine Leistungsspektrum und die Anforderungen an solche Produkte aufgeführt werden: 4 Qualitätssicherung nach § 137 SGB V, 4 Unterstützung des Operationsschlüssels nach § 301 SGB V und Diagnoseschlüssel ICD-9 und ICD-10, 4 Integration standardisierter Datensätze (z. B. ambulantes Operieren nach § 115b SGB V), 4 Schnittstellen- und Systemkompatibilitäten (z. B. SAP, SQL etc.), 4 normierte Exportfunktionen für diverse Auswertungsprogramme (z. B. Excel, Access), 4 Vernetzung mit z. B. Anästhesiedokumentationssystemen. Man unterscheidet in der OP-Dokumentation zwischen geplanten und nicht geplanten Eingriffen. Die geplanten
11 1.3 · Aspekte zur pflegerischen Dokumentation
Eingriffe finden sich im OP-Planungsmodul (OP-Programm) wieder und können im jeweiligen Saal direkt aufgerufen werden. Für Notfälle muss vorab eine Fallnummer vorhanden sein und eine OP angelegt werden.
1.3.5
Dokumentationszeitpunkt
Die Dokumentation soll möglichst zeitnah erfolgen. Bei Notfällen ist es aus zeitlichen Gründen erforderlich, die Dokumentation nachträglich durchzuführen und den Umstand der zeitlichen Verzögerung zu benennen. Die meisten EDV-Systeme bieten durch sog. Plausibilitätsprüfungen eine Dokumentation in chronologischer Abfolge. So kann z. B. die Hautnaht nicht vor dem Erstschnittzeitpunkt eingegeben werden und ein Dokumentationsabschluss ist nicht möglich. Eine Änderung im System nach Freigabe ist nur mit ausgewählten Nutzerrechten möglich. Sinnvoll ist eine Einführung sog. elektronischer Archive, um die Dokumentationsflut zu konzentrieren. Hierbei kommt zunehmend eine elektronische Signatur als Unterschrift zum Einsatz.
1.3.6
4 Drainagen (incl. verwendetem System), 4 Verbände/Gipsanlage, 4 Zählkontrolle der Textilien (Kompressen, Bauchtücher, Tupfer etc.), Instrumente und z. B. Nadeln vor und nach der OP, 4 Implantate, Materialverbrauch (Chargendokumentation, Anzahl), 4 Operation nach Operations- und Prozedurenschlüssel (OPS) 301 durch Operateur (. Tab. 1.1), 4 Diagnosen nach Diagnoseschlüssel ICD-9/-10 durch Operateur.
Beispiel Operationsschlüssel . Tab. 1.1 Beispiel Operationsschlüssel 5–10
Ablaufbeispiel für eine EDV-gestützte Dokumentation
Alle Eingabeschritte sind vorkonfiguriert und führen den Anwender durch die Dokumentation. Die erforderlichen Angaben (z. B. Personal, Material, OP-Siebe), mögliche Diagnosen und Diagnoseschlüssel sind vorgegeben und werden angeklickt. Kontrollmöglichkeiten, z. B. Zählkontrolle verwendeter Textilien, müssen gewährleistet sein. Der Dokumentationsablauf erfolgt in Einzelschritten: 4 Anmeldung im System über Benutzername und Passwort, 4 überprüfen der Patientenstammdaten, 4 Wahl der Dokumentationsvorlage (z. B. OP-Bericht), 4 Auswahl der Maske zur Eingabe (z. B. Operateur, Anästhesie, Pflegepersonal etc.), 4 Eingabe der Personal- und Zeitdaten (z. B. wer, wann, was, wie lange), 4 allgemeine Angaben (z. B. Lagerung, Positionierung der HF-Elektrode, Blutleere etc.), 4 Instrumentensiebe (z. B. zur Berechnung der Folgekosten durch Wiederaufbereitung, Dokumentation von Ersatz- und Neubeschaffungsbedarf, Fehlerdokumentation), 4 zusätzlich erforderlicher apparativer Aufwand (z. B. Röntgen, Sonographie, intraoperative Radiotherapie, Laser etc.), 4 Histologie/Pathologie (z. B. Schnellschnitt, Präparate),
Operationen an den Augenmuskeln Hinweis: Die Angabe des Augenmuskels ist für die Kodes 5–100 bis 5–109 nach folgender Liste zu kodieren 0
M. rectus internus
1
M. rectus externus
5
M. rectus superior
x
Sonstige
y
N. n. bez (nicht näher bezeichnet)
5–100
Operationen an den Augenmuskeln: Tenotomie und verwandte Eingriffe an geraden Augenmuskeln Hinweis: Die Angabe des Augenmuskels ist in der 6. Stelle nach der Liste vor Kode 5–100 zu kodieren
5–100.0
Operationen an den Augenmuskeln: Tenotomie und verwandte Eingriffe an geraden Augenmuskeln: Tenotomie: M. rectus externus
5–100.00
Operationen an den Augenmuskeln: Tenotomie und verwandte Eingriffe an geraden Augenmuskeln: Tenotomie: M. rectus internus
(Quelle: Deutsches Institut f. medizinische Dokumentation und Information – DIMDI)
Beispiel eines Diagnoseschlüssels nach ICD Internationale Klassifikation der Krankheiten (Verschlüsselung der Diagnosen; . Tab. 1.2). Nur eine lückenlose und nachvollziehbare Dokumentation kann im Regressfall verhindern, dass es zu einer Umkehr der Beweislast kommt, d. h. der Krankenhausträger muss im Schadensfall die Beweispflicht für ein Nichtverschulden übernehmen.
1
12
1
Kapitel 1 · Grundlagen
. Tab. 1.2 Infektiöse Darmkrankheiten (A11–A09) A00
Cholera
A01
Typhus abdominalis und Paratyphus
A01.0
Typhus abdominalis Infektion durch Salmonella typhi Typhoides Fieber
A01.1
Paratyphus A
A01.2
Paratyphus B
A01.3
Paratyphus C
A01.4
Paratyphus, nicht näher bezeichnet Infektion durch Salmonella paratyphi o.n.A.
(Quelle: Deutsches Institut f. medizinische Dokumentation und Information – DIMDI)
1.3.7
Umsetzungsschwierigkeiten
Die Dokumentationsaufgabe findet sich im Arbeitsalltag oftmals begleitet von Zeitdruck durch Arbeitsverdichtung für alle Berufsgruppen. Ängste und unterschiedliche Erfahrungen im Umgang mit dem PC, sowie nicht ausreichende PC-Arbeitsplätze und zeitliche Kollisionen des Eingabezeitpunktes resultieren in Unzufriedenheit »mit dem System«. Vermieden werden sollte auch eine Doppeldokumentation. Daher sollte vor Implementierung einer EDV-Systemlösung hausintern eine Zuordnung der Eingabeinhalte und die Freigabefunktion abgestimmt werden. Bereits im Vorfeld ist es zielführend mit den Beteiligten ein sog. Pflichtenheft zu erstellen, um die Software am Bedarf der Anwender auszurichten. Praktikabilität (Handling), Anwenderfreundlichkeit (z. B. selbsterklärende Menüführung), sowie technisches Know-how (z. B. Plausibilitätsprüfung, Vernetzung administrativer Funktionen, Schnittstellenintegration) werden gemeinsam erarbeitet. Schulungsbedarfe müssen ermittelt und die Implementierung vor Ort durch IT- Personal begleitet werden. Unterstützend für die Dokumentation von Verbrauchsmaterialien sind standardisierte und klar strukturierte Materiallisten, verbunden mit sog. OP-Standards. Die Verbrauchsdokumentation wird zunehmend wichtiger, da der Materialverbrauch über 50% der Gesamtsachkosten, bezogen auf den Fall, betragen kann, die Kostenstruktur durch eine Datenerfassung transparent wird und mögliche Kostentreiber detektiert werden können. Eine mögliche Strategie kann auch das Modell einer leistungsbezogenen Materiallogistik mit just-in-time-Belieferung bei Bedarf sein, die eine Kapitalbindung durch Lagerung und Vorhal-
tung minimiert. Eine modulare Versorgung ist den weit verbreiteten Sammelbestellungen vorzuziehen.
1.4
Risikomanagement im OP I. Welk
Die Themen Risikomanagement und Patientensicherheit gewinnen zunehmend an Bedeutung, da Öffentlichkeit, Patienten und zuweisende Ärzte im Krankenhaus eine fehler- und komplikationsfreie Behandlung erwarten. Die Bedeutung zeigt sich durch: 4 zunehmende Medienpräsenz zum Thema »Kunstund Behandlungsfehler«, 4 wachsendes Anspruchsverhalten von Patienten und deren Angehörigen, 4 medizinische Innovation und technischen Fortschritt, 4 strenge Auflagen der Haftpflichtversicherer, 4 juristische Konsequenzen bei medikolegaler Fragestellung. OP und Anästhesie zählen aufgrund ihrer Komplexität zu den Hochrisikobereichen im Krankenhaus, da hier Fehler schwerwiegende Auswirkungen auf den Patienten haben können. Im Fokus stehen hier v. a. neue Operations- und Behandlungsverfahren sowie die Personalqualifikation. Die häufigsten Fragestellungen und Schadensmeldungen finden sich in den Bereichen: 4 Organisation, 4 Aufklärung, 4 Behandlung, 4 Arzneimittel, 4 Personal, 4 Medizintechnik (durch die rasante Entwicklung). In der Krankenhausorganisation können z. B. Informationsdefizite, Kommunikationsmängel, eingeschränkte Ausführung wichtiger Handlungen mit fehlender Qualifikation sowie knappe Personalressourcen zu Problemen führen. Bei angewendeten Materialien kann es zu Unverträglichkeiten, Infektionen, Allergien und Verwechslungen kommen. Das Personal kann Wissensdefizite durch unzureichende Qualifikation aufweisen, Fehleinschätzungen vornehmen, Erkrankungen und/oder Verletzungen übersehen oder als Infektionsüberträger fungieren. Ein Beispiel für Fehler im OP zeigt . Tab. 1.3.
13 1.4 · Risikomanagement im OP
. Tab. 1.3 Fehler – Beispiel aus dem OP Fehler
Operation an der falschen Extremität
Ursache
4 4 4 4
Abgeleitete Maßnahmen
4 Patientenidentifikationssystem des Krankenhauses verändern (z. B. Armband gemäß Empfehlungen des Patientenbündnisses Sicherheit) 4 Verwendung einer Sicherheitscheckliste (gemäß. WHO-Empfehlung) 4 Kennzeichnung der zu operierenden Seite vor dem Transport in den OP durch den Operateur mit einem wasserfestem Marker und Unterschrift 4 festgelegte farbige Markierungen 4 Mehrfachkontrollen
1.4.1
Notfalleingriff Verständigungsschwierigkeiten Patient unter Prämedikation kurzfristiger Operateur- (Personal-)wechsel 4 Namensähnlichkeiten 4 Fehlende Identifikation der zu operierenden Seite 4 Zeitdruck
Warum Risikomanagement?
Patientensicherheit und Risikominimierung sind führende Unternehmensziele, um Patienten während eines Krankenhausaufenthaltes und im Rahmen notwendiger Behandlungs- und Therapiemaßnahmen nicht zusätzlich zu schädigen. Ziel eines erfolgreichen Risikomanagements ist die Entwicklung einer professionellen Fehlermeldekultur mit Implementierung klinikinterner Fehlervermeidungsstrategien.
1.4.2
Instrumente zur Erfassung von Ereignissen und Beinahe-Fehlern – das Critical Incident Reporting System (CIRS)
Risikomanagement als Prozess Das Risikomanagement gliedert sich in verschiedene Prozessschritte, die sich in einem definierten Ablaufzyklus abbilden. Um ein effektives Risikomanagement zu etablieren und Risiken zu minimieren, müssen diese zunächst erkannt (Risikoidentifizierung), kommuniziert und nach ihrer Bedeutung (Risikobewertung) analysiert werden. Abgeleitet werden Fehlervermeidungsstrategien (Risikobewältigung) und eine regelmäßige Überprüfung der abgeleiteten Maßnahmen (Risikocontrolling). Da im Regelfall Fehler und Konsequenzen erst rückblickend nach dem Auftreten be-
. Abb. 1.3 Eckpunkte des Risikomanagements
trachtet werden, ist ein strukturiertes Meldesystem im Sinne eines Critical Incident Reporting System (CIRS) zielführend. Hierbei werden nicht nur bereits geschehene Zwischenfälle, sondern bereits sog. Beinahe-Ereignisse, die zu einem Fehler hätten führen können, aufgenommen (. Abb. 1.3).
Risikomanagement ist integraler Bestandteil des Qualitätsmanagements Primär geht es nicht um personengebundene oder abteilungsbezogene Schuldzuweisungen, sondern um die Ausbildung einer (Unternehmens-) Fehlermeldekultur, dem Lernen aus Fehlern und der Ableitung zukünftiger Fehlervermeidungsstrategien. Um die Ergebnisse transparent zu kommunizieren, bietet das CIRS eine anonymisierte Meldemöglichkeit zu folgenden Fragestellungen: 4 Wann geschah das Ereignis? 4 Was ist passiert? 4 Welcher Fehler liegt vor? 4 Wo ist es passiert? 4 Warum gab es diesen Fehler? 4 Was wurde unternommen? 4 Welche Auswirkungen hatte das Ereignis? 4 Was könnte diesen Fehler zukünftig verhindern? Die Meldung erfolgt über einen Erhebungsbogen, z. B. über das klinikinterne Intranet und/oder in Papierform. Gleichzeitig mit der Meldung können eigene Lösungsansätze/Verbesserungen vorgeschlagen werden. Über eine zentrale Annahmestelle wird die Meldung an das Team des Risikomanagements (RM-Team) weitergeleitet. Dieses RM-Team ist interdisziplinär berufsgruppenübergreifend besetzt, analysiert das gemeldete Ereignis sorgfältig und
1
14
1
Kapitel 1 · Grundlagen
leitet Verbesserungsmaßnahmen ab. Der Rückmeldebericht wird ebenfalls ins Intranet gestellt, um die Mitarbeiter über die Fehlermeldung, die Auswirkung und die abgeleiteten Maßnahmen zu informieren. Dieses Feedback ist wichtig, um den Mitarbeitern Aktivitäten und Motivationsanreize zu signalisieren, das CIRS interaktiv zu nutzen (»es tut sich was«, »es bringt was«).
Umsetzungsschwierigkeiten Mit welcher Intensität Inhalte gemeldet werden, hängt von der Akzeptanz des CIRS innerhalb der Klinik und der Aufklärung der Mitarbeiter ab. Es muss deutlich werden, dass Meldungen keine persönlichen Konsequenzen oder arbeitsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Schulungen und Aufklärung reduzieren Ängste und erhöhen die Anwenderakzeptanz. Ursachen einer Fehlerentstehung sind in der Regel multifaktoriell, z. B.: 4 erhöhte Arbeitsbelastung, 4 Qualifikationsmängel, 4 Kommunikationsdefizite, 4 patientenbezogene Risikofaktoren, 4 restriktive Rahmenbedingungen. Das Auftreten von Fehlern wird oftmals mit personengebundenem Versagen assoziiert. Durch Angst vor Konsequenzen bleiben Fehler unbemerkt oder werden subjektiv als unvermeidbar passiv »hingenommen«.
Für die Nachvollziehbarkeit von Prozessabläufen kommen Standards, Handlungs- und Verfahrensanweisungen zur Anwendung. Ergänzend dazu finden sich Behandlungspfade und SOPs als Instrumente mit Verbindlichkeit und Transparenz. Patientenidentifikationshilfen (z. B. Patienenarmband, Kennzeichnung der OP-Seite am wachen Patienten) vermindern das Verwechslungsrisiko. Die Reproduzierbarkeit der Teilprozesse (z. B. Aufbereitungszyklus von Instrumenten im Sterilisationsprozess bis zur nächsten Anwendung am Patienten), die detaillierte Materialerfassung (z. B. Chargendokumentation, Implantatepass), das Vier-Augen-Prinzip (z. B. Zählkontrolle der OP-Textilien) sowie Schulungs- und Qualifikationsnachweise und das Führen von Gerätepässen zählen zu den Bausteinen in der praktischen Arbeit zur Erhöhung der Patienten- und Mitarbeitersicherheit. Speziell für den OP- und Anästhesiebereich gilt es, auch Verzögerungen und Notfälle einzuplanen, um ein realistisches Zeitmanagement durch Optimierung der Abläufe durch ein zentrales OP-Management zu sichern. Interdisziplinäre und berufsgruppenübergreifende Kommunikation und Kooperation sowie Harmonisierung der sog. Schnittstellen tragen zu einer Risikominimierung bei.
1.4.3
Zusammenfassung
Umgang mit identifizierten Risiken In den Bewältigungsstrategien sind die folgenden Elemente zu finden: 4 Risikovermeidung (z. B wird ein Patient bei nicht ausreichender Intensivbehandlungskapazität in ein anderes Krankenhaus verlegt). 4 Risikoreduzierung (z. B. Einhaltung von Arbeitszeitgesetz, Arbeitssicherheitsbestimmungen). 4 Risikoakzeptanz (z. B. ist ein 100% Ausschluss von Sturzereignissen im Krankenhaus nicht möglich). 4 Risikotransfer (z. B. Erhöhung des Versicherungsschutzes bei finanziellem Regress im Schadensfall). ! Auch nach klarer Identifikation anzunehmender und tatsächlicher Risiken ist es ausgeschlossen, alle Risiken dauerhaft und vollständig auszuschließen.
Risikomanagement im OP-Bereich Nach Analyse der Fehlermeldungen sind alle Beteiligten gefordert, zukünftige Vermeidungsstrategien zu entwickeln und Instrumente zur Risikominimierung zu erarbeiten. Zu diesen Instrumenten zählt z. B. der Einsatz von Checklisten für eine lückenlose Informationsweitergabe in der operativen Versorgungskette.
Risikomanagement im Krankenhaus dient der Erhöhung der Patientensicherheit. Voraussetzung dafür ist die Schaffung einer konstruktiven Fehlermeldekultur mit der systemischen Fragestellung »wie kam es dazu?« und nicht »wer hat Schuld?«. Die Implementierung eines Critical Incident Reporting Systems (CIRS) ermöglicht eine nachvollziehbare Schwachstellen- und Fehleranalyse und bietet als Feedbackinstrument Transparenz über den Umsetzungsgrad abgeleiteter Maßnahmen. Ein Risikomanagement ist Bestandteil der Unternehmenskultur und des klinikinternen Qualitätsmanagements. Risikomanagement erfordert die Bereitschaft aller Beteiligten, sich mit dem Thema aktiv auseinanderzusetzen, aber: Ein CIRS allein ist noch kein Risikomanagement!
1.5
Chirurgisches Nahtmaterial M. Liehn
Unerlässlich für eine gute Operationsassistenz sind Kenntnisse über die Beschaffenheit des chirurgischen Nahtmaterials.
15 1.5 · Chirurgisches Nahtmaterial
Welche Nähte für die geplante Operation benötigt werden, ist im Standard hinterlegt, aber der Instrumentant kennt die Beschaffenheit des Materials, die benötigte Stärke des Fadens sowie die Größe und Form der Nadel, um in unvorhergesehenen Situationen korrekt das passende Nahtmaterial anreichen zu können.
1.5.1
Vorschriften
. Tab. 1.4 Europäische Pharmakopöe (Fa. Ethicon) metric
USP
Durchmesserspanne in mm
0,01
12–0
0,001-0,009
0,1
11–0
0,010-0,019
0,2
10–0
0,020-0,029
0,3
9–0
0,030-0.039
0,4
8–0
0,040-0,049
In dem europäischen Arzneibuch sind Definitionen und Normierungen erstellt, die für alle Hersteller verbindlich sind.
0,5
7–0
0,050-0,069
0,7
6–0
0,070-0,099
4 USP
1
5–0
0,100-0,149
1,5
4–0
0,150-0,199
2
3–0
0,200-0,249
2,5
2–0
0,250-0,299
3
2–0
0,300-0,349
3,5
0
0,350-0,399
4
1
0,400-0,499
5
2
0,500-0,599
6
3
0,600-0,699
Diese Einteilung der United States Pharmacopeia wurde willkürlich gewählt. Es besteht kein Zusammenhang zwischen Nummerierung und Fadendurchmesser. Der erste hergestellte Faden erhielt die Stärkenbezeichnung 1, dickeres Material wurde aufsteigend mit 2, 3 usw. bezeichnet. Dünneres Material bekam die Bezeichnung 2–0, 3–0 usw. Je größer die Zahl vor der Null, desto feiner ist das Nahtmaterial. 4 Metric
Der Sortierung der Europäischen Pharmakopöe liegt das Dezimalsystem zugrunde. Die Stärkenbezeichnung gibt den Fadendurchmesser in 1/10 mm an und lässt somit Rückschlüsse auf den Durchmesser zu. Auf den Nahtmaterialverpackungen sind beide Stärkenbezeichnungen angegeben (. Tab. 1.4), aber im täglichen Gebrauch hat sich die USP-Bezeichnung durchgesetzt.
7
5
0,700-0,799
8
6
0,800-0,899
9
7
0,900-0,999
4 Einzelverpackungen sind in Transport- und Lagerbehältern untergebracht, die in Nahttribünen sortiert im OP bereitgestellt werden.
Fadenreißkraft Es gibt Richtwerte, wann ein Faden reißen darf, dieser Wert wird in Newton [N] angegeben. Für den Anwender ist die lineare Reißfestigkeit des Fadens nicht so wichtig wie die Reißkraft während des Knotens, da die hier auftretenden Scherkräfte die Sicherheit der Naht nicht gefährden dürfen.
Verpackung
Um bei der Vielzahl der Nahtmaterialien ein schnelles Erkennen zu gewährleisten, sind die Verpackungen farblich markiert und mit Kennzeichen versehen (. Abb. 1.4), was den schnellen Zugriff und die Unterscheidung zwischen resorbierbarem und nicht resorbierbarem Material erleichtert. Alle angegebenen Werte sind auch auf der einzelnen Nahtmaterialfolie wiederzufinden. Das Nadelsymbol ist in Originalgröße abgebildet.
Es sind Einzelfäden einer maximalen Länge von 3,5 m zugelassen. 4 Einzelverpackungen mit angegebenen Fadenlängen enthalten einen oder mehrere Fäden oder Nadel-Faden-Kombinationen. 4 Das Nahtmaterial ist in einer Polyethylen- oder Aluminiumfolie eingeschweißt. Bei resorbierbarem Material verhindert die Aluminiumbeschichtung ein Auflösen des Fadens. 4 Die sog. »Peelpackung« erleichtert dem »Springer« das Anreichen des Materials.
4 Strahlenbeständiges Nahtmaterial wird mit energiereichen Gammastrahlen sterilisiert. 4 Anderes wird mit Ethylenoxid begast und ist dementsprechend gekennzeichnet (. Abb. 1.4) 4 Der Nahtmaterialhersteller garantiert für die Sterilität der Originalverpackung. Entnommenes und nicht benötigtes Nahtmaterial darf nicht resterilisiert werden, da die Materialeigenschaften durch einen 2. Sterilisationsprozess verändert werden können.
Sterilisation
1
16
Kapitel 1 · Grundlagen
1
. Abb. 1.4 Verpackungskennzeichen. (Fa. Ethicon)
1.5.2
Fäden
Bei der Vielzahl der im Handel erhältlichen Produkte können die hier vorgestellten Fäden nicht als repräsentativ gelten. Anforderungen an chirurgisches Nahtmaterial 4 4 4 4 4
Sterilität Gewebeverträglichkeit Glatte Oberflächenbeschaffenheit Gutes Knüpfverhalten Ausreichende Festigkeit während der Wundheilung 4 Bei Bedarf Vorbeugung gegen postoperative Infektionen durch antibakteriell (mit Triclosan) beschichtetes Nahtmaterial (Vicryl Plus, Monocryl Plus, PDS Plus, Fa. Ethicon)
Unterschieden wird das Nahtmaterial auch nach Herkunft (. Tab. 1.5), Verarbeitung und Resorbierbarkeit.
Material geflochten wird (Vicryl, Safil, Dagrofil, Mersilene etc.). 4 Monofiles Material: Besteht aus einem Fadenfilament (. Abb. 1.5; PDS, Monocryl, Mirafil etc). 4 Pseudomonofiles/polyfiles Material: Bestehend aus mehreren Fadenfilamenten (. Abb. 1.6). Die »Fadenseele« ist gedreht/gezwirnt und mit einem Mantel überzogen, der dem Faden einen monofilen Charakter verleiht.
. Tab. 1.5 Herkunft des Nahtmaterials Grundstoff Tierische Grundstoffe
Kokon der Raupen
Seide
Pflanzliche Grundstoffe
Flachs
Zwirn
Synthetische Grundstoffe
Polyamid Polyester Polyglactin Polyglykolsäure Polypropylen etc.
Vicryl, PDS, (Fa. Ethicon) Safil, Dagrofil etc. (Fa. BBD) Prolene, Ethibond Excel
Mineralische Grundstoffe
Edelstahl Titan etc.
Drahtnähte
Verarbeitung 4 Zwirnen: Mehrere einzelne Fäden werden gedreht. 4 Flechten: Mehrere einzelne Fäden werden gedreht, um welche anschließend eine Hülle aus dem gleichen
Beispiel
17 1.5 · Chirurgisches Nahtmaterial
. Abb. 1.5 Aufsicht auf einen monofilen Faden. (Fa. Ethicon)
Resorbierbarkeit Resorbierbar: Nach einer definierten Zeit werden alle synthetischen Fäden durch Hydrolyse abgebaut. Dabei wird das Material durch Gewebeflüssigkeit aufgespalten und gleichmäßig vom Körper abgebaut. Die Resorptionszeit darf nicht mit dem »Reißkraftabfall« gleichgesetzt werden, der angibt, wie lange der Knoten seine Funktion erfüllt. Der Faden des resorbierbaren Nahtmaterials ist noch zu sehen, wenn er seine Reißkraft schon verloren hat.
Synthetisches resorbierbares Nahtmaterial Monofiles, geflochtenes und pseudomonofiles Nahtmaterial wird unabhängig von Gewebefaktoren abgebaut (s. oben). Dabei entstehen kaum Gewebereaktionen und Fadengranulome. Beispiele sind im Folgenden dargestellt. 4 Vicryl (Polyglactin 910, Fa. Ethicon)
Ein synthetischer polyfiler Faden, der nach 21 Tagen noch ca. 50% seiner Ausgangsreißkraft besitzt. Nach ca 60–70 Tagen vollständig resorbiert. Durch Oberflächenbeschichtung gleitet er im Gewebe und lässt sich problemlos knoten. In sehr dünnen Stärken wird er monofil angeboten. 4 Vicryl rapide (Polyglactin 910, Fa. Ethicon)
Ein synthetischer Faden mit einer polyfilen Struktur und einer beschichteten Oberfläche, der sich durch kurze Resorptionszeit (nach 5 Tagen Verlust von 50% der Reißkraft, nach ca 40 Tagen resorbiert) auszeichnet. 4 Monocryl (Poliglecapron 25, Fa. Ethicon)
Ein monofiler resorbierbarer Faden, nach 7 Tagen noch 60% der Reißkraft, nach ca. 120 Tagen vollständig abgebaut. 4 Vicryl Plus, Monocryl Plus, PDS Plus
Diese Fäden in der oben genannte Struktur wurden mit Triclosan beschichtet und bilden so eine bakterizide Zone um den Faden herum, um Infektionen, z. B. mit
. Abb. 1.6 Aufsicht auf einen polyfilen Faden. (Fa. Ethicon)
MRSA oder MRSE, wie auch mit E. coli und K. pneumoniae zu verhindern.
Nicht resorbierbares Nahtmaterial Die Fäden behalten einen Großteil ihrer Reißfestigkeit, werden aber über einen längeren Zeitraum auch partiell abgebaut. Sie verbleiben dauerhaft im Gewebe oder werden entfernt. Sie werden dort angewendet, wo über einen langen Zeitraum eine konstante Fadenfestigkeit gewünscht ist, z. B. bei Gefäßnähten. 4 Polyamidfäden (Ethilon, Fa. Ethicon, Premilene, Fa. BBD)
Sie werden aus synthetischen Polyamiden (fadenbildende Polymere) hergestellt. Polyamidfäden werden geflochten, gezwirnt und monofil/pseudomonofil angeboten. Sie eignen sich aufgrund eines allmählichen Zersetzungsprozesses im Wesentlichen für Hautnähte, zeichnen sich aber durch Geschmeidigkeit, Reißfestigkeit, Knotensitz sowie geringe Gewebereaktionen und eine wasserabweisende Eigenschaft aus. 4 Polyesterfäden (Mersilene, Ethilon Excel, Fa. Ethicon, Dagrofil, Fa. BBD)
Sie werden monofil, geflochten mit und ohne Ummantelung hergestellt und verfügen über sehr gute Gewebeverträglichkeit, Geschmeidigkeit, hohe Reißkraft und wasserabweisende Wirkung. 4 Polypropylenfäden (Prolene, Fa. Ethicon)
Sie nehmen kein Wasser auf und verändern ihre Eigenschaften im Gewebe nicht. Die Knoteneigenschaften und die Reißfestigkeit sind gut. Eingesetzt werden sie insbesondere in der Gefäß- und Kardiochirurgie und für Hautnähte. Seide und Zwirn kommen nur noch sehr selten zum Einsatz.
1
18
Kapitel 1 · Grundlagen
1
. Abb. 1.7 Fädelöhr
. Abb. 1.8 Federöhr
b a
c d e . Abb. 1.9 Aufbau einer Nadel. (Fa. Ethicon)
1.5.3
Nadelkunde
. Abb. 1.10 a Halbkreisnadel, b asymptotische Nadel, c J- oder Angelhakenform, d Ski- oder Kufenform; e gerade Nadel
Öhrnadeln 4 Fädelöhrnadeln
Aus den Aufgaben der chirurgischen Nadeln ergeben sich die Anforderungen an ihre Beschaffenheit (7 Übersicht). Anforderungen an die Beschaffenheit von chirurgischen Nadeln 4 Aus korrosionsbeständigem Stahl bestehend 4 Bruchfestigkeit und Biegeelastizität 4 Feine polierte Oberfläche, die manchmal silikonisiert ist, damit das Gleitverhalten verbessert wird 4 Nadelspitze für den Einstich 4 Nadelkörper für den Durchzug 4 Der Nadelschaft bedingt die geringe Traumatisierung 4 Fester Halt im Nadelhalter, ggf. durch Längsrillen im Nadelkörper
Diese Art der Nadel ist wohl die älteste. Sie ähnelt herkömmlichen Nähnadeln und kommt nur noch sehr selten zum Einsatz (. Abb. 1.7). Nachteile: 5 Traumatisierung des Gewebes durch den doppelt liegenden Faden im Öhr und den kräftigen Nadelkörper. 5 Mühsames Einfädeln. 5 Unsichere Befestigung des Fadens. 4 Federöhrnadeln
Diese Nadel wird auch als Patent- oder Schnappöhrnadel bezeichnet (. Abb. 1.8). Neben der Traumatisierung des Gewebes hat diese Nadel den Nachteil, dass der Faden am Schnappöhr beschädigt wird. Auch diese Nadel wurde zu Gunsten der atraumatischen NadelFaden-Kombinationen in den meisten Abteilungen aus dem Sortiment genommen.
19 1.5 · Chirurgisches Nahtmaterial
. Abb. 1.11 Chirurgische Nadeln. (Fa. Ethicon)
Atraumatische öhrlose Nadel Die atraumatische Nadel besitzt im Schaft eine axiale mechanische oder, bei feinen Nadeln, gelaserte Bohrung, in die der Faden eingebracht wird. Die Vorteile sind gravierend: 4 Geringe Gewebetraumatisierung durch den stufenlosen Nadel-Faden-Übergang. 4 Schlankere Nadelform durch fehlendes Öhr. 4 Als Einmalartikel immer optimaler Zustand. 4 Kombination mit einfacher oder doppelter Armierung (eine Nadel oder an beiden Enden des Fadens eine Nadel für zirkuläre Nähte). 4 Sonderform
Die »Abziehnadel«, bei der die Armierungsfestigkeit der Nadel am Faden so gewählt wurde, dass durch leichten Zug sich die Nadel vom Faden trennt (Control Release = CR, Fa. Ethicon).
Biegeformen und Nadelformen Die Biegeform muss der geplanten Naht entsprechen. Je enger die Gewebeverhältnisse sind, desto gebogener muss die Nadelform sein (. Abb. 1.9).
Spezielle Nadelformen Die asymptotische Nadel (. Abb. 1.10b) ist speziell für enge Verhältnisse in der Gefäßchirurgie entwickelt worden, fin-
det aber auch im Gastrointestinaltrakt und der Dentalchirurgie Anwendung. Die Schlitten- und Ski-Nadel (. Abb. 1.10d) ist für die laparoskopischen Eingriffe konzipiert. J-Nadeln (. Abb. 1.10c) werden für den Faszienverschluss nach Trokarinzisionen benötigt. Gerade Nadeln (. Abb. 1.10e) werden im arthroskopischen Bereich wie auch im laparoskopischen Bereich als »Tabakbeutelnaht« in Kombination mit einer Tabakbeutelklemme (7 Kap. 2) benötigt.
Nadelspitze Die Nadelspitzen im Überblick zeigt . Abb. 1.11.
Nadelkode Die Nadeln werden nach einem Buchstaben-Zahlen-Code und einem Symbol-Code unterschieden. Dieser Code wurde teilweise willkürlich gewählt und ist nicht immer nachzuvollziehen. Der Code der Firma Ethicon lässt sich vielfach aus dem Amerikanischen ableiten, z. B.: 4 RB = »round body«, 4 BV = »blood vessel«.
1
20
Kapitel 1 · Grundlagen
1
a
. Abb. 1.13 Endo Stitch. (Fa. Covidien)
1.5.4
b
. Abb. 1.12 a Ligaturschlinge-Endoloop, b extrakorporale Knotung-Ethi-Endo-Naht. (Fa. Ethicon)
Laparoskopisches Nahtmaterial
Da in der laparoskopischen Chirurgie andere OP-Bedingungen bestehen, muss das Nahtmaterial entsprechend angepasst werden. 4 Das Knoten eines Fadens kann extra- oder intrakorporal erfolgen. 4 Vorgefertigte Ligaturschlingen werden mit Hilfe eines Röhrchens eingebracht, dies schiebt den Knoten auf das zu ligierende Gewebe. 4 Um die armierte Naht ohne Probleme durch den Trokar zu führen, werden spezielle gerade oder Skinadeln benötigt (. Abb. 1.10d). 4 Um den Knoten extrakorporal vorzubereiten, ist eine besondere Knotentechnik erforderlich. Der Knoten wird hier mit einem Knotenschieber in Position gebracht. Erleichterung schafft ein von der Industrie bereits vorbereiteter Knoten. Die Fäden haben eine Länge von etwa 1 m (Endoloop = laparoskopische Ligaturschlinge . Abb. 1.12a; Ethi-Endo-Naht =
21 1.7 · Grundinstrumente und ihre Handhabung
laparoskopische extrakorporale Knotung und Endo Suture System . Abb. 1.12b, Ethicon). 4 Um das Knoten intrakorporal vorzunehmen, stehen wesentlich kürzere Nähte (etwa 20 cm) zur Verfügung, um das Knoten mit zwei Instrumenten zu erleichtern. Zumeist werden diese Nähte vor dem Einbringen durch den Trokar noch um ca. 5 cm gekürzt. 4 Um die Problematik des intrakorporalen Knotens zu erleichtern, hat beispielsweise die Firma Ethicon spezielle Faden-Clip-Nähte und Fadenfixierclips entwickelt, bei denen ein PDS-Clip den Knoten ersetzt. (Ethi-Endo-Clip-Naht = fortlaufende, intrakorporale PDS-Naht mit einem vorgelegten PDS-Clip, der den Knoten ersetzt; Lapra Ty Faden – Fixierclips für fortlaufende, intrakorporale Vicryl-Nähte der Stärke USP 2–0 bis 4–0 empfohlen) 4 Zum intrakorporalen Knoten werden immer zwei Instrumente benötigt. Für z. B. die Manschettenanlage bei der Fundoplikatio gibt es vorgefertigte NadelFaden-Kombinationen, die im Einwegapplikator geliefert werden und kein weiteres Instrument zur Knotenanlage benötigen (Endo Stitch, Fa. Covidien, . Abb. 1.13).
1.6
Werkstoffe des chirurgischen Instrumentariums M. Liehn
Es gibt hoch entwickelte, nichtrostende Stahlsorten, Edelmetalle und Metalllegierungen zur Herstellung des chirurgischen Instrumentariums, die den besonderen Anforderungen in der Medizin entsprechen. Sie müssen großen mechanischen Ansprüchen genügen, werden ständig thermischen, chemischen und physikalischen Angriffen unterworfen und müssen trotzdem ihre Fähigkeiten (z. B. Fassen oder Schneiden) behalten. Außer Edelstahl kommt bei manchen Spezialinstrumenten Titan, Kunststoff, Kupfer, Messing, Neusilber, Silber oder Zinn zur Anwendung. Der eingesetzte Werkstoff richtet sich nach dem Verwendungszweck. Für allgemeine Instrumente gelten andere Anforderungen als für Implantate und Implantatinstrumentarium. Die meisten allgemeinchirurgischen Instrumente sind aus einer Chrom-Nickel-Molybdän-Verbindung hergestellt. Titan findet als Werkstoff immer häufiger Verwendung. Er ist sehr gewebeverträglich und ruft im Gegensatz zu Nickel keine Allergien hervor. Nachteilig ist der hohe Preis. Die Oberfläche der einzelnen Instrumente wird zusätzlich behandelt. Sie muss eben sein und darf Schmutz, Blut oder Eiweißresten keine Haftungsfläche
bieten. Die mattierte Oberfläche verhindert störende Lichtreflexionen. Instrumente, die mit einem goldfarbenen Griff gekennzeichnet sind, haben im Arbeitsteil eine Hartmetalleinlage und damit eine längere Lebensdauer.
1.7
Grundinstrumente und ihre Handhabung M. Liehn
! Die Auswahl, die Prüfung des Zustandes und der Gebrauchsfähigkeit sowie die Pflege des Instrumentariums gehören zu den Aufgaben des OPPersonals in Kooperation mit den Kollegen in der ZSVA und den Chirurgen.
Operationsinstrumente bestehen aus einem Arbeitsteil und einem Griff. Die verschiedenen Instrumente werden in unterschiedlichen Längen und Formen sowie mit verschiedenen Zahnungen angeboten. Jede operative Disziplin hält neben ihrem Grundinstrumentarium ihre fachspezifischen Instrumente vor. Alle Instrumente sollten so angereicht werden, dass sie vom Operateur sofort benutzt werden können. Perfektes Instrumentieren erfolgt schnell, sicher, in der richtigen Reihenfolge und mit dem Instrumentengriff zum Operateur gewandt. Beispielhaft werden einige Instrumente aufgeführt, die zum Grundinstrumentarium gehören.
1.7.1
Skalpell
Metallskalpelle mit auswechselbaren Einmalklingen verschiedener Größen oder Einmalskalpelle mit Kunststoffgriff (. Abb. 1.14).
1.7.2
Pinzetten
Es gibt anatomische, chirurgische und atraumatische Pinzetten. Welche Pinzette benötigt wird, hängt von der Schicht ab, in der operiert wird und von dem Gewebe, das gefasst werden soll. Die Pinzetten sind unterschiedlich lang, fein oder grob, gerade, gewinkelt oder gebogen (. Abb. 1.15).
1
22
Kapitel 1 · Grundlagen
1
. Abb. 1.14 Ein OP-Messer wird mit der Klinge nach unten so angereicht, dass der Operateur es mit der rechten Hand greifen und schneiden kann
. Abb. 1.15 Pinzetten werden senkrecht angereicht, sodass die Branchen nach unten zeigen
. Abb. 1.16 Scheren müssen von der/dem Instrumentierenden an den Branchen so gefasst werden, dass der Daumen auf der Arbeitsteilbiegung liegt
. Abb. 1.17 Tupferzangen werden senkrecht mit dem Tupfer nach unten angereicht, denn der Operateur greift hier an den Stiel und nicht in die Griffe
23 1.7 · Grundinstrumente und ihre Handhabung
. Abb. 1.18 Die gebogene Spitze der Overholt-Klemme zeigt vom OP-Gebiet weg, wenn der Operateur das Instrument gefasst hat
1.7.3
Scheren
Präparierscheren, z. B. nach Wittenstein, Metzenbaum etc., werden zur Trennung verschiedener Gewebsschichten verwendet. Form, Länge und Biegung richten sich nach dem Anwendungsgebiet und der Anwendungsart (. Abb. 1.16).
1.7.4
Bipolare Schere
Diese Schere (z. B. von Ethicon, Power Star) hat den Vorteil, dass sie während des Schneidens gleichzeitig koaguliert. Die Schere wird wie eine klassische Schere angewendet; die beiden Schneideblätter sind gegeneinander isoliert. Dadurch entfällt der häufige Instrumentenwechsel zur Blutstillung während der Präparation. Zu beachten ist, dass das Schneiden geringfügig langsamer geht, damit der Koagulationsvorgang stattfinden kann. Die Branchen der Schere sind sauber zu halten, um die Effektivität zu erhalten. Durch den Anschluss an ein bipolares HF-Gerät ist auch bei Patienten mit Herzschrittmachern eine Elektrokoagulation gefahrlos möglich.
1.7.5
Tupferzangen
Hier werden »Kornzangen«, gerade oder gebogen, mit fest eingerolltem, eingespanntem Tupfer oder Präpariertupfer eingesetzt (. Abb. 1.17).
. Abb. 1.19 Wundhaken werden vorn an den Blättern gefasst und angereicht
1.7.6
Präparierklemmen
Es gibt anatomisch gebogene Klemmen zum Präparieren und Abklemmen, zum Anzügeln und zum Fadenführen in der Tiefe (z. B. Overholt-Klemme; . Abb. 1.18). 1.7.7
Klemmen
Es werden anatomische, chirurgische und atraumatische, gebogene, gerade und gewinkelte unterschieden. Die bekanntesten sind anatomische Péan-Klemmen zur Blutstillung oder zum Fadenanklemmen und die chirurgischen Kocher-Klemmen zum groben Fassen von Gewebe oder zum Anklemmen von Zügeln. 1.7.8
Haken
Wundhaken gewährleisten die Übersicht über das OPFeld. Nach dem Hautschnitt kommen die scharfen Haken zum Einsatz. Sie liegen immer mit den scharfen Arbeitsteilen nach oben auf dem Instrumentiertisch, um den sterilen Tischbezug nicht zu perforieren. Am Patienten dürfen sie nur dann benutzt werden, wenn keine empfindlichen Organe beschädigt werden können. Bei einer Bauchoperation müssen sie, wenn das Peritoneum eröffnet ist, gegen stumpfe Haken ausgetauscht werden. Wundhaken werden immer paarweise vorbereitet. Die Haken nach Roux und nach Langenbeck sind die bekanntesten stumpfen Haken (. Abb. 1.19).
1
24
Kapitel 1 · Grundlagen
1.8.2
1
Materialien und ihre Eigenschaften
Der Einsatz der unterschiedlichen Drainagematerialien richtet sich nach dem speziellen Verwendungszweck. Alle Materialien haben eine gute Gewebeverträglichkeit.
Polyvinylchlorid
. Abb. 1.20 Die Nadel wird zumeist im hinteren Drittel eingespannt. Vorbereitete Nadelhalter werden mit der Nadelspitze nach oben angereicht
1.7.9
Nadelhalter
Sie haben meist ein mit Hartmetall beschichtetes »Maul«, um die Nadel sicher fassen zu können. Es gibt sie mit oder ohne Arretierung (. Abb. 1.20). Die vorbereiteten Nadelhalter werden mit der Nadel nach oben angereicht. Der Chirurg bekommt in die andere Hand immer eine Pinzette angereicht.
Polyvinylchlorid (PVC) wird fast nur für Redon-Drainagen verwendet. Bei PVC besteht immer das Risiko, dass toxische Weichmacher austreten. Außerdem kann es durch Eiweißablagerungen im Lumen zu Abflussstörungen kommen. Polyvinylchlorid besticht durch seine Festigkeit, sodass die unter Sog stehende Redon-Drainage nicht kollabieren kann.
Silikon Silikon ist ein siliziumhaltiger Kunststoff von großer Wärme- und Wasserbeständigkeit. Es eignet sich als Langzeitdrainage, denn im Vergleich mit anderen Materialien weist es die beste Gewebeverträglichkeit auf. Es werden keine Weichmacher und organische Zusatzstoffe hinzugefügt; daher finden keine Veränderungen im Körper statt. Silikon ist äußerst flexibel und löst keine Inkrustationen aus. Da Silikon die Granulation nicht fördert, kann es nicht als Gallengangdrainage (Kurzzeitdrainage) verwendet werden.
Naturgummi und Latex 1.8
Drainagen M. Liehn
In allen chirurgischen Disziplinen werden Drainagen gelegt. Die Indikation wird kritisch gestellt, um Drainagekomplikationen gering zu halten und das »Fast-track-Konzept« nicht zu gefährden. Eine Drainage wird in der Regel nach 24–48 h entfernt. Die Stärke von Drainagen wird in Charr, nach dem französischen Instrumentenbauer Charrière, angegeben. Die Zahl ist ein Maß für den Querschnitt eines Katheters. Bei kreisrundem Querschnitt entspricht 1 Charr 0,33 mm Durchmesser (Beispiel: 18 Charr ≥6 mm).
1.8.1
Diese Stoffe eignen sich nur für Kurzzeitdrainagen. Beim Naturgummi kommt es zu starken lokalen Gewebsreaktionen. Seine Oberflächenbeschaffenheit begünstigt ein Ansiedeln von Bakterien. Bei längerem Verbleib im Körper treten Zersetzungsprozesse auf. Latex, der Milchsaft einiger tropischer Pflanzen, aus dem Kautschuk hergestellt wird, führt zu weniger heftigen Gewebsreaktionen als Gummi. Bei längerem Verbleib im Körper jedoch verlieren sich seine positiven Eigenschaften (Elastizität und Härte). Latex wird wegen vermehrt auftretenden Allergien nur noch sehr selten angewendet.
Silikonisierter Latex Durch die Benetzung mit Silikon wird ein Latexdrain reaktionsträge und eignet sich als Langzeitdrainage.
Ziele einer Drainageeinlage 1.8.3
4 Ableitung von Blut, Sekret, Zellresten, Luft, Eiter; 4 Offenhalten einer Wunde, um die Granulation vom Wundgrund aus zu sichern (nach Abszessspaltung); 4 als Spül- und Saugdrainagen zur Therapie von Knocheninfekten; 4 zur Prophylaxe, um rechtzeitig Insuffizienzen zu erkennen.
Drainagesysteme
Funktionsprinzipien Schwerkraftdrainage Das Sekret wird am tiefsten Punkt
der Wundhöhle abgeleitet. Heberdrainage Es muss ein Gefälle zwischen Ableitung und Auffanggefäß bestehen.
25 1.8 · Drainagen
Kapillardrainage Nutzen der Kapillarkraft von z. B. Ver-
bandmaterial. Sogdrainagen Unkonrollierter Sog lässt Sekret in Unter-
druckflaschen ablaufen. Gebräuchliche Drainagemodelle zeigt . Abb. 1.21.
Passive Schwerkraft-, Überlaufdrainagen Diese Drainageform ist die häufigste. Sie existiert in allen Ableitungssystemen. Allen gemeinsam ist: 4 Die Drainagespitze liegt am tiefsten Punkt der Höhle. 4 Die Ausleitung der Drainage liegt tiefer als der Wundhöhlengrund. 4 Kurze Ausleitung. 4 Ausleitung durch eine separate Inzision in einem Abstand von mindestens 5 cm zum Hautschnitt.
Kurzrohrdrainagen und Laschen als offene Systeme Diese Ableitung wird nur selten angewendet. Sie wird kurz über der Haut abgeschnitten und mit einer Naht befestigt. Das Sekret fließt direkt in den Verband, der mehrmals täglich gewechselt werden muss. Die Lasche soll die Wundhöhle offen halten, um die Granulation vom Wundgrund aus zu sichern. Beispiel: nach Abszesseröffnung.
Langrohrdrainagen als halboffenes System mit Sekretauffangbeutel In der Regel besitzen die industriell hergestellten Rohrdrainagen abgerundete Spitzen, einige versetzte Perforationen und eine Röntgenmarkierung. Für spezielle Einsatzgebiete sind anstelle von Runddrainagen auch flache Drains erhältlich.
T-Drainagen mit Sekretauffangbeutel Indikation Mit Ausnahme eines durchgängigen Ductus choledochus und dem Fehlen jeglicher Entzündungserscheinungen wird nach einer Choledochusrevision eine Weichgummi-T-Drainage als Kurzzeitableitung eingesetzt. Diese soll die Galle vorübergehend ableiten, um die Naht zu schonen, und den Ductus bei postoperativer Schwellung offen halten. Nach Tumoroperationen kommt eine Langzeitableitung aus Silikon in Frage. Über das Drain sind Röntgenkontrollen zum Ausschluss von Steinen oder Strikturen etc. möglich. Vorbereiten der Drainage Der Querschenkel wird halbiert,
an den Übergangsstellen zum Langrohr werden 2 Ecken ausgeschnitten, die das spätere Entfernen der Drainage erleichtern sollen.
. Abb. 1.21 Gebräuchliche Drainagemodelle in Aufsicht und Querschnitt. 1 T-Drainage, 2 Easy-flow-Drainage, 3 Jackson-Pratt-Drainage, 4 Robinson-Drainage, 5 Blake-Drainage, 6 Salem-Drainage. (Nach Hagel 2006)
Besonderheiten Auf einen wasserdichten Verschluss des
Ductus choledochus ist zu achten. Daher wird häufig zusätzlich ein »Sicherheitsdrain« gelegt, um Insuffizienzen rechtzeitig erkennen zu können. Bevor die Drainage entfernt wird, wird sie zeitweise abgeklemmt. Nach dem Entfernen verklebt der Choledochusdefekt spontan. Die durch das Latex/Gummi ausgelöste Fibrinreaktion ist gewünscht und Voraussetzung dafür, dass beim Ziehen der Drainage keine gallige Peritonitis auftritt.
Thorax-/Bülau-Drainage und Wasserschloss ohne aktiven Sog Dieses System wird z. B. zur Prophylaxe nach Mediastinum- und Thoraxoperationen eingesetzt (. Abb. 1.22). Eine Thoraxdrainage soll Luft, Sekret, Blut oder Eiter aus dem Pleuraspalt ableiten, damit die Lunge sich vollständig entfalten kann. Dabei wird nach einer Stichinzision beispielsweise eine Kornzange in den Thoraxraum vorgeschoben. Die vorbereitete Drainage wird zur Sekretableitung am tiefsten Punkt der Höhle eingelegt und nach außen geleitet. Soll Luft abgeleitet werden, muss das Drain am höchsten Punkt der Höhle platziert werden. Eine sichere Fixierung mit einer kräftigeren Naht ist notwendig. Thoraxdrainagesysteme werden zumeist als Schwerkraftsysteme hergestellt.
1
26
Kapitel 1 · Grundlagen
1
. Abb. 1.23 Robinson-Drainage: rechts die Drainage (das perforierte Ende wird in den Situs platziert), links: Auffangbeutel. (Nach Siewert 2010)
fixiert. An die Drainage wird ein Auffangbehältnis und an den Venenkatheter ein Infusionssystem angeschlossen.
Langrohrdrainage als geschlossenes System
. Abb. 1.22 Bülau-Drainage: In dem Standzylinder (rechts) wird ein Unterdruck erzeugt, der durch Verschieben der mit der freien Atmosphäre kommunizierenden zentralen Röhre (rot) eingestellt werden kann. Zwischen Wasserschloss und Patient ist ein Sekretauffangbehälter zwischengeschaltet. (Nach Siewert 2010)
Die relativ starre PVC- oder Silikon-Drainage wird über einen Verlängerungsschlauch in der einfachsten Form mit einem Einkammersystem verbunden, in dem ein von außen belüftetes Steigrohr 2 cm tief in Wasser taucht. Dieses dient als Wasserschloss bzw. Einwegventil und verhindert den Rückstrom von Luft in den Pleuraspalt. Außerdem ist es wichtig, dass das Steigrohr des Wasserschlosses zum Raum hin nie abgeklemmt und das System unterhalb des Bettniveaus befestigt wird (7 Kap. 6).
Spüldrainage Die Spüldrainage mit Sekretauffangbeutel kann einfach hergestellt werden, indem ein Drainageschlauch punktiert und ein Venenkatheter vorgeschoben wird, dessen Spitze kurz vor dem Drainageende zu liegen kommt. An der Punktionsstelle wird der Venenkatheter durch eine Naht
Das Drainagesystem ist steril in einer Peelpackung verpackt. Sie besteht aus einer 100–130 cm langen Silikondrainage, deren Spitze abgerundet ist. Am Ende befinden sich 4 versetzte trichterförmige Perforationen. Das Drain ist mit einem Röntgenkontraststreifen versehen. Die Drainagen sind in unterschiedlichsten Durchmessern erhältlich. Der Auffangbeutel ist fest mit dem Langrohr verbunden. Durch ein Einwegventil wird der Sekretreflux verhindert. Der Ablauf erfolgt ohne Sog. Der Beutel hat ein Fassungsvermögen von bis zu 600 ml und kann über einen Ablaufstutzen entleert werden. Ein spezielles Einführungsinstrument wird angeboten. (Robinson-Drainage; . Abb. 1.23).
Penrose und Easy-flow-Drainagen Sie stellen eine Alternative zur Schwerkraftdrainage dar. Durch Kapillarwirkung steigt das Sekret von der Wunde in den Verband oder fließt in einen sterilen Beutel, der direkt auf die Haut geklebt wird. Nachteilig ist die offene Ableitung; vorteilhaft ist das weiche flexible Material. Sie werden als Abszessdrainage oder Ableitung im Bereich empfindlicher Strukturen, wie beispielsweise an Bauchorganen oder Gefäßen, angewendet.
Penrose Diese Drainage besteht aus einem weichen Silikonschlauch, der einen Mullgazedocht umgibt. Durch die Dochtwir-
27 1.8 · Drainagen
kung (kapillare Saugkraft) wird das Sekret aus der Wunde gesogen.
Easy-flow-Drainage Als Material wird Silikon verwendet. Diese Drainagen sind besonders weich und flexibel. Die Kapillarwirkung kommt durch im Innenlumen längs verlaufende Stege zustande. Es werden geschlossene Easy-flow-Drainagen angeboten, bei denen die Kapillardrainage fest mit einem Silikonschlauch verbunden und dieser wiederum an den Sekretbeutel angeschlossen ist.
Aktive Saugdrainagen Redon-Drainage als halboffenes System 4 Die Drainage besteht aus einem am Ende perforierten PVC-Schlauch, der mit einer Vakuumflasche verbunden wird. Die Saugung erfolgt unkontrolliert [Unterdruck bis ca. 0,8 · 105 Pa1 (0,8 bar)]. 4 Die Redon-Drainage wird v. a. in das Subkutan- und Subfaszialgewebe, an Osteosynthesen und Endoprothesen gelegt. 4 Das Drain hat einen Röntgenkontraststreifen. 4 Durch den Sog werden die Wundflächen aneinander gedrückt und Hohlräume geschlossen. Aufgrund seiner Härte kann der Schlauch dabei nicht kollabieren. 4 Ausleitung mit einem Spieß; Fixierung mit Naht oder Pflaster; Anschluss des Vakuumbehälters, der nach Bedarf gewechselt wird. 4 Nach etwa 1–3 Tagen sollte die Drainage entfernt werden. ! Intraperitoneale Drainagen sollten nie unter Sog stehen, weil sonst anliegendes Gewebe geschädigt werden kann!
Jackson-Pratt-Drainage als geschlossenes System 4 Die Jackson-Pratt-Drainage besteht aus einer weichen, flexiblen Silikonflachdrainage mit einem langen perforierten Ende. Durch Stege im Drainagelumen wird ein Kollabieren verhindert. Ein Röntgenkontraststreifen ist vorhanden. Der 100-ml-Unterdruckbehälter besitzt ein Einwegventil und ist über Handdruck komprimierbar (unkontrollierte Saugung). Dabei entsteht ein Unterdruck von etwa 0,1 · 105 Pa (0,1 bar).1 Die Luft kann über eine zweite (verschließbare) Öffnung entweichen und Sekret abgelassen werden. 4 Anwendung: an empfindlichen Strukturen, z. B. in der Neurochirurgie bei subduralem Hämatom. 1 Umrechnungsfaktor: 100.000; 1 bar = 105 Pa.
Spül-Saug-Drainage Anwendung bei Osteomyelitis der Extremitäten oder in der Pankreaschirurgie. Spülung mit Elektrolytlösung. Industriell hergestellte Saug-Spül-Drainagen sind meist aus Silikon und dreilumig. Das mittlere Lumen ist mehrmals perforiert, auf die äußeren können Luer-Lock-Ansätze gesteckt werden.
Thorax-/Bülau-Drainage und Wasserschloss mit Sog Anlage einer Thoraxsaugdrainage: 4 Infiltration des Lokalanästhetikum an entsprechender Punktionsstelle nach Röntgenthoraxbild. 4 Inzision der Haut über der 3. oder 6. Rippe. 4 Stumpfe Erweiterung, Eröffnung der Pleura; evtl. Vorschieben einer Kornzange und Öffnen der Branchen. 4 Platzieren der Thoraxdrainage und Fixation der Drainage mit einer Naht. 4 Wie bei der Thoraxdrainage ohne aktiven Sog wird die Drainage mit einem Ein- oder Mehrkammersystem mit dem Wasserschloss verbunden. An das kurze Rohr des Wasserschlosses wird das Wassermanometer angeschlossen, das eine Feinsogregulierung ermöglicht. Dieser Sog, der üblicherweise bei 15–20 cm Wassersäule liegt, wird erzielt, indem das Rohr entsprechend tief in das Wasser eindringt. Das Wassermanometer wird an die Absaugvorrichtung (Wandanschluss) angeschlossen. 4 Anwendung z. B. beim Pneumothorax. Durch den negativen Druck im Drainagesystem wird der Unterdruck im Interpleuralspalt wiederhergestellt und die Lunge entfaltet sich. 4 Bei den Dreikammersystemen dient die 1. Kammer als Sammelgefäß, die 2. Kammer als Wasserschloss, das auf ein Niveau von 2 cm gefüllt wird, die 3. Kammer der Feinsogregulierung. Alle Handhabungen an der Thoraxsaugdrainage haben immer unter aseptischen Bedingungen zu erfolgen. Zu jedem Zeitpunkt hat das System luftdicht zu sein. Zum Wechseln von Flaschen muss das System abgeklemmt werden (7 Kap. 6).
Vakuumtherapie Eine weitere Möglichkeit, Wundsekret kontrolliert zu entfernen und den Wundverschluss zu beschleunigen, besteht in der Anlage eines Vakuumverbandes, der in der Wunde einen gleichmäßigen Unterdruck erzeugt zum kontinuierlichen oder intermittierenden Absaugen von Wundsekret, der Förderung der Durchblutung und Bildung von Granulationsgewebe.
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28
1
Kapitel 1 · Grundlagen
kIndikation
4 Vorwiegend bei akuten oder chronischen Weichteildefekten, z. B. in der Traumatologie, Gefäßchirurgie, Allgemein- und Viszeralchirurgie.
Vakuumverband 7 Ausschneiden der Wundränder. 7 Nekrotisches oder schlecht durchblutetes Gewebe im Wundbereich wird entfernt. 7 Die Wundfläche wird mit einem Skalpell und/oder scharfen Löffel angefrischt, danach wird die Wunde gründlich gespült, entweder mit RingerLösung und/oder einem Wund- und Schleimhautantiseptikum. 7 Der Schwamm wird in der Form und Größe der Wunde zugeschnitten und auf die Wundfläche aufgelegt; ggf. werden Hydrogel-Streifen um die Wunde geklebt. 7 Die transparente Folie wird über den Schwamm und auf die gesunde Haut geklebt. Dabei ist darauf zu achten, dass der Bereich luftdicht abgeschlossen ist, da sonst kein Vakuum erzeugt werden kann. 7 An der Stelle, an der das Schlauch-Pad aufgeklebt werden soll, wird ein kleines Loch in die Folie geschnitten, das Pad über das Loch geklebt und das Reservoir in die Pumpe eingesetzt und mit dem Schlauch verbunden. 7 Nachdem die gewünschte Saugleistung eingestellt wurde, kann die Pumpe gestartet werden.
kKontraindikation
4 4 4 4
Allergien gegen das verwendete Material. Patienten mit sehr dünner, empfindlicher Haut. Wunden durch maligne Tumoren. Unbehandelte Osteomyelitis.
kPrinzip
4 Durch Einlegen eines Schwammes, luftdichtes Verschließen mittels Folie und Anbringen eines Schlauch-Pumpen-Systems wird ein Unterdruck erzeugt, der sich gleichmäßig auf die ganze Wunde verteilt. kInstrumentarium
Schwamm, Folie, Schlauchsystem, Reservoir, Pumpe, evtl. Hydrogelstreifen, evtl. reizfreier Hautschutz. 4 Den Schwamm gibt es in verschiedenen Größen und unterschiedlichen Materialien. Er besteht entweder aus 5 Polyuretan (PU): schwarz, grob, großporig, trocken, für stark sezernierende, infektiöse Wunden oder aus 5 Polyvinylalkoholschaum (PVA): weiß, kleinporig, hydrophil für nicht verunreinigte Wunden, schützt empfindliches Gewebe und fördert das Anwachsen von Hauttransplantaten. ! Der Schwamm darf keinen direkten Kontakt mit Organen oder Gefäßen haben.
4 Die Folie besteht aus aus Polyuretran, ist selbstklebend, transparent, luftdicht, bakterien- und dampfdurchlässig 4 Die Hydrogel-Streifen sind doppelseitig klebend, haften auf der Haut und ermöglichen ein besseres Abdichten der aufgeklebten Folie. 4 Das Schlauchsystem besteht aus einem Schlauch mit Konnektor und Pad zum Aufkleben. Das Reservoir dient dem Auffangen des Wundsekrets. 4 Die benötigte Pumpe kann vom Hersteller gemietet werden. 4 Instrumente: 5 kleines Grundinstrumentarium, 5 scharfer Löffel
Der Schwammwechsel erfolgt nach ca. 2 (PU-Schwamm) bis 5 (PVA-Schaum) Tagen.
Drainagekomplikationen 4 Gewebereaktionen aufgrund des Drainagematerials, systems, 4 schlechte Förderung durch Drainageverlegung, 4 Verwachsungen, 4 Organverletzung durch die Drainagespitze, 4 Sekretreflux bei unsachgemäßer Handhabung, 4 versehentliches Festnähen der Drainage bei tiefen Nähten, 4 Infektionen.
1.9
Operationsindikationen L. Steinmüller Definition Die OP-Indikation ist definiert als der Grund zur Verordnung eines bestimmten diagnostischen oder therapeutischen Verfahrens in einem definierten Krankheitsfall, der seine Anwendung hinreichend rechtfertigt. Grundsätzlich besteht Aufklärungspflicht gegenüber dem Patienten.
29 1.10 · Wunden und ihre Versorgung
1.9.1
Absolute OP-Indikation
4 Notfallmäßig, d. h. sofort! Beispiele: Blutung als Traumafolge (Milzruptur), rupturiertes Aortenaneurysma usw. 4 Lebensrettend akut, d. h. innerhalb weniger Stunden. Beispiele: Appendizitis, mechanischer Ileus, Peritonitis usw. 4 Subakut, d. h. innerhalb weniger Tage. Beispiele: blande akute Cholezystitis, Magenausgangsstenose.
1.9.2
Relative OP-Indikationen
4 Diagnostische Operationen. Beispiele: Arthroskopie, Laparoskopie usw. 4 Sozial indizierte Operationen. Beispiele: Schwangerschaftsabbruch (?). 4 Kombinierte Indikationsbereiche. Beispiele: Extremitätenreplantation, Anus-praeterRückverlagerung. 4 Präventive Operationen, bevor eine Symptomatik oder eine Verschlimmerung eines bislang asymptomatischen Zustandes auftritt. Beispiele: Präarthrosen in der Orthopädie, Gefäßstenosen/Aneurysmen in der Gefäßchirurgie, Polyposis/ Colitis ulcerosa in der Allgemeinchirurgie. 4 Kosmetische Operationen. Beispiele: Narbenkorrektur, Facelifts usw. Jede Überlegung zur OP-Indikation muss immer die möglichen Kontraindikationen miteinbeziehen!
1.10
Die Übersichten . Tab. 1.6 und . Tab. 1.7 unterscheiden nach den Hautverhältnissen und nach der Entstehung der Wunden.
. Tab. 1.6 Unterscheidung von Wunden nach den Hautverhältnissen Offene Wunden
Geschlossene Wunden
Besondere Wunden
Oberflächlich
Schädel
Ablederung – Décollement
Perforierend
Thorax
Abtrennung
Kompliziert
Skelettsystem
Quetschung, offen oder geschlossen
Abdomen – »stumpfes Bauchtrauma«
. Tab. 1.7 Unterscheidung von Wunden nach der Entstehung Wunde
Entstehung
Schürfwunden
Oberflächlich »gering blutend«, schmerzhaft
Platzwunden
Durch stumpfe Gewalt, unregelmäßige Wundränder, schlechte Durchblutung, Infektionsgefahr
Risswunden
Unregelmäßige Wundränder, oft oberflächlich, zerklüftete Wundhöhle, Infektionsgefahr
Quetschungen
Unregelmäßige Wundränder, Schädigung auch benachbarter Gewebe
Schnittwunden
Glatte Wundränder, klaffend, evtl. stark blutend, meist problemlose Heilung
Bisswunden
Durch Tier oder Mensch; besonders infektionsgefährdet, schlechte Heilungstendenz
Schusswunden
Ausgedehnte Gewebezerstörung in der Tiefe, hohe Infektionsgefahr, schlechte Heilung
Ablederung
Abriss der Haut von der Faszie mit Ausbildung von Hämatomhöhlen
Skalpierung
Abriss der Kopfschwarte
Verbrennung
Schädigung durch chemische/thermische Einwirkung auch im Rahmen einer Bestrahlung/Nuklearexplosion
Wunden und ihre Versorgung L. Steinmüller, M. Liehn
Definition Als Wunde bezeichnet man die Durchtrennung oder Zerstörung der Haut oder Schleimhaut, der tiefen Gewebe oder der inneren Organe.
1.10.1
Wundarten
Allgemeine Kennzeichen und Folgen von Wunden sind: 4 Defektbildung von Gewebe, ggf. mit Oberflächenverletzung, 4 Austritt von Blut und Serum bis hin zum Schock, 4 Verlust der Schutzfunktion.
1
1
30
Kapitel 1 · Grundlagen
1.10.2
Wundheilung
Definition Wundheilung ist die dauerhafte Wiedervereinigung traumatisch oder operativ durchtrennter Gewebe.
Die Wundheilung läuft analog zu einer bestimmten Phase innerhalb des Entzündungsprozesses ab. Der Gewebedefekt wird durch die Vernarbung des Stützgewebes in Verbindung mit einer Epithelregeneration repariert. Zerstörtes Gewebes wird so stufenweise abgedichtet und durch neues ersetzt. Bindegewebe und Knochen werden durch gleichartige Gewebe, alle anderen durch Bindegewebe ersetzt. Wichtige Erfolgsfaktoren sind die intakte Durchblutung der Wunde und ein guter Ernährungszustand des Patienten.
Phasen der Wundheilung Exsudative Phase
Sekundärheilung Darunter versteht man einen zeitlich verzögerten, schrittweisen Verschluss einer meist infizierten Wunde oder Defektwunde. Nach der Granulationsgewebsbildung im Wundgrund erfolgt die Epithelisierung vom Wundrand her bei gleichzeitiger Wundkontraktion. Dauer: Wochen bis Monate.
Störungen der postoperativen Wundheilung Darunter versteht man alle Komplikationen, die ein Wiedereröffnen einer operativ verschlossenen Wunde verursachen oder notwendig machen. 4 Aseptische Erscheinungsformen: Serom, Hämatom, Wundrandnekrose, Nahtdehiszenz. 4 Septische Erscheinungsformen: infiziertes Serom oder Hämatom, Phlegmone, Abszess, Wunddehiszenz.
1.10.3
Chirurgische Wundversorgung
1.–4. Tag Ausfüllen der Gewebelücke durch Blut, Lymphe
und Fibrin. Schutzinfektion durch Wundverschluss, begleitet von Hyperämie und Phagozytendiapedese. Ödemrückbildung, Mitosen des Randepithels. Übergang der Katabolie zur Anabolie.
Proliferationsphase 4.–7. Tag Sie wird auch als reparative Phase bezeichnet.
Durch Kapillar- und Fibroblasteneinsprossung in das Wundbett entsteht das Granulationsgewebe. Kollagenfasern werden gebildet und der Defekt somit weitgehend vor dem Eindringen von Erregern geschützt.
Regenerationsphase 7.–21. Tag bis 14 Monate Diese Phase wird auch Narbenbildungsphase genannt. Das Granulationsgewebe wird durch Vernetzung und Aggregation der Kollagenmoleküle unter Gewebeschrumpfung (bis zu 30%) in Narbengewebe umgewandelt. Durch die Gefäßminderung wird das Bindegewebe weiß und straff. Einwachsen sensibler Nervenfasern, Epithelisierung vom Rand her. Es fehlen Haare, Schweißdrüsen und Pigmente.
Arten der Wundheilung Neben den zeitlichen Phasen kann die Wundheilung nach der Heilungsart unterschieden werden.
Primärheilung Im Idealfall wird sie durch chirurgische Nähte erreicht. Es wird ein Wundverschluss mit minimaler Narbenbildung bei glatten Wundrändern erzielt. Dauer: 10–14 Tage.
Indikation
Zum Beispiel Risswunden, Schnittwunden, Platzwunden. kPrinzip
Innerhalb der ersten 6–8 h bei Bedarf keilförmige Exzision der Wundränder, evtl. eine Anfrischung, spannungsfreie Nähte zum Hautverschluss. Bei komplizierten Wunden »Wundtoilette« ausführen, Kontraindikationen für den primären Wundverschluss beachten: Bisswunden, veraltete und infizierte Wunden. kLagerung
Je nach Lokalisation der Wunde soll eine bequeme Lagerung für den Patienten gefunden werden, da in der Regel in Lokalanästhesie operiert wird. Bei großen und tiefen Wunden kann eine Versorgung in Narkose notwendig werden kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Lokalanästhetikum, 5-ml-Spritze, kleine Kanüle, Lösung zur Reinigung der Wunde, Skalpell, Präparierschere, chirurgische feine und etwas größere Pinzetten, Nadelhalter und Nahtmaterial und/oder Hautkleber, Tupfer, Verbandmaterial, Bei Bedarf Tetanusimmunisierung vorbereiten.
31 1.10 · Wunden und ihre Versorgung
. Tab. 1.8 Bakterielle Erreger chirurgischer Infektionen
Wundverschluss 7 Applikation des Lokalanästhetikums, Inspektion der Wunde. Wenn eine Risswunde vorliegt, keilförmige Exzision der Wundränder, sonst nur eine »Anfrischung« der Ränder. Bei tiefen Wunden wird die Subkutis mit wenigen Nähten adaptierend verschlossen; die Hautnaht erfolgt spannungsfrei mit Einzelknopfnähten. Im Idealfall ist eine alleinige Versorgung mit Pflasterzügen, Flüssigpflaster oder Hautkleber möglich. Bei der Versorgung von Extremitätenwunden wird eine pneumatische Blutsperre angelegt. 7 Der Verband dient dem Schutz der Wunde zur Sekretaufnahme und ggf. zur Ruhigstellung, wenn nötig als Schienen- oder Gipsverband. 7 Nach Bedarf Verabreichung der Tetanusimmunisierungsspritze(n) (7 Abschn. »Tetanus«).
Aerobe Keime (Vermehrung in sauerstoffreichem Milieu) Kokken
Hämolysierende Streptokokken (insbes. Gruppe A) Staphylococcus aureus Enterokokken
Gramnegative Stäbchen
Enterobacteriaceae 4 Escherichia coli 4 Klebsiella pneumoniae 4 Enterobacter 4 Proteus-Spezies 4 u. a. m. Pseudomonas aeruginosa
Anaerobe Keime (Vermehrung nur bei Abwesenheit von Sauerstoff )
1.10.4
Chirurgische Infektionen
Grampositive stäbchenförmige Bakterien
Sporenbildende Bakterien
Gramnegative stäbchenförmige Bakterien
Bacteroides fragilis und andere Bacteroidesarten
Definition Entzündungsformen, die durch Eintritt von Erregern eine chirurgische (operative) Behandlung nach sich ziehen.
Erreger chirurgischer Infektionen
4 Clostridium perfringens und verwandte Arten
Nosokomiale Infektionen
. Tab. 1.8 gibt einen Überblick über die verschiedenen
Keimarten und die entsprechenden Erreger.
Definition
Ausbreitungswege
Infektionen, die in zeitlichem Zusammenhang mit dem Krankenhausaufenthalt entstehen.
Lokal Die Bakterienausbreitung erfolgt direkt auf dem Wege der örtlichen Gewebestrukturen.
jEntstehungsmechanismen Lymphogen In Form einer Lymphangitis breitet sich die
Entzündung entlang der Lymphgefäße bis hin zum nächsten Lymphknoten aus. Hämatogen Durch Keimeintritt in die Blutbahn kommt es
zur Sepsis. Unterschieden werden die einfache Septikämie, bei der durch Einschwemmung von Bakterien in die Blutbahn (Bakteriämie) oder von Bakterientoxinen (Toxinämie) eine allgemeine Infektion des Organismus ausgelöst wird. Bei der komplizierten streuenden Form, der Septikopyämie, treten in entfernten Körperregionen metastatische Eiterherde auf. Verlaufsformen eitriger Entzündungen werden wie folgt unterschieden: 4 akut: Appendizitis, Mastitis, Cholangitis, Empyem usw. 4 chronisch: chronische Abszesse, chronische Osteomyelitiden, Aktinomykosen.
4 4 4 4
Bei geschwächter körpereigener Infektabwehr; nach komplizierten, langwierigen Operationen; durch invasive, apparative Maßnahmen; durch therapeutische Maßnahmen, die die Infektionsgefahr herabsetzen.
jMaßnahme zur Vermeidung von Infektionen
4 Hygienische Händedesinfektion.
Lokale Formen Abszess Definition Eine örtlich umschriebene, durch eine Abszessmembran abgekapselte eitrige Entzündung mit Zerstörung des örtlichen Gewebes.
1
32
1
Kapitel 1 · Grundlagen
Klinik Schmerz (Dolor), Rötung (Rubor), Überwärmung (Calor), Schwellung (Tumor) stellen die klassischen Entzündungszeichen dar. Der flüssige Abszessinhalt ist durch seine Fluktuation feststellbar.
Vorkommen Als sog. infektiöses Granulom bei rheuma-
tischem Fieber, Tuberkulose, Lepra, Aktinomykose, Syphilis, bei tiefen Mykosen und Wurminfektionen. Auch bei Fremdkörpern (z. B. Talkum, Asbest, chirurgisches Nahtmaterial).
Vorkommen Haut, z. B. gluteal, perianal und in Organen.
Lymphangitis, Lymphadenitis, Phlebitis Keime Überwiegend Staphylokokken, selten E. coli oder
Mischflora.
Definition
Phlegmone
Es handelt sich um meist von einem primären Infektionsherd fortgeleitete Entzündungsformen.
Definition Eine diffuse eitrige Entzündung ohne Kapselbildung.
Klinik »Roter Strich«, häufig mit Fieber und Lymphknotenschwellung einhergehend, im Volksmund als »Blutvergiftung« bezeichnet.
Klinik In der Regel schwere allgemeine Entzündungszeichen. Flächenhaftes Fortschreiten mit Schmerzen.
Keime Staphylokokken, Streptokokken.
Vorkommen Kutis, Subkutis, Darmwand, Mediastinum,
Furunkel, Follikulitis, Karbunkel
Retroperitoneum, kleines Becken, Perineum, Mundboden. Eine Sonderform stellt das Panaritium dar (7 Abschn. »Panaritium«). Keime Oft Streptokokken, seltener Staphylokokken, Proteusspezies.
Empyem
Definition Umschriebene, nichtabgekapselte, auf einen Haarfollikel beschränkte eitrige Infektion, die durch Ausbreitung auf die Talgdrüsen und auf das benachbarte Bindegewebe zum Furunkel wird. Mehrere konfluierende Furunkel bezeichnet man als Karbunkel.
Definition Eine Eiteransammlung in einer präformierten Körperhöhle durch direkte oder fortgeleitete Infektion.
Vorkommen Nacken, Unterarm, Gesicht, äußerer Gehörgang, Naseneingang. Keime Staphylococcus aureus.
Klinik Häufig septische Allgemeinreaktion, die unter allei-
niger Antibiotikagabe nicht abklingt.
Erysipel
Vorkommen Zum Beispiel in Gelenken, in der Gallenblase
Definition
oder der Pleura.
Wund- oder Gesichtsrose; eine intrakutane, flächenhafte, sich lymphangisch, d. h. in den Lymphspalten, ausbreitende Infektion.
Keime Staphylokokken, Streptokokken, faulige, übel riechende Erreger.
Granulom Definition Eine geschwulstartige knötchenförmige Neubildung aus Granulationsgewebe als Gewebsreaktion auf allergisch-infektiöse Prozesse.
Klinik Flammende Rötung des infizierten Bereichs. Allgemeine Infektionszeichen mit Fieber, Abgeschlagenheit, Schüttelfrost. Als Komplikation kann neben einer Sepsis eine Mitbeteiligung der Hirnhäute, des Herzmuskels und der Niere auftreten. Vorkommen Eintrittspforten sind meist schlecht heilende
Wunden, banale Verletzungen, Mundwinkelrhagaden. Keime β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A.
33 1.10 · Wunden und ihre Versorgung
Gangrän . Tab. 1.9 Formen des Panaritiums
Definition
Panaritium
Lokalisation
Panaritium subcutaneum
Häufig an der Fingerkuppe
Panaritium subunguale
Nagelwallentzündung
Panaritium parunguale (Paronychie)
Nagelbettentzündung
Klinik Graugrüne bis schwarze Färbung, evtl. mit Gasbil-
Panaritium ossale
Knöcherner Befall
dung. Charakteristisch ist der faulig-süße Geruch.
Panaritium articulare
Befall des Fingergelenks
Panaritium tendinosum
Befall der Sehne und der Sehnenscheide
Hohlhandphlegmone
Auftreten bei proximaler Ausbreitung entlang der Sehnen/ Sehnenscheiden
Form einer Nekrose, bei der eine Gewebsverflüssigung durch Einwirkung anaerober Fäulnisbakterien eintritt. Wir unterscheiden die trockene und die feuchte Gangrän.
Vorkommen Superinfektion durchblutungsgestörter Ge-
webe oder trockener Nekrosen.
Pyozeaneusinfektion Definition Es handelt sich um eine relativ häufige postoperative Wundinfektion mit typischer Blaugrünverfärbung des Verbandes begleitet von süßlichem Fötor.
recht verlaufenden Bindegewebssepten begünstigen die Tiefenausbreitung der Entzündung. Klinik Ausgangsort sind häufig Bagatellverletzungen.
(Hospitalismuskeim!) Therapeutisch ist ein Milieuwechsel durch Verbände mit verdünnter Essigsäure wirksam. Keim Pyozeaneus = Pseudomonas aeruginosa. Antibiotikatherapie mit Cephalosporinen 7 unten.
Erysipeloid (Schweinerotlauf)
Nach erfolgter Kontamination entwickelt sich sowohl eine abszedierende als auch eine phlegmonöse Entzündung mit Hyperämie, entzündlichem Ödem und stechendem oder pulsierendem Schmerz. Formen Die Formen des Panaritiums sind in . Tab. 1.9 dargestellt.
Definition
Keime Staphylokokken, Streptokokken.
Deutlich abgegrenzte juckende bläulich-rote Schwellung.
Aktinomykose (Strahlenpilzerkrankung) Definition
Vorkommen Häufig sind Finger, Hände und angrenzende
Gelenke, hauptsächlich bei Arbeitern in Fleisch-, Geflügelund Fischbetrieben, befallen. Die Infektionspforten sind meist Bagatellwunden.
Sie verläuft als chronisch-eitrige Entzündung. Der Eiter ist gekennzeichnet durch drusenartige Körnchen, die wie kleine gelbe Schwefelkörnchen aussehen.
Keim Erysipelothrix insidiosa.
Panaritium
Vorkommen Zu 95% in der zervikofazialen Region; daneben gibt es seltenere Infektionsorte wie die Lunge, den Darm und das innere Genitale.
Definition Es handelt sich um eine eitrige Infektion der Fingeroder Zehenbeugeseite sowie vom Nagelwall und Nagelbett.
Klinik Fistelbildungen, Darmstenosen. Keime Actinomyces israelii. Histologie Neutrophile Granulozyten und verfettete Ma-
Die Besonderheiten der Infektionsausbreitung sind durch die Fingeranatomie vorgegeben: Die palmarseitig senk-
krophagen, zentral Actinomycesdrusen, gekennzeichnet durch den hellen »Strahlenkranz«.
1
34
1
Kapitel 1 · Grundlagen
Bursitis Definition Akut- oder chronisch-verlaufende Entzündung eines Schleimbeutels.
Klinik Prominente Schwellung mit Hautrötung und ggf. auch Fluktuation. Vorkommen Bevorzugt im Bereich der Ellenbogen, wei-
tere Lokalisationen im Schulterbereich (Bursa subdeltoidea), im Kniescheibenbereich (Bursa praepatellaris) und weitere. Keime Meist Staphylokokken, selten Streptokokken und als
Begleiterkrankung bei generalisierter Gonokokkeninfektion und bei tuberkulöser Arthritis bzw. Lymphadenitis. ! Bei allen oben aufgeführten Infektionen handelt es sich um lokale Infektionen, d. h. die Eintrittspforte in den Körper und der Ort der Reaktion auf den Erreger sind identisch. Lokalinfektionen hinterlassen keine Immunität. Die Infektionsausbreitung und Begleitreaktionen des Gesamtorganismus sind jedoch möglich.
Chirurgische Handlungsprinzipien bei lokalen Infektionen 4 Versuch der lokalen Herdsanierung durch Eröffnung bzw. Ausscheidung lokaler Eiteransammlungen, Entfernung von Fremdkörpern. 4 Falls Ersteres möglich ist, sollte immer Material (Abstrich/Punktat/Gewebe) für eine bakteriologische Untersuchung gewonnen werden. Nur damit ist eine ggf. erforderliche Antibiotikatherapie gezielt möglich. 4 Immer erfolgt eine Ruhigstellung, falls nötig mit Gips- oder Schienenverband; die Hochlagerung bei Extremitäteninfektionen ist obligat, ebenso eine Kühlung der betroffenen Region mit Ausnahme bei Durchblutungsstörungen. 4 Falls die ersten beiden Punkte nicht durchführbar sind, erfolgt neben den geschilderten allgemeinen Maßnahmen die breit abdeckende, den wahrscheinlichen Erreger einschließende Antibiotikatherapie. 4 Vakuumtherapie 7 Abschn. 1.8.3.
Systemische Formen Tetanus Tetanus ist eine meldepflichtige Weichteilinfektion, die zur generalisierten Toxinausschüttung in die Blutbahn und Parese der quergestreiften Muskulatur, zum sog. Wundstarrkrampf, führt. Keime Erreger ist das Clostridium tetani, ein sporenbil-
dender, streng anaerober, grampositiver Keim mit spezieller Verbreitung in gedüngter Erde und Fäzes. Die Sporen sind hitzeresistent und überleben in Trockenheit bei Temperaturen von 60–150°C. Pathogenese Während der Inkubationszeit von 1–3 Wo-
chen wandelt sich der Erreger unter Sauerstoffmangel von der Sporen- in die Vegetativform. Die Clostridien bilden ein Neurotoxin, das Tetanospasmin. Die Folge sind tonisch-klonische Krampfanfälle. Klinik Nach der Inkubationszeit treten Kopf- und Muskelschmerzen, Schweißausbrüche, Abdominal- und Rückenschmerzen auf (Prodromalstadium). Erstsymptome sind dann häufig Steifheit im Kiefergelenk, Schluckstörungen und Hyperreflexie. Im weiteren Verlauf kommt es schließlich zur Lähmung der Zwerchfellmuskulatur. Hypoxisch bedingtes Herzversagen führt als Folge der krampfbedingten Insuffizienz der Atemmuskulatur zum Tod. Prognose Je kürzer die Inkubationszeit (weniger als
10 Tage) und je kürzer die Anlaufzeit (Intervall zwischen ersten klinischen Symptomen und ersten Krampfanfällen, weniger als 3 Tage), desto schlechter die Prognose. Therapieregime Eine kausale Therapie nach Ausbruch der
Erkrankung gibt es nicht. 4 Wundexzision zur Erregereliminierung, 4 Immunbehandlung mit Tetanushyperimmunglobulin, bis 35.000 IE, 4 Krampfprophylaxe, Kupierung, ggf. Relaxation unter Intubation und Beatmung, 4 intensivtherapeutische Maßnahmen. Tetanusprophylaxe
4 Vorbeugende Impfung mit Tetanustoxoid 7 unten, 4 frühe chirurgische Wundversorgung, 4 Immunisierung: 5 Passiv: Gabe von 250 IE Tetanusimmunglobulin im Verletzungsfall, wenn kein ausreichender Impfschutz besteht. Es resultiert ein 1–4 Wochen anhaltender Schutz. 5 Aktiv: Gabe von 0,5 ml Tetanustoxoid. Das Immunsystem antwortet hierauf mit der Bildung eigener Immunglobuline (daher: aktiv). Um diese Immun-
35 1.10 · Wunden und ihre Versorgung
antwort zur Erlangung einer langjährigen Schutzwirkung zu verstärken, erfolgen eine 2. Impfung nach 2–6 Wochen und eine 3. Impfung nach 6–12 Monaten. 5 Im Verletzungsfall erfolgt die erste Impfung als Simultanimpfung von aktiver und passiver Impfung. Die Schutzwirkung der kompletten aktiven Impfung beträgt (5–)10 Jahre. Eine einmalige Auffrischung nach jeweils 5 Jahren ist sinnvoll. Das Impfprogramm für Klein- und Schulkinder enthält heute die aktive Immunisierung gegen Tetanus. Daher ist die Bevölkerung fast lückenlos geschützt. Eine anhaltend gute Impfdisziplin ist auch in den Unfallambulanzen wichtig. Mit einem Schnelltest ist der aktuelle Tetanusimmunstatus ermittelbar!
Gasbrand Definition Zunächst lokale Weichteilinfektion exotoxinbildender Erreger mit gasbildender, foudroyant verlaufender Gewebsnekrose und konsekutiver Toxinämie.
Die Clostridienmyositis und Myonekrose stellen die schwersten Verlaufsformen der Infektion mit rascher zentripetaler Infektionsausbreitung auf die gesunde Muskulatur dar. Dagegen verläuft die Clostridienzellulitis günstiger, da sie auf den unmittelbaren Wundbereich beschränkt bleibt, ohne auf die gesunde Muskulatur überzugreifen. Außerdem fehlen die Allgemeinsymptome (Unruhe, Schwächegefühl, delirante Verwirrung, Tachykardie und leichtes Fieber). Im Spätstadium führen akutes Nierenversagen, toxinbedingte Hypotonie und Herz-Kreislauf-Versagen zum tödlichen Ausgang. Therapie Die operative Therapie ist primär dringlich nach klinischer Verdachtsdiagnose. Maßnahmen sind: 4 Die Längsspaltung durch Haut, Faszie und Muskel. 4 Die Exzision von Nekrosen, je nach Verlauf ggf. frühzeitige Amputation im Gesunden, Offenlassen der Wunden. 4 Als adjuvante Maßnahmen sind Antitoxingaben und evtl. die hyperbare Sauerstoffbehandlung in einer Druckluftkammer anzusehen, 4 Antibiotika wie Penicillin und Metronidazol sowie Intensivtherapie.
Keime Grampositive, obligat anaerobe, sporenbildende Clostridien: 4 in über 80% Clostridium perfringens, 4 selten C. novyi, C. histolyticum oder C. septicum.
Prognose Die Mortalität beträgt 30–50%.
Die Sporen der Bakterien sind Saprophyten (Fäulnisbakterien) des menschlichen und des tierischen Darmes. Gehäuftes Vorkommen in gedüngtem Boden.
Weitere chirurgische Infektionen sind: Tuberkulose, Tollwut und parasitäre Infektionen wie Echinokokkose (7 Abschn. 2.8.2), chirurgische Komplikationen der Amöbiasis (7 Abschn. 2.8) und der Askaridiasis. Diese Krankheitsbilder werden hier nicht näher betrachtet.
Pathogenese Folgende Faktoren begünstigen eine Gasbrandinfektion: 4 ausgedehnte Weichteilkontusion mit Verschmutzung, 4 arterielle Minderdurchblutung, 4 Mischinfektionen mit anaeroben und aeroben Erregern, 4 freigesetzte Kalziumsalze (Trümmerfrakturen! Sie begünstigen die Wirkung der teilweise kalziumabhängigen Toxine). Ablauf der Intoxikation Die Erreger bilden neben Exotoxinen Enzyme, die zu einer auflösenden Zerstörung der Zellen führen. Die typische Gasbildung resultiert aus der Kohlenhydratvergärung und der Eiweißzersetzung. Klinik Nach 1–2 Tagen Inkubationszeit kommt es unter heftigen Wundschmerzen zur ödematösen Wundschwellung und violett-schwarzer Wundfarbe. Das fleischwasserfarbene Wundsekret und das Knistern des infizierten Gewebes bei Palpation sind charakteristisch.
! Nicht jede gasbildende Phlegmone ist ein Gasbrand! Als Differenzialdiagnose kommen in Frage: Streptokokkenmyositis und infizierte Gangrän.
Methicillin-/Oxacillin-resistenter Staphylococcus aureus Definition Multiresistente Staphylococcus-aureus-Stämme, die in unseren Krankenhäusern immer häufiger vorkommen.
Sie sind weltweit verbreitet und gelten als Verursacher nosokomialer Infektionen. Durch die Multiresistenz werden die Therapiemöglichkeiten erheblich eingeschränkt. Der vorrangige Übertragungsweg ist der Weg über die Hände des Personals. Es kann jedoch auch eine endogene Infektion stattfinden, bei der der Patient durch eigene Besiedelung mit Staphylococcus aureus zum Herd seiner MRSA-Erkrankung wird.
1
36
1
Kapitel 1 · Grundlagen
Der MRSA-Stamm gilt als besonders umweltresistent. Er ist widerstandsfähig gegenüber Trockenheit und Wärme und haftet stark an Instrumenten und Pflegeutensilien. Aus den eigentlich nur bedingt pathogenen Staphylokokken haben sich durch Mutation Stämme entwickelt, die durch die Bildung eines Penicillin-bindenden Proteins gegen Methicillin (heute bekannt unter dem Namen Oxacillin) resistent sind. Davon sind besonders Stämme betroffen, die in erster Linie in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen vorkommen. Ursachen für die zunehmende Verbreitung
4 Die Antibiotikagabe ist teilweise zu häufig, zu kurz oder zu unspezifisch. 4 Hygienepläne werden nicht konsequent eingehalten. 4 Intensivmedizinische, invasive Maßnahmen, die das Risiko einer Infektion erhöhen, nehmen zu. Zudem haben Patienten in schlechtem Allgemeinzustand und/oder immunsupprimierte Patienten dem MRSA geringe Widerstände entgegenzusetzen. 4 Als prädisponierende Faktoren gelten außerdem der Diabetes und die dialysepflichtige Niereninsuffizienz.
Richtlinien zur Prävention und Behandlung Die Kommission für Krankenhaushygiene des RobertKoch-Instituts hat Richtlinien zur MRSA-Infektion, zur Prävention und zur Behandlung herausgegeben: 4 Der MRSA-Stamm muss frühzeitig erkannt und spezifiziert werden. 4 Der betroffene Patient muss isoliert werden und kann nur mit anderen MRSA-infizierten Patienten zusammengelegt werden. Kontaktpersonen müssen jedoch nicht isoliert werden. 4 Die Zahl der behandelnden Personen muss auf ein Minimum reduziert und das Personal muss umfassend geschult werden. 4 Die konsequente Einhaltung aller hygienischen Richtlinien, insbesondere die hygienische Händedesinfektion, ist obligat. 4 Die Sanierung nasaler MRSA-Besiedelung muss vorrangig sein, da die Minimierung der Keime in der Nase zumeist auch eine Minimierung der Keime an anderer Stelle nach sich zieht. 4 Einzelne MRSA-Erkrankungen müssen nicht dem zuständigen Gesundheitsamt gemeldet werden. Bei epidemischem Auftreten schreibt das Bundesseuchengesetz eine sofortige Meldung an das Gesundheitsamt vor. 4 Gezieltes Eingangsscreening für Risikopatienten bei Krankenhausaufnahme mittels Schnelltest.
Der Nachweis des MRSA ist in jedem bakteriologischen Labor und inzwischen auch mit einem Schnelltest leicht möglich. Bis zum Ergebnis der Tests ist eine vorsorgliche Isolation des Patienten sinnvoll. Nach der Diagnose ist ein konsequentes Hygienemanagement entscheidend. Planung einer Operation eines MRSA-Patienten
4 Die Operation an das Ende des geplanten Programmes setzen. 4 Der Patient muss allein in der OP-Schleuse sein; Wartezeit vermeiden. 4 Die Schleuse muss danach zuverlässig mit einer Scheuer-Wisch-Desinfektion für die anderen Patienten vorbereitet werden. 4 Wenn möglich sollte die Operation in einem ausgegliederten OP-Saal vorgenommen werden, zumindest aber in dem Saal, der der Schleuse am nächsten liegt. 4 Alle Gegenstände, die nicht benötigt werden, sind aus dem Saal zu entfernen. 4 Während der Operation ist der Saal zu isolieren. 4 Materialien, die der Aufbereitung zugeführt werden müssen, sind in einem geschlossenen Behälter in die zentrale Sterilgutversorgungsabteilung (ZSVA) zu transportieren; hier reicht die zur Desinfektion übliche Einwirkzeit aus. 4 Wäsche flüssigkeitsdicht verpacken und verschlossen der Wäschedesinfektion zuführen. 4 Abfälle ebenfalls flüssigkeitsdicht verpacken und entsorgen. 4 Der Patient wird nicht über den Aufwachraum geleitet, sondern isoliert in einem Zimmer überwacht.
MRSE (Methicillin-resistenter Staphylococcus epidermis)-Infektion Dieser Keim ist ein patienteneigener Keim, der sich vermehrt an Fremdkörpern und Implantaten festsetzt. Eine Infektion mit diesem Erreger weist alle Zeichen einer Sepsis auf. Die Antibiotikatherapie zeigt sich häufig als wirkungslos, da die anhaftenden Keime nicht erreicht werden. In der Regel ist die Entfernung des Fremdkörpers (z. B. Dauerkatheter, zentraler Zugang) indiziert.
2
Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie M. Liehn, L. Steinmüller, S. Bröker, U. Engel, H. Schimmelpenning
2.1
Zugangswege und Instrumentarium
2.2
Schilddrüse
2.3
Hernien
2.4
Speiseröhre
2.5
Magen
2.6
Milz
2.7
Gallenblase und Gallenwege
2.8
Leber
2.9
Bauchspeicheldrüse
– 38
– 46
– 51 – 58
– 65
– 78 – 80
– 85
2.10 Dünndarm
– 100
2.11 Blinddarm
– 102
2.12 Dickdarm 2.13 Proktologie 2.14 Peritonitis
– 94
– 105 – 125 – 132
2.15 Minimal-invasive Chirurgie
– 134
M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
38
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
2.1
Zugangswege und Instrumentarium M. Liehn, L. Steinmüller
2
2.1.1
Beschreibung der Zugangswege
Die Schnittführung (. Abb. 2.1) hängt immer von der geplanten Operation ab. Das OP-Gebiet muss gut einsehbar sein. Anatomische Strukturen, Wundheilung und auch kosmetische Gesichtspunkte sollten berücksichtigt werden. Grundsätzlich ist zu bedenken, dass große Schnitte zwar die Übersicht erhöhen und der Radikalität nutzen können, jedoch die Hospitalisierungsdauer der Patienten erhöhen.
mie) bis auf die Halsfaszie durchtrennt. Um Störungen der Hautdurchblutung zu vermeiden, sollte das Platysma auf keinen Fall von der Haut abpräpariert werden. Teils stumpf mit Präpariertupfer oder Finger, teils scharf mit der Schere wird der Haut-Platysma-Lappen von kranial bis in Höhe des oberen Schildknorpels nach kaudal bis zum Manubrium sterni von der Halsfaszie abgelöst. Die Längs- oder Querspaltung der Halsfaszie erfolgt mit einer Präparierschere. Zur besseren Übersicht und geringeren Gefährdung der Epithelkörperchen kann die gerade Halsmuskulatur in 2 Schichten durchtrennt werden. Die spannungsfreie Hautnaht ist zumeist gut möglich. Mit der Intrakutannaht werden günstige kosmetische Ergebnisse erzielt.
Kocher-Kragenschnitt Beispiel: Schilddrüsenoperation, Epithelkörperchenentfernung, Zugang zum vorderen Mediastinum. Die Spaltlinien der Haut verlaufen am Hals quer. Im Hinblick auf kosmetische Aspekte sollten Schnitte möglichst parallel zu den Spaltlinien ebenso verlaufen. Bei rekliniertem Kopf erfolgt eine bogenförmige, fast horizontale Schnittführung 2 cm über dem Jugulum zwischen den beiden Mm. sternocleidomastoidei. Die Schnittlänge richtet sich nach der Größe der Struma. Haut, Subkutis und Platysma werden mit einem Skalpell oder mit Hilfe von Hochfrequenzströmen (Diather-
Rippenbogenrandschnitt nach Kocher oder Courvoisier Beispiele: 4 rechts: klassische Cholezystektomie, Leberresektion, 4 links: Splenektomie, subphrenischer Abszess. Dieser Schnitt ist kosmetisch günstig. Narbenhernien treten kaum auf. Er bietet aber einen schlechten Zugang zum Abdomen, falls eine Verlängerung erforderlich wird. Der Schnitt verläuft vom Xiphoid bis zur vorderen Axillarlinie, ca. 1–2 cm unterhalb des Rippenbogens, und wird ungefähr 8–10 cm lang. In der medialen Wundhälfte werden die vordere Rektusscheide und in der lateralen Wundhälfte der M. obliquus externus abdominis mit der Diathermie durchtrennt. Der M. rectus wird quer durchtrennt. An seiner Hinterwand verlaufen 2 Äste der A. epigastrica, die ligiert oder koaguliert werden müssen. Die einsprießenden Äste des 8. Interkostalnervs werden durchtrennt, lateral wird der M. obliquus internus abdominis in Faserrichtung stumpf auseinander gedrängt. Medial soll der Schnitt nur bis zum Ligamentum falciforme hepatis reichen. Lateral wird mit dem Peritoneum gleichzeitig der M. transversus abdominis durchtrennt. Beim Wundverschluss kann das hintere Blatt der Rektusscheide zusammen mit dem Peritoneum gefasst werden.
Oberbauchquerschnitt
. Abb. 2.1 Mögliche Schnittführungen in der Viszeralchirurgie
Beispiele: Pankreasoperationen, Magenoperationen, Lebereingriffe. Diese Schnittführung bietet eine gute Übersicht; die Wundheilung ist zumeist ungefährdet. Der Hautschnitt verläuft quer oder leicht bogenförmig. Die Länge richtet sich nach der erforderlichen Übersicht im OP-Feld. Die Haut wird mit dem Skalpell eröffnet; für die Subkutis und die nachfolgenden Schichten wird häufig die Diathermie verwendet. Durchtrennung der Faszie des M. rectus abdominis, des M. obliquus externus abdominis
39 2.1 · Zugangswege und Instrumentarium
und des M. transversus. Bei der Durchtrennung der Muskulatur mit der Diathermie sollte sie zum Schutz des darunter liegenden Peritoneums vorher mit einer Kunststoffrinne unterfahren werden. Das Peritoneum wird mit 2 chirurgischen Pinzetten angehoben und mit dem Skalpell oder der Schere inzidiert; ggf. können die Inzisionsränder mit je einer Peritonealklemme nach Mikulicz angeklemmt werden, bevor der Schnitt mit einer Präparierschere oder der Diathermie zu beiden Seiten verlängert wird. In der Mittellinie kreuzt das Lig. teres hepatis. Es wird mit Overholt-Klemmen und Ligaturen durchtrennt.
Mediane Längslaparotomie Beispiel: fast alle intraabdominellen Operationen im Oberund Unterbauch, insbesondere Notfalloperationen. Hierbei ist eine problemlose Verlängerung von der Symphyse bis zum Xiphoid möglich. Die Schnittführung erhöht wahrscheinlich die Gefahr eines Platzbauches oder einer Narbenhernie v. a. im Oberbauchbereich. Höhe und Länge des Schnittes richten sich nach dem geplanten Eingriff. Die Hautinzision erfolgt streng in der Mittellinie, der Nabel wird linksseitig umschnitten. Oberhalb des Nabels wird im Verlauf des Linea alba inzidiert; deshalb wird die Muskulatur bei exakter Schnittführung nicht freigelegt. Beim unteren Medianschnitt liegt die peritoneale Umschlagfalte ventral der Harnblase. Hier werden nacheinander die Faszia transversalis und das Peritoneum durchtrennt. Die Peritoneumspaltung erfolgt 4 im Unterbauch in der Mittellinie, 4 im Oberbauch bei Magen- und Milzoperationen links, 4 bei Leber- und Gallenoperationen rechts des Lig. teres hepatis.
Wechselschnitt nach McBurney Beispiel: Appendektomie. Der Schnitt ist schlecht erweiterbar, führt aber selten zu Narbenbrüchen. 4 Hautschnittbeginn ca. 2 cm medial der Spina iliaca superior in fast horizontaler Richtung. Subkutisdurchtrennung. 4 Inzision der Aponeurose des M. obliquus externus im Faserverlauf. 4 Umsetzen der stumpfen Haken, stumpfes Ablösen des M. obliquus externus vom M. obliquus internus und Spalten des M. obliquus internus in Faserrichtung mit einer Präparierschere. 4 Transversusfaszie und Peritoneum werden mit Pinzetten angehoben und inzidiert. Die nachfolgenden Schnittführungen werden der Vollständigkeit halber hier aufgeführt:
Paramedianschnitt Diese Schnittführung wird sowohl im Ober- als auch im Unterbauch, 2–3 cm rechts oder links der Medianlinie, ausgeführt. Nach der Subkutisdurchtrennung wird die vordere Rektusscheide eröffnet. Die epigastrischen Gefäße müssen bei langen Inzisionen durchtrennt werden. Stumpfes Ablösen des M. rectus abdominis, Eröffnen der hinteren Rektusscheide gemeinsam mit dem Peritoneum.
Transrektalschnitt Der Hautschnitt verläuft ähnlich wie beim Paramedianschnitt. Die Subkutis wird durchtrennt, die Rektusscheide in der Mitte längs inzidiert, der M. rectus abdominis in Faserrichtung durchtrennt und beiseite gedrängt. Hinteres Rektusscheidenblatt und Peritoneum werden längs eröffnet.
Pararektalschnitt/Kulissenschnitt nach Lennander Beispiel: Appendektomie. Dieser Schnitt kann beliebig verlängert werden. Der Hautschnitt verläuft parallel zum äußeren Rektusrand. Die Rektusscheide wird längs gespalten, der M. rectus abdominis stumpf ausgelöst und mit Roux-Haken nach medial gezogen. Hintere Rektusscheide und Peritoneum werden angehoben und inzidiert.
Mediane Sternotomie 7 Abschn. 6.3.3; Pfannenstiel-Schnitt 7 Kap. 8 Gynäkologie.
2.1.2
Instrumentarium für die Laparotomie
Für abdominalchirurgische Eingriffe werden zusätzlich zum Grundinstrumentarium größere und längere Haken, Scheren, Pinzetten und Klemmen, oft Organfasszangen und weitere Instrumente benötigt. Einige sollen beispielhaft vorgestellt werden.
Haken und Pinzetten ! Nach der Eröffnung des Peritoneums gilt die Regel,dass alle scharfen Instrumente vom Operateur abgegeben werden.
Jetzt werden anatomische und atraumatische Dissektionspinzetten und Klemmen benutzt (. Abb. 2.2 und . Abb. 2.3). Als lange Haken kommen zum Einsatz: 4 Bauchdeckenhaken (. Abb. 2.4). 4 Leberhaken (. Abb. 2.5). Zum Schutz des Gewebes sollten sie feucht angereicht oder mit einem feuchten Bauchtuch unterlegt werden.
2
40
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
2
2.2
2.3
2.6 . Abb. 2.2 . Abb. 2.3 . Abb. 2.4 . Abb. 2.5
Pinzette nach Cushing. (Fa. Aesculap AG) Pinzette nach de Bakey. (Fa. Aesculap AG) Bauchdeckenhaken nach Fritsch. (Fa. Aesculap AG) Leberhaken nach Mikulicz (Fa. Aesculap AG)
2.4
2.5
2.7 . Abb. 2.6 Weiche Darmklemme nach Kocher. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 2.7 Weiche Darmklemme nach Doyen; sie soll den Darm federnd abklemmen, ohne ihn zu traumatisieren. (Fa. Aesculap AG)
41 2.1 · Zugangswege und Instrumentarium
Klemmen Weiche Darmklemmen Für sie gilt ebenfalls, dass sie nur feucht mit dem Darm in Berührung kommen sollten (. Abb. 2.6 und . Abb. 2.7). Rektum- und Sigmaklemmen haben eine 90°-Krümmung und eine atraumatische Riefelung.
Harte Darmklemmen Sie dürfen nur für die wegfallenden Anteile des Darmes benutzt werden, weil sie eine anatomische quer gestreifte Riefelung haben und den Darm dicht verschließen und traumatisieren.
Magenklemmen Sie sind länger als die vorgenannten Instrumente, weil der Magen in seiner gesamten Breite abgeklemmt wird, und atraumatisch, um die Anastomose nicht zu gefährden. Sie werden durch den Einsatz der Klammernahttechnik nur noch selten angewendet.
Organfasszangen Organfasszangen sind häufig gefenstert; einige sind an den Maulenden gezahnt, um derbes Gewebe besser halten zu können (. Abb. 2.8). Es gibt dreieckig gefensterte Klemmen in verschiedensten Größen, z. B. die Gewebe- oder die Lungenfasszange nach Duval oder Collin (. Abb. 2.8). In der Darmchirurgie werden die Lumina häufig mit der Allis-Klemme (. Abb. 2.10) aufgespannt. Eine weitere Organfasszange mit den verschiedensten Einsatzgebieten ist die Gewebefasszange nach Museux (. Abb. 2.11).
Rahmen und Bauchdeckenhalter Zum Offenhalten der Körperöffnung gibt es spezielle Hakensysteme, die in einen vorgeformten Rahmen eingehängt werden. Sie haben unterschiedliche Formen und Valven; hier einige Beispiele: 4 Bauchdeckenrahmen nach Kirschner (. Abb. 2.12), 4 Bauchdeckenhaken nach Rochard (. Abb. 2.13), 4 Goligher-Rahmen (. Abb. 2.14), 4 diverse selbsthaltende Systeme im Baukastenprinzip. Der Rahmen nach Rochard hat seinen festen Platz in der Magenchirurgie. Er setzt sich zusammen aus dem Befestigungsgestell, mit dem er an den Seiten des OP-Tisches befestigt wird (. Abb. 2.13), der Fixiervorrichtung für den Haken (. Abb. 2.15a) und den Valven unterschiedlicher Größe (. Abb. 2.15b). Die passende Valve wird so angelegt, dass die Sicht auf den OP-Situs bis zum Rippenbogenrand durch ständigen Zug gewährleistet ist. Das Blatt wird in die Fixiervor-
richtung eingehängt, die wiederum am Befestigungsbügel eingehakt ist. Das Gestell ist zerlegbar und autoklavierbar.
Klammernahtinstrumente (Stapler) Maschinelle Klammernahtinstrumente gehen in ihrer Entwicklung auf Hütl und von Petz (1924) zurück. Der Nähapparat nach von Petz setzt eine doppelte Klammerreihe. Die Klammern sind aus Silber und müssen nach jedem Gebrauch einzeln wieder aufgefüllt werden. Dieses Klammerinstrument kommt in der Magenchirurgie nur noch sehr selten zur Anwendung. Friedrich entwickelte den ersten Nähapparat mit auswechselbaren Magazinen, die ebenfalls postoperativ mit Silberklammern wieder aufgefüllt werden mussten. Seit ihrer Einführung haben die Klammernahtinstrumente einen festen Platz in der Chirurgie eingenommen. Sie bieten einen weiten Anwendungsbereich in der Allgemein-, Thorax- und Gefäßchirurgie, sowie in der MIC. Die Klammern werden durch das Nahtinstrument zu einem B geformt. Sie liegen bei Ausführung einer End-zuEnd-Anastomose quer zur Darmlängsachse und damit parallel zu den intramuralen Darmgefäßen. Die Form der Klammern bewirkt eine effiziente Blutstillung, ohne dass Minderdurchblutungen resultieren. Unterschiedliche Darmlumina können durch Bougierung vor der Anastomosierung angeglichen werden. Die Anastomosenregionen müssen im Bereich der Klammernahtreihe von Fettgewebe befreit sein. Eine Stapleranastomose wird mit Tabakbeutelnähten vorbereitet. Das Legen einer Tabakbeutelnaht wird durch spezielle Klemmen und Nadel-Faden-Kombinationen vereinfacht. Stapler sind von verschiedenen Herstellern erhältlich als Mehrweg- und als Einweginstrumente mit nachladbaren Magazinen. Diese sind farblich kodiert für unterschiedliche Größen. Es gibt sie mit Titanklammern wie auch mit resorbierbaren Klammern. Die bis jetzt entwickelten Instrumente lassen sich in die folgenden 4 Gruppen unterteilen.
Lineare Klammernahtinstrumente Dies sind reine Verschlussinstrumente, deren Klammern in einer geraden Linie gesetzt werden (. Abb. 2.16). Diese Instrumente setzen eine doppelte Klammerreihe mit gegeneinander versetzten Klammern aus Titan oder resorbierbarem Material. Die Magazine unterscheiden sich zur Kennzeichnung der unterschiedlichen Klammerlängen in der Farbkodierung; die Länge der Magazine ist aus der Gerätebezeichnung ersichtlich.
2
42
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
2
2.8
2.9
2.10
2.11
2.12
. Abb. 2.8 Gallenblasenfasszange nach Glassmann. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 2.9 Organfasszange nach Collin. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 2.10 Die Allis-Klemme hat 4–6 kleine Zähnchen, die in einander greifen. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 2.11 Gewebefasszange nach Museux. (Fa. Aesculap AG)
. Abb. 2.12 Bauchdeckenrahmen nach Kirschner. Die einzelnen Blätter des Rahmens können durch mehrere Raster in unterschiedlichen Stellungen eingehakt werden. Die breiten Valven sind für adipöse Patienten einsetzbar. (Fa. Aesculap AG)
43 2.1 · Zugangswege und Instrumentarium
a
. Abb. 2.13 Befestigungsgestell des Rochard-Hakens. (Fa. Aesculap AG)
b . Abb. 2.15a, b Bauchdeckenrahmen nach Rochard. a Fixiervorrichtung und b einhakbare Valve. (Fa. Aesculap AG)
Zirkuläre Anastomosierungsinstrumente
. Abb. 2.14 Goligher-Rahmen. (Fa. Aesculap AG)
Diese sog. intraluminalen Stapler dienen der End-zu-EndAnastomosierung von 2 Hohlorganen und setzen zirkulär invertierende zweireihige Klammernähte. Es gibt Modelle (. Abb. 2.17) mit geradem oder mit gebogenem Schaft; der Kopf ist abnehmbar. Das Nahtinstrument wird mit der Andruckplatte von einer gesonderten Inzision aus in den einen Anastomosenschenkel eingeführt und mit einer vorher gelegten Tabakbeutelnaht fixiert. Der andere Anastomosenschenkel, in dem der Kopf des intraluminalen Staplers ebenfalls mit einer Tabakbeutelnaht fixiert ist, wird durch Zusammendrehen des Schraub- oder Steckmechanismus mit der Andruckplatte dem Instrument genähert. Danach wird der Klammermechanismus ausgelöst und die zirkuläre, invertierende Klammernahtreihe entsteht.
2
44
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
. Abb. 2.16 Linear Stapler TL. (Fa. Ethicon)
2
. Abb. 2.17 Zirkuläres Klammernahtinstrument CDH. (Fa. Ethicon)
. Abb. 2.18 Linearer Cutter PLC. (Fa. Ethicon)
Die zirkulären Stapler haben ein integriertes Messer, das gleichzeitig die Anastomosenringe exzidiert. Die Ringe bleiben auf dem herausnehmbaren Dorn. Es ist zwingend erforderlich, sie auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen, da sie die Dichtigkeit der Anastomose dokumentieren.
Lineare Anastomosierungsinstrumente Sie dienen der Herstellung von Seit-zu-Seit-Anastomosen zwischen 2 Hohlorganen bei gleichzeitiger Durchschneidung zwischen den gesetzten Klammerreihen. Beispiel: . Abb. 2.18. Beide Branchen des Instruments werden jeweils in die Lumina der zu anastomosierenden Darmenden gescho-
45 2.1 · Zugangswege und Instrumentarium
ben. Sie werden ausgerichtet, zusammengesteckt und verschlossen. Nach dem Auslösen werden die beiden Staplerteile wieder getrennt. Die beiden doppelten Klammerreihen sind gegeneinander versetzt gelegt, und das Gewebe ist dazwischen durchtrennt. Bei einigen Endostaplern werden 6-fache Nahtreihen gesetzt, zwischen denen das integrierte Messer das Gewebe durchtrennt. jContour-Stapler
Ein gebogenes Klammer- und Schneideinstrument, setzt 4 Reihen Titanklammern und ermöglicht eine Anastomose auch tief im kleinen Becken (. Abb. 2.21). Zusatzinstrumente, die die Anwendung der Anastomo-
sierungsinstrumente erleichtern, sind: 4 Messstäbe oder auch Bougies genannt zur Aufdehnung und/oder gleichzeitigen Bestimmung des Lumendurchmessers: Sie werden vor Gebrauch angefeuchtet und behutsam in das Darmlumen eingeführt. 4 Tabakbeutelklemme (. Abb. 2.19): Die Klemme wird mit ihren quer gestellten Branchen angelegt und bis zum Anschlag zusammengedrückt. Dann wird durch die beiden vorgegebenen längs verlaufenden Nadelrinnen eine doppelt armierte Tabakbeutelnaht gelegt. Nun kann die Klemme langsam gelöst und die Naht ggf. angezogen und verknüpft werden. 4 Instrumentenkopffasszange (. Abb. 2.20) zur korrekten Applikation des Kopfes des zirkulären Staplers.
Einzelklammergeräte Sie werden zum Klammern von Haut und Faszie oder als Skelettierungshilfe benötigt. Beispiele sind: 4 Einzelclipstapler mit intergriertem Messer, die gleichzeitig ligieren und schneiden. Bei umfangreichen Skelettierungen spart der Einsatz dieses Instruments Zeit, denn es setzt bei jedem Auslö. Abb. 2.21 Contour-Stapler. (Fa. Ethicon)
. Abb. 2.19 Tabakbeutelklemme. (Fa. Ethicon)
. Abb. 2.20 Instrumentenkopffasszange. (Fa. Ethicon)
sen 2 Klammern, zwischen denen es gleichzeitig das Gewebe durchtrennt. Eine Sicherheitsvorrichtung verhindert, dass weiterhin Gewebe durchtrennt wird, wenn im Magazin keine Klammern mehr vorhanden sind. 4 Hautstapler. Die Hautränder werden mit 2 chirurgischen Pinzetten evertiert, und jedes Auslösen des Instruments setzt eine Klammer.
2
46
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
münden in den Bulbus venae jugularis inferior oder in den Truncus brachiocephalicus. Seitliche, oft sehr kurze Venen in die V. jugularis interna, sog. Kocher-Venen, können bei Verletzung zu sehr starken Blutungen führen.
2
Feingeweblicher Aufbau und Funktion
. Abb. 2.22 Ventralansicht der Schilddrüse. Die Abbildung zeigt ein Organ mit einem (fakultativen) Pyramidenlappen, der als Rest des Ductus thyreoglossus verblieben ist. Der Isthmus verbindet den linken mit dem rechten Lappen
Die meisten Staplermodelle gibt es auch als Ausführung für die minimal-invasive Chirurgie, teilweise auch als abwinkelbare Instrumente.
2.2
Schilddrüse
Die Schilddrüsenzellen, Thyreozyten, bilden zahlreiche Follikel, die aus dem zirkulierenden Blut Jod aufnehmen, speichern und daraus das inaktive Thyroxin bilden, das vom Körper in das stoffwechselaktive Trijodthyronin umgebildet wird. Bei einer Schilddrüsenüberfunktion verhindern sog. Thyreostatika diesen Mechanismus. Übergeordnete Organe für diesen Regelkreis sind das Zwischenhirn und die Hypophyse, die das schilddrüsenstimulierende Hormon, das TSH, bei Bedarf ausschüttet.
Epithelkörperchen (Glandulae parathyreoideae) Meist 4, seltener 3 oder 5 etwa linsengroße Drüsen dorsal in der Nähe der Schilddrüse produzieren das Parathormon, das den Kalziumstoffwechsel steuert. In seltenen Fällen gibt es erhebliche Lagevariationen dieser Drüsen zwischen Unterkiefer und Zwerchfell, was bei der Operation eines sog. Hyperparathyreoidismus, einer Vergrößerung einer oder mehrerer Nebenschilddrüsen, erhebliche Schwierigkeiten beim Auffinden der pathologischen Drüse(n) bereiten kann.
M. Liehn, U. Engel 2.2.1
Anatomie
2.2.2
Erkrankungen der Schilddrüse
Die Schilddrüse ist ein schmetterlingsförmiges, ca. 20–30 g schweres Organ am Hals, bestehend aus rechtem und linkem Lappen, verbunden durch eine vor der Trachea liegende Gewebebrücke, dem Isthmus. Von diesem kann als entwicklungsgeschichtliches Rudiment ein nach kranial gerichteter Gewebezapfen, der Lobus pyramidalis, ausgehen (. Abb. 2.22).
Struma
Gefäßversorgung
Ursache
Jeder Schilddrüsenlappen wird durch zwei kräftige Arterien versorgt: 4 die obere Polarterie, die A. thyreoidea superior, entspringt als 1. Ast aus der A. carotis externa, 4 das untere Polgefäß, die A. thyreoidea inferior, entspringt aus dem Truncus thyreocervicalis.
Exogener Nahrungsjodmangel, sog. strumigene Substanzen und angeborener Fermentmangel können zunächst zu einer Vergrößerung der einzelnen Schilddrüsenzelle und im Verlauf dann auch zu einer Zunahme der Zahl an Schilddrüsenzellen führen, d. h. zu einer Struma. Da sich nicht alle Zellen in gleicher Weise vergrößern, kommt es mit der Zeit zu knotigen Veränderungen.
Letztere kreuzt in sehr variabler Weise den N. recurrens (den Stimmbandnerv) vor seinem Eintritt in den Kehlkopf. Der venöse Abfluss vom oberen Pol erfolgt entsprechend den Ästen der gleichnamigen Arterien meist direkt in die V. jugularis interna, die Venen vom kaudalen Pol
Definition Als Struma oder Kropf werden Knotenbildungen sowie jede Vergrößerung von Teilen des Organs oder der gesamten Schilddrüse bezeichnet.
Formen Unterscheidung nach der Gewebebeschaffenheit: 4 Struma diffusa, 4 Struma uninodosa, 4 Struma multinodosa.
47 2.2 · Schilddrüse
Unterscheidung nach der Funktion: 4 euthyreote Struma: normale Schilddrüsenhormonproduktion, 4 hyperthyreote Struma: gesteigerte Hormonproduktion, 4 hypothyreote Struma: verminderte Hormonproduktion. Die Knotenbildung entsteht durch umschriebene Gewebsdegeneration, die sich in vermehrter Bindegewebsbildung, Zysten, Einblutungen oder Verkalkungen manifestieren kann. Sogenannte Adenome können mit vermehrter, normaler oder verminderter Hormonbildung einhergehen. Knoten mit vermehrter Hormonbildung werden autonome Adenome genannt, sie unterliegen nicht mehr dem hypothalamo-hypophysär-thyreoidalen Regelkreis und geben ungesteuert Hormon an die Blutbahn ab, was schwere Krankheitsbilder im Sinne einer Schilddrüsenüberfunktion sowie Herzrhythmusstörungen auslösen kann.
Diagnostik jAnamnese
4 4 4 4
Zufallsbefund oder Beschwerdesymptomatik. Herkunft aus einem Endemiegebiet? Dauer der Schilddrüsenveränderung. Familiäre Belastung.
Knoten, die im Szintigramm kein entsprechendes Korrelat finden (kalte Knoten). Vor dieser Untersuchung muss eine Schwangerschaft ausgeschlossen sein. jPunktionszytologie
Bei in der Sonographie vom sog. echoarmen Knoten, ggf. mit unscharfem Rand, sollte eine Punktionszytologie unter sonographischer Kontrolle durchgeführt werden. Allerdings ist die Befundung aufgrund spezifischer Probleme bei der Schilddrüse (unterschiedliche Zellarten, Kapsel der Knoten) im Gegensatz zu Punktionszytologien anderer Organe sehr schwierig. Bei Karzinomverdacht ist die Operation indiziert.
Hyperthyreose Definition Die Hyperthyreose ist durch eine starke Erhöhung der Schilddrüsenhormone im Blut und ein erniedrigtes TSH gekennzeichnet. Symptome: motorische Unruhe, verstärkte psychische Erregung, ängstliche Verstimmung, Affektlabilität, feinschlägiger Tremor der Hände, Heißhunger, Durchfall, Gewichtabnahme. Hervorstehende Augen, endokrine Orbitopathie, gehört zum Krankheitsbild des M. Basedow (s. unten).
jInspektion und Palpation
Größe, Lage, Konsistenz, Knotenbildung, Verschieblichkeit der Schilddrüse. Abtauchen nach retrosternal, Druckdolenz, Lymphknotenvergrößerung am Hals?
Vor einer Operation muss eine hyperthyreote Stoffwechsellage erkannt und behandelt werden (z. B. mit Thyreostatika).
jUltraschall
Formen
Hauptdiagnostikum bei morphologischen Veränderungen ist der Ultraschall zur Differenzierung der Strukturen (Volumenbestimmung, gleichmäßige Vergrößerung, Knoten, Zysten, Randbeschaffenheit der Knoten).
Autoimmunprozess Hierzu gehört u. a. der M. Basedow,
jLaboruntersuchungen
bei dem Autoantikörper gegen den TSH-Rezeptor zu einer unkontrollierten Stimulation der Schilddrüsenzelle und damit zur Überfunktion führen. Ein sehr häufig anzutreffendes Symptom ist der Exophthalmus, bedingt durch eine Ödembildung und im Verlauf auftretende Fibrosierung des retrobulbären Gewebes in der Orbita, weshalb dieser Prozess endokrine Orbitopathie genannt wird.
Basisuntersuchung ist die TSH-Bestimmung (TSH: thyreoideastimulierendes Hormon). Erhöhte Werte bedeuten eine Schilddrüsenunterfunktion, die chirurgisch nur in Zusammenhang mit Knotenbildungen eine Rolle spielt. Erniedrigte Werte zeigen eine Schilddrüsenüberfunktion an und können bei diffuser Vergrößerung und bei autonomen Adenomen vorkommen. Zur weiteren Differenzierung erfolgt die Bestimmung der Schilddrüsenhormone Tetrajodthyronin (Thyroxin, T4) und Trijodthyronin (T3).
Funktionelle Autonomie Hier liegt eine diffus verteilte (disseminierte) oder knotige (uni- oder multifokale) Autonomie vor. Im Rahmen einer Entzündung kann durch Zelluntergang vorübergehend eine hyperthyreote Stoffwechsellage auftreten.
jSzintigraphie
Hyperthyreosis factitia Überdosierung von Schilddrüsen-
Diese nuklearmedizinische Untersuchung erfolgt in der Regel nur noch bei laborchemisch nachgewiesener Überfunktion zum Ausschluss bzw. Beweis von autonomen Knoten, die sich im Szintigramm kräftig rot-gelb gefärbt darstellen (sog. heiße Knoten), im Gegensatz zu solchen
hormon. Struma basedowificata So nennt man das Auftreten einer
Schilddrüsenüberfunktion nach Jodkontamination, z. B. durch Röntgenkontrastmittel.
2
48
2
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
Medikamentös mit Thyreostatika und ggf. zusätzlicher Gabe von β-Blockern wegen der kardialen Symptomatik. Radiojodtherapie bei kleineren Strumen (bis maximal 50 ml).
wurde früher das sog. »Plummern« durchgeführt. Durch sehr hohe intravenöse Gabe von Jod kam es zu einer akuten Blockade der Schilddrüsenhormonproduktion, was die Durchblutung der Schilddrüse reduzierte, die Gewebskonsistenz verbesserte und somit die Operation erleichterte. Heute ist diese Maßnahme in der Regel nicht mehr erforderlich, da die Patienten meist bereits längere Zeit mit Thyreostatika vorbehandelt und somit euthyreot sind. 4 HNO-ärztliche Untersuchung zur Prüfung der Stimmbandfunktion. 4 Kalziumbestimmung im Serum (zur Prüfung der Nebenschilddrüsenfunktion). 4 Röntgenaufnahme des Thorax.
Malignome der Schilddrüse
OP-Ziele
Die Karzinome der Schilddrüse sind sehr selten, ca. 1% aller malignen Tumoren sind Schilddrüsenkarzinome. Man unterscheidet die differenzierten (papilläre und follikuläre) mit relativ guter Prognose von den medullären mit schlechterer und den anaplastischen Karzinomen mit in der Regel infauster Prognose. Papilläre Tumoren können schon im Kindesalter beobachtet werden, im höheren Lebensalter überwiegen die ungünstigeren Formen.
4 Alle Knoten müssen entfernt werden, ggf. ist auch bei benigner Veränderung eine vollständige Entfernung beider Schilddrüsenlappen erforderlich (Thyreoidektomie). 4 Bei diffuser Struma beim M. Basedow dürfen die Reste beiderseits nicht größer als 2×1×1 cm sein (Rezidivhyperthyreosegefahr). 4 Solitäre Knoten müssen immer mit umgebendem Gewebe reseziert werden (der Kapselbereich der Knoten ist wichtig für die histologische Untersuchung), eine Enukleation eines Knotens ist nicht korrekt. 4 Der Isthmus muss bei einseitiger Operation immer mit entfernt werden. 4 Karzinome werden grundsätzlich mit einer Thyreoidektomie und je nach Tumorgröße unterschiedlicher Lympknotendissektion behandelt. Ausnahmen sind nur bei kleinen differenzierten Karzinomen ≤1 cm Größe erlaubt. Eine solche Entscheidung muss jeweils individuell erfolgen. 4 Bei jeder Schilddrüsenoperation müssen die Epithelkörperchen und der Stimmbandnerv, der N. recurrens, dargestellt werden.
Thyreotoxische Krise Ein akut lebensbedrohliches Krankheitsbild. Die Symptome sind schwerste psychomotorische Unruhe, Schlaflosigkeit, allgemeine Hinfälligkeit, rascher Temperaturanstieg bis zu hyperpyretischen Werten, Pulsjagen, verwaschene Sprache, Bewusstlosigkeit und Kreislaufkollaps. Unbehandelt führt diese Erkrankung zum Tod.
Diagnostik Laborwerte, Ultraschall.
Konservative Therapie
Klinik der Schilddrüsenkarzinome 4 Rasches Wachstum eines Knotens, oft in schon lange bestehender Struma, 4 solitärer Knoten, 4 derber Tastbefund, 4 keine Schluckverschieblichkeit, 4 Hautinfiltration (sog. Orangenhaut). Frauen haben sehr viel häufiger Schilddrüsenerkrankungen, der relative Anteil der Karzinome ist bei Männern größer.
Diagnostik bei Verdacht auf Schilddrüsenkarzinom Anamnese, körperliche Untersuchung, Ultraschall, Röntgen des Thorax, Punktionszytologie, Schilddrüsenhormonbestimmung, Bestimmung der Tumormarker CEA und Calcitonin. Bei Verdacht auf ausgebrochenen Tumor ggf. Röntgenzielaufnahme der Trachea, Ösophagusbreischluck mit Bariumsulfat, CT ohne Kontrastmittel. Eine Jodgabe muss präoperativ unbedingt verhindert werden, da sonst postoperativ über mehrere Wochen keine Radiojodbehandlung erfolgen kann.
2.2.3
Operationen an der Schilddrüse
Präoperative Maßnahmen 4 Gabe von Thyreostatika bei Hyperthyreose bis zum Erreichen einer Euthyreose. Bei der Basedow-Struma
kLagerung
4 Gerade Lagerung auf geradem Tisch, allenfalls sehr dünnes Kissen unter den Rücken in Höhe der Schulterblätter. Eine zu starke Reklination sollte auf jeden Fall vermieden werden, da sonst postoperativ hartnäckige Verspannungen im Nacken die Folge sein können. Die Knie können durch eine Rolle unterstützt werden, um eine Überstreckung zu vermeiden. 4 Der Schnitt muss präoperativ im Sitzen angezeichnet werden. 4 Manche Operateure bevorzugen eine halbsitzende Position mit leicht rekliniertem Kopf. 4 Beide Arme können angelagert werden. Es besteht auch die Möglichkeit, den linken Arm auszulagern.
49 2.2 · Schilddrüse
4 Am Ende der Operation wird der Kopf leicht angehoben, um den Wundverschluss zu erleichtern. kInstrumentarium
Grundinstrumentarium mit zarten Péan- und KocherKlemmen, Overhold (klein), feinen Pinzetten, Dissektor, feine Präparierschere, Allis- oder Lockwood-Klemmen, Museux, ggf. Kocher-Rinne und Deschamps, Ultraschalldissektion, bipolare Schere oder LigaSure (7 Abschn. 2.5.5) wie auch der Einsatz eines Einzelclipstaplers kann erwünscht sein. Bei kleinen Strumen Instrumentarium für minimalinvasives Vorgehen (s. unten).
a
Neuromonitoring Strukturen, die geschont werden müssen, sollten bei einer Operation immer dargestellt werden. Dies gilt nicht nur für z. B. den Ureter bei der Sigmaresektion, auch der Stimmbandnerv und die Nebenschilddrüsen müssen genau lokalisiert werden, damit sie nicht versehentlich geschädigt werden. Diese sog. Visualisierung wird heute bei der Schilddrüsenoperation grundsätzlich gefordert. Als zusätzliche Hilfe und Sicherung bei der Präparation kann das sog. Neuromonitoring dienen. Es gibt verschiedene Geräte dafür im Handel. Bei allen Modellen wird der Nerv elektrisch stimuliert, die evozierte Muskelaktion kann durch Aufzeichnung des Muskelaktionspotenzials beobachtet und/oder durch ein akustisches Signal verdeutlicht werden (. Abb. 2.23). Entweder werden Elektroden in den Kehlkopf eingestochen, oder ein spezieller, mit Elektroden versehener Endotrachealtubus wird so in die Trachea eingeführt, dass die Elektroden genau in Höhe der Stimmbänder im Kehlkopf zu liegen kommen. Bei Nervenreiz kommt es dann durch die Nervenleitung zu Muskelaktivität, die wiederum die Stimmbänder bewegt und über die Elektroden die Aufzeichnung ermöglicht.
b
c
Schilddrüsenresektion 7 Kocher-Kragenschnitt, die Länge richtet sich nach der Größe der Schilddrüse. Seitliche Begrenzung ist beidseits der M. sternocleidomastoideus. 7 Ligatur der Vv. jugulares anteriores, kleinere Äste können mit dem Elektrokauter verschorft werden. 7 Spalten der vorderen geraden Halsmuskulatur in Längsrichtung, bei großen Strumen auch quere Durchtrennung. 7 Abtasten beider Schilddrüsenlappen, auch der dorsalen Anteile, damit keine Knoten übersehen werden. 6
. Abb. 2.23 Neuromonitoring. a Monitor, b Tubus für das Neuromonitoring, c Darstellung des N. Vagus
7 Anklemmen der Schilddrüse (z. B. mit KocherKlemmen o. Ä.). 7 Freipräparieren des oberen Pols (manche Operateure beginnen am kaudalen Pol) und Durchtrennen der Polgefäße nach Ligatur bzw. anderer Blutstillung. 6
2
50
2
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
7 Freipräparieren des anderen Pols mit Durchtrennung der jeweiligen Polgefäße. 7 Seitliches Vorgehen und ggf. Durchtrennen der Kocher-Venen. 7 Darstellung der A. thyreoidea inferior, des N. recurrens. Neuromonitoring zur sicheren Differenzierung (. Abb. 2.23), Darstellung der Nebenschilddrüsen. Fakultativ Ligatur der A. thyreoidea inferior schilddrüsenfern. 7 Lösen des Isthmus von der Trachea, Durchtrennen desselben. 7 Resektion der Schilddrüsenlappen. Blutungen werden mit Elektrokauter, Péan-Klemmen und Ligaturen, Ultracision oder LigaSure versorgt. 7 Bei größeren Schilddrüsenresten Kapselnähte, bei kleinen Resten meist nicht erforderlich. 7 Nach Kontrolle auf Bluttrockenheit (auch unter Überdruckbeatmung) abschließendes Neuromonitoring über den N. vagus auf jeder operierten Seite. Aus medikolegalen Gründen gehört ein Ausdruck in die Akte. Sollte nach der Operation der ersten Seite kein korrektes Signal erzielt werden können, ist es sicherer, die zweite Seite nicht zu operieren, um nicht eine doppelseitige Recurrensparese zu provozieren. 7 Auf Redon-Drainagen wird heute meist verzichtet. 7 Schichtweiser Verschluss der Halswunde durch Vernähung der Muskulatur. 7 Hautverschluss intrakutan, ggf. mit resorbierbarem Faden oder mit Klammern (Entfernung am 2. postoperativen Tag), Verband.
Thyreoidektomie Die komplette Schilddrüsenentfernung ist die Standardtherapie bei Malignomen. Beide Lappen müssen total reseziert werden. Das ist nur möglich, wenn der N. recurrens vollständig bis zur Einmündung in den Kehlkopf dargestellt wird. Das Neuromonitoring wird in dieser Phase mehrfach wiederholt. Ebenso ist die subtile Darstellung der Epithelkörperchen notwendig. Sollten sie aufgrund einer ungünstigen Lage nicht in situ erhalten werden können, müssen sie in multiplen kleinsten Einzelteilen in den gleichseitigen M. sternocleidomastoideus replantiert werden. Um eine Minderdurchblutung der Epithelkörperchen zu vermeiden, wird die A. thyreoidea inferior in der Regel nicht am Stamm schilddrüsenfern unterbunden, sondern schilddrüsennah im Bereich ihrer einzelnen Äste.
Retrosternale Struma Viele Strumen tauchen retrosternal ein. Sie sind leicht über den zervikalen Schnitt zu entfernen, indem das umge-
bende Gewebe nach dorsokaudal abgeschoben wird. Nur in Ausnahmefällen ist eine Sternotomie erforderlich.
Struma endothoracica vera Hierbei handelt es sich um versprengtes Schilddrüsengewebe im vorderen Mediastinum, das keine Verbindung zur zervikalen Schilddrüse hat. Vor einer Operation muss die Blutversorgung geklärt werden, denn diese Schilddrüsenanteile werden entweder durch Äste der A. mammaria interna oder durch Gefäße direkt aus der Aorta versorgt. Eine Entfernung vom Halsschnitt aus ist deshalb nicht möglich, operativer Zugang ist die Sternotomie (7 Kap. 6 Thoraxchirurgie).
Retroviszerale Struma Schilddrüsengewebe, das sich zwischen Trachea und Ösophagus/Wirbelsäule geschoben hat und die Trachea seitlich oder von dorsal komprimiert. Solche Schilddrüsenanteile machen sehr typische Beschwerden (z. B. Husten in Rückenlage, Stridor, Schluckbeschwerden).
Postoperative Maßnahmen Standard nach jeder Schilddrüsenoperation ist die Kontrolle der N.-recurrens-Funktion durch HNO-ärztliche Untersuchung. Eine einseitige Funktionsstörung macht sich durch Heiserkeit bemerkbar, der Patient kann keinen kräftigen Hustenstoß aufbauen, weil er die Stimmritze nicht komplett verschließen kann. Bei beidseitiger Störung kann die Stimmritze nicht weit genug geöffnet werden, es kommt zu Atemnot, eine akute Tracheotomie kann erforderlich werden. Zur Prüfung der Epithelkörperchenfunktion erfolgt an mindestens 2 Tagen postoperativ die Bestimmung des Serumkalziums. Eine Erniedrigung führt zu Tetanien, eine Substitution mit Kalzium oder Vitamin D3 ist indiziert. Eine Substitution mit Schilddrüsenhormon ist bei ausgedehnten Resektionen lebenslang notwendig, bei größeren Schilddrüsenresten genügt die Gabe von Jod. Bei Malignomen wird nach Thyreoidektomie eine Radiojodbehandlung zu Elimination evtl. verbliebener minimaler Schilddrüsengewebereste durchgeführt.
Minimal-invasive Zugänge zur Schilddrüse Wie oben erwähnt, können kleinere Strumen über eine endoskopische Operation therapiert werden. Dazu gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, die nur kurz erwähnt werden, da nur ca. 10–15% der Schilddrüsenoperationen aufgrund der Größenverhältnisse minimal-invasiv durchgeführt werden können und diese Operationen noch nicht zum allgemeinen Standard gehören. Für eine endoskopische Therapie eignen sich kalte Knoten ab 1 cm bis ca. 3 cm Größe und ggf. Zysten. Auch der Wunsch der Patienten nach einer Operation ohne sichtbare Narben ist u. a. ausschlaggebend für eine MIC-OP.
51 2.3 · Hernien
Die Vorbereitung des Patienten sowie auch die Lagerung entsprechen der oben beschriebenen. Instrumentell werden bei der minimal-invasiven Technik ein MIC-Turm, endoskopische Grundinstrumente sowie eine 30°-Optik benötigt (7 Abschn. 2.15).
MIVAT – minimal-invasive videoassistierte Thyreoidektomie Über einen 2–3 cm langen Schnitt wird unter Einsatz einer HD-Videokamera die Operation an der Schilddrüse mit den gleichen Sicherheitsstandards wie beim offenen Vorgehen durchgeführt. Diese Operation wird ohne CO2-Insufflation durchgeführt.
OMIT – offen minimal-invasive Thyreoidektomie Über eine 2–3 cm lange minimale Inzision an der Halsvorderseite wird unter direkter Sicht (Lupenbrille, evtl. Stirnlampe) ohne Einsatz einer CO2-Insufflation und ohne Optik operiert.
ABBA – »axillo bilateral breast approach« Ohne zervikalen Zugang werden 4 Trokare (5 mm) entweder über retroaureoläre, axilläre oder perimamilläre Zugänge eingebracht. Über CO2-Insufflation wird der Raum zwischen den Halsfaszien dargestellt. Über endoskopische Grundinstrumente und Bergebeutel (7 Abschn. 2.15.4) wird der Schilddrüsenlappen entfernt. Bei allen Vorgehensweisen gelten die gleichen Regeln und Operationstechniken, die bisher erwähnt wurden.
Hernien
2.3
M. Liehn, L. Steinmüller Definition Eine Hernie entsteht durch ein Hervortreten von Eingeweideanteilen (Bruchinhalt) in eine Vorbuchtung des parietalen Peritoneums (Bruchsack) durch eine Bauchwandlücke (Bruchpforte).
2.3.1
Allgemeines
4 Narbenhernie, Schenkelhernie (Hernia femoralis), 4 epigastrische Hernie (Hernia epigastrica).
Innere Hernien Brüche innerhalb des Bauchraumes ohne äußerlich sichtbare Zeichen. Beispiele: 4 Zwerchfellhernien (Hiatushernie), 4 Ileozäkalhernien. Von einer Gleithernie spricht man, wenn Organe oder Organteile, z. B. Harnblase, Zäkum, Sigma mit ihrem Peritonealüberzug teilweise den Bruchsack bilden. Von einer symptomatischen Hernie spricht man, wenn eine intraabdominelle Drucksteigerung, z. B. durch Tumorwachstum oder Aszites, für die Hernienbildung verantwortlich ist, die Hernie also das Symptom einer Erkrankung darstellt.
Ätiologie Hernien treten durch erhöhten abdominellen Druck auf. Es gibt angeborene Formen mit schon vorhandenen offenen Bruchpforten. Die erworbenen Formen sind auf einen Verlust der Bauchwandfestigkeit zurückzuführen. Sie treten meist entlang der Strukturen auf, die durch die Bauchwand ziehen, z. B. entlang großer Blutgefäße (Schenkelhernie) oder entlang des Samenstranges (Leistenhernie).
Inkarzeration Eine Inkarzeration (Einklemmung) einer Hernie besteht dann, wenn der Bruchinhalt nicht mehr spontan durch die Bruchpforte zurückgelangen kann. Mit der akuten Einklemmung droht ganz allgemein die Ernährungsstörung des Bruchinhalts. Eine vitale Bedrohung tritt dann ein, wenn der Bruchinhalt aus Darmschlingen oder Darmwandabschnitten besteht. Die unmittelbaren Folgen können zunächst eine Koteinklemmung, später ein Ileus sein. Aus der mechanischen bzw. durchblutungsbedingten Ernährungsstörung der Darmwand resultiert die Perforation mit Peritonitis. Lokal macht sich die akute Inkarzeration mit Schmerzen, Schwellung und Rötung bemerkbar. Durch den peritonealen Reiz kann Übelkeit auftreten, durch den Ileus Erbrechen.
Formen
Reposition
Unterschieden werden äußere und innere Hernien.
Der Zeitpunkt der Inkarzeration kann häufig vom Patienten genau angegeben werden. Dies ist wichtig, da die Reposition eines akuten eingeklemmten Bruches nur innerhalb der ersten 4 h versucht werden sollte. Nur die komplette, also gut gelungene Repositon führt zur raschen Beschwerdefreiheit. Dagegen ist eine Reposition en bloc gefährlich, da bei ihr der Bruch zwar äußerlich
Äußere Hernien Brüche der Bauchwand, die von außen sichtbar sind. Beispiele: 4 Leistenhernie (Hernia inguinalis), 4 Nabelhernie (Hernia umbilicalis),
2
52
2
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
verschwunden ist, die wirksame Bruchpforte aber nur gewaltsam in die Tiefe verlagert wurde ohne eine echte Reposition des Bruchinhalts erzielt zu haben (sog. Pseudoreposition).
Indikationen zur Operation Jede palpatorisch oder zusätzlich sonographisch diagnostizierte Hernie kann als Wahleingriff zu einem beliebigen Zeitpunkt operiert werden. ! Eine Notfallindikation zur Operation besteht immer dann, wenn die Reposition eines akut inkarzerierten Bruches nicht möglich ist oder wenn das Zeitintervall nach akut eingetretener Inkarzeration 4 h überschreitet.
Anatomie des Leistenkanals Die Kenntnis der Anatomie des Leistenkanals ist die Voraussetzung für die operative Versorgung. Der sog. Leistenkanal, der vom inneren Leistenring lateral intraabdominal nach medial zum äußeren Leistenring verläuft, umgibt beim Mann den Samenstrang und bei der Frau das sehr viel dünnere Lig. teres uteri. Der Samenstrang enthält die Gefäßversorgung des Hodens, die A. spermatica und die ableitenden Venen im Plexus pampiniformis sowie den Samenleiter (Ductus deferens). Der Samenstrang wird von einer Muskelschicht (M. cremaster) umhüllt. Der Leistenkanal ist etwa 4–6 cm lang.
Innerer Leistenring Er stellt als innerer Eingang einen Schwachpunkt der Bauchdecke dar. Als Lücke der muskulären Bauchdeckenverspannung kann hier der intraperitoneale Druck zur Bruchentwicklung führen. Direkt medial des inneren Leistenrings verlaufen in Körperrichtung die epigastrischen Gefäße.
Äußerer Leistenring Diese äußere »Öffnung« wird durch eine Sehnenlücke des M. obliquus externus abdominis gebildet.
tenkanals vorn von der Externusaponeurose und dorsal von der Transversalisfaszie begrenzt.
Indirekte und direkte Hernien Eine indirekte Hernie wird auch als schräger, äußerer oder lateraler Bruch, eine direkte Hernie als senkrechter, innerer oder medialer Bruch bezeichnet. Diese beiden Formen unterscheiden sich durch die Eintrittsstellen in den Leistenkanal. Indirekte Hernien treten am inneren Leistenring und damit lateral der epigastrischen Gefäße in den Leistenkanal ein. Direkte Hernien sparen den seitlichen Umweg zum inneren Leistenring aus und treten »direkt« auf halber Strecke und damit medial der epigastrischen Gefäße in den Leistenkanal ein.
2.3.2
Leistenhernie
Die Operation einer Leistenhernie lässt sich in 2 Abschnitte untergliedern: 4 Herniotomie, 4 Verschluss der Bruchpforte. 1. OP-Schritt Bei der »Herniotomie« wird der Bruchsack freigelegt und operativ versorgt. Dieser Schritt ist allen konventionellen OP-Techniken gemeinsam. 2. OP-Schritt Beim Verschluss der Bruchpforte wird die
Bauchwand verstärkt; hierbei gibt es 2 Möglichkeiten: 4 Verstärkung der Vorderwand (Operation nach Halstedt-Ferguson), die aber nur bei Kindern durchgeführt wird. 4 Verstärkung der Hinterwand des Leistenkanals bei erwachsenen Patienten mit den folgenden Techniken zum Verschluss der Bruchpforte: 5 nach Bassini (Kirschner), 5 nach Shouldice, 5 nach McVay oder 5 nach Lichtenstein.
Herniotomie und Bruchpfortenverschluss bei Männern
Wände des Leistenkanals
kIndikation
4 Die Hinterwand wird von der Fascia transversalis gebildet. 4 Das Leistenband bildet den Boden, indem es vom vorderen oberen Darmbeinstachel zur Symphyse zieht. 4 Die Vorderwand wird von der Externusaponeurose gebildet. 4 Das Dach besteht aus dem Unterrand der Muskelschicht des M. obliquus internus und transversus abdominis. Diese Muskelschicht wird oberhalb des Leis-
Hernia inguinalis. kPrinzip
Reposition des Bruchsackinhalts, Abtragung des Bruchsacks, Vorbereitung der anatomiegerechten Verstärkung der Bauchwand (je nach angewandter Technik). kLagerung
4 Rückenlage, 4 Neutrale Elektrode am gleichseitigen Oberschenkel.
53 2.3 · Hernien
kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium, 4 Gummizügel, 4 resorbierbares Nahtmaterial. Herniotomie 7 Der Hautschnitt verläuft parallel und etwa 2 cm über dem Leistenband. 7 Durchtrennung des Subkutangewebes und Einsetzen der scharfen Haken. Dadurch stellen sich die Vasa epigastricae superficiales dar, die unterbunden werden. Darstellung der Externusaponeurose inklusive des äußeren Leistenringes. Die Aponeurose wird, beginnend am äußeren Leistenring, mit der Präparierschere gespalten. 7 Die Verklebungen zwischen dem M. cremaster und dem Leistenband sowie zwischen der Hinterwand des Leistenkanals und dem M. obliquus internus abdominis können mit einem feuchten Stieltupfer oder Präparierstiel gelöst werden. 7 Nach der Eröffung des Leistenkanals liegt das Samenstranggebilde frei, umgeben vom M. cremaster, der gespalten wird. Daraufhin kann der Samenstrang mit einem Gummizügel angeschlungen werden. 7 Der Bruchsack wird dargestellt, er wird entweder mit 4 kleinen Klemmchen oder mit einem kleinen Duval angeklemmt und vom Samenstrang bis zur Bruchpforte mit einer Metzenbaum-Schere freipräpariert. Damit ist die Sicht frei auf den inneren Leistenring und die epigastrischen Gefäße, die entweder medial oder lateral der Bruchpforte liegen. 7 Der Bruchsack wird an der Spitze eröffnet, der Inhalt inspiziert. 7 Wenn möglich, wird der Bruchsackinhalt stumpf (unter Zuhilfenahme eines feuchten Stieltupfers) in die Bauchhöhle reponiert. Der Bruchsack wird mit einer Tabakbeutelnaht verschlossen (. Abb. 2.24) und abgetragen.
Der Verschluss der Bruchpforte beinhaltet als wichtigsten Arbeitsschritt die Verstärkung der Hinterwand des Leistenkanals. Dafür gibt es u. a. die im Folgenden beschriebenen Methoden.
. Abb. 2.24 Anlegen einer Tabakbeutelnaht an der Bruchsackbasis
Bruchpfortenverschluss nach Bassini Diese Reparationsform kommt nur noch sehr selten zur Anwendung. 7 Voraussetzung hierfür ist die vollständige Spaltung der Fascia transversalis. 7 Die Nähte vereinigen durchgreifend den M. obliquus internus, die Fascia transversalis und den M. transversus abdominis mit dem Leistenband. Zur Sicherung kann die erste Naht durch das Schambeinperiost gelegt werden. Wegen möglicher postoperativer Schmerzzustände und der erhöhten Rezidivrate kann diese Maßnahme nicht generell empfohlen werden.
Bruchpfortenverschluss nach Shouldice 7 Dieses Verfahren stellt durch die Doppelung der ausgedünnten Fascia transversalis eine anatomiegerechte Rekonstruktion der Hinterwand des Leistenkanals dar. 7 Hat diese Faszie einen Defekt oder eine fühlbare Schwäche, ist eine Doppelung indiziert. Dazu wird sie vom inneren Leistenring an mit einer Schere gespalten. Dabei muss besonders auf die darunter liegenden Gefäße geachtet werden. 6
2
54
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
2
. Abb. 2.25 Shouldice-Technik, anteriorer Zugang. (Nach Siewert 2010)
7 Der obere Anteil der Faszie wird von der Bruchpforte aus mit Kocher-Klemmen gefasst, dann wird die Faszie teils stumpf (mit Präpariertupfer oder Finger) teils scharf mit der Schere vom präperitonealen Fett abpräpariert. Nun wird auch der untere Faszienteil angeklemmt. Die untere Hälfte der Fascia transversalis wird unter die obere genäht (gedoppelt; . Abb. 2.25). 7 Über die erste Nahtreihe wird zur Doppelung die Zweite fortlaufend gelegt. An der Oberkante kann der M. cremaster in die Naht einbezogen werden. 7 Danach werden der M. transversus abdominis und der M. obliquus internus als zweite Schicht an das Leistenband geheftet. 7 Mit einer fortlaufenden Naht wird die Externusaponeurose verschlossen. Schichtweiser Wundverschluss, Verband.
Bruchpfortenverschluss nach Lichtenstein 7 In den letzten Jahren wird zunehmend ein spannungsfreier Bruchpfortenverschluss durch Implantation eines nicht resorbierbaren oder teilresorbierbaren Kunststoffnetzes propagiert. 7 Zunächst werden Bruchsack und Bruchpforte dargestellt. 7 Die Präparation verzichtet jedoch auf die Durchtrennung der Transversalisfazie und im Regelfall auf die Bruchsackabtragung. Zwischen Leisten 6
. Abb. 2.26 Lichtenstein-Technik, anteriorer Zugang. (Nach Siewert 2010)
band und M. obliquus internus wird ein keilförmig zugeschnittenes Polypropylennetz (z. B. Prolene, Atrium) oder ein Titan-Kunststoffnetz (T-MESH) mit nicht resorbierbarer Naht oder Titan-Clips spannungsfrei fixiert. Seitlich wird ein Schlitz zur Aufnahme des Samenstranges angelegt. Die beiden schmalen Schenkel des Netzes werden lateral überkreuzt, sodass sie einen inneren Leistenring bilden. Darüber werden die Externusaponeurose und die übrigen Wandschichten wieder verschlossen (. Abb. 2.26).
Diese Operation wird häufig in Lokalanästhesie vorgenommen. Wegen der geringeren Rezidivrate kann eine Netzimplantation schon bei jungen Patienten erfolgen. In der Nachbehandlung ist keine längere Schonung nötig. Die endoskopische Versorgung einer Leistenhernie nimmt ständig an Bedeutung zu (für die Varianten dieser Therapie 7 Abschn. 2.15 MIC).
Leistenbruch bei Frauen Es handelt sich fast immer um eine indirekte Hernie. Der Bruchsack liegt oberhalb des Leistenbandes. Der Bruchsackverschluss und die Verstärkung der Hinterwand entsprechen dem Vorgehen beim Mann. Das Lig. rotundum (Lig. teres uteri) wird im Leistenkanal fixiert und in die Bassini-Nähte einbezogen oder bei der Fasziendoppelung im lateralen Anteil eingenäht. Eine oft gleichzeitig vorhandene Hydrozele wird reseziert.
55 2.3 · Hernien
a
b
. Abb. 2.27a, b Operative Versorgung der Femoralhernie (a). 1 Externusaponeurose, 2 Lig. inguinale, 3 M. obliquus internus 4 M. transversus, 5 Pecten ossis pubis, 6 Lig. rotundum, 8 Femoralhernie, 9 A. und V. femoralis mit Abgang der A. und V. epigastrica
inferior, 10 Fascia transversalis. b Versorgung des Bruchsacks und Bruchpfortenverschluss nach McVay. M. obliquus internus und transversus werden an das Os pubis genäht. (Nach Siewert 2001)
Inkarzerierte Hernie bei Frauen und Männern
kLagerung
Bei einem eingeklemmten Darm ist meist eine Herniolaparotomie angezeigt. Die Lücke in der Externusaponeurose wird erweitert, der M. obliquus internus eingekerbt, unter starkem Zug weggehalten und das Peritoneum eröffnet. Der Bruchsackinhalt kann dann beurteilt und reponiert werden. Das Netz und die Darmanteile, die sich nicht erholen, müssen nach der Versorgung der Bruchpforte über eine gesonderte Laparotomie reseziert werden. Manchmal ist jedoch die Versorgung über die Bruchpforte möglich.
4 Rückenlage, 4 Dispersionselektrode am gleichseitigen Oberschenkel.
2.3.3
Schenkelhernie (Hernia femoralis)
Femoralhernien, die insgesamt 5–7% aller Hernien ausmachen, betreffen sehr viel häufiger Frauen (ca. 95% der Hernien!) als Männer. Inkarzerationen treten häufig auf. Femoralhernien sind immer erworben. Sie finden sich unterhalb des Leistenbandes am häufigsten medial der A. femoralis und V. femoralis (. Abb. 2.27). Zumeist haben sie eine sehr kleine Bruchpforte. kIndikation
Jede Femoralhernie (Schenkelhernie). kPrinzip
Freilegung entweder wie bei der Leistenhernie von inguinal oder von krural, Reposition des Bruchsackinhalts, Abtragung des Bruchsackes, Verschluss der Lücke.
kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium, 4 evtl. Gummizügel für das Lig. rotundum. Herniotomie einer Schenkelhernie Inguinaler Zugang (Lotheissen/McVay): 7 Hautschnitt wie bei der Inguinalhernie, Spalten der Externusaponeurose. 7 Darstellen des Bruchsacks unter Berücksichtigung der Nähe der lateral gelegenen V. iliaca externa. 7 Fassen des Bruchsackes mit Mosquito-Klemmen oder kleinen Fasszangen und Eröffnung mit der Metzenbaum-Schere. Der Bruchsackinhalt wird reponiert, sofern er keine Durchblutungsstörungen aufweist. Dann erfolgen eine Tabakbeutelnaht oder eine Durchstechungsligatur des Bruchsackes und die Abtragung. 7 Die Leistenkanalhinterwand wird durch eine Fasziendoppelung nach McVay/Lotheissen unter Aussparung des Lig. rotundum verschlossen (. Abb. 2.28). 7 Über dem Ligament wird die Externusaponeurose verschlossen. 6
2
56
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
4 Operation ansonsten bei Beschwerden, erheblicher Größenzunahme oder Einklemmung, bei Bedarf auch aus kosmetischen Gründen.
2
kPrinzip
Reposition des Inhalts, Abtragung des Bruchsacks, Bruchpfortenverschluss durch Fasziendoppelung nach (Dick) Mayo, bei kleinen Bruchpforten durch direkte Naht. kLagerung
4 Rückenlage, leicht überstreckt, 4 Dispersionselektrode an einem Oberschenkel. kInstrumentarium
Grundinstrumentarium. . Abb. 2.28 Hernia femoralis; Reparation nach Lotheissen. (Nach Wondzinski u. Hotz 2006)
Kruraler Zugang: 7 Ideal bei kleinen nicht inkarzerierten Hernien. 7 Über eine längsverlaufende oder schräge Inzision im Bereich der Leistenbeuge wird das Leistenband von seiner Unterseite her dargestellt und der Bruchsack mit einem feuchten Stieltupfer von den Femoralgefäßen abgeschoben und eröffnet oder scharf mit der Schere abgelöst. 7 Zur Reposition des Bruchsackinhalts muss meist medial die Bruchpforte erweitert werden. Dazu wird die V. femoralis lateral auf einen Kocher-Haken aufgeladen. 7 Der Bruchsack wird an seiner Basis über einer Tabakbeutelnaht abgetragen. 7 3–4 Einzelnähte (nicht resorbierbar), die die Unterkante des Leistenbandes mit der Oberschenkelfaszie (Fascia pectinea) und evtl. dem CooperLigament vereinigen, verschließen die Bruchpforte. Wenn möglich sollte die Fascia transversalis mitgefasst werden.
2.3.4
Nabelhernie (Hernia umbilicalis)
Die Nabelhernie ist beim Erwachsenen die zweithäufigste Hernienform. Als Bruchpforte dient der Nabelring, der sich so ausweitet, dass Bauchhöhleninhalt austreten kann. kIndikation
4 Nabelbrüche neigen zu Komplikationen und sollten deshalb frühzeitig operiert werden.
Nabelhernienreparation 7 Halbkreisförmige Umschneidung des Nabels, je nach der Größe des Bruchs. Günstig ist auch eine quere Inzision unterhalb oder oberhalb des Nabels als Zugang. 7 Durchtrennung des Subkutangewebes bis zur Darstellung der Rektusscheide. 7 Der Bruchsack wird an der Basis inzidiert und der Inhalt schonend, soweit möglich, reponiert. Dazu muss fast immer der Schnürring eingeschnitten werden. Ein Finger des Operateurs schützt dabei die darunter liegenden Darmschlingen. Der Bruchsack wird zunächst stumpf umfahren, bevor er von der Nabelhaut abgelöst wird. 7 Adhärente Anteile des großen Netzes werden mit Overholt und Schere freipräpariert und ligiert, bis die Darmschlingen frei sind. 7 Der Bruchsack wird abgetragen und das Peritoneum mit einer Durchstechungsligatur verschlossen. Für den Verschluss bei kleiner Bruchlücke reicht ein einfacher Nahtverschluss aus. 7 Bei größerer Bruchpforte sollte eine Fasziendoppelung nach Mayo durchgeführt werden. 7 Dazu werden die Faszienränder mit Klemmen gefasst und flächig von der Subkutis freipräpariert. 7 Die Fasziendoppelung wird erreicht, indem zwischen dem unteren Rand des Bruchringes und dem Rand der Rektusscheide U-Nähte so gelegt werden, dass etwa 1,5 cm Faszienrand übersteht. Dieser wird nach dem Knüpfen der Fäden durch eine Z-Naht mit der Rektusscheide vereint (Doppelung). 6
2
57 2.3 · Hernien
7 Ist die Bruchlücke zu groß oder die Faszie zu schwach, kann der Defekt auch mit einem Streifen Fascia lata oder mit nicht resorbierbarem Netz (PVP-Patch, Proceedventral Patch, Fa. Ethicon) gedeckt werden. 7 Der Nabel wird refixiert, bei minderdurchbluteter Nabelhaut jedoch reseziert (Omphalektomie). 7 Bei Bedarf Einlegen einer Redon-Drainage, Subkutannähte, Hautnaht, Verband.
2.3.5
Epigastrische Hernie
Dieser Hernientyp entwickelt sich oberhalb des Nabels im Verlauf der Linea alba. Eine präformierte Faszienlücke in der Linea alba enthält zuerst nur präperitoneales Fettgewebe, später auch Peritoneum, Netz oder seltener Magen- sowie Darmanteile (. Abb. 2.29). Mehrere Bruchlücken können vorkommen. Häufig handelt es sich nicht um der Definition entsprechende komplette Hernien, sondern nur um präperitoneale Lipome, die bei Einklemmung in eine Faszienlücke erhebliche Beschwerden verursachen können. kIndikation
a
b
. Abb. 2.29a, b Epigastrische Hernie. a Austritt von präperitonealem Fettgewebe durch die Linea alba, b Austritt des Bruchsackes durch die Linea alba. (Nach Siewert 2001)
Eine laparoskopische Versorgung ist möglich.
2.3.6
Narbenhernien
Beschwerden und Herniennachweis ! Ein Ulkusleiden sollte als Beschwerdeursache ausgeschlossen werden. kPrinzip
Die Freilegung des Bruchsacks, Reposition, ggf Resektion des Inhalts. Für den Bruchpfortenverschluss gilt das gleiche Vorgehen wie bei der Nabelhernie (7 Abschn. 2.3.4).
Nach Bauchoperationen treten manchmal Narbenhernien auf. Sie werden durch die Schnittführung, durch Infektionen und ungeeignete Nahttechniken bei der Erstoperation verursacht. Vorbelastet sind Patienten mit Adipositas oder Stoffwechselerkrankungen. Der sichere Faszienverschluss zur Rezidivverhütung ist das Hauptproblem der Narbenbruchversorgung.
kLagerung
4 Rückenlage, 4 neutrale Elektrode an einem Oberschenkel.
kIndikation
kInstrumentarium
Die Narbenhernie stellt meist eine elektive OP-Indikation dar. Beschwerden, Größenzunahme oder Einklemmung, sowie kosmetische Gründe bestimmen die Dringlichkeit.
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium, 4 ggf. Allis-Klemmen.
kPrinzip
Epigastrische Hernie 7 Als OP-Zugang sollte beim solitären Bruch der queren Schnittführung der Vorzug gegeben werden. Bei größeren und bei multiplen Brüchen ist der Längsschnitt geeigneter. Präperitoneale Lipome werden insbesondere bei Einklemmung subfaszial abgetragen. 7 Bruchpfortenverschluss (7 Abschn. 2.3.4).
Präparation des Bruches, evtl. Adhäsiolyse, Reparation der Bruchpforte durch spannungsfreien Verschluss der Faszien- und Muskelschichten bei Bedarf mittels Netzeinlage. kLagerung
4 Rückenlage, leicht überstreckt, 4 neutrale Elektrode an einem Oberschenkel. kInstrumentarium
Grund- und Laparotomieinstrumentarium.
58
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
2. OP-Schritt: Nun erfolgt die spannungsfreie Reparation der Bruchpforte. Hierzu stehen mehrere Verfahren zur Verfügung: 7 Kleinere Narbenhernien: direkte einreihige Stoßauf-Stoß-Naht mit durchgreifenden Einzelknopfnähten. 7 Selten bei noch erkennbarer intakter Schichtung der Bauchdecke: mehrreihiger, schichtgerechter Wundverschluss. 7 Implantation von Fremdmaterial, falls die Adaptation der Faszienränder nicht gelingt: (nicht resorbierbare Kunststoffnetze wie Gore-Tex, Mersilene, Prolene, Atrium, Surgipro mesh), Vollhaut- oder Koriumlappen. 7 Wichtig: das implantierte Material muss breitflächig (3–5 cm überlappend) an den intakten Bruchrändern fixiert werden, um ein belastungsstabiles Einwachsen der Prothese zu ermöglichen. Ein Kontakt der Netzprothese zum Darm muss vermieden werden. Prinzipiell ist die Fixierung des Netzes auf der Faszie oder zwischen Peritoneum und Bauchwand möglich (»Onlay-« bzw. »Underlay-Technik«). 7 Als Innovation gilt die laparoskopische Versorgung in »Sublay-Technik« mit neuen Netzmateralien, die Kontakt zum Darm haben dürfen (z. B. Proceed, Physiomesh).
2
. Abb. 2.30 Narbenhernie, intraopertiver Situs. (Nach Siewert 2010)
. Abb. 2.31 Netzlage. a »Sublay-«, b »Onlay-Technik« (1 vorderes Blatt der Rektusscheide, 2 hinteres Blatt der Rektusscheide, 3 Peritoneum, 4 Netz). (Nach Siewert 2010)
Narbenhernie 1. OP-Schritt: 7 Exzision der Narbe; der Bruchsack und intakte nahtfähige Faszienränder müssen exakt dargestellt werden. Die Eröffnung des Bruchsackes mit dem Lösen der Bruchsackadhäsionen erleichtert das Vorgehen. Durch Austastung von innen können die Bauchdeckensubstanz und die Bruchpfortenränder beurteilt sowie zusätzliche Faszienlücken erkannt werden. Um die zur Rekonstruktion verwendbaren Faszienränder darzustellen, wird die gesunde Faszienvorderseite über einige Zentimeter im gesamten Bruchbereich zirkulär vom subkutanen Fettgewebe abgetrennt. Insuffiziente Faszienanteile werden reseziert. 6
! Jedes Fremdmaterial birgt wieder die Gefahr einer Wundheilungsstörung und damit eines Hernienrezidivs.
2.4
Speiseröhre
2.4.1
Anatomie
Die Speiseröhre (Ösophagus) ist ein ca. 28 cm langes Muskelhohlorgan. Sie verbindet den Schlund (Pharynx) mit dem Magen. Vom zervikalen Anteil (zwischen Halswirbelsäule und Trachea gelegen) tritt der Ösophagus in den Thorax ein. Hier verläuft er S-förmig im hinteren Mediastinum hinter der Trachea und dem Herzen. Mit Ausnahme des Kardiabereichs unterhalb des Zwerchfells (erst hier gibt es einen Serosaüberzug) ist die Speiseröhre relativ beweglich. Im Übergang des Ösophagus zum Magen befindet sich der sog. His-Winkel, der zur Refluxverhinderung wichtig ist (. Abb. 2.32). Entsprechend der Organdrehung während der Embryonalentwicklung verläuft der linke Ast des N. vagus distal
59 2.4 · Speiseröhre
auf der Vorderseite, der rechte Ast distal auf der Hinterseite des Ösophagus. Die Speiseröhre erhält ihre Blutversorgung im zervikalen Abschnitt aus den Aa. thyreoideae inferiores, im thorakalen Abschnitt direkt aus dem Aortenbogen bzw. aus den der thorakalen Aorta entspringenden Ästen. Im unteren Drittel erfolgt die arterielle Versorgung aus der A. phrenica und der A. gastrica sinistra. Die Gesamtblutversorgung ist entsprechend des relativ geringen Sauerstoffbedarfs spärlich. Die Versorgung mit Lymphbahnen ist dagegen reichlich. Der D. thoracicus verläuft als große Lymphabflussbahn parallel zur Speiseröhre.
. Abb. 2.32 Ösophagus mit Übergang in den Magen
jIndikationen
Chirurgische Eingriffe am Ösophagus sollen die Nahrungspassage gewährleisten bzw. wiederherstellen. Behandelt werden Funktionsstörungen und organische Veränderungen, deren Krankheitswert, Diagnostik und chirurgische Therapie nachfolgend besprochen wird.
2.4.2
Achalasie-Ösophagospasmus
Es handelt sich um eine Innervationsstörung der Ösophagusmuskulatur mit funktioneller Stenose. Ein Karzinom muss durch Endoskopie und Biopsie ausgeschlossen werden. a
kIndikation
4 Segmentaler Muskelspasmus und typische Stenosesymptomatik: 5 Dysphagie (Schluckstörung), 5 Regurgitation (Hochwürgen unverdauter Speisen), 5 Schmerz und Gewichtsabnahme. 4 Erfolglose, ggf. mehrfache Aufdehnungsbehandlung. kPrinzip
Anteriore Myotomie nach Gottstein/Heller mit Durchtrennung der Ösophagusmuskulatur im Stenosebereich (. Abb. 2.33). kLagerung
4 Rückenlage, leicht überstreckt, ggf. mit rekliniertem Kopf, 4 neutrale Elektrode an einem Oberarm. kInstrumentarium
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium, 4 Gummizügel.
b . Abb. 2.33a, b Myotomie des distalen Ösophagus bei Achalasie (a). Deckung der Myotomie durch Fundoplastik (b). (Nach Siewert 2010)
2
60
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
Achalasie-Ösophagospasmus
2
7 Von einer Laparotomie aus wird der Hiatus oesophageus, die Durchtrittstelle des Ösophagus durch das Zwerchfell, erweitert. 7 Mit dem Anschlingen der Speiseröhre wird sie nach kranial mobilisiert. 7 Die Myotomie beginnt über der Stenose und reicht bis mindestens 2 cm nach kaudal über die Kardia. 7 Damit wird eine dauernde Erweiterung des Segments erreicht und die Nahrungspassage wieder hergestellt. Die Kombination mit einer Antirefluxplastik (7 Abschn. 2.4.4) ist möglich.
resten, in Divertikelentzündungen mit Perforation, Blutungen, Mediastinitis und langfristig in der malignen Entartung. Die Kontrastmittelröntgenuntersuchung des Schluckaktes führt zur Diagnose. kIndikation
Obstruktion, Schluckbeschwerden, Hustenreiz beim Schlucken, Divertikulitis, Blutungen, Mediastinitis. kPrinzip
Abtragung des Divertikelsackes und ggf. die Längsdurchtrennung des Muskelschlauches unterhalb des Divertikelhalses (Krikomyotomie) über einige Zentimeter. kLagerung
Diese Operation kann minimal-invasiv durchgeführt werden
2.4.3
Zervikales Ösophagusdivertikel (Zenker)
Die Schleimhautaussackung durch die Muskelschichten des zervikalen Ösophagus nach links wird ebenfalls mit einer Innervationsstörung in Zusammenhang gebracht. Das Zenker-Divertikel gilt als typisches Pulsionsdivertikel, als Folge eines erhöhten intraluminalen Druckes (. Abb. 2.34). Die Symptomatik besteht in einem Druckgefühl des meist mit Speiseanteilen gefüllten Sackes, der auch das Lumen der Speiseröhre beengen kann. Neben der Schluckstörung bestehen weitere Risiken im Aspirieren von Speise-
a
b
. Abb. 2.34 Zenker-Divertikel: a Anatomie, b typische Lokalisation. (Nach Siewert 2010)
4 Rückenlage, Oberkörper leicht aufgerichtet, Kopf rekliniert und nach rechts gedreht, 4 neutrale Elektrode am linken Oberarm. kInstrumentarium
Grundinstrumentarium, 4 Allis- oder Duval-Klemme, 4 dünner Zügel oder Nervhäkchen, 4 bei Bedarf linearer Stapler oder linearer Stapler mit integriertem Cutter (7 Abschn. 2.1.2). Resektion des Zenker-Divertikel 7 Schräger Hautschnitt am Innenrand des linken M. sternocleidomastoideus. Das Platysma und die Halsfaszie werden zusammen mit dem Skalpell durchtrennt. Der M. sternocleidomastoideus wird am vorderen Rand mobilisiert und mit Roux-Haken beiseitegehalten. Die mittlere Halsfaszie wird durchtrennt. 7 Mit Einsetzen von schmalen Haken, z. B. nach Langenbeck, wird das Divertikel dargestellt. Die A. carotis, die V. jugularis und der N. vagus werden dabei nach lateral und die Trachea und der Schilddrüsenlappen nach medial weggehalten. 7 Das Divertikel wird mit einer Organfasszange nach Allis oder Duval gefasst und bis zur Basis teils durch scharfe, teils durch stumpfe Präparation freigelegt. Der N. recurrens sollte möglichst identifiziert und mit einem dünnen Gummizügel angeschlungen oder auf ein Nervhäkchen gelegt werden. 7 Durch das Einführen einer dicken Magensonde am Divertikel vorbei wird der Ösophagus geschient und einer postoperativen Stenose gleichzeitig vorgebeugt. 6
61 2.4 · Speiseröhre
2.4.4 7 Stumpfes Hervorluxieren des Divertikels, ggf. Myotomie des M. cricopharyngeus in der Mitte der Hinterwand. 7 Die Myotomie erfasst die Pars transversalis des M. cricopharyngeus und die obere Ösophagusmuskulatur über ca. 4 cm Länge.
Hiatushernie
Definition Hiatus bedeutet Spalt. Bei der Hiatushernie liegt ein Bruch des Zwerchfells am Hiatus oesophageus vor; die Hiatushernie führt zur Refluxkrankheit.
Ätiologie Abtragen des Divertikels 7 Mit einem linearen Stapler (. Abb. 2.35). Es ist darauf zu achten, dass kein Anteil der Ösophaguswand mit in die Klammerreihe gelangt. Eine zusätzliche Übernähung der Klammernahtreihe kann entfallen. Nach der Abtragung sollte mit warmer Kochsalzlösung gespült werden. 7 Geschlossene Resektion zwischen 2 weichen Klemmen. 7 Offene Resektion mit Schere und Pinzette, nachdem an der Basis eine Tabakbeutelnaht gelegt wurde. Nach der Resektion wird der kurze Stumpf versenkt und mit einer zusätzlichen Naht verschlossen. 7 Einlegen einer dünnen Drainage, Adaptation der Halsmuskeln und des Platysma, Subkutan-, Hautnaht, Verband.
Diese Operation kann als endoskopische »Schwellendurchtrennung« heute meist von HNO-Ärzten durchgeführt werden.
a
b
Das Hauptkennzeichen der Refluxkrankheit ist ein gestörter Verschlussmechanismus des unteren Ösophagussphinkters. Fast immer liegt gleichzeitig eine axiale Hiatushernie vor (s. unten). Die Refluxösophagitis ist gekennzeichnet durch peptische Epitheldefekte und ihre Folgen, verursacht durch die zurücklaufenden aggressiven Verdauungssäfte des Magens. Je nach Schwere wird die Refluxösophagitis in die folgenden 4 Stadien eingeteilt.
Stadien der Refluxösophagitis . Tab. 2.1. . Tab. 2.1 Stadieneinteilung der Refluxösophagitis Stadium
Kennzeichen
I
Fleckförmige entzündliche Schleimhautinfiltration
II
Zusammenlaufende Schleimhautläsionen
III
Tiefgreifende zirkuläre Ulzerationen
IV
Peptische Stenose
c
. Abb. 2.35 a–c Abtragung eines Zenker-Divertikels mit einem linearen Verschlussstapler. (Nach Siewert 2001)
2
62
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
Symptome a
b
2
Die Symptomatik ergibt sich aus der Einklemmungsgefahr der Magenwand mit Blutungs- und Perforationsgefahr.
Diagnostik
c
. Abb. 2.36a–c Klassifikation der Hiatushernien: a axiale, b paraösophageale, c gemischte Hiatushernie. (Nach Siewert 2010)
Das Hauptsymptom ist Sodbrennen mit Verstärkung in Rückenlage. Komplikationen sind die narbige Schrumpfung sowohl im Durchmesser als auch in der Längsausdehnung. Daraus folgen die narbige Stenosierung und der sog. Endobrachyösophagus mit Verschiebung der ÖsophagusMagenschleimhaut-Grenze in den Ösophagus hinein. Frühkomplikationen sind Blutung und Perforation. Für die Entartung des sog. Barrett-Ösophagus wird der gallige Reflux aus dem Duodenum verantwortlich gemacht. Die Barrett-Schleimhaut hat Ähnlichkeit mit der Darmschleimhaut (sog. intestinale Metaplasie).
Formen Die häufigste Form der Hiatushernie ist die axiale Hiatushernie. Es handelt sich um einen Gleitbruch (7 Abschn. 2.3), der mit einer intrathorakalen Verlagerung der Kardia einhergeht (Barrett-Syndrom). Ein Krankheitswert ergibt sich erst aus der Kombination mit einer Sphinkterinsuffizienz. Als weitere Form der Hiatushernie ist die paraösophageale Hernie anzusehen. Bei dieser Hernienform ist die Lage der Kardia konstant, der Sphinkter ist in der Regel nicht beeinflusst. Es wölben sich jedoch Magenanteile neben der Speiseröhre am Zwerchfellschenkel vorbei ins Mediastinum vor. Im Extremfall kann ein totaler Magenvolvulus (»upside-down stomach«) mit kompletter Magenverlagerung in den Thorax auftreten (. Abb. 2.36).
Die exakte Anamnese hat zu klären, ob die Beschwerden auf einen Reflux vom Magen in die Speiseröhre zurückzuführen sind. Die Ösophagus-Magen-Röntgenuntersuchung unter Provokationstest in Kopftieflage und unter Bauchpresse des Patienten macht die Diagnose bezüglich des vorliegenden Hernientyps und der Kardiainsuffizienz möglich. Insbesondere bei der axialen Hiatushernie kann die Endoskopie klären, welches Stadium der Refluxösophagitis vorliegt. Die Gewebeprobenentnahme zur Histologie ist zur Klärung der malignen Entartungstendenz im BarrettÖsophagus wichtig. Hier liefert die Endoskopie wertvolle Zusatzinformationen. Die pH-Metrie und Manometrie des Ösophagus sind beurteilende Untersuchungen vor der OP-Planung. Die operative Versorgung in Form einer Fundoplicatio erfolgt in der Regel minimal-invasiv über einen laparoskopischen Zugang (7 Abschn. 2.15.8).
2.4.5
Ösophaguskarzinom
Das Karzinom ist die häufigste Erkrankung des Ösophagus und kommt öfter bei Männern als bei Frauen vor. Dieser Tumor wächst bevorzugt submukös, also zwischen den Wandschichten, sodass intraoperativ die Grenzen häufig sehr schlecht erkennbar sind. Neben geographischen Unterschieden spielen Kanzerogene wie Tabak, Teerprodukte und Alkohol für die Entstehung eine wesentliche Rolle. Der Schwerpunkt der Therapie liegt in der operativen Behandlung. Folgende präoperative Untersuchungen klären die Diagnose und Operabilität ab: 4 Gastroskopie mit Biopsie, 4 Breischluckröntgenuntersuchung des Ösophagus, 4 CT-Untersuchung des Thorax, des Oberbauchs und ggf. der Halsregion zur Abklärung der lymphogenen Metastasierungswege. 4 Endosonographie, falls verfügbar, da hier die Infiltrationstiefe und die benachbarten Lymphknoten zuverlässiger beurteilt werden können als bei der Computertomographie. Die operative Behandlung findet heute nur noch in »Zentren« statt (Voraussetzung: 10 Eingriffe/Jahr/Klinik).
63 2.4 · Speiseröhre
Transmediastinale Ösophagusexstirpation Die transmediastinale Ösophagusexstirpation erfolgt über einen abdominalen und ggf. kollaren Zugang. Der abdominothorakale Zugang sollte gewählt werden, wenn eine stumpfe Dissektion nicht möglich ist, die Anastomose intrathorakal angelegt werden soll und eine radikale Lymphadenektomie geplant ist (. Abb. 2.37). kIndikation
Karzinome im mittleren und unteren Abschnitt und Magenkarzinome im Kardiabereich, die auf den Ösophagus übergreifen. kPrinzip
Subtotale Entfernung des Ösophagus inklusive der Kardia und Wiederherstellung der Passage durch Ösophagogastrostomie. Eine Ösophago-Ösophagostomie ist in der Regel nicht möglich, da die Anastomose aufgrund der schlechten Durchblutung der Speiseröhre nicht heilen würde. kLagerung
4 Rückenlage, leicht überstreckt, den Kopf nach rechts gedreht und evtl. ein Polster unter die rechte Schulter gelegt, 4 Dispersionselektrode am rechten Oberarm.
. Abb. 2.37 Transmediastinale Ösophagektomie. (Nach Siewert 2010)
1. OP-Schritt: 7 Bogenförmige quer verlaufende Oberbauchlaparotomie oder lange mediane Oberbauchlaparotomie mit linksseitiger Umschneidung des Nabels. 7 Nach der Exploration des Abdomens wird der Hiatus oesophageus freigelegt. 7 Die Operation sollte nur ausgeführt werden, wenn der Ösophagus freigelegt werden kann und keine Fernmetastasen vorliegen. Nach der Entscheidung zur Operation wird der Rochard-Haken eingesetzt, der eine gute Einsicht in den Bauchraum bis unter das Zwerchfell ermöglicht.
7 Mit Overholt, Schere und Ligaturen wird der Übergang vom Ösophagus zur Kardia freipräpariert und die Speiseröhre mit einem Gummizügel angeschlungen. Nach kranial wird zunächst so weit wie möglich unter Sicht präpariert. Dazu wird das Zwerchfell ventral inzidiert bzw. die Zwerchfellschenkel werden durchtrennt. 7 Die distale Resektionsgrenze berücksichtigt die Prinzipien der Tumorradikalität. 7 In der Regel wird die Resektion von der Funduskuppe bis in die Mitte der kleinen Kurvatur des Magens mit mehreren Magazinen eines linearen Staplers unter Ausbildung eines Magenschlauchs durchgeführt (. Abb. 2.38). Die Kardia verbleibt dabei am Ösophagusresektat. 7 Beim Kardiakarzinom werden zusätzlich große Anteile des Fundus, zusammen mit der Milz, reseziert. Das Kardiakarzinom kann auch durch eine Gastrektomie therapiert werden (7 Abschn. 2.5.6). 7 Die Ernährung des Magenschlauchs wird durch die A. gastrica dextra und A. gastroomentalis dextra, die bei der Präparation an der kleinen und großen Kurvatur geschont wurden, gewährleistet. 7 Die Mobilität des Magenschlauchs nach kranial wird durch die Duodenalmobilisation nach Kocher (7 Abschn. 2.5.7) erzielt.
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6
kInstrumentarium
Grund- und Laparotomieinstrumentarium, 4 Rahmen, 4 Rochard-Haken, 4 Gummizügel, 4 Duval-Klemmen, 4 bei Bedarf lineare Stapler mit oder ohne Cutter, 4 lange schmale Spatel für die mediastinale Exploration bzw. Dissektion. Ösophagusexstirpation
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64
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
7 Der mobilisierte Ösophagus wird aus der Halswunde gezogen, danach der Restmagenschlauch nach oben geführt. Der kraniale Ösophagusanteil wird mit einer weichen Klemme gefasst und das Resektat abgesetzt. 7 Alternativ werden Ringstripper oder Knopfsonden eingesetzt. Sie werden nach der Durchtrennung des Ösophagus im Halsbereich in die Speiseröhre geschoben, um diese damit nach abdominal zu ziehen und so zu entfernen.
2
a
Die hohe intrathorakale Anastomose wird vielfach bevorzugt, da bei kollaren Anastomosen oft Stenosen mit Durchblutungsstörungen im Anastomosenbereich auftreten können. Für die nun folgende Ösophagogastrostomie gibt es 2 Möglichkeiten. OP-Verlauf: Handnahtanastomose
b . Abb. 2.38a, b Speiseröhrenersatz durch Interposition eines Magenschlauchs. (Nach Siewert 2010)
7 Die Muskulatur des Ösophagus wird mit der Serosa des Magenfundus anastomosiert. Nach der Lumeneröffnung des Magenschlauches folgt eine allschichtige Hinterwandnaht als zweite Nahtreihe. 7 Je nach Nahttechnik können bei zweireihiger Naht die Knoten der ersten Vorderwandnaht lumenseitig ausgeführt werden. Darüber Anlage einer fortlaufenden zweiten Nahtreihe. Auch eine einreihige fortlaufende Naht ist möglich. Bei manuellen Anastomosennahttechniken sollten aus theoretischen Überlegungen doppelte Nahtreihen vermieden werden, da sie zur Durchblutungsminderung an der Anastomose führen können.
7 Die Klammernahtreihe am Restmagen kann fortlaufend mit einer dünnen resorbierbaren Naht eingestülpt werden
Stapleranastomose
2. OP-Schritt (kollarer Zugang): 7 Hautschnitt am Hals an der Innenseite des linken M. sternocleidomastoideus, Durchtrennung von Platysma und Halsfaszie. 7 Die Schilddrüse wird mit Langenbeck-Haken zur Mitte gezogen, der zervikale Ösophagus von der Trachea abpräpariert und angeschlungen. Dabei muss auf den N. recurrens geachtet werden. 7 Stumpfes Auslösen der Speiseröhre aus dem Mediastinum, sowohl vom zervikalen als auch vom abdominalen Zugang her.
7 Über eine kleine Inzision im distalen Anteil des Magenschlauchs wird ein zirkulärer Anastomosenstapler geführt, am Ende des Magenschlauchs wird mit der Spitze des Zentraldorns perforiert, zuvor wird die Gegendruckplatte in den zervikalen Ösophagusstumpf mit einer Tabakbeutelnaht eingeknotet. 7 Das Klammernahtinstrument wird mit der Gegendruckplatte verbunden und nach dem Zusammendrehen wird der Klammermechanismus ausgelöst. Damit entsteht eine zirkuläre Anastomose. Die beiden innen liegenden Anastomosenringe müssen
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6
65 2.5 · Magen
auf ihre Vollständigkeit überprüft und danach zur histologischen Untersuchung eingesendet werden. Die kleine Inzision im Magenschlauch kann mit einem linearen Stapler wieder verschlossen werden. 7 Zählen aller Textilien und Instrumente, Dokumentation ihrer Vollzähligkeit. Bei Bedarf wird im Halsbereich eine Redon-Drainage gelegt, schichtweiser Wundverschluss, Verband.
Alternativen 4 Maschinelle intrathorakale Anastomose, anwendbar beim mittleren und distalen Ösophaguskarzinom. Dabei wird nach Anlage einer Tabakbeutelnaht die Gegendruckplatte eines zirkulären Staplers von abdominal in den vorbereiteten Ösophagusstumpf eingeführt. 4 Zweihöhleneingriff mit rechtsseitiger Thorakotomie, nach Umlagerung mit Hand- oder Stapleranastomose. 4 Koloninterponat (. Abb. 2.39).
a
Auch beim Ösophaguskarzinom werden in spezialsierten Zentren die Eingriffe minimal-invasiv vorgenommen.
Inoperables Ösophaguskarzinom Wenn prä- oder intraperativ festgestellt wird, dass ein Ösophaguskarzinom nicht mehr resezierbar ist, erfolgt die innere Schienung im Tumorbereich. Hierbei wird durch Tubuseinlage zumindest eine freie Passage für Flüssigkeiten und pürierte Speisen erreicht. Dazu werden Tubustypen nach Häring, Celestine oder Buess sowie selbstexpandierende Stents aus Metallgeflecht verwendet. Je nach Behandlungskonzept geht eine Bestrahlung des Tumors voraus, die das Gewebe festigt und damit bei der Dehnung durch den Tubus die Gefahr einer Schleimhautzerreißung verringert. Die Platzierung des Tubus bzw. der Stents wird zumeist endoskopisch vorgenommen (. Abb. 2.40); eine operative Tubuseinlage über eine Gastrotomie erfolgt heute nur noch selten. Nachteil der Endoprothese ist, dass sie verstopfen oder aus der Stenose rutschen kann. Außerdem kann es zur Arrosion kommen. Die Buess-Endoprothese ist z. B. daher so konstruiert, dass sie ohne großen Aufwand gewechselt werden kann. Sie hat am proximalen Ende eine Schlaufe, die das Fassen und Entfernen erleichtert.
2.5
Magen
2.5.1
Anatomie
Der Magen ist ein muskuläres Hohlorgan, das in 3 Abschnitte unterteilt werden kann:
b . Abb. 2.39a, b Speiseröhrenersatz durch Kolon (linke Kolonflexur mit Colon transversum, ggf. mit rechter Kolonflexur, gestielt an der A. colica sinistra). (Nach Siewert 2010)
4 Fundus, 4 Korpus, 4 Antrum. Der Mageneingang wird als Kardia, der Magenausgang als Pylorus bezeichnet, kranial liegt die kleine Kurvatur, kaudal die große Kurvatur. Folgende 4 Wandschichten werden von innen nach außen unterschieden: Mukosa → Submukosa → Muskularis → Serosa.
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66
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
Gefäßversorgung Bis auf das Fundusgebiet ist der Magen reichlich durchblutet. Sein Hauptarterienstamm ist der Truncus coeliacus. Von diesem zweigt die kräftige A. gastrica sinistra ab, um in der Nähe der Kardia die kleine Kurvatur zu erreichen. Von der A. hepatica communis entspringt die zartere A. gastrica dextra, die durch Arkaden an der kleinen Kurvatur mit der A. gastrica sinistra verbunden ist. Auch die große Kuvatur wird ähnlich von Gefäßen umfasst. Links verläuft die A. gastroomentalis sinistra (sie entspringt aus der A. splenica), rechts die A. gastroomentalis dextra (aus der A. gastroduodenalis). Die Aa. gastricae breves, die aus der A. gastroomentalis sinistra bzw. aus der A. splenica entspringen, versorgen den Fundus und einen Teil des Korpus (. Abb. 2.41).
2
! Die Blutversorgung der kleinen Kurvatur erfolgt aus den Aa. gastricae sinistra et dextra, die Blutversorgung der großen Kurvatur aus den Aa. gastroomentales sinistra et dextra.
. Abb. 2.40 Technik der Metallstentimplantation: Distale Freisetzung über den Applikator. (Nach Riemann u. Mössner 2004)
Die verschiedenen Zelltypen der Mukosa produzieren folgende Substanzen: 4 Salzsäure in den Parietal- oder Belegzellen der Korpus- und Fundusdrüsen, 4 Gastrin in der Antrumschleimhaut, 4 Schleim in den Nebenzellen, v. a. in der Pylorusregion, 4 Pepsinogen in den Hauptzellen. Die täglich produzierte Magensaftmenge beträgt 3.000 ml. Dabei werden in den 9 Nachtstunden 60% der täglichen Salzsäuremenge sezerniert. Die Säureproduktion unterliegt den folgenden Einflüssen: Vagusreiz → Magenwanddehnung → Gastrinausschüttung → Fettresorption im Duodenum. Der Magen ist im Bereich der Kardia am Zwerchfell fixiert, mit der Leber durch das Lig. hepatogastricum, mit der Milz durch das Lig. gastrosplenicum und zum Querkolon über das Lig. gastrocolicum verbunden. Das Omentum minus (kleines Netz oder auch Lig. hepatogastricum) nimmt von der kleinen Kurvatur seinen Ausgang, das Omentum majus (großes Netz) von der großen Kurvatur.
Die venöse Drainage erfolgt über die Vv. gastricae sinistra et dextra und die Vv. gastroomentales sinistra et dextra in die V. portae. Der um die Kardia gelegene Venenplexus stellt eine Verbindung zwischen dem System der Pfortader und dem der V. cava her. Die Lymphbahnen sammeln die Lymphe unter der Serosa, hauptsächlich im Bereich der kleinen Kurvatur.
2.5.2
Allgemeines zur Magenchirurgie
Indikationen Es bestehen folgende Behandlungsindikationen: 4 Ausschließlich konservativ: entzündliche Veränderungen, dyspeptisch-ulzeröse Störungen. 4 Vorwiegend konservativ: Ulkusleiden, unkomplizierte Ulkusblutung. 4 Chirurgische Therapie: komplizierte Ulkusblutung, Ulkusperforation, Magenausgangstenose als Spätkomplikation, Magenkarzinom. Etwa 10% unserer Bevölkerung entwickeln im Laufe ihres Lebens gastroduodenale Ulzerationen. Die Ulkuskrankheit verläuft chronisch, schubweise rezidivierend. Bei ansteigender Ulkushäufigkeit sinkt die OP-Frequenz dank medikamentöser Behandlungsmöglichkeiten.
Operation Als Zugangsweg in der Magenchirurgie eignet sich die quere Oberbauchlaparotomie, aber auch die mediane Oberbauchlaparotomie findet häufig Anwendung.
67 2.5 · Magen
. Abb. 2.41 Arterielle Gefäßversorgung des Magens
Klammernahttechniken und manuelle Nahtverfahren werden bei Resektionen und Anastomosierungen angewendet. In der Ulkuschirurgie werden nichtresezierende und resezierende OP-Verfahren unterschieden. In der Notfallsituation richtet sich die Auswahl des OPVerfahrens nach hausinternen Schemata und nach der Erfahrung des Operateurs.
Pathophysiologie der Ulkuskrankheit Die aggressiven Lumenfaktoren überwiegen gegenüber den defensiven Phänomenen.
Aggressive Lumenfaktoren 4 Säure, Pepsin, 4 endogen zytotoxische Substanzen 4 Gallensäuren, Lezithin etc.
4 Die wichtigste Ursache ist die Keimbesiedelung mit Helicobacter pylori. Die sog. Eradikationsbehandlung dieses Keimes führt zu einer deutlichen Senkung von Ulkusrezidiven.
Komplikationen des gastroduodenalen Ulkus Blutung Mit einer Häufigkeit von 20% stellt die Blutung die häufigste Komplikation dar. Die Endoskopie klärt, ob weiter konservativ behandelt werden kann. Ziele der Notfallendoskopie: 4 Lokalisation der Blutungsquelle, 4 endoskopische Blutstillung durch Unterspritzung. 4 Ziele der Kontrollendoskopie: 4 Verlaufsbeurteilung der Ulkusabheilung, 4 Aussage über die Gefahr einer Rezidivblutung, 4 ggf. durch Probeexzision Klärung der Ulkusdignität. Kriterien zur OP-Indikation
Defensive Phänomene 4 Durchblutung, 4 intakte Schleimhautbarriere (adäquater Schleim, regelrechte Epithelregeneration) und ausreichende Bikarbonatsekretion. Zwar gilt »ohne sauren Magensaft kein peptisches Geschwür«, jedoch bestehen weitere Faktoren, die zur Ulkusentstehung beitragen können.
4 Die endoskopische Blutstillung gelingt nicht. 4 Nach schwieriger endoskopischer Blutstillung ist von der Ulkusgröße her oder bei einem großen Gefäßstumpf kurzfristig eine neue Blutung zu erwarten. 4 Die Kreislaufstabilisierung erfordert in den nächsten 24 h mehr als 4 Blutkonserven (grobe Faustregel). 4 Zusätzlich besteht eine langjährige Ulkusanamnese mit mehreren medikamentösen Behandlungsphasen.
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2
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
Die Operation im Blutungsstadium weist eine erhöhte perioperative Letalität auf. Daher sollte möglichst nach endoskopischer Blutstillung und nach einer kurzen Stabilisierungsphase die sog. früh-elektive Operation unter dann optimalen Bedingungen durchgeführt werden.
Ulkusperforation Die Häufigkeit beträgt 10%. Wie auch die Blutung kann die Perforation die erste klinische Manifestation des Ulkusleidens darstellen. Die freie Perforation tritt klinisch als »akutes Abdomen« mit den Zeichen der Peritonitis in Erscheinung. Bei der Untersuchung findet man ein »bretthartes Abdomen«. Die Diagnose wird durch die Röntgenuntersuchung des Abdomens und des Thorax am stehenden Patienten gesichert; hierbei wird freie Luft unter dem Zwerchfell nachgewiesen. Beweisend ist freie Luft rechtsseitig zwischen Zwerchfell und Leber. Ist eine Aufnahme des stehenden Patienten nicht möglich, wird die Abdomenaufnahme in Linksseitenlage durchgeführt. (Freie Luft findet sich dann zwischen Bauchdecke und Leber.) Nach der Diagnosestellung besteht eine absolute OP-Indikation.
Magenausgangstenose Die Häufigkeit beträgt 7–11%. Die narbige Magenausgangstenose ist als Spätkomplikation chronisch-rezidivierender Ulzera anzusehen. Die bindegewebig-narbige Schrumpfung der Entzündungsreaktion um das Ulkus herum führt am Duodenalrohr zur Lumeneinengung.
Klinisch anamnestisch besteht neben der langen Ulkuserkrankung eine Gewichtsabnahme mit zunehmendem Erbrechen angedauter Nahrung. Die Endoskopie, ggf. ergänzt durch die Endosonographie, mit Gewebeentnahme zur histologischen Untersuchung klärt die Dignität der Stenose. Es besteht absolute OP-Indikation, jedoch mit aufgeschobener Dringlichkeit.
Konservative Ulkustherapie Die medikamentöse Therapie macht wiederholte endoskopische Kontrollen erforderlich. Neben säureblockierenden Medikamenten werden mit gutem Erfolg Antibiotika im Rahmen einer zeitlich befristeten Eradikationsbehandlung eingesetzt.
Operative therapeutische Verfahren Nichtresezierende Verfahren Diese Verfahren wurden besonders in den 60er Jahren angewendet, bevor die medikamentöse Therapie des Ulkusleidens möglich wurde. Die Bedeutung der Vagotomie für die Ulkuschirurgie ist abnehmend, deshalb hier nur kurz erwähnt. ! Bei allen Vagotomieverfahren gilt, dass eine Pyloroplastik erforderlich wird, wenn das Antrum denerviert wird oder wenn der Magenausgang durch Vernarbungen funktionell stenosiert ist.
2.5.3
Selektive proximale Vagotomie
Vollständige Denervierung des proximalen Magens, also der Fundus- und Korpusanteile. So kann die antrale Innervation erhalten bleiben (. Abb. 2.42). Die SPV sollte nach ihren Befürwortern mit einer sog. Drainageoperation (Pyloroplastik) kombiniert werden, die aber nicht erforderlich ist, wenn der Pylorus intakt und gut durchlässig ist. Der Vorteil liegt in der Erhaltung der normalen Verdauungsfunktionen, des Magenreservoirs und der Duodenalpassage. Von Nachteil ist, dass das Ulkus belassen wird. Trunkuläre Vagotomie Durchtrennung der Vagushauptstäm-
me am distalen Ösophagus, damit Ausschaltung der extragastralen Äste der Leber, zum Kolon und zum Pankreas.
. Abb. 2.42 Selektiv proximale Vagotomie. (Nach Siewert 2001)
Selektiv gastrische Vagotomie Die extragastralen Äste werden isoliert präpariert und geschont. Alle zum Magen ziehenden Äste werden durchtrennt. Diese Operationen sind laparoskopisch durchführbar, verlieren aber weiter an Bedeutung.
69 2.5 · Magen
2.5.4
Pyloroplastik Alternative nach Weinberg
Das Prinzip der Pyloroplastik beruht darauf, dass mit einer Stauchung des Duodenalrohres zwar eine Verkürzung der Rohrlänge, aber gleichzeitig eine Lumenerweiterung am Rohrquerschnitt erzielt werden kann.
7 Nach Weinberg wird einreihig genäht, mit einer nach innen versenkten seromuskulären Knopfnahtreihe. 7 Die Anastomose wird maschinell durchgeführt.
Pyloroplastik nach Heinecke-Miculicz Diese Technik hat in der nichtresezierenden Ulkuschirurgie ihren festen Platz. kIndikation
4 Als Folgeeingriff nach einer Vagotomie, um die Öffnungslähmung des Pylorus zu beseitigen. 4 Bei einer Pylorusstenose durch Narbenbulbus. 4 Bei einem Pylorospasmus.
Pyloroplastik nach Finney Die Pyloroplastik nach Finney schafft eine breitere Verbindung zwischen Magen und Duodenum als die Methode nach Heinecke-Miculicz. U-förmige Schnittführung an Duodenum, Pylorus und Magen, zumeist verbunden mit einer Exzision des narbigen Ulkus. Diese beiden Abschnitte werden durch eine Seit-zu- Seit-Anastomose wieder verschlossen.
kPrinzip
Längsinzision des Pylorus und Quervernähung.
Resezierende Verfahren
kLagerung
Magenanteile werden entfernt und die Nahrungspassage wird wiederhergestellt. Dies ist mit verschiedenen Anastomosenformen möglich.
Rückenlage, leicht überstreckt, Dispersionselektrode an einem Oberschenkel.
Malignom kInstrumentarium
Grund- und Laparotomieinstrumentarium, 4 Allis-Klemmen, 4 bei Bedarf Rochard-Haken, 4 evtl. linearer Verschlussstapler.
Bei inoperablen Tumoren, die zu einer Magenausgangstenose führen, kann palliativ ein selbstexpandierender Stent endoskopisch platziert werden.
2.5.5 Pyloroplastik 7 Obere quer verlaufende oder mediane Laparotomie, Exploration, Leberhaken und/oder Rahmen einsetzen. Um den Pylorus übersichtlich darzustellen, sollte das Duodenum nach Kocher aus dem Retroperitoneum ausgelöst werden (Kocher-Manöver, 7 Abschn. 2.5.7). 7 Legen von Haltefäden beidseits des Pylorus. Längsinzision des Pylorus streng in der Vorderwandmitte auf ca. 8–10 cm. Hierbei verläuft ein Teil des Schnittes ins Antrum, der andere Teil zum Duodenum. 7 Die Mukosa wird mit dem Elektrokauter durchtrennt. 7 Der in die Schnittlinie fallende hypertrophische Teil des Pylorus oder das Vorderwandulkus wird reseziert. 7 Mit den in der Pyloruslinie angelegten Haltenähten wird die Wunde so auseinander gezogen, dass sie eine zur Magenlängsachse quer liegende Wunde formt. Diese Wunde wird in der Originalschrift nach Heinecke zweireihig, durch eine innere Mukosanaht und eine äußere Serosanaht, vernäht. Schichtweiser Wundverschluss, Verband.
Magenresektion
Die Resektionsverfahren basieren auf den von Theodor Billroth entwickelten OP-Methoden. Es werden in der Ulkuschirurgie unterschiedliche Resektionsausmaße unterschieden: 4 Wird nur das Antrum reseziert, sollte eine Kombination mit der SPV erfolgen. 4 Bei der »klassischen« Zweidrittelresektion des Magens sollen neben der Antrumentfernung auch die säurebildenden Zellen durch Verkleinerung des Magenkorpus reduziert werden. Dieses resezierende Vorgehen wird dann erforderlich, wenn eine einfache Übernähung bzw. Umstechung bei Ulkusperforation/-blutung nicht möglich ist. Außerdem wird es bei der Magenausgangstenose, häufig bei der endoskopisch/konservativ nicht beherrschbaren Ulkusblutung und in den Fällen einer Ulkusperforation angewendet, bei denen wegen Ulkusgröße oder entzündlicher Begleitreaktion eine Übernähung nicht möglich ist.
2
70
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
kLagerung
4 Rückenlage, leicht überstreckt, 4 neutrale Elektrode an einem Oberschenkel.
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kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4
Grund- und Laparotomieinstrumentarium, weiche Darmklemmen, 90° abgewinkelte Klemmen, Rahmen, Rochard-Haken, im Ausnahmefall Magenklemmen (z. B. Moynihan, Billroth), 4 langes, lineares Klammernahtinstrument, Einzelclipstapler, 4 LigaSure, ein Instrument, das durch den thermischen Effekt Gefäße versiegelt, indem das Kollagen der Gefäßwände verschmolzen wird (. Abb. 2.44). 4 Alternativ Ultraschalldissektionsinstrumente oder bipolare Schere. . Abb. 2.43 Schematische Darstellung des Resektionsausmaßes einer Billroth-I-Operation. (Nach Siewert 2001)
Magenresektion
. Abb. 2.44 LigaSure-Gerät mit möglichen Instrumenten. (Fa. Covidien)
kIndikation
4 4 4 4 4
Ulcus ventriculi, selten Ulcus duodeni, jedoch bei komplizierter Blutung, bei komplizierter Ulkusperforation, bei Magenausgangsstenose.
kPrinzip
Klassische Methode: Zweidrittelresektion des Magens, einschließlich des Pylorus (. Abb. 2.43) mit anschließender Wiederherstellung der Nahrungspassage.
7 Quer verlaufende oder mediane Oberbauchlaparotomie mit ggf. linksseitiger Umschneidung des Nabels. Nach der Revision des Abdomens mit ausgedehnter Exploration werden Leberhaken, der passende Rochard-Haken und bei Bedarf ein Rahmen eingesetzt. 7 Die Magenteilresektion beginnt mit der magennahen Skelettierung der großen Kurvatur unter Erhalt der gastroomentalen Gefäße. 7 Der OP-Assistent übt unter Anspannung des Lig. gastrocolicum Zug am Colon transversum aus. Mit seiner Durchtrennung ist die Bursa omentalis eröffnet; die Skelettierung wird nach proximal bis zu den kurzen Magenarterien fortgesetzt, entweder mit Rinne und Deschamps, mit OverholtKlemmen und Ligaturen oder mit einem Einzelclipstapler. 7 Verklebungen der Magenhinterwand mit dem Pankreas werden stumpf oder scharf gelöst. Am Pylorus wird direkt an der Magenwand präpariert, um die A. gastroomentalis dextra zur Durchblutung des großen Netzes erhalten zu können. Äste der A. gastroomentalis dextra werden ligiert. 7 Zur Skelettierung der kleinen Kurvatur wird in das kleine Netz eingegangen. Zum Duodenum hin wird die A. gastrica dextra, zur Kardia hin die A. gastrica sinistra unter einer doppelten Ligatur abgesetzt. Circa 5 cm unterhalb der Kardia wird 6
71 2.5 · Magen
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7
die Skelettierung vorläufig beendet und somit die Resektionslinie festgelegt. Nach dem Absaugen und dem Zurückziehen der Magensonde kann der Magen kranial abgesetzt werden. Er wird in der Regel mit dem linearen Verschlussstapler geklammert. Ebenso kann zwischen 2 Klemmen durchtrennt werden; dabei muss am verbleibenden Magenteil eine weiche Klemme zum Einsatz kommen. Der Restmagen wird mit einer fortlaufenden Naht bis zur Anastomosenlinie verschlossen. Nach dem Einsatz eines Staplers wird der Magen abgesetzt, die doppelte Klammernahtreihe kann serosiert werden. Die Skelettierung wird über den Pylorus hinaus vervollständigt. Zur übersichtlichen Präparation kann der distale Magenanteil heruntergeschlagen werden. Die Absetzung des Duodenums erfolgt offen oder zwischen 2 Klemmen (z. B. 90° abgewinkelte oder weiche Darmklemmen). Sie kann auch mit einem linearen Stapler erfolgen. Bei Präparation bis dicht an das Lig. hepatoduodenale heran sollte offen abgesetzt werden, da dann palpatorisch der Abstand der Papille zum Resektionsrand ausgemacht werden kann.
a
Anastomose nach Billroth I Diese Anastomosenform stellt die Duodenalpassage wieder her (. Abb. 2.45). Die Anastomosennähte können grundsätzlich ein- oder zweireihig fortlaufend oder in Einzelkopftechnik ausgeführt werden. Billroth I 7 Nach der Resektion wird der Restmagen an den Duodenalstumpf angenähert. Dieses sollte spannungsfrei möglich sein, in der Regel muss zuerst das Duodenum nach Kocher mobilisiert werden (7 Abschn. 2.5.7). Ein 6–7 cm langer Streckengewinn ist durch das Kocher-Manöver möglich. Komplett ausgeführt lässt sich anschließend der Pankreaskopf dorsal umfassen, und der Einblick auf die V. cava ist möglich. 7 Bei Staplerverschluss des Magenstumpfes und des Duodenums müssen die Klammernahtreihen am Duodenalstumpf und an der großen Kurvatur des Restmagens auf Anastomosenweite entfernt werden. 6
b . Abb. 2.45a, b Magenresektion mit Rekonstruktion nach Billroth I. a Zustand nach Magenresektion und Verkleinerung des Magenquerschnitts, b abschließende Situtation nach Gastroduodenostomie. (Nach Siewert 2001)
7 Der Magenrest und das Duodenum werden mit je einer weichen Klemme gefasst oder mit Haltefäden einander genähert, damit zunächst die seromuskuläre Hinterwandnaht ausgeführt werden kann. 6
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72
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
kLagerung
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7 Die beiden Eckfäden bleiben lang und dienen als Haltenähte. Die Vorderwandnaht wird wieder fortlaufend oder in Einzelknopftechnik ausgeführt. Am Schwachpunkt der Billroth-I-Anastomosentechnik, der sog. »Jammerecke«, treffen die Anastomosennähte mit der Nahtreihe des Magenstumpfverschlusses zusammen. Zur Sicherung wird eine zusätzliche U-Naht gelegt. 7 Nach der Staplerresektion wird häufig erst die Hinterwandnaht seromuskulär genäht, dann werden die Klammern exzidiert. Anschließend wird eine zweite lumenseitige Nahtreihe ausgeführt und die Anastomose mit der Vorderwandnaht beendet. 7 Vor dem Verschluss der OP-Wunde kann eine Zieldrainage gelegt werden, v. a. nach intensiver Präparation in der Pankreaskopfregion. 7 Blutstillung, Kontrolle der Textilien und der Instrumente, Dokumentation der Vollzähligkeit, schichtweiser Wundverschluss, Verband.
Magenresektion und Anastomose nach Billroth II Bei dieser Anastomosenform wird die Duodenalpassage ausgeschaltet, der Duodenalstumpf muss also verschlossen werden. Zahlreiche Modifikationen sind bekannt. Die zur Anastomose benötigte Jejunumschlinge kann sowohl anteals auch retrokolisch hochgezogen werden; dies hängt u. a. von der Mobilität der Jejunumschlinge und der Beschaffenheit des Mesocolon transversum und des großen Netzes ab. Die Gastroenterostomie nach Y-Roux ist heute ebenfalls weit verbreitet (s. unten). Obwohl die maschinellen Techniken sich immer mehr durchsetzen, wird im Folgenden auch die Handnaht angesprochen. kIndikation
4 Verwachsungen des Duodenums, die erhebliche technische Schwierigkeiten bei der Mobilisation verursachen (z. B. Perforation mit Peritonitis), sodass eine spannungsfreie Billroth-I-Anastomose nicht möglich ist; 4 subtotale Resektion in der Karzinomchirurgie. kPrinzip
Zweidrittelresektion des Magens mit Duodenalblindverschluss und anschließender Gastrojejunostomie mit Braun-Fußpunktanastomose (. Abb. 2.46, . Abb. 2.47). Dabei kann die Jejunalschlinge sowohl antekolisch als auch retrokolisch (wie beschrieben) hochgezogen werden.
Siehe Magenresektion. kInstrumentarium
Siehe Magenresektion und zusätzlich ein linearer Anastomosenstapler. Billroth II 7 Der OP-Zugang, die Skelettierung und die Magenteilresektion erfolgen in der gleichen Weise wie bei der Billroth-I-Resektion beschrieben. Nach der Skelettierung über das Duodenum hinaus werden 2 Haltefäden an den Übergang zwischen Magen und Duodenum gelegt und angeklemmt. Danach kann das Duodenum mit einer 90° gewinkelten Klemme abgeklemmt und das Resektat abgesetzt werden. 7 Der Blindverschluss des Duodenalstumpfes erfolgt meist durch eine doppelte Tabakbeutelnaht. Bei der Anwendung von Staplern kann das Duodenum mit einem linearen Anastomosenstapler geklammert und durchtrennt werden. Danach sollte der Stumpf zusätzlich übernäht werden, um einer Nahtinsuffizienz sicher vorzubeugen. Die Duodenalstumpfinsuffizienz ist mit einer Letalität von 50% belastet. Je nach Ulkus- oder Narbenlokalisation kann der Duodenalstumpfverschluss technisch schwierig sein. 7 Die Magen-Darm-Passage wird mit einer 60– 80 cm langen Jejunumschlinge, ca. 40 cm hinter dem Treitz-Band, hergestellt. Am angehobenen und im Gegenlicht ausgespannten Mesocolon transversum wird ein gefäßfreier Abschnitt gesucht und mit Overholt-Dissektion und Ligaturen, oder maschinell, eine 6–8 cm lange Öffnung gebildet, durch die die Jejunumschlinge spannungsfrei bis an den Magen ante- oder retrokolisch hochgezogen werden kann (antekolisch; . Abb. 2.47). 7 Der Nahtverschluss des Mesokolonschlitzes ist obligat, variabel ist der Zeitpunkt. Manche Chirurgen ziehen es vor, diesen Schritt erst am Ende der Operation zu machen. Am Scheitelpunkt der Jejunumschlinge wird eine Seit-zu-Seit-Anastomose mit dem Magenrest hergestellt, die eine Lumenweite von ca. 6 cm aufweist. Dazu wird das Jejunum an die Magenhinterwand gelegt und oral der Klammerreihe am Magenrest mit Ecknähten fixiert, die als Haltefäden dienen. 7 Der Magen und die Jejunumschlinge werden mit dem Elektrokauter eröffnet, das Lumen abgesaugt oder trockengetupft. 6
73 2.5 · Magen
7 Nach der Naht der Anastomosenhinterwand werden die Mukosa- und die Serosavorderwand vernäht. 7 Alternativ sind ein- oder zweireihige sowie Einzelknopf- oder fortlaufende Nahttechniken üblich. 7 Eine Braun-Fußpunktanastomose unterhalb des Mesokolonschlitzes soll einen jejunogastrischen Reflux verhindern. Zu- und abführender Jejunumschenkel werden über ca. 4–8 cm Länge eröffnet und Seit-zu-Seit anastomosiert. Diese Naht wird ein- oder zweireihig ausgeführt. 7 Nach der Zählkontrolle der Textilien und der Instrumente sowie der Dokumentation der Vollständigkeit beenden der schichtweise Wundverschluss und der Verband die Operation.
Alternative Stapleranastomose 7 Stapleranastomose mit linearem Stapler oder linearem Anastomosenklammernahtinstrument zur Erstellung einer Seit-zu-Seit-Anastomose: beide aneinander gelegten Jejunumschenkel werden mit je einer kleinen Stichinzision versehen, nachdem die Anastomosenlänge mit 2 Haltefäden markiert wurde. 7 Zur Herstellung der Braun-Anastomose werden beide Branchen des linearen Anastomosenstaplers in die Öffnungen eingeführt, miteinander verbunden und das Instrument ausgelöst. 7 Nach Kontrolle der Anastomosenlinien auf Bluttrockenheit können die Inzisionsöffnungen schnell mit einem linearen Klammernahtinstrument verschlossen werden.
. Abb. 2.46 Schematische Darstellung des Resektionsausmaßes und der antekolischen Schlingenführung einer Magenresektion nach Billroth II. (Nach Siewert 2006)
Billroth II und Gastroenterostomie nach Y-Roux Diese Anastomosenform wird zumeist gewählt, wenn eine spannungsfreie Anastomose nach Billroth I technisch nicht möglich ist. Der gallige Reflux wird sicherer verhindert als bei der klassischen Billroth-II-Magenresektion. Daher wird die Y-Roux-Technik oft bevorzugt. Wie beim klassischen Billroth II wird der Magen abgesetzt und das Duodenum blind verschlossen. Die gastrointestinale Passage wird wiederhergestellt, indem eine ausreichend mobile, obere Jejunumschlinge aufgesucht und etwa am Scheitelpunkt durchtrennt wird. Der abführende aborale Teil dieser Schlinge wird an den Magenstumpf hochgezogen und dort End-zu-Seit-anastomosiert. Etwa 40 cm unterhalb der Gastrojejunostomie wird der zuführende orale Jejunumschenkel End-zu-Seit mit dem abführenden aboralen Jejunumschenkel verbunden. Dies kann entweder mit Handnaht (Jejuno-Jejunostomie nach
. Abb. 2.47 Abschließende Situation nach antekolischer Gastrojejunostomie mit Braun-Fußpunktanastomose. (Nach Siewert 2006)
2
74
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
4 4 4 4
2
Leistungsknick, Abgeschlagenheit (Anämie), Teerstühle, Dysphagie bei kardianaher Lokalisation, Magenentleerungsstörung bei präpylorischer Lokalisation.
Diagnose
a
b
. Abb. 2.48 a Distale Magenresektion mit Y-Roux-Anastomose, b distale Magenresektion und Rekonstruktion in Y-Roux-Technik. (Nach Siewert 2006)
Y-Roux; . Abb. 2.48) oder in Staplertechnik erfolgen (s. oben). Bei der alleinigen Gastroenterostomie (GE) nach YRoux (Indikation: nicht resezierbare Magenausgangstenose) wird ohne vorherige Magenteilresektion die dargestellte Jejunumableitung angelegt. Auch in der Magenchirurgie sind viele Eingriffe laparoskopisch durchführbar (7 Abschn. 2.15.8).
2.5.6
Operation des Magenkarzinoms
Für die Entstehung des Magenkarzinoms werden ursächlich im Rahmen der Nahrungsaufnahme entstehende Karzinogene verantwortlich gemacht. Die Häufigkeit des Magenkarzinoms nimmt insgesamt ab. Bei einem Überwiegen der Männer in der Geschlechterverteilung liegt der Häufigkeitsgipfel bei Männern im 6., bei Frauen im 5. Lebensjahrzehnt. Nur etwa ein Drittel der Patienten mit Magenkarzinom, die in chirurgische Behandlung kommen, können nach intraoperativem und histologischem Befund kurativ radikal operiert werden. Hauptgrund sind nur unspezifische Symptome, die den Patienten oft zu spät zum Arzt führen.
Die Diagnose muss durch Gastroskopie mit u. U. mehrfacher Biopsieentnahme gesichert werden. Bei einer submukösen zirrhösen Ausbreitung kann die Biopsie mehrfach negativ sein. Röntgenologisch lässt sich bei der Kontrastmitteluntersuchung eine Wandstarre darstellen. Die Abdomensonographie dient dem Ausschluss bzw. Nachweis von (Leber)metastasen. Der Vorhersagewert der CT-Untersuchung beschränkt sich auf den Nachweis von Kriterien der Inoperabilität (Metastasen und Tumorinfiltration). Die Endosonographie bietet als neue Technik zusätzliche Beurteilungsmöglichkeiten.
Lokalisation Das Magenkarzinom entsteht bevorzugt im Antrum, in der kleinen Kurvatur oder im Fundus-Kardia-Bereich. In 10% der Fälle wächst das Karzinom multizentrisch.
Operative Therapie ! Als Grundsatz gilt, dass jedes Magenkarzinom, das mit kurativem Ansatz operiert werden soll, radikal operiert wird.
Das bedeutet, dass die Gastrektomie mit Entfernung des großen und des kleinen Netzes durchgeführt wird. Ob die ausgedehnte Lymphadenektomie eine Prognoseverbesserung bezüglich Rezidivfreiheit und Überlebenszeit mit sich bringt, ist noch nicht nachgewiesen. Die Milzentfernung ist nur dann indiziert, wenn durch die Karzinomlokalisation im oberen Magenkorpus/-fundus ein Lymphknotenbefall am Milzhilus wahrscheinlich wird. Bei Nachweis eines lokal fortgeschrittenen Tumors ist eine Prognoseverbesserung durch eine präoperative neoadjuvante Chemotherapie möglich. An die Magenentfernung schließt sich die Herstellung einer Anastomose zwischen Ösophagus und Jejunum an (. Abb. 2.49 und . Abb. 2.50).
Gastrektomie kIndikation
Symptome Folgende »Leitsymptome« können jedoch erste Hinweise liefern: 4 diffuse Oberbauchschmerzen mit gelegentlich dumpfen Dauerschmerzen, 4 fehlende Regelhaftigkeit der Schmerzen, Druck- und Völlegefühl,
4 Kardia- und Funduskarzinom, 4 andere Magenmalignome, 4 jedes Magenkarzinom, das in kurativer Hinsicht radikal operiert werden soll. 4 Auch mit palliativer Zielsetzung kann eine Gastrektomie durchgeführt werden.
75 2.5 · Magen
kPrinzip
Resektion des gesamten Magens, häufig en bloc mit Milz, großem und kleinem Netz mit Lymphknotendissektion, Vorbereitung einer ösophagointestinalen Anastomose. kLagerung
4 Rückenlage, leicht überstreckt, 4 Dispersionselektrode an einem Oberschenkel. kInstrumentarium
Grund- und Laparotomieinstrumentarium, 4 bipolare Schere, 4 weiche und harte Darmklemmen, 4 ggf. 90° abgewinkelte Klemmen, 4 Duval-Klemmen, Allis-Klemmen, 4 Rahmen, 4 Rochard-Haken, 4 Gummizügel, 4 lineare Stapler und/oder lineare Anastomosenstapler, 4 ein zirkuläres Anastomosenklammernahtinstrument, 4 LigaSure (. Abb. 2.44), 4 alternativ: Ultraschalldissektionsinstrumente.
a
Gastrektomie 7 Quer verlaufende, bogenförmige Oberbauchlaparotomie oder obere mediane Laparotomie. 7 Über eine ausgedehnte Exploration des Abdomens werden die Tumorausdehnung und damit die Operabilität geprüft. Die Austastung dient gleichzeitig der Suche nach verdächtigen Lymphknoten, die, soweit erreichbar, entfernt und zur histologischen Schnellschnittuntersuchung gegeben werden. Bei einem metastasierenden Karzinom muss entschieden werden, ob eine palliative Gastrektomie mit vertretbarem Risiko durchgeführt werden kann. 7 Nach der Entscheidung zur Gastrektomie wird das große Netz mit Schere, Overholt und Ligaturen oder mit dem Elektrokauter, alternativ maschinell mit Einzelclipstapler oder bipolarer Schere, LigaSure oder Ultraschalldissektion, vom Colon transversum abpräpariert. 7 Danach kann der Magen hochgeschlagen und evtl. vorhandene Verwachsungen können an der Hinterwand gelöst werden. Das Duodenum wird ggf. nach Kocher (7 Abschn. 2.5.7) mobilisiert. Eröffnung der Bursa omentalis an der kleinen Kurvatur, die Skelettierung erfolgt duodenalwärts, die A. gastrica dextra wird ligiert und abgesetzt. 7 Am Magenausgang wird an der großen Kurvatur die A. gastroomentalis dextra ligiert und abgesetzt. 6
b . Abb. 2.49a, b Standardrekonstruktion nach Gastrektomie. a Transmediastinal erweiterte totale Gastrektomie, b totale abdominale Gastrektomie (Ösophagojejunoplicatio mit Pouch) (Ösophagojejunostomie nach Y-Roux; nach Siewert 2006)
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76
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
gelegt (. Abb. 2.49). Bei Handanastomosierung wird das Präparat zwischen Klemmen abgesetzt. 7 Die Speiseröhre wird mobiler, wenn der vordere und der hintere Vagusast koaguliert und durchtrennt werden. 7 Nach der Resektion ist die Dissektion der regionären Lymphknoten, insbesondere am Truncus coeliacus, im Hiatus beidseits des Ösophagus, am Pankreasoberrand und im Lig. hepatoduodenale leichter zu handhaben als vor der Resektion. 7 Die Rekonstruktion der Speisepassage ist auf vielen Wegen zu erreichen. Als häufigste und einfachste Rekonstruktion wird die Ersatzmagenbildung nach Y-Roux dargestellt.
2
Ersatzmagenbildung durch Ösophagojejunostomie (nach Y-Roux) Diese OP-Methode wird auch als »Krückstockanastomose« bezeichnet (. Abb. 2.50). . Abb. 2.50 Magenersatz mittels Ösophagojejunostomie. (Nach Hansis 2000)
OP-Verlauf: Ersatzmagenbildung
7 Nach der zirkulären Präparation des Pylorus inklusive 2–3 cm des Duodenums kann Letzteres abgesetzt werden, entweder zwischen 2 Klemmen oder mit einem linearen Klammernahtinstrument. 7 Das Absetzen mit einem Stapler zum Duodenalstumpfverschluss wird bevorzugt bei vorgesehener Rekonstruktion nach Y-Roux angewandt. Die Klammernahtreihe am Duodenum sollte übernäht werden. 7 Die Präparation und Mobilisation des Fundus führt zum Lig. gastrosplenicum, das bei vorgesehener Milzerhaltung zwischen 2 Klemmen durchtrennt und ligiert, ggf. umstochen wird, oder mit dem LigaSure-Gerät versorgt wird (. Abb. 2.44). 7 Der Magen wird nach kranial über den distalen Ösophagus hinaus freipräpariert, die A. und V. gastrica sinistra möglichst nahe am Truncus coeliacus abgesetzt. 7 Nach Anzügeln des Ösophagus und Unterfahren mit einem Overholt wird der Magen über die liegende Magensonde noch einmal abgesaugt und die Sonde zurückgezogen. Bei vorgesehener Stapleranastomose wird am terminalen Ösophagus eine Tabakbeutelklemme angelegt und die dazugehörende Naht
7 Die Rekonstruktion beginnt mit dem Aufsuchen einer geeigneten mobilen Jejunumschlinge ca. 40 cm hinter dem Treitz-Band. Diese Schlinge wird so skelettiert, dass sie spannungsfrei, zumeist retrokolisch, an den Ösophagus geführt werden kann. Zwischen 2 Klemmen oder mit einem linearen Cutter wird die Schlinge durchtrennt. 7 Die Anastomosierung mit dem Ösophagus sollte End-zu-Seit mit Einzelknopfnähten oder besser mit einem zirkulären Klammernahtinstrument erfolgen. 7 In den Ösophagus wird nach Abnehmen der Tabakbeutelklemme die Andruckplatte des zirkulären Staplers in die Speiseröhre eingeführt. 7 Eine spezielle Fasszange (. Abb. 2.20) erleichtert das Einführmanöver. Die Tabakbeutelnaht wird angezogen und am Dorn geknüpft. 7 Der Stapler wird in das offene Darmende eingeführt; seitlich gegenüber dem Mesenterialansatz wird mit der Trokarspitze des Zentraldornes punktuell die Jejunalwand perforiert. 7 Durch die Konnektierung der Andruckplatte mit dem Zentraldorn des Klammernahtgerätes und die Auslösung des Klammermechanismus nach dem Zusammendrehen wird die End-zu-SeitAnastomose hergestellt.
6
6
77 2.5 · Magen
Reservoirbildung 7 Nach Entfernung des Nahtinstruments kann der offene Jejunumschenkel mit einem linearen Stapler verschlossen werden. Die Dichtigkeit der Anastomose wird folgendermaßen geprüft: – Die Geweberinge im Stapler werden auf ihre Vollständigkeit kontrolliert – Eine gefärbte Lösung (z. B. PVP) wird vom Anästhesisten in die bereits liegende Magensonde gegeben. 7 Anastomosen können ggf. mit einer Jejunoplicatio gedeckt werden, d. h. der überstehende Jejunumteil wird wie eine Manschette um die Anastomose gelegt und mit wenigen Nähten fixiert. 7 Die End-zu-Seit-Anastomose der zuführenden Jejunumschlinge an die abführende Schlinge unterhalb der Mesokolonlücke wird in der Y-Roux-Technik vorgenommen. 7 Sowohl Handnaht als auch Staplertechnik als Seitzu-Seit-Anastomose sind möglich. Die Staplertechnik wird im Folgenden beschrieben.
Neben der technisch einfachen »Krückstockanastomose« werden eine Reihe weiterer Rekonstruktionsverfahren nach Gastrektomie, z. T. mit Reservoirbildung (z. B. nach Longmire), angegeben. Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf OP-Lehren verwiesen. 4 Subtotale Magenresektion (Dreiviertel- bzw. Vierfünftelresektion): Dieses OP-Verfahren ist bei kurativem Ansatz nur selten indiziert (z. B. kleines Antrumkarzinom vom intestinalen Typ ohne Lymphknotenbefall, Berücksichtigung der allgemeinen OP-Risiken). 4 Palliative Operationen: Das operative Vorgehen richtet sich nach der lokalen Operabilität, nach tumorbedingten Komplikationen (Blutung, Stenosierung, Perforation) und nach dem Allgemeinzustand des Patienten. Neben der Gastrektomie kommen Magenteilresektionen, die Anlage einer GE und in seltenen Fällen eine chirurgische oder endoskopische Tubuseinlage in Frage. ! Das sog. Magenstumpfkarzinom in einem Restmagen wird ebenfalls durch Gastrektomie behandelt.
Staplertechnik 7 Eine Branche des linearen Anastomosenstaplers wird über eine Zusatzinzision in den abführenden Jejunumschenkel eingeführt, die 2. Branche kommt in dem offenen Teil des zuführenden Jejunumschenkels zu liegen. Beide Teile werden aneinander gelegt, konnektiert, und der Klammervorgang wird ausgelöst. 7 Nach der Fertigstellung wird die nun gemeinsame Inzisionsöffnung mit einem linearen Stapler verschlossen. 7 Bei retrokolischem Jejunumhochzug wird die Mesokolonlücke verschlossen, ggf. werden Drainagen in die Milzloge und subhepatisch gelegt. 7 Nach der Zählkontrolle der Textilien und des Instrumentariums sowie der Dokumentation der Vollzähligkeit erfolgen der schichtweise Wundverschluss und Verband.
Alternativen Bei Vorliegen eines Kardiakarzinoms eignet sich die Gastrektomie in der Regel bezüglich der Lebensqualität besser als die Kardiafundusresektion. Bei letzterem Verfahren bleibt zwar Restmagen erhalten, aber häufig leiden die Patienten postoperativ an den Folgen des Magensaftrefluxes in den Ösophagus, zumal die Pylorusfunktion im Sinne einer Engstellung (bei trunkulärer Vagotomie) gestört sein kann.
2.5.7
Kocher-Manöver
kIndikation
Duodenalmobilisierung von rechts bei Magenteilresektionen, Gastrektomien, Pyloroplastiken und Pankreasoperationen. kPrinzip
Das rechtsseitig retroperitoneal fixierte Duodenum lässt sich mit dem Pankreas nach lateraler Durchtrennung der Umschlagfalte zum parietalen Peritoneum stumpf von dorsal aus dem Retroperitonealraum herauslösen. Dadurch wird das Duodenum beweglicher; ein Streckengewinn von 6–7 cm wird erreicht.
Duodenalmobilisation nach Kocher 7 Die Leber wird nach oben, das Colon transversum nach unten gehalten (. Abb. 2.51a). Das Peritoneum wird lateral bogenförmig im Verlauf des Duodenums inzidiert. Mit dem Finger lässt sich dann eine dünne gefäßfreie Gewebsschicht aufladen, die das Duodenum mit dem Retroperitoneum verbindet. 7 Teils scharf mit der Schere, teils stumpf wird diese Schicht durchtrennt, bis die V. cava sichtbar wird und der Pankreaskopf unterfahren werden kann (. Abb. 2.51b).
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78
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
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a
b
. Abb. 2.51a, b OP-Schritte des Kocher-Manövers zur Duodenalmobilisierung. a Die Leber wird nach oben, das Colon transversum nach unten gehalten. b Die gefäßfreie Gewebsschicht wird durch-
2.6
Milz
2.6.1
Anatomie
Die Milz (Lien, Splen) liegt im linken Oberbauch vollständig intraperitoneal, ist relativ klein und wiegt ca. 150 g. Vom Hilus ausgehend zieht eine Bauchfellduplikatur, das Lig. gastrosplenicum, zum Magen. Es enthält die Vasa gastrica brevia der großen Kurvatur des Magens. Das Lig. phrenicosplenicum hält die Milz in ihrer Lage durch Fixation an der dorsalen Bauchwand. Das Lig. pancreaticosplenicum führt die A. und V. splenica aus dem Retroperitonealraum vom Pankreasschwanz zum Milzhilus. Die Milz ist von einer Kapsel und Serosa (Peritoneum) umhüllt. Alle Gefäße treten aus dem Hilus aus. Die Milzoberfläche ist gefäßfrei.
2.6.2
Splenektomie
kIndikation
Die Indikation zur Splenektomie wird heute sehr differenziert gestellt. Wann immer möglich wird organerhaltend
trennt, bis die V. cava sichtbar wird und der Pankreaskopf unterfahren werden kann
therapiert, weil Erkenntnisse über die Funktion und die Folgen des Verlustes der Milz ihre physiologische Bedeutung belegen. Als folgenschwere Komplikation des Milzverlustes gilt das sog. OPSI-Syndrom (»overwhelming postsplenectomy infection syndrome«), Postsplenektomiesyndrom; Gesamtinzidenz von 4–8%, Letalität von ca. 50%). 4 Elektiv: 5 Bei hämatologisch-onkologischen Erkrankungen. 5 In einem Abstand von 3–4 Wochen vor der Operation kann eine Impfung mit polyvalenten Pneumokokkenvakzinen vorausgehen. (Diese Impfung wird kontrovers diskutiert.) 5 Bei sog. Riesenmilzen kann der intraoperative Blutverlust durch vorherige angiographische Milzarterienembolisation vermindert werden. Eine perioperative Antibiotikaprophylaxe wird empfohlen. 4 Notfallmäßig: 5 Bei stumpfem Bauchtrauma mit Milzzerreißung. 5 Die Notfallindikation zur Splenektomie liegt dann vor, wenn ein milzerhaltendes Vorgehen technisch nicht möglich ist oder ein zeitlicher Verzug hin-
79 2.6 · Milz
sichtlich lebensbedrohlicher Begleitverletzungen nicht toleriert werden kann. 4 Diagnostisch: 5 Zum Beispiel bei M. Hodgkin, bei der Gastrektomie wegen Magenkarzinom, bei Metastasen im Lig. gastrosplenicum. kPrinzip
Frühzeitige Ligatur und Durchtrennung der Milzgefäßversorgung und Totalexstirpation des Organs. kLagerung
4 Bei Zusatzverletzung: Rückenlage. 4 Bei gezielter Splenektomie: Rückenlage, leicht aufgeklappt (Gallenlagerung), neutrale Elektrode am linken Oberschenkel. kInstrumentarium
4 4 4 4
Grund- und Laparotomieinstrumentarium, lange Overholt-Klemmen, lange Schere, Einzelclipstapler, evtl. bipolare Schere. Splenektomie 7 Bei stumpfen Bauchverletzungen wird eine quer verlaufende oder eine mediane Oberbauchlaparotomie gewählt, um auch Leber, Magen und Darm revidieren zu können. 7 Zur alleinigen Splenektomie: linksseitiger Rippenbogenrandschnitt. 7 Der operative Zugang muss in jedem Fall eine gute Übersicht gewährleisten. 7 Nach der Eröffnung des Bauchraumes wird die Milz freigelegt und, wenn möglich, mit der Hand umfasst, um an der ventralen oder dorsalen Seite des Hilus mit der Skelettierung beginnen zu können. Bei der Präparation muss die enge räumliche Beziehung zu Magen, Pankreas, Kolon und Nebenniere berücksichtigt werden (Verletzungsgefahr). 7 Die Inzision des Lig. splenorenale mit einer Schere und das stumpfe digitale Auslösen der Milz zusammen mit dem Pankreasschwanz setzt die Präparation fort. 7 Die Milz wird vor die Bauchdecke luxiert und die Milzloge zur Lagefixierung mit feuchten warmen Tüchern abgestopft. Das Lig. gastrosplenicum wird nahe des Milzhilus zwischen mehreren Ligaturen durchtrennt. Dann werden von ventral und/ oder dorsal die Äste der A. und V. splenica unter 6
Schonung des Pankreasschwanzes präpariert, hilusnah mit Hilfe der Overholt-Klemmen abgeklemmt, doppelt ligiert und durchtrennt. Das Präparat entfällt. 7 Eine sorgfältige Blutstillung u. a. mit warmen Tüchern ist erforderlich. 7 Das Legen einer Drainage in die Milzloge wird unterschiedlich diskutiert. Bei Verletzungen des Pankreasschwanzes bzw. dessen Gefäßversorgung ist die Einlage einer Spüldrainage anzuraten. 7 Nach der Zählkontrolle der Textilien und Instrumente sowie der Dokumentation der Vollzähligkeit schichtweiser Wundverschluss und Verband.
Die Entwicklung laparoskopischer OP-Techniken schließt die Splenektomie ein (7 Abschn. 2.15.8).
2.6.3
Milzerhaltende Operationstechniken
Der Milzerhalt ist nur sinnvoll, wenn 30–50% Parenchymrest erhalten werden können. Gelingt die milzerhaltende Operation nicht, muss splenektomiert werden. Generell muss die Milz vor der organerhaltenden Versorgung komplett schonend mobilisiert werden. Bei isolierten kleineren Milzverletzungen kann bei guter Übersicht ggf. auf die komplette Mobilisation verzichtet werden. kIndikation
4 Häufig bei akzidentellen Milzverletzungen im Rahmen elektiver Oberbaucheingriffe. Der Einsatz milzerhaltender OP-Techniken bei polytraumatisierten Patienten und beim stumpfen Bauchtrauma orientiert sich u. a. am Schweregrad der Milzverletzung und an der Schwere der übrigen Verletzungen. 4 Erhaltende OP-Verfahren werden v. a. bei verletzten Kindern sowie bei seltenen isolierten benignen Milzerkrankungen (Beispiel: Milzzyste) eingesetzt.
OP-Techniken Naht und Netzplombe Die direkte Parenchymnaht an der Milz wurde in vielen technischen Varianten beschrieben. Bei Kapsel- und Parenchymdefekten kann die Naht durch eine Netzplombe ergänzt werden, die wie eine Tamponade oder ein Nahtwiderlager funktioniert. Die Anwendung beschränkt sich in der Regel auf das Vorliegen einer nahtfesten Parenchym- und Kapselkonsistenz. Diese Voraussetzungen werden ideal von der kindlichen Milz erfüllt.
2
80
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
Lokale Hämostyptika
2
Die Anwendung setzt in der Regel die vorübergehende Bluttrockenheit oder höchstens eine Restsickerblutung der Parenchymfläche voraus. Der Einsatz ist daher häufig nur in Kombination mit anderen Blutstillungsverfahren sinnvoll. Beispiele hierfür werden im Folgenden genannt. jFibrinkleber
Hämostyptikum, das in Form von 2 Komponenten auf die verletzte Parenchymfläche oder Kapselläsion aufgebracht wird. Die eine Komponente besteht aus dem hochkonzentrierten Humanfibrinogen, die andere aus seinen Aktivatoren. Vor der Anwendung müssen die beiden Komponenten aufgetaut und ggf. in Spritzen aufgezogen werden. Mit Sprühaufsätzen wird eine flächenhafte, aber sparsame Verteilung erreicht. Als Tachosil ist der Fibrinkleber als beschichtetes Kollagenvlies (s. unten) verfügbar. jKollagenvlies
Hämostyptikum, das aus resorbierbaren Kollagenfibrillen besteht. Die blutstillende Wirkung setzt bei Blutkontakt durch die Förderung der Thrombozytenaggregation ein, evtl. in Kombination mit Fibrinkleber. jTabotamp
Dieses hämostyptisch wirkende Material besteht aus oxidierter, regenerierter Zellulose und führt zu einer raschen Bindung der Proteinbestandteile des Blutes (evtl. in Kombination mit Fibrinkleber).
Saphir-Infrarot-Koagulator Einsatz bei noch anhaltender Blutung von Milzparenchymflächen und Kapselläsionen. Deshalb wird diese Technik in der Regel vor der Anwendung lokaler Hämostyptika zum Einsatz gebracht. Die Wärmewirkung resultiert aus der Infrarotstrahlung einer Wolframhalogenlampe. Es gibt verschieden geformte Saphirköpfe, die je nach der Größe der Wundfläche ausgewählt werden. Durch diese Methode kann dosierter Druck auf das Gewebe ausgeübt werden, ohne dass die thermische Nekrose am Saphirkopf haftet. Anschließend bei Bedarf Einsatz der oben genannten Hämostyptika. Die Laserkoagulation und der Einsatz des Argon-Beamers werden hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Bei hohem technischem Aufwand bieten diese Techniken keine Vorteile gegenüber der Infrarotkoagulation.
Segment- bzw. Teilresektion Häufig ist die partielle Milzresektion einfacher zu handhaben als eine aufwändige Blutstillung.
4 Segmentresektionen der Milz sind als anatomiegerechte OP-Verfahren anzusehen, die sich an der segmentartigen Gefäßarchitektur der Milzdurchblutung orientieren. Die sorgfältige Präparation und Ligatur der segmentversorgenden Hilusgefäße geht der eigentlichen Resektion und der anschließenden Versorgung der Resektionsflächen voraus. Bei besonderen Abgangsvarianten des oberen Polgefäßes ist der Erhalt eines ausreichend großen oberen Milzpoles auch nach hilusnaher Unterbrechung der Milzarterie möglich. 4 Teilresektionen der Milz ohne aufwändige Präparation am Milzhilus sind durch den Einsatz von Klammernahtgeräten möglich geworden. Bewährt hat sich der Staplereinsatz v. a. bei der Polresektion. 4 Um erneute Kapseleinrisse beim Schließen des Klammernahtmagazins zu vermeiden, muss das Parenchym an der geplanten Resektionslinie die Möglichkeit erhalten, in das Resektat zu entweichen. Hierzu können Entlastungsinzisionen der Milzkapsel am Resektat hilfreich sein.
Dosierte Organkompression mit Vicrylnetz Als Hilfsmittel zur Blutstillung durch dosierte Organkompression von außen eignet sich eine speziell vorgefertigte Netztasche aus z. B. Vicryl (Fa. Ethicon). Zirkulär angeordnete Zugfäden in verschiedenen Radien erlauben die Ausübung einer situationsgerechten, individuellen Kompression. Auseinander klaffende Parenchymflächen, z. B. bei tief greifenden Milzverletzungen können auf diese Weise angenähert und durch zusätzliches Einbringen von hämostyptischem Material unter Kompression gesetzt werden. Zu beachten ist, dass die angezogenen Zugfäden den Milzhilus nicht strangulieren dürfen.
2.7
Gallenblase und Gallenwege
2.7.1
Anatomie, Diagnostik, Operation/Indikation
Anatomie Die birnenförmige Gallenblase mündet seitlich über den Ductus cysticus als Blindsack in die ableitenden Gallenwege ein. Als Anteile werden Fundus, Korpus und Infundibulum unterschieden. Die Gallenblase ist bindegewebig mit der Leber verwachsen und außen mit Peritoneum überzogen. Sie speichert die Gallenflüssigkeit und dickt sie ein. Aus der Leber kommen der Ductus hepaticus dexter und der Ductus hepaticus sinister. Sie vereinigen sich kurz nach ihrem Austritt zum Ductus hepaticus communis. In ihn mündet der Ductus cysticus ein. Unterhalb seiner Einmündung bezeichnet man den Hauptgallengang als Duc-
81 2.7 · Gallenblase und Gallenwege
tus choledochus. Variationen der Länge und der Lage dieser Strukturen können Gallenoperationen schwierig gestalten. Der Ductus choledochus verläuft im distalen Teil hinter dem Duodenum durch den Pankreaskopf. An der gemeinsamen Einmündung von Pankreas- und Gallengang ins Duodenum liegt die Papilla Vateri. Die Gallenblase wird arteriell über die A. cystica (ein Ast der A. hepatica dextra) versorgt. Die enge Nachbarschaft der Gallenwege erklärt, dass zum einen Gallengangsteine auf den Pankreasgang und zum anderen Pankreaskopfprozesse auf den Gallengang einwirken können. Durch anatomische Varianten können diese Wechselwirkungen unterschiedlich ausgeprägt sein.
Galle Die Leber sezerniert mit der Galleflüssigkeit u. a. Gallensäuren, Gallenfarbstoffe und Cholesterin in das Duodenum. Über den rechten und den linken Hepatikusast wird die Galle im Ductus hepaticus communis gesammelt. Die Galleflüssigkeit ist ein guter Emulgator für Nahrungsfette und fettlösliche Vitamine. Diese Eigenschaft ermöglicht die intestinale Resorption.
Klinik des Gallensteinleidens Typisches klinisches Merkmal ist ein in der Regel kolikartiger Schmerz mit Ausstrahlung in die rechte Schulterregion. Die Koliken können rezidivierend auftreten und im Einzelfall über Stunden anhalten. Auslöser können der Genuss von Gebratenem, Fett und Ei sein. Bei entzündlichem Krankheitsverlauf treten neben Fieber Dauerschmerzen, ggf. mit lokalen peritonitischen Zeichen, auf. Einen Hinweis auf ein kompliziertes Gallensteinleiden kann der Ikterus geben. Der Gallengangverschluss weist neben der typischen Gelbfärbung der Haut (mit Juckreiz) und der Skleren eine Stuhlentfärbung und eine Dunkelfärbung des Urins (»bierbraun«) auf. Gallengangsteine können eine Pankreatitis auslösen. Der Ikterus ohne begleitende Koliken (»schmerzloser Ikterus«) weist auf ein mögliches Pankreaskopfkarzinom hin (7 Abschn. 2.9). Im Gegensatz zum entzündlichen Gallenblasenhydrops wäre dann ein schmerzloser Hydrops (Courvoisier-Zeichen) tastbar.
4 Bei Verdacht auf eine Gallengangstenose ist die ERCP zur Diagnosesicherung und evtl. zur endoskopischen Steinbergung geeignet. Die Verfügbarkeit dieser Methode führt in vielen Häusern dazu, dass auf die intraoperative Röntgendarstellung des Gallenganges und auf die Revision des Gallenganges verzichtet wird (sog. therapeutisches Splitting).
Operation Da die Gallenblase in der Regel der Entstehungsort für Steine ist, wird sie bei einer Steinerkrankung entfernt, um Rezidive zu vermeiden. Dazu stehen verschiedene Verfahren zur Auswahl: 4 Die laparoskopische Cholezystektomie (CHE; 7 Abschn. 2.15.8) ist das Standardverfahren bei elektiven Eingriffen. 4 Die klassische Cholezystektomie über den Rippenbogenrandschnitt, wenn eine laparoskopische CHE nicht möglich ist.
OP-Indikation bei Cholelithiasis 4 Absolute Indikation zur Sofort- oder Notoperation: 5 Steinerkrankung mit Fieber, Leukozytose und Peritonitis (Gallenblasenempyem, -gangrän, -perforation), 5 Gallensteinileus: in den Darm abgegangene Gallensteine verursachen einen Ileus (in der Regel Ileusbeseitigung ohne Sanierung der Gallenblase und Gallenwege). 4 Dringliche Indikation: 5 Akute Cholezystitis und Gallenblasenhydrops (Operation binnen 24–72 h). 4 Elektive Indikation: 5 Cholelithiasis mit Symptomen (Koliken), 5 Gallenblasenpolypen, 5 Sanierung einer Gallenblasensalmonellose bei Dauerausscheidern. Asymptomatische Gallensteinträger sollten nicht routinemäßig operiert werden. Beim Gallensteinleiden zeigt die frühe Cholezystektomie jedoch bessere Ergebnisse als die Operation erst bei Komplikationen.
2.7.2
Cholezystektomie
Diagnostik Nach Erhebung der Anamnese und des klinischen Befundes führen folgende Schritte zur Diagnose: 4 Differenzierte Laboruntersuchungen, Sonographie, Röntgenuntersuchung, evtl. kombiniert mit endoskopischer Kontrastmittelgabe (ERCP/endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie) oder, falls verfügbar, MRCP erlauben die Eingrenzung der Diagnose.
Nur noch in Ausnahmefällen wird die Gallenblase über einen Rippenbogenrandschnitt entfernt. Als Standardoperation gilt die laparoskopische Cholezystektomie (7 Abschn. 2.15.8). kIndikation
4 Symptomatische Cholezystolithiasis, 4 akute Cholezystitis,
2
82
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
4 Gallenblasenhydrops, 4 Gallenblasenempyem, 4 Gallenblasenperforation.
2
kPrinzip
7
Entfernung der Gallenblase. kLagerung
4 Rückenlage: Der Patient wird so unterstützt gelagert, dass sich das OP-Feld anhebt. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die dadurch entstehende Kopftieflage aufgehoben wird. Bei geplanter Cholangiographie wird ein strahlendurchlässiger OP-Tisch gewählt und ein Gonadenschutz angelegt. 4 Neutrale Elektrode an einem Oberschenkel, ggf. Bereitstellung des Bildwandlers.
7 7
kInstrumentarium
4 4 4 4
Grund- und Laparotomieinstrumentarium, Gallenblasenfasszange, ggf. Steinfasszangen, bipolare Schere, bei intraoperativem Röntgen: 5 Knopfkanüle, 5 50-ml-Spritze, 5 Kontrastmittel.
7
7
Lig. hepatoduodenale kann durch Zug am Duodenum angespannt werden. Hierdurch wird die Präparation des Ductus cysticus erleichtert. Das viszerale Peritoneum wird am Infundibulum mit einer Schere inzidiert, Verwachsungen der Gallenblase mit der Leberunterfläche werden mit Schere und Präpariertupfer gelöst. Die (bipolare) Schere muss dabei so angereicht werden, dass ihre Krümmung der Gallenblasenwand folgt. Die Präparation der Gallenblase kann auf retrogradem oder antegradem Weg erfolgen (s. unten). Der »Springer« erhält das Präparat und eine Schere mit Pinzette, schneidet damit die Gallenblase auf und entnimmt aus ihrem Inhalt einen Abstrich für die bakteriologische Untersuchung. Dieser Arbeitsschritt erfolgt aus hygienischen Gründen nicht im OP-Saal. Häufig werden die Gallensteine gesammelt und gereinigt dem Patienten mitgegeben. Das Gallenblasenbett kann zur Blutstillung mit einer fortlaufenden Naht verschlossen werden. Eine Drainage wird in Abhängigkeit vom OP-Situs eingelegt. Nach der Zählkontrolle der Textilien und Instrumente und der Dokumentation ihrer Vollzähligkeit schichtweiser Wundverschluss und Verband.
Cholezystektomie 7 Rippenbogenrandschnitt nach Kocher oder Courvoisier. Diese Schnittführung bietet eine gute Übersicht, ermöglicht die Exploration der Bauchhöhle und ist erweiterbar. Allerdings wird die Rektusmuskulatur rechtsseitig durchtrennt. Dies scheint für den postoperativen Wundschmerz und für die Einschränkung der Atemmechanik von Bedeutung zu sein. Seltener wird eine obere mediane Laparotomie als Zugang gewählt. 7 Nach der Eröffnung des Peritoneums erfolgt die Exploration der Bauchhöhle. Kurze Leberhaken nach Mikulicz machen das OP-Gebiet zugänglich. Hinter die Gallenblase wird mit Richtung auf das Foramen Winslowii ein feuchter Streifen eingebracht, der evtl. austretende Gallenflüssigkeit aufsaugt, bevor sie in die freie Bauchhöhle gelangen kann. 7 Mit einem flachen Spatel wird das Lig. hepatoduodenale nach links gezogen und so die Sicht auf die Gallenblase freigegeben. Sie wird mit einer Fasszange am Fundus angeklemmt, damit der Zug die Präparation erleichtert. Bei Bedarf muss Gallenflüssigkeit abpunktiert werden, um das Anklemmen ohne Perforationsgefahr zu ermöglichen. Das
Retrograde Cholezystektomie
6
Der antegrade Präparationsweg wird in allen Situationen angewendet, in denen die Hilusgebilde nicht mit völliger
4 Am Infundibulum Inzidieren der Serosa. 4 Gallenblasennahes Identifizieren und Absetzen der A. cystica zwischen Ligaturen oder Clips. 4 Stumpfe zirkuläre gallenblasennahe Präparation des Ductus cysticus, die Darstellung der Einmündung in den Ductus choledochus ist nicht obligat. 4 Bei Indikation zur intraoperativen Cholangiographie Ligatur des Ductus cysticus gallenblasenwärts, Anschlingen nach distal. 4 Inzision des Ductus cysticus, Einführen der Angiographiekanüle, Einknüpfen, Dichtigkeitsprobe und Röntgen (. Abb. 2.52). Das Kontrastmittelsystem muss absolut luftleer angereicht werden (Luftblasen erscheinen im Röntgenbild wie Steine), kontrastgebende Textilien und Haken werden entfernt. 4 Durchtrennung des Ductus cysticus und retrogrades, subseröses Auslösen der Gallenblase aus dem Leberbett mit einer Metzenbaumschere unter fortwährender Blutstillung durch punktförmige Elektrokoagulation.
Antegrade Cholezystektomie
83 2.7 · Gallenblase und Gallenwege
Sicherheit identifiziert werden können (bei Entzündung oder anatomischer Variante). Die Präparation beginnt am Fundus und führt an der Gallenblasenwand zur A. cystica. Bei der Minilaparotomie ist die antegrade Präparation eine technische Notwendigkeit. Besondere Situationen 7 Gallenblasenhydrops/Cholezystitis/Empyem: – In dieser Situation empfiehlt sich die Punktion des Gallenblaseninhalts ggf. mit Nahtverschluss der Punktionsstelle. Das Punktat wird bakteriologisch untersucht. 7 Blutung: – Kann die Blutungsursache nicht übersichtlich und sicher versorgt werden, ist eine großzügige Laparotomie erforderlich. Mit einer Tourniquetanlage am Lig. hepatoduodenale (gefahrlos bis zu 30 min) kann die Blutung vorübergehend gedrosselt werden. – Die manuelle Kompression wird als Baronoder Pringle-Handgriff bezeichnet. – Die Ligatur der A. hepatica propria geht mit einer hohen Letalität einher und muss daher vermieden werden. – Zu beachten sind immer die zahlreichen Varianten im Verlauf und in den Aufzweigungen der A. hepatica. 7 Choledocholithiasis/T-Drain-Einlage: – In Situationen, in denen die Gallengangsanierung durch ERC nicht möglich ist, muss diese chirurgisch erfolgen. Dazu kann eine Laparotomie (Rippenbogenrandschnitt) erforderlich sein, aber auch laparoskopisch sind eine Choledochusrevision und eine T-Drain-Einlage möglich.
. Abb. 2.52 Cholangiographie über den Ductus cysticus. (Nach Heberer et al. 1993)
Gallensteinlöffel Hiermit werden vorhandene Steine aus dem Gallenwegssystem entfernt (. Abb. 2.56).
Schere nach Potts de Martell In den Branchen ist diese Schere um ca. 70° abgewinkelt. Deshalb nennt man sie auch »Knieschere«. Mit ihr lassen sich englumige Strukturen (z. B. Ductus choledochus) nach einer Stichinzision längs verlängern (. Abb. 2.57).
Gallensteinzange Sie wird feucht in den Ductus choledochus eingeführt und fasst dort die Steine (. Abb. 2.58).
2.7.4
Choledochusrevision mit T-Drain-Einlage
kIndikation 2.7.3
Zusatzinstrumentarium für die Gallenwegchirurgie
Gallengangsonden Sie werden benutzt, um bei einer Revision des Ductus choledochus nach Steinen zu tasten. Die Sonden werden gerade und gebogen angeboten, die Spitze ist zumeist olivenförmig (. Abb. 2.53).
Gallengangdilatatoren Diese Instrumente (. Abb. 2.54 und . Abb. 2.55) weiten den Ductus choledochus, um ggf. bis zur Papilla Vateri gelangen zu können und diese zu spalten. Deshalb werden sie auch als »Papillotom« bezeichnet.
4 Choledochussteine, die während einer ERC (endoskopisch retrograde Cholangiographie) nicht zu entfernen waren. Der Eingriff wird im Anschluss an die Cholezystektomie durchgeführt. 4 Seltener Steine, die bei einer Operation der Gallenblase übersehen wurden, da die ERC auch postoperativ eingesetzt werden kann. kPrinzip
Eröffnung des Ductus choledochus zum Entfernen der Steine mit speziellen Instrumenten. Gegebenenfalls kann die Papilla Vateri nach der Steinbergung mit Bougies vorsichtig geweitet werden. Verschluss der Choledochotomie unter Einnähen eines T-Drains.
2
84
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
2
. Abb. 2.53 Gallengangsonde nach Mayo. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 2.54 Gallengangdilatator nach Stücker. Nach der Passage des Dilatators durch die Papille wird der Griff abgeschraubt und ein Konus aufgesetzt. Ein erneutes Aufsuchen der Papille wird dadurch vermieden. (Fa. Aesculap AG)
. Abb. 2.55 Gallengangdilatator nach Bakes mit verschiedenen Oliven. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 2.56 Gallensteinlöffel nach Luer-Körte. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 2.57 Knieschere nach Potts de Martell. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 2.58 Gallensteinfasszange nach Blake. (Fa. Aesculap AG)
85 2.8 · Leber
kLagerung 7 Das T-Drain wird durch Naht der Choledochotomie mit feinem resorbierbarem Nahtmaterial (4–0) lagefixiert. Über eine gesonderte Hautinzision wird es in der rechten Flanke ausgeleitet. 7 Entscheidend ist, dass sich eine fibrinöse Reaktion um das Drain vom Choledochus bis zur Bauchdecke innerhalb weniger Tage abspielt, die abschließend das gefahrlose Herausziehen des Drains ermöglicht (ohne gallige Peritonitis durch austretende Galle, daher keine Silikondrainage verwenden). Zusätzliche Einlage einer subhepatischen Drainage. 7 Kontrolle der Textilien und Instrumente, Dokumentation ihrer Vollzähligkeit, schichtweiser Wundverschluss und Verband.
Siehe Cholezystektomie. kInstrumentarium
4 Siehe Cholezystektomie. 4 Zusätzlich: 5 Steinfasszangen, 5 Gallensteinlöffel, 5 Gallengangsonden, 5 Fogarty-Katheter, 5 Schere nach Potts de Martell, 5 T-Drain (7 Abschn. 1.7). Revision des Ductus choledochus 7 Im Anschluss an die Cholezystektomie wird der Ductus choledochus nach der Spaltung des Lig. hepatoduodenale an der Vorderseite freigelegt. Das Duodenum wird dabei stumpf mit einem Präpariertupfer abgeschoben. 7 Distal der Einmündung des Ductus cysticus werden 2 Haltefäden gelegt und angeklemmt. Mit einem 11er-Skalpell wird der Choledochus längs eröffnet und die Inzision mit einer Knieschere erweitert. Zur Steinbergung können u. a. die folgenden beiden Instrumente zur Anwendung kommen – Fogarty-Katheter Er wird feucht ohne Blockung vorgeschoben, hinter den Steinen geblockt, dann zurückgezogen und schiebt so die Steine zur Choledochotomie. Häufig muss mit Gallenlöffeln oder einer Steinfasszange nachgeholfen werden. – Cholangioskop Eine weitere Möglichkeit der Steinentfernung bietet das Cholangioskop, das in die Choledochotomie vorgeschoben wird, um unter Sicht mit einer Fasszange Steine zu bergen. 7 Der Ductus hepaticus sollte in gleicher Weise revidiert werden. 7 Abschließend gibt es die Möglichkeit die Papille zu bougieren, oder – wenn sie nicht passiert werden kann – eine Papillotomie vorzunehmen. 7 Sollte die Steinfreiheit der Gallenwege nicht eindeutig feststellbar sein, muss noch einmal geröntgt werden. 7 Nun wird ein T-Drain aus Latex oder (rotem) Gummi eingelegt, das vorher zu einem Halbrohr zugeschnitten wurde. Seine Schenkel müssen so gekürzt werden, dass sie weder einseitig in einem Ast des Ductus hepaticus noch in der Papille platziert werden. 6
2.8
Leber
2.8.1
Anatomie, Diagnostik, Operationsindikationen
Anatomie Die unter der rechten Zwerchfellhälfte liegende Leber (Hepar) wird vorn vom Rippenbogen bedeckt; 5 Bänder fixieren sie in ihrer Lage unter dem Zwerchfell: 1. Lig. teres hepatis (zum Nabel); 2.+3. Ligg. triangulares sinistrum et dextrum; 4. Lig. falciforme hepatis; 5. Lig. coronarium hepatis. Die Leber ist zwischen 2 venöse Kreisläufe geschaltet: Der venöse Abfluss des Magen-Darm-Traktes, der Bauchspeicheldrüse und der Milz bildet über die Pfortader die Besonderheit einer venösen Blutversorgung. Der venöse Blutabstrom erfolgt über die Vv. hepaticae zur V. cava. Die arterielle Blutversorgung, die nur 20% der gesamten Blutzufuhr darstellt, erfolgt über die Leberarterien. Die portalen Gefäße werden an ihrer ersten Verzweigung als Pfortadertriade bezeichnet. Im intrahepatischen Verlauf werden sie von einer bindegewebigen Scheide umhüllt. Das Blut verlässt die Leber über die Lebervenen, die unterhalb des Zwerchfells in die V. cava inferior münden und nicht bindegewebig eingescheidet sind. Äußerlich sichtbare Segmente der Leber teilen sich in ihrem Inneren weiter auf; für den chirurgischen Eingriff ist die Kenntnis über die innere Segmentarchitektur bedeutsam (. Abb. 2.59) Äußerlich werden ein rechter und ein kleinerer linker Leberlappen unterschieden, die im Bereich der Fissura principalis durch das Lig. teres hepatis und das Lig. falciforme getrennt werden. Auf der Unterseite liegen
2
86
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
Blutuntersuchungen erfassen zunächst global die Leberfunktion. Spezielle serologische Untersuchungen können eine Amöbeninfektion als Abszessursache und die Echinokokkose als Zystenursache nachweisen. Negative Befunde gelten jedoch nicht als sicherer Ausschluss dieser Erkrankungen. Als wichtiger Tumormarker des Leberzellkarzinoms muss das Alphafetoprotein (AFP) genannt werden.
2
OP-Indikationen
. Abb. 2.59 Segmentale Gliederung der Leber nach Couinaud. Lebervenensystem hell, Portalvenensystem dunkel. (Nach Siewert 2006)
der Leberhilus (Lig. hepatoduodenale, 7 Abschn. 2.7.2) und rechts die Gallenblase. Beide Strukturen begrenzen den Lobus caudatus. Innerlich werden bezüglich der Gefäß- und Gallengangverzweigungen 8 Segmente unterschieden. Bei dieser funktionellen anatomischen Betrachtungsweise werden ebenfalls ein rechter und ein linker Leberlappen unterschieden; hierbei kann die Grenze äußerlich auf die Linie zwischen V. cava und Gallenblase projiziert werden. Dies entspricht einer deutlichen Rechtsverschiebung der Lappengrenze gegenüber der vermeintlichen äußeren Lappenbegrenzung.
Diagnostik Herdartige Leberprozesse werden heute meist durch die Sonographie entdeckt; ggf. steht zur Diagnostik auch die kontrastmittelverstärkte Sonographie zur Verfügung. Die Computertomographie (CT) und das MRT erlauben in der Technik der Kontrastmittelverstärkung (AngioBolus-CT) u. a. eine Differenzierung von Metastasen und Hämangiomen. Durch die Angiographie werden Aussagen über die arterielle und venöse Blutversorgung der Leber möglich. Auch die Szintigraphie kann weitere Fragestellungen abklären. Sowohl sonographie- als auch CT-gesteuert sind gezielte Punktionen möglich: 4 Bei Abszessen ist durch eine Kathetereinlage gleichzeitig die Therapie möglich. 4 Zytologisches und bakteriologisches Untersuchungsmaterial kann entnommen werden. Lediglich Zysten, bei denen als Ursache eine Echinokokkose nicht ausgeschlossen werden kann, dürfen nicht punktiert werden.
Leberresektionen zählen heute zu den sicheren und standardisierten chirurgischen Eingriffen. Lebertransplantationen dagegen werden nur in spezialisierten Zentren durchgeführt. Wenn weniger als 50% des Leberparenchyms reseziert werden, ist eine klinisch bedeutsame Leberinsuffizienz weitgehend auszuschließen; eine gesunde Leber vermag sogar eine bis zu 80%ige Resektion zu kompensieren. Das Indikationsspektrum zur Leberresektion umfasst gutartige und bösartige Läsionen und Traumafolgen.
Gutartige Läsionen 4 Hämangiome sind blutschwammähnliche Gefäßtumoren, die bei Wachstum und Beschwerden eine OPIndikation darstellen. 4 Die fokal noduläre Hyperplasie (FNH) kommt relativ selten vor, insbesondere wird bei Frauen ein Bezug zur hormonellen Empfängnisverhütung gesehen. Nur bei Beschwerden und dem Verdacht auf das gleichzeitige Vorliegen eines Leberzellkarzinoms ist die Resektion der dann meist sehr großen FNH-Knoten indiziert. 4 Leberzelladenome oder Befunde, die nicht anders eingeordnet werden können, sollten wegen der unsicheren Abgrenzung zum Karzinom und wegen der Blutungs- und Entartungsgefahr generell entfernt werden. 4 Große Leberzysten können durch Verdrängungserscheinungen zu Oberbauchbeschwerden führen. Besonders große Zysten (mehr als 600 ml) können zunächst durch mehrfache Punktionen entleert werden. Als nächste Stufe eignet sich die Injektion eines Verödungsmittels zur dauerhaften Verklebung der Zystenwand. Die operative Zystenentdeckelung und -drainage ist sowohl durch einen konventionellen Bauchschnitt, als auch durch laparoskopisches Vorgehen möglich. 4 Abszesse werden in erster Linie sonographie- oder CT-gesteuert punktiert und drainiert. Nur bei Versagen oder Nichtdurchführbarkeit dieses schonenden Verfahrens ist die offene chirurgische Drainage angezeigt. Amöbenabszesse kleineren Ausmaßes sprechen häufig auf die Gabe von Metronidazol an. Dann ist weder die Punktion noch die Operation erforderlich.
87 2.8 · Leber
4 Echinokokkose: Man unterscheidet den Echinococcus cysticus [Finne (Larvenstadium) des Echinococcus granulosus (Hundebandwurm)] (. Abb. 2.60), der meist eine große Zyste ausbildet, und den Echinococcus alveolaris [Finne (Larvenstadium) des Echinococcus multilocularis (Fuchsbandwurm)], der in vielen kleinen zusammenhängenden Zysten wächst. Die Eihülle löst sich im Magen auf, und über den Darm sowie den Pfortaderkreislauf gelangen die Larven in die Leber. Dort kommt es zur Entwicklung der Hydatidenzyste. Obwohl eine verbesserte medikamentöse Behandlungsform mit Mebendazol vorliegt, ist im Einzelfall die chirurgische Entfernung angezeigt. Während der Echinococcus alveolaris dann ein möglichst radikales operatives Vorgehen erfordert, sollte beim Echinococcus cysticus lediglich die Entdachung und die Entfernung der eigentlichen Zyste (Zystektomie) – nicht die Resektion der gesamten z. T. aus umgebendem Gewebe bestehenden Zystenwand (Perizystektomie) erfolgen.
. Abb. 2.60 Aufbau einer Echinokokkuszyste. (Nach Siewert 2006)
2.8.2
Entfernung einer Echinokokkuszyste
Bösartige Läsionen 4 Das Leberzellkarzinom (hepatozelluläres Karzinom) kommt sowohl auf dem Boden einer Leberzirrhose als auch ohne diese Vorerkrankung vor. 4 Das Gallengangkarzinom (cholangiozelluläres Karzinom) ist prognostisch besonders ungünstig. 4 Das Hepatoblastom kommt häufiger beim Kind und bei Jugendlichen vor.
kIndikation
Monolokuläre Zyste (Echinococcus cysticus). kPrinzip
Die totale Entfernung der Zyste, Belassen der Zystenwand. kLagerung
Da keine andere effektive Behandlungsmaßnahme für diese vorgenannten Malignome existiert, sollte die Resektion bei entsprechender Möglichkeit versucht werden. Ausgedehnte Resektionen können bei einer Leberzirrhose nicht durchgeführt werden. Nur im Ausnahmefall kann eine Lebertransplantation erwogen werden. 4 Lebermetastasen, besonders bei kolorektalen Primärtumoren und Begrenzung auf einen Leberlappen, stellen eine Indikation zur Resektion dar. Die Grenzziehung, ab welcher Metastasenanzahl und bei welcher Lokalisation keine Resektion mehr möglich bzw. sinnvoll ist, muss im Einzelfall entschieden werden. Sinnvoll ist die Entfernung von solitären Metastasen unter 4–5 cm Größe in gut erreichbarer peripherer Lokalisation. Weite Keilexzisionen werden als ebenso effektiv angesehen wie anatomische Lappen- oder Segmentresektionen (s. unten). In wenigen Fällen ist bei beidseitiger Metastasenlokalisation die Kombination von Hemihepatektomie und Keilresektion bzw. von Resektionen verschiedener Segmente sinnvoll. In einzelnen Zentren sind interventionelle Verfahren wie die Radiofrequenzablation als Alternative zur Operation bei erhöhtem Risiko verfügbar.
4 Rückenlage des Patienten mit leichter Anhebung der rechten Seite durch Aufklappen des Tisches oder durch ein Polster. 4 Die neutrale Elektrode wird an einem Oberschenkel angeklebt. kInstrumentarium
4 4 4 4 4
Grund- und Laparotomieinstrumentarium, Rahmen, z. B. nach Kirschner, Punktionskanüle mit 20-ml-Spritze, 20%ige NaCl-Lösung oder 50%ige Glukoselösung, seltener Silbernitratlösung. Echinokokkuszystektomie 7 An der Stelle, an der die Zyste die Leberoberfläche überragt, wird quer laparotomiert. Die Exploration des Bauchraums muss unbedingt ohne Zerstörung der Zyste erfolgen. 7 Rund um das befallene Leberareal werden Bauchtücher drapiert. Diese werden zuvor mit einer hypertonen parasitentötenden Lösung (z. B. 20%ige 6
2
88
2
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
NaCl-Lösung) getränkt. Dann wird die Zyste punktiert, ihr Inhalt abgesaugt und dafür die hypertone NaCl-Lösung in den Zystensack instilliert. 7 Nach einer Einwirkzeit von mindestens 5 min hat sich die Hydatide von der sie umgebenden Wand, der Perizyste, abgelöst. Das Punktionsloch wird erweitert und die Zyste komplett entfernt; die Perizyste bleibt meist bestehen. 7 Die Leberkapsel wird mit einem Hämostyptikum und ggf. mit Fibrinkleber versorgt. 7 Nach der Dokumentation der Vollzähligkeit der Textilien und der Instrumente schichtweiser Wundverschluss und Verband.
2.8.3
Leberrevision wegen Trauma
Die Leberverletzung ist nach der Milzruptur die zweithäufigste Abdominalverletzung bei polytraumatisierten Patienten. Sie kann durch massive Blutung zum letalen Ausgang führen. Die Versorgung richtet sich nach der Ausdehnung der Verletzung. kIndikation
Stumpfes oder stich-/schussverletzungsbedingtes Oberbauch- oder Brustkorbtrauma mit Blutungsschock. kPrinzip
Wegen der sehr guten Gefäßversorgung der Leber erfordert jede verletzungs- oder operationsbedingte Wunde eine gründliche und sorgfältige Blutstillung und Versorgung von Galleleckagen, ggf. eine Resektion des betroffenen Lappens. kLagerung
4 Rückenlage, leicht überstreckt, 4 neutrale Elektrode an einem Oberschenkel. kInstrumentarium
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium, 4 evtl. Rochard-Haken und/oder Rahmen, 4 bei Bedarf: 5 Fibrinkleber und resorbierbares Hämostyptikum vorbereiten oder 5 Infrarotkoagulator, 4 heiße Kochsalzlösung zur passageren Lebertamponade, 4 Satinsky-Klemme zum Abklemmen des Lig. hepatoduodenale.
Leberrevision 7 Obere bogenförmige, quere oder mediane Laparotomie, die nach thorakal, subkostal und nach rechts jederzeit erweiterbar ist, und Exploration des Abdomens, um Begleitverletzungen oder -erkrankungen auszuschließen. 7 Beim Einsetzen des Rahmens sollte jede Manipulation an der Leber vermieden werden, bis seitens der Anästhesie mehrere venöse Zugänge gelegt worden sind und das Autotransfusionsgerät bereitgestellt ist. 7 Das Blut, das sich in der Bauchhöhle gesammelt hat, sollte dem Patienten via »cell saver« zurückgegeben werden. 7 Grundsätzlich sollte nicht mehr durchblutetes oder zerfetztes Gewebe entfernt werden, offene Gallengänge werden umstochen. Abzulehnen sind tief durchgreifende Parenchymdurchstechungsnähte oder eine Leberarterienligatur. 7 Eine verletzte Gallenblase muss entfernt, ein verletzter Ductus hepaticus oder Ductus choledochus über einem T-Drain genäht werden. 7 Oberflächliche Einrisse können leicht durch eine Naht versorgt werden, zusätzlich können der Infrarotkoagulator, Vicrylnetz, Kollagenvlies und Fibrinkleber zum Einsatz kommen. 7 Unter manuellem Abdrücken oder Abklemmen des Lig. hepatoduodenale (z. B. mit SatinskyKlemme oder einer Tourniquetligatur) können größere Defekte zunächst untersucht und ggf. im Bereich der Hauptblutungsstelle direkt durch Naht (monofiler Faden) versorgt werden. Häufig kann auch eine Blutstillung durch ein sog. Packing erzielt werden. Hierbei werden feuchte Bauchtücher von außen auf die Leber – nicht in die Rupturstelle – aufgebracht. Für eine wirkungsvolle Tamponade muss die rechte Leberseite über ihre ganze Konvexität tamponiert werden. Als Voraussetzung ist die Mobilisierung der Leber von der lateralen/dorsalen Bauchwand durch Inzision der peritonealen Umschlagfalte erforderlich. Die Tamponade darf im Bereich des Zwerchfells nicht den venösen Blutabstrom in die V. cava behindern. Hält die Tamponade nach Lockern der Hiluskompression der Blutung stand, kann sie für 1–2 Tage unter passagerem Bauchdeckenverschluss belassen werden. Bei Belassen der Textilien im Abdominalraum ist eine korrekte Dokumentation der im Patienten befindlichen Bauchtücher unerlässlich. 6
89 2.8 · Leber
7 Gelingt durch das Packing die Blutstillung nicht, kann eine notfallmäßige Teilresektion zum Ziel führen, ggf. mit erneuter Anlage einer Tamponade. 7 Bei zentralen Rupturen, ggf. mit Beteiligung der V. cava, der V. portae oder der A. hepatica propria, kann neben der Abklemmung des Leberhilus die Anschlingung der V. cava unter- und oberhalb der Leber die notwendige passagere Blutstillung zur gezielten Versorgung der Blutungsquelle herbeiführen. Diese Maßnahme ist häufig nur schwer durchführbar. Eine Schnitterweiterung zur Thorakolaparotomie muss hier häufig vorgenommen werden. 7 Die Drainage der Bauchhöhle mit 1–2 weichen Drains ist unbedingt erforderlich. 7 Nach einer Zählkontrolle der Textilien sowie des Instrumentariums und der Dokumentation deren Vollständigkeit schichtweiser Wundverschluss und Verband.
OP-Technik Leberresektionen Unterschieden werden: 4 Nichtanatomische Keil-, Segment- oder atypische Resektion, die sich nicht an anatomischen Grenzlinien orientiert, sondern an der Lokalisation einer Läsion (mit einem ausreichend großen Parenchymsaum bei Malignität); sie nutzt die reiche Gefäßversorgung der Leber. 4 Dagegen berücksichtigen anatomiegerechte Segmentresektionen, angefangen von der Entfernung einzelner Segmente bis hin zur erweiterten Hemihepatektomie (. Abb. 2.61), die bei der Durchführung häufig schwer aufzufindenden anatomischen Segmentgrenzen. Hilfreich ist hierbei die intraoperative Sonographie.
. Abb. 2.61 Typische Techniken der Leberresektion. Segmentresektion (II). Hemihepatektomie rechts (V+VI+VII+VIII). Erweiterte Hemihepatektomie rechts (IVa+b+V+VI+VII+VIII). (Nach Siewert 2006)
Bei einer anatomischen Rechts- bzw. Linkshepatektomie werden nach völliger Mobilisierung des Leberlappens zunächst am Hilus die entsprechenden Gefäße durchtrennt. Ein besonders blutsparendes Vorgehen ist möglich, wenn vor der eigentlichen Resektion auch die Lebervenen der betreffenden Seite ligiert und durchtrennt werden. Dabei droht allerdings die Verletzung der jeweiligen Hauptvene. Alternativ wird auch das Aufsuchen der Gefäßstrukturen nach Durchtrennung des Leberparenchyms empfohlen. Bei den atypischen Resektionen unterbleiben die Hiluspräparation und die zentralen Gefäßunterbindungen, die Blutstillung erfolgt direkt an der Resektionsfläche.
2.8.4
Hemihepatektomie
Als Beispiel wird die rechtsseitige Hemihepatektomie beschrieben; die Resektionslinie liegt zwischen dem Bett der Gallenblase und links der V. cava (sog. Gallenblasen-KavaLinie).
Allgemeine technische Aspekte
kIndikation
Leberresektionen gehen mit Blutverlusten einher. Zur Einschränkung dient v. a. das Pringle-Manöver (. Abb. 2.62), d. h. die Abklemmung des gesamten Leberhilus mittels Tourniquet oder Satinsky-Klemme, die bis 30 min folgenlos und von vielen Patienten bis zu 45–60 min ohne schwere Folgen für die Leberfunktion toleriert wird. Bei zentral sitzenden Prozessen kann als weitere Sicherheit eine totale vaskuläre Isolation durch Anschlingen der V. cava infra- und suprahepatisch zumindest vorbereitet werden. Hierbei besteht allerdings die Gefahr der Verletzung der V. cava oder einmündender Leber- und Zwerchfellvenen.
4 Leberzellkarzinom, 4 große benigne Tumoren, wie z. B. Adenome (extrem selten), 4 Lebermetastasen, 4 Echinokokkuszysten (E. alveolaris), 4 ausgedehnte Leberverletzungen, die sich über eine Blutstillung nicht beherrschen lassen. kPrinzip
Die Resektion des rechten Leberteils entlang der durch Gefäßversorgung und Gallengänge vorgegebenen Strukturen.
2
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
2
a
b
c
d
. Abb. 2.62 a Pringle-Manöver, b »Hemi-Pringle«, c totale vaskuläre Okklusion (TVO), d TVO unter Erhalt des kavalen Blutflusses. (Nach Lang 2007)
kLagerung
4 Rückenlage, leicht überstreckt, 4 die Dispersionselektrode klebt am rechten Oberschenkel. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4
Grund- und Laparotomieinstrumentarium, Rochard-Haken, Kirschner-Rahmen oder anderes Selbsthaltesystem, Einzelclipstapler, Tourniquetschlingen, Vesselloops (Gefäßschlingen), lange Instrumente, atraumatische Gefäßklemmen (z. B. Satinsky, De Bakey), 4 Ultraschalldissektion, 4 Infrarotkoagulationsgerät mit variablen Ansätzen, 4 alternativ: Argon-Beamer.
Hemihepatektomie rechts 7 Weiträumige Eröffnung der Bauchhöhle durch die bogenförmige quer verlaufende Oberbauchlaparotomie, die bei Bedarf winkelförmig nach intrathorakal erweitert werden kann. Für eine geplante Segmentresektion reicht manchmal der rechtsseitige Rippenbogenrandschnitt. 7 Schrittweise werden die Strukturen innerhalb des Lig. hepatoduodenale (Ductus choledochus, V. portae, A. hepatica propria) mit der Präparierschere (z. B. nach Metzenbaum) und OverholtKlemmen dargestellt. Zuerst wird die A. hepatica communis aufgesucht, mit einem Overholt unterfahren und mit einem Vesselloop angeschlungen; bei der weiteren Präparation stellen sich der Gallengang, die V. portae und die Leberarterie (A. hepatica propria) dar. 6
91 2.8 · Leber
7 Das Duodenum wird ggf. nach Kocher mobilisiert. 7 Das temporäre Anschlingen des Lig. hepatoduodenale mit einer Tourniquetligatur ist vielfach obligat, da so jederzeit eine Blutstillung über die Drosselung möglich ist. 7 Die Entfernung der Gallenblase sollte regelhaft erfolgen. 7 Rechter und linker Gallengang werden angeschlungen. Der Ductus hepaticus communis muss bei schwierigen anatomischen oder präparatorischen Verhältnissen geschient werden, um eine verletzungsbedingte postoperative Gallefistel zu vermeiden. 7 Der rechte Gallengang wird zentral ligiert und durchtrennt, die A. hepatica dextra so weit freigelegt, dass sie an ihrem Abgang unterbunden werden kann. Dadurch wird der Blick auf den darunter liegenden Pfortaderstamm möglich. Dieser wird bis zum Hilus dargestellt, wo er sich aufzweigt. Nach vorsichtiger Präparation mit Overholt und Metzenbaum-Schere wird der rechte Abgang zwischen Ligaturen durchtrennt. Der zurückbleibende Stumpf wird zusätzlich mit einer Durchstechungsligatur gesichert. 7 Zur Darstellung des oberen Leberhilus muss die rechte Lebervene unterbunden werden. 7 Die Mobilisation des rechten Leberlappens erfolgt durch die Inzision der peritonealen Umschlagfalte an der Rückfläche der Leber. Die V. cava inferior wird dargestellt; alle ihre kleinen Abgänge, die in das Resektat gehen, werden sorgfältig unterbunden. 7 An der Leberoberfläche macht sich die Minderdurchblutung des gefäßisolierten Abschnitts nun durch bläuliche Verfärbung bemerkbar. Entlang dieser Linie wird die Glisson-Kapsel zunächst inzidiert; das Lebergewebe wird mit dem Finger zerteilt (Finger-fracture-Technik), Gefäße und Gallengänge werden mit Clips versorgt oder mit Klemmen gefasst und durch Ligaturen versorgt. Alternativ wird auch die Durchtrennung des Lebergewebes mit Ultraschalldissektoren empfohlen. Auch der Einsatz von Staplern ist möglich. 7 Zusätzlich kann die Resektionsfläche mit Fibrinkleber und/oder Kollagenvlies abgesichert werden. Auch eine Infrarotkoagulation ist möglich. 7 Insbesondere bei atypischen Resektionen wird eine fortlaufende Parenchymnaht durchgeführt. 7 Nach dem Einlegen von 2 weichen Drainagen erfolgen die obligate Zählkontrolle der Textilien und der Instrumente sowie deren Ergebnisdokumentation, der schichtweise Wundverschluss und der Verband.
Die linksseitige Hemihepatektomie ist wegen geringer Parenchymmasse und besserer Übersicht insgesamt einfacher durchführbar. 2.8.5
Lebertransplantation (LTX) S. Bröcker
kIndikationen
4 Cholestatische Lebererkrankungen (z. B. primäre/sekundäre biliäre Zirrhose), 4 postnekrotische Lebererkrankungen (z. B. Hepatitis A, B, NANB, alkoholtoxische Zirrhose), 4 akutes Leberversagen (z. B. Hepatitis A, B, NANB, Buddy-Chiari-Syndrom), 4 Stoffwechselerkrankungen (z. B. M. Wilson, Hämochromatose), 4 in Einzelfällen Lebertumoren (z. B. hepatozelluläres oder zentrales Gallengangkarzinom). kMöglichkeiten der Transplantation
4 Orthotope Lebertransplantation (OLTX): Implantation einer Spenderleber (Leichenspende) an der anatomischen Position. 4 Split- oder Segmenttransplantation (SLTX): Implantation eines Leberteiles oder Segmentes an der anatomischen Position (kann als Leichenspende oder Lebendspende erfolgen). 4 »Living related« LTX (LRLTX): Die Lebersegmentspende erfolgt durch einen Angehörigen. kPrinzip
Entfernung der patienteneigenen Leber, ohne Erhalt der retrohepatischen V. cava, anschließend orthotope Lebertransplantation (OLTX) eines Vollorgans mit folgenden Anastomosen: 4 End-zu-End-Anastomose der V. cava inferior suprahepatisch und infrahepatisch, 4 End-zu-End-Anastomose der Pfortader, der A. hepatica sowie des Gallengangs. kLagerung
4 Rückenlagerung, ggf. den rechten Arm anlagern. 4 Halterung für das Rahmensystem am OP-Tisch anbringen. 4 Neutrale Elektrode an einem Oberschenkel. ! Beachtung der Hygienerichtlinien bei infektiösen Patienten. kInstrumentarium
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium, 4 Rahmensystem, z. B. Rochard-Haken,
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
2
. Abb. 2.63 Lebertransplantation in der Standardtechnik. Die V. cava ist supra- und infrahepatisch jeweils End-zu-End anastomosiert. (Nach Nagel u. Löhlein 2006)
4 Gefäßinstrumente: Satinsky-, Nierenarterienklemme, gebogene Cavaklemmen nach rechts und links, Mammariapinzetten, feine gummibezogene Klemmchen, Sonden und Knopfkanülen, 10-ml-Spritze, 4 große Metallschüssel für Kochsalzlösung, 4 feiner Saugeransatz, 4 Easy-flow-Drainagen, 4 Flüssigkeiten: warmes, kaltes und gefrorenes NaCl 0,9%, Heparinlösung, 4 Hämostyptika, 4 Vorbereitung eines Beistelltisches zur Präparation des Spenderorgans, Schüssel für Eis, Eishammer, Eis, kaltes NaCl, evtl. kalte Konservierungslösung, textile Umlegungen, sterile Plastiktüten (in der Regel 3 Stück zur Wiederverpackung), grobe Schere und Klemmen zum Auspacken des Organs, feines Gefäßinstrumentarium, 10-ml-Spritze, Knopfkanülen und Sonden.
»Back-table-Präparation« Siehe Nierentransplantation (7 Kap. 9). Nach dem Auspacken wird das Spenderorgan makroskopisch beurteilt, gewogen und das Gewicht dokumentiert. Erscheint das Spenderorgan transplantierbar, beginnt die Narkoseeinleitung des Empfängers. An der Spenderleber werden die Leberarterien präpariert und die Pfortader dargestellt. Ist die Gallenblase noch vorhanden, wird sie jetzt entfernt. Von den Lebervenen und der V. cava wird anhängendes Binde- und Muskelgewebe entfernt. Die V. cava inferior wird dargestellt und das Lig. cavale durchtrennt. Offene Gefäßabgänge, die sich beim Sondieren mit der Knopfka-
nüle zeigen, werden verschlossen. Abschließend Spülen des Gallengangs mit Kochsalzlösung. Das vorbereitete Spenderorgan wird wieder in 3 sterilen Beuteln verpackt und bis zur Implantation auf Eis gelagert.
OP-Verlauf Hautdesinfektion des gesamten Abdomens bis über die Mamillen mit einer gefärbten alkoholischen Lösung, sterile Abdeckung des Operationsgebietes. Die Operation wird in 3 Phasen unterteilt (. Abb. 2.63): 4 präanhepatische Phase, 4 anhepatische Phase und Reperfusion, 4 postanhepatische Phase. Präanhepatische Phase 7 Obere bogenförmige Laparotomie (transversale Oberbauchinzision) mit Erweiterung zum Xiphoid. Durchtrennen der Bauchwandschichten (Subkutis, Faszie des M. rectus abdominis, M. obliquus externus, M. transversus und Peritoneum). Hier können kollaterale Venen zu erheblichen Blutung führen. Sie müssen umstochen oder koaguliert werden. Das Lig. teres hepatis (Lig. umbilicale) sowie das Lig. falciforme werden mit einem 2–0 Faden ligiert und durchtrennt. 7 Die Exploration des Abdomens wird zum Ausschluss von vorher nicht bekannten Erkrankungen (z. B. Tumoren) durchgeführt und klärt die Operabilität. 6
93 2.8 · Leber
7 Eventuell vorhandener Aszites wird abgesaugt, ggf. eine Bakteriologie entnommen. Laterales Anheften der beiden entstandenen Bauchlappen. 7 Umlegen des Abdomens mit Bauchtüchern zur Schonung des Gewebes und Einsetzen eines Retraktors. 7 Anklemmen der Gallenblase mit einer Gallenblasenfasszange. 7 Jetzt beginnt die Dissektion des Lig. gastroduodenale. Hierbei werden erst der D. cysticus und die A. cystica aufgesucht, ligiert und durchtrennt. Nach der Ligatur des D. choledochus und der linken und rechten A. hepatica und werden die 3 Strukturen durchtrennt. 7 Das Gewebe um die V. portae wird gelöst. 7 Die A.-hepatica-Äste werden nach zentral präpariert, sodass die A. hepatica propria und die A. gastroduodenalis freigelegt werden. Hierdurch ist die Leberarterie für die spätere Anastomose vorbereitet. 7 Jetzt beginnt die Mobilisation des linken Leberlappens. Ein Bauchtuch wird unter den linken Leberlappen, d. h. zwischen den linken Leberlappen und die vordere Magenwand geschoben, um diese zu schützen. 7 Das Lig. triangulare sinister (Lig. coronarium links) wird durchtrennt, sodass der linke Leberlappen mobil wird. Jetzt wird auch das Lig. gastrohepaticum ligiert und durchtrennt. In diesem Ligament kann evtl. noch eine adhärente A. hepatica liegen. 7 Zur Mobilisierung der rechten Leber wird das Lig. triangulare dexter (Lig. coronarium rechts) monopolar durchtrennt. Dabei stellen sich die rechte Nebenniere und die rechte Nebennierenvene dar. 7 Schließlich ist von der rechten Seite aus die V. cava hinter der Leber zu erkennen. Sie wird unterhalb der Leber mit einem Overholt umfahren und soweit freipräpariert, dass sie auch oberhalb der Leber umfahren werden kann. 7 Die V. portae wird lebernah mit einer Nierenarterienklemme abgeklemmt und durchtrennt. 7 Die untere V. cava wird mit einer gebogenen Gefäßklemme, die obere V. cava mit einer (nach rechts) gebogenen Cavaklemme am Zwerchfell abgeklemmt. Die Gefäße werden mit der Schere durchtrennt, nun kann die Leber inkl. der V. cava entfernt werden. 7 Die präanhepatische Phase ist beendet.
Anhepatische Phase 7 Jetzt beginnt die kritische Phase der Transplantation. Die warme Ischämiezeit (die neue Leber ist nicht durchblutet und wird warm) sollte die Zeit von 60–70 min nicht überschreiten. 7 Eine sorgfältige Blutstillung mit Umstechungen unterschiedlicher Stärke gilt als Voraussetzung für den weiteren Ablauf. 7 Mit der Schere nach Potts werden die Gefäßenden für die Anastomosen vorbereitet. 7 Während der gesamten anhepatischen Phase ist darauf zu achten, dass nur Eiswasser (feuchte Tücher) verwendet wird. 7 Beginn und Ende der Anastomosenherstellung werden dokumentiert. 7 Die zu implantierende Leber wird auf dem Instrumentiertisch noch einmal inspiziert. 7 Die erste Anastomose – die der oberen V. cava – wird mit 4–0 monofilem, nicht resorbierbarem doppelt armiertem Nahtmaterial und fortlaufender Naht hergestellt. 7 Die Leber wird angehoben und die untere V.-cavaAnastomose ebenfalls fortlaufend genäht. Kurz vor Beendigung der Anastomose werden die Nähte mit gummibezogenen Klemmchen angeklemmt. 7 Zur Erstellung der Pfortaderanastomose wird die Länge des Gefäßes der Pfortader angepasst, zurechtgeschnitten und die Anastomose mit doppelt armiertem monofilem nicht resorbierbarem 5–0 Nahtmaterial fortlaufend genäht. 7 Die Arterie des Spenderorgans wird mit einer Bulldogklemme verschlossen. 7 Zum Flushen der Leber wird die Nierenarterienklemme entfernt, wodurch das Blut des Patienten durch die V. portae in die Leber und aus der unteren – noch offenen – V.-cava-Anastomose aus der Leber wieder herausfließen kann. So werden Stoffe, die in der Konservierungsflüssigkeit enthalten waren, aus der Leber entfernt. 7 Nach erneutem Abklemmen der V. portae wird die Anastomose der unteren V. cava beendet.
Reperfusion 7 Der Beginn der Reperfusion sollte mit dem Anästhesisten abgestimmt und dokumentiert werden, um die Kreislaufstabilität des Patienten nicht zu gefährden. 6
2
94
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
2.9
2
7 Die obere V.-cava-Klemme wird entfernt. Bei Bedarf müssen blutende Gefäße umstochen werden. Anschließend wird die untere V.-cava-Klemme abgenommen. 7 Die Pfortaderklemme wird langsam geöffnet und das Gallenblasenbett mit der monopolaren Kugelelektrode koaguliert. Die Leber füllt sich progressiv wieder mit Blut, deshalb muss die Kreislaufsituation des Patienten kritisch beobachtet werden. 7 Ab diesem Zeitpunkt nur noch warmes NaCl verwenden! 7 Die zuvor ligierte Arterie wird mit einer Nierenarterienklemme abgeklemmt und mit der Gefäßschere eröffnet. Üblicherweise wird die Anastomose mit 6–0 doppelt armiertem, nicht resorbierbarem monofilem Nahtmaterial fortlaufend oder mit Einzelknopfnähten hergestellt. Dafür nutzt der Chirurg eine Lupenbrille. 7 Die abgeklemmte A. hepatica wird freigegeben, für ggf. undichte Anastomosen liegt eine Naht bereit. 7 Bevor die nächste Phase der Operation beginnt, erfolgt eine sorgfältige Blutstillung.
Postanhepatische Phase 7 Die Gallengangsanastomose wird üblicherweise durch eine End-zu-End-Anastomose mit 5–0 monofilem resorbierbarem Nahtmaterial doppelt armiert fortlaufend oder mit Einzellknopfnähten genäht. 7 In Ausnahmefällen, z. B. bei Erkrankungen des Gallengangs, wird eine Hepatikojejunostomie durchgeführt. 7 Nach einer letzten Blutstillung und dem Spülen des Abdomens werden durch Stichinzisionen rechts und links Penrose-Drainagen eingebracht (je ein langes hinter den rechten und linken Leberlappen und je ein kurzes von rechts und links an den Leberhilus führend). 7 Entfernung des Retraktors und der Umlegungen. 7 Zählkontrolle der Textilien sowie der Instrumente mit anschließender Dokumentation des Zählstandes. 7 Aufheben der Lagerung. 7 Schichtweiser Wundverschluss. 7 Verband der Hautnaht und der Drainagen.
Bauchspeicheldrüse M. Liehn, L. Steinmüller
2.9.1
Anatomie und Physiologie
Anatomie Die 60–85 g schwere, retroperitoneal gelegene Bauchspeicheldrüse (Pankreas) wird in die Abschnitte Kopf, Körper und Schwanz unterteilt. Der Pankreaskopf wird rechts vom Duodenum umschlossen. Beide haben eine gemeinsame Blutversorgung. Das exokrine und endokrine Organ ist von zahlreichen Ausführungsgängen durchzogen. Im Duodenum mündet der Hauptausführungsgang des Pankreas, der Ductus Wirsungianus, gemeinsam mit dem Ductus choledochus in die Papilla Vateri; in der sog. Minorpapille mündet in der Regel ein weiterer Ausführungsgang. Die Vorderfläche des Pankreas grenzt an die Magenhinterwand und ist von dieser lediglich durch die Bursa omentalis getrennt. Der Pankreasschwanz steht in enger Beziehung zum Milzhilus; A. und V. splenica verlaufen an der Oberkante des Pankreas. Dabei geben sie aber viele kleine Äste an die Bauchspeicheldrüse ab (. Abb. 2.64). Das retroperitoneal gelegene Organ liegt ventral der Wirbelsäule der Aorta auf. Die arterielle Blutversorgung erfolgt aus Ästen der A. gastroduodenalis (A. pancreaticoduodenalis superior), aus Ästen der A. mesenterica superior (A. pancreaticoduodenalis inferior) und aus der Milzarterie. Das Pankreas bietet durch seinen anatomischen Aufbau ungünstige Verhältnisse für einen chirurgischen Eingriff, weil es wenig Bindegewebe, jedoch ein außergewöhnlich reiches Gefäßnetz enthält. Die bindegewebige Kapsel der Bauchspeicheldrüse ist hauchdünn.
Physiologie Das Pankreas ist auf 2 verschiedenen Wegen an der Verdauung und der Stoffwechselregulierung beteiligt: 4 Es hat eine exkretorische Funktion und gibt zur Nahrungsverdauung die folgenden Enzyme aus den Azini über die Ausführungsgänge in das Duodenum ab: 5 Trypsin → Eiweißspaltung, 5 Lipase → Fettspaltung, 5 Amylase und Maltase → Kohlenhydratspaltung. 4 Die inkretorische Funktion beinhaltet die Regulierung des Kohlenhydratstoffwechsels durch Hormonabgabe in die Blutbahn: 5 Langerhans-Inselzellen → Insulinabgabe → Glukagonsekretion.
95 2.9 · Bauchspeicheldrüse
2.9.2
Krankheiten der Bauchspeicheldrüse
Akute Pankreatitis Die akute Pankreatitis ist zunächst ein internistisches Krankheitsbild, verursacht durch Gallengangsteine, Alkoholismus und seltene andere Ursachen. Die intrapankreatische Aktivierung der oben genannten Verdauungsenzyme und die Verminderung der Zellmembranstabilität führen zu einer »Selbstverdauung« des Organs, die auch über die Organgrenzen hinaus fortschreiten kann.
Symptome Die Erkrankung beginnt mit Oberbauchschmerzen, die charakteristischerweise gürtelförmig v. a. links in den Rücken ausstrahlen. Häufig treten Übelkeit und Erbrechen mit einem Subileusbild als Ausdruck der begleitenden Paralyse des Darmes auf. Neben Meteorismus tritt Fieber auf. Als Zeichen des peritonealen Reizes kann zusätzlich zu den heftigen Schmerzen eine Abwehrspannung im Oberbauch bestehen.
. Abb. 2.64 Arterielle Versorgung des Pankreas. (Nach Siewert 2010)
Operativ Nur bei kompliziertem Verlauf nach Ausschöp-
Verlauf Von den akuten Pankreatitiden heilen 80% über die ödematöse Verlaufsform aus, 20% können in die nekrotisierende Verlaufsform übergehen. Bei den nekrotisierenden Verlaufsformen gehen 50% mit einem septischen Krankheitsbild einher.
Komplikationen und Folgen Lokal Peripankreatische Nekrosen mit Ausbreitung im
Retroperitoneum. Ausbildung von Pseudozysten, die perforieren können. Außerdem besteht die Möglichkeit der Superinfektion und der Arrosionsblutung. Weitere Folgen können Abszess- und Fistelbildung sein. Organsystemisch Kreislaufschock und pulmonale Insuffizienz. Niereninsuffizienz, Ileus, Gerinnungsstörungen, gastrointestinale Blutungen.
Therapie Konservativ Primär werden alle akuten Pankreatitiden konservativ, bei schweren Verläufen auch sehr aggressiv, therapiert. Grundsätzlich wird nur initial orale Nahrungsund Flüssigkeitskarenz eingehalten, bei Bedarf mit Entlastung des paralytischen Magen-Darm-Traktes mit einer Magensonde. Eine angepasste Schmerztherapie ist sinnvoll. Bei schwerem Verlauf werden evtl. Antibiotika angesetzt, bei Ateminsuffizienz frühzeitig Intubation und Beatmung, bei Flüssigkeitseinlagerung und Nierenversagen auch Hämofiltration.
fung der konservativen Therapie möglichst erst Wochen nach Krankheitsbeginn, da die frühe operative Therapie mit hoher Letalität belastet ist. Nekrosektomie bei infizierten Nekrosen, Operation bei Perforation benachbarter Hohlorgane im Rahmen einer nekrotisierenden Pankreatitis, bei Kolonstenosierung. OP-Konzept Die Nekrosektomie erfolgt einzeitig operativ, sofern endoskopische interventionelle Verfahren nicht zur Verfügung stehen. Frühzeitig werden Spüldrainagen zur Ableitung des aggressiven Pankreassekrets in die Pankreasloge eingelegt. Bevorzugt wird die spätsekundäre Operation (nach Wochen bzw. Monaten) mit Sanierung der Spätfolgen: Drainageoperation von Pankreaspseudozysten durch Pseudozystojejunostomie nach Y-Roux (7 Abschn. 2.5.5). Ein nach Pankreaskopfpankreatitis permanent aufgestauter Pankreasgang kann durch eine nach Y-Roux ausgeschaltete Jejunumschlinge ebenfalls abgeleitet werden (sog. Operation nach Puestow; . Abb. 2.65 und . Abb. 2.66).
Chronische Pankreatitis/ Pankreaskopfkarzinom Hinweise für ein Pankreaskopfkarzinom ergeben sich bei schmerzlosem Ikterus mit schmerzlosem Gallenblasenhydrops (Courvoisier-Zeichen). Außerdem tritt meist eine Gewichtsabnahme auf. Die chronische Pankreatitis verläuft meist über Jahre in Schüben, oft mit heftigen Schmerzattacken. Mit dem »Aus-
2
96
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
Kontrastbrei, Duodenalstenose?), evtl. PTC (perkutane, transhepatische Cholangiographie).
2
Nur bei 5–10% der Patienten stellt sich das Problem der Differenzialdiagnose zur chronischen Pankreatitis intraoperativ. Die Karzinome des Pankreasschwanzes sind seltener, ihre Klinik ist häufig erst in fortgeschrittenem Stadium erkennbar, da die Stenosierung der Gallenwege fehlt. kOP-Indikation
. Abb. 2.65 Laterolaterale Pankreatikojejunostomie. (Nach Reding 1988)
. Abb. 2.66 Fertiggestellte laterolaterale Pankreatikojejunostomie mit Y-Anastomose nach Roux. (Nach Reding 1988)
brennen« des Organs wird es funktionslos. Es kommt zu Fettstühlen und insulinpflichtigem Diabetes mellitus.
Diagnostik In 90–95% der Fälle lässt sich präoperativ die Diagnose eines Pankreaskopfkarzinoms und die lokale Operabilität folgendermaßen sichern: 4 Laborwerte und Tumormarker (CA 19–9), 4 Sonographie/Computertomographie, Endosonographie, 4 perkutan oder endosonographisch Feinnadelpunktionszytologie oder Endosonographie, 4 ERCP, ggf. mit Gangzytologie, MRCP, 4 Angiographie, Splenoportogramm, MDP (Darstellung der Magen-Darm-Passage durch Schlucken von
Ein kurativer Therapieansatz für das Pankreaskopf- und das Papillenkarzinom ergibt sich nur bei frühen Erkrankungsstadien mit der partiellen Duodenopankreatektomie nach Whipple. Verschiedene Modifikationen der Rekonstruktionen werden beschrieben. Operationstechnische und tumorradikale Gründe sprechen beim Pankreaskopfkarzinom zwar für die totale Duodenopankreatektomie (DPE). Nach totaler DPE tritt zwangsläufig ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus auf! Die Langzeitergebnisse sind jedoch nicht günstiger, zumal die Lebensqualität bei der pyloruserhaltenden partiellen Duodenopankreatektomie (PPPD) besser ist. Eine Operation nach Whipple mit Resektion des distalen Magens wird vorgenommen, wenn der Tumor auch im Bulbus duodeni zu finden ist. Das Pankreasschwanzkarzinom wird, falls die Operabilität lokal gegeben ist, durch die Linksresektion des Organs therapiert. Bei einer chronischen Kopfpankreatitis wird der Pankreaskopf reseziert. An das verbleibende Bauchspeicheldrüsengewebe wird eine Jejunumschlinge als Korpusdrainage anastomosiert (. Abb. 2.67).
2.9.3
Duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion (DEPKR)
»Operationsindikationen bei der chronischen Pankreatitis sind medikamentös schwer beherrschbare Oberbauchschmerzen, Stenosen des Gallen- und Pankreasganges, des Duodenums und der Pfortader. Ziel der Operation ist neben der Beseitigung der oben genannten Komplikationen auch die andauernde Schmerzfreiheit oder Schmerzminderung« (Keim et al. 2009). Bei der chronischen Pankreatitis werden heute die entzündlichen Pankreaskopftumoren zunehmend duodenumerhaltend operiert. 2 Operationsverfahren haben sich durchgesetzt: 4 die duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion nach Beger und 4 die lokale Pankreaskopfresektion mit longitudinaler Pankreatikojejunostomie nach Frey.
97 2.9 · Bauchspeicheldrüse
OP nach Beger kPrinzip
Das Pankreas wird auf Höhe der Mesenterialvene vollständig durchtrennt und der Pankreaskopf im Anschluss »ausgehöhlt«.
OP nach Frey kPrinzip
Es wird bei der partiellen Pankreaskopfresektion belassen ohne Durchtrennung des Parenchyms, aber mit Erweiterung um eine longitudinale Spaltung des Pankreasganges. Es gibt Modifikationen (z. B. nach Büchler), bei der ebenfalls auf die – bei chronisch entzündlich verändertem Pankreasparenchym – nicht unkomplizierte Organdurchtrennung auf der V. mesenterica superior, aber auch auf die Längsspaltung des D. Wirsungianus verzichtet wird. Der Pankreaskopf wird unter Erhalt der dorsalen Pankreaskapsel partiell reseziert, wobei der D. choledochus türflügelartig eröffnet und so abgeleitet werden kann. Bei allen duodenumerhaltenden Operationsverfahren wird mit einer antimesenterial eröffneten, nach Y-Roux ausgeschalteten Jejunumschlinge gedeckt.
a
b
2.9.4
Distale Pankreasresektion (linksseitige Pankreasresektion)
Die linksseitige subtotale Pankreasresektion entfernt 60– 80% des gesamten Drüsenparenchyms. kIndikation
4 4 4 4 4
Multiple Pseudozysten im Pankreasschwanz, das seltene Insulinom, selten Pankreasschwanzkarzinome, vom Schwanz ausgehende Pankreasfistel, diffus sklerosierende Pankreatitis.
kPrinzip
Resektion des Pankreasschwanzes mit einem Teil des Pankreaskörpers mit Unterbindung der A. splenica und deshalb zumeist kombiniert mit einer Splenektomie. Bei benignen Befunden kann milzerhaltend vorgegangen werden. Diese Operation kann laparoskopisch durchgeführt werden.
c
. Abb. 2.67 Duodenumerhaltende Resektion des Pankreaskopfes nach Beger et al. a Der Pankreaskopf ist durchtrennt. b Ein Teil des Pankreaskopfes zwischen der duodenalen Seite der Portalvene und des intrapankreatischen Ductus choledochus ist rezesiert. c Rekonstruktion mit einer End-zu-End-Pankreatikojejunostomie mit dem Pankreaskorpus und einer Seit-zu-Seit-Pankreatikojejunostomie zur Resektionshöhle des Pankreaskopfes
kLagerung
4 Rückenlage, leicht überstreckt, 4 neutrale Elektrode an einem Oberschenkel. kInstrumentarium
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium, 4 evtl. Rochard-Haken,
4 4 4 4 4
Rahmen, überlange Präparationsinstrumente, Zügel, Vesselloops, bei Bedarf Einzelclipstapler und linearer Verschlussstapler.
2
98
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
2.9.5 Linksseitige Pankreasresektion
2
7 Quer verlaufende bogenförmige Oberbauchlaparotomie oder große mediane Laparotomie. Exploration des Bauchraums und Einsetzen des Rahmens. 7 Mit der Durchtrennung des Lig. gastrocolicum zwischen Overholt-Klemmen und der Lösung der Magenhinterwand vom Pankreas beginnt die Skelettierung. 7 Die Milz wird, wenn sie nicht bei besonders günstigen anatomischen Verhältnissen belassen werden kann, in bekannter Weise mobilisiert (7 Abschn. 2.6.2). Die A. splenica wird in Höhe der Resektionslinie bzw. an ihrem Abgang aus dem Truncus coeliacus präpariert, doppelt ligiert und durchtrennt. Die Milzvene wird kurz vor der V. mesenterica superior abgesetzt. 7 Das Peritoneum wird an der Unterkante des Pankreasschwanzes inzidiert, die Milz luxiert und nach rechts gezogen. Das stumpfe Abpräparieren des Pankreasschwanzes inklusive der V. splenica vom Retroperitoneum muss schrittweise und äußerst behutsam erfolgen, um u. a. eine Begleitverletzung der Nebenniere zu vermeiden. 7 Wenn die V. portae erreicht ist, müssen vor allen weiteren OP-Schritten die kleinen Zuflüsse sorgfältig ligiert werden. 7 Die A. hepatica communis wird sicher identifiziert, der Pankreasober- und -unterrand vorsichtig von der V. portae bzw. V. mesenterica superior abgelöst, die V. gastrica dextra wird ligiert. 7 Das Absetzen hinter einer doppelten Klammernahtreihe ist die einfachste Art der Resektion. 7 Der Verschluss der Resektionsfläche erfolgt durch resorbierbare Einzelknopfnähte. 7 Wurde präoperativ keine ERCP durchgeführt, wird der Ductus Wirsungianus sondiert, um sicherzustellen, dass im Kopfabschnitt keine Stenose vorliegt. 7 Ein Drain, am besten als Spüldrainage vorbereitet, wird nahe der Resektionsfläche platziert und separat ausgeleitet. 7 Nach der Zählkontrolle der Textilien und des Instrumentariums sowie der Dokumentation ihrer Vollzähligkeit schichtweiser Wundverschluss und Verband.
Partielle Duodenopankreatektomie nach Whipple (rechtsseitige Pankreasresektion)
kIndikation
4 Pankreaskopfkarzinom, 4 Karzinom der Papilla Vateri, 4 evtl. chronische Kopfpankreatitis (hier wird zunehmend die duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion angewendet), 4 distales Gallengangkarzinom. kPrinzip
En bloc werden der Pankreaskopf mit dem Duodenum und dem distalen Anteil des Magens reseziert. Heute ist jedoch zunehmend die pyloruserhaltende Operation üblich. Üblich ist ebenfalls das pyloruserhaltende Vorgehen ohne Magenteilresektion. Neben der Resektion des distalen Ductus choledochus wird auch die Cholezystektomie durchgeführt. Die Rekonstruktion beinhaltet die Wiederherstellung der Magen-Darm-Passage, die Ableitung der Galle über eine biliodigestive Anastomose und die Anastomosierung des Pankreaskorpus ebenfalls mit einer Jejunumschlinge oder alternativ durch Implantation in die Magenhinterwand (. Abb. 2.68). kLagerung
4 Überstreckte Rückenlage, 4 neutrale Elektrode an einem Oberschenkel. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4
Grund- und Laparotomieinstrumentarium, Allis-Klemmen, lange Präparationsinstrumente, Rochard-Haken, Kirschner-Rahmen, Gummizügel, Vesselloops, Einzelclipstapler, lineares Verschluss- und/oder Anastomosen-Klammernahtinstrument.
Indikationen zum Palliativeingriff Eine biliodigestive Anastomose wird bei Stenosierung des Ductus choledochus angelegt. Bei einer begrenzten Lebenserwartung ist meist nur die endoskopische Einlage einer Gallengangprothese sinnvoll. Eine Gastroenteroanastomose muss bei Infiltration bzw. Stenosierung des Duodenums als Umgehungsanastomose zur Aufrechterhaltung der Nahrungspassage angelegt werden. Häufig ist es sinnvoll, beide Eingriffe miteinander zu kombinieren. Dies gilt auch, wenn noch keine Duodenal-
99 2.9 · Bauchspeicheldrüse
stenose aufgetreten ist, um dem Patienten bei fortgeschrittener Erkrankung weitere Operationen zu ersparen (7 Abschn. 2.5). Für beide Anastomosen eignet sich wieder die Y-RouxTechnik. Laparoskopisch kann auch eine biliodigestive Anastomose über eine Cholezystojejunostomie hergestellt werden. Partielle Duodenopankreatektomie nach Whipple 7 Meist quer verlaufende bogenförmige Oberbauchlaparotomie. Ausgedehnte Exploration um ggf. die OP-Indikation zu revidieren. Nach dem Einsetzen des Rochard-Hakens und eines Rahmens wird das Lig. gastrocolicum aufgesucht und zwischen Overholt-Klemmen durchtrennt und ligiert. 7 Die Duodenalmobilisation nach Kocher ist zwingend erforderlich, um die Beweglichkeit des Pankreaskopfes zu prüfen, die einen Aspekt der Operabilität darstellt. 7 Das Lig. hepatogastricum wird ebenfalls zwischen Klemmen durchtrennt, dabei wird die A. gastrica dextra ligiert. 7 Duodenum und Pankreas müssen sich problemlos von den Mesenterialgefäßen ablösen lassen. Die Identifikation der A. hepatica und der Pfortader ist obligat. 7 Der vom Duodenum umgebene Pankreaskopf wird mit Overholt-Klemmen und Präparierschere freigelegt, bis dorsal die V. cava sichtbar ist. Danach wird das Pankreas schonend an seiner Unterkante skelettiert, mit einem langen Overholt links neben der V. mesenterica superior unterfahren und mit einem Gummizügel angeschlungen. 7 Die Unterbindung der A. gastroduodenalis und die Durchtrennung des Ductus choledochus setzen die Präparation fort. Das untere Drittel des Magens wird, wie bei der Billroth-I- oder BillrothII-Operation, skelettiert und zwischen Klemmen oder mit einem linearen Stapler abgesetzt. Alternativ wird postpylorisch abgesetzt. 7 Das Duodenum wird bis zur Flexura duodenojejunalis skelettiert und mit dem linearen Cutter oder auch zwischen Klemmen durchtrennt, die Gallenblase wird entfernt (7 Abschn. 2.7.2). 7 An der Resektionslinie wird das Pankreas offen mit dem Diathermiemesser abgesetzt. 7 Alternativ wird das Pankreas vorher mit einem großen Overholt unterfahren, um 2 zirkuläre Ligaturen zu legen und zu knoten. 7 Das Gesamtpräparat entfällt. 6
a
b . Abb. 2.68a, b Whipple-Operation. a Resektionsausmaß: 1 Pankreaskopf, 2 Duodenum, 3 Gallenblase, 4 distaler Gallengang, 5 großes Netz (partiell), 6 distaler Magen. b Rekonstruktion: 1 Hepatikojejunostomie, 2 Pankreatikojejunostomie, 3 Gastroenterostomie, 4 Jejuno-Jejunostomie (Braun-Anastomose). (Nach Siewert 2001)
7 Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Rekonstruktion. Die häufigste ist wohl die Reparation in der Y-Roux-Technik. 7 Das offene Ende der an der Flexura duodenojejunalis abgesetzten Jejunumschlinge, ante- oder retrokolisch hochgezogen, wird End-zu-End oder End-zu-Seit mit dem Pankreasrest anastomosiert. Die zweireihige Naht erfolgt invertierend (sog. Teleskopanastomose). 7 In die gleiche oder eine zweite Y-Roux-Schlinge wird der Ductus choledochus End-zu-Seit als biliodigestive Anastomose eingepflanzt. 7 Etwa 40 cm unterhalb der biliodigestiven Anastomose wird das Jejunum durchtrennt und an den aboralen Teil wird der Magenrest End-zu-End oder zu-Seit anastomosiert. Alternativ erfolgt etwa 20 cm aboral der biliodigestiven Anastomose die Anlage der End-zu-End-Pylorojejunostomie. 6
2
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2
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
7 Eine weitere wichtige Modifikation besteht in der Implantation des Pankreasrestes in die Magenhinterwand als Pankreatogastrostomie. Diese Technik ist weniger komplikationsträchtig als die pankreatojejunale Anastomose. 7 Die biliodigestive Anastomose wird in diesem Falle wieder in der Y-Roux-Technik End-zu-Seit angelegt. 7 Eine weitere Anastomosierungsvariante bietet die Billroth-II-Technik mit Anlage einer Braun-Fußpunktanastomose (. Abb. 2.68b). 7 1–2 weiche Drainagen werden gelegt. 7 Nach der Zählkontrolle der Textilien und Instrumente sowie der Dokumentation der Vollzähligkeit schichtweiser Wundverschluss und Verband. 7 Pyloruserhaltend: BII-Technik ohne Fußpunktanastomose, End-zu-Seit-Pylorojejunostomie.
Das Jejunum im linken oberen und das Ileum im rechten unteren Teil der Bauchhöhle werden vom Omentum majus wie von einer Schürze bedeckt. Das Ileum endet an der Bauhin-Klappe (= Ileozäkalklappe). Die Gefäßversorgung des Dünndarmes erfolgt aus Ästen der A. mesenterica superior. Das Kolon umringt das Dünndarmkonvolut wie ein Rahmen. Chirurgisch bedeutsam ist ein evtl. vorhandenes Meckel-Divertikel, ca. 70 cm vor der Ileozäkalklappe. Es hat über ein Mesenteriolum eine eigene Gefäßversorgung.
Physiologie Aufgaben des Dünndarmes sind die Resorption von verschiedenen Nahrungsbestandteilen sowie die Sekretion von Amylasen und Proteinasen. Außerdem werden Gallensalze rückresorbiert.
Enterotomie Leider ist beim Pankreaskopfkarzinom häufig nur noch ein Palliativeingriff möglich, da es meist zu spät diagnostiziert wird. Als Entscheidungskriterien gelten: 4 Nachweis der Lymphknoten-/Fernmetastasierung (Schnellschnitt, CT, MRT), 4 lokale Infiltration des Tumors in die A. mesenterica superior oder in die Pfortader bzw. in die Nachbarorgane. Fernmetastasen und Peritonealkarzinose verhindern häufig selbst einen Palliativeingriff.
2.10
Dünndarm
2.10.1
Anatomie und Physiologie
Anatomie des Duodenums, des Jejunums und des Ileums Als Dünndarm bezeichnet man den Darmteil vom Pylorus bis zur Ileozäkalklappe. Er ist etwa 4–6 m lang. Hinter dem Pylorus beginnt das obere Duodenum, die sog. Pars superior, daran schließen sich die Pars descendens und die Pars horizontalis an. Die abschließende Pars ascendens mündet am Treitz-Band in das Jejunum. Der Anfangsteil des Duodenums ist auf 2–3 cm Länge, ebenso wie das Jejunum, fast zirkulär mit Serosa bedeckt. Der größere Teil des Duodenums liegt retroperitoneal. Das Duodenum umfasst hufeisenförmig den Pankreaskopf. Beide Organe haben eine gemeinsame Blutversorgung. Das Jejunum und das Ileum hängen in ganzer Länge frei am Mesenterium.
Definition Als Enterotomie bezeichnet man die zeitweilige Eröffnung des Dünndarmlumens. Nachdem die erforderliche Manipulation im Lumen beendet ist, muss die Darmwandwunde wieder verschlossen werden.
Man spricht von einer Duodenotomie, einer Jejunotomie oder einer Ileotomie. Der Darm wird mit dem Skalpell zwischen 2 Haltefäden quer eröffnet, der Fremdkörper, ein Polyp oder ein Adenom wird entfernt und die quer verlaufende Öffnung ein- oder zweireihig wieder verschlossen. Auf diese Art engt man das Darmlumen, wenn überhaupt, nur geringfügig ein.
2.10.2
Dünndarmresektion
Man kann entweder einzelne Dünndarmsegmente oder längere Abschnitte resezieren. Wichtig ist hier der Kontaminationsschutz. kIndikation
4 Inkarzerierte Hernie mit nekrotischem Darmabschnitt, 4 Mesenterialinfarkt, 4 Karzinome, 4 Sarkome, 4 M. Crohn, 4 Meckel-Divertikulitis oder 4 traumatische Dünndarmverletzungen.
101 2.10 · Dünndarm
kPrinzip
Das betroffene Dünndarmsegment wird zumeist mit Mesenterium reseziert und End-zu-End oder Seit-zu-Seit anastomosiert (. Abb. 2.69). kLagerung
4 Rückenlage, 4 Dispersionselektrode an einem Oberschenkel. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4
Grund- und Laparotomieinstrumentarium, Rahmen, Duval- und Allis-Klemmen, weiche Darmklemmen, 90° abgewinkelte Klemmen, bei Bedarf Rinne und Deschamps, Einzelclipstapler und linearer Anastomosenstapler.
a
Dünndarmresektion 7 Der Zugang erfolgt zumeist über eine mediane Unterbauchlaparotomie; zuerst wird die Bauchhöhle exploriert. 7 Nach dem Einsetzen des Rahmens oder großer Bauchdeckenhaken (z. B. nach Fritsch) ist das große Netz zu sehen, das hochgeschlagen wird. Die betroffene Schlinge wird aufgesucht und der zu diesem Dünndarmsegment gehörende Mesenterialbezirk V-förmig skelettiert. Dazu wird das Peritoneum beiderseits eingeschnitten, das Fettgewebe mit Präpariertupfern abgeschoben. Mit Hilfe von Overholt-Klemmen werden zwischen Ligaturen seitlich die Gefäßarkaden unterbrochen und ggf. das Zentralgefäß durchtrennt. Alternativ kommt ein Einzelclipstapler zum Einsatz oder das LigaSure. 7 Die Arterien lassen sich im OP-Gegenlicht sichtbar machen (Diaphanoskopie). 7 Der Darm wird an den Resektionslinien zirkulär vom Fett befreit und nach beiden Seiten ausgestrichen. Dann werden die Darmklemmen (weich und hart) angesetzt. 7 An die verbleibenden Darmenden wird jeweils eine weiche Darmklemme gesetzt und an die Resektatenden je eine harte Klemme, um nach der Durchtrennung mit dem Skalpell jede Verunreinigung der Bauchhöhle zu vermeiden. Aus diesem Grund empfiehlt sich hier die Anwendung eines linearen Anastomosenstaplers. 7 Das Darmlumen kann nach der Durchtrennung mit einem z. B. in Betaisodona-Lösung getränkten Stieltupfer gesäubert werden. 6
b . Abb. 2.69a, b Dünndarmresektion. a Onkologische Dünndarmresektion mit weitem Sicherheitsabstand und Lymphadenektomie durch keilförmige Skelettierung des Mesenteriums. b Knappe Resektion einer benignen Stenose ohne Lymphadenektomie
7 Zur Rekonstruktion der Darmpassage durch eine End-zu-End-Anastomose werden die beiden Darmenden über die verbliebenen weichen Klemmen zusammengeführt und die Einzelnähte für die Serosahinterwand gelegt und ungeknotet angeklemmt. 7 Die Klemmen können geordnet auf eine Pinzette gefädelt werden. 7 Die weichen Darmklemmen werden parallel nebeneinander gelegt, die gelegten Nähte verknotet. 7 Die Naht der Mukosahinterwand und -vorderwand erfolgt häufig fortlaufend, die Serosavorderwand wird invertierend genäht. Üblich ist auch die einoder zweireihige fortlaufende Nahttechnik der Vorder- und Hinterwand der Seromuskularis. 6
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
7 Der Verschluss des Mesenterialschlitzes und das Anordnen des Darmpakets im Sinne von Noble beenden den eigentlichen Eingriff. (Hierbei wird der gesamte Dünndarm quer zur Mesenterialwurzel mäanderförmig angeordnet. So werden Verschlingungen und Abknickungen vermieden.) 7 Nach der Zählkontrolle der Textilien und Instrumente sowie der Dokumentation ihrer Vollzähligkeit kann die Bauchhöhle schichtweise verschlossen werden. 7 Verband.
2.11
Blinddarm
2.11.1
Appendizitis
Die vordere freie Tänie des Zäkums dient als Leitbahn zur Appendix, die ein Anhängsel des Dickdarmes und durchschnittlich 7,5–10 cm lang ist. Der Wurmfortsatz hat ein Mesenteriolum, in dem die A. appendicularis verläuft. Am Ansatz dieses Mesenteriolums ist die Appendix vom Peritoneum überzogen.
Probleme bei Diagnose und Therapie 4 Untersuchungsverfahren zum sicheren Beweis oder Ausschluss sind Anamnese, Labor, Klinik, Sonographie und ggf. CT. 4 Eine akute Appendizitis muss bei jedem Patienten mit abdominellen Beschwerden erwogen werden, der bereits geringe Symptome eines peritonealen Reizes zeigt. 4 Die einzige Möglichkeit die Sterblichkeit von 0,7 : 100.000 Einwohner weiter zu senken und die Schwere der Erkrankung zu mindern besteht in der Appendektomie vor Eintritt der Gangrän oder der Perforation.
Einteilung der Appendizitisformen Akute Appendizitis Erkennbar an der ödematösen Auftreibung, der entzündlichen Rötung und dem fibrinösen Exsudat in der Umgebung.
Akut-phlegmonöse Appendizitis Sammelbegriff für alle destruktiven Formen einschließlich der perforierten, gangränösen und eitrigen Appendizitis und Periappendizitis. Bei der Perforation werden folgende Arten unterschieden: 4 freie Perforation, die zur Peritonitis führt; 4 gedeckte Perforation, die zum perityphlitischen Abszess führt, einer lokal begrenzten Eiteransammlung.
Die gedeckte Perforation geht zumeist aus dem perityphlitischen Infiltrat hervor. Dieses ist als lokale Tumorbildung tastbar. Hierbei tritt eine starke entzündliche Begleitreaktion ohne Eiter auf.
Chronische Appendizitis Bei der chronischen Appendizitis handelt es sich in der Regel um einen Folgezustand nach akuter Appendizitis mit Übergang in eine Vernarbung. Die hier zeitweise auftretenden Schmerzen verschwinden mit der Appendektomie.
Pathophysiologie der Appendizitis Es wird angenommen, dass die Appendizitis die Folge einer Lumenverlegung der Appendix unterschiedlicher Ursache ist. Aus der fokalen Appendizitis wird die Durchblutung durch erhöhten Binnendruck und Wandödem bei »Fesselung« von außen (durch die Serosa) gedrosselt. Damit nimmt die Wandschädigung zu. Auf dem günstigen Keimnährboden entstehen nach der eitrigen Einschmelzung die Gangrän und schließlich die Perforation.
Wege zur klinischen Diagnose Anamnese Die »klassische« Schmerzabfolge beginnt meist diffus im Epigastrium oder in der Nabelregion. Dieser schlecht lokalisierbare »Organschmerz« wird auch als viszeraler Schmerz bezeichnet. Begleitet wird dieses Symptom von Inappetenz und Übelkeit. Danach stellt sich meist Erbrechen ein. Nach Stunden bis Tagen ziehen die Schmerzen punktförmig lokalisiert in den rechten Unterbauch. Diese Form des parietalen (somatischen) Schmerzes zeigt das Übergreifen des Prozesses auf das parietale Peritoneum an (Quadrantenperitonitis). Diese klassische Schmerzabfolge tritt allerdings nur in 55% der akuten Appendizitiden ein; andererseits kommt sie auch bei bis zu 25% der Fälle anderer Erkrankungen vor.
Körperliche Untersuchungsbefunde Prüfung des Spontan-, Druck- und Erschütterungsschmerzes. Typisch sind: 4 Lokalisation des Spontanschmerzes punktförmig im rechten Unterbauch, 4 Druckschmerz am sog. McBurney-Punkt bei der Tastuntersuchung, 4 Auslösung eines Erschütterungsschmerzes durch Beklopfen der Bauchdecke bzw. 4 Prüfung des Loslass- und kontralateralen Loslassschmerzes, 4 Douglas-Schmerz als Zeichen der entzündlichen Reizung des Peritoneums bei der rektalen Untersuchung.
103 2.11 · Blinddarm
Labor- und Messbefunde Zur weiteren Diagnostik werden die Temperaturmessung, die Leukozytenzählung und CRP-Wert und die Sonographie eingesetzt. Kein Verfahren ist in der Lage, das Vorliegen einer Appendizitis zu beweisen. Besonderheiten einzelner Patientengruppen 4 Kinder: Bei Kleinkindern verläuft die Entzündung des Wurmfortsatzes foudroyant. Die Differenzialdiagnose einer Appendizitis ist umso schwieriger, je jünger die Patienten sind. 4 Junge Frauen: Die »negative Laparotomierate« (Anzahl der Patienten, bei denen während der Operation keine Appendizitis vorgefunden wird) ist doppelt so hoch wie bei den übrigen Patienten. Aus diesem Grund sollte präoperativ eine gynäkologische Untersuchung, auch mit Ultraschall, durchgeführt werden. 4 Schwangerschaft: Auf 2.000 Schwangerschaften entfällt eine akute Appendizitis, und zwar am häufigsten in den ersten 6 Monaten. Die Symptome unterscheiden sich kaum gegenüber Nichtschwangeren. Lediglich im letzten Drittel erschweren die Lageänderung und die Nachbarschaft des sich kontrahierenden Uterus die Diagnose. In allen Schwangerschaftsstadien sollte frühzeitig appendektomiert werden. 4 Hohes Alter: Die Rate der perforierten Wurmfortsätze liegt mit über 30% doppelt so hoch wie bei den übrigen Patienten. Als Grund ist die geringer ausgeprägte Klinik und die größere Indolenz anzusehen. Bei einer häufig größeren Zahl von Begleiterkrankungen resultiert eine erhöhte Mortalität.
4 Bei unklarer Symptomatik dient eine längere Vorlaufzeit der Beobachtung und der Erhebung von Kontrollbefunden. Mit dem Zeitpunkt der Diagnosestellung gelten die oben genannten Forderungen. 4 Zur Klärung und Vermeidung von zeitlichem Verzug bietet sich die laparoskopische Diagnostik und ggf. Therapie an (7 Abschn. 2.15). 4 Sonderfälle: Beim perityphlitischen Infiltrat bzw. Abszess wird häufig eine Indikation für ein zunächst konservatives Vorgehen mit initialer Antibiotikatherapie und der Intervallappendektomie nach 2–3 Monaten gesehen. Obwohl dieses Vorgehen vielerorts praktiziert und in der Literatur angegeben wird, kann die Sofortoperation unter Antibiotikaprophylaxe mit Fortführung als Therapie den Krankheitsverlauf abkürzen. Besonderer Wert in der Diagnostik kommt hier der präoperativen Sonographie sowie der CT-Diagnostik zu.
2.11.2
Appendektomie bei mobilem Zäkum
kIndikation
Akute Appendizitis. kPrinzip
Hervorluxieren des Zäkumpols, Absetzen der Appendixbasis, ggf. Versenken des Appendixstumpfes, Revision des Ileums wegen eines Meckel-Divertikels. kLagerung
4 Rückenlage, 4 Dispersionselektrode am rechten Oberschenkel. kInstrumentarium
Besonderheiten aufgrund der zeitlichen OP-Indikation Mit der klinischen Diagnose »akute Appendizitis« ergibt sich die zeitlich dringende OP-Indikation: 4 OP-Vorbereitung und Planung sollten maximal 2 h in Anspruch nehmen. 4 Auf die Forderung der Nüchternheit vor der Narkoseeinleitung muss verzichtet werden. 4 Bei Zeichen der diffusen Peritonitis sollte die Vorbereitungszeit aktiv genutzt werden. 6
4 Grundinstrumente, 4 evtl. längere Haken (z. B. Leberhaken nach Mikulicz), 4 Appendixquetsche, ersetzbar durch eine OverholtKlemme.
Appendektomie 7 Der häufigste Zugang führt über den Wechselschnitt im rechten Unterbauch. Obwohl kosmetisch ungünstig und nur schlecht erweiterbar, kommt bei unklarer Anamnese oder Prognose vielfach der Pararektalschnitt zur Anwendung. 6
2
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
7
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7
7
. Abb. 2.70 Das Mesenteriolum wurde durchtrennt, die Appendix skelettiert. Die Basis wird ligiert, die Appendix abgetragen und der Stumpf durch eine Tabakbeutelnaht eingestülpt. (Nach Siewert 2010)
Dagegen lässt sich der Querschnitt beliebig verlängern und ist so bei perityphlitischen Befunden vorteilhaft. Nach der Eröffnung des Peritoneums und dem Einsetzen der stumpfen Haken (nach Roux, Kocher oder Mikulicz) wird der Dünndarm abgedrängt, mit Haken beiseite gehalten und so die Sicht auf das Zäkum ermöglicht. Wenn möglich sollte auf das Verlegen des Zäkums vor die Bauchdecke verzichtet werden, weil hierdurch Wandschäden entstehen können. Solche Läsionen sind wahrscheinlich die Ursache von postoperativen Adhäsionen oder Darmverschlüssen. 7 Mit einer Klemme (nach Péan oder Kocher) wird das Mesenteriolum an der Appendixspitze gefasst. Der Wurmfortsatz selbst sollte so wenig wie möglich berührt werden. Die meist im Gegenlicht sichtbare A. appendicularis wird mit einem Overholt unterfahren und doppelt ligiert. Anschließend wird das Mesenteriolum mit Overholt und Schere oder mit Rinne und Deschamps bis zur Zäkumbasis skelettiert (. Abb. 2.70). 7 An der Basis wird die Quetsche angesetzt und vorher mehrfach zusammengedrückt. Im gequetschten Bereich wird eine kräftige Ligatur gelegt. Mit einem Skalpell wird der Wurmfortsatz zwischen Appendixklemme und Ligatur durch6
7
trennt. Nach einer Stumpfdesinfektion (z. B. mit einer PVP-Lösung) ist die Appendektomie beendet. Vielerorts ist immer noch die Stumpfversenkung am Zäkum durch eine Tabakbeutelnaht aus dünnerem Nahtmaterial üblich. Der Stumpf wird dann mit einer Pinzette im Zäkum versenkt. Die Tabakbeutelnaht wird zugezogen und kann mit einer Z-Naht gesichert werden. Alle Instrumente, die mit dem geöffneten Zäkum Kontakt hatten (Messer, Pinzette, Tupfer) werden abgeworfen. Am Dünndarm sollte über eine Distanz von ca. 1 m nach einem Meckel-Divertikel gefahndet werden. Nur bei fortgeschrittenen Entzündungsprozessen wird darauf verzichtet. Der Douglas-Raum wird mit Stieltupfern sorgfältig ausgetupft. Lag eine Perforation vor, wird das Abdomen mit warmer Kochsalzlösung gespült und vorhandene Fibrinbeläge werden komplett entfernt. Nur selten ist eine Drainageeinlage gerechtfertigt. Schichtweiser Wundverschluss nach erfolgter Zählkontrolle und Dokumentation, Verband.
Schwieriger gestaltet sich die Appendektomie bei retrozäkal gelegenem Wurmfortsatz. Häufig muss auf die eben beschriebene antegrade Appendektomie verzichtet werden. Es wird zuerst der Zäkumpol mobilisiert, um dann die Appendix an der Basis zu unterfahren und zu ligieren. Danach wird durch dosierten Zug an sog. »Kletterligaturen«, die abschnittweise wie die Basisligatur angelegt wurden, die Appendix bis zur Spitze mobilisiert und freipräpariert. Nachfolgend wird die Appendix wie oben beschrieben skelettiert und abgesetzt
Komplikationen Die Komplikationen sind: 4 Wundinfektion, 4 Abszessbildung (intrapelvin/subphrenisch/interenterisch), 4 Kotfistel und 4 bei 1% aller Operierten Entwicklung eines operationsbedürftigen Ileus. Das Komplikationsrisiko ist bei einer gangränösen oder perforierten Appendizitis erhöht. Durch den Einsatz von Antibiotika als perioperative Prophylaxe lässt sich die Wundinfektionsrate senken. Perforationsgefahr besteht bei weniger als 20% in den ersten 24 h, bei mehr als 70% nach 48 h. Das laparoskopische Vorgehen gilt als das Verfahren der Wahl (7 Abschn. 2.15).
105 2.12 · Dickdarm
2.12
Dickdarm
2.12.1
Anatomie und Physiologie
Anatomie Kolon Als Dickdarm (Kolon) bezeichnet man den etwa 1,5 m langen Darmanteil von der Ileozäkalklappe bis zum Anus. Das Kolon wird noch einmal von rechts unten ausgehend in die folgenden Abschnitte unterteilt: 4 Appendix: Sie entspricht einem rudimentären Zäkumabschnitt. 4 Zäkum: Es reicht bis zur Ileozäkalklappe (BauhinKlappe). Dies ist der weiteste Dickdarmabschnitt, allseitig von Serosa umgeben und somit intraperitoneal frei beweglich. 4 Colon ascendens. 4 Flexura coli dextra: An der Unterseite der Leber; das Kolon liegt retroperitoneal, im Gegensatz zu den beiden vorherigen Abschnitten. 4 Colon transversum: Es liegt intraperitoneal und ist an der dorsalen Bauchwand mittels eines Mesokolons fixiert, das Ober- und Mittelbauch abgrenzt. Das Colon transversum geht über in die 4 Flexura coli sinistra. 4 Colon descendens, das retroperitoneal liegt. 4 Sigma: Es liegt im linken Unterbauch intraperitoneal
und hat dementsprechend ein Mesosigma. 4 Rektum: Es liegt retroperitoneal und ist der unterste
Abschnitt des Dickdarmes. Das Colon transversum ist mit dem Netz locker verwachsen. Auch das Zäkum liegt intraperitoneal und ist bis zu einem gewissen Grad mobil. Die anderen Dickdarmstrecken sind breit an der hinteren Bauchwand fixiert. Der Dickdarm unterscheidet sich vom Dünndarm durch 4 auffallende Merkmale: 4 Tänien: 3 Längsstreifen aus zusammengebündelten Fasern der Längsmuskulatur. 4 Haustren (Schöpfgefäße): Ausbuchtungen zwischen den Tänien, die durch Einschnürungen gegeneinander abgesetzt sind. 4 Appendices epiploicae: kleine, von Serosa überzogene Fettläppchen längs der Tänien. 4 Plicae semilunares coli: halbmondförmige Kontraktionsfalten, die das Innenrelief des Dickdarmes bilden. Sie entsprechen Kontraktionszuständen der Ringmuskulatur und wandern mit der Peristaltik (sog. Fließen der Haustren). Der Dickdarm umgibt den Dünndarm wie ein Rahmen.
Rektum Das Rektum beginnt dort, wo das Darmrohr sein Meso verliert (Mesocolon sigmoideum). Es hat eine Länge von ca. 15–20 cm. Zwei Krümmungen finden sich in der Sagittalebene: 4 Flexura sacralis: durch die Kreuzbeinkrümmung bedingt, 4 Flexura perinealis: konvex nach vorn zur Umgehung des Steißbeins. Das Rektum zeigt meist 3 halbmondförmige Querfalten. Oberhalb dieser Querfalten liegt die Rektumampulle, ein besonders erweiterungsfähiger Darmabschnitt, in dem sich der Darminhalt vor der Defäkation ansammeln kann. Die Ampulle verjüngt sich analwärts trichterförmig und geht in den Analkanal über.
Arterielle Gefäßversorgung 4 A. mesenterica superior: Sie entspringt unterhalb des Truncus coeliacus vor dem 1. LWK und hinter dem Pankreas aus der Aorta und gibt folgende Äste ab: 5 A. ileocolica, 5 A. colica dextra, 5 A. colica media. Die A. mesenterica superior versorgt den Darmkanal von der unteren Duodenalhälfte bis zur linken Kolonflexur (Cannon-Böhm-Punkt). 4 A. mesenterica inferior: Sie entspringt gegenüber dem 3. LWK aus der Aorta und gibt folgende Äste ab: 5 A. colica sinistra, 5 Aa. sigmoideae, 5 A. rectalis superior. Die A. mesenterica inferior versorgt das Colon descendens, das Sigmoid und den größten Teil des Rektums. 4 A. iliaca interna mit folgenden Ästen: 5 Aa. rectalis mediae 5 Aa. rectalis inferiores.
Venöse Gefäßversorgung 4 V. mesenterica superior: Sie entspricht dem Ausbreitungsgebiet der Arterie. Sie bildet hinter dem Pankreas mit der V. splenica die Pfortader. 4 V. mesenterica inferior: Sie entspricht dem Ausbreitungsgebiet der Arterie und mündet hinter dem Pankreas in die V. splenica (. Abb. 2.71).
Lymphgefäße In der Darmwand liegt ein submuköses, intermuskuläres und subseröses Netzwerk. Alle Netzwerke hängen miteinander zusammen und leiten die Lymphe von der Darmwand ab. Die Lymphkno-
2
106
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
2
. Abb. 2.71 Arterielle und venöse Blutversorgung des Dickdarmes. (Nach Siewert 2006)
ten nehmen die Lymphe des Darmes auf. Sie liegen in 3 Gruppen: 4 am Darmrand, 4 in der Mitte des Mesenteriums, 4 an der Mesenterialwurzel. Die Lymphknoten münden schließlich in Lymphknoten vor der Aorta und der V. cava inferior. Die gesamte Lymphe des Darmes sammelt sich im Truncus intestinalis.
Physiologie Die Hauptaufgaben des Kolons sind Aufnahme, Eindickung und Weitergabe unverdauter Nahrungsreste. Wie alle übrigen Darmabschnitte besitzt auch der Dickdarm eine Vagusversorgung (fördert Peristaltik) und eine Sympathikusversorgung (hemmt Peristaltik). Kontraktionen und Bewegungen sind stark von den Funktionen des übrigen Magen-Darm-Kanals abhängig (= gastrokolischer Reflex).
Der Dickdarm scheidet keine Enzyme aus. Die sog. Lieberkühn-Drüsen liefern ein seromuköses Sekret, das als Gleit- und Schmiermittel dient. Bei pflanzlicher Nahrung kann die Verdauung durch Dünndarmenzyme fortgesetzt werden. Ein Teil der Spaltprodukte wird resorbiert, der andere wird durch Gärung und Fäulnis zerstört. Der Dickdarm besitzt eine physiologische Flora von Bakterien, die Eiweiße und Kohlenhydrate zu energiearmen Abbauprodukten spalten. Die Eiweißabbauprodukte werden teils aus dem Darm ausgeschieden, teils vom Dickdarm resorbiert, in der Leber entgiftet und als gepaarte Schwefelsäuren im Harn ausgeschieden. Der Darminhalt ist nach 3- bis 4-stündigem Aufenthalt im Dünndarm noch relativ dünnflüssig. Er wird im Dickdarm durch Wasserresorption auf ca. ein Viertel seines Volumens eingedickt. Ist das Dickdarmepithel, z. B. durch Cholerabazillen, geschädigt, entstehen dünnflüssige Stühle, die zu großem, lebensgefährlichem Wasserverlust führen. Der Dickdarm
107 2.12 · Dickdarm
ist auch Ausscheidungsorgan für Quecksilber, Wismut, Eisen, Kalzium, Magnesium und Phosphate. Aus dem Ileum gelangen täglich ca. 1,5 l Stuhl in das Zäkum, davon werden ca. 1.000–1.200 ml Wasser rückresorbiert. Die Rückresorption von Natrium erfolgt aktiv im Austausch mit Kalium. Die Bakterien benötigen die von ihnen abgebauten Kohlenhydratreste im Wesentlichen zur Bestreitung ihres eigenen Stoffwechsels. Eine größere Rolle spielt die Resorption von Wirkstoffen durch das Kolon. Es handelt sich dabei um Vitamine, die durch die Darmflora gebildet werden: Biotin, Folsäure, Nikotinsäure und Vitamin K. Die Passagezeit des Dickdarminhalts beträgt zwischen 10 und 90 h.
2.12.2
Diagnostik, Einteilung und Therapie kolorektaler Karzinome
Das kolorektale Karzinom gilt bei beiden Geschlechtern als zweithäufigstes Malignom. Der Haupterkrankungsgipfel findet sich im 6.–7. Lebensjahrzehnt (Durchschnittsalter 65 Jahre), aber auch ein Auftreten im 2. und 3. Jahrzehnt ist möglich. Die Ursachen sind multifaktoriell. Umweltfaktoren (chronische Karzinogenexposition) und insbesondere die Zusammensetzung der Nahrung spielen eine wesentliche Rolle. Ballaststoffreiche Ernährung reduziert das Kolonkarzinomrisiko. Ein familiär gehäuftes Auftreten ist ebenfalls bekannt. Operationen beim Dickdarmkrebs werden im Wesentlichen durch die anatomischen Gegebenheiten der Gefäße, der Lymphknoten und Faszien bestimmt. Der Schwierigkeitsgrad der Eingriffe ist bedingt durch das fortgeschrittene Lebensalter der Patienten, durch das oft ausgedehnte Tumorwachstum sowie das keimbesiedelte OP-Milieu. Auch die Tatsache, dass die Dickdarmwand gegenüber dem Dünndarm weniger mechanisch belastbare Kollagenfasern enthält, ist von Bedeutung.
Klassifikation und Stadieneinteilung Sowohl für prognostische Aussagen als auch für den Vergleich verschiedener Therapiemethoden in den entsprechenden Stadien hat man sich international auf ein einheitliches Dokumentationssystem geeinigt. Die sog. TNM(Tumor-Nodulus-Metastase-)Klassifikation wird zugrunde gelegt: 4 T: Tiefeninfiltration des Primärtumors (z. B. T 4=organüberschreitende Tumorinvasion in Nachbarorgane). 4 N: Lokalisation und Zahl der befallenen Lymphknoten 4 M: Lokalisation der nachgewiesenen Fernmetastasen
Vier verschiedene makroskopische Kolonkarzinomtypen lassen sich unterscheiden: 4 Blumenkohlartiges oder polypoides Karzinom: Es wächst v. a. in das Darmlumen hinein (= exophytisch). 4 Ulzeriertes Karzinom: Im Zentrum liegt ein Ulkus vor, der Tumor wächst an seinem Randwall weiter. 4 Ringförmig stenosierendes Karzinom. 4 Diffus infiltrierendes Karzinom. Von den Kolonkarzinomen gehören 80% zu den Adenokarzinomen. Die 5-jährige Heilungsquote bei kurativ resezierten Patienten liegt bei 70%. Rund die Hälfte aller Patienten haben zum OP-Zeitpunkt bereits befallene Lymphknoten. Beschwerden treten in Abhängigkeit von der Lokalisation erst bei fortgeschrittenem Tumorwachstum auf durch Änderung der Stuhlgewohnheiten (Verstopfung im Wechsel mit Diarrhöen), Blut- und Schleimabgang im Stuhl und die sog. Spätsymptome wie Gewichtsverlust, Blutarmut und ein mechanischer Ileus. Die Diagnostik erfolgt wie nachfolgend beschrieben.
Diagnostik Die Anamnese erfragt Schmerzen, Begleitsymptome, z. B. Fieber oder Erbrechen, Änderung der Stuhlgewohnheiten, Blut und Schleimabgang, Gewichtsverlust, Blutarmut oder aufgetretene Schwäche. Zum klinischen Untersuchungsbefund gehören die Beurteilung des Abdomens (Peritonitis, Ileus etc.), die rektale digitale Untersuchung sowie die Beurteilung der Gesamtsituation des Patienten. Zur endoskopischen Diagnostik gehören die Proktoskopie, die Rektoskopie sowie die komplette Koloskopie, die von den gesetzlichen Krankenkassen ab dem 55. Lebensjahr als Vorsorgemaßnahme getragen wird. Probeentnahmen können bei all diesen Untersuchungen entnommen werden und müssen histologisch beurteilt werden. Die röntgenologische Abdomenübersicht gibt Auskunft über freie Luft im Bauchraum, die auf Perforationen schließen lässt und zeigt ggf. Spiegel, die auf einen Ileus hinweisen können. Über eine Kolonkontrastdarstellung oder/und einen retrograden Gastrographineinlauf können anatomische Verhältnisse, Tumoren, Volvulus usw. diagnostiziert werden. Die Sonographie dient der Tumordarstellung und der Metastasensuche, z. B. an der Leber, des Weiteren der Asziteskontrolle und der Abszessdiagnostik. Außerdem lässt sich ein sekundärer Harnaufstau feststellen. Die Computertomographie, evtl. ergänzt durch MRT und Endosonographie, klärt die lokale Operabilität, z. B. bei großen Tumoren im kleinen Becken, die Lymphknotenmetastasen oder eine Peritonealkarzinose ab.
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
Im Labor werden Tumormarker, Blutbild, Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG), Blutgasanalyse (BGA) usw. untersucht.
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OP-Vorbereitung Voraussetzung für Operationen am Dickdarm ist eine optimale Vorbereitung des Patienten. Um bei dem Eingriff eine möglichst bakterienarme Schleimhaut vorzufinden, wird der Darm präoperativ orthograd und evtl. retrograd gespült. Hierzu wird am Vortag der Operation eine sog. orale Lavage mit 3–4 l Kleanprep o. Ä. zur hydromechanischen Darmreinigung vorgenommen. Eine Kontraindikation dafür stellt der Ileus dar. Im Rahmen der »Fast-track-Therapie« wird heute auf die Darmvorbereitung verzichtet. Die perioperative Antibiotikaprophylaxe (bei Narkoseeinleitung mit einem Cephalosporin und Metronidazol) führt zu einer drastischen Senkung der postoperativen Infektionen. Allgemeine Vorbereitungsmaßnahmen sind ein zentraler Venenkatheter, ein Blasenverweilkatheter und evtl. eine arterielle Blutdruckmessung.
Allgemeine OP-Prinzipien Die chirurgische Behandlung der kolorektalen Karzinome hat sich durch die Einführung der Klammernahttechnik deutlich gewandelt. Kontinenzerhaltende Eingriffe mit Anastomosierung im kleinen Becken verdrängten zunehmend die abdominosakrale Rektumamputation.
Bei Handanastomosen wird synthetisches, resorbierbares Nahtmaterial vom Typ Polyglykolsäure der Stärke 3–0 empfohlen. Dickdarmresektionen können auch minimal-invasiv videoassistiert durchgeführt werden. jGrundsätze zur Verhütung einer Tumorzellaussaat
4 präliminäre Ligatur der versorgenden Haupt-(Blutund Lymph-) gefäße, 4 Blockade des Darmlumens an den Resektionsgrenzen: »no touch isolation«, 4 Einhüllung des tumortragenden Darmanteils bei Befall der Serosa. Allgemeine OP-Schritte bei Kolonresektionen 4 Festlegung der Resektionsgrenzen je nach Tumorlokalisation, Lymphknotenbefall und Metastasenbildung (TNM-Klassifikation, 7 s. oben) 4 Mobilisierung der Darmenden zur Schaffung spannungsfreier Nahtverbindungen (keine Spannung auf der Anastomose). 4 Skelettierung unter Beachtung der Gefäßversorgung der Darmenden (bis 1/2 cm). 4 End-zu-End-Anastomose, biologisch am günstigsten, abschließender Akt eines geplanten operativen Vorgehens. 4 Verschluss des Mesenterialschlitzes. 4 Keine Drainage bei unkomplizierten Operationen. 4 Sphinkterdehnung als Abschluss der Kolonanastomosenoperation.
2.12.3
Hemikolektomie rechts
kIndikation
Tumoren der rechten Kolonhälfte, z. B. im Zäkum, im Colon ascendens oder hinter der rechten Flexur, bei Enteritis regionalis und Mesenterialinfarkt in der Colon-ascendensRegion. kPrinzip
Resektion des gesamten Colon ascendens, inklusive der rechten Flexur, Zäkum mit Appendix, der Ileozäkalklappe bis zum Colon transversum (. Abb. 2.72). Die Darmkontinuität wird durch eine Ileotransversostomie wiederhergestellt. kLagerung . Abb. 2.72 Ausmaß der Resektion bei Hemikolektomie rechts. (Nach Siewert 2006)
4 Rückenlage, den Tisch leicht nach links gekippt, 4 die neutrale Elektrode wird an einem Oberschenkel befestigt.
109 2.12 · Dickdarm
kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4
Grund- und Laparotomieinstrumentarium, evtl. bipolare Schere, Kirschner-Rahmen oder ein anderes Selbsthaltesystem, weiche und harte Darmklemmen, Gummizügel, bei Bedarf Einzelclipstapler, linearer Verschlussstapler und/oder linearer Anastomosenstapler 4 für die End- zu- End- Anastomose ggf. ein zirkuläres Klammernahtinstrument.
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7
Hemikolektomie rechts 7 Rechtsseitiger Mittelbauchquerschnitt oberhalb des Nabels. 7 Die Exploration des Abdomens klärt bei einem Karzinom ab, ob Metastasen vorhanden oder sonstige Begleiterkrankungen erkennbar sind. 7 Der Dünndarm wird nach links verlagert, mit feuchten Bauchtüchern abgedeckt und mit Leberhaken weggehalten. 7 Mit dem Einsetzen des Rahmens wird ein übersichtliches OP-Feld geschaffen. 7 Zuerst werden die Resektionslinien durch Haltefäden, die angeklemmt werden, festgelegt. 7 Zäkum und Colon ascendens werden nach links gehalten und die peritoneale Umschlagfalte wird seitlich des Dickdarmes von der rechten Flexur bis zur Resektionsgrenze am Zäkum mit einer Schere inzidiert. 7 Nach kranial spannen sich das Lig. hepatocolicum und das Lig. duodenocolicum an, die zwischen Klemmen durchtrennt werden. Das Lig. gastrocolicum wird zwischen Klemmen magennah abgesetzt. Hier kann auch die bipolare Schere eingesetzt werden. 7 Das rechte Kolon kann stumpf vom Retroperitoneum gelöst werden. Dann werden die A. ileocolica und die A. colica dextra identifiziert und abgangsnah zwischen 2 Ligaturen durchtrennt. Bei einer Karzinomerkrankung muss evtl. auch die A. colica media ligiert werden. 7 Die entsprechenden Venen werden gleichfalls ligiert und durchtrennt, die Lymphknoten entfernt. 7 Die Durchtrennung des Mesokolons beginnt an der terminalen Ileumschlinge etwa 10 cm vor der Ileozäkalklappe mit der Overholt-Präparation. Zwischen Unterbindungen werden das Mesenteri6
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um der terminalen lleumschlinge sowie das Mesokolon des Zäkums, des Colon ascendens, der rechten Flexur und des Anfangsteils des Colon transversum durchtrennt. Bei einem Tumor der rechten Flexur muss die Operation erweitert werden. Dann wird die A. colica media ligiert und ca. zwei Drittel des Colon transversum werden reseziert. Nach der Befreiung des zu resezierenden Darmanteils von seiner Netzschürze wird die übrige Bauchhöhle mit feuchten Tüchern abgedeckt, damit ein Kontaminationsschutz bei unvorhergesehenem Austritt von Darminhalt besteht. Ileum und Kolon können zwischen Darmklemmen durchtrennt werden, alternativ erfolgt die Durchtrennung ohne jegliche Abklemmung. Dazu wird an den verbleibenden Teil jeweils eine weiche Darmklemme und an das Präparat je eine harte Klemme angesetzt. Zwischen der weichen und der harten Klemme wird der Darm mit dem Skalpell durchtrennt, und das Resektat entfällt. Das Lumen wird mit Stieltupfern, ggf. in Desinfektionslösung getränkt, gereinigt. Um die Kontinuität des Verdauungstraktes wiederherzustellen, erfolgt in der Regel eine End-zuEnd-Anastomosierung zwischen Ileum und Colon transversum. Dazu werden die mit den weichen Klemmen verschlossenen Darmenden einander angenähert und bei einreihiger Einzelknopfnaht zuerst die Hinterwandnähte, dann die Vorderwandnähte gelegt. Auch fortlaufende Nahttechniken haben sich bewährt. Der Lumenunterschied der Darmenden kann durch vorheriges Legen von Ecknähten und größeren Nahtabstand auf der Dickdarmseite ausgeglichen werden; das Ileumende kann aber auch angeschrägt werden. Die Mesenteriallücke wird verschlossen, d. h. das verbliebene Mesokolon und das Dünndarmmesenterium werden mit einigen Nähten vereinigt. Das eröffnete Retroperitoneum kann offen bleiben. Eine Drainageeinlage ist in der Regel nicht erforderlich. Nach der Zählkontrolle der Textilien und der Instrumente sowie der Dokumentation ihrer Vollzähligkeit schichtweiser Wundverschluss und Verband.
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2
110
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
2.12.4
Hemikolektomie rechts mit Klammernahttechnik
kZusätzlich benötigtes Instrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4
Einzelclipstapler, linearer Verschlussstapler (. Abb. 2.16), zirkulärer Anastomosenstapler (. Abb. 2.17), linearer Cutter (. Abb. 2.18), Tabakbeutelklemmen (. Abb. 2.19), Allis-Klemmen (. Abb. 2.10), Bougies, Instrumentenkopffasszange (. Abb. 2.20), bei Bedarf ein Contour-Stapler für tiefe Absetzung (. Abb. 2.21). Hemikolektomie rechts mit Staplertechnik (Seit-zu-Seit) 7 Bis zur Resektion gleichen die OP-Schritte der bereits dargestellten Hemikolektomie rechts (s. oben). Die Resektion erfolgt abweichend zwischen 2 harten Darmklemmen an den Resektatenden und 2 Tabakbeutelklemmen am oralen lleumende und am Transversumstumpf. 7 Durch die Tabakbeutelklemmen werden spezielle Nähte gelegt. Mit einer kleinen anatomischen Klemme werden die Enden der monofilen Fäden angeklemmt. 7 Zur Abschätzung der Magazingröße für das Endzu-End-Anastomosengerät wird nach Abnahme der Tabakbeutelklemmen der Lumendurchmesser mit den Messstäben festgestellt und bei Bedarf bougiert. Bewährt hat sich ebenfalls die vorsichtige Bougierung mit einer Kornzange. 7 Zwischen Haltefäden wird am Colon transversum eine quere Kolotomie angelegt. Der Abstand von der Tabakbeutelnaht sollte mindestens 8 cm betragen. Der zirkuläre Stapler wird durch die Kolotomie eingeführt und die erste Tabakbeutelnaht geknüpft. 7 Das Ileum wird mit 3–4 Allis-Klemmen offen gehalten, um die Andruckplatte des zirkulären Staplers einzuführen; diese wird dann mit der gelegten Tabakbeutelnaht fixiert. Die beiden Anteile des Klammernahtinstruments werden konnektiert und der Klammervorgang ausgelöst. 7 Nach dem Öffnen mit 3 halben Umdrehungen wird der Stapler nun vorsichtig unter rotierenden Bewegungen aus dem Darm entfernt. Die zirkuläre Anastomose ist komplett, wenn am Zentraldorn des Staplers 2 vollständige Darmwandringe vorhanden sind. 6
7 Die Kolotomie am Querkolon wird nach Kontrolle der Anastomose auf Bluttrockenheit mit AllisKlemmen gefasst und mit einem linearen Stapler verschlossen. 7 Maschinell ohne zirkulären Stapler ist eine funktionelle End-zu-End-Anastomose in Seit-zu-SeitTechnik mit 2 Magazinen eines linearen Anastomosenstaplers möglich. Die beiden Teile des Staplers werden einander genähert, und nach der Konnektierung bis zur vorgegebenen Markierung wird der Klammervorgang ausgelöst. 7 Der Verschluss der Mesokolonlücke erfolgt in der zuvor dargestellten Weise, ebenso der schichtweise Wundverschluss und der Verband.
Alternativ ist eine End-zu-End-Anastomosierung (7 Abschn. 2.12.8) »durch die Klammernahtreihe« am Colon transversum möglich. Bei der End-zu-Seit-Ileotransversostomie wird mit dem Führungsdorn des zirkulären Staplers vom Kolonlumen aus antimesenterial perforiert und das Instrument anschließend mit der Andruckplatte im Ileum konnektiert. Nach Entfernung des Nahtgerätes wird das offene Kolonlumen mit einem linearen Stapler verschlossen.
2.12.5
Transversumresektion
kIndikation
4 Kolonkarzinom, begrenzt auf das Transversum, 4 Enteritis regionalis im Transversumbereich. kPrinzip
Resektion des Colon transversum zumeist mit dem bedeckenden Netz und Passagenrekonstruktion durch End-zuEnd-Kolo-Kolostomie (. Abb. 2.73). kLagerung
4 Rückenlage, leicht überstreckt, 4 neutrale Elektrode an einem Oberschenkel. kInstrumentarium
Siehe Hemikolektomie rechts.
Transversumresektion 7 Über eine quer verlaufende Oberbauchlaparotomie erfolgen die Exploration des Abdomens und die Suche nach Metastasen bzw. Sekundärtumoren. 6
111 2.12 · Dickdarm
7 Nach dem Einsetzen des Rahmens können die Resektionsgrenzen festgelegt werden, die möglichst lateral der rechten und der linken Flexur liegen sollten. Dazu müssen beide Flexuren mobilisiert werden. Es werden dafür u. a. rechts das Lig. hepatocolicum und links das Lig. phrenicocolicum durchtrennt. 7 Das Lig. gastrocolicum wird zwischen Ligaturen so durchtrennt, dass die A. und V. gastroomentalis unverletzt bleiben. Bei ausgedehnten Befunden kann jedoch die Mitnahme erforderlich werden. 7 Das große Netz wird von der großen Kurvatur des Magens abpräpariert, der Abgang der A. colica media dargestellt und doppelt unterbunden, ebenfalls die entsprechenden Venen und Lymphgefäße. 7 Um eine Kotkontamination der Bauchhöhle während der Resektion zu vermeiden, wird der zu resezierende Teil des Kolons mit feuchten Bauchtüchern umlegt. 7 Der verbleibende Darmteil wird mit weichen Darmklemmen abgeklemmt, das Resektat wird mit scharfen Klemmen verschlossen. Zwischen diesen Klemmen wird der Darm mit einem Skalpell durchtrennt und das Resektat entfällt. Das Lumen wird mit einem trockenen Tupfer oder mit Desinfektionsmittel (z. B. Betaisodona) gereinigt. 7 Die Anastomose muss spannungsfrei möglich sein, ggf. müssen das Colon ascendens und das Colon descendens weiter mobilisiert werden. 7 Die Naht erfolgt in gleicher Weise wie bei der Hemikolektomie rechts. 7 Nach der Wiederherstellung der Passage wird die Mesokolonlücke verschlossen. 7 Die Einlage eines Drains ist nicht obligat. 7 Nach der Zählkontrolle und der Dokumentation der Vollzähligkeit der Textilien und der Instrumente wird die Wunde schichtweise verschlossen und mit einem Pflasterverband versorgt.
2.12.6
Transversumresektion mit Stapleranwendung
kZusätzliches Instrumentarium
4 Linearer Stapler und intraluminaler, zirkulärer Anastomosenstapler, 4 Tabakbeutelklemmen, 4 Allis-Klemmen.
. Abb. 2.73 Resektion des Colon transversum. (Nach Siewert 2001)
End-zu-End-Anastomose 7 Nach dem Festlegen der Resektionsgrenzen werden an das Resektat scharfe Klemmen gelegt, an die beiden verbleibenden Enden je eine Tabakbeutelklemme, durch die die Tabakbeutelnähte gelegt werden. 7 Nach der Durchtrennung des Darmes mit dem Skalpell wird über eine gesonderte quer verlaufende Kolotomie ein zirkulärer Stapler eingeführt und mit der gelegten Tabakbeutelnaht fixiert. Die Gegendruckplatte wird in das andere offene Darmlumen eingeführt und ebenfalls mit der Naht verknotet. 7 Nach dem Auslösen des Instruments ist die zirkuläre Anastomose geklammert, der Stapler wird unter rotierenden Bewegungen aus dem Darm entfernt und die Schleimhautringe werden auf Vollständigkeit kontrolliert. 7 Die Kolotomie kann nach erfolgter Blutstillung mit einem linearen Verschlussstapler quer geklammert werden.
2
112
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
7 Mobilisation der linken Kolonflexur und des linksseitigen Querkolons. 7 Zentrale Ligatur der A. und V. mesenterica inferior. Je nach Tumorlokalisation ggf. nur Ligatur der A. colica sinistra und Aa. sigmoideae mit Erhalt der A. rectalis superior. 7 Skelettierung und Durchtrennung des tumortragenden Abschnitts. 7 Transversorektostomie durch Handnaht oder in Staplertechnik.
2
2.12.8
Sigmaresektion
Diese Operation kann sehr gut über eine videoassistierte Präparation durchgeführt werden (7 Abschn. 2.15). kIndikation
Sigmakarzinom. kPrinzip . Abb. 2.74 Hemikolektomie links. (Nach Siewert 2006)
2.12.7
Hemikolektomie links
Resektion der Sigmaschleife. Mit Rekonstruktion durch End-zu-End-Anastomose zwischen Rektum und Colon descendens. kLagerung
kIndikation
4 Steinschnittlage mit abgesenkten Beinen, 4 neutrale Elektrode am linken Oberschenkel.
Karzinomlokalisation von der linken Flexur bis zum Colon descendens.
kInstrumentarium
kPrinzip
Resektion der linken Flexur und des Colon descendens (. Abb. 2.74). Die Kontinuität des Darmes wird durch eine End-zu-End-Transversorektostomie bzw. -sigmoidostomie wiederhergestellt. kLagerung
4 Rückenlage, leicht überstreckt, 4 neutrale Elektrode am linken Oberschenkel. kInstrumentarium 7 Abschn. 2.12.3.
Hemikolektomie links 7 Quere Oberbauchlaparotomie. 7 Mobilisierung des Colon descendens und des Sigmas. 6
4 4 4 4 4 4
Grund- und Laparotomieinstrumentarium, Rahmen, Allis- und Duval-Klemmen, Gummizügel, Darmklemmen, evtl. Klammernahtinstrumente und Tabakbeutelklemmen, 4 evtl. bipolare Schere. Bei einer Stapleranastomose von anal ist ein separater Instrumentiertisch nötig mit: 4 Darmrohr, 4 Blasenspritze, 4 scharfer Klemme, 4 zirkulärem Klammernahtinstrument, 4 evtl. Bougies, 4 Stieltupfern, 4 gefärbter Spüllösung.
113 2.12 · Dickdarm
Sigmaresektion 7 Über eine mediane oder quer verlaufende Unterbauchlaparotomie erfolgt die Exploration des Abdomens. Nach dem Einsetzen des Rahmens wird das Dünndarmpaket in feuchte Tücher oder in einen Intestinalbeutel gelegt und nach oben abgedrängt. 7 Die Resektionslinien werden festgelegt. 7 Das Sigma wird angespannt und die peritoneale Umschlagfalte an der seitlichen Bauchwand mit der Schere inzidiert. 7 Bei unübersichtlichen anatomischen Verhältnissen kann der linke Ureter aufgesucht und ggf. mit einem dünnen Gummizügel angeschlungen werden. 7 Das Sigma lässt sich stumpf nach medial abschieben. Die A. mesenterica inferior wird unterhalb des Abganges der A. colica sinistra zentral ligiert und durchtrennt. 7 Das Colon descendens muss nach kranial so weit mobilisiert werden, dass nach der Resektion die Darmenden spannungsfrei anastomosiert werden können. 7 Die Skelettierung des Mesosigmas erfolgt mit Overholt-Klemmen und Ligaturen oder mit einem Einzelclipstapler. 7 Beidseits werden weiche Darmklemmen angesetzt und das Resektat wird zwischen scharfen Klemmen verschlossen. Dazwischen wird der Darmabschnitt mit dem Skalpell abgesetzt. 7 Die Darmlumina werden mit trockenem oder in Desinfektionslösung getränktem Tupfer gereinigt. 7 Dann werden die beiden Stümpfe des Colon descendens und des Rektums aneinander gelegt und durch Handnaht End-zu-End miteinander anastomosiert (7 Abschn. 2.12.3). Auf die Anlage eines passageren Anus praeternaturalis kann in der Regel verzichtet werden. 7 Nach der Zählkontrolle der Textilien und der Instrumente sowie der Dokumentation der Vollzähligkeit schichtweiser Wundverschluss und Verband.
Klammernahtanastomose 7 Das Sigma wird distal mit einem linearen Stapler oder mit einem linearen Anastomosenstapler verschlossen und durchtrennt. 7 Am Colon-descendens-Stumpf wird eine Tabakbeutelklemme mit der dazugehörenden Naht angelegt, die Gegendruckplatte des zirkulären Klammernahtinstruments wird eingeführt und festgeknotet. 6
7 Von anal wird zunächst mit Darmrohr und gefärbter Spüllösung die Klammernaht am Rektumstumpf auf Dichtigkeit geprüft. Nach einer Sphinkterdehnung wird der Stapler eingeführt. Hierzu kann er vorher mit einem Gel gleitfähiger gemacht werden. 7 Der Dorn wird aus dem Klammernahtinstrument herausgedreht und durchstößt den Rektumstumpf mittig dicht an der Klammerreihe. Nach der Adaptation des Magazins zur Gegendruckplatte entsteht mit der Auslösung des Klammervorgangs die zirkuläre Anastomose. 7 Nach Öffnen je nach Gerätetyp mit 2–4 (halben) Umdrehungen (abhängig vom Hersteller) wird das Gerät vorsichtig entfernt. Die ausgestanzten Anastomosenringe werden auf Vollständigkeit überprüft. 7 Zusätzlich wird von anal ein Darmrohr eingeführt und darüber gefärbte Spüllösung in den Darm instilliert. Die Dichtigkeit gilt als gegeben, wenn keine Flüssigkeit über die Anastomose austritt.
Erweiterte Resektionen Indiziert bei Tumorlokalisationen im Grenzbereich der Lymphabflussgebiete, bei großen Tumoren oder bei Mehrfachtumoren. Beispiel: Tumorwachstum über die linke Flexur mit Infiltration der Milz und Lymphknotenmetastasierung. Es besteht die Indikation für eine subtotale Kolektomie mit Lymphknotendissektion und Splenektomie; Anastomosierung als Ileorektostomie.
Kontinenzunterbrechende Koloneingriffe Kontinenzunterbrechende Operationen haben bei der Behandlung des Dickdarmkarzinoms in den letzten Jahren an Bedeutung verloren. Indikationen stellen lediglich noch dar: 4 ausgedehnte, nichtoperable Tumoren, 4 eine Peritonealkarzinose, 4 eine Tumorinfiltration in den Schließmuskel oder 4 schwerste Komplikationen mit Peritonitis, z. B. nach Tumorperforation oder nach nichtkorrigierbaren Anastomosenkomplikationen.
2.12.9
Anus-praeternaturalis-Kolostomie
Definition Anus praeternaturalis (AP) nennt man eine künstlich angelegte Darmöffnung, durch die der gesamte Darminhalt an die Bauchoberfläche entleert wird.
2
114
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
Bei Colitis ulcerosa und familiärer Polyposis wird die totale Proktokolektomie damit beendet, dass das Ende des verbleibenden Ileums in die Haut eingenäht wird. Diese Ableitung wird Ileostoma oder Enterostoma genannt. Im Unterschied zum Colostoma wird hier die Ausleitung prominent angelegt, indem der Ileumstumpf »umgestülpt« wird (. Abb. 2.76).
2
Doppelläufiger Anus praeternaturalis Der doppelläufige AP wird als vorübergehender Darmausgang geplant, entweder bei einer Ileusoperation oder nach einer Darmresektion zur Schonung der Anastomose. Bei einer primär nichtsanierbaren Ileusursache im Bereich des Sigmas sollte der AP, wenn möglich, an der rechten Flexur angelegt werden, um bei der später vorgesehenen Resektion für eine spannungsfreie Anastomose die linke Flexur mobilisieren zu können. Ein dauerhafter AP kann auch im Bereich des Sigmas angelegt werden. . Abb. 2.75 a–c Optimale AP-Positionen. a Ileostoma, b Transversostoma, c Sigmaafter. (Nach Schumpelick et al. zit. nach Heberer et al. 1993)
Doppelläufiger Anus praeternaturalis nach Maydl kIndikation
Als Notfalleingriff bei einem stenosierenden Karzinom mit Ileuserscheinungen oder zur Schonung einer frischen Darmanastomose. kPrinzip
Durch eine Inzision neben der Laparotomiewunde wird eine mobilisierte Dickdarmschlinge hervorgezogen, über einen »Reiter« gelegt, fixiert und erst eröffnet, wenn die Laparotomiewunde verschlossen ist. a
b
kLagerung
4 Rückenlage, 4 neutrale Elektrode an einem Oberschenkel. kInstrumentarium
c
d
. Abb. 2.76 a–d Endständiges (a) und doppelläufiges (b) Ileostoma. c, d Bildung eines prominenten und endständigen Ileostomas. (Nach Siewert 2006)
Die Fistel wird immer nach dem Darmanteil benannt, der zur Bauchdecke ausgeleitet wird (. Abb. 2.75). Eine solche Darmausleitung kann doppelläufig oder im Falle der Exstirpation des Rektums und des distalen Kolonanteils als endständiger AP angelegt werden.
4 4 4 4
Grund- und Laparotomieinstrumentarium, Gummizügel, gebogene Kornzange, Reiter (aus Glas, Metall, Kunststoff oder Gummi).
AP-Anlage 7 Zur Anlage des AP wird meist eine mediane Laparotomie vorgenommen. Der Anus praeternaturalis wird durch eine zweite sparsame, zirkuläre, höchstens 2–3 cm große Inzision, z. B. im rechten Oberbauch, ausgeleitet. Eine Ausleitung über eine einzige Laparotomiewunde ist komplikationsbehaftet. 6
115 2.12 · Dickdarm
7 Um den Kolonabschnitt ohne Spannung vor die Bauchdecke lagern zu können, wird der Mesokolonansatz in einem gefäßfreien Areal mit einem Overholt gespalten, um den Darm mit einer gebogenen Kornzange durch einen Gummizügel anzuschlingen. 7 Anschließend wird der Darmabschnitt mit 2–3 seromuskulären Spornungsnähten zwischen zuund abführendem Schenkel im Bereich der Tänie zur »Doppelflinte« ausgebildet. 7 Dann kann die Schlinge mit dem Zügel durch die gesonderte Inzision der Bauchdecke vorverlagert werden. Der Zügel liegt auf der Faszie und dient später als Reiter. Es gibt auch spezielle Glas-, Kunststoff- oder Metallstäbchen als Reiter. 7 Es kann eine sog. Reiternaht ausgeführt werden; sie fasst die Rektusscheide in Form einer U-Naht zwischen der vorverlagerten Darmschlinge (. Abb. 2.77), sodass der Darm auch nach dem Abschluss der Operation nicht wieder in die Bauchhöhle zurückgleiten kann. Gleichzeitig wird der zuführende von dem abführenden Schenkel getrennt. 7 Der AP kann mit Einzelknopfnähten der Serosa am Peritoneum fixiert werden. 7 Die Laparotomiewunde wird verschlossen. 7 Der Reiter kann mit einer Naht an der Haut fixiert werden. Bei den industriell gefertigten Reitern mit Steckverbindung ist diese Naht überflüssig. 7 Die Eröffnung des Kunstafters erfolgt nach Verschluss und Abdeckung der Laparotomiewunde. 7 Häufig wird der gespornte AP lediglich mit Hilfe des epifaszial gelegenen Gummizügels und mit mukokutanen Nähten fixiert; alle weiteren Nähte erscheinen verzichtbar.
Häufig ist die laparoskopische AP-Anlage möglich (7 Abschn. 2.15).
Zurückverlagerung Ist der AP nicht mehr erforderlich, kann er zurückverlagert werden. Voraussetzung ist, dass die Darmpassage bis zur Analöffnung frei ist.
AP-Rückverlagerung 7 Die Haut wird um den AP spindelförmig (wetzsteinförmig) umschnitten. 7 Mit mehreren Einzelknopfnähten werden die beiden Seiten der Hautumschneidung miteinander vereinigt. Dadurch wird eine Verunreinigung durch den austretenden Darminhalt vermieden. 6
. Abb. 2.77 »Reiternaht«: U-Naht der Rektusscheide
7 Die Verwachsungen zwischen den beiden Darmschenkeln und den Bauchwandschichten werden teils stumpf, teils scharf gelöst. 7 Zwei weiche Darmklemmen werden an die zuund abführende Schlinge gesetzt, die Haut und das Narbengewebe aus der Umgebung des AP werden bis zum Serosarand abgetragen. 7 Der Darmverschluss erfolgt quer mit Einzelknopfnähten, die Knoten liegen im Lumen. Eine zweite, seromuskuläre Nahtreihe beendet den Verschluss. 7 Bei Bedarf wird eine Drainage in die Nähe des ehemaligen künstlichen Anus gelegt. Sollte die Darmschlinge im Verschlussbereich stenosiert sein, ist es sinnvoll, ein kurzes Stück zu resezieren und eine End-zu-End-Anastomose zu erstellen. 7 Schichtweiser Wundverschluss, Verband.
Endständiger Anus praeternaturalis (terminaler AP) Wird eine Rektumamputation vorgenommen oder kann eine Anastomose zwischen dem proximalen und dem distalen Darmabschnitt nach einer Resektion nicht hergestellt werden, muss das Sigma den endständigen AP bilden und nach außen abgeleitet werden (. Abb. 2.76). Der verschlossene Darm wird durch eine Inzision der Bauchdecke seitlich der Laparotomie ausgeleitet. Bei einer geplanten Operation sollte diese Stelle vorher am stehenden Patienten eingezeichnet werden, um eine optimale postoperative Stomapflege zu gewährleisten. Auch diese Stomaform kann laparoskopisch angelegt werden. Die Haut wird im Ausleitungsgebiet rundlich so großflächig exzidiert, dass eine Stenose des AP unwahrscheinlich ist. Mit einer stumpfen Klemme, z. B. einer Kornzange, wird nach der Faszieninzision eine Bauchdeckenlücke geschaffen. Die durchgezogene Darmschlinge wird durch
2
116
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
Dabei wird die Darmpassage durch eine Seit-zu-SeitAnastomosierung des Ileums vor der Stenose mit dem Dickdarmabschnitt hinter der Stenose (z. B. Quercolon) am Tumor vorbeigeleitet.
2
2.12.10
Rektumresektion/-amputation
Karzinomlokalisation
. Abb. 2.78 Tiefe vordere Rektumresektion (Anastomose auf Höhe des M. puborectalis oder der Linea dentata. (Nach Siewert 2006)
mehrere Einzelknopfnähte am parietalen Peritoneum fixiert. Die Lücke zwischen Mesosigma und Peritoneum sollte geschlossen werden, um eine innere Hernie zu verhindern. Verschluss der Laparotomiewunde in üblicher Art und Weise. Eröffnen des Darmes und Vernähen der Sigmaschleimhaut mit der Haut durch Einzelknopfnähte. Dabei wird die Darmwand geringfügig ausgestülpt. Versorgung mit einem Kolostomabeutel.
Operation nach Hartmann kPrinzip
Resektion des tumortragenden Abschnitts, Blindverschluss des Rektumstumpfs, endständige Ausleitung des Sigmas als Stoma im linken Unterbauch (Hartmann I). Es besteht die Möglichkeit einer Reanastomose zur Wiederherstellung der Darmpassage (Hartmann II).
Palliative Umgehungsanastomosen Im Allgemeinen sollte jeder resektionsfähige Tumor mit palliativer Zielsetzung entfernt werden, um zumindest für eine gewisse Zeit eine bessere Lebensqualität zu erreichen. Bei nichtresektablen Tumoren, z. B. im Zäkum oder Colon ascendens oder bei Dünndarmmetastasen, sind Umgehungsanastomosen indiziert.
Am Rektum werden ein oberes, ein mittleres und ein unteres Drittel unterschieden. Etwa 42% der Dickdarmkarzinome sind im Rektum lokalisiert. Arteriell wird das Rektum im oberen Drittel über die A. rectalis superior (entspringt aus der A. mesenterica inferior), im mittleren und unteren Drittel über die paarigen Aa. rectales mediae und Aa. rectales inferiores (entspringen aus der A. iliaca interna) versorgt (. Abb. 2.71). Der venöse Abfluss erfolgt über die V. rectalis superior in die V. portae und über die V. rectalis media und inferior zur V. cava inferior. Tumoren der oberen zwei Drittel des Rektums können meist kontinenzerhaltend operiert werden. Ein Sicherheitsabstand von mindestens 1–2 cm unterhalb des unteren Tumorrandes wird als ausreichend angesehen. Mit der Einführung der Klammernahttechnik bei der Chirurgie des Rektumkarzinoms verdrängten sphinktererhaltende Rektumresektionen mit Anastomosierung im kleinen Becken zunehmend die abdominosakrale Rektumamputation. Mit dieser Technik sind Anastomosen bis ca. 2 cm oberhalb der Anokutanlinie möglich. Eine Steigerung kontinenzerhaltender Operationen ist durch die Vorschaltung einer Radiochemotherapie bei lokal fortgeschrittenen tiefen Rektumtumoren möglich geworden (neoadjuvante Radiochemotherapie). Eine Weiterentwicklung auf diesem Gebiet sind die laparoskopischen Operationstechniken (7 Abschn. 2.15).
Kontinenzerhaltende anteriore Rektumsigmoidresektion kIndikation
Tumorbefall im Übergang vom Rektum zum Sigma. kPrinzip
Resektion des tumorbefallenen Gebietes (. Abb. 2.78) und End-zu-End-Sigmoidorektostomie, selten per Handanastomose, zumeist unter Zuhilfenahme eines zirkulären Staplers, der von anal eingebracht wird. In der Regel ist die Mobilisation der linken Kolonflexur erforderlich. kLagerung
4 Perineallage, d. h. abgewandelte Steinschnittlage, bei Bedarf Trendelenburg-Lagerung (. Abb. 2.79 und . Abb. 2.80), 4 neutrale Elektrode an einem Oberschenkel.
117 2.12 · Dickdarm
kInstrumentarium
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium, 4 extra lange Präparationsinstrumente für das kleine Becken, 4 Golligher- oder Kirschner-Rahmen, 4 Gummizügel, 4 abgewinkelte Darmklemmen z. B. nach Götze, 4 weiche Darmklemmen. Bei Stapleranwendung: 4 Tabakbeutelklemmen, 4 Allis-Klemmen,
. Abb. 2.79 Lagerung mit abgesenkten Beinhaltern und Lagerung auf Vakuummatte. (Nach Krettek u. Aschemann 2005)
und ein Zusatztisch mit 4 dem zirkulären Klammernahtinstrument, 4 Darmrohr, 4 Gleitgel, 4 gefärbter Spüllösung, 4 Stieltupfer. Rektumresektion 7 Der Operateur steht meist an der linken Seite des Patienten. 7 Der Zugang über die untere mediane Laparotomie ermöglicht eine ausgedehnte Exploration mit Inspektion der Leber, der Milz und des kleinen Beckens. 7 Die Resektionslinien werden festgelegt und ggf. mit Haltefäden markiert. 7 Das Sigma wird von der seitlichen Bauchwand gelöst, der linke Ureter dargestellt und bei Bedarf angeschlungen. Alternativ wird präoperativ transurethral geschient. 7 Das Mesenterium wird entlang der Resektionslinien mit Overholt und Ligaturen durchtrennt, die A. und V. mesenterica inferior an ihren Abgängen ligiert. 7 Die Mobilisation des Colon descendens wird durch bipolare Scherendissektion oder mit Overholt-Präparation der Bänder, die die linke Flexur halten, erreicht. 7 Das Beckenbodenperitoneum um den Darm herum wird mit der Schere inzidiert. 7 Die Auslösung des Rektums im Becken erfolgt im Spaltraum der Grenzlamelle, ventral begrenzt durch die Samenbläschen bzw. die Vaginalhinterwand, dorsal begrenzt durch die Kreuzbeinhöhle. Auf diese Weise entfällt mit dem Resektat der gesamte mesorektale Fettkörper, der mögliche Lymphknotenmetastasen enthält (proximale/ totale Mesorektumexzision). 6
. Abb. 2.80 Steinschnittlage in Trendelenburg mit Vakuummatte und Beinhaltern in Einhandbedienung; gute Dekubitus- und Plexusprophylaxe. (Nach Krettek u. Aschemann 2005)
7 Bei der Präparation ist die Schonung der autonomen Nervenversorgung zu beachten. 7 Seitlich werden die Paraproktien mit den Gefäßen unter Schonung der Harnleiter durchtrennt. Das Rektum wird mit einer weichen Darmklemme im verbleibenden Teil und mit einer abgewinkelten Klemme, z. B. nach Satinsky, im abfallenden Teil gequetscht und dazwischen mit dem Skalpell durchtrennt. 7 Der gleiche Vorgang wird am Sigma wiederholt. 6
2
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
7 Bei der Anwendung von Klammernahtinstrumenten werden am Rektumstumpf ein lineares Klammernahtinstrument und am Sigmastumpf eine Tabakbeutelklemme angesetzt. 7 Die Anastomose erfolgt entweder von Hand oder maschinell.
Tiefe Rektosigmoidostomie von Hand 7 Um ein Abrutschen des Rektumstumpfes zu verhindern, sollten mehrere Haltefäden oder AllisKlemmen angelegt werden. 7 Die beiden Darmstümpfe werden spannungsfrei einander genähert. Die Anastomose beginnt mit vorgelegten seromuskulären Hinterwandnähten; hierbei werden am Sigma die Serosa, am Rektum bei fehlender Serosa die Muskelwand gefasst. 7 Danach werden die gelegten Hinterwandnähte geknüpft. Die Vorderwand wird allschichtig genäht; die Knoten ins Lumen versenkt.
Tiefe Kolorektalanastomose mit einem zirkulären Anastomosenstapler 7 Nach Freipräparation des Rektums wird unterhalb des Tumors mit einem linearen Stapler abgesetzt. Bei tiefster Absetzung erleichtert der ContourStapler (. Abb. 2.81) die kontaminationslose freie Absetzung mit beidseitigem Verschluss der Lumina. Nach Sphinkterdehnung und Überprüfung der Dichtigkeit der Klammernahtreihe am Rektumstumpf wird der zirkuläre Stapler vor dem Einführen mit einem Gleitgel benetzt und über den Analkanal eingeführt. Der Rektumstumpf wird mit dem Dorn des Klammernahtinstruments in der Mitte perforiert. 7 Die zirkuläre Anastomose wird mit einem möglichst großen Magazin geklammert, nachdem die Gegendruckplatte in den oralen Kolonschenkel eingeknüpft und in das Nahtmagazin eingerastet ist. 7 Bei exakter Ausführung kommen dadurch 2 zirkuläre, konzentrische Klammerreihen zustande, während ein zirkuläres Messer geringeren Durchmessers das von den Klammern zusammengedrückte invertierte Gewebe im Kolon und Rektum durchschneidet. 6
7 Nach behutsamer Entfernung des Staplers werden die Darmwandringe auf Vollständigkeit überprüft. Zusätzlich wird die Anastomosendichte durch Auffüllen mit einer gefärbten Spülflüssigkeit über ein Darmrohr geprüft. Eventuell vorhandene Anastomosendefekte müssen sorgfältig übernäht werden. Im Zweifelsfall muss die Anastomose reseziert und neu angelegt werden. 7 Als letzter Schritt der Operation kann eine Extraperitonealisierung der Anastomose erfolgen. Das in umgekehrter U-Form eröffnete Peritoneum des Beckenbodens wird so rekonstruiert, dass die Wundränder vorn zusammengenäht und hinten zirkulär an das Sigma angeheftet werden. So wird die Anastomose nach außerhalb des Peritoneums verlagert. Wenn das gut mobilisierte Colon descendens locker in das kleine Becken fällt, wird der gleiche Effekt erzielt. 7 Eine Drainage kann neben dem Darm durch das Peritoneum des Beckenbodens geführt werden. Bei unkompliziert verlaufener Operation ist dies nicht erforderlich. 7 Nach der obligaten Zählkontrolle sowie der Dokumentation der Vollzähligkeit der Textilien und Instrumente beginnt der schichtweise Wundverschluss. Die Operation endet mit der Versorgung der Drainage und dem Verband.
Im Falle einer sehr dicht an den Schließmuskel reichenden Anastomose sollte ein protektives Stoma angelegt werden.
Abdominoperineale Rektumamputation kIndikation
Sehr nah am Anus gelegenes Rektumkarzinom ohne die Möglichkeit den Sphinkterapparat erhalten zu können. kPrinzip
Totale Entfernung des distalen Sigmas, des Rektums und des Anus mit systematischer Entfernung des Lymphabflussgebietes en bloc. Endständige Ausleitung des Restsigmas als AP. Die Operation kann nahezu gleichzeitig von abdominal und sakral mit 2 OP-Teams durchgeführt werden. Die abdominale Präparation kann laparoskopisch durchgeführt werden. kLagerung
4 Steinschnittlagerung, 4 Trendelenburg-Lagerung, Dispersionselektrode an einem Oberschenkel.
119 2.12 · Dickdarm
a
b
c
. Abb. 2.81a–c Techniken der koloanalen Anastomosierung: a transanale Handnaht, b intersphinktäre Stapleranastomose, c Doublestapling-Anastomose. (Nach Siewert et al. 2006)
kInstrumentarium
Abdominal: 4 Grund- und Laparotomieinstrumente, 4 lange Präparationsinstrumente, 4 lange Haken, 4 Kirschner– oder anderes Rahmensystem, 4 Götze-Klemmen, 4 Duval-Klemmen, 4 weiche Darmklemmen, 4 Gummizügel, 4 bei Bedarf linearer Verschlussstapler und Einzelclipstapler, 4 bei Bedarf bipolare Schere, 4 bei Bedarf laparoskopisches Equipment (7 Abschn. 2.15). kSakral:
4 Grundinstrumentarium mit Diathermie, 4 Allis-Klemmen. ! Wenn mit 2 Teams gearbeitet wird, müssen die Instrumente und Textilien für den sakralen Eingriff streng separat gehalten und getrennt von denen des abdominalen Eingriffs gezählt werden.
Abdominoperineale Rektumamputation 7 Zur Vorbereitung der Operation wird ein Dauerkatheter gelegt, bei weiblichen Patientinnen kann die Scheide austamponiert werden, um so eine Präparationshilfe zu bieten. 7 Die Analöffnung wird mit einer dicken Naht verschlossen. 7 Die Position des vorgesehenen AP wurde am stehenden Patienten präoperativ eingezeichnet. Abdominale Phase: 7 Der Operateur steht auf der linken Seite des Patienten, der erste Assistent ihm gegenüber, der zweite zwischen den Beinen des Patienten. Die instrumentierende Pflegekraft steht am günstigsten links neben dem Operateur, den Instrumentiertisch über ein Bein des Patienten geschoben. 7 Als Zugang kommt die untere mediane Laparotomie, von der Symphyse bis zum Nabel, zur Anwendung. Bei Bedarf lässt sich der Schnitt verlängern. 7 Der erkrankte Mastdarmabschnitt und die benachbarten Organe werden nach harten, tumorinfiltrierten Lymphknoten abgetastet. 7 Die Präparation des Rektums und des Sigmas ähnelt der für die anteriore Rektumresektion. Zu6
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
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erst wird mit der Schere das Sigma aus der Adhäsion zum linken Retroperitoneum gelöst, und nach rechts gezogen. Das proximale Sigma wird mit einem linearen Verschlussstapler geklammert und vom Resektat abgesetzt. Der gleiche Arbeitsschritt kann z. B. mit einem linearen Anastomosenstapler durchgeführt werden. Es sollte keine zu lange Sigmaschlinge belassen werden, damit später kein Siphon entsteht oder ein Prolaps des Sigmakunstafters auftritt. Rektum- und Sigmastumpf werden desinfiziert und können mit einem Gummihandschuh bedeckt werden, um eine Kontamination der Bauchhöhle zu vermeiden. Retroperitoneal wird der linke Ureter dargestellt und ggf. mit einem dünnen Gummizügel angeschlungen. Nach Inzision des Beckenbodenperitoneums erfolgt die Mobilisierung des Rektums durch dorsales stumpfes Eingehen in die Sakralhöhle in Höhe des Promontoriums. Die A. rectalis superior sollte ligiert werden, ggf. wird die A. mesenterica inferior dargestellt und doppelt ligiert. Nach der Freipräparation der Rektumvorderseite werden seitlich die Paraproktien stumpf aufgeladen und zwischen Overholt-Klemmen und Ligaturen durchtrennt. Standardmäßig wird die totale Mesorektumexzision durchgeführt. Das zirkuläre Auslösen des Rektums wird soweit wie möglich bis zur Levatormuskulatur von abdominal durchgeführt.
Perineale Phase: 7 Wenn nur ein Team zur Verfügung steht, beginnt diese Phase nach ausgiebiger Mobilisation des Rektums von abdominal. Andernfalls beginnt das zweite Team mit der perinealen Phase, wenn das erste Team mit der abdominalen Rektumauslösung beginnt. 7 Der After wird spindelförmig mit dem Skalpell oder dem Diathermiemesser umschnitten und mit Schere und Pinzette zirkulär freipräpariert. 7 Es folgt die zylinderförmige Auslösung des Rektums mitsamt der Schließmuskulatur aus dem ischiorektalen Fettgewebe. 7 Anschließend werden das Lig. anococcygeum dorsal und die Levatorenmuskulatur seitlich durchtrennt. 7 Nach Hervorluxieren des blind verschlossenen Rektumstumpfes aus der Sakralwunde heraus können 6
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die verbliebenen Gewebebrücken zur Prostata bzw. Scheidenrückfläche durchtrennt werden. Sakral wird die Blutstillung vervollständigt und die Sakralwunde primär mit einer fortlaufenden Hautnaht verschlossen. Alternativ gibt es die Möglichkeit sie zugranulieren zu lassen. Hierzu wird ein Folienbeutel mit Streifentamponaden eingelegt. Nach einem Handschuh- und Instrumentenwechsel kann die abdominale Versorgung fortgesetzt werden. Stand ein zweites Team zur Verfügung, kann der Operateur des abdominalen Teams bei Bedarf während des Sakralwundenverschlusses eine Netzplombe herstellen. Dazu wird das Omentum majus vom Querkolon abgelöst und soweit freipräpariert, dass es gestielt nur noch an den linken gastroomentalen Gefäßen hängt. So wird es dann in die Sakralhöhle gezogen, die es wie eine Plombe ausfüllt. In günstig gelagerten Fällen kann der nachfolgend beschriebene OP-Ablauf bereits komplett mit dem ersten Teil kombiniert werden. Nach der Zählkontrolle der Textilien und Instrumente sowie der Dokumentation der Vollzähligkeit wird das Beckenbodenperitoneum durch Naht oder Einnähen eines resorbierbaren Netzes (z. B. Vicryl) verschlossen. Dies verhindert das Hineinrutschen von Dünndarmschlingen in die Sakralhöhle und gilt als Schutz bei evtl. erforderlicher Bestrahlung. Das Dünndarmpaket wird im Sinne von Noble angeordnet. Die beiden lateralen Peritonealränder von der Harnblase bis zur Wurzel des verbliebenen Mesosigmaanteils können fortlaufend vernäht werden. An der angezeichneten Ausleitungsstelle des AP wird eine Bauchdeckenlücke geschaffen, durch die der geklammerte Sigmaschenkel gezogen wird. Eine seitliche Schnürnaht zwischen Sigma und parietalem Peritoneum der Bauchwand verhindert ein Durchrutschen der Dünndarmschlingen. Gegebenenfalls wird in den Douglas-Raum eine dicke Drainage gelegt. Die Laparotomiewunde wird verschlossen, wenn die Textilien und Instrumente gezählt wurden und ihre Vollzähligkeit dokumentiert wurde. Nach dem Laparotomieverschluss wird die Hautnaht abgedeckt und der blindverschlossene Sigmaschenkel zirkulär wenige Millimeter über dem Hautniveau abgetrennt. Die Darmwand wird leicht ausgestülpt, an der Haut fixiert und mit einem Kolostomabeutel versorgt.
121 2.12 · Dickdarm
Vor- und Nachbehandlung
2.12.12
Bei wandüberschreitend gewachsenen Rektumkarzinomen oder bei Vorliegen von Lymphknotenmetastasen wird eine kombinierte Radiochemotherapie präoperativ neoadjuvant empfohlen. Eine weitere ambulante Nachsorge ist erforderlich, indem die Chemotherapie, je nach Tumorstadium, postoperativ fortgesetzt wird.
Definition Das Divertikel ist die häufigste erworbene Fehlbildung des Dickdarms. Es handelt sich dabei um Ausstülpungen der Darmschleimhaut durch Lücken in der Muskelschicht. Da die Wandung nicht aus allen Schichten des Dickdarmes besteht, bezeichnet man sie auch als Pseudodivertikel.
Komplikationen Komplikationen beim Kolon-Rektum-Karzinom sind: 4 Anastomoseninsuffizienz: Die Rate der Nahtinsuffizienzen mit notwendiger Relaparotomie ist im Allgemeinen gering. 4 Die Insuffizienzen treten häufiger bei sehr tiefen Anastomosen auf. Daher wird hier die protektive Stomaanlage empfohlen. 4 Wundinfektion: Die Wundinfektionsrate konnte von 50–60% auf ca. 10% unter Durchführung einer perioperativen Antibiotikaprophylaxe und der Darmlavage gesenkt werden. 4 Letalität: Die Letalität ist abhängig von den Begleiterkrankungen und der Tumorausdehnung. 2.12.11
Vorgehen bei Analkarzinom
Das Analkarzinom ist selten und macht nur etwa 1–2% der kolorektalen Karzinome aus. Zu unterscheiden sind: 4 das Analrandkarzinom, 4 das Analkanalkarzinom. Das Analkarzinom erscheint als flacher, derber, oft zentral ulzerierter Tumor. Meist liegt histologisch ein Plattenepithelkarzinom vor (90%). In Übereinstimmung mit der regionalen Lymphdrainage finden sich 3 Metastasierungswege: 4 in die Mesenteriallymphknoten (proximal gelegene Analkarzinome), 4 in die Beckenlymphknoten (proximal gelegene Analkarzinome), 4 in die oberflächlichen inguinalen Lymphknoten (Tumoren distal der Linea dentata). Das Behandlungskonzept hat sich zugunsten einer Kontinenzerhaltung verändert. Nach Probeentnahme und histologischer Sicherung erfolgt zunächst eine kombinierte Radiochemotherapie. Nach einem Intervall von 6–8 Wochen wird eine Nachexzision im Bereich des Tumorbettes vorgenommen. In vier Fünftel der Fälle ist der Tumor komplett eliminiert. Bei nur einem Fünftel der Patienten ist dann noch Resttumor nachweisbar. Bei großem Resttumor oder einer Sphinkterinfiltration ist erst dann eine abdominoperineale Resektion (s. oben) erforderlich.
Divertikel und ihre Behandlung
Divertikulose Divertikulose bedeutet lediglich das Vorhandensein von Divertikeln. Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu; 40% der über 60-jährigen und 50% der über 70-jährigen Menschen weisen eine Divertikulose auf. Nur jeder 10. davon bedarf jedoch einer Therapie.
Divertikulitis Diesem Krankheitsbild liegen entzündliche Veränderungen der Divertikel zugrunde. Die Entzündung ist zunächst in unmittelbarer Nähe der Divertikel lokalisiert (Peridivertikulitis); bei einem Fortschreiten auf angrenzende Organe liegt eine Perikolitis vor. Hier können sich Abszesse bilden. Es kann zu freien Perforationen mit Peritonitis kommen und ebenso können sich narbige Folgezustände mit Stenose und Fistelbildung entwickeln. Auch Divertikelblutungen können auftreten.
Pathogenese der Divertikulitis In den Divertikeln, die sich im Bereich der Gefäß-MuskelLücken der Dickdarmwand ausbilden, entwickeln sich sog. Kotsteine. Durch Drucknekrosen der Schleimhaut beginnt der Entzündungsprozess; aus Mikroperforationen entwickeln sich peridivertikulitische Entzündungsinfiltrate.
Komplikationen 4 4 4 4 4
Gedeckte Perforation, Abszess, freie Perforation mit Peritonitis, Stenose bei chronischer Divertikulitis, Blutung, Blasenfistel mit Abgang von Darmgas und Stuhlpartikeln im Urin und andere Fisteln.
Lokalisation In 90% der Erkrankungen ist das Sigma beteiligt; hierbei ist es in 50% isoliert befallen.
Anamnese Patienten mit einer Divertikulitis kommen erst bei Schmerzen oder Entzündungszeichen in die chirurgische Behandlung. Wichtig ist dann die Frage, ob schon früher ähnliche
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
Beschwerden bestanden haben. Die Sigmadivertikulitis zeigt das Bild einer sog. »Linksappendizitis«: 4 Übelkeit und Erbrechen. 4 Umschriebene Druckschmerzhaftigkeit und lokale Abwehrspannung im linken Unterbauch. 4 Sigma als walzenförmige Geschwulst tastbar. 4 Rektale Untersuchung schmerzhaft. 4 Fieber, Leukozytose.
Diagnostik 4 Sonographie, 4 bei entsprechender Klinik primär Computertomographie mit Einlauf von wässrigem Kontrastmittel, 4 Koloskopie im Intervall, 4 evtl. Zystoskopie, Fisteldarstellung. jDivertikelblutung ! Diese Blutungen sind oft massiv und zum Schock führend, v. a. bei älteren Patienten mit Bluthochdruck. Die Blutungsquelle ist selten durch eine selektive Angiographie darstellbar und dann in der Regel im Colon ascendens und in der linken Flexur zu finden.
Therapie jKonservative Behandlung
Die konservative Behandlung ist bei dem 1. Schub einer einfachen Divertikulitis sowie bei einer passageren Blutung angezeigt. jOP-Indikationen
4 Elektive Frühresektion: 5 bei Beginn im jugendlichen Alter, 5 bei einem schweren Erstanfall, 5 bei häufigen heftigen Attacken mit peritonitischen Zeichen, 5 bei einem großen Divertikelkonglomerattumor, 5 bei gehäuften Fieberschüben, 5 bei rezidivierenden Blutungen. 4 Absolute OP-Indikation: 5 Perforation mit und ohne Peritonitis, 5 Ileus, 5 massive Blutung. 4 Operationen mit aufgeschobener Dringlichkeit: 5 lokale Abszedierung, 5 inkompletter Ileus, 5 Fistelung, 5 rezidivierende Blutung. jOperative Therapie
Das wichtigste Prinzip ist die Beseitigung des septischen Herdes. Eine Resektion des sichtbar und tastbar veränderten Sigmaabschnitts sollte über mindestens 20 cm
erfolgen und die obere Resektionsgrenze ca. 10 cm oberhalb des Entzündungsherdes liegen. Die untere Grenze sollte immer die sog. »Hochdruckzone« mit erfassen. Sie wird für die Divertikelentstehung und für mögliche Rezidive verantwortlich gemacht. Sie entspricht dem rektosigmoidalen Übergang in Höhe des Peritoneums. Das Vorhandensein von weiter proximal gelegenen Divertikeln bei sonst unauffälliger Kolonbeschaffenheit ist bedeutungslos. Die primäre Kontinenzresektion mit einer Deszendorektostomie ist das Verfahren der Wahl. Auch bei der perforierten Kolondivertikulitis wird seit längerer Zeit eine primäre Anastomose angelegt, die nachfolgend im Konzept der Etappenlavagetherapie kontrolliert werden kann (7 Abschn. 2.14). Der endgültige Bauchdeckenverschluss erfolgt dann bei unauffälliger lokaler Anastomosensituation und beherrschter Peritonitis. Den Patienten bleibt damit die Anlage eines AP erspart; ein Sekundäreingriff ist nicht mehr erforderlich. Nur im Ausnahmefall sollte eine Resektion des Sigmas mit Blindverschluss des Rektumstumpfes und Anlage eines endständigen Sigma-AP erfolgen (7 Abschn. 2.12.9). Gründe hierfür können ein kritischer Allgemeinzustand des Patienten, die technische Undurchführbarkeit einer Anastomose oder Anastomosenkomplikationen sein. Eine alleinige AP-Anlage ist selten indiziert. Bei allen kontinenzerhaltenden Notfalloperationen ist die intraoperative Darmspülung erforderlich. Lässt sich das akute Entzündungsstadium konservativ beherrschen, so wird die Sigmaresektion zunehmend laparoskopisch ausgeführt (7 Abschn. 2.15).
2.12.13
Morbus Crohn
Diese Krankheit wurde nach ihrem Erstbeschreiber benannt. Definition Die Enteritis regionalis Crohn ist eine chronische, vernarbende Entzündung aller Darmwandschichten.
Die Entzündung kann ein oder auch mehrere Darmsegmente mit dazwischen liegenden gesunden Abschnitten des gesamten Magen-Darm-Traktes betreffen. Es können v. a. der untere Dünndarm, aber auch der Dickdarm, Mastdarm und Darmausgang abschnittweise entzündlich verändert sein, seltener sind Duodenum, Magen, Ösophagus oder Mund befallen. Die befallenen Darmanteile neigen durch Vernarbungen und Verdickungen der Darmwand zu Stenose, Abszess- oder Fistelbildung.
123 2.12 · Dickdarm
Mikromorphologisch betrifft die Entzündung alle Anteile der Wand und ist durch eine Granulombildung gekennzeichnet. Ursache und Krankheitsentstehung sind unbekannt. Bevorzugt sind junge Erwachsene beiderlei Geschlechts betroffen. Eine familiäre Häufung wird beschrieben, autoimmunologische Prozesse werden ursächlich vermutet.
Symptome 4 4 4 4 4
Immer wieder auftretende Bauchschmerzen, Durchfälle, Fieber, Gewichtsverlust, verminderter Appetit u. V. m.
Der Verlauf der Erkrankung ist chronisch mit unvorhersehbaren spontanen Verschlimmerungen und Remissionen. Auch nach operativer Entfernung befallener Darmteile sind Rückfälle häufig (40%).
Diagnostik Die Diagnostik erfordert einen erfahrenen Internisten, der das Spektrum der endoskopischen und radiologischen Untersuchungen des Magen-Darm-Traktes beherrscht.
4 Der Nachweis histologischer Veränderungen im Resektionsrand hat keinen Einfluss auf die Komplikations- und Rezidivrate. 4 Die Rezidivrate nach chirurgisch kurativer Operation beträgt 40%. 4 Eine End-zu-End-Anastomose wird zur Vermeidung eines Blindsackes empfohlen. 4 Die Antibiotikaprophylaxe erfolgt wie bei allen anderen Darmeingriffen.
Operative Eingriffe 4 Sparsame Ileozäkalresektion (7 Abschn. 2.12.3). Der Unterschied besteht darin, dass nach der Teilresektion des betroffenen Dünn- und Dickdarmes die Anastomosierung als Ileoaszendostomie erfolgt. 4 Strikturoplastik: Hier handelt es sich um einen minimalen Eingriff bei kurzstreckigen Stenosen des Dünndarmes. Der stenosierende Narbenring wird längs gespalten und quer mit Einzelknopfnähten vernäht. Operative Techniken bei Morbus Crohn des Kolons: Ileosigmoidostomie/Ileorektostomie, Proktokolektomie mit Ileostomaanlage. 2.12.14
Colitis ulcerosa
Karzinomrisiko Das Karzinomrisiko ist bei Befall des Kolons und des Rektums ca. um das 5-Fache erhöht. Meist geht ein Verlauf von über 10 Jahren voraus.
Definition Colitis ulcerosa ist eine Entzündung mit einhergehender Geschwürbildung des Dickdarmes.
Komplikationen 4 4 4 4 4 4 4 4
Fistelbildung, Analfissuren, Abszesse, Blutungen, Stenose, Ileus, Perforation, toxisches Megakolon, Karzinom u. v. a.
Therapie Der Morbus Crohn ist z. Z. weder mit einer medikamentösen noch mit einer chirurgischen Therapie heilbar. Im Vordergrund steht nach der Sicherung der Diagnose und nach Kenntnis über die Ausdehnung und Aktivität der Erkrankung die konservative medikamentöse Behandlung. Eine OP-Indikation ist dann gegeben, wenn Komplikationen zu einem chirurgischen Vorgehen zwingen.
Operative Therapie 4 Angestrebt wird immer die Resektion des befallenen Darmabschnitts (keine palliative Bypassoperation). Die Resektion soll sparsam erfolgen.
Die Erkrankung beschränkt sich primär auf die Schleimhaut des Rektums, erfasst nur in seltenen Fällen, die fulminant verlaufen, tiefere Darmschichten. Die befallene Schleimhaut ist diffus gerötet und zeigt oberflächliche Geschwüre. Typisch ist die von distal nach proximal gerichtete Ausdehnung der Erkrankung; hierbei ist das Rektum immer befallen. Im Gegensatz zum Morbus Crohn bleibt die Colitis ulcerosa immer auf den Dickdarm beschränkt. Der Haupterkrankungsgipfel liegt zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr, die Krankheit kann jedoch zu jedem Zeitpunkt auftreten. Ursache und Entstehung sind bisher nicht eindeutig bekannt. Es werden auch hier ursächlich autoimmunologische Prozesse vermutet. Psychosomatische Faktoren gehören ebenfalls zum Krankheitsbild. Es ist von einer »colitistypischen Persönlichkeitsstruktur« die Rede, die durch eine starke »Über-Ich-Zensur« und einen schwachen Willen mit abnormer Konfliktverarbeitung gekennzeichnet ist. Die Colitis ulcerosa verläuft meist schubweise. Phasen geringer oder fehlender Beschwerden wechseln sich mit Zeiten erhöhter Entzündungsaktivität ab.
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
Symptome
Therapie
Im Vordergrund der Beschwerden stehen blutige und schleimig-eitrige Durchfälle, deren Ausmaß vom Grad des Dickdarmbefalles abhängt. Ist das gesamte Kolon betroffen, kann es zu schweren, sehr häufigen Diarrhöen kommen, die mit erheblichem Blutverlust, Fieber, Gewichtsabnahme und Blutarmut einhergehen.
In der Regel ist eine konservative medikamentöse Therapie erforderlich. Erst bei einer Verschlimmerung der Krankheit, beim Auftreten von Komplikationen oder Ausbleiben von Remissionen ist eine chirurgische Therapie in ca. 25– 30% der Fälle erforderlich. Bei langfristiger Erkrankung ist die Operation im Sinne einer Karzinomprophylaxe indiziert.
Diagnostik 7 Abschn. 2.12.13.
Operative Technik
Das Karzinomrisiko ist bei Patienten mit einer Colitis ulcerosa etwa 10-mal größer als das der Normalbevölkerung. Bei ausgedehntem Kolonbefall zeigt sich nach 10-jährigem Krankheitsverlauf eine Karzinomhäufigkeit von 5%, nach 25-jährigem Verlauf eine von 50%.
Ziel der operativen Therapie ist die Entfernung des erkrankten Dickdarmes, um damit das Befinden des Patienten zu verbessern und krankheitsspezifische oder therapiebedingte Komplikationen zu vermeiden. Auch bei der Colitis ulcerosa hat sich die kontinenzerhaltende Operation durchgesetzt. Etwa zwei Drittel der Patienten können kontinenzerhaltend operiert werden.
Komplikationen
OP-Verfahren
4 Perforation in ca. 2% der Fälle. 4 Toxisches Megakolon = Kolondilatation in ca. 10% der Fälle; gefährliche Komplikation mit totaler oder segmentaler Weitstellung des Kolons aufgrund schwerer funktioneller und morphologischer Darmwandschädigung. 4 Innerhalb weniger Stunden kommt es zu schwersten toxischen Erscheinungen mit septischen Temperaturen, Schüttelfrost, Tachykardie, Schläfrigkeit und Verwirrtheitszuständen sowie zum Kreislaufschock. 4 Massive Blutung. 4 Perianale Abszesse.
4 Proktokolektomie mit endständiger Ileostomie. 4 Indiziert ist dieses OP-Verfahren bei schweren entzündlichen Veränderungen auch im distalen Rektum, also dem potentiellen Anastomosenbereich. 4 Proktokolektomie mit ileorektaler Anastomose, also kontinenzerhaltend: 4 Hierbei verbleiben ca. 5 cm des distalen Rektums. Regelmäßige Kontrollen und Rektumbiopsien sind erforderlich. Dieses Verfahren ist nur bei Patienten mit geringen Entzündungszeichen im distalen Rektum angezeigt. 4 Nach der Resektion des Kolons erfolgt eine terminale Anastomose zwischen Ileum und Rektum (Technik 7 Abschn. 2.12.10). 4 Subtotale Kolektomie mit Proktomukosektomie und ileoanalem Pouch, also kontinenzerhaltend, dieser Eingriff sollte nicht im Notfall erfolgen. 4 Die laparoskopische Durchführung dieses Eingriffes ist möglich.
Karzinomrisiko
OP-Schritte 7 Subtotale Kolektomie. 7 Skelettierung des Dünndarmes. 7 Konstruktion des J-Reservoirs (. Abb. 2.82).
. Abb. 2.82 Kolon-J-Reservoir. (Nach Siewert 2001)
125 2.13 · Proktologie
2.12.15
Dickdarmileus
Definition Der Ileus (Darmverschluss) ist eine Störung der Darmpassage, die durch eine Verengung oder Verlegung der Darmlichtung (mechanischer Ileus) oder durch eine Lähmung des Darmes (paralytischer Ileus) verursacht wird.
Nur bei erheblichen Risikofaktoren oder bei inkurablem, ausgedehntem Tumorleiden ist die palliative AP-Anlage oder die Diskontinuitätsresektion nach Hartmann (7 Abschn. 2.12.9) indiziert.
2.12.16
Volvulus des Dickdarmes
Definition Eine Torquierung (Drehung/Krümmung) des Dickdarmes um die Mesenterialachse mit Verlegung des Darmlumens und evtl. Durchblutungsstörung durch Strangulation bis hin zur Gangrän.
Pathophysiologie des Ileus Darmparalyse und schwerste allgemeine Krankheitssymptome führen bei Überforderung der körpereigenen Regulations- und Abwehrmechanismen zur Ileuskrankheit.
Ursachen 4 Karzinom des Dickdarmes (häufigste Ursache), 4 Divertikulitis, 4 Volvulus.
Am häufigsten ist das Sigma, seltener sind Zäkum und Transversum betroffen. Voraussetzung ist eine sehr lange Schlinge mit einem Mesenterium, das an der Basis schmal ist.
Besonderheiten
Symptome
Der Dickdarmileus tritt meist bei älteren Menschen auf. Er entwickelt sich im Gegensatz zum Dünndarmileus langsamer. Das Behandlungsziel besteht in der Beseitigung des mechanischen Hindernisses und der Behandlung des auslösenden Grundleidens, meist durch eine Tumorresektion.
4 4 4 4
Anamnese Siehe Kolonkarzinom (7 Abschn. 2.12.2).
Akutes, einmaliges Ereignis, kolikartige Schmerzen und Stuhlverhalt, typisch ist ein ballonartig aufgetriebenes Abdomen, später Entwicklung einer Ileussymptomatik.
Therapie Die konservative Therapie (endoskopische Absaugung) weist sehr hohe Rezidivraten auf. Deshalb ist eine Sigmaresektion bzw. Hemikolektomie rechts bei einem Volvulus des Zäkums oder des Transversums indiziert.
Lokalisationsdiagnostik 4 Röntgen-Abdomenübersicht, 4 retrograde Kolondarstellung mit wasserlöslichem Kontrastmittel, ggf. mit CT, 4 Endoskopie.
2.13
Proktologie H. Schimmelpenning, M. Liehn
Therapie Besonderheiten der operativen Therapie
2.13.1
Patienten mit einem Dickdarmileus weisen eine hohe Krankenhausletalität auf. Ursachen sind v. a. das Alter, die Ileuserkrankung und die notfallmäßige Operation. Eine präoperative Darmvorbereitung mittels Lavage ist nicht möglich.
Rektum und Analkanal
OP-Technik Grundsätzlich werden auch hier einzeitige, kontinenzerhaltende Eingriffe mit primärer Anastomosierung angestrebt. Eine intraoperative Darmspülung ist erforderlich. Bei unsicheren Lokalverhältnissen an der Darmwand ist evtl. eine Übernahme des Patienten in das Konzept der Etappenlavage (7 Abschn. 2.14) erforderlich.
Anatomie des Anorektums
Rektum, Analkanal und das abschließende Sphinktersystem bilden eine physiologische Einheit, die in ihrem feinen Zusammenwirken großen Einfluss auf unsere Lebensqualität hat (Kontinenzleistung). Anatomisch handelt es sich dabei um eine komplexe Region unseres Körpers. Das Rektum hat eine variable Länge von 12–15 cm, liegt dem Os sacrum und dem Os coccygis an und endet 2–3 cm anterior-inferior von der Spitze des Os coccygis. An dieser Stelle anguliert es 110–130° nach dorsal, tritt im Hiatus levatorius durch das Diaphragma pelvis hindurch und geht in den Analkanal über. Das Schleimhautrelief des Rektums weist meistens drei quere Falten, die sog. Plicae transversae, auf. Die mittlere
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
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. Abb. 2.83 Corpus cavernosum recti. Der Schwellkörper wird durch intermuskulär an ihn herantretende Äste der A. rectalis superior aufgepumpt. Die natürliche Spontanaktivität des M. sphincter ani internus hält die transsphinkterischen Blutabflüsse des Schwellkörpers geschlossen. Damit trägt der erigierte Mastdarmschwellkörper zum Abschluss bei. Sagittalschnitt durch das anorektale Kontinenzorgan eines Mannes. 1 Rektumlängsmuskulatur, 2 Rektumringmuskulatur, 3 M. levator ani, 4 M. Sphincter ani internus, 5 M. canalis ani, 6.1 M. puborectalis, 6.2 M. sphincter ani externus profundus, 6.3 M. sphincter ani externus superficialis, 6.4 M. sphincter ani externus subcutaneus, 7 zu- und abführende Gefäße des Schwellkörpers (in-
termuskulärer Verlauf ), 8 intermuskulär verlaufende Vv. rectales mediae, 9 Schwammwerk des Corpus cavernosum recti, 10 transsphinktäre Hauptabflussgefäße des Schwellkörpers, 11 intersphinktäre Gefäßnetze, 12 Abfluss zur V. rectalis inferior, vermutlich auch für das ausgeschöpfte, venöse Blut des nutritiven Kreislaufs des Schwellkörpers, 13 Fasern des M. corrugator ani, sich in der perianalen Haut verankernd, 14 Columnae rectales, 15 Analkrypte: unterhalb dieser Zone ist die Analkanalhaut mit der Unterlage verwachsen, 16 Proktodealdrüse, 17 »auf Vorrat« gefaltete Mastdarmschleimhaut, 18 trockene Analkanalhaut und perianale Haut. (Nach Stelzner 2004, aus Lange et al. 2006)
davon ist am konstantesten, liegt bei 9–11 cm und wird Kohlrausch-Falte genannt. Die Linea dentata markiert die Grenzzone zwischen der nichtsensiblen Rektumschleimhaut und dem aboral davon beginnenden, hochsensiblen Plattenepithel der Analhaut. Operationen oberhalb der Linea dentata verursachen daher kaum Schmerzen, Operationen unterhalb davon können hingegen starke Schmerzen zur Folge haben. Knapp oberhalb der Linea dentata liegen die längsgestellten Columnae anales, die unten durch quergestellte Valvulae anales verbunden sind. Sie entstehen durch ein darunter liegendes arteriovenöses Gefäßgeflecht, das sog. Corpus cavernosum recti (. Abb. 2.83). Dieses wird aus Ästen der A. rectalis superior gespeist und hat Bedeutung für die Feinkontinenz. Zwischen den Valvulae anales (auch Valvulae Morgagnii), die in Analpapillen enden, liegen halbmondförmige Einsenkungen, die Analsinus oder Analkrypten genannt werden. Hier endet eine variable Anzahl von rudimentären Duftdrüsen (Proktodealdrüsen), die meisten von ihnen dorsal. Die Ausführungsgänge dieser Drüsen
verlaufen nach außen und unten, zwei Drittel erreichen den inneren Schließmuskel, und die Hälfte endet zwischen dem inneren und äußeren Schließmuskel. Bei Obstruktionen der Ausführungsgänge, meistens durch Fäzes, können Abszesse und Fisteln entstehen. Bis etwa 10 mm oberhalb der Linea dentata befindet sich ferner eine Übergangszone (Transitionalzone), in der das Drüsenepithel der Rektumschleimhaut in das zunächst mehrschichtige, unverhornte Plattenepithel übergeht. Dieser Abschnitt des Analkanals ist sehr fein sensibel innerviert und ermöglicht so die genaue Unterscheidung zwischen den Stuhlbeschaffenheiten gasförmig, flüssig und fest. Damit kommt ihm eine erhebliche Bedeutung bei der Kontinenzleistung zu. Erst noch weiter aboral geht dieser Abschnitt schließlich in die behaarte Haut der Körperoberfläche über (Linea anocutanea). Die Muskulatur des Sphinkterapparates besteht zum einen aus einem glattmuskulären inneren Muskel (M. sphincter ani internus). Dieser ist dauernd kontrahiert. Er ist die Fortsetzung der Ringmuskelschicht der Tunica muscularis der Rektumwand und reicht bis auf Höhe der Linea anocutanea.
127 2.13 · Proktologie
Der quergestreifte M. sphincter ani externus umhüllt den inneren Sphinkter und ist bei Frauen ventral kürzer als bei Männern. Er wird in einen subkutanen, einen oberflächlichen und in einen tiefen Abschnitt unterteilt. Die Linea dentata ist die Trennlinie zwischen dem Endoderm und dem Ektoderm. Oberhalb dieser Linie ist der Darm sympathisch und parasympathisch innerviert (Plexus hypogastricus inferior), die arterielle Versorgung erfolgt im Wesentlichen über die A. rectalis superior, einen Endast der A. mesenterica inferior. Entsprechend dem arteriellen Versorgungsgebiet erfolgt auch der venöse Rückstrom hauptsächlich zur V. mesenterica inferior. Die Lymphe gelangt über Nll. rectales superiores zu den Nll. mesenterici inferiores. Lymphe des Analkanales wird über Nll. inguinales superficiales drainiert. Der Beckenboden ist eine komplexe trichterförmige Struktureinheit aus Faszien und Muskeln, der verschiedene Aufgaben zukommen. Beim Geburtsvorgang, der Defäkation und der Miktion muss sie sich öffnen, ansonsten jedoch aktiv verschließen. Ferner hat der Beckenboden stützende Funktionen für den Sphinkterapparat, die Becken- sowie die übrigen Abdominalorgane. Das Diaphragma pelvis besteht hauptsächlich aus dem M. levator ani, der sich aus den drei Anteilen M. pubococcygeus, M. ileococcygeus und M. puborectalis zusammensetzt. Weiter dorsal liegt der M. coccygeus. Der ventral am knöchernen Becken ansetzende M. puborectalis umschlingt dorsal auf Höhe der Flexura anorectalis den Enddarm und geht hier in den tiefen Anteil des M. sphincter ani externus über.
Benennung weiterer anatomischer Landmarken (Bezug zur Linea dentata, zur Linea anocutanea).
Inspektion Bei der Inspektion erfolgt eine Beurteilung der Haut (verschmutzt, feucht, trocken, gerötet etc.), Behaarungstyp, Narben, hervorspringende perianale Veränderungen wie äußere Hämorrhoiden, Marisken (Analfalten), Fistelöffnungen o. Ä. Ferner kann eine dynamische Beurteilung erfolgen nach Aufforderung zum Pressen wie Absenken des Beckenbodens, Hervortreten von Hämorrhoidalgewebe, Anal- oder Rektumprolaps, Zystozele, Kolpozele, Rektozele.
Palpation Die Palpation gibt Aufschluss über die Länge des Analkanals, den Sphinkterruhe- und Kneifdruck, das Hämorrhoidalgewebe, Veränderungen des Anoderms (Fissuren, Tumoren), Indurationen inner- und außerhalb der Sphinktermuskulatur (Fisteln, Abszesse), Veränderungen der Rektumschleimhaut sowie eine ventrale Rektozele und die Funktionstüchtigkeit der Puborektalisschlinge.
Proktoskopie Mit dem Proktoskop werden die untersten Abschnitte des Rektums sowie der Analkanal untersucht. Sie kann durch eine Spekulumuntersuchung ergänzt werden, bei der durch den seitlichen Schlitz das Anoderm noch besser zur Darstellung gelangt. Die Proktoskopie kann auch für therapeutische Zwecke eingesetzt werden, wie z. B. die Gummibandligatur oder Sklerosierung von vergrößerten Hämorrhoiden.
Rektoskopie 2.13.2
Proktologische Untersuchung
Anamnese Die proktologische Untersuchung beinhaltet wie jede andere Untersuchung zunächst eine gründliche Anamnese. Neben allgemeinen Fragen zur Gesundheit und anderen Erkrankungen, die einen Einfluss auf das Kontinenzorgan haben können, gehören dazu eine Reihe von spezifischen Fragen: Schmerz? Blutung? Nässen? Ausfluss? Juckreiz (Pruritus ani)? Schwellung? Prolaps? Defäkationsprobleme (Obstipation, Häufigkeit, Intervall, digitales »Nachhelfen«, unvollständige Entleerung)? Entbindungen? Gynäkologische Operationen? Miktionsverhalten?
Die starre Rektoskopie erlaubt die Untersuchung des Rektums, wobei die Höhe nach anatomischen Gegebenheiten variabel ist. Die Schleimhaut kann beurteilt werden, und es können Gewebeproben entnommen werden.
Endosonographie Die sonographische Untersuchung des Anorektums wird eingesetzt zur Beurteilung von Tumoren des Enddarms (Infiltrationstiefe, Lymphknoten) sowie für die Diagnostik von perianalen Fisteln (Lage, Verlauf) und auch für die Exploration des Sphinkterapparates (Länge, Dicke, Muskellücken). 2.13.3
Hämorrhoiden
Klinische Untersuchung Die Untersuchung erfolgt in Linksseiten- oder Steinschnittlage (SSL). Letztere ermöglicht eine gleichzeitige vaginale Untersuchung, die für viele Fragestellungen erforderlich ist. Die Lokalisationsangabe eines Befundes orientiert sich am Zifferblatt einer Uhr (12 Uhr vorn, 3 Uhr rechts, 6 Uhr hinten, 9 Uhr links in SSL). Ferner erfolgt die
Ätiologie Oberhalb der Linea dentata befindet sich unter der Schleimhaut ein arteriovenöses Gefäßgeflecht, der Plexus haemorrhoidalis oder Corpus cavernosum recti genannt wird. Prädilektionsstellen der aus den Aa. haemorrhoidales superior, media und inferior gespeisten Geflechte liegen
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
bei 7, 3 und 11 Uhr SSL. Diese Hämorrhoidalkissen füllen sich während der Kontinenzphase, weil der venöse Rückstrom durch den kontrahierten M. sphincter ani internus vermindert wird. Damit haben sie eine wichtige Funktion für die Feinkontinenz. Erst während der Defäkation und der Relaxation des Muskels kann das Blut ungehindert abfließen. Die Gefäßpolster werden durch longitudinal angeordnete Muskel- und Bindegewebsfasern fixiert. Mit zunehmendem Alter werden diese Strukturen schlaffer, die Gefäßkissen können dann prolabieren.
Klinik Bei einer Hyperplasie der Polster handelt es sich um Hämorrhoiden, erst bei Beschwerden liegen symptomatische Hämorrhoiden bzw. ein Hämorrhoidalleiden vor. Symptomatische Hämorrhoiden verursachen unterschiedliche Beschwerden, die auch bei anderen proktologischen Erkrankungen vorkommen können. Das Beschwerdebild korreliert dabei nicht mit dem Ausmaß des Befundes. Als häufigstes Symptom werden Blutungen angegeben, gefolgt von Schmerzen, Pruritus ani und Prolaps. Hämorrhoiden werden dem Befund nach in vier Grade eingeteilt: 4 Hämorrhoiden Grad I sind nur mit dem Proktoskop zu erkennen. 4 Hämorrhoiden Grad II prolabieren bei der Defäkation durch den Analkanal und reponieren sich selbst. Es kann sich dabei um einzelne, segmentale Anteile handeln oder um einen zirkulären Befund. Wird Anoderm außerhalb des Analkanals sichtbar, handelt es sich um einen Analprolaps, der durch eine radiäre Faltenbildung gekennzeichnet ist. 4 Hämorrhoiden Grad III sehen morphologisch aus wie Hämorrhoiden Grad II, müssen aber manuell reponiert werden. 4 Hämorrhoiden Grad IV sind nicht zu reponieren (VIa in Narkose, IVb in keiner Weise).
Therapie Das Ziel einer Behandlung von symptomatischen Hämorrhoiden ist nicht ihre komplette Entfernung, sondern eine Beseitigung der Beschwerden. Anderenfalls kann die Kontinenz gestört sein. Konservative Therapiemaßnahmen beinhalten kausale und prophylaktische Gesichtspunkte. Dazu gehört eine physiologische Stuhlgangregulierung. Der Stuhl sollte geformt ohne Pressen abgesetzt werden können. Gegebenenfalls ist mit einer Progredienz des Befundes und der Symptome zu rechnen. Effektive Behandlungsmethoden von Hämorrhoiden sind Sklerosierung, Infrarotbehandlung, Gummibandligaturen, selektive Hämorrhoidalarterienligaturen sowie Operationen. Die Operationen werden in folgende Verfahren unterteilt:
Segmentale Verfahren 4 Offene Hämorrhoidektomie nach Milligan-Morgan (s. unten), 4 geschlossenen Hämorrhoidektomie nach Ferguson (s. unten), 4 submuköse Hämorrhoidektomie nach Parks.
Zirkuläre Verfahren 4 Rekonstruktive Hämorrhoidektomie nach FanslerArnold, 4 supraanodermale Hämorrhoidektomie nach Whitehead, 4 supraanodermale Hämorrhoidopexie mit einem Zirkulärstapler. kIndikation
Hämorrhoiden Grad III sind in aller Regel nicht konservativ zu behandeln und sollten demnach operiert werden. Bei segmentalen Befunden gelangen Verfahren nach MilliganMorgan oder Ferguson zur Anwendung. Für zirkuläre Hämorrhoiden gilt heute die Staplerhämorrhoidopexie als Methode der Wahl. kLagerung
4 Steinschnittlagerung mit leicht angehobenen Beinen, das Gesäß etwas vor der Kante des OP-Tisches lagern, dabei auf geeignete Dekubitusprophylaxe achten. 4 Neutralelektrode an einem Oberschenkel platzieren. kInstrumentarium
4 Nur wenige Grundinstrumente (Präparier- und Fadenschere, Pinzetten, Klemmen, Nadelhalter, HFElektroden, ggf. bipolare Pinzette), 4 Analspreizer nach Parks, 4 ggf. Rektoskop.
Offene Hämorrhoidektomie nach Milligan-Morgan Das Prinzip besteht in einer Entfernung der vergrößerten Hämorrhoidalpolster und der Ligatur der zugehörigen arteriovenösen Gefäße oberhalb der Linea dentata. Dazu werden die vergrößerten Hämorrhoiden angeklemmt, jeweils genügend große kutane Drainagedreiecke präpariert und die Gefäßkonvolute vom M. sphincter ani internus abgelöst, ohne diesen dabei zu verletzen. Oberhalb der Linea dentata wird das Gewebe über einer Klemme abgesetzt (. Abb. 2.84). Wichtig ist bei dieser Methode, genügend große Anodermbrücken zwischen den Resektionsflächen zu belassen!
Offene Hämorrhoidektomie nach Ferguson Die Resektion ist analog zu der Technik nach MilliganMorgan. Es erfolgt dann jedoch eine Adaptation des Ano-
129 2.13 · Proktologie
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c
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. Abb. 2.84 a–e Milligan-Morgan-Operation. a Fassen der Perianalhaut mit Allis-Klemmen, b unter leichtem Zug Inzision der Perianalhaut und des Anoderms, c Dissektion, beginnend an der Perianal-
haut, d Ligatur des mobilisierten Hämorrhoidalpolsters, e Endbefund. (Nach Lange et al. 2006)
derms durch fortlaufende Nähte bis zum Außenrand des Analkanals (. Abb. 2.85). Die Vorteile sollen in einer Reduktion der postoperativen Schmerzen sowie einer schnelleren Heilung bestehen.
daher einen hohen Patientenkomfort und zeigt wenig Rezidive.
2.13.4
Analfissur
Staplerhämorrhoidopexie nach Longo Mittels eines speziellen Analdilatators werden zunächst die Hämorrhoiden reponiert. Unter Verwendung eines Nahtanoskops wird 3–4 cm oral der Linea dentata eine zirkuläre, submuköse Tabakbeutelnaht vorgelegt. Unter Schonung des Sphinkterapparates wird ein Zirkulärstapler eingeführt, die Naht um den Staplerdorn geknüpft, das Instrument geschlossen und ausgelöst (. Abb. 2.86). Es resultiert eine manschettenförmige Resektion der Mukosa und Submukosa im aboralen Rektum mit Durchtrennung der Hämorrhoidalplexus oberhalb der Linea dentata sowie eine Refixation des verbliebenen Hämorrhoidalgewebes in einer physiologischen supra- und intraanalen Position. Dadurch kommt es in kurzer Zeit zu einer deutlichen Reduktion des verbliebenen Gewebes. Das schmerzempfindliche Anoderm wird nicht tangiert, es sei denn, die Staplerhämorrhoidopexie wird mit anderen resezierenden Verfahren kombiniert. Das Verfahren bietet
Ätiologie und Klinik Es wird zwischen primären und sekundären Analfissuren unterschieden. Klinisch präsentiert sich die akute Fissur als ein längsverlaufender Defekt des sensiblen Anoderms von der Linea dentata bis zur Linea anocutanea. Diese geht über in eine chronische Fissur, bei der es zu einer Sklerosierung der inneren Schichten des M. sphincter ani internus kommt. Die chronische Fissur ist nach außen häufig durch eine Mariske und nach innen durch eine hypertrophe Analpapille begrenzt. Etwa 90% der primären Analfissuren finden sich im Bereich der hinteren Kommissur bei 6 Uhr SSL, nur 10– 15% bei 12 Uhr SSL. Andere Lokalisationen deuten auf eine sekundäre Analfissur hin, die z. B. beim M. Crohn, nach Voroperationen oder Analstenosen auftritt. Leitsymptom sind akut mit der Defäkation einsetzende Schmerzen, die über Stunden anhalten können. Die Ursa-
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130
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
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a
. Abb. 2.86 Zirkuläre submuköse Tabakbeutelnaht bei der Staplerhämorrhoidopexie nach Longo. (Nach Lange et al. 2006)
b
chen sind nicht gänzlich geklärt, anale Traumata durch harten Kot oder eine Überdehnung des Anoderms bei einer Obstipation gelten aber als wahrscheinlichste Ursachen. Belegt ist eine verminderte Durchblutung des Anoderms im Bereich der hinteren Kommissur durch eine Substanzverminderung der Äste der A. haemorrhoidalis inferior sowie durch einen erhöhten Spinkterdruck. Ein sich wiederholender Spasmus des M. sphincter ani internus wird häufig beobachtet. Gelegentlich kommt es bei chronischen Analfissuren zu inkompletten Fisteln, die im M. sphincter ani internus oder im intersphinktären Spaltraum enden.
Therapie
c . Abb. 2.85 a–c Zunächst Hämorrhoidektomie in Milligan-MorganTechnik (a), dann b Adaptation der Analmukosa mit fortlaufender Nahttechnik. c Endzustand nach Ferguson-Technik. (Nach Lange et al. 2006)
Neben einer kausalen Therapie durch eine physiologische Stuhlregulierung ist oberstes Therapieprinzip, den Circulus vitiosus der Analfissur zur durchbrechen: Minderung der Schmerzen, Verringerung des Sphinkterdrucks/-spasmus, Verbesserung der Durchblutung. Bereits warme Sitzbäder tragen dazu bei. Zur Verringerung des Sphinkterdruckes finden derzeit drei Substanzen Verwendung, nämlich Kalziumantagonisten, topische Nitrate (Nitroglyzerin) sowie Botulinumtoxin (7 Kap. 8). Die lange Zeit empfohlene Verwendung von Analdilatatoren ist wegen der Schmerzhaftigkeit in den Hintergrund getreten. Erst bei Versagen der konservativen Therapie kommen operative Verfahren zum Einsatz. Bei der lateralen Sphinkterotomie werden die aboralen Anteile des M. sphincter ani internus inzidiert, um den Muskeltonus zu senken. Bei der Operation nach Eisenhammer erfolgt die Sphinkterotomie im Fissurgrund. Häufigere Verwendung findet heute die Operation nach Gabriel, bei der chronische Veränderungen wie eine Vorpostenfalte, hypertrophe Analpapillen,
131 2.13 · Proktologie
eine Tasche oder ggf. eine inkomplette Fistel beseitigt werden. (Die manuelle anale Dilatation ist heute wegen der unkontrollierten Sphinkterschädigung mit konsekutiver Inkontinenz obsolet). kIndikation
Nach konservativer Therapie mit Nitroglyzerin 0,4% oder Kalziumantagonisten 2% als Salbe, häufig in Kombination mit Lidocain für 4–6 Wochen, ist in 50% mit einer Abheilung zu rechnen. Bei Therapieversagen kommt Botulinumtoxin zum Einsatz. Erst bei ausbleibendem Therapieerfolg besteht eine Operationsindikation. kLagerung und Instrumentarium
. Abb. 2.87 Schematische Darstellung der verschiedenen Analfisteltypen: 1 intersphinktäre, 2 transsphinktäre, 3 suprasphinktäre, 4 extrasphinktäre Fistel. (Nach Stein 1998)
7 Abschn. 2.13.3.
Laterale subkutane Sphinkterotomie geschlossen (nach Noteras) Mit einer schmalen, langen Klinge wird bei 3 Uhr SSL bis zur gewünschten Höhe eingegangen und gegen den palpierenden Finger der M. sphincter ani internus inzidiert. Das Anoderm darf auf keinen Fall verletzt werden, weil es sonst zu Fisteln kommt.
Laterale subkutane Sphinkterotomie offen (nach Parks) Nach kurzer Hautinzision zirkulär bei 3 Uhr SSL wird der M. sphincter ani internus identifiziert, intersphinktär freigelegt und bis zur gewünschten Höhe durchtrennt. Die Inzision kann mit einer Naht verschlossen werden.
2.13.5
Fisteln und Abszesse
transsphinktäre Fistel (. Abb. 2.87). Bei diffuser Ausbreitung können komplexe Fistelsysteme bis hin zu Hufeisenfisteln entstehen.
Klinik Männer haben 3-mal so häufig Fisteln wie Frauen. Abszesse verursachen immer perianale Schmerzen, oft verbunden mit Fieber und äußeren Entzündungszeichen (Rötung, Überwärmung, Schwellung, Perforation). Das Krankheitsbild reicht bis hin zur Sepsis. Die Diagnostik ist in der Regel einfach und erfolgt meist in einer sofortigen Untersuchung in Narkose. Nur bei einem Drittel der Fälle ist im akuten Abszedierungsstadium bereits eine innere Fistelöffnung vorhanden. Daher ist nach ca. 6 Wochen eine proktologische Untersuchung erforderlich. In manchen Fällen kann eine Endosonographie (ggf. unter Kontrastierung mit Wasserstoffperoxid) hilfreich sein. Auch eine MRT-Untersuchung ist in einzelnen Fällen indiziert.
Ätiologie Etwa 90% aller perianalen Fisteln gehen von den analen Krypten auf Höhe der Linea dentata aus. Durch Stuhlreste kommt es zu einer kryptoglandulären Infektion der meist dorsal gelegenen Proktodealdrüsen. Der resultierende Abszess breitet sich zunächst intersphinktär weiter aus und drainiert sich entlang des geringsten Widerstandes intersphinktär oder durch die externe Sphinktermuskulatur nach perianal. Die innere Fistelöffnung liegt daher meist bei 6 Uhr SSL auf Höhe der Linea dentata. Sie wird auch primäre Fistelöffnung genannt, die äußere Öffnung dementsprechend sekundäre Fistelöffnung. Die häufigsten Fisteln verlaufen intersphinktär mit einer sekundären Öffnung am anokutanen Übergang. Bei transsphinktären Fisteln wird die äußere Sphinktermuskulatur häufig auf Höhe der Linea dentata durchbrochen, je nach Lokalisation entsteht eine »hohe« bzw. eine »tiefe«
Therapie Grundsätzliche Ziele der Therapie der perianalen Abszedierung sind, den Abszess zu eröffnen, den Sekretabfluss sicherzustellen und die Schmerzen zu beseitigen. Nur bei umschriebenen aboral gelegenen Fisteln gelingt beim Ersteingriff die definitive Sanierung. Alle anderen Befunde, bei denen eine weitergehende Manipulation zu einer Beeinträchtigung der Kontinenzleistung führen könnte, werden beim Ersteingriff oder später, bei Nachweis einer Fistel, häufig zunächst mit einer Fadendrainage versorgt (SetonTechnik). Die Umgebungsreaktion kann abklingen, um die Fadendrainage (meist ein »vessel loop«) bildet sich eine bindegewebige Narbe/Fistel. Fisteln können in einem späteren Stadium in bestimmten Fällen mit Fibrinkleber oder einem konisch geformten Implantat aus gereinigter Schweinemukosa (»anal fistula plug«) verschlossen werden.
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
Die Fistulotomie (Lay-open-Technik) ist aboral gelegenen Fisteln vorbehalten. Die Rezidivraten liegen unter 10%. Kontinenzstörungen sind allenfalls gering und passager. Höher gelegene Fisteln werden mit zwei unterschiedlichen Techniken therapiert: 4 Entweder werden sie mikrochirurgisch exzidiert, die innere Fistelöffnung wird vernäht und mit einem lokalen Verschiebelappen gedeckt. Eine unmittelbare Nahtundichtigkeit tritt in bis zu 10% der Fälle auf, die Rezidivraten werden zwischen 5 und 30% angegeben. Diskrete Kontinenzstörungen sind in bis zu 40% zu erwarten, höhergradige jedoch nur in Einzelfällen. 4 Alternativ wird die Schließmuskulatur über der Fistel durchtrennt, das Fistelgewebe komplett entfernt und die Muskulatur primär rekonstruiert.
Sekundäre Peritonitis (ca. 80% aller Peritonitisfälle)
Sonderformen sind rekto- bzw. anovaginale Fisteln. Wegen ihrer besonderen anatomischen Lage sind hier meist plastische Verfahren erforderlich. Die Rezidivraten sind deutlich höher. Sekundäre Fisteln bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (M. Crohn, Colitis ulcerosa) sind häufig komplexe perianale Fistelsysteme, die eine hohe Rezidivquote haben.
Therapie
2.14
Peritonitis M. Liehn, L. Steinmüller
2.14.1
Einteilung und Therapie
Definition Eine Entzündung der Bauchhöhle, die sich unbehandelt rasch zu einer lebensbedrohlichen Systemerkrankung entwickeln kann.
Diese besondere Gefahr ist durch die relativ große Oberfläche des Peritoneums und durch die Funktionsverknüpfungen zum Lymphsystem sowie u. a. zur Leber und zur Lunge bedingt.
Formen Primäre Peritonitis (eher seltene Form) 4 Abakteriell (ohne Keimnachweis), z. B. bei der Peritonealkarzinose, 4 bakteriell (mit Keimeintritt über die Blutbahn oder Lymphgefäße), sog. spontane Peritonitis bei Leberzirrhose, durch Keimaszension bei der Pelveoperitonitis bei der Frau.
4 Meist nach entzündlicher Hohlorganperforation: 5 Appendizitis, 5 Cholezystitis, 5 Morbus Crohn, 5 Colitis ulcerosa, 5 Divertikulitis, 5 Darminfarkt, 5 Dünndarm- und Ulkusperforation. 4 Postoperative Peritonitis: 4 Als Folge einer Nahtinsuffizienz einer Anastomose oder durch intraoperative bzw. postoperative Kontamination mit pathogenen Keimen. 4 Posttraumatische Peritonitis: 4 Folgen eines stumpfen oder perforierenden Bauchtraumas, Peritonitis nach endoskopischer Perforation.
Die Therapie der Peritonitis basiert auf folgenden Maßnahmen: 4 chirurgische Herdsanierung der Infektionsquelle, 4 intensivmedizinische Maßnahmen mit dem Versuch der Rekompensation der im Rahmen der Sepsisfolge insuffizienten Organsysteme, 4 unterstützende gezielte antibiotische Therapie. Ohne die Intensivmedizin mit den Möglichkeiten u. a. der Langzeitbeatmung und der Hämofiltration sind die aggressiven Verfahren der chirurgischen Herdsanierung nicht möglich. Die Prognose der diffusen Peritonitis ergibt sich aus 3 wesentlichen Faktoren: 4 Lokalisation und Beschaffenheit der Infektionsquelle, 4 Infektionsdauer, 4 Qualität der chirurgischen Arbeit. Ein großer Anteil von Peritonitiden (ca. 85%) kann erfolgreich mit der konsequenten Durchführung der bereits 1926 von Martin Kirschner geprägten und als Standardtherapie bezeichneten Methode behandelt werden: 4 suffiziente chirurgische Herdsanierung, 4 intraoperative Lavage mit Nekrosektomie, 4 definitiver Bauchdeckenverschluss mit Einlegen einer lokalen Drainage. Der Nutzen einer lokalen Drainage muss allerdings bezweifelt werden, zumal Drainagen durch Fibrin schnell verstopfen und durch Arrosion entstehende Darmfisteln als schwerwiegende Komplikation anzusehen sind. Aus klinischer Erfahrung reicht die genannte Standardtherapie für etwa 15% der schweren Peritonitisfälle nicht aus. Insbesondere postoperative Peritonitisfälle und hiervon nochmals schwerer betroffen die Nahtinsuffizienzen weisen eine hohe Letalität (um 50%) auf.
133 2.14 · Peritonitis
Auf die Etappenlavagetherapie soll hier kurz eingegangen werden.
2.14.2
tiven intraabdominellen Sepsiskontrolle zu bieten. Neu im Behandlungsverlauf einer intraabdominellen Infektion auftretende Komplikationen werden rechtzeitig erkannt und behandelt.
Etappenlavage kIndikation
Allgemeines Dieses Verfahren wird seit seiner Einführung 1980 erfolgreich eingesetzt. Die Letalität der schweren Peritonitisfälle konnte gesenkt werden. Die Herdsanierung als wichtigste chirurgische Maßnahme dieses Konzepts wird dabei schrittweise (in Etappen) gelöst. Wie bei der offenen Wundbehandlung wird die Abdominalhöhle anfangs mit in physiologischer NaCl- bzw. Ringer-Lösung getränkten Streifen ausgelegt, wenn die Beläge sich nicht ablösen lassen. Parallel zur unverzichtbaren intensivmedizinischen Stabilisierung des Gesamtorganismus kann die definitive chirurgische Herdsanierung häufig erst unter den nun besseren Bedingungen ausgeführt werden. Für das halb offene Verfahren der Etappenlavagetherapie erfolgt ein temporärer Wundverschluss mit einem Netz (resorbierbar oder nicht resorbierbar). Es wird nach individuellem Zurechtschneiden fortlaufend an Peritoneum und Faszie fixiert. Der zunächst breite Zuschnitt hilft den anfangs hohen intraabdominellen Druck zu reduzieren. Die Breite des Verbandes wird im Verlauf durch Abnähte oder Wechsel gegen ein schmaler zugeschnittenes Netz dem abklingenden Darmödem angepasst. Beim Wechsel erfolgt eine Wundrandtoilette. Außerdem lässt sich die auseinander gewichene Bauchdecke redressieren. Das Reoperationsintervall liegt zunächst bei 24 h und verlängert sich bei Befundverbesserung und -stabilisierung auf 2 Tage. Das Dünndarmkonvolut wird jedes Mal mit einer Polyethylenfolie abgedeckt, um einsetzende Verklebungen zwischen Bauchdecke und Darmschlingen zu verhindern. Außerdem verhindert die Folie den Verlust von Exsudat. Regelhaft wird der Dünndarm im Sinne von Noble, d. h. schleifenförmig angeordnet; dies stellt eine sichere Prophylaxe des mechanischen Ileus dar. Der Verschluss der Bauchhöhle erfolgt bei sauberer Abdominalhöhle und kann in Extremfällen länger als 3 Monate dauern. Faszie und Peritoneum werden entweder fortlaufend mit resorbierbarer Schlingennaht oder mit durchgreifenden resorbierbaren Einzelknopfnähten adaptiert. In Ausnahmefällen, häufiger nach Längslaparotomien, gelingt der primäre Bauchdeckenverschluss nicht. Nach Abwarten der Granulationsbildung auf dem Dünndarmkonvolut wird die Subkutis zum Hautverschluss mobilisiert. In diesen Fällen muss später eine Revision der Bauchdecken erfolgen. Die Etappenlavage erscheint gegenüber den oben genannten Verfahren den Vorteil einer optimalen postopera-
Diffuse Peritonitis (s. oben). kPrinzip
Nach Herdsanierung wird intraoperativ lavagiert, und ggf. vorhandene Nekrosen werden abgetragen; temporär wird ein Adaptationsverschluss am parietalen Peritoneum und der Faszie fixiert. kLagerung
4 Rückenlage, 4 neutrale Elektrode an einen Oberschenkel. kInstrumentarium
4 4 4 4
Grund- und Laparotomieinstrumentarium, Bauchtücher, große und kleine Kochsalzschüssel, warme Ringer-Lösung, um keine Elektrolytverschiebung zu forcieren, 4 Netzmaterial, 4 eine fortlaufende, atraumatische Naht. ! Wichtig ist ein Dokumentationssystem, in dem für jeden Patienten genau eingetragen werden muss, wie viele Bauchtücher oder Streifen im Bauchraum belassen werden, die bei der nächsten Lavage entfernt werden müssen.
Etappenlavage 7 Relaparotomie bzw. quer verlaufende Laparotomie, Exploration, Herdsanierung und Nekrosenabtragung. Danach wird der Bauchraum mit Bauchdeckenhaken nach Fritsch offen gehalten und mit warmer Ringer-Lösung gespült. 7 Das Peritoneum wird mit Mikulicz-Klemmen gefasst und das Netz fortlaufend so eingenäht, dass gleichzeitig die Faszie mitgefasst wird. Aus den Wundwinkeln kann das Exsudat ungehindert abfließen. 7 Eine Polyethylenfolie bedeckt den nach Noble angeordneten Dünndarm. 7 Während der einzelnen Lavagen müssen vorhandene Fibrinbeläge vorsichtig mit einer breiten anatomischen Pinzette oder feuchten Kompressen entfernt werden.
2
134
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
Nach wenigen Behandlungstagen ist es meist möglich, die Naht nachzuziehen, um die Redression der Bauchdecke zu unterstützen.
2 2.15
Minimal-invasive Chirurgie
2.15.1
Entwicklung
Die erste Laparoskopie am Menschen wurde bereits 1910 vorgenommen. In der Gynäkologie gehörte die diagnostische Laparoskopie schon bald zum Standard. Auch in die Chirurgie hat diese Technik massiv Einzug halten können. Die Bezeichnung als minimal-invasive Chirurgie (MIC) hat sich durchgesetzt, weitere Abkürzungen wie SILS, LESS und NOTES sind hinzugekommen. Diese Art der Operation stellt an die Chirurgen und auch an das OP-Pflegepersonal andere Anforderungen als die »offene« Chirurgie. Die hier benötigten Instrumente sind für die Anwendung durch Trokarkanäle entwickelt, sie werden anders angereicht. Das technisch aufwändige Zubehör ist einfach zu handhaben, bedarf aber einer guten Einweisung gemäß
MPG. Wichtige Zubehörteile für das Personal sind die Videokamera und der Monitor, denn das gesamte Team verfolgt den OP-Ablauf auf dem Monitor. Somit ist der/die Instrumentierende in der Lage, situationsgerecht zu arbeiten. Die Vorteile liegen für den Patienten in der erheblichen Reduktion der postoperativen Schmerzen, durch die kleinen Einschnitte resultieren eine wesentlich kürzere Heilungsphase, selten auftretende Wundheilungsstörungen und damit eine verminderte Liegezeit.
2.15.2
Zugangsvariationen im Rahmen der minimal-invasiven Therapie
Der Zugang erfolgt über eine einzelnen Trokar (»single port«), der Zugang für Optik und Arbeitsinstrumente bietet: 4 SILS: »single incision laparoskopic surgery« (. Abb. 2.94). 4 LESS: »laparo-endoscopic single-site surgery« (. Abb. 2.93). NOTES: »natural orifice translumenal endoskopic surgery«. Hier wird mit flexiblen oder starren Endoskopen der Zugang zum erkrankten Organ über eine natürliche Körperöffnung gewählt. Um zum Erfolgsorgan zu gelangen, werden Hilfsschnitte gesetzt, die nach Operationsende mit einer Naht oder einem linearen Stapler verschlossen werden. Die transvaginale Cholezystektomie wird bereits durchgeführt, die transgastrale Kolonchirurgie z. B. befindet sich in der Erprobungsphase.
2.15.3
Technische Grundausstattung
Wichtig für die Bereitstellung der technischen Zusatzgeräte ist ein fahrbarer Regalturm (. Abb. 2.88), auf dem alles zusammen übersichtlich aufgebaut ist und der bei Bedarf transportiert werden kann. Dieser sog. »Geräteturm« kann komplett mit allen benötigten Zubehörteilen in den OPSaal gefahren werden. Alle technischen Geräte müssen untereinander vernetzt sein, alle unterliegen dem MPG. Eine Weiterentwicklung der Industrie ist ein sog. MICOP-Saal, in dem alle benötigten Geräte vorgehalten werden. Alle Versorgungseinheiten sind an der Decke fixiert, sodass keine Kabel oder Schläuche am Fußboden verlegt werden müssen.
CO2-Insufflator . Abb. 2.88 Mobile Arbeitsstation WMSC; alle erforderlichen technischen Geräte sind hier verfügbar. (Fa. Olympus)
Das elektronisch gesteuerte Gerät bringt Kohlendioxid (CO2) in die Abdominalhöhle zum Anlegen und Aufrecht-
135 2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
erhalten des Pneumoperitoneums ein. CO2 ist ein farbloses, reizarmes Gas, das besonders leicht über die Lunge abgegeben wird. Vor Beginn einer laparoskopischen Operation muss immer der Inhalt der Gasflasche kontrolliert werden, sofern keine zentrale Gasversorgung zur Verfügung steht. Ein Wechseln der Flasche ist intraoperativ zu vermeiden. Es ist sinnvoll, das CO2 anzuwärmen, um bei länger dauernden Operationen eine Auskühlung des Patienten zu vermeiden. Dazu wird ein CO2-Wärmegerät zwischen Insufflator und Insufflationsschlauch geschaltet bzw. ein CO2-Insufflator gewählt, in den die Gaserwärmung integriert ist. Es werden ca. 3–5 l/min CO2 insuffliert, bis ein intraabdominaler Druck von 12–15 mm Hg erreicht ist. Kohlendioxid wird als medizinisches Gas mit 96%-iger Reinheit angeliefert. Es soll in eine Körperhöhle gelangen und muss deshalb dieselben Sterilitätsanforderungen wie das Instrumentarium erfüllen. Das Insufflationsschlauchsystem unterliegt den strengen Auflagen der zentralen Sterilgutversorgungsabteilung (ZSVA). Über das Insufflationsgerät können Partikel in das Schlauchsystem gelangen, wie auch ein Rückfluss aus dem Patienten in das Gerät nicht ausgeschlossen werden kann. Hier kann ein Insufflationsgasfilter durch Filtration luftgebundener Bakterien und Viren zwischen Gerät und Patient Abhilfe schaffen. Dieser Filter ist nach jedem Eingriff zu wechseln.
Kamera Die Chipkamera, die mit der Optik verbunden wird, ist über ein langes Kabel an die Stromquelle angeschlossen. Die Operation kann zur Dokumentation von einem digitalen Aufzeichnungsgerät aufgezeichnet werden. Die Kamera wird intraoperativ mit einem sterilen Überzug versehen. Die Weiterentwicklung hat zu ersten brauchbaren 3D-Kameras geführt. Diese Technik ist wünschenswert, da die Operationsschritte in 2-D-Darstellung Orientierungsprobleme bieten. Die technische Realisierung ist möglich, bietet jedoch noch Probleme für den Anwender. Auch die hochauflösende Bildverarbeitung (HD) führt zu einer präziseren Bildwiedergabe. Neuere Entwicklungen verzichten auf eine Optik, da an der Chipkamera ein Autofokussystem angebracht ist. Kamera und Lichtkabel werden als Verbund autoklavierbar eingesetzt (. Abb. 2.89).
Kaltlichtquelle Sie sollte eine hohe Leistung aufweisen, da beim Operieren mit Hilfe des Monitorbildes eine entsprechende Helligkeit benötigt wird. Das Kaltlichtkabel muss ausreichend lang sein, um vom sterilen OP-Gebiet an die Lichtquelle angeschlossen werden zu können. Es ist autoklavierbar.
. Abb. 2.89 Chipkamera und Kaltlichtkabel sind miteinander verbunden und autoklavierbar. (Fa. Olympus)
Saug-Spül-Pumpe Das Gerät dient zur Lavage des Abdomens. Bei Blutungen und am Ende einer laparoskopischen Operation wird der Bauchraum gespült und anschließend die Flüssigkeit wieder abgesaugt. Häufig kommt hier statt dessen ein Infusionsbeutel mit Druckschlauch zur Anwendung.
Hochfrequenzgerät Ein Hochfrequenzgerät (HF-Gerät) muss entweder auf dem Geräteturm bereitgestellt werden, oder ein separat stehendes Gerät kommt zum Einsatz. Das bedeutet, dass alle Regeln der HF-Chirurgie bei der monopolaren Koagulation eingehalten werden müssen (7 Kap. 1). Bipolare Instrumente können ebenfalls angeschlossen werden. Bei der Anwendung der HF-Chirurgie entsteht Rauch, der erstens eine Sichtbehinderung darstellt, zweitens aber beim Ablassen über die Trokare das OP-Team gefährdet. Dieser Rauch enthält potentiell schädliche Substanzen, ggf. sogar lebensfähige Zellen. Um eine Gefährdung der Mitarbeiter zu minimieren, kann auf den Trokar ein Filtersystem aufgesetzt werden, das Reizstoffe und Karzinogene herausfiltert, Geruchsbelästigungen verringert und Partikel zurückhält.
Innovative Präparationstechnik Entweder durch Ultraschall oder durch bipolare Techniken sind Präparations- und Blutstillungsmöglichkeiten weiterentwickelt worden. Mit dem Ultraschallskalpell kann der Chirurg schneiden und koagulieren, ohne dass der Patient in einen Stromkreis einbezogen wird. Es fließt im Patienten kein elektrischer Strom, sondern die Koagulation erfolgt mechanisch durch die Schwingungen der Titanklinge. Auch mit dem LigaSure-Gerät (. Abb. 2.44) lassen sich über bipolare Technik Gefäßlumina versiegeln oder mechanisch schneiden und koagulieren. Die seitliche thermische Gewebeschädigung ist verrringert. Das EnSeal-Gerät arbeitet ebenfalls mit bipolarer Koagulations- und
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136
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
Veress-Nadel
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b . Abb. 2.90 EnSeal-Gerät. (Fa. Johnson & Johnson)
Schneidetechnik bei minimaler thermischer Abstrahlung (. Abb. 2.90). Auf dem MIC-Turm stehen außerdem Videorekorder, die die Operation dokumentieren. Es ist darauf zu achten, dass die Daten des Patienten korrekt eingelesen werden.
2.15.4
Dieses Instrument zum Anlegen eines Pneumoperitoneums (. Abb. 2.91) gibt es in verschiedenen Durchmessern, unterschiedlichen Längen, als resterilisierbares Instrument und als Einweginstrument. Bei Mehrwegutensilien muss vom instrumentierenden Personal grundsätzlich die Funktionsfähigkeit des Schnappmechanismus für den Nadelschutz und die Durchgängigkeit überprüft werden. Die Handhabung in Form einer Blindpunktion der Bauchhöhle, meist durch eine Hautinzision unterhalb des Nabels, birgt die Gefahr der Organ-/Darmperforation. Daher werden bei der Punktion die Bauchdecken angehoben. Mit dem Eindringen in die Bauchhöhle wird der Schnappmechanismus des Nadelschutzes hörbar ausgelöst. Vor der Gasinsufflation werden mit einer 10-ml-Spritze diverse Sicherheitstests durchgeführt: Lässt sich 0,9%ige NaCl-Lösung leicht einbringen und kein Blut, sondern Luft aspirieren, kann davon ausgegangen werden, dass die Nadelspitze regelrecht und frei im Bauchraum liegt. Die Gasinsufflation kann nun beginnen, ein abrupter Druckanstieg am CO2-Insufflator weist auf eine Fehllage der Veress-Kanüle hin und zwingt zur Korrektur. Viele Operateure verzichten auf die Veress-Kanüle und bevorzugen nicht nur bei voroperierten Patienten das offene Vorgehen. Dabei wird nach der Hautinzision die Faszie angeklemmt und inzidiert. Mit einem stumpfen Instrument wird der freie Weg unter Sicht in die Bauchhöhle geprüft und die Trokarhülse über den Führungsstab vorgeschoben.
Instrumentelle Grundausstattung Trokare
Beispielhaft werden hier einige Instrumente vorgestellt. Die Entwicklung der Instrumentarien geht gerade in diesem Bereich so schnell voran, dass kein Anspruch auf Aktualität erhoben werden kann. Ob Einweg- oder Mehrweginstrumente zur Anwendung kommen, ist eine Entscheidung der Operateure. Einwegmaterialien sind immer steril, funktionsfähig und technisch auf dem neuesten Stand. Mehrweginstrumente sind dem Personal bekannt, aber aufwändig und kritisch in der Aufbereitung.
. Abb. 2.91 Veress-Nadel. (Nach Carus 2010)
Trokare gibt es in verschiedenen Durchmessern (13, 12, 11, 10 und 5 mm) und verschiedenen Längen (. Abb. 2.92). Wichtig bei allen Trokaren ist, dass die Hähne sich leicht öffnen und schließen lassen und dass die Trokare sich ohne Kraftaufwand aus ihren Hülsen ziehen lassen. Die Einwegmodelle der verschiedenen Anbieter haben den Vorteil, dass die Trokarspitze nach dem Erreichen der Abdominalhöhle zurückschnappt, sobald es keinen Widerstand mehr zu überwinden gilt. Die Trokarspitzen können rundgeschliffen oder mehrkantig ausgeformt sein.
137 2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
Eine absolute Sicherheit gegen Verletzungsgefahren bieten diese Trokare jedoch auch nicht.
Single Port 4 LESS (s. oben und . Abb. 2.93; Fa. Olympus) oder 4 SILS (s. oben und . Abb. 2.94; Fa. Covidien). Um das Zugangstrauma weiter zu reduzieren, wurde ein Trokar entwickelt, der transumbilikal positioniert wird und drei 5-mm-Ports beinhaltet, durch die die Optik sowie zwei Arbeitsinstrumente in die Bauchhöhle eingebracht werden. Es können Standard-MIC-Instrumente verwendet werden, aber auch speziell geformte. Eine Winkeloptik ist erforderlich. Die Freiheit der Instrumentenbewegung ist eingeschränkt. Wenn zwei Arbeitsinstrumente nicht ausreichen, kann ein drittes Instrument über eine Zusatzinzision ohne Trokar in die Bauchhöhle eingebracht werden, oder es werden intraperitoneale Haltenähte gelegt. Cholezystektomie und Appendektomie wie auch Sigmoidektomie und Fundoplicatio sind über einen Single Port durchführbar.
. Abb. 2.92 Trokare. Ventile verhindern, dass das CO2 wieder aus dem Bauchraum entweichen kann. (Fa. Olympus)
Optiken Zumeist kommt eine 30°- oder 45°-Optik zum Einsatz, die über einen passenden Trokar eingeführt wird, hier werden neben 10-mm-Optiken auch 5-mm-Optiken verwendet. Daran werden das Lichtleitkabel und die Kamera angeschlossen, entweder mit einem industriell gefertigten Überzug steril bezogen und an der Patientenabdeckung mit einem Klebestreifen fixiert, oder sie kommen autoklaviert aus der ZSVA (z. B. die autoklavierbaren Videoendoskope wie EndoEye von der Fa. Olympus). Optiken werden körperwarm angereicht und/oder mit einem Antibeschlagmittel betupft.
. Abb. 2.93 Single-Access-Trokar (Beispiel: Triport von Fa. Olympus). (Nach Carus 2010)
Clipapplikatoren Die Clipzangen (. Abb. 2.95) werden zumeist über eine 10-mm-Trokarhülse eingebracht, nachdem sie mit dem gewünschten Clip gefüllt wurden. (Diese Clips stehen aus Titan oder aus resorbierbarem Material, z. B. PDS, zur Verfügung.) Dazu wird die Zange in geöffnetem Zustand mit den Branchen auf das Clipmagazin gedrückt. Werden beim Anreichen der Applikatoren versehentlich die Handgriffe zusammengedrückt, fällt der vorbereitete Clip heraus. ! Beachten Sie, dass die Clips in die korrekte Zange gefüllt werden! Jede Clipgröße hat ihren »eigenen« Applikator. Ein PDS-Clip passt nicht in die Zange für Titanclips!
. Abb. 2.94 SILS-Port (Beispiel: Covidien). (Nach Carus 2010)
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
Scheren
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. Abb. 2.95 Resterilisierbarer Clipapplikator. (Fa. Olympus)
Manche Clipzangen haben vorn am Arbeitsteil ein ausfahrbares Häkchen zur Erleichterung der Präparation. Die Clipapplikatoren werden von vielen Anbietern als Einweginstrument geliefert. Hier sind die Clips in unterschiedlicher Anzahl im Applikator enthalten.
Sie werden entsprechend den Trokaren mit 10 oder 5 mm Durchmesser angeboten. Die meisten Modelle, vornehmlich Einweginstrumente, haben einen beweglichen Drehkopf, sodass der Operateur in der Lage ist, die Schere nur in den Branchen zu drehen, ohne den Instrumentenhandgriff umzusetzen (. Abb. 2.96). Jede Schere muss vor dem Anreichen 2- bis 3-mal geöffnet und geschlossen werden, um eine Hemmung auszuschließen. Ein isolierter Schaft ermöglicht die Schere an das monopolare HF-Gerät anzuschließen, um vor dem Schneiden zu koagulieren. Eine bipolare Schere steht ebenfalls zur Verfügung.
Gewebezange Reduzierhülsen und -kappen Diese Hülsen reduzieren den Durchmesser der schon eingebrachten Trokarhülsen auf den kleineren Durchmesser der Arbeitsinstrumente. Während der Arbeitsvorgänge kann also kein Gas entweichen, wenn z. B. die 5-mm-Schere über eine 10-mm-Hülse eingeführt wird. Anderen Trokaren werden dazu nur noch Reduzierkappen aufgesetzt. Diese passen für mehrere unterschiedliche Instrumentenschaftdurchmesser. Einwegtrokare reduzieren durch ein Ventilsystem ohne Extrakappen. Kombinationen aus Mehrwegtrokarhülse und Einwegkappen sind möglich. Dadurch ist die Handhabung von Instrumenten mit unterschiedlicher Schaftstärke vereinfacht.
Diese Zange (. Abb. 2.97) hat ein relativ großes, grobes Maul und wird häufig als Zange für Präpariertupfer genutzt. Der Tupfer muss fest eingespannt sein. Die Arretierung darf aber nicht bis auf die letzte Raste geschlossen werden, damit die Zange nicht durch Überspannung aufspringt. Es ist darauf zu achten, dass jeder Tupfer der/dem Instrumentierenden zurückgegeben wird; oder es sind Einwegpräpariertupfer, die fest mit einem Stab verbunden sind, zu benutzen.
Taststab Der Taststab ist ein stumpfer, runder Metallstab, mit dem sondiert, ausgetastet, ausgemessen oder auch Organe weggehalten werden können.
Hakenelektrode Die Hakenelektrode ist ein langer, vorn entweder um 90° abgewinkelter oder abgerundeter Stab, auf den Gewebestrukturen aufgeladen werden können. Der Stab hat einen monopolaren HF-Anschluss (. Abb. 2.98). Das Gewebe a
b . Abb. 2.96 Laparoskopische Schere: a Maulteil, b offener Griff der laparoskopischen Schere (Beispiel: Karl Storz). (Nach Carus 2010)
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wird koaguliert und ggfs. mit einer Schere durchtrennt. Vielfach haben diese Hakenelektroden einen Spülkanal, damit während des Koagulierens gespült und der entstehende Rauch abgesaugt werden kann.
Löffelzange Die Branchen dieser Zange sind wie Löffel geformt. Sie kommt beim Bergen von Steinen oder Biopsien zur Anwendung.
Fasszange Gewebefasszangen gibt es in vielen Größen und Stärken. Sie sind arrettierbar und haben ein geriefeltes Maul, das innen oft eine löffelartige Riefelaussparung hat, um das Gewebe nicht zu traumatisieren. Sie eignen sich z. B. zum Fassen der Gallenblase (. Abb. 2.99). Dissektionszangen sind kleine Fasszangen mit konisch zulaufenden Branchen mit Querriefelung. Sie eignen sich zur Präparation von Gewebs-/Organstrukturen (. Abb. 2.100).
. Abb. 2.97 Gewebegreifzange für z. B. Magen oder Gallenblase. (Fa. Olympus)
Overholt-Klemme (Dissektionszange) Die Anwendung entspricht der in der »offenen Chirurgie« üblichen Babcock-Zange Eine atraumatische Fasszange, z. B. zum Fassen des Magens bei der Fundoplicatio.
Nadelhalter Das Nähen während einer laparoskopischen Operation erfordert sicher das größte Umdenken. Die Nadelhalter gibt es in verschiedenen Ausführungen; v. a. der Arbeitsgriff unterscheidet sich von anderen Instrumenten (. Abb. 2.101). Zum Knoten ist immer ein zweites Instrument notwendig, wenn kein vorgeknoteter Faden benutzt wird. Es kann intrakorporal oder extrakorporal geknotet werden.
. Abb. 2.98 Hakenelektrode mit HF-Ansatz. (Fa. Olympus)
Bergesack Ein Kunststoffbeutel, über eine Einführhilfe eingebracht, wird intraabdominal ausgerollt, um z. B. die Gallenblase oder die Appendix aufzunehmen, damit sie kontaminationsfrei vor die Bauchdecke gezogen werden kann. Außerdem kann in dem Sack eine Steinzertrümmerung vorgenommen werden. Damit ist eine problemlose Bergung der Konkremente möglich.
. Abb. 2.99 Greifzange nach Manhes zum Greifen und Präparieren von empfindlichem Gewebe. (Fa. Olympus)
Bergetrokar Große Trokare, die die Inzision bis auf 33 mm dilatieren können, um Resektate kontaminationsfrei zu entfernen (z. B. bei Sigmaresektionen).
einen Schlauch wird die Spülflüssigkeit ins Abdomen geleitet, über einen anderen Schlauch wird abgesaugt. Es finden 5- und 10-mm-Saugrohre Verwendung.
Saug-Spül-Kanüle Sofern nicht über die vorhandenen Spülkanäle der einzelnen Instrumente gesaugt wird, kann eine Saug-Spül-Kanüle an die Saug-Spül-Pumpe angeschlossen werden. Über
Endostapler Die Anwendung des Endostaplers entspricht der in 7 Abschn. 2.1.2 beschriebenen Vorgehensweise. Für die Anwen-
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
2.15.5
2 a
Handhabung
Die Instrumente müssen während der Operation ständig sauber gehalten werden, damit Blut- und Gewebereste nicht die Handhabung erschweren, Hohlschäfte werden mit Aqua dest. durchgespült, um ein Verkleben der Gewebereste zu verhindern, da sie die Aufbereitung erschweren. Der Operateur schaut kontinuierlich auf den Monitor, sodass das OP-Personal beim Einführen der langen Schäfte in die Trokarhülsen behilflich sein muss.
Instrumentenaufbereitung
b . Abb. 2.100 Laparoskopischer Dissektor: a Maulteil, b offener Griff des laparoskopischen Dissektors (Beispiel: Karl Storz). (Nach Carus 2010)
a
Nach Beendigung der Operation wird das Einmalmaterial entsprechend entsorgt und das wiederverwendbare Instrumentarium der Aufbereitung zugeführt. Damit keine Blutund Eiweißreste antrocknen können, muss es unmittelbar nach Gebrauch durchgespült werden. Die Instrumente werden zerlegt; alle Hähne müssen offen sein. Stark verschmutzte Hohlräume können, soweit zugänglich, mit einer kleinen Bürste gereinigt werden. Die Reinigungs- und Desinfektionsgeräte (RDG) müssen mit einem Einsatz versehen sein, auf den die Hohlschaftinstrumente aufgesteckt werden können, um eine Spülung, Desinfektion und Reinigung zu gewährleisten. Vor der Sterilisation müssen die Instrumente mit vollentmineralisiertem Wasser gespült werden. Sie dürfen nur trocken autoklaviert werden. Das Metallinstrumentarium und die Lichtleitkabel können dampfsterilisiert werden. ! Bitte berücksichtigen Sie die Auskühlzeit der Optiken! (Niemals mit kaltem Wasser abschrecken.)
Ältere Optiken müssen gassterilisiert werden oder der umweltfreundlichen Plasmasterilisation zugeführt werden. Die Aufbereitung unterliegt den definierten Kriterien des Robert-Koch-Institutes (RKI) und muss den Herstellerangaben Folge leisten
b
. Abb. 2.101 Laparoskopischer Nadelhalter: a Maulteil, b Griffstück (Beispiel: Karl Storz). (Nach Carus 2010)
dung ist es essenziell zu wissen, welcher Trokardurchmesser benötigt wird. Endostapler gibt es nur als Einweginstrumente. Neben geladenen Geräten werden zunehmend Stapler und Nachlademagazine angeboten. Neben verschiedenen Klammerstärken für unterschiedliche Gewebedicke sind neben den herkömmlichen geraden Staplern abwinkelbare Mechaniken erhältlich (. Abb. 2.102).
2.15.6
Patientenlagerung in der MIC
Gerade in der minimal-invasiven Chirurgie kommt der Patientenlagerung eine große Bedeutung zu, da die Schwerkraft ausgenutzt wird. Durch intraoperative Lageveränderungen müssen die Lagerungshilfsmittel so platziert werden, dass sie ihre Position behalten. Extreme Kopftieflagerungen erfordern die Anlage von Schulterstützen, Fußtieflagerung erfordern Fußstützen. Alternativ erleichtert die Anwendung von Vakuummatten diese spezifischen Lagerungen. Der Operateur und sein Kameraassistent benötigen im Hinblick auf die extremen Lagerungspositionen viel Bewe-
141 2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
gungsspielraum. Dazu ist die Anlagerung eines oder beider Arme mit entsprechender Abpolsterung und Absicherung der venösen Zugänge notwendig. 4 Trendelenburg-Lagerung: Die Kopftieflage erleichtert die Operationen im Unterbauch. 4 Anti-Trendelenburg-Lagerung: Die Fußtieflage erleichtert Operationen im Oberbauch. ! Pneumoperitoneum und Anti-TrendelenburgLagerung erhöhen die Thrombosegefahr!
4 Linksseitenkippung: Das rechte Abdomen wird übersichtlich. 4 Rechtsseitenkippung: Das linke Abdomen ist gut erreichbar.
2.15.7
Trokarpositionierung
Alle im Folgenden angegebenen Positionen für Trokare sind variabel. Zu bedenken ist eine maximale Entfernung des Optiktrokars vom Erfolgsorgan von 10–15 cm. Alle weiteren Trokare sollten halbkreisförmig mit ca. 10 cm Abstand von der Optik platziert werden, um intraoperativ ein Überkreuzen der Instrumentenschäfte zu vermeiden.
2.15.8
Operationen
Laparoskopische Cholezystektomie Nicht nur aus Gründen des Komforts für den Patienten (günstige Kosmetik, weniger Schmerzen), sondern auch aus betriebs- und volkswirtschaftlicher Sicht, nämlich einerseits der Abrechnung im DRG-System, andererseits Verkürzung des Krankenhausaufenthalts und der Krankheitsdauer, ist die endoskopische Cholezystektomie zu einem Standardeingriff geworden. Die intraoperative Cholangiographie ist auch bei dieser Methode durchführbar. kIndikation
4 Cholezystolithiasis, 4 Gallenblasenhydrops, 4 chronische und akute Cholezystitis. jKontraindikationen
4 4 4 4
Gallige Peritonitis nach Gallenblasenperforation, Gallenblasenphlegmone, Gerinnungsstörungen, akute Pankreatitis.
Stellt sich während der Inspektion und Präparation heraus, dass sich der Ductus cysticus und die A. cystica nicht übersichtlich gegen den Ductus choledochus abgrenzen lassen, muss auf die konventionelle Methode der Cholezystektomie zurückgegriffen werden. kPrinzip
In dem mit CO2 aufgefüllten Intraperitonealraum wird die Gallenblase retrograd durch manchmal auch nur 3 Trokare (. Abb. 2.103) mit Schere, Clips und HF-Koagulator bzw. Ultraschallskalpell entfernt, nachdem die A. cystica und der Ductus cysticus zwischen Clips durchtrennt wurden. a
b . Abb. 2.102 Klammernahtmagazin (a); Handgriff mit Auslösemechanismus (b). (Beispiel: Fa. Ethicon Endo-Surgery). (Nach Carus 2010)
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
kenschere, Haken- und/oder Messerelektroden für den HF-Anschluss, Reduzierhülsen bzw. -kappen, Fasszangen, Dissektionszangen, Löffelzange, Präpariertupfer. 4 Bei Bedarf steriler Bezug für die Kamera. 4 Skalpell, Präparierschere z. B. nach Metzenbaum, 2 chirurgische Pinzetten und 1 Nadelhalter.
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a
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Vor der Operation wird der Magen über eine Magensonde entleert, teilweise ist ein Blasenverweilkatheter indiziert.
Laparoskopische Cholezystektomie
c
d
e
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. Abb. 2.103 Laparoskopische Cholezystektomie, Einbringen der Arbeitstrokare. 1 Laparoskop (10 mm), 2 rechte Fasszange (5 mm), 3 Diathermie-Hakensonde (5 mm), 4 Spül-Saug-Vorrichtung. (Nach Siewert 2006)
kLagerung
4 Steinschnittlage mit abgesenkten Beinen, neutrale Elektrode an einem Oberschenkel (europäische Lagerung). 4 Alternativ: Rückenlage mit gespreizten Beinen (amerikanische Lagerung). kInstrumentarium
Laparoskopische Grundausstattung: 4 »Geräteturm« mit CO2-Insufflator inklusive Gasflasche, Saug-Spül-Pumpe, Optikwärmer, alternativ steriles Antibeschlagmittel. 4 Kaltlichtquelle, digitale Bilddokumentation, Kamera, Monitor, HF-Gerät, evtl. Ultraschallskalpell. 4 Veress-Nadeln und 10-ml-Spritze, Trokare mit Trokarhülsen, Optik 0°, 30° oder 45°, Taststab, Clipapplikator mit Clips (Titan- oder resorbierbare Clips), Ha-
7 Das OP-Gebiet wird desinfiziert und der Patient abgedeckt. 7 Der Operateur und ein fakultativer zweiter Assistent stehen rechts bzw. links des Patienten, der erste Assistent zwischen den Beinen des Patienten. Alternativ kann der Operateur zwischen den Beinen stehen, der erste Assistent links, der fakultative zweite rechts. Die/der Instrumentierende fährt den Tisch über das linke Bein des Patienten. 7 Um einen Raum für die endoskopische Untersuchung zu schaffen, muss zunächst CO2 in den Intraperitonealraum insuffliert werden. 7 Dazu wird eine Veress-Nadel in Kopftieflage am Nabel in den Bauchraum unter Hochziehen der Bauchdecken eingeführt, ohne dass dabei Darmschlingen verletzt werden dürfen. Durch diese Kanüle werden mit dem Gasinsufflator ca. 3–6 l/min CO2 in das Abdomen gefüllt. Alternativ wird offen die 10-mm-Trokarhülse durch eine Miniinzision von Faszie und Peritoneum über einen Wechselstab vorgeschoben. Über diese Hülse erfolgt die Gasinsufflation. 7 Währenddessen ist Zeit für den Instrumentanten und den »Springer«, alle benötigten Kabel anzuschließen und bei Bedarf das Kamerakabel mit einem sterilen Bezug zu versehen. 7 Bei einigen Kameras muss der sog. Weißabgleich erfolgen. Dabei wird vor die Optik ein weißer Tupfer gehalten, der dann auf dem Monitor weiß erscheinen muss. Mit einer Korrekturtaste wird die korrekte Farbeinstellung vorgenommen. 7 Nach der Insufflation wird die Veress-Nadel entfernt. Durch einen kleinen Hautschnitt am Nabel wird unter Perforation der Faszie ein 10- oder 12mm-Trokar mit Hülse eingeführt. Danach wird der Trokar entfernt und durch eine 30°- oder 45°-Optik ersetzt und der Gasanschluss auf die Trokarhülse gesetzt. 6
143 2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
7 Die Optik muss entweder vorgewärmt oder aber mit einem »Antibeschlagmittel« betupft werden, um klare Sicht auf das OP-Gebiet zu haben und zu behalten. Dann wird die Inspektion des Abdomens vorgenommen. 7 Folgende Trokare werden zusätzlich eingeführt: – ein 5er-Trokar im rechten Unterbauch, ein weiterer 5er-Trokar in der Medioklavikularlinie subkostal rechts und – paramedian links im Epigastrium ein weiterer 10-mm- oder 12-mm-Trokar (diese Angaben sind abteilungsspezifisch). 7 Zuerst werden evtl. vorhandene Adhäsionen zur Bauchdecke durchtrennt. Ein Rundumblick durch die Bauchhöhle wird vorgenommen, dann die Gallenblase freipräpariert. 7 Durch die eine Hülse wird der Taststab geführt, der die Leber aus dem Sichtfeld halten soll. Durch die andere Hülse wird eine Fasszange an die Gallenblase geschoben, um diese am Infundibulum zu fassen und zu spannen. Häufig wird die Gallenblase auch am Fundus angeklemmt. 7 Durch eine dritte Hülse wird eine HF-Hakenelektrode platziert. Mit deren Hilfe werden der Ductus cysticus und die A. cystica freipräpariert. Diese Elektrode wird häufig im Wechsel mit einer Hakenschere, einem Dissektor oder einem Präpariertupfer benutzt. 7 Nach der Präparation wird die Elektrode oder die Schere durch den Clipapplikator ersetzt. Der Ductus cysticus und die A. cystica werden zentral doppelt und peripher einfach verschlossen. Nach Entfernung des Applikators werden diese beiden Gebilde mit der Schere abgesetzt. 7 Bei Verdacht auf eine Läsion des Ductus choledochus oder bei unklarem anatomischem Situs kann intraoperativ eine Cholangiographie durchgeführt werden. 7 Die Gallenblase wird angespannt, und mit der HFHakenelektrode oder der Ultraschallklinge retrograd vollständig aus dem Leberbett gelöst. 7 Nach dem Umsetzen der laparoskopischen Optik in den zweiten großen Trokar im Oberbauch wird die Gallenblase unter Sicht mit dem Infundibulum und durch Zurückziehen des Trokars in den Nabeltrokar vor die Bauchdecke gezogen. Nach Eröffnung und Absaugen kann sie mitsamt kleiner Steine entfernt werden. 7 Bei Bedarf müssen Steine in dem Bergebeutel zertrümmert werden. Ist die Gallenblase zu groß für die Extraktion am Nabel-Trokar-Einschnitt, kann 6
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entweder die Inzision im Faszienniveau erweitert oder über einen Bergetrokar dilatiert werden. Während laparoskopischer chirurgischer Eingriffe wird bei Bedarf der Intraperitonealraum gespült, um z. B. Blut, Koagulationsrückstände, Gallenflüssigkeit oder andere Sekrete zu entfernen. Dies beugt Infektionen und evtl. späteren Verwachsungen vor. Für die Spülung wird ein Zufluss- und ein Abflussschlauch an die Saug-Spül-Pumpe angeschlossen, sodass man über einen Ansatz spülen und danach über denselben Ansatz absaugen kann. Nach der Entfernung der Gallenblase muss eine gründliche Inspektion des Gallenblasenbettes und des subhepatischen Bereiches vorgenommen werden. Die Blutstillung erfolgt mit der HF-Elektrode, bzw. mit der Ultraschallklinge, bei Bedarf kann KollagenvIies oder auch Fibrinkleber eingebracht werden. Evtl. wird subhepatisch unter Sicht eine Drainage platziert. Alle Trokarhülsen werden mit den Instrumenten unter laparoskopischer Kontrolle entfernt, das CO2 abgelassen und die Inzision mit Naht oder Pflasterverband verschlossen. Alle Geräte werden ausgeschaltet, die zu- und abführenden Schläuche und Kabel diskonnektiert.
Laparoskopische Appendektomie kIndikation
4 Phlegmonöse Form der Appendizitis, 4 z. T. auch die gangränöse Appendizitis. jKontraindikation
4 Adhäsionsbauch, 4 Abszess, 4 diffuse Peritonitis. Findet sich intraoperativ ein laparoskopisch nicht abtragbares Meckel-Divertikel, ist ggf. auf die konventionelle Methode umzusteigen. kPrinzip
Laparoskopische Entfernung der Appendix mittels Abtragung über ein Klammernahtgerät, zwischen Clips oder über eine Schlingennaht mit oder ohne Versenkung des Stumpfes. kLagerung
4 Steinschnittlage, neutrale Elektrode am rechten Oberschenkel.
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
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. Abb. 2.104 Trokapositionen bei der Appendektomie. T1 5 mm für Taststab, Fasszange, Dissektionszange, Schere. T2 12-mm-Trokar für Fasszange, linearen Anastomosenstapler. O Optiktrokar. (Nach Carus 2010)
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4 Alternativ Rückenlage mit gespreizten Beinen. 4 Intraoperativ Kopftieflage und Kippung des Tisches nach links. Die präoperative Anlage eines transurethralen Blasenkatheters kann die Präparation erleichtern. kInstrumentarium
Technisches und instrumentelles Grundinstrumentarium wie bei der Cholezystektomie beschrieben. Ein Bergesack sollte hier immer verwendet werden, ebenso laparoskopische Nadelhalter bzw. vorgefertigte Schlingen (z. B. Röder-Schlingen), ein Clipapplikator oder ein linearer Anastomosenstapler mit integriertem Cutter für die endoskopische Anwendung.
Laparoskopische Appendektomie 7 Die Anlage des Pneumoperitoneums erfolgt wie bei der Cholezystektomie beschrieben. 7 Die Platzierung der verschiedenen Trokare wird der Lokalisation des geplanten Eingriffs angepasst (Nabel, rechter und linker Unterbauch) bzw. linker Mittelbauch. 7 Zumeist 3 Trokare, 10 mm für die Optik, 12 mm für das Klammernahtgerät, 5 mm für die Arbeitsinstrumente (. Abb. 2.104). 7 Zur Diagnosesicherung erfolgt zunächst eine diagnostische Laparoskopie. Bei Vorliegen einer Peri6
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tonitis wird ggf. Flüssigkeit abgesaugt und zur mikrobiologischen Untersuchung gegeben. Dünndarm und Zäkum werden mit dem Taststab beiseite gehalten. Das Mesenteriolum wird mit einer Zange gefasst und gespannt (. Abb. 2.105) und mit der HF-Hakenelektrode oder der Ultraschallklinge und der Hakenschere präpariert, die A. appendicularis doppelt geclipt oder bipolar koaguliert. Skelettierung entlang der Appendix zur Basis. Die Appendix wird an der Basis mit 2 vorgefertigten Schlingen, die über eine Trokarhülse eingebracht werden, doppelt unterbunden und mit einer Messerelektrode abgetragen, der Stumpf wird desinfiziert, alternativ kann mit einem resorbierbaren Clip an der Basis abgesetzt werden. Alternativ kann die Appendix mit Mesenteriolum mit einem Endocutter in einem Arbeitsgang abgesetzt werden (. Abb. 2.106). Zum Einsatz dieser Stapler muss ein 12-mm-Trokar eingebracht werden. Das Herausziehen des Präparats erfolgt über einen Bergesack oder in einem Trokar, da es hier auf keinen Fall zu einer Berührung der entzündeten Appendix mit den Schichten der Bauchwand kommen darf. Eine Stumpfversenkung, wie sie aus der konventionellen Chirurgie bekannt ist, erfolgt hier selten! Bei Bedarf wird der Intraabdominalraum gespült, ggf. eine Drainage platziert. Danach wird das CO2 abgelassen, die Trokare werden entfernt und die Einstichstellen verschlossen.
Laparoskopische Hernioplastik Neben der konventionellen offenen Methode haben sich laparoskopische Techniken zur Leistenhernienversorgung etabliert. Für die endoskopischen Techniken gelten die Versorgungskriterien ähnlich wie für die »offenen« Verfahren: 4 Der Bruchsack wird präpariert und abgetragen oder reponiert. 4 Die Hinterwand des Leistenkanals wird verstärkt. Anders als bei der konventionellen Methode erfolgt die Hinterwandverstärkung im Bereich der Fascia transversalis immer durch Implantation eines teilresorbierbaren Kunststoffnetzes, das meistens mit Clips, alternativ mit Fibrinkleber fixiert wird. Als Mindestmaß werden Netzgrößen von 13 × 8 cm empfohlen, häufig werden 15 × 10 cm und größer gefordert, um Hernienrezidive sicher zu verhindern. Grundsätzlich werden zwei Zugangswege unterschieden:
145 2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
4 TAPP (= transabdominale präperitoneale Netzimplantation): Bei diesem Zugangsweg wird das Kunststoffnetz auf laparoskopischem Wege, also durch die freie Bauchhöhle, nach Durchtrennung und Präparation des Peritonealüberzugs und des Bruchsackes von innen vor die Bruchpforte platziert. 4 TEP (= totale extraperitoneale Plastik): Bei diesem Zugangsweg wird die Bauchhöhle nicht eröffnet, sondern es wird am Nabel beginnend ein präperitonealer Weg zwischen M. rectus abdominis und hinterem Blatt der Rektusscheide bis zur Leistenregion so weit stumpf aufgedehnt, bis der präperitoneale Raum vor der Bruchpforte die Ausbreitung des Kunststoffnetzes erlaubt.
. Abb. 2.105 Fassen und Anspannen des Mesenteriolums. (Nach Carus 2010)
kIndikation
Eine einheitliche Empfehlung kann aufgrund fehlender abschließender Studienergebnisse immer noch nicht gegeben werden. Als vorteilhaft wird die elektive Indikation zur Versorgung von Rezidivhernien und beidseitigen Hernien im Erwachsenenalter angegeben. Jedoch bekommt die primäre Versorgung einer Leistenhernie in endoskopischer Technik einen immer größeren Stellenwert. Sowohl die völlige Ablehnung als auch die Forderung zur Ausweitung der Indikation auf alle Hernienversorgungen werden in der Literatur beschrieben. kPrinzip
Transperitoneale oder präperitoneale endoskopische Freilegung des Bruchsackes, der Bruchpforte, der Fascia transversalis und der Samenstranggebilde. Verschluss der Bruchpforte und Hinterwandverstärkung mit einem industriell gefertigten, nicht- oder teilresorbierbaren Netz. Das Netz muss alle Bruchpforten weit überlappend abdecken.
a
kLagerung und Vorbereitung
Trendelenburg-Lagerung in 20–30°-Position, Sichern des Patienten mit Schulterstützen (. Abb. 2.107), ggf. mit Abspreizung der Beine, neutrale Elektrode bei einseitiger Versorgung am Oberschenkel der OP-Seite. Unmittelbar präoperativ sollte die Entleerung der Harnblase erfolgen. kInstrumentarium
Technische laparoskopische und instrumentelle Grundausstattung mit einer 0°- oder 30°-Optik. Neben dem 10mm-Optiktrokar wird bei einseitiger Versorgung für die zu operierende Seite ein 10- oder 12-mm-Trokar bevorzugt, für die andere Seite reicht ein 5-mm-Trokar. Bei beidseitiger Versorgung können ggf. zwei 12-mm-Trokare eingesetzt werden. Der Eingriff ist aber auch mit 2×10-mm- und 1×4-mm-Trokaren ein- und beidseitig durchführbar. Das Ultraschallschneidegerät erleichtert die sichere Präparation der Strukturen. Zur Netzfixation wird ein Clipapplikator benötigt, vorzugsweise ein automatisch nachladendes
b
. Abb. 2.106 Anspannen der skelettierten Appendix (a), Platzieren des Linearstaplers (b). (Nach Carus 2010)
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
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. Abb. 2.107 Rückenlage mit gespreizten Beinen und maximal 90° abduzierten Armen in Supinationsstellung. (Nach Krettek u. Aschemann 2005)
Gerät, das die benötigte Anzahl an Clips (bis 20) enthält. Spezielle Hernienstapler (Ethicon Endo Surgery, Covidien, Origin) geben die Clips wie Tackerklammern bzw. als spiralförmige Klammern ab. Alternativ wird die Fixation mit Fibrinkleber diskutiert. Vielfach wird empfohlen, vor Annahme, Zurechtschneiden und Implantation des Netzes die Handschuhe zu wechseln.
. Abb. 2.108 Trokarpositionen bei der endoskopischen Hernienoperation auf der rechten Seite. (Nach Carus 2010)
Endoskopische Herniotomie (TAPP) 7 Der männliche Patient wird in bekannter Weise abgewaschen und inklusive des Hodenbereiches abgedeckt. Operateur und Assistenz stehen entweder beidseits des Patienten oder operieren vom Kopfende aus. 7 Nach Anlage des Pneumoperitoneums in standardisierter Technik Einbringen der 30°- oder 45°-Optik in den 10-mm-Nabeltrokar. Die Nabelinzision kann sowohl unterhalb, als auch oberhalb des Nabels angelegt werden. Nach der Inspektion und Exploration Herstellen der Kopftieflage und Einstellen der Bruchpforte. 7 Einbringen von 2 weiteren Arbeitstrokaren: bei einseitiger Versorgung 10- bzw. 12-mm-Trokar auf der Hernienseite lateral des M. rectus abdominis. Auf der anderen Seite reicht ein 5-mm-Trokar bei beidseitiger Versorgung (. Abb. 2.108). 7 Nach Einschneiden des Peritoneums ventral der Bruchpfortenkante zwischen Plica umbilicalis medialis bis lateral in die Nähe des Beckenkamms erfolgt die sorgfältige Präparation der anatomisch wichtigen Strukturen: Bruchpforte und Bruchsack, Schambein, Cooper-Band, Tractus ileopubicus, epigastrische Gefäße, Samenleiter und Samen6
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stranggefäße, Identifizieren der Beckengefäße. Die Präparation erfolgt mit Schere, Hakenelektrode oder Ultraschallklinge und Dissektor. Der Peritonealüberzug wird weit nach dorsal und schmal nach ventral abgelöst, der Bruchsack dabei reponiert. Das Kunststoffnetz wird zusammengerollt über den 12-mm-Trokar eingebracht. Es wird über der Bruchpforte, über den Samenstranggebilden und über der Fascia transversalis ausgebreitet und sparsam v. a. medial und ventral mit Clips am Cooper-Ligament fixiert. Als Abwandlung wird auch das Einschneiden des Netzes durchgeführt mit Unterfahren der Samenstranggebilde und der epigastrischen Gefäße. Die Netzvereinigung am Einschnitt erfolgt dann mit Clips. Lateral dorsal im OP-Gebiet sollen keine Clips wegen drohender Nervenirritationen platziert werden. Das Peritoneum muss über dem Kunststoffnetz durch endoskopische Naht oder mit Clips verschlossen werden, um gefährliche Darmadhäsionen zu vermeiden. Nach Entfernung der Trokare unter laparoskopischer Sicht werden an den10- bzw. 12-mm-Inzisionen Fasziennähte durchgeführt. Hautnaht und Pflasterverband beenden den Eingriff.
147 2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
Endoskopische Herniotomie (TEP) 7 Nach gleichartiger Vorbereitung und Abdeckung des Patienten wird als wesentlicher OP-Schritt ein künstlicher präperitonealer Raum geschaffen. Hierzu wird auf der OP-Seite neben dem Nabel eine Inzision von ca. 15 mm Länge unter Sicht bis auf das vordere Blatt der Rektusscheide geführt, die Rektusmuskulatur mit Langenbeck-Haken zur Seite gehalten und auf dem hinteren Blatt der Rektusscheide stumpf mit einem Babystieltupfer in Richtung Symphyse eingegangen. Anschließend wird in die gleiche Richtung ein spezieller Ballon-Dissektions-Trokar eingeführt und bis zum Kontakt mit dem Tuberculum pubicum unter palpatorischer und visueller Kontrolle von außen vorgeschoben. Je nach Trokarmodell wird die Ballonhülse entfernt und der Ballon durch Auffüllen mit CO2 oder physiologischer Kochsalzlösung entfaltet. Dieses führt zu einer stumpfen Gewebsspaltung mit Abhebung des Peritoneums. Langsamer und schwieriger ist die stumpfe Präparation des präperitonealen Raumes mit Hilfe konventioneller wie endoskopischer Instrumente und der Optik selbst. 7 In den geschaffenen Raum wird in der Mitte zwischen Nabel und Symphyse ein 5-mm-Trokar in die Medianlinie eingestochen. Von hier aus wird die laterale Dissektion des Raumes ergänzt. Von lateral wird unter endoskopischer Sicht meist ein10- oder 12-mm-Arbeitstrokar eingeführt. Alle Präparationsschritte müssen eine Verletzung des Peritoneums vermeiden, um einen Gasverlust von präperitoneal nach intraperitoneal zu verhindern. 7 Die eigentliche Vorbereitung der Netzimplantation erfordert die gleichen präparatorischen OPSchritte, wie sie zur TAPP erforderlich sind. Lediglich der peritoneale Bruchsack wird in Richtung Bauchraum abgedrängt. Das aufgerollt eingebrachte Netz wird mittels Fasszange und Dissektor ausgebreitet (. Abb. 2.109). Wird das Netz nicht mit Clips fixiert, muss das Gas so abgelassen werden, dass die korrekte Netzposition bis zum Kontakt mit dem Peritoneum verfolgt werden kann. 7 Die Versorgung einer bilateralen Hernie ist in der Regel ohne zusätzliche Trokare möglich. Der Präperitonealraum kann über die Mittellinie leicht zur Gegenseite erweitert werden. Entweder wird eine entsprechend breite Netzprothese mit individuellen Maßen im beidseitigen Extraperitonealraum ausgebreitet oder ein zweites Kunststoffnetz auf der Gegenseite platziert. 7 Bei der Trokarentfernung und der Versorgung der Trokarinzisionen gelten die Regeln der TAPP-Technik.
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c . Abb. 2.109a–c a Einbringen des zusammengerollten Netzes über den Optiktrokar. b Zusammengerolltes Netzimplantat im extraperitonealen Raum. c Ausrollen des Netzimplantates mit Dissektor und Wellenzange. (Nach Carus 2010)
Laparoskopische Adhäsiolyse kIndikation
4 Unklare Bauchschmerzen, vor allem bei krampfartigen Beschwerden in Verbindung mit Erbrechen nach vorangegangenen Bauchoperationen oder Peritonitiden,
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
4 Strangbildungen oder Verklebungen von Darm und Bauchwand.
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kPrinzip
Über einen laparoskopischen Zugang werden die Verwachsungen im Abdominalraum mittels Schere durchtrennt. Thermische Verfahren wie HF-Chirurgie oder Ultraschall sollten an Darmstrukturen vermieden werden.
kIndikation
4 Milzruptur bei stumpfem Bauchtrauma, 4 Zustand nach Milzinfarkt, 4 Kugelzellanämie. kPrinzip
Entfernung der kompletten Milz über 4–5 Trokare, Entfernung des Organs über einen ca. 4 cm langen Schnitt, Einlegen einer Drainage.
kLagerung
4 Rückenlage, 4 Positionierung der neutralen Elektrode nach Vorschrift. kInstrumentarium
4 Laparoskopische Grundausstattung, 4 zwei 5-mm-Trokare bzw. ein 10-mm- und ein 5-mmTrokar, 4 Bipolare Schere. Adhäsiolyse 7 Nach der Operationslagerung wird die Bauchregion des Patienten desinfiziert und abgedeckt. 7 Die Anlage des Pneumoperitoneums erfolgt zur Vermeidung von Darmperforationen bevorzugt in der offenen Technik: Nach Anlage einer Miniinzision am Nabel wird je nach Optikdurchmesser über eine Faszieninzision mit Tast- oder Wechselstab ein 5- bzw. 10-mm-Trokar stumpf eingebracht und die CO2-Insufflation durchgeführt. 7 Ein zweiter 5-mm-Trokar dient als Arbeitsport. Hierdurch können mit der Schere die Verwachsungen durchtrennt und die Verklebungen gelöst werden. In einigen Situationen muss ein zusätzlicher Port eingebracht werden, um beidhändig zu arbeiten (Beispiel: Aufladen eines Verwachsungsstranges vor der scharfen Durchtrennung). 7 Eine ausgiebige Spülung des Intraabdominalraums minimiert die Gefahr von Rezidiven.
Durch den Einsatz der laparoskopischen Technik können großflächige Schnitte, die wiederum Verwachsungen nach sich ziehen, vermieden werden.
Laparoskopische Splenektomie Die laparoskopische Entfernung der Milz unterliegt den gleichen Kriterien, wie schon 7 Abschn. 2.6.2 beschrieben. Das Gleiche gilt für die erforderliche Impfung bezüglich des OPSI-Syndroms (7 Abschn. 2.6.2). Durch das laparoskopische Vorgehen ist die postoperative Schmerzbelastung des Patienten geringer, zumeist ist ein größerer Blutverlust vermeidbar.
kLagerung
4 Rückenlage, alternativ Rechtsseitenlage, 4 neutrale Elektrode nach Vorschrift. kInstrumentarium
4 Laparoskopische Grundausstattung, 4 lineares, endoskopisches Klammernahtinstrument für die Milzvene bzw. für den Hilus, 4 Titan- oder resorbierbare Clips für die Milzarterie, 4 Bergebeutel zum Entfernen des Organs, 4 für möglichen Umstieg konventionelles Laparotomiesieb bereithalten, 4 bei Bedarf das LigaSure-, Ultraschalldissektionsgerät oder EnSeal (7 Abschn. 2.15.3). Splenektomie 7 Nach der Operationslagerung, der Hautdesinfektion sowie der korrekten Abdeckung wird zuerst über eine Veress-Nadel oder durch Einbringen des ersten Trokars über einen offenen Zugang per Miniinzision das Pneumoperitoneum mittels CO2-Insufflation angelegt. 7 Die Trokarpositionierung ist abhängig von der gewählten Lagerung, in der Regel folgen die Inzisionen dem Rippenbogen. 7 Es werden 4–5 Trokare benötigt. 7 Nach einer Inspektion der Abdominalhöhle und speziell des Verletzungsausmaßes und Blutverlustes bei einer Ruptur erfolgt nach Entscheidung für die komplette Splenektomie das Herauslösen der Milz mittels der Ultraschalldissektion oder mit dem LigaSure-Gerät von kaudal und dorsal her auf den Hilus zu. Einzelne Gefäße und die Vasa gastricae breves im Lig. gastrosplenicum werden bei Bedarf mit Titan- oder resorbierbaren Clips versorgt. 7 Der Hilus wird stumpf mit einem Präparationsinstrument unterfahren und zumeist mit einem Klammernahtgerät mit einem (weißen) Gefäßmagazin abgesetzt. Dabei ist unbedingt auf die Schonung des unterschiedlich weit heranreichenden Pankreasschwanzes zu achten. 6
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kPrinzip 7 Danach wird die Milz in einen Bergebeutel gelegt und bei Bedarf darin zerkleinert (Morcellement). Eine Trokarinzision wird erweitert und das Organ im Bergebeutel vor die Bauchwand gezogen. Alternativ kann das Präparat über eine Minilaparatomie im Unterbauch entfernt werden. 7 Danach muss eine Kontrolle auf absolute Bluttrockenheit erfolgen, vielfach erfolgt die Einlage einer Penrose-Drainage. 7 Faszienverschluss und Hautnaht beenden den Eingriff.
Laparoskopische Adrenalektomie Die Nebennieren liegen retroperitoneal auf den oberen Polen der Nieren. Sie regulieren den Hormonhaushalt hinsichtlich verschiedener Hormonsysteme. Über die Bildung und Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin (Katecholamine) im Nebennierenmark werden kreislaufwirksame Substanzen produziert. Die Nebennierenrinde ist mit den Gluko- und Mineralokortikoiden u. a. für die Steuerung des Zucker- bzw. des Mineralhaushalts verantwortlich. Muss eine Nebenniere aufgrund einer Tumorbildung mit oder ohne hormonelle Fehlsteuerung entfernt werden, übernimmt in der Regel die andere Nebenniere die Gesamtfunktion, müssen beide entfernt werden wird lebenslänglich medikamentös Hormonsubstitution notwendig. Die Entfernung der Nebenniere kann transperitoneal wie auch retroperitoneal endoskopisch durchgeführt werden. Der transperitoneale laparoskopische Zugang birgt den Vorteil, dass sich der Operationssitus übersichtlicher darstellen lässt, aber die Präparation durch die rückwärtigen Schichten der Bauchwand entlang der benachbarten Organe notwendig ist. Bei beidseitiger Entfernung der Nebenniere ist der transperitoneale Zugang wegen des einen großräumigen Zugangs zu zwei Operationsgebieten vorzuziehen. Der retroperitoneale Zugang bietet geringere Komplikationsmöglichkeiten, da durch einen nur lokalen Präparationsaufwand weniger Gewebe traumatisiert werden kann. Die räumliche Enge lässt jedoch selten die Entfernung größerer Tumoren über diesen Zugang zu.
4 Über einen laparoskopischen Zugang mit 3–4 Trokaren wird die Nebenniere transperitoneal nach dem Darstellen, Klippen und Durchtrennen der Venen und Arterien mit einem Bergebeutel entfernt. 4 Bei dem retroperitonealen Zugang wird eine künstliche Höhle über einen Ballontrokar gebildet, 3–4 Trokare ermöglichen das Absetzen und die Bergung des Organs. kLagerung
4 Transperitonealer Zugang: Seitenlage entsprechend der zu entfernenden Nebenniere, bei Anwendung von HF-Chirurgie Anbringen der neutralen Elektrode am Oberschenkel der zu operierenden Seite. 4 Retroperitonealer Zugang: Seitenlage s. oben oder Bauchlage, Anbringen der neutralen Elektrode nach Vorschrift. kPatientenvorbereitung
4 Je nach Diagnose werden ein CT und/oder ein Abdomenultraschall durchgeführt. 4 Die Hormonbestimmung ist Voraussetzung zur Identifikation des Tumors und der Indikationsstellung. Beim Phäochromozytom muss zum Schutz vor einer hypertensiven Krise durch eine überschießende Katecholaminwirkung mit einer medikamentösen Blockade vorbehandelt werden. 4 Die Hormonsubstitution mit Kortison und ggf. Mineralokortikoiden intra- und postoperativ richtet sich nach der Erkrankung und der Frage, ob die Nebenniere einseitig oder beidseitig entfernt wird. kInstrumentarium
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Laparoskopische Grundausstattung, 0°- oder 30°-Optik, ggf. Ballontrokar, Titan-, und/oder resorbierbare Clips, Bergebeutel, bei Bedarf Ultraschalldissektionsklinge, aufgrund der möglichen Blutungsgefahr sollte ein konventionelles Laparotomie- und Gefäßsieb bereitgehalten werden.
kIndikation
Transperitoneale Adrenalektomie
4 Hormonell aktive Nebennierentumoren, unabhängig von ihrer Größe, 4 Nebennierenzysten, wenn sie Symptome verursachen, 4 Nebennierenkarzinom, 4 Phäochromozytom (Katecholaminproduktion), 4 Morbus Cushing (Glukokortikoidproduktion), 4 hormonell inaktive Tumoren bei einer Größe von mehr als 4 cm.
7 Nach der Operationslagerung in Seitenlage wird die gesamte Flankenregion desinfiziert und abgedeckt. Anlage eines Pneumoperitoneums mit CO2 über eine Veress-Nadel am Rippenbogen, Einführen von 3–4 Trokaren dem Rippenbogen folgend, 5 mm, 10 mm, 5 mm. Über die Optik erfolgt eine 6
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
2.15.9
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Inspektion der Abdominalhöhle, dabei sind die Nebennieren erst nach ihrer Darstellung und Mobilisation beurteilbar. Auf der rechten Seite muss neben der rechten Kolonflexur der rechte Leberlappen mit der Durchtrennung des Lig. triangulare mobilisiert werden, die Vena cava inferior wird dadurch sichtbar, in die die kleinen Nebennierenvenen einmünden. Die zuführenden Arterien wie auch die Nebennierenvenen werden mit Titanclips versorgt, sodass anschließend die Nebenniere aus dem Retroperitonealraum gelöst werden kann. Auf der linken Seite müssen die linke Kolonflexur, die Milz und die Pankreasunterkante so weit gelöst werden, dass die Nebenniere erkennbar wird. Die Nebenniere wird über einen Bergebeutel entfernt, bei Bedarf wird eine Trokarinzision dazu erweitert. Nach der Blutstillung erfolgt der Wundverschluss, im Einzelfall ist die Einlage einer weichen Drainage indiziert. Der transperitoneale Zugang sollte in der Regel bei beidseitiger Adrenalektomie gewählt werden, ebenso bei malignen Tumoren, um die Radikalität gewährleisten zu können.
Laparoskopische Magenchirurgie
Viele bisher konventionell operierte Eingriffe am Magen können laparoskopisch durchgeführt werden. Es gelten alle in 7 Abschn. 2.5 (Magenchirurgie) dargestellten Prinzipien.
Vagotomie Wie schon beschrieben (7 Abschn. 2.5.3), gibt es nur noch wenige Indikationen für eine Vagotomie. Wird diese laparoskopisch durchgeführt, gelten die Prinzipien der »offenen« Vagotomie. Die Lagerung des Patienten variiert, denn um die Schwerkraft nutzen zu können und die Oberbauchorgane zu erreichen, wird eine Fußtieflage des Patienten nötig. Die Reklinierung des Oberkörpers maximiert die Erreichbarkeit des Magens. Die Instrumentenvorbereitung entspricht der in der Fundoplicatio (s. unten) beschriebenen. Auch hier ist es nötig, Nahtinstrumente und Einzelclips bereitzulegen. Es werden in der Regel 4–5 Trokare benötigt, die Positionierung entspricht derjenigen der Fundoplicatio.
Pyloroplastik kIndikation
4 Stenose, 4 Vernarbungen des Magenausgangs, 4 Zustand nach Vagotomie.
Retroperitoneale Adrenalektomie
kPrinzip
7 Nach der Operationslagerung in Seitenlage oder Bauchlage wird das zu operierende Areal desinfiziert und der Patient steril abgedeckt. 7 Bei Seitenlage werden die 3–4 Trokare um den Rippenbogen platziert, bei Bauchlage über einen dorsalen Zugang unter der 12. Rippe. Da hier keine vorgeformte Körperhöhle vorhanden ist, muss vorher mittels eines raumbildenden Ballontrokars eine Übersicht geschaffen werden. 7 Dazu wird der am Trokar befindliche Ballon mechanisch entfaltet, nach dem Ablassen durch einen Blockungstrokar ersetzt, jetzt kann ein Pneumoretroperitoneum über einen Trokar und unter Sicht angelegt werden. 7 Das Auslösen und Bergen der Nebenniere erfolgt analog des beschriebenen Verfahrens bei der transperitonealen Adrenalektomie.
Inzision der Pylorusvorderwand in Längsrichtung über ca. 5 cm. Zur Erweiterung des Pylorus wird diese Inzision quer vernäht. kLagerung
4 Rückenlage, Oberkörper leicht rekliniert (Aufklappung), 4 intraoperative Fußtieflage, 4 Anbringen der neutralen Elektrode an einem Oberschenkel. kInstrumentarium
4 4 4 4 4
Laparoskopische Grundausstattung inkl. 30°-Optik, Ultraschalldissektionsgerät und/oder bipolare Schere, Babcock-Fasszangen, laparoskopische Nahtinstrumente, laparoskopische Fadenschere nach Metzenbaum oder Hakenschere.
151 2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
kInstrumentarium Pyloroplastik 7 Desinfektion und Abdeckung des Operationsgebietes. 7 Insufflation von CO2 zur Anlage des Pneumoperitoneums mit der Veress-Kanüle oder in der offenen Variante unter Sicht. 7 Subumbilikales Einbringen des Optiktrokars. Links und rechts davon jeweils 1 Trokar (5 und 10 mm) für Fasszange und Nahtinstrumente. Ein Arbeitstrokar wird im Epigastrium positioniert, um mit dem Taststab den linken Leberhaken wegzuhalten. Manche Chirurgen bevorzugen statt des Tasthakens einen Leberretraktor, dieser benötigt einen 10-mm-Trokar. 7 Die Darstellung des Pylorus ist in der Regel im entzündungsfreien Bauch ohne Präparation möglich. 7 Anspannen des Pylorus mit der Babcock-Zange. 7 Die Längsinzision der Pylorusvorderwand erfolgt mit der bipolaren oder der Ultraschallschere Schicht für Schicht. 7 Magensekret wird aus dem eröffneten Magen abgesaugt. Bevor die Quervernähung begonnen werden kann, erfolgt eine sorgfältige Blutstillung. 7 Die fortlaufende Allschichtnaht mit zwei resorbierbaren 3–0-Fäden erweitert den Magenausgang. Möglicherweise kann die Dichtigkeit der Naht geprüft werden, indem der Anästhesist gefärbte Spüllösung in die liegende Magensonde instilliert. 7 Eine Drainage ist selten erforderlich. 7 Entfernen der Trokare unter Sicht und schichtweiser Wundverschluss mit Verband.
Laparoskopische Magenresektion Die Magenresektion unter laparoskopischen Bedingungen erfolgt als videoassistierte Operation. Der präparatorische Anteil erfolgt unter laparoskopischer Sicht, die Entfernung des Resektates über eine Minilaparotomie und die Anastomosen zur Wiederherstellung der Nahrungspassage vor der Bauchdecke oder wieder unter laparoskopischer Sicht. Indikation und Operationsprinzip sind identisch mit denen in 7 Abschn. 2.5.5 besprochenen. kLagerung
4 Rückenlage mit gespreizten Beinen oder Steinschnittlagerung. 4 Intraoperativ erfolgt eine Fußtieflage des Patienten mit rekliniertem Oberkörper.
4 Laparoskopische Grundausstattung mit 0°- oder 30°Optik, bipolarer Schere und/oder Ultraschalldissektionsinstrumentarium, 4 linearer Endostapler, 4 3 Trokare 5 mm, 1 Trokar 10 mm für die Optik, 1 Trokar 12 mm für die Stapler, ggf. Ersatz eines 5mm-Trokars durch einen 10-mm-Trokar, wenn ein Leberretraktor eingesetzt werden soll
Magenresektion 7 Desinfektion und Abdeckung des Operationsgebietes. 7 Die Anlage des Pneumoperitoneums erfolgt bevorzugt in der offenen Technik. Nach einer Miniinzision unterhalb des Nabels wird der Optiktrokar unter Sicht in den Intraperitonealraum eingebracht und das Pneumoperitoneum aufgebaut. 7 Einbringen von 2 weiteren Trokaren rechts und links des Optiktrokars sowie 2 Trokaren rechts und links ins Epigastrium. 7 Anheben des linken Leberlappens mit dem Taststab, alternativ mit dem Leberretraktor. 7 Durchtrennung des Lig. gastrocolicum mittels Ultraschallschere oder bipolarer Schere. 7 Identifikation der rechten A. gastroomentalis und Absetzen zwischen 2 oder 3 Clips. 7 An der kleinen Kurvatur wird das kleine Netz mit der bipolaren Schere dissektiert bis zum Lig. hepatoduodenale. 7 Identifikation der A. gastrica dextra und Absetzen zwischen 2 und 3 Clips. Alternativ kann dieses Gefäß koaguliert werden, sofern es sehr kleinkalibrig ist. 7 Mit der Babcock-Zange Fassen des Magens an der großen Kurvatur und Anspannen, damit die Adhäsionen zwischen Magenhinterwand und Pankreas gelöst werden können. 7 Der Magen wird mit einem linearen Endostapler durchtrennt. Dazu sind 1–2 lange Magazine nötig. Danach wird mit einer weiteren Babcock-Zange der Magen so gefasst, dass zum Pylorus hin eine Präparation vorgenommen werden kann. Der Pylorus wird ebenfalls mit einem linearen Stapler abgesetzt. 7 Der Trokar im linken Epigastrium wird nach Abstellen des Gases entfernt und die Inzision verlängert, um das Resektat zu entfernen. Alternativ kann das Resektat über eine suprasymphysäre Minilaparotomie entfernt werden. 6
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
Adipositaschirurgie
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7 Die geplante Rekonstruktion nach Billroth I, II oder mit der Modifikation nach Y-Roux (7 Abschn. 2.5.5) erfolgt vor der Bauchdecke unter Sicht, die Anastomosen werden in konventioneller Handnahttechnik oder mittels Stapler angelegt. 7 Die laparoskopische Anastomosenanlage ist ebenfalls möglich. Dazu wird die Minilaparotomie schichtweise verschlossen, um wieder ein Pneumoperitoneum herstellen zu können. Die Jejunumschlinge wird aufgesucht und ante- oder retrokolisch an den Magenrest gezogen. Mit einer Naht wird die Schlinge an der Magenvorderwand fixiert, erst dann wird sie eröffnet. Der Darminhalt sollte sofort abgesaugt werden können. 7 Nach der Eröffnung des geklammerten Magenrestes wird der Stapler durch den 12-mm-Trokar eingebracht. Eine Branche des Instrumentes wird im Jejunum platziert, die andere im Magenrest. Nach Auslösen des Klammervorgangs kann durch die verbliebene Öffnung an der Klammernaht die Anastomose kontrolliert werden. Danach wird diese Öffnung mit einer fortlaufenden Naht verschlossen. 7 Die Braun-Fußpunktanastomose oder die Y-RouxFußpunktanastomose erfolgt ebenfalls mittels eines linearen Anastomosenstaplers. 7 Der Bauchdeckenverschluss wird durchgeführt nach Kontrolle der Anastomose auf Dichtigkeit und auf Bluttrockenheit nach der Zählkontrolle der Instrumente und Textilien und der Dokumentation der Vollzähligkeit. 7 Die Einlage einer Drainage ist fakultativ möglich.
In vielen Kliniken ist die Adipositaschirurgie ein Bestandteil der täglichen Arbeit geworden. Laparoskopisch ist hier die Anlage eines Magenbandes (»gastric banding«) zu erwähnen, das die Aufnahmekapazität des Magens verringert. Über 5–6 Trokare in angemessener Länge wird ein Silikonband (. Abb. 2.110) ringförmig um die Kardia gelegt und verschlossen. Über einen Katheter wird die Kammer des Bandes mit Flüssigkeit aufgefüllt, um den Innendurchmesser des Bandes zu verkleinern. ! Im Vorfeld solcher Operationen ist zu klären, mit welchem Gewicht die OP-Tische auf der Lafette und der Säule belastet werden dürfen, da das Gewicht der Patienten dieses manchmal überschreitet.
Laparoskopische Fundoplicatio nach Nissen/ Rosetti (modifiziert nach de Meester) Das Krankheitsbild der Hiatushernie mit Refluxösophagitis und die OP-Indikation entsprechen dem von 7 Abschn. 2.4.4. Wie für die konventionelle Operation gilt auch hier, dass das chirurgische Vorgehen erst indiziert ist, wenn bei gesicherter funktioneller und/oder endoskopischer Diagnose die medikamentöse Therapie langfristig (etwa 6 Monate) versagt. Medikamentös kann zwar die Säureausschüttung des Magens wirksam verhindert werden, jedoch nicht der gallige Reflux aus dem Duodenum. Nach neuerer Auffassung ist dieser messbare Gallereflux für die Entstehung der intestinalen Epithelmetaplasie im distalen Ösophagus (Barrett-Schleimhaut) verantwortlich. Die Verfügbarkeit der laparoskopischen Fundoplicatio hat unter Berücksichtigung des Gallerefluxes eine häufigere Indikationsstellung zur Folge. Besonders geeignet sind Patienten, bei denen der saure Reflux medikamentös unterdrückt werden kann, jedoch ein erheblicher Volumenreflux verbleibt. kPrinzip
Reposition der Hernie, Beseitigung des Refluxes durch Bildung einer Manschette aus der Funduswand, die um den distalen Ösophagus gelegt und fixiert wird, relative Einengung des Hiatus. kLagerung
. Abb. 2.110 »Gastric banding«, LAP-Band AP («advanced platform«). (Beispiel: Fa. Allergan)
4 Rückenlagerung, ein Arm ausgelagert, Anti-Trendelenburg-Position, Beine gespreizt. 4 Die Dispersionselektrode wird an einem Oberschenkel angebracht.
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kVorbereitung
Ein kräftiger Magenschlauch wird eingelegt, evtl. Blasenkathetereinlage. Der Monitor steht rechts am Kopfende. kInstrumentarium
Außer der Laparoskopieeinheit und dem laparoskopischen Grundinstrumentarium werden neben dem Optiktrokar meist vier weitere Arbeitstrokare benötigt (meist drei 10mm-Trokare, ggf. ein 13-mm- und ein 5-mm-Trokar, alternativ ein 10-mm-, drei 5-mm-Trokare), außerdem 2 große atraumatische Haltezangen für den Magen (Babcock-Zangen), ein Leberretraktor, monopolare Hakenelektrode, Schere und mehrere Multiclipzangen. Alternativ kann die Anwendung des Ultraschallschneidegerätes mit einer Einmalkoagulationsschere empfohlen werden oder das LigaSure (7 Abschn. 2.5.5). Für die Naht der Manschette gibt es Einweginstrumente, die das intrakorporale Knoten erleichtern, z. B. das Endo Stitch der Fa. Covidien (. Abb. 1.13). Laparoskopische Fundoplicatio nach Nissen/ de Mester 7 Der Operateur steht zwischen den Beinen des Patienten, der erste Assistent steht rechts, der zweite Assistent links neben dem Patienten, die instrumentierende Pflegekraft neben dem Operateur oder gegenüber. 7 Nach der üblichen OP-Felddesinfektion und Abdeckung erfolgt zunächst die Anlage des Pneumoperitoneums entweder in offener Technik oder mit Hilfe einer Veress-Kanüle unter Berücksichtigung der Sicherheitstests. Der Optiktrokar wird ca. 3 cm oberhalb des Nabels in der Mittellinie eingebracht. Am linken Oberbauch werden 2 weitere 10-mm-Trokare eingebracht, ein weiterer 5mm-Trokar im rechten Oberbauch, sodass alle Trokare auf einer Kreislinie liegen. Ein 5-mm-Trokar wird median im Epigastrium eingebracht. 7 Nach der Exploration der Bauchhöhle wird die Kardia-Fundus-Region eingestellt. Dazu wird mit dem Leberretraktor der linke Leberlappen weggehalten. Mit Schere oder Ultraschallmesser wird im Bereich des kleinen Netzes unter Schonung dort vorkommender kleinerer Leberarterienäste das Peritoneum parallel zur rechten Ösophaguskante inzidiert. Die Inzision wird ventral um den Hiatus nach links fortgeführt. Zunächst wird von rechts der rechte Zwerchfellschenkel, danach der linke Zwerchfellschenkel dargestellt, dabei wird der Ösophagus dorsal stumpf unterfahren. 6
7 Die Speiseröhre kann nun zirkulär stumpf ca. 5 cm hoch in das Mediastinum mobilisiert, die Hiatushernie reponiert werden, dabei werden die Vagusäste geschont. 7 Die große Magenkurvatur wird vom Übergang des Korpus zum Fundus beginnend skelettiert, dabei werden die Aa. gastricae breves und das Lig. gastrosplenicum entweder mit der Ultraschallkoagulationsschere, dem LigaSure, oder mit Clips durchtrennt. Die Präparation berücksichtigt die enge Nachbarschaft zum Milzhilus bzw. zum oberen Milzpol und endet am linken Zwerchfellschenkel mit der kompletten Mobilität des Magenfundus. 7 Vor der Fundoplicatio erfolgt nun von rechts die hintere Hiatoplastik mit 2–3 nicht resorbierbaren endoskopisch oder extrakorporal geknüpften Einzelknopfnähten unter Fassen der Muskulatur des rechten und linken Zwerchfellschenkels, alternativ unter Anwendung des Endo Stitch (. Abb. 1.13). 7 Dabei wird der Ösophagus nach ventral hochgehalten. 7 Zur Fundoplicatioanlage wird der distale Ösophagus mit einer Babcock-Zange unterfahren, die Funduskante im mittleren Anteil gefasst und dorsal als Manschette durchgezogen. Diese liegt dann locker, wenn nach Loslassen der Zange der Fundusanteil liegen bleibt. Die Vereinigung mit der Fundusvorderwand (360°-Manschette) erfolgt spannungsfrei mit 2–3 Einzelknopfnähten aus nicht resorbierbarem Nahtmaterial. Die Knotenausführung erfolgt entweder endoskopisch oder in extrakorporaler Technik oder mittels Endo Stitch. Die distale Naht fasst tangential die Ösophagusvorderwandmuskulatur, um eine Manschettendislokation zu verhindern. Während der Naht liegt eine dicklumige Magensonde (40 Charr). Die Manschettenweite wird durch Unterfahren mit einem Präpariertupfer, einem Taststab oder auch dem vorsichtigen Spreizen der Babcock-Zange auf lockeren Sitz überprüft (. Abb. 2.111). 7 Nach Kontrolle auf Bluttrockenheit bei Bedarf Einlage einer Drainage, Entfernen der Trokare unter laparoskopischer Sicht. Versorgen der Faszienlücken mit Nähten. Hautnähte und Pflasterverbände beenden die Operation. 7 Alternativ kann eine 270°-Manschette (nach Toupet) angelegt werden.
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
Stomaposition mit dem Zügel nach Aufweitung der Trokarinzision spannungsfrei vor die Bauchdecke verbracht. Die Darmwand wird inzidiert und als Stoma eingenäht. Der Zügel wird beidseits mit ca. 5cm Abstand durch die Subkutis als Reiter ausgeleitet und nahtfixiert. Bei endständiger Stomaanlage laparoskopisches Durchtrennen des Darms mit einem linearen Klammernahtgerät (12-mm-Trokar), spannungsfreies Ausleiten des oralen Darmschenkels an der Stomaposition und nach Absetzen der Klammernahtreihe Einnähen des Stomas.
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kLagerung
. Abb. 2.111 Manschettenprüfung mit dem Taststab. (Nach Carus 2010)
4 Rückenlage auf einem geraden Tisch, alternativ Steinschnittlage, 4 neutrale Elektrode an einem Oberschenkel. kInstrumentarium
Laparoskopische Anus-praeterbzw. Ileostomaanlage Die Anlage eines Kolostomas oder Ileostomas kann zum Schutz und zur passageren Ausschaltung z. B. einer im nachgeschalteten Darmbereich angelegten Anastomose erforderlich sein. In der Palliativsituation bei inoperablem Darmtumor kann die vorgeschaltete Stomaanlage eine Ileussituation verhindern. Bei kompletter Ileussituation ist das laparoskopische Vorgehen aufgrund überblähter Darmschlingen nicht mehr gefahrlos möglich. Prinzipiell sind endständige Anlagen mit blind verschlossenem abführendem Darmschenkel und doppelläufige Stomata zu unterscheiden (7 Abschn. 2.12.9). Die Vorbereitung des Patienten zur Stomaanlage ist davon abhängig, ob der Eingriff im Rahmen einer laparoskopischen Kolon- oder Rektumresektion oder als gesonderter Eingriff erfolgt. Prinzipiell sollte die beste Stomaposition vor einem geplanten Eingriff angezeichnet werden. kIndikation
4 Passagere Anlage 5 Zum Schutz einer nachgeschalteten Darmanastomose nach kurativer Resektion, 5 zur Ausschaltung von Darmfisteln zur Vagina, 5 zur Darmruhigstellung bei Colitis ulcerosa. 4 Permanent 5 doppelläufig bei drohendem Darmverschluss durch inoperablen Tumor als Palliativeingriff, 5 endständig bei Rektumexstirpation. kPrinzip
Mit Hilfe von 3 Trokaren, einer davon an der zukünftigen Stomaposition, wird laparoskopisch nach Exploration der Abdominalhöhle der für die Stomabildung geeignete Darmabschnitt dargestellt. Das Mesenterium wird darmrohrnah unterfahren, der Darm angezügelt und an der
4 Laparoskopische Grundausstattung, 4 Hernienzügel oder dicklumige Redondrainage zum Anzügeln des Darms, 4 linearer Endostapler bei endständiger Stomaanlage, 4 konventionelles Laparotomiesieb für den offenen Teil der OP oder im Notfall für einen erforderlichen Umstieg auf die offene Operation.
Laparoskopisch assistierte Anlage eines doppelläufigen Sigma-Anus praeter 7 Auf dem geraden Tisch gelagert wird der Unterund Oberbauch des Patienten desinfiziert und das Operationsareal abgedeckt. 7 Über eine kurze Inzision, selten über eine VeressNadel wird das Pneumoperitoneum angelegt. Nacheinander werden die Trokare (3 ×10 mm, je nach Optik auch 2 × 5 mm und 1×10 mm) ca. 10 cm entfernt vom Sigmabereich eingebracht. 7 Nach der Inspektion des Operationssitus wird der dritte Trokar an der geplanten Stomaposition eingebracht. 7 Bei Adhäsionen erfolgt das Auslösen des Darmes unter Mobilisation des oralwärts gelegenen Colondescendens-Abschnittes aus den benachbarten anatomischen Schichten. Mit entsprechender Kippung des OP-Tisches wird während der Präparation der Dünndarm und das Omentum majus passiv aus dem Blickfeld des OP-Gebietes verlagert. 7 Am Scheitelpunkt der Sigmaschleife wird nach darmnaher Peritonealinzision der Darm mit einem stumpfen Instrument unterfahren (z. B. Taststab), Ausleiten des Instruments aus der Trokarinzision an der Stomaposition, und Aufstecken bzw Fixie6
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ren des Zügels/Redondrains. Nun wird das Instrument mit Zügel zurückgezogen (Fixieren des freien Endes vor der Bauchdecke) durch das Mesokolonfenster und erneut an der Stomaposition ausgeleitet, parallel zum freien Zügelende. Nach Ablassen des Pneumoperitoneums wird die Bauchwandinzision an der Stomaposition zur Darmvorverlagerung geweitet. Im Abstand von ca. 5 cm subkutanes Durchführen und Ausleiten der Zügelenden als Reiter, der mit einer Naht fixiert wird. 7 Nach Trokarentfernung Wundverschluss und Verband an den übrigen Inzisionen, Eröffnung des Stomas und zirkuläres Einnähen in die Haut. Nach Austasten des Stomas in beide Schenkel Aufkleben der Stomaplatte.
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Der orale Kostaufbau ist sofort möglich. 7
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Laparoskopisch assistierte Kolonchirurgie
Kolonresektionen werden immer häufiger mit laparoskopischer Technik operiert. Dabei werden nicht mehr nur benigne Erkrankungen wie die Divertikulitis, Colitis ulcerosa oder M. Crohn als Indikation genannt, sondern auch karzinomatöse Erkrankungen bis zum Tumorstadium 3. Über die laparoskopische Optik sind die anatomischen Strukturen sehr gut zu erkennen, sodass die Gefäßversorgung bei malignen Erkrankungen zuerst unterbunden werden kann, um eine Streuung der Tumorzellen zu verhindern. Da das Präparat relativ groß ist, muss ein Zusatzschnitt erfolgen, durch den der Darm entfernt oder vor der offenen Absetzung ausgleitet wird. Die Minilaparotomie erfolgt über einen kleinen Pfannenstiel-Schnitt oder im Bereich einer Trokarinzision. Dieses Vorgehen führt zu akzeptablen kosmetischen Ergebnissen. Dieser Aspekt ist insbesondere für jüngere Patienten mit benignen Erkrankungen relevant.
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Laparoskopische Hemikolektomie rechts 7 Der Patient liegt in Rückenlage mit gespreizten Beinen oder auf dem Steinschnitttisch. 7 Intraoperativ wird die Lagerung mehrfach verändert. Trendelenburg-Position, um im Ileozäkalbereich präparieren zu können, Linkskippung, um 6
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den Dünndarm zu verlagern, sodass der Zugang zu den Gefäßen erleichtert wird. Um an die rechte Kolonflexur zu gelangen, wird die Anti-Trendelenburg-Position gewählt. Das Pneumoperitoneum wird bei jedem Koloneingriff in offener Technik angelegt. Nach der Entscheidung der Operabilität werden die weiteren Trokare eingebracht. Über 4 Trokare (10 mm, 12 mm, 2 × 5 mm) wird nach der Exploration das Operationsgebiet übersichtlich dargestellt. Der Optiktrokar wird entweder links vom Nabel oder subumbilikal platziert, manchmal muss zur Erweiterung für die Resektion der Optiktrokar umpositioniert werden. Die Platzierung und die Durchmesser der Trokare richten sich nach dem geplanten Eingriff, den vorhandenen Instrumenten, der geplanten Position der Miniinzision für die Bergung des Resektates und nach den Vorlieben des Operateurs. Das Verfahren, die Präparation sowie das Ausmaß der Resektion sind identisch mit denen in der konventionellen Kolonchirurgie (7 Abschn. 2.12) besprochenen. Zu beachten ist auch bei einem laparoskopischen Eingriff, dass ein maligner Tumor nicht mit dem Taststab oder der Fasszange manipuliert wird, um eine Zellstreuung zu vermeiden (No-touch-isolation-Technik). Das Ileum wird nach der Präparation und der Absetzung der V. und A. ileocolica ca. 5 cm vor der Ileozäkalklappe mit einem linearen Klammernahtinstrument abgesetzt. Das Mesokolon wird präpariert und die V. und A. colica dextra dargestellt. Beide Gefäße werden geclippt und durchtrennt. Großkalibrige Gefäße können mit einem Linearcutter und einem weißen Magazin sicher abgesetzt werden. An der Resektionsstelle des Colon ascendens oder an der rechten Flexur wird das Mesokolon so weit inzidiert, dass das Kolon mit einem linearen Stapler unterfahren werden kann. Absetzen des Darms und Mobilisation des rechten Kolons inkl. rechter Flexur für die Herstellung einer spannungsfreien Anastomose. Nach dem Abstellen der Gasinsufflation wird rechts pararektal die Trokarinzision verlängert. Um das Präparat kontaminationsfrei vor die Bauchdecke ziehen zu können, wird eine Wundrandfolie oder Ringfolie eingesetzt. Die geklammerten
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Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
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Darmschenkel von Ileum und Colon transversum (oder das Colon ascendens) werden vor die Bauchdecke luxiert und die Anastomose vorbereitet. Die Ileotransversostomie erfolgt in der Regel per Handnaht als End-zu-Seit-Anastomose oder als End-zu-End-Anastomose mit angeschrägtem Ileum mit 2 resorbierbaren, monofilen 4–0-Nähten, fortlaufend, allschichtig. Die Seit-zu-Seit-Anastomose setzt sich immer mehr durch, da die Anastomosenheilung besser scheint, wie auch die Stenosevermeidung dadurch zumeist gelingt. Nach abgeschlossener Anastomose wird der Mesokolonschlitz verschlossen und der Darm wieder in die Bauchhöhle verlagert. Die Minilaparotomie wird schichtweise verschlossen. Danach wird das Pneumoperitoneum wieder aufgebaut, und so kann laparoskopisch die Anastomose auf Spannungsfreiheit kontrolliert werden. Blutstillung und eine Peritoneallavage beenden den Eingriff. Selten ist eine Drainage zur Anastomosenkontrolle indiziert. Das Gas wird abgelassen, die Trokare entfernt, die größeren Inzisionen mit durchgreifenden Fasziennähten verschlossen. Die Hautnaht kann wahlweise durch Pflaster oder Hautkleber ersetzt werden.
Laparoskopische Transversumresektion 4 Die Patientenvorbereitung und die Instrumentenbereitstellung entsprechen derjenigen bei der laparoskopischen Hemikolektomie (s. oben). Hier werden zusätzlich ggf. Darmklemmen für die Absetzung des Resektates vor der Bauchdecke benötigt. 4 Die intraoperativen Lageveränderungen in AntiTrendelenburg-Lagerung und Links- wie auch Rechtskippung sind bei der Lagerung des Patienten in Steinschnittlage oder auf einem geraden Tisch zu bedenken. 4 Die Indikationen wie auch das Operationsprinzip entsprechen denen in der konventionellen Kolonchirurgie (7 Abschn. 2.12). 4 Bei karzinomatöser Indikationsstellung wird auch hier die No-touch-isolation-Technik angewendet, d. h. dass das tumortragende Segment ohne ausgiebige Manipulation isoliert wird.
Laparoskopische Transversumresektion 7 Die 4 Trokare (10 mm, 12 mm, 2 × 5 mm) werden um den Nabel herum platziert, jeweils mit genügend Abstand zueinander, um ein störungsfreies Arbeiten zu gewährleisten. 7 Zu Beginn der Präparation sollten deshalb die Gefäßversorgung durch A. und V. colica media sowie die lymphführenden Gefäße dargestellt und geclippt werden. 7 Die Mobilisation der rechten und der linken Flexur sowie des aufsteigenden und absteigenden Astes des Kolons ist notwendig, um eine spannungsfreie Anastomose zu erreichen. Die Durchtrennung des Lig. gastrocolicum erfolgt magenwandnah. 7 Das Absetzen des Resektates kann vor der Bauchdecke vorgenommen werden, nachdem eine Minilaparotomie mit Einsetzen einer Ringfolie vorgenommen wurde. Die Absetzung erfolgt entweder zwischen weichen und harten Darmklemmen oder mittels zwei linearer Stapler (-magazine). 7 Manche Chirurgen bevorzugen die Absetzung mittels eines linearen Endostaplers unter laparoskopischen Bedingungen. 7 Die Anastomosennaht (Aszendo-Deszendostomie) wird unter Sicht mit 2 fortlaufenden Allschichtnähten vor der Bauchdecke vorgenommen. 7 Nach schichtweisem Verschluss der Minilaparotomie wird wieder das Pneumoperitoneum angelegt, um die Anastomosenkontrolle, Blutstillung und Peritoneallavage unter laparoskopischen Bedingungen durchzuführen. 7 Der Verschluss des Mesenterialschlitzes kann vor der Bauchdecke erfolgen, alternativ ebenfalls unter laparoskopischer Sicht.
Im Rahmen der laparoskopischen Operationstechnik reduzieren sich die postoperativen Schmerzen. Durch den fehlenden Hakenzug bleibt der Analgetikaverbrauch gering. Die Magen-Darm-Tätigkeit normalisiert sich schneller als bei vergleichbaren konventionell durchgeführten Operationen, da Serosaschäden durch tamponierende Bauchtücher fehlen. Die Vergrößerung des Operationsbereiches im Monitor führt zu einer präzisen Gewebedissektion. Die Vorbereitung der Patienten ist identisch mit der in 7 Abschn. 2.12 beschriebenen, die Radikalität der Operation bei kurativen Tumorresektionen ist in gleicher Weise wie beim konventionellen offenen Zugang zu erzielen.
157 2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
2.15.11
Laparoskopisch assistierte Sigmaresektion
kIndikation
4 Endoskopisch nicht abtragbare Polypen und Adenome, 4 Frühkarzinome und kleinere Kolonkarzinome, 4 Kolondivertikulitis (nach Abklingen des entzündlichen Schubes), 4 Morbus Crohn, 4 Colitis ulcerosa. kPrinzip
Unter Anlegung eines Pneumoperitoneums wird mit Hilfe von 3–5 Trokaren (alternativ über den Single Port; 7 Abschn. 2.15.4) der befallene Anteil des Dickdarmes von seiner Gefäßversorgung getrennt, der Darmanteil mittels Klammernahtinstrumenten abgesetzt und über eine Zusatzinzision vor die Bauchdecke verlagert. Die Wiederherstellung der Kontinenz erfolgt zumeist mittels eines zirkulären Endostaplers. Bei einigen Karzinompatienten ist die Anlage eines Anus praeternaturalis zur Schonung der Anastomose vorübergehend nötig, entweder als doppelläufiges Kolostoma oder Ileostoma. Auch dieser Operationsschritt ist laparoskopisch durchführbar (s. 7 Abschn. 2.15.9). kLagerung
4 Steinschnittlagerung mit zeitweise intraoperativer extremer Kopftieflagerung. 4 Die Verwendung von Schulterstützen oder Vakuummatte ist unerlässlich. 4 Bei Bedarf werden die Beine des Patienten zur Herstellung der Anastomose hochgefahren, damit das Klammernahtinstrument von anal eingeführt werden kann. 4 Neutrale Elektrode an einem Oberschenkel. kInstrumentarium
4 Laparoskopische Grundausstattung inkl. 0°- oder 30°Optik, Nahtinstrumente, 3–5 Trokare, 4 Ultraschalldissektionsschere, LigaSure oder EnSeal, 4 lineare Endostapler zum Absetzen des befallenen Kolonanteils, 4 zur Bergung des resezierten Darmteils schützt eine Ringfolie die Bauchdecke vor Kontamination, 4 ein zirkulärer Stapler, entweder als Endostapler bei hohen Anastomosen, oder ein zirkulärer Stapler, der anal eingeführt wird, 4 konventionelles Laparotomiesieb für den offenen Teil der OP oder im Notfall für einen erforderlichen Umstieg auf die offene Operation.
Laparoskopisch assistierte Sigmaresektion 7 Nach der Steinschnittlagerung mit heruntergefahrenen Beinen wird der Unter- und Oberbauch des Patienten desinfiziert und das Operationsareal abgedeckt. 7 Über eine Veress-Nadel oder besser offen über eine kleine Inzision wird das Pneumoperitoneum angelegt. Danach werden 3–5 Trokare halbkreisförmig ca. 10 cm entfernt vom zu operierenden Kolonabschnitt eingebracht. 7 Es findet primär eine Inspektion des Operationssitus statt, bei maligner Erkrankung insbesondere eine Inspektion der Lymphabflussbahnen, des gesamten Peritoneums und der Leber. 7 Zuerst werden die zentralen Arterien und Venen dargestellt, mit Titan- oder resorbierbaren Clips, mit einem laparoskopischen Klammernahtgerät, dem EnSeal oder dem LigaSure-Instrument versorgt und mit der Schere durchtrennt. Jetzt erfolgt das Auslösen des Darmes unter Mobilisation der linken Kolonflexur mittels Ultraschalldissektion, EnSeal, LigaSure-Gerät oder Schere aus den benachbarten anatomischen Schichten. Dabei ist die Schonung des linken Ureters notwendig. Nach Mobilisation, ggf. unter Mitnahme der Lymphabflussbahnen, wird der Darm mit einem linearen Anastomosenstapler (je nach Hersteller wird hier ein 12-mm- oder 13-mm-Trokar benötigt!) distal am rektosigmoidalen Übergang abgesetzt. Mit entsprechender Kippung des OP-Tisches wird während der Präparation der Dünndarm und das Omentum majus passiv aus dem Blickfeld des OPGebietes verlagert. 7 Über einen kurzen Pfannenstiel-Schnitt oder eine Minilaparotomie am linken oder rechten Unterbauchtrokar wird nach Einbringen einer Ringfolie zum Kontaminationsschutz das Präparat ausgeleitet (. Abb. 2.112) und nach Aufsetzen einer Tabakbeutelklemme entfernt. In den Stumpf des Colon descendens wird die Andruckplatte des zirkulären Stapler eingeführt und mit einer Tabakbeutelnaht fixiert (. Abb. 2.113). Nach Reposition des so vorbereiteten Darmstumpfes in die Abdominalhöhle wird die Minilaparotomie verschlossen und das Pneumoperitoneum erneut angelegt. Der 1. Assistent sitzt nun zwischen den hochgefahrenen Beinen des Patienten und führt ein mit Gleitmittel versehenes zirkuläres Klammernahtinstrument anal ein. Unter (laparoskopischer) Sicht werden die Anteile des Staplers konnektiert und bei korrektem Sitz der Anastomose wird der Klammervorgang ausgelöst. 6
2
158
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
2
. Abb. 2.112 Hervorluxieren des Rektosigmoids. (Nach Carus 2010)
7 Unter rotierenden Bewegungen entfernt der Assistent den Stapler, die Anastomose wird durch Instillation einer gefärbten Spüllösung geprüft. Einige Operateure bevorzugen die Anlage zusätzlicher Sicherungsnähte an der Klammernaht. 7 Bei Karzinomerkrankungen bzw. bei sehr tiefen Anastomosen erfolgt nun bei Bedarf die Anlage eines passageren protektiven Anus praeter, die Einlage einer Drainage ist abhängig vom Operationssitus. 7 Nach Kontrolle auf Bluttrockenheit, Zählkontrolle der Instrumente und Textilien sowie deren Dokumentation erfolgen der schichtweise Wundverschluss und Anlage des Verbandes.
Die Patienten verbleiben bei komplikationslosem Verlauf 4–6 Tage in der Klinik. Eine angepasste Schmerztherapie, die frühe Mobilisation und ein zügiger oraler Kostaufbau im Sinne einer »Fast-track«-Behandlung ermöglichen dieses Vorgehen.
2.15.12
a
Laparoskopisch assistierte Rektumchirurgie
Hier gilt bisher, nur kurativ zu operierende Indikationen als Grundlage eines laparoskopischen Eingriffes zu akzeptieren. Vor allem die Diskontinuitätsoperation nach Hartmann (7 Abschn. 2.12.9) kann laparoskopisch durchgeführt werden. Die laparoskopische Präparation hat ebenfalls bei Rektumeingriffen die Vorteile der sehr guten Übersicht zur Präparation und des viel geringeren Operationstraumas durch die kleineren Zugänge, was zu geringeren postoperativen Schmerzen führt und die Mobilisation des Patienten beschleunigt.
Operation nach Hartmann kIndikation
b . Abb. 2.113 a Vorlegen der Tabakbeutelnaht. b Fixierung der Andruckplatte des Zirkulärstaplers. (Nach Carus 2010)
4 Rektosigmoidale Divertikulitis, 4 Rektumperforation durch entzündliche Prozesse, 4 Tumor, wenn nach der Tumorentfernung die Anastomose nicht möglich oder zu riskant erscheint. kPrinzip
Entfernung des betroffenen Darmanteils unter laparoskopischen Bedingungen, keine Wiederherstellung der Darmpassage, sondern vorübergehende Anlage (für ca. 3 Monate) eines endständigen Anus praeter.
159 2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
kInstrumentarium
4 Laparoskopische Grundausstattung mit 0°-Optik oder alternativ 30°-Optik, 4 3–5 Trokare (2 × 5 mm, 1 × 10 mm für die Optik, 1× 12 mm für den Stapler), 4 bipolare Schere und/oder Ultraschalldissektionsinstrumente, Clipapplikator mit Titanclips, Ringfolie, linearer Endostapler, 4 Grund- und Laparotomieinstrumente mit Darmklemmen, Instrumente zum Einnähen des Anus praeter.
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Operation nach Hartmann 7 Nach Desinfektion und Abdecken des Patienten wird unterhalb des Nabels, alternativ epigastrisch, der Optiktrokar unter Sicht eingebracht und nach CO2-Insufflation über eine ausgedehnte Exploration die Operabilität geprüft. 7 Im rechten Unterbauch wird der 12-mm-Trokar eingebracht, über den Verwachsungen gelöst werden und später der Stapler eingeführt wird. 7 1 bis 2 weitere 5-mm-Trokare werden rechts und links des Optiktrokars platziert. Sollte eine Peritonitis vorliegen, wird vorhandenes Exsudat aspiriert und zur bakteriologischen Untersuchung gegeben. Fibrinbeläge werden stumpf unter kontinuierlicher Spülung entfernt. Gegebenenfalls erfolgt eine Adhäsiolyse mit Schere und Taststab. 7 Fassen des Mesosigmas mit einer 5-mm-Fasszange, um das Rektosigmoid zu skelettieren. 7 Identifikation der A. mesenterica inferior durch Eröffnung des Retroperitoneums mit der bipolaren Schere. Absetzen der Arterie mittels 2 Titanclips oder resorbierbaren Clips, Durchtrennung mit der Schere. Alternativ ist der Einsatz eines Gefäßstaplers möglich. Gleiches Vorgehen an der begleitenden V. mesenterica inferior. 7 Häufig wird der linke Ureter perioperativ geschient; das erleichtert dessen Identifikation und gewährleistet eine sichere Schonung. 7 Der entzündete Darmanteil wird bis zum entzündungsfreien Anteil präpariert. Hier wird die Resektionslinie festgesetzt. 7 Um einen Stapler am Darm ansetzen zu können, gilt, wie schon in der offenen Chirurgie besprochen, dass der Darmabschnitt fettfrei präpariert sein muss. 7 Über den 12-mm-Trokar wird der Stapler eingebracht und das Rektum mit einem langen Magazin abgesetzt. Zu bedenken ist hier, dass ein ausreichend langer Rektumstumpf belassen wird 6
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7
(ca. 10–12 cm ab ano), um die zu einem späteren Zeitpunkt geplante Wiederherstellung der Darmkontinuität problemlos durchführen zu können. Nach Durchtrennung des Rektums wird das Sigma sowie der absteigende Kolonast bis zur linken Flexur freipräpariert, um das Colon descendens spannungsfrei zur angezeichneten Anus-praeter-Stelle ziehen zu können. Manche Operateure beginnen den Eingriff mit der Präparation der linken Flexur. Nach dem Abstellen der Gasinsufflation wird die Trokarinzision links des Nabels pararektal erweitert, manche Chirurgen bevorzugen die Minilaparotomie suprasymphysär. Mit einer Fasszange wird der geklammerte Rektumschenkel unter Sicht zur Minilaparotomie geführt, hier mit einer Kornzange entgegengenommen und vor die Bauchdecke gezogen. Das Kolon wird im entzündungsfreien Bereich mit einer weichen Darmklemme verschlossen und scharf durchtrennt. Dabei ist darauf zu achten, dass die Bauchdecke nicht mit Darminhalt kontaminiert werden kann. Dazu kann eine Wundrandfolie oder Ringfolie eingesetzt werden. Alternativ kann der Darm mit einem linearen Stapler verschlossen und durchtrennt werden. Dann muss die Klammerreihe am AP vor dem Einnähen reseziert werden. Das Colon descendens wird als Stoma mit 3–0 resorbierbarem Nahtmaterial allschichtig in die Haut eingenäht. Danach wird das Pneumoperitoneum wieder hergestellt, um eine Inspektion der Bauchhöhle vorzunehmen, eine ausgedehnte Spülung durchzuführen und bei Bedarf eine Drainage am Rektumstumpf zu platzieren. Nach sorgfältiger Blutstillung werden das Gas abgelassen, die Trokare entfernt und die Inzisionen vernäht. Der AP wird mit einem Stomabeutel versorgt.
Anteriore Rektumresektion Auch die tiefe Rektumresektion kann in laparoskopischer Technik durchgeführt werden. Es gelten alle in 7 Abschn. 2.12 besprochenen Kriterien. Hier besteht ebenfalls der Vorteil in der übersichtlichen Präparation des gesamten Mesorektums bis zum Beckenboden. Die Operationsvorbereitung des Patienten wie auch des Instrumentariums ist identisch mit der für Kolonoperationen besprochenen (s. oben). Die gesamte Präparation des Rektums bis zur linken Flexur kann so über kleine Inzisionen und unter sehr guter
2
160
Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie
2.15.13
2
. Abb. 2.114 Oraler Darmschenkel mit der Andruckplatte für die Stapleranastomose. (Nach Carus 2010)
Sicht vorgenommen werden. Die Bergung des Resektates erfolgt über eine Minilaparotomie am rechten Unterbauch unter Einbeziehung des 12-mm-Trokars. Damit kann bei geplanter Anastomosierung die ausreichende Mobilität des linken Hemikolons geprüft und sichergestellt werden. Es ermöglicht gleichzeitig das Einbringen der Andruckplatte des zirkulären Staplers mit einer Tabakbeutelnaht vor der Bauchdecke (. Abb. 2.114). Die Resektionshöhe bei Sigmadivertikulitis richtet sich nach dem Sitz der sog. Hochdruckzone – das ist der divertikelfreie Darmabschnitt am oberen Rektum in Höhe etwa der peritonealen Umschlagfalte. Beim Tumorleiden richtet sich die distale Resektionsebene nach dem einzuhaltenden Sicherheitsabstand unter Mitentfernung des Mesorektums. Die Wiederherstellung der Darmkontinuität erfolgt über einen anal einzuführenden Zirkulärstapler. Auch hier ist die Kontrolle der Dichtigkeit der Anastomose mittels Luft oder einer gefärbten Spüllösung obligat. Nach Wiederanlage des Pneumoperitoneums wird die Andruckplatte mit dem Zirkulärstapler konnektiert und der Klammervorgang ausgelöst. Eine Dichtigkeitsprüfung der Anastomose ist obligat. Die vollständigen beiden Schleimhautringe aus dem entfernten Klammernahtinstrument werden zur histologischen Untersuchung gegeben. Das Ablassen des Gases und die Entfernung der Trokare mit Naht der Inzisionen beenden den Eingriff.
Rektumamputation Auch die Rektumamputation kann in oben beschriebener Technik mit einer laparoskopischen Präparation durchgeführt werden, um das Operationstrauma für den Patienten so gering wie möglich zu halten und die Sicht auf die Gewebestrukturen für den Operateur zu optimieren.
Ausblick
Zurzeit befinden sich weitere laparoskopische OP-Verfahren auf dem Prüfstand der wissenschaftlichen Beurteilung. Die Laparoskopie hat Einzug gehalten beim akuten Abdomen und beim Bauchtrauma. Häufig kann die Laparoskopie bei diesen Indikationen therapeutisch eingesetzt werden. Zumindest bietet sie eine Hilfestellung für die Optimierung der Schnittführung der anschließenden Laparotomie. Bei umschriebenen Peritonealadhäsionen oder beim Briden-Ileus ist ausschließlich laparoskopisches Vorgehen möglich. Die Einführung der MIC bei Kolonoperationen ist Realität. Resektionen am linksseitigen Pankreas wie auch Operationen an benignen Leberprozessen sind laparoskopisch möglich. Vor der Einführung als breit anzuwendendes Standardverfahren müssen weitere sorgfältige Studien durchgeführt werden. Die Entwicklung des laparoskopischen Instrumentariums ist rasant. Die Verfechter von Einweg- und Mehrwegmaterialien, Industrie und Ärzteschaft, Krankenhäuser und Krankenkassen stehen sich im Disput mit verschiedenen Erwartungen gegenüber. Die Zahl erfahrener laparoskopischer OP-Teams hat deutlich zugenommen. Eine chirurgische Arbeitsgemeinschaft minimal-invasive Chirurgie (CAMIC) wurde gegründet und verfolgt das Ziel, die Erfassung der Methoden, die Ausbildung junger Chirurgen und die Zertifizierung von Operateuren und Krankenhausabteilungen als Qualitätsstandard zu betreiben. Der gegenwärtige Stand laparoskopischen Operierens kann hier insgesamt nur ausschnittweise erfasst und dargestellt werden.
3
Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie J.R. Döhler, A. Gudat, K. Seide, Ch. Jürgens, J. Madert, A. Simon, S. Mein, G. Walura, R. Thönnessen, M. Liehn
3.1
Anatomie und Physiologie von Knochen
– 162
3.2
Pathophysiologie von Knochen und Gelenken
3.3
Behandlung von Frakturen
3.4
Pflegerische Tätigkeiten in der Traumatologie
3.5
Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
3.6
Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
3.7
Handchirurgie
– 163
– 164
– 242
M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
– 167 – 169 – 199
162
3
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
Sowohl die orthopädische Chirurgie als auch die Traumatologie befassen sich mit dem Bewegungsapparat und der Wirbelsäule. Die Orthopäden behandeln überwiegend chronische, die Unfallchirurgen akute, verletzungsbedingte Probleme. Da die beiden Disziplinen auch in Deutschland verschmelzen und das gleiche chirurgische Instrumentarium verwenden, werden sie in diesem Kapitel gemeinsam skizziert. Im Folgenden werden jedoch mehr unfallchirurgische als orthopädische Akzente gesetzt, da Knochenbrüche zum Alltag jeder OP-Abteilung gehören und ihre Behandlung weitgehend standardisiert ist.
3.1
Anatomie und Physiologie von Knochen R. Döhler, A. Gudat, M. Liehn
Knochen sind ein Stützwerk aus Kollagen und Hydroxylapatit. Sie bilden einen Teil des Bewegungsapparates und haben folgende Aufgaben: 4 Stützfunktion und Formgebung, 4 Schutz bestimmter Organe (Lunge, Herz), 4 Bewegungsapparat, 4 Mineralspeicher, 4 Blutbildung. Knochen ist eine starre Form des Bindegewebes. Er besteht aus einem Grundgerüst aus Zellen (Osteozyten) und einer
. Abb. 3.1 Schematische Darstellung des Remodellings. Das Remodelling bezeichnet den physiologischen Knochenumbau durch Osteoklasten und Osteoblasten. Unterschieden werden 4 aufeinanderfolgende Phasen: Aktivierung von Osteoklasten, osteoklastare Resorptionsphase, Umschaltphase und osteoblastäre Knochenneuformation. Das Remodelling unterliegt sowohl einer zentralen,
Grundsubstanz (Osteoid), deren Hauptbestandteile Chondroitinsulfat und Dermatansulfat sind (. Abb. 3.1). In das Osteoid sind v. a. kollagene Fasern vom Typ I, weniger vom Typ III und zusätzlich anorganische Substanzen (35% Kalzium, 50% anorganisches Phosphat) eingelagert. Dadurch verfügt der Knochen über Festigkeit und Steifigkeit, wobei aber eine gewisse Elastizität erhalten bleibt. Durch das Einlagern der anorganischen Substanzen dient der Knochen auch als wichtigster Speicher für Kalzium und Phosphat. Sie können bei Bedarf durch knochenabbauende Zellen (Osteoklasten) mobilisiert werden. Dies steht unter dem Einfluss von 4 Parathormon, das in den Epithelkörperchen gebildet wird und die Osteoklasten aktiviert, wodurch der Kalziumspiegel im Blut steigt, und 4 Kalzitonin, das in den C-Zellen der Schilddrüse gebildet wird und die Osteoklasten hemmt, wodurch der Kalziumspiegel im Blut fällt. 4 Wir unterscheiden 3 Knochenformen: 4 Röhrenknochen (Beispiele: Femur, Humerus), 4 platte Knochen (Beispiele: Schädelkalotte), 4 Würfelknochen (Beispiele: Hand-, Fußwurzelknochen). Am Röhrenknochen unterscheiden wir die Epiphysen (jeweils am Gelenkende) von den Diaphysen. Zu beiden Enden hin verbreitert sich der diaphysäre Schaft in den Metaphysen. Die gelenkbildenden Enden eines Röhrenknochens sind die Epiphysen. Beim Kind und Jugendlichen steuern
hypothalamischen Steuerung als auch einer lokalen parakrinen Feinabstimmung. Die integrale Rolle der Osteozyten im Remodelling ist gegenwärtig noch nicht in vivo geklärt. Es wird vermutet, dass den Osteozyten eine Funktion in der Umschaltung mechanischer Reize in biologische Signale zukommt. (Nach Priemel et al. 2006)
163 3.2 · Pathophysiologie von Knochen und Gelenken
die knorpeligen Wachstumsfugen zwischen der Epiphyse und der Metaphyse das Längenwachstum eines Röhrenknochens. Das Wachstumspotenzial ist innerhalb einer Fuge gleich, aber anteilmäßig im Hinblick auf eine ganze Extremität verschieden: Die untere Wachstumsfuge des Femurs und die obere Wachstumsfuge der Tibia sind für 70% des Längenwachstums des ganzen Beins verantwortlich. Die Schädigung einer noch offenen Wachstumsfuge bedeutet eine teilweise Beeinträchtigung des Wachstumspotenzials und damit die Entstehung einer Fehlform (X-Ellbogen, O-Knie). Apophysen sind Knochenvorsprünge, die als Ursprung oder Ansatz von Sehnen dienen, z. B. Tuberculum majus des Humerus, Trochanter major und minor des Femurs und Tuberositas tibiae. Sie können ausreißen und müssen manchmal operativ refixiert werden.
3.1.1
Spongiosa
Die Spongiosa (lat. spongia = Schwamm) ist ein schwammartig aufgebautes System aus feinen Knochenbälkchen (Trabekeln). Bei den platten Knochen heißt die Spongiosa Diploë. Die Spongiosa liegt im Inneren der Knochen und wird nach außen hin von der Kortikalis umhüllt. In den Hohlräumen des von den Spongiosabälkchen gebildeten »Schwammes« befindet sich das Knochenmark (. Abb. 3.2). Die Spongiosa bildet ein engmaschig vernetztes Gerüst, in dem die meisten Bälkchen entlang der wichtigsten Belastungslinien (Trajektorien) des Knochens angeordnet sind. Das Bauprinzip der Spongiosa ermöglicht die Einsparung an Knochensubstanz bei ausreichender Stabilität und damit ein geringeres Gewicht des Knochens. Darüber hinaus ermöglicht es die dynamische Anpassung an verschiedene Belastungen durch aktive Modellierung und die Unterbringung des Knochenmarks.
3.1.2
. Abb. 3.2 Aufbau des distalen Teils eines Röhrenknochens. (Nach Hartmann 2006)
Pathophysiologie von Knochen und Gelenken
3.2
Die häufigsten Störungen der Knochenfunktion: 4 Brüche, 4 Entzündungen, 4 Gelenkverschleiß, 4 Substanzmangel (Osteoporose). Weniger häufige Störungen der Knochenfunktion: 4 Tumoren, 4 Dystrophien, 4 Mineralmangel (Osteomalazie, Rachitis), 4 Fehlbildungen.
Kompakta/Kortikalis 3.2.1
Die kompakte Substanz ist eine Ausprägung der Knochensubstanz. Sie bildet die äußere Schicht der Knochen und wird daher auch als Kortikalis (lat. cortex = Rinde) bezeichnet. Außen wird die Kortikalis von der Knochenhaut (Periost) überzogen. Das Grundbauelement der Kompakta ist das Osteon. Es besteht aus einem zentralen Havers-Kanal mit einem kleinen Blutgefäß. Der Gefäßkanal ist von konzentrischen Knochenzellen umgeben, die die Speziallamellen bilden. Die einzelnen Osteone sind durch Schaltlamellen miteinander verbunden. Die Havers-Kanäle der einzelnen Osteone sind untereinander durch gefäßhaltige Querkanäle (Volkmann-Kanäle) verbunden.
Frakturen
Entstehung, Einteilung und Lokalisation Definition Ein Knochenbruch (Fraktur = lat. frangere = brechen) ist die Unterbrechung eines Knochens unter Bildung zweier oder mehrerer Bruchstücke (Fragmente) mit oder ohne Verschiebung (Dislokation).
3
164
3
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
Entstehung
jKindliche Frakturen
4 Direkte Gewalteinwirkung (Schlag oder Stoß), 4 indirekte, frakturferne Gewalteinwirkung (Hebelwirkung), 4 wiederholte Einwirkung von Mikrotraumata (Ermüdungsbruch), 4 inadäquates Trauma bei vorgeschädigten Knochen (pathologische Fraktur).
Wie bei einem jungen Ast bleibt der straffe, aber elastische Periostschlauch erhalten (Grünholzbruch). Solche Brüche lassen sich meistens konservativ behandeln. jPathologische Frakturen
Bruch eines vorerkrankten Knochens ohne besondere Gewalteinwirkung bei Tumoren, Metastasen, Osteoporose und Osteomalazie.
Terminologie und Einteilung Fraktur bedeutet den Integritätsschaden eines Knochens durch Kräfte, die seine Belastbarkeit übersteigen. jTraumatische Fraktur
Der gesunde Knochen bricht durch eine plötzliche und unverhältnismäßige Gewalteinwirkung. Man unterscheidet geschlossene und offene Brüche und, abhängig vom begleitenden Weichteilschaden, jeweils die 3 Schweregrade: 4 Geschlossene Brüche: 5 leichte begleitende Weichteilverletzung, 5 mittelschwere begleitende Weichteilverletzung, z. B. größere Muskelzerreißungen, 5 schwere begleitende Weichteilverletzung mit Beteiligung einer Leitstruktur oder mit Kompartmentsyndrom.1 4 Offene Brüche: 5 lokal begrenzte Hautverletzung ohne wesentliche weitere Weichteilschädigung, z. B. Knochendurchspießung oder auch nur Schürfungen, 5 gravierende offene Weichteilschädigung ohne Verletzung von Leitstrukturen oder Kompartmentsyndrom, z. B. Hautquetschungen, 5 gravierender offener Weichteilschaden mit Beteiligung von Leitstrukturen oder mit Kompartmentsyndrom. In vielen Kliniken werden Ort und Art der Fraktur nach den Vorschlägen der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO) gekennzeichnet. In dem vierstelligen Schlüssel bezeichnet die erste Ziffer die Extremität, die zweite die diaphysäre oder metaphysäre Lokalisation. Mit dem an dritter Stelle stehenden Buchstaben A, B oder C bezieht sich die Ziffer an vierter Stelle auf die Schwere der Verletzung. So bedeutet »12C3« den Bruch des Oberarmes (»1«) in Schaftmitte (»2«) mit einer komplexen Zertrümmerung (»C3«).
1
Beim Kompartmentsyndrom führt ein erhöhter Gewebedruck in einem geschlossenen Haut- und Weichteilmantel zur Verminderung der Gewebedurchblutung. Daraus resultieren neuromuskuläre Störungen und/oder Gewebe- und Organschädigungen. Am häufigsten tritt das Kompartmentsyndrom am Unterschenkel, manchmal auch am Unterarm auf.
jErmüdungsfrakturen
Rezidivierende Belastungen und Mikrotraumata schwächen eigentlich gesundes Knochengewebe, das schließlich ohne eine akute Gewalteinwirkung bricht. Beispiele: Marschfrakturen von Mittelfußknochen, Schenkelhalsbrüche bei Marathonläufern.
Lokalisation Der Bruchort eines Knochens ist für die operative Versorgung wichtig, weil die Blutversorgung und das Verhältnis von kortikalem zu spongiösem Knochen unterschiedlich sind. Gelenknahe Abschnitte vom Röhrenknochen sind größer und brauchen daher weniger kortikalen Knochen (→ Spongiosaschrauben). Am dicksten ist die Kortikalis dort, wo der Knochen am schlanksten ist, nämlich im mittleren Abschnitt des Schaftes (→ Kortikalisschrauben).
3.3
Behandlung von Frakturen R. Döhler, A. Gudat, S. Mein
Sowohl die orthopädische Chirurgie als auch die Traumatologie befassen sich mit dem Bewegungsapparat. Jede Frakturversorgung zielt darauf ab, die normale Funktion des gebrochenen Knochens so rasch und gefahrenarm wie möglich wiederherzustellen. Der Weg hängt von folgenden Faktoren ab: 4 Art der Fraktur, 4 Lokalisation der Fraktur, 4 geschlossene/offene Fraktur, 4 Begleitverletzungen, 4 Alter und Verfassung des Patienten. Die Frakturbehandlung besteht in einer unverzüglichen Reposition, in einer adäquaten und konsequenten Fixation und in einer möglichst raschen Rehabilitation. Zur Behandlung von Knochenbrüchen kommen die in der 7 Übersicht genannten Prinzipien in Frage.
165 3.3 · Behandlung von Frakturen
Definition Prinzipien der Frakturbehandlung 4 4 4 4
3.3.1
Konservative Behandlung Operative Behandlung Misch- oder Kompromisslösungen Besondere Verfahren
Konservative Frakturbehandlung
Definition Die konservative Frakturbehandlung umfasst: 4 Verbände, 4 Schienungen, 4 Gipse, 4 Extensionen.
Extensionen sind durch Wickel- und Klebeverbände über die Haut und durch quer liegende Drähte im Knochen möglich. Extensionen dienen heute in aller Regel nur noch als Zwischenlösung bis zu einer definitiven Versorgung. Eine Ausnahme ist die sog. Überkopfextension beim Säugling, mit der Oberschenkelbrüche bis zur Ausheilung behandelt werden können. Bei der Überkopfextension werden das Becken des Kleinkindes mit einem Tuch gehalten und die Beinchen mit einer Wickelbandage nach oben (an eine Gerüststange) gezogen. Die häufigsten Beispiele von Drahtextensionen gibt es bei Frakturen am suprakondylären Femur oder am Tibiakopf sowie bei Trümmerfrakturen des Femurs. Zur Ruhigstellung von Knochen oder Gelenken eignen sich Schienen aus Metall oder Kunststoff, Gipsschalen, gespaltene zirkuläre Gipsverbände und spezielle Orthesen (z. B. Sarmiento-Brace für die Humerusfraktur). In der Traumatologie und Orthopädie der Wirbelsäule sind manchmal Gipsliegeschalen und am Kopf verankerte Fixations- und Extensionssysteme (Halo) nötig.
3.3.2
Operative Frakturbehandlung
Operativ behandelte Frakturen heilen nicht schneller oder langsamer als konservativ behandelte. Die operative Behandlung ist aber besonders dann sinnvoll, wenn der betreffende Patient rascher mobilisiert und die Belastungsoder Übungsstabilität der verletzten Extremität früher erreicht werden kann als bei einer konservativen Behandlung. Idealziel jeder Behandlung ist die vollständige Wiederherstellung der Funktion (Beweglichkeit, Belastbarkeit, Schmerzfreiheit) bei Vermeidung möglichst aller Komplikationen.
Eine operative Frakturbehandlung bedeutet nicht unbedingt die Freilegung, aber immer die innere Stabilisierung des Knochenbruches mit geeignetem Fremdmaterial nach weitgehender, möglichst idealer Wiederherstellung der normalen Anatomie.
Dazu eignen sich extra- und intramedulläre Kraftträger. Extramedulläre Kraftträger sind Platten, Schrauben, Drähte, Cerclagen sowie Stifte und Bänder aus Kunststoff und äußere Spanner. Intramedulläre Kraftträger sind Verriegelungsnägel für Humerus, Femur und Tibia. Intramedulläre Schienungen sind Federnägel (Ender), Bündelnägel (Hackethal) und Rush-Pins. Sie werden kaum noch verwendet. Durchgesetzt haben sich die vorgespannten Prévôt-Nägel. Bei dieser Osteosynthese wird der Bruchbereich nicht freigelegt. Der Vorteil liegt in der Erhaltung des Weichteilmantels und der Durchblutung. Im Vergleich mit den Plattenosteosynthesen sind die Zugänge bei intramedullären Kraftträgern viel kleiner. Das bedeutet eine geringere Belastung des Patienten und erlaubt meistens auch eine frühere Belastung der betroffenen Stelle. Die 1958 in der Schweiz gegründete Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO) hat sich durch die systematische Einteilung und standardisierte Behandlung von Knochenbrüchen weltweites Ansehen erworben. Ein wesentliches Prinzip der sog. AO-Technik ist die interfragmentäre Kompression. Sie zielt auf eine stabile Osteosynthese und eine Knochenheilung durch Kompression der exakt reponierten Fraktur. Eine solche Osteosynthese kann statisch oder dynamisch realisiert werden: 4 Statische Kompression: Hierbei werden die Fragmente dauernd und gleichmäßig zusammengedrückt; dies kann bei Schräg- oder Spiralfrakturen von Röhrenknochen durch Zug- oder Gleitschrauben, vorgespannte Platten und äußere Spanner (axiale Kompression) erreicht werden. 4 Dynamische Kompression durch eine Zuggurtung: Hierbei wird die Zugseite des gebrochenen Knochens durch Platten oder Cerclagen komprimiert. Heute gilt das allgemeine Interesse der biologischen Osteosynthese. Sie bedeutet: 4 einen möglichst kleinen Zugang, 4 eine relativ stabile Osteosynthese, 4 den Verzicht auf die anatomische Reposition aller Fragmente. Dieses Vorgehen gefährdet nicht zusätzlich die Durchblutung. Kallusbildung ist erwünscht. Das dafür entwickelte
3
166
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
3
. Abb. 3.3 Bilateraler Rohrfixateur. (Nach Texhammer u. Colton 1994)
. Abb. 3.6 Zugschrauben und Abstützplatte am Schienbeinkopf. (Nach Texhammer u. Colton 1994)
. Abb. 3.7 Zuggurtungsosteosynthese am Olekranon. (Nach Texhammer u. Colton 1994)
Implantat ist die LC-DC-Platte, die eine geringe Auflagefläche am Knochen hat. Wenn keine interfragmentäre Kompression möglich oder erwünscht ist, z. B. bei Trümmerbrüchen, wird das Schienungsprinzip angewendet. Man unterscheidet: 4 extramedulläre Schienungen mittels Fixateur externe (. Abb. 3.3) oder Abstützplatte und 4 intramedulläre Schienungen mittels Mark- oder Verriegelungsnagel (. Abb. 3.4).
. Abb. 3.4 Verriegelungsnagel. (Nach Texhammer u. Colton 1994)
. Abb. 3.5 Zugschraube und Platte. (Nach Texhammer u. Colton 1994)
Interfragmentäre Kompression und Schienung können auch kombiniert werden, z. B. 4 Zugschraube und Schutzplatte (. Abb. 3.5): Können Schrauben der äußeren Belastung nicht standhalten, werden sie durch eine zusätzliche Neutralisationsplatte gesichert. 4 Zugschraube und Abstützplatte (. Abb. 3.6), häufig an Metaphysen. 4 Zugschraube und Zuggurtungsplatte. 4 Kirschner-Drähte und Cerclagedraht (. Abb. 3.7): Die Kirschner-Drähte dienen der Schienung und Rotationsstabilität; häufige Anwendung an Olekranon, Patella und Innenknöchel.
167 3.4 · Pflegerische Tätigkeiten in der Traumatologie
3.3.3
Besondere Frakturbehandlungen
Dazu gehören sog. Minimalosteosynthesen von Frakturen mit Gelenkbeteiligung bei Osteoporose und verschiedene Fixateurs externes (7 Abschn. 3.5.11). An der Wirbelsäule dienen sog. Fixateurs internes (Fa. Stryker, Peter Brehm, DePuy u. a.) der dorsalen Stabilisierung von Wirbelkörperfrakturen. Die beiden angrenzenden Wirbelkörper werden mit transpedikulären Schrauben besetzt und über Gewindestangen auf beiden Seiten winkelstabil verbunden. Einen weiteren Fortschritt stellt die Ballonkyphoplastie zur Reposition von Wirbelkompressionsfrakturen und die Wiederherstellung der sagittalen Ausrichtung dar. Der Ballonkatheter (z. B. Fa. Kyphon) dient zur Kompaktierung von Spongiosa und Reposition von Wirbelkörperfrakturen. Der Ballonkatheter wird im Knochen positioniert und unter Kontrolle aufgedehnt. Wenn der Ballon sich aufweitet, wird so der Knochen verschoben, bis die Anatomie wiederhergestellt ist (7 Kap. 10). Zu den besonderen Verfahren gehören auch die häufigen Endoprothesen (7 Abschn. 3.5.10) und die Verbundosteosynthesen mit Implantaten und Zement.
3.3.4
Komplikationen nach Frakturbehandlungen
Sowohl bei operativen als auch bei konservativen Frakturbehandlungen sind lokale oder indirekte Komplikationen möglich.
Lokale Komplikationen 4 Fehlstellung des Knochens und/oder des Gelenks, 4 Wachstumsstörungen bei Verletzungen der Epiphysenfuge, 4 Pseudarthrosen (hypertrophe, hypothrophe und avitale), 4 Infektionen (2% bei geschlossenen und 10% bei offenen Frakturen), 4 Knochennekrosen (Femurkopf), 4 Verkürzungen, 4 Verlängerungen, 4 Rotationsfehler, 4 Wundheilungsstörungen, 4 Thrombosen/Embolien, 4 Gipsschäden.
Allgemeine/indirekte Komplikationen 4 4 4 4
Fettemboliesyndrom, Durchblutungsstörungen/Kompartmentsyndrom, Nervenschädigungen (z. B. N. peronaeus, N. ulnaris), Kontrakturen, Gelenksteife,
4 Muskelatrophie, 4 Bettlägerigkeit.
3.4
Pflegerische Tätigkeiten in der Traumatologie A. Gudat, M. Liehn, S. Mein
Kenntnisse bezüglich der Instrumente und der Implantate (7 Abschn. 3.5) gehören zu den Aufgaben der Pflegekraft/ OTA ebenso wie das Wissen um die Durchleuchtung, das Anlegen einer Blutsperre/Blutleere und der operationsgerechten Lagerung eines Patienten.
3.4.1
Lagerungskriterien
In der Traumatologie gelten für die Durchführung der operationsspezifischen Lagerung die gleichen Prinzipien wie in 7 Kap. 1 beschrieben. Zu beachten ist jedoch, dass Patienten mit einer Fraktur oder einer Extension immer von mindestens zwei Mitarbeitern der Operationsabteilung eingeschleust werden. Es ist zu wünschen, dass ein Operateur das Einschleusen begleitet. Die spezifischen Lagerungen werden für die einzelnen Operationen beschrieben. Die Lagerung auf dem Extensionstisch ist eine Besonderheit. Dieser Tisch wurde entwickelt, um eine frakturierte Extremität nach der Anlage einer Drahtextension unter Röntgenkontrolle zu reponieren. In manchen Fällen genügt die Fixation des Fußes in einem »Schuh« ohne Extension, um die Reposition durchzuführen. Bei der Lagerung der unteren Extremitäten unterstützt ein gepolstertes Mittelteil die Abstützung des Beckens, dabei ist bei männlichen Patienten auf die freiliegenden Genitalien zu achten (. Abb. 3.8).
3.4.2
Intraoperative Durchleuchtung
Die Anwendung von Röntgenstrahlen auf Menschen wird durch die Röntgenverordnung (RöV) geregelt. Wer beruflich mit Röntgeneinrichtungen zu tun hat, sollte daher seinen Status im Rahmen der aktuellen Verordnung klären. Unter Röntgendurchleuchtung versteht man nach der Röntgenverordnung die Anwendung einer Einrichtung zur elektronischen Bildverstärkung mit Fernsehkette und automatischer Dosis-Leistungs-Regelung. Dabei darf der Röntgenstrahler nur während der Durchleuchtung oder zum Anfertigen einer Aufnahme angeschaltet sein.
3
168
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
Abschirmung Die Dosis nimmt bei γ-Strahlung mit der Dicke der Abschirmschicht d exponentiell ab. Daraus folgt: 4 Gonadenschutz für den Patienten. 4 Tragen einer dicken Bleischürze. 4 Tragen eines Halsschutzes (Schilddrüse).
3
3.4.3 a
b . Abb. 3.8a, b Operationslagerfläche 1150.20. a Mit Fußplattenadaption; das gesunde Bein ist auf einem Beinhalter nach Göpel ausgelagert. b Mit Zugbügeladaption und Thoraxabstützung. (Aus Krettek u. Aschemann 2005)
Das Personal muss regelmäßig durch einen Strahlenschutzbeauftragten gemäß RöV unterwiesen werden. Weil etliche Operationen in der Traumatologie und Orthopädie unter Durchleuchtung durchgeführt werden, müssen Patient und Personal geschützt werden. Die 3 Grundsätze im Strahlenschutz werden im Folgenden aufgeführt:
Abstand Die Dosis D nimmt mit dem Quadrat des Abstandes A ab. Daraus folgt: 4 Ausreichenden Abstand zum Röntgengerät oder Bildwandler halten. 4 Nicht in den Strahlengang geraten.
Blutsperre
Viele Operationen an Arm und Bein werden leichter und sicherer, wenn die Blutzufuhr vorübergehend unterbrochen ist. Bei der Blutsperre wird die Extremität hochgehalten und über spezielle Druckmanschetten abgebunden. Bei der Blutleere (nach von Esmarch) wird die Extremität hochgehalten und mit einer Gummibinde von distal nach proximal ausgewickelt, bevor die pneumatische Druckmanschette gefüllt wird. Die Blutleere wird fast ausschließlich in der Hand- und Fußchirurgie angewendet. Die Blutsperre genügt meistens und eignet sich besonders für Eingriffe am Ellbogen- und Kniegelenk. Bei der Blutsperre und Blutleere kommt dem Pflegepersonal im OP/OTA besondere Verantwortung zu. Die Anlage und die Überwachung der Druckmanschette erfordern Kenntnisse bzgl. der Wirkung, besondere Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit in der Durchführung. Folgende Materialien sind erforderlich: 4 Strumpf, z. B. Tube-Gaze, 4 Polsterwatte, 4 Spezialpflaster zum Abkleben des Manschettenrandes, 4 geeignete Manschetten für Arme und Beine von Erwachsenen und Kindern, 4 automatische Kompressionseinheit mit Druckregelung und Zeitschaltuhr. Die Höhe des Manschettendruckes liegt ausschließlich in der Verantwortung des Operateurs; die Überwachung obliegt dem Pflegepersonal. Am Arm sind Drücke von 200–250 mm Hg, am Bein von 350–450 mm Hg üblich. Vom Pflegepersonal müssen die Höhe und die Dauer des Manschettendruckes exakt dokumentiert werden.
Aufenthaltsdauer
3.4.4
Die Dosis wächst proportional mit der Expositionszeit t. Daraus folgt: 4 Kurze Durchleuchtungszeiten, keine »Dauerdurchleuchtung«. 4 Tragen eines Dosimeters. 4 Dokumentieren der Durchleuchtungszeit.
Der Knochenzement besteht aus 2 Komponenten, einer Flüssigkeit und einem Pulver. Häufig ist der Zement mit einem antibiotischen Zusatz versetzt. Das Anrühren beider Komponenten kann manuell oder mit einer Vakuumpumpe erfolgen.
Anrühren von Knochenzement
169 3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
Die Bestandteile des Knochenzementes (Polymere, Monomere, freie Radikale) sind i. d. R. während der Verarbeitung sehr aggressiv. Daher werden während des Umgangs mit Knochenzement immer doppelte Handschuhe getragen. Die Vorbereitung und das Anrühren obliegen dem Instrumentanten, der einen freien Blick auf eine Uhr mit Sekundenzeiger haben sollte. Vorbereitet werden: 4 Anrührschale mit Spatel, 4 doppelte Handschuhe, 4 Zementspritze, 4 Spüllösung gegen Hitzeentwicklung beim Aushärten, 4 vorbereitete Prothese mit entsprechendem Implantierinstrument.
a
Während der Aushärtung erwärmt sich der Zement stark, deshalb muss in dieser Zeit mit kalter Ringer-Lösung gespült werden, um Weichteilschäden zu vermeiden. ! Die Vorbereitung muss streng nach Herstellerangabe erfolgen: 4 1. Flüssigkeit. 4 2. Pulver o rühren o ruhen lassen o rühren o abfüllen o Applikation. Genaue Zeitangaben beachten!
Insbesondere für den Schaft empfiehlt sich ein Vakuumanrührsystem (. Abb. 3.9).
3.5
3.5.1
b . Abb. 3.9 a Sog. Zementpistole. Mit dem Ratschendrücker wird der weiche, nicht mehr klebende Knochenzement aus der eingelegten Kartusche gepresst. b Die Lösung und das Pulver des Knochenzements werden in den Plastikzylinder gegeben und im Vakuum (mittels Fußschalter) verrührt. Durch Lösen der Arretierung komprimiert der Stempel den Zement ohne Lufteinschluss in der Kartusche. (Fa. Biomet)
Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
3.5.2
R. Döhler, A. Gudat, S. Mein, K. Seide, Ch. Jürgens, R. Döhler,
Die Drahtumschlingung dient zur vorläufigen Fixierung der Fragmente. Es gibt Platten, die mit Schrauben und speziellen Stahlkabeln festgesetzt werden können (Dall-Miles, Fa. Stryker). Ein Draht wird mit einer Drahtführung um den reponierten Knochen gelegt, die Enden werden mit einer Flachzange verzwirbelt und mit einem Seitenschneider gekürzt und angedrückt.
Allgemeines Knocheninstrumentarium
Zugang und Präparation Das Instrumentarium für Zugang und Präparation ist in . Abb. 3.10 bis . Abb. 3.19 dargestellt.
Reposition Um gebrochene Röhrenknochen zu reponieren und Osteosyntheseplatten zu halten, werden Repositionszangen benötigt (. Abb. 3.20 bis . Abb. 3.24). Bekannt und überall vorhanden, aber unpraktisch sind die versetzten Verbrugge-Zangen mit Ratschen. Viel einfacher und effektiver sind die rund fassenden Zangen mit schräger Gewindefeststellung (Fa. Ulrich). Bei kleinen Knochen oder Fragmenten sind ausladende Spitzzangen mit Ratsche (den Tuchklemmen ähnlich) nötig. Am unteren Femurende sind sie in Maxigröße eine überaus wichtige Hilfe.
3.5.3
Cerclagen und provisorische Fixierungen
Zuggurtung
Die Zuggurtung ist eine Osteosyntheseform, bei der einwirkende Zugkräfte in Druckkräfte umgewandelt werden, meist in Kombination mit einer Drahtspickung. kIndikationen
4 Fraktur oder Osteotomie des Olekranons: Dislokation durch den Zug des M. triceps. 4 Patellafraktur: Dislokation durch den M. quadriceps, besonders bei Beugung des Kniegelenkes.
3
170
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
3
3.10
3.14
3.11
3.12
3.15
. Abb. 3.10 Elevatorium (Langenbeck): dient als Hebelinstrument. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.11 Scharfer Löffel (Schede): ovale und runde Formen mit scharfen Kanten, um den Frakturspalt zu säubern. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.12 Raspatorium (König): Knochenschaber mit scharfen Seitenkanten, um das Periost abzuschieben. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.13 Scharfer Knochenhaken (Einzinker), dient der Reposition. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.14 Hohlmeißelzange (Luer) zum Entfernen von Knochenund Knorpelsplittern. (Fa. Aesculap AG)
3.13
3.16
3.17
. Abb. 3.15 Metallhammer oder Kunststoffhammer (Ombrédanne): Grundsätzlich sollte mit Metall auf Metall und mit Kunststoff auf Kunststoff geschlagen werden. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.16 Osteotome (Lambotte) gibt es in verschiedenen Breiten, von 3 mm bis 4 cm. Sie werden zur Abtragung von Osteophyten und überschießendem Kallus benutzt. Sinnvoll ist dabei ein kleiner, leichter Hammer. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.17 Hohlmeißel (Lexer) in verschiedenen Größen, Formen, Wölbungen. Sie eignen sich zur Muldung oder Glättung von Röhrenknochen. (Fa. Aesculap AG)
171 3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
3.18
3.22
3.19
3.20
3.23
. Abb. 3.18 Flachmeißel (Lexer). (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.19 Knochenhebel stumpf (Hohmann): hält Weichteile zurück, hebt Knochen an und dient als Schutz beim Sägen. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.20 Repositionszange spitz, auch mit Gewindesperre erhältlich. Sie reponiert ausladende Knochenfragmente. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.21 Zange mit Zahnsperre. (Fa. Aesculap AG)
3.21
3.24
. Abb. 3.22 Patellazange. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.23 Knochenfasszange (groß, mittel und klein) für Frakturreposition und Plattenosteosynthesen von Humerus, Radius, Ulna, Femur und Tibia. (Fa. Ulrich) . Abb. 3.24 Periartikuläre Repositionszange. Mit dieser Zange können reponierte perkondyläre Femurfrakturen perkutan gehalten werden. (Fa. Johnson & Johnson)
3
172
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
3
3.25
3.26
3.27
3.28
a
b
c
d
e
3.29
3.30
. Abb. 3.25 Kirschner-Draht, ein wichtiges Hilfsmittel in der Knochenchirurgie. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.26 Weicher Cerclagedraht, auch mit Öse. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.27 Drahtumführung, Hohlnadel. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.28 Flachzange. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.29 Spitzzange. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.30 Seitenschneider, verschiedene Größen. (Fa. Aesculap AG)
3.31
. Abb. 3.31 Titan-Cerclagebänder. a, b Umführungsnadeln (groß und klein), mit denen das Cerclageband um den Röhrenknochen herumgezogen wird. c Cerclateur (Spanngerät). d, e Cerclagebänder; der optionale Dorn verhindert an Metaphysen das Abrutschen. Die Bänder werden hinter der Lasche umgebogen und mit einem Seitenschneider gekürzt. (Fa. Smith & Nephew)
173 3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
4 Sprengung des Akromioklavikulargelenkes: Dislokation durch den M. sternocleidomastoideus. 4 Abriss oder Osteotomie des Trochanter major: Dislokation durch die kleinen Mm. glutaei. Für die praktische Umsetzung werden 2 Kirschner-Drähte und ein Cerclagedraht benötigt. Die beiden KirschnerDrähte dienen als innere Gleitschiene und Rotationssicherung. Der Cerclagedraht kann bogen- oder achtförmig angelegt werden. Die beiden Enden des herumgeführten Cerclagedrahtes werden mit einer Flachzange oder einer Drahtspannzange unter Zug verzwirbelt. Am Olekranon und Trochanter major ist für die distale Fixierung ein Bohrloch sinnvoll. Am Innenknöchel ist eine Schraube mit Unterlegscheibe praktisch. Anstelle des Cerclagedrahtes kann auch eine resorbierbare Kordel aus Polydioxanon verwendet werden.
Drahtinstrumentarium Das benötigte Instrumentarium ist in den . Abb. 3.25 bis . Abb. 3.30 dargestellt.
. Abb. 3.32 Batteriebetriebene kleine Bohrmaschine. (Fa. Synthes)
kZusätzliches Instrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Bohrmaschine und Jakobs-Futter, Raspatorium, Elevatorium, scharfer Löffel oder »Zahnarzthäkchen«, bei Bedarf Repositionszange, Einzinker, Hohmann-Hebel, Dreifachzielbohrbüchse, 2-mm-Bohrer, Hammer.
> Eine Titanplatte sollte mit Titanschrauben besetzt werden. Jedes Implantat nur einmal benutzen!
Es werden Standard- und Kleinfragmentschrauben (Fa. Synthes) und die Instrumente zu ihrem Einbringen (. Abb. 3.32 bis . Abb. 3.47) dargestellt.
Kortikalisschraube
Titan- und Kunststoffbänder (. Abb. 3.31) sind breiter und schneiden weniger ein als Drahtschlingen. Sehr bewährt haben sie sich am Femurschaft, wenn dieser bei Prothesenwechseln gefenstert werden musste.
3.5.4
res Allergierisiko als Stahl. Auch hier ist es wichtig, unterschiedliche Materialien nicht zusammen zu benutzen.
Schrauben und Unterlegscheiben
Das Standardfragment hat einen Durchmesser (Ø) von 4,5 mm, das Kleinfragment von 3,5 mm. Wichtige Maße der Kortikalisschraube sind in . Tab. 3.1 aufgeführt.
. Tab. 3.1 Wichtige Maße der Kortikalisschraube Standardfragment Ø 4,5 mm
Kleinfragment Ø 3,5 mm
Gewindedurchmesser [mm]
4,5
3,5
Kerndurchmesser [mm]
3,0
2,4
Bohrer [mm]
3,2
2,5 (gold)
Gleitlochbohrer [mm]
4,5
3,5
Gewindeschneider [mm]
4,5
3,5 (gold)
Instrumente . Abb. 3.32 bis . Abb. 3.43.
Schrauben Jeder Hersteller hat Implantate und Instrumente aufeinander abgestimmt. Bei einer Osteosynthese sollten daher niemals Sets unterschiedlicher Firmen verwendet werden. Instrumente und Implantate werden aus rostfreiem Stahl (Chrom-Nickel-Molybdän) oder aus Titan hergestellt. Titanlegierungen und Reintitan bergen ein geringe-
3
174
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
3.33
3
3.39
3.34 3.40
3.35
3.41
3.36
3.42
3.37
3.43 3.38
. Abb. 3.33 Gewindeschneider für Kortikalisschrauben, Durchmesser 4,5 mm, Länge 135/70 mm. (Fa. Synthes) . Abb. 3.34 T-Griffstück mit Schnellkupplung. (Fa. Synthes) . Abb. 3.35 Kleiner Sechskantschraubendreher mit Haltehülse. (Fa. Synthes) . Abb. 3.36 Tiefenmessgerät für Schrauben, Durchmesser 4,5– 6,5 mm. (Fa. Synthes) . Abb. 3.37 Spiralbohrer, Durchmesser 4,5 mm, Länge 195/170 mm, zweilippig, für Schnellkupplung. (Fa. Synthes) . Abb. 3.38 Doppelbohrbüchse 3,5/2,5 mm. (Fa. Synthes)
. Abb. 3.39 DCP-Bohrbüchse 2,7 mm für Neutral- und Kompressionsstellung. (Fa. Synthes) . Abb. 3.40 LC-DCP-Bohrbüchse 3,5 mm für Neutral- und Kompressionsstellung. (Fa. Synthes) . Abb. 3.41 Steckbohrbüchse 3,5/2,5 mm für lange Zugschrauben. (Fa. Synthes) . Abb. 3.42 Kopfraumfräser für Kortikalisschrauben 4,5 mm. (Fa. Synthes) . Abb. 3.43 Selbsthaltende Schraubenpinzette zur Entnahme der Schrauben aus den Einsätzen. (Fa. Synthes)
175 3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
Die Kortikalisschraube wird vorwiegend im kortikalen Knochen der Diaphyse angewendet und hat ein durchgehendes, enges, flaches Gewinde. Es gibt sie selbstschneidend oder so, dass ein Gewindeschnitt als eigener Vorgang in die Operation eingefügt werden muss. Durch ihren breiten Kerndurchmesser ist die Stabilität im festen Knochen erhöht. Wenn die Schraube einen Bruchspalt durchquert und ihn als Zugschraube komprimieren soll, muss sie im kopfnahen Fragment frei gleiten und im gegenüberliegenden Fragment fassen. Beim Anziehen der Zugschraube wird interfragmentäre Kompression erzeugt (. Abb. 3.44). > Das Schraubenmessgerät gibt die Länge der Schraube einschließlich Spitze und Kopf an. jEinbringen einer Kortikalisschraube (Ø 4,5 mm)
Bohrer (Ø 3,2 mm) mit Bohrbüchse → Schraubenmessgerät (Schraubenlänge einschließlich Schraubenkopf in Millimeter) → Gewindeschneider (Ø 4,5 mm) im Handgriffstück je nach Schraubentyp mit Schutzbüchse → großer Schraubendreher (Sechskant) mit entsprechender Schraube. jEinbringen einer Kortikalisschraube (Ø 4,5 mm) als Zugschraube
Bohrer (Ø 4,5 mm) mit Bohrbüchse (1. Fragment) → Steckbohrbüchse (Ø 4,5/3,2 mm) → Bohrer (Ø 3,2 mm; 2. Fragment) → evtl. Kopfraumfräse → Schraubenmessgerät → Gewindeschneider (Ø 4,5 mm) mit Bohrbüchse → großer Schraubendreher mit entsprechender Schraube, evtl. mit Unterlegscheibe. Bei der Titan-Kortikalisschaftschraube ist der Schaftdurchmesser gleich dem Gewindedurchmesser. Somit erhöht sich die Widerstandsfähigkeit beim Einsatz als Zugschraube. Ein Gewinde muss ebenfalls geschnitten werden (Schaft Ø 3,5/4,5 mm; Gewinde Ø 3,5/4,5 mm). Die Eingangskortikalis muss mit dem 3,5- bzw. 4,5-mm-Bohrer erweitert werden. Beim Eindrehen der selbstschneidenden Kortikalisschraube entsteht eine größere Wärmeentwicklung als bei den herkömmlichen Kortikalisschrauben.
Spongiosaschraube Das Standardfragment hat Ø 6,5 mm, das Kleinfragment Ø 4,0 mm. Die Spongiosaschraube wird vorwiegend in der Epiund Metaphyse des Knochens (= spongiöser, weicher Knochen) eingesetzt. Die Spongiosaschraube besitzt einen dünnen Kern und ein tiefes Gewinde. Neben den Schrauben mit durchgehendem Gewinde gibt es solche mit unterschiedlicher Gewindelänge, sog. Schaftschrauben (. Abb. 3.45 und . Abb. 3.46). Während der Knochenheilung kann die Kortikalis den gewindefreien Schaft einmauern, da-
. Abb. 3.44 Kortikaliszugschraube
a
b
c 3.45
a
b 3.46 . Abb. 3.45 Spongiosaschraube 6,5 mm. a Gewindelänge 16 mm, b Gewindelänge 32 mm, c Vollgewinde. (Fa. Synthes) . Abb. 3.46 Kleinfragmentspongiosaschraube mit (a) kurzem und (b) langem Gewinde. (Fa. Synthes)
durch kann die Entfernung dieser Schraube große Probleme bereiten. Die Verwendung eines Gewindeschneiders kann gelegentlich in der Eingangskortikalis nötig sein. Durchquert die Spongiosaschraube einen Frakturspalt, sollte sie als
3
176
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
3.47
3 3.48
3.49
. Abb. 3.47 Kanülierte Schraube. Unter Bildwandlerkontrolle wird der Führungsdraht korrekt platziert. Nach dem Überbohren und Gewindeschneiden wird die längengerechte Schraube über den Draht eingedreht. (Fa. Smith & Nephew GmbH, Marl)
. Abb. 3.48 Malleolarschraube 4,5 mm mit verschiedenen Gewindelängen. (Fa. Synthes) . Abb. 3.49 Metallunterlegscheibe. (Aus Müller et al. 1992/1997)
Zugschraube eingesetzt werden; das Gewinde fasst nur im Gegenfragment. Ein besonderes Bohrmanöver ist dafür nicht erforderlich; es muss die entsprechende Gewindelänge ausgewählt werden. Durchbohrte Spongiosaschrauben werden in verschiedenen Größen angeboten und können über einen Kirschner-Draht gezielt eingebracht werden. Mit diesen Schrauben wird auch ein perkutanes Vorgehen ermöglicht. Die AO (Fa. Synthes) hat für diese Schrauben ein spezielles Instrumentarium entwickelt (. Abb. 3.47). . Tab. 3.2 zeigt die wichtigsten Maße der Spongiosaschraube.
sären Knochens und werden bei Spongiosa- und Malleolarschrauben verwendet. (. Abb. 3.49). Verwendung: 4 Ø 7,0 mm für Kleinfragmentspongiosaschrauben, 4 Ø 13 mm für Standardspongiosaschrauben.
jEinbringen einer Spongiosaschraube (Ø 6,5 mm)
Bohrer (Ø 3,2 mm) mit Bohrbüchse → Schraubenmessgerät → (selten Gewindeschneiden mit Ø 6,5 mm) → großer Sechskantschraubendreher mit entsprechender Schraube. Beim Einbringen einer Spongiosaschaftschraube soll bei harter Eingangskortikalis mit dem 4,5-mm-Bohrer vorgebohrt werden.
Unterlegscheiben mit Zackenkranz ermöglichen die Fixierung von Bändern und Sehnen am Knochen, ohne dabei zu Drucknekrosen zu führen. Sie sind aus Kunststoff gefertigt und zur Darstellung im Röntgenbild mit einem feinen Metallring versehen.
. Tab. 3.2 Wichtige Maße der Spongiosaschraube Standardfragment Ø 4,5 mm
Kleinfragment Ø 3,5 mm
Gewindedurchmesser [mm]
6,5
4,0
Kerndurchmesser [mm]
3,0
1,9
Malleolarschraube (Ø 4,5 mm)
Bohrer [mm]
3,2
2,5 (gold)
Anwendung nur im spongiösen metaphysären Knochen, wenn keine große Zugbeanspruchung erwartet wird. Ihr Gewinde entspricht dem der Kortikalisschraube (Ø 4,5 mm). Sie besitzt eine speziell geformte Trokarspitze, durch die sie sich im spongiösen Knochen ihr Gewinde selbst herstellen kann. Daher wird ein Gewindeschneider selten benötigt. Die Malleolarschraube hat ein halbes Gewinde und einen glatten Schaft (. Abb. 3.48). Eingesetzt wird sie v. a. am unteren Tibiaende (Innenknöchel). . Tab. 3.3 zeigt die wichtigsten Maße der Malleolarschraube.
Gleitlochbohrer
Keiner
Keiner
Gewindeschneider [mm]
6,5
4,0
Unterlegscheiben Die Unterlegscheiben verhindern das Einsinken des Schraubenkopfes in die dünne Kortikalis des meta- oder epiphy-
. Tab. 3.3 Wichtige Maße der Malleolarschraube Standardfragment Ø 4,5 mm Gewindedurchmesser [mm]
4,5
Kerndurchmesser [mm]
3,0
Bohrer [mm]
3,2
Gleitlochbohrer
Keiner
Gewindeschneider
Selten! 4,5 mm
177 3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
3.5.5
Platten
Jede Platte kann mehrere Funktionen erfüllen: 4 Kompression: Die Fraktur wird in Längsrichtung des Knochens durch Spannung komprimiert. 4 Neutralisation: Die Platte soll reponierte Fragmente halten und Biege- und Rotationskräfte neutralisieren. Beispiel: distale Fibulafraktur (7 Abschn. 3.6.14). 4 Abstützung: Die Platte soll ein Abrutschen gelenknaher Frakturteile verhindern oder einer Spongiosaanlage Halt bieten. Beispiel: Tibiakopffraktur (7 Abschn. 3.6.13).
. Abb. 3.50 Vorwölbung der Platte zur Kompression von Querbrüchen. (Nach Müller et al. 1992)
Zur Kompression von Querbrüchen sollte eine Platte vor dem Anbringen etwas vorgewölbt werden, um auch die Gegenseite der Fraktur zusammenzudrücken (. Abb. 3.50). Die Instrumente zum Zurichten und Anbringen der Platten sind in den . Abb. 3.51–. Abb. 3.56 dargestellt.
Spann-Gleitloch-Platten jDCP (»dynamic compression plate«)
4 Eine axiale Kompression ist ohne Spanngerät durch die ovalen und einseitig schrägen Plattenlöcher möglich. Die schräge Unterseite des Schraubenkopfes gleitet dabei auf dem schrägen Rand des Plattenloches nach unten und drückt damit die Platte zur Seite. Die Schrauben können exzentrisch und zentrisch eingesetzt werden. Mehrere Fragmente können einzeln komprimiert werden. 4 Jede exzentrisch eingedrehte Schraube bringt Kompression von 1 mm (pro Hauptfragment sind 2 exzentrische Schrauben möglich). 4 Es werden spezielle zentrische und exzentrische DCPBohrbüchsen verwendet. 4 Die Kombination mit einer interfragmentären Zugschraube ist möglich. jAnwendung
3.51
3.52
3.53 . Abb. 3.51 Plattenspanner mit Gelenken, Spannweg 20 mm. Farbskala: gelb bis 500 N, grün bis 1000 N, rot über 1000 N. (Fa. Synthes) . Abb. 3.52 Kardanschlüssel 11 mm für Plattenspanner. (Fa. Synthes) . Abb. 3.53 Biegeschablone für DCP 4,5 und LC-DCP 4,5 (in 3 Längen). (Fa. Synthes)
DC-Platte 3,5 für Ulna und Radius (. Abb. 3.57). jKugelgleitprinzip
Der Schraubenkopf gleitet im ovalen und abgeschrägten Plattenloch (. Abb. 3.58). Zum korrekten Anbringen der Platte sind die DCPBohrbüchsen oder die Universalbohrbüchse notwendig. Die neutrale oder zentrische Bohrbüchse 4 ist grün, 4 wird am häufigsten verwendet, 4 platziert die Schraube mit bestmöglichem Halt im Plattenloch.
Die exzentrische Bohrbüchse 4 ist gelb, 4 wird nur für Spannschrauben verwendet, 4 platziert die Schraube auf dem schmalen Plattenlochzylinder, 1 mm von der Endposition entfernt. Der maximale Spannweg einer Schraube beträgt 1 mm (50–80 kp). Der Pfeil auf der exzentrischen Bohrführung muss immer in Richtung Fraktur oder Osteotomie zeigen. Wichtig ist, dass zuerst die Spannschrauben frakturnah eingesetzt werden, da sonst die Fragmente auseinanderweichen.
3
178
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
DC-Platteneinsatz bei verschiedenen Frakturen Vorgehen bei Querbrüchen
3
3.54
In neutraler Stellung wird die Platte mit einer ersten Schraube fixiert. Es folgt die zweite Schraube, die exzentrisch im Gegenfragment fixiert wird. Alle weiteren Schrauben werden zentrisch eingebracht. Damit wird ein Spannweg von 1 mm erreicht. Soll mehr Kompression erzielt werden, werden beide Schrauben exzentrisch eingesetzt und dann wechselseitig angezogen (2-mm-Spannweg). Zusätzlich kann im selben Fragment eine zweite Spannschraube angebracht werden. Die erste Spannschraube muss etwas gelöst werden, die zweite wird fest angezogen, dann wieder die erste. Verfährt man im Gegenfragment genauso, wird der maximale Spannweg von 4 mm erreicht.
Vorgehen bei Stückfrakturen Es ist möglich, die verschiedenen Fragmente nacheinander zu komprimieren (. Abb. 3.59). 3.55
3.56
Vorgehen bei Schrägbrüchen DC-Platte und interfragmentäre Zugschraube: Gleitloch (4,5 mm) vorbereiten; Platte so verschieben, dass die Bohrbüchse exzentrisch zu liegen kommt; Anbringen einer Neutralschraube im Gegenfragment. Im ersten oder zweiten Plattenloch neben der Bohrbüchse wird eine exzentrische Schraube eingesetzt (. Abb. 3.59b). Platzieren der Zugschraube (. Abb. 3.59c). Diese Schraube komprimiert den plattenfernen Bruchspalt. Alle restlichen Schrauben werden neutral eingebracht.
DC-Platte mit Plattenspanner 3.57 . Abb. 3.54 . Abb. 3.55 . Abb. 3.56 . Abb. 3.57
Biegepresse für Platten. (Fa. Synthes) Biegezange für Platten. (Fa. Synthes) Schränkeisen für LC-DCP 4,5 und DCP 4,5. (Fa. Synthes) Schmale DC-Platte 3,5 für Ulna und Radius. (Fa. Synthes)
. Abb. 3.58 Kugelgleitprinzip. (Aus Müller et al. 1992/1997)
4 Anwendung, wenn stärkere Kompression erwünscht ist (>80 kp), sehr selten nötig. 4 Verwendung der grünen, zentrischen DCP-Bohrbüchse. 4 Wenn möglich, sollte zusätzlich eine interfragmentäre Zugschraube eingesetzt werden. Die etwas überbogene Platte mit einer Schraube frakturnah befestigen und gegen die Fraktur ziehen (. Abb. 3.60). Im Gegenfragment die Distanzbohrbüchse am Plattenende einsetzen; 3,2-mm-Bohrer; messen; 4,5-mm-Gewindeschneider; Plattenspanner in die Nut einhängen und mit einer Kortikalisschraube befestigen; leichtes Anziehen des Plattenspanners mit dem Kardanschlüssel (. Abb. 3.60); restliche Schrauben im plattenspannerfernen Fragment neutral anbringen; Spannen des Gerätes; neutrales Besetzen der noch freien Plattenlöcher. Entfernen des Plattenspanners (Kortikalisschraube verwerfen!). Besetzen des letzten Plattenloches.
179 3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
a a
b . Abb. 3.60a, b Mit dem Plattenspanner kann die reponierte Fraktur verstärkt komprimiert werden. Nötig ist das nur mit Winkelplatten bei Osteotomien. (Nach Müller et al. 1992/1997)
b
a
c
b
. Abb. 3.59a–c DC-Platte: Kompression durch DC-Platte; interfragmentäre Kompressionsschraube. (Nach Texhammar u. Colton 1994)
. Abb. 3.61 a LC-DC-Platte, b schematische Darstellung. (Nach Müller et al. 1992/1997)
LC-DC-Platte (»limited contact DCP«)
ermöglicht die Bohrungen in Neutral-, Schräg- oder Kompressionsstellung und den Einsatz der Bohrer/ Gewindeschneider Ø 4,5–3,2 mm und Ø 3,5–2,5 mm (Kleinfragment). 4 Auch die neutrale LC-DCP-Bohrbüchse hat einen Pfeil, der immer zur Fraktur zeigen muss (Ausnahme: Wenn die Platte in Abstützfunktion am Tibiakopf angebracht werden soll, muss der Pfeil von der Fraktur weg zeigen). 4 Die LC-DC-Platte verlangt Titanschrauben. Spezielle Kortikalisschaftschrauben (7 Abschn. 3.5.4) eignen sich aufgrund ihrer Stabilität als interfragmentäre Zugschrauben und Kompressions- oder Spannschrauben.
4 Sie ist die Verbesserung der DCP und wird vorwiegend angewendet. 4 Sie besteht aus Reintitan, das weniger Allergien auslöst als Stahl (s. oben). 4 Aussparungen an der knochenzugewandten Seite minimieren die Plattenauflagefläche. Durchblutungsstörungen des Knochens werden so verringert. 4 Außerdem besitzen die unterschnittenen Plattenlöcher 2 schiefe Ebenen, sodass Kompression zu beiden Seiten hin möglich ist. Die Platte hat kein lochfreies Mittelteil (. Abb. 3.61). 4 Es werden spezielle LC-DCP-Bohrbüchsen oder die Universalbohrbüchse (. Abb. 3.40) benötigt. Letztere
3
180
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
4 Wie die DCP gibt es die LC-DC-Platte im Standardfragment in breit und schmal sowie als Kleinfragmentplatte. Sie wird wie die DCP angewendet. 3.62
Drittelrohrplatten Von den sog. Rohrplatten haben sich nur die Drittelrohrplatten (. Abb. 3.62) durchgesetzt. Am Außenknöchel haben sie sich bewährt und sind kostengünstig.
3 3.63
Rekonstruktionsplatten 4 Dreidimensional biegbar mit 2 Schränkeisen. 4 Gerade Platten (. Abb. 3.63) sind im Standard- und Kleinfragment enthalten, z. B. für Verletzungen im Beckenbereich.
Spezialformen
3.64a
3.64b
Diese Platten sind für besondere anatomische Gegebenheiten entwickelt worden (. Abb. 3.64 und . Abb. 3.65). In erster Linie dienen sie der Abstützung im gelenknahen Bereich, d. h. sie verhindern ein Absinken und bilden das Widerlager für Schrauben in diesen Knochenabschnitten. Etliche dieser Platten sind auch in Reintitan erhältlich. Allen im Standardfragment enthaltenen Platten sind folgende Merkmale gemeinsam: 4 In den Plattenkopfbereich können Spongiosaschrauben eingebracht werden. 4 Im Plattenschaft befindet sich ein längliches Loch, durch das eine interfragmentäre Zugschraube oder eine Kortikalisschraube zur vorläufigen Plattenfixierung eingesetzt werden kann. 4 Das Einsetzen eines Plattenspanners ist möglich. 4 Die Lochangabe der Platte entspricht der Anzahl der Schaftlöcher. 4 Ein Nachbiegen der Platten ist möglich.
Winkelplatten
3.65a
3.65b
. Abb. 3.62 Drittelrohrplatte. (Fa. Synthes) . Abb. 3.63 Rekonstruktionsplatte 3,5. Mit der Biegezange und den Schränkeisen kann sie gebogen und verdreht werden. Es gibt sie auch aus Titan mit winkelstabilen Schrauben. (Fa. Synthes) . Abb. 3.64 a Vorgeformte (winkelstabile) Mayo-Klavikulaplatte. (Acumed, Fa. Ortho Aktiv). b Vorgeformte Platte mit winkelstabilen Schrauben zur Versorgung von Mehrfragmentbrüchen des Humeruskopfes. (Fa. Oeka Medizintechnik) . Abb. 3.65 a Proximale Tibiaplatte mit winkelstabilen Schrauben zur Versorgung von Tibiakopfbrüchen. b Röntgenbefund nach operativer Versorgung mit einer proximalen Tibiaplatte. (Fa. Oeka Medizintechnik)
4 Der Winkel wird zwischen Klinge und Schaft gemessen. 4 Die Löcher sind wie bei den geraden breiten Platten versetzt. 4 Sie werden als Rundloch- oder als DC-Platten hergestellt. 4 Es werden die Schrauben des Standardfragments benötigt. 4 Die Winkelplatten haben eine U-förmige Klinge; für Kleinkinder gibt es T-förmige Profile.
Osteotomieplatten 4 130°-Winkelplatte (. Abb. 3.66) für intertrochantäre Valgisierung. 4 Rechtwinkelplatte (. Abb. 3.67) für intertrochantäre und suprakondyläre Varisierung. Weiteres Instrumentarium zeigt . Abb. 3.68 bis . Abb. 3.73.
181 3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
3.70
3.66
3.67
3.71
3.68 3.72
3.69 . Abb. 3.66 130°-Winkelplatte für intertrochantäre Valgisierung. (Fa. Synthes) . Abb. 3.67 Sogenannte Rechtwinkel- oder Hüftplatten sind für die intertrochantären und suprakondylären Umstellungsosteotomien des Femurs unverzichtbar. Sie haben eine Bogentiefe von 10, 15 oder 20 mm und verschiedene Klingenlängen mit U- oder T-Profil. Dazu werden immer Plattenspanner benötigt. (Fa. Synthes) . Abb. 3.68 a Plattensitzinstrument; der Winkel der aufgeschobenen Führungsplatte ist stufenlos verstellbar b Vorschlagklinge mit U-Profil für Erwachsenenwinkelplatten. (Fa. Synthes)
3.5.6
Winkelstabile Osteosynthesesysteme K. Seide, Chr. Jürgens
Winkelstabile Implantatsysteme sind gekennzeichnet durch eine Verblockung der Schraubenköpfe im Plattenloch.
3.73 . Abb. 3.69 Schlitzhammer zum Ausschlagen der Vorschlagklinge. (Fa. Synthes) . Abb. 3.70 Ein- und Ausschlaginstrument mit verstellbaren Klemmbacken für Erwachsenenwinkelplatten und Hüftplatten für Jugendliche und Kinder. (Fa. Synthes) . Abb. 3.71 Nachschlagbolzen für Winkelplatten. (Fa. Synthes) . Abb. 3.72 Dreieckige Zielplatte mit verschiedenen Winkeln: 4050-90°, 30-70-80°, 20-60-100°. Mit einer Kocher-Klemme lassen sich diese Plättchen gut halten. (Fa. Synthes) . Abb. 3.73 Zapfenfräser zum Aufweiten des vorgebohrten Klingeneinschlags. (Fa. Synthes)
Winkelstabile Osteosynthesesysteme sind seit Beginn der 1990er-Jahre erhältlich und haben in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Vorläufer waren entsprechende Implantate im Wirbelsäulenbereich, bei denen Längsträger, Stäbe oder Platten winkelstabil mit Pedikelschrauben verbunden sind (7 Abschn. 3.6.1). Die Idee der Winkelstabi-
3
182
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
Eine Verbesserung der Vielseitigkeit und Vereinfachung der Implantation ergab sich durch die Entwicklung der multidirektional winkelstabilen Systeme. Während bei den unidirektionalen Systemen der Winkel der Schraube gegenüber der Platte durch die festen Gewindegänge vorgegeben ist, erlauben multidirektional winkelstabile Systeme ein Einbringen der Schrauben in die Platte in einem variablen Winkel, wie es von herkömmlichen nicht winkelstabilen Plattensystemen bekannt ist (7 Abschn. 3.5.5).
3
Prinzip Unidirektional winkelstabile Implantate . Abb. 3.74 Unidirektionale Winkelstabilität (LISS für das distale Femur). (Fa. Synthes)
Gewindetragender Schraubenkopf und komplementäres Gewinde im Plattenloch. Beispiele: LISS (»less invasive stabilisation system«; . Abb. 3.74) für Ober- und Unterschenkel, Philosplatte für den proximalen Oberarm, PCfix für den Unterarm, CCP (»locked compression plate«; Fa. Synthes, AO; . Abb. 3.75), Fußsysteme (Fa. Darco), winkelstabile Platten für distalen Radius und proximalen Humerus (Fa. Königsee).
Multidirektional winkelstabile Implantate
. Abb. 3.75 Unidirektionale Winkelstabilität (LCP). Die eine Hälfte des Doppellochs hat ein Gewinde. (Fa. Synthes)
. Abb. 3.76 Prinzip der multidirektionalen Winkelstabilität
lität ist jedoch weitaus älter, so hat Reinhold (1932) in einem Patent für eine Osteosyntheseplatte vorgeschlagen, die Schraubenköpfe mit einem Gewinde zu versehen, welches in einem entsprechenden Gewinde der Platte verankert ist. Auf diesem Prinzip beruhen viele winkelstabile Systeme, die sog. unidirektional winkelstabilen Implantate.
4 Gewinde am Schraubenkopf sowie Lippe im Schraubenloch der Platte (. Abb. 3.76). Durch verschiedene Materialhärten (Schraubenkopf: hartes Titan, Platte; weiches Titan) erfolgt beim Eindrehen des Schraubenkopfes eine Umformung im Plattenloch, welche zu einer festen Verbindung führt. Beispiele: TiFix-Implantate für nahezu alle Körperregionen (Fa. Litos, . Abb. 3.77), Smartlock für Hand und distalen Radius (Fa. Stryker Leibinger). 4 Verblockung einer Schraube ohne Gewinde im Schraubenkopf, welche in einem beliebigen Winkel eingebracht ist, durch ein zusätzliches Verklemmungselement. Beispiel: NCB-System für den proximalen Humerus oder das distale Femur (Fa. Zimmer). 4 Fixation einer im variablen Winkel eingebrachten Schraube ohne Gewinde am Schraubenkopf durch Verklemmung mit einem zusätzlich aufgebrachten Plättchen. Beispiel: Druckplattenfixateur (Fa. Litos). 4 Verwendung eines Gewindeschneiders oder -drängers, mit dem das Gewinde im Plattenloch intraoperativ in einer wählbaren Richtung erzeugt wird. Beispiele: Option bei Tifix (Fa. Litos), Mayo Clinic Congruent Elbow Plates (Fa. Acumed).
Biomechanik Biomechanisch unterscheiden sich interne Fixateure trotz ihrer äußerlichen Ähnlichkeit grundlegend von herkömmlichen Plattenimplantaten. Mechanisch sind sie eher mit den externen Fixateuren verwandt (daher der Name).
183 3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
Während bei nicht winkelstabilen Systemen die Lastübertragung vom Knochen auf die Platte durch Reibung erreicht wird, indem die Platte durch Schrauben auf den Knochen gepresst wird, erfolgt beim internen Fixateur die Lastübertragung auf die Platte über die Schraube, die im Sinne eines tragenden Balkens wirkt. Ebenso wird ein Kippen der Schrauben unter Belastung, welches zu hohen punktförmigen Belastungen im Knochen führt, vermieden. Der biomechanische Unterschied wird besonders dadurch deutlich, dass ein Kontakt zwischen Platte und Knochen prinzipiell nicht notwendig ist; eine Abstützung der Platte am Knochen kann jedoch die Stabilität zusätzlich erhöhen.
Vorteile 4 Günstige Lastübertragung zwischen Knochen und Implantat. 4 Deutliche Erhöhung der Verankerungsfestigkeit in kurzen gelenknahen Fragmenten. Hier findet die herkömmliche Platte nur eine geringe Auflagefläche zur Übertragung der Last durch Druck. 4 Keine Störung der Knochenperfusion durch Anpressdruck der Platte. 4 Bei mehreren Schrauben Rahmenkonstruktion mit zusätzlicher Festigkeit. 4 Hieraus ergeben sich insbesondere Vorteile bei der Verankerung im osteoporotischen Knochen. 4 Durch die Einführung der winkelstabilen Implantate ergab sich die optimierte Möglichkeit zur Anwendung kurzer Schnitte und der kurzstreckigen Verankerung des Implantates lediglich an den Enden der Platte (minimal-invasive Technik). Durch die stabilere winkelfeste Verankerung können auch größere Frakturbereiche überbrückt werden. Minimal-invasive Zugänge verringern den Weichteilschaden an der Haut und führen i. d. R. zu schnellerer und sicherer Heilung der Weichteile. Die Überbrückung bietet zusätzlich den Vorteil, dass eine Perfusionsstörung durch Freilegen der Fraktur vermieden wird.
a
b
kIndikationen
4 Proximaler Humerus: Hier wirken sich die Vorteile der Winkelstabilität besonders aus, da i. d. R. eine verminderte Knochenqualität mit kleinen gelenknahen Fragmenten gemeinsam auftritt. 4 Distaler Radius: Winkelstabile Schrauben stützen die Gelenkfläche besonders gut ab, sodass i. d. R. eine Übungsstabilität erreicht werden kann. 4 Distales Femur: Hier ermöglicht das winkelstabile Implantat insbesondere die Rekonstruktion multifragmentärer Brüche mit gelenknahen Fragmenten. 4 Tibiakopf: Die winkelstabile Abstützung der Gelenkfläche auch bei kurzen Fragmenten ist hier ebenfalls von Vorteil.
c . Abb. 3.77 Beispiele für multidirektional winkelstabile Implantate. a Multidirektional winkelstabile Schrauben beim internen Fixateur für den proximalen Humerus (Tifix). b Beispiele für verschiedene Plattendesigns der internen Fixateure für den distalen Radius (Tifix, prinzipiell gleiche Platten bei den anderen Systemen). c Platte des Kalkaneus-Fixateurs interne (Tifix). (Fa. Litos)
3
184
3
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
4 Distale Tibia: Auch hier werden kurze gelenknahe Fragmente durch die winkelstabile Verankerung optimal stabilisiert. 4 Kalkaneus: Die Abstützung kleiner gelenktragender Fragmente ist bereits mit einer winkelstabilen Schraube möglich. 4 Fußskelett: Winkelstabile Implantate finden zunehmend wegen der auftretenden hohen Kräfte bei kleinen Dimensionen Verwendung. kLagerung
4 Entspricht der Lagerung bei anderen Osteosyntheseverfahren. 4 Bei minimal-invasivem Zugang ist auf die Möglichkeit der Durchleuchtung zu achten. Minimal-invasiver Zugang 7 Festlegen der Plattenlage vor dem Zugang, unter Durchleuchtungskontrolle. 7 Kurze Inzisionen (ca. 3 cm) am proximalen und distalen Ende des markierten Bereiches. 7 Mit einem speziellen Raspatorium wird von einer der Wunden aus auf dem Periost ein Tunnel geschaffen, einige Implantate haben für diesen Zweck einen Anschliff an einem Ende. 7 Einführen der Platte subkutan bzw. submuskulär. Durchleuchtungskontrolle der Plattenlage und Reposition.
Montagetechnik 7 Einbringen zunächst je einer nicht winkelstabilen Schraube (»Montageschrauben«) proximal und distal der Fraktur, hierdurch wird die Platte an den Knochen herangezogen. 7 Belegen der weiteren Schraubenlöcher mit winkelstabilen Schrauben. 7 Auswechseln der Montageschrauben durch endgültige winkelstabile Schrauben. 7 In Abhängigkeit vom System: Bei unidirektional winkelstabilen Systemen wird für das Bohren der Schraubenlöcher eine Zielhülse, welche zum Bohren in das mit dem Gewinde versehene Schraubenloch der Platte eingedreht wird (LCP), oder ein an der Platte zu befestigender externer Zielbügel (z. B. LISS) verwendet. Hierdurch ist ein exakter Winkel für die Bohrung gewährleistet. 7 In Abhängigkeit vom System: Nach dem Bohren in einem Zwischenschritt Formung des Gewindes in 6
der Platte mit einem Gewindedränger oder -schneider (. Abb. 3.78). 7 In Abhängigkeit vom System: Montage von Fixationselementen zum Erreichen der Winkelstabilität auf den Schraubenkopf nach dem Eindrehen der Schrauben. 7 In Abhängigkeit vom System: Montage zusätzlicher Plättchen zum Verblocken der Schraubenköpfe. 7 Cave: Für verschiedene Systeme ist das Eindrehen des Schraubenkopfes in die Platte mit einem Drehmomentschraubendreher vorgeschrieben.
Nachbehandlung 4 Bei proximalen Humerusfrakturen in Abhängigkeit von der Knochenqualität Übungsstabilität oder Ruhigstellung im Gilchrist-Verband mit Beübung aus dem Verband heraus. 4 Bei distalen Radiusfrakturen i. d. R. Übungsstabilität. 4 Bei distalen Femurfrakturen sowie Tibiakopffrakturen i. d. R. Teilbelastung 10 kg und Übungsstabilität. 4 Bei distalen Tibiafrakturen Teilbelastung 10 kg und Übungsstabilität. 4 Bei Kalkaneusfrakturen i. d. R. Entlastung für 3 Monate.
Materialentfernung 4 Das Vorgehen entspricht der Materialentfernung bei herkömmlichen Plattensystemen. 4 Besondere Vorsicht ist geboten, da beim Herausdrehen der Schrauben zunächst für das Lösen der Verblockung der Schraube in der Platte erhöhte Kraft aufgewendet werden muss (abhängig vom System).
3.5.7
Marknagelung R. Döhler, A. Gudat, S. Mein
Das Prinzip der Marknagelung wurde 1940 von Gerhard Küntscher in Kiel entwickelt. Definition Der Marknagel ist ein intramedullärer Kraftträger, d. h. eine Schienung des gebrochenen Knochens in seiner Markhöhle.
Die Marknagelung ist bei vielen Brüchen des Femurs, der Tibia und des Humerus ein bewährtes Verfahren, das an Bedeutung eher gewinnt als verliert. So sind die retrograden Femurmarknägel und die halbelastischen Federnägel für kindliche Schaftfrakturen interessante Neuentwicklungen.
185 3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
Vorteile der Marknägel 4 Der Bruch braucht meistens nicht freigelegt zu werden, die einzelnen Fragmente bleiben in ihrem Weichteilverbund liegen (geschlossene Marknagelung). 4 In komplizierten Fällen sind offene Repositionen und zusätzliche Fragmentsicherungen mit Cerclagen möglich (offene Marknagelung). 4 Kurze Operationsdauer. 4 Geringes OP-Trauma. 4 Geringer Blutverlust. 4 Kurze postoperative Liegedauer. 4 Keine besondere Nachbehandlung. 4 Rasche Belastungs- oder Übungsstabilität.
Formen Die vielen modernen Marknägel unterscheiden sich vom klassischen Küntscher-Nagel in 2 Prinzipien: 4 Sie lassen sich am oberen und unteren Ende mit Bolzenschrauben verriegeln. 4 Man kann zwischen unaufgebohrten und aufgebohrten Marknägeln wählen.
Aufgebohrter Marknagel Der Markraum wird aufgebohrt, und der Nagel kann durch ein Gerät eingeschlagen und entfernt werden, das durch ein Gewinde im aufgeweiteten oberen Nagelende eingedreht werden kann. Der Nagel besteht aus einem längs geschlitzten Hohlstahl in Kleeblattform; diese Form gewährleistet eine viel größere Steifigkeit als ein einfaches Rohr. Aufgebohrte Marknägel gibt es in verschiedener Länge und Stärke. 4 Femurnägel sind in ihrem oberen Anteil gerade. Es gibt rechte und linke, da die proximale Verriegelungsschraube schräg eingebracht werden muss. 4 Tibianägel sind in ihrem oberen Anteil abgewinkelt. Hierdurch wird das Einschlagen erleichtert. Es wird nicht in rechts und links unterschieden.
. Abb. 3.78 Gewindedränger zur Formung des Gewindes im Plattenloch. (Tifix, Fa. Litos)
Retrograder Nagel Die retrograden Nägel werden von distal in den Humerus oder durch das Kniegelenk in den Femurschaft eingeschlagen. Am Femur bedeutet das zwar eine Arthrotomie, aber kniegelenknahe Brüche des unteren Femurendes lassen sich mit den üblichen Marknägeln weder korrekt reponieren noch dauerhaft halten. Eine interessante Neuentwicklung sind die langen unaufgebohrten retrograden Titannägel, deren Spitze im oberen Femurende sagittal verriegelt werden kann. Ob sich diese Nägel als praktische Alternative in der Routineversorgung von Schaftfrakturen erweisen, bleibt abzuwarten.
Verriegelung Ein Marknagel kann an einem Ende (dynamisch) oder an beiden Enden (statisch) verriegelt werden. Dabei werden proximal und/oder distal der Fraktur selbstschneidende Schrauben durch den Knochen eingebracht.
Unaufgebohrter Marknagel
Statische Verriegelung
Die unaufgebohrten Marknägel sind meistens aus Titan gefertigt. Sie werden in die nichtaufgebohrte Markhöhle der Tibia oder des Femurs eingeschlagen. Als Vorzüge der unaufgebohrten Marknägel gelten: 4 der Wegfall des Bohrungstraumas, 4 der Wegfall des Totraumes beim gebohrten Nagel, 4 beim Titannagel das geringere Infektionsrisiko, 4 die Stimulation der Knochenbildung. 4 Einige neue Systeme bieten zusätzlich eine Kompressionsmöglichkeit.
Die statische Verriegelung verhindert, dass 4 reponierte Trümmerbrüche an Länge verlieren, 4 sich ein Knochenende über dem einliegenden Marknagel verdreht.
Diese Technik wird der gebohrten Marknagelung in den meisten Fällen vorgezogen.
kIndikationen
4 Trümmerbrüche, Knochendefekte, Etagenfrakturen, 4 jeder unaufgebohrte Marknagel.
Dynamische Verriegelung Bei der dynamischen Verriegelung werden nur an den Stellen Verriegelungsschrauben eingebracht, an denen keine Rotationsstabilität gewährleistet ist.
3
186
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
3.5.8
Gammanagel
Dieses System (Fa. Stryker-Howmedica; . Abb. 3.79) vereinigt die Vorteile eines intramedullären Kraftträgers im Femurschaft und einer Gleitlochschraube im Schenkelhals. Ähnliche Systeme sind u. a. der proximale Femurnagel (PFN, Fa. Synthes) und der Gleitnagel (Fa. Endocare). Subtrochantäre Femurfrakturen eignen sich besser für den Einsatz des Gammanagels als pertrochantäre.
3
Aufbau des Gammanagels
. Abb. 3.79 Gammanagel. (Fa. Stryker-Howmedica)
kIndikationen
4 Quere oder kurze Schrägfrakturen im Metaphysenbereich, 4 einfache Diaphysenfrakturen, 4 diaphysäre und metaphysäre Pseudarthrosen, die durch axiale Belastung zur Ausheilung gebracht werden sollen. Unter Dynamisierung versteht man die Umwandlung der statischen in die dynamische Verriegelung. Wenn einige Wochen nach einer Marknagelung genügend Kallus zu sehen ist und der Patient das verletzte Bein belasten kann, beschleunigt die Dynamisierung die Knochenbildung. Operationsverfahren 7 Abschn. 3.6.6.
4 Schenkelhalsschraube (Ø 10,5 mm): Diese Schraube kann in verschiedenen Winkeln durch den Marknagel eingebracht werden (120°, 125°, 130°). Die Schraube ist an ihrer Spitze abgeflacht, um Penetrationen im Hüftkopf zu vermeiden. In die Längsrille ihres Schaftes passt der Verriegelungsbolzen. 4 Marknagel: Seine Standardlänge beträgt 180 bzw 200 mm. Der Nagel verbreitert sich nach proximal. Die Nägel werden mit Ø 11, 12 und 14 mm hergestellt. Der proximale Durchmesser beträgt bei allen Nägeln 15,5 mm, distal 11 mm. Der Gammanagel kann distal mit 1–2 Schrauben verriegelt werden. Das operative Vorgehen ähnelt der Femurnagelung (7 Abschn. 3.6.6). 4 Verriegelungsbolzen: Er wird von proximal durch den Nagel auf den Schenkelhalsschraubenschaft eingedreht und fasst in dessen Rillen. Dieser Bolzen wird nicht ganz fest angezogen, damit ein laterales Gleiten der Schenkelhalsschraube möglich ist und eine Rotation verhindert wird. 4 Ein Gewindestopfen wird am proximalen Nagelende eingedreht, um das Einwachsen von Gewebeanteilen zu vermeiden und das Eindrehen von Instrumenten bei der Metallentfernung zu erleichtern. Für lange subtrochantäre Frakturen oder eine Kombination von Schaft- und Schenkelhalsfrakturen stehen längere Marknägel zur Verfügung, die dem Aufbau des Standardnagels entsprechen. Wegen der Schenkelhalsschraube und der schrägen proximalen Verriegelung gibt es rechte und linke Marknägel. Operationsverfahren 7 Abschn. 3.6.5.
3.5.9
Dynamische Hüftschraube (DHS)
Die DHS ermöglicht das Gleitlaschenprinzip (. Abb. 3.80). Der Schraubenschaft gleitet im Plattenzylinder und führt somit zur dynamischen Kompression von pertrochantären Femurfrakturen.
187 3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
3.83
3.81
3.80
3.84
3.82
3.85
. Abb. 3.80 DHS-Platte und DHS-Schraube. Von den unterschiedlichen Zylinderlängen, Winkeln und Plattenlängen werden meist 38 mm Zylinderlänge, 130° oder 135°, 4 Löcher gewählt. (Fa. Synthes) . Abb. 3.81 Führungsdraht mit Gewinde. (Fa. Synthes) . Abb. 3.82 DHS-Messstab. (Fa. Synthes)
. Abb. 3.83 DHS-Dreistufenbohrer mit Wendelmutter und langem Fräser. (Fa. Synthes) . Abb. 3.84 DHS-Gewindeschneider mit kurzer Hülse. (Fa. Synthes) . Abb. 3.85 DHS-Schlüssel zum Einbringen und Entfernen von DHS-Schrauben mit langer Zentrierhülse. (Fa. Synthes)
Aufbau der DHS
3.5.10
4 Breite durchbohrte Spongiosaschraube mit einem 22mm-Gewindeanteil. Sie wird durch die Fraktur in den Schenkelhals eingebracht. Der Schaft ist nicht rund, sondern zu zwei Seiten hin abgeflacht. Das Schaftende hat zwei Nuten und im Inneren ein Gewinde zur Aufnahme von Instrumenten und der Kompressionsschraube. 4 DC-Platte: Deren proximales abgewinkeltes Ende wird über den Schraubenschaft geschoben und liegt dem Femurschaft an. Der Zylinderteil besitzt ebenfalls zwei Abflachungen, damit die Schraube rotationsstabil gleiten kann. Die Zylinderstandardlänge beträgt 38 mm. Der Winkel zwischen DCP und Zylinder variiert zwischen 130°, 135° und 150°. 4 Kompressionsschraube: diese wird in die Spongiosaschraube eingedreht und komprimiert den Frakturspalt (nicht obligat). Operationsverfahren 7 Abschn. 3.6.5.
Endoprothesen
Die Endoprothetik hat sich in den letzten 40 Jahren stürmisch entwickelt. An Hüfte, Knie und Schulter (und an den Grundgelenken der Finger) hat sich der Gelenkersatz bewährt. An Ellbogen, Handgelenk, oberem Sprunggelenk und Grundgelenk der Großzehe bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.
Hüftendoprothesen In Deutschland werden pro Jahr etwa 120.000 Hüftendoprothesen implantiert. Im Jahr 1996 waren es 60.000 zementierte und 40.000 zementfreie Schäfte und 35.000 zementierte und 60.000 zementfreie Schraub- und Pressfitpfannen. Femurhalsbrüche älterer Menschen gehören zum chirurgischen Alltag und werden i. d. R. mit einer Endoprothese versorgt. Degenerativer oder verletzungsbedingter Verschleiß (Koxarthrose) stellen ebenfalls eine häufige Indikation dar.
Zementierte Prothesen
kSpezialinstrumentarium
jBipolare oder Duokopfendoprothese
Das benötigte Spezialinstrumentarium ist in . Abb. 3.81 bis . Abb. 3.91 dargestellt.
Sie besteht aus einem Metallschaft, einem separaten Metall- oder Keramikkopf und einem Aufsatz aus Polyethylen
3
188
3
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
3.89 3.86
3.90 3.87
3.88
. Abb. 3.86 DHS-Zielgerät (130–150°). (Fa. Synthes) . Abb. 3.87 DHS; T-Handgriff mit Schnellkupplung für Gewindeschneider und Zielgeräte. (Fa. Synthes) . Abb. 3.88 Verbindungsschraube zum Einsetzen der DHS-Schrauben, zusammen mit Führungsschaft. (Fa. Synthes)
3.91
. Abb. 3.89 Führungsschaft zum Einsetzen der DHS-Schraube, zusammen mit Verbindungsschraube. (Fa. Synthes) . Abb. 3.90 Mit dem Einschläger kann die DHS über den liegenden Führungsdraht eingeklopft werden. (Fa. Synthes) . Abb. 3.91 Lange Verbindungsschraube zur Entfernung von DHSSchrauben, zusammen mit Schlüssel. (Fa. Synthes)
in einer sphärischen Metallkappe. Diese passt in die natürliche Hüftpfanne und schützt sie vor zu schneller Abnutzung. Diese Prothese wird bei alten, wenig mobilen Patienten eingesetzt. Dabei wird die Hüftpfanne nicht bearbeitet, was die Dauer und Belastung der Operation im Vergleich zur Totalendoprothese verringert. jTotalendoprothese
. Abb. 3.92 Zementierte Totalendoprothese (TEP) des Hüftgelenkes
Die zementierte Totalendoprothese (TEP; . Abb. 3.92) besteht aus einem Metallschaft, einem Metall- oder Keramikkopf und einer Pfanne (meist Polyethylen). Bei der Vielzahl der Modelle sind solche zu unterscheiden, die sich durch ihre Form der Markhöhle anpassen, und solche, die eine spezielle Oberflächenbeschaffenheit aufweisen. Zementfreie Pfannen werden eingedreht oder eingeschlagen (Pressfit) und optional mit Schrauben im Azetabulum fixiert. In die Pfanne wird ein Polyethylenoder Keramikinlay eingesetzt. Für die Verankerung im Femurschaft ist es wichtig, einen optimalen Sitz im Trochanterbereich zu erzielen. Die Schaftprothese wird in Pressfittechnik eingeschlagen. Auf ihren Konus wird der Keramik- oder Metallkopf aufgesteckt.
189 3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
Die sog. Hybridprothese ist eine Kombination aus zementierter und zementloser TEP. Meistens wird die Pfanne nicht zementiert und der Schaft zementiert eingesetzt. Operationsverfahren 7 Abschn. 3.6.5.
3.5.11
Externe Fixateure K. Seide, Chr. Jürgens
Erste externe Fixateure wurden Mitte des 19. Jahrhunderts zur Behandlung von Pseudarthrosen eingesetzt. Trotz der heute in großer Variation vorhandenen internen Implantate umfasst das Indikationsspektrum für externe Fixateure eine Vielzahl von Verletzungen, Verletzungsfolgen und orthopädischen Erkrankungen. Der Fixateur externe steht dabei nicht in Konkurrenz zu internen Verfahren, sondern erweitert die Behandlungsmöglichkeiten, insbesondere bei komplexen klinischen Situationen.
Prinzip Das Prinzip des Fixateur externe beruht auf einer äußeren Stabilisierung durch längsverlaufende Trägerelemente, die mit Klemmbacken oder Ringsystemen transkutan mit in den Knochen eingebrachten Schrauben, Nägeln oder Drähten befestigt sind. Entsprechend handelt es sich um ein typisches minimal-invasives Verfahren. Vorteile sind somit insbesondere die geringe Gewebetraumatisierung und das Vermeiden von Fremdkörpermaterial im unmittelbaren Erkrankungs- oder Verletzungsbereich.
Fixateurtypen Die im Folgenden beschriebenen Fixateur-externe-Typen zeigen . Abb. 3.93 bis . Abb. 3.97.
. Abb. 3.93 Klammerfixateur. (Fa. Stryker; Zeichnung nach Müller et al. 1992/1997)
Klammerfixateur Schanz-Schrauben werden unilateral eingebracht (am Unterschenkel von ventral oder medial) und mit ein oder zwei parallel verlaufenden Längsstangen verbunden (. Abb. 3.93).
Rahmenfixateur Steinmann-Nägel (mit oder ohne mittelständiges Gewinde) werden so eingebracht, dass an beiden Seiten der Extremität Längsträger angebracht werden können (. Abb. 3.94).
V-förmiger Fixateur Schanz-Schrauben werden in 2 Ebenen, die einen Winkel zwischen 60° und 90° in der Transversalebene bilden, eingebracht und jeweils durch eine Längsstange verbunden. Beide Systeme werden dann durch quer verlaufende Trägerelemente miteinander verbunden. Hieraus resultiert gegenüber dem Klammerfixateur eine erhöhte räumliche Stabilität.
Zeltförmiger Fixateur Eine Kombination aus Rahmenfixateur mit einer zusätzlichen Klammer, die über quere Trägerelemente mit dem Rahmen verbunden ist (seltene Konstruktion; . Abb. 3.95).
Trianguläre Montage Typischer sprunggelenkübergreifender Fixateur mit Schanz-Schrauben in der ventralen distalen Tibia sowie quer verlaufend durch den Kalkaneus. Darüber hinaus werden Schanz-Schrauben in dem Mittelfußknochen verankert. Von ventral ergibt der Aspekt des Fixateurs ein Dreieck.
Ringfixateur Der Ringfixateur (. Abb. 3.96) besteht aus die Extremität umgebenden zirkulären Ringen, welche typischerweise mit Drähten, aber auch mit Schanz-Schrauben fixiert wer-
3
190
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
3
. Abb. 3.96 Ringfixateur. (Fa. Stryker)
. Abb. 3.94 Rahmenfixateur. (Fa. Stryker; Zeichnung nach Müller et al. 1992/1997)
. Abb. 3.95 Zeltförmiger Fixateur. (Fa. Stryker; Zeichnung nach Müller et al. 1992/1997)
. Abb. 3.97 Hybridfixateur. (Fa. Stryker)
191 3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
den können. Diese werden durch längs verlaufende Gewindestangen miteinander verbunden (auch als IlisarowFixateur bezeichnet).
Hybridfixateur Ein Hybridfixateur stellt eine Kombination aus einem Ringfixateur und einem unilateralen Fixateur dar (. Abb. 3.97). Typischerweise wird das Ringelement zur Verankerung kurzer gelenknaher Fragmente, das unilaterale System zur Verankerung im Schaftbereich verwendet.
Fixateursysteme Rohr-/Stabfixateure
a
Diese werden von der AO/Synthes sowie von Stryker/ Howmedica (Hoffmann-Fixateur) angeboten und bestehen aus Stäben bzw. Rohren, die mit Schraubbacken miteinander und mit den Knochenschrauben verbunden werden. Durch Verwendung mehrerer Stäbe und Backen sind vielfältige Konstruktionen möglich (. Abb. 3.98).
Monolaterale (»Tube-«) Fixateure Hier handelt es sich um monolaterale Fixateure, die aus einem im Durchmesser ca. 3 cm dicken Körper bestehen und an deren Enden über Kugel- oder Scharniergelenke Elemente für die Fixation an Schanz-Schrauben angebracht sind (Mephisto, Fa. Synthes; De Bastiani-System, Orthofix; Monotube, Triax/Stryker). Monotube-Systeme ermöglichen i. d. R. ein axiales Gleiten im Längsträger und erlauben so eine einfache Dynamisierung, eine einstellbare Kompression oder Distraktion (. Abb. 3.99).
Biomechanik
b
c
Externe Fixateure sind durch ihren Abstand vom Knochen relativ elastische Systeme. Das Ausmaß der Elastizität hängt ab von: 4 Durchmesser der Längsträger (. Abb. 3.100a), 4 Anzahl der Längsträger (. Abb. 3.100b), 4 Material der Längsträger (. Abb. 3.100c), 4 Durchmesser der Schanz-Schrauben (. Abb. 3.100d), 4 Abstand zwischen den Schanz-Schrauben (. Abb. 3.100e), 4 Anzahl der Schanz-Schrauben (. Abb. 3.100f), 4 Entfernung der Schanz-Schrauben vom Frakturbereich (. Abb. 3.100g), 4 Abstand Knochen – Fixateur (. Abb. 3.100h). Ringfixateure besitzen besondere mechanische Eigenschaften. Die relativ dünnen Kirschner-Drähte wirken wie gespannte Seile und lassen eine elastische Bewegung der Knochenfragmente bevorzugt in axialer Richtung zu. Da die Drähte auf beiden Seiten im Ring gefasst sind, ergibt sich eine besondere gleichmäßige Lastverteilung. Dadurch ist meist eine primäre Belastung möglich. Werden die
d . Abb. 3.98 Rohr-/Stabfixateure. a Handgelenk, b Femur, c Sprunggelenküberbrückung, d Humerus-Rohr-/Stabfixateure. (Fa. Synthes)
3
192
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
3
e
. Abb. 3.100 Einfluss der Montageparameter auf die Stabilität der Osteosynthese. (Fa. Synthes)
Schanz-Schrauben jedoch asymmetrisch eingebracht, ist nur eine Teilbelastung empfohlen, da sonst die Biegebelastung des Knochens zu hoch ist. Erst nach konsolidierter Knochenheilung ist eine Vollbelastung möglich.
Material
f
. Abb. 3.98 (Fortsetzung). e Ellbogenüberbrückung, f Becken. (Fa. Synthes)
. Abb. 3.99 Monolateraler Fixateur, Monotube. (Fa. Stryker)
Fixateure bestanden in der Vergangenheit i. d. R. aus Stahl. Zunehmend finden für den Längsträger auch Aluminium und insbesondere kohlefaserverstärkter Kunststoff Verwendung. Die Backen neuerer Systeme sind, um ein MRT zu ermöglichen, aus Titan. kIndikationen
4 Polytrauma: Rasche und sichere Stabilisierung von Extremitäten- und Beckenfrakturen bei Patienten im kritischen Gesamtzustand. Verringerung des Blutverlustes, Verringerung des Ausscheidens von Endotoxinen. 4 Offene Frakturen: Offene Frakturen gelten als potenziell kontaminiert. Verringerung postoperativer Infektionen im Vergleich zu internen Implantaten. 4 Problematische Weichteilverhältnisse: Aufgrund der minimalen zusätzlichen Weichteilschädigung optimales Verfahren bei Frakturen mit problematischen Weichteilverhältnissen. Unter äußerer Stabilisierung kann ein schneller Rückgang der Schwellungszustände beobachtet werden. In der Regel kann nach Erholung der Weichteilverhältnisse sekundär auf eine interne Osteosynthese umgestiegen werden. 4 Osteomyelitis: Im Rahmen der Behandlung von bakteriellen Infektionen des Knochens ist eine vollständige Entfernung des gesamten Fremdkörpermaterials aus dem infizierten Bereich erforderlich. Die Stabilisie-
193 3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
4
4
4
4
4 4 4
rung erfolgt deshalb durch externe Fixateure, welche außerhalb des infizierten Bereiches verankert sind. Arthrodese: Arthrodesen werden sowohl mit internen Implantaten als auch mit Fixateuren durchgeführt. Vorteile des Fixateur externe bestehen darin, eine sehr hohe Stabilität erreichen sowie eine von außen dosierbare Kompression applizieren zu können. Fehlstellungskorrekturen: Diese können mit einem Fixateur sukzessive, d. h. in kleinen Schritten, die über einen Zeitraum von einigen Tagen bis zu mehreren Monaten verteilt werden, durchgeführt werden. Extremitätenverlängerung: Durch sukzessive Kallusdistraktion mit typischerweise 1 mm pro Tag lässt sich die Neubildung von Knochen induzieren (Distraktionsosteogenese nach Ilisarow). Knochendefektrekonstruktion: In gleicher Weise wie bei der Extremitätenverlängerung lässt sich durch Verschiebung eines Segmentes, die durch äußeren Zug erfolgt, eine Knochenrekonstruktion bei langstreckigen Knochendefekten erreichen. Stabilisierung bei Gelenkluxationen: Durch temporäre Stabilisierung mit dem Fixateur externe wird eine Reluxation vermieden. Gelenkmobilisation: Fixateure mit entsprechenden Gelenkmechanismen ermöglichen auch eine Beübung von Gelenken. Repositionshilfen: Durch die temporäre Verwendung von Elementen externer Fixateure erfolgt die Manipulation von Frakturfragmenten im Rahmen interner Osteosynthesen.
kInstrumentarium
4 4 4 4
Grundinstrumentarium, allgemeines Knocheninstrumentarium (7 Abschn. 3.5.1), Bohrmaschine, Standardschrauben und -instrumente (7 Abschn. 3.5.4).
a b 3.101
3.102
3.103
3.104
3.105 . Abb. 3.101 a Stahlrohr und b Kohlefaserstab 11 mm, 100–650 mm. (Fa. Synthes) . Abb. 3.102 Selbstbohrende Schanzschraube (Seldrill) 5 und 6 mm. (Fa. Synthes) . Abb. 3.103 Schanz-Schraube 5 mm mit leicht abgerundeter Dreikantspitze, vorzubohren mit 3,5 mm. (Fa. Synthes) . Abb. 3.104 Steinmann-Nagel mit Dreikantspitze (3,5–5,0 mm Durchmesser, 125–275 mm Länge). (Fa. Synthes) . Abb. 3.105 Steinmann-Nagel mit mittlerem Gewinde. (Fa. Synthes)
4 Backen zur Verbindung Rohr–Rohr, 4 Steinmann-Nägel bei Rahmenmontage sowie zur Querverbindung von Rohren.
kLagerung
kFixateurelemente Ringfixateur
Die Lagerung muss auf einem für die Durchleuchtung der Extremität geeigneten Operationstisch erfolgen. Für die Montage von Ringfixateuren ist auf ausreichende Zugänglichkeit von beiden Seiten zu achten. Am Unterschenkel ist z. B. eine erhöhte Lagerung unter Knie und Ferse vorteilhaft.
. Abb. 3.109.
kAbdeckung
4 Gemäß Abteilungsstandard, 4 freibewegliche Abdeckung des Unterschenkels. kFixateurelemente Rohr-/Stab-/monolaterale (Tube-) Fixateure
4 4 4 4 4 4 4 4 4
. Abb. 3.101 bis . Abb. 3.108.
4 Schanz-Schrauben, 4 Backen zur Verbindung Rohr–Schrauben,
4
Halbringe, Vollringe, 5/8-Ringe, Gewindestangen verschiedener Länge, Schrauben und Muttern, spezielle Schrauben mit Schlitz zum Verankern der Drähte am Ring, Lochlaschen verschiedener Längen ohne und mit endständigem Gewindeansatz, Kirschner-Drähte mit und ohne Stopper (»Oliven«), ggf. Drahtzugseile und Rollen für den Segmenttransport, ggf. Backen zur Montage von Schanz-Schrauben an Lochringen.
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Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
3 3.106
3.107 . Abb. 3.109 Elemente des Ringfixateurs. (Fa. Litos)
4 offener Druckspanner (zum intraoperativen Applizieren von Kompression auf Fraktur/Pseudarthrose/Arthrodese), 4 (intelligenter Fixateur). Einbringen von Schanz-Schrauben
3.108 . Abb. 3.106 Einzel-Pin-Backe; verbindet Schanz-Schraube 4–6 mm mit 11-mm-Stab. (Fa. Synthes) . Abb. 3.107 Kombinationsbacke; verbindet zwei 11-mm-Stäbe oder 4–6 mm Schanz-Schrauben. (Fa. Synthes) . Abb. 3.108 Multi-Pin-Backe (ideal für Einfach- oder Doppelrahmenaufbau); verbindet mindestens zwei Schanz-Schrauben 4–6 mm mit 11-mm-Stab. (Fa. Synthes)
kZusätzliches Instrumentarium . Abb. 3.110 bis . Abb. 3.115.
4 4 4 4 4 4
Bohrmaschine und Bohrer, Gewebeschutzhülse mit Trokar, Drehgriff mit Futter, Schraubenschlüssel, Hammer, Stichskalpell,
7 Stichinzisionen von Haut, Subkutangewebe, ggf. einer Faszie. 7 Spreizen von Muskeln und Faszien mit einer Schere (ausreichend in Längsrichtung), um eine gewisse Beweglichkeit der Muskulatur zuzulassen. 7 Trokar mit Bohrhülse einführen und fest auf den Knochen drücken, Herausziehen des Trokars und Einführen des Bohrers. 7 Bohren, bis die Gegenkortikalis sicher durchbohrt ist. 7 Entfernen der Bohrhülse, wobei die Richtung gemerkt werden sollte. 7 Eindrehen der Schraube, unbedingt sicher durch die Gegenkortikalis! 7 Um die Schrauben dürfen keine Hautspannungen auftreten, ggf. Nachinzision. 7 Das Eindrehen der Schrauben erfolgt i. d. R. mit dem Handgriff. Es kann auch maschinell erfolgen (Cave: Hitzeentwicklung). Der Operateur verspürt beim Durchdringen der Kortikalis eine Kraftzunahme, danach einen leichten Kraftrückgang. Es ist ca. 6 halbe Umdrehungen weiterzudrehen, um ein vollständiges Durchdringen der Kortikalis sicherzustellen.
195 3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
3.113
3.110
3.114
3.111
3.112
. Abb. 3.110 Dreifachtrokar für Stab- oder Rohrfixateur (AO). (Fa. Synthes) . Abb. 3.111 Offener Druckspanner für Stab- oder Rohrfixateur (AO). (Fa. Synthes) . Abb. 3.112 Spiralbohrer 3,5, zweilippig, für Schnellkupplung, Stab- oder Rohrfixateur (AO). (Fa. Synthes)
Für verschiedene Systeme gibt es auch Schrauben, die selbstbohrend und selbstschneidend ausgelegt sind. Hier entfällt der Arbeitsgang des Bohrens (Seldrilschrauben, Fa. Synthes; Apex-Pins, Fa. Stryker). Diese erzeugen durch die Knochenverdrängung zusätzlich eine radiale Vorspannung, sodass hier von den Herstellern empfohlen wird, auf die Verspannung der Schrauben gegeneinander zu verzichten. Ebenso existieren konische Schrauben (können nicht zurückgedreht werden!).
3.115 . Abb. 3.113 Steckschlüssel 11 mm für Stab- oder Rohrfixateur (AO). (Fa. Synthes) . Abb. 3.114 Ringgabelschlüssel 11 mm für Stab- oder Rohrfixateur (AO). (Fa. Synthes) . Abb. 3.115 Universalbohrfutter mit T-Handgriff und Arretierung des Stab- oder Rohrfixateurs (AO); zum Eindrehen von SteinmannNägeln und Schanz-Schrauben. (Fa. Synthes)
7 7 7
7
Rohr- und Stabfixateure, Standardmontage (. Abb. 3.116) 7 Nach Reposition zunächst Einbringen je einer Schanz-Schraube frakturfern proximal und distal. Bei einer Tibiafraktur werden somit zunächst eine Schraube kniegelenknah und eine Schraube sprunggelenknah eingebracht. Diese Schrauben sollten parallel zueinander ausgerichtet sein. 7 Anbringen eines Längsträgers mit 2 Backen (bei Backen, die nicht von seitlich auf das Rohr ge6
7
7 7 7
klemmt werden können, werden hier bereits 4 Backen auf das Rohr geschoben). Fixation des Längsträgers an die 2 Schanz-Schrauben. Aufbringen von 2 Backen frakturnah. Trokar und Bohrhülse werden durch diese Backen gesteckt und durch diese die Löcher für die frakturnahen Schrauben gebohrt, sodann Einbringen der Schrauben und Festziehen der Backen. Verspannung der Schanz-Schrauben an einem Fragment gegeneinander, erhöht die Stabilität. Ggf. kann durch Verspannung der mittleren Schrauben gegeneinander eine Kompression auf die Fraktur bzw. Pseudarthrose oder Arthrodese aufgebracht werden. Verband mit Schlitzkompressen oder speziellen Verbandmaterialien (z. B. Fixclip). Aufsetzen von Schutzkappen, ggf. Kürzen von Schanz-Schrauben mit einem Bolzenschneider. Nach Abschluss der Montage ist es unbedingt erforderlich, alle Schrauben fest nachzuziehen.
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Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
3
. Abb. 3.116 Vorgehen bei der Montage eines unilateralen Klammerfixateurs (Standardmontage). (Fa. Synthes)
Bei verschiedenen Fixateursystemen sind spezielle Kompressionsbacken vorhanden. Diese werden auf den Längsträger neben einer Fixationsbacke befestigt, diese Backen werden gelöst und über eine Stellschraube an der Kompressionsbacke verschoben. Entscheidend ist, dass dabei die Schraubverbindung zur Schanz-Schraube fest angezogen ist.
Rohr-/Stabfixateure, modulare Montage (. Abb. 3.117) 7 Die sog. modulare Montage erlaubt eine bessere Manipulation und Reposition der Knochenfragmente. 7 Einbringen je 2 paralleler Schanz-Schrauben ins proximale, danach in das distale Knochenfragment. 7 Verbinden der Schrauben je Fragment mit einer kurzen Längsstange. 7 Durchführung von Repositionsmanövern und manuelles Halten. 7 Nun wird ein drittes, zusätzliches Längsträgerelement zwischen die beiden vorhandenen Fixateurteile montiert. 7 Dieses wird zunächst locker angebracht, sodass noch eine Repositionskorrektur erfolgen kann. Dann Festziehen der Rohr-Rohr-Verbindungsbacken und somit Erreichen der endgültigen Stabilität.
Monolaterale Fixateure 7 Einbringung einer Schanz-Schraube im proximalen bzw. distalen Fragment. Auf diese wird eine Fixationsbacke des Fixateurs gesteckt. 7 Durch die Backe Einbringen von ein oder zwei (je nach Modell) weiteren Schanz-Schrauben. 7 Gleiches Vorgehen am anderen Fragment. 7 Bei noch lockeren Gelenken des Fixateurs erfolgt nun die Reposition. 7 Befestigen der Kugelgelenke zwischen Fixationsbacken und Body des Fixateurs. 7 Ggf. Blockierung der axialen Bewegung.
Ringfixateur, Einbringen der Kirschner-Drähte Das Einbringen der Kirschner-Drähte, je nach erforderlicher Montage mit oder ohne Olive, erfolgt, indem der in die Bohrmaschine eingespannte Draht mit einer feuchten Kompresse hautnah gehalten und mit einem kurzen Ruck auf den Knochen eingestochen wird. Bei sicherem Knochenkontakt wird der Draht mit seiner angeschliffenen Spitze durch den Knochen gebohrt. Es ist eine langsame Drehgeschwindigkeit zu bevorzugen. Genügend Pausen, ggf. Kühlung des Drahtes mit Wasserspülung, um eine Nekrose zu vermeiden. Nach Durchbohren der zweiten Kortikalis wird der Bohrvorgang gestoppt und der Draht mit einem Hammer weitertransportiert. Nach Erreichen der Haut wird diese über dem Draht inzidiert und der Draht mit einer Zange herausgezogen oder mit dem Hammer weiter transportiert.
197 3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
a
b
c
d
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. Abb. 3.117 Vorgehen bei der sog. modularen Montage, die die Reposition vereinfacht. (Fa. Synthes)
Fehler und Komplikationen Ringfixateur, Montage 7 Einbringen je eines Kirschner-Drahtes proximal und distal der Fraktur/Pseudarthrose/Osteotomiebereich, frakturfern. Die Kirschner-Drähte sollen parallel zueinander und senkrecht zur Knochenachse eingebracht werden (sog. Orientierungsdrähte). 7 Anpassen und Wahl der Ringgröße. Achtung: genügender Ringdurchmesser wegen postoperativer Schwellung und Verband! Am Unterschenkel ist zu beachten, dass die Weichteile dorsal liegen. 7 Anbringen des aus Ringen und Gewindestangen zusammengesetzten Fixateurs (ggf. im Rahmen der Planung vormontiert, ggf. einseitig verbundene Halbringe, sodass der Fixateur um die Extremität geklappt werden kann, dann Verschrauben der Gegenseite). 7 Einbringen der weiteren Drähte in allen Ringebenen. In der Regel werden im Schaftbereich 2, gelenknah 3 Drähte verwendet. 7 Spannen der Drähte. Dazu die Drahtbefestigungsschraube einseitig anziehen. Eine Spannzange wird angebracht. Nach Spannen des Drahtes wird die Schraube der anderen Seite festgezogen. 7 Nach Abschluss der Montage ist es unbedingt erforderlich, alle Schrauben fest nachzuziehen. 7 Im Anschluss an die Fixateurmontage erfolgt bei Durchführung von Korrekturen oder Verlängerungen die Osteotomie
Zu geringe Stabilität Eine instabile Fixateurmontage kann zu einer deutlichen Verzögerung der Knochenheilung führen und ist unbedingt zu vermeiden (. Abb. 3.118a). Mangelnde Reposition Da die Reposition mit dem Fixa-
teur externe ohne direkten Sichtkontakt geschieht, kann eine Reposition schwierig sein. Dennoch sollte eine optimale Reposition angestrebt werden, da große Frakturspaltweiten eine der Ursachen für die bei Fixateur-externe-Behandlungen beobachteten langen Frakturheilungszeiten sind. Gelenkperforation Schanz-Schrauben oder Kirschner-
Drähte in Gelenknähe sind so zu platzieren, dass das Gelenk nicht tangiert wird, da hierdurch die große Gefahr eines Gelenkinfektes resultiert. Gefäß- und Nervenverletzung Gefäß- und Nervenverlet-
zungen lassen sich durch Beachtung von anatomischen Verhältnissen (sog. »safe zones«, s. Lehrbücher über Anatomie der Querschnitte der Extremitäten) vermeiden. Ungünstige Weichteilbewegung Probleme der Weichteil-
irritation durch Schanz-Schrauben/Kirschner-Drähte sind bei Fixateurbehandlungen nicht immer zu vermeiden. Sie lassen sich jedoch vermindern, indem genügend lange Inzisionen durchgeführt werden und die Richtung von Muskel-/Sehnenverläufen beachtet wird.
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Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
Dynamisierung (Ermöglichen von Axialbewegungen im späteren Heilungsverlauf)
3 a
b . Abb. 3.118 Fehler beim Einbringen von Schanz-Schrauben. a Zu kurzes Eindrehen: Stabilitätsverlust der Gegenkortikalis. b Überhitzung: Stabilitätsverlust durch zirkuläre Nekrosen
a
4 Zunehmende Lastübertragung auf den Kallus führt zu schnellerer Heilung. 4 Verkleinern des Frakturspaltes, dadurch zusätzliche Stabilisierung. 4 Typischer Zeitpunkt ca. 4 Wochen postoperativ. 4 Dynamisierung erfolgt beim monolateralen (»Tube«) Fixateur durch Lösen einer entsprechenden Blockierungsschraube, beim Rohrfixateur durch partielles Lösen von Backen. Dabei müssen die Längsträger exakt parallel zum Knochen ausgerichtet sein.
Verfahrenswechsel 4 Typischerweise bei Polytraumapatienten nach initialer Fixateuranlage bis zur Stabilisierung des Gesamtzustands oder nach Fixateuranlage wegen einer starken Weichteilschädigung/-schwellung. 4 Einzeitiger Umstieg nach maximal 1–2 Wochen möglich. 4 Umstieg auf Nagel, Plattenosteosynthese oder Fixateur-interne-Osteosynthese. 4 Umstieg nach Ablauf von 1–2 Wochen erfolgt zweizeitig: zunächst Fixateurentfernung, Gipsanlage, nach Abheilung der Pineintrittstellen interne Osteosynthese.
Weiterentwicklungen von Fixateur-externe-Systemen
b . Abb. 3.119 Spezielle Weiterentwicklung: Bewegungsfixateur zur Mobilisation von Gelenken
Pinlockerung Die Lockerungen sind nicht selten Folge von Hitzenekrosen beim Einbringen! Gelockerte Pins müssen entfernt werden, ggf. durch neue Pins in anderer Lokalisation ersetzt werden (. Abb. 3.118b). Pininfektion Pininfektionen können Folge ungenügender Inzision, aber auch ungenügender Pflege bei entsprechenden ungünstigen Ausgangssituationen sein. Bei Osteitis und langer Liegedauer sind Pininfektionen auch bei guter Pflege nicht immer zu vermeiden. Die Behandlung der Pininfektion erfolgt in Abhängigkeit vom Schweregrad durch Inzision, Antibiotikagabe oder Pinwechsel.
4 Material, z. B. Keramik oder Silberbeschichtung der Pins. 4 Bewegungsfixateur (. Abb. 3.119): Hier wird in der Position einer Gelenkachse ein Scharniergelenk in den Fixateur integriert, sodass trotz Stabilisierung der Frakturen eine Gelenkversteifung vermieden werden kann. 4 Navigierter Fixateur: Kombination eines Fixateurs mit Navigationssystem. 4 Hexapod-Fixateur/intelligenter Fixateur (. Abb. 3.120): Der Hexapod bietet die Möglichkeit von sukzessiven dreidimensionalen Korrekturen oder Frakturrepositionen durch Einstellung an 6 Einstellelementen. Einstellungen müssen mit einer Computersoftware berechnet werden. Neuere Weiterentwicklungen des Hexapod-Fixateurs betreffen die Integration von Motoren und Sensoren.
Materialentfernung 4 Erfolgt ohne Betäubung in Lokalanästhesie oder bei multiplen Pins in Narkose. 4 Bei gelockerten Pins Kürettage der Bohrlöcher in Narkose erforderlich. 4 Bei unsicherer knöcherner Konsolidierung kann vor der Metallentfernung eine probeweise Belastung nach
199 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
b
a
. Abb. 3.120a, b Spezielle Weiterentwicklung: Computergestützter Hexapod-Fixateur
Lockerung oder Entfernung von Längsträgern erfolgen. Bei Beschwerden ggf. erneute Stabilisierung an den noch vorhandenen Schrauben. 4 Nach Entfernung des Materials ist die Kontrolle der infektfreien Heilung der Pineintrittsstellen wichtig. 4 Nach Metallentfernung typischerweise vorübergehendes Anlegen eines Gipses, bei unsicherer Heilungssituation auch eines Gehapparates für 4–6 Wochen bzw. bis zum endgültigen knöchernen Durchbau.
3.6
Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte R. Döhler, A. Gudat, S. Mein
3.6.1
Wirbelsäule
Je nach Richtung und Stärke der eingeleiteten Kraft während eines Unfalls resultieren verschiedenartige Verletzungsmuster, mit der die Quantität und Qualität der neurologischen Ausfälle einhergeht. Bei Längsstauchung der Wirbelsäule (z. B. Sturz auf das Gesäß) kommt es zu Kompressionsfrakturen und damit zu einer Instabilität in eine Richtung (nur nach vorn). Bei starker Flexion oder Extension (z. B. Beschleunigungstrauma) kommt es zur Zerreißung von Ligamenten und der Bandscheibe, evtl. begleitet von einer Fraktur, und damit zur Instabilität in 2 Richtungen (nach vorn und hinten). Bei Rasanztraumata kann eine völlige Zerstörung des Wirbelsegments (Bandscheibe, Bänder,
. Abb. 3.121 Schema Berstungsfraktur mit Hinterkantenbeteiligung
Wirbelkörper und -gelenke) vorliegen. Es resultiert eine multidirektionale Instabilität, das Segment ist nach allen Richtungen beweglich. Die am häufigsten vorkommenden Frakturen sind Berstungsbrüche mit Beteiligung der Hinterkante des BWK 12 und LWK 1 (. Abb. 3.121 und . Abb. 3.122). Wegen der hohen Flexibilität der Halswirbelsäule finden wir hier meist eine Zerreißung der Ligamente und der Bandscheibe, eine sog. diskoligamentäre Instabilität. Nicht nur Frakturen, auch Tumoren oder Entzündungen können eine Instabilität oder Defekte bewirken (7 Kap.10).
3
200
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
3
. Abb. 3.122 Knochenaufbau
. Abb. 3.123 Mechanismus WS-Fixateur
Behandlung Eine absolute Indikation zur operativen Versorgung liegt vor bei Auftreten neurologischer Ausfälle nach einem freien Intervall, Progredienz von Lähmungserscheinungen, bei hochgradigen Instabilitäten und offenen Verletzungen. Eine relative Indikation liegt vor bei inkomplettem Querschnittsyndrom, bei Nervenwurzelläsion, bei einer Kompressionsfaktur mit einem Gibbus-, also Keilwirbelwinkel >15–20°, und zur besseren Pflege und Rehabilitation. Selbst bei Patienten mit kompletter Lähmung ist eine
Stabilisierung angezeigt, da z. B. eine starke Abknickung der Wirbelsäule die Rollstuhlfähigkeit erheblich reduziert. Therapieziele bei einer WS-Verletzung, Tumorbefall oder entzündungsbedingter Zerstörung sind die Wiederherstellung der anatomischen Konfiguration, die Dekompression des Spinalkanals, um das Rückenmark zu entlasten, und die Stabilisierung – evtl. Fusion – der Wirbelsäule (»aus 2 Wirbelkörpern wird einer gemacht«). Allein durch Lagerung lässt sich bei frischen Frakturen eine gewisse Reposition erzielen, komplettiert wird sie i. d. R. durch einen WS-Fixateur. Hierzu werden über einen dorsalen Zugang Schrauben in die Bogenwurzeln (= Pedikel) des darüber und darunter liegenden Wirbels unter Bildwandlerkontrolle eingebracht. Die lateral liegenden Schauben werden mit einem Stangen-/Backensystem verbunden. Den meisten Fixateuren ist eine Repositionsmöglichkeit eigen. Der hier verwandte Fixateur hat einen intelligenten Mechanismus, über den die in den Pedikel gedrehte Schraube lordosierend oder kyphosierend bewegt wird und damit die Fragmente reponiert werden können (. Abb. 3.123 und . Abb. 3.124). Verlängerungshebel helfen zusätzlich (. Abb. 3.125). Bei Frakturen wird die Dekompression in erster Linie über Ligamentotaxis durchgeführt. Dabei wird das hintere Längsband durch die Lordose gestrafft und die Knochenfragmente in den Wirbelkörper zurückgedrückt. Gelingt dies nicht oder liegt ein Tumor oder eine entzündungsbedingte Myelonkompression vor, muss über ein Fenster, eine (Hemi- oder komplette) Laminektomie (7 Kap.10) oder gar Wirbelkörperentfernung das Rückenmark entlastet werden. Zur Stabilisierung bietet sich die am meisten durchgeführte alleinige dorsale (Stangen-/Stabsystem), aber auch ventrale (Plattensystem) Instrumentierung an. Liegt eine höhergradige Zerstörung des Wirbelkörpers – sei es aufgrund einer Fraktur, eines Tumors oder einer Entzündung – vor, ist eine Fusion anzustreben. Die zerstörte Bandscheibe, ein Teil oder der ganze Wirbelkörper werden entfernt und durch einen Knochenspan oder metallischen/carbonhaltigen Wirbelkörperersatz (= Spacer, Cage; . Abb. 3.126) ersetzt. Je nach betroffener Höhe wird der Zugang zum Wirbelkörper/Bandscheibe gewählt; im HWS-Bereich ausschließlich von vorn, im thorakalen und lumbalen Bereich von dorsolateral oder dorsal (z. B. ALIF = »anterior lumbal interbody fusion«, PLIF = »posterior lumbal interbody fusion«; d. h. vordere bzw. hintere Fusion der Lendenwirbelkörper). Je größer das Implantat, desto eher muss der Zugang von ventral gewählt werden. Der knöcherne Anteil der Wirbelsäule, der Wirbelkörper, verhält sich wie jeder andere Knochen auch. Nach Reposition bedarf er einer Stabilisierung und Entlastung, um das Repositionsergebnis zu halten. Für die Ausheilung reichen 9–12 Monate aus.
201 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
. Abb. 3.124 Reco-Fixateur. (Fa. Depuy Spine)
. Abb. 3.125 Reposition WS-Fraktur
. Abb. 3.126 Spacer und dorsale Spondylodese
. Abb. 3.127 Zementschrauben
Bei schlechter Knochenqualität aufgrund von Osteoporose, Tumor oder Entzündung sind der Stabilisierung Grenzen gesetzt. Einigermaßen belastungsfähige Stabilisierungen lassen sich durch Einzementieren der Schrauben erreichen (durch Perforationen in den Schrauben wird Knochenzement in den WK gespritzt (. Abb. 3.127) und/ oder durch eine Verlängerung der dorsalen Instrumentierung (2 Wirbelkörper ober- und unterhalb).
Bei osteoporotischen Frakturen haben sich als weitere Verfahren die Vertebro- und die Kyphoplastie durchgesetzt. Hier wird perkutan durch über die Pedikel eingeführte Kanülen mit (= Kyphoplastie) oder ohne Aufdehnung (= Vertebroplastie) des Wirbelkörpers Zement direkt in den Wirbelkörper eingespritzt. Die Stabilisierung erfolgt somit von innen (7 Kap. 10).
3
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Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
kIndikationen
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4 Auftreten neurologischer Ausfälle nach einem freien Intervall, 4 Progredienz von Lähmungserscheinungen, 4 Hochgradige Instabilität, 4 offene Verletzungen, 4 inkomplettes Querschnittsyndrom, 4 Nervenwurzelläsion, 4 Kompressionsfaktur mit einem Gibbuswinkel >15–20°, 4 zur besseren Pflege und Rehabilitation. kPrinzip
4 Bei Frakturen werden die intakten Nachbarwirbel mit Schrauben besetzt. 4 Bei Wirbelkörperdefekten werden diese mit einem Knochenspan, Spongiosa (entnommen aus dem Beckenkamm) oder metallischen/carbonhaltigen Ersatz aufgefüllt. 4 Der Standardzugang ist der dorsale, allerdings ist auch der dorsolaterale oder ventrale Zugang (HWS) möglich. 4 Seitliche Bildwandlerkontrolle während der Operation. kLagerung
4 Normalerweise Bauchlage auf einem geraden Durchleuchtungstisch (Cave: OP-Säule und zu operierende Höhe). 4 Eine Unterpolsterung im Thorax- und Beckenbereich unterstützt die LWS-Lordose. Cave: Polster sollten unter dem Apex des Thorax zu liegen kommen, da ansonsten Beatmungsprobleme auftreten können; außerdem Polster in Höhe der Beckenkämme, da die Gefahr des Nervenschadens (N. femoralis) oder der Gefäßabklemmung besteht. 4 Bei HWS-Eingriffen ist eine spezielle Kopfstütze oder eine Dreipunkthalterung nach Mayfield (7 Kap. 10) hilfreich. 4 Gute Polsterung von Brust, Becken und Unterschenkel (z. B. Gelkissen, luftgefüllte Rolle Unterschenkel) sowie der Arme auf Auslegern, u. a. unter Beachtung der Schultergelenke, N. ulnaris. 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. 4 Bildwandler und Strahlenschutz (7 Abschn. 3.4.2). kAbdeckung
Eine standardisierte Abdeckung ist wichtig. Zu beachten ist, dass der Bildwandler intraoperativ mehrfach neu positioniert werden muss. kInstrumentarium
4 Spezialinstrumente und Implantate (s. unten), 4 Grundinstrumentarium, 4 evtl. neurochirurgisches Instrumentarium (Laminektomie; 7 Abschn. 10.2.3),
4 Spongiosa-/Spanentnahmeinstrumentarium, 4 Bolzenschneider, 4 Wirbelsäulenwundspreizer, z. B. nach Caspar (. Abb. 3.128).
Fixateur interne 7 Vor der Desinfektion und der Abdeckung muss mit dem Bildwandler die betroffene Höhe markiert werden, alternativ der Bildwandler für die seitliche Projektion in Position gebracht werden. 7 Hautschnitt mit dem elektrischen oder Stahlmesser längs über den entsprechenden Dornfortsätzen. Darstellung der Intervertebralgelenke durch Abschieben der Muskulatur mit dem Raspatorium/ breiten Meißel, alternativ perkutanes Vorgehen (Haut- und Faszienschnitt etwas lateral der Pedikel). 7 Unter Bildwandlerkontrolle werden die Pedikel mit speziellen Instrumenten eröffnet: In den verschiedenen Fixateursystemen sind sie etwas unterschiedlich gestaltet. Der Kanal wird entsprechend dem Pedikelverlauf, also schräg zur Mitte, stumpf erweitert und ausgetastet. Dann werden die Schrauben gesetzt. Sie dürfen nicht zu lang sein, um nicht die Vorderwand des Wirbelkörpers zu durchdringen, weil dabei die Aorta verletzt werden kann. 7 Bei der Versorgung von Frakturen sollte bereits die Lagerung zu einer gewissen Reposition geführt haben. Die Feineinstellung der Reposition lässt sich mit Lordosierungszangen/-mechanismen des Fixateurs oder Verlängerungshebeln auf den Pedikelschrauben bewerkstelligen. 7 Direktes Einbringen der Stangen in die Backen; beim perkutanen Vorgehen werden die Stangen u. U. mit speziellen Führungsinstrumenten durch die Muskulatur geschoben und in die Backen eingebracht. 7 Beide Längsstangen können über Querstangen und Backen miteinander verbunden werden. 7 Wird eine Fusion angestrebt bzw. ist ein Defekt aufzufüllen, kann über einen dorsolateralen Zugang, angefangen von der Größe eines Fensters (ca. 1 × 1 cm) bis zur kompletten Resektion des Facettengelenkes und Querfortsatzes, ein Spongiosaspan oder Cage ventral positioniert werden. 7 Zählen der Instrumente sowie OP-Textilien und Dokumentation der Vollzähligkeit. 7 Im Bedarfsfall Einlage von Redon-Drainagen. 7 Schichtweiser Wundverschluss. 7 Postoperativ Gangschulung in aktiver Lordose unter Vollbelastung möglich.
203 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
3.6.2
Becken
Frakturen Die Einteilung von Beckenfrakturen ist schwierig und umstritten. Entscheidend ist die Frage, ob das Azetabulum, die Pfanne des Hüftgelenks, beteiligt ist. Wenn der Pfannenboden nach innen gedrückt ist, muss er durch einen aufwändigen ileoinguinalen Zugang (in Rückenlage) reponiert und fixiert werden. Dafür eignen sich spezielle Rekonstruktionsplatten (Fa. Synthes) und perlschnurartige Titanbänder (Fa. DePuy). Den Mitarbeitern im Funktionsdienst werden dabei besondere Kenntnisse abverlangt, denn es wird nicht nur allgemeines und spezielles Knocheninstrumentarium, sondern auch Instrumentarium aus der Bauch- und Gefäßchirurgie benötigt. Hintere Pfeilerfrakturen lassen sich in Seitenlage meist gut reponieren und mit einer zurechtgebogenen Platte fixieren.
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Symphysensprengungen Weite Sprengungen und solche mit Frakturen anderer Beckenteile sollten offen reponiert und fixiert werden. Es werden große, für die Harnblase schräge Bauchhaken, Hohmann-Hebel und Roux-Haken für die Rektusmuskeln eingesetzt. Spongiosaschrauben halten im Schambein besser als Kortikalisschrauben. Man kann zwei Spongiosaschrauben mit Unterlegscheiben an den Symphysenrändern einbringen und mit einer dicken (doppelt gelegten) Cerclage zusammenziehen. Platten brauchen mehr Platz und lassen sich nur schwer unterbringen, wenn die Rektusmuskeln nicht abgelöst werden.
Sakrumfrakturen und ISG-Luxationen Brüche von lumbalen Querfortsätzen können auf Sakrumfrakturen oder gesprengte Kreuz-Darmbein-Fugen (ISG) hinweisen. Das CT zeigt die Schwere solcher Verletzungen. Sie können von vorn (in Rückenlage) reponiert und mit kurzen Platten fixiert werden. Zur Stabilisierung genügen manchmal lange kanülierte Spongiosaschrauben mit kurzem Gewinde und Unterlegscheiben. Der Eingriff ist ebenfalls in Rückenlage möglich, bedeutet aber eine hohe Strahlenbelastung bei der Durchleuchtung und das Risiko von Nervenschäden. Die Lagebeurteilung der Führungsdrähte mit dem Bildwandler ist schwierig und verlangt Durchleuchtungstische, die weit nach unten gezogen werden können. Erfahrene Beckenchirurgen empfehlen deshalb die offene Verschraubung. Wenn beide Ileosakralgelenke gesprengt sind, ist die ileoiliakale Plattenosteosynthese ein einfacher, schneller und zuverlässiger Eingriff. Es wird dafür eine schmale 12Loch-DC-Platte benötigt, deren Enden mit drei Löchern auf etwa 70° abgebogen werden. Durch zwei schräge Zu-
b . Abb. 3.128a, b Casparspreitzer (b in situ)
gänge über den hinteren Darmbeinkämmen wird die Platte unter der Muskulatur eingeschoben und mit Spongiosaschrauben an den Seiten festgesetzt.
Entnahme autologer Spongiosa Die Spongiosa wird im Vergleich zur Kortikalis schneller revaskularisiert und hat eine wesentlich höhere Umbaurate. Sie kann deshalb auch im Infekt heilen, wird aber in den meisten Kliniken erst nach Beruhigung (»Sanierung«) des Infektes eingebracht. kIndikation
4 Unterfütterung und Auffüllen von Defekten der gelenknahen Spongiosa, z. B. bei Impressionsfrakturen mit Spongiosastückchen. 4 Bei kortikalen Defekten, z. B. bei Trümmerbrüchen mit Chips oder Keilen. 4 Zur Aktivierung bei verzögerter Knochenheilung. Dabei wird zusätzlich zur Spongiosaanlage eine sog. Dekortikation vorgenommen. 4 Vordere und hintere Fusionsoperation (Verblockung) der Wirbelsäule, z. B. bei der Operation nach Cloward mit einem Knochendübel.
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Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
a
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5 Hohmann-Hebel, 5 Hammer, 5 Stößel für die spätere Spongiosaimplantation (. Abb. 3.129), 4 oszillierende Säge für Blöcke und Keile. kLagerung
b
c . Abb. 3.129 Spongiosastößel. a Griff mit Schnellverschluss. b Spongiosastößel, 6 mm, gebogen. c Spongiosastößel, 8 mm, rund. (Fa. Synthes)
4 Die Entnahme am vorderen Beckenkamm erfolgt in Rückenlage auf einem geraden OP-Tisch mit Unterpolsterung des Beckens. 4 Die Entnahme vom hinteren Beckenkamm erfolgt in Bauchlage. 4 Gute Abpolsterung im Brust-, Becken- und Unterschenkelbereich sowie der Arme, die auf Auslegern fixiert werden. 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. kAbdeckung
4 Gemäß Abteilungsstandard. 4 Beckenkamm möglichst weit nach hinten – lateral – freilassen, weil vorn der N. cutaneus femoris lateralis zum Oberschenkel zieht.
Spongiosaentnahme vom vorderen Beckenkamm
. Abb. 3.130 Spongiosaentnahme aus dem vorderen Beckenkamm mit scharfem Löffel
kEntnahmestellen
4 Größtes Reservoir sind die vorderen und hinteren Beckenkämme. 4 Trochantermassiv. 4 Tibiakopf, z. B. für die distale Tibia und den Fuß. 4 Distale Tibia für die Knöchel und den Talus. 4 Lateraler Humerusepikondylus für Defekte am Radiusköpfchen. kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium, 4 Knochengrundinstrumentarium: 5 Raspatorium, 5 scharfe Löffel, 5 Hohl-, Flachmeißel,
7 Der Hautschnitt verläuft über dem vorderen Darmbeinkamm, aber nicht über die Spina iliaca anterior superior hinaus wegen der Gefahr der Nervenverletzung. Nach stumpfem Abschieben der Muskulatur wird der Beckenkamm freigelegt. 7 Einsetzen von Hohmann-Hebeln o. Ä. 7 Zunächst wird mit einem schmalen (quer), dann mit einem breiten geraden Meißel (längs) ein rechteckiger Knochendeckel aus der Crista iliaca ausgemeißelt, der aber auf der medialen Seite durch das Periost festgehalten wird. 7 Mit scharfen Löffeln und Hohlmeißeln kann nun die Spongiosa aus dem Darmbein entnommen werden (. Abb. 3.130). Das entnommene Material wird in einem geschlossenen Gefäß trocken gelagert. 7 Ein kortikospongiöser Span wird vom medialen Rand der Crista iliaca entnommen. Die Muskulatur wird von der Innenseite der Beckenschaufel abgeschoben. Der Span wird so abgemeißelt, dass die äußere Kortikalis des Beckenkamms intakt bleibt. Die Keilentnahme ist unter Verwendung einer oszillierenden Säge möglich. 7 Es erfolgt die Blutstillung mit Einlage eines Hämostyptikums. Der Knochendeckel wird zurückgeklappt und mit resorbierbaren Periostnähten angeheftet. 7 Einlegen einer dicken Redon-Drainage, schichtweiser Wundverschluss.
205 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
> Bei der Entnahme von Spongiosa aus dem hinteren Beckenkamm besteht die Gefahr der Verletzung des Iliosakralgelenkes!
Zuggurtung
Zu unterscheiden sind 4 Knöcherne Verletzungen des Schultergelenkes: Frakturen des Schlüsselbeins und des Schulterblattes einerseits und des Humeruskopfes andererseits. 4 Weichteilverletzungen: Sprengungen des Akromioklavikulargelenkes (ACG), Risse der Rotatorenmanschette und Luxationen des Humeruskopfes.
Aus der Kombination von Drähten und Cerclagen entsteht die Zuggurtung (7 Abschn. 3.5.3). Das Prinzip ähnelt einem Baukran, dessen Mast die Last des Auslegers nur deshalb tragen kann, weil gegenseitige Seile die Zugkräfte des hinteren Auslegerendes aufnehmen. Bei der Zuggurtung wird der gebrochene oder osteotomierte Knochen mit Kirschner-Drähten in der richtigen Stellung gehalten. Der Zuggurtungseffekt entsteht durch einen Cerclagedraht, der um die freien Drahtenden herumgeführt und jenseits der Fraktur oder Osteotomie fixiert wird (7 Abschn. 3.6.4). Häufig angewendet wird sie beim gesprengten Akromioklavikulargelenk, beim Bruch des Olekranons und der Kniescheibe und am oberen Femurende (Trochanter major).
Klavikulafrakturen
kInstrumentarium
Die meisten Klavikulafrakturen heilen nach konservativer Behandlung mit einem Rucksackverband aus. Allerdings resultieren oft eine Hautprominenz über der geheilten Fraktur und eine seitendifferente (verschmälerte) Schulterkulisse. Deshalb neigen manche Chirurgen zur primären Reposition und Osteosynthese mit Platten oder einem Prévôt-Nagel. Bei Pseudarthrosen und verkürzten und schmerzhaften Fehlstellungen sind die offene Reposition und Osteosynthese nötig. Dafür eignen sich (winkelstabile) Rekonstruktionsplatten und vorgeformte Titanplatten (Mayo).
4 Grundinstrumentarium, 4 allgemeines Knocheninstrumentarium (7 Abschn. 3.5.1), 4 Zweispitzenrepositionszange (. Abb. 3.20) oder Kugelspieß, 4 Drahtinstrumentarium.
3.6.3
Schulter
Skapulafrakturen Auch die Skapulafrakturen heilen in aller Regel folgenlos aus. Die eher seltenen Trümmerfrakturen der Gelenkpfanne vom Schulterblatt müssen zur Wiederherstellung der Gelenkfläche (Fossa glenoidalis) operativ rekonstruiert werden.
Sprengung des Akromioklavikulargelenkes Diese Verletzungen bedeuten eine Schädigung des KapselBand-Apparates am lateralen Ende der Klavikula, am Akromion und am Processus coracoideus. Je nach ihrem Schweregrad und dem Ausmaß der Instabilität werden diese Verletzungen meist nach Tossy (Grad 1–3) eingeteilt. Nicht jedes »Klaviertastenphänomen« muss operiert werden. Wenn das laterale Klavikulaende um mindestens Schaftbreite oberhalb des Akromions steht, ist die operative Stabilisierung sinnvoll durch: 4 temporäre Arthrodese mit Zuggurtung (7 Abschn. 3.5.3), 4 Hakenplatte (Wolter, Balser), 4 Naht der Bänder und PDS-Kordel-Verstärkung, 4 Verschraubung nach Bosworth (Spongiosaschraube durch die Klavikula in das Korakoid) und Bandnaht.
kLagerung
4 Rückenlage auf einem Durchleuchtungstisch oder halbsitzende Lagerung (Beach-chair-Position: das Beinteil ist abgeklappt, der Tisch nach hinten gekippt und der Oberkörper angehoben; 7 Kap. 9). 4 Leichte Erhöhung der betroffenen Schulter. 4 Leichte Reklination und Seitdrehung des Kopfes. 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. 4 Bildwandler und Strahlenschutz (7 Abschn. 3.4.2). kAbdeckung
4 Nach Abteilungsstandard. 4 Die Schulter weit nach hinten freilassen und den betroffenen Arm steril wickeln.
Zuggurtung bei Sprengung des Akromioklavikulargelenkes 7 Hautschnitt: S-förmig über Akromion und Klavikula. Freipräparieren bis zum Gelenk und Darstellung der Stümpfe des Lig. coracoclaviculare. Vorlegen von U-Nähten (Material z. B. Polydioxanon, monofil, resorbierbar), die noch nicht geknotet werden. 7 Eingeschlagene Kapselreste werden aus dem Gelenkspalt entfernt. 7 Mit dem 2-mm-Bohrer wird ein queres Loch durch die Klavikula gebohrt; Durchfädeln des Cerclagedrahtes. 6
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Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
7 Reposition der Klavikula (z. B. mit Kugelspieß). 7 Einbohren eines dicken (2 mm) Kirschner-Drahtes vom Akromion in die Klavikula. Darum wird eine Achtertour mit dem Cerclagedraht gelegt. 7 Mit einem Drahtspanngerät oder einer Zange den Cerclagedraht anziehen. 7 Die Cerclageenden und Kirschner-Drähte werden mit dem Seitenschneider gekürzt und mit der Spitzzange umgebogen. Die Drahtenden werden dem Knochen angelegt. 7 Nun Knüpfen der zuvor gelegten korakoklavikularen U-Nähte. 7 Naht der Gelenkkapsel, Einlegen einer RedonDrainage, schichtweiser Wundverschluss, Anlegen einer Gilchrist-Bandage (. Abb. 3.131).
schmaler Hohmann-Hebel wird unter das Akromion geführt und am dorsalen Rand verhakt. In ca. 45° zu diesem Hohmann-Hebel werden mit einem geraden Meißel das vordere äußere Eck und die vordere Kante des Akromions nach dorsal abgemeißelt (Akromioplastik). 7 Jetzt wird die Rotatorenmanschette dargestellt, mit einer Haltenaht gefasst und sowohl unter- als auch oberhalb der Manschette weit nach dorsal, teils stumpf, teils scharf, mobilisiert. Lässt sich die Sehne gut bis zum Tuberculum majus verlagern, wird oberhalb des Tuberkels eine Knochennut von ca. 2 cm Länge, 3 mm Breite und 5 mm Tiefe gefräst. In diese Knochennut können Fadenanker (. Abb. 3.201) implantiert werden. Mit den an diesen Ankern angehefteten Fäden wird die angefrischte Rotatorenmanschette gefasst und in die Knochennut gezogen. 7 Nach Einlage einer Redon-Drainage wird die Bursa subacromialis genäht, der Deltoideus am Akromion refixiert und die Hautwunde verschlossen.
Risse der Rotatorenmanschette Risse der Rotatorenmanschette betreffen, wie die meisten Sehnenschäden, degenerativ vorgeschädigtes Gewebe. Bei Schmerzen und Funktionsverlusten (kraftlose Abduktion und Außenrotation des Armes) sollten sie auch bei älteren Patienten refixiert werden. Der Nachweis von Rissen der Rotatorenmanschette gelingt durch die klinische Untersuchung, eine Ultraschalluntersuchung oder eine Kernspintomographie.
Bei älteren Patienten mit noch guter aktiver Beweglichkeit der Schulter genügt oft eine arthroskopische Erweiterung des subakromialen Raums.
kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium, 4 allgemeines Knocheninstrumentarium, 4 Bohrmaschine mit Fräsen. kLagerung
4 Halbsitzende Position (Beach-chair-Position). 4 Anbringen der Neutralelektrode nach Vorschrift. kAbdeckung
4 Nach Abteilungsstandard. 4 Den Arm der betroffenen Seite steril wickeln. Refixation der Rotorenmanschette 7 Nach Hautdesinfektion und sterilem Abdecken wird ein ca. 6 cm langer Hautschnitt vom Vorderrand des vorderen lateralen Akromionecks nach distal geführt. 7 Stumpfes Auseinanderdrängen der Deltoideusmuskulatur; ca. 1 cm des Deltoideusansatzes am vorderen äußeren Akromioneck wird abgelöst. Längsspaltung der Bursa subacromialis. Ein 6
Arthroskopische subakromiale Dekompression (ASD) kInstrumentarium
4 4 4 4 4
Wenig Grundinstrumentarium (Stichskalpell), arthroskopisches Spezialinstrumentarium, Kamerabezug, Spül-, Saugsystem, Überprüfung der Geräte auf Funktionstüchtigkeit: Kaltlichtquelle, Videoanlage, Spülsystem, Shaver etc.
kLagerung
4 Der Patient befindet sich in Seitenlage oder in der Beach-chair-Position (Strandstuhlhaltung). 4 Die zu operierende Schulter muss gut freiliegen. 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. kAbdeckung
4 Nach Abteilungsstandard. 4 Den Arm der betroffenen Seite steril wickeln.
207 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
ASD-Operation 7 Nach Desinfektion und sterilem Abdecken erfolgt ca. fingerbreit unterhalb und medial des hinteren äußeren Akromionecks die Hautinzision, über die das Arthroskop zunächst in das Schultergelenk und nach dessen Inspektion in den Subakromialraum vorgeschoben wird. 7 Etwa 3–4 cm ventral des vorderen äußeren Akromionecks wird eine zweite Hautinzision gesetzt, über die mit dem Tasthaken das vordere äußere Akromioneck lokalisiert wird. Über diesen Zugang wird ein rotierendes Messer nach ausgiebiger Kauterisation (Synovialisresektor) in das Gelenk eingeführt, mit dem die Unterfläche des Akromions von Bindegewebe gereinigt wird. 7 Nach Darstellung des Knochens wird der Synovialisresektor gegen einen »acromionizer« (rotierende Walzenfräse) ausgetauscht, mit dem die vordere äußere Unterseite des Akromions abgeschrägt wird. 7 Nachdem über den Arthroskopieschaft eine Drainage in den Subakromialraum eingeführt worden ist, können die Stichinzisionen vernäht werden.
Schulterluxationen Nach ihrer Entstehung können sie in 5 Formen eingeteilt werden: 4 habituelle Luxationen aufgrund konstitutioneller Faktoren, 4 verletzungsbedingte Luxationen, 4 rezidivierte Luxation nach einer verletzungsbedingten Luxation, 4 willkürliche, d. h. vom Patienten beliebig oft hervorzurufende Luxation, 4 angeborene (teratologische) Formen, äußerst selten. Nach der Richtung der Schulterluxation unterscheidet man sog. unidirektionale von multidirektionalen Instabilitäten. Operiert werden können lediglich unidirektionale Instabilitäten, während multidirektionale Instabilitäten eine Domäne der krankengymnastischen Behandlung sind. In Ausnahmen kann bei diesen Patienten ein sog. Kapsel-Shrinking erwogen werden. Durch Kauterisation wird hierbei die Gelenkkapsel narbig geschrumpft. Operationen bei Schulterluxationen können offen oder arthroskopisch durchgeführt werden. Prinzipiell erfolgt die Refixation des ausgerissenen Labrum glenoidale mit Fadenankern (Mitek u. a.) unter Raffung der meist ausgewalzten vorderen Gelenkkapsel. Es gibt auch verschiedene plastische Verfahren zur Raffung der vorderen Kapsel (z. B. Kapsel-T-Shift nach Neer).
. Abb. 3.131 Gilchrist-Verband. (Aus Siewert 2006)
3.6.4
Ober- und Unterarm
Frakturen des oberen Humerusendes Die Kopf- und Halsbrüche des oberen Humerusendes gehören zu den häufigsten Verletzungen, insbesondere bei alten Menschen. Bei Trümmerbrüchen und osteoporotischen Knochen ist eine anatomiegerechte Rekonstruktion des Kopfes oft nicht möglich. Das Behandlungsspektrum reicht von der einfachen Ruhigstellung bis zum endoprothetischen Ersatz. Leicht abgeknickte subkapitale Humerusfrakturen bei Kindern und manche nicht dislozierte Frakturen bei älteren Patienten lassen sich konservativ behandeln, z. B. mit einer Gilchrist-Bandage (. Abb. 3.131). Lässt sich der abgerutschte und reponierte Humeruskopf nicht halten, bieten sich Kirschner-Drähte und perkutane Schrauben an. Bei Trümmerbrüchen des Kopfes kommen die folgenden 4 Verfahren in Frage: 4 Operative Freilegung der Fraktur mit Entfernung der kleineren Fragmente; Abdeckung des Schaftes mit dem größten knorpelüberdeckten Kopfteil, der mit Kirschner-Drähten und einer Drahtcerclage oder PDS-Kordel fixiert wird. 4 Osteosynthese mit winkelstabilen Abstützplatten. 4 Implantation einer (zementierten) Humeruskopfendoprothese. 4 Perkutane Kirschner-Drähte oder kanülierte Schrauben.
Schaftfrakturen Viele extraartikuläre Schaftfrakturen des Humerus können konservativ behandelt werden, z. B. mit einem sog. Sarmiento-Brace (7 Abschn. 3.3.1) oder mit einem Hängegips. Bei ausbleibender Kallusbildung oder neurovaskulären Komplikationen sollten diese Humerusschaftbrüche operativ stabilisiert werden. Wegen der Gefährdung des N. radialis eignen sich dafür Platten weniger als Marknägel, die von proximal oder
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208
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
Ellbogenluxation Die Luxation des Ellbogens ist nicht selten. Operative »Rekonstruktionen« sind schwierig und im Ergebnis meist enttäuschend. Deshalb beschränken sich viele behandelnde Ärzte auf einen (zirkulären) Oberarmgips in 90°-Beugung bei supiniertem Unterarm. Stabiler und zuverlässiger ist ein Fixateur externe mit 2 × 2 dorsalen Gewindepins im Humerus und in der Ulna. Nach 3–4 Wochen kann mit der Übungsbehandlung begonnen werden.
3
Olekranonfraktur
. Abb. 3.132 Bauchlagerung zur Versorgung einer Olekranonfraktur. (Aus Krettek u. Aschemann 2005)
distal eingebracht werden können. Sie müssen proximal und distal verriegelt und drehstabil implantiert werden. Beim antegraden Nagel kann die Einstellung des Bildwandlers in der halbsitzenden Position schwierig sein. Außerdem wird die Rotatorenmanschette kompromittiert. Der retrograde Nagel hat diese Nachteile nicht: Der Patient wird in Bauchlage operiert, der Oberarm auf einer strahlendurchlässigen Platte gelagert. Suprakondyläre Humerusfrakturen dicht oberhalb vom Ellbogen (ohne Gelenkbeteiligung) lassen sich mit (winkelstabilen) Platten stabilisieren. In Rückenlage des Patienten wird der Arm auf dem Handtisch gelagert. Der Operateur kann sitzen und das untere Humerusende von medial freilegen. Der N. ulnaris kann mühelos dargestellt und nach hinten weggehalten werden.
Olekranonfrakturen der Ulna sind häufig und müssen als Gelenkbrüche immer operiert werden. In den meisten Fällen reicht eine Zuggurtungsosteosynthese ( 7 Abschn. 3.5.3). Wenn der Proc. coronoideus (das vordere Gegenlager der Kondylenrolle) in einem großen Stück frakturiert ist, lässt er sich mit einer Schraube am Ulnaschaft fixieren. Bei instabilen Luxations- und Trümmerfrakturen vom proximalen Unterarm mit Ellen- und Speichenbeteiligung sind aufwändige Rekonstruktionsversuche eher von Nachteil. Besser ist die rasche Stabilisierung der Ulna mit einer winkelstabilen Platte. kInstrumentarium
Siehe Sprengung des Akromioklavikulargelenkes (s. oben). kLagerung
4 Bauchlage: Der Oberarm wird gut gepolstert auf einem Brett oder einer Stütze gelagert; der Unterarm bleibt frei beweglich (. Abb. 3.132). 4 Wenn üblich, Blutsperre oder Blutleere (7 Abschn. 3.4.3). 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. 4 Bildwandler und Strahlenschutz (7 Abschn. 3.4.2).
Epikondylenbrüche
kAbdeckung
Perkondyläre Humerusfrakturen müssen wie alle Gelenkbrüche operiert werden. In Bauchlage des Patienten wird der Oberarm auf einem Armbrett oder einer strahlendurchlässigen Armstütze gelagert (. Abb. 3.132). 4 Zunächst muss der N. ulnaris freigelegt und angeschlungen werden. 4 Um die geborstene Kondylenrolle darstellen zu können, wird das Olekranon abgesägt und mit dem ausgelösten M. triceps hochgeklappt. 4 Die Kondylenteile werden zusammengefügt und mit Kirschner-Drähten und kanülierten Kleinfragmentschrauben (Titan!) stabilisiert. 4 Mit Rekonstruktionsplatten, besser mit vorgeformten Mayo-Platten, wird die rekonstruierte Kondylenrolle an beiden Seiten des Humerusschafts fixiert.
4 Nach Abteilungsstandard. 4 Den betroffenen Unterarm steril wickeln.
Das Olekranon wird mit einer Zuggurtung (7 Abschn. 3.5.3) refixiert und übungsstabil gemacht.
Zuggurtung bei Olekranonfraktur 7 Bogenförmiger Hautschnitt zur Radialseite, die Olekranonspitze umfahrend. 7 Darstellen der Frakturränder, Entfernung von Koagula und Gewebeteilen mit scharfem Löffel oder »Zahnarzthäkchen«, Ausspülen des Frakturspaltes. 7 Reposition mit Einzinker oder Zweipunktzange. 7 Einbohren von 2 parallelen Kirschner-Drähten (1,6–1,8 mm), von der Olekranonspitze in die beugeseitige Kortikalis der proximalen Ulna. 7 Mit dem 2-mm-Spiralbohrer wird ein Bohrloch (ca. 3 cm distal der Fraktur) quer durch die Ulna ange6
209 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
legt; Durchziehen eines Cerclagedrahtes und Bilden einer Achtertour um die freien KirschnerDrahtenden unter der Trizepssehne. 7 Mit einem Drahtspanner den Cerclagedraht anziehen, verzwirbeln und abkneifen. Mit der Spitzzange werden die Kirschner-Drähte umgebogen und mit dem Seitenschneider abgekniffen. Die Kirschner-Drahthaken werden so gedreht, dass sie die Zuggurtungsschlinge umfassen. Alle Drahtenden sollen dem Knochen angelegt sein (. Abb. 3.133). 7 Einlegen einer Redon-Drainage, schichtweiser Wundverschluss, Polsterverband und dorsale Gipsschiene.
Fraktur des Radiusköpfchens Manche Frakturen des Radiusköpfchenhalses können konservativ behandelt werden, wenn das Köpfchen nicht zu stark abgekippt ist (CT!). Anderenfalls ist eine operative Rekonstruktion mit Kirschner-Drähten, PDS-Stiften/Ethipins oder Miniplättchen sinnvoll. Nichtreponible Trümmerfrakturen rechtfertigen manchmal die primäre Resektion, während arthrotische und schmerzhafte Deformierungen die sekundäre Resektion erfordern. Das Ringband muss erhalten werden, weil es das obere Speichenende bei der Drehung um die Elle fesselt.
Frakturen beider Unterarmknochen Komplette Unterarmfrakturen werden bei Kindern häufig konservativ, bei Erwachsenen operativ behandelt. Plattenosteosynthesen und intramedulläre Federnägel von Radius und Ulna sind probat. Durch den Zug der Membrana interossea als Kraftüberträger zwischen den beiden Unterarmknochen hat der Bruch eines einzelnen Unterarmknochens die Neigung zur Fehlstellung und sollte deshalb operiert werden. Das gilt besonders für Frakturen des einen und Luxationen des anderen Knochens (Monteggiaund Galeazzi-Schäden). Wie am Unterschenkel sind bei den engen Räumen auch am Unterarm Kompartmentsyndrome möglich. Ihre Behandlung besteht in einer unverzüglichen Längsspaltung der Haut und des Faszienmantels in ganzer Länge.
Distale Radiusfraktur Eine distale Radiusfraktur mit oder ohne Abriss vom Griffelfortsatz der Elle (Proc. styloideus ulnae) gehört zu den häufigsten Verletzungen und betrifft alle Altersgruppen, besonders die mittleren und höheren. Bei Kindern handelt es sich meist um sog. Grünholzfrakturen, die allenfalls reponiert werden müssen und in einer 3- bis 4-wöchigen Gipsbehandlung problemlos ausheilen.
. Abb. 3.133 Zuggurtungsosteosynthese bei Olekranonfraktur
Bei Erwachsenen bereiten abgekippte oder zertrümmerte handgelenknahe Speichenfragmente manchmal erhebliche Probleme. Die Trümmerzone steht einem stabilen Halt der Fraktur oft entgegen, auch wenn sie gut reponiert und mit Kirschner-Drähten oder einem Fixateur externe gehalten scheint. Deshalb sind die meisten Operateure auf winkelstabile Platten übergegangen, die von der Beugeseite eingebracht werden.
3.6.5
Femur
Am Femur werden folgende Frakturen unterschieden: 4 mediale und laterale Femurhalsfrakturen, 4 pertrochantäre Frakturen (durch den großen und kleinen Rollhügel), 4 subtrochantäre Frakturen, 4 Schaftfrakturen, 4 distale/suprakondyläre Frakturen, 4 perkondyläre Frakturen (mit Gelenkbeteiligung). In der dreidimensionalen Stellung des oberen Femurendes gibt es viele angeborene Varianten (Hüftdysplasie). Wenn der Femurkopf vom Azetabulum knapp überdacht ist, Erwachsene einen ausgeprägten Innendrehgang zeigen oder eine deutliche Beinlängendifferenz besteht, kann eine Umstellungsosteotomie sinnvoll sein. Indikationen bei Kindern sind schwere Femurkopflösungen und manche Perthes-Erkrankungen (eine Kinderkrankheit, die durch Durchblutungsstörungen zu Hüftkopfnekrosen führt).
Mediale Schenkelhalsfrakturen Bei den medialen Schenkelhalsfrakturen muss geklärt werden, ob die Stellung des Femurkopfes und das Alter des Patienten den Versuch einer kopferhaltenden Behandlung rechtfertigen. Wenn der Patient noch jung oder trotz fortgeschrittenen Alters in guter Verfassung ist und der Kopf nicht abgerutscht ist, kann manchmal die Verschraubung
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Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
leuchten der C-Bogen in die axiale Ebene geschwenkt werden muss und dabei die Abdeckung vom Boden hochgezogen wird. 4 Deshalb ist hier ist die Vertikaltuch-Einmalabdeckung von Vorteil.
3 Einbringen der DHS
. Abb. 3.134 Lagerung für DHS. Das gesunde Bein wird auf einer Göpel-Stütze hoch gelagert. (Fa. Stryker)
oder sogar die konservative Behandlung ausreichen. Da aber von den Femurhalsfrakturen meist ältere und in reduziertem Allgemeinzustand befindliche Patienten betroffen sind, der Femurkopf abgerutscht ist, eine Kopfnekrose droht und die Patienten so rasch wie möglich mobilisiert werden müssen, sind oft Endoprothesen (7 Abschn. 3.5.10) nötig. Dazu eignen sich besonders die sog. Duokopf- oder bipolare Schalenendoprothesen, die eine Erhaltung der natürlichen Hüftpfanne ermöglichen: Der Prothesenkopf aus Keramik oder Metall steckt im Kunststoffinlay einer frei beweglichen Pfannenschale aus Metall, deren Größe der natürlichen Hüftpfanne entspricht.
Laterale und pertrochantäre Frakturen Bei lateralen und pertrochantären Frakturen muss eine möglichst belastungsstabile Osteosynthese erreicht werden. Dafür sind Platten mit Gleitlochschrauben (DHS; 7 Abschn. 3.5.9) oder spezielle Nagelsysteme (PFN, Gammanagel; 7 Abschn. 3.5.8) am besten geeignet.
Dynamische Hüftschraube (DHS) kLagerung
4 Rückenlagerung auf einem Extensionstisch (. Abb. 3.134). 4 Die Füße müssen vor der Fixation gut abgepolstert werden. 4 Der Arm der zu operierenden Seite wird am Narkosebügel abgepolstert aufgehängt. 4 Unsterile Reposition unter Bildwandlerkontrolle. 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. 4 Bildwandler und Strahlenschutz (7 Abschn. 3.4.2). kAbdeckung
4 Nach Abteilungsstandard. 4 Die sterile Abdeckung eines auf dem Extensionstisch gelagerten Patienten und des Röntgengerätes ist immer problematisch, da beim intraoperativen Durch-
7 Vor der Hautdesinfektion und dem Abdecken erfolgt das unsterile Repositionsmanöver unter Durchleuchtung auf dem Extensionstisch. 7 Mit dem Messerrücken und dem Bildwandler wird die Hautschnitthöhe ermittelt. 7 Präparation bis zum Knochen und Einsetzen von Hohmann-Hebeln. 7 Mit dem DHS-Zielgerät (130–135–150°) wird der Führungsdraht mit Gewinde (Ø 2,5 mm) bis unter den Knorpel des Femurkopfes gebohrt. Idealerweise liegt er im a.-p.-Bild nahe dem Adambogen, im Axialbild mittig im Femurhals (. Abb. 3.135). Er muss bis zum Eindrehen der DHS-Schraube belassen werden. 7 Aufstecken des Messstabes (. Abb. 3.82) auf den Gewindedraht. Die angegebene Länge ist die Strecke, die der Draht im Knochen liegt (. Abb. 3.136). 7 Zusammensetzen und Einstellen des Dreistufenbohrers. Von der ermittelten Länge müssen 10 mm abgezogen werden, da der Dreistufenbohrer nur bis 10 mm an das Gelenk herangebohrt wird. 7 Beispiel: Werden auf dem Messstab 105 mm abgelesen, muss der Stufenbohrer auf 95 mm eingestellt werden (. Abb. 3.137). Der Dreistufenbohrer bereitet das Lager für die Schraube und den Plattenzylinder. Oft wird beim Zurückführen des Dreistufenbohrers der Zieldraht mit herausgezogen. Mit Hilfe der kurzen Zentrierhülse und einer umgekehrt eingesetzten DHS-Schraube kann der Draht dann wieder korrekt platziert werden. 7 Bei fester Knochenstruktur kann das Gewinde vorgeschnitten werden. Dafür werden benötigt: THandgriff, Gewindeschneider, kurze Zentrierhülse. 7 Eindrehen der Schraube mit Führungsschaft, Verbindungsschraube, DHS-Schraube, DHS-Schraubenschlüssel, lange Zentrierhülse. 7 Auf dem Schraubenschlüssel befindet sich eine Skala (0–15). Erreicht beim Eindrehen die 0-Marke die laterale Kortikalis, liegt die Schraube korrekt 10 mm vom Gelenk entfernt (. Abb. 3.138). Bei osteoporotischen Knochen kann die Schraube etwas weiter eingedreht werden. 6
211 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
7 Wichtig ist, dass der Griff des Schlüssels am Ende des Eindrehens parallel zum Femurschaft steht. Nur so lässt sich die Platte später in korrekter Stellung über den Schraubenschaft schieben. 7 Aufschieben der entsprechenden DHS-Platte. 7 Entfernung des Führungsschaftes und des Führungsdrahtes. Leichtes Einschlagen des Plattenzylinders mit dem Einschlagbolzen und dem Hammer. 7 Ein neu entwickelter DHS-Schlüssel ermöglicht das gleichzeitige Einbringen von Schraube und 6
3.135
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7 7
Platte. Er besteht aus einem Schraubenschlüssel, einer langen Verbindungsschraube, einer offenen Zentrierhülse und einem entsprechenden Einschlagbolzen. Einbringen der Kortalisschrauben mit dem 3,2mm-Bohrer, dem 4,5-mm-Gewindeschneider, der zentrischen DCP-Bohrbüchse usw. Eventuell wird nun die Kompressionsschraube mit dem großen Sechskantschraubendreher in die DHS-Schraube eingedreht (. Abb. 3.139). Zuvor muss die Extension nachgelassen werden. Schichtweiser Wundverschluss, Verband.
3.136
3.137
3.138
3.139
. Abb. 3.135 Implantation der dynamischen Hüftschraube: Zielgerät mit Führungsdraht. (Aus Müller et al. 1992/1997) . Abb. 3.136 DHS-Implantation: Schraubenlängenbestimmung. (Aus Müller et al. 1992/1997) . Abb. 3.137 DHS-Implantation: Dreistufenbohrer. (Aus Müller et al. 1992/1997)
. Abb. 3.138 Eindrehen der DHS-Schraube. (Aus Müller et al. 1992/1997) . Abb. 3.139 DHS mit Kompressionsschraube. (Aus Müller et al. 1992/1997)
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3
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
Materialentfernung
Nagelung mit Gammanagel
7 Bei der Metallentfernung wird zuerst die Kompressionsschraube, dann die Platte und anschließend die DHS-Schraube entfernt. 7 Zur Entfernung der DHS-Schraube wird die lange Verbindungsschraube benötigt, die während des Ausdrehvorgangs Zug ausübt. Diese wird durch den DHS-Schraubenschlüssel geschoben und von hinten in die DHS-Schraube eingedreht.
7 Auf dem Extensionstisch wird zunächst unter Durchleuchtung die Fraktur unsteril reponiert. Desinfektion der Haut und anschließendes Abdecken. 7 Um eine korrekte Schenkelhalsstellung zu erzielen, wird ggf. perkutan ein 2-mm-Kirschner-Draht parallel zur Achse des Femurhalses eingebracht. Dieser Schritt kann auch später, vor dem Einsetzen der Schenkelhalsschraube, erfolgen. 7 Hautschnitt: proximal des Trochanter major. 7 Marknagelung (7 Abschn. 3.5.7): Durch die Trochanterspitze wird mit dem großen Pfriem die Kortikalis perforiert. 7 Einbringen des Führungsspießes mit Knopfende. Aufbohren des Markraums mit den flexiblen Bohrwellen 2 mm weiter als der distale 11-mm-Nageldurchmesser. Der Trochanterbereich muss auf 15,5 mm aufgebohrt werden, alternativ steht ein Vorbohrer zur Verfügung. 7 Vorsichtiges Einführen des Nagels mit der Einbringungsvorrichtung von Hand. Zum Ende der Nagelung muss der Griff dieses Gerätes parallel zum Kirschner-Draht stehen. 7 Entfernen des Führungsspießes und Einschieben der entsprechenden Ziellehre in die Einbringungsvorrichtung. Die Ziellehre gibt die Richtungen für die Schenkelhalsschraube und die distalen Verriegelungsschrauben an. 7 Eindrehen der Schenkelhalsschraube: – Führungshülse mit Bohrführung im Zielgerät einsetzen; Hautinzision; Ankörnen der lateralen Kortikalis mit dem 4,2-mm-Bohrer. – Entfernen der Bohrerführungshülse und Einsetzen der Kirschner-Draht-Führungshülse. Über die Kirschner-Draht-Hülse Einbringen des Drahtes mit Gewindeanteil bis an die Gelenkfläche des Hüftkopfes; Ermittlung der Schraubenlänge mit dem Längenmessgerät, das dem Draht angelegt wird (Längenangabe = Spießlänge ohne Gewindeanteil). – Einstellen des Stufenbohrers auf die entsprechende Schraubenlänge. Der Bohrer wird über den Führungsspieß geschoben. – Maschinelles Bohren bis zum Anschlag auf die Führungshülse; Montage der Schenkelhalsschraube auf das Eindrehgerät. – Durch die Führungshülse wird die Schraube eingebracht. Die Schraube soll 5 mm länger sein als der ermittelte Wert, damit sie aus der 6
Subtrochantäre Femurfraktur Wie der Name sagt, sind subtrochantäre Femurfrakturen eigentlich Schaftfrakturen; oft lassen sie sich von pertrochantären Brüchen kaum unterscheiden. Weder die DHS noch der im Folgenden beschriebene Gammanagel bringt sichere Ergebnisse. Wenn Trochanter major und Trochanter minor nicht gebrochen sind, ist eine Stabilisierung am ehesten durch intramedulläre Kraftträger mit einer axialen Schenkelhalsschraube zu erreichen. Das obere Femurende ist bei diesem Verfahren belastungsstabil fixiert. Wie bei der DHS kann auch beim Gammanagel der verschraubte Schenkelhals belastet werden, ohne dass eine Perforation der Schraube durch den Hüftkopf droht. Bei den »Gammanägeln« ist die distale Verriegelung mit 1 oder 2 Bolzschrauben sinnvoll, damit die Rotationsstabilität gewährleistet ist.
Gammanagel Da viele Schritte der Marknagelung (7 Abschn. 3.5.7) ähnlich sind, wird der Verlauf im Folgenden gekürzt angegeben. kLagerung
4 Rückenlagerung auf einem Extensionstisch (. Abb. 3.134). 4 Suprakondyläre Drahtextension! 4 Das Bein wird extendiert, das gesunde Bein möglichst in einer Göpel-Stütze hochgelagert, um ein problemloses Durchleuchten zu gewährleisten. 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. 4 Bildwandler und Strahlenschutz (7 Abschn. 3.4.2). kAbdeckung
4 Nach Abteilungsstandard. 4 Die sterile Abdeckung eines auf dem Extensionstisch gelagerten Patienten und des Bildwandlers ist immer problematisch, da beim intraoperativen Durchleuchten das Gerät in die seitliche Ebene geschwenkt werden muss und dabei die Abdeckung hochgezogen wird. 4 Separates Abdecken des Durchleuchtungsgerätes oder große Wandfolie.
213 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
kLagerung
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7
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7
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lateralen Kortikalis herausragt und gleiten kann. Am Schluss muss der Griff des Eindrehgerätes parallel oder senkrecht zur Ziellehre stehen. Einbringen des Verriegelungsbolzens mit dem Sechskant- und Kardanschlüssel von proximal durch den Nagel in eine der Längsrillen der Schenkelhalsschraube. Nach dem Eindrehen wird er um eine Vierteldrehung gelockert. Dadurch wird das Gleiten möglich, die Rotation aber verhindert. Mit dem Sechskantschraubendreher wird, zur Vermeidung von Verlegungen des proximalen Nagelanteils, ein Gewindestopfen eingedreht. Ist eine distale Verriegelung erforderlich, wird nach Kirschner-Draht- und Führungshülsenentfernung die Rändelschraube der Ziellehre etwas gelöst und die distale Führungshülse mit Mandrin im oberen Loch der Zielvorrichtung eingesetzt. Hautinzision; Mandrinentfernung. Aufbohren beider Kortikales mit dem 4,2-mmBohrer und entsprechender Führung; Ermitteln der Schraubenlänge; Eindrehen der selbstschneidenden Verriegelungsschraube mit dem distalen Schraubendreher. Gleiches Vorgehen bei der zweiten Schraube unter Verwendung einer zweiten distalen Führungshülse (optional). Abschließende Röntgenkontrolle. Nach Entfernung der Einbringvorrichtung folgt der schichtweise Wundverschluss mit evtl. Einlegen einer Redon-Drainage und Verband.
Valgisierende Umstellungsosteotomie mit 130°-Winkelplatte kSpezialinstrumentarium
Benötigt werden die in den . Abb. 3.68 bis . Abb. 3.73 dargestellten Instrumente. kZusätzliches Instrumentarium
4 Grundinstrumentarium, 4 Knochengrundinstrumentarium (7 Abschn. 3.5.1), 4 Bohrmaschine, oszillierende Säge bei Umstellungsosteotomien, 4 Kirschner-Drähte (Ø 2,0 mm; 7 Abschn. 3.5.3), 4 16-mm-Meißel, 4 evtl. Repositionszange (7 Abschn. 3.5.1), 4 Standardschrauben und -instrumente, Winkel-, Kondylenplattenset.
4 Rückenlagerung auf einem geraden Röntgentisch oder auf einem Extensionstisch. 4 Die zu operierende Seite zur Tischkante hin lagern. 4 Flaches Kissen unter das Gesäß. 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. 4 Bildwandler und Strahlenschutz (7 Abschn. 3.4.2). kAbdeckung
4 Gemäß Abteilungsstandard. 4 Das betroffene Bein steril wickeln. Intertrochantäre Valgisierung um 20° 7 Hautschnitt: Gerader langer Hautschnitt an der Außenseite des oberen Femurdrittels. Nach Spaltung der Fascia lata wird zunächst die vordere Hüftkapsel dargestellt und spindelförmig reseziert. Der M. vastus lateralis wird L-förmig vom Tuberculum innominatum und vom Septum intermusculare mit Messer und Raspatorium abgelöst. Dabei wird er mit einem großen Wundhaken nach vorn und unten gezogen und dann mit Hohmann-Hebeln weggehalten. 7 Wenn man um 20° valgisieren und eine 130°-Platte verwenden will, muss zunächst der maßgebliche Einschlagwinkel der Vorschlagklinge markiert werden: In einem Winkel von 130°–20°=110° zum Femurschaft wird ein Kirschner-Draht in das obere Femurende gebohrt (. Abb. 3.140). Zur Kontrolle der Antetorsion vom Schenkelhals wird ein freier Kirschner-Draht aufgelegt. 7 Unterhalb vom Tuberculum innominatum wird die Kortikalis für den Klingeneinschlag mit dem 3,2-mm-Bohrer eröffnet. 7 Die Führungsplatte wird auf einen Winkel von 70° eingestellt; durch sie wird das Plattensitzinstrument parallel zu den beiden Kirschner-Drähten mit Hammer und Schlitzhammer eingeschlagen. Der Einschlag der Vorschlagklinge darf in keiner Ebene verkippt werden, denn sonst drohen die Perforation des Schenkelhalses, Ischiadikusläsionen und große Probleme bei der Reposition und der Plattenmontage. Auf dem Plattensitzinstrument befindet sich eine Messskala, auf der man die eingeschlagene Klingenlänge ablesen kann. 7 Wenn das Plattensitzinstrument (Vorschlagklinge) auf 50–60 mm eingeschlagen ist, können die beiden Kirschner-Drähte entfernt und das obere Femurende osteotomiert werden: Hierzu wird 2 cm unterhalb und absolut parallel zur Vorschlagklinge mit einer breiten oszillierenden Säge osteotomiert. In 130° zum Femurschaft folgt die Resektion des lateralbasigen Ganzkeils (. Abb. 3.141). 7 Jetzt kann das Plattensitzinstrument mit dem Schlitzhammer herausgeschlagen werden. Dabei 6
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Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
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3.140
3.141
3.142
3.143
. Abb. 3.140 Aufbohren der Kortikalis und Einschlagen der Vorschlagklinge in einem Winkel von 70° zur Schaftachse des Femurs . Abb. 3.141 Klingenparallele Osteotomie 15–20 mm unter der liegenden Vorschlagklinge und Resektion eines lateralbasigen Keils von 20°
. Abb. 3.142 Ausschlagen der Vorschlagklinge und Einschlagen der 130°-Winkelplatte . Abb. 3.143 Valgisierende Schließung der Osteotomie und Festsetzen der Platte mit 4 Kortikalisschrauben
sollte das frei bewegliche Kopf-Hals-Stück mit einer Zweitpunktrepositionszange gehalten werden. 7 Die 130°-Platte mit 60 mm Klingenlänge wird unterhalb des Plattenwinkels in das Einschlaggerät eingespannt, sodass es in gerader Verlängerung der Winkelplattenklinge steht, die behutsam eingesetzt wird (. Abb. 3.142). 7 Der Femurschaft wird an die Osteotomie und die Platte gebracht und mit einer großen Repositionszange (Ulrich) provisorisch gehalten. Der Plattenspanner (s. . Abb. 3.51 und . Abb. 3.60b) wird montiert und mit dem Kardanschlüssel maximal gespannt. Dabei sollte die Osteotomie »wasserdicht« schließen (. Abb. 3.143). 6
7 Besetzung von 2 der 4 Schraubenlöcher mit 2 neutral gebohrten Kortikalisschrauben. Verwendung der DCP-Bohrbüchse grün, dem 3,2-mm-Bohrer und dem 3,5-mm-Gewindeschneider. Abnahme des Plattenspanners. Einbringen einer exzentrischen (DCP-Bohrbüchse gelb; . Abb. 3.39) und schließlich einer 3. neutralen Kortikalisschraube. Das Nachspannen der Schrauben von distal nach proximal bedeutet eine dritte Kompressionskomponente auf die schräge Osteotomie. 7 Textilien und Instrumente zählen und Dokumentation des Zählstandes. 7 Refixation des M. vastus lateralis am Tuberculum innominatum. Tiefe Redon-Drainage, Faszien-, Subkutan- und Hautnaht. Steriler Verband, postoperative Röntgenkontrolle.
215 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
3.149
3.150
3.151 3.144
3.145
3.152
3.146
3.147
. Abb. 3.144 Flachmeißel gebogen; sog. Pfannenrandmeißel für die Hüftendoprothetik. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.145 Fasszange. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.146 Femurkopfauszieher (T-Extraktor). (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.147 Hohlmeißel, u. a. zur Eröffnung der Femurmarkhöhle. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.148 Femurkopf-Luxationshebel. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.149 Zwischenstück zu Raffelfräser (TEP). (Fa. Plus-Orthopedics)
3.148
3.153
. Abb. 3.150 Raffelfräser für Pfannenlager im Azetabulum. (Fa. Plus-Orthopedics) . Abb. 3.151 Setzinstrument mit Kragen für PE-Pfannen. (Fa. PlusOrthopedics) . Abb. 3.152 Geschwungener spitzer Hebel nach Hohmann-Aldinger, sog. Schwanenhals. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.153 Reponierstößel. (Fa. Stryker Howmedica)
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Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
4 Knochenzementspritze (. Abb. 3.9), 4 ggf. Vakuumpumpe. kSpezialinstrumentarium
4 Die Instrumente sind in ihren Einzelheiten so vielfältig wie die Implantate. . Abb. 3.144 bis . Abb. 3.156 zeigen einige Beispiele. 4 Jeder Hersteller bietet sein eigenes Prothesenmodell mit dem entsprechenden Instrumentarium an. Daher wird der folgende OP-Verlauf nur allgemein und mit Instrumentenbeispielen beschrieben.
3
kZugänge und Lagerung 4 Anterolateraler Zugang nach Watson-Jones: 3.154
a
b
c 3.155
5 Die betroffene Seite wird etwas über die Tischkante gelagert. 5 Der Arm wird gut abgepolstert aufgehängt. 5 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. 5 Der Beingurt wird oberhalb des Knies des nicht zu operierenden Beines fixiert. 5 Der Hautschnitt beginnt unterhalb der Spina iliaca anterior, umfährt von hinten den Trochanter major und verläuft weiter zum proximalen Drittel des Oberschenkelschaftes. 5 Spaltung der Fascia lata. 5 Eingehen auf die Gelenkkapsel zwischen M. glutaeus medius und M. tensor fasciae latae.
4 Posterolateraler Zugang
Für intertrochantäre Varisierungen und suprakondyläre Umstellungen eignen sich Rechtwinkelplatten. Sie haben eine Unterstellung von 10, 15 oder 20 mm, 4 DCP-Löcher und eine 50 mm oder 60 mm lange Klinge. Eingebracht werden sie wie die 130°-Winkelplatten (. Abb. 3.66).
5 Stabile Seitenlagerung mit sicherer Abstützung durch seitlich am Tisch angebrachte Stützen und Polsterkissen oder mit einer Vakuummatte (. Abb. 3.157). 5 Der Arm der zu operierenden Seite wird gut abgepolstert aufgehängt oder in einer Halbschale gelagert. 5 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. 5 Der Beingurt wird oberhalb des Knies des nicht zu operierenden Beines fixiert. 5 Der Hautschnitt beginnt leicht bogenförmig hinter dem Trochanter major und endet im proximalen Oberschenkelschaftbereich. 5 Spaltung der Fascia lata. 5 Eingehen auf die Gelenkkapsel hinter dem M. glutaeus maximus. Die Außenrotatoren werden an ihrem Ansatz abgelöst, später refixiert. 4 Transglutäaler Zugang: 5 Rückenlage oder Seitenlage (. Abb. 3.158).
Hüft-TEP
kAbdeckung
kAllgemeines Instrumentarium
4 Gemäß Abteilungsstandard. 4 Das betroffene Bein wird steril gewickelt.
3.156 . Abb. 3.154 Oszillierende Knochensäge. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.155a–c Sägeblätter. (Plus-Orthopedics) . Abb. 3.156 Femurraspel für zementfreie Schaftprothesen. Mit einem aufgesteckten Probekopf kann sie reponiert werden und ermöglicht eine Überprüfung der Gelenkstabilität. (Plus-Orthopedics)
4 Grundinstrumentarium, 4 allgemeines Knocheninstrumentarium, 4 große Bohrmaschine mit oszillierender Säge,
217 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
Implantation einer zementierten Duokopfendoprothese 7 Liegt die Gelenkkapsel frei, wird sie T-förmig inzidiert. Einsetzen diverser Hohmann-Hebel (zuerst spitze, später stumpfe Hebel). 7 Mit der oszillierenden Säge wird der Schenkelhals an seiner Basis, proximal des Trochanter minor, durchtrennt. Oft wird ein breiter gerader Meißel zu Hilfe genommen. 7 Heraushebeln des Hüftkopfes mit dem T-Extraktor (. Abb. 3.146). 7 Teilweises Entfernen der Gelenkkapsel mit Kapselfasszange (. Abb. 3.145) und Messer. 7 Ausmessen des Hüftkopfes mit der Schublehre. Nun entscheidet sich die Größe des Polyethylenaufsatzes mit der Metallkappe, die später die natürliche Pfanne auskleiden soll. Diese darf nicht kleiner als der extrahierte Hüftkopf sein. Eventuell wird nun eine Probeimplantation vorgenommen. Abstopfen der Pfanne mit einer Kompresse. 7 Vorbereitung des Femurschaftes: Mit einem scharfen Löffel wird die erste Spongiosa aus dem Schaft entfernt und aufbewahrt. Die Femurmarkhöhle wird mit Formraspeln (passend zum jeweiligen Prothesentyp) erweitert. Manchmal ist es notwendig, zuvor den Markraum mit Markraumbohrern zu erweitern. Die ausgesuchte Prothese oder die Probierraspel wird in den Schaft eingebracht, um den Sitz zu prüfen. Die Markhöhle wird gespült und mit einem Streifen ausgetrocknet. 7 Anrühren des Knochenzements nach Herstellervorschrift mit doppelten Handschuhen (7 Abschn. 3.4.4) oder Vorbereitung mit der Vakuumpumpe. In den Schaft wird ein Redon-Drain, dessen Perforationsende gekürzt ist, eingelegt und (zur Schaftentlüftung) an den Sauger angeschlossen. Mit einer Zementspritze wird der Knochenzement in den Schaft eingedrückt, die Redon-Drainage gezogen und die trockene, saubere Prothese angereicht. 7 Mit dem passenden Einschlaggerät und dem Hammer wird die Prothese eingeschlagen und in der richtigen Position gehalten. Hervortretender überschüssiger Knochenzement wird entfernt. Beim heißen Aushärten wird mit kalter Ringer-Lösung gespült. Nach 8–10 min ist der Knochenzement fest. 7 Überstehende Zementkanten werden mit einer Luerzange oder einem Meißel abgetragen. 7 Entfernen des Streifens aus der Pfanne. 6
. Abb. 3.157 Stabile Seitenlagerung bei Hüftprothesenimplantation. (Aus Krettek u. Aschemann 2005)
. Abb. 3.158 Stabile Seitenlagerung bei Hüftprothesenimplantation. Der Patient wird nach hinten durch eine höhere, von einem Tuch überzogene Stütze am Kreuzbein abgestützt. Das kranke Bein kann von den Zehen bis zum abgeklebten Rippenbogen zirkulär desinfiziert werden
7 Der benötigte Metall- oder Keramikkopf (die Halslänge variiert) wird in das Polyethyleninlay mit der Metallkappe eingebracht und auf die Schaftprothese gesteckt. 7 Reposition mit dem Reponierstößel. Kontrolle der korrekten Lage und der Beweglichkeit sowie Beinlängenvergleich (eine Korrektur ist möglich, indem eine andere Halslänge des Steckkopfes gewählt wird). 7 Zählen der Instrumente und Textilien und Dokumentation des Zählstandes. 7 Eine Redon-Drainage wird in das Gelenk gelegt. Subfasziale und subkutane Drainagen sind oft sinnvoll. 7 Schichtweiser Wundverschluss, evtl. elastischer Verband, postoperative Röntgenkontrolle.
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Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
kInstrumente für die Marknagelung Bei Totalendoprothese
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7 Entknorpelung der Gelenkpfanne mit Raffelfräsen in steigender Größe. Entscheidung, welche Pfanne implantiert wird. 7 Anrühren einer kleineren Menge Knochenzement, die von Hand (doppelte Handschuhe) in die Pfanne eingebracht wird. Die Pfanne wird mit Hilfe des jeweiligen Pfanneneindrückers eingesetzt. Der überschüssige Knochenzement wird entfernt. Kühlung mit Ringer-Lösung. 7 Weiteres Vorgehen s. oben (Duokopfendoprothese).
3.6.6
Femurschaft
Subtrochantäre Femurfrakturen betreffen das »obere Femurende« und werden zu den hüftnahen Brüchen gerechnet; nach anatomischen Kriterien sind sie aber Schaftbrüche. Weder der große noch der kleine Trochanter sind frakturiert. Schaftfrakturen des Femurs, insbesondere Etagen- und Trümmerbrüche, lassen sich am besten mit Marknägeln (7 Abschn. 3.5.7) stabilisieren. Das kürzere Frakturende, manchmal auch das längere, sollte durch Verriegelungsschrauben stabilisiert werden. Anderenfalls drohen ein Einstauchen und Verdrehen der Fraktur, weil der Nagel in den sich weitenden spongiösen Metaphysen ungenügenden Halt hat. Unaufgebohrte Marknägel werden immer an beiden Enden verriegelt.
Antegrader Marknagel Lagerung auf einem Extensionstisch, suprakondyläre Drahtextension!
Gefahren und Probleme der Marknagelung 4 Falscher Nagel, z. B. am Femur rechts statt links 4 Falsche Reihenfolge der Bohrköpfe 4 Verkanten oder Abbruch des Bohrkopfes in der Markhöhle 4 Erster Führungsspieß ohne Knopfspitze 4 Sprengung oder Perforation des Schafts 4 Einschlagen des Femurnagels in Rekurvation statt Antekurvation 4 Falsche Längenwahl 4 Drehfehler durch unbemerkte Lagerungs- oder Repositionsfehler 4 Mangelnder Knochenkontakt der Fraktur (Pseudarthrose) nach Einschlagen des Nagels – Extension im Lagerungsgerät nachgeben!
Das hierbei eingesetzte Spezialinstrumentarium ist in . Abb. 3.159 bis . Abb. 3.173 dargestellt. kZusätzliche Instrumente
4 Grundinstrumentarium, 4 evtl. Wundspreizer, 4 große Bohrmaschine. kLagerung . Abb. 3.134 und . Abb. 3.185.
Nagelungen werden unter ständiger Röntgenkontrolle durchgeführt. Die Einhaltung der Strahlenschutzrichtlinien (7 Abschn. 3.4.2) für den Patienten und das Personal ist obligat. Ist eine Lagerung auf dem Extensionstisch nicht möglich, kann der Patient auf einem geraden Durchleuchtungstisch gelagert werden, muss aber zu Repositionszwecken mit einem Distraktor versorgt werden. kAbdeckung
4 Nach Abteilungsstandard. 4 Die sterile Abdeckung eines auf dem Extensionstisch gelagerten Patienten und des Röntgengerätes ist immer problematisch, da beim intraoperativen Durchleuchten das Gerät in die seitliche Ebene geschwenkt werden muss und dabei die Abdeckung hochgezogen wird. 4 Separates Abdecken des Durchleuchtungsgeräts.
Retrograde Femurnägel Bei der retrograden Nagelung wird nach Reposition unter Bildwandlerkontrolle ein Marknagel über eine Stichinzision durch das Kniegelenk zur Stabilisierung in den Oberschenkelschaft vorgeschoben und im peripheren und zentralen Fragment durch quere Schrauben verriegelt. Dieses Verfahren bietet sich besonders bei osteoporotischen Knochen an, weil der sehr weiche Femurkondylus durch spezielle Verriegelungsschrauben oder eine gewundene Klinge mit breiter Auflage (»twisted blade«) fixiert werden kann. Für retrograde Femurnägel (. Abb. 3.174) kann das Bein mit einer Rolle unter dem Oberschenkel wie bei einer arthroskopischen Meniskektomie gelagert werden.
Ungebohrte Femurmarknagelung 7 Auf dem Extensionstisch wird vor der Desinfektion und dem Abdecken unter Röntgenkontrolle (a.-p. und seitlich) möglichst exakt reponiert. 7 Hautschnitt oberhalb der Trochanterspitze und Freilegung derselben. 7 Mit dem großen Pfriem (. Abb. 3.159) wird die Trochanterspitze perforiert und der Femurmark6
219 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
3.163 3.159
3.164
3.160
3.165
3.161 . Abb. 3.159 Pfriem zur Eröffnung der Markhöhle an der Spitze vom Trochanter major, am Humeruskopf oder am Tibiakopf. (Fa. Synthes) . Abb. 3.160 Bohrdorn 2,5 mm. Um das Auffädeln der Fraktur zu erleichtern, kann das Knopfende gebogen werden; es verhindert eine unbeabsichtigte Kortikalisperforation und sichert den Bohrkopf. (Fa. Synthes) . Abb. 3.161 Universalbohrfutter mit T-Handgriff; damit kann der Bohrdorn gedreht, eingeschlagen und herausgezogen werden. (Fa. Synthes)
3.166
3.167
3.168
. Abb. 3.163 Distaler Femurnagel (DFN), Durchmesser 19 mm und 12 mm, Länge 160–420 mm. Die Nägel werden durch das eröffnete Kniegelenk in den Femurschaft eingeschlagen und eignen sich besonders für suprakondyläre Femurfrakturen. (Fa. Synthes) . Abb. 3.164 Solider Titan-Humerusnagel (UHN), verschiedene Durchmesser und Längen. Die Nägel können antegrad vom Humeruskopf und retrograd vom unteren Humerusende eingebracht werden. (Fa. Synthes) . Abb. 3.165 Strahlendurchlässiges Kunststoffrohr, ermöglicht den Wechsel von Führungsspießen. (Stryker-Howmedica) . Abb. 3.166 Ein- und Ausschlaginstrument für ungebohrten Tibiaund Humerusnagel. (Fa. Synthes) . Abb. 3.167 Schlitzhammer. (Fa. Synthes) . Abb. 3.168 Extraktionshaken für beschädigte Marknägel. (Fa. Synthes) . Abb. 3.162 Markraumbohrer (SynReam) mit schneidendem Bohrkopf (Durchmesser 6,0–10,5 mm, Länge 385 mm, Humerus). (Fa. Synthes)
3
220
3
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
3.169
3.170
3.171
c a
b
. Abb. 3.174 Retrograder Femurnagel (a), Tibianagel (b) und retrograder Humerusnagel (c). (Fa. Stryker Howmedica)
3.172
3.173 . Abb. 3.169 Solider Titanfemurnagel (UFN), Durchmesser 9– 12 mm, Länge 300–480 mm. (Fa. Synthes) . Abb. 3.170 Sechskantschraubendreher 3,5 mm für Verriegelungsschrauben. (Fa. Synthes) . Abb. 3.171 Tiefenmessgerät für Verriegelungsbolzen. (Fa. Synthes) . Abb. 3.172 Zielbügel für ungebohrten Femurnagel (UFN). (Fa. Synthes) . Abb. 3.173 Aufsatz für Standardverriegelung beim UFN. (Fa. Synthes)
7 Es gibt rechte und linke Femurmarknägel, da eine Antekurvation eingearbeitet ist. 7 Nun wird der Marknagel mit dem jeweiligen Einschlaggerät (. Abb. 3.176) über den Spieß eingeschlagen. Proximal soll der Nagel mit der Trochanterspitze abschließen und distal weit in die Metaphyse reichen. 7 Hat der Nagel die Fraktur passiert, wird die Extension nachgelassen. 7 Nach Entfernen des Führungsspießes und dem Wundverschluss ist die Marknagelung beendet.
Proximale Verriegelung
raum eröffnet; evtl. Verwendung eines Wundspreizers. 7 Die Nagellänge wird bestimmt, indem das freie Ende des Spießes mit dem sterilen Metalllineal gemessen und das Ergebnis von der Gesamtlänge des Führungsspießes abgezogen wird. Dazu können auch Messschablonen verwendet werden (. Abb. 3.175). 6
7 Durch das proximale Einschlag- und Zielgerät wird eine Zentrierhülse geschoben, die den Weg der speziellen selbstschneidenden 130°-Verriegelungsschraube vorgibt. 7 Mit dem kleinen Pfriem wird die Kortikalis angekörnt; der 5-mm-Spiralbohrer bohrt beide Kortikales auf. Entfernung der Hülse; Messen der Schraubenlänge. Durch das Zielgerät wird die Schraube mit dem T-Schraubendreher eingedreht. 7 Entfernung des Zielgerätes.
221 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
Distale Verriegelung 7 Wichtig ist, dass die Nagellöcher im seitlichen Strahlengang auf dem Monitor kreisrund erscheinen. Dazu sollte das Bein in der Extension abgespreizt werden. 7 Stichinzision der Haut; Ankörnen der lateralen Kortikalis mit dem kleinen Pfriem. Bohren beider Kortikales mit dem 4,5-mm-Spiralbohrer; Erweitern der ersten Kortikalis mit dem 6-mm-Spiralbohrer. Dieses Vorgehen erleichtert das Eindrehen der Schraube, die zum Schraubenkopf hin dicker wird. Bestimmen der Schraubenlänge; Eindrehen der selbstschneidenden Schraube mit dem TSchraubendreher. 7 Gleiches Vorgehen bei der zweiten Verriegelungsschraube. 7 Proximaler schichtweiser Wundverschluss. 7 Distal Hautnaht der Inzisionen. 7 Verband. 7 Wenn vorhanden, Entfernen der Drahtextension. 7 Abschließende Röntgendokumentation.
Ein ungebohrter Nagel wird nach Eröffnen des Markraums eingebracht. Die Fraktur wird mit dem Nagel aufgefädelt. Alle anderen OP-Schritte sind mit dem Vorgehen beim gebohrten Nagel identisch. Es entfallen also das Einbringen des Führungsspießes, das Bohren und der Wechsel des Führungsspießes.
3.6.7
Unteres Femurende
Supra- und perkondyläre Frakturen Entscheidend ist die Frage der Gelenkbeteiligung.
Suprakondyläre Femurfrakturen Unterhalb einer gewissen Entfernung vom Kniegelenk (5–8 cm) sind distale Femurfrakturen als suprakondyläre Frakturen zu bezeichnen. Moderne Stabilisierungsverfahren sind retrograde Marknägel (7 Abschn. 3.5.7) und winkelstabile Platten (LISS, Fa. Synthes; Wolter, Fa. Litos). Bei Kindern sind Minimalosteosynthesen mit Kirschner-Drähten probat.
Perkondyläre Frakturen Bei den perkondylären Frakturen macht die Gelenkbeteiligung immer eine anatomiegerechte Rekonstruktion des Kondylenmassivs nötig (vgl. Kondylenfraktur des Humerus; 7 Abschn. 3.6.4). Diese ist mit großen Zweipunktzangen möglich und lässt sich mit langen Spongiosaschrauben oder durchbohrten Schrauben fixieren (7 Abschn. 3.5.4).
. Abb. 3.175 Strahlendurchlässige Schablone zur Längen- und Dickenbestimmung des Marknagels. (Fa. Stryker Howmedica)
. Abb. 3.176 Einbohren des Führungsdrahtes in das untere Femurende für retrograden Marknagel. (Fa. Stryker Howmedica)
Die meisten perkondylären Femurfrakturen haben auch eine suprakondyläre Komponente. Deshalb ist nach der Rekonstruktion des Kondylenmassivs die Osteosynthese mit einer Platte nötig. Dafür eignen sich winkelstabile Platten (unidirektional: LISS, Fa. Synthes; multidirektional: Wolter, Fa. Litos; 7 Abschn. 3.5.6).
3.6.8
Traumatische und degenerative Knieschäden
Das Kniegelenk muss nicht nur im Sport, sondern auch im Alltag erheblichen Belastungen standhalten. Ohne jede knöcherne Führung muss es gestreckt und gebeugt stabil sein. Die komplizierte Roll- und Gleitbewegung der Femurkondylen auf dem Tibiaplateau und die sog. Schlussrotation des Unterschenkels bei der Streckung werden nur von Muskeln, Sehnen und Bändern gewährleistet. Dabei sind die Muskeln aktive/dynamische und das KapselBand-System passive/statische Komponenten. Die eine Komponente kann Mängel der anderen zumindest zeitweise und begrenzt kompensieren.
3
222
3
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
Dynamische Stabilisierung
kInstrumentarium
Die »dynamische« Stabilisierung obliegt v. a. folgenden Muskeln und Sehnenzügen: 4 M. quadriceps femoris – Patella – Lig. patellae: vorn. 4 Pes anserinus (Mm. gracilis, semitendinosus und sartorius): medial und vorn. 4 Mm. gastrocnemius und semimembranosus: dorsal. 4 M. popliteus: dorsal und lateral. 4 Tractus iliotibialis mit seiner Insertion am GerdyPunkt des Tibiakopfes: lateral. 4 M. biceps femoris mit seiner lateralen Insertion am Fibulaköpfchen.
Siehe Sprengung des Akromioklavikulargelenkes (7 Abschn. 3.6.3).
Statische Stabilisierung
kAbdeckung
Folgende Strukturen gewährleisten die »statische« Stabilisierung: 4 Mediale und laterale Retinacula der Kniescheibe. 4 Mediales Seitenband mit einem oberflächlichen und einem tiefen Anteil und dem Lig. meniscofemurale und meniscotibiale. 4 Laterales Seitenband. Beide Seitenbänder sind bei gestrecktem Kniegelenk gespannt, bei gebeugtem entspannt. 4 Menisken: Faserknorpelige Puffer, Führungshilfen und Stabilisatoren des Kniegelenkes. Ihre Basis ist mit der Gelenkkapsel und mit dem tiefen Anteil des medialen Seitenbandes verwachsen. 4 Vorderes Kreuzband. 4 Hinteres Kreuzband. Beide Bänder bestehen aus mehreren Hauptbündeln, sind halbschraubenförmig verdreht und in keiner Kniegelenkstellung ganz entspannt oder ganz gespannt.
4 Gemäß Abteilungsstandard. 4 Der betroffene Unterschenkel wird steril gewickelt.
3.6.9
Patellafraktur und Zuggurtung
Die Kniescheibe ist das größte Sesambein des Körpers. Sie bündelt die Kraft der Quadrizepsmuskulatur und überträgt sie über das Lig. patellae auf den Unterschenkel. Sie wird von den Retinacula seitlich gehalten. Frakturen sind nicht selten und müssen fast immer operiert werden. Sie sollten nicht mit Anlagevarianten (Patella bipartita) verwechselt werden. kPrinzip
Dislokation durch den Zug der Quadrizepssehne bzw. des Lig. patellae. 4 Querfraktur → durch Zuggurtung, 4 Längsfraktur → durch Verschraubung, 4 Trümmerfraktur → kombinierte Verfahren, manchmal Entfernung der Patella.
kLagerung
4 Rückenlagerung. 4 Leichte Beugung im Knie durch Unterschieben einer Polsterrolle. 4 Evtl. das gesunde Bein etwas absenken. 4 Blutsperre oder Blutleere, Dokumentation (7 Abschn. 3.4.3). 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. 4 Bildwandler und Strahlenschutz (7 Abschn. 3.4.2).
Patellafraktur 7 Hautschnitt längs über der Patellamitte. Darstellen der Fraktur und Abschieben des Gewebes vom Frakturrand (Raspatorium oder Messer). Reposition mit z. B. Patellarepositionszange (. Abb. 3.22). Verschiedene Vorgehensweisen: 7 1. Mit Hilfe einer dicken Kanüle wird ein dicker, weicher Cerclagedraht hart am Knochen unter der Quadrizepssehne um den oberen Patellapol geführt, über der Patella gekreuzt und ebenfalls hart am Knochen um den unteren Patellapol geführt. Anziehen des Drahtes mit dem Drahtspanner und Abkneifen mit dem Seitenschneider. 7 2. Dasselbe Vorgehen wie unter 1. beschrieben, jedoch mit zwei Cerclagedrähten; hierbei wird der erste tief durch die Sehne, der zweite oberflächlich durch die Sehne geführt (ohne Bildung einer Achtertour über der Patella). 7 3. Mit dem 2-mm-Bohrer werden im proximalen Patellafragment zwei parallele Bohrungen durchgeführt (. Abb. 3.177a). Dann erfolgt die Reposition mit einer Zange. Zwei Drähte werden durch die Bohrungen geführt und weiter nach distal vorgebohrt (. Abb. 3.177b). Um die 4 KirschnerDrahtenden wird der Cerclagedraht gelegt und angespannt (. Abb. 3.177c). Viele Chirurgen bevorzugen eine achtförmig gelegte Drahtcerclage. Umknicken und Versenken der proximalen Kirschner-Drahtenden. Die distalen Enden werden gekürzt und leicht versenkt. 6
223 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
7 Der seitliche Reservestreckapparat wird ggf. vernäht; Kapselnaht, Redon-Drainage, Wundverschluss. Evtl. dorsale Gipsschiene in leichter Beugestellung, oder eine ROM-Schiene (»range of motion«), die die Beweglichkeit einschränkt, oder eine Kniestabilisierungsschiene mit vorgegebenen 10° ohne Einstellungsmöglichkeiten.
Insertionsausrisse am Knie Ausrisse von Sehnenansätzen am Knochen sind weniger häufig als Sehnenrisse. Der Ausriss des Lig. patellae oder der Quadrizepssehnenausriss am Oberrand der Kniescheibe muss operiert werden. Im ersten Fall werden die Nähte durch eine sog. Rahmennaht mit Draht (McLaughlin) oder autologem Sehnenmaterial gesichert. Bei dorsolateralen Kapsel-Band-Schäden kann die Popliteussehne ausgerissen sein und sollte dann reinseriert werden.
3.6.10
a
b
Bandschäden
Seitenbandrisse Isolierte Risse des medialen Seitenbandes werden i. Allg. konservativ behandelt. Häufiger sind sie bei komplexen Kniebandschäden. Dann werden sie mit resorbierbarem Nahtmaterial der Stärke 2–0 vernäht. Reinsertionen können mit Krampen oder Schrauben fixiert werden. Unterlegscheiben mit Zackenkranz geben festen Halt. Zur Rekonstruktion von manchen Schäden der dorsolateralen Kapselschale und der tiefen Schicht vom medialen Seitenband kann es nötig sein, die knöcherne Insertion eines Seitenbandes abzumeißeln und anschließend zu refixieren.
Kreuzbandrisse Rupturen der Kreuzbänder entstehen oft im Rahmen komplexer Band-, Kapsel- und Meniskusschäden. Meistens ist das vordere Kreuzband betroffen, das dünner und verletzungsanfälliger ist als das hintere. Die Behandlung von Rupturen des hinteren Kreuzbandes ist umstritten. Klinisch lassen sich die schwerwiegenden Verletzungen am besten in Narkose (vor einer Arthroskopie oder Arthrotomie) beurteilen. Zur präoperativen Diagnostik gehört eine Magnetresonanztomographie (MRT). Bei der »klassischen« Ersatzoperation des vorderen Kreuzbandes wird ein freier Mittelstreifen aus dem Lig. patellae mit der knöchernen Insertion beider Enden verwendet. Die (halboffene) arthroskopische Technik mit der Semitendinosussehne, die weiter unten beschrieben wird, gilt als Therapie der Wahl.
c
. Abb. 3.177a–c Zuggurtungsosteosynthese bei Patellafraktur. (Nach Müller et al. 1992). Achtförmige Cerclagen können an den Seiten nicht abrutschen
kZusatzinstrumentarium
4 4 4 4 4 4
Kirschner-Drähte, Drahtfänger, Drahtgabeln, durchbohrte Spiralbohrer oder Hohlbohrer, Zielgeräte für die transossären Bohrungen, Isometriemessgeräte, Tensiometer, Nahtbänkchen, Interferenzschrauben aus Titan oder resorbierbarem Material, 4 Krampen, 4 feine oszillierende Säge, 4 Meißel und Luer.
3
224
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
Vordere Kreuzbandersatzplastik mit einem freien Streifen aus dem Lig. patellae
3
a
7 Knapp medial der Kniescheibenspitze erfolgt die Hautinzision von der Spitze der Kniescheibe bis zur Tuberositas tibiae (ca. 5 cm). 7 Darstellung des Lig. patellae. Abmessen der Breite von ca. 1 cm des mittleren Drittels der Kniescheibensehne. Heraussägen von Knochenblöckchen von etwa 1 cm Breite und 1,5 cm Länge aus der Patellaspitze und der Tuberositas tibiae. Vor dem vollständigen Herausmeißeln der Knochenblöckchen wird in diese je eine Bohrung von 2 mm Durchmesser eingebracht. Im Anschluss Herausmeißeln der Knochenblöckchen und Gewinnung des Transplantates. 7 Mit Hilfe der Bohrhülsen können die Transplantate zugerichtet werden. Der Durchmesser der Bohrung kann für den tibialen und femoralen Kanal bestimmt werden. Die Knochenblöckchen können durch die eingebrachten Bohrungen mit kräftigen Mersilenefäden oder dünnem Draht armiert werden (. Abb. 3.178). Das Transplantat wird feucht eingelegt.
3.6.11
Arthroskopische Kniechirurgie
Arthroskopische Kniegelenkoperationen
b . Abb. 3.178a, b Vordere Kreuzbandplastik. a Freies Transplantat, b Bohrung durch den lateralen Femurkondylus über einen Kirschner-Draht
kLagerung
4 Rückenlagerung. 4 Das verletzte Knie wird in Kreuzbandhalterung (»leg holder«) gelagert, sodass das Kniegelenk um 100– 110° gebeugt werden kann. 4 Eine Blutsperrenmanschette wird möglichst hoch am Oberschenkel angelegt (7 Abschn. 3.4.3). 4 Die Neutralelektrode wird am anderen Oberschenkel nach Vorschrift fixiert. kAbdeckung
4 Gemäß Abteilungsstandard. 4 Der Unterschenkel wird steril gewickelt.
1. Operation an den Menisken – Partielle und subtotale Meniskektomie medial und lateral – Meniskusrefixationen medial und lateral 2. Operationen am Gelenkknorpel – Entfernung loser Knorpelanteile – Refixationen osteochondraler Fragmente o Kleinfragmentschraube durchbohrt, resorbierbares Material (Ethipin) – Pridiebohrungen o 1,2-mm-Kirschner-Draht – Abrasionschondroplastiken o Kugelfräse – Knorpel-Knochen-Plastiken o Verpflanzung gesunder Knorpel- und Knochenzylinder aus nichtbelasteten Anteilen des Kniegelenkes in zerstörte Gebiete mit Hohlfräsen 3. Operationen an der Gelenkinnenhaut – Synovialisbiopsie – subtotale Synovialektomie – Resektion der Plica mediopatellaris – Zottenresektionen 6
225 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
4. Operationen am Hoffa-Fettkörper – Teilentfernung des Hoffa-Fettkörpers 5. Bandoperationen – Ersatz des vorderen Kreuzbandes (Lig. patellae, Semitendinosus) – Hintere Kreuzbandersatzoperationen 6. Operationen im Femoropatellargelenk – Laterale Retinakulotomie bei Patellafehlgleiten – Naht des medialen Retinakulums in Verbindung mit einer lateralen Retinakulotomie bei frischen, rezidivierenden oder habituellen Patellaluxationen 7. Frakturen im Bereich des Kniegelenks – Refixation ausgesprengter osteochondraler Fragmente o durchbohrte Kleinfragmentschraube, PDS-Stifte (Ethipin) – Bestimmte Formen der Tibiakopfbrüche o durchbohrte Großfragmentschraube
kInstrumentarium
4 4 4 4 4
Geringes Grundinstrumentarium (Stichskalpell), arthroskopisches Spezialinstrumentarium, Kamerabezug, Spül-, Saugsystem, Bereitstellung eines Turmes mit dem technischen Equipment für eine Arthroskopie.
kLagerung
Arthroskopische Operationen können je nach Erfordernis in den folgenden Positionen durchgeführt werden: 4 Rückenlage mit einer eine Handbreit oberhalb des Knies angebrachten lateralen Stütze, 4 mit hängendem Knie auf einer abgepolsterten Knierolle. 4 Lagerung in einer Arthroskopiehalterung (. Abb. 3.179). 4 Anbringen einer Blutsperre am Oberschenkel (7 Abschn. 3.4.3). 4 Anbringen der Neutralelektrode nach Vorschrift. 4 Bereitstellung und Überprüfung der Geräte auf Funktionstüchtigkeit: Kaltlichtquelle, Videoanlage, Shaver, Spülsystem etc. kAbdeckung
4 Gemäß Abteilungsstandard. 4 Der Unterschenkel wird steril gewickelt.
Meniskusschäden Meniskusschäden können traumatischer und/oder degenerativer Natur sein. Sie treten akut (Blockade, Erguss) oder chronisch auf. Meniskusschäden sind medial oder
. Abb. 3.179 Rückenlagerung, Abklappen des unteren Segmentes der Beinplatte. Fixierung des Oberschenkels in einem Kniehalter. Blutsperre als Polsterung gegen den Druck des Kniehalters. (Aus Krettek u. Aschemann 2005)
lateral lokalisiert, betreffen Vorderhorn, Pars intermedia oder Hinterhorn und reichen von randlichen degenerativen Veränderungen bis zu kapsulären Ausrissen. Meniskusschäden können isoliert oder in Kombination als Korbhenkel-, Lappen- oder Radiärriss auftreten. Der Rupturverlauf kann horizontal sein; es können komplette oder auf der Ober- oder Unterfläche inkomplett verlaufende Längsrisse vorkommen. Von großer Bedeutung sind degenerative Veränderungen der Menisken, die von randlichen Auffaserungen bis zur Zerstörung des gesamten Gewebes reichen. Meniskusschäden werden fast ausschließlich arthroskopisch behandelt. Grundsätzlich stehen für die Behandlung von Meniskusläsionen die Resektion und die Refixation zur Verfügung. Ein spezielles Instrumentarium für die Meniskuschirurgie ist notwendig. kInstrumentarium
Instrumentarium für resezierende Verfahren: 4 Korbschneider, 4 Meniskotome, 4 Punches, 4 Shaver, 4 Arthroresektoren, 4 Laser. Instrumentarium für die Meniskusrefixation: 4 Nahtkanülen oder 4 sog. T-Fix (Fa. Smith & Nephew) in Inside-in-, Outside-in- oder Inside-out-Technik.
3
226
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
Meniskusoperation
3
7 Anterolaterale Stichinzision knapp neben der Kniescheibenspitze. 7 Bei um ca. 70° gebeugtem Knie wird die Schleuse unter leicht drehenden Bewegungen in Richtung auf das vordere Kreuzband auf geradem Wege in das Kniegelenk eingebracht. Nach Durchstoßen der Synovialis wird das Kniegelenk vorsichtig gestreckt und der Trokar in den oberen medialen Rezessus vorgeschoben. Entfernung des stumpfen Trokars aus der Schleuse, Einsetzen der Kamera mit Kaltlichtkabel. An den beiden Hähnen werden der Zulauf für die Spülflüssigkeit und die Saugung angeschlossen. 7 Über eine zweite suprameniskale mediale Stichinzision mit genauer Platzierung durch Kanülensondierung wird der Tasthaken in das Gelenk eingebracht. 7 Es folgt die diagnostische Inspektion: im oberen Rezessus beginnend über das Femoropatellargelenk, die mediale Gelenkkapsel in das mediale Kompartment. Bei gebeugtem Knie gelangt man mit dem Arthroskop in den dorsomedialen Rezessus zur Beurteilung des Innenmeniskushinterhorns sowie der dorsomedialen Gelenkkapsel. Nach Inspektion und Beurteilung der Kreuzbänder sowie der Plica infrapatellaris erfolgt nach Umlagerung des Kniegelenkes in die sog. Viererposition die Beurteilung des lateralen Kompartments sowie des dorsolateralen Rezessus. Die Beurteilung der lateralen Gelenkkapsel schließt die Untersuchung ab. 7 Über den suprameniskalen medialen Zugang ist der größte Teil der im Gelenk notwendigen operativen Eingriffe möglich. Dies betrifft insbesondere Operationen am Innenmeniskus. 7 Einlegen einer intraartikulären Redon-Drainage nach Bedarf. Hautnähte der Stichinzisionen, steriler Verband.
Ersatz des vorderen Kreuzbandes Vordere Kreuzbandersatzplastik in Semitendinosus-Technik 7 Über eine etwa 2 cm lange Hautinzision fingerbreit medial der Tuberositas tibiae wird die Semitendinosussehne aufgesucht. Nach Anschlingen der Sehne wird diese von den umgebenden Sehnen, insbesondere vom Pes anserinus, gelöst. 6
7 Ein Ringstripper (7 Abb. 4.13) wird auf der Sehne weit nach proximal vorgeschoben, bis die Sehne am Muskelansatz gelöst werden kann. Am Tibiakopf wird die Sehne mit einem feinen Periostlappen abgelöst. 7 Die Semitendinosussehne wird möglichst vierfach gelegt und auf einer Nahtbank fixiert. In einer speziellen Nahttechnik werden beide Sehnenenden mit beschichteten Polyesterfäden (z. B. Ethibond, Fa. Ethicon) vernäht und die Fäden lang gelassen. Ist der recht aufwändige Nahtvorgang abgeschlossen, erfolgt über ca. 30 min das Vorspannen des Semitendinosustransplantates auf der Nahtbank. 7 Über einen anterolateralen Zugang wird das Arthroskop in das Gelenk eingeführt. Die Fossa intercondylica wird dargestellt. Noch evtl. vorhandenes Narbengewebe oder Kreuzbandmaterial wird aus der Fossa intercondylica entfernt und die Notchplastik durchgeführt, die den Innenraum des Knies erweitert. 7 Unter arthroskopischer Kontrolle wird ein Zielgerät zur Einbringung des tibialen Kirschner-Drahtes platziert. Der Kirschner-Draht wird in 45° aufsteigendem Winkel vom Schienbeinkopf in das Zentrum des Ansatzes des ehemaligen vorderen Kreuzbandes eingebracht. Überbohren des Kirschner-Drahtes mit flexiblen Bohrern bis 8 mm Durchmesser. 7 Über den tibialen Bohrkanal wird eine zweite Ziellehre in das Gelenk vorgeschoben. Platzierung des Zielgerätes zur Bestimmung des isometrischen Punktes. Einbringung eines Nahtankers in das Zentrum des isometrischen Punktes und Bestimmung der Isometrie. Sind die isometrischen Verhältnisse gut, wird ein 2,5-mm-Kirschner-Draht durch den tibialen Bohrkanal in das Femur eingebohrt und perkutan anterolateral am Oberschenkel herausgeleitet. Der Kirschner-Draht wird mit einem Spezialbohrer überbohrt, nachdem zuvor der Durchmesser am Transplantat bestimmt worden ist. Auch die Länge des einzubringenden Bohrkanals muss am Transplantat und seinen Verankerungsnähten bestimmt werden. 7 Der proximale Sehnenanteil wird mit einem Nahtplättchen (Endobutton, Fa. Ethicon) versehen. Unter arthroskopischer Sicht wird die Semitendinosusplastik über die zuvor angelegten Bohrkanäle in das Gelenk eingezogen. Der Endobutton wird durch Zug an den beiden Fäden verkippt, sodass 6
227 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
er flach auf dem Femur zu liegen kommt. Entfernung der beiden Fäden. Im Anschluss wird über ein Tensiometer eine ausreichende Spannung des Transplantats und seiner Verankerung am Schienbeinkopf mit einem Nahtkopf erreicht. 7 Über das Arthroskop wird eine Drainage in das Kniegelenk eingeführt. Es erfolgt der schichtweise Wundverschluss.
3.6.12
Knieendoprothese
Implantation Bei der Vielzahl von Knieendoprothesen können gekoppelte, teilgekoppelte und ungekoppelte Modelle unterschieden werden, die ganz oder teilweise zementiert oder zementfrei eingesetzt werden können. Zwar hat sich der ungekoppelte und teilgekoppelte bikondyläre Oberflächenersatz weltweit durchgesetzt, jedoch haben gekoppelte Endoprothesen nach wie vor ihre Bedeutung bei rheumatischen Deformitäten und instabilen Gelenken. Einige Endoprothesen ermöglichen die sog. Schlussrotation des Kniegelenkes, indem sie ein drehfähiges Inlay auf dem Tibiakopf haben. Eine der weltweit am häufigsten eingebauten Knieendoprothesen zeigt . Abb. 3.180.
a
kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium, 4 allgemeines Knocheninstrumentarium, 4 Knieendoprothesenspezialinstrumentarium (jede Firma bietet für ihr System das entsprechende Instrumentarium an), 4 Knieinstrumente, 4 oszillierende Säge, 4 evtl. Knochenzement (7 Abschn. 3.4.4). kLagerung
4 Rückenlage, 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift, 4 Blutsperre (7 Abschn. 3.4.3). kAbdeckung
4 Gemäß Abteilungsstandard. 4 Handschuhabdeckung mit Kompresse über den Zehen; die zuverlässige Beurteilung der Tibiaachse muss möglich sein.
b
. Abb. 3.180 Knieendoprothese. a Eine der weltweit am häufigsten eingebauten Knieendoprothesen (Sigma PFC). Bei einem solchen bikondylären Oberflächenersatz wird wenig Knochen reseziert. In dieser Variante wird auch das hintere Kreuzband entfernt; das Inlay »substituiert« es. b Das gleiche System mit modularen Ergänzungen, die bei Wechseloperationen gebraucht werden: Zementfreie Schäfte geben mehr Stabilität in der Markhöhle von Femur und Tibia, Augmentationen gleichen Knochendefekte am unteren Femurende und am Tibiaplateau aus. (Fa. DePuy)
3
228
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
Implantation einer Knieendoprothese
3
7 Streckseitiger Mittelschnitt und Arthrotomie von medial. 7 Umkippen der Kniescheibe nach lateral und maximal mögliche Kniebeugung. Mit Fasszange und Messer werden die Menisken und das vordere Kreuzband reseziert. 7 Mit einem breiten Hohlmeißel und einem schmalen geraden Meißel wird die osteophytäre Notch (Kerbe) entfernt und ein Zugang zur Markhöhle des Femurs ermöglicht. 7 Die bei allen Prothesenmodellen übliche lange Ausrichtstange wird tief in das Femur eingeführt und hält verschiedene Abkantblöcke an der Unter- und Vorderseite der Femurkondylen (. Abb. 3.181a). Dadurch wird eine winkelgerechte Resektion von der Unterseite der Femurkondylen möglich. Auf diese Resektionsfläche werden weitere Abkantblöcke aufgesetzt, über die größengerechte Schnittflächen für die betreffende Prothese exakt gesägt werden können (. Abb. 3.181b). Zur Überprüfung wird ein Probeimplantat aufgesetzt. 7 Bei der Zurichtung des Tibiaplateaus kommt es entscheidend auf die Längsachse des Unterschenkels an; denn rechtwinklig zu ihr wird das Tibiaplateau reseziert (. Abb. 3.181c). Bei den meisten Prothesen dienen dazu externe Stangensysteme, die in der Mitte des Tibiaplateaus (in der Eminentia intercondylica) eingehakt und oberhalb vom Sprunggelenk mit einer großen Klammer gehalten werden. Die einsteckbaren Ausrichtstangen sollten auf die Basis des 2. Mittelfußknochens zeigen. Wenn das hintere Kreuzband erhalten werden soll, wird die tibiale Insertion mit einem schmalen geraden Meißel von vorn geschützt. Über den an der Vorderseite des Schienbeinkopfes montierten Sägeblock kann nun das mediale und laterale Tibiaplateau mit Säge und breitem Meißel reseziert werden. Dabei sollte der Oberschenkel von einem Assistenten manuell oder mit einer Haltestange im Femur hochgezogen werden. Größenbestimmung des tibialen Implantats und Probereposition mit Inlay (. Abb. 3.181d). 7 Wenn die Beinachse gerade, das Knie voll streckbar und die Seitenstabilität gut und gleich ist, werden die Probeimplantate herausgenommen, und der Tibiakopf wird zur Aufnahme des definitiven Implantats vorbereitet. Dazu dienen bei vielen Prothesen großkalibrige Zapfen und Antirotationslamellen an der Unterseite der tibialen Pro6
these. Fast alle Tibiaplateaus werden einzementiert, üblicherweise mit zweiseitigem Knochenzement auf dem Plateau und an der Unterseite der Prothese. 7 Das femorale Prothesenschild kann zementfrei aufgeschlagen werden; besonders beim resezierten hinteren Kreuzband ist aber die zweiseitige Zementierung erforderlich. Reposition des Gelenkes mit einem Probeinlay, dann mit einem passgerechten definitiven Inlay. 7 Wenn ein Gelenkflächenersatz der Kniescheibe nötig ist, wird zunächst die Dicke der Patella bestimmt und größengerecht reseziert. Die randständige Synovialis und die Osteophyten werden mit Messer und Luer-Zange abgetragen. Das entsprechende PE-Implantat wird ebenfalls zweiseitig aufzementiert und mit einer Zange unter Druck gehalten. 7 Öffnung der Blutsperre, 2 Redon-Drainagen, Verschluss der Arthrotomie. Subkutane Redon-Drainage, Subkutan- und Hautnähte, steriler, evtl. mit Watte gepolsteter Verband und Wickelung des Beines mit elastischer Binde.
3.6.13
Frakturen und Deformitäten des Unterschenkels und des Sprunggelenkes
Tibiakopffrakturen Frakturen des Tibiakopfes betreffen fast immer das Gelenk. Dabei ist das mediale und/oder laterale Tibiaplateau in der Mitte des Kniegelenkes in der Längsrichtung abgebrochen, nach unten verschoben und manchmal auch in sich gesprengt. Diese Brüche verlangen eine möglichst exakte und stabile Rekonstruktion, weil sonst sekundäre Instabilitäten und arthrotische Zerstörungen der Gelenkflächen zwangsläufig folgen. Eine zuverlässige Beurteilung des Tibiaplateaus ist nur auf Röntgenschichtaufnahmen (Tomographien) oder im CT möglich. Handelt es sich um einfache Frakturen ohne Impressionen/Verschiebungen, genügen Verschraubungen mit langen Spongiosaschrauben oder durchbohrten Schrauben. Ansonsten muss das betreffende Tibiaplateau durch ein Kortikalisfenster aufgestößelt und mit körpereigenem Knochen unterfüttert werden (Spongiosaentnahme 7 Abschn. 3.6.2). Dann muss das reponierte Tibiaplateau mit 1 oder 2 Abstützplatten in Form eines (T oder) L abgefangen werden.
229 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
c
a
b . Abb. 3.181 Implantation einer Knieendoprothese. a Untere Resektion der Femurkondylen über intramedullär ausgerichtete Sägeschablone. b Vordere und hintere Kondylenresektion mit schrägem Abkanten über einen Block. c Die tibiale Resektionsschablone wird (meistens extramedullär) quer zur Unterschenkelachse ausgerichtet
d und in der Höhe so platziert, dass beide Gelenkflächen des Tibiaplateaus reseziert werden können. d Nach der vorderen und hinteren Resektion der Femurkondylen und des Tibiaplateaus wird die Größe des tibialen Prothesenteils mit Schablonen bestimmt. (Fa. DePuy)
Versorgungen 4 Spaltbruch oder Meißelbruch ohne Gelenkimpression und Plateauverbreiterung: 5 Schraubenosteosynthese mit StandardfragmentSpongiosaschrauben (Lochschrauben). 4 Impressionsfraktur: 5 Anheben der Gelenkfläche mit gebogenem Spongiosastößel, 5 autologe Spongiosaunterfütterung oder Ersatzmaterial (z. B. Endobone). 5 zusätzlich Abstützplatte. 4 Bikondyläre Fraktur: 5 laterale Abstützung durch eine Platte,
5 medial Stabilisierung durch eine schmale DC-Platte: Doppelplattenosteosynthese. kInstrumentarium
4 4 4 4
Grundinstrumentarium, Knochengrundinstrumentarium, evtl. Meniskusinstrumentarium, spezielle Häkchen, Instrumente zur Spongiosaentnahme und -anlage (7 Abschn. 3.6.2): Meißel, Löffel, Hammer, Stößel (. Abb. 3.129), 4 Standardfragment (Schrauben 7 Abschn. 3.5.4, Platten 7 Abschn. 3.5.5), 4 evtl. Repositionszangen,
3
230
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
4 Bohrmaschine, 4 Kirschner-Drähte, 4 evtl. Schränkeisen. kLagerung
4 Rückenlagerung, 4 leichte Beugung im Knie durch Unterschiebung einer Polsterrolle/Kniestütze, 4 evtl. das gesunde Bein etwas absenken, 4 Anlegen der Blutsperre (7 Abschn. 3.4.3), 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift, 4 Bildwandler und Strahlenschutz (7 Abschn. 3.4.2).
3
kAbdeckung a
4 Gemäß Abteilungsstandard. 4 Der betroffene Unterschenkel wird steril gewickelt. 4 Falls eine Spongiosaentnahme erforderlich ist, muss ein vorderer Beckenkamm bei der Abdeckung frei bleiben. kZugänge
4 Lateraler Zugang, 4 medialer Zugang, 4 bilateraler (mediale DC-Platte) Zugang. > Der Mindestabstand zwischen den beiden parapatellaren Zugängen muss 5–6 cm betragen, um die Durchblutung nicht zu gefährden.
Laterale Tibiakopffraktur b
c . Abb. 3.182 Tibiakopffraktur. a Erstellen des Kortikalisfensters, b Anheben der Gelenkfläche mit Stößel, c Abstützplatte. (Nach Müller et al. 1992/1997)
7 Freilegen des lateralen Tibiakopfes: laterale parapatellare Hautinzision, Spaltung der Faszie in Längsrichtung, Inzision des Tractus iliotibialis bis zum oberen Wundwinkel. Abschieben der Muskulatur und Einsetzen eines Hohmann-Hebels nach lateral. Quere Eröffnung des Gelenkes unterhalb des Außenmeniskus. Ein Saum sollte am Tibiakopf stehen bleiben, um den Meniskus später wieder anheften zu können. Anheben des Meniskus mit einem Langenbeck-Haken. Nach medial werden, ebenfalls mit einem Haken, das Lig. patellae und der Hoffa-Fettkörper weggehalten. 7 Bei einer Meißelfraktur mit einer abgesunkenen Plateauhälfte werden zunächst Kirschner-Drähte vorgebohrt, mit denen die Gelenkfläche angehoben und korrekt eingestellt werden kann. Die Osteosynthese erfolgt dann mit 2 Spongiosaschrauben mit Unterlegscheiben oder besser mit einer Abstützplatte. 7 Vorbereiten eines 1 × 1 cm großen Kortikalisfensters an der Außenseite der proximalen Tibia mit 6
231 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
7 7 7
7
7
einem Flachmeißel und einem Hammer (. Abb. 3.182). Durch diese Öffnung wird mit einem Stößel die Gelenkfläche angehoben (s. . Abb. 3.182). Auffüllen des Tibiakopfdefektes mit der zuvor entnommenen Spongiosa (7 Abschn. 3.6.2). Anbringen einer Spongiosaabstützplatte. Besetzen der Plattenkopflöcher mit 6,5-mm-Spongiosaschrauben: 3,2-mm-Spiralbohrer mit Gewebeschutz; Messen; Schraube mit entsprechend langem Gewinde. Im Plattenschaft werden vorwiegend 4,5-mm-Kortikalisschrauben benötigt: 3,2-mm-Spiralbohrer mit Gewebeschutz; Messen; 4,5-mm-Gewindeschneider mit Gewebeschutz; Schraube (. Abb. 3.182). Nun erfolgt, wenn erforderlich, die Rekonstruktion des Kapsel-Band-Apparates, Refixation des Meniskus. Einlegen von Redon-Drainagen; Gelenkkapselverschluss; weiterer schichtweiser Wundverschluss. Anlegen einer abnehmbaren Knieschiene.
Umstellung des Tibiakopfes Valgisierende Umstellungsosteotomie (Coventry) kIndikationen
4 Varusgonarthrose, mediale Meniskopathie, 4 Genu varum (O-Bein) verschiedener Ursachen bei Erwachsenen. kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium, 4 Knochengrundinstrumentarium 4 oszillierende Säge mit großem und kleinem Sägeblatt, 4 Bohrmaschine und 2,0-mm-Bohrer, 4 Kirschner-Drähte, 4 Coventry-Klammern mit Fasszange und Einschlaginstrument, 4 PDS-Kordel mit Drahtenden. kLagerung
4 Rückenlagerung. 4 Gelrolle unter dem Oberschenkel, damit die Gefäße und die Nerven der Kniekehle nicht während der OP an die Rückseite des Tibiakopfes gedrückt werden. 4 Anlagen der Neutralelektrode nach Vorschrift. 4 Anlegen der Blutsperre (7 Abschn. 3.4.3). kAbdeckung
4 Gemäß Abteilungsstandard. 4 Der betroffene Unterschenkel wird steril gewickelt.
7 1 8 2 9
3
10
4 6 5
. Abb. 3.183 Instrumentarium: 1 = stumpfer Hohmann-Hebel, der zwischen Tibiakopf und Ligamentum patellae eingesetzt wird und den ventromedialen Tibiakopf umfährt; 2 = stumpfer Hohmann-Hebel, der an der Dorsalseite des Tibiakopfes verwendet wird; 3 = Dreikantahle zum Vorbohren der Klammereintrittspunkte; 4 = stumpfer Einzinkerhaken zum Herausziehen des Zuggurtungsfadens an der Dorsalseite der Fibula; 5 = Stufenklammer; 6 = Blount´sche Epiphysenklammer; 7 = Universalanlegezange mit Spannvorrichtung zum Einschlagen der Klammer; 8 = schlanker Luer zur Entfernung des Fibulazylinders und der dorsalen Reste des Korrekturkeils; 9 = langer Trennmeißel zur Durchtrennung der medialen Tibiakopfkortikalis; 10 = Einschlaginstrument zum Nachschlagen der Klammern nach Entfernung der Universalanlegezange. (Aus Blauth et al. 1993)
Valgisierende Umstellungsosteotomie des Tibiakopfes 7 Hautschnitt ca. 15 cm an der Außenkante vom Kniegelenk und Schienbeinkopf. Der N. peronaeus kann hinter der lateralen Bizepssehne aufgesucht und angeschlungen werden. Ablösung des M. tibialis anterior vom Außenrand der Insertion des Lig. patellae über die Außenseite des Tibiakopfes bis zur Vorderseite des oberen Fibulaendes mit geradem Raspatorium. 7 Fibulateilentnahme: Mit einem gebogenen Raspatorium wird das subkapitale Fibulastück, das mit stumpfen Hohmann-Hebeln eingestellt ist, streng subperiostal umfahren. Während die Muskulatur mit einem großen Langenbeck-Haken nach unten weggehalten wird, wird ein 3–5 mm breites Stück aus der Fibula herausgesägt. Durch das freie obere Ende des Fibulaschaftes wird ein 2,0-mm-Loch gebohrt, durch das eine PDS-Kordel mit Drahtenden gezogen wird. 7 Osteotomie: Streng subperiostale Umfahrung der Rückseite vom Tibiakopf mit gebogenem Raspatorium und stumpfen Hohmann-Hebeln. Umfahrung der Vorderseite vom kniegelenknahen Schienbeinkopf mit gebogenem Raspatorium, so nahe wie möglich am Oberrand der Tuberositas 6
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Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
an der Außenseite des Tibiakopfes mit einem geraden Pfriem vorgebohrt werden (. Abb. 3.184). 7 Die PDS-Kordel der Fibula wird um die Ansatzstelle des lateralen Seitenbandes herumgeführt und verknotet. 7 Redon-Drainage über dem Tibiakopf, Öffnen der Blutsperre, Blutstillung, Refixation des abgelösten M. tibialis anterior, Subkutan- und Hautnaht. Steriler Verband. Anlage einer einfachen Orthese, z. B. Mekronschiene.
3
3.6.14
. Abb. 3.184 Umstellungsosteotomie des Tibiakopfes. (Nach Blauth u. Schuchardt 1986)
tibiae. Einsetzen eines stumpfen, evtl. geschwungenen Hohmann-Hebels. Markierung des medialen Kniegelenkspaltes mit feinem dünnem KirschnerDraht. 1–1,5 cm unter diesem Kirschner-Draht, aber oberhalb der unteren Ansatzstelle des medialen Seitenbandes endet die leicht ansteigende Osteotomie mit dem großen Sägeblatt. In den Osteotomiespalt wird ein loses Sägeblatt oder ein langer Meißel eingelegt. Damit wird die Orientierung erleichtert und die obere Osteotomiefläche gesichert, wenn der lateralbasige Keil herausgesägt wird. Er soll nur zwei Drittel bis drei Viertel der Osteotomiebreite betragen (mediale Aufklappung, kürzere Kantenlänge). Kontrolle, ggf. Komplettierung der ersten Osteotomieebene mit langem Meißel. 7 Valgisierendes Umstellungsmanöver: Die Fibula wird mit der PDS-Kordel so geführt, dass das obere Schaftende in die Unterseite des Köpfchens einstaucht. Mit einer speziellen Fasszange wird eine stufenlose Klammer von vorn über die Osteotomie eingeschlagen. Eine passende Stufenklammer wird von lateral in der Frontalebene eingeschlagen; dabei muss an der Innenseite des Tibiakopfes gegengehalten und die harte Kortikalis 6
Unterschenkel
Proximale Schaftfrakturen, Trümmer- und Etagenbrüche des mittleren und manchmal auch des distalen Drittels der Tibia lassen sich mit Verriegelungsnägeln stabilisieren. Beträgt der Abstand vom unteren Ende der Tibiafraktur zum oberen Sprunggelenk weniger als 5 cm, ist die Marknagelung kaum noch möglich. Bei der in diesem Skelettabschnitt ohnehin kritischen Blutversorgung sind offene Osteosynthesen problematisch, sodass man nach Möglichkeit bei einer konservativen Frakturbehandlung oder Marknagelung bleibt. In schwierigen Fällen kann man auf äußere Spanngeräte (Fixateur externe; 7 Abschn. 3.5.11) zurückgreifen.
Marknagelung der Tibia Zu den Operationsstandards (Instrumente, Lagerung und Abdeckung) bei Marknagelungen bei der Tibiamarknagelung 7 Abschn. 3.6.6 (retrograde Femurnägel) und . Abb. 3.185. Tibiamarknagelung 7 Auf dem Extensionstisch exakte Reposition in 2 Ebenen. Eine Kalkaneusextension hat zwar Vorteile (drehstabile Reposition), erschwert aber die Bildwandlerkontrolle und die distale Verriegelung des Nagels. 7 Desinfektion der Haut und anschließende Abdeckung. 7 Hautschnitt zwischen der Tuberositas tibiae und dem Kniescheibenunterrand medial des Lig. patellae. 7 Einsetzen eines Wundsperrers. 7 Eröffnen des Markraums mit dem großen Pfriem. 7 Einbringen des Führungsspießes mit Knopfende. 7 Aufbohren des Markraums mit den flexiblen Bohrwellen. 6
233 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
7 Über das Teflonrohr wird der Führungsspieß gewechselt. 7 Nagellängenbestimmung. 7 Mit Hilfe des Einschlaggerätes wird der Nagel vorgetrieben (. Abb. 3.186). 7 Nachlassen der Extension. Entfernung des Spießes. 7 Der Nagel soll proximal mit der Tibiavorderkante abschließen und distal ca. 1 cm über dem Sprunggelenk enden.
Proximale Verriegelung 7 Proximal sollte nur quer oder schräg verriegelt werden, denn in der sagittalen Richtung droht die Verletzung der A. poplitea (. Abb. 3.187). 7 Stichinzision der Haut; durch das Zielgerät Einbringen der Führungshülse; mit dem kleinen Pfriem wird die Kortikalis angekörnt; beide Kortikales werden mit dem 3,5-mm-Spiralbohrer durchbohrt; Erweitern der ersten Kortikalis mit dem 5-mm-Spiralbohrer (erleichtert das Schraubeneindrehen); Messen der Schraubenlänge, Einbringen der selbstschneidenden Schraube mit T-Schraubendreher.
. Abb. 3.185 Lagerung für Tibiamarknagel. Der gebrochene Unterschenkel kann von der Kniestütze frei herabhängen. Das gesunde Bein wird hoch gelagert und im Hüftgelenk so weit wie möglich gebeugt
Distale Verriegelung 7 Die beiden distalen Schrauben werden unter Bildwandlerkontrolle von medial eingebracht. Das Vorgehen gleicht der proximalen Verriegelung: – Hautverschluss der Inzisionsstellen, – Verband, – Entfernen der Drahtextension, – abschließende Röntgendokumentation.
Pilonfrakturen Distale Unterschenkelfrakturen mit Gelenkbeteiligung der Tibia sind sog. Pilon-Tibial-Frakturen (. Abb. 3.188). Hinsichtlich des Unfallmechanismus und der Behandlung sind diese Frakturen streng von den (häufigen) Frakturen des oberen Sprunggelenkes zu unterscheiden. Da sich alle operativen Behandlungen als komplikationsträchtig erwiesen haben, neigt man heute zu mehrschrittigen Behandlungen. Dabei spielen die äußeren Spanner die größte Rolle. Rekonstruktionen werden i. d. R. zwei- oder dreischrittig vollzogen, wenn durch konservative oder halbkonservative Maßnahmen die Weichteile konsolidiert sind. 4 Drittelrohrplatte an die Fibula, Pilonplatte (7 Abschn. 3.5.5 mit distalen Spongiosa- und proximalen Kortikalisschrauben an die Tibia (. Abb. 3.189).
. Abb. 3.186 Einschlag eines Tibiamarknagels über Führungsdraht. (Fa. Stryker Howmedica)
4 Besonders bei offenen und verunreinigten Frakturen sind vorsichtige Kompromisslösungen anzustreben: 5 gelenkübergreifender Fixateur externe, 5 perkutane Schrauben, 5 Kirschner-Drähte. Alternativ kann die Fraktur mit einer Platte und einem Ringfixateur (Hybridfixateur) stabilisiert werden.
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234
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
Entscheidend ist die Einstellung der Fibula in die Rinne an der Außenseite der Tibia (Incisura tibiae). Gelingt sie nicht perfekt, heilt die Syndesmose (und die Membrana interossea) nicht. Die Knöchelgabel klafft. Hier ist die Computertomographie vor und nach der Operation sinnvoll. Die hintere Syndesmose inseriert am sog. VolkmannDreieck. Wenn es nach oben disloziert und genügend groß (über ein Fünftel der tibialen Gelenkfläche) ist, sollte es reponiert und fixiert werden. Die Diagnose einer Maisonneuve-Fraktur ist schwierig. Auf den üblichen Röntgenaufnahmen ist die Fraktur, wie auch die geweitete Syndesmose, nicht zu sehen. Jedoch schmerzt dann ein Fingerdruck auf das obere Fibulaende und weist auf die hohe, subkapitale Fibulafraktur hin.
3
. Abb. 3.187 Proximale Verriegelung des Tibianagels mit Zielgerät. (Fa. Stryker Howmedica)
kPrinzip
4 Fibula: 5 Außenknöchelspitze (unter der Syndesmose): Zuggurtung. 5 Fibula: Drittelrohrplatte (bei sehr langen Frakturen zwei überlappende Platten). 4 Syndesmose: 5 Stellschraube (s. unten) und 5 Naht. 4 Innenknöchel: 5 Zwei Spongiosaschrauben mit Kurzgewinde, Lochschrauben oder 5 Zuggurtung mit Pfeilerschraube. 5 Naht des Deltabandes, wenn der mediale Gelenkspalt bei Durchleuchtung aufklappbar ist. 4 Hinteres Volkmann-Dreieck: 5 Reposition von medial (Einzinker), 5 perkutane Lochschraube mit Unterlegscheibe von vorn. 4 Maisonneuve-Fraktur: 5 nur Stellschraube. Operationsbeispiel bei Fraktur des OSG
. Abb. 3.188 Pilon-Tibial-Fraktur. (Nach Heberer et al. 1993)
3.6.15
Oberes Sprunggelenk
Frakturen des OSG So gut wie alle Frakturen des Außen- und Innenknöchels werden operiert, erst recht bei Luxationen des Talus. Es gibt keine bewährte und allgemein anerkannte Einteilung der OSG-Frakturen. Auch die bekanntesten von Danis und Weber haben an Geltung verloren.
7 Zum Einbringen einer Stellschraube bei Syndesmosenverletzung wird i. Allg. eine 3,5-mm-Kortikalischraube gewählt. Diese wird ca. 4–6 cm oberhalb des Gelenkes eingebracht. 7 Mit einem Bohrer Ø 2,5 mm mit Gewebeschutz werden nur die drei Kortikales durchbohrt. 7 Längenmessung o 3,5-mm-Gewindeschneider im Handgriff mit Gewebeschutz o Kleinfragmentschraubendreher mit einer 3,5-mm-Kortikalisschraube.
235 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
. Abb. 3.190 Typische Außen- und Innenknöchelfraktur des oberen Sprunggelenks
. Abb. 3.189 Pilon-Tibial-Fraktur, reponiert und stabilisiert mit Einzelschrauben, Kirschner-Draht und Platte mit winkelstabilen Schrauben
Luxationsfraktur des OSG kPrinzip
Hier soll die Fibula mit einer interfragmentären Zugschraube, einer Drittelrohrplatte (modern, aber überflüssig und teuer sind vorgeformte und winkelstabile Fibulaplatten) und der Syndesmosennaht versorgt werden. Der Innenknöchel wird mit einer Zuggurtung versorgt (. Abb. 3.190, . Abb. 3.191). Zusätzlich ist in diesem Fall eine Stellschraube notwendig.
. Abb. 3.191 Versorgung der Außen- und Innenknöchelfraktur des OSG aus . Abb. 3.190 mit Cerclage und Drittelrohrplatte an der Fibula und Zuggurtung am Innenknöchel
4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. 4 Bildwandler und Strahlenschutz (7 Abschn. 3.4.2). kAbdeckung
kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4
Feines Grundinstrumentarium, Knochengrundinstrumentarium, Drahtinstrumentarium, Bohrmaschine, Kleinfragment, evtl. Standardfragment.
kLagerung
4 Rückenlagerung, 4 flaches Kissen unter das Gesäß, damit der Außenknöchel nach vorn gedreht wird, 4 evtl. das gesunde Bein absenken. 4 Anlegen der Blutsperre (7 Abschn. 3.4.3).
4 Gemäß Abteilungsstandard. 4 Den betroffenen Fuß steril wickeln. Luxationsfraktur des OSG 7 Osteosynthese der Fibula: Hautschnitt leicht bogenförmig hinter dem Außenknöchel. 7 Darstellung der Fraktur, Einsetzen von HohmannHebeln. 7 Mit einem feinen scharfen Löffel eingeschlagene Gewebeanteile aus dem Bruchspalt entfernen. Spülung. 6
3
236
3
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
7 Stufenfreie Reposition der Fraktur und provisorische Fixation mit Repositionszangen (z. B. Repositionszange mit Spitzen). 7 Einbringen einer interfragmentären Zugschraube: mit dem 3,5-mm-Spiralbohrer und Gewebeschutz Bohren im ersten Fragment; Steckbohrbuchse; 2,5-mm-Spiralbohrer für das zweite Fragment (evtl. Kopfraumfräse); Messen; 3,5-mm-Gewindeschneider und Gewebeschutz; Eindrehen einer 3,5-mm-Kortikalisschraube. 7 Anbringen der Drittelrohrplatte: Durch Biegen mit kleinen Schränkeisen oder Plattenhaltezangen wird eine genügend lange Drittelrohrplatte dem Knochen angepasst. 7 Anschrauben der Neutralisationsplatte im kortikalen Bereich: 2,5-mm-Spiralbohrer und Gewebeschutz; Messen; 3,5-mm-Gewindeschneider und Gewebeschutz; 3,5-mm-Kortikalisschraube. 7 Im spongiösen Bereich oder bei alten, spröden Knochen: 2,5-mm-Spiralbohrer und Gewebeschutz; Messen; 4,0-mm-Spongiosaschraube. 7 Naht der vorderen Syndesmose mit feinen, resorbierbaren U-Nähten. Bei einem knöchernen Ausriss kann die Syndesmose mit einer 4,0-mm-Spongiosaschraube und Unterlegscheibe mit Spitzen transossär fixiert werden. 7 Versorgung des Innenknöchels: Hautschnitt leicht gebogen hinter dem Knöchel. 7 Die V. saphena magna wird geschont. Darstellung der Fraktur und Säubern des Frakturspaltes durch Nach-unten-Ziehen des distalen Fragments mit einem Einzinker. Entfernen von Koageln und eingeschlagenen Weichteilen. 7 Reposition mit Einzinker. 7 Zuggurtung: schräges Einbringen von 2 parallelen Kirschner-Drähten von der Innenknöchelspitze aus. Proximal der Fraktur wird eine kurze Kortikalisschraube mit Unterlegscheibe eingebracht. Um sie und die Kirschner-Drahtenden wird ein Cerclagedraht achtförmig herumgelegt. 7 Anspannen des Cerclagedrahtes mit dem Drahtspanngerät oder Verdrillen mit der Flachzange. Mit dem Seitenschneider werden der Cerclagedraht und die Kirschner-Drähte gekürzt; Umbiegen der Kirschner-Drahtenden mit der Spitzzange; Versenken der Drahtenden mit Stößel und Hammer. 7 Bildwandlerkontrolle der Osteosynthese. 7 Die Stellschraube wird dicht oberhalb des Gelenkes eingebracht. Der Bohrkanal verläuft etwas schräg durch die Fibula in die weiter ventral gele6
gene Tibia. Mit dem 2,5-mm-Spiralbohrer und Gewebeschutz werden nur 3 Kortikales durchbohrt; Messen; 3,5-mm-Gewindeschneider und Gewebeschutz; 3,5-mm-Kortikalisschraube. Die Stellschraube wird schon nach ca. 6 Wochen entfernt, um eine knöcherne Überbrückung zwischen Tibia und Fibula zu vermeiden. 7 Einlegen von Redon-Drainagen lateral und medial. 7 Wundverschluss: feine Gelenkkapselnaht; Subkutannaht; Hautnaht. 7 Wenn die Innenseite des OSG blutunterlaufen ist, ohne dass im Röntgenbild Frakturen des Innenknöchels zu erkennen sind, wird die Stabilität intraoperativ mit dem Bildwandler geprüft und ggf. durch eine Naht des Lig. deltoideum wiederhergestellt.
Chronische laterale Instabilität des OSG Bekannte und bewährte Stabilisierungsverfahren mit distal gestielter Sehne vom M. peronaeus brevis (Watson-Jones oder Evans). Bei Kindern und Jugendlichen wird ein Perioststreifen von der Außenseite der Fibulaspitze verwendet.
Arthrodese des OSG Wenn die Gelenkflächen von Tibia und Talus zerstört sind – bei Rheumakranken oder nach Frakturen und Syndesmosensprengungen –, kann die Versteifungsoperation (Arthrodese) mit dem Ziel einer dauerhaften knöchernen Durchbauung (Ankylose) sinnvoll sein. Wenn die arthrotische Zerstörung noch nicht sehr weit fortgeschritten ist, kann die arthroskopische oder offene Gelenklavage hilfreich sein und den Zeitpunkt der Arthrodese hinausschieben. Endoprothesen des OSG sind auf dem Vormarsch, aber umstritten und weniger zuverlässig als eine Arthrodese. kInstrumentarium
4 4 4 4
Grundinstrumentarium, allgemeines Knocheninstrumentarium, Instrumente zur Blockentnahme/-anlage, oszillierende Säge (Blockentnahme aus dem Beckenkamm), 4 Bohrmaschine mit Jakobs-Futter, 4 durchbohrte Schrauben mit entsprechendem Spezialinstrumentarium: 5 Führungsdraht mit Gewindespitze, 5 Bohrbüchsen, 5 Bohrer, 5 Gewindeschneider, 5 durchbohrter Schraubendreher etc.
237 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
kLagerung
4 4 4 4
Rückenlagerung auf einem Durchleuchtungstisch. Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. Anlegen der Blutsperre (7 Abschn. 3.4.3). Bildwandler und Strahlenschutz (7 Abschn. 3.4.2).
kAbdeckung
4 Gemäß Abteilungsstandard. 4 Frei bewegliche Abdeckung des Unterschenkels; steriles Wickeln oder Abkleben des Fußes. 4 Für die Entnahme eines trikortikalen Blocks muss ein vorderer Beckenkamm bei der Abdeckung frei bleiben.
Arthrodese des OSG 7 Längsschnitt über der Mitte des OSG. Nach Eröffnung des Gelenkes in Längsrichtung wird der gelenknahe Knochen von Tibia und Talus mit dem mittelgroßen geraden Raspatorium freigelegt und mit schmalen Hohmann-Hebeln und LangenbeckHaken eingestellt. 7 Mit einem mittelbreiten Osteotom (LambotteMeißel) und einem leichten Metallhammer werden die tibialen und talaren Gelenkflächen reseziert. Die Resektionsflächen sollten parallel stehen oder ganz leicht aufeinander zulaufen. Die Resektionsweite wird mit einem Messzirkel oder einem Messstab bestimmt. 7 Ein oder zwei entsprechend breite trikortikale Blöcke vom vorderen Beckenkamm derselben Seite werden passgenau in das resezierte OSG eingestößelt. 7 Um den Span zu sichern und eine anhaltende Kompression auf beiden Seiten zu gewährleisten, sollte die Arthrodese mit kanülierten/durchbohrten Schrauben gesichert werden: Unter Bildwandlerkontrolle werden die 2 oder 3 Führungsdrähte mit Gewindespitzen von der Tibia, evtl. auch von der Fibula, durch den eingefalzten Span bis in die Unterseite des Talus vorgebohrt. Mit dem 3,2-mm-Bohrer und Gewindeschneider kann der ideale Sitz von kurzgewindigen Spongiosaschrauben mit Unterlegscheibe gewährleistet werden. 7 Öffnung der Blutsperre, Verschluss beider Wunden, steriler Verband mit viel Watte und elastischer Binde.
Als Alternative gilt die arthroskopische Entknorpelung.
3.6.16
Rückfuß und unteres Sprunggelenk
Talusfrakturen Brüche des Sprungbeins sind eher selten, lassen sich aber perkutan gut reponieren. Zwei Kleinfragment-Lochschrauben mit kurzem Gewinde und Unterlegscheiben lassen sich leicht und sicher von hinten (in Bauchlage) einbringen.
Kalkaneusfrakturen Brüche des Fersenbeins sind viel häufiger als Talusfrakturen.
Arthrodese des unteren Sprunggelenkes Bei den Komplikationen und enttäuschenden Operationsergebnissen neigen noch heute viele Chirurgen zur konservativen Behandlung von Kalkaneusfrakturen. Dafür spricht, dass die Indikation von USG-Arthrodesen viel seltener ist als die »zwangsläufige« Arthroseentwicklung nach Zerstörung der kalkanearen Gelenkfläche. Winkelstabile Titanplatten und die Auffüllung der Frakturhöhle mit Spongiosa haben die Rekonstruktionsmöglichkeiten bei Kalkaneusfrakturen aber deutlich verbessert. Außer postraumatischen Arthrosen des Subtalargelenkes sind lähmungsbedingte Instabilitäten und Klumpfüße beim Erwachsenen die häufigsten Indikationen für USG-Arthrodesen. kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium, 4 allgemeines Knocheninstrumentarium, 4 Blount- oder Coventry-Klammern (. Abb. 3.183) mit Anlegezange. kLagerung
4 Seitenlage. 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. 4 Anlegen der Blutsperre (7 Abschn. 3.4.3). kAbdeckung
4 Gemäß Abteilungsstandard. 4 Freibewegliche Abdeckung des Unterschenkels. Arthrodese des USG 7 Hautschnitt von der Mitte des Fußristes an die obere Außenseite der Ferse. 7 Mit Osteotomen (Lambotte-Meißeln von 1–3 cm Breite) und einem leichten Hammer werden die Gelenkflächen von Talus und Kalkaneus reseziert. Um die Peronealsehnen nach vorn weghalten zu können, nimmt man am besten den sog. Täger-Haken. In den allermeisten Fällen muss diese subtalare Re6
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3
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
sektion und Arthrodese um die vorderen Nachbargelenke ergänzt werden, d. h. zwischen Kalkaneus und Kuboid und zwischen Talus und Naviculare. 7 Wenn sich der Vorfuß in eine plantigrade Stellung bringen lässt und eine eventuelle Spitzfußkomponente beseitigt ist, werden die Resektionsflächen mit Blount- oder Coventry-Klammern gesichert. 7 Vom reichlich angefallenen Resektionsknochen werden die kortikalen Anteile mit einer Luer-Zange entfernt, und die Spongiosa wird in die Resektionsräume eingestößelt. 7 Öffnung der Blutsperre, Redon-Drainage, sterile Kompressen, Watte, elastische Binde. Breite Unterschenkelgipsliegeschale.
Bei den Kleinzehendeformitäten 2–5 handelt es sich in den meisten Fällen um Fehlstellungen in der Sagittalebene nach folgenden, zunächst flexiblen, später kontrakten Gelenkdeformitäten (. Tab. 3.4). Zielstellung der Kleinzehenchirurgie 1. Bildung eines stabilen, in der Bewegungsbalance stehenden Zehenstrahls. 2. Korrektur der Deformität in eine schmerzfreie achsengerechte Stellung. 3. Schonung der neurovaskulären Strukturen zur Erhaltung der Trophik.
Operationsmethoden zur Therapie des Hallux valgus 3.6.17
Zehendeformitäten A. Simon
In den letzten Jahren hat ein eindrucksvoller Paradigmenwechsel in der Therapie von Fußdeformitäten stattgefunden. Sowohl das bessere biomechanische Verständnis für den Fuß, speziell für die Zehendeformitäten, als auch die Entwicklung neuer Implantate ermöglichten differenzierte moderne Operationsverfahren, welche speziell in diesem Kapitel bei Zehendeformitäten zur Anwendung kommen. Der Vorfuß reicht per definitionem bis zur LisfrancGelenkreihe, wir sprechen von 5 Zehenstrahlen. Die häufigste Deformität des 1. Zehenstrahls sind der Hallux valgus und der Hallux rigidus. Da der 1. Strahl für den physiologischen Gangablauf die entscheidende Funktion des Abfußens der Endphase besitzt, sollte besonderes Augenmerk auf die Balancierung der Sehnenkräfte gelegt werden und insbesondere die Funktion der Großzehenbeuger erhalten bleiben. In der Hallux-valgus-Chirurgie ist die Zielsetzung die orthograde Stellung des 1. Strahls, wobei das Metatarsale 1 wieder über die Sesambeinchen reponiert wird. Für den Hallux rigidus ist die physiologische Dorsalflexionsstellung des Großzehengrundgelenkes bei der Arthrodese zu beachten, um einen physiologischen Abrollvorgang zu ermöglichen.
. Tab. 3.4 Sagittale Kleinzehendeformitäten Hammerzehe
Krallenzehe
Klauenzehe
MTP-Gelenk
Überstreckt
Überstreckt
Überstreckt
PIP-Gelenk
Gebeugt
Gebeugt
Gerade
DIP-Gelenk
Gerade
Gebeugt
Gebeugt
Zur Therapie des Hallux valgus unterscheidet man folgende Operationsmethoden nach ihrer Lokalität 4 Distale Osteotomien, 4 Schaftosteotomien und 4 proximale Osteotomien bzw. Arthrodese des TMT IGelenkes.
Distale Osteotomien Bei den noch moderaten Hallux valgus-Deformitäten (Intermetatarsalewinkel unter 15° als Richtmaß) ist die distale V-förmige Verschiebeosteotomie des Metatarsale IKöpfchens zu empfehlen. kIndikation
Größere Abweichungen des Metatarsale 1 (Intermetatarsalewinkel über 15°) können durch eine Schaftosteotomie (Zförmig nach Scarf) oder proximale Osteotomien mit Entnahme eines lateralbasigen Keils oder Öffnen eines medialbasigen Keils therapiert werden. Ist die Instabilität des Tarsometatarsale (TMT) I-Gelenkes offensichtlich, so ist hier die Indikation zur Reposition des 1. Strahls in die Funktionsstellung mit anschließender Arthrodese nach Lapidus indiziert. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium kurz, allgemeines feines Knocheninstrumentarium, oszillierende Säge, Sägeblätter der Breite 0,5 cm, 1,0 cm mit Länge 2 cm, Sägeblätter der der Breite 1,5 cm mit Länge 4 cm, Bohrmaschine mit Jakobs-Futter, Kirschner-Drähte 1,0–1,4 mm, Teilgewindeschrauben kanüliert 2,7 mm oder 2,0 mm, alternativ Gewinde-Kirschner-Draht Ø 1,6 mm, bei proximalen Osteotomien und Lapidusarthrodese winkelstabile Platten und 4 Teilgewinde-Zugschraube 2,7 mm oder 3,5 mm.
239 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
kPrinzip
Subkapitale, nach proximal offene, V-förmige, ca. 60° gewinkelte Osteotomie, die die Korrektur der bestehenden Deformität in allen drei Ebenen ermöglicht und belastungsstabil ist.
7
kLagerung
4 Gerade Rückenlagerung. 4 Der betroffene Fuß und der Unterschenkel werden auf einem stabilen kastenförmigen Kissen etwas höher gelagert. 4 Die Außenrotationstendenz des Beins wird durch ein Kissen unter dem gleichseitigen Gesäß oder eine Seitstütze am gleichseitigen Oberschenkel neutralisiert. 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. 4 Anlegen der Oberschenkelblutsperre (meist 300 mm Hg) oder Unterschenkelblutsperre (7 Abschn. 3.4.3).
7
7
kAbdeckung
4 Gemäß Abteilungsstandard. 4 Freibewegliche Abdeckung des Fußes.
7
Operationstechnik der distalen Metatarsale-1Osteotomie nach Austin 7 Hautschnitt längsverlaufend dorsalseitig medial der Strecksehnen, beginnend knapp distal des Großzehengrundgelenkes und proximal bis zum distalen Metatarsaleschaft reichend. 7 Separieren der Subkutanschicht einschließlich der neurovaskulären Strukturen der Gelenkkapsel durch stumpfes Spreizen mit der Schere. Infolge der Lage der Hautinzision ist auch die Präparation lateral der Strecksehne bis in den Intermetatarsaleraum 1/2 möglich. 7 Laterales Release: Darstellen der lateralen Gelenkkapsel, Querinzision in der Gelenkspalthöhe und Ablösen der Kapsel in Längsrichtung vom Metatarsaleköpfchen bis nach plantar, wodurch die Sesambeinchen von ihrer Kapselanheftung am Metatarsale 1 gelöst werden. Ergänzend ist die Ablösung der Sehnenanteile des M. adductor hallucis erforderlich, die an der Grundgliedbasis ansetzen. 7 Ist nach diesem Weichteilrelease eine Varisierung der Großzehe im Grundgelenk um 20° möglich, dann ist das laterale Release ausreichend. 7 T-förmige dorsomediale Kapselinzision und sparsame Resektion der medial gelegenen Pseudoexostose unter Erhalt der medialen Rinne, welche für die Führung des medialen Sesambeinchens ent6
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7
scheidend ist. Einbringen eines 1,0 mm KirschnerDrahtes zentral in die nun resezierte, medialseitige Fläche des Metatarsale-1-Köpfchens als Führungsdraht zur Festlegung der Osteotomieebenen. Die Osteotomierichtung wird mittels kleinem Osteotom angezeichnet (eingemeißelt), der V-förmige Winkel sollte 60° nicht überschreiten. Das Sägeblatt wird parallel zu dem Führungsdraht gehalten. Ständiges Spülen beim Durchsägen des Knochens beugt einer Osteonekrose vor. Unter Schutz der Hohmann- bzw. kleinen Langenbeck-Haken Durchführen der V-förmigen Osteotomie. Nun kann das Kopffragment nach lateral verschoben werden, bis das Metatarsale 1 wieder orthograd über die Sesambeinchen reponiert ist. Eine Lateralisierung ist bis maximal zur halben Schaftbreite ohne Gefährdung der Stabilität möglich. Die Fixation der Osteotomie kann sowohl mit einem 1,6 mm dicken Gewinde-Kirschner-Draht erfolgen als auch mit 2,0- oder 2,7-mm-Schrauben oder einer Doppelgewindekompressionsschraube. Die Osteosynthese erfolgt von dorsal proximal nach plantar distal, meist parallel zum dorsalen Osteotomieschnitt, wobei die Draht- oder Schraubenspitze keinesfalls plantarseitig die Gelenkkonturen des Metatarsaleköpfchens durchbohren sollte, da hier das Gelenk zu den Sesambeinchen unbedingt geschont werden muss. Bei Verwendung eines Gewinde-Kirschner-Drahtes wird dieser dorsalseitig in Höhe des Kortikalisniveaus gekürzt. Danach mediale, etwas raffende Kapselnaht, die Subkutannaht und die Hautnaht beenden den Eingriff. Verband mit Wattepolsterung und elastisch bis zum proximalen Unterschenkel wickeln, Blutsperre öffnen. Die elastische Binde sollte distal die Großzehe nicht erneut in die valgische Position drängen. Zu empfehlen ist hier, die Wattepolsterung in den Interdigitalraum 1/2 mit einzuwickeln und die elastische Binde erst in Höhe des Grundgelenkes anzuwickeln.
Postoperative Therapie: 4 Hochlagerung der operierten Extremität ist entscheidend (Fuß über Herzniveau!). 4 Sofortige Bewegungsübungen im oberen Sprunggelenk zur Thromboseprophylaxe und sobald wie möglich intensive Bewegungsübungen für das Großzehengrundgelenk aktiv und passiv. Teilbelastung je nach Stabilität der Osteosynthese und Maßgabe des Operateurs maximal 4 Wochen im hartsohligen Therapieschuh.
3
240
3
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
Modifikationen dieser Osteotomie sind möglich. Bei einer beginnenden Hallux-rigidus-Komponente (= Hallux limitus) ist eine zusätzliche Verkürzung des Metatarsale 1 durch Dekompression des Gelenkes indiziert. Hier erfolgt dann parallel zum dorsalen oder plantaren Sägeschnitt eine weitere Osteotomie unter Entnahme einer Knochenscheibe (OP-Technik nach Watermann-Green bzw. nach Younswick). Liegt ein pathologischer Winkel der Gelenkfläche zur Schaftachse des I. Metatarsale von über 10° vor (proximaler Artikulations-Set-Angle; PASA) lässt sich die Fehlstellung mittels Entnahme eines medialbasigen Keils korrigieren. Belastungsstabiles und für größere Deformitäten geeignetes Operationsverfahren infolge der nahezu den gesamten Metatarsaleschaft beanspruchenden Osteotomieflächen. Nachteilig ist jedoch die ausgedehnte Präparation und Freilegung dieser Knochenregionen. Je breiter der Schaft des Metatarsale 1, umso größer ist das Korrekturpotenzial. Nicht geeignet bei Osteoporose. Z-förmige Schaftosteotomie des Metatarsale 1 (Scarfosteotomie) 7 Der oben beschriebene operative Zugang wird nach proximal bis zur Basis des Metatarsale 1 verlängert. Nun Durchführen des lateralen Release wie oben beschrieben und sparsame Abtragung der medialen Pseudoexostose. 7 Die Festlegung der Osteotomieebene erfolgt ebenfalls unter Zuhilfenahme von nun zwei Führungsdrähten, welche von medial parallel zueinander, einmal distal und einmal proximal, in den Schaft (s. oben) eingebracht werden. Die Z-förmige Osteotomie erfolgt zunächst längsverlaufend, medialseitig von einem zum anderen Führungsdraht ziehend. Das Sägeblatt wird wieder parallel zum Draht gehalten. 7 Anschließend Sägen der distalen Osteotomie nach dorsal ca. 90° gewinkelt zum Längsschnitt, und der proximalen Osteotomie nach plantar, ca. 50° spitzgewinkelt. Lateralverschiebung des Kopffragmentes. Das Repositionsergebnis des Metatarsale I-Köpfchens über die Sesambeine kann mit einer kleinen Repositionszange temporär fixiert werden. 7 Die Osteosynthese erfolgt z. B. mit zwei 2,7-mmTeilgewindeschrauben oder zwei Gewinde-Kirschner-Drähten der Stärke 1,6 mm oder zwei Teilgewinde-2,0-mm-Schrauben (kanüliert) oder aber auch mit zwei kanülierten 2,7-mm-Doppelgewindeschrauben.
Basisosteotomien des Metatarsale 1 7 Bei größeren Intermetatarsalewinkeln, welche durch ein distales Verfahren nicht korrigierbar sind, kann ein basisnahes Verfahren gewählt werden, wenn keine Instabilität im TMT-1-Gelenk vorliegt. Man unterscheidet die Open- bzw. Closingwedge-Osteotomie. – Die Closing-wedge-Osteotomie besteht in der queren oder schrägen Osteotomie etwa 1,5 cm distal der Gelenklinie des Tarsometatarsalgelenks 1 (TMT 1) unter Entnahme eines lateralbasigen Keils. Die mediale Kortikalis wird dabei nicht durchtrennt. Die Osteotomie wird langsam geschlossen und unter Verwendung von Schrauben oder einer kleinen winkelstabilen Platte fixiert. – Bei Durchführung der Open-wedge-Osteotomie erfolgt die Osteotomie ebenfalls 1,5 cm distal der Gelenklinie des TMT-1-Gelenks. Die laterale Kortikalis wird möglichst nicht durchtrennt, die Osteotomie wird medialseitig aufgedehnt und nach Erreichen der erforderlichen Korrektur z. B. über eine winkelstabile Platte, ggf. zusätzlich versorgt mit einer Zugschraube, Ø 2,7 mm. Die Open wedge-Osteotomie birgt die Gefahr einer Verlängerung des Metarsale 1 mit Hyperpression des Grundgelenkes und Veränderung des proximalen Gelenkflächenwinkels, sodass hier oftmals noch eine zusätzliche distale Osteotomie im oben genannten Sinne zur Korrektur erforderlich ist. 7 Eine weitere Möglichkeit ist die bogenförmige Osteotomie (Crescentic-Osteotomie) mit der Möglichkeit der Korrektur des Intermetatarsalwinkels ohne Keilentnahme. Daher ist dies eine nur gering den Knochen verkürzende, stufenlose Osteotomie. Jedoch besteht bei diesem Verfahren eine sehr instabile Situation infolge der sagittal verlaufenden Osteotomie und der Durchtrennung beider Kortikales. Die Osteosynthese sollte hier mit einer kleinen winkelstabilen Platte erfolgen. 7 Verband und postoperative Therapie s. oben.
Lapidusarthrodese des TMT-1-Gelenkes Ziel der Operation ist die Reposition des instabilen Gelenkes mit dynamischer Subluxation unter Belastung v. a. nach dorsal und medial.
241 3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
Lapidusarthrodese des TMT-1-Gelenkes 7 Die Hautinzision erfolgt wie bei den zuvor beschriebenen Operationsverfahren, wobei auch hier das laterale Release der Sesambeine obligatorisch ist. Der Hautschnitt wird über das TMT-1Gelenk medialseitig fortgeführt. Dabei sollten der kreuzende Hautnerv und die Vene geschont werden. 7 Darstellen des TMT-1-Gelenkes, Eröffnen der Gelenkkapsel, sehr sparsame Entfernung der Gelenkknorpel, optional Entnahme eines sparsamen lateralbasigen Knochenkeils des Cuneiforme mediale mit der oszillierenden Säge, wobei die Größenverhältnisse der Basis des Metatarsale 1 und des Cuneiforme mediale beachtet werden sollten. 7 Bei mehr dorsal gelegenem Zugang ist die Ausdehnung des Knochens nach plantar zu berücksichtigen. Bei eher medialem Zugangsweg sollte die Keilentnahme am Cuneiforme 1 ebenfalls berücksichtigt werden, indem das Metatarsale 1 bereits in die Korrekturstellung gehalten wird und der Sägeschnitt am Cuneiforme mediale parallel zum Sägeschnitt des Metatarsale 1 verläuft. Es ist auf eine möglichst sparsame Resektion zu achten. 7 Die Reposition erfolgt nach plantar und lateral, die Fixation mittels Arthrodese der Gelenkflächen. Vor der Arthrodese sollten die Osteotomieflächen durch multiple Bohrungen mit dem 2,0mm-Kirschner-Draht »gelöchert« werden, um durch Einblutungen aus der Spongiosa die Knochenheilung zu unterstützen. 7 Die Reposition erfolgt manuell, die Arthrodese entweder durch zwei 3,5-mm- oder 4,0-mm-Kompressionszugschrauben, welche zum einen von proximal dorsal nach plantar distal und in der Basis des Metatarsale 1 von medial plantar nach proximal dorsal in das Cuneiforme mediale und ggf. auch Cuneiforme intermedius verlaufen oder aber auch durch eine Zugschraube im oben genannten Sinne und ergänzend durch eine winkelstabile Platte. Diese bewährt sich zunehmend in mehr plantarer Positionierung, um die Zuggurtung der Arthrodese unter Belastung zu berücksichtigen. 7 Schichtweiser Wundverschluss. 7 In der Nachbehandlung ist ggf. eine Entlastung in den ersten 4 Wochen indiziert. Durch die winkelstabilen Plattensysteme kann häufig bereits auf die Teilbelastung in den ersten 4 Wochen übergegangen werden.
Hallux rigidus Arthrodese des Großzehengrundgelenkes Großzehengrundgelenkarthrodese 7 Zugangsweg wie oben beschrieben bei den distalen Osteotomien des Metatarsale 1, wobei hier das Sesambeinrelease nur im Sinne der lateralen Kapselabtrennung und nicht durch Resektion der Adduktorenansätze durchgeführt wird. 7 Darstellen der Gelenkflächen durch dorsomedialseitige T-förmige Kapseleröffnung. Abtragung der Osteophytenwülste mit dem Luer. 7 Sehr sparsame Resektion der Osteotomieflächen, wobei hier entweder lineare Sägeschnitte unter Berücksichtigung der 10° Dorsalflexionsstellung in Bezug auf die Belastungsebene (Untergrund) beachtet werden sollten. Es können auch konvex/ konkave Fräsen (auch »cup and cone« genannt) angewandt werden, welche oftmals eine sparsamere Knochenresektion und die dreidimensionale Korrigierbarkeit als Vorteile zulassen. 7 Die Arthrodese erfolgt meist durch zwei gekreuzt oder parallel eingebrachte Teilgewinde-Kortikaliszugschrauben, kanüliert 2,7 mm oder 3,5 mm, oder auch nicht kanüliert. Das Release der Sesambeine sollte auch plantar und medial erfolgen, sodass hier das freie Gleiten wieder ermöglicht ist und die Bewegung des Endgelenkes nicht behindert wird. 7 Kapselverschluss, Subkutannaht und Hautnaht in Einzelknopftechnik oder resorbierbare Intrakutannaht. 7 Teilbelastung wie oben beschrieben (4 Wochen Teilbelastung sind zu empfehlen).
Hammer-/Krallenzehendeformitäten Abhängig von der Ausprägung der Deformität und der Beteiligung dynamischer oder statischer Faktoren wird die operative Korrektur sequenziell durchgeführt. Das Ausmaß der Korrekturschritte wird also nicht nur präoperativ, sondern v. a. intraoperativ nach jedem Teilschritt entschieden.
Hammer-/Krallenzehendeformität 7 Z-Förmiger Hautschnitt über dem MTP-Gelenk, dorsal längs median nach distal auslaufend bis über das PIP-Gelenk. Die Z-Form beugt Narbenkontrakturen mit konsekutiver Dorsalflexionsstellung im MTP-Gelenk vor. 6
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Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
7 Längsspaltung der Sehne des M. extensor digitorum longus für die ggf. erforderliche verlängernde Z-Plastik. Eröffnen des PIP-Gelenkes unter akribischer Schonung der Weichteile und Durchführen der vollständigen Kondylenresektion. 7 Erster sog. Push-up-Test: Dieser Test imitiert die Belastungssituation durch Fingerdruck von plantar gegen das Metatarsaleköpfchen. Verbleibt das MTPGelenk in Dorsalflexion kontrakt? Lösen der Strecksehnen von der Streckerhaube und Kapsulotomie des MTP-Gelenkes inkl. Ablösen der Seitenbänder. 7 Zweiter Push-up-Test: Ist das MTP-Gelenk unverändert kontrakt? Dann Adhäsiolyse der plantaren Platte mit dem speziellen Mc Glamry-Elevatorium (. Abb. 3.192). Dieses wie ein rinnenförmiges Raspatorium an der Spitze scharfe Instrument wird von distal dorsal um das Metatarsaleköpfchen nach plantar proximal vorgeschoben. Hier sollte die plantar weit ausladende Form des Metatarsaleköpfchens berücksichtigt werden, um nicht mit diesem Elevatorium die plantare Knorpelschicht zu traumatisieren. 7 Ist im dritten Push-up-Test die Dorsalflexionsstellung im MTP-Gelenk persistierend, kann ein Beugesehnentransfer durchgeführt werden. Dies kann entweder als Transposition beider Beugesehnen auf die Streckseite oder als Transposition der distal abgelösten Sehne des M. flexor digitorum longus erfolgen. Sie wird/werden nach Längsspaltung dorsal über der Grundphalanx wieder als Schlinge vernäht. 7 Ein Sehnentransfer nach Stainsby, mit Verlagerung der proximal abgelösten Sehne des M. extensor digitorum longus als Interponat nach plantar auf die plantare Platte, ist speziell bei rheumatischen Vorfußerkrankungen sehr wirkungsvoll, wobei die Basisresektion des Grundgliedes zuvor zusätzlich durchgeführt werden muss, um die Interposition zu ermöglichen. 7 Weist der vierte Push-up-Test eine weiterhin bestehende Dorsalflexionsstellung der Grundphalanx auf, so ist ggf. nochmals eine Nachresektion des Grundgliedes erforderlich, oder es ist bei röntgenologisch nachgewiesenem überlangem Metatarsale eine Verkürzungsosteotomie indiziert. Auch die Ruptur der plantaren Platte ist als Ursache sehr häufig nachweisbar. Hier luxiert das Metatarsaleköpfchen durch die Lücke nach plantar. Die Naht der plantaren Platte erfolgt am besten durch einen separaten längsverlaufenden plan6
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taren Zugang, genau mittig über dem Metatarsaleköpfchenbereich. Ist eine achsengerechte Stellung im Push-up-Test erreicht, erfolgt die Stabilisierung des Operationsergebnisses: Für die geplante Arthrodese des proximalen Interphalangealgelenkes (PIP-Gelenk) ist noch das Entknorpeln der Basis der Mittelphalanx sinnvoll, um die Stabilität der Arthrodese zu gewährleisten. Einbringen eines doppelspitzen 1,4-mm-KirschnerDrahts zunächst in die Mittelphalanx von proximal nach distal und Ausleitung unter Streckstellung des Endgelenkes über die Zehenspitze. Danach wird von anterograd die Grundphalanx und das distale Metatarsale (wenn erforderlich) mit erfasst. Für die PIP-Arthrodese ist eine wasserdichte Kontaktierung der Knochenflächen wichtig. Hingegen ist eine leichte Distraktion des MTP-Gelenkes von Vorteil, um Narbenkontrakturen vorzubeugen. Nun verlängernde Strecksehnen-Z-Plastik: Seit-zuSeit-Adaptation der Z-förmig gegeneinander verschobenen Sehnenenden mit resorbierbarem Nahtmaterial mit leichter Spannung bei bereits durch axialen Kirschner-Draht fixiertem Strahl. Die Hautnaht erfolgt als Einzelknopftechnik oder als Intrakutannaht. Der postoperative Verband sollte die Phalangen nicht zu sehr komprimieren, um die seitlich gelegenen Gefäße nicht zu drücken und die Durchblutung der Zehen nicht zu gefährden.
Die Nachbehandlung erfolgt unter 4-wöchiger Teilbelastung im Therapieschuh mit flacher stabiler Sohle, um einem Abrollen vorzubeugen. Die Kirschner-Drahtentfernung wird 4–5 Wochen nach der Operation ohne Lokalanästhesie durchgeführt. Die verkürzende Metatarsaleosteotomie hat sich als subkapitale dorsalbasige Keilosteotomie bewährt, wobei die Fixation mit einer kanülierten 2,0-mm-TeilgewindeKortikalis-Zugschraube sinnvoll ist.
3.7
Handchirurgie G. Walura, R. Thönnessen, M. Liehn
Die menschliche Hand ist ein anatomisch komplexes Greiforgan von höchster Bedeutung für die Funktionalität aller manuellen Tätigkeiten im täglichen Gebrauch. Seit den 1960er-Jahren hat sich die Handchirurgie zu einem Fachgebiet mit vielen international eigenständigen Abteilungen entwickelt, die über die technischen und perso-
243 3.7 · Handchirurgie
nellen Möglichkeiten verfügen, auch mikrochirurgische Rekonstruktionen von Nerven und Gefäßen durchzuführen. Die Handchirurgie umfasst alle Erkrankungen, Fehlbildungen und Verletzungen der Hand mit dem Ziel, die Greiffunktion durch schmerzfreie und kraftvolle Beweglichkeit, Sensibilität und Durchblutung der Hand wiederherzustellen bzw. zu erhalten. Im Folgenden sollen einige für die Handchirurgie typische Operationen beschrieben werden, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit erfüllen zu wollen. Bei vielen Operationen trägt der Operateur eine Lupenbrille, oder es kommt ein Operationsmikroskop zum Einsatz (7 Kap. 11 und 12).
3.7.1
Kleine Anatomie der Hand
Knochen und Gelenke Die menschliche Hand wird gebildet aus der Handwurzel (Carpus), der Mittelhand (Metacarpus) und den Fingergliedern (Phalangen).
Proximale Handwurzelreihe Die Gelenkfläche zur Speiche und Elle (Radiokarpalgelenk) besteht aus dem Kahnbein (Os scaphoideum), dem Mondbein (Os lunatum) und dem Dreieckbein (Os triquetrum). Zusätzlich findet sich palmar des Os triquetrum das Erbsenbein (Os pisiforme), das ein Hypomochlion/Sesambein für eine Handgelenksbeugesehne (M. flexor carpi ulnaris) darstellt (. Abb. 3.193).
Distale Handwurzelreihe Sie besteht aus dem großen Vieleckbein (Os trapezium), dem kleinen Vieleckbein (Os trapezoideum), dem Kopfbein (Os capitatum) und dem Hakenbein (Os hamatum). Diese stellen die Gelenkflächen zu den Mittelhandknochen (Karpometakarpalgelenk) dar (. Abb. 3.193). Dem Daumensattelgelenk (CM-Gelenk 1) kommt dabei wesentliche Bedeutung zu durch seine besonders gute Beweglichkeit in alle Ebenen, durch die dem Daumen die Opposition zu den Langfingern ermöglicht wird.
. Abb. 3.192 Mc Glamry-Elevatorium. (Fa. Teleflex Medical)
Muskeln und Sehnen Die Beweglichkeit der Finger wird überwiegend durch diverse Muskeln im Unterarm ermöglicht, die ihre Kraft über lange Sehnen auf die Finger übertragen (. Abb. 3.194). Zusätzlich finden sich in der Mittelhand kurze Muskeln und Sehnen, die die besondere Beweglichkeit des Daumens und der Fingergrundglieder gewährleisten. An den Phalangen selbst gibt es keine Muskeln (. Abb. 3.195).
Bänder Sowohl die Handwurzelknochen als auch die Fingergelenke werden durch Bänder im sog. Kapsel-Band-Apparat gehalten und geführt. Wegen der besonderen Wichtigkeit und häufiger Verletzungen wird auf das Band zwischen Mondbein und Kahnbein (SL-Band) und auf das ulnare Seitenband am Daumengrundgelenk näher eingegangen werden. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Bändern, deren Funktion es ist, Sehnen in ihrem Verlauf zu führen (Retinaculum flexorum und extensorum, Ringbänder, Sehnenscheiden). Sie stellen durch Veränderungen an den Sehnen oft Engpässe dar und sind deshalb häufig Anlass zu Operationen.
Mittelhand Sie wird gebildet durch die Mittelhandknochen (Metacarpalia 1–5), deren Köpfe wiederum die Gelenkflächen zu den Grundgelenken (Metakarpophalangealgelenke; MCP) darstellen.
Finger Die Finger bestehen aus den Grund-, Mittel- und Endgliedern, jeweils verbunden in den Mittelgelenken (proximale Interphalangealgelenke; PIP) bzw. Endgelenken (distales Interphalangealgelenk; DIP). Der Daumen hat kein Mittelglied (. Abb. 3.193).
Nerven und Gefäße Die Hand wird von drei großen Nerven versorgt: Der N. ulnaris verläuft in der Ellenbeuge (»Musikknochen«) über den ulnarseitigen Unterarm durch die Loge de Gyon am Handgelenk, wo er sich aufgabelt in den tiefen motorischen Ast für die Versorgung der Handbinnenmuskulatur und den oberflächlichen Ast für die sensible Versorgung des ulnarseitigen Ringfingers und des gesamten Kleinfingers. Der N. medianus verläuft am beugeseitigen Unterarm durch den Karpaltunnel und versorgt die Finger 1–3 und
3
244
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
3
. Abb. 3.193 Blick auf den Handrücken (Dorsalansicht) der rechten Hand. (Aus Spornitz 2006)
. Abb. 3.194 Dorsalansicht des Unterarms mit den tiefen Streckern. (Aus Spornitz 1996)
245 3.7 · Handchirurgie
. Abb. 3.195 Muskeln der Handinnenfläche (Palmarfläche) (FD: M. flexor digitorum superficialis = oberflächlicher Fingerbeuger). (Aus Spornitz 1996)
den 4. Finger radialseitig sensibel sowie die Thenarmuskulatur (Daumenballen) motorisch. Der N. radialis verläuft am streckseitigen Unterarm und versorgt mit seinem Ramus profundus die Streckmuskulatur motorisch. Sein Ramus superficialis läuft radialseitig zur Hand für die sensible Versorgung des Handrückens und der Fingerrücken.
Auf Wunsch des Patienten oder bei Operationen am Ellbogengelenk, bei tiefen Infektionen oder bei Knochen-, Sehnen- oder Nervenentnahmen am Becken/Bein wird die Allgemeinnarkose erforderlich. In verschiedenen Höhen sind am Arm und an der Hand folgende Anästhesieverfahren möglich:
Subaxilläre Plexusanästhesie Blutversorgung Die Blutversorgung der Hand wird sichergestellt durch die A. radialis und die A. ulnaris, die beide am palmaren Handgelenk gut tastbar sind. Sie vereinigen sich im tiefen und oberflächlichen Hohlhandbogen und geben von dort jeweils 2 Äste für die Finger ab.
3.7.2
Anästhesie
Handchirurgische Eingriffe können überwiegend in Plexus-, Regional-oder Lokalbetäubung erfolgen, sodass der Patient wach bleibt. Für diesen Fall wird vom OP-Personal neben dem geordneten Ablauf der Operation auch ein besonderes Einfühlungsvermögen und Zuwendung zum Patienten erwartet, der immer das Gefühl vermittelt bekommen sollte, im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen.
Der Plexus brachialis (N. medianus, N. ulnaris und N. radialis am Oberarm) wird nach Legen eines peripheren Zugangs mit Hilfe eines Nervenstimulationsgerätes aufgesucht und mit 30–40 ml Betäubungsmittel umspritzt. Die Einwirkzeit beträgt ca. 30 min, die Wirkdauer 2–3 h. Bei Verwendung lang wirkender Anästhestetika kann die Wirkdauer bis zu 12 h anhalten. Mit der Plexusanästhesie lassen sich nahezu alle Operationen an Hand und Unterarm durchführen. Sie hat den Vorteil, dass auch der Druck durch die Blutleeremanschette am Oberarm gut toleriert wird.
Blockaden des N. medianus, N. ulnaris, N. radialis am Handgelenk Im Bereich des Handgelenks können alle drei Nerven mit jeweils ca. 5 ml Betäubungsmittel zuverlässig infiltriert werden. Sie gewähren eine schnell wirkende Anästhesie in ihrem jeweiligen Ausbreitungsgebiet, sind jedoch nur für
3
246
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
. Tab. 3.5 Funktionsstellung verschiedener Gelenke zur postoperativen Ruhigstellung
3
Gelenk
Funktionsstellung
Ellbogengelenk
90° Beugung
Handgelenk
30° Streckung
Unterarm
Mittlere Supination
Fingergrundgelenke
60° Beugung
Fingermittel- und -endgelenke
30–40° Beugung
Daumensattelgelenk
Mittlere Opposition
. Abb. 3.196 Handtisch
Vorbereitung und Lagerung des Patienten zur Handoperation
kurze Eingriffe geeignet, da die Blutleere am Oberarm nur ca. 15 min toleriert wird.
3.7.4
Leitungsblockaden am Finger (Oberst-Anästhesie)
In der Regel wird der Patient zu Fuß in den OP begleitet. Nur wenn das aufgrund anderer Erkrankungen nicht möglich ist, wird er auf dem Operationstisch eingeschleust. Der Patient wird in Rückenlage auf einer Gelmatte auf dem OPTisch gelagert. Der zu operierende Arm wird auf einem feststehenden, röntgendurchlässigen Handtisch gelagert, der in gleicher Höhe wie der OP-Tisch an diesem festgeschraubt wird (. Abb. 3.196). Nahezu alle Patienten erhalten eine Blutleere, entweder am Finger oder am Oberarm. Bei der Oberarmblutsperre handelt es sich um eine gut gepolsterte Manschette, die bis 230–250 mm Hg aufgepumpt wird (. Abb. 3.197). Damit werden alle feinen Strukturen der Hand besser sichtbar und Blutverlust vermieden. Obligat ist die Vitalzeichenkontrolle bei allen Patienten mit Plexusbetäubung. Der gesunde Arm wird in eine bequeme Lage mittels Armausleger gebracht. Dem Patienten wird eine Knierolle angeboten, um die Wirbelsäule zu entlasten, und er wird mit einem angewärmten Tuch zugedeckt, um ein Auskühlen zu vermeiden. Wenn Röntgenkontrolle nötig ist, bekommt der Patient eine Bleischürze als Strahlenschutz gemäß Strahlenschutzverordnung (7 Abschn. 3.4.2). Präoperativ ist eine Reinigung von stark verschmutzten Wunden mit isotonischer Kochsalzlösung erforderlich. Die Hautdesinfektion erfolgt mit farbloser alkoholischer Lösung, um die Hautfarbe und Durchblutung der Finger intra- und postoperativ beurteilen zu können.
Am proximalen Fingergrundglied lässt sich durch Infiltration von je 0,5 ml Betäubungsmittel in jedem Quadranten eine rasch wirkende Anästhesie erreichen. Gut geeignet für Eingriffe am Fingermittel- und -endglied. Eine Blutleere kann durch Aufrollen eines Fingerlings vom Handschuh erreicht werden
3.7.3
Verbände und Gipsruhigstellung
Wunden werden mit steriler Fettgaze/Salbentüll und Kompressen bedeckt. Zur Vermeidung von Mazerationen werden Streifenkompressen in die Zwischenfingerfalten gelegt. Zum Wickeln der Hand und der Finger eignen sich elastische Binden von 4 cm oder 6 cm Breite. Sie sollten ohne stärkeren Zug angelegt werden, um Abschnürungen durch postoperative Schwellungen zu vermeiden. Nach kleinen Operationen am Finger (z. B. Drahtentfernungen) reicht oft auch ein Stülp-/Schlauchverband oder nur ein Pflaster. Bei der postoperativen Ruhigstellung von Gelenken ist darauf zu achten, dass deren Funktionsstellung eingehalten wird, um Kontrakturen im Bereich des Kapsel-Band-Apparates vorzubeugen (. Tab. 3.5). Unterarmgipsschienen werden i. Allg. von dorsal angelegt und müssen die Fingergrundgelenke frei beweglich lassen. Nach Strecksehnenverletzungen werden Gipse von palmar angelegt. Nicht betroffene Finger müssen frei beweglich bleiben, d. h., dass Fingerausleger ausschließlich operierte Finger ruhigstellen dürfen. Gipsschienen dürfen wegen der Gefahr postoperativer Schwellungen im OP nur elastisch angewickelt werden. Am Folgetag sollte eine Gipskontrolle und ggf. ein Verbandwechsel erfolgen.
kInstrumentarium
Das handchirurgische Instrumentarium zeichnet sich im Vergleich zur Allgemein- oder Unfallchirurgie durch überwiegend feine Instrumente aus, die ein möglichst atraumatisches Operieren sicherstellen; auch zarte Gewebestruktu-
247 3.7 · Handchirurgie
ren müssen ohne deren Schädigung gegriffen und gehalten werden können. Neben den Grundinstrumenten (. Abb. 3.198) verfügt die Handchirurgie über diverse zusätzliche Spezialinstrumente, z. B. für die Mikrochirurgie von Nerven und Gefäßen. Auch Knochenimplantate sind den Größenverhältnissen der Hand angepasst. Es werden Kirschner-Drähte ab Stärke 0,6 mm, Cerclagedrähte ab 0,4 mm und Schrauben ab 1,2 mm Durchmesser verwendet.
3.7.5
Verletzungen und deren Therapie
Frakturen Die Grundlagen zur Behandlung von Frakturen sind in 7 Abschn. 3.3 beschrieben und gelten grundsätzlich auch für die Handchirurgie. Wegen ihrer besonderen funktionellen Bedeutung bestehen hohe Ansprüche an eine möglichst rasche und folgenlose Wiederherstellung der beteiligten Knochen und der benachbarten Gelenke der Hand. Es gibt für die Handchirurgie eine Vielzahl spezieller Implantate, um den besonders feinen Strukturen der Hand gerecht werden zu können. Als Beispiel für häufige Knochenverletzungen an der Hand werden hier einige typische Operationsabläufe beschrieben.
. Abb. 3.197 Anlegen einer Oberarmblutleere
Distale Radiusfraktur Die Fraktur des Radius am Handgelenk, oft kombiniert mit einem Abriss des Processus styloideus ulnae, ist eine der häufigsten Knochenverletzungen überhaupt und entsteht meist durch Sturz auf die Hand. Bei direkter Gelenkbeteiligung (mit Stufenbildung) oder Abkippung/Verkürzung des distalen Radius besteht die Indikation zur operativen Korrektur, um einer bleibenden Schädigung (Bewegungseinschränkung, Schmerzen, Früharthrose) an den beteiligten Gelenken (Radiokarpalgelenk und distales Radioulnargelenk) vorzubeugen. Während bei Frakturen ohne Gelenkbeteiligung und mit einem großen Fragment die geschlossene Reposition und perkutane Kirschner-Drahtfixierung möglich ist, kommt bei allen anderen dislozierten Frakturen nur die offene Reposition und Osteosynthese mit einer (winkelstabilen) Platte, meist von palmar, in Frage. jGeschlossene Reposition kIndikation
4 Bei Frakturen ohne Gelenkbeteiligung mit einem großen Fragment. kLagerung
4 Rückenlage, der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausgelagert.
. Abb. 3.198 Handchirurgische Grundinstrumente
4 Bereitstellung des Bildwandlers unter Einhaltung der Strahlenschutzrichtlinien (7 Abschn. 3.4.2). kInstrumentarium
4 Handgrundsieb mit Skalpell, Pinzetten (atraumatisch und chirurgisch), Scheren, scharfe Zweizinkerhaken, Langenbeck-Haken, Nadelhalter, bipolare Koagulationspinzette, 4 Spezialinstrumente wie ca. 3–4 Kirschner-Drähte, Bohrmaschine, Spülspritze.
3
248
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
3
. Abb. 3.199 Winkelstabile Aptusplatte. (Beispiel: Fa. MedArtis)
Geschlossene Reposition der distalen Radiusfraktur 7 Plexusanästhesie oder Vollnarkose, Anlegen der Oberarmblutleere, Desinfektion und Abdeckung. 7 In Narkose erfolgt die geschlossene Reposition der Fraktur unter Röntgenkontrolle. 7 Einbringen von 3–4 Kirschner-Drähten von ca. 1,5 mm Stärke perkutan von radial/dorsal zur Sicherung des Repositionsergebnisses.
jOffene Reposition kIndikation
4 Alle dislozierten Frakturen, 4 Mehrfragmentfrakturen. kLagerung
4 Rückenlagerung, der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausgelagert. 4 Bereitstellung des Bildwandlers unter Einhaltung der Strahlenschutzverordnung. kInstrumentarium
4 Handgrundsieb. 4 Spezialinstrumente: Löffel, Einzinkerhaken, Zahnarztspatel, Repositionszange, Schraubenkasten mit Schrauben und Platten (winkelstabil, . Abb. 3.199), Kirschner-Drähten, Bohrmaschine, Spülspritze.
Offene Reposition der distalen Radiusfraktur 7 Der Hautschnitt erfolgt am radiopalmaren Handgelenk und distalen Unterarm. 7 Die FCR-Sehne und die A. radialis werden mit Langenbeck-Haken beiseite gehalten. 6
7 Eingehen durch den M. pronator quadratus mit dem Skalpell. 7 Darstellen und Reinigung der Fraktur mittels Löffel, Zahnarztspatel und Spülung. 7 Erneute Reposition der Frakturfragmente unter Röntgenkontrolle. 7 Anlagerung einer passenden Platte (speziell geformte Titanplatten, die anatomisch vorgeformt sind; . Abb. 3.199). 7 Fixierung durch einen oder zwei Kirschner-Drähte, um die richtige Position der Platte unter Röntgenkontrolle zu gewährleisten. Dann erfolgt die Fixierung mit Schrauben. 7 Röntgenkontrolle und Dokumentation. 7 Blutstillung, Redon-Einlage (8 Ch), Hautnaht, Anlegen einer dorsalen Unterarmgipsschiene.
Kahnbeinfraktur, Pseudarthrose Bei Stürzen auf die Hand oder ähnlichen Traumata ist nicht immer der distale Radius, sondern häufig das Kahnbein das schwächste Glied, und dieses bricht meist im mittleren Drittel. Kahnbeinfrakturen sind problematisch, denn sie heilen langsam oder führen oft zu einer Pseudarthrose. Frische Kahnbeinfrakturen verursachen oft nur geringe Beschwerden, sodass die Patienten erst spät einen Arzt aufsuchen, zum anderen sind diese Brüche bei primären Röntgenaufnahmen leicht zu übersehen. Da ein instabiles Kahnbein zu einer Lockerung und Fehlstellung der gesamten Handwurzel führen kann, ist eine stabile Wiederherstellung des Kahnbeins in seiner anatomischen Stellung von großer Wichtigkeit. Die konservative Therapie der Kahnbeinfraktur bedeutet eine lange Ruhigstellung von bis zu 3 Monaten, wobei ein hohes Risiko besteht, dass die Fraktur nicht heilt und sich eine Pseudarthrose ausbildet. Zur Verkürzung der Behandlungszeit und zur sicheren Ausheilung von Kahnbeinfrakturen wird die frühzeitige Osteosynthese empfohlen, die mit speziellen kanülierten Schrauben (Twinfix, Fa. Stryker/Leibinger) möglich ist, sowohl perkutan als auch offen durchgeführt. Perkutan vorgegangen wird bei frischen Frakturen, bei regelrechter Stellung der Fraktur, oder wenn es möglich ist, die Fraktur geschlossen zu reponieren. Die offene Versorgung wird bei dislozierten Frakturen, veralteten Frakturen oder bei Pseudarthrose durchgeführt. jPerkutane Schraubenostheosynthese mit dem Twinfix-System kPrinzip
Es handelt sich um ein Kompressionsschraubensystem zur Versorgung von Frakturen und Pseudarthrosen, im We-
249 3.7 · Handchirurgie
sentlichen für das Kahnbein. Die Schraube besitzt eine unabhängige Rotation von Kopf- und Fußgewinde und hat einen Hohlraum; durch diese Kanülierung kann ein Kirschner-Draht geführt und genau platziert werden. Die Twinfix-Schraube ist selbstschneidend und hat einen Durchmesser von 3,2 mm. Es gibt sie in Längen von 14 mm bis 34 mm. Der speziell benötigte Kirschner-Draht hat einen Durchmesser von 1 mm und muss 160 mm lang sein, um ein absolut korrektes Abmessen der Twinfix-Schraube zu gewährleisten.
jOffene Reposition und Twinfix-Schraubenosteosynthese mit Entnahme eines spongiösen oder kortikospongiösen Spans aus dem Beckenkamm kIndikation
4 Pseudarthrose im Kahnbein. kPrinzip
Sanierung des Kahnbeins mittels eines Blockes aus dem Beckenkamm und Stabilisierung durch eine Osteosynthese. kLagerung
kLagerung
4 Rückenlage, der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausgelagert. 4 Bereitstellung des Bildwandlers unter Einhaltung der Strahlenschutzrichtlinien (7 Abschn. 3.4.2). kInstrumentarium
4 Handgrundsieb und Spezialinstrumente wie Pfriem, Spülspritze, Bohrmaschine, 4 Twinfix-Set mit allen benötigten Instrumenten und Implantaten: Bohrung und Schraubenführung mit Hülsenaufsatz, Bohrhülse mit Kirschner-Draht, kanülierter Fräser (Bohrer) 2,4 mm, Messgerät mit Rändelschraube, Schraubendreher mit Handgriff, Schrauben.
Perkutane Schraubenostheosynthese mit dem Twinfix-System 7 Plexusanästhesie, Anlegen einer Oberarmblutleere, Desinfektion und Abdeckung des Operationsgebietes. 7 Kleine Hautinzision über dem Os trapezium am radiopalmaren Handgelenk. Eingehen mit dem kanülierten Führungsspieß auf den distalen Kahnbeinpol. 7 Unter Röntgenkontrolle Vorschieben eines 1 mm dicken und 16 cm langen Kirschner-Drahtes zentral in das Kahnbein. 7 Abmessen der Schraubenlänge über dem vorstehenden Draht, Vorschieben und dann Überbohren des Kirschner-Drahtes mit dem kanülierten Bohrer (Ø 2,4 mm). 7 Einbringen der kanülierten Schraube über den Draht. Entfernen des Drahtes und Aufbringen von Kompression auf die Fraktur durch Nachziehen nur des proximalen Schraubengewindes. 7 Röntgenkontrolle und Dokumentation, Blutstillung, Hautnaht, Unterarmgipsschiene mit Daumenausleger.
4 Rückenlage, der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausgelagert. 4 Bereitstellung des Bildwandlers unter Einhaltung der Strahlenschutzrichtlinien (7 Abschn. 3.4.2). 4 Vor der Desinfektion des Beckenkamms wird ein Keilkissen unter das Becken geschoben, um so das Becken anzuheben und durch bessere Dominanz des angehobenen Beckens die Entnahme des Spans zu erleichtern. Das Keilkissen wird mit Feuchtigkeit aufsaugenden Tüchern abgedeckt. Bevorzugt wird der kontralaterale Beckenkamm gewählt. kInstrumentarium
Handgrundsieb und Spezialinstrumente wie Einzinkerhaken, Knochensplitterzange, Stößel, breite Flachzange, Meißel und Hammer, Knochenhaltezange, Hohmann-Haken.
Offene Reposition und Twinfix-Schraubenosteosynthese mit Entnahme eines spongiösen oder kortikospongiösen Spans aus dem Beckenkamm 7 Hand, Unterarm und Beckenkamm werden desinfiziert und steril abgedeckt. 7 Begonnen werden kann mit der Entnahme des Spans aus dem Beckenkamm: – Inzision mit dem Skalpell dorsal der Spina iliaca anterior direkt über dem Beckenkamm. Dadurch wird eine Schädigung des N. cutaneus femoris lateralis sicher vermieden. Die Narbe liegt später weit lateral und stört nicht. – Einsetzen von scharfen Haken, um die Haut wegzuhalten; mit dem Skalpell wird die Faszie bis auf den Knochen durchtrennt. Die Muskulatur wird nach dorsal abgeschoben. – Mit Meißel und Hammer wird ein Kortikalisdeckel angehoben und dann ein passender Knochenspan aus der Außenseite des Beckenkamms herausgemeißelt (spongiös oder kortikospongiös). Der Knochendeckel wird zugeklappt und die Faszie genäht. 6
3
250
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
kPrinzip –
Wundverschluss mit Redon-Einlage (8 Ch), Verband.
Rekonstruktion der Gelenkfläche des Daumensattelgelenks. kLagerung
3
Offene Reposition und Einlage des Spans bei Pseudarthrose 7 Je nach Frakturhöhe des Kahnbeins wird der Zugang von palmar oder dorsal gewählt. 7 Hautschnitt mit dem Skalpell, Darstellen des Kahnbeins und der sklerosierten ehemaligen Gelenkfläche. Mit scharfen Haken wird die Wunde offen gehalten und die Fraktur durch Hohmann-Hebel (. Abb. 3.19) dargestellt. Mit einem Luer oder einem kleinen Meißel wird die Pseudarthrose abgetragen. Der dadurch entstehende Spalt wird mit dem Beckenkammspan oder mit der Spongiosa des Beckenkamms aufgefüllt, um so eine stabile Frakturheilung des Kahnbeins zu ermöglichen. Der Span wird mit der Knochensplitterzange und einer breiten Flachzange in die passende Form gebracht, damit er in den Frakturspalt eingepasst werden kann. Spongiosa wird mit einem Stößel oder kleinen Stopfinstrumenten (Zahnarztinstrumente; . Abb. 3.200) in den Frakturspalt eingebracht. Füllt das Transplantat den Frakturspalt aus, kann mit der Fixation durch die Twinfix-Schraube begonnen werden (gleiche Verfahrensweise wie bei der geschlossenen Verschraubung, s. oben). 7 Kapselnaht, Blutstillung, evtl. Redon-Drainage, Wundverschluss, Anlegen des Unterarmgipses mit Daumenausleger.
Bennett-Fraktur Als Folge einer Daumendistorsion durch Sturz oder Schlag finden sich an der Basis des 1. Mittelhandknochens oft Frakturen mit Beteiligung der Knorpelfläche zum Sattelgelenk mit Stufenbildung, sodass fast immer Operationsbedürftigkeit besteht, um bleibenden Kontrakturen, Schmerzen und Arthrose vorzubeugen.
. Abb. 3.200 Stopfinstrumente zur Spongiosaeinlage
4 Rückenlage, 4 der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausgelagert. 4 Bereitstellung des Bildwandlers unter Einhaltung der Strahlenschutzrichtlinien (7 Abschn. 3.4.2). kInstrumentarium
4 Handgrundsieb, Spülspritze, 4 Spezialinstrumente wie Zahnarztspatel, Dissektor, Flachzange, Seitenschneider, Repositionszange, Schrauben oder Kirschner-Drähte, Bohrmaschine. Operative Versorgung einer Bennett-Fraktur 7 Plexusanästhesie, Anlegen der Oberarmblutleere, Desinfektion und Abdeckung des OP-Gebietes. 7 Der Hautschnitt liegt radiopalmar an der Basis des 1. Mittelhandknochens und des Sattelgelenks. 7 Unter Schonung von Radialästen wird die Kapsel mit dem Skalpell längs gespalten. 7 Eingehen in das Gelenk, Spülung und Darstellung der Fraktur mit Langenbeck-Haken. 7 Reposition der Fraktur und Rekonstruktion der Gelenkfläche mit einem Zahnarztspatel, kleinem Löffel, evtl. kleinem Einzinkerhaken, ggf. Fixation mit einer Repositionszange. 7 Retrogrades Fixieren (sog. indirekte Fixierung, bei der auf die Fraktur zu gebohrt wird) mit KirschnerDrähten bzw. Einbringen von Zugschrauben, unter Röntgenkontrolle. 7 Kapselnaht, Blutstillung, Wundverschluss, Anlegen einer Unterarmgipsschiene mit Daumenausleger.
Mittelhandfraktur (MHK-Fraktur) subkapital (unterhalb des Mittelhandköpfchens) Meist als Folge von Schlageinwirkung entstehen insbesondere am 5. Strahl häufig subkapitale Frakturen des Köpfchens mit Dislokation nach palmar. Ab einer Abkippung von ca. 30° ist die Korrektur indiziert. Ist die Fraktur noch frisch (maximal 2 Wochen alt), wird die im Folgenden beschriebene geschlossene Reposition mit intramedullärer Kirschner-Drahtosteosynthese als innere Schienung durchgeführt. Sie hat gegenüber der offenen Reposition die Vorteile, dass nur ein minimales Operationstrauma eintritt und dass das für Bewegungsstörungen empfindliche Grundgelenk nicht tangiert wird.
251 3.7 · Handchirurgie
jIntramedulläre Kirschner-Drahtosteosynthese am 5. Finger (Kleinfinger) kPrinzip
Geschlossene Reposition und minimales Operationstrauma ohne Traumatisierung des Gelenkes. kLagerung
4 Rückenlage, 4 der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausgelagert. 4 Bereitstellung des Bildwandlers unter Einhaltung der Strahlenschutzrichtlinien (7 Abschn. 3.4.2). kInstrumentarium
4 Handgrundsieb, 4 Spezialinstrumentarium wie Kirschner-Drähte, Flachzange, Seitenschneider, Pfriem, kleiner Hammer, manuelles Jakobs-Futter mit Schlüssel. Intramedulläre Kirschner-Drahtosteosynthese 7 Plexusanästhesie und Anlegen der Oberarmblutleere. Desinfektion und Abdeckung des OP-Gebietes. Die Reposition der Fraktur erfolgt geschlossen unter Röntgenkontrolle. 7 Der 1–2 cm große Hautschnitt wird am Karpometakarpalgelenk des 5. Fingers gesetzt. Bei der Präparation werden der Ulnarisast und die Strecksehne geschont. 7 Vorbohren in die Basis des Mittelhandknochens mit dem Pfriem. 7 Vorschieben von 1–2 stumpfen leicht vorgebogenen Kirschner-Drähten (Ø 1,2 mm oder 1,5 mm) unter Röntgenkontrolle bis in das Köpfchen. 7 Umbiegen und Kürzen der Drähte (Nervenast und Strecksehnen dürfen nicht bedrängt werden). 7 Blutstillung, Wundverschluss und Anlegen der Unterarmgipsschiene mit Ausleger für den Finger.
4 Titanschrauben von 1,2–2,3 mm Ø für Zugschraubenosteosynthesen. 4 Titanplatten für die oben genannten Schraubengrößen, in verschiedenen, den Fingergliedern angepassten Formen, auch winkelstabil. Titanimplantate haben sich in den letzten Jahren bei Osteosynthesen durchgesetzt. Titan ist genauso fest wie Stahl, aber leichter. Dadurch sind die Implantate dünner. Titan ruft keine allergischen Reaktionen hervor. Als Beispiel für eine Frakturversorgung am Finger wird hier die Operation eines knöchernen Strecksehnenabrisses am Endglied beschrieben. Es handelt sich um eine streckseitige Basisfraktur am Endglied, die wegen ihrer Gelenkbeteiligung und Dislokation i. d. R. operativ versorgt werden muss. jKnöcherner Strecksehnenabriss am Fingerendglied kPrinzip
Rekonstruktion der Gelenkfläche und Wiederherstellung der vollen Streckfähigkeit. kLagerung
4 Rückenlage, 4 der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausgelagert. 4 Bereitstellung des Bildwandlers unter Einhaltung der Strahlenschutzrichtlinien (7 Abschn. 3.4.2). kInstrumentarium
4 Handgrundsieb, Spülspritze, 4 Spezialinstrumente wie Löffel, Zahnarztspatel, Sehnenhaken, Flachzange, Bohrmaschine, Schrauben (Minischrauben Ø 1,2 mm) oder Cerclagedraht und Kanüle (Ø 1,2 mm), um eine Drahtnaht durch das Endglied anbringen zu können (Draht Ø 0,5 mm).
Osteosynthese beim knöchernen Strecksehnenabriss
Fingerfrakturen Dislozierte Frakturen, ggf. mit Gelenkbeteiligung, erfordern auch an den Fingergliedern die operative Korrektur mit Stabilisierung. Dafür stehen Kleinfragmentinstrumentarien und Miniimplantate zur Verfügung. Je nach Lokalisation und Verlauf der Fraktur bieten sich folgende Implantate zu den verschiedenen Möglichkeiten der Osteosynthese an: 4 Kirschner-Drähte ab 0,6 mm Ø für die direkte Fixierung von Knochenfragmenten, für die intramedulläre Schienung oder temporäre Fixierung von Gelenken. 4 Drahtcerclagen ab 0,4 mm Ø für Zuggurtungen oder Arthrodesen.
7 Oberst-Anästhesie, Anlegen einer Fingerblutleere. Desinfektion und Abdecken des Operationsgebietes. 7 H-förmiger Hautschnitt am dorsalen Endgelenk. 7 Vorsichtiges Ablösen der Haut von der Strecksehne, die nach distal als knöchernes Fragment endet. 7 Darstellen und Reinigen der Fraktur mit einem kleinen Löffel/Zahnarztspatel und Spülung. 7 Reposition der Fraktur und Rekonstruktion der Gelenkfläche mit zwei Pinzetten. 6
3
252
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
Beugesehnendurchtrennung, Beugesehnennaht
3
7 Nach der Reposition erfolgt die Osteosynthese entweder mit einer oder zwei Minischrauben oder mit einer Zuggurtung. Ist das Fragment sehr klein, wird die Zuggurtung bevorzugt. Dafür wird zuerst eine Kanüle in den Bohrer eingespannt und quer durch die Endgliedbasis gebohrt. Durch das Lumen der Kanüle wird der 0,5 mm dünne Cerclagedraht wieder zurückgeführt (= transossäre Drahtnaht). 7 Das Minifragment wird mit einem 0,6 mm starken Kirschner-Draht aufgefädelt und somit fixiert. Die Drahtnaht kann nun vorsichtig um den KirschnerDraht geschlungen und ihre Enden miteinander verzwirbelt werden. 7 Röntgenkontrolle und Dokumentation, Blutstillung, Hautnaht und Anlegen einer Fingergipsschiene.
kPrinzip
Wiederherstellung der vollen Beweglichkeit durch eine Beugesehnennaht kLagerung
4 Rückenlage, 4 der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausgelagert. kInstrumentarium
4 Handgrundsieb, Spülspritze, 4 Spezialinstrumente wie Sehnenhaken, Kanüle zur Sehnenfixierung, (um die Sehne bis zur Naht vorübergehend zu fixieren) 2 chirurgische Mosquitoklemmchen, evtl. Kirschner-Drähte und Bohrmaschine, Seitenschneider. Beugesehnennaht
Beuge- und Strecksehnenverletzungen Kommt es bei Verletzungen zur Durchtrennung von Sehnen, so ist ihre möglichst frühzeitige, d. h. primäre Naht erforderlich, um der Verkürzung der Sehnen durch Kontraktur der Muskulatur und narbiger Verklebung vorzubeugen. Ist eine primäre Sehnennaht nicht möglich, sollte sie unmittelbar nach Abschluss der Wundheilung bei blanden Narbenverhältnissen erfolgen. Spätere Sehnennähte haben eine deutlich geringere Erfolgsaussicht in Hinblick auf Wiedererlangung der freien Beweglichkeit. Insbesondere im Bereich der Sehnenscheide und der Ringbänder am Finger ist es wichtig, dass die Sehnennaht nicht durch Wülste auftreibt und glatt die Ringbänder passieren kann. Die Sehnennähte erfolgen deshalb in spezieller Nahttechnik nach Kirchmayr und erhalten i. d. R. eine zusätzliche Feinadaptation. Frisch genähte Beugesehnen können die Zugkraft des Muskels unmöglich aufnehmen, sodass in den ersten Wochen der Nachbehandlung aktives Beugen strikt untersagt ist. Zur Entlastung der Sehnennähte wird postoperativ eine sog. Kleinert-Gipsschiene (Beugung aller Grundgelenke in 60°, Beugung des Handgelenkes in 30°) angelegt mit Gummibandzügelung des betroffenen Fingers in Beugestellung, aus der dann aktiv gestreckt werden darf. Diese Anordnung vermeidet Rupturen der Sehnennähte und gewährleistet gleichzeitig, dass die genähten Sehnen ohne Belastung gleiten können und nicht verkleben. Versorgte Strecksehnenverletzungen werden dagegen durch 3-wöchige palmare Gipsschiene in Funktionsstellung ruhig gestellt. Bei Strecksehnennähten in Höhe der Fingerglieder ist zur Ruhigstellung auch die temporäre Fixierung des Gelenkes mit einem Kirschner-Draht möglich.
7 Plexusanästhesie oder Vollnarkose, Anlegen der Oberarmblutleere, Desinfektion und Abdeckung des OP-Gebietes. 7 Der Hautschnitt verläuft S- oder Z-förmig; Schnitterweiterung nach proximal und distal. 7 Darstellung und Schonung beider Gefäß-NervenBündel der Finger und der Ringbänder. 7 Aufsuchen des proximalen und distalen Sehnenstumpfes, die in ihr anatomisches Gleitlager zurückgeführt werden. 7 Mit den Mosquitoklemmchen werden die Sehnenenden in der Tiefe angeklemmt und mit einer Kanüle fixiert. Die Naht der Sehne erfolgt in Kirchmayr-Technik: End- zu- End-Naht, mindestens 1 cm von der Durchtrennungsstelle der Sehne entfernt; quere Durchstechung, der Sehnen, sodass der Knoten zwischen den Sehnenstümpfen zu liegen kommt. Die Naht erfolgt mit einem nicht resorbierbaren, geflochtenen Faden der Stärke 3–0 oder 4–0, die Feinadaptation mit einem 6–0 monofilen Faden. 7 Hautnaht und Anlegen der dorsalen Gipsschiene mit Gummibandzügelung. 7 Krankengymnastik ab dem 1. postoperativen Tag.
Nerven- und Gefäßdurchtrennung Nervenverletzung, Nervennaht Durchtrennte Nerven sollten möglichst primär mikrochirurgisch genäht werden, da verspätete Nervennähte deutlich verminderte Erfolgsaussichten auf eine Wiedererlangung ihrer motorischen oder sensiblen Funktion haben. Nervennähte bedürfen einer spannungsfreien Adaptation
253 3.7 · Handchirurgie
und eines mikrochirurgisch versierten Teams, das über das notwendige Mikroinstrumentarium und ein Operationsmikroskop verfügt (7 Kap. 10 und 11). Während monofaszikuläre Fingernerven mit 3–4 epineuralen (die Nähte fassen nur die gefäßtragende Nervenhülle, das Epineurium) Nähten gut adaptiert sind, bedarf die Naht eines großen multifaszikulären oder polyfaszikulären (10–15 Faszikel) Nervs (z. B. N. medianus, N. ulnaris) der möglichst exakten Zuordnung der Faszienbündel und entsprechenden epifaszikulärer Mikronähte, was nur unter dem Mikroskop möglich ist. Bei älteren Nervenverletzungen kann eine spannungsfreie Naht i. d. R. nicht mehr durchgeführt werden, sodass dann ggf. eine Nerventransplantation erforderlich ist. Als Spendernerv kommen der N. cutaneus antebrachii des Unterarms oder der N. suralis des Unterschenkels in Frage. kIndikation
Sensibilitätsstörungen, Taubheitsgefühl, Lähmungserscheinungen oder Muskelatrophie durch eine Nervennaht zu beheben oder gar nicht erst entstehen zu lassen. kLagerung
4 Rückenlage, 4 der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausgelagert. kInstrumentarium
4 Handgrundsieb, 4 Mikroskop, steriler Bezug für das Mikroskop, 4 Mikroinstrumente. Nervennaht 7 Plexusanästhesie oder Narkose, Anlegen der Oberarmblutleere, Desinfektion und Abdeckung des OP-Gebietes. 7 Schnitterweiterung der vorausgegangenen Verletzung unter Beachtung der Hautbeugefalten. 7 Präparation der Gefäß-Nerven-Bündel vom Gesunden zur Durchtrennungsstelle unter Vermeidung jeglicher Traumatisierung der Strukturen. 7 Bei Bedarf sparsame Anfrischung der Stümpfe und ggf. Zuordnung der Faszikel. Bei großen Nerven Zuhilfenahme des Operationsmikroskops. 7 Spannungsfreie Adaptationsnähte mit Nähten der Stärke 10–0 oder 11–0 monofil, nicht resorbierbar, mit einer runden Nadel. 7 Wundverschluss und Anlegen der dorsalen Gipsschiene.
Gefäßdurchtrennung Für primäre Nähte von Gefäßen gelten ähnliche Bedingungen wie bei Nähten von Nerven. Sie können im Vergleich zu Nerven mit Mikrogefäßklemmen fixiert werden, nachdem sie angefrischt und gespült wurden (7 Kap. 4) Das Zusammenführen beider Stümpfe, bis sie sich berühren, kann entweder mit zwei Mikropinzetten oder mit einem kleinen Spezialinstrument (Approximator) vorgenommen werden.
Bandrupturen Grobe Krafteinwirkung auf Gelenke kann zu Rupturen am Kapsel-Band-Apparat führen. Während Rupturen der Bänder (Seitenbänder und palmare Platte) an Fingergelenken i. d. R. keiner operativen Therapie bedürfen, sollte insbesondere das ulnare Seitenband am Daumengrundgelenk reponiert und operativ wiederhergestellt werden. Dieses Band am Daumengrundgelenk rupturiert meist durch Stürze beim Skifahren (sog. Skidaumen durch Hebelwirkung des Skistocks) oder bei Stürzen mit dem Fahrrad oder Motorrad (Lenker). Die Stümpfe des rupturierten Bandes legen sich durch die enge Kapsel nicht wieder aneinander, sodass ohne Operation eine bleibende Instabilität entstünde. Eine chronische Subluxation würde zu vorzeitigem Verschleiß (Arthrose) führen. Sofern noch keine Arthrose eingetreten ist, können alte Bandrupturen durch eine Bandplastik mit der Sehne des M. palmaris longus ersetzt werden. Bei bereits eingetretener Arthrose ist die Arthrodese indiziert, um stabile Verhältnisse am Daumengrundgelenk wiederherzustellen.
Ruptur des ulnaren Seitenbandes am Daumen kPrinzip
Rekonstruktion des ulnaren Seitenbandes am Daumen. kLagerung
4 Rückenlage, 4 der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausgelagert. kInstrumentarium
4 Handgrundsieb, 4 Spezialinstrumente wie Kirschner-Draht (Ø 1,2 mm) bei direkter Naht des Seitenbandes, Seitenschneider, Bohrmaschine, Zahnarztspatel, Spülung. Sollte nicht ausreichend Band zum Nähen zur Verfügung stehen, da es zu dicht am Knochen ausgerissen ist, kann mit einem Knochenanker (Fa. Linvatec) oder Fadenankerdübel (. Abb. 3.201) das Band am Knochen fixiert werden. Beim Linvatec-Anker (Knochenanker) handelt es sich um ein System zur Refixierung von Weichteilen am Knochen. Dieser Anker verbleibt im Knochen.
3
254
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
ment mit dem Faden mit leichtem Druck eingepresst. Wenn der Faden mit Anker fest sitzt, wird mit dem Nadelhalter die am Faden befindliche Nadel gefasst und das Seitenband an den Knochen herangezogen und gut vernäht. 7 Kapselnaht, Wundverschluss und Anlegen einer dorsalen Unterarmgipsschiene mit Daumenausleger.
3
. Abb. 3.201 Knochenanker und Einsetzinstrumente. (Beispiel: Fa. Linvatec)
Der Knochenanker mit Ø 1,5 mm ist geeignet für Seitenbänder des Daumens oder Strecksehnen der Finger, der etwas größere Knochenanker mit Ø 2,5 mm zur Refixierung z. B. der Bizepssehne am Radius.
3.7.6
Erkrankungen und ihre Behandlung
Naht des ulnaren Seitenbandes am Daumen 7 Plexusanästhesie oder Narkose, Anlegen der Oberarmblutleere, Desinfektion und Abdeckung des OP-Gebietes. 7 Bogenförmiger ca. 4 cm langer Hautschnitt an der ulnaren Daumenseite. 7 Schonung des dorsalen Radialisastes. 7 Längsspaltung der Adduktoraponeurose und der Gelenkkapsel mit dem Skalpell. 7 Einsetzen von Zweizinkerhaken, die später zur Schonung des Radialisastes durch LangenbeckHaken ersetzt werden. 7 Darstellen und Mobilisieren der Seitenbandstümpfe durch passive Bewegung des Daumens. 7 Spülung des Gelenkes und Entfernung von Hämatom. 7 Naht des Seitenbandes mit geflochtenem, resorbierbarem Nahtmaterial der Stärke 3–0. 7 Bei Subluxationstendenz des Gelenkes temporäre Fixierung mit 1,2-mm-Kirschner-Draht. 7 Naht der Gelenkkapsel und der Aponeurose. 7 Anlegen einer dorsalen Unterarmgipsschiene mit Daumenausleger für 6 Wochen, bei KirschnerDrahtfixierung nur für einige Tage. 7 Wenn das Seitenband zu dicht am Knochen ausgerissen ist und eine direkte Naht beider Enden nicht mehr möglich ist, kann das Band mit einem Knochenanker refixiert werden. Den Linvatec-Anker (. Abb. 3.201) gibt es in den Stärken 1,5 mm oder 2,5 mm, er ist bestückt mit einem nicht resorbierbaren Faden der Stärke 2 auf einem Setzinstrument. Mit Hilfe des Bohrers wird der Knochen vorgebohrt, dann das Setzinstru6
Dupuytren-Erkrankung Bei der Dupuytren-Erkrankung (nach Guillaume Dupuytren; 1777–1835) kommt es zur Ausbildung von schmerzfreien Knoten und Strängen (Fibromatose) in der Hohlhand und den Fingern, die aus der Palmaraponeurose herauswachsen und durch Verkürzungen zu Beugekontrakturen der Finger führen. Die Ursache der Erkrankung ist nicht vollständig bekannt, sie befällt überwiegend Männer und meistens beide Hände. Wegen der Rezidivfreudigkeit der Erkrankung ist erst bei Ausbildung störender Kontrakturen die Entfernung der Knoten und Stränge (Fasziektomie) indiziert mit dem Ziel, eine vollständige Streckung aller Finger wiederherzustellen. jSymptome
4 Schmerzlose Strang- und Knotenbildung oder Einziehung in der Hohlhand und in den Fingerbeugeseiten, 4 flächige Induration in der Hohlhand, 4 langsame zunehmende Beugekontraktur (Krallenhand) einzelner oder mehrerer Finger, 4 Abspreizbehinderung des Daumens bei Befall der 1. Zwischenfingerfalte. Zur operativen Behandlung stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung: 4 Einfache perkutane Strangdurchtrennung (Fasziotomie), zumeist bei alten Patienten, 4 lokale Exzision, hier ist jedoch die Rezidivwahrscheinlichkeit hoch, 4 partielle Entfernung der Palmaraponeurose bei Befall nur eines Strangs, 4 vollständige Entfernung der Palmaraponeurose, sog. totale Fasziektomie.
255 3.7 · Handchirurgie
jDupuytren-Operation kPrinzip
Durch Exzision der Stränge soll die Streckung der Finger und die Funktion der Hand wieder hergestellt werden. kLagerung
4 Rückenlage, 4 der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausgelagert. kInstrumentarium
4 Handgrundsieb, 4 Nervenhaken, 4 Metallfixierhand (. Abb. 3.202).
. Abb. 3.202 Metallfixierhand
Dupuytren-Operation
Nervenkompressionssyndrome der Hand
7 Plexusanästhesie oder Narkose, Anlegen der Oberarmblutleere. Die Hand wird auf einer Lagerungsschiene aus Metall mit sterilen Gummibändern fixiert. Der Operateur trägt eine Lupenbrille. 7 Hautschnitt längs über den Strängen von Finger und Hohlhand mit dem Skalpell. 7 Lösen der subkutanen Verklebungen unter Schonung der Hautgefäße, entweder mit dem Skalpell oder mit einer Schere. 7 Einsetzen von scharfen Haken. 7 Lösen und Darstellen der Nerven und Arterien über die volle Schnittlänge. 7 Komplette Resektion der Stränge und der Hohlhandaponeurose unter Erhaltung der Sehnenscheide und der Ringbänder (ggf. Arthrolyse bei noch verbliebener Kontraktur von Gelenken). 7 Z-Plastiken im Bereich der Beugefalten zur Verlängerung der Haut und zur Vermeidung von späteren Narbenkontrakturen. 7 Bei Hautdefekten, die nicht gedeckt werden können, kann ein Vollhauttransplantat vom Unterarm entnommen und zur Deckung verwendet werden. 7 Sorgfältige Blutstillung und Einlage einer RedonDrainage, Wundverschluss, Kompressionsverband und Unterarmgipsschiene mit Fingerausleger in Streckstellung für 5 Tage; danach Krankengymnastik.
4 N. medianus:
Nervenkompressionssyndrome An der oberen Extremität gibt es verschiedene anatomische Engstellen, in denen Nerven unter Druck geraten können und entsprechend ihrer Funktion Muskelausfälle, Sensibilitätsstörungen und Schmerzen verursachen können. Sie lassen sich in der Übersicht gezeigt einteilen.
– Karpaltunnelsyndrom (KTS) – Pronatorsyndrom – Interosseus-anterior-Syndrom 4 N. ulnaris: – Ulnarisrinnensyndrom (URS) – Loge-de-Guyon-Syndrom 4 N. radialis: – Supinatorsyndrom – Wartenberg-Syndrom
Die häufigsten Kompressionssyndrome und deren operative Behandlung werden hier näher beschrieben.
N. medianus Karpaltunnelsyndrom Das Karpaltunnelsyndrom (KTS) ist das häufigste Nervenkompressionssyndrom. Der Karpaltunnel im Bereich der palmaren Handwurzel wird begrenzt durch das kräftige Lig. carpi transversum (Retinaculum flexorum) und ist dadurch starr begrenzt. Durch das Lig. carpi transversum laufen 9 Beugesehnen sowie der N. medianus. Durch Flüssigkeitseinlagerung in der Synovialis der Sehnen kommt es zu einem ansteigenden Druck im Tunnel, der vom Nerv mit Missempfindungen, Taubheitsgefühlen, Schwäche der Daumenballenmuskulatur und nächtlichen Schmerzen quittiert wird. Frauen im mittleren Lebensalter sind überwiegend betroffen, aber auch in der Schwangerschaft, bei Diabetesmellitus- und Dialysepatienten tritt es häufig auf. Nach klinischer Untersuchung und neurologischer Objektivierung einer Leitungsverzögerung des Nervs ist die operative Dekompression und Neurolyse die Methode der Wahl.
3
256
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
kPrinzip
kLagerung
Druckentlastung des N. medianus.
4 Rückenlage, 4 der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausgelagert.
OP-Verlauf bei Karpaltunnelsyndrom
3
7 Plexusanästhesie oder Narkose, Anlegen einer Oberarmblutleere. 7 Hautschnitt an der palmaren Handwurzel in der Beugefalte. 7 Darstellen und vollständige Durchtrennung des Retinaculum flexorum und der distalen Unterarmfaszie entlang des ulnaren Randes des N. medianus. 7 Einsetzen von scharfen Haken und Darstellen des N. medianus, der häufig eine sichtbare Abschnürung und eine livide Gefäßinjektion als Folge des chronischen Druckes zeigt. 7 Darstellen des motorischen Thenar- (Daumen-)astes. 7 Darstellen der Beugesehnen, evtl. Entfernung von deren hypertropher Synovialis (Ganglien oder Thrombose). Blutstillung, bei Synovektomie Einlegen einer Redon-Drainage, Wundverschluss. 7 Dorsale Unterarmgipsschiene für 10 Tage in leichter Streckstellung im Handgelenk, da es bei frühzeitiger Beugung des Handgelenkes zu einer Vorverlagerung des N. medianus kommen kann. Der Nerv würde dann in den Narben des Retinaculum flexorum fixiert und könnte eine Ursache für bleibende postoperative Beschwerden sein.
Pronator- und Interosseus-anterior-Syndrom Beim Pronator- und Interosseus-anterior-Syndrom handelt es sich um seltene Kompressionen des N. medianus am proximalen Unterarm, die ebenfalls sowohl motorische als auch sensible Störungen verursachen können.
kInstrumentarium
Handgrundsieb. Verlauf bei der URS-Operation 7 Hochangelegte Blutleeremanschette am Oberarm, Desinfektion der Hand und des Oberarmes und sterile Abdeckung bis hoch zum Oberarm. 7 Bogenförmige Hautinzision entlang des Sulcus ulnaris mit dem Skalpell. 7 Darstellen und Freipräparieren des N. ulnaris mit Spaltung des Septum intermusculare proximal und der FCU-Muskulatur distal. 7 Einsetzen von Langenbeck-Haken. 7 Bei arthrotischen Veränderungen oder Luxationstendenz des Nervs aus dem Sulcus bei Beugung des Ellbogengelenkes über 90° erfolgt die submuskuläre Vorverlagerung des Nervs nach Ablösen der Muskelursprünge am Epicondylus humeri ulnaris. Schaffung eines neuen Bettes für den Nerv, der dort harmonisch ohne Engstellen oder Abknickungen zu liegen kommen muss und auch bei vollständiger Bewegung des Gelenkes keine erneute Abschnürung zeigen darf. Refixierung der Faszie über dem Nerv mit einer geflochtenen, resorbierbaren 3–0-Naht. 7 Einlegen einer Redon-Drainage, Blutstillung, Wundverschluss, Anlegen der Oberarmgipsschiene für 10 Tage, bei Vorverlagerung für 3 Wochen.
N. ulnaris
Loge-de-Guyon-Syndrom Eine seltenere Kompression des
Ulnarisrinnensyndrom (URS) Der N. ulnaris verläuft am
N. ulnaris kann in der Loge de Guyon am ulnaren/palmaren Handgelenk oder der Handwurzel vorliegen, meist ausgelöst durch ein raumforderndes Ganglion oder durch Unfallfolgen, wie einer thrombosierten Vene oder einer Fraktur des Hamulus ossis hamatum.
Ellbogengelenk durch den Sulcus ulnaris (»Musikknochen«). Auch hier kommt es als Folge von chronischem Druck oder Knochenveränderungen durch Arthrose oder als Frakturfolge sowie durch chronische Luxation des Nervs aus der Rinne durch starkes Beugen des Ellbogengelenkes zu einer Schädigung des N. ulnaris. Sie äußert sich in einer oft sichtbaren Atrophie der Handbinnenmuskulatur, einer Schwäche der Hand und Sensibilitätsstörungen am Ring- und Kleinfinger. Ist bereits eine manifeste Leitungsverzögerung des Nervs eingetreten, ist die operative Neurolyse und/oder Verlagerung des Nervs indiziert. kPrinzip
Dekompression des N. ulnaris am Ellbogengelenk.
N. radialis Supinatorsyndrom Häufig in Kombination mit einer Epicondylitis humeri radialis (»Tennisellbogen«) kann es am proximalen Unterarm zu einer Kompression des Ramus profundus des N. radialis kommen, der dort unter der Faszie des M. supinator (Arkade von Frohse) eingeschnürt wird und dadurch Schmerzen und Schwäche bei der Streckung des Handgelenkes und der Finger verursacht. Sofern konservative Maßnahmen nicht zu einem befriedigendem Ergebnis führen, ist nach klinischer und neurologischer
257 3.7 · Handchirurgie
Untersuchung die operative Dekompression und Neurolyse erforderlich. kPrinzip
Dekompression des Ramus profundus (N. radialis) in der Supinatorloge. kLagerung
4 Rückenlage, 4 der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausgelagert.
Ringbandspaltung 7 Lokale Handgelenkbetäubung und Anlegen der Oberarmblutleere. 7 Kleiner palmarer Hautschnitt am betroffenen Grundgelenk. 7 Die Gefäß-Nerven-Bündel werden mit Langenbeck-Haken beiseite gehalten. 7 Spalten des A1-Ringbandes, ggf. Synovektomie der Sehnen (es gibt 5 Ringbänder an den Fingern, von A1–A5). 7 Blutstillung, Wundverschluss, Verband.
kInstrumentarium
4 Handgrundsieb mit längeren Langenbeck-Haken. OP-Verlauf bei Supinatorsyndrom 7 Narkose, Anlegen der Oberarmblutleere, Desinfektion, sterile Abdeckung. 7 S-förmiger Hautschnitt am proximalen dorsalen Unterarm. 7 Spalten der Muskelfaszie und stumpfes Spalten der Muskulatur mit den Fingern. 7 Darstellen des N. radialis in seinem Aufgabelungsbereich in den Ramus profundus und superficialis. 7 Mikroskopische Präparation des Ramus profundus und N. radialis nach distal. 7 Spalten der Supinatorfaszie (Arkade von Frohse), bis der Nerv einen vollständig kompressionsfreien Verlauf hat. 7 Sorgfältige Blutstillung, Redon-Drainage, Wundverschluss, Oberarmgipsschiene.
Tendovaginitis de Quervain Ein weiteres häufiges Engpasssyndrom für Sehnen ist die sog. Tendovaginitis de Quervain, bei der zwei Strecksehnen des Daumens (M. extensor pollicis brevis und M. abductor pollicis longus) im 1. Streckerfach am radialseitigen Handgelenk eingeengt sind und Schmerzen verursachen. Ist die Therapie mit Antiphlogistika erfolglos, wird die Operation durchgeführt. Spaltung des 1. Streckerfaches bei Tendovaginitis de Quervain 7 Radialisblockade am distalen Unterarm und Anlegen der Oberarmblutleere. 7 Hautschnitt über dem 1. Streckerfach unter Schonung der Radialisäste mit dem Skalpell. 7 Spaltung des 1. Streckerfaches und Tendolyse der Sehnen , ggf. Synovektomie. 7 Dorsale Unterarmgipsschiene für 10 Tage.
Wartenberg-Syndrom Selten kann eine Kompression des
Daumensattelgelenkarthrose (Rhizarthrose)
Ramus superficialis des N. radialis am mittleren bis distalen Unterarm vorliegen, wo der Nerv unter der Faszie des M. brachioradialis hindurchtritt und dort insbesondere nach Prellungen mit Hämatom unter Druck geraten kann.
Die Arthrose im Daumensattelgelenk ist eine degenerative Verschleißerkrankung des Knorpels, die im Gelenk zu einer chronisch schmerzhaften Bewegungseinschränkung bis hin zu einer fortschreitenden Adduktionskontraktur führen kann und damit die Funktion der Hand stark beeinträchtigt. Die Erkrankung befällt überwiegend Frauen im mittleren bis höheren Alter, meistens beidseitig. Sofern die konservativen Behandlungsmaßnahmen nicht zu einer ausreichenden Schmerzfreiheit führen, kommt als operative Maßnahme die Resektionsarthroplastik (FCR-Plastik) in Frage, die sich international als Methode der Wahl entwickelt hat. Bei dieser Operation wird das Os trapezium und somit die schmerzhafte Kontaktfläche im Sattelgelenk entfernt.
Tendinitis/Tendovaginitis Neben Engpässen für Nerven gibt es an der Hand auch verschiedene Engpässe für Sehnen, die dort durch chronisches Reiben Verdickungen bilden und dadurch Schmerzen bzw. ein Schnappen von Fingern verursachen können. Der häufigste Engpass ist die sog. Tendinitis nodosa (auch Tendinitis stenosans oder Schnappfinger genannt) an den Ringbändern in Höhe der palmaren Grundgelenke aller Finger.
Ringbandspaltung bei Tendinitis nodosa kPrinzip
kPrinzip
Ringbandspaltung zur Beseitigung des Gleithindernisses der Beugesehne.
Erreichung von Schmerzfreiheit und Erhaltung der Beweglichkeit im Daumensattelgelenk.
3
258
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
kInstrumentarium
3
4 Handgrundsieb, 4 Spezialinstrumente wie Löffel, Spülspritze, Sehnenhaken, scharfe Mosquitoklemmchen, Reibahlen (ein nicht konisches Instrument, das zur Aufreibung von Bohrungen verwendet wird), kleine Meißel und Hammer, Bohrmaschine, 2,0-mm- und 2,7-mm-Bohrer. kLagerung
4 Rückenlage, 4 der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausgelagert.
Sofern Ganglien Schmerzen, Nervenkompression oder Bewegungseinschränkungen verursachen, sollten sie operativ entfernt werden. Bei gründlicher Entfernung ist ihre Rezidivneigung gering. kInstrumentarium
4 4 4 4 4
Handgrundsieb, Luer, Lidhaken, Spülspritze, scharfe Mosquitoklemmchen.
Ganglionentfernung Resektionsarthroplastik (FCR-Plastik) 7 Plexusanästhesie oder Narkose, Anlegen der Oberarmblutleere. 7 Gebogener Hautschnitt radiopalmar über dem Sattelgelenk und Os trapezium. 7 Schonung der subkutan verlaufenden Radialisäste durch Einsetzen von Langenbeck-Haken. 7 Eröffnung der Gelenkkapsel und Darstellen des Os trapezium. 7 Vollständiges Entfernen des Os trapezium mit Hilfe von kleinen Meißeln und kleinem Luer unter Schonung der freiliegenden FCR-Sehne. 7 Zusätzlicher Hautschnitt über der FCR-Sehne am Handgelenk. 7 Abspalten der radialen Hälfte und Teilung der Sehne bis zu ihrem Ansatz am 2. Mittelhandknochen. 7 Schräges Bohrloch von 2–2,7 mm Ø durch die Basis des MHK 1 (Mittelhandknochen 1). 7 Durchziehen der Sehne durch das Bohrloch, die danach mit einem Spongiosablock aus dem entfernten Os trapezium und einer Naht nach Distalisierung (durch Ziehen am Daumen) des Daumens fixiert wird. 7 Redon-Drainage, Kapselnaht, Blutstillung, Wundverschluss und Anlegen der dorsalen Unterarmgipsschiene mit Daumenausleger für 3 Wochen.
Ganglien, Tumoren Ganglien, fälschlich auch »Überbein« genannt, sind tumorähnliche Zystenbildungen in der Nähe von Gelenken und Sehnenscheiden (Ringbandganglien) mit gallertartigem Inhalt. Sie treten häufig bei jüngeren Patienten auf und sind meist im Bereich des dorsalen oder palmaren Handgelenkes zu finden, kommen aber auch an der Handwurzel und an Fingergelenken vor. Sie sind i. d. R. äußerlich sichtbar oder tastbar, können aber auch okkult auftreten und sogar in den Knochen einwachsen (intraossäres Ganglion), i. d. R. im Kahnbein und/oder im Mondbein.
7 Plexusanästhesie oder Narkose, Anlegen einer Blutleere. 7 Hautschnitt über dem Ganglion, die Schnittführung wird nach dem Verlauf der Hautfalten ausgerichtet. 7 Die ggf. verdrängten Nerven und Gefäße werden dargestellt, damit sie geschont werden können. 7 Das Ganglion wird an seinem Stiel bis in die Gelenkkapsel hinein freipräpariert und vollständig entfernt. 7 Blutstillung, Wundverschluss, Gipsschiene für 10 Tage. 7 Das Präparat geht zur histologischen Untersuchung. 7 Bei Entfernung von Ganglien im Bereich der Finger (Mukoidzysten) reicht i. d. R. die Oberst- Anästhesie und Anlegen einer Fingerblutleere aus. Bei verbleibenden Hautdefekten, z. B. am Nagelwall, erfolgt die Deckung mit einem Vollhauttransplantat oder Verschiebelappen. 7 Gleiches Vorgehen bei Weichteiltumoren anderer Genese.
Läsionen des Discus triangularis und unklare Handgelenkbeschwerden Bei diagnostisch nicht vollständig geklärten Handgelenkschmerzen, bei Verdacht auf eine Diskusruptur oder interkarpale Bandverletzung besteht die Möglichkeit, für diagnostische und therapeutische Zwecke eine Handgelenkarthroskopie durchzuführen.
Handgelenkarthroskopie Bei einer Spiegelung des Handgelenkes können 4 verschiedene Gelenkräume gespiegelt werden: 4 Das Radiokarpalgelenk, der Raum zwischen Speiche (Radius), Mondbein (Os lunatum) und Kahnbein (Os scaphoideum), das eigentliche Handgelenk (RUG). 4 Das Ulnakarpalgelenk Ulna/Os triquetrum (Dreieckbein).
259 3.7 · Handchirurgie
4 Der Diskus-TFCC (= »triangular fibro cartilage complex«). TFCC ist eine ligamentäre Struktur, die an der Ulnaseite des Handgelenks zwischen Ulnakopf und dem Os lunatum bzw. Os triquetrum gelegen ist. Er dient als Puffer zwischen zwischen dem Ulnakopf und dem ulnarem Abschnitt der proximalen Handwurzelreihe. 4 Das mediokarpale Gelenk, der Raum zwischen körpernaher und körperferner Handwurzelreihe, oder Handwurzelgelenk (MCG). 4 Das distale Radioulnargelenk, das körperferne Drehgelenk zwischen Radius und Ulna, fängt den Druck zwischen Elle und Speiche ab, der von den Handwurzelknochen ausgeht. kIndikation
4 Entzündung der Gelenkschleimhaut (Synovialitis), 4 traumatische oder degenerative Schäden am Diskus (Diskus-TFCC oder Triangularligament), 4 Ganglien oder Zysten, 4 Knorpelschäden, 4 Frakturen (SL-Band); es handelt sich um eine Zerreißung des Bandes zwischen dem Kahnbein (Scaphoid) und dem Mondbein. kZugangswege
Die Zugangswege orientieren sich an den 6 Strecksehnenfächern. Insbesondere der Bereich zwischen dem 3. und 4. Strecksehnenfach wird lokalisiert. Über ihn sind sowohl radial als auch ulnar gelegene Läsionen zu inspizieren und zu therapieren. Operationsmethoden 7 7 7 7
Shaving = Knorpelglättung. Diskusnaht. Bandnaht. Entfernung von Synovia, Ganglien, Zysten oder Diskus-Knorpel-Schäden. 7 Pridie-Bohrung = Anbohrung von Knorpeldefekten, um die darunterliegende Knochenschicht zu durchbrechen und das Einsprossen von Blutgefäßen zu erreichen.
kLagerung
Der Patient wird in Rückenlage auf den OP-Tisch gelagert, der betroffene Arm wird entweder auf einem feststehenden Handtisch ausgelagert, und der »traction tower« (. Abb. 3.203) wird zur Überstreckung (Distraktion) des Handgelenkes angewendet, oder das bekanntere Galgensystem (. Abb. 3.204) kommt zum Einsatz. Bei allen Lagerungstechniken ist Vorsicht geboten. Es können Ver-
. Abb. 3.203 »Traction tower«
letzungen der Haut, Dehnungsschäden der Hautnerven und des Kapsel-Band-Apparates der Fingergelenke auftreten. Der »traction tower« (. Abb. 3.203) ist besser geeignet für Frauen oder kleinere Menschen mit nicht so langen Unterarmen. Dieses System beinhaltet ein verstellbares Kugelgelenk, das eine Beugung und Streckung im Handgelenk als auch eine radiale oder ulnare Abduktion möglich macht. Dieses sterile System wird nach der Desinfektion und der sterilen Abdeckung auf den Handtisch gestellt. Der betroffene Arm wird mit einer Esmarch-Binde ausgewickelt und die Blutleere (230–250mm Hg) angelegt. Zeige- und Mittelfinger werden mit Extensionshülsen versehen, auch »Mädchenfänger« genannt. Diese Hülsen sind aus Kunststoff oder Metall, sie ziehen sich beim Überstülpen und leichtem Zug zusammen und rutschen somit nicht von den Fingern. Es ist eine schonende Methode, einzelne Finger zu fixieren. An einer Federwaage ist die Distraktionskraft abzulesen. Das Galgensystem (. Abb. 3.204) kommt bei recht großen Patienten zum Einsatz, da die Aufhängung freier gestaltet werden kann. Noch vor der Desinfektion werden die Finger in einer Aufhängung fixiert. Ein Gewicht von etwa 4 kg wird über die Blutleeremanschette gelegt und die Blutleere angelegt. Desinfektion der Hand bis Mitte Unterarm.
3
260
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
Arthroskopie des Handgelenks 7 Kanüle zum Lokalisieren des betroffenen Gelenkspaltes. 7 2 kleine Inzisionen mit dem Stichskalpell. 7 Spreizen mit der Schere oder einem stumpfen Klemmchen. 7 Einführen der Optik und des Tasthakens und Inspektion des Gelenkes. 7 Je nach Befund wird nun entschieden, ob Knorpelschäden mit einem Shaver geglättet werden sollen oder andere Therapien nötig werden.
3
3.7.7
Rekonstruktionen nach Unfallfolgen
Motorische Ersatzplastiken
. Abb. 3.204 Galgensystem
Als Folge von Lähmungen, Verletzungen oder Infektion können einzelne Muskeln oder Sehnen, aber auch ganze Muskelgruppen langfristig ausfallen, wie z. B. die Strecker des Handgelenks und der Finger bei einer Radialisparese. In diesen Fällen ist eine (teilweise) Wiederherstellung der ausgefallenen Muskeln durch Umlagerung anderer Sehnen möglich, um die Funktion der Hand aufrechtzuerhalten. Die einfachste motorische Ersatzplastik ist die Umlagerung der Sehne des M. extensor indices (2. Zeigefingerstrecksehne) auf die lange Daumenstrecksehne (EI-Umlagerung), die insbesondere nach Radiusfrakturen (mit und ohne Osteosynthesematerial), aber auch durch rheumatische oder arthrosebedingte Synovitis am streckseitigen Handgelenk bevorzugt rupturiert. Diese Operation wird hier kurz beschrieben.
EI-Umlagerung (Extensor-indicis-Umlagerung) kInstrumentarium
4 4 4 4 4 . Abb. 3.205 (Mini-)Optik. (Beispiel: Fa. Richard Wolf GmbH)
kInstrumentarium
4 Kleine Grundausstattung: Skalpell, Schere, Pinzette, Knopfkanüle, Kanüle, Mosquitoklemmchen. 4 MIC-Turm (7 Abschn. 2.15). 4 Optik 1,9 mm und 30° (. Abb. 3.205), Kaltlichtkabel, Saug-Spül-Vorrichtung, Tasthaken, Punches, Fasszange, Kamerabezug, Minischneideblatt 2,0–2,9 mm, Shaver 2,0–2,9 mm. 4 Verband: Pflaster und elastische Binde.
Handgrundsieb, Spülspritze, Sehnendurchflechtzange (. Abb. 3.206), Sehnenhaken, scharfe Mosquitoklemmchen.
kLagerung
4 Rückenlage, 4 die betroffene Hand wird auf einem Handtisch ausgelagert. kPrinzip
Transfer der M.-extensor-indicis-Sehne auf die Extensorpollicis-longus-Sehne, um die Streck- und Oppositionsfähigkeit des Daumens wiederherzustellen.
261 3.7 · Handchirurgie
M.-extensor-indicis-Umlagerung 7 Plexusanästhesie oder Narkose, Anlegen der Oberarmblutleere. 7 Hautschnitt zwischen dem 1. und 2. Mittelhandknochen dorsal. 7 Schonung der Radialisäste und der Gefäße. 7 Aufsuchen und Mobilisieren des distalen EPL-Sehnenstumpfes (Daumenstrecksehne, M. extensor pollicis longus). 7 Hautschnitt ca. 2 cm am streckseitigen Zeigefingergrundgelenk. 7 Ablösen der Sehne des M. extensor indices (2. Zeigefingerstrecksehne). 7 Mobilisierung und Verlagerung der Sehne nach proximal/radial unter den Gefäß-Nerven-Bündeln zum distalen Stumpf der rupturierten langen Daumenstreckersehne (EPL). 7 Nach Überprüfung der physiologischen Spannung durch Beugung und Streckung des Handgelenkes wird die Sehne mit einer Durchflechtungsnaht (nach Pulvertaft) verbunden: Die Zeigefingerstrecksehne wird in die Daumenstrecksehne eingeflochten. 7 Blutstillung, Wundverschluss und Anlegen der palmaren Unterarmgipsschiene mit Daumenausleger in Streckung über 3 Wochen.
3.7.8
Denervation des Handgelenks
Bei schmerzhaften Arthrosen oder Teilarthrosen des Handgelenkes oder der Handwurzel (z. B. nach Kahnbeinpseudarthrose) und noch erhaltener Beweglichkeit kann die Denervation zumindest für einige Jahre durchaus Schmerzlinderung herbeiführen. Dazu werden gezielt die schmerzleitenden Nerven am Handgelenk aufgesucht und durchtrennt, die nach Wilhelm in die Punkte 1–12 eingeteilt wurden. Für das Handgelenk ist der wichtigste schmerzleitende Nerv der Ramus interosseus posterior (Punkt 1); außerdem die Punkte 2–4 und 6, die um das Handgelenk radial und dorsal angeordnet sind. Sie werden isoliert durchtrennt bzw. am Periost abgelöst. kPrinzip
Schmerzlinderung für einige Jahre, bevor evtl. eine Arthrodese vorgenommen werden muss. kInstrumentarium
4 Handgrundsieb, 4 Sehnenhaken, 4 Nervenhaken.
. Abb. 3.206 Sehnendurchflechtzange
Denervation des Handgelenks nach Wilhelm 7 Plexusanästhesie oder Narkose, Anlegen der Oberarmblutleere. 7 Hautschnitt und Durchtrennung des Ramus interosseus posterior unter der Faszie und den Strecksehnen. 7 Zweiter Hautschnitt dorsal zwischen der Basis des 1. und 2. Mittelhandknochens. 7 Durchtrennung der Rami arterii spatii interossei. 7 Dritter Hautschnitt radiopalmar am Handgelenk. 7 Durchtrennung der Begleitnerven der A. radialis. 7 Ablösen der Weichteile vom Periost. 7 Blutstillung, Wundverschluss und Anlegen der dorsalen Gipsschiene für 10 Tage.
3.7.9
Arthrodesen
Fortgeschrittene arthrotisch zerstörte Gelenke (degenerativ, rheumatisch, posttraumatisch oder postinfektiös) führen zu erheblichen Schmerzen und Kontrakturen. Als operative Möglichkeit kommt die Versteifung des betroffenen Gelenks in Frage, wenn alle gelenk- und bewegungserhaltenden Maßnahmen wie Analgetika, Denervation und künstliche Gelenke nicht zu ausreichender Schmerzfreiheit geführt haben. Für die Versteifung kommen die Mittel- und Endgelenke der Langfinger (PIP und DIP), das Grund- und Endgelenk des Daumens, Teile der Handwurzel (STT – Os scaphoid, Os trapezium, Os trapezoideum) oder das Handgelenk (Radiokarpalgelenk) in Frage. Fingergrundgelenke sollten aus funktionellen Gründen möglichst nicht versteift werden, sondern eher mit künstlichen Gelenken (Swanson-Prothese, Keramik- oder Pyrocarbonimplantat) versorgt werden.
3
262
Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie
Obwohl Arthrodesen immer den Verlust der Restbeweglichkeit mit sich bringen, führen sie zu Schmerzfreiheit und dadurch langfristig zu einer besseren Belastbarkeit der Hand.
3
Arthrodese am Handgelenk mit einer Titanplatte kLagerung
4 Rückenlage, 4 die betroffene Hand wird auf einem Handtisch ausgelagert. 4 Der Bildwandler wird bereitgestellt, und alle Strahlenschutzmaßnahmen (7 Abschn. 3.4.2) werden ergriffen. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Handgrundsieb, Spülspritze, scharfe Löffel, Luer, Knochensplitterzange, Flachzange, Repositionszange, Hohmann-Hebel, Einzinkerhaken, Zahnarztspatel, Stößel, Schrauben- und Plattenkasten, Bohrmaschine, Knocheninstrumente, Instrumentarium zur Spongiosaentnahme am Beckenkamm.
Arthrodese des Handgelenks 7 Der Patient wird in Vollnarkose operiert. Anlegen der Oberarmblutleere, Desinfektion und sterile Abdeckung. 7 S-förmiger Hautschnitt vom 3. Mittelhandknochen bis zum distalen Unterarm. 7 Einsetzen von Langenbeck-Haken. 7 Darstellen und Schonung der EPL-Sehne (M.-extensor-pollicis-longus-Sehne). 7 Resektion der ECR- Sehne (M.-extensor-carpi-radialis-Sehne). 7 Darstellen des Radius, des Handgelenkes und der Handwurzel und Resektion aller arthrotisch sklerosierten Gelenkflächen mit einem kleinen Meißel und Hammer und einem Luer. 7 Zweiter Hautschnitt am vorderen Beckenkamm, Entnahme eines kortikospongiösen Spans (ca. 2 × 2cm) sowie zusätzlicher Spongiosa (7 Abschn. 3.6.2). 6
7 Der Span und die Spongiosa werden bis zur Verwendung in einer kleinen Schale auf dem Instrumentiertisch feucht abgedeckt aufbewahrt. 7 Wundverschluss am Beckenkamm. 7 Zurechtschneiden des Spans mit der Knochensplitterzange und einer breiten Flachzange zum Verdichten der Spongiosa. 7 Einpassen des Knochenspans und der Spongiosa ins Handgelenk mit einem breiten Stößel. 7 Anpassen der vorgebogenen Titanarthrodeseplatte, die mit Schrauben von Ø 3,5 mm und 2,7 mm fixiert wird. 7 Röntgenkontrolle, Naht der Gelenkkapsel und ggf. des Retinakulums für die EPL-Sehne mit einem geflochtenen, resorbierbaren Faden der Stärke 3–0. 7 Einlegen einer Redon-Drainage, Wundverschluss, Verband und Anlegen einer dorsalen Unterarmgipsschiene.
3.7.10
Hauttransplantation, Lappenplastik
Bei Hautdefekten (z. B. nach Verletzungen, Infektionen o. Ä.) sind nach Abschluss der Demarkierung und Erreichen infektfreier Wundverhältnisse die Wiederherstellung und der Verschluss der Haut erforderlich. Während ein oberflächlicher Hautdefekt mit gut granuliertem Wundgrund durch ein freies Transplantat Vollhaut oder Spalthaut gedeckt werden kann, erfordern tiefe Defekte oder gar freiliegende Sehnen die Deckung mit einem Lappen, der eine eigene Blutversorgung mitbringt. Definition Vollhaut = Komplette Epidermis.
Definition Spalthaut = Nur Teile der Epidermis, Lederhaut.
Es gibt insbesondere für die Hand diverse Lappentechniken, die sich auf die betroffene Extremität beschränken und keine zusätzlichen Gliedmaßen beeinträchtigen. Selten werden Fernlappen aus der Leiste, dem kontralateralen Arm oder Bauchhautlappen angewandt. Zur Deckung an Fingerkuppen kommt der VY-Verschiebelappen (spezielle Schnittführung) – auch bilateral als Kutler-Plastik bekannt – zur Anwendung. Fingermittelglieder werden mit dem Cross-finger-Lappen, Daumenkuppen mit dem Moberg-Verschiebelappen gedeckt. Für alle Finger bieten die Insellappenplastik nach Büchler/Fou-
263 3.7 · Handchirurgie
cher sowie diverse andere Verschiebe- und Dehnungslappen Deckungsmöglichkeiten. Für größere Defekte am Handrücken oder an der Hohlhand hat sich der Radialislappen, ein gefäßgestielter Unterarmlappen bewährt (s. unten)
Cross-finger-Lappen Spezielle Form der Deckung eines Hautdefektes am streckseitigen Fingermittelglied durch einen Hautlappen des beugeseitigen Mittelgliedes des Nachbarfingers. Der Lappen wird in den Defekt des benachbarten Fingers eingenäht, bleibt dabei aber noch für die ersten 2–3 Wochen am Spenderfinger fixiert. Nach Einheilung in den Defekt wird der Lappen vom Spenderfinger abgetrennt.
Insellappen Im Gegensatz zu den gestielten Nah- und Fernlappen werden gestielte Insellappen an allen vier Seiten umschnitten und nur am Gefäßbündel mit der Arterie und der Vene bzw. am Gefäß-Nerven-Bündel belassen.
Deckung eines Defektes mittels eines Radialislappens Nach Planung und Anzeichnen des zu hebenden Lappens am Unterarm erfolgt vom palmaren/radialen Handgelenk die Schnittführung zum Unterarm. Die A. radialis wird mitsamt Subkutis, Begleitvenen und Muskelfaszie gehoben. Dann Abtrennen der A. radialis am Unterarm und Schwenken des gestielten Lappens auf den zu deckenden Defekt an der Hand. Der Hebedefekt wird mit Spalthaut vom Oberschenkel gedeckt. Vorteile Beschränkung auf die betroffene Extremität. Es
ist nur eine kurze postoperative Ruhigstellung notwendig. Eine krankengymnastische Behandlung kann frühzeitig eingeleitet werden. Bei korrekter Technik sind keine Funktionsstörungen am Entnahmegebiet zu befürchten. Es sind keine zusätzlichen Gefäßanastomosen notwendig. Nachteil Als Nachteil gilt, dass an der Entnahmestelle ein
Narbenfeld verbleiben kann.
3.7.11
Infektionen
Jegliche Infektion (Panaritium, Paronychie, Abszess, Empyem, Phlegmone, Osteitis (7 Kap. 1) an der Hand ist möglichst frühzeitig zu sanieren, da unbehandelte Infektionen zu schweren Schäden an Sehnen, Gelenken und Knochen führen können. Alle Grundsätze der septischen Chirurgie finden auch in der Handchirurgie Anwendung. Speziell ist an der Hand
jedoch zu bedenken, dass sich Infektionen über die Sehnenscheide phlegmonös ausbreiten können, ohne anfangs starke Schmerzen zu verursachen. Auch nach der Abheilung von Infekten ist durch narbige Adhäsionen langfristig mit bleibenden Kontrakturen zu rechnen. Für die Infektbehandlung an der Hand gelten deshalb die in der Übersicht genannten Grundsätze.
Grundsätze der Infektbehandlung an der Hand 4 Frühzeitige operative Intervention und Infektsanierung. 4 Anlegen einer Blutsperre statt einer Blutleere. 4 Vermeidung von Verletzungen der Gefäß-NervenBündel und Hautnekrosen durch korrekte Schnittführung und atraumatische Präparation. 4 Abstrich zur bakteriologischen Untersuchung zur Bestimmung der Keime für eine gezielte Antibiotikatherapie. 4 Radikales Débridement, notfalls auch der Sehnen und betroffenen Knochenanteile. 4 Intraoperative Spülung. 4 Einlegen einer Drainage, z. B. einer Lasche oder bei tiefen Infekten oder Osteolysen die Einlage von Septopalkugeln. 4 Nur locker adaptierende Hautnähte. 4 Postoperativ Ruhigstellung durch eine Gipsschiene.
3
4
Gefäßchirurgie A. Kormann, M. Liedke
4.1
Grundlagen
– 266
4.2
Zugänge
4.3
Lagerungen und Abdeckungen
4.4
Erkrankungen des arteriellen Systems
4.5
Intraluminale Dilatation
4.6
Weitere Operationsbeispiele
4.7
Erkrankungen des venösen Systems
– 277 – 277 – 280
– 285 – 292 – 307
M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
4
266
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
4.1
Grundlagen
4.1.1
Anatomie
Das Gefäßsystem besteht aus Arterien, Venen und Lymphgefäßen (. Abb. 4.1). Der Körperkreislauf ist von dem Lungenkreislauf zu unterscheiden. Im Körperkreislauf führen die Arterien das sauerstoffreiche Blut von der linken Herzkammer weg in die einzelnen Körperregionen. Die Arterien verzweigen sich zu Arteriolen und weiter zu Kapillaren (Haargefäßen). Auf der Ebene der Kapillaren findet der Stoff- und Gasaustausch statt, sie bilden das Bindeglied zu den Venolen, die schließlich zu Venen zusammenfließen. Die Venen führen das kohlendioxidreiche Blut aus den Körperregionen zum rechten Vorhof. Das venöse System wird unterschieden in das tiefe und das oberflächliche System. In beiden Systemen gibt es Stammvenen und Seitenäste, beide Systeme sind über Verbindungsvenen (Perforansvenen) miteinander verbunden. Die tiefen Stammvenen verlaufen in der Regel als Begleitgefäß der entsprechenden Arterie, die oberflächlichen Venen haben keinen Bezug zu einer Arterie. Beide Systeme haben in den Extremitäten »Venenklappen«, die den Rückfluss des Blutes zum Herzen unterstützen. Im Lungenkreislauf wird das kohlendioxidreiche Blut durch die Pulmonalarterie von der rechten Herzkammer zur Lunge transportiert. Von der Lunge fließt das sauerstoffreiche Blut schließlich über die Lungenvene zum linken Vorhof und gelangt von dort über die linke Herzkammer wieder in den Körperkreislauf.
Das venöse System Venenklappen sind segelartige Ventile, die sich bei stehendem oder sich umkehrenden Blutstrom verschließen und somit verhindern, dass das Blut in die Peripherie zurückfließt. Verbindungsvenen (Vv. perforantes) verbinden die Hautvenen mit den tiefen Venen der unteren Extremitäten. Ihre Klappen sind so angelegt, dass das Blut nur von außen nach innen fließen kann. Die Verbindungsvenen werden unterteilt in Dodd-, Boyd- und Cockett-Venen (. Abb. 4.2). Der venöse Rücktransport des Blutes zum Herz wird durch unterschiedliche Mechanismen gewährleistet: 4 Venenklappen in der Peripherie (verringern den hydrostatischen Druck im Gefäß und lassen das Blut nur in Richtung Herz fließen), 4 Anspannung der Muskeln, die sog. Muskelpumpe. Durch sie werden die in den Muskeln verlaufenden Venen komprimiert und das Blut Richtung Herz »gedrückt«, 4 Pulswelle der benachbarten Arterie. Sie hat eine ähnliche Transportwirkung auf die Venen wie die Muskelpumpe, 4 Saugeffekt des rechten Herzens durch das Zusammenspiel von Herzmuskulatur und Herzklappen, 4 Saugeffekt durch die Ausdehnung der Vena cava während tiefer Einatmung.
4.1.2
Allgemeine Pathophysiologie
Arterielle Erkrankungen Der Wandaufbau und dessen Funktion Bei größeren Gefäßen werden drei Schichten unterschieden: 4 Intima: innere Gefäßauskleidung, 4 Media: Muskelschicht, 4 Adventitia: bindegewebige Hülle und Stütze. Dieser Aufbau trifft im Prinzip auf alle Gefäße zu. Lediglich die Media ist bei Arterien und Venen unterschiedlich stark ausgeprägt, da Schlagadern (Arterien) in der Lage sein müssen, über den Gefäßtonus (mit Hilfe des Herzminutenvolumens) den Blutdruck und damit den Blutfluss auf die unterschiedlichen Körperregionen zu verteilen. Die Muskelschicht der Venen hingegen ist nicht sehr stark ausgeprägt. Die Venenwände sind dünner, da der Blutdruck in ihnen erheblich niedriger ist. Die drei Schichten sind häufig nicht klar abzugrenzen. Die Ausprägung der drei Schichten ist abhängig von der Beanspruchung des jeweiligen Gefäßes. Wird z. B. ein Stück Vene in eine Arterie implantiert, nimmt die Muskelschicht mit der Zeit an Volumen zu. Die körpereigene Vene ist somit der geeignetere Ersatz für eine geschädigte Arterie.
Mit zunehmendem Lebensalter werden in die Intima Fett und Cholesterinkristalle abgelagert. Weiße Blutkörperchen wandern in die Gefäßwand, um diese Fremdstoffe zu vernichten und lösen damit eine Entzündungsreaktion aus. Dieser Vorgang verursacht zunächst eine Verdickung der Arterienwand. Im fortgeschrittenen Stadium kommt es zu starker Vermehrung des Bindegewebes (Sklerose). Die Muskelzellen der Media gehen zugrunde, Kalk wird eingelagert. Dadurch wird das Gefäß starr und kann sich der Pulswelle nicht mehr anpassen. Die Folge ist ein Anstieg des Blutdrucks, der letztlich die Krankheitsentwicklung beschleunigt. Im Endstadium wird das Gewebe, das von dem betroffenen Gefäß versorgt wird, so schlecht ernährt, dass es untergeht (Nekrose). Durch den gestörten Blutfluss kann es zu Blutgerinnseln kommen, die einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt, aber auch Infarkte an den Verdauungsorganen oder den Nieren verursachen können. Gefördert wird die Arteriosklerose u. a. durch Rauchen, Fettstoffwechselstörungen, genetische Dispositionen oder Diabetes mellitus. Die Arteriosklerose ist die häufigste Ursache der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK). Dieser
267 4.1 · Grundlagen
. Abb. 4.1 Überblick über das Gefäßsystem
4
268
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
4
a . Abb. 4.3 Infrarenales Bauchaortenaneurysma
b . Abb. 4.2 Verlauf der V. saphena magna (rot). Punkte: Perforansvenen der Cockett-Gruppe am Unterschenkel sowie der Dodd-Gruppe am Oberschenkel. Die Boyd-Perforansvene befindet sich unterhalb des Kniegelenks. (Nach Menodza 2007)
schleichende Prozess wird von den Patienten oft erst wahrgenommen, wenn eindeutige Symptome auftreten. Verengt sich, insbesondere an den unteren Extremitäten, ein Gefäß, strömt durch den erhöhten Druck mehr Blut in die Seitenäste, die dann als sog. Kollateralarterien eine hochgradige Verengung oder einen kompletten Verschluss eine Zeit
lang kompensieren können. Betroffene spüren zwar eine Bewegungseinschränkung, halten diese aber nicht für bedrohlich. Die pAVK wird auch als »Schaufensterkrankheit« bezeichnet, weil die Ischämieschmerzen die Erkrankten zu einer Ruhepause zwingt, damit die Beinmuskeln wieder mit Sauerstoff versorgt werden. Degenerative Veränderungen führen an Arterien aber nicht nur zu einer Sklerosierung der Gefäßwand. Durch degenerative Prozesse können in der Gefäßwand Kollagen und elastische Fasern abgebaut werden. Dadurch kann die Gefäßwand dem Blutdruck im Gefäßinneren nicht mehr standhalten. Es bildet sich ein Aneurysma, eine Gefäßaussackung. Mit zunehmender Größe kann die Aneurysmawand einreißen (rupturieren) und den betroffenen Menschen sofort in eine lebensbedrohliche Situation bringen (. Abb. 4.3). Sowohl arteriosklerotische Gefäßeinengungen als auch aneurysmatische Gefäßerweiterung können gleichzeitig bei einem Patienten in unterschiedlichen Gefäßregionen vorliegen!
Venöse Erkrankungen Thrombosen der tiefen Bein- und Beckenvenen können zu akuten schmerzhaften Schwellungen der betroffenen Extremität führen. Ursachen der Entstehung eines venösen Thrombus sind (Virchow-Trias): 4 Gerinnungsstörungen (Hyperkoagulabilität): erblich bedingt oder durch Krankheit (z. B. Karzinomleiden), in seltenen Fällen auch medikamentös (z. B. durch Hormonpräparate) verursachte verstärkte Blutgerin-
269 4.1 · Grundlagen
nung, bzw. eine verminderte Fähigkeit, Blutgerinnsel aufzulösen; Schwangerschaft (Druck des Kindes auf die Beckenvenen bei hormonell bedingter erhöhter Gerinnungsneigung); 4 Stase, d. h. eine starke Verlangsamung des Blutstroms: erweiterte Venen (Varizen), äußerer Druck (z. B. eingeklemmte Gliedmaßen), durch Bettlägerigkeit verursachte Bewegungsunfähigkeit (u. a. nach Operationen oder Ruhigstellung durch Gipsverband), langes Sitzen mit eingeengter Bewegungsmöglichkeit (Bus- und Flugreisen), Dehydratation (verändert die Flusseigenschaften des Blutes) 4 Schäden der inneren Gefäßwände (Intima): Schäden traumatischer (Verletzungen, Quetschungen, OP) oder entzündlicher Genese. Die am meisten gefürchtete Frühkomplikation einer tiefen Bein- oder Beckenvenenthrombose ist die Lungenembolie. Als Folgeschaden im Spätverlauf ist das postthrombotische Syndrom (PTS) zu nennen, das durch chronische Stauungsbeschwerden (schmerzhafte »schwere« Beine nach längerem Stehen), Schwellungsneigung und die Ausbildung von Ulzerationen gekennzeichnet ist. Die häufigste Erkrankung der oberflächlichen Venen ist die Varikosis (Krampfaderbildung). Neben den kosmetischen Problemen stehen für den Patienten hier die Stauungsbeschwerden und die Ödemneigung im Vordergrund. Des Weiteren können Entzündungen, Blutungen und Thrombosen der oberflächlichen Venen die Erkrankung im Verlauf begleiten. Die Varikosis ist durch eine zumeist anlagebedingte Venenwandschwäche verursacht, und wird durch längere sitzende oder stehende Tätigkeiten gefördert. In den erweiterten Venenabschnitten können die Venenklappen nicht mehr richtig schließen (. Abb. 4.4). Das
Blut versackt in der Peripherie, erhöht dadurch den Druck auf die nächste Venenklappe, bis auch diese versagt. Dieser fortschreitende Prozess kann über insuffiziente Perforansvenen schließlich auch das tiefe Venensystem schädigen. Der gestörte Bluttransport verursacht in dem betroffenen Gewebe eine Schwellungsneigung und eine Ernährungsstörung. In Extremfällen kann es zu einem Gewebsuntergang mit der Entwicklung von Geschwüren (Ulcera crura) kommen.
4.1.3
Grundausstattung
kInstrumentarium
Beispiele: . Abb. 4.5– . Abb. 4.42. 4 Grundinstrumente (7 Kap. 1), 4 Gefäßinstrumente (feinere Grundinstrumente bis zu Mikroinstrumenten, atraumatische Pinzetten in verschiedenen Längen, Wundspreizer, diverse atraumatische Klemmen in verschiedenen Größen, abgewinkelte Scheren nach Potts 45° und 90°, Gefäßdilatatoren, Dissektor, Stichskalpell, Ringstripper), 4 Rahmen und Rückhalteinstrumente (Wundspreizer, Bookwalter-Rahmen, Finochietto-Spreizer, BalfourSperrer), 4 Tunnelierungsinstrumente, 4 lange Grund- und Gefäßinstrumente. kNähte
4 Resorbierbares Nahtmaterial für Ligaturen und Wundverschluss, 4 nicht resorbierbares Nahtmaterial für definitive Umstechungsligaturen an Arterien, 4 Gefäßnähte (sind immer doppelt armiert, d. h. je eine Nadel an den Fadenenden, monofil, nicht resorbierbar). Ausreichend viele verschiedene Fadenstärken sind vorzuhalten (i. d. R. zwischen 8–0 und 3–0 USP). Die Nadeln haben meist eine schneidende Trokarspitze, damit sie besser durch verkalktes Gewebe gleiten. 4 PTFE-Nähte. kZügel
a
b
c
. Abb. 4.4 a–c Venenklappe. a Erweiterter Venendurchmesser in Klappenhöhe. b Antegrade Strömung bei offener Klappe. c Verhinderung der retrograden Strömung durch Klappenschluss. (Nach Frömke 2006)
4 Haltebänder, z. B. aus Mersilene, sind 3–4 mm breit und dienen zum Anschlingen der Gefäße mit größerem Durchmesser. 4 Flexible Silikonbänder in verschiedenen Stärken, sog. Loops. Mit ganz feinen Loops (Ø 1 mm) können die feinen Seitenäste gedoppelt angezügelt werden, um die Blutzufuhr zu drosseln. Würden die feinen Seitenäste abgeklemmt, könnten sie nachhaltig geschädigt werden. Durch das Anzügeln reduziert sich die Klemmenzahl im Anastomosengebiet, das Nähen wird erheblich vereinfacht. Die etwas kräftigeren Loops
4
270
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
4
4.05
4.09
4.06
4.10
4.07
4.11
. Abb. 4.5 Einmalskalpell Fig. 11. (Fa. Braun) . Abb. 4.6 Reynolds-Jameson, Gefäßschere. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 4.7 Metzenbaum, feine Präpararierschere. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 4.8 Schere nach Potts-De Martel, 45°. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 4.9 De Bakey, Gefäßdilatator (»Olive«). (Fa. Aesculap AG) . Abb. 4.10 De Bakey, atraumatische Pinzette. (Fa. Martin)
4.12 . Abb. 4.11 . Abb. 4.12 . Abb. 4.13 . Abb. 4.14 . Abb. 4.15
4.08
4.13
4.14
Cushing, Pinzette. (Fa. Martin) Intimaspatel (Dissektor). (Fa. Martin) Vollmar, Ringstripper. (Fa. Martin) Ringstrippergriff. (Fa. Martin) Adson, Saugrohr. (Fa. Martin)
4.15
271 4.1 · Grundlagen
4.17
4.18
4.16
4.19
. Abb. 4.16 Intimaschere. (Fa. Martin) . Abb. 4.17 Entenschnabelzange. (Fa. Martin) . Abb. 4.18 Gelpi-Loktite, Wundsperrer. (Fa. Martin)
4.20
4.21
. Abb. 4.19 Schultersperrer mit gerundeten Branchen. (Fa. Link) . Abb. 4.20 Gemini, Präparier- und Ligaturklemme. (Fa. Martin) . Abb. 4.21 Rumel, Präparier- und Ligaturklemme. (Fa. Martin)
4
272
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
4
4.22
4.23
4.26
. Abb. 4.22 Clipapplikatorzange. (Fa. Pilling Weck) . Abb. 4.23 Ryder-Vascular, Nadelhalter. (Fa. Martin) . Abb. 4.24 Crile-Wood, Nadelhalter. (Fa. Martin) . Abb. 4.25 Tunnelator . Abb. 4.26 Balfour, Bauchdeckenhalter. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 4.27 Finocchietto, Rippensperrer. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 4.28 Bookwalter-Rahmensystem: Rahmen und verschiedene Valven. (Fa. Codmann)
4.24
4.25
4.27
4.28
273 4.1 · Grundlagen
4.29
4.32
4.30
4.33
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4.34
4.31
4.35
. Abb. 4.29 Bookwalter-Rahmensystem: Fixiersystem. (Fa. Codmann) . Abb. 4.30 Atraumatische De Bakey-Zahnung. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 4.31 Atraumatische Cooley-Zahnung. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 4.32 De Bakey-Satinsky, atraumatische Gefäßklemme. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 4.33 Morris, Gefäßklemme. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 4.34 De Bakey, atraumatische Gefäßklemme. (Fa. Martin) . Abb. 4.35 Cooley, atraumatische Gefäßklemme. (Fa. Martin) . Abb. 4.36 Cooley, atraumatische Gefäßklemme. (Fa. Martin)
4
274
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
4
4.37
4.38
4.39
4.41
4.40 . Abb. 4.37 Atraumatische Bulldog-Klemme gerade. (Fa. Martin) . Abb. 4.38 Atraumatische Bulldog-Klemme gekrümmt. (Fa. Martin) . Abb. 4.39 De Bakey, Gefäß- und Ligaturklemme. (Fa. Martin)
. Abb. 4.40 Aorta-Aneurysmaklemme. (Fa. Martin) . Abb. 4.41 Leland-Jones Peripherieklemme. (Fa. Martin)
275 4.1 · Grundlagen
b
a
4 Kontrastmittel: Jodhaltige Lösung (z. B. Imeron, Visipaque), die in verschiedenen Konzentrationen im Handel ist. Menge und Konzentration ist der Belastbarkeit des Patienten anzupassen, die sich nach Nierenfunktion, Kreatininwert und evtl. Allergien des Patienten richtet. Oft ist verdünntes Kontrastmittel ausreichend. 4 Fibrinolytikum, z. B. Actilyse, Urokinase, Streptokinase: bei Bedarf. 4 Prostavasin: Stellt Arterien weit, indem es den peripheren Wandwiderstand vermindert. 4 Lokalanästhetikum bei entsprechender Anästhesieform, z. B. Xylonest, Scandicain o. ä. ! Alle Medikamente brauchen am Instrumentiertisch einen hausüblichen Markierungscode, damit es beim Anreichen keinerlei Verwechslungen gibt.
4.1.4
c . Abb. 4.42 a Javid-Klemme (Klemme zur Shuntfixierung). b Aufsicht auf den Arbeitsteil. c Javid-Klemme in situ
(Ø 2 mm) dienen dem Anschlingen von Nerven und/ oder Gefäßen kleineren Kalibers. Es gibt auch 3-mmLoops, die evtl. die Haltebänder ersetzen können. 4 Silikonschlauch (ID 2 mm) zum Beziehen von Klemmenbranchen oder zum Anschlingen sehr großer Gefäße. 4 Kräftiger, großlumiger Hartgummischlauch (ID 4 mm), der als Tourniquet auf ein Halteband aufgezogen werden kann. In einem eröffneten Gefäß kann so ein Gegenstand (Spülkanüle, Schleuse, Carotis-Shunt etc.) ohne Blutverlust fixiert werden. kMedikamente
4 Heparin: Immer am Instrumentiertisch vorhanden für die intraoperative Antikoagulation. Gemischt werden 5000 IE auf 100 ml NaCl 0,9% oder RingerLösung. 4 Orgaran bzw. Agatra: Ersatzmedikamente für Heparin bei einer sog. HIT (Heparin-induzierte Thrombopenie Typ II).
Implantate
In der Gefäßchirurgie kommen die verschiedensten Implantate zum Einsatz; als Flicken (Patch) für eine Erweiterungsplastik, als Brücke (Interponat) zwischen zwei Gefäßenden, als Ersatz eines aneurysmatischen Gefäßes oder als Umgehung (Bypass) für verschlossene Gefäße. Diese Implantate werden aus verschiedenen Materialien gewonnen: 4 Autologes Material: Körpereigene Hautvenen, als Interponat oder als peripherer Bypass bei AVK oder bei Verletzungen. 5 Vorteile: Gute Einheilung, keine Abstoßungsreaktion, niedriges Infektrisiko, längere Durchgängigkeit im Vergleich zu Kunststoffen. 5 Nachteile: Nicht immer in ausreichender Menge und ausreichendem Kaliber vorhanden, Verlängerung der OP-Zeiten und Vergrößerung des Zugangs-Traumas. 4 Homologes Material: Venentransplantat eines anderen Menschen (Organspendervene, Homograft). 5 Vorteile: Ähnliche Eigenschaften wie autologe Vene, geringe Abstoßungsreaktionen, wenn AB0-kompatibel. 5 Nachteile: Kostspielig, eine Zeitverzögerung muss akzeptiert werden, unsichere Langzeitergebnisse. 4 Heterologes Material: Rinder- oder Schweineperikard als Patch oder bovines (Rinder-) Kollagen als Beschichtung von Kunststoffprothesen. 5 Vorteil: In ausreichender Menge vorhanden. 5 Nachteile: Umstritten wegen BSE-Gefahr, Abstoßungsreaktionen sind möglich. 4 Alloplastisches Material: Industriell gefertigte Implantate aus verschiedenen künstlichen Werkstoffen.
4
276
4
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
5 Vorteile: Immer in ausreichender Menge und Kalibern vorhanden, spezielle Anforderungen können erfüllt werden (Medikamentenanbindung, Spezialmaterial, spezieller Zuschnitt). 5 Nachteile: Künstliche Prothesen können Einheilungsstörungen hervorrufen (Perigraftreaktion). Der Körper bildet im Lumen einer Kunststoffprothese neue Epithelzellen, die sog. Neointima, die das Lumen einengen kann. Die Offenheitsrate der Prothesenbypasses ist nicht so hoch wie die der Venenbypasses, das Infektionsrisiko ist höher als bei biologischem Material.
4.1.5
Gefäßprothesen
Polyesterprothesen Polyesterprothesen gibt es ab Kaliber 4 mm für die Viszeralgefäße bis ca. 30 mm (für die thorakale Aorta). In der Becken- und Beinetage sind Durchmesser von 6–8 mm gebräuchlich. Im Wesentlichen haben sich zwei Formen durchgesetzt, die gewebte und die geköperte (kettengewirkt) Prothese. Bei der gewebten Form wird der Polyester mit mehreren Fäden in mehreren Schichten zu einer besonders engen Webstruktur verarbeitet. Geköperte Prothesen hingegen werden mit vielen Fäden (entsprechend der Anzahl der Maschen, die die Wirkware am Ende haben soll) und mindestens ebenso vielen Nadeln hergestellt. Beim Kettenwirken laufen die Fäden vertikal, werden von den Nadeln ergriffen und durch die vorhergehende Maschenreihe gezogen. Damit sich eine Fläche ergibt, greifen die Nadeln nicht nur denselben Faden, sondern abwechselnd auch benachbarte Fäden. Die Maschen laufen nicht gerade, sondern leicht schräg. Beide Prothesen sind elastisch, aber stabil, um in ihrer Form zu bleiben. Gewebte Prothesen fransen aufgrund ihrer Struktur nach dem Abschneiden leichter aus, aber sie sind kostengünstiger als geköperte Prothesen. Beide Prothesen sind sowohl unbeschichtet als auch mit Kollagen beschichtet erhältlich. Unbeschichtete Prothesen dichten nicht so schnell ab und werden durch körpereigenes Fibrin abgedichtet (Clotting). Das kann vor der Implantation erfolgen (= Preclotting, günstig bei längeren Prothesen) oder bei kürzeren Prothesen nach der ersten Anastomose. Beschichtete Prothesen sind primär dicht, d. h. es dringt kein Blut durch die Maschen der Prothese. Das ist besonders wichtig bei Patienten mit niedrigem Hämoglobin und schlechtem Allgemeinzustand, damit der Blutverlust verringert und die Operationszeit verkürzt werden kann. Geköperter Polyester wird auch als Patch angeboten. An beschichtete Prothesen können durch Eintauchen Medikamente angebunden werden. Das Medikament (z. B. ein Antibiotikum) bindet sich an das Kollagen und wird mit dessen Abbau freigesetzt.
Polyesterprothesen gibt es auch mit einer Silberacetatbeschichtung oder -durchwirkung, die bakterizid wirkt. Diese Prothese kann im Einzelfall bei vorhandenen Infekten zum Einsatz kommen, in der Regel wird sie verwendet, wenn eine Infektionsprophylaxe gewünscht ist (z. B. Re-Operation, nicht sicher auszuschließende Kontamination, Präparation am Darm). Reste dieser Prothese können nicht resterilisiert werden.
Teflonprothesen Prothesen aus Polytetrafluorethylen (PTFE, Teflon) haben im Gegensatz zu den Polyesterprothesen keine Maschen, sondern eine glatte Oberfläche. Jeder Stich in die Prothese bedeutet ein ausgestanztes Loch. Stichkanalblutungen sind daher ein Nachteil dieser Prothesen. Verschiedene Ummantelungstechniken wirken diesem Problem entgegen. Auch diese Prothesen gibt es in allen Kalibern, sie werden aber vorzugsweise als periphere Bypasses eingesetzt. Heparinisierte PTFE-Prothesen sind im Handel, die einem Frühverschluss durch eine kontinuierliche Abgabe von Heparin über einen definierten Zeitraum vorbeugen sollen. Alle Prothesen sind in verschiedenen Kalibern mit einer Ringverstärkung erhältlich. Diese bewirkt, dass die Prothese bei gelenkübergreifenden Bypasses und bei extraanatomischem Durchzug an Knochenvorsprüngen nicht abknickt. Außerdem gibt es noch ringverstärkten Ersatz für die V. cava, weil die Prothese sonst durch den geringen Innendruck kollabieren würde.
Resterilisation von Gefäßprothesen Vom technischen Aspekt her kann jede Prothese resterilisiert werden. Die Herstellerangaben hierzu sind jedoch nicht eindeutig. Gemäß MPG (Medizin Produkte Gesetz) darf kein Artikel resterilisiert werden, der mit einer durchgestrichenen »2« gekennzeichnet ist. ! Grundvoraussetzung für das Resterilisieren von Gefäßprothesen ist, dass sie nicht kontaminiert sind. Daher darf eine zu resterilisierende Prothese nur mit sauberen Pinzetten angefasst und mit einer sauberen Schere abgeschnitten werden. Danach muss sie sofort in die Verpackung zurück und diese verschlossen werden. Niemals dürfen die Prothesen in ihrem Originalkarton resterilisiert werden, da dieser nicht durchgängig für Dampf ist. Beim Verpacken der Prothese in eine Sterilisationsfolie müssen saubere, puderfreie Handschuhe getragen werden. Auf der Folie ist zu dokumentieren, wie oft der Prothesenabschnitt resterilisiert wurde. Laut Herstellerangaben sind Polyesterprothesen 3-mal, PTFE-Prothesen 3- bis 5-mal resterilisierbar.
277 4.3 · Lagerungen und Abdeckungen
a
b
. Abb. 4.43a, b Varianten der direkten Arterienanastomose: a kongruente Lumina, b diskrepante Lumina. (Nach Luther 2007)
Beschichtete Prothesen können zwar resterilisiert werden, die Beschichtung ist dann aber unwirksam.
4.1.6
Anastomosentechniken
Anastomosen an Gefäßen können unterschiedlich ausgeführt werden: End-zu-Seit-, End-zu-End- und Seit-zuSeit-Anastomosen. Die Nahttechnik ist überwiegend überwendlich (. Abb. 4.43) fortlaufend, wobei die Knoten immer außen liegen! Zunächst wird mit einem doppelt armierten Faden (2 Nadeln) ein Ausgangspunkt (Knoten) an der Hinterwand geschaffen, von dem aus man sich zur Vorderwand arbeitet. Bei langstreckigen oder anatomisch schwer zugänglichen Anastomosen wird eine weitere Gefäßnaht angelegt, sodass insgesamt 4 Knoten vorliegen, die sich gleichmäßig verteilen. Damit wird dem Tabakbeuteleffekt, der bei fortlaufenden Nähten entstehen kann, entgegengewirkt. Der eine oder die drei freien Fäden während einer Anastomose werden mit einem bezogenen Klemmchen angeklemmt und straff gehalten. So stören sie nicht beim weiteren Nähen. Die Klemmchen müssen bei Verwendung eines monofilen Fadens mit einem Silikonschlauch bezogen sein, um keine Sollbruchstelle in den Faden zu drücken. Alle Wandschichten werden durchstochen. Vor der Anastomosenanlage wird sichergestellt, dass durch die Ausschälung des Kalks an der Intima keine Stufe entgegen dem Blutstrom entstanden ist, die eine Dissektion verursachen würde. Stufen entgegen dem Blutstrom werden mit einer Gefäßnaht fixiert.
4.2
Zugänge
4 Karotisgabel, A. subclavia: Längsschnitt am Vorderrand des M. sternocleidomastoideus, erweiterbar hinter dem Ohr, Ohrläppchen hochkleben. 4 A. subclavia, A. carotis: supraklavikulär, erweiterbar nach proximal wie oben, nach distal zum Sternum.
4 A. subclavia, A. axillaris: infraklavikulärer Querschnitt. 4 Aortenbogen, Aorta ascendens, Truncus brachiocephalicus, A. pulmonalis (Hauptstamm): mediane Sternotomie (7 Kap. 6) mit oszillierender Säge, Sternumsäge oder Sternummeißel. 4 Aorta descendens: anteroposteriore Thorakotomie im 4. Interkostalraum links, in Rechtsseitenlagerung. 4 Thorakoabdominale Aorta: thorakoabdominaler Zugang durch mediane abdominale Längsinzision, über dem linken Rippenbogen zwischen dem 4.–6. ICR (Interkostalraum). 4 A. brachialis: S-förmige Inzision in der Ellenbeuge. 4 Aorta abdominalis, Aa. iliacae communes, Aa. renales, Viszeralarterien: mediane Laparotomie (Zugangswege 7 Kap. 2) mit Linksumschneidung des Nabels oder quer ausgeführte Oberbauchlaparotomie. Dieser Zugang ist etwas zeitaufwändiger, zieht aber weniger Narbenbrüche nach sich als andere Laparotomiezugänge und wird deshalb bei adipösen Patienten bevorzugt. 4 A. iliaca externa (z. B. Cross-over-Bypass mit A.-iliaca-Anschluss, Stentprothesenimplantation): kleine Inzision oberhalb des Leistenbandes und parallel dazu. 4 Aorta abdominalis, A. iliaca, lumbale Sympathektomie: extraperitonealer Zugang in Rückenlage mit aufgeklapptem OP-Tisch. Von der 12. Rippe schräg zur Rektusmuskulatur. Wechselschnitt oder Durchtrennung der Muskulatur im Schnittverlauf. 4 Thorakale Symphatektomie: Thorakoskopie in Linksseitenlage (. Abb. 4.45), Trokare werden platziert im 2., 3. und 5. ICR. 4 A. femoralis, A. profunda femoris: laterale Längsinzision unterhalb des Leistenbandes. Durch die laterale Inzision sollen die Lymphknoten geschont werden. 4 A. poplitea: Inzisionen im medialen Kniebereich entweder oberhalb des Kniegelenks (Pop.-I-Segment) oder unterhalb (Pop.-III-Segment), dann medial am Unterschenkel, dorsal der Tibiakante verlaufend, A. tibialis posterior: wie Pop.-III mit Erweiterungsmöglichkeit nach distal. 4 A. tibialis anterior, A. fibularis: laterale Inzision am Unterschenkel, ggf. Entfernung eines Fibulasegments. 4 A. dorsalis pedis: mediane Inzision auf dem Fußrücken.
4.3
Lagerungen und Abdeckungen
Die meisten neuen OP-Tische sind Multitalente. Wie bei den alten Durchleuchtungstischen kann die Position verändert werden, und sie sind an den meisten Stellen röntgendurchlässig, sodass ein normaler gerader Tisch auch immer ein Durchleuchtungstisch ist. Deshalb ist dieser Begriff aus
4
278
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
den Erläuterungen gestrichen. Bei älteren OP-Tischen muss bei angegebener Angiographie an den Extremitäten und Abdomen ein Durchleuchtungstisch verwendet werden.
4.3.1
4
Eingriffe an den supraaortalen Gefäßen
4 4 4 4
Rückenlage. Ipsilateralen Arm anlagern. Kontralateralen Arm auslagern. OP-Tischeinstellungen wie folgt: 5 Oberkörper ca. 45° hochstellen, 5 Kopfteil ca. 30° abkippen (der Kopf darf nicht »schweben«), 5 den ganzen Tisch kopftief kippen, sodass der Oberkörper annähernd gerade liegt. 4 Kopf auf einem speziellen Vakuumkissen oder einem Kopfring lagern und zur kontralateralen Seite drehen, etwas reklinieren, das Kissen anmodellieren und Vakuum herstellen oder Kopf auf einem Kopfring lagern wie oben und mit z. B. festem Pflaster am OP-Tisch fixieren (. Abb. 4.44). Bei einer Debranching-Operation des Aortenbogens liegt der Kopf auf einem Kopfring und darf keinesfalls fixiert werden, da er intraoperativ gedreht werden muss (s. unten). ! Vor Beginn der Lagerung ist sicherzustellen, dass der Hals des Patienten exakt im »Knick« des Kopfteils vom OP-Tisch liegt, sonst kann dieses nicht gut abgeklappt werden. Unter Hals und Kopf dürfen keine Kabel liegen, da diese bei einer intraoperativen Angiographie stören würden.
4 Neutrale Elektrode nach Standard. 4 Narkosebügel ganz oben am Tisch an der kontralateralen Seite anbringen und ca. 30° nach hinten kippen. 4 Das Ohr an der OP-Seite mit Pflasterstreifen hochkleben, Haare aus dem OP-Gebiet entfernen. 4 Den Zugang zum Sternum mit vorbereiten (Rasur, Desinfektion). 4 Feuchtigkeitsschutz an Hals und Axilla. 4 Bei der Abdeckung ist darauf zu achten, dass der Ansatz des Ohrläppchens und das Jugulum nach dem Abdecken gut erkennbar sind. Sie dienen als Landmarke für den Hautschnitt.
4.3.2
Eingriffe am Thorax
4 Stabile Seitenlage nach Standard mit Vakuummatte oder Seitenstützen (. Abb. 4.45) 4 OP-Tischeinstellungen wie folgt:
. Abb. 4.44 Lagerung für eine Karotisdesobliteration
. Abb. 4.45 Stabile Seitenlage mit Vakuummatte. (Nach Krettek u. Aschemann 2005)
5 Oberkörper 30° absenken, 5 Beine 30° absenken, 5 OP-Tisch »kopftief« abkippen, sodass die Beine wieder horizontal sind, 5 das Kopfteil hochklappen, dass der Kopf des Patienten wieder gerade liegt. 4 Vakuummatte anmodellieren und Vakuum herstellen. ! Den Patienten während des gesamten Lagerungsvorgangs mit mindestens zwei Personen auf jeder Seite des OP-Tisches sichern, bis die Matte das vollständige Vakuum erreicht hat!
4 Neutrale Elektrode nach Standard auf den ipsilateralen Oberschenkel des Patienten kleben. 4 Polstern der vorstehenden Knochenpunkte an den Beinen (Knie, Knöchel, Hüfte). 4 Narkosebügel bei Thorakotomien an der ipsilateralen Seite anbringen, bei Thorakoskopien ist er unnötig. 4 Der ipsilaterale Arm wird im 90°-Winkel oder auf einer Göbel-Stütze gelagert. 4 Nach der Abdeckung müssen die Mamillen, die Hüfte, die Wirbelsäule und die Axilla als Orientierungspunkte zu sehen sein.
279 4.3 · Lagerungen und Abdeckungen
4.3.3
Eingriffe an der Bauchaorta und den Beckengefäßen
Eingriffe an der A. iliaca 4 4 4 4 4
Rückenlage nach Standard. Neutrale Elektrode nach Standard. Ipsilateralen Arm auslagern. Kontralateralen Arm anlagern. OP-Tischeinstellungen wie folgt: 5 Oberkörper 10° absenken, 5 Beine 10° absenken, 5 OP-Tisch »kopftief« abkippen, sodass die Beine wieder horizontal sind, 5 das Kopfteil hochklappen, sodass der Kopf des Patienten wieder gerade liegt. 4 4-Tuch-Abdeckung, Abdecken des Schambereichs, damit die Leisten frei sind. Nach proximal bis zu den Mamillen nicht abdecken, damit ein evtl. nötiges Umsteigen auf eine transabdominale OP möglich ist.
. Abb. 4.46 Rückenlagerung auf einem Carbontisch. (Nach Krettek u. Aschemann 2005)
! Die Gradeinteilungen dienen nur als Richtwert!
Endovaskuläre Operationen 4 Carbontisch (. Abb. 4.46) oder Durchleuchtungstisch. 4 Rückenlage nach Standard. 4 Die Arme werden an- oder ausgelagert. Bei einer thorakalen Stentprothese muss der Patient auf einer Vakuummatte gelagert werden, damit eine Kippung des Tisches gefahrlos durchgeführt werden kann. 4 Beine des Patienten nicht mit einem Gurt fixieren, da dieser die Positionsveränderung des Tisches behindern kann. 4 Neutrale Elektrode nach Standard. 4 Narkosebügel weit kopfwärts, um den C-Bogen nicht zu behindern. 4 Gegebenenfalls ein Stentlineal unter dem Rücken des Patienten rechtsseitig und parallel zur Wirbelsäule platzieren. 4 Durch Drehen der Säule kann Platz geschaffen werden, wenn der OP-Saal nicht groß genug ist. 4 4-Tuch-Abdeckung, Abdecken des Schambereichs, damit die Leisten frei sind. Nach proximal muss das Xiphoid frei sein.
Transabdominale Eingriffe 4 Rückenlage und OP-Tischeinstellungen wie für Eingriffe an der A. iliaca (dort; . Abb. 4.47). 4 Rochard-Bügel am obersten Ende des OP-Tisches anbringen und Narkosebügel direkt davor platzieren. 4 Gegebenenfalls Seitenschiene für den Bookwalter-Retraktor anbringen. 4 Neutrale Elektrode nach Standard fixieren.
. Abb. 4.47 Einstellung des OP-Tisches für Operationen an der Aorta und der A. iliaca
4 4-Tuch-Abdeckung, Abdecken des Schambereichs, damit die Leisten frei sind. Nach proximal muss das Xiphoid frei sein.
Thorakoabdominale Eingriffe 4 Rückenlage und OP-Tischeinstellung s. Eingriffe an der A. iliaca (. Abb. 4.47). 4 Der rechte Arm wird in Supinationsstellung und rechtem Winkel im Ellenbogen, nach kranial zeigend (»Hände hoch«) ausgelagert. 4 Der Patient liegt auf einer Vakuummatte. 4 Gepolsterten Narkosebügel anbringen und den linken Arm in eine Göbel-Stütze legen. 4 Den Thorax linksseitig etwa 60° rotiert anheben und mit der Vakuummatte unterstützen; die Hüften des Patienten bleiben gerade liegen (sog. »Schraubstellung«). 4 Vakuum erstellen. 4 Neutrale Elektrode nach Standard kleben. 4 4-Tuch-Abdeckung, Abdecken des Schambereichs, damit die Leisten frei sind. Die seitliche Abdeckung muss bei Bedarf verlängert werden. Das proximale Quertuch wird so appliziert, dass die Axilla für eine linksseitige Thorakotomie im 5. ICR frei bleibt.
4
280
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
4.3.4
Eingriffe an den Extremitäten
Eingriffe an der A. femoralis (inkl. Bypasses), Amputationen der unteren Extremität
4
4 4 4 4 4
Rückenlage nach Standard. Neutrale Elektrode nach Standard. Ipsilateralen Arm auslagern. Kontralateralen Arm anlagern. 4-Tuch-Abdeckung, Abdecken des Schambereichs, damit die Leisten frei sind. Den Bereich der A. iliaca zugängig halten. 4 Bypasses/Embolektomien etc. werden einseitig mit einer Abdeckung, bei der ein Bein frei bleibt, abgedeckt. 4 Amputationen werden mit einem Lochtuch abgedeckt, denn die Leiste kann abgedeckt sein.
Tiefe Bein-Becken-Venenthrombose 4 Rückenlage nach Standard. 4 Anti-Trendelenburg-Lagerung (7 Kap. 2, Lagerung): 5 Oberkörper ca. 40° anheben, 5 Beine ca. 10° absenken, 5 Kopfteil etwas absenken, 5 Neutrale Elektrode nach Standard. 4 4-Tuch-Abdeckung, das Fußtuch liegt unter beiden Beinen. Abdecken des Schambereichs. Seitentücher ab Hüfte unter die Beine kleben. Nach proximal ist das Sternum frei für eine notfallmäßige Sternotomie bei Lungenembolie, wenn eine Lysetherapie erfolglos blieb.
. Abb. 4.48 Rückenlagerung mit Armtisch. (Nach Krettek u. Aschemann 2005)
Eingriffe am Arm (Embolektomie, AV-Shunt) Siehe auch 7 Kap. 5. 4 Rückenlage nach Standard (. Abb. 4.48). 4 Ipsilateralen Arm auf einem Armtisch auslagern. 4 Kontralateralen Arm auslagern. 4 Den Oberkörper des Patienten so weit an die ipsilaterale Tischkante ziehen, dass die Axilla mit ihr abschließt. 4 Neutrale Elektrode nach Standard. 4 Narkosebügel frontal am OP-Tisch anbringen und 90° zum Armtisch ausrichten.
. Abb. 4.49 Bauchlagerung. (Nach Krettek u. Aschemann 2005)
Eingriffe an der V. saphena parva 4 Bauchlage (. Abb. 4.49). 4 Beide Arme auf einen Armausleger im rechten Winkel nach kranial. 4 Gelkissen für das Gesicht. 4 Die Abdeckung mit einem Lochtuch.
4.4
Erkrankungen des arteriellen Systems
4.4.1
Stenosierende Erkrankungen (arterielle Verschlusskrankheit)
Amputationen der oberen Extremität 4 Rückenlage, Oberkörper leicht erhöht (OP-Team steht) oder 4 Rückenlage, den betroffenen Arm auf einem Armtisch auslagern (OP Team sitzt). 4 Die Beine nicht absenken. 4 Narkosebügel frontal am OP-Tisch anbringen und 90° zum Arm ausrichten. 4 Abdeckung mit einem Lochtuch.
Das Lumen der betroffenen Arterien hat sich so entscheidend verengt, dass es zu Sauerstoffmangel mit dessen Folgen kommt, begleitet von Ausfallerscheinungen in den Versorgungsgebieten. Bevorzugte Lokalisationen der Arteriosklerose sind Gefäßgabelungen. Gefäße jedweden Kali-
281 4.4 · Erkrankungen des arteriellen Systems
bers können betroffen sein, das Verteilungsmuster der Gefäßverkalkungen ist dabei sehr variantenreich. An den Beinen sind die Femoralisgabel und die A. femoralis superficialis (AFS) am häufigsten betroffen.
Symptome 4 In den Beinen: 5 pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit): Belastungsschmerzen, Ruheschmerzen, Gefühlsstörungen (Hypästhesie, Anästhesie), motorische Ausfälle (Parese, Plegie) und Gewebedefekte (Ulzerationen, Nekrosen). Nach dem Schweregrad der Symptome wird die pAVK in verschiedene Stadien eingeteilt. Die häufigste Klassifikation ist die nach Fontaine (. Tab. 4.1) und bezieht sich auf die Gehstrecke, die ohne Schmerzen bewältigt werden kann. 4 Im ZNS: 5 TIA (transitorische ischämische Attacke, z. B. vorübergehende Blindheit): Die Symptome der TIA gleichen denen eines Schlaganfalls. Besonders typisch sind die halbseitige Lähmung von Arm und/oder Bein (Hemiplegie oder Hemiparese), Sprachstörungen (Dysphasie) und Sehstörungen (Amaurosis fugax). Bei einer TIA bilden sich die Leitsymptome jedoch innerhalb von 24 h vollständig zurück. 5 PRIND (prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit): Hier dauern die Ausfallerscheinungen länger als 24 h an, bilden sich aber im weiteren Verlauf vollständig zurück. 5 Insult (Schlaganfall): Vollbild eines Schlaganfalls mit persistierenden neurologischen Defiziten. 4 Am Herzen: 5 Koronare Herzkrankheit (KHK). 5 Angina pectoris (Engegefühl im Brustraum, wird als lebensbedrohlich wahrgenommen). 5 Herzinfarkt. Die AVK ist eine systemische Erkrankung mit Durchblutungsstörungen in vielen unterschiedlichen Organsystemen. Dies ist in der Therapieplanung zu berücksichtigen.
Operationstechniken Desobliteration 4 Obliteration (oblitere = lat. verstopfen) meint hier ein durch Thromben und/oder Kalkablagerung verschlossenes Gefäß. 4 Desobliteration bedeutet, ein verstopftes Gefäß wieder durchgängig zu machen; im Speziellen meint es die Entfernung von Kalkablagerungen, entweder direkt vor Ort als TEA (s. unten) oder als retrograde (dem Blutfluss entgegen) Desobliteration mit einem Ringstripper (. Abb. 4.50).
. Tab. 4.1 Klassifikation nach Fontaine Stadium
Kennzeichen
I
Keine Einschränkung der Gehstrecke
IIa
Schmerzfreie Gehstrecke länger als 200 m
IIb
Schmerzfreie Gehstrecke kürzer als 200 m
III
Schmerzen in Ruhe, vor allem nachts in horizontaler Lage in Zehen, Ferse und Fußsohle
IV
Absterben von Gewebe, Ausbildung von Nekrosen (abgestorbenem Gewebe), offenen Geschwüren (Ulzera) oder einer Gangrän; das Absterben der Extremität mit drohender Sepsis gilt als absolute Amputationsindikation
Bei der retrograden Desobliteration handelt es sich um eine halboffene Desobliteration, die für längerstreckige Stenosen angewandt wird. Hauptsächlich findet diese Technik bei der A. iliaca externa Anwendung. Ausgehend von der A. femoralis comm. wird der Verschlusszylinder abgelöst und durchtrennt. Anschließend wird ein Ringstripper in der Größe des Gefäßes über den Zylinder gestülpt und im Gefäß retrograd geschoben. Wenn möglich, sollte das obliterierte Gefäß vorher mit einem Führungsdraht (7 Abschn. 4.5) sondiert werden. Gefahren der Desobliteration bestehen u. a. in der Gefäßdissektion und Gefäßruptur. Diese werden dann endovaskulär oder offen rekonstruiert. ! Während des Eingriffs besteht immer die Gefahr einer Ruptur des Gefäßes. Der Patient muss bei einer solchen OP immer so vorbereitet werden, dass notfalls die Aorta abgeklemmt werden kann.
Thrombendarteriektomie (TEA) 4 TEA (Thrombendarteriektomie bei kurzstreckigen Stenosen): Ausschälen der lokalen Kalkablagerungen und Naht des Gefäßes entweder mit direkter Naht oder einer Erweiterungsplastik. 4 Durchführung meistens an der Gabel der A. carotis und der A. femoralis, gelegentlich auch an der Aorta oder der A. iliaca. 4 Nach Freipräparieren, Anschlingen und Abklemmen der Gefäße erfolgt die Arteriotomie mit Stichskalpell und Potts-Schere in ganzer Länge der Stenose. 4 Ablösen der Kalkablagerungen mit einem Dissektor, Overholt und Pinzette (. Abb. 4.51). 4 Vollständiges Entfernen der Ablagerungen. 4 Naht der Arteriotomie nach Befund mit einer Patchplastik oder einer Direktnaht.
4
282
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
4
a
b
. Abb. 4.50 Retrograde TEA mit Ringstripper der linken A. iliaca externa (die Sondierung mit einem Führungsdraht bzw. Ballonkatheter war hier nicht möglich). a Präoperative MR-Angiographie. b Einfä-
c deln des präparierten arteriosklerotischen Verschlusszylinders in die Öse des Ringstrippers. c Verschlusszylinder nach der Bergung. (Nach Schmedt et al. 2007)
wenn ein langstreckiger Gefäßdefekt nach einer Verletzung vorliegt, ist ein Interponat indiziert. In diesen Fällen wird der betroffene Gefäßabschnitt entfernt und durch ein Venensegment oder eine Prothese ersetzt. Das Ersatzgefäß wird zwischen die beiden Enden gesetzt.
Bypass a
b . Abb. 4.51a,b Intramurale Desobliteration. a Desobliteration mit einem Dissektor (TEA), b Desobliterat der A. carotis
Interponat 4 Interponat (interponere = lat. dazwischensetzen): Gefäßbrücke bestehend aus Prothese oder Vene. 4 Wenn bei einer Ausschälplastik die verbliebene Adventitia stellenweise stark ausgedünnt ist, wenn eine sehr langstreckige Ausschälplastik notwendig wurde, oder
4 Ein Bypass stellt eine Überbrückung eines verschlossenen Gefäßabschnittes dar. Oberhalb des verschlossenen Gefäßsegmentes wird die Spenderarterie Seitzu-End mit dem Bypass anastomosiert, unterhalb des Verschlusses wird die Empfängerarterie End-zu-Seit angeschlossen. Das verschlossene Gefäß wird also nicht entfernt. Ziel ist die direkte Reperfusion der nachgeschalteten Gefäßregion. 4 Je nach Lage und Befund wird entschieden, mit welchem Material der Bypass ausgeführt wird (s. Implantate). 4 Der Name des Bypasses richtet sich nach den Anschlussgefäßen. Das Spendergefäß wird zuerst genannt, das/die Empfängergefäß(e) an zweiter Stelle. Beispiele: 5 iliakofemoraler Bypass = Bypass von der A. iliaca auf die A. femoralis, 5 axillobifemoraler Bypass = Bypass von der A. axillaris auf beide Aa. femorales (rechts und links).
Besonderheiten beim Venenbypass Da die V. saphena magna Venenklappen hat, die den Blutfluss in nur eine Richtung zulassen, muss sie vor dem Einsatz als Bypass entsprechend vorbereitet werden.
283 4.4 · Erkrankungen des arteriellen Systems
. Abb. 4.52 Funktionsweise eines Venenklappenschneiders (Valvulotom)
4.4.2
. Abb. 4.53 Valvulotom (offen)
4 Reversed Bypass (Umkehrbypass): Die Vene wird nach der Entnahme umgedreht; so sind die Klappen in Flussrichtung offen. 4 In-situ-Bypass: Die Vene verbleibt in ihrem bindegewebigen Bett, es wird nur distal und proximal je ein ausreichendes Ende mobilisiert. Nach der proximalen Anastomose werden die Venenklappen mittels eines Valvulotoms (. Abb. 4.52, . Abb. 4.53) zerstört. Die Seitenäste der Vene müssen nach Bypassanlage noch ligiert werden, um arteriovenöse Fisteln zu verhindern. 4 Orthograder Bypass: In einigen Fällen ist die entnommene Vene stark konisch konfiguriert, d. h. sie hat am distalen Ende ein sehr kleines Kaliber, und ist am proximalen Ende deutlich weiter. Eine solche Vene würde als Umkehrbypass eingesetzt technische Probleme sowohl an der oberen, als auch an der unteren Anastomose bereiten. Daher wird solch eine Vene zunächst mit dem weiten proximalen Ende an der Spenderarterie angeschlossen. Anschließend werden die Venenklappen auch hier mit einem Valvulotom zerstört. Die nun durchgängige Vene kann jetzt mit ihrem dünnen distalen Ende an der Empfängerarterie anastomosiert werden.
Dilatation 4 Intraluminale (= im Gefäßinnenraum) Aufdehnung (= Dilatation) einer Stenose mit Hilfe eines Ballonkatheters, evtl. mit Einlage einer lokalen inneren Gefäßstütze (Stent; 7 Abschn. 4.5).
Dilatative Erkrankungen (Aneurysmen)
Unterschieden wird das echte Aneurysma (Aneurysma verum) vom falschen Aneurysma (Aneurysma spurium). Beim echten Aneurysma erweitert sich die gesamte kranke Gefäßwand (7 Abschn. 4.1.2). Ein falsches Aneurysma entsteht durch eine Verletzung (z. B. durch Punktion) der Gefäßwand. Das ausströmende Blut produziert ein pulsierendes Hämatom (Bluterguss), an dessen Rand sich binnen weniger Wochen eine bindegewebige Kapsel bildet. Die Brisanz zentraler Aneurysmen (z. B. Aorta) liegt in ihrer potenziellen Rupturgefahr. Diese steigt mit zunehmendem Durchmesser des Aneurysmas, da sich der Druck auf die Gefäßwand mit zunehmender Gefäßweite erhöht. Aneurysmen der peripheren Gefäße bedrohen vor allem durch thrombembolische Gefäßverschlüsse die Extremitäten. In der Regel sind Aneurysmen mit wandständigen Thrombenmassen ausgefüllt. Diese Thrombenmassen können z. B. beim Aneurysma in der Kniekehle durch Bewegungen in die periphere Zirkulation abgeschwemmt werden. Dies führt zu peripheren, zum Teil irreversiblen embolischen Gefäßverschlüssen mit entsprechenden Folgen.
Formen des Aneurysmas 4 Aneurysma verum (echtes Aneurysma; . Abb. 4.54) 5 Alle Wandschichten sind betroffen. 5 Das Aneurysma entsteht durch AVK (siehe Pathophysiologie) 4 Aneurysma dissecans (gespaltenes Aneurysma; . Abb. 4.54) 5 Dissektion der Gefäßwand durch einen Intimaeinriss mit Entstehung eines falschen Kanals. 5 Es ist meistens lokal begrenzt, kann sich aber nach distal oder proximal fortsetzen und dann die Durchblutung lebenswichtiger Organe behindern. 5 Es kann thrombosieren und spontan verheilen oder rupturieren. 4 Aneurysma spurium (falsches Aneurysma; . Abb. 4.54).
4
284
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
4 . Abb. 4.54 Verschiedene Aneurysmaarten: 1–3 Aneurysma verum; bei zunehmender Ausbuchtung (2) werden die elastischen Elemente der Media immer spärlicher, sodass schließlich (3) die Aneurysma-
5 Das Aneurysma bildet sich durch ein Hämatom zwischen den Wandschichten (s. oben). 5 Es kann auch nach Anlage eines Bypasses oder eines Patches entstehen (Nahtaneurysma).
Therapie 4 Offene Entfernung des Aneurysmas und Ersatz durch eine Prothese (Interponat). 4 Endovaskuläre Ausschaltung des Aneurysmas durch eine Stentprothese (7 Abschn. 4.6). Bei der offenen Entfernung von Aneurysmen sind die technischen Möglichkeiten begrenzt. So kann bei herznahen Eingriffen eine Herz-Lungen-Maschine erforderlich sein. Dies findet i. d. R. in Spezialabteilungen statt (7 Kap. 7). Bei der endovaskulären Therapie setzen sich die sog. Hybridoperationen (7 Abschn. 4.6.11) durch. Sie ermöglichen es, auch Patienten mit thorakoabdominalen Aneurysmen endovaskulär zu therapieren. Die Anwendung speziell angefertigter Stentprothesen mit Seitenabgängen bleibt Spezialzentren vorbehalten.
4.4.3
wand fast ausschließlich aus verdickter Intima und Aventitia besteht. 4 Aneurysma spurium (periarterielles Hämatom. 5 Aneurysma dissecans. (Nach Eder u. Gedeck 1990)
Symptome 4 Verringerung der schmerzfreien Gehstrecke. 4 Zunehmende Blässe und Kälte der Extremität verbunden mit Schmerzen. 4 Kein tastbarer Puls in der Peripherie.
Therapie (chirurgisch) 4 Thrombektomie des betroffenen Areals mit einem Ballonkatheter nach Fogarty (. Abb. 4.55, . Abb. 4.56). 4 Sanierung der Ursache. 4 Gegebenenfalls medikamentöse Lysetherapie (= Auflösung von nicht entfernbaren Thromben, Verhinderung deren Neubildung).
Embolie Eine Embolie ist der Verschluss einer Arterie, der durch einen Thrombus entsteht, der sich von seinem Entstehungsort gelöst hat und mit dem Blutfluss eingeschwemmt wurde. Ursprungsort kann der linke Herzvorhof bei Herzrhythmusstörungen sein. Jedes Organ im Körper kann betroffen sein und eine schwere Krise für den Patienten be-
Akute Erkrankungen
Arterielle Thrombose Eine arterielle Thrombose ist der Verschluss einer Arterie, der durch Verklumpung (Thrombenbildung) von Thrombozyten an der geschädigten Gefäßwand entsteht. Diese Schädigung kann degenerativ durch Arteriosklerose oder traumatisch bedingt sein. Klinisch imponiert der akute Gefäßverschluss in Abhängigkeit vom betroffenen Gefäß – durch den Blutmangel mit der folgenden Ischämie. . Abb. 4.55 Fogarty-Katheter (4 F) mit gefülltem Ballon und kleinem Gefäßthrombus nach Thrombektomie. (Nach Kopp et al. 2003)
285 4.5 · Intraluminale Dilatation
. Abb. 4.56 Operativer Zugangsweg zur Thrombembolektomie der A. femoralis communis, A profunda femoris und A. femoralis superficialis. (Nach Kopp et al. 2003)
deuten, bis zur Bedrohung des Lebens. Besonders betroffen sind das Gehirn, die Lunge, der Darm und die Extremitäten. Während die Lungenembolie zumeist von einem im tiefen Venensystem entstandenen Thrombus verursacht wird, ist die häufigste Ursache für die Entstehung arterieller Thromben eine Erkrankung des Herzens. Eine weitere Ursache kann die Ausschwemmung von atheromatösen Ablagerungen und Thromben aus arteriosklerotischen Gefäßen sein.
tion verengter Gefäße mittels spezieller Katheter hat sich seit den 90er-Jahren als minimalinvasives Verfahren auch in der Gefäßchirurgie durchgesetzt. Hier wird diese Verfahrensweise als »interventionell« bezeichnet und meint damit die Wiederherstellung der Durchblutung nicht auf konventionelle Weise mittels eines Bypasses oder einer TEA, sondern z. B. durch Aufdehnen des verengten Gefäßes (Dilatation). Ist die Gefäßeinengung nach der Dilatation noch nicht ausreichend, kann zusätzlich endovaskulär eine Gefäßstütze, ein sog. Stent, in das aufgedehnte Gefäßsegment eingebracht werden.
Symptome 4 Akuter Schmerz durch Verschluss der Gefäße im betroffenen Areal. 4 Kälte, Blässe und fehlender Puls an der Extremität.
Therapie (chirurgisch) 4 Lokale Embolektomie (. Abb. 4.56), falls notwendig, Anlage eines Bypasses. 4 Antikoagulation.
4.5
Intraluminale Dilatation
Die in den 1960er- und 70er-Jahren von den Radiologen Dotter und Grüntzig entwickelte Methode der Rekanalisa-
jIndikationen
4 Risikopatienten, für die ein größerer Eingriff mit höherem Blutverlust zu belastend wäre. 4 Kurzstreckige Stenosen an der A. iliaca, die noch nicht zu sehr kalzifiziert sind. 4 Durch retrograde Desobliteration mittels Ringstripper (. Abb. 4.50) entstandene Dissektionen oder verbliebene Reststenosen an der Absetzungsstelle des Verschlusszylinders. 4 Stenosen der Koronararterien (perkutane transluminale koronare Angioplastie = PTCA). 4 Stenosen der Nierenarterien. 4 Stenosen an den unteren Extremitäten. 4 Stenosen der A. carotis
4
286
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
jKontraindikationen
jVorgehensweisen
Relative Kontraindikationen ergeben sich aus der Plaquemorphologie (weicher plaquefreier Thrombus → Emboliegefahr). 4 Exzentrische zirkuläre stark verkalkte Stenose → Rupturgefahr. 4 Vollkommen kalzifizierter Gefäßverschluss.
4 Perkutane transluminale Angioplastie (PTA) als Singuläreingriff. Dieses Verfahren wird häufig in der Radiologie angewendet. 4 Intraoperative transluminale Angioplastie (I(O)TA) als Singulär- oder als Kombinationseingriff z. B. bei der peripheren Bypasschirurgie, um den Zufluss in den Bypass zu verbessern.
4
4.5.1
Grundausstattung
Neben dem Grund- und Gefäßinstrumentarium (7 Abschn. 4.1.3 und 7 Kap. 1) werden die im Folgenden beschriebenen Materialien benötigt.
Dilatationskatheter Bei einem Dilatationskatheter (. Abb. 4.57) handelt es sich um einen doppellumigen Katheter. Das zentrale Lumen durchzieht den Katheter in seiner gesamten Länge und ermöglicht das Verabreichen von Kontrastmittel, Spülflüssigkeit oder Medikamenten wie Actilyse oder Heparin. Vornehmlich dient es jedoch der Platzierung des Katheters im Gefäß über einen Führungsdraht. Das zweite Lumen endet in einem Spezialballon, der aus einem nicht dehnbaren Polymer hergestellt wurde. Wird der Ballon aufgefüllt, übt er eine Radialkraft auf das Gefäß aus. Die verschiedenen Katheterausführungen unterscheiden sich nach Ballondurchmesser und -längen. Kleinere Kaliber haben schmalere Schäfte, benötigen dünnere Führungsdrähte und kleinere Schleusendurchmesser. Größere Kaliber hingegen brauchen vor allem größere Schleusendurchmesser. Hierauf ist bei der Auswahl unbedingt zu achten.
a
b
. Abb. 4.57 a, b Dilatationskatheter. a Schematische Darstellung. b Foto. (Fa. Cordis Johnson & Johnson Endovascular)
287 4.5 · Intraluminale Dilatation
Der an beiden Enden konisch zulaufende Ballon weist am Anfang und am Ende der maximalen Aufdehnung je einen röntgenundurchlässigen Marker auf. Damit er bei der Röntgendurchleuchtung erkannt werden kann, wird er mit Kontrastmittel (in einer 1:2-Verdünnung) gefüllt.
Führungsdraht Führungsdrähte gibt es in vielen verschiedenen Ausführungen, die sich je nach Anwendungsgebieten unterscheiden. Für die erste Sondierung des Gefäßes wird ein hydrophiler (»wasserliebender«), weicher Draht benötigt. Er gleitet besonders in feuchtem Milieu gut. Außerdem haben alle Drähte eine weiche Spitze, um eine Perforation der Wandschichten des Gefäßes beim Vorschieben zu vermeiden. Für die Platzierung von Dilatationskathetern ist ein hydrophiler Draht ausreichend, für das Vorschieben endovaskulärer Prothesen sind steifere Drähte erforderlich, die eine stabile Schienung bieten können.
Einführungsschleuse (mit Punktionsset) Eine Schleuse (. Abb. 4.58) ist eine Kunststoffkanüle mit einem hämostatischen Ventil, d. h. es kann kein Blut aus ihr entweichen. In die Kanüle ist ein konisch zulaufender Dilatator eingeschoben, der auch über einen Zentralkanal verfügt. Dies ermöglicht das Einbringen der Kanüle in Seldinger-Technik (d. h. das Gefäß wird mit einer Hohlnadel punktiert, in die Nadel wird ein Draht eingeführt, die Nadel wird entfernt und über den Draht wird die Schleuse in das Gefäß geschoben. Anschließend werden der Draht und der Dilatator entfernt und die Schleuse liegt funktionsbereit an korrekter Stelle). Des Weiteren verfügt sie über einen seitlichen Zugang mit Luer-Anschluss und Dreiwegehahn, über den Medikamente, wie Kontrastmittel oder Heparin, eingebracht werden können. Um später mit Drähten und Kathetern das hämostatische Ventil überwinden zu können, werden Einführhilfen benötigt, die überwiegend im Lieferumfang von Drähten, Kathetern und Stents enthalten sind.
. Abb. 4.58 Einführungsschleuse. (Fa. Terumo)
renarterien oder die supraaortalen Äste sondieren und anschließend gezielt angiographieren oder dilatieren zu können (. Abb. 4.59).
Dilatationsspritze mit Druckmesser (. Abb. 4.60) Bei der Dilatation muss über mehrere Sekunden ein gleichmäßiger Druck im Stenosebereich gehalten werden. Hierzu sind die folgenden Funktionen dieses Systems hilfreich: 4 Die Druckstärke kann abgelesen werden. 4 Der Druck kann ohne Kraftaufwand gehalten werden.
Angiographiekatheter
Durchleuchtungseinheit, Röntgengerät
In der Regel ist es möglich, die Beckenstrombahn retrograd (gegen den Blutfluss) über eine Schleuse zu angiographieren, die in der A. femoralis communis (AFC) platziert wurde. Ist das Ergebnis jedoch nicht befriedigend, sollte eine orthograde (in Blutflussrichtung) Angiographie über einen Angiographiekatheter durchgeführt werden. Diese einlumigen Katheter gibt es mit den verschiedensten Spitzen, deren Form sich wieder nach dem Anwendungsgebiet richtet. Für die orthograde Angiographie der Aorta bietet sich die gerundete Spitze an, über die sich Kontrastmittel in mehrere Richtungen verteilt. Die anderen Spitzentypen sind in bestimmten Winkelanordnungen erhältlich, um besonders schwer zugängliche Aortenabgänge wie die Nie-
Ein wesentlicher Bestandteil der Angiographie ist die Durchleuchtungseinheit. Sie muss über eine hochauflösende computergestützte DSA-Anlage (digitale Subtraktionsangiographie) verfügen, d. h. der Computer subtrahiert alles umgebende Gewebe aus dem Bild und gibt nur die kontrastmittelgefüllten Gefäße schwarz wieder. Außerdem sollte das Gerät auch über die »Roadmap«-Funktion verfügen, die die schwarzen Gefäße auf dem Bild im Durchleuchtungsmodus als Landkarte hinterlegt, was z. B. die Überwindung sehr enger Sanduhrstenosen erheblich vereinfachen kann. Bei der intraoperativen Durchleuchtung sollten alle an der OP beteiligten Mitarbeiter in Strahlenkunde fachkun-
4
288
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
dig sein und sich entsprechend der Strahlenschutzverordnung verhalten. Nicht fachkundige Mitarbeiter müssen sich vor der OP in die speziellen Verhaltensregeln einweisen lassen.
4
Angiomat Ein Gerät, mit dem Kontrastmittel in vorher eingestellter Menge und Druck in das Gefäßsystem infundiert werden kann. Dies ermöglicht eine gute Darstellung der Aorta, die für die Implantation einer endovaskulären Prothese notwendig ist.
4.5.2 a
Intraoperative transluminale Angioplastie
Intraoperative transluminale Angioplastie (IOTA)
b
c
d . Abb. 4.59 a–d Diverse Angiographiekatheter a Pigtail, b Sidewinder, c Cobra, d Headhunter. (Beispiel: Fa. Cordis Johnson & Johnson Endovascular)
7 Meist wird die Femoralisgabel über einen lateralen, unterhalb des Leistenbandes verlaufenden Leistenlängsschnitt aufgesucht, freipräpariert und die einzelnen Gefäße angeschlungen. 7 Punktion der A. femoralis communis und Einbringen der Schleuse in Seldinger-Technik. Fixieren der Schleuse an der Haut mittels einer kräftigen Naht oder einer scharfen Tuchklemme. 7 Retrograde Angiographie über den seitlichen Zugang der Schleuse. Einbringen des hydrophilen Drahtes und bei Bedarf Vorschieben eines Katheters für eine orthograde Angiographie. Cave: Vor der orthograden Angiographie muss der Draht entfernt werden. 7 Vor der Entfernung des Angiographiekatheters muss der Draht replatziert werden (Seldinger-Technik: Es verbleibt immer ein Platzhalter im Gefäß). 7 Anschließend Vorschieben des Ballonkatheters zum Stenosebereich. 7 Auffüllen des Ballons und Halten eines bestimmten Druckes über mehrere Sekunden. Dabei werden Kalkplaques aufgebrochen und die atheromatösen Auflagerungen in die Gefäßwand gedrückt. Dieses Verfahren kann wiederholt werden. Ist der Stenosebereich dann noch nicht ausreichend durchgängig, oder besteht eine Dissektion wird ein Stent eingebracht (7 Abschn. 4.5.3). 7 Die einzelnen Schritte erfolgen unter Durchleuchtung/Angiographie. 7 Naht der Punktionsstelle, Blutstillung, Entfernen aller Instrumente und Textilien, Zählkontrolle, Dokumentation, Redon-Einlage, schichtweiser Wundverschluss, Verband.
4.5.3
. Abb. 4.60 Dilatationsspritze mit Druckmanometer. (Beispiel: Fa. Merit Medical)
Stents (Gefäßstützen)
Ein Stent ist eine Gefäßstütze (Platzhalter), die innen im Gefäß platziert wird und so ein aufgedehntes Gefäß offen hält. Ein mit dünnem Kunststoff ummantelter Stent (Stent-
289 4.5 · Intraluminale Dilatation
. Abb. 4.61 Ballonexpandierbarer Stent
. Abb. 4.62 Selbstexpandierender Stent aus Nitinol
graft, Stentprothese) wird zur Abdichtung undichter Stellen (Leckage) oder bei Aneurysmen verwendet. Die Verwendungsmöglichkeiten sind vielseitig. Heute arbeiten Kardiologen, Radiologen und Gefäßchirurgen erfolgreich mit endovaskulären Materialien, um Patienten mit einer KHK, einer AVK oder mit Aneurysmen zu behandeln. Durchgesetzt haben sich bisher die Koronarangioplastie, die Angioplastie der Becken- und Beinarterien und die Ausschaltung von Aorten- und Iliacaaneurysmen. Für Einengungen in der Halsschlagader konnte für den Stent im Vergleich zur Operation bisher kein Vorteil nachgewiesen werden, sodass dieses Verfahren speziellen Indikationen vorbehalten bleibt. Zurzeit werden die Möglichkeiten bei einem ausgedehnten Aneurysma der thorakalen Aorta geprüft. Um Strecke zu gewinnen, werden vermehrt Äste des Aortenbogens sowie die Viszeralarterien transponiert (Aortenbogen- bzw. Viszeralarterien-Debranching). Stents werden aus verschiedenen Materialien hergestellt, wie z. B. Stahl oder Nitinol (. Abb. 4.61 und . Abb. 4.62). Letzteres ist eine spezielle Metallverbindung, die die Eigenschaft besitzt, sich bei Körpertemperatur auf ein definiertes Maß auszudehnen. Dieses Material wurde zunächst bei Aortenstentprothesen benutzt, kommt aber auch in der Behandlung von Iliacastenosen zum Einsatz.
. Tab. 4.2 zeigt verschiedene Stenttypen und ihre Verwendung. Alle Arten von Stents werden i. d. R. über eine oder beide Aa. fem. comm. in den Körper eingebracht. Sind sie verschlossen oder zu stark verkalkt, kann u. U. die Behandlung scheitern.
Stenteinlage in die A. iliaca communis bei stenosierender AVK Bei sehr massiven und harten Kalkablagerungen gelingt das Aufdehnen des Gefäßes nicht immer und die Stenteinlage wird unmöglich. Deshalb ist es in jedem Fall erforderlich, auf ein konventionelles Verfahren wie z. B. einen retroperitonealen Prothesenbypass ausweichen können. Außerdem kann ein Gefäß beim Dilatieren einreißen. Dann ist größte Eile geboten! Diese Gefahr muss jedem, der eine solche Operation instrumentiert, bewusst sein! kInstrumentarium/Materialien
4 Grund- und Gefäßinstrumentarium (7 Abschn. 4.1.3), 4 Spezialinstrumentarium (7 Abschn. 4.5.1), 4 DSA-Durchleuchtungseinheit und Strahlenschutzausrüstung (7 Abschn. 4.5.1), 4 steriler Bildwandlerbezug.
. Tab. 4.2 Stenttypen und ihre Verwendung Stenose der A. iliaca communis
Stenose der A. iliaca interna
Kurzstreckiges Iliacaaneurysma oder Leckage
Langstreckiges Iliacaaneurysma, Aortenaneurysma
Ballonexpandierbar
Selbstexpandierend
Ballonexpandierbar
Selbstexpandierend
Nicht ummantelt = Drahtgeflecht aus Stahl
Nicht ummantelt = Drahtgeflecht aus Nitinol
Ummantelt = Drahtgeflecht aus Stahl, ummantelt mit einer dünnen Polyester- oder PTFE-Schicht
Ummantelt = Drahtgeflecht aus Nitinol, ummantelt mit einer dünnen Polyester- oder PTFE-Schicht
Unmontiert oder vormontiert auf einem Dilatationskatheter
Vormontiert auf einem speziellen Entladekatheter
Unmontiert oder vormontiert auf einem Dilatationskatheter
Vormontiert in einem speziellen Entladesystem mit Schleusenfunktion
4
290
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
kLagerung/Abdeckung
4 Gerade Rückenlagerung auf einem Durchleuchtungstisch. 4 Hohe 4-Tuch-Abdeckung mit freiem Zugang zu den Leisten (um ggf. auf ein konventionelles OP-Verfahren umsteigen zu können).
4
Stenteinlage in die A. iliaca communis 7 Perkutane Punktion oder Leistenschnitt und Darstellen der A. femoralis comm. 7 Anschlingen mit 2 Haltebändern (wenn ein Schnitt erfolgte), das proximale mit einem Tourniquet versehen. 7 Einbringen der Schleuse in Seldinger-Technik. Klären, welcher Stent zum Einsatz kommen soll; dies bestimmt das Kaliber der Schleuse. Bei perkutanem Vorgehen wird ab einem Schleusendurchmesser von 8 F ein endovaskuläres Verschlusssystem (z. B. Perclose, Fa. Abbot) zur Anwendung kommen, um Nachblutungen zu vermeiden. Durch diese Systeme bleibt den Patienten ein Druckverband (6 h) mit Bettruhe erspart. 7 Über den seitlichen Zugang der Schleuse retrograd in DSA-Technik angiographieren. Alternativ dazu kann ein Führungsdraht und anschließend ein Pigtailkatheter in die Aorta vorgeschoben und orthograd angiographiert werden. Auf dem Monitor des Bildverstärkers die relevanten Orientierungspunkte anzeichnen: – die Aortenbifurkation, – die proximale und distale Grenze der Stenose, – den Abgang der A. iliaca interna, – ggf. das Kaliber der A. iliaca communis, – Umschalten auf Durchleuchtungsmodus. 7 Den hydrophilen Draht wieder in der Aorta platzieren, den Dilatationskatheter in der Stenose ausrichten und das Gefäß mit der Druckspritze nach Herstellerangaben unter Durchleuchtung dilatieren, Kontrollangiographie. 7 Bei verbleibender Einengung kann ein Stent zum Einsatz kommen. Kaliber und Länge wurden durch die Länge und den Durchmesser des Dilatationskatheters ermittelt. Ist der Stent vormontiert, werden keine weiteren Materialien benötigt. Die Einführhilfe, um das hämostatische Ventil zu überwinden, ist im Lieferumfang eines vormontierten Stents enthalten. Bei unmontierten Stents wird ein weiterer Dilatationskatheter der entsprechenden Größe und Länge sowie eine Einführhilfe benötigt. Der Stent wird in diesem Fall auf den 6
Katheter aufgezogen und fest angedrückt; besser ist das Anwickeln des Stents mit einem kräftigen Faden, der anschließend entfernt wird. So wird verhindert, dass der Stent im Gefäß vom Katheter abrutscht. Platzieren des Stents in den angezeichneten Grenzen und Freisetzen des Stents mittels Aufdehnen des Katheters. Abschlussangiographie.
Implantation einer Stentprothese in die infrarenale Bauchaorta bei Aneurysma kInstrumentarium/Materialien
4 Grund- und Gefäßinstrumentarium (7 Abschn. 4.1.3), 4 Spezialinstrumentarium (7 Abschn. 4.5.1), 4 DSA-Durchleuchtungseinheit und Strahlenschutzausrüstung, 4 steriler Bildwandlerbezug. kVorbereitung am Patienten
4 Durchleuchtungstisch (Carbontisch). 4 Unter den Rücken des Patienten kann parallel zur Wirbelsäule ein röntgendichtes Lineal gelegt werden, um die Orientierung und Kommunikation während der OP zu erleichtern. 4 Abdeckung wie zur offenen Bauchaortenoperation. kInstrumentelle Vorbereitung
4 Da für die langen Drähte und das Device (Entladesystem für den Stent) eine entsprechend lange Ablagefläche benötigt wird, empfiehlt es sich, zwei Instrumentiertische längs hintereinander zu stellen. Ein weiterer Beistelltisch kann ebenfalls ausreichen. Wenn nur ein kleiner OP-Saal zur Verfügung steht, kann der OPTisch diagonal im Raum platziert werden. 4 Der erste Instrumentiertisch wird mit den benötigten Instrumenten gedeckt. Falls nicht vollständig perkutan vorgegangen wird, liegen die Gefäßklemmen zum Ausklemmen der Femoralgefäße auf diesem Tisch. 4 Auf dem zweiten Tisch liegen die speziell zur Intervention benötigten Materialien und Flüssigkeiten (Heparin-Kochsalz-Lösung, Kontrastmittel pur, 50 ml Kontrastmittel 1:2 verdünnt) Spritzen, Drähte, die Schleuse etc. 4 Alle Katheter, Schleusen und Drähte werden mit Heparinlösung durchgespült.
291 4.5 · Intraluminale Dilatation
Stenteinlage in die infrarenale Bauchaorta (am Beispiel einer Talentprothese der Fa. Medtronic; . Abb. 4.63) 7 Zugangswege sind die Aa. iliacae ext. rechts und links oberhalb des Leistenbandes. 7 Beide Arterien werden mit je einem distalen und einem proximalen Halteband angezügelt. Das proximale Band wird mit je einem Tourniquet versehen. 7 Der Operateur wechselt die Seite, sodass das OPTeam auf einer Seite des Patienten steht – auf der anderen Seite ist die BV-Einheit positioniert. 7 Steriles Beziehen der BV-Einheit. 7 Einbringen einer oder zweier Schleusen in die vorbereiteten Gefäße in Seldinger-Technik und Überprüfen der Lage durch Ablassen von etwas Blut über den seitlichen Zugang der Schleuse. Anschließend je 1000 IE Heparin verabreichen und die Schleuse(n) fixieren. 7 Positionieren des Bildwandlers über dem Patienten. 7 Vorschieben des hydrophilen Drahtes in die Aorta, Platzieren eines Pigtailkatheters mit Goldmarkern (röntgendichte Marker in Abständen von 1 cm) oberhalb der Abgänge der Aa. renales und Draht entfernen. Orthograde Angiographie mit einem Angiomaten bei Atemstillstand. 7 Exakte Ermittlung und Kennzeichnung der Abgänge der A. renalis rechts und links sowie der A. iliaca intena rechts und links. Cave: Die Stentprothese darf nur innerhalb dieser Grenzen platziert werden, da es sonst zu Minderdurchblutung oder Ischämie der anhängigen Organe (Nieren, Colon descendens) kommt bzw. zu einer Claudicatio glutealis! 7 Einbringen eines steifen Drahtes (Schneider Backup Meier, Jotec E-Wire), der die Aufgabe hat, die Zugangswege zu begradigen und dem erhöhten Reibungswiderstand beim Einbringen des Trägersystems entgegenzuwirken. 7 Überprüfen der errechneten Prothesenlänge mittels der Goldmarker auf dem Pigtailkatheter. 7 Das Device (Trägersystem der Prothese) nach Herstellerangaben vorbereiten. 7 Pigtailkatheter entfernen, Draht belassen. 7 Ausklemmen der A. femoralis communis, ggf. Arteriotomie, Schleuse entfernen, Device aufziehen. 7 Entfernen der proximalen Gefäßklemme, Vorschieben des Device unter Durchleuchtung. 6
7 Exaktes Positionieren anhand der Markierungspunkte auf dem Bildschirm, Aortenstentprothese entladen und das Device nach Herstellerangaben wieder verschließen. 7 Das Device im Gefäßsystem zurückziehen und liegen lassen oder entfernen; die Arterie proximal mit einer Gefäßklemme verschließen. 7 Einbringen der Schleuse auf der Gegenseite; mit dem hydrophilen Draht, ggf. unter Zuhilfenahme eines Headhunterkatheters, den kurzen Iliacaschenkel sondieren. 7 Den Draht in den Prothesenschenkel vorschieben und in Seldinger-Technik den markierten Pigtailkatheter aufziehen. Einen weiteren steifen Draht einbringen und die Länge des kontralateralen Beinchens ausmessen.
. Abb. 4.63 Aortenstent. (Fa. Medtronic GmbH)
4
292
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
! Ein guter Überblick über das gesamte in der Abteilung vorhandene Equipment ist Voraussetzung für den Erfolg der Intervention. Das gesamte OP-Team muss die Auswahl an Kathetern, Drähten und Schleusen kennen.
7
7
4
4.6
Weitere Operationsbeispiele
4.6.1
Embolektomie/Thrombektomie an Extremitäten
7
7
kPrinzip
Entfernung eines Thrombus oder Embolus aus einer Arterie mittels eines Embolektomiekatheters. kIndikation
4 Arterielle Thrombose oder Embolie in einer Beinund/oder Armarterie.
7 7 7
kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4
Grundinstrumente, kurze Gefäßinstrumente, ggf. Mikroinstrumente, Haltebänder, Loops, Clips, Embolektomiekatheter in verschiedenen Größen, ggf. hydrophilen Draht mit einem Embolektomiekatheter mit Zentralkanal (für die Lyse), 4 Bildwandler und Strahlenschutz. kMedikamente
4 4 4 4
Heparin, Kontrastmittel zur Kontrollangiographie, ggf. Actilyse, ggf. Lokalanästhetikum.
kLagerung/Abdeckung
4 Rückenlage, ggf. mit Armtisch (7 Abschn. 4.3), 4 Hüfttuch bzw. Lochtuch und Stockinette. Embolektomie 7 Hautschnitt Leiste bzw. Ellenbeuge (7 Abschn. 4.2). 7 Freilegen des Gefäßes (Femoralisgabel, Aa. brachialis, ulnaris et radialis). 7 Alle dargestellten Gefäße werden mit Bändern oder Loops angezügelt und diese mit Klemmchen angeklemmt. Vorsichtiges Hochziehen jedes einzelnen Gefäßes und weiteres Freipräparieren von Begleitvenen und -nerven. Anschließend werden alle Gefäße nach vorheriger Substitution mit He6
7 7 7 7
7 7
7 7 7
parin mit ihrem Kaliber entsprechenden Gefäßklemmen aus dem Kreislauf ausgeklemmt. Eröffnen des Hauptgefäßes (Querinzision mit Stichskalpell und Potts-Schere der A. fem. comm. bzw. der A. brachialis). Thromben aus dem ausgeklemmten Bereich entfernen, Einstrom-Rückstrom-Kontrolle. Die French-Größe des Embolektomiekatheters erfragen, Ballon mit Ringer-Lösung auf Dichtigkeit prüfen und entlüften. Anschließend werden nacheinander alle Gefäße in beide Richtungen (zentral und peripher) mit einem ihrem Kaliber entsprechenden Katheter embolektomiert: Entfernen der Gefäßklemme, Vorschieben des Katheters in die Peripherie bzw. ins Zentrum Aufblasen des Ballons und vorsichtiges Zurückziehen des Katheters Cave: Wenn Richtung Zentrum embolektomiert wird, tritt nach vollzogener Embolektomie das Blut mit Druck aus der Arterie (der Operateur sollte das Gefäß sofort mit dem Finger abdrücken). Augen und Umgebung schützen! Lokale Heparingabe. Sind alle Gefäße embolektomiert und der Blutfluss wieder hergestellt, Kontrollangiographie. Ausspülen der Arterie mit Heparin-Kochsalz-Lösung, ggf. nochmals »Flushen« (kurzzeitiges Lösen der Gefäßklemme, um Restthromben und/oder Luft aus den Gefäßen zu entfernen). Naht der Arteriotomie mit einer direkten Gefäßnaht. War zuvor z. B. eine TEA oder Desobliteration nötig, ggf. Anlage eines Patches oder eines Interponats. Entfernen aller Instrumente und Textilien, Zählkontrolle, Dokumentation. Einlage einer Redon-Drainage. Schichtweiser Wundverschluss, Verband.
! Ist die Embolektomie/Thrombektomie nicht erfolgreich, kann eine lokale Lysetherapie und/ oder die Anlage eines Bypasses erforderlich sein.
4.6.2
Thrombendarteriektomie der Karotisgabel
kPrinzip
Offene Desobliteration der Aa. carotis communis, carotis interna et carotis externa (Carotisgabel) mit (Wieder-) herstellung optimaler Flussbedingungen.
293 4.6 · Weitere Operationsbeispiele
kIndikation
Hochgradige, symptomatische oder asymptomatische Stenose der Carotisgabel, besonders im Abgangsbereich der A. carotis interna. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4
Grundinstrumente, kurze und feine Gefäßinstrumente, Mikroinstrumente, Javidklemme in Bereitschaft, Haltebänder, Loops, Clips, Carotisshunts in verschiedenen Kalibern (10–16 F) in Bereitschaft, 4 Carotispatch in Bereitschaft, 4 PTFE-Prothese in Bereitschaft, 4 Bildwandler und Strahlenschutz. kMedikamente
4 Heparin, 4 Kontrastmittel zur Kontrollangiographie. kLagerung/Abdeckung
4 Rückenlage (7 Abschn. 4.3.1) Oberkörper erhöht, Kopf rekliniert und fixiert, 4 4-Tuch- oder U-Tuch-Abdeckung. Es stehen unterschiedliche operative Verfahren zur Behandlung einer Stenose der A. carotis interna zur Verfügung. Eine davon ist die TEA mit Patchplastik und Shunteinlage.
Thrombendarteriektomie mit Patchplastik und Shunteinlage 7 Hautschnitt entlang der Vorderkante des M. sternocleidomastoideus. 7 Mittels HF-Strom wird bis auf die Faszie präpariert. 7 Darstellen der V. jugularis. 7 Aufsuchen der A. carotis comm. (ACC), Anschlingen mit einem Halteband, Anlegen eines Tourniquets, Klemme an das Halteband. 7 Heparingabe systemisch vom Anästhesisten. Aufsuchen der A. carotis ext. (ACE) und A. carotis int. (ACI), mit je einem Halteband anschlingen und das Halteband anklemmen. 7 Freilegen der Carotisgabel nach distal, ohne sie zu sehr zu berühren (Gefahr der Ablösung von Kalkstückchen). 7 Gedoppeltes Anschlingen der A. thyreoidea sup. mit feinem Loop. 6
7 Anschlingen evtl. kreuzender Nerven (N. vagus, N. hypoglossus) mit kräftigeren Loops, die angeklemmt werden. 7 Abklemmen der ACE mit einer 120° Klemme, klein. 7 Abklemmen der ACI mit einem gebogenem Mikrobulldog: Beginn der zu dokumentierenden Abklemmzeit. 7 Abklemmen der ACC mit einer 120° Klemme, groß. 7 Endgültiges Freilegen der Carotisgabel. 7 Inzision mit dem Stichskalpell, Erweiterung der Arteriotomie mit der Potts-Schere, Größe des Shunts erfragen. 7 Mikrobulldogklemme entfernen. 7 Dilatieren der ACI mit Gefäßoliven (je nach Größe des Shunts 3–4,5 mm in halben Schritten). 7 Einbringen des Shunts in das Gefäß wie folgt (. Abb. 4.64): – Shunt zuerst in die ACC vorschieben. – Anziehen und Fixieren des Tourniquets. – Entlüften des Shunts, Entfernen der Olive. – Einbringen des Shunts in die ACI (. Abb. 4.65): Ende der zu dokumentierenden Abklemmzeit. 7 Herausschälen des Plaques aus dem Gefäß mit Dissektor und Overholt, das distale Ende wird mit der Intimaschere durchtrennt (. Abb. 4.66). 7 Spülen mit Heparinlösung, Lösen von Plaqueresten mit der Mikropinzette, evtl. Stufennähte. 7 Befeuchten des Patches in seiner Verpackung mit Heparin-Lösung. 7 Mit der Potts-Schere die Ecken des Patches abrunden. 7 Einnähen des Patches (. Abb. 4.67): – Vorlegen der ersten Naht in der proximalen Patchmitte. – Fixieren der Naht im proximalen Arteriotomiewinkel, Knoten, je eine armierte Klemme an die Fäden klemmen. – Kürzen des Patches auf die richtige Länge, Ecken abrunden und Vorlegen der zweiten Naht am distalen Arteriotomiewinkel. – Nähen der medialen Seiten jeweils vom Ende zur Mitte hin. – Anheben des Patches, Prüfen, ob sich Plaquereste in der Naht befinden, bzw. die Naht gut verläuft (nicht zu locker, nicht zu fest). – Nähen der lateralen Seiten wie oben, bis zur Mitte nur noch 2–3 Stiche fehlen. – Anklemmen der Fäden mit armierten Klemmen. 7 Entfernen des Shunts wie folgt: – Shunt mit einer Peanklemme in die ACC schieben, auf die ACI eine gerade Mikrobulldog6
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Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
7 7 7
7
klemme setzen, Beginn der zu dokumentierenden Abklemmzeit. – Entfernen des Shunts, »Flushen«, die große 120°-Klemme verschließt die ACC, Spülen des Lumens mit Heparin-Lösung. – Verschließen der Naht, Entfernen der Gefäßklemmen, Ende der zu dokumentierenden Abklemmzeit. Zur Blutstillung wird ein Streifen auf die Anastomose gedrückt. Einlegen einer Redon-Drainage. Einbringen der Angiographiekanüle (Abocath) in die ACC, Anschließen einer Heidelberger Verlängerung gefüllt mit Kontrastmittel, Kontrollangiographie, anschließend Übernähen der Einstichstelle mit einer Gefäßnaht. Ist alles bluttrocken, Instrumente und Textilien entfernen, Zählkontrolle, schichtweiser Wundverschluss, Dokumentation.
Besonderheiten 4 Carotisshunts gibt es als einfache PVC-Röhrchen oder aber mit endständigen Ballons, die der Fixierung im Gefäß dienen. 4 Ist die ACI zu groß für den Shunt oder der Blutdruck so hoch, dass Blut nebenher läuft, kommt die Javid-Klemme zum Einsatz. Sie fixiert den Shunt in der ACI. Alternativ kann ein weiterer Tourniquet am Halteband der ACI angebracht werden. 4 Ist die ACI elongiert (zu lang und verschlungen), sollte sie vor der Patchplastik begradigt werden. Das erleichtert die Anastomose und beschleunigt den Blutfluss. 4 In vielen Kliniken wird erst ein Shunt eingelegt, wenn die SEP (elektrisch abgeleitete Hirnströme) beim Abklemmen abflachen. Das bedeutet, dass der Hirnkreislauf (Circulus Willisi; 7 Kap. 10) unter6
. Abb. 4.64 Carotisshunt
. Abb. 4.65 Carotisshunt in situ
. Abb. 4.66 A. carotis interna nach TEA
. Abb. 4.67 Anlage des Carotis-Patches
295 4.6 · Weitere Operationsbeispiele
kMedikamente brochen ist. Das Gehirn wäre dann in der Abklemmphase auf der ipsilateralen Seite nicht durchblutet. 4 Weitere Möglichkeiten der Wiederherstellung sind die Anlage eines Venenpatches, eines Veneninterponats oder eines Protheseninterponats mit einer dünnwandigen PTFE-Prothese. 4 Eine weitere Operationstechnik ist die Eversionsplastik. Hier wird die ACI schräg an der Gabel abgeschnitten und die Gefäße von diesem Schnitt aus desobliteriert. Hierfür muss die ACI umgekrempelt und die ACC ggf. etwas eingeschnitten werden. Anschließend wird die ACI mit einer Endzu-End-Anastomose wieder an die Gabel angenäht. Bei dieser Technik ist die Platzierung eines Shunts schwierig.
4.6.3
Profunda(erweiterungs)plastik
kPrinzip
TEA der Femoralisgabel mit evtl. retrograder Desobliteration (7 Abschn. 4.4.1) und anschließender Wiederherstellung optimaler Flussbedingungen mit einer Patchplastik von der A. profunda femoris bis zur A. femoris communis. kIndikation
4 Stenosen und/oder Verschlüsse im Bereich der Femoralisgabel, der A. profunda femoris und der A. femoralis superficialis, bzw. der distalen A. iliaca externa. 4 Die Desobliteration langstreckiger Stenosen der A. fem. sup. zeigt keine guten Ergebnisse; daher wird sie eher endovaskulär interventionell behandelt. Um die Durchblutung im Bein wiederherzustellen, wird die A. profunda femoris desobliteriert. kInstrumentarium
4 4 4 4 4
Grundinstrumente, kurze Gefäßinstrumente, ggf. Mikroinstrumente, Haltebänder, Loops, Clips, in Bereitschaft: 5 Ringstripper, 5 Embolektomiekatheter in verschiedenen Größen, 5 hydrophiler Draht, 5 Schleuse, 5 Embolektomiekatheter mit Zentralkanal, 5 Gefäßprothese, 5 Polyesterpatch, 5 Bildwandler und Strahlenschutz.
4 Heparin, 4 ggf. Kontrastmittel zur Kontrollangiographie. kLagerung/Abdeckung
4 Rückenlage, 4 4-Tuch-Abdeckung mit freiem Zugang zu den Leisten, 4 evtl. ein Bein frei zugängig abdecken – falls ein Bypass wahrscheinlich ist oder Vene für den Patch entnommen werden soll: Ein Venenpatch ist sinnvoll, wenn ein Infekt vorliegt, häufig bei einer Re-Operation. (Bei bekannter AVK ist es wahrscheinlich, dass zukünftig Venenmaterial zur Anlage eines Bypasses benötigt wird). Profundaplastik mit Polyesterpatch und retrograder Desobliteration mit Ringstrippern 7 Lateraler Längsschnitt unterhalb des Leistenbandes, präparieren von lateral nach medial, um die Lymphbahnen zu schonen. 7 Aufsuchen der A. femoralis comm. (AFC), Anschlingen mit einem Halteband, Anlegen eines Tourniquets. 7 Aufsuchen der A. profunda femoris (APF) und A. femoralis superficialis (AFS) und mit je einem Halteband anschlingen. 7 Freipräparieren aller Gefäße von ihren Begleitvenen und -nerven. 7 Gedoppeltes Anschlingen aller Seitenäste mit feinen Loops. 7 Ausklemmen der Femoralisgabel aus dem Kreislauf. 7 Inzision mit dem Stichskalpell, Erweiterung der Arteriotomie mit der Potts-Schere. 7 Versuch, einen hydrophilen Draht in die Aorta zu schieben. 7 Herausschälen des Plaques aus dem Gefäß mit Dissektor und Overholt, das distale Ende wird mit der Schere durchschnitten. 7 Ausmessen der ungefähr benötigten Länge des Ringstrippers und Markieren mit der Position des Handgriffs. 7 Aufsetzen des Ringstrippers über den Draht auf den Verschlusszylinder, Hochziehen des Haltebandes, Entfernen der Femoralisklemme. 7 Ringstripper vorsichtig unter leichten Drehbewegungen nach proximal schieben, ggf. unter Bildwandlerkontrolle. 7 Hat sich der Verschlusszylinder gelöst, wird er vorsichtig nach vorn gezogen, der Draht muss im Gefäß bleiben! 6
4
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4
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
7 AFC mit dem Finger abdrücken, kurz »flushen«, Schleuse einbringen und mit dem Tourniquet fixieren. 7 Retrograde Angiographie der Beckenetage; falls eine Dissektion entstanden ist, Einlage eines Stents (7 Abschn. 4.5). 7 Bildwandler entfernen, Rückfluss aus der APF und der AFS prüfen, ggf. die AFS mit einer Umstechungsligatur verschließen. 7 Spülen des Lumens mit Heparinlösung, Lösen von Plaqueresten, evtl. Stufennaht. 7 Polyesterpatch an den Enden zurechtschneiden und einnähen. 7 Zur Blutstillung wird ein Streifen auf die Anastomose gedrückt. 7 Einlegen einer Redon-Drainage. 7 Instrumente und Textilien entfernen, Zählkontrolle, Dokumentation, schichtweiser Wundverschluss, Verband.
Umständen muss der Zufluss über das Spendergefäß verbessert werden (z. B. retrograde Desobliteration, Dilatation, Stent). Venen werden im »reversed« Umkehr- oder im In-situVerfahren transplantiert (7 Abschn. 4.4.1). An jeder Körperregion kann ein Venenbypass angelegt werden. Die Begleitvene kann verwendet werden. Bei einer Infektion ist das oft die letzte Möglichkeit, einen Therapieerfolg zu erzielen. kPrinzip
Transplantation der V. saphena magna von der A. femoralis auf eine distal gelegene Arterie, anatomisch (z. B. auf die A. poplitea oder A. tibialis posterior) oder extraanatomisch (z. B. auf die A. tibialis anterior). Die Entnahme der Vene für einen Reversed- oder orthograden Bypass erfolgt über mehrere Hautabschnitte in endoskopischer Technik. Wichtig ist die Markierung der entnommenen Vene (z. B. mit einer Bulldogklemme), um die Venenklappen für den Bypass auszuschalten. kIndikation
4.6.4
Venenbypass mit endoskopischer Venenentnahme
Mit »Venenbypass« ist i. d. R. ein Bypass an der unteren Extremität gemeint. Er verläuft hier von der Femoralisgabel, der A. profunda femoris oder auch weiter distal von der A. femoralis superficialis zum Pop.-I-Segment, zum Pop.-III-Segment, an den Truncus tibialis oder aber an eines der Unterschenkelgefäße (7 Abschn. 4.4.1). Unter
4 Verschluss eines längeren Abschnitts der arteriellen Blutversorgung im Bein durch stenosierende AVK, Aneurysma der A. poplitea. kInstrumentarium
4 4 4 4
Grundinstrumente, Kurze Gefäßinstrumente, Mikroinstrumente, ggf. Instrumente für die endoskopische Venenentnahme (. Abb. 4.68),
a
b
c
d
e
. Abb. 4.68 Instrumente für die endoskopische Venenentnahme. (Fa. Storz): a »Schlitten«, b Optik (0° oder 30°), c Overholt und Schere, d Ringsonden, e Clipapplikatorzange
297 4.6 · Weitere Operationsbeispiele
4 Haltebänder, Loops, Clips, 4 in Bereitschaft: 5 Ringstripper, 5 Embolektomiekatheter in verschiedenen Größen, 5 hydrophiler Draht, 5 Schleuse, 5 Embolektomiekatheter mit Zentralkanal (FogartyThru oder Over-the-wire), 5 Gefäßprothese (falls die Vene nicht als Transplantat geeignet ist), 5 Bildwandler und Strahlenschutz.
7
kMedikamente
4 4 4 4
Heparin, Kontrastmittel zur Kontrollangiographie, ggf. Actilyse, ggf. Prostavasin.
7
kLagerung/Abdeckung
7
4 Rückenlage, 4 Hüfttuch bei einseitigem Vorgehen, 4 4-Tuch-Abdeckung mit freiem Zugang zu beiden Beinen (falls die Vene vom kontralateralen Bein entnommen werden muss).
7
Femoropoplitealer Bypass auf das Segment III mit endoskopischer Venenentnahme 7 Hautschnitt medial am distalen Oberschenkel. 7 Aufsuchen der V. saphena magna, Clippen der Seitenäste. 7 Einbringen des Operationsschlittens (inkl. Optik) und vorsichtiges Vorschieben. 7 Aufladen der Vene auf die Ringsonde und vorsichtiges Präparieren. 7 Unter Monitorkontrolle die weiteren Seitenäste der Vene clippen und durchtrennen. 7 Weiteres Vorschieben des Schlittens und der Ringsonde bis zur Leiste. 7 Lateromedialer Längsschnitt unterhalb des Leistenbandes, Präparieren von lateral nach medial, um die Lymphbahnen zu schonen. 7 Aufsuchen der Einmündung der V. saphena magna in die V. femoralis, Absetzen mit einem Overholt, Durchstechungsligatur nach zentral (. Abb. 4.69). 7 Entfernen des Schlittens und der Ringsonde, Durchziehen des proximalen Anteils der Vene nach distal. 7 Weiterer Hautschnitt unterhalb des Knies, Aufsuchen der V. saphena magna und auch hier Präparieren nach proximal bis zum losen Ende. Hierfür 6
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wird der nicht eröffnete Anteil mit den Fingern unterminiert. Absetzen der V. saphena magna und Aufbereiten: – Die Vene wird mit Heparin-Ringer-Lösung aufgefüllt und begutachtet, ob sie sich genügend aufdehnt, somit Bypass-tauglich ist. – Ist sie sehr sklerotisch und unflexibel und hat zudem noch einen geringen Durchmesser, ist es besser, eine Prothese zu verwenden – Alle Seitenäste werden entweder mit dünnen, nicht resorbierbaren Ligaturen (4–0 geflochten) oder mit sehr feinen Gefäßnähten (7–0) verschlossen. Aufbewahren in Heparin-Ringer-Lösung. Aufsuchen der A. femoralis comm. (AFC), Anschlingen mit einem Halteband, ggf. Anlegen eines Tourniquet. Aufsuchen der A. profunda femoris (APF) und A. femoralis superficialis (AFS) und mit je einem Halteband anschlingen. Freipräparieren aller Gefäße von ihren Begleitvenen und -nerven. Gedoppeltes Anschlingen aller Seitenäste mit feinen Loops. Abklemmen der AFC mit einer Pilling-Klemme. Abklemmen der APF mit eine 120°-Klemme klein. Abklemmen der AFS mit einer 120°-Klemme groß. Inzision mit dem Stichskalpell, Erweiterung der Arteriotomie mit der Potts-Schere. Gibt es einen proximalen Verschluss, weiteres Vorgehen wie in »Profundaplastik« beschrieben, mit dem Versuch, einen hydrophilen Draht in die Aorta zu schieben. Ist das Gefäß bypasstauglich, die Vene in einen feuchten Streifen einlegen, das markierte Ende für die Anastomose vorbereiten und Nähen der oberen Anastomose End-zu-Seit oder End-zu-End (je nach Vorbehandlung des Spendergefäßes). Konnte die Vene nicht umgedreht werden, weil sie sich am distalen Ende zu sehr verjüngt, werden nach Anlage der Anastomose die Venenklappen mit einem Valvulotom zerstört. Prüfen des Blutflusses und temporärer Verschluss der Vene mit einer Mikrobulldogklemme. Temporäres Deponieren der Vene im proximalen Schnitt in einem feuchten Streifen. Erweiterung des distalen Schnitts in die Tiefe und Freipräparieren der A. poplitea, anschlingen. Vorsichtiger Durchzug der Vene unter den noch verschlossenen Hautarealen mit einem Tunnelator
4
298
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
4.6.5
7 7
4
7
7 7
7 7
7
oder einer langen Kornzange (Rotation vermeiden! . Abb. 4.70). Ausklemmen der A. pop. aus dem Kreislauf mit Femoralis- und 120°-Klemme. Arteriotomie in üblicher Weise, Inspektion des Empfängergefäßes, ggf. Anlage einer Haltenaht (sie hält das Gefäß offen und erleichtert somit die Anastomose). Zurechtschneiden der Vene und End-zu-SeitAnastomose mit zwei Gefäßnähten in der üblichen Vorgehensweise (siehe Einnähen eines Patches z. B. bei Carotis-OP). Zur Blutstillung wird ein Streifen auf die Anastomose gedrückt. Einbringen der Angiographiekanüle mit Heidelberger Verlängerung, Angiographie des kompletten Beins. Einlegen von Redon-Drainagen. Instrumente und Textilien entfernen, Zählkontrolle, Dokumentation, schichtweiser Wundverschluss, Verband. Bei einem In-situ-Bypass werden jeweils nur die beiden Enden der Vene präpariert und anastomosiert. Anschließend werden unter Angiographiekontrolle alle Seitenäste gesondert aufgesucht und geclipt.
Extraanatomischer Prothesenbypass
kPrinzip
Transplantation einer Polyesterprothese extraanatomisch (nichtanatomischer Verlauf). Mögliche Verläufe 4 Femorofemoraler Cross-over-Bypass 4 Axillofemoraler Bypass 4 Femorokruraler Bypass auf die A. tibialis anterior oder A. fibularis 4 Femorofemoraler Bypass (. Abb. 4.71) extraanatomisch von einer zur anderen Seite, Verlauf oberhalb der Symphyse im Subkutanbereich (wichtig: solche Patienten dürfen wegen der Keimverschleppung keinen suprapubischen Katheter bekommen!)
a
. Abb. 4.69 Femoropoplitealer Venenbypass: Venenentnahme
b
. Abb. 4.70 Femoropoplitealer Venenbypass: Tunnelierungsmanöver
. Abb. 4.71a, b Extraanatomische Bypassformen. (Nach LüdtkeHandjery 1981)
299 4.6 · Weitere Operationsbeispiele
kIndikation
4 Verschlüsse (meist längerstreckig), 4 Protheseninfekt (z. B. Aorta). kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4
Kurze und lange Grundinstrumente, kurze und lange Gefäßinstrumente, Bauchhaken, ggf. Balfour-Sperrer oder z. B. Bookwalter-Retraktor, Durchzuginstrument (Tunnelator, lange Kornzange), Haltebänder, Loops, Clips, Polyesterprothese.
kMedikamente
4 Heparin. kLagerung/Abdeckung
4 Rückenlage, OP-Tisch wie beschrieben aufgeklappt (7 Abschn. 4.3), 4 hohe 4-Tuch-Abdeckung mit freiem Zugang zu beiden Leisten. Extraperitonealer iliakofemoraler Bypass 7 Flankenschnitt von der Spitze der 12. Rippe schräg verlaufend bis zur lateralen Begrenzung der Rektusscheide. 7 Durchtrennen der Faszien des M. obliquus externus, internus et transversus abdominis. Präparieren bis auf das Peritoneum. 7 Vorsichtiges stumpfes Abschieben des Bindegewebes vom Peritoneum. Sollte es dennoch einreißen, den Riss sofort verschließen. 7 Aufsuchen der A. iliaca comm. bzw. ext. und Anschlingen, Cave: die Vena iliaca verläuft besonders dicht an der Arterie. 7 Eindeutiges Identifizieren des Ureters, ggf. Anschlingen. 7 Zurückdrängen des Peritonealsacks nach medial und Einbringen einer Selbsthaltevorrichtung (Rahmensystem). 7 Mobilisierung der anschlussfähigen A. iliaca. 7 Ausklemmen der A. iliaca aus dem Kreislauf mit langen Gefäßklemmen. 7 Arteriotomie in gewohnter Weise oder Durchtrennen des Gefäßes und Umstechungsligatur mit einer nicht resorbierbaren geflochtenen Naht. 7 Inspektion des Gefäßes, ggf. kleinere Kalkablagerungen entfernen. 7 End-zu-End- oder End-zu-Seit-Anastomose mit einer Dacronprothese. 6
7 Rahmen entfernen, feuchtes Bauchtuch einlegen. 7 Lateraler Längsschnitt unterhalb des Leistenbandes, Präparieren von lateral nach medial, um die Lymphbahnen zu schonen. 7 Freipräparieren der Femoralisgabel wie beschrieben. 7 Aufsuchen der A. femoralis comm., der A. profunda femoris (APF) und der A. femoralis superficialis (AFS) und mit je einem Halteband anschlingen. 7 Gedoppeltes Anschlingen aller Seitenäste mit feinen Loops. 7 Vorsichtiger Durchzug der Prothese unterhalb des Leistenbandes mit Kornzange oder Tunnelator. Rotation ist zu vermeiden!! 7 Ausklemmen und Eröffnen der Femoralisgabel. 7 Inspektion der Femoralisgabel, Überprüfen der Anschlussfähigkeit. 7 Ist das Gefäß bypasstauglich, wird die Prothese zurechtgeschnitten und anschließend eine Endzu-Seit-Anastomose durchgeführt. 7 Kurz vor Fertigstellung der Anastomose, »Flushen« von beiden Seiten und Ausspülen der Anastomose mit Heparin-Ringer-Lösung. 7 Zur Blutstillung wird ein Streifen auf die Anastomose gedrückt. 7 Einlegen einer Redon-Drainage in den Leistenschnitt. 7 Einlegen einer Kapillardrainage (z. B. Medidrain, Blake). 7 Instrumente und Textilien entfernen, Zählkontrolle, Dokumentation, schichtweiser Wundverschluss, Verband.
Axillofemoraler Bypass 7 Freilegen der Femoralisgabel in üblicher Weise. 7 Freilegen der A. axillaris durch einen Querschnitt 1 cm unterhalb der Klavikula nach lateral. 7 Darstellung, Anschlingen und Ausklemmen der A. axillaris, Längsinzision. 7 Inspektion des Gefäßlumens und Nähen einer End-zu-Seit-Anastomose mit einer beringten Dacronprothese. 7 Abklemmen der Prothese und Prüfen der Anastomose. 7 Einlage eines feuchten Streifens. 7 Vorbereiten des lateral verlaufenden Gewebetunnels. Da es oft nicht möglich ist, in einem Arbeitsschritt mit dem Tunnelator nach distal vor6
4
300
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
7 7 7
4
7
7 7 7 7
4.6.6
zudringen, werden quere Hilfsinzisionen der Haut benötigt. Längsinzision der vorbereiteten Femoralisgabel, Inspektion des Gefäßlumens. Kürzen der Prothese und Entfernen der Ringe aus dem Anastomosenbereich. Nähen einer End-zu-Seit-Anastomose auf die Femoralisgabel. Kurz vor Fertigstellung der Anastomose »Flushen« von beiden Seiten und Ausspülen der Anastomose mit Heparin-Ringer-Lösung. Zur Blutstillung wird ein Streifen auf die Anastomose gedrückt. Einlegen einer Redon-Drainage in den Leistenschnitt. Einlegen einer Redon-Drainage in den subklavikulären Schnitt. Instrumente und Textilien entfernen, Zählkontrolle, Dokumentation, schichtweiser Wundverschluss, Verband.
Lumbale Sympathektomie
kPrinzip
Durch die Entfernung des 2. und 3.–5. Lumbalganglions wird die sympathische Gefäßinnervation des Beines von der Oberschenkelmitte nach peripher unterbrochen. Die Engstellung der Gefäße (Vasokonstriktion) wird aufgehoben. Ein operatives Verfahren steht nicht mehr im Vordergrund, sondern CT-gestützte Lyseverfahren. Dabei werden die Ganglien kontrolliert punktiert und mit einer alkoholhaltigen Lösung gezielt zerstört. kIndikation
4 Arterielle Gefäßverschlüsse des Unterschenkels evtl. in Kombination mit Verschlüssen der Becken-Oberschenkel-Etage. Die lumbale Sympathektomie wird manchmal als zusätzliche Maßnahme bei einigen rekonstruktiven Gefäßeingriffen durchgeführt (Triadenoperation). 4 Bei AVK in der Beckenetage mit zusätzlichen Verschlüssen von Unterschenkelarterien. Die lumbale Sympathektomie wird in Kombination mit der retroperitonealen Rekonstruktion vorgenommen. 4 Mikroangiopathie.
4 langes Venen- oder Nervhäkchen, 4 Clipzange. kLagerung
4 Rückenlagerung, 4 Gelrolle unter die Flanke der zu operierenden Seite. 4 Der Tisch wird aufgeklappt, evtl. etwas seitlich gekippt, 4 Armauslagerung auf der OP-Seite, 4 Anlegen der neutralen Elektrode nach Vorschrift. kAbdeckung
Meist erfolgt die Sympathektomie in Kombination mit einem Gefäßeingriff, dann ist die Abdeckung entsprechend zu erweitern. kZugang
Retroperitoneal. Lumbale Sympathektomie 7 Flankenschnitt: von der Spitze der 12. Rippe schräg verlaufend bis zur lateralen Begrenzung der Rektusscheide. Durch Wechselschnitt (Aponeurose des M. obliquus externus abdominis o M. obliquus internus o M. transversus) gelangt man auf das Peritoneum. 7 Das Peritoneum wird nicht eröffnet, sondern mit tiefen Haken nach medial abgedrängt. 7 Nun ist die Wirbelsäule zu tasten. Der Grenzstrang verläuft retroperitoneal auf den vorderen seitlichen Anteilen der Wirbelsäule. 7 Eingehen auf die Wirbelsäule rechtsseitig zwischen V. cava und M. psoas, linksseitig zwischen Aorta und M. psoas. 7 Der Grenzstrang ist gut zu tasten, seine Struktur ist derb. Präparation und Anheben des Stranges mit dem Venenhäkchen. Absetzen und Clipmarkierung des lumbalen Sympathikusstranges in Höhe des Promontoriums (deutlicher Vorsprung der Wirbelsäule am Übergang von der LWS zum Kreuzbein, der ins Becken hineinreicht), dann weitere Präparation nach kranial auf einer Strecke von 8–10 cm. Es sollen mindestens 3 Ganglien entfernt werden. 7 Blutstillung, Instrumente und Textilien entfernen, Zählkontrolle, Dokumentation, evtl. Redon-Drainage, schichtweiser Wundverschluss, Verband.
kInstrumentarium
4 Kurzes und langes Grundinstrumentarium, 4 tiefe Haken (z. B. Leberhaken), Wundspreizer (z. B. nach Finocchietto, nach Balfour, s. . Abb. 4.26, . Abb. 4.27),
! Das Präparat muss histologisch untersucht werden. Bei männlichen Patienten kann die beidseitige Sympathektomie zu Potenzstörungen führen.
301 4.6 · Weitere Operationsbeispiele
4.6.7
Thorakale Sympathektomie
4.6.8
Transperitonealer Aortenersatz
kPrinzip
kPrinzip
Thorakoskopische Entfernung einiger Ganglien des N. sympathicus im thorakalen Abschnitt.
Ersatz der Aorta abdominalis mit einer Polyesterprothese. Für den Verlauf der Operation ist es erforderlich, zu wissen, in welcher Höhe das Aneurysma proximal beginnt: 4 Infrarenales Aneurysma: Das Aneurysma beginnt unterhalb der Nierenarterienabgänge, die Aortenklemme kann unterhalb platziert werden. 4 Juxta- oder pararenales Aneurysma: Das Aneurysma beginnt direkt an den Nierenarterienabgängen oder bezieht sie mit ein. Die Gefäßwand ist kurz unterhalb der Abgänge der Nierenarterien noch intakt, für die Aortenklemme jedoch zu kurz, sie muss oberhalb der Abgänge platziert werden, die Prothese kann aber unterhalb eingenäht werden. 4 Suprarenales Aneurysma: Das Aneurysma beginnt oberhalb der Abgänge der Nierenarterien, möglicherweise sind auch eine oder beide Nierenarterien aneurysmatisch verändert und müssen mit rekonstruiert werden.
kIndikation
4 Stenosierende AVK der oberen Extremität. 4 Hyperhidrosis (exzessive Schweißbildung an den Händen). kInstrumentarium
4 Thorakoskopische Instrumente (7 Kap. 6), 4 Optik und Lichtkabel, 4 Bereitstellung des Videoturms. ! Die Patienten bekommen einen Doppellumentubus, weil die Lunge einseitig entlüftet wird, um an der Thoraxhinterwand den N. sympathicus zu sehen. kLagerung/Abdeckung
4 Stabile Seitenlage auf einer Vakuummatte (. Abb. 4.45), 4 den ipsilateralen Arm in einer Göbel-Stütze so tief wie möglich lagern (damit die Optik kreisend bewegt werden kann). 4 4-Tuch-Abdeckung unter freiem Zugang zur Wirbelsäule, zur Axilla und den Mamillen.
! Müssen die Nieren für die Zeit der Anastomose aus dem Kreislauf ausgeklemmt werden, sollten sie durch die Instillation von heparinisierter gekühlter Ringer-Lösung (4°C) heruntergekühlt werden. Eine geringere Kerntemperatur verlangsamt den Stoffwechsel, die Nieren können eine längere Abklemmzeit tolerieren, ohne einen funktionellen Schaden zu nehmen.
Thorakale Sympathektomie 7 Hautschnitt im 3. oder 4. ICR. 7 Erweitern mit der Schere. 7 Die betroffene Lunge wird von der Beatmung genommen. 7 Einbringen von 2 Trokaren (ID: 10–12 mm). 7 Einbringen der Optik und eines Taststabes. 7 Inspektion der Thoraxhöhle. 7 Einbringen eines dritten Trokars. 7 Weghalten der Lunge (mit Taststab oder EndoRetract). 7 Aufsuchen der ersten Rippe als Orientierungshilfe. 7 Inzision des Rippenfells mit dem Elektrohaken. 7 Aufsuchen des N. sympathicus. 7 Freipräparieren des N. sympathicus nach kaudal über eine Strecke von ca. 5–8 cm (Orientierungspunkte sind 2 Ganglien). 7 Absetzen des freien Stücks Sympathikus (Histologie). 7 Ggf. Blutstillung. 7 Einbringen einer Thoraxdrainage. 7 Entfernen aller Trokare, Instrumente und Textilien, Zählkontrolle, Dokumentation, evtl. Redon-Drainage, schichtweiser Wundverschluss, Verband.
kIndikation
4 Aneurysma des Pars abdominalis der Aorta, mit oder ohne Beteiligung der Gefäße im weiteren Verlauf (Aa. renales, Aa. iliacae ext. et int.). Je nach Indikation ist die Rekonstruktion mit einer Rohrprothese oder einer Y-Prothese möglich. Für den Ersatz der Nierenarterien gibt es spezielle, sehr dünnwandige Prothesen, für eine evtl. nötige Rekonstruktion der Iliacagabel reicht i. d. R. die Länge der Prothesenschenkel an der Y-Prothese aus. kInstrumentarium
4 4 4 4
Kurze und lange Grundinstrumente, kurze und lange Gefäßinstrumente, Bauchhaken, Bauchdeckenrückhaltesystem z. B. Bookwalter-Retraktor, Rochard-Haken, 4 Haltebänder, Loops, Clips, 4 Polyesterprothese, 4 ggf. gekühlte Ringer-Lösung für die Nierenprotektion. kMedikamente
Heparin.
4
302
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
kLagerung/Abdeckung
4 Rückenlage, OP-Tisch aufgeklappt (7 Abschn. 4.3), 4 hohe 4-Tuch-Abdeckung mit freiem Zugang zu beiden Leisten. Rekonstruktion der infrarenalen Aorta abdominalis
4
7 Hautschnitt vom Sternum bis zur Symphyse, der Nabel wird links umschnitten, oder quere Oberbauchlaparotomie. 7 Präparieren bis auf die Faszie mit monopolarem Strom. 7 Zwischen zwei Pinzetten wird mit der Schere das Peritoneum eröffnet. 7 Vollständige Eröffnung des Bauchraumes. 7 Inspektion des Bauchraumes. 7 Umlegung der Schnittränder mit feuchten Bauchtüchern, Einsetzen des Rochardhakens und des Retraktors. 7 Verlagern des Dünndarmkonvoluts auf einem feuchten Bauchtuch über die rechte Bauchseite nach außen. 7 Einsetzen von selbsthaltenden oder fixierbaren Haken. 7 Eröffnen des Retroperitoneums. 7 Anschlingen der A. mesenterica inferior mit einem feinen Loop. 7 Bei einer Y-Prothese werden die Aa. iliacae comm. und/oder int. und ext. angeschlungen. 7 Abklemmen der Aorta mit einer Gefäßklemme. 7 Abklemmen der Iliacalgefäße. 7 Inzision der Aorta und weiteres Eröffnen. 7 Digitale Ausräumung und Entfernen der Thromben, weitere Kalkablagerung mit einer stumpfen Kürette entfernen. 7 Blutende Lumbalgefäße werden mit geflochtenen, nicht resorbierbaren Nähten umstochen. 7 Ggf. Anlegen von Haltefäden an beide Seiten der Aneurysmawand. 7 Einnähen der Prothese (End-zu-End) in die vorbereitete proximale Aorta. Nach Fertigstellung der oberen Anastomose wird die Prothese etwas unterhalb der Anastomose mit einer Gefäßklemme abgeklemmt und die Aortenklemme gelöst. Die Anastomose wird auf Dichtigkeit geprüft, ein Streifen wird eingelegt. 7 Vorbereiten des unteren Anteils der Aorta, bzw. der Iliacalgefäße für die Anastomose(n). 7 Nähen der unteren Anastomose bzw. der iliacalen Anschlüsse (. Abb. 4.72). 6
7 Die A. mesenterica inferior wird geprüft: wenn ein guter oder kein Blutrückfluss vorhanden ist, wird das Gefäß unterbunden. Gibt es nur einen schwachen Rückstrom, wird das Gefäß in die Prothese eingenäht. 7 Sind alle Anastomosen genäht, werden sie noch einmal auf Dichtigkeit kontrolliert. 7 Zählkontrolle aller Instrumente und Textilien, Dokumentation, schichtweiser Wundverschluss. Begonnen wird mit dem Aneurysmasack, der über der Prothese verschlossen wird, um den direkten Kontakt der Darmschlingen mit der Prothese zu vermeiden. Langfristig könnte es sonst zu einer aortoduodenalen Fistel kommen. 7 Ist die Indikation zur Y-Prothese nicht ein Aneurysma, sondern eine Stenose (z. B. in der Bifurkation), erfolgt der Anschluss an die Aa. femorales unterhalb des Leistenbandes. Die proximale Anastomose wird dann als End-zu-Seit-Anschluss genäht. Dadurch können die Lumbalgefäße und auch die A. mesenterica inf. offen bleiben. Das Blut wird über den Bypass zu den Beinen umgeleitet.
4.6.9
Thorakaler Aortenersatz
kPrinzip
Ersatz von Teilen der thorakalen Aorta mit einer Polyesterprothese. Für den Verlauf der Operation ist es erforderlich zu wissen, in welchem Abschnitt der thorakalen Aorta sich das Aneurysma befindet: 4 Aorta ascendens: Beginnt am linken Ventrikel und endet am Truncus brachiocephalicus 4 Aortenbogen: Beginnt hinter dem Truncus brachiocephalicus und endet am Abgang der A. subclavia sinistra 4 Aorta descendens: Beginnt hinter der A. subclavia sin. und endet am Zwerchfell ! Ein Ersatz am Aortenbogen kann nur unter Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine erfolgen (7 Kap. 7), während eine Transposition der abzweigenden Gefäße des Aortenbogens ohne HLM möglich ist (7 Abschn. 4.6.11). kIndikationen
4 Aneurysma und/oder Dissektion der thorakalen Aorta. Je nach Indikation ist die Rekonstruktion offen mit einer Rohrprothese oder interventionell mit einer Stentprothese (7 Abschn. 4.5) möglich. 4 Bei Implantation einer Stentprothese im Aortenbogen müssen die abzweigenden Gefäße transponiert wer-
303 4.6 · Weitere Operationsbeispiele
b a
c
d
. Abb. 4.72a–d Bauchaortenaneurysma. a Die Klemme ist bereits gesetzt, die gestrichelte Linie zeigt die Schnittführung zur Eröffnung des kranken Aortenbereichs. b Ersatz der Bauchaorta durch die Rohrprothese. c Die verbleibende kranke Aortenwand kann nun
über der Prothese wieder verschlossen werden (»Graft-inclusionTechnik«). d Ersatz der Bauchaorta und der Beckengefäße mit einer Y-Prothese. (Nach Bauer u. Ennker 2003)
den. Dafür steht das Hybridverfahren (7 Abschn. 4.6.11) zur Verfügung. 4 Es werden arteriosklerotisch bedingte von traumatisch bedingten Aneurysmen unterschieden. Die traumatisch bedingten Aneurysmen sind meist Folge eines Dezellerationstraumas (der Körper schlägt mit hoher Geschwindigkeit auf einen ruhenden Gegenstand auf). Durch das Trauma kommt es zu einem Einriss der Aortenwand, ein pulsierendes Hämatom kann die Folge sein.
4 4 4 4
kInstrumentarium
4 Kurze und lange Grundinstrumente, 4 lange Gefäßinstrumente, 4 Instrumente zur Thoraxeröffnung (Rippenschere, Raspatorium nach Doyen, Rippenretraktor; 7 Kap. 6), 4 lange Haken,
Rippenspreizer (Finochietto, Balfour), ggf. Sternumsäge (Aorta ascendens), Haltebänder, Loops, Clips, primär dichte Polyesterprothesen in großen Kalibern (20–30 mm), 4 großkalibrige Thoraxdrainagen, 4 ggf. auf 4°C gekühlte Ringer-Lösung. kMedikamente
4 Heparin, 4 Prostavasin (für die Nierenprotektion). kLagerung/Abdeckung
4 Rückenlage bei Eingriffen an der Aorta ascendens: 4Tuch-Abdeckung oder U-Tuch-Abdeckung, proximal muss das Jugulum frei sein, 4 Rückenlage bei Stentimplantation, 4-Tuch-Abdeckung, beide Leisten frei,
4
304
4
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
4 stabile Seitenlage rechts bei Eingriffen an der thorakalen Aorta: 4-Tuch-Abdeckung, 4 die Patienten werden für offene thorakale Eingriffe in Seitenlage immer mit einen Doppel-Lumen-Tubus intubiert, mit dem beide Lungenflügel getrennt voneinander beatmet werden können. Ist der Thorax eröffnet, wird der linke Lungenflügel aus der Beatmung genommen. Dies ist erforderlich, um an der kollabierten Lunge vorbei präparieren zu können.
4.6.10
Thorakoabdominaler Aortenersatz
a b c d
. Abb. 4.73 Perfusionssystem: a flexible Aortenkanüle 24 F, b Adapter, c Verbindungssystem, d Perfusionskatheter. (a+c Beispiele: Fa. Edwards Lifesciences, d Beispiel: Fa. LeMaitre, b Beispiel: Fa. CallMed)
kPrinzip
Ersatz des thorakoabdominalen Aortenabschnitts, der sich von der zwerchfellnahen thorakalen Aorta bis zu den Nierenarterien oder weiter nach distal erstreckt, mit einer Polyesterprothese. Alle Veränderungen der Aorta in diesem Bereich werden über einen Zweihöhleneingriff mit Durchtrennung des Zwerchfells versorgt. Um die Ischämiezeit (Zeit der »Nichtdurchblutung«) so kurz wie möglich zu halten, gibt es mehrere Möglichkeiten: 4 Anschluss an eine Herz-Lungen-Maschine oder eine Bio-Pumpe (aktives Bypassverfahren), 4 vorherige Anlage eines großkalibrigen axillofemoralen Bypasses auf der rechten Körperseite (passives Bypassverfahren). Der Abfluss in die Kollateralen während der Abklemmzeit ist nicht behindert, der lokale Druck in der Aorta sinkt, retrograd bekommen alle Organe mehr Blut, 4 Punktieren des axillofemoralen Bypasses mit einer Aortenkanüle und Anlage eines Schlauch- und Kathetersystems zur intraoperativen Perfusion der Nieren und der A. mesenterica superior. Alle betroffenen Abgänge (Truncus coeliacus, A. mesenterica superior, Aa. renalis sinistra et dextra) müssen anschließend wieder in die Prothese eingenäht (reinseriert) werden. Diese Operation eines TAAA (thorakoabdominales Aortenaneurysma) ist durch die Hybridoperation weitestgehend verdrängt worden, wenn die Ausschaltung des Aneurysmas mit einer Stentprothese vorher nicht möglich war. kIndikation
4 Aneurysma und/oder Dissektion der thorakoabdominalen Aorta. kInstrumentarium
4 Kurze und lange Grundinstrumente, 4 lange Gefäßinstrumente, 4 Instrumente zur Thoraxeröffnung (Rippenschere, Raspatorium nach Doyen, Rippenretraktor),
4 lange Haken, 4 ggf. Laparotomieinstrumente, 4 ggf. Bauchdeckenrückhaltesystem z. B. BookwalterRetraktor, Rochard-Haken, 4 Haltebänder, Loops, Clips, 4 primär dichte Polyesterprothesen in großen Kalibern (20–30 mm), 4 großkalibrige Thoraxdrainagen, 4 ggf. Aortenkanüle, Verbindungssystem und Katheter für die intraoperative Perfusion (. Abb. 4.73), 4 Linearcutter für die Zwerchfelldurchtrennung, 4 ggf. auf 4°C gekühlte Ringer-Lösung. kMedikamente
4 Heparin, 4 Prostavasin (für die Nierenprotektion). kLagerung/Abdeckung
4 Kombinierte Rücken-Seiten-Lage bei Eingriffen an der thorakoabdominalen Aorta (7 Abschn. 4.3.2), 4 Hohe 4-Tuch-Abdeckung mit freiem Zugang zu beiden Leisten und der rechtsseitigen Axilla (um den temporären axillofemoralen Bypass am Ende der OP entfernen zu können, 4 Doppellumentubus (7 Abschn. 4.6.7).
4.6.11
Hybridoperationen
Die Weiterentwicklung der interventionellen Techniken hat in den vergangenen Jahren die Gefäßchirurgie revolutioniert. Insbesondere die Aortenrekonstruktion hat sich durch die Hybridoperation entscheidend verändert. Konventionelle Operation und endovaskuläre Techniken ergänzen sich, sodass die traumatischen und die kardiopulmonalen Belastungen reduziert werden. Diese Kombinationseingriffe können ein- oder zweizeitig durchgeführt werden. Ein einzeitiges Vorgehen ist bei der Versorgung einer peripheren AVK obligat.
305 4.6 · Weitere Operationsbeispiele
Ist der Zustrom aus dem Beckengefäß in die Femoralarterie nicht ausreichend, kann eine evtl. vorhandene Stenose der A. iliaca mit einem Dilatationskatheter beseitigt oder ein Stent appliziert werden. Dieses Verfahren hat auch in der Aortenrekonstruktion von thorakoabdominalen Aortenaneurysmen (TAAA) Einzug gehalten. Sog. Debranchingoperationen (»debranch« = engl. entasten) ermöglichen es, ohne den Einsatz einer HerzLungen-Maschine und mit vergleichsweise kurzen Abklemmzeiten ein TAAA zu versorgen.
Viszerales Debranching kPrinzip
Rekonstruktion der Durchblutungssituation mittels einer drei- oder vierschenkeligen Aortenprothese (Tripod/ Quadpod) über einen abdominalen Zugang. Die relevanten Viszeralarterien (A. hepatica, A. mesenterica superior) sowie beide Nierenarterien werden in einen Bypass eingenäht, der sie mit Blut aus der A. iliaca comm. dextra versorgt (. Abb. 4.74). In gleicher Sitzung kann auch – falls notwendig – der interventionelle Zugangsweg (A. iliaca) durch die vorgeschaltete Implantation einer konventionellen Y-Prothese verbessert werden, wenn die Aortenwand infrarenal anschlussfähig ist. Durch diese Transposition der viszeralen Durchblutung wird die Platzierung einer Stentprothese ermöglicht, die von der Aortenbifurkation bis zum Abgang der A. subclavia sinistra reicht.
Aortenbogendebranching kPrinzip
Transposition der supraaortalen Äste bei Aneurysmen des Aortenbogens bzw. zur Verlängerung der Landungszone für die Aortenstentprothese.
Subtotales Aortenbogendebranching Anlegen eines carotidosubclavialen Bypasses von rechts nach links mit Reinsertion der A. carotis communis (. Abb. 4.75). Diese Verlagerung ermöglicht eine Stentprothese, die vom Abgang des Tr. brachiocephalicus bis zum Tr. coeliacus reicht oder darüber hinaus, wenn ein viszerales Debranching vorgeschaltet war.
Totales Aortenbogendebranching Anlegen eines Bypasses von der Aorta ascendens zum Tr. brachiocephalicus und zur A. subclavia sinistra mit Reinsertion der A. carotis und subclavia (. Abb. 4.75b). Diese Operation erfolgt über eine Sternotomie. Der Pars ascendens wird tangential mit einer Satinsky-Klemme ausgeklemmt (. Abb. 4.76); so ist der Einsatz einer HerzLungen-Maschine auch hier nicht erforderlich.
. Abb. 4.74 Hybridoperation: Rekonstruktion der Durchblutungssituation mit vierschenkeliger Aortenprothese
4.6.12
Ablative Chirurgie
Im Endstadium der AVK imponiert die Ischämie als Nekrose (Gangrän). Ist diese infiziert, spricht man von einer feuchten Gangrän. Um eine Ausbreitung der Infektion zu verhindern, muss das abgestorbene Gewebe entfernt, amputiert werden. Das chirurgische Vorgehen bei Amputationen hängt vom Zustand der Extremität ab. Mögliche Amputationen, von distal beginnend, sind: 4 Minoramputationen: 5 Zehenstrahlresektion(en), 5 sog. Spaltfußresektion (Zehenstrahl II–IV), inkl. Fußwurzelknochen, 5 Vorfußamputation, 5 distale Unterschenkelamputation. 4 Majoramputationen: 5 Unterschenkelamputation mit Kniegelenkexartikulation, 5 Oberschenkelamputation, 5 Oberschenkelentfernung mit Hüftgelenkexartikulation (sehr selten). Amputationen der oberen Extremität aufgrund von AVK sind sehr selten. Wichtig bei Amputationen sind die richtige Schnittebene am Knochen (schräg nach proximal verlaufend), das sorgfältige Feilen der Knochenränder und eine gute Pols-
4
306
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
4
a
b
. Abb. 4.75a, b Partielles Bogenhybrid: a Extrathorakaler karotidosubklavialer 8-mm-Dacron-Cross-over-Bypass prätracheal mit Reinsertion der linken A. carotis communis in den Bypass mit Überstenten der linken Subclavia und Carotis. b Komplettes Debranching und totales Bogenhybrid: partielle Sternotomie, intraperikardiales
Anflanschen eines suprakoronaren aszendobrachiozephalen 10-mmDacronbypasses mit jeweiliger Transposition von Subclavia und Carotis und Überstenten aller 3 supraaortischen Abgänge. (Nach Schumacher 2009)
. Abb. 4.76 Tangentiale Wandausklemmung mit einer SatinskyKlemme. (Fa. Martin)
. Abb. 4.77 Amputationsinstrumente
terung mit Muskel- und Fettgewebe, um dem Patienten das spätere Tragen einer Prothese zu erleichtern.
kInstrumentarium
kPrinzip
Entfernung des nicht durchbluteten Areals, einschließlich des/der Knochen(s) und spezieller Wundverschluss. kIndikationen
4 Irreversibler Verschluss aller zuführenden Gefäße, die das Areal versorgen. 4 Nicht therapierbare aufsteigende Infektion.
4 4 4 4
Grundinstrumente, Knochensäge (oszillierend, Handsäge oder Gigli-Säge), Gewebeschutz, Amputationsmesser (besonders scharf für das Ausdünnen der Muskeln), 4 Knochenfeile (. Abb. 4.77), 4 elastische Binden, 4 steriler Stift. kLagerung/Abdeckung
4 Rückenlage (7 Abschn. 4.3), 4 Lochtuch und Stockinette.
307 4.7 · Erkrankungen des venösen Systems
Ursachen Beinamputation 7 Hautschnitt anzeichnen: – Am Oberschenkel fischmaulartig medial und lateral beginnend zur Mitte hin anlegen – Am Unterschenkel schaufelartig anlegen; den Strich über die vordere Tibiakante ziehen und medial wie lateral nach distal ca. 15 cm zur Wadenmuskulatur auslaufen lassen. 7 Hautschnitt entsprechend der angezeichneten Linien. 7 Mit dem Skalpell weiter in die Tiefe präparieren. 7 Im Schnitt verlaufende Gefäße temporär abklemmen und durchtrennen. 7 Gewebeschutz anlegen. 7 Tibia und Fibula bzw. Femur durchsägen. 7 Amputat abgeben, dies wird sorgfältig verpackt und in die Pathologie zur histologischen Untersuchung gegeben. 7 Abgeklemmte Gefäße ligieren (Arterien werden umstochen). 7 Nerven evtl. mit Lokalanästhetikum umspritzen, um postoperative Schmerzen zu minimieren. 7 Sehnen weit kürzen. 7 Muskulatur etwas ausdünnen (besonders die Wadenmuskulatur, die sonst für den Schwenklappen zu dick ist). 7 Knochenkanten sorgfältig abfeilen. 7 Einlage zweier großkalibriger Redon-Drainagen. 7 Nochmals Inspektion und Blutstillung. 7 Nähen der Hautlappen mit kräftigen resorbierbaren Nähten, Modellieren der Hautplastik, ggf. Nachresezieren von Haut. 7 Entfernen aller Instrumente und Textilien, Zählkontrolle, Dokumentation, Einlage einer RedonDrainage, schichtweiser Wundverschluss, Verband.
4.7
Erkrankungen des venösen Systems
4.7.1
Erkrankungen der Hautvenen
7 Abschn. 4.1.2.
Risikofaktoren 4 4 4 4 4
Erbliche Vorbelastung, Schwangerschaft, häufiges und langes Stehen, Bewegungsmangel, Übergewicht.
Komplikationen 4 4 4 4 4
Blutung, Ödembildung, Entzündungen (Thrombophlebitis), Ekzeme, Ulcus cruris.
Therapie 4 Vorbeugend und lindernd Kompressions- oder Stützstrümpfe (konservative Behandlung), 4 Blutegelbehandlung, 4 Sklerosierung (Varizenverödung), 4 Laserbehandlung, 4 chirurgisch-operativ (»Stripping« nach Babcock = Stammvenenresektion inkl. Krossektomie [Venen nach Krosse sind Einmündungsvenen aus dem Bereich der Leiste] und/oder Exhairese, das Herausziehen von Seitenästen), 4 induzierte Thermotherapie, 4 bipolare Radiofrequenztherapie, 4 endoskopische Entfernung.
Sekundäre Varikosis Sie entsteht meist als Folge einer Phlebothrombose (Verschluss der tiefen Beinvene). Durch den gestörten Abfluss erhöht sich der Druck im oberflächlichen System und die Hautvenen übernehmen als Kollateralgefäße die Funktion der tiefen Venen. In diesem Fall dürfen die Venen nicht entfernt werden, da sonst der venöse Rückfluss gänzlich zum Erliegen kommt.
Therapiemöglichkeiten bei Varikosis Varizenstripping kPrinzip
Krampfadern (Varizen) sind knotig-erweiterte (oberflächliche) Venen. Varikosis bedeutet eine ausgedehnte Krampfaderbildung. Betroffen sind vorwiegend die oberflächlichen Venen der Beine (V. saphena magna et parva sowie deren Seitenäste). Die primäre wird von der sekundären Varikosis unterschieden. Die Stadieneinteilung erfolgt nach Hach (. Abb. 4.78).
Primäre Varikosis . Abb. 4.4.
Entfernung der V. saphena magna und/oder V. saphena parva, inklusive ihrer Seitenäste mittels einer speziellen Sonde, die vom Knöchel aus nach proximal im Gefäß vorgeschoben wird. Diese Sonde wird in die Vene eingeknotet, mittels eines aufgesetzten Sondenkopfes nach distal herausgezogen, um den N. saphenus zu schützen (OP nach Babcock; . Abb. 4.79). Zuvor werden die varikösen Seitenäste gesondert entfernt. Über Zusatzinzisionen werden die insuffizienten Äste mittels Haken oder Klemmen vor das Hautniveau gezogen und unterbunden bzw. geclippt.
4
308
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
a
b
c
d
4
. Abb. 4.78 Schematische Darstellung der 4 Stadien einer Stammvarikose der V. saphena magna nach der topographischen Lokalisation des distalen Insuffizienzpunkts. a Distaler Insuffizienzpunkt an der Basis des anormal großen Mündungstrichters in der Leiste; das
Krankheitsbild entspricht der Seitenastvarikose der V. saphena accessoria lateralis (Hach I). b Distaler Insuffizienzpunkt im Bereich des Oberschenkels (Hach II), c am Unterschenkel (Hach III), d am Fuß (Hach IV). (Aus Hach et al. 2007, mit frdl. Genehmigung)
. Abb. 4.79 Varizenoperation nach Babcock. Nach Aufsetzen des entsprechenden Extraktionssondenkopfes wird die Vene von der proximalen Inzision aus nach distal gezogen. (Nach Heberer et al. 1993)
Heute ist es üblich, eine stadiengerechte Therapie der CVI (chronisch venöse Insuffizienz) vorzunehmen, bei der ausschließlich die erkrankten Venenanteile entfernt werden, inkl. der varikösen Seitenäste. Eine sterile Blutsperre schützt das umliegende Gewebe vor Einblutungen (Krossketomie).
kVorbereitung der Patienten
Die Varizen werden beim stehenden Patienten mit einem wasserfesten Stift angezeichnet. Perforansvenen werden gesondert gekennzeichnet (z. B. mit einem Kreis). kInstrumentarium
kIndikationen
4 Symptomatische Varikosis mit Insuffizienz der Mündungsklappe (letzte Venenklappe der V. saphena magna vor ihrer Einmündung in die V. femoralis) und/ oder insuffizienten Vv. perforantes, 4 kosmetische Gründe.
4 Feine Grundinstrumente, 4 Hautspreizer, 4 Extraktionssonde (. Abb. 4.80) oder als Einmalmaterial, 4 elastische und Babcockbinden.
309 4.7 · Erkrankungen des venösen Systems
Venenthrombosen betreffen zum überwiegenden Teil die Beine und das Becken; die Arme und der Schultergürtel sind seltener betroffen.
Ursachen Siehe Pathophysiologie. Außerdem kommt eine Phlegmasia coerulea dolens in Betracht, eine Sonderform der Phlebothrombose, die sehr plötzlich auftritt und alle Venen des Beines betrifft.
Komplikationen 4 Stauungen und subfasziale Ödeme (Kompartmentsyndrom), 4 postthrombotisches Syndrom, 4 reflektorische arterielle Minderdurchblutung (Gewebeschädigung), 4 Lungenembolie.
Therapie 4 4 4 4 4 4
Thrombektomie, Faszienspaltung, Antikoagulation, Lysetherapie, Kompressionsverband, ggf. Anlage einer arteriovenösen Fistel.
Thrombektomie einer tiefen Bein-Becken-Venenthrombose kPrinzip . Abb. 4.80 Nabatoff, Varizenbesteck. (Fa. Martin)
Entfernung von Thromben aus V. cava, V. iliaca, V. femoralis und den tiefen Beinvenen.
kLagerung
kIndikationen
4 Rückenlagerung (V. saphena magna) oder Bauchlagerung (V. saphena parva), 4 Neutralelektrode nach Vorschrift.
4 Thrombose der tiefen Venen (nicht älter als 14 Tage), 4 Phlegmasia coerulea dolens (eine plötzlich auftretende Sonderform der Phlebothrombose); 4 eine Lysetherapie ist kontraindiziert.
4.7.2
Erkrankungen der tiefen Venen
Phlebothrombose Je nach Lage, Art und Größe der Thrombose können die Symptome sehr unterschiedlich sein. Ist das tiefe Venensystem betroffen, lautet die Bezeichnung »Phlebothrombose«, im oberflächlichen System »Thrombophlebitis«. Beschwerden einer Thrombose: 4 Schwellung und Wärmegefühl im betroffenen Körperteil, 4 gerötete und gespannte Haut, eventuell Blaufärbung, 4 Spannungsgefühl und Schmerzen in Fuß, Wade und Kniekehle (Linderung bei Hochlagerung).
kKomplikationen
4 Intraoperative Lungenembolie. kVorbereitung
4 Extrem vorsichtiger Umgang mit dem Patienten beim Überlagern auf den OP-Tisch, 4 Anti-Trendelenburg-Lagerung, 4 hyperbare Beatmung (PEEP), 4 Durchleuchtungseinheit vorbereiten. kInstrumentarium
4 4 4 4
Grundinstrumente, Gefäßinstrumente, Esmarch-Binden, elastische Binden,
4
310
Kapitel 4 · Gefäßchirurgie
4 Fogarty- bzw. Okklusionskatheter, 4 in Bereitschaft: 5 Sternummeißel nach Lepp mit Hammer oder eine Sternumsäge, 5 Thoraxsieb, 5 Medikamente zur Thrombolyse (z. B. Urokinase).
4
kLagerung/Abdeckung
4 Anti-Trendelenburg-Lagerung mit angehobenem Oberkörper und leicht abgesenkten Beinen. 4 Beide Beine und der gesamte Oberkörper bis zum Jugulum dürfen nicht abgedeckt werden, um ggf. eine Sternotomie durchführen zu können. 4 Beachtung der Strahlenschutzrichtlinien. Thrombektomie einer tiefen Bein-Becken-Venenthrombose 7 Präoperative Antikoagulation. 7 Freilegen der V. femoralis, Anschlingen und Eröffnen. 7 Ein großer Okklusionskatheter (Fassungsvermögen 50 ml) wird als Thrombektomiekatheter in V. cava, V. iliaca und V. femoralis comm. verwendet. Das Vorschieben erfolgt unter maximalem PEEP (. Abb. 4.81a, b). 7 Heparingabe und Abklemmen der V. femoralis nach proximal. 7 Um die Thromben aus den Beinvenen entfernen zu können, muss das Bein mit Esmarch-Binden (Vollgummi) stramm ausgewickelt werden (. Abb. 4.81c). 7 Dann wird kräftig auf das Bein geschlagen, sodass die Thromben in Flussrichtung nach oben »rutschen«. 7 ggf. Phlebographie. 7 Naht der Venotomie. 7 Falls nötig kann eine arteriovenöse Fistel angelegt werden, um den Blutfluss der Venen zu beschleunigen. Diese AV-Fistel ist vorübergehend und kann nach etwa 3–6 Monaten geschlossen werden. 7 Blutstillung, Zählkontrolle der Instrumente und Textilien, Dokumentation. 7 Einlage einer Redon-Drainage, schichtweiser Wundverschluss, Verband.
. Abb. 4.81 Venöse Thrombektomie der Beckenetage (PEEP positiver endexspiratorischer Beatmungsdruck). (Nach Heberer et al. 1993)
5
Shunt- und Portsysteme A. Kormann, M. Liedke, L. Steinmüller
5.1
Katheter und Shunts für die Hämodialyse
5.2
Portsysteme
5.3
Peritoneovenöse Shunts
– 312
– 313 – 315
M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
5
312
Kapitel 5 · Shunt- und Portsysteme
5.1
Katheter und Shunts für die Hämodialyse
Bei akutem oder chronischem Nierenversagen muss die Nierenfunktion durch Dialyse ersetzt werden. Dazu muss ein Zugang zum Gefäßsystem geschaffen werden. Dies kann durch spezielle Katheter (Vorhofkatheter: z. B. Demers-Katheter), durch die Anlage eines arteriovenösen Shunts (nativ oder mittels Prothese) oder durch den Zugang zum Bauchfell (CAPD-Katheter) erfolgen: 4 perkutan oder offene Anlage eines Vorhofkatheters (Shaldon- oder Demers-Katheter), 4 Dialyse-/Medikamentenportsysteme, 4 AV-Shunt: Anlage einer arteriovenösen Fistel zwischen einer Arterie und einer oberflächlichen Vene (z. B. AV-Fistel nach Brescia-Cimino), 4 CAPD: kontinuierliche ambulante Peritonealdialyse.
5.1.1
Vorhofkatheter
Der zentralvenöse Demers-Katheter wird zu Dialysezwecken in Lokalanästhesie über die V. jugularis interna in den rechten Vorhof eingebracht. Bei der perkutanen Anlagetechnik im Seldinger-Verfahren wird die V. jugularis interna, alternativ auch die V. subclavia punktiert. jVorteile des Katheters
4 Häufiges Kanülieren wird vermieden. 4 Weniger infektionsgefährdet als z. B. der Zugang über die V. femoralis. 4 Kaum eingeschränkte Mobilität des Patienten. 4 Weiches Kathetermaterial schont die Intima. 4 Kann bis zu Monaten liegen.
Shaldon-Katheter Für die akute Dialyse wird für gewöhnlich der nach dem schottischen Nephrologen Stanley Shaldon benannte Shaldon-Katheter verwendet. Der Katheter wird meist über die rechte V. jugularis interna oder die V. subclavia in die obere Hohlvene vorgeführt. Er liegt wegen der geringen Länge jedoch nicht vor dem rechten Vorhof. Seltener wird auch die Leistenvene als Zugangsweg gewählt. Dies ist aus hygienischen Gesichtspunkten, aus Gründen der Mobilisation des Patienten und wegen erhöhter Thrombosegefahr problematischer und deshalb selten. Der Shaldon-Katheter wird üblicherweise von einem Anästhesisten gelegt. Die Liegedauer ist eingeschränkt, da der Katheter direkt über der Punktionsstelle aus der Haut austritt und Infektionen schon nach kurzer Zeit auftreten können. Für die längere akute Hämodialyse ist daher ein Demers-Katheter besser geeignet.
. Abb. 5.1 Demers-Katheter
Demers-Katheter Der Katheter besteht aus einem röntgenkontrastgebenden Silikonschlauch (. Abb. 5.1) und wird in verschiedenen Längen hergestellt. Silikon ist elastisch und unterliegt kaum chemischen und physikalischen Veränderungen. Der Katheter ist ein- oder doppellumig mit einem großen Durchstromkanal. Eine Dacronmuffe verhindert das Verrutschen des Katheters und verwächst mit dem umgebenden Gewebe und verhindert aufsteigende Infektionen. Bakterienfilter und Schlauchklemmen befinden sich direkt am Hautaustritt. Am Katheterende ist ein Luer-Lock-Ansatz. Die Implantation erfolgt in der Regel von rechts. kLagerung
4 Der Patient liegt in Rückenlage auf einem Durchleuchtungstisch. 4 Der Kopf ist leicht rekliniert und zur linken Seite gedreht. 4 Der Oberkörper ist etwas aufgerichtet. 4 Anbringen der neutralen Elektrode nach Vorschrift. 4 Patient und Personal tragen einen Röntgenschutz. Vorhofkatheter nach Demers und Siebold 7 Wenn möglich Zugang über die rechte V. jugularis. 7 Nach der Hautdesinfektion und Abdeckung erfolgt die örtliche Betäubung. 7 Punktion der V. jugularis interna mit der Nadel des Punktionssets. 7 Einführen des beigelegten Drahtes, Entfernen der Nadel. Einführen der Schleuse über den Draht, Dilatator entfernen. 7 Schnelles Einführen des Katheters (Gefahr der Luftembolie) über den Draht. Entfernen der Schleuse im Peel-off-Verfahren. 7 Lagekontrolle der Katheterspitze mit Bildwandler und Funktionskontrolle durch Aspiration mit einer Spritze. Bei korrektem Sitz wird die zentrale Ligatur vorsichtig geknotet. 7 Entfernen des Drahtes, Abklemmen des Katheters, Heparin-NaCl-Gabe durch den Katheter. 6
313 5.2 · Portsysteme
7 Aufstecken der Katheterenden auf den beigefügten Spieß, Ausleiten des Katheters subkutan durch die Haut unterhalb der Punktionsstelle. 7 Aufstecken der Klemmmuffen und der Luer-Lock Aufsätze mit Bakterienfilter. 7 Applikation von 5000 IE Heparin-Kochsalz-Lösung (ca. 2 ml) in den Katheter. 7 Verband.
werden kann. Ermöglicht wird dies durch die Verwendung spezieller Punktionsnadeln (z. B. Nadel nach Huber), die es in gerader und für kontinuierliche Infusionen in abgewinkelter Ausführung gibt. Die Nadel nach Huber hat einen Schliff, der das Silikonmaterial verdrängt, aber nicht ausstanzt. Die Katheter bestehen aus Silikon oder Polyurethan. Von den meisten Herstellern werden zur Implantation des Portsystems Punktionsbestecke mitgeliefert. ! Kein Latexmaterial wegen einer möglichen unbekannten Latexallergie verwenden.
5.2
Portsysteme jVorteile des Ports
Ein Portsystem ist ein Katheter in Kombination mit einer Infusionskammer, der vollständig unter der Haut implantiert wird. Spezielle Medikamente müssen zentralvenös appliziert werden, da sie die Venenwand reizen und zu schweren Entzündungen führen könnten. Ein Port bietet höchstmöglichen Infektionsschutz, und wiederholte schmerzhafte Punktionen können vermieden werden. Die Portkammer wird subkutan verlegt und der Katheter entweder offen über die V. cephalica eingeführt oder durch Punktion der V. subclavia in Seldinger-Technik unter Durchleuchtung platziert (. Abb. 5.2). jMaterialien
Die verschiedenen Systeme unterscheiden sich in den Materialien, nicht in der Implantationstechnik. Die Infusionskammern werden aus Titan oder Polysulfon und in unterschiedlichen Höhen hergestellt: Bei Kindern werden z. B. Flachports bevorzugt. Die Kammern werden durch eine Silikonmembran verschlossen, die je nach Modell bis zu 3.000-mal punktiert
4 Die Portsysteme werden operativ vollständig implantiert. Das Infektionsrisiko ist vermindert. 4 Für Langzeittherapien besteht ein sicherer Gefäßzugang, periphere Gefäße werden geschont. 4 Die Krankenhausverweildauer wird verkürzt, da eine ambulante Betreuung des Patienten möglich ist.
5.2.1
Systemarten
Zentralvenöse Systeme Sie bieten einen dauerhaften venösen Zugang für die Zytostatikabehandlung von bösartigen Tumorerkrankungen, für periodische und kontinuierliche Medikamentenverabreichungen und diagnostische Blutentnahmen, bei schwierigen Gefäßverhältnissen und hohem Insulinbedarf, bei Asthmapatienten und zur parenteralen Ernährung. Die üblichen Zugänge sind über die rechte V. cephalica und die rechte V. jugularis interna. Letztere wird häufig nach Seldinger-Technik punktiert, d. h. Punktion der Vene, Gefäßerweiterung mit dem Dilatator, Vorschieben des Katheters über einen Führungsdraht in die obere Hohlvene. Anschließend erfolgt die Implantation des Ports (. Abb. 5.2).
Intraarterielle Systeme
. Abb. 5.2 Venöses Portsystem. (Beispiel: nach Fa. Ohmeda)
Intravenöse und intraarterielle Systeme sind ähnlich aufgebaut. Letztere verfügen zur Fixierung im Gefäß über einen Sicherungsring. Sie dienen der regionalen Chemotherapie bei Primärtumoren und Metastasen, die nicht operiert oder bestrahlt werden können. Meist handelt es sich um Lebertumoren. Hierbei wird der Katheter über eine Laparotomie in die A. gastroduodenalis so weit vorgeschoben, dass die Katheterspitze etwa 2 mm in die A. hepatica propria hineinragt. Die Infusionskammer wird in einer vorbereiteten subkutanen Tasche fixiert. Außerdem wird die Gallenblase zur Vermeidung einer späteren medikamentenbedingten Cholezystitis entfernt und die A. gastrica dextra wegen der Gastritisgefahr ligiert.
5
314
Kapitel 5 · Shunt- und Portsysteme
Die organbezogene intraarterielle Infusion minimiert systemische Nebenwirkungen von Zytostatika.
Intraabdominelle Systeme Die intraabdominellen Systeme sind den intravenösen und intraarteriellen ähnlich. Sie werden bei mehrfacher Medikamentenverabreichung in eine Körperhöhle, wie Bauchund Pleurahöhle eingesetzt. kLagerung
5
4 Der Patient liegt in Rückenlage auf einem Durchleuchtungstisch. 4 Der Kopf ist leicht rekliniert und zur linken Seite gedreht. 4 Der Oberkörper ist etwas aufgerichtet. 4 Anbringen der neutralen Elektrode nach Vorschrift. 4 Patient und Personal tragen einen Röntgenschutz. Zentralvenöses System 7 Nach der Hautdesinfektion und dem Abdecken erfolgt die örtliche Betäubung. 7 Beim Zugang über die V. cephalica wird die Haut quer, etwa 3 cm unterhalb der rechten Klavikula und bei der V. jugularis interna ca. 2 cm oberhalb davon inzidiert. 7 Die V. cephalica wird aufgesucht, unterfahren, angeschlungen und nach distal ligiert. Mit dem Stilett wird das Gefäß inzidiert und der Venenkatheter vorgeschoben. Es folgt die Lagekontrolle der Katheterspitze mit dem Durchleuchtungsgerät, ggf. unter Kontrastmittelgabe, ggf. mit Portfinder, dann keine intraoperative Röntgenkontrolle. Nach OP erfolgt immer eine röntgenologische Lagekontrolle im Thorax. Nach dem Knoten des nicht resorbierbaren zentralen Fadens wird die Funktion des Systems überprüft, indem Heparin-Kochsalz-Lösung gespritzt und anschließend Blut aspiriert wird. 7 Viele Systeme bieten ein Punktionsset an. Nach perkutaner oder offener Punktion der V. subclavia wird unter Bildwandlerkontrolle ein Führungsdraht bis in die V. cava superior vorgeschoben. Anschließend wird über den Führungsdraht der Portkatheter implantiert und die Porttasche wie im Folgenden beschrieben angelegt. Das Freilegen der V. cephalica entfällt somit. 7 Vorbereiten der subkutanen Porttasche: Dafür wird weiter distal erneut Lokalanästhetikum injiziert und von der gleichen Hautinzision aus eine entsprechend große Tasche stumpf präpariert. 6
Der Katheter wird ausgemessen und mit dem Port verbunden. Prüfung der Kammerfunktion mit 0,9%-iger NaCl-Lösung. Das Durchspülen des Katheters mit Heparin/NaCl 0,9% ist Aufgabe der instrumentierenden Pflegekraft. Die Infusionskammer wird ohne Abknicken des Katheters in die Tasche eingelegt und mit etwa 4 Nähten an der Pektoralisfaszie fixiert. 7 Nach dem schichtweisen Wundverschluss der Hautinzision erfolgt eine Probepunktion des Systems mit der Spezialnadel (z. B. Huber-Nadel mit Extraschliff ).
Intraspinale Systeme Die spinalen oder periduralen Systeme unterscheiden sich von den bisher beschriebenen Systemen im Punktionssystem für den Katheter. Der Katheter wird durch einen subkutanen Tunnel geführt und am Port angeschlossen, der gewöhnlich auf den unteren Rippen fixiert wird. Dieses System wird zur Langzeitschmerztherapie, bei Tumorschmerzen und anderen Schmerzzuständen eingesetzt.
5.2.2
Arteriovenöse Fistel nach Brescia-Cimino
1960 entwickelte Belding H. Scribner in Seattle einen Shunt. Dabei wurde ein künstliches Blutgefäß aus Teflon in den Unterarm implantiert. Auf diese Weise wurde es möglich, Patienten mit Nierenversagen länger am Leben zu erhalten. Die Weiterentwicklung ist die arteriovenöse Fistel nach Brescia-Cimino: Eine arteriovenöse Fistel wird den Dialysepflichtigen, wenn möglich, am nichtdominanten Arm zwischen der A. radialis und der V. cephalica angelegt. Dadurch kommt es zur Erweiterung und Hypertrophie der Vene. Die AV-Fistel ermöglicht einen hohen Blutfluss in die Vene, der ca. 600 ml/min betragen soll. Die Shuntvene sollte möglichst oberflächlich liegen, um gut punktierbar zu sein. Die Art der Anastomosierung kann unterschiedlich sein, häufig wird eine End-zu-Seit-Anastomose der Vene in die Arterie vorgenommen. Die geeigneten Gefäße können präoperativ durch eine Duplexsonographie geortet und auf der Haut markiert werden. ! Blutabnahme durch Punktion einer Shuntverbindung ist ebenso obsolet wie die Anlage einer Manschette zur Dauerblutdruckmessung.
315 5.3 · Peritoneovenöse Shunts
kLagerung
4 Der Patient liegt auf dem Rücken. 4 Der zu operierende Arm wird auf einem seitlich am Tisch montierten Handtisch ausgelagert. 4 Anbringen der Neutralelektrode nach Vorschrift oder Vorbereiten der bipolaren Diathermie. Arteriovenöse Fistel nach Brescia-Cimino 7 Nach Hautdesinfektion, Abdeckung sowie örtlicher Betäubung [alternativ Plexusanästhesie; Intubationsnarkose (ITN)] wird die Haut bogenförmig inzidiert, sodass Vene und Arterie gut zu erreichen sind. 7 Ausreichende Präparation der Vene, um eine spannungsfreie Anastomose durchführen zu können. Die Vene wird angeschlungen und nach distal ligiert. Weitere Abgänge müssen unterbunden und durchtrennt werden. Die Dehnbarkeit der Vene wird getestet, indem die abgeklemmte Vene mit Heparin-NaCl-Lösung gefüllt wird. 7 Die Arterie wird freipräpariert, angeschlungen und mit feinen Gefäßklemmen (7 Abschn. 4.1.34, z. B. Mikrobulldogklemmen) abgeklemmt. Der Operateur entscheidet, ob vor dem Abklemmen eine systemische Heparinisierung in welcher Dosierung erfolgen soll. Mit dem Stichskalpell wird die Arterie längs eröffnet, die Vene mit der feinen Potts-Schere (. Abb. 4.8) zugeschnitten und Endzu-Seit mit einer 7–0 Gefäßnaht anastomosiert (. Abb. 5.3). 7 Typischerweise kann ein »Schwirren« getastet werden. Mit dem Stethoskop ist ein typisches Shuntgeräusch zu hören. 7 Blutstillung, schichtweiser Wundverschluss, Verband.
Ist die ursprüngliche AV-Fistel nicht mehr punktierbar, erfolgt eine Neuanlage an anderer Stelle. Weitere Fisteln sind in der Ellenbeuge und am Oberarm möglich. Ist kein geeignetes körpereigenes Gefäßmaterial vorhanden, ist die Gefäßverbindung auch mit Prothesenmaterial (PTFE, Teflon; 7 Abschn. 4.1.5) möglich. Spezielle Shuntprothesen, z. B. Heparin beschichte Gefäßprothesen, microporös aus biobeständigem (biokompatiblem) mit Heparin imprägniertem Polyurethan mit unterschiedlichen Durchmessern werden vom Hersteller angeboten. Vorteil ist die minimale Blutung aus den Stichkanälen bei den Anastomosen.
a
b . Abb. 5.3a, b Anlage einer Cimino-Fistel (a). Fertiggestellter Cimino-Shunt (b)
5.2.3
CAPD-Katheter
Die Behandlung der Niereninsuffienz ist ebenfalls mit einer kontinuierlichen ambulanten Peritonealdialyse möglich. Ein Katheter wird an das Peritoneum an den tiefsten Punkt ohne Verbindung zum Gefäßsystem eingelegt. Die Dialyse erfolgt über Diffusion, wobei das Bauchfell als semipermeable Membran dient. Das Dialysat wird mit einem Druckgefälle in das Peritoneum geleitet und durch Druckabfall (der Auffangbeutel hängt tiefer, als der Körper des Patienten liegt) wieder abgelassen (. Abb. 5.4).
5.3
Peritoneovenöse Shunts
Der peritoneovenöse Shunt dient der chirurgischen Aszitestherapie bei Leberzirrhose und in den Fällen, in denen eine portokavale Shuntanlage nicht möglich ist. Über einen Katheter wird die Aszitesflüssigkeit dem Blutkreislauf zugeführt. Alle Systeme bestehen aus 2 Schlauchanteilen, die mit einem Ventil verbunden sind. Der eine Katheter wird in den Peritonealraum, der andere in die obere Hohlvene eingebracht. Sie funktionieren durch das Druckgefälle zwischen Bauchraum und Vene.
5
316
Kapitel 5 · Shunt- und Portsysteme
5
. Abb. 5.4 Verschiedene Peritonealdialysekatheter. (Nach Nowack et al. 2009)
jDenver-Shunt
Der Denver-Shunt (. Abb. 5.5) besitzt eine Pumpkammer mit Einwegventil, mit dem der Patient das System selbst durchspülen kann. jLe-Veen-Shunt
Der Le-Veen-Shunt ist das ältere Kathetermodell. Er unterscheidet sich vom Denver-Shunt dadurch, dass er zwar ein Ventil, aber keinen Pumpmechanismus aufweist. Beide Systeme haben an Bedeutung verloren.
. Abb. 5.5 Denver-Shunt
6
Thoraxchirurgie M. Liehn, R. Böttger, M. Nakashima
6.1
Anatomische Grundlagen
– 318
6.2
Thoraxinstrumentarium
6.3
Typische Zugangswege und Lagerungstechniken in der Thoraxchirurgie – 320
6.4
Thoraxdrainagen
6.5
Präoperative Diagnostik
6.6
Eingriffe an der Lunge
6.7
Eingriffe an der Trachea
6.8
Eingriffe an der Pleura
6.9
Eingriffe am Mediastinum
– 318
– 322
6.10 Knöcherne Thoraxwand
– 323 – 324 – 329 – 329 – 332 – 334
M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
318
Kapitel 6 · Thoraxchirurgie
6.1
Anatomische Grundlagen
6.1.1
Thorax (Brustkorb)
Der Thorax teilt sich in die linke und die rechte Thoraxhälfte, in der Mitte wird er durch das Mediastinum begrenzt, zum Bauchraum bildet das Zwerchfell die Abgrenzung. Die knöcherne Thoraxwand besteht aus 12 Rippenpaaren, die von muskulärem Weichgewebe umgeben sind. Von innen unterscheidet man die Pleura,- die Perikard- und die Peritonealhöhle.
6
a
6.1.2
Pleura (Brustfell)
Die Pleura besteht aus zwei serösen Hautschichten: 4 die Pleura visceralis (Pleura pulmonalis), sie bekleidet die Lungenflügel und geht am Hilus über in 4 die Pleura parietalis (Pleura mediastinalis, P. diaphragma, P. costalis)‚ sie bildet das Rippenfell. Zwischen der Pleura visceralis und parietalis befindet sich der Pleuraspalt, in dem ein Flüssigkeitsaustausch stattfindet sowie Flüssigkeitsansammlungen resorbiert werden. Die Pleuraflüssigkeit verhindert eine starke Reibung der Pleurablätter, wenn sich durch die Atmung die Pleuraschichten gegeneinander verschieben. Der physiologische negative Druck im Pleuraspalt beträgt 3 cm H2O und während der Einatmung –10 cm H2O.
. Abb. 6.1 a Rechte Lunge in der Ansicht von lateral. b Linke Lunge in der Ansicht von lateral. (Nach Siewert 2001).
6.1.4
Lunge (Pulmones)
Die Lunge besteht aus zwei Lungenflügeln‚ die sich rechts und links vom Mediastinum in einer Pleurahöhle befinden. Jeder Lungenflügel wird von einem Hauptbronchus belüftet. Zusammen bilden die beiden Bronchien den Lungenhilus. Der Lungenhilus bildet zur Körpermitte eine feste Verbindung, aus der die Hauptbronchien und die Hauptäste der A. pulmonalis ein- sowie die V. pulmonalis austreten. Des Weiteren reihen sich hier wichtige Lymphknotenstationen auf, die die Lymphe aus der Lunge aufnehmen. Am Lungenhilus geht die Pleura parietalis in das Lungenfell über. Die Lungenflügel teilen sich rechts durch die Fissura horizontalis und die Fissura obliqua in drei Lappen, den Ober-, Mittel- und Unterlappen, den linken unterteilt die Fissura obliqua in den Ober- und den Unterlappen. Die Lungenlappen werden in Segmente unterteilt und von 1– 10 nummeriert (. Abb. 6.1). Diese Einteilung ist wichtig für Diagnostik und Therapie.
Mediastinum (Mittelfellraum, vorderer Brustraum)
Als Mediastinum wird der Bereich zwischen den Lungenflügeln bezeichnet. Vorn (ventral) wird das Mediastinum durch das Sternum und seitlich (lateral) von den Rippen begrenzt. Nach kranial gibt es keine besondere Begrenzung in die Halsregion. Die Pleura mediastinalis umkleidet den vorderen Mediastinalraum, und das Zwerchfell begrenzt den unteren Mediastinalraum.
6.2 6.1.3
b
Thoraxinstrumentarium
Zu dem in 7 Abschn. 1.6 vorgestellten Grundinstrumentarium und neben den zum Teil überlangen Klemmen [Satinsky (. Abb. 4.32), Organfasszangen (. Abb. 2.9)] sowie atraumatischen Pinzetten werden zur Thoraxeröffnung spezielle Instrumente benötigt, von denen hier einige beispielhaft vorgestellt werden sollen (. Abb. 6.2 bis . Abb. 6.4). 4 Rippenraspatorien (z. B. nach Doyen), rechts oder links gebogen, werden bei Bedarf eingesetzt, um die Rippen von dem muskulären Weichgewebe der Zwischenräume zu befreien (. Abb. 6.2). 4 Rippenschere nach Brunner, links oder rechts gebogen, dient der Rippendurchtrennung (. Abb. 6.3). 4 Rippensperrer, selbsthaltend, z. B. nach FinocchiettoBurford (. Abb. 4.27). Als Haut- oder Wundschutz werden unter die Valven feuchte Bauchtücher gelegt. 4 Lungen- bzw. Organfasszange nach Duval (. Abb. 6.4) zum atraumatischen Fassen und Halten der Lungenlappen. 4 Parenchymklemmen, z. B. nach Satinsky, dienen der Abklemmung einzelner Parenchymareale.
319 6.2 · Thoraxinstrumentarium
6.2 . Abb. 6.2 Raspatorium nach Doyen. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 6.3 Rippenschere nach Brunner. (Fa. Aesculap AG)
6.2.1
Klammernahtinstrumente
Klammernahtinstrumente (7 Abschn. 2.1.2), hauptsächlich Einwegstapler mit integrierter Schneidevorrichtung, ersetzen den klassischen Nahtverschluss immer öfter. In der Thoraxchirurgie kommen vorzugsweise lineare Stapler zum Einsatz, die in verschiedenen Nahtlängen und Klammergrößen angeboten werden. Sie werden zum Absetzen von Lungenparenchym und bei Keilresektionen (s. unten) angewendet. 90° abgewinkelte Stapler zum Verschluss des Bronchus bieten einen großen Vorteil gegenüber der herkömmlichen Methode. Sie ermöglichen auch unter schwierigen Bedingungen einen zügigen, sicheren und luftdichten Bronchusverschluss.
6.2.2
Laserchirurgie
In der Thoraxchirurgie kommen alternativ ND:Yag-Laser, Argonlaser oder Diodenlaser zum Einsatz, um Tumorgewebe im Lungenparenchym gezielt zu verkleinern oder zu entfernen. Tumoren der Trachea oder der Bronchien können bronchoskopisch mittels eines starren Bronchoskops entfernt oder verkleinert werden. Im Umgang mit Lasergeräten gelten die Herstellerhinweise und die Arbeitsschutzbestimmungen der TRBA 250.
6.3
6.4
. Abb. 6.4 Lungenfasszange nach Duval. (Fa. Aesculap AG)
6.2.3
Abdichtungsmaterial
Kleine Parenchymfisteln oder diffuse oberflächliche Blutungen können durch Anwendung verschiedener Abdichtungsmaterialien intraoperativ thorakoskopisch verschlossen werden. 4 Fibrinkleber wird über Sprühkatheter appliziert. 4 Tachosil, ein schwammähnliches Material, das mit Human-Fibrinogen und Human-Thrombin beschichtet ist, wird aufgelegt.
6.2.4
Gewebeersatzmaterial
Ersatzmaterialien werden nach der Entfernung von Rippen, Sternum, muskulären Brustwandteilen nach Perikard-/Zwerchfellresektionen eingebracht. Die Größe des Defektes bestimmt die Wahl des plastischen Ersatzes. Zur Rekonstuktion stehen wahlweise nicht resorbierbare Kunststoffnetze oder Gore-Tex-Membranen, die 1–2 mm dick sind, zur Verfügung. Als Perikardersatz eignen sich Gore-Tex oder resorbierbare Netze.
6
320
Kapitel 6 · Thoraxchirurgie
6.3
Typische Zugangswege und Lagerungstechniken in der Thoraxchirurgie
Um die korrekte Operationslagerung zu planen und umzusetzen, muss bekannt sein, wo und auf welcher Seite der zu operierende Befund ist. Die geplante Hautschnittführung sowie die körperliche Verfassung des Patienten sind für die Lagerung von Wichtigkeit. Es gelten alle bekannten Lagerungskriterien sowie die Kriterien der HF-Chirurgie (7 Kap. 1.2, 1.2.4).
6
6.3.1
Posterolaterale Thorakotomie
kLagerung
4 Der Patient liegt auf der nicht zu operierenden Körperhälfte, die zu operierende Körperhälfte ist frei zugänglich. 4 Der unten liegende Arm lagert nach ventral ausgestreckt fixiert auf einer gepolsterten Armschiene. 4 Der oben liegende Arm wird über den Kopf gestreckt und auf einer gepolsterten Armhalterung befestigt. 4 An den seitlichen Schienen des Operationstisches sichern befestigte, gepolsterte Halterungen die Lagerung des Patienten. Eine Vakuummatratze stabilisiert ab der Hüfte des Patienten die Seitenlagerung. 4 Der Kopf liegt ohne Abknickung der Halswirbelsäule gesichert auf einem Kissen. kIndikation
Die posterolaterale Thorakotomie ist geeignet für: 4 bronchoplastische und angioplastische Eingriffe, 4 Pancoasttumoren, Apical-chest-Tumoren, 4 Pleuropneumektomien, 4 Dekortikationen, 4 distale Tracheateilresektionen. Thoraxeröffnung 7 Der Hautschnitt verläuft bogenförmig nach dorsal zwischen dem 4. und 6. Interkostalraum (ICR; . Abb. 6.5b). 7 Das subkutane Gewebe, die Brustwandmuskulatur und der M. latissimus dorsi werden mittels eines monopolaren Messers oder einer bipolaren Schere durchtrennt. 7 Das Periost über der Rippe wird mit dem HF-Messer durchtrennt und der Rippenknochen bei Bedarf mit einem Raspatorium freigelegt. 7 Der freigelegte Interkostalraum wird durch Einsetzen eines Thoraxsperrers langsam erweitert. Zum Schutz der Wundränder und der Haut werden gefaltete Bauchtücher unter die Valven gelegt.
a
b
. Abb. 6.5a, b Schnittführung bei Thorakotomie. a Anterolaterale Thorakotomie: M. pectoralis und M. latissimus dorsi werden, wenn überhaupt, nur am Rande gekerbt, lediglich der M. serratus anterior wird an seiner Rippeninsertion abgetrennt (muskelschonende, funktionell günstige Inzision; für alle Eingriffe an der Lunge ausreichend). b Die posterolaterale Inzision durchtrennt neben dem M. serratus den gesamten M. latissimus dorsi und Teile des M. subscapularis (funktionell ungünstige Inzision, nur für Eingriffe an Ösophagus und thorakaler Aorta erforderlich. (Nach Heberer et al. 1991)
6.3.2
Anterolaterale Thorakotomie
Über diesen Zugang lassen sich fast alle Thoraxoperationen durchführen, zudem ist er kosmetisch wie auch funktionell günstig. Die anterolaterale Thorakotomie (. Abb. 6.5a) eignet sich für 4 Standardlobektomien, 4 Pneumektomien, 4 Lungensegment- und Keilresektionen. kLagerung
Die Lagerung entspricht der bei der posterolateralen Thorakotomie beschriebenen (. Abb. 6.6). Ausnahme: Der Arm der zu operierenden Seite wird etwa im 90°-Winkel über dem Kopf des Patienten ohne Spannung gelagert und fixiert. Der OP-Tisch wird unterhalb des Thorax leicht abgeknickt. Thoraxeröffnung 7 Der Hautschnitt erfolgt bogenförmig unterhalb des Brustansatzes von der Axilla bis in Sternumnähe. Die Brustdrüse bei Frauen ist zu schonen. 7 Nach der HF-chirurgischen Durchtrennung des Subkutangewebes sowie der Spaltung des M. ser6
321 6.3 · Typische Zugangswege und Lagerungstechniken in der Thoraxchirurgie
Lunge, z. B. bei Lungenmetastasen. Eine partielle obere Sternotomie ist für einige Eingriffe ausreichend wie z. B. für intrathorakale Strumektomien, Trachearekonstruktionen u. Ä. kLagerung
4 Der Patient liegt auf dem Rücken, die Arme werden seitlich am Körper geschützt angelagert (. Abb. 6.7). 4 Die Beine liegen parallel bequem mit Lagerungskissen unter den Kniegelenken und Fersen. 4 Der Kopf des Patienten liegt leicht überstreckt mittig auf einem Lagerungsring oder in einer gepolsterten Kopfschale. . Abb. 6.6 Seitenlage für laterale Thorakotomien. (Nach Krettek u. Aschemann 2005)
6.3.4
Mediastinumeröffnung
Mediastinumeröffnung
. Abb. 6.7 Rückenlage mit angehobener Rückenplatte und abgesenkter Kopfplatte. (Nach Krettek u. Aschemann 2005)
ratus anterior wird die Interkostalmuskulatur stumpf freipräpariert, der M. latissimus dorsi bleibt erhalten. 7 Unterhalb der 4. Rippe wird der ICR eröffnet und mit einem Thoraxsperrer langsam erweitert. Unter die Valven des Sperrers werden Bauchtücher gelegt, um den Haut- und Wundbereich zu schonen.
7 Der Hautschnitt verläuft in der Sternummitte unterhalb des Jugulum bis zum Xiphoid. 7 Das Subkutangewebe wie auch das Sternumperiost werden mittels HF-Chirurgiemesser durchtrennt. 7 Die Eingänge oben am Jugulum und unten am Xiphoid werden freigelegt, um mit einem langen stumpfen Instrument die Sternumrückwand freizupräparieren. 7 Durch eine elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge (. Abb. 6.8) wird das knöchernde Sternum eröffnet. 7 Entstehende Blutungen aus den Schnittflächen der Sternumspongiosa werden koaguliert oder mit Knochenwachs versorgt. 7 Ein Sternumspreizer wird eingesetzt, zwei Bauchtücher unter den Valven schützen die Haut- und Wundränder.
Mediastinumverschluss Thoraxverschluss 7 Dichtigkeitsprobe mit körperwarmer physiologischer Kochsalzlösung. 7 Einlegen einer Thoraxdrainage (7 Abschn. 6.4). 7 Schichtweiser Wundverschluss (7 Abschn. 6.4.3).
6.3.3
Mediane Sternotomie
Die mediane Sternotomie ist der Standardzugang bei Tumoren im vorderen Mediastinum oder zur thorakalen Trachea sowie gleichzeitige Keilresektionen aus rechter und linker
7 Das durchtrennte Sternum wird mit 5–6 stabilen Sternumdrähten mit kräftiger Nadel und Drahtnadelhalter verschlossen. 7 Die Drähte werden oberhalb des Sternums gekreuzt und mit einer Flachzange gedrillt, dann mit einem Seitenschneider oder einer Drahtschere gekürzt und die scharfen Enden zum Sternum hin umgebogen und versenkt. 7 Das Periost und das Subkutangewebe werden schichtweise mit resorbierbarem Nahtmaterial verschlossen. 7 Der Hautverschluss erfolgt durch ein Hautklammergerät oder einer Hautnaht.
6
322
Kapitel 6 · Thoraxchirurgie
6.4.1
Thoraxdrainagenanlage nach Pneumonektomie
Bei Entfernung der gesamten Lunge (Pneumonektomie) links oder rechts wird eine Thoraxdrainage (Ch 28) ohne Sog zur Blut- und Sekretentlastung in den Thorax gelegt. Verläuft die postoperative Zeit komplikationsfrei, so kann die Drainage nach wenigen Tagen gezogen werden.
6.4.2
6 . Abb. 6.8 Sternumsäge. Der vorstehende Teil der Säge schützt die Organe unterhalb des Sternums
6.4
Thoraxdrainagen
Durch die Einlage von 1–2 Thoraxdrainagen (Ch 28), die nach dem Thoraxverschluss an einen Unterdruck zwischen 15 und 20 mbar angeschlossen werden, kann sich die Lunge wieder passiv entfalten und durch kontinuierlichen Sog längerfristig mit der Brustinnenwand verbunden gehalten werden. Die Verklebung der Lungenoberfläche mit der Thoraxwand verhindert ein Kollabieren der Lunge. Thoraxdrainageneinlage 7 Die Drainagen werden über 2 separate kleine Hautschnitte durch den Rippenzwischenraum in die Thoraxhöhle gelegt. 7 Die Subkutanschicht wird mit einer Präparierschere gespreizt. Durch das Einführen einer stumpfen Klemme (z. B. Kornzange) in den Rippenzwischenraum lassen sich die Drainageenden greifen und durch die Hautinzisionen von innen nach außen ziehen. 7 Eine Drainage verläuft von ventral nach kranial, entlang der Interkostalinnenwand und sorgt für die Entlüftung. 7 Die zweite Drainage liegt dorsal am tiefsten Punkt in der Thoraxhöhle, um Blut und Sekret abzuleiten. 7 Zur Sicherung der Thoraxdrainagen an der Haut wird nicht resorbierbares, geflochtenes Nahtmaterial der Stärke 0 verwendet. 7 Die Thoraxdrainagen werden über sterile Schlauchverlängerungen an ein Thoraxsogsystem (Vakuum oder druckluftbetrieben) angeschlossen. Der Sog ermöglicht der verbliebenen Lunge die Ausdehnung und Anpassung an die Thoraxhöhle sowie die Flüssigkeitsentlastung.
Thoraxdrainagenanlage nach Sternotomie
Vor dem Verschluss der Pleura mediastinalis wird in jede Thoraxhälfte eine Thoraxdrainage Ch 28 gelegt, um die Entfaltung der Lunge zu forcieren. Über eine kleine Hautinzision am tiefsten Punkt der Thoraxhöhle wird die Öffnung stumpf mit einer Schere präpariert und vorbereitet. Die Drainage wird über eine Klemme (Kornzange) von innen nach außen durch die Hautöffnung gezogen und mit einer Naht fixiert. Mittig unterhalb des Sternums wird eine dünnere Drainage (Ch 20 oder 24) gelegt und fixiert. Die Drainagen werden einzeln an eine Sogvorrichtung angeschlossen und nach Angabe des Operateurs wird der Sogdruck eingestellt.
6.4.3
Thorakotomieverschluss
Bevor die OP-Wunde verschlossen werden kann, werden folgende Maßnahmen durchgeführt: 4 Wasserprobe: Dazu wird körperwarme NaCl-Lösung in den Thorax gefüllt, der Anästhesist bläht die Lunge unter Sichtkontrolle bis zu einem maximalen Druck von 40 cm H2O. Bronchopleurale Fisteln im Bereich der Lunge, des abgelösten Interlobiums oder des verschlossenen Bronchusstumpfes können so erkannt und ggf. übernäht werden. 4 Kontrolle der Blutstillung ist obligat; die Drainagen werden gelegt (s. oben). 4 Textilien und Instrumente werden gezählt und ihre Vollständigkeit dokumentiert. 4 Durch Infiltration eines langwirkenden Lokalanästhetikums werden die Interkostalnerven betäubt. Ein Teil der Interkostalnerven kann auch rezesiert werden, um postoperative Schmerzen zu minimieren. Der eigentliche Verschluss der Thorakotomie beginnt mit der Aufhebung der überdehnten Lagerung des Patienten. Der erweiterte Zwischenrippenraum wird kontrahiert. Bei Bedarf kommt ein Rippenretraktor (-approximator; . Abb. 6.9) nach Bailey zum Einsatz, der durch seine Greifarme
323 6.5 · Präoperative Diagnostik
4 Lymphome, 4 Darstellung mediastinaler und Brustwandprozesse, 4 Darstellung des Übergreifens eines Tumors in die Brustwand, die BWK sowie den Ösophagus. Zur Beurteilung eines Befundes in Bezug auf die großen Blutgefäße ist die CT-gesteuerte Kontrastmittelapplikation notwendig.
6.5.3
Magnetresonanztomographie (MRT)
MRT ist ein bildgebendes Verfahren ohne Röntgenstrahlung. Zielregionen einer MRT-Untersuchung sind das Herz, die Blutgefäße und der Brustwirbelkanal.
6.5.4
. Abb. 6.9 Rippenretraktor nach Bailey. (Fa. Aesculap AG)
die auseinander gedrängten Rippen wieder zusammenführt. Die Wunde wird schichtweise verschlossen: 4 Der Interkostalraum wird mit kräftigem resorbierbarem, polyfilem Nahtmaterial verschlossen. 4 Die Muskulatur wird schichtweise mit resorbierbarem Nahtmaterial (Stärke 0) fortlaufend oder in Einzelknopftechnik adaptiert. 4 Subkutannähte. 4 Der Hautverschluss erfolgt durch ein Hautklammergerät oder mit einer Naht.
Positronenemissionstomographie (PET-CT)
Die PET gehört zu den modernen bildgebenden Verfahren. Durch die Stoffwechselaktivität von Zucker gelingt es, eine Krebsdiagnostik des gesamten Körpers durchzuführen. kIndikationen
4 Differenzialdignostik gutartiger und bösartiger Tumoren, 4 Ausschluss von Fernmetastasen, Tumorrezidiv oder Lymphknotenmetastasen, 4 Primärtumorsuche bei CUP-Syndrom.
6.5.5
Perfusionsszintigraphie
6.5
Präoperative Diagnostik
Eine Untersuchung zur Bestimmung der funktionellen Lungendurchblutung.
6.5.1
Thoraxröntgenaufnahme
kIndikationen
Zur Tumorlokalisation/Verlagerung thorakaler Strukturen, aktuelle Hinweise auf Lungenentzündung, Stauung in der Lungenstrombahn, Pleuraerguss (maligne?), kardiale Pumpstörung.
4 Ausschluss regionaler Durchblutungsstörungen (z. B. Lungenembolie), 4 Präoperative Beurteilung der nach der Operation zu erwartenden Lungenfunktionsminderung,
6.5.6 6.5.2
Bronchoskopie
Thorax-CT (TCT)
Die TCT ist eines der wichtigsten radiologischen Untersuchungsverfahren im Thoraxbereich. kIndikationen
4 Lokalisation und Ausdehnungsbestimmung eines Tumors,
Die Bronchoskopie kann mit einem starren sowie mit einem flexiblen Fiberendoskop durchgeführt werden. Der visuelle Einblick ermöglicht die Erkennung einer pathologischen Veränderung der zentralen Atemwege sowie die gezielte Gewinnung von Gewebe aus den Atemwegen und dem Lungenparenchym zur histologischen Untersuchung.
6
324
Kapitel 6 · Thoraxchirurgie
kIndikationen
4 Tumordiagnostik durch PE oder Punktion, 4 Feststellung der Tumorlokalisation für die Operationsplanung, 4 Feststellung einer endobronchialen Entzündung, ggf. mit Sekretbeseitigung, 4 Beurteilung einer Instabilität der zentralen Atemwege, ggf.Verordnung einer PEP-Maske, 4 Diagnostik der Lungenfibrose.
6.5.7
6
Endobronchial Ultrasound (EBUS), Transbronchial Needle Aspiration (TBNA)
EBUS-TBNA ist eine ultraschallgestützte transbronchiale Feinnadelaspiration zur Diagnostik des Mediastinalprozesses sowie zum Staging hilärer und mediastinaler Lymphknoten.
. Abb. 6.10 Verschiedene Resektionsverfahren. (Nach Heberer et al. 1993)
des geplanten Eingriffs und der zu erwartenden Komplikationen durch oder für das vorgeschädigte Organsystem.
6.6 6.5.8
Ziel der präoperativen Funktionsprüfung ist die Einschätzung des Operationsrisikos sowie der postoperativ verbleibenden Lungenfunktion. 4 Messung des Lungenvolumens und der Lungenkapazität durch eine Spirometrie oder Ganzkörperplethysmographie. 4 Diffusionskapazität (DLCO) = globale Beurteilung des respiratorischen Gasaustausches der Lunge. 4 Ergospirometrie = Beurteilung der Leistung der Lunge.
Operationen an der Lunge setzen eine gute präoperative Diagnostik voraus. Dazu gehören im Bedarfsfall die Computertomographie und die Bronchoskopie (s. oben). Das Ausmaß der Resektion kann häufig schon anhand der präoperativen Untersuchungen festgelegt werden. Die Wahl der Schnittführung richtet sich nach dem geplanten Eingriff; eine gute Übersicht über das Operationsgebiet muss gegeben sein.
6.6.1 6.5.9
Kardiale Diagnostik
4 EKG, ggf. Langzeit-EKG bei KHK, Arrhythmie, Bradykardie, 4 Echokardiographie.
6.5.10
Eingriffe an der Lunge
Lungenfunktionsprüfung
Diagnostik bei Metastasierung
Bei dem Vorliegen von Fernmetastasen müssen weitere Diagnostikmaßnahmen getroffen werden: 4 Abdomensonographie: Leber/Nebennieren/abdominelle Lymphknoten, 4 Knochenszintigraphie bei ossären Metastasen, 4 ggf. Röntgenzielaufnahmen nur bei klinischem Hinweis, 4 zerebrales CT (bei klinischem Hinweis). Bei Einschränkung anderer Organsysteme ggf. weiterführende Diagnostik unter Berücksichtigung der Größe
Resektionen
Die Resektionen richten sich in der Regel, mit Ausnahme der Keilresektion, nach den vorgegebenen anatomischen Strukturen (. Abb. 6.10).
Lungenkeilresektion kIndikation
4 Gutartige Lungentumoren, z. B. Hamartome, Fibrome, Tuberkulome, Emphysemblasen, Metastasen, 4 Bullaeresektion bei bullösem Emphysem oder Pneumothorax, 4 diagnostische Lungen-PE bei interstitieller Lungenerkrankung oder Granulom. kPrinzip
Über eine Keilresektion wird Lungengewebe ohne Präparation der zugehörigen Gefäße und Bronchien entfernt. Die Technik der videoassistierten Thorakoskopie (VATS) hat sich bei Keilresektionen als Standardverfahren etabliert.
325 6.6 · Eingriffe an der Lunge
kLagerung
4 Seitenlage bei posterolateraler oder anterolateraler Thorakotomie (. Abb. 6.6), 4 Rückenlage bei medianer Sternotomie. kInstrumentarium
4 Grund- und Thoraxinstrumentarium. 4 Lineare Stapler, die eine doppelreihige Klammernaht setzen, die mit einem integrierten Messer durchtrennt wird. Lungenkeilresektion 7 Thorakotomie im 4.–7. ICR, je nach Lokalisation des Befundes. 7 Einsetzen des Thoraxsperrers. 7 Palpation des Lungenbefundes, evtl. Adhäsionen ablösen. 7 Der betroffene Lungenabschnitt wird mit einer Organfasszange angehoben und mit einer atraumatischen Klemme abgeklemmt (. Abb. 6.11a). Die Resektion erfolgt mit dem Skalpell über der Satinsky-Klemme (. Abb. 6.11b). Das Parenchym wird mit 2 resorbierbaren fortlaufenden U-Nähten zweireihig verschlossen (. Abb. 6.11c). 7 Der betroffene Lungenabschnitt wird angeklemmt und mit einem linearen Anastomosenstapler geklammert. Das Resektat wird mit dem integrierten Messer zwischen den Klammernahtreihen abgetrennt. 7 Mit 2 Klammernahtmagazinen eines linearen Anastomosenstaplers wird das Lungenparenchym winkelförmig um den Befund geklammert und gleichzeitig durchtrennt. Parenchymdichtigkeit mittels Wasserprobe prüfen (. Abb. 6.12). 7 Verschluss der Thorakotomie (s. oben) unter Einlage von 1–2 Drainagen. Anschließen an einen Sog von 15–20 mbar.
a
b
. Abb. 6.11a–c Atypische Lungenresektion mit Klemme und Skalpell
. Abb. 6.12 Keilförmige atypische Lungenresektion mit einem linearen Anastomosenstapler. (Nach Durst u. Rohen 1991)
Diese Resektionsverfahren eignen sich für peripher gelegene Herde. Mehrere Keilresektionen aus beiden Lungenflügeln sind über eine Sternotomie möglich. Bei der Indikation eines Pneumothorax wird außer dem bullös veränderten Lungenareal die Pleura parietalis von den Rippeninnenseiten und Zwischenrippenräumen abgelöst und reseziert (s. Pleurektomie).
Segmentresektion Eine Segmentresektion ist die Entfernung eines oder mehrerer Lungensegmente. Als Indikation für diesen Eingriff
c
6
326
6
Kapitel 6 · Thoraxchirurgie
gelten benigne Tumoren, Bronchiektasen, entzündliche umschriebene Prozesse, kleine Karzinome (N0-Stadium, 7 Abschn. 2.12.2) und Karzinom bei schlechter Lungenfunktion. Der Zugang richtet sich nach dem betroffenen Segment. Thoraxeröffnung wie in 7 Abschn. 6.3 beschrieben. Die Resektion kleiner anatomischer Einheiten (Segmente) erfolgt wie bei der Keilresektion beschrieben. Hier wird zudem der zuführende Bronchus präpariert und mittels eines linearen Staplers abgesetzt. Die zuführenden pulmonalen Gefäße werden freigelegt, umstochen und durchtrennt. Die venöse Drainage wird selten separat präpariert, der Verschluss erfolgt zumeist zusammen mit der Durchtrennung der Segmentparenchymgrenze zum restlichen Lungenlappen mit einem Linear Cutter.
Lobektomie (Lungenlappenresektion) kIndikation
4 Nicht kleinzelliges Bronchialkarzinom (BC). 4 Entzündliche Veränderungen, die einen Lungenlappen zerstört haben wie karnifizierte Pneumonien, Lungenabszesse, Tuberkulose oder Bronchiektasien. kPrinzip
Über eine Thoraxeröffnung Resektion eines Lungenlappens unter Verschluss des Lappenbronchus und ggf. Lymphknotenentfernung. kLagerung
4 Kontralaterale Seitenlage, 4 neutrale Elektrode am gleichseitigen Oberarm. kInstrumentarium
4 Siehe Lungenkeilresektion (s. oben), 4 zusätzlich lineare Verschlussstapler und/oder lineare Stapler mit integriertem Cutter. kZugangswege
4 Antero-oder posterolaterale Thorakotomie. 4 In Ausnahmefällen mediane Sternotomie. Lobektomie 7 Eröffnen des Thorax (typische Zugänge 7 Abschn. 6.3). 7 Bei entzündlicher Vorgeschichte oder Re-Operationen erfolgt die Adhäsiolyse der Pleura von der Brustwand. Evt. wird eine Probeexzision (PE) der Pleura entnommen und histologisch untersucht. 7 Exploration der Pleurahöhle. 6
7 Präparation der pulmonalarteriellen Gefäßäste unter Darstellung der zu erhaltenen Arterien. 7 Gleiches Vorgehen bei der Präparation der pulmonalvenösen Gefäße. 7 Distale Durchtrennung der Gefäße durch Unterfahren mit einem Overholt und Anschlingen mit einem geflochtenen resorbierbaren Faden, zentraler Gefäßverschluss durch eine nicht resorbierbare monofile Durchstechungsligatur der Stärke 3–0 oder 4–0. 7 Durchtrennung des Gefäßes mit einem langen Skalpell oder einer spitzen Schere. 7 Alternativ: Das Darstellen der Gefäße erfolgt wie oben beschrieben, das Absetzen mit einem Anastomosenstapler bietet eine saubere Durchtrennung, nach zentral wird zur Sicherheit eine monofile Durchstechungsnaht gesetzt. 7 Die Reihenfolge des Verschlusses und Absetzen der Blutgefäße kann variieren. 7 Präparation des Lungenlappenbronchus sowie der am Bronchus verlaufenden Bronchialarterie, die durch Koagulations- oder Clipverfahren ligiert wird. 7 Der Lappenbronchusverschluss erfolgt nahe dem Abgang des Hauptbronchus mit einem 90° abgewinkelten linearen Klammernahtinstrument oder durch Einzelknopfnähte mit langsam resorbierbarem monofilem Nahtmaterial der Stärke 3–0 oder 4–0. Bronchusleckagen müssen unbedingt vermieden werden. 7 Die Bronchusstumpflänge sollte so gering wie möglich sein, damit sich kein Bronchialsekret sammeln kann. Es besteht die Gefahr einer entzündlichen Reaktion mit der Folge einer Bronchusstumpfinsuffizienz. 7 Intraoperativ wird die Bronchusabsetzungsstelle durch den Anästhesisten bronchoskopisch kontrolliert. 7 Das Absetzen des Lungenlappens von der verbleibenden Lunge erfolgt durch einen linearen Stapler. 7 Die systematische mediastinale Lymphknotenexstirpation bei bösartigen Tumoren ist obligat. Sämtliche Lymphknotenstationen entlang des Bronchialsystems werden dargestellt, komplett entfernt und zur histologischen Untersuchung gegeben. 7 Die Untersuchungsergebnisse dienen der Klassifizierung des Tumors und sichern den Therapieverlauf. 7 Einlegen zweier Thoraxdrainagen mit einem Sog von 15–20 mbar. 7 Anschließend Thoraxverschluss.
327 6.6 · Eingriffe an der Lunge
Bilobektomie Indikation, Instrumentarium, Lagerung und operative Zugänge wie bei Lobektomie. kPrinzip
Resektion zweier benachbarter Lungenlappen, der dritte Lappen verbleibt. Entsprechend ist dieser Eingriff nur rechts-pulmonal möglich. Eine linksseitige Bilobektomie ergibt eine komplette Lungenflügelentfernung, die Pneumonektomie. Die Bilobektomie erfolgt nach dem gleichen Prinzip wie die Lobektomie. Die obere Bilobektomie schließt die Resektion des rechten Lungenoberlappens und Mittellappens ein. Die untere Bilobektomie entspricht der Resektion von Mittellappen und Unterlappen. Bilobektomie 7 Die entsprechenden Blutgefäße der zugehörigen Lappen werden präpariert, unterbunden und durchtrennt, ebenso wie die dazugehörigen Bronchien. 7 Dabei muss überprüft werden, ob das verbleibende Lungengewebe sich im Thorax so ausdehnen kann, dass es die Brustkorbhälfte vollständig ausfüllt und mit der Brustwandinnenfläche verkleben kann, damit das Lungengewebe den Atembewegungen des Brustkorbs folgen kann, sodass es für die Atmung wieder nutzbar wird. 7 Mediastinale Lymphknotenentfernung. 7 Thoraxdrainageneinlage mit einem Soganschluss von 15–20 mbar. 7 Thoraxverschluss.
6.6.2
Bronchoplastische Eingriffe
Aus Gründen der Radikalität werden Teile des Bronchialsystems entfernt. Der Bronchus wird über eine End-zuEnd-Anastomose rekonstruiert. Gerade bei Patienten, denen das Risiko einer Pneumonektomie nicht zugemutet werden kann, ist die parenchymsparende bronchoplastische Resektion die Methode der Wahl. In Zweifelsfällen sollte der Radikalität der Vorzug vor funktionellen Erwägungen gegeben werden. Erscheint z. B. bei zentral wachsenden Tumoren eine Lobektomie nicht radikal genug, kann eine sog. Manschettenresektion vorgenommen werden. Beispiel: Bei einer rechtsseitigen Oberlappen-Manschettenresektion wird oberhalb der Einmündung des Oberlappenbronchus in den Hauptbronchus dieser kom-
plett durchtrennt. Unterhalb der Einmündungsstelle des Oberlappenbronchus wird in gleicher Weise verfahren, sodass der Hauptbronchusanteil mit reseziert wird. Das untere Hauptbronchusende und der obere Anteil des Zwischenbronchus werden durch Einzelknopfnähte anastomosiert (. Abb. 6.13). Die Bronchusanastomose sollte endoskopisch kontrolliert werden. Nach dem Einlegen von 2 Thoraxdrainagen erfolgt der Thorakotomieverschluss.
Pneumonektomie (Lungenflügelresektion) Die Entfernung eines Lungenflügels wird nur durchgeführt, wenn die Radikalität es erfordert. In günstigen Fällen können die Lungengefäße ohne Eröffnung des Herzbeutels aufgesucht und versorgt werden. Bei zentralem Tumorwachstum müssen aus Radikalitätsgründen die Lungengefäße im eröffneten Herzbeutel präpariert werden. Seltener stellen entzündliche Prozesse wie Lungenabszess oder karnifizierte Pneumonie eine Indikation dar. Pneumektomie 7 Nach der Thorakotomie, dem Einsetzen des Thoraxsperrers und einer ausgedehnten Exploration wird der Hilus präpariert. 7 Der pulmonalarterielle Hauptast wird dargestellt, mit einem Overholt unterfahren und mit einer Gefäßschlinge (Vessel-Loop) angeschlungen. 7 Die obere und untere V. pulmonalis werden in der Vorhofeinmündung freigelegt, durch eine Gefäßschlinge gesichert und mit einem Gefäßklammernahtinstrument durchtrennt. 7 Eine Durchstechungsligatur mit monofilem nicht resorbierbarem Nahtmaterial sichert die Absetzungsstelle. 7 Die Prinzipien des Gefäß- und Bronchusverschlusses entsprechen denen bei der Lobektomie besprochenen. 7 Nach dem Absetzen des Lungenflügels sollte die Deckung des Bronchusstumpfes mit vitalem Gewebe erwogen werden, da das knorpelige Bronchusgewebe schlecht durchblutet ist. Eine Deckung kann die Heilungschancen erhöhen. 7 Zur Deckung eignet sich die von der Thoraxinnenwand gelöste Pleura, die gestielt auf den Bronchusstumpf gelegt und durch resorbierbare Einzelknopfnähte fixiert wird. 7 Eine weitere Deckungsmöglichkeit bietet ein freipräparierter interkostaler Muskellappen, der von ventral nach dorsal gestielt gelöst wird und mit intakter Blutversorgung von dorsal nach intratho6
6
328
Kapitel 6 · Thoraxchirurgie
6
a
b
. Abb. 6.13 Manschettenlobektomie des rechten Oberlappens. a Nach Versorgung der Gefäße und Durchtrennung der Parenchymbrücke zwischen Ober- und Mittellappen wird eine Bronchusmanschette entsprechend der Tumorinfiltration, bestehend aus Hauptbronchusanteil und Bronchus intermedius, mit dem Skalpell reseziert. b Nach Lobektomie und Resektion der Bronchusmanschette wird die Bronchuskontinuität durch Anastomose des Bronchus inter-
medius mit der Trachealbifurkation durch Einzelknopfnähte wiederhergestellt (resorbierbares Nahtmaterial der Stärke 4–0). Bei isoliertem Befall des Oberlappenbronchus kann eine keilförmige Exzision aus dem distalen Hauptbronchus bzw. proximalen Anteil des Bronchus intermedius ausreichen. Entscheidend ist die Schnellschnittuntersuchung der Schnittränder. (Nach Siewert 2006)
6.6.3 rakal geführt und auf dem Bronchusstumpf fixiert wird. 7 Das Perikard mit perikardialem Fettgewebe oder das hochgezogene Omentum majus bieten weitere Möglichkeiten der Deckung. All diese Verfahren ermöglichen die Vermeidung einer Bronchusstumpfinsuffizienz. 7 Legen einer Thoraxdrainage ohne Sog zur Sekretentlastung. 7 Thoraxverschluss.
Spezielle Resektionsverfahren
Spezielle Verfahren zur Resektion eines Lungenanteiles stellen die Laserresektionen dar (7 Abschn. 6.2.2). Laserresektion und Laserkarbonisation finden in der Metastasenchirurgie bei zentraler oder gefäßnaher parenchymsparender Resektion oder bei einer großen Anzahl von Metastasen zur parenchymsparenden Resektion Anwendung. kZugangswege
4 Antero- oder posterolaterale Thorakotomie. 4 Mediane Sternotomie.
Pleuropneumektomie Bei einem diffus malignen Pleuramesotheliom kann es erforderlich werden den Lungenflügel gemeinsam mit der umgebenden parietalen Pleura zu resezieren. Bei einem ausgedehnten Karzinom müssen manchmal Teile des Perikards und des Zwerchfells mitreseziert werden. Die hier entstehenden Defekte müssen plastisch gedeckt werden.
Laserresektion 7 Thoraxeröffnung und Situsdarstellung wie bei der Lungenkeilresektion (7 Abschn. 6.6.1) beschrieben. 7 Technisch stehen der Nd:YAG-Laser, der Argonoder der Diodenlaser mit verschiedenen Wellenlängen zur Verfügung. 7 Die zu resezierende Lunge wird durch einen milden CPAP (»continous positive airway pressure«) belüftet. 6
329 6.8 · Eingriffe an der Pleura
7 Mit dem Laserstrahl wird der Tumorherd entweder direkt karbonisiert oder aus dem gesunden Lungengewebe scharf trennend am Rand heraus gelöst. 7 Der Lungenoberflächendefekt verschließt sich automatisch durch die Karbonisation. 7 Als Sicherheitsrand entsteht im Lungengewebe eine Karbonisationszone, die ein deutlich stärker parenchymsparendes Resezieren ermöglicht. 7 Kleine Blutgefäße in der Tiefe der Resektionshöhle müssen ggf. durch Umstechungsligaturen oder Titanclips verschlossen werden. 7 Eine der zwei Thoraxdrainagen sollte möglichst 7 Tage belassen werden und erst nach einem Abklemmversuch mit anschließender Röntgenkontrolle entfernt werden.
7
7
7 7
Eingriffe an der Trachea
6.7
7
Als Indikation für Trachealresektionen gelten entzündliche Stenosen oder Tumoren. Der Zugang richtet sich nach dem betroffenen Trachealabschnitt. Entweder kann über einen Kocher-Kragenschnitt (7 Abschn. 2.1) oder eine mediane Sternotomie die Resektion im oberen Abschnitt durchgeführt werden. Teile der distalen Trachea und der Tracheabifurkation werden über die übliche rechtsseitige posterolaterale Thorakotomie zugänglich.
6.7.1
Tracheateilresektion
Tracheateilresektion 7 Präoperative Bronchoskopie in Narkose durch den Anästhesisten und den Operateur, um die Länge und Beschaffenheit des zu resezierenden Tracheabereichs darzustellen und die Resektionsgrenzen festzulegen. Bei ausgedehnten Stenosen ist vor der Operation eine Bougierung erforderlich. 7 Die Intubation erfolgt mit einem Woodbridge-Tubus, wobei der Blockungs-Cuff unterhalb der Tracheastenose platziert wird. Die Tubusgröße richtet sich nach dem Befund. 7 Nach dem Hautschnitt und Freilegen der Trachea werden unterhalb und oberhalb der zu resezierenden Stenose Haltebänder gelegt. 7 Die manuelle Mobilisation der Trachea reicht vom Kehlkopf bis zur Hauptcarina, um eine größtmög6
7
7
liche Spannungsfreiheit für eine End-zu-EndAnastomose zu erhalten. Das Absetzen des unteren Stenosenrandes erfolgt unter bronchoskopischer Sicht, indem gleichzeitig der orale Tubus bis oberhalb der Verengung, unter Einsatz eines Jets zur Belüftung, zurückgezogen wird. Für die freiliegende untere Trachea wird eine sterile Intubation vorgenommen, bei der der sterile Beatmungsschlauch zum Narkosegerät geleitet wird (Trans-OP-Feld-Intubation). Danach folgt die Resektion der Tracheastenose und Entnahme des Resektats. Die Tracheaanastomose erfolgt durch vorgelegte Einzelknopfnähte mit resorbierbarem monofilem Nahtmaterial der Stärke 3–0 oder 4–0; beginnend mit der Tracheahinterwand bis zum vorderen Teil der Trachea, wobei der intraoperativ gelegte Tubus einem Jet-Katheter weicht, da mit sog. »low frequency ventilation« in dieser Phase beatmet wird, um dann die vorderen Nähte zu legen. Vor dem endgültigen Anastomosenverschluss wird der orale Tubus unter bronchoskopischer Sicht und mit Hilfe des Operateurs über die Nahtstelle in die untere Tracheahälfte geführt. In besonderen Fällen ermöglicht eine Mini-Tracheostomaanlage die Unterstützung der Atmung bei postoperativer Schwellung der Trachea. Schichtweiser Wundverschluss und Redoneinlage (Ch 12–16).
Höchste Priorität gilt der postoperativen Lagerung des Kopfes! Der Kopf des Patienten sollte mit dem Kinn auf der Brust gelagert werden, um eine Überstreckung und Instabilität der Tracheaanastomose zu vermeiden. Nach der Extubation sollte die Stimme des Patienten überprüft werden, um Schädigungen des N. recurrens auszuschließen.
6.8
Eingriffe an der Pleura
6.8.1
Pneumothorax
Ein Pneumothorax entsteht, wenn aus der Lunge Luft in die Pleurahöhle eindringt: 4 Spontan: Ruptur einer subpleural gelegenen Emphysemblase. Bei jungen Menschen können es kleine Bullae an der Lungenspitze sein, bei älteren Menschen ein ausgedehntes Lungenemphysem. 4 Sekundär: Hier führen durchbrochene Malignome zur Lungenruptur, wie auch bei Tbc Überdruck der
6
330
Kapitel 6 · Thoraxchirurgie
Atemwege, z. B. bei Asthma oder Lungenfibrose, nach stumpfem Thoraxtrauma oder perforierender Thoraxverletzung. 4 Iatrogen: Nach Pleurapunktion, Thoraxdrainageneinlage, Überdruckbeatmung oder nach thoraxchirurgischen Eingriffen.
Resektion der viszeralen Pleura 7 Nach dem Öffnen der Brustwand und der Durchtrennung der Interkostalmuskulatur lässt sich der Interkostalraum häufig nur mittels eines Sperrers aufdehnen, um die Pleuraschwarte extrapleural zu lösen. 7 Die fest miteinander verklebten Peurablätter (-schwarte) fesseln die Lungenoberfläche. 7 Die Pleuraschwarte wird mit dem Skalpell oder der Präparierschere eröffnet bis das Lungenparenchym sichtbar wird. 7 Die Lungenoberfläche wird durch stumpfe (Stieltupfer) oder scharfe Präparation (Dekortikationsschere) von der festen Schicht befreit. 7 Die Präparation sollte möglichst schwartennah erfolgen, damit keine pleuralen Fisteln entstehen. 7 Sind Verletzungen der Lunge nicht vermeidbar, müssen sie übernäht werden oder sie verkleben durch den postoperativen Kontakt zur Thoraxinnenwand. 7 Thoraxdrainagenanlage. 7 Zwei Drainagen Ch 24–28 seitlich gelocht werden über separate Hautinzisionen möglichst knapp über dem Zwerchfell bis in die Thoraxhöhlenspitze geführt. 7 Nach diesem Eingriff ist es besonders wichtig, den Unterdruck des Thoraxsoges bei 15–20 mbar konstant zu halten. 7 Thoraxverschluss.
Therapie
6
Die Anlage einer Thoraxsaugdrainage wird erforderlich. Ein Sog von 15–10 mbar entlastet die Lunge. Dehnt sich die Lunge nach der Drainage nicht vollständig aus, besteht eine OP-Indikation. Gleiches gilt für ein Pneumothoraxrezidiv.
Operation Das Ziel der Operation ist die Entfernung der bullösen Abschnitte der Lunge und die Verklebung der Pleura parietalis mit der Pleura visceralis, um ein Rezidiv zu vermeiden. Dies kann durch eine partielle Pleurektomie oder die Anrauung der Pleura parietalis mit der Elektrokoagulation oder Talkuminstillation erreicht werden. Heute ist die operative Revision eines Pneumothorax über eine videoassistierte Thorakoskopie (VATS) Standard (s. unten).
6.8.2
Pleuraempyem
Es handelt sich um eine eitrige Exsudation im Pleuraraum, entstanden durch (un-)spezifische Erreger (. Tab. 6.1).
Dekortikation – Resektion der viszeralen Pleura kIndikation
Pleuramesotheliom (bösartige Pleuraerkrankung). kZugangswege
Posterolaterale Thorakotomie, ggf. mit Rippenteilresektion.
Pleurektomie – Resektion der parietalen Pleura kIndikation
4 4 4 4
Rezidivprophylaxe bei Pneumothorax, Pleurakarzinose/Pleuramesotheliom, Pleuritis (entzündliche Reizungen), Erkrankungen der Pleura, die zu verstärkten Flüssigkeitsabsonderungen im Pleuraspalt führen können, 4 Diagnostische Eingriffe bei unklarer Pleuraverdickung (Pleuraplaques nach Asbestexposition).
. Tab. 6.1 Pleuraempyem: Stadieneinteilung und Therapie Stadium
Kennzeichen
Therapie
1
Exsudatives Stadium mit diffuser Eiterung
Der eitige Pleuraerguss wird über eine Drainage abgeleitet und gespült; die Thoraxdrainage liegt am tiefsten Punkt der Ergusshöhle
2
Es sind kleine fibrinöse Phasen mit Kammerungen vorhanden
VATS: Thorakoskopisch werden Adhäsionen gelöst, alle Eiterkammern geöffnet und eine partielle Pleurektomie sowie eine Dekortikation durchgeführt; anschließend Saug-Spül-Therapie über die Drainage
3
Verschwielung mit Ausbildung einer Pleuraschwarte
Empyemausräumung + Dekortikation über eine posterolaterale Thorakotomie
331 6.8 · Eingriffe an der Pleura
kZugangswege
4 3-Punkt-VATS (s. unten). 4 Thorakotomie. 4 Mediane Sternotomie. Resektion der parietalen Pleura 7 Thoraxeröffnung oder technisches Vorgehen wie bei der VATS (s. unten) beschrieben. 7 Beim Eingehen in den Brustkorb wird die Interkostalmuskulatur durchtrennt. Die parietale Pleura bleibt intakt und wird mit einem Stieltupfer oder dem Finger stumpf vom Brustwandrand abgelöst (extrapleurales Lösen). 7 Jetzt wird die Pleura durchstoßen und weiter eröffnet. 7 Der Pleurarand wird mit einer kräftigen, langen Klemme gefasst, angespannt und durch weiteres stumpfes Präparieren der Pleura in der Schicht der Fascia endothoracica und dann in der Pleura bis zur vorderen und hinteren Umschlagfalte am Mediastinum bzw. bis zum Zwerchfell komplett herausgelöst. Hier wird die Pleura scharf abgesetzt. 7 Dieses Ausmaß der Pleuraauslösung und -resektion bezeichnet man als subtotale Pleurektomie. 7 Eine anschließende mechanische Aufrauhung des Rippenfells auf dem Zwerchfell sowie dem Mediastinum (z. B. mit einem gestielten Tupfer) ermöglicht hier eine gute Verklebung mit der Lungenoberfläche. 7 Abschließend werden 2 Thoraxdrainagen Ch 28 in den Thorax eingebracht. 7 Nach Thoraxverschluss wird an die Drainagen ein Thoraxsog mit einem Unterdruck von minus 15– 20 mbar angeschlossen.
geschränktes Sichtfeld zu, und das Biopsiematerial ist oft nicht aussagekräftig. Diese Technik wird nur selten durchgeführt.
6.8.4
VATS (»video-assisted thoracoscopic surgery«)
Die VATS gilt in der Diagnostik und in der Therapie als Standardmethode. Durch die Entwicklung von Instrumenten und Klammernahtinstrumenten bestehen weitere Möglichkeiten, thoraxchirurgische Operationen über minimal-invasive Zugänge durchzuführen. Durch Ultraschalldissektion ist eine schonende Gewebedurchtrennung mit gleichzeitiger Blutstillung möglich. Alle in 7 Abschn. 2.15 dargestellten Kriterien gelten auch hier. Das bedeutet u. a., dass bei Bedarf unverzüglich auf eine Thorakotomie konvertiert werden kann. Die endoskopische Grundausstattung ähnelt der in 7 Kap. 2 dargestellten. Im Thoraxraum ist keine CO2-Insufflation nötig, hier wird ein Pneumothorax erzeugt. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumente, MIC-Instrumente (7 Abschn. 2.15) 30°-Optik Kamera, ventillose Trokare (10+5 mm), Punktionskanüle, Bergebeutel, endoskopische Klammernahtinstrumente, HF-Elektoden, Ultraschalldissektion, Saug-Spül-Möglichkeit.
kVorbereitung
Durch den kontinuierlichen Sog über mehrere Tage entfaltet sich die Lunge passiv und findet Halt an der geschaffenen Wundfläche. Im Rahmen der Wundheilung verklebt die Lungenoberfläche mit der Thoraxwand und kann sich so durch Flüssigkeits- oder Luftaustritt in den Pleuraspalt nicht wieder ablösen bzw. kollabieren.
6.8.3
Thorakoskopie
Über eine Thorakoskopie ist es möglich, unter Sicht mit Hilfe einer Biopsiezange aus der Pleura Biopsien zur histologischen Bestimmung zu entnehmen. Dieser Eingriff kann sowohl in Lokalanästhesie als auch in Kurznarkose durchgeführt werden. Die Thorakoskopie lässt nur ein ein-
Der Patient wird wie für eine Thorakotomie gelagert, die neutrale Elektrode nach Vorschrift platziert. Für eine sichere VATS ist die Intubation mit einem Doppellumentubus (Ein-Lungen-Ventilation) nötig. Minimal-invasive Eingriffe am Brustkorb bedeuten eine besondere Zugangsform. Das Ausmaß der Parenchymresektion ist damit noch nicht vorgegeben. Mit dieser Technik wird routinemäßig der Pneumothorax (Lungenkollaps) operiert. kIndikation
4 Pneumothorax, 4 Diagnostik bei Metastasen, 4 Pleurektomie sowie Dekortikation bei Pleuraerguss und Empyem, 4 Bullaeresektion bei Emphysem, 4 Lungenvolumenreduktion
6
332
Kapitel 6 · Thoraxchirurgie
4 VATS-Lobektomie bei Bronchialkarzinom im Stadium 1 (die Lymphadenektomie gelingt eher über eine Thorakotomie), 4 diagnostische Keilresektion bei interstitiellen Lungenerkrankungen, 4 nicht maligne Rundherde oder Granulome, 4 Ausräumung eines Hämatothorax, 4 Sympathektomie bei Hyperhidrosis, 4 Pleurodese = gezielte Verödung des Pleuraspalts durch Instillation von Medikamenten.
7 Ggf. wird der Thorax über einen Katheter mit einer mit körperwarmer NaCl-Lösung gefüllten Blasenspritze gespült. Nach dem Entfernen der Arbeitstrokare Einlegen zweier Thoraxdrainagen Ch 28 mit einem Sog von 15–20 mbar. 7 Fixierung der Drainagen an der Haut. 7 Wundverschluss des Subkutangewebes und Hautnaht.
kOperative Zugangswege
6
3-Punkt-VATS = 3 Hautschnitte von 2 cm Länge: 4 im axillären muskelfreien Dreieck, 4 vordere Axillarlinie (ICR 5–6), 4 z. B. hintere Axillarlinie (ICR 6–7). Einige Eingriffe lassen sich auch über einen 2-Punkt-Zugang durchführen. Die Schnitte werden so gewählt, dass die basalen Zugänge als spätere Drainageaustrittsstellen der Thoraxdrainagen genutzt werden können. Ein tiefer angesetzter apikaler Zugang ermöglicht bei Bedarf ggf. ein Umsteigen auf eine Thorakotomie, da er zu einem anterolateralen Hautschnitt verlängert werden kann.
6.9
Eingriffe am Mediastinum
6.9.1
Mediastinoskopie
Dieser diagnostische Eingriff dient der Entnahme von Lymphknotengewebe. Der Zugang erfolgt chirurgisch über eine Inzision oberhalb des Jugulums. kIndikation
4 Diagnostik, 4 Tumorstaging beim Bronchialkarzinom, 4 Materialgewinnung bei mediastinalen Lymphomen (z. B. malignes Lymphon, Sarkoid).
VATS – Keilresektion
Mediastinoskopie
7 Über die Hautschnitte werden die Trokare eingeführt, sie schaffen die Arbeitskanäle für die Optik und MIC-Instrumente. In der Regel wird die 30°Optik benutzt. 7 Nach dem Aufsuchen und Darstellen der geschädigten Lungenfläche sichert eine über einen Arbeitstrokar eingeführte Lungenfasszange den zu resezierenden Befund. 7 Evtl. Punktion oder Probeexzision des Befundes für bakterielle oder zytologische Histologie. 7 Über einen der 3 Hautschnitte wird ein Klammernahtgerät (Endopath) eingeführt. Vor dem Gebrauch wird die Funktion überprüft und der Klammerschutz entfernt. 7 Der Stapler wird in geschlossenem Zustand in die Thoraxhöhle eingeführt, innen geöffnet und der zuvor gesicherte Lungenanteil keilförmig herausgetrennt. Es bedarf in der Regel 2–3 Nachladeeinheiten. 7 Zur Schaffung einer großen Wundfläche an der Thoraxinnenwand wird eine Pleurektomie durchgeführt. Während der Heilung verklebt die Lungenoberfläche breitflächig mit der Brustwand. Dies dient zur Vermeidung eines erneuten Pneumothorax. 6
7 Der Patient wird in Rückenlage mit weit rekliniertem Kopf gelagert und steril abgedeckt. 7 Der Hautschnitt wird ca. 2–3 cm über dem Jugulum gelegt, der gerade Halsmuskel wird mit Langenbeck- oder kleinen Roux-Haken auseinander gedrängt. Möglicherweise muss eine V. thyreoidea inferior ligiert werden. 7 Die Halsfaszie wird durchtrennt, die Präparation der Trachea erfolgt über ein Mediastinoskop. 7 Bis ins vordere Mediastinum unter Durchtrennung der Fascia cervicalis media wird entlang der Trachea stumpf präpariert. Das Mediastinoskop mit beleuchteter Optik wird in den prätrachealen und retrosternalen Raum eingeführt. Die paratrachealen Lymphknoten werden bis zum Tracheobronchialwinkel unter Saugung dargestellt (. Abb. 6.14). Lymphknoten sollten vor der Exstirpation punktiert werden, um Verletzungen von Blutgefäßen zu vermeiden. 7 Mit einer PE-Zange erfolgt die Lymphknotenexstirpation. Wichtig ist hier die korrekte Beschriftung der Präparate, um das Histologieergebnis auswerten zu können. 7 Die sorgfältige Blutstillung und der Wundverschluss beenden diesen Eingriff.
333 6.9 · Eingriffe am Mediastinum
. Abb. 6.14 Einblick bei der Mediastinoskopie. (Nach Siewert 2001).
kZugangswege zum Mediastinum
Neben den angesprochenen Zugängen Sternotomie (7 Abschn. 6.3.3) oder Thorakotomie (7 Abschn. 6.3.1 und 7 Abschn. 6.3.2) gibt es hier spezielle Zugangswege: 4 Kollare Mediastinotomie: z. B. zur Entlastung entzündlicher Prozesse im Mediastinum. Der Hautschnitt verläuft über dem Jugulum zwischen beiden Mm. sternocleidomastoidei. 4 Superiore Mediastinotomie: Der Hautschnitt verläuft parallel zum Vorderrand des M. sternocleidomastoideus. 4 Anteriore parasternale Mediastinotomie: Seitlich neben dem Sternum erfolgt in Höhe der 2.–3. Rippe der Hautschnitt, bei Bedarf müssen die Knorpelanteile der oben genannten Rippen reseziert werden. 4 Posteriore Mediastinotomie: Der Zugang liegt neben der Wirbelsäule in Höhe der Skapula. Auch hier müssen Rippenanteile reseziert werden.
4 Lipome, 4 Perikardzyste 4 Strumen. Tumoren im mittleren Mediastinum: 4 Lymphome, 4 Granulome, 4 bronchogene Zysten. Tumoren im hinteren Mediastinum: 4 neurogene Tumoren, 4 mesenchymale Tumoren. Der Zugang zu den Tumoren des vorderen Mediastinums erfolgt über die mediane, longitudinale Sternotomie. Er erfordert eine übersichtliche Darstellung des OP-Gebietes, um die Resektionsgrenzen optimal festlegen zu können. kOperative Zugangswege
6.9.2
Mediastinaltumoren
Mediastinaltumoren sind hauptsächlich im vorderen Mediastinum zu finden. Tumoren im vorderen Mediastinum: 4 Thymome, 4 Teratome, 4 Lymphome,
4 Mediane Sternotomie, 4 ggf. hohe Thorakotomie (Eröffnung des Thorax unterhalb der 1. Rippe), 4 VATS.
6
334
Kapitel 6 · Thoraxchirurgie
6.10
Knöcherne Thoraxwand
Mediastinaltumorresektion
6
7 In der Regel erfolgt über die mediane Sternotomie die Darstellung des Tumors. Damit beginnt die Ausschälung aus dem mediastinalen und perikardialen Fettgewebe. 7 Von kranial her werden die hier verlaufenden Nerven- und Gefäßstrukturen dargestellt: – V. anonyma mit ihrer Einmündung in die V. cava superior, – A. carotis, – A. brachiocephalica, – Thymusrestgewebe, – Aortenbogen. 7 N. phrenicus bei möglicher Eröffnung der Pleurahöhlen. 7 Eröffnete Pleurahöhlen müssen abschließend mit einer Thoraxdrainage versorgt werden; die Pleura kann an der mediastinalen Umschlagfalte mit resorbierbarem Nahtmaterial verschlossen werden. 7 Die tumorversorgenden Blutgefäße haben keinen einheitlichen Verlauf und werden mit resorbierbarem Nahtmaterial ligiert. 7 Blutstillung und Entnahme des Präparates. 7 Substernal wird eine Wunddrainage, z. B. Redon Ch 16 oder Thoraxdrainage Ch 20, gelegt. 7 Sternumverschluss.
6.9.3
VATS-Thymektomie
Korrekturoperationen der Trichterbrust, seltener der Hühnerbrust, wie auch Brustwandtumoroperationen können an der knöchernen Thoraxwand notwendig werden.
6.10.1
Trichterbrust
Indikationen zu einer operativen Behebung dieser angeborenen Verformung der Thoraxwand sind zumeist kosmetische Gründe und/oder psychische Komponenten, selten eine Funktionseinschränkung. Die Indikation muss in Abhängigkeit vom Patientenalter kritisch gestellt werden. Das Prinzip der meisten Operationen einer Trichterbrust besteht in der Resektion des Rippenknorpels unter Belassung des umgebenden Periostschlauches. 4 Soll eine Anhebung durchgeführt werden, wird der eingesunkene Rippenknorpel durchtrennt und teilweise reseziert. Das Sternum wird mobilisiert, angehoben und mit Kirschner-Drähten oder Spangen stabilisiert. 4 Bei der sog. Umkehrung des Sternums werden Rippen und Sternum durchtrennt und umgekehrt wieder eingesetzt, sodass eine Vorwölbung entsteht.
Trichterbrustkorrektur nach Nuss Unter thorakoskopischer Sicht wird eine Metallplatte unterhalb des Sternums implantiert. Die Platte drückt bogenförmig das Sternum nach außen und verbleibt 2–3 Jahre im Brustkorb.
kLagerung
Halbseitenlagerung (30°). VATS-Thymektomie 7 Markierung der 3 Hautinzisionen für die Trokare an der submammären Hautfalte. 7 Einführung des Thorakoskops. 7 Darstellung des N. phrenicus und Inzision der Pleura mediastinalis an der Pleuraumschlagfalte. 7 Freilegung des Fettgewebes mittels Ultraschalldissektion. 7 Freilegung der V. anonyma, ggf der V. cava superior rechts. 7 Mobilisation des Fettgewebes und des Thymusgewebes, kranial und seitlich kranial. 7 Sichtbar dargestellte Thymusblutgefäße werden durchtrennt. En-bloc-Entfernung des Thymus und des Fettgewebes.
kZugangswege
4 Posterolaterale Thorakotomie, 4 anteriore Thorakotomie, 4 mediane Sternotomie.
6.10.2
Thoraxwandtumoren
Hier kann es sich um Metastasen, invasiv wachsende Pleuratumoren oder von der Thoraxwand ausgehende Tumoren handeln (. Tab. 6.2). kPrinzip
Der Tumor wird im Gesunden unter kompletter Mitnahme der Rippen entfernt. Aus Radikalitätsgründen wird benachbartes Lungengewebe en-bloc mitrezesiert. Der Sicherheitsabstand bei Benignomen beträgt 2 cm, bei Malignomen 4 cm.
335 6.10 · Knöcherne Thoraxwand
. Tab. 6.2 Thoraxwandtumoren Knochentumoren
Weichteiltumoren
Gutartige Tumoren
Chondrome Osteochondrome fibröse Dysplasie
Bösartige Tumoren
Osteosarkome Chondrosarkome Plasmozytome
Gutartige Tumoren
Fibrome Lipome Neurinome
Bösartige Tumoren
Fibro-, Lipo- und Angiosarkome in die Brustwand eingebrochenes Bronchialkarzinom
7
7 7
7
kZugangswege
4 Thorakotomie postero- oder anterolateral, 4 mediane Sternotomie.
7
Brustwandteilresektion 7 Eröffnung des Thorax je nach Lokalisation des Befundes, der präoperativ über die CT-Diagnostik identifiziert wurde. 7 Ober- oder unterhalb der Brustwandinfiltration wird in den Interkostalraum eingegangen. 7 Vor der Rippenresektion ventral und dorsal der Raumforderung wird mit einem Raspatorium nach Doyen das Weichgewebe von der Rippe abgeschoben und diese mit einer Rippenschere reseziert. 7 Die Interkostalmuskulatur zwischen den zu resezierenden Rippen wird präpariert und auf Höhe der Rippenresektion die Gefäß- und Nervenstränge mit resorbierbarem Nahtmaterial ligiert und durchtrennt. 7 So wird bei allen tumorbefallenen Rippen ventral und dorsal des Tumors verfahren. 7 Oberhalb der letzten betroffenen Rippe wird der Interkostalraum in üblicher Weise durchtrennt, sodass der resezierte Brustwandanteil auf dem Tumor bzw. dem Lungengewebe en bloc in die Thoraxhöhle hineinverlagert wird, um anschließend den Lungengewebeanteil zu präparieren und diesen entweder als nicht anatomische oder als anatomische Resektion mit zu entfernen. Bei Resektionen von mehr als 2 Rippen muss zur Brustwandstabilisierung eine Brustwandrekonstruktion stattfinden. Das verhindert eine Einschränkung der Atemmechanik bzw. der Lungenbelüftung und 6
7 7
dient dem Organschutz (Herz, Lunge, Oberbauchorgane). Große Brustwand- oder Sternumdefekte können durch eine »Sandwichplastik« ergänzt werden: mit einer anmodellierten Knochenzementplatte zwischen 2 Blättern einer Gore-Tex-Membran oder einem resorbierbaren Kunststoffnetz. Stabilisierung mit autologem Material (Insellapen des Muskels oder Omentum majus). Die vitale Deckung durch Muskelplastiken wie z. B. M. latissimus dorsi oder ventral durch M. pectoralis ist möglich. Zur Befestigung werden zirkumkostale Nähte aus nicht resorbierbarem Nahtmaterial rund um den Defekt vorgelegt und das Ersatzmaterial zügig unter Spannung eingenäht, während die Knochenzementplatte aushärtet. Auf die Ersatzmembran wird eine Redondrainage Ch 16 gelegt, um im Bereich des Fremdmaterials eine Serum- und/oder Hämatombildung zu vermeiden, da dies eine Wundinfektion begünstigen würde. Thoraxdrainageneinlage je nach Operationsbefund. Schichtweiser Wundverschluss.
6
7
Kardiochirurgie F.-Ch. Rieß, U. Kammin, M. Liehn, B. von Essen, A. Urbans, L. Hansen
7.1
Geschichte der Kardiochirurgie
– 338
7.2
Kardiochirurgische Operationsverfahren
7.3
Herz-Lungen-Maschine
7.4
Chirurgische Zugänge
7.5
Koronarchirurgie
7.6
Linksventrikuläre Aneurysmektomie
7.7
Aortenklappenchirurgie
7.8
Mitralklappenchirurgie
7.9
Trikuspidalklappenchirurgie
– 338 – 340
– 342 – 347
– 348 – 357
7.10 Aortenaneurysmachirurgie
– 360 – 361
7.11 Chirurgie kongenitaler Herzfehler 7.12 Erkrankungen des Herzbeutels 7.13 Herztumoren
– 338
– 365
– 371
– 372
7.14 Pulmonale Thrombektomie
– 373
7.15 Behandlung von Herzrhythmusstörungen – 374 7.16 Kreislaufunterstützungssysteme 7.17 Herztransplantation
– 376
– 378
M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
7
338
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
7.1
Geschichte der Kardiochirurgie
Die Herzchirurgie umfasst die operative Behandlung von angeborenen und erworbenen Erkrankungen des Herzens sowie der großen herznahen Gefäße. Die Herzchirurgie ist ein vergleichsweise junges Fach. Im Jahr 1896 wurde durch Rehn in Frankfurt erstmals eine Herzverletzung erfolgreich operativ behandelt. Ein weiterer Meilenstein in der Herzchirurgie ist die Einführung der Herz-Lungen-Maschine (HLM) durch Gibbon im Jahr 1953, durch die operative Eingriffe am stillgestellten und blutleeren Herzen erst möglich wurden. Hierzu zählen die koronare Bypasschirurgie (7 Abschn. 7.5), Herzklappenchirurgie (7 Abschn. 7.7 bis 7 Abschn. 7.9), Aortenaneurysmachirurgie (7 Abschn. 7.10), Behandlung von angeborenen Herzfehlern (7 Abschn. 7.11), und die Herztransplantation (7 Abschn. 7.17). Auch in der Kardiochirurgie werden zunehmend sog. minimal-invasive Operationstechniken (7 Abschn. 7.5.2, 7 Abschn. 7.5.3, 7 Abschn. 7.7.7, 7 Abschn. 7.8 und 7 Abschn. 7.9) eingesetzt. Dabei wird versucht, über kleinere chirurgische Zugänge und/oder die Vermeidung der HerzLungen-Maschine den Eingriff für den Patienten schonender zu gestalten.
7.2
Kardiochirurgische Operationsverfahren
jEingriffe am schlagenden Herzen ohne Herz-Lungen-Maschine
Hierzu zählen insbesondere minimal-invasive Koronaroperationen, Übernähungen von Herzverletzungen und Eingriffe am Herzbeutel. jOperationen mit Herz-Lungen-Maschine
Hierzu zählen koronare Bypassoperationen, die gesamte Klappenchirurgie, Eingriffe an den herznahen großen Gefäßen, Korrekturen angeborener Herzfehler sowie Herztransplantationen.
7.3
Herz-Lungen-Maschine
7.3.1
Aufbau
Im Jahr 1953 wurde von Gibbon die HLM mit dem ersten erfolgreichen Verschluss eines Vorhofseptumdefektes in die Klinik eingeführt. Mit der HLM oder auch extrakorporaler Zirkulation (EKZ) bestand nun die Möglichkeit, Eingriffe am stillstehenden und blutleeren Herz vorzunehmen. Die HLM besteht aus Blutpumpen, Oxygenator mit Wärmeaustauscher sowie Normo-Hypothermiegerät
. Abb. 7.1 Prinzip der Herz-Lungen-Maschine
(. Abb. 7.1). Als Blutpumpen dienen Rollenpumpen oder Zentrifugalpumpen. Sie ersetzen die Pumpfunktion des Herzens. Die Perfusionsmenge wird an die Körperoberfläche angepasst, die sich aus dem Körpergewicht und der Körperlänge errechnet. Der Oxygenator dient zur Sauerstoffanreicherung des Blutes und zur Entfernung des Kohlendioxids (CO2). In modernen Oxygenatoren trennt eine semipermeable (mikroporöse) Membran Blut- und Gasphase voneinander. Sauerstoff (O2) diffundiert über die Membran ins Blut, und CO2 wird über die Membran aus dem Blut abgeatmet. Der Wärmeaustauscher ermöglicht die Temperaturreduktion bzw. Wiederaufwärmung des Blutes auf die gewünschte Temperatur. Bestimmte Operationen, wie beispielsweise die Resektion von Aortenbogenaneurysmen, werden zum Teil in tiefer Hypothermie (18–22 °C) durchgeführt (7 Abschn. 7.10.2). Dabei ist eine Unterbrechung der Perfusion (Kreislaufstillstand) für eine Zeit von 30–60 min möglich. Während des Kreislaufstillstands wird meist über die Carotisarterien eine antegrade oder über die obere Hohlvene eine retrograde Kopfperfusion zur weiteren Kühlung des Gehirns sowie zum Auswaschen von sauren Stoffwechselendprodukten und zur anschließenden Entlüftung vorgenommen. So kann über eine in die obere Hohlvene eingeführte und mit einer Drossel versehene Kanüle in der Regel
339 7.3 · Herz-Lungen-Maschine
400 ml gekühltes Blut pro Minute aus der HLM verabreicht werden. Durch dieses Verfahren kann die tolerierte Kreislaufstillstandzeit verlängert werden.
7.3.2
Standardoperation mit Herz-Lungen-Maschine
Standardoperation mit HLM 7 Anordnung im OP-Saal (. Abb. 7.3). 7 Mediane Sternotomie (. Abb. 7.16a). Herzbeuteleröffnung. Antikoagulation mit Heparin (400 I. E. Heparin/kg i.v.). 7 Anschluss an die HLM mit Kanülierung der Aorta ascendens (. Abb. 7.1, . Abb. 7.4), ggf. nach Leistenfreilegung (7 Abschn. 7.10) der A. femoralis (. Abb. 7.5). Kanülierung des rechten Vorhofs sowie der unteren Hohlvene mit einer sog. Zweistufenkanüle (. Abb. 7.6) oder beider Hohlvenen (. Abb. 7.1) mittels einfacher venöser Kanülen (. Abb. 7.7), die jeweils mit einem Tourniquet (Gefäßdrossel) so abgedichtet werden können, dass bei Eröffnung des Vorhofs keine Luft in die venöse Linie der HLM gelangen kann. Alternativ kann z. B. bei Reoperationen oder minimal-invasiven Eingriffen eine lange venöse Kanüle eingesetzt werden (. Abb. 7.8). 7 Anfahren der HLM. Das Blut gelangt dabei passiv zur HLM, wird dort mit O2 angereichert (oxygeniert) und von CO2 befreit und anschließend über die arterielle Linie in die Aorta ascendens bzw. A. femoralis zurückgeführt (. Abb. 7.1). Einlegen eines sog. Aortenwurzelkatheters (. Abb. 7.9) in die Aorta ascendens zur Verabreichung von Kardioplegielösung (s. unten) und zum späteren Entlüften des Herzens. Queres Abklemmen der Aorta ascendens (. Abb. 7.11) mit der Fogarty-Klemme (. Abb. 7.12). 7 Stillstellen des Herzens durch eine sog. kardioplegische Lösung. Diese ist meist 4–10°C kalt und enthält Kalium, das zu einer elektromechanischen Entkoppelung des Herzmuskelgewebes führt. Durch den Stillstand des Herzens und die Kühlung werden die Energiereserven des Herzens geschont, z. B. für Eingriffe am stillstehenden und blutleeren Herzen (z. B. koronare Bypassoperation oder Klappenoperation). 7 Alternativ werden bestimmte Operationen am schlagenden Herzen mit vorübergehender Aortenabklemmung durchgeführt. 6
. Abb. 7.2 Moderne HLM mit Hypothermiegerät. (Abb. freundlicherweise überlassen vom Albertinen-Krankenhaus Hamburg und RIESSmedien)
. Abb. 7.3 Anordnung im OP-Saal. (Abb. freundlicherweise überlassen vom Albertinen-Krankenhaus Hamburg und RIESSmedien)
7 Wiederbelebung des Herzens über Freigabe der Koronarzirkulation durch Öffnen der Aortenklemme. Spontaner Sinusrhythmus oder elektrische Rhythmisierung durch Defibrillation (interne Schocklöffel; . Abb. 7.13). Einlegen von passageren Schrittmacherelektroden (. Abb. 7.14) auf den rechten Vorhof und rechten Ventrikel. Abstellen der HLM. 7 Dekanülierung. Neutralisierung des Heparins mit Protaminchlorid (-sulfat). Blutstillung. Drainagen, je nach Operation perikardial, pleural und retrosternal (7 Abschn. 1.7). Osteosynthese des Sternums mit Drahtcerclagen und bei Risikofaktoren für eine Sternuminstabilität (Diabetes, Osteoporose, Lungenerkrankungen) mit zusätzlichem Stahlband (. Abb. 7.15; s. hierzu auch . Abb. 7.24).
7
340
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
7.4
7
7.8 7.5
7.9
7.6
7.7
. Abb. 7.4 . Abb. 7.5 . Abb. 7.6 . Abb. 7.7
7.4
Aorta-ascendens-Kanüle. (Fa. Jostra) Elongierte Trokarkanüle. (Fa. Medtronic) Venöse Zweistufenkanüle. (Fa. Jostra) Hohlvenenkanülen. (Fa. Stöckert)
Chirurgische Zugänge
jMediane Sternotomie
Häufigster chirurgischer Zugang in der Herzchirurgie (. Abb. 7.16a). Das Brustbein wird in ganzer Länge mit einer Stichsäge (. Abb. 6.8) bzw. einer oszillierenden Säge durchtrennt.
7.10 . Abb. 7.8 Lange venöse Kanüle. (Fa. Medtronic) . Abb. 7.9 Aortenwurzelkatheter. (Fa. Jostra) . Abb. 7.10 Selektive Kardioplegiekatheter. (Fa. Krauth medical)
jPartielle superiore Sternotomie
Dabei wird das Brustbein in der Mitte bis zum 3. bzw. 4. Interkostalraum (ICR) rechts durchtrennt (. Abb. 7.16b). Dieser Zugang wird beispielsweise bei einer minimalinvasiven Aortenklappenoperation genutzt (7 Abschn. 7.7.7).
341 7.4 · Chirurgische Zugänge
. Abb. 7.14 Passagere Schrittmacherdrähte. (Fa. Osypka)
. Abb. 7.11 Intraoperativer Situs nach Anschluss der HLM und querer Aortenabklemmung. (Abb. freundlicherweise überlassen vom Albertinen-Krankenhaus Hamburg und RIESSmedien)
. Abb. 7.15 Sternumverdrahtung mit Hilfe von Drahtcerclagen und zusätzlichem Sternumband. (Fa. Ethicon)
. Abb. 7.12 Fogarty-Klemme. (Fa. Ulrich)
. Abb. 7.13 Interne Schocklöffel. (Fa. Medtronic)
. Abb. 7.16 a–f Chirurgische Zugänge. Mediane Sternotomie (a), partielle superiore Sternotomie (b), partielle inferiore Sternotomie (c), links anteriore Thorakotomie (d), rechts anteriore Thorakotomie (e), links anterolaterale Thorakotomie (f)
7
342
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
jPartielle inferiore Sternotomie
Das Brustbein wird in der Mittellinie bis in den 3. ICR links eröffnet (. Abb. 7.16c). Dieser Zugang ist geeignet für einen minimal-invasiven LIMA-LAD-Bypass (LIMA = Left Internal Mammary Artery = linke innere Brustbeinschlagader; LAD = Left Anterior Descending = vordere absteigende Koronararterie) (7 Abschn. 7.5.4). jLinksanteriore Thorakotomie
Die linksanteriore Thorakotomie wird meist im 4. oder 5. ICR angelegt (. Abb. 7.16d) und findet Verwendung bei einem minimal-invasiven LIMA-LAD-Bypass oder bei linksseitiger Perikardfensterung (7 Abschn. 7.12.1).
7
jRechtsanteriore Thorakotomie
Dabei wird der Thorax im 4. oder 5. ICR eröffnet (. Abb. 7.16e). Dieser Zugang wird bei minimal-invasiven Atriumseptumdefekt- (ASD-) Operationen (7 Abschn. 7.11.1), bei der minimal-invasiven Mitralklappenchirurgie (7 Abschn. 7.8), bei Trikuspidalklappenoperationen (7 Abschn. 7.9) und bei rechtsseitigen Perikardfensterungen (7 Abschn. 7.12.1) benutzt. jLinksanterolaterale Thorakotomie
Dieser Zugang (. Abb. 7.16f) findet Verwendung bei der Aortenisthmusstenosenoperation (7 Abschn. 7.11.4) und dem Verschluss eines Ductus Botalli (7 Kap. 13).
7.5
Koronarchirurgie
jAllgemeines
Die koronare Herzkrankheit ist die häufigste Erkrankung in der Zivilisationsgesellschaft. Nahezu 100.000 Menschen sterben in Deutschland jedes Jahr an den Folgen eines Herzinfarktes. Im Rahmen der koronaren Herzkrankheit kommt es zu Einengungen (Stenosen) oder zum Verschluss von Herzkranzarterien und damit zu einer Mangelversorgung des Herzmuskelgewebes (Myokards). Risikofaktoren für die Entstehung einer koronaren Herzkrankheit sind: genetische Disposition, Hypertonus, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus, Nikotinabusus, Übergewicht, Bewegungsmangel und Stress. Ein kompletter Gefäßverschluss (totale Ischämie) führt häufig zu einer Zellnekrose (Herzinfarkt). Ist ein Koronargefäß nur hochgradig eingeengt und noch eine Restperfusion vorhanden, so leidet der Patient in der Regel unter bei Belastung auftretendem, anfallsweisem Engegefühl und Herzschmerzen (Angina pectoris). Das Prinzip der operativen Behandlung der koronaren Herzkrankheit ist die Normalisierung des O2-Angebots an das Herzmuskelgewebe. Dies wird erreicht durch die Überbrückung der Koronarstenosen oder -verschlüsse mit körpereigenen arteriellen oder venösen Gefäßen (. Abb. 7.17).
. Abb. 7.17 Prinzip der koronaren Bypass-Chirurgie (LIMA = »left internal mammary artery« = linke innere Brustbeinschlagader; LAD = »left anterior descending« = vordere absteigende Koronararterie; ACVB = Aorto Coronarer Venen-Bypass)
Der erste erfolgreiche aortokoronare Venenbypass (ACVB) wurde von Garitt und Bailey 1964 durchgeführt und der erste erfolgreiche Arteria-mammaria-Bypass ohne HLM von Kolessov im Jahre 1964 und mit HLM von Green 1967. Heute haben minimal-invasive Verfahren ohne Einsatz der HLM (sog. Off-pump-Revaskularisation) und die Verwendung von arteriellen Bypasses eine immer größere Bedeutung. Von der Vermeidung der HLM profitieren insbesondere ältere Patienten mit schweren Begleiterkrankungen wie Nierenfunktionsstörungen, Diabetes mellitus, Lungenerkrankungen, neurologischen Erkrankungen, Verkalkungen der Aorta ascendens und Tumorpatienten, da es nicht zum Kontakt des Blutes mit Kunststoffoberflächen der HLM und daraus resultierenden Nebenwirkungen auf praktisch alle Organsysteme kommt. jOperationen
Die im Folgenden genannten OP-Bedingungen gelten für alle hier beschriebenen koronarchirurgischen Eingriffe. kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung mit Sternumretraktor (. Abb. 7.18). 4 Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge (. Abb. 6.13). 4 Diathermie oder Ultraschallskalpell. 4 Sauger.
343 7.5 · Koronarchirurgie
7.20
7.18
7.21 7.19 . Abb. 7.18 Birnbaumsperrer. (Fa. Pilling Weck) . Abb. 7.19 Mammariasperrer. (Fa. Jostra) . Abb. 7.20 Aortenstanze. (Fa. Aesculap AG)
. Abb. 7.21 Flexibler Stabilisationsarm für Off-pump-Koronarrevaskularisation mit Koronar-Stabilisationsplattform nach Riess. (Fa. Geister)
4 Gefäßstandardinstrumentarium (7 Kap. 4). 4 Diverse Gefäßklemmen, wie Satinsky- (. Abb. 4.33), Fogarty-Klemme (. Abb. 7.12). 4 Feines Koronarinstrumentarium. 4 Bulldogklemmen (. Abb. 4.38 u. . Abb. 4.39). 4 Clipzange. 4 Mammariasperrer (. Abb. 7.19). 4 Thoraxdrainage, Redon-Drainage (7 Abschn. 1.7). 4 Gummizügel. 4 Aortenstanze (. Abb. 7.20). 4 Ein etwas kräftigeres Gummirohr als Tourniquet (7 Abschn. 4.1.3) zur Fixierung der HLM-Kanülen (. Abb. 7.11). 4 Schocklöffel (. Abb. 7.13), Schrittmacherdrähte (. Abb. 7.14). 4 Flexibler Haltearm (. Abb. 7.21) und Stabilisationsfuß (. Abb. 7.22). 4 Silikonloops mit stumpfer Nadel zur Koronarokklusion (. Abb. 7.23).
kNahtmaterial
4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Gefäßnahtmaterial aus Polypropylen. 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial. 4 Drahtnaht, Sternumband und Sternumspanner (. Abb. 7.15 und . Abb. 7.24). 4 Filzarmiertes geflochtenes Nahtmaterial (tiefe Perikardnähte zur Herzluxation; . Abb. 7.31). kLagerung
4 Rückenlagerung. 4 Beide Arme angelagert. 4 Der linke Arm wird ggf. zur Entnahme der A. radialis ausgelagert. 4 Gelrolle unter beide Knie. 4 Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken Schulterblatt.
7
344
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
kAbdeckung
kRasur
4 Nach Standard. 4 Zur Venenentnahme müssen beide Unterschenkel zugänglich sein. 4 Beide Füße steril abdecken.
4 Der Brustkorb (prästernal) und beide Leistenregionen werden rasiert. 4 Beide Beine müssen zirkulär rasiert werden, falls Venenentnahme geplant.
7.5.1
Standardkoronaroperation mit Herz-Lungen-Maschine
Standardkoronaroperation mit HLM
7 7.22
7.23
7.24 . Abb. 7.22 Die Koronarstabilisationsplattform mit Kugelkopf ermöglicht in Kombination mit dem wiederverwendbaren flexiblen Haltearm die lokale Stabilisation aller Koronararterien. (Fa. Cardiomedical) . Abb. 7.23 Siliconloop mit stumpfer Nadel für Koronarokklusion. (Fa. Genzyme) . Abb. 7.24 Sternumband und Sternumspanner. (Fa. Ethicon)
7 Mediane Sternotomie. Präparation der linken A. mammaria (LIMA) mit Spezialsperrer (. Abb. 7.19) entweder als Pedikel (mit Begleitgewebe und Begleitvenen) oder skelettiert (ohne Begleitgewebe und Begleitvenen) (. Abb. 7.25). Dabei werden Seitenäste zwischen Titanclips durchtrennt oder mit Diathermie oder einem Ultraschallskalpell verschlossen. 7 Entnahme der V. saphena magna, die an der Innenseite des Beines verläuft. Verschluss der Seitenäste mit 5–0 monofilem Polypropylen und Titanclips. 7 Anschluss an die HLM mit der Aorta-ascendensKanüle und einer venösen Zweistufenkanüle. 7 Aortenabklemmung, kardioplegischer Herzstillstand über Aortenwurzelkatheter. Alternativ können die peripheren Anastomosen auch während intermittierender Aorta-ascendens-Abklemmung angelegt werden. Nähen der peripheren Anastomosen zwischen den Bypassgefäßen und den Koronararterien (. Abb. 7.26) mit 8–0 oder 7–0 monofilem Polypropylen. Öffnen der Aortenklemme und Wiederbeleben des Herzens. Gegebenenfalls Rhythmisierung. 7 Nähen der zentralen Anastomosen zwischen V. saphena magna und der Aorta ascendens mit einer fortlaufenden 6–0 monofilen Polypropylennaht (. Abb. 7.27) an der mit einer SatinskyKlemme tangential ausgeklemmten Aorta. Bei Aorta-ascendens-Verkalkungen können die zentralen Anastomosen im kardioplegischen Stillstand genäht werden, um Kalkembolisationen durch eine seitliche Ausklemmung zu vermeiden. Aufnähen von Schrittmacherdrähten auf rechten Vorhof und rechten Ventrikel. Abgehen von der HLM. 7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Drainagen (pleural/perikardial/retrosternal). Thoraxverschluss.
345 7.5 · Koronarchirurgie
7.5.2
Komplette arterielle Revaskularisation
Komplette arterielle Revaskularisation
. Abb. 7.25 Skelettierende Präparation der inneren Brustbeinschlagader. (Abb. freundlicherweise überlassen vom AlbertinenKrankenhaus Hamburg und RIESSmedien)
7 Mediane Sternotomie (. Abb. 7.16a). 7 Präparation beider Aa. mammariae (LIMA und RIMA) sowie evtl. zusätzlich der A. radialis, die am linken oder rechten Unterarm entnommen wird, oder der A. gastroomentalis (. Abb. 7.28). Seitenäste werden zwischen Clips oder monopolar durchtrennt. 7 Nähen eines sog. T-Grafts; hierbei wird entweder die skelettierte RIMA oder die A. radialis in einem 90°Abgangswinkel mit einer fortlaufenden 8–0 Polypropylennaht in die LIMA implantiert (. Abb. 7.29). Alternativ können auch beide Brustbeinschlagadern in situ belassen werden. Anschluss an die HLM, Aortenabklemmung, kardioplegischer Herzstillstand (7 Abschn. 7.3.2). Anlegen der peripheren Anastomosen jeweils mit 8–0 fortlaufender Polypropylennaht, dabei werden End-zu-Seit-Anastomosen oder »jumps« (Seit-zu-Seit-Anastomosen) angelegt (. Abb. 7.29). Außerdem können Bypassgefässe als Y in einen anderen Bypass implantiert werden. 7 Öffnen der Aortenklemme. Reperfusion. Rhythmisierung. Passagere Schrittmacherelektroden. Abstellen der HLM. 7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Drainagen. Thoraxverschluss. 7 Bei Entnahme der A. radialis wird ähnlich wie nach Saphenektomie eine Redon-Drainage eingelegt.
. Abb. 7.26 Distale Koronaranastomose
7.5.3
Minimal-invasive Koronarrevaskularisation des LAD ohne Herz-Lungen-Maschine
Minimal-invasive Koronarrevaskularisation des LAD ohne HLM 7 Partielle inferiore Sternotomie (Linksanteriore Thorakotomie, komplette Sternotomie). 7 Präparation der linken A. mammaria interna (LIMA). Seitenäste werden zwischen Clips oder monopolar durchtrennt. 7 Heparingabe. Vorübergehende Koronarokklusion mit 2 Silikonloops in Kombination mit einem Stabilisator (. Abb. 7.30). Anlegen der peripheren LIMA-LAD-Anastomose mit einer 8–0 fortlaufenden monofilen Polypropylennaht. 7 Protamingabe. Blutstillung. Drainagen. Thoraxverschluss. . Abb. 7.27 Zentrale Bypassanastomose
7
346
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
a
7
. Abb. 7.28 Arterielle Bypassgefäße (LIMA = »left internal mammary artery«; RIMA = »right internal mammary artery«)
b
c
. Abb. 7.29 Komplette arterielle Revaskularisation mittels LIMA und RIMA als T-Graft
. Abb. 7.30 a–c Stabilisation der Herzmuskelwand sowie der Koronargefäße während minimal-invasiver Koronarchirurgie durch Kompression (a), Sog (b) oder Kompression/Zug (c)
347 7.6 · Linksventrikuläre Aneurysmektomie
7.5.4
Komplette arterielle Koronarrevaskularisation ohne Herz-Lungen-Maschine
Komplette arterielle Koronarrevaskularisation ohne HLM 7 Mediane Sternotomie. 7 Präparation beider Aa. mammariae (LIMA und RIMA) sowie evtl. zusätzlich der A. radialis, die am linken oder rechten Unterarm entnommen wird, oder der A. gastroomentalis. Seitenäste werden zwischen Clips oder monopolar durchtrennt. 7 Nähen eines sog. T-Grafts. Hierbei wird entweder die skelettierte RIMA oder die A. radialis in einem 90°-Abgangswinkel in die LIMA mit einer fortlaufenden 8–0 Polypropylennaht implantiert. Alternativ können auch beide Brustbeinschlagadern in situ belassen werden. 7 Herzluxation mit tiefen Herzbeutelnähten oder Herzbeutelschlingen (. Abb. 7.31) zur Einstellung der dorsalen Koronarien. Heparingabe. Vorübergehende Koronarokklusion mit 2 Silikonloops in Kombination mit lokaler Stabilisation. 7 Anlegen der peripheren Anastomosen jeweils mit 8–0 fortlaufenden monofilen Polypropylennähten; dabei werden End-zu-Seit-Anastomosen oder Jumps (Seit-zu-Seit-Anastomosen) angelegt. Außerdem können Bypassgefäße als Y in einen anderen Bypass implantiert werden. 7 Protamingabe. Blutstillung. Passagere Schrittmacherelektroden. Drainagen. Thoraxverschluss.
7.6
Linksventrikuläre Aneurysmektomie
. Abb. 7.31 Luxation des Herzens während minimal-invasiver Koronarrevaskularisation durch tiefe Perikardschlingen. Koronarstabilisation mit flexiblem Haltearm und Stabilisationsplattform nach Riess. (Beispiel: Fa. Geister). (Abb. freundlicherweise überlassen vom Albertinen-Krankenhaus Hamburg und RIESSmedien)
a
kPrinzip
Das Prinzip der Aneurysmektomie ist die Verkleinerung des Innendurchmessers der linken Herzkammer. Nach dem LaPlace-Gesetz kommt es durch die Verringerung der Wandspannung zur Verminderung des O2-Bedarfs des Myokards (. Abb. 7.32) kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung mit Sternumsperrer. 4 Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge. 4 Diathermie oder Ultraschallskalpell. 4 Sauger. 4 Gefäßstandardinstrumentarium. 4 Diverse Gefäßklemmen, Fogarty-Klemme, Clipzange. 4 Thoraxdrainage.
b
. Abb. 7.32 a, b Prinzip der linksventrikulären Aneurysmektomie. Längsschnitt durch den linken Ventrikel vor (a) und nach (b) Aneurysmektomie (LV = linker Ventrikel). Die roten Pfeile zeigen die Bewegungen während der Systole
7
348
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
a
7
b
c
. Abb. 7.33 a–c Linksventrikuläre Aneurysmektomie mit Thrombus-Ausräumung (a), Legen von filzarmierten Nähten (b) und fertige Aneurysmektomie (c)
4 Filzstreifen (Polytetrafluorethylen, PTFE) als Nahtwiderlager. 4 Ein etwas kräftigeres Gummirohr als Tourniquet zur Fixierung der HLM-Kanülen. 4 Schocklöffel, Schrittmacherdrähte.
ten oder schlagenden Herzen. Eröffnung des linksventrikulären Aneurysmas mit Messer/Schere (. Abb. 7.33a). Entfernung von Thromben. Legen von kräftigen geflochtenen filzarmierten U-Nähten, die im Randbereich der Myokardnarbe gestochen werden (. Abb. 7.33b). Entlüftung und Knüpfen der Nähte (. Abb. 7.33c). 7 Gegebenenfalls Öffnen der Aortenklemme, Wiederbelebung des Herzens. Reperfusion. Schrittmacherdrähte auf Vorhof und Kammer. Abstellen der HLM. Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Einlegen von Perikard- und Retrosternaldrainage. Thoraxverschluss.
kNahtmaterial
4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Gefäßnahtmaterial aus Polypropylen. 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial. 4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares geflochtenes beschichtetes Nahtmaterial (Polyester). 4 Drahtnaht, Sternumband und Sternumspanner. kLagerung
4 4 4 4
Rückenlagerung. Beide Arme angelagert. Gelrolle unter beide Knie. Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken Schulterblatt.
kAbdeckung
Nach Standard. kRasur
Brustkorb und beide Leistenregionen. Linksventrikuläre Aneurysmektomie 7 Mediane Sternotomie. Perikarderöffnung und Anschluss an die HLM mit einer Aorta-ascendens-Kanüle sowie einer venösen Zweistufenkanüle. 7 Aortenabklemmung und ggf. kardioplegischer Herzstillstand. Aneurysmektomie am stillgestell6
7.7
Aortenklappenchirurgie
jAortenklappenerkrankungen
Die Aortenklappe funktioniert als Ventil zwischen der linken Herzkammer und der Aorta ascendens. Durch Erkrankungen der Klappe kann es zu einer Einengung (Stenose), einer Undichtigkeit (Insuffizienz) oder einer kombinierten Schädigung mit teilweiser Einengung und teilweiser Undichtigkeit kommen. Je nach Befund der Klappe muss diese reseziert und durch eine Klappenprothese ersetzt werden oder kann in bestimmten Fällen auch rekonstruiert werden. jAortenstenose
Sie tritt gehäuft bei angeborenen bikuspidalen Aortenklappen auf, bei denen anstelle der 3 Taschen nur 2 angelegt sind. Auch ein rheumatisches Fieber, das bei Streptokokkeninfektionen auftritt, kann zu einer Schädigung der
349 7.7 · Aortenklappenchirurgie
Herzklappen führen. Ferner kann eine degenerative Fibrosierung bzw. Verkalkung im höheren Lebensalter eine Aortenklappenstenose mit Verklebung der Kommissuren und ausgeprägten Verkalkungen hervorrufen. jAortenklappeninsuffizienz
Durch eine nichtbakterielle Klappenerkrankung als Folge einer immunologischen Reaktion im Rahmen eines rheumatischen Fiebers (Alter bei Krankheitsbeginn 5–15 Jahre) kann es ähnlich wie bei der Aortenklappenstenose auch zu einer Undichtigkeit der Aortenklappe kommen. Dabei können die Klappen verdickt und zusammengeschrumpft sein. Ferner kann es im Rahmen angeborener Bindegewebsdefekte (z. B. Marfan-Syndrom) zu einer Ausweitung der Aortenwurzel mit einer nachfolgenden Aorteninsuffizienz kommen (7 Abschn. 7.10). Bei einer akuten Aorta-ascendensDissektion kann der Abriss der Klappenkommissuren zu einer Aortenklappeninsuffizienz führen (7 Abschn. 7.10.1). Die bakterielle Endokarditis durch direkte bakterielle Besiedlung des Klappengewebes kann zu einer Zerstörung der Klappentaschen mit nachfolgender Klappeninsuffizienz führen. Meist sind die befallenen Herzklappen kongenital fehlgebildet. Risikofaktoren für eine bakterielle Endokarditis sind Drogenkonsum, Alkoholabusus, Steroidtherapie, urologische Eingriffe sowie Zahnextraktionen. Im Rahmen einer bakteriellen Endokarditis kann es zu Abszessbildungen im Bereich der Aortenwurzel sowie zu arteriellen Embolisationen kommen.
7.7.1
Klappenprothesen
Klappen aus Kunststoff und Metall (alloplastische Prothesen) Die am häufigsten verwendete mechanische Prothese ist die Zweiflügel-Prothese (. Abb. 7.34, . Abb. 7.35). Vorteil: Unbegrenzte mechanische Haltbarkeit. Nachteil: Thromboembolische Komplikationen. Lebenslange Antikoagulation mit oralen Antikoagulantien (Marcumar) erforderlich.
Klappen aus biologischen Materialien Heterologe Klappen sind aus Schweine-Aortenklappen (. Abb. 7.36, . Abb. 7.37) bzw. Rinderperikard (. Abb. 7.38) hergestellt. Bei gestenteten Klappen (. Abb. 7.37, . Abb. 7.38) wird die Schweineklappe bzw. das Rinderperikard in einen Stent aus Metall und Kunststoff eingenäht. Bei ungestenteten Klappen (. Abb. 7.36, . Abb. 7.40) wird die Herzklappe nach Zurechtschneiden direkt in die Aortenwurzel des Patienten eingenäht oder es wird die gesamte Aortenwurzelprothese implantiert. Bei dieser Technik müssen beide Koronararterien reimplantiert werden. Zu diesem Zweck finden auch Conduits Verwendung, die aus
7.34
7.35 . Abb. 7.34 Mechanische Zweiflügel-Kipp-Prothese. (Fa. St. JudeMedical) . Abb. 7.35 Dacron-Conduit mit mechanischer Einscheiben-KippHerzklappenprothese. (Medtronic-Hall, Fa. Medtronic)
einem Perikardschlauch bestehen, in den eine porcine Klappe implantiert wird. Dieser Klappentyp, den es auch als halbgestentete Aortenklappe gibt, ist insbesondere geeignet für Patienten mit floriden Endokarditiden, da diese Klappen frei von synthetischen Materialien sind, welches die Ausheilung der Endokarditis begünstigt. Vorteil: Geringe Rate an thromboembolischen Komplikationen. Daher kann auf eine dauerhafte Antikoagulation mit Ausnahme eines bestehenden Vorhofflimmerns verzichtet werden. Nachteil: Begrenzte Haltbarkeit (8–15 Jahre in Abhängigkeit vom Implantationsort). Biologische Herzklappen halten aufgrund der unterschiedlichen mechanischen Belastung in der Aortenposition länger als in der Mitralposition.
Homologe Aortenklappen Werden auch als Homografts (menschliche Klappen von Spendern) bezeichnet (. Abb. 7.40). Sie können für den Aortenklappenersatz in subkoronarer Implantationstech-
7
350
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
7.38
7 7.36
7.39
7.37 7.40 . Abb. 7.36 Ungestentete heterologe Aortenwurzel. (Freestyle, Fa. Medtronic) . Abb. 7.37 Gestentete heterologe Bioherzklappenprothese. (Mosaic, Fa. Medtronic)
. Abb. 7.38 Heterologe Perikardklappe. (Perimount, Fa. Edwards) . Abb. 7.39 Anuloplastiering Trikuspidal. (Carpentier Classic-Ring, Fa. Edwards) . Abb. 7.40 Homograft-Herzklappenprothese. (Fa. Cryolife)
nik (. Abb. 7.42) oder als Aortenwurzelersatz mit Reimplantation der Koronarien benutzt werden. Vorteil: Längere Haltbarkeit als heterologe biologische Klappen. Nachteile: Ebenfalls begrenzte Haltbarkeit mit erneutem Auftreten von Klappenverkalkungen bzw. -insuffizienzen. Begrenzte Verfügbarkeit von Homografts.
Vorteil: Längere Haltbarkeit der homologen Pulmonalklappe in Aortenposition als die von heterologen biologischen Klappen. Nachteil: Aufwändige Operation sowie ungewisse Haltbarkeit des Homografts, der anstelle der entnommenen Pulmonalklappe implantiert wird.
Aortenklappenrekonstruktion Autologe Klappenersatzoperationen Bei der von Lord Ross im Jahr 1967 entwickelten OP-Technik wird eine körpereigene Klappe (Pulmonalklappe) in Aortenposition implantiert. Die Pulmonalklappe wird in der Regel durch einen Homograft ersetzt.
Bei einem Aorta-ascendens-Aneurysma kann es infolge der Kommissuren-Kippung nach auswärts zu einer Straffung der freien Klappenränder und damit zu einer zentralen Undichtigkeit der Aortenklappe kommen. Diese insuffizienten Aortenklappen können im Rahmen eines prothe-
351 7.7 · Aortenklappenchirurgie
tischen Ersatzes der Aorta ascendens rekonstruiert werden, indem die eigene Aortenklappe in die Aortenrohrprothese implantiert wird (7 Abschn. 7.7.7). Vorteile: Keine dauerhafte Antikoagulation erforderlich. Sehr gute Hämodynamik. Nachteil: Aufwändige Operation.
Auswahlkriterien des Klappentyps Alloplastische Klappen werden meist jüngeren Patienten und insbesondere in der Mitralposition implantiert. Biologische Herzklappen sind für Patienten geeignet, bei denen eine Behandlung mit gerinnungshemmenden Medikamenten grundsätzlich problematisch ist: Frauen mit Kinderwunsch, Patienten im Alter von über 75 Jahren sowie Patienten mit entsprechenden Blutungsrisiken. In den letzten Jahren ist international ein Trend hin zu biologischen Klappen zu verzeichnen. Gründe dafür sind das zunehmende Lebensalter der Patienten sowie deren Wunsch, ohne blutverdünnende Medikamente zu leben. Biologische Klappen haben eine bessere Haltbarkeit, und das Risiko einer Re-Operation ist somit herabgesetzt.
Operationen Die im Folgenden genannten OP-Bedingungen gelten für alle hier beschriebenen operativen Eingriffe an der Aortenklappe. kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung mit Sternumsperrer (. Abb. 7.18). 4 Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge. 4 Diathermie oder Ultraschallskalpell. 4 Sauger. 4 Gefäßstandardinstrumentarium. 4 Diverse Gefäßklemmen, Fogarty-Klemme. 4 Clipzange, Luer (Hohlmeißelzange), Rongeur (. Abb. 10.23). 4 Thoraxdrainage. 4 Ein etwas kräftigeres Gummirohr als Tourniquet zur Fixierung der HLM-Kanülen. 4 Schocklöffel, Schrittmacherkabel. 4 Aortenklappensizer. kNahtmaterial
4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Gefäßnahtmaterial aus Polypropylen. 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial. 4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares geflochtenes beschichtetes Nahtmaterial (grün/weiß Polyester) mit Teflonpatch. 4 Drahtnaht, Sternumband und Sternumspanner.
kImplantate
Biologische oder mechanische Aortenklappen (. Abb. 7.34 bis . Abb. 7.40). kLagerung
4 4 4 4
Rückenlagerung. Beide Arme angelagert. Gelrolle unter beide Knie. Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken Schulterblatt.
kAbdeckung
Nach Standard. kRasur
Die Körperoberfläche des Patienten ist komplett zu rasieren, inklusive beider Leistenregionen.
7.7.2
Aortenklappenersatz mit mechanischer oder biologischer Prothese
Klappenersatz mit mechanischer oder biologischer Prothese 7 Mediane Sternotomie. Alternativ superiore partielle Sternotomie bis zum 4. ICR. Perikarderöffnung. Heparingabe. 7 Anschluss an die HLM mit Aorta-ascendens-Kanüle sowie einer venösen Zweistufenkanüle. Aortenabklemmung und kardioplegischer Herzstillstand. Bei reiner Aortenstenose kann die Kardioplegie über den Aortenwurzelkatheter verabreicht werden. Bei mittelgradigen Aortenklappeninsuffizienzen ist in der Regel eine Kardioplegieapplikation mit speziellen Kathetern (. Abb. 7.10) erforderlich, um eine Regurgitation von Kardioplegie in den linken Ventrikel mit einer nachfolgenden Überdehnung der linken Herzkammer zu vermeiden. 7 Längseröffnung bzw. quere Aortotomie (. Abb. 7.41a). Entfernung der degenerativ veränderten bzw. verkalkten Aortenklappentaschen mit Hilfe von Schere, Luer und Rongeur (. Abb. 7.41b). Dabei ist sorgfältig darauf zu achten, dass es nicht zu Kalkembolisationen in die Koronararterien kommt. Spülung mit isotoner Kochsalzlösung und Absaugung. 7 Implantation der Klappenprothese je nach Lokalbefund, Klappentyp sowie Vorliebe des Operateurs mit filzarmierten U-Nähten, die supra- oder infrakoronar gelegt werden können (. Abb. 7.41c), Einzelknopfnähten oder mehreren fortlaufenden 2–0 6
7
352
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
monofilen Fäden. Herunterknüpfen der Klappenprothese. Entfernung des Klappenhalters. Verschluss der Aortotomie mit einer fortlaufenden 4–0 Blalock-Naht bzw. einer einfachen fortlaufenden monofilen Naht. 7 Öffnen der Aortenklemme, Wiederbelebung des Herzens. Rhythmisierung. Entlüftung. Reperfusion. Schrittmacherdrähte auf Vorhof und Kammer. Abstellen der HLM. 7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Einlegen von Perikard- und Retrosternaldrainage. Thoraxverschluss.
a
7 7.7.3
Subkoronarer Aortenklappenersatz mit Homograft/Heterograft b
Subkoronarer Aortenklappenersatz mit Homograft/Heterograft 7 Mediane Sternotomie. Perikarderöffnung. Heparingabe. Anschluss an die HLM über Aorta-ascendens- und venöse Zweistufenkanüle. 7 Quere Aortotomie bzw. Längsinzision der Aorta ascendens. Entfernung der verkalkten bzw. destruierten Aortenklappentaschen. Ausmessen des Aortenwurzeldurchmessers und Einnähen einer homologen bzw. heterologen ungestenteten Herzklappe nach entsprechender Vorbereitung (tiefgefrorene Homografts müssen nach einem speziellen Schema aufgetaut, glutaraldehydfixierte Bioklappen in physiologischer Kochsalzlösung gespült werden). 7 Zunächst wird der subvalvuläre Klappenring entweder mit einer fortlaufenden monofilen 4–0 Naht bzw. mit zahlreichen Einzelnähten eingenäht (. Abb. 7.42a). Bei einer fortlaufenden Nahttechnik kann es vorteilhaft sein, dass die Herzklappe mit ihren 3 Kommissuren in die linke Ausflussbahn eingestülpt wird (. Abb. 7.42b und . Abb. 7.42c). Anschließend werden die 3 Kommissuren mit monofilen Nähten (4–0) an der EmpfängerAorta ascendens an geeigneter Stelle fixiert (. Abb. 7.42d) und die zuvor in geeigneter Weise zurechtgeschnittenen Aortenwandreste der Spenderklappe mit fortlaufenden monofilen Nähten (4–0 oder 5–0) unterhalb beider Koronarien und im Bereich der akoronaren Aortenwand fixiert (. Abb. 7.42e). 6
c . Abb. 7.41 a–c Aortenklappenersatz mit mechanischer bzw. biologischer Prothese. Quere Aortotomie (a), Kalkentfernung mit Rongeur (b) und Legen von filzarmierten Klappennähten durch Aortenklappenring und Klappenprothesenring (c)
7 Verschluss der Aortotomie mit einer fortlaufenden Naht. 7 Öffnen der Aortenklemme. Wiederbeleben des Herzens. Gegebenenfalls Rhythmisierung. Reperfusion. Entlüftung. Aufnähen von Schrittmacherelektroden auf den rechten Vorhof und die rechte Kammer. Abgehen von der HLM. 7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Perikard- und Retrosternaldrainage. Thoraxverschluss.
353 7.7 · Aortenklappenchirurgie
c
a
d
b e
. Abb. 7.42 a–e Subkoronarer Aortenklappenersatz mit homologer bzw. heterologer Klappe. Vorlegen von drei monofilen 4–0 Nähten (LCA = Ostium der linken Koronararterie, RCA = Ostium der rechten Koronararterie) (a), Herunterziehen der Klappe (b), Einstül-
pen der drei Kommissuren in die linke Herzkammer (c), fortlaufendes Einnähen der Klappe in den Aortenklappenring sowie Fixierung der drei Kommissuren an geeigneter Stelle an der Aorta ascendens (d), fortlaufendes Einnähen subkoronar wie akoronar (e)
7
354
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
7.7.4
Aortenwurzelersatz mit Homooder Heterograft
Aortenwurzelersatz mit Homo- oder Heterograft
7
7 Mediane Sternotomie. Perikarderöffnung. Heparingabe. Anschluss an die HLM mit Aorta-ascendensKanüle sowie venöser Zweistufenkanüle (alternativ: A.-femoralis-Kanülierung oder Trokarkanüle). 7 Legen eines Aortenwurzelkatheters. Quere Aortenabklemmung. Gabe von Kardioplegielösung über den Aortenwurzelkatheter bei kompetenter Aortenklappe bzw. selektiv über beide Koronararterien bei Aorteninsuffizienz. 7 Quere Aortotomie bzw. Längseröffnung der Aorta ascendens. Ausschneiden beider Koronararterien mit einem schmalen Aortenwandsaum. Resektion der Aortenklappe. Gegebenenfalls Entfernung von Verkalkungen. Einnähen der homologen bzw. heterologen Aorta ascendens; hierbei wird zunächst der subvalvuläre Ring mit fortlaufenden bzw. Einzelnähten in den Aortenring eingenäht. Anschließend werden nacheinander zunächst die linke, dann die rechte Koronararterie mit fortlaufenden monofilen 5–0 Nähten in entsprechend vorbereitete Löcher der Aortenwurzelprothese implantiert. Anschließend Naht der distalen Anastomose zwischen heterologem bzw. homologem Aortenwurzelimplantat und der Aorta ascendens des Patienten mit einer fortlaufenden monofilen 4–0 Polypropylennaht. 7 Öffnen der Aortenklemme. Wiederbeleben, Rhythmisieren und Entlüften des Herzens. Aufnähen von Schrittmacherelektroden auf den rechten Vorhof und den rechten Ventrikel. Abgehen von der HLM. 7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Einlegen einer Perikard- sowie einer Retrosternaldrainage. Thoraxverschluss. 7 Gegebenenfalls intraoperative echokardiographische Kontrolle der Aortenklappenkompetenz.
7.7.5
Ross-Operation
Ross-Operation 7 Mediane Sternotomie. Perikarderöffnung. Heparingabe. Anschluss an die HLM über eine Aorta-ascendens-Kanüle sowie eine venöse Zweistufenkanüle, ggf. selektive Kanülierung beider Hohlvenen. Einlegen eines Aortenwurzelkatheters. 6
7 Präparation der autologen Pulmonalklappe am schlagenden Herzen; hierbei wird der Truncus der A. pulmonalis unterhalb der Bifurkation quer durchtrennt. Exzision der Pulmonalklappe aus der rechten Ausflussbahn (. Abb. 7.43a). 7 Queres Abklemmen der Aorta ascendens. Kardioplegiegabe über einen Aortenwurzelkatheter bei kompetenter Aortenklappe bzw. bei insuffizienter Aortenklappe selektiv über beide Koronarostien mit speziellem Kardioplegiekatheter. Längs- bzw. quere Eröffnung der Aorta ascendens (. Abb. 7.43a) bzw. Resektion der gesamten Aorta ascendens mit Ausschneidung beider Koronarostien. Implantation der Pulmonalklappe als subkoronarer ungestenteter Klappenersatz oder als Aortenwurzelersatz (. Abb. 7.43b) mit Reimplantation beider Koronararterien (. Abb. 7.43c). 7 Öffnen der Aortenklemme. Einnähen eines Homografts in Pulmonalposition mit 2 fortlaufenden monofilen 4–0 Polypropylennähten (. Abb. 7.43c). Wiederbelebung, Rhythmisierung und Entlüftung des Herzens. Aufnähen von Schrittmacherelektroden auf den rechten Vorhof und die rechte Kammer. Abgehen von der HLM. 7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Einlegen einer Perikard- sowie Retrosternaldrainage. Thoraxverschluss.
7.7.6
Aortenklappenrekonstruktion
Aortenklappenrekonstruktion 7 Mediane Sternotomie. Perikarderöffnung. Heparingabe. 7 Kanülierung der Aorta ascendens, ggf. der A. femoralis bei Aorta-ascendens-Aneurysma und venöse Kanülierung mit einer Zweistufenkanüle im Bereich des rechten Vorhofs. 7 Quere Aortotomie bzw. Längseröffnung der Aorta ascendens. Bei normal trikuspidal angelegter Aortenklappe ohne Klappenperforation oder Prolaps kann eine Rekonstruktion durchgeführt werden. 7 Ausschneiden beider Koronarostien mit einem schmalen Aortenwandsaum. Ausreichende Mobilisierung beider Koronararterien (. Abb. 7.44a). Resektion der Aorta ascendens bis auf einen 3–5 mm breiten Saum oberhalb des Klappenringes bzw. der 3 Kommissuren. Legen von ca. 12 U-Nähten 2–0 Polyester, die direkt unterhalb der 3 Aortenklappenta6
355 7.7 · Aortenklappenchirurgie
a
b
c
. Abb. 7.43 a–c Ross-Operation. Explantation der Pulmonalklappe (a), Aortenwurzelersatz mit Pulmonalklappe (b) und fertig implantiertes Pulmonalklappen-Autograft mit reimplantierten Koronararte-
a
b
. Abb. 7.44 a–c Aortenklappenrekonstruktion nach David. Exzision des Aneurysmas und Legen der Nähte (LCA = linke Koronararterie,
schen von innen nach außen durch die Aortenwand gestochen werden (. Abb. 7.44a). Ausmessen des Aortenklappenringes. Wahl einer geeigneten Aortaascendens-Prothese. Stechen der U-Nähte durch die Aorta-ascendens-Rohrprothese. Herunterknüpfen der Nähte. Fixation der 3 Kommissuren an entsprechender Stelle mit 4–0 Polypropylennähten sowie fortlaufende Implantation des überstehenden Aortenwandgewebes in die Dacron-Prothese mit fortlaufenden 5–0 monofilen Nähten. 7 Ausschneiden von 2 Löchern in die Dacron-Prothese an geeigneter Stelle mit einem batteriebetriebenen Elektrocauter und Implantation zunächst der linken, dann der rechten Kranzarterie mit 6
rien sowie Implantation eines Homografts in Pulmonalposition (c). (PA = Pulmonalarterie, Ao = Aorta, LCA = linke Koronararterie, RCA = rechte Koronararterie)
c
RCA = rechte Koronararterie; a), fertige Rekonstruktion nach David mit reimplantierten Koronarien (b) und Rekonstruktion nach Yacoub (c)
2 fortlaufenden 5–0 Nähten. Fertigung der distalen Anastomose zwischen Dacron-Prothese und Aorta ascendens mit einer fortlaufenden monofilen 3–0 oder 4–0 Polypropylennaht (. Abb. 7.44b). 7 Alternativ kann eine Rekonstruktion nach Yacoub durchgeführt werden (. Abb. 7.44c). 7 Öffnen der Aortenklemme. Wiederbeleben, Rhythmisieren und Entlüften des Herzens. Passagere Schrittmacherelektroden auf den rechten Vorhof und den rechten Ventrikel. Gegebenenfalls intraoperativ echokardiographische Kontrolle zur Beurteilung der Aortenklappenkompetenz. Abgehen von der HLM. Dekanülierung. 7 Protamingabe. Blutstillung. Perikard- und Retrosternaldrainage. Thoraxverschluss.
7
356
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
7.7.7
Minimal-invasiver Aortenklappenersatz
Minimal-invasiver Aortenklappenersatz
7
7 J-förmige Ministernotomie bis in den 4. ICR rechts (. Abb. 7.16b). Perikarderöffnung. 7 Anschluss an die HLM mit einer Standardaortenkanüle bzw. einer elongierten Trokarkanüle sowie einer venösen Zweistufenkanüle. Verwendung eines Spezialsperrers mit Zusatzvalve zur Umleitung der venösen Kanüle zwecks Verbesserung der intraoperativen Sicht auf die Klappenebene (. Abb. 7.45). 7 Queres Abklemmen der Aorta ascendens. Gabe von Kardioplegielösung über die Aortenwurzel bzw. bei Aorteninsuffizienz getrennt über beide Koronarostien. Quer- oder Längsinzision der Aorta ascendens. Klappenersatz oder -rekonstruktion. 7 Vor Eröffnen der Aortenklemme wird ein ventrikulärer Schrittmacherdraht an der rechten Kammer fixiert. Wiederbelebung des Herzens. Entlüftung. Rhythmisierung, ggf. über präoperativ epikardial aufgeklebte Defibrillationspatches. Abgehen von der HLM. 7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Zusätzlicher Vorhofschrittmacherdraht. Einlegen von Perikard- und Retrosternaldrainagen, die lateral im Bereich des 4. ICR bzw. im Bereich des Jugulums ausgeführt werden. Thoraxverschluss.
7.7.8
Transapikaler Aortenklappenersatz (TAVI = »Transcatheter Aortic Valve Implantation«)
Diese Operation wird ohne HLM am schlagenden Herzen durchgeführt und stellt für Patienten mit Verkalkungen der Aorta (»Porzellanaorta«) sowie schweren Begleiterkrankungen eine alternative Behandlungsoption dar. Eine orale Antikoagulation ist nicht erforderlich. kIndikation
Aortenklappenstenose. kPrinzip
Beim TAVI handelt es sich um eine katheterbasierte Implantationstechnik über die Spitze (Apex) der linken Herzkammer. Dabei wird eine auf einem Metallgerüst montierte Klappenprothese aus biologischem Klappenmaterial auf einen Implantationsballon aufgezogen und zusammengefaltet (»crimping«). Dieser Ballon wird ohne direkte
a
b . Abb. 7.45 a, b Minimal-invasiver Aortenklappenersatz mit MidCOAST-Sperrer und Zusatzvalve zur Umleitung der venösen Kanüle (Beispiel: Fa. Aesculap AG). Seitliche Ansicht (a) und Aufsicht (b)
Sicht unter Röntgenkontrolle im Aortenklappenanulus positioniert und entfaltet. Die Klappenprothese verhakt sich mit ihrem Metallgerüst in den Verkalkungen der nativen Klappe und des Anulus.
TAVI 7 Anterolaterale Minithorakotomie im 5. ICR links auf Höhe des Apex. 7 Herzbeuteleröffnung, Anlage einer filzarmierten Tabakbeutelnaht an der Spitze der linken Kammer, epikardialer Schrittmacherdraht. 7 Vorführen eines Drahtes in die Aorta thoracalis descendens. 7 Vordilatieren der Aortenklappe unter schneller Ventrikelstimulation (bewirkt kurzzeitigen Kreislaufstillstand). 7 Wechsel auf die Schleuse für die Klappenprothese, Positionieren und Freisetzen der Klappe unter schneller Ventrikelstimulation. 7 Knüpfen der Tabakbeutelnähte. 7 Einlage einer Pleuradrainage. Schichtweiser Thoraxverschluss.
357 7.8 · Mitralklappenchirurgie
7.8
Mitralklappenchirurgie
jAllgemeines
Die Mitralklappe ist das Ventil zwischen linkem Vorhof und linker Herzkammer. Funktionsstörungen der Mitralklappe können bestehen bei einer unzureichenden Mitralklappenöffnung (Mitralklappenstenose) bzw. bei einem undichten Klappenschluss (Mitralklappeninsuffizienz). Außerdem gibt es sog. kombinierte Mitralklappenerkrankungen, bei denen sowohl eine Stenose- als auch eine Insuffizienzkomponente besteht. jMitralklappenstenose
Hauptursache einer Mitralklappenstenose ist eine vorangegangene rheumatische Erkrankung. Dabei kommt es zur Fibrosierung und Schrumpfung des Klappenapparates (Segel und Sehnenfäden) und zur Verklebung der Kommissuren. Schließlich verkalkt der Klappenapparat. Die Verminderung der Klappenöffnungsfläche von normal 4– 6 cm2 auf 1 cm2 führt bereits in Ruhe zu Beschwerden. Dabei staut sich das Blut vor der eingeengten Mitralklappe, und es kommt zur Vorhofüberdehnung mit Entstehung von Vorhofflimmern sowie Thrombenbildung im linken Herzohr. Als Komplikationen können arterielle Embolien entstehen. Bei Fortbestehen der Mitralstenose kann es dann zur Lungenstauung bis hin zum Lungenödem und zur Widerstandserhöhung im kleinen Kreislauf kommen. jMitralklappeninsuffizienz
Die Ätiologie der Mitralklappeninsuffizienz ist überwiegend nicht rheumatischer Genese. Eine akute Mitralklappeninsuffizienz kann bei einer bakteriellen Endokarditis (Segelperforation, Sehnenfadenruptur), bei einer degenerativen Erkrankung der Mitralklappe, bei einem akuten Myokardinfarkt (Papillarmuskelabriss) und bei einem stumpfen Thoraxtrauma entstehen. Zur chronischen Mitralklappeninsuffizienz kommt es meist im Rahmen einer rheumatischen Endokarditis, bei Mitralklappenprolaps, z. B. beim Marfan-Syndrom, und auch beim ASD II. Bei der Mitralinsuffizienz kommt es zur Volumenbelastung der linken Herzkammer. Dies resultiert in einer Druckbelastung des linken Vorhofs, die schließlich zu Symptomen wie bei der Mitralstenose führt. Klinisches Leitsymptom bei der Mitralklappeninsuffizienz ist die Luftnot.
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Thoraxsperrer. Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge. Diathermie oder Ultraschallskalpell. Sauger. Gefäßstandardinstrumentarium. Diverse Gefäßklemmen, Fogarty-Klemme, Chitwood-Klemme (. Abb. 7.47). Clipzange, Luer (Hohlmeißelzange), Rongeur. Lange Venen- oder Nervenhäkchen (. Abb. 7.48). Thoraxdrainage. Haltebänder, Gummizügel. Ein etwas kräftigeres Gummirohr als Tourniquet zur Fixierung der HLM-Kanülen. Schocklöffel, Schrittmacherdrähte. Mitralringsizer/Mitralklappensizer.
kNahtmaterial
4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Gefäßnahtmaterial aus Polypropylen. 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial. 4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares geflochtenes beschichtetes Nahtmaterial (grün/weiß Polyester), ggf. mit Teflonpatch für Klappenersatz. 4 Drahtnaht, Sternumband und Sternumspanner. kImplantate
4 Anuloplastieringe (. Abb. 7.39). 4 Biologische oder mechanische Mitralklappen (. Abb. 7.34 bis . Abb. 7.40). kLagerung
4 4 4 4
Rückenlagerung. Beide Arme angelagert. Gelrolle unter beide Knie. Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken Schulterblatt.
kAbdeckung
Nach Standard. kRasur
Oberkörper und beide Leistenregionen.
7.8.1
Kommissurotomie
jOperationen
Die im Folgenden genannten OP-Bedingungen gelten für alle hier beschriebenen operativen Eingriffe an den Mitralklappen. kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung. 4 Sternumsperrer (. Abb. 7.46).
Kommissurotomie 7 Mediane Sternotomie. Alternativ: rechtsanteriore Thorakotomie (minimal-invasiv). Perikarderöffnung. Heparingabe. 6
7
358
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
7.47
7 7.46 . Abb. 7.46 Cosgrove-Sperrer. (Fa. St. Jude Medical) . Abb. 7.47 Chitwood-Klemme. (Fa. Cardiomedical)
7.48 . Abb. 7.48 Nervenhäkchen. (Fa. Aesculap AG)
7.8.2 7 Anschluss an die HLM über eine Aorta-ascendensKanüle sowie eine venöse Zweistufenkanüle. Alternativ getrennte Kanülierung beider Hohlvenen mit Anschlingen durch Tourniquets. Legen eines Aortenwurzelkatheters. Gegebenenfalls femorofemoraler Bypass nach Leistenfreilegung (. Abb. 7.8) bei minimal-invasivem Zugang. 7 Beginn der EKZ. Queres Abklemmen der Aorta ascendens ggf. mit Chitwood-Klemme und Gabe von Kardioplegielösung in den Aortenwurzelkatheter. 7 Öffnen des linken Vorhofs ventral der rechten Lungenvenen. Exposition mit einem Spezialsperrer (. Abb. 7.46). Klappeninspektion mit Nervenhäkchen. Scharfes Durchtrennen der verklebten Kommissuren mit einem Skalpell (. Abb. 7.49). Gegebenenfalls Längsinzision von verklebten Sehnenfäden bzw. bei verkürzten Sehnenfäden Spaltung des Papillarmuskels. Vorhofverschluss mit fortlaufender 3–0 monofiler Polypropylennaht. 7 Öffnen der Aortenklemme. Wiederbelebung, Entlüftung und Rhythmisierung des Herzens. Schrittmacherelektroden auf den rechten Vorhof und die rechte Kammer. Abgehen von der HLM. 7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Perikard- und Retrosternaldrainage. Thoraxverschluss.
Mitralklappenrekonstruktion
Mitralklappenrekonstruktion 7 Mediane Sternotomie oder rechtsanteriore Thorakotomie (minimal-invasiv). Perikarderöffnung. Heparingabe. 7 Anschluss an die HLM über eine Aorta-ascendensKanüle oder eine elongierte Trokarkanüle bei anteriorer Thorakotomie. Venöse Zweistufenkanüle, getrennte Kanülierung beider Hohlvenen, oder langer venöser Kanüle über die V. femoralis. Einlegen eines Aortenwurzelkatheters. 7 Beginn der EKZ. Queres Abklemmen der Aorta. Gabe von Kardioplegielösung über die Aortenwurzel. 7 Öffnen des linken Vorhofs ventral der rechten Lungenvenen. Exposition der Mitralklappe. Klappeninspektion mit Hilfe von Nervenhäkchen. Bei einem Sehnenfadenabriss im Bereich des mittleren Anteils des hinteren Mitralklappensegels (typische Lokalisation) ist das Klappensegel an seinem freien Rand nicht mehr durch einen Sehnenfaden gehalten und prolabiert in der Systole in den Vorhof; hierdurch kommt es in diesem Bereich zu einer Undichtigkeit der Mitralklappe. Zu einem Mitralklappenabriss im hinteren Segel 6
359 7.8 · Mitralklappenchirurgie
a . Abb. 7.49 Mitralklappenkommissurotomie mit Spaltung der verbackenen Sehnenfäden sowie des Papillarmuskels
7
7
7
7
7
kommt es typischerweise nach vorangegangener Erweiterung des hinteren Mitralklappenringes (sog. Ringdilatation; . Abb. 7.50a). Bei der nachfolgenden Mitralklappenrekonstruktion werden zunächst die beiden intakten Sehnenfäden erster Ordnung im Bereich des hinteren Mitralklappensegels mit Hilfe von elastischen Gummizügeln angeschlungen. Anschließend wird der Anteil des Segels, in dem der Sehnenfaden gerissen ist, reseziert (quadranguläre Resektion) und beide Klappenhälften mit einer fortlaufenden, alternativ einzeln geknüpften 5–0 Polypropylennaht verschlossen (. Abb. 7.50b). Implantation eines Anuloplastieringes mit 2–0 Einzel-U-Polyester-Nähten, die im Klappenringbereich und anschließend durch den Anuloplastiering gestochen werden. Herunterknüpfen des Anuloplastieringes (. Abb. 7.50b). Überprüfung der Klappendichtigkeit durch Injizieren von Kochsalzlösung über die Mitralklappe in den linken Ventrikel. Bei Fortbestehen eines Prolaps einzelner Klappenanteile kann dieser durch 5–0 Gore-Tex-Nähte, die zum einen am Papillarmuskel, zum anderen am freien Klappenrand fixiert werden, beseitigt werden. Vorhofverschluss mit fortlaufender 3–0 monofiler Polypropylennaht. Öffnen der Aortenklemme. Wiederbeleben, Rhythmisieren und Entlüften des Herzens. Aufnähen von Schrittmacherelektroden auf den rechten Vorhof und den rechten Ventrikel. Abgehen von der HLM. Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Retrosternal- und Perikarddrainage. Thoraxverschluss.
b . Abb. 7.50 a, b Mitralklappenrekonstruktion bei Ringdilatation und Sehnenfadenabriss am posterioren Segel (a). Rekonstruktionsergebnis nach Anuloplastie und quadrangulärer Resektion am posterioren Segel (b)
7.8.3
Mitralklappenersatz
Mitralklappenersatz 7 Mediane Sternotomie oder rechtsanteriore Thorakotomie. Perikarderöffnung. Heparingabe. 7 Anschluss an die HLM und Zugang in den linken Vorhof wie bei Mitralklappenrekonstruktion. 7 Resektion der nichtrekonstruierbaren, defekten Mitralklappe. Gegebenenfalls Entfernung von Ringverkalkungen mit Luer oder Rongeur. Ausmessen des Klappenringdurchmessers. 7 Einnähen der Herzklappenprothese mit filzarmierten U-Nähten in supravalvulärer Technik (Filznähte unter dem Klappenring) oder in evertierender Nahttechnik (Filznähte vorhofseitig). Alternativ 6
7
360
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
können auch Einzelnähte, Einzel-U-Nähte oder eine fortlaufende monofile Naht verwendet werden. Bei Implantation einer biologischen in Glutaraldehyd fixierten Klappe ist in der Regel eine Spülung von 3-mal 3 min in isotoner Kochsalzlösung erforderlich, die während des Legens der Einzelnähte im Klappenring durchgeführt werden kann. 7 Herunterknüpfen der Klappe. Überprüfung der einwandfreien Klappenfunktion von mechanischen Klappenprothesen. Hierbei wird insbesondere kontrolliert, dass subvalvuläre Filznähte nicht mit dem Klappenspiel interferieren. 7 Verschluss des linken Vorhofs. Abgehen von der HLM und Thoraxverschluss wie bei Mitralklappenrekonstruktion.
7
Unter Verwendung der HLM kann über eine limitierte anterolaterale Thorakotomie im 4. oder 5. ICR der Mitralklappenersatz videoassistiert durchgeführt werden. Zur Einstellung der Mitralklappe wird ein spezieller Retraktor benötigt, zur Operation ist minimal-invasives Instrumentarium (7 Kap. 2.15) inkl. einer Aortenklemme nötig.
Trikuspidalklappenchirurgie
7.9
jAllgemeines
Isolierte Trikuspidalklappenfehler sind äußerst selten. Bei Drogenabusus kann es zu Trikuspidalklappenendokarditiden kommen. Trikuspidalklappeninsuffizienzen werden dagegen häufiger in Kombination mit Aorten- und Mitralklappenfehlern gesehen. Wie auch bei der Mitralklappenchirurgie gelten alle operationstechnischen Bemühungen dem Klappenerhalt, da die Komplikationsrate geringer ist als beim mechanischen oder biologischen Klappenersatz. jOperationen
Die OP-Bedingungen, Instrumentarium, Lagerung und Abdeckung entsprechen den operativen Eingriffen an der Mitralklappe (zusätzlich 7 Anuloplastiering, . Abb. 7.39).
7.9.1
Trikuspidalklappenrekonstruktion
Trikuspidalklappenrekonstruktion 7 Mediane Sternotomie. Alternativ: rechtsanteriore Thorakotomie (minimal-invasiv). Perikarderöffnung. Heparingabe. 6
7 Anschluss an die HLM mit einer Aorta-ascendensKanüle sowie getrennter Kanülierung beider Hohlvenen mit Abdichtung durch 2 Tourniquets, die um die obere bzw. untere Hohlvene gelegt werden. Einlegen eines Aortenwurzelkatheters in die Aorta ascendens. Beginn der EKZ. 7 Eröffnen des rechten Vorhofs am schlagenden Herzen bei künstlich induziertem Kammerflimmern oder im kardioplegischen Herzstillstand. Bei einer reinen Ringdilatation Durchführen einer Anuloplastie, bei der wie auch bei der Mitralklappenrekonstruktion Einzel-U-Nähte im Bereich des Klappenringes gestochen werden. Auswahl eines geeigneten Anuloplastieringes (. Abb. 7.39), der im Bereich des sog. Koch-Dreiecks (Reizleitungssystem) unterbrochen ist, um Verletzungen der elektrischen Überleitung durch Nähte in diesem Bereich zu vermeiden. 7 Stechen der Nähte durch den Anuloplastiering und Herunterknüpfen (. Abb. 7.51). Überprüfen der Klappenkompetenz durch Einspritzen von Kochsalzlösung über die Trikuspidalklappe in den rechten Ventrikel. 7 Bei isolierter Endokarditis können die Klappentaschen z. T. durch mit Glutaraldehyd-fixierte Perikardpatches, die mit fortlaufenden 6–0 monofilen Nähten implantiert werden, rekonstruiert werden. Auch ist es möglich, eines der 3 Klappensegel zu entfernen und durch Anlegen einer Plikatur im Ringbereich des resezierten Segels eine funktionell bikuspidale Klappe herzustellen. 7 Verschluss des rechten Vorhofs. Abgehen von der HLM und Thoraxverschluss wie bei Mitralklappenrekonstruktion.
7.9.2
Trikuspidalklappenersatz mit mechanischer oder biologischer Prothese
Trikuspidalklappenersatz mit mechanischer oder biologischer Prothese 7 Vorgehen wie bei Trikuspidalklappenrekonstruktion, jedoch Klappenersatz mit mechanischer oder biologischer Prothese. Gegebenenfalls Implantation mit fortlaufender Polypropylennaht, die in der Nähe des Koch-Dreiecks (Reizleitungssystem) ausschließlich im fibrösen Klappenansatz gestochen werden, um Überleitungsstörungen (AV-Blockierungen) und die Notwendigkeit einer Schrittmacherversorgung zu vermeiden.
361 7.10 · Aortenaneurysmachirurgie
Einriss, der in den meisten Fällen in der Aorta ascendens liegt (Stanford-A-Aneurysma), als »entry« (. Abb. 7.52). Gibt es im weiteren Verlauf einen weiteren Einriss, der meist im Bereich der Aorta descendens bzw. der Bauchaorta liegt, bezeichnet man dieses als »reentry«. Die Zerreißung der Aortenwand wird auch als dissezierendes Aortenaneurysma benannt. Bei einem dissezierenden Aortenaneurysma der Aorta ascendens bzw. des Bogens besteht immer eine absolute notfallmäßige OP-Indikation, da bei Zuwarten pro Stunde ca. 2% der Patienten versterben. Bei einem dissezierenden Aortenaneurysma im Bereich der Aorta descendens (Stanford B) besteht eine OPIndikation nur bei sekundären Komplikationen wie Perforation mit Blutung in die Pleurahöhlen oder Durchblutungsstörungen im Bereich der abdominellen Organe wie Niere, Leber und Darm durch Verlegung der versorgenden Arterien durch die Dissektion. Bei einem dissezierenden Aorta-descendens-Aneurysma ohne diese Komplikationen wird in der Regel nicht operiert. Stattdessen wird bei einem Hypertonus der Blutdruck konsequent gesenkt. Zuweilen kann ein endoluminales Stenting sinnvoll sein.
a
jOperationen
Die im Folgenden genannten OP-Bedingungen gelten für alle hier beschriebenen Aneurysmaoperationen. kInstrumentarium
b . Abb. 7.51 a, b Trikuspidalklappenanuloplastie mit Ringimplantation. Legen von Klappennähten in den dilatierten Trikuspidalklappenring (a). Fertige Anuloplastie nach Herunterknüpfen des Ringes (b)
7.10
Aortenaneurysmachirurgie
jAllgemeines
Bei einer krankhaften Erweiterung der Aorta sprechen wir von einem Aortenaneurysma. Dabei können die aufsteigende Aorta (Aorta ascendens), der Bogen und die absteigende Aorta (Aorta descendens) betroffen sein. Bei einem Überschreiten des Aortendurchmessers auf mehr als 5,5 cm ist die Indikation zur bald möglichen Operation gegeben. Ist es durch die Erweiterung der Hauptschlagader mit nachfolgender Erhöhung der Wandspannung zum Einriss der Gefäßinnenhaut (Intima) gekommen, kann sich eine Blutung zwischen den verschiedenen Schichten der Aortenwand von der Aorta ascendens über den Bogen bis in die Aorta descendens entwickeln. Dabei bezeichnet man den
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung. Sternumsperrer (. Abb. 7.46). Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge. Diathermie oder Ultraschallskalpell. Sauger. Gefäßstandardinstrumentarium. Diverse Gefäßklemmen, wie Satinsky-, FogartyKlemme, Chitwood-Klemme. Clipzange. Thoraxdrainage. Haltebänder, Gummizügel. Ein etwas kräftigeres Gummirohr als Tourniquet zur Fixierung der HLM-Kanülen. Schocklöffel, Schrittmacherdrähte.
kNahtmaterial
4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Gefäßnahtmaterial aus Polypropylen. 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial. 4 Drahtnaht, Sternumband und Sternumspanner. 4 Chirurgischer Gewebekleber. kImplantate
4 Primär dichte Prothesen (7 Abschn. 4.1.5). 4 Filzstreifen (Polytetrafluorethylen, PTFE) als Nahtwiderlager.
7
362
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
7
a
b
. Abb. 7.52 a–c Suprakoronarer Aorta-ascendens-Ersatz durch Rohrprothese. Dissezierendes Aortenaneurysma mit Entry in der
c Aorta ascendens (a), nach Resektion der Aorta ascendens (b) und nach suprakoronarem Aorta-ascendens-Ersatz (c)
kLagerung
4 Rückenlagerung oder rechte Seitenlagerung (Aortadescendens-Aneurysma). 4 Beide Arme angelagert. 4 Gelrolle unter beide Knie. 4 Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken Schulterblatt. kAbdeckung
Nach Standard. kRasur
Brustkorb und beide Leistenregionen.
7.10.1
Aorta-ascendens-Ersatz
Aorta-ascendens-Ersatz 7 Mediane Sternotomie. Perikarderöffnung. Heparingabe. 7 Anschluss an die HLM über die Aorta ascendens, A. subclavia oder eine A.-femoralis-Kanüle. Venöse Zweistufenkanüle. Beginn der EKZ mit ggf. Hypothermie bis 20 °C (7 Abschn. 7.3). 6
7 Queres Abklemmen der Aorta ascendens. Queres oder längsförmiges Eröffnen der Aorta ascendens. Kardioplegiegabe über beide Koronarostien. Inspektion der Aortenklappe sowie der Aorta ascendens. Je nach lokalem Befund entscheidet sich das operative Vorgehen. Meist ist ein sog. Entry (Einriss der Aorteninnenhaut) in der Aorta ascendens zu finden (. Abb. 7.52a). 7 Häufig sind durch Voranschreiten der Dissektion in Richtung Aortenklappe eine Hämatombildung in der Wand und eine Ablösung der Aortenklappenkommissuren vorhanden, die die Aortenklappe insuffizient werden lassen. Wenn möglich sollten durch Nähte oder die Verwendung von Gewebekleber die Gewebeschichten der Aorta ascendens nach Entfernung des Hämatoms wieder vereinigt werden. Dadurch lässt sich die Aortenklappe erhalten. In diesem Fall wird kurz oberhalb der Koronararterien die Aorta ascendens quer durchtrennt, und eine Gefäßprothese geeigneten Durchmessers wird mit einer fortlaufenden, ggf. filzarmierten Naht anastomosiert (. Abb. 7.52b). Anschließend wird bei tiefer Hypothermie (20 °C) und totalem Kreislaufstillstand die Aorta ascen6
363 7.10 · Aortenaneurysmachirurgie
7
7
7
7
7.10.2
dens distal des Entrys durchtrennt, und ggf. wird mit Hilfe von Gewebeklebern der Aortenbogen rekonstruiert. Während des Kreislaufstillstands retrograde Kopfperfusion über eine Kanüle im Bereich der oberen Hohlvene (400 ml/min) zur Kühlung des Gehirns und zur späteren Entlüftung. Anastomosierung der Gefäßprothese mit dem Beginn des Aortenbogens mit fortlaufender 3–0 monofiler Polypropylennaht. Zuvor ggf. Vereinigung der Aortenwandschichten mit einer filzarmierten fortlaufenden Naht. Einlegen einer Aortenkanüle in die Aszendensprothese mit einer 3–0 monofilen Tabakbeutelnaht mit Tourniquet und Beginn der antegraden EKZ. Ist die Aorta ascendens erweitert (Aneurysma) und zugleich die Aortenklappe verkalkt oder durch Endokarditis zerstört, so wird ein Aortenwurzelersatz mit Reimplantation der Koronararterien (Bentall-Operation) durchgeführt. Dabei wird eine klappentragende Dacron-Aortenprothese (mit 2–0 filzarmierten Polyester-U-Nähten bzw. mit einer fortlaufenden Naht) in den Aortenklappenring implantiert. Anschließend werden beide mobilisierten Koronarostien mit fortlaufenden 4–0 oder 5–0 monofilen Polypropylennähten in die Dacron-Prothese implantiert. Alternativ kann auch ein Aortenwurzelersatz mit einer heterologen Aortenwurzel (. Abb. 7.36) und Reimplantation beider Koronarien durchgeführt werden. Reperfusion, Entlüftung und Rhythmisierung des Herzens. Schrittmacherdrähte. Beendigung der EKZ. Protamingabe. Blutstillung. Drainagen, Thoraxverschluss.
Aortenbogenersatz
7 Nach Aortenklappenrekonstruktion bzw. Aortaascendens-Ersatz mit Reimplantation der Koronarien (Bentall-Operation) wird in tiefer Hypothermie und bei Kreislaufstillstand der kranke Aortenbogen reseziert. Die 3 suprakoronaren Äste (Truncus brachiocephalicus, A. carotis dextra und A. carotis sinistra) werden meist mit einer gemeinsamen Gefäßmanschette exzidiert. Klebung der Aorta descendens sowie ggf. Einbringen von 2 Filzstreifen außerhalb und innerhalb der Gefäßwand, die durch eine monofile meandrierende 4– 0 Naht fixiert werden. 7 Anschließend Naht zwischen einer Dacron-Prothese geeigneter Größe und der Aorta ascendens mit einer fortlaufenden 4–0 bzw. 3–0 monofilen Polypropylennaht. Längseröffnung der DacronProthese und Einnähen des Truncus brachiocephalicus, der linken A. carotis und A. subclavia über eine gemeinsame Gefäßmanschette mit Hilfe einer filzarmierten 4–0 monofilen Polypropylennaht (. Abb. 7.53b). 7 Während der gesamten Zeit antegrade Perfusion der Hirnarterien (400 ml/min kaltes Blut aus der HLM). Entlüftung durch retrograde Kopfperfusion über eine Kanüle (. Abb. 7.7), die in der oberen Hohlvene liegt. Beginn der EKZ ggf. über eine Kanüle, die in die Aortenprothese eingelegt wird. Entlüftung des Aortenbogens sowie Setzen einer Aortenklemme auf die Dacron-Prothese proximal der suprakraniellen Abgänge. Naht der beiden Gefäßprothesen mit einer fortlaufenden 3–0 monofilen Polypropylennaht. 7 Öffnen der Aortenklemme. Wiederbeleben des Herzens. Reperfusion. Entlüftung. Wiedererwärmung. Schrittmacherelektroden. Abgehen von der HLM. 7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Perikard- und Retrosternaldrainage. Gegebenenfalls Wundverschluss der Leiste mit einer Redon-Drainage. Thoraxverschluss.
Aortenbogenersatz 7 Chirurgischer Zugang und Anschluss an die HLM wie in 7 Abschn. 7.10.1 beschrieben. 7 Endet das Aortenaneurysma nicht im Bereich der Aorta ascendens, sondern betrifft den Aortenbogen oder es sind weitere Intimazerreißungen im Aortenbogen vorhanden, muss ein Aortenbogenersatz in tiefer Hypothermie und bei Kreislaufstillstand durchgeführt werden (. Abb. 7.53a). 6
7.10.3
Aorta-descendens-Stent
Im Rahmen eines Aortenbogenersatzes (oder auch isoliert) kann in tiefer Hypothermie und partiellem Kreislaufstillstand die Aorta descendens mittels einer Prothese gestentet werden. kIndikation
Aneurysma verum oder dissecans der Aorta descendens.
7
364
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
7.10.4
Aorta-descendens-Ersatz
Aorta-descendens-Ersatz
7
7 Linkslaterale/anterolaterale Thorakotomie 4. ICR. Präparation des Aorta-descendens-Aneurysmas. 7 Femorofemoraler Bypass: Die untere Körperhälfte wird über Kanülen in A. femoralis und V. femoralis perfundiert (. Abb. 7.54a). Hierdurch kann das Risiko der Rückenmarkschädigung (Querschnitt) vermindert werden. 7 Abklemmen der Aorta descendens proximal und distal des Aneurysmas. Eröffnen des Aneurysmas und ggf. Übernähung von retrograd blutenden Interkostalarterien bzw. Exzision zur späteren Reimplantation in die Prothese. Einnähen einer Dacron-Prothese entsprechender Größe durch 2 fortlaufende ggf. filzarmierte 4–0 oder 3–0 monofile Polypropylennähte (. Abb. 7.54b). Entfernung der Aortenklemmen. Beendigung der EKZ. 7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Einlegen einer Thoraxdrainage sowie einer Redon-Drainage in die Leiste. Schichtweiser Wundverschluss.
a
7.10.5
b . Abb. 7.53 a, b Dissezierendes Aortenbogenaneurysma (a) und nach Aortenbogenersatz durch eine Rohrprothese mit Reimplantation der supraaortalen Äste (b)
Hybrid-Aneurysmektomie
Bei ausgedehnten dissezierenden thorakalen Aneurysmen unter Einbeziehung von Aorta ascendens, Aortenbogen und Aorta descendens kann die sog. Hybrid-Aneurysmektomie zum Einsatz kommen (7 Abschn. 4.6.11). Bei diesem Verfahren wird der operative Aorta ascendens- und/oder Aotenbogenersatz mit einem antegraden einzeitigen Stenting der Aorta descendens kombiniert.
Hybrid-Aneurysmektomie
Aorta-descendens-Stent 7 Nach antegrader Einführung der Prothese in die Aorta descendens wird sie entfaltet und anschließend die beigefügte Dacron-Prothese mittels eines Fadens herausgezogen. Mit dieser Prothese, die am Rande der Aorta descendens fixiert wird, kann anschließend der Aortenklappenersatz mit Implantation der supraaortalen Äste durchgeführt werden. 7 Der übrige OP-Verlauf entspricht dem beim Aortenbogenersatz beschriebenen Vorgehen (7 Abschn. 7.10.2).
7 Mediane Sternotomie, Heparingabe. Anschluss der Herz-Lungen-Maschine über A. subclavia, A. femoralis oder ggf. Aorta ascendens. 7 Queres Abklemmen der Aorta ascendens. 7 Aorta-ascendens-Ersatz mittels Dacron-Prothese (suprakoronarer Ersatz, David-Rekonstruktion, Bentall-Operation). 7 Kreislaufstillstand und Resektion des Aortenbogens. Antegrade Hirnperfusion über den Truncus brachiocephalicus und A. subclavia sinistra. 7 Antegrades Einführen und Entfalten eines gecoverten Stents in die Aorta descendens. Herausziehen einer an dem Stent befestigten Dacron-Pro6
365 7.11 · Chirurgie kongenitaler Herzfehler
b
a
. Abb. 7.54 a, b Aorta-descendens-Ersatz mit femoro-femoralem Bypass und Aortenabklemmung proximal und distal des Aneurysmas (a). Resektion und Ersatz durch Rohrprothesen-Interponat (b)
these und Durchführung des Aortenbogenersatzes mit Implantation der suprakraniellen Äste. 7 Der übrige Ablauf der Operation entspricht dem in 7 Abschn. 7.10.2 beschriebenen Vorgehen.
7.11
Chirurgie kongenitaler Herzfehler
7.11.1
Vorhofseptumdefekt
jAllgemeines
Der Vorhofseptumdefekt ist die häufigste angeborene Herzfehlbildung. Es besteht ein Defekt in der Vorhofscheidewand, der meist im Bereich des ehemaligen Foramen ovale gelegen ist. Je nach Lokalisation wird zwischen dem Ostium-secundum-Defekt (Atriumseptumdefekt II, ASD II), dem Ostium-primum-Defekt (ASD I), einem offenen Foramen ovale und einem Sinus-venosus-Defekt (. Abb. 7.55) unterschieden. Allen Septumdefekten ist gemeinsam, dass zunächst ein Links-Rechts-Shunt besteht, der eine Volumenüberlastung des rechten Herzens, der Lungenstrombahn und des
. Abb. 7.55 Unterschiedliche Lokalisationen von Atrium-SeptumDefekten mit Links-Rechts-Shunt. Ostium-secundum-Defekt (ASD II; a), Ostium-primum-Defekt (ASD I; b), Sinus-venosus-Defekt (c), partiell fehleinmündende Lungenvenen (d) (breite Pfeile: Links-RechtsShunt; schmaler Pfeil: Flussrichtung des Blutes)
linken Vorhofs verursacht. Meist sind die Patienten anfangs symptomlos. Bei großen Vorhofseptumdefekten mit entsprechend großem Shuntvolumen kann es zu einem Leistungsabfall, zu gehäuften Bronchitiden, zu Luftnot und zu Vorhofrhythmusstörungen kommen. Ferner besteht bei Patienten mit ASD das Risiko einer Endokarditis. Ohne Operation kann im Laufe des Lebens eine reaktive Widerstandserhöhung im Lungenkreislauf entstehen und daraus eine sog. Shuntumkehr (sog. Eisenmenger-Reaktion) resultieren. Nach dem 40. Lebensjahr liegt das Risiko für eine Eisenmenger-Reaktion bei 40%. Nach Shuntumkehr sind die Patienten für einen ASD-Verschluss inoperabel, und nur eine Herz-Lungen-Transplantation kann helfen. Die OP-Indikation besteht bei einem ASD II mit einem Links-Rechts-Shunt von mehr als 30%, der nicht durch interventionelle Techniken (»Schirmchen-Verschluss«) behandelt werden kann. jOperation kInstrumentarium
4 4 4 4
Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung. Sternumretraktor/Thoraxsperrer. Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge. Diathermie oder Ultraschallskalpell.
7
366
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
4 Sauger. 4 Gefäßstandardinstrumentarium. 4 Diverse Gefäßklemmen, Fogarty-Klemme, Chitwood-Klemme. 4 Clipzange. 4 Thoraxdrainage. 4 Haltebänder. 4 Ein etwas kräftigeres Gummirohr als Tourniquet zur Fixierung der HLM-Kanülen. 4 Schocklöffel, Schrittmacherdrähte. kNahtmaterial
7
7 Eröffnung des rechten Vorhofs. Direktverschluss des ASD durch fortlaufende Naht (. Abb. 7.56) oder mit Hilfe eines Kunststoff- oder Perikardflickens (Patchverschluss; . Abb. 7.57), der meist fortlaufend eingenäht wird. Verschluss des rechten Vorhofs. Entfernung der Aortenklemme. Wiederbelebung des Herzens, Entlüftung, Rhythmisierung. Schrittmacherelektroden auf den rechten Vorhof und die rechte Kammer. Beendigung der EKZ. 7 Dekanülierung. Protamin. Blutstillung. Drainagen. Thoraxverschluss.
4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Gefäßnahtmaterial aus Polypropylen. 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial. 4 Doppelt armierte Gore-Tex-Naht. 4 PDS-Nähte (alternativ: Drahtnähte). kImplantate
4 Kunststoff-Patches (z. B. Gore-Tex Cardiovascular Patch; expandiertes Polytetrafluorethylen). 4 Biologische Prothesen (z. B. Rinderperikard oder autologes Perikard, in 0,25%igem Glutaraldehyd verfestigt). kLagerung
4 4 4 4
Rückenlagerung. Beide Arme angelagert. Gelrolle unter beide Knie. Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken Schulterblatt.
kAbdeckung
. Abb. 7.56 ASD-II-Direktverschluss
Nach Standard. kRasur
Oberkörper und beide Leistenregionen.
Vorhofseptumdefekt (ASD II)-Verschluss 7 Rechtsanteriore Thorakotomie (4. ICR) oder mediane Sternotomie. Perikarderöffnung. Heparingabe. 7 Anschluss an die HLM über eine Aorta-ascendensKanüle und separate Kanülierung beider Hohlvenen mit jeweils einem Tourniquet. 7 Beginn der EKZ. Queres Abklemmen der Aorta ascendens bei rechtsanteriorem Zugang mit der Chitwood-Klemme (. Abb. 7.47) und Gabe von Kardioplegielösung über die Aortenwurzel. Gegebenenfalls keine Aortenabklemmung und künstlich induziertes Kammerflimmern über entsprechende Elektroden. 6 . Abb. 7.57 ASD-II-Patchverschluss
367 7.11 · Chirurgie kongenitaler Herzfehler
7.11.2
Partiell fehleinmündende Lungenvenen
jAllgemeines
Typisch ist die Kombination von partiell fehleinmündenden Lungenvenen (. Abb. 7.55) mit einem ASD II (25%). Instrumentarium, Nahtmaterial, Lagerung, Abdeckung und Rasur (7 Abschn. 7.11.1). Operation von partiell fehleinmündenden Lungenvenen
a
7 Anschluss an die HLM wie beim ASD II (7 Abschn. 7.11.1). Die fehleinmündenden Lungenvenen werden mit einer Patch-Tunnelungsplastik über den ASD in den linken Vorhof drainiert (. Abb. 7.58). 7 Ist kein ASD vorhanden, wird im Bereich der Fossa ovalis ein Vorhofseptumdefekt in entsprechender Größe angelegt.
7.11.3
Ventrikelseptumdefekt
b
jAllgemeines
Der Ventrikelseptumdefekt (VSD) ist ein relativ häufiger angeborener Defekt im Bereich der Herzscheidewand zwischen rechter und linker Kammer. Es treten 25% aller VSD isoliert auf sowie weitere 25% in Kombination mit anderen kardiovaskulären Fehlbildungen; 25% der kleineren VSD verschließen sich innerhalb der ersten 3 Lebensjahre spontan. Es besteht ein Links-Rechts-Shunt und dadurch eine Erhöhung der Druckwerte im kleinen Kreislauf. Bei ca. 25% der Patienten besteht das Risiko einer sog. Shuntumkehr (Eisenmenger-Reaktion). Eine OP-Indikation besteht bei einem Shuntvolumen von mehr als 40% oder/und einer shuntbedingten Druckerhöhung im kleinen Kreislauf mit der Gefahr der Entwicklung einer Eisenmenger-Reaktion. Je nach Lokalisation unterscheidet man einen hochsitzenden, einen perimembranösen und einen muskulären VSD (. Abb. 7.59). jOperation kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung. Sternumretraktor/Thoraxsperrer. Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge. Diathermie, Ultraschallskalpell. Sauger. Gefäßstandardinstrumentarium. Diverse Gefäßklemmen, Fogarty-Klemme. Chitwood-Klemme. Clipzange.
c . Abb. 7.58 a–c ASD II mit partiell fehleinmündenden rechten oberen Lungenvenen (a). Tunnelungsplastik der fehleinmündenden Lungenvenen über den ASD II in den linken Vorhof (b) und Erweiterungs-Patchplastik der oberen Hohlvene (c). (VCS = obere Hohlvene, VCI = untere Hohlvene)
4 Thoraxdrainage. 4 Haltebänder. 4 Ein etwas kräftigeres Gummirohr als Tourniquet zur Fixierung der HLM-Kanülen. 4 Schocklöffel, Schrittmacherkabel. kNahtmaterial
4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Gefäßnahtmaterial aus Polypropylen. 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial. 4 Doppelt armierte nicht resorbierbare Gore-Tex-Naht. 4 PDS-Nähte (alternativ: Drahtnähte).
7
368
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
7
7
7
7
7 . Abb. 7.59 Verschiedene Lokalisationen von Ventrikelseptumdefekten (VSD). Supracristaler (subaortaler) VSD (a), infracristaler (perimembranöser) VSD (b) und muskulärer VSD (c). (Ao = Aorta, PA = Pulmonalarterien, RA = rechter Vorhof, RV = rechte Kammer)
7.11.4
Eröffnung des rechten Vorhofs und Verschluss von hochsitzenden VSD durch die Trikuspidalklappe mit Hilfe von Patches (Kunststoffflicken bzw. Glutaraldehyd-fixiertes Perikard), die fortlaufend oder mit Einzelnähten implantiert werden (. Abb. 7.60). Suprakristale (subaortale) VSD können über die Trikuspidalklappe in der Regel nicht erreicht werden und werden nach Längseröffnung der rechten Ausflussbahn durch einen fortlaufenden oder mit Einzelnähten eingenähten Patch verschlossen. Verschluss der rechten Ausflussbahn über eine fortlaufende 4–0 Naht. Alternativ kann ein VSD-Verschluss auch am flimmernden Herzen bei offener Aortenklemme durchgeführt werden. Öffnen der Aortenklemme. Wiederbelebung, Rhythmisierung und Entlüftung des Herzens. Schrittmacherelektroden. Beendigung der EKZ. Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Drainagen. Thoraxverschluss.
Aortenisthmusstenose
kImplantate
Kunststoff-Patches (z. B. Gore-Tex Cardiovascular Patch; expandiertes Polytetrafluorethylen). kLagerung
4 4 4 4
Rückenlagerung. Beide Arme angelagert. Gelrolle unter beide Knie. Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken Schulterblatt.
kAbdeckung
Nach Standard. kRasur
Oberkörper und beide Leistenregionen.
Ventrikelseptumdefekt-Verschluss 7 Mediane Sternotomie. Perikarderöffnung. Heparingabe. 7 Anschluss an die HLM mit einer arteriellen Kanüle in die Aorta ascendens sowie getrennte Kanülierung und Anschlingung beider Hohlvenen. 7 Beginn der EKZ. Queres Abklemmen der Aorta ascendens. Kardioplegiegabe über die Aortenwurzel. 6
jAllgemeines
Typisch ist die Kombination einer Aortenisthmusstenose (Coarctatio aortae) mit einem offenen Ductus Botalli (. Abb. 7.61) sowie einer valvulären Aortenstenose. Man unterscheidet einen präduktalen und einen postduktalen Typ der Aortenisthmusstenose. Die präduktale Aortenisthmusstenose (sog. kindliche Form) erfordert meist eine notfallmäßige Operation in der Neugeborenenperiode. Demgegenüber ist die postduktale Aortenisthmusstenose in der Kindheit oft asymptomatisch. Erst später entwickeln sich die Folgen der Hypertonie in der oberen Körperhälfte mit Linksherzbelastung und frühzeitiger Zerebralsklerose und dem Risiko von Schlaganfällen bereits im Jugendalter sowie einer bakteriellen Endokarditis. Die mittlere Lebenserwartung ohne Operation beträgt ca. 35 Jahre. jOperation kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium. Diathermie oder Ultraschallskalpell. Sauger. Gefäßstandardinstrumentarium. Thoraxsperrer. Diverse Gefäßklemmen, wie Satinsky-, FogartyKlemme. 4 Clipzange.
369 7.11 · Chirurgie kongenitaler Herzfehler
a
. Abb. 7.61 Aortenisthmusstenose mit offenem Ductus Botalli
4 Thoraxdrainage. 4 Haltebänder, Gummizügel. kNahtmaterial
4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Gefäßnahtmaterial aus Polypropylen. 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial. b
kImplantate
4 Primär dichte Prothesen. 4 Filzstreifen als Nahtwiderlager. 4 Kunststoff-Patches und Rohrprothesen in verschiedenen Durchmessern. kLagerung
4 Rechtseitenlagerung. 4 Abstützen des Patienten durch seitlich am Tisch montierte Halterungen. 4 Den linken Arm am Narkosebügel befestigen oder auf einer Stütze lagern. 4 Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken Schulterblatt. c . Abb. 7.60 a–c Transatrialer VSD-Patchverschluss. Zugang über die Trikuspidalklappe (a), Legen von filzarmierten monofilen Nähten (b) und fertige Patchimplantation (c). (VCI = untere Hohlvene, VCS = obere Hohlvene, VSD = Ventrikel-Septumdefekt)
kAbdeckung
Nach Standard. kRasur
Oberkörper und beide Leistenregionen.
7
370
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
Aortenisthmusstenose-Operation
7
7 Bypass mit Rohrprothese (. Abb. 7.63b). 7 Patch-Erweiterung des Aortenisthmus durch A. subclavia sinistra (. Abb. 7.63c). 7 In der Regel wird die Operation ohne den Einsatz der EKZ durchgeführt. Falls es jedoch nach Abklemmung der Aorta descendens vor und nach der Stenose zu einem deutlichen Druckabfall der unteren Körperhälfte kommt (nichtausreichende Kollateralisierung über die erweiterten Interkostalarterien), sollte der Patient unter Einsatz der HLM operiert werden, um eine Rückenmarkschädigung mit daraus resultierender Lähmungserscheinung zu vermeiden. 7 Freigabe der Aorta descendens. Thoraxdrainage. Blutstillung. Thoraxverschluss.
7 Linkslaterale/anterolaterale Thorakotomie (4. ICR). 7 Freipräparieren der Aorta descendens im Bereich der Aortenisthmusstenose und des Ductus Botalli bzw. Ductusbandes. 7 Gegebenenfalls Ligatur/Durchtrennung des Ductus Botalli. 7 Entfernung der Stenosestelle durch verschiedene OP-Techniken möglich:. 7 Protheseninterposition (. Abb. 7.62a–c). 7 End-zu-End-Anastomosierung nach Resektion , insbesondere bei Kindern (. Abb. 7.62d). 7 Patcherweiterung (Kunststoff-Patch; . Abb. 7.63a). 6
a
b
c
c
. Abb. 7.62 a–d OP-Techniken bei Aortenisthmusstenose. Ligatur des Ductus Botalli (a), Resektion der Aortenisthmusstenose (b), Rohrprothesen-Interponat (c) oder End-zu-End-Anastomosierung (d)
371 7.12 · Erkrankungen des Herzbeutels
Bis zu 30% der akuten Herzbeutelentzündungen (Perikarditiden) können zu einem Panzerherz (konstriktive Perikarditis) führen. Dabei kommt es zu zunehmender Verschwielung und Verkalkung des Epi- bzw. Perikards. Herzbeutelentzündungen können durch Bakterien, Pilze, Viren und Urämie bei chronischer Niereninsuffizienz entstehen. Auch eine Herzoperation kann in seltenen Fällen zu einem Panzerherz führen. Klinisch beobachtet man bei den Patienten gestaute Halsvenen und Aszites als Zeichen der Stauung vor dem rechten Herzen. Das Herzminutenvolumen ist reduziert und der Füllungsdruck der rechten Herzkammer erhöht.
a
b
jOperation kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung. Sternumsperrer. Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge. Diathermie oder Ultraschallskalpell. Sauger. Gefäßstandardinstrumentarium. Allis-Klemme (. Abb. 2.12). Clipzange. Thoraxdrainage.
kNahtmaterial c . Abb. 7.63 a–c OP-Techniken der Aortenisthmusstenose. Patcherweiterung (a), Bypass mit Rohrprothese (b) und Patch-Erweiterung des Aortenisthmus mit A. subclavia sinistra (»Subclavia-flap-Technik«; c)
7.12
Erkrankungen des Herzbeutels
jAllgemeines
Durch Ansammlung von Blut oder seröser Flüssigkeit im Herzbeutel kommt es in Abhängigkeit vom Druck, unter dem die Flüssigkeit im Herzbeutel steht, zu einer Behinderung der diastolischen Füllung der Herzkammern. Dadurch reduziert sich das Herzschlagvolumen und es kommt zur Erhöhung des extravasalen Koronarwiderstandes. Dies führt wiederum zur Durchblutungsstörung des Herzens. Leitsymptome sind ein niedriger arterieller Druck, eine Tachykardie und durch schlechtere Perfusion der Nieren eine eingeschränkte Urinproduktion. Akute Herzbeuteltamponaden können bei Nachblutungen nach herzchirurgischen Eingriffen, bei Herzwandruptur im Rahmen eines Myokardinfarkts und bei Perforation des Herzens im Rahmen von Thoraxverletzungen entstehen. Auch virale und bakterielle Entzündungen können über eine Perikarditis zur Herzbeuteltamponade führen.
4 Nicht resorbierbares monofiles Gefäßnahtmaterial aus Polypropylen. 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial. 4 Drahtnaht, Sternumband und Sternumspanner. kLagerung
4 4 4 4
Rückenlagerung. Beide Arme angelagert. Gelrolle unter beide Knie. Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken Schulterblatt.
kAbdeckung
Nach Standard. kRasur
Oberkörper und beide Leistenregionen.
7.12.1
Akute Herzbeuteltamponade
Operation einer akuten Herzbeuteltamponade 7 Sternotomie, ggf. Durchtrennung von Nähten und Drahtcerclagen. Entfernen von Thromben und frischem Blut. Spülung. 6
7
372
7
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
7 Suche nach frischen Blutungsquellen und Stillung mittels Naht, Clip oder bipolarer Elektrokoagulation. 7 Bei Thoraxverletzungen mit nachfolgender Herzbeuteltamponade wird, je nach Lokalisation der Verletzung, eine mediane Sternotomie oder eine anterolaterale Thorakotomie durchgeführt. 7 Penetrationsverletzungen (Stich-/Schussverletzungen) oder Perforationen im Rahmen eines Myokardinfarkts werden je nach Lokalisation ohne oder mit Einsatz der HLM mit filzarmierten Einzelnähten versorgt. 7 Falls Koronararterien oder Herzklappen verletzt wurden, kann mit Hilfe der HLM eine koronare Bypassoperation oder ein Klappeneingriff erforderlich sein. 7 Bei Herzbeuteltamponaden auf der Grundlage viraler bzw. bakterieller oder einer urämischen Perikarditis kann eine linksanteriore Thorakotomie mit anschließender Perikardfensterung durchgeführt werden. Dabei wird ein im Durchmesser ca. 3–4 cm großer Anteil des Herzbeutels reseziert und die linke Pleurahöhle drainiert. Bei gekammerten Ergüssen kann ggf. eine zusätzliche Perikardfensterung über eine rechtsseitige anteriore Thorakotomie erforderlich sein.
7.12.2
Panzerherz
Der Zugang erfolgt über eine mediane Sternotomie. Verkalkte bzw. bindegewebig umgewandelte Perikardanteile werden vom Herzen abpräpariert. Dabei muss eine Schädigung der Koronararterien vermieden werden. Zuweilen ist die komplette Entfernung aller Kalkschollen, insbesondere der Verkalkungen hinter dem Herzen, nur unter Zuhilfenahme der EKZ, jedoch am schlagenden Herzen möglich.
7.13
. Abb. 7.64 Vorhofmyxom mit partiell reseziertem Vorhofseptum. (Mit frdl. Genehmigung von Dr. Danne)
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Thoraxsperrer (minimal-invasiv) (. Abb. 7.46). Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge. Diathermie oder Ultraschallskalpell. Sauger. Gefäßstandardinstrumentarium. Diverse Gefäßklemmen, Fogarty-Klemme, Chitwood-Klemme. Clipzange. Thoraxdrainage. Gore-Tex-Patch. Haltebänder. Ein etwas kräftigeres Gummirohr als Tourniquet zur Fixierung der HLM-Kanülen. Schocklöffel, Schrittmacherkabel.
kNahtmaterial
4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Gefäßnahtmaterial aus Polypropylen. 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial. 4 Doppelt armierte Gore-Tex-Naht. 4 Drahtnaht, Sternumband und Sternumspanner.
Herztumoren kImplantate
jAllgemeines
Tumoren des Herzens sind sehr selten. Die Mehrzahl der Tumoren sind gutartig (ca. 75%). Der häufigste Tumor ist das gutartige Myxom (. Abb. 7.64), das überwiegend im linken Vorhof, ausgehend von einem Stiel am Vorhofseptum, zu finden ist. jOperation kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung. 4 Sternumsperrer (. Abb. 7.18).
4 Kunststoffpatches (z. B. Gore-Tex Cardiovascular Patch; expandiertes Polytetrafluorethylen). 4 Biologische Patches (z. B. Rinderperikard-Patch oder autologer Patch, in 0,25%igem Glutaraldehyd fixiert). kLagerung
4 4 4 4
Rückenlagerung. Beide Arme angelagert. Gelrolle unter beide Knie. Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken Schulterblatt.
373 7.14 · Pulmonale Thrombektomie
kAbdeckung
Nach Standard. kRasur
Oberkörper und beide Leistenregionen. Operation von Herztumoren 7 Mediane Sternotomie oder rechtsanteriore Thorakotomie. Perikarderöffnung. Heparingabe. 7 Anschluss an die HLM über eine Aorta-ascendensKanüle und 2 getrennte Vorhofkanülen mit Tourniquets. 7 Beginn der EKZ. Queres Abklemmen der Aorta ascendens. Kardioplegiegabe über einen Aortenwurzelkatheter. Eröffnung des rechten Vorhofs. 7 Eröffnung des linken Vorhofs über einen Schnitt im Bereich der Fossa ovalis (sog. transseptaler Zugang). Je nach Größe des Tumors kann der Schnitt bis ins linke Vorhofdach erweitert werden. Der zerfließliche Tumor hat meist einen Stiel, ausgehend vom Vorhofseptum, der mit einem entsprechenden Sicherheitsabstand reseziert wird. 7 Patchersatz des durch die Resektion entstandenen Vorhofseptumdefektes. Verschluss des rechten Vorhofs. 7 Öffnen der Aortenklemme. Wiederbelebung, Rhythmisierung und Entlüftung des Herzens. Schrittmacherelektroden. Beendigung des kardiopulmonalen Bypasses. 7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Perikard- und Retrosternaldraiange. Thoraxverschluss.
7.14
Pulmonale Thrombektomie
jAllgemeines
Die fulminante Lungenembolie ist eine lebensbedrohliche Komplikation einer tiefen Bein-/Beckenvenenthrombose, wie sie im Rahmen von Gerinnungsstörungen, einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie, bzw. im postoperativen Verlauf bei bettlägerigen Patienten vorkommen kann. Bei den betroffenen Patienten kommt es, bedingt durch die Verlegung der Lungenstrombahn mit thrombotischem Material (. Abb. 7.65), zu schweren Gasaustauschstörungen und zum Versagen des rechten Herzens. Ist eine Fibrinolyse nicht möglich oder kontraindiziert, wird eine Thrombektomie der Lungenarterien mit Hilfe der HLM durchgeführt.
. Abb. 7.65 Fulminante Lungenembolie. Operationspräparat von Patientin mit tiefer Beinvenenthrombose bei Heparin-induzierter Thrombozytopenie. (Abb. freundlicherweise überlassen von RIESSmedien)
kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung mit Sternumsperrer. 4 Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge. 4 Diathermie oder Ultraschallskalpell. 4 Sauger. 4 Gefäßstandardinstrumentarium. 4 Diverse Gefäßklemmen, Fogarty-Klemme. 4 Clipzange. 4 Thoraxdrainage. 4 Haltebänder. 4 Ein etwas kräftigeres Gummirohr als Tourniquet zur Fixierung der HLM-Kanülen. 4 Schocklöffel, Schrittmacherkabel. kNahtmaterial
4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Gefäßnahtmaterial aus Polypropylen. 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial. 4 Doppelt armierte Gore-Tex-Naht. 4 Drahtnaht, Sternumband und Sternumspanner. kLagerung
4 4 4 4
Rückenlagerung. Beide Arme angelagert. Gelrolle unter beide Knie. Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken Schulterblatt.
kAbdeckung jOperation
Nach Standard.
Die im Folgenden aufgeführten OP-Bedingungen gelten sowohl für die Operation der akuten als auch der chronischen Lungenembolie.
kRasur
Oberkörper und beide Leistenregionen.
7
374
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
7.14.1
Operation bei akuter Lungenembolie
Operation bei akuter Lungenembolie
7
7 Mediane Sternotomie. Perikarderöffnung. Heparingabe. 7 Anschluss an die HLM mit einer Aorta-ascendensKanüle sowie einer venösen Zweistufenkanüle bzw. getrennte Kanülierung beider Hohlvenen. Beginn der EKZ. 7 Längseröffnung der A. pulmonalis evtl. bis in die rechte und linke Pulmonalarterie hinein und Ausräumen des thrombotischen Materials. Gegebenenfalls manuelles Exprimieren beider Lungenflügel zum Mobilisieren von frischen Thromben. Verschluss der A. pulmonalis mit fortlaufender 4–0 Polypropylennaht. Entlüftung. Beendigung der EKZ. 7 Dekanülierung. Protamingabe. Schrittmacherelektroden. Perikard- und Retrosternaldrainage. Thoraxverschluss.
ten Herzkammer gelegt. 40% aller Schrittmacherimplantationen erfolgen bei einem AV-Block III. Grades. Bei krankhafter Verringerung des Sinus-KnotenRhythmus (Sick-Sinus-Syndrom) genügt die Implantation eines sog. AAI-Schrittmachers. Hier ist bei intakter Überleitung vom Vorhof auf die Kammer nur eine Vorhofelektrode, die einen normofrequenten Impuls abgibt, erforderlich. Bei Patienten mit chronischem Vorhofflimmern ohne adäquate Vorhofaktion genügt die Implantation eines sog. VVI-Schrittmachers, bei dem nur eine Sonde im rechten Ventrikel positioniert wird. jOperation kInstrumentarium
4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium. Gefäßstandardinstrumentarium. Clipzange. Redon-Drainage. Bereitstellen des Bildwandlers; Beachtung der Strahlenschutzbestimmungen.
kNahtmaterial 7.14.2
Operation bei chronischer Lungenembolie
Bei Patienten mit rezidivierenden Lungenembolien kann es infolge der Verlegung der Pulmonalarterien durch Thromben zu einer schweren pulmonalen Hypertonie kommen. Diese Patienten können in tiefer Ganzkörperhypothermie (20 °C) mit Hilfe der HLM und mit intermittierendem Kreislaufstillstand pulmonal thrombektomiert werden. Dabei wird unter Zuhilfenahme eines Dissektors (. Abb. 7.19) altes thrombotisches Material zusammen mit der Gefäßintima (Thrombarteriektomie) entfernt.
7.15
Behandlung von Herzrhythmusstörungen
7.15.1
Herzschrittmacher
4 Nicht resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial aus Polypropylen. 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial. kImplantate
4 Schrittmacherelektroden (. Abb. 7.66). 4 Schrittmacheraggregat (. Abb. 7.66). kLagerung
4 Rückenlagerung mit rekliniertem Kopf auf einem röntgentransparenten OP-Tisch.
jAllgemeines
Die erste Herzschrittmacherimplantation erfolgte im Jahre 1958. Zurzeit werden in Deutschland über 50.000 Patienten pro Jahr mit einem dauerhaften Schrittmachersystem versorgt. Dabei werden in erster Linie Patienten behandelt, bei der die Herzrhythmusüberleitung vom Sinusknoten auf beide Ventrikel nicht ordnungsgemäß funktioniert (AV-Blockierung). Diese Patienten werden in der Regel mit einem physiologischen Schrittmacher (DDDSchrittmacher) behandelt; hierbei wird eine Elektrode im Bereich des Vorhofs und eine weitere im Bereich der rech-
. Abb. 7.66 Schrittmacherimplantation (DDD-Pacer)
375 7.15 · Behandlung von Herzrhythmusstörungen
4 Beide Arme angelagert. 4 Gelrolle unter beide Knie. 4 Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken Schulterblatt.
kInstrumentarium, Nahtmaterial, Lagerung, Abdeckung und Rasur
Siehe 7 Abschn. 7.15.1. jOperation
kAbdeckung
4 Nach Standard. 4 Abdeckung für den Bildwandler. kRasur
Rechter oder linker Hals-Thorax-Bereich. Herzschrittmacher-Implantation 7 Hautschnitt im Bereich der Mohrenheim-Grube links (ggf. rechts). Venae sectio der V. cephalica bzw. Punktion der V. subclavia und Einführen der Schrittmacherelektroden, die unter Bildwandlerkontrolle im Bereich des Vorhofs bzw. der rechten Ventrikelspitze positioniert werden. Dabei können wahlweise Elektroden gewählt werden, die sich im Trabekelwerk verhaken (Fächerelektroden) oder die ins Myokard eingeschraubt werden (Schraubelektroden). 7 Durchmessen der Schrittmacherelektroden. Anschließen des Schrittmacheraggregats, das in einer subkutanen bzw. submuskulären Tasche unter dem M. pectoralis mit einer nicht resorbierbaren Naht fixiert wird. Einlegen einer Redon-Drainage. Schichtweiser Wundverschluss.
7.15.2
Interne Defibrillatoren
jAllgemeines
Sogenannte bösartige ventrikuläre Rhythmusstörungen können zu Kammerflimmern/Kammerflattern führen. Gelingt es nicht, diese Patienten durch entsprechende Antiarrhythmika (z. B. Amiodaron) zu behandeln, besteht bei Auslösbarkeit von Kammerflimmern während einer elektrophysiologischen Untersuchung die Indikation zur Implantation eines internen Defibrillators. Moderne Defibrillatoren verfügen über SensingDefibrillations-Elektroden, die genau wie bei einer Schrittmacherimplantation transvenös und endokardial unter Bildwandlerkontrolle implantiert werden können. Diese Sensing-Defibrillations-Elektroden können, z. T. in Kombination mit dem Gehäuse des Defibrillators, ein für eine Defibrillation ausreichendes elektromagnetisches Feld aufbauen. Derzeit werden in Deutschland pro Jahr mehr als 4.500 Systeme mit steigender Frequenz implantiert.
Die Implantationstechnik unterscheidet sich nicht von der Implantation eines sog. VVI-Schrittmachers. Unter Bildwandlerkontrolle wird die Sensing-Defibrillations-Elektrode im Bereich des rechten Ventrikels positioniert. Intraoperativ wird getestet, ob der interne Defibrillator künstlich ausgelöstes Kammerflimmern/-flattern erfolgreich beenden kann. Das Gerät kann von extern nach dem Prinzip von Induktionsschleifen eingestellt und auch abgefragt werden.
7.15.3
Behandlung von Vorhofflimmern/ -flattern
jAllgemeines
Im Rahmen von Mitralklappenerkrankungen, aber auch bei zunehmendem Alter kann chronisches Vorhofflimmern auftreten. Dabei kommt der Druckerhöhung und gleichzeitig der Vergrößerung des linken Vorhofs eine besondere Bedeutung zu. Der amerikanische Herzchirurg Jim Cox entwickelte eine OP-Technik (MazeOperation), bei der die Vorhöfe nach einem bestimmten Muster zerschnitten und anschließend wieder vernäht wurden. Diese Segmentierung des Vorhofs hat zum Ziel, dass nur eine Vorhoferregung den AV-Knoten erreicht und es damit zu einer Rhythmisierung der Herzaktionen kommt. In letzter Zeit sind neue Verfahren entwickelt worden, um eine transmurale (durch alle Wandschichten reichende) Narbe (elektrische Leitung nicht mehr möglich) im Vorhof zu erreichen; dies geschieht durch Mikrowelle, Radiofrequenz- (RF-)Ablation oder Kryoablation (Vereisung). Auch bei dieser Methode wird der Vorhof in bestimmte Korridore eingeteilt (. Abb. 7.67). Bei dieser sog. unipolaren Vorhofablation muss eine Neutralelektrode am Rücken des Patienten angebracht werden. Werden ausschließlich die Lungenvenen abladiert, geschieht dies am geschlossenen Vorhof mit bipolarer Ablation. jOperation kInstrumentarium
4 4 4 4
Siehe 7 Abschn. 7.8. Ablationsgenerator. Ablationshandgriff. Gegebenenfalls Infusomat mit Kochsalzlösung zur Kühlung bei RF-Ablation. 4 Gegebenenfalls großflächige Neutralelektrode unter dem Rücken des Patienten, bei unipolarer Ablation.
7
376
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
kNahtmaterial, Lagerung, Abdeckung und Rasur
Siehe 7 Abschn. 7.8. Chirurgische Ablation von Vorhofflimmern/-flattern
7
7 Mediane Sternotomie oder rechtsanteriore Thorakotomie. 7 Perikarderöffnung. Heparingabe. 7 Anschluss an die HLM mit einer Aorta-ascendensKanüle und getrennter Hohlvenenkanülierung. Beginn der EKZ. 7 Queres Abklemmen der Aorta ascendens. Gabe von Kardioplegielösung über die Aortenwurzel. Eröffnung des linken Vorhofs. Endokardiale Ablation mit RF, Mikrowelle oder Kryoablation (. Abb. 7.67). Teilweise kann die Ablation auch von epikardial durchgeführt werden. Bei bestimmten Indikationen kann zusätzlich eine rechtsatriale Ablation durchgeführt werden. Vorhofverschluss. 7 Öffnen der Aortenklemme. Reperfusion. Entlüftung. Rhythmisierung. Aufnähen von Schrittmacherelektroden. Abgehen von der HLM. 7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Perikard- und Retrosternaldrainage. Thoraxverschluss.
7.16
Kreislaufunterstützungssysteme
7.16.1
Intraaortale Ballonpumpe
. Abb. 7.67 Ablationslinien im linken Vorhof bei modifizierter Maze-Operation. (Mit frdl. Genehmigung von RIESSmedien)
jAllgemeines
Die EKG-synchronisierte »Gegenpulsation« mit einem Ballonkatheter (intraaortale Ballonpumpe, IABP), der über die Leistenarterie (per Punktion oder Leistenfreilegung) bis in die Aorta descendens vorgeschoben wird, ist ein effektives Verfahren zur Kreislaufunterstützung bei Herzmuskelversagen. Dabei kommt es durch das aktive Leersaugen des Ballons während der Anspannungsphase (Systole) des Herzens zu einer Verringerung des Aortendruckes (. Abb. 7.68a). Die linke Herzkammer kann das Blut gegen eine verringerte Nachlast auswerfen. Beim Aufblasen des Ballons in der Entspannungsphase (Diastole) des Herzens wird durch Druckerhöhung in der Aorta die Durchblutung der Herzkranzarterien verbessert (. Abb. 7.68b).
a
b
. Abb. 7.68 a, b Prinzip der IABP. Entleerter Ballon während der Systole (a) und entfalteter Ballon während der Diastole (b)
4 Redon-Drainage. 4 Halteband.
jOperation kInstrumentarium
kNahtmaterial
4 Grundinstrumentarium. 4 Gefäßstandardinstrumentarium. 4 Clipzange.
4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Gefäßnahtmaterial aus Polypropylen. 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial.
377 7.16 · Kreislaufunterstützungssysteme
kImplantate
Intraaortaler Ballonkatheter. kLagerung
4 4 4 4
Rückenlagerung. Beide Arme angelagert. Gelrolle unter beide Knie. Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken Schulterblatt.
kAbdeckung
Nach Standard. kRasur
Oberkörper und beide Leistenregionen. Implantation einer intraaortalen Ballonpumpe 7 Bogenförmiger Schnitt im Bereich der Leiste. Freilegen der A. femoralis communis. 7 Punktion der A. femoralis und Einführen des Ballonkatheters mit der Seldinger-Technik. Gegebenenfalls 5–0 Tabakbeutelnaht im Bereich der Punktionsstelle. 7 Einlegen einer Redon-Drainage. Schichtweiser Wundverschluss. Postoperativ Röntgenkontrolle zur Bestimmung der exakten Lage erforderlich.
. Abb. 7.69 a–c Prinzip des Linksherz-Assistsystems. Volumenentlastung des linken Ventrikels über einen apikalen (a) bzw. atrialen (b) Zugang. Rückführung des Blutes in die Aorta ascendens (c)
Implantation von links-/rechtsventrikulären Unterstützungssystemen 7.16.2
Links-/rechtsventrikuläre Unterstützungssysteme
jAllgemeines
Das Blut wird im Bereich des linken Vorhofs bzw. der linksventrikulären Spitze entnommen und über eine Pumpe in die Aorta ascendens zurückgeführt (LinksherzAssistsystem; . Abb. 7.69). Beim Rechtsherz-Unterstützungssystem wird das Blut des rechten Vorhofs drainiert und über eine Pumpe in die A. pulmonalis zurückgeführt. kInstrumentarium, Nahtmaterial, Lagerung, Abdeckungund Rasur
Siehe 7 Abschn. 7.8. kImplantate
Kanülen für Vorhöfe, linke Herzkammer und Pulmonalarterie.
7 Wird meist im Anschluss an eine Herzoperation oder bei großem Herzinfarkt mit Low output implantiert. 7 Die entsprechenden Kanülen werden über Tabakbeutelnähte in linkem und rechtem Vorhof sowie Pulmonalarterie bzw. an der linksventrikulären Spitze über filzarmierte U-Nähte eingelegt (. Abb. 7.69). Das Pumpensystem sowie das Steuerungssystem können dabei intern oder extern liegen.
7.16.3
Endovaskuläre Turbinenpumpen
jAllgemeines
Diese Kreislaufunterstützungssysteme basieren überwiegend auf Miniturbinen mit hohen Umdrehungszahlen, die ein Volumen von mehr als 5 l aus der linken Herzkammer in die Aorta ascendens pumpen können. Sie sind bei postoperativem Herzmuskelversagen (Low output) nach Herzoperationen, Herzinfarkt oder Kardiomyopathie indiziert.
7
378
Kapitel 7 · Kardiochirurgie
kInstrumentarium, Nahtmaterial, Lagerung, Abdeckung und Rasur
Siehe 7 Abschn. 7.8. kImplantate
Miniturbine. Implantation von endovaskulären Turbinenpumpen 7 Einlage einer Turbinenpumpe meist intraoperativ über eine Dacron-Gefäß-Prothese oder V.-saphena-magna-Implantat, die in tangentialer Ausklemmung mit einer fortlaufenden 4–0 bzw. 6–0 monofilen Polypropylennaht im Bereich der Aorta ascendens angebracht wird. 7 Anschließend Vorschieben der Turbinenpumpe (. Abb. 7.70) über die Aortenklappe bis in den linken Ventrikel. Abdichten der Dacron-Prothese um den Pumpenkatheter mit mehreren geflochtenen nicht resorbierbaren Nähten.
7
. Abb. 7.70 Endovaskuläre Turbinenpumpe vom Typ Impella. (Fa. Impella)
4 Bereitstellung eines weiteren Instrumententisches zur Präparation des Spenderorgans. 7.17
Herztransplantation kNahtmaterial
jAllgemeines
Voranschreitende endgradige Herzmuskelschwäche bei normalen Widerstandsverhältnissen im kleinen Kreislauf ist die Indikation für eine orthotope Herztransplantation (HTX). Man spricht von einer orthotopen Herztransplantation, wenn ein menschliches Spenderherz am Ort des zuvor entfernten Herzens eingepflanzt wird (. Abb. 7.71). jOperation kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung. Sternumsperrer. Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge. Diathermie, Ultraschallskalpell. Sauger. Gefäßstandardinstrumentarium. Diverse Gefäßklemmen, wie Satinsky-, FogartyKlemme. Clipzange, Thoraxdrainage, Redon-Drainage. Gummizügel. Ein etwas kräftigeres Gummirohr als Tourniquet zur Fixierung der HLM-Kanülen. Schocklöffel, Schrittmacherdrähte. Bereitstellen des Bildwandlers; Beachtung der Strahlenschutzbestimmungen.
4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Gefäßnahtmaterial aus Polypropylen. 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial. 4 Drahtnaht, Sternumband und Sternumspanner. kLagerung
4 4 4 4
Rückenlagerung. Beide Arme angelagert. Gelrolle unter beide Knie. Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken Schulterblatt.
kAbdeckung
Nach Standard. kRasur
Oberkörper und beide Leistenregionen. Herztransplantation 7 Mediane Sternotomie. Perikarderöffnung. Heparingabe. 7 Kanülierung der Aorta ascendens und unterer sowie oberer Hohlvene über 2 Kanülen mit Tourniquets. Queres Abklemmen der Aorta ascendens. 6
379 7.17 · Herztransplantation
. Abb. 7.71 Prinzip der orthotopen Herztransplantation. (Ao = Aorta, HLM = Herz-Lungen-Maschine, LA = linker Vorhof, PA = Pulmonalarterie, RA = rechter Vorhof )
7 Queres Durchtrennen der Aorta ascendens und der A. pulmonalis sowie Entfernung des Herzens in der Art, dass jeweils der dorsale Anteil vom rechten und linken Vorhof im Patienten verbleibt. 7 Nach der Vorbereitung des Spenderorgans an einem gesonderten Tisch Implantation des Spenderherzens mit 4 fortlaufenden 4–0 monofilen Polypropylennähten, beginnend mit dem linken Vorhof, dem rechten Vorhof und der Aorta (. Abb. 7.71). Öffnen der Aortenklemme, Wiederbeleben und Rhythmisieren des Herzens. 7 In der Reperfusionsphase Anastomosierung der A. pulmonalis zwischen Spender- und Empfängerarterie mit einer fortlaufenden 4–0 monofilen Polypropylennaht. Entlüftung. Schrittmacherelektroden. Abgehen von der HLM. 7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Aufnähen von Schrittmacherelektroden sowohl auf den Empfänger-Sinusknoten als auch den Spender-Sinusknoten und den rechten Ventrikel. Perikard- und Retrosternaldrainage. Thoraxverschluss.
7
8
Gynäkologie U. Havemann, M. Bazargan
8.1
Anatomische Grundlagen
– 382
8.2
Zugänge in der Gynäkologie
– 385
8.3
Lagerungen und Abdeckung
– 386
8.4
Gynäkologisches Instrumentarium
8.5
Medikamente
8.6
Operative Eingriffe
8.7
Laparoskopie/Pelviskopie
8.8
Mammachirurgie
– 388
– 388 – 391 – 411
– 418
M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
382
Kapitel 8 · Gynäkologie
8.1
Anatomische Grundlagen
Die Gynäkologie (Frauenheilkunde) beschäftigt sich mit den Erkrankungen des inneren und äußeren Genitale (. Abb. 8.1 bis . Abb. 8.2) sowie den Erkrankungen der Brustdrüse der Frau.
Die weiblichen Geschlechtsorgane sind unterteilt in inneres und äußeres Genitale. Zu den inneren Organen zählen die Eierstöcke (Ovarien), die Eileiter (Tuben), die Gebärmutter (Uterus) und die Scheide (Vagina). Das äußere Genitale der Frau besteht aus kleinen Schamlippen (Labia minora pudendi), großen Schamlippen (Labia ma-
8
. Abb. 8.1 Sagittalschnitt durch das weibliche Becken
. Abb. 8.2 Äußere Geschlechtsteile. Der tragfähige Beckenboden wird vor allem vom M. levator ani (Diaphragma pelvis) gebildet
383 8.1 · Anatomische Grundlagen
jora pudendi), dem Kitzler (Klitoris) und Scheidenvorhof (Vestibulum vaginae). Das äußere Genitale wird auch als Vulva bezeichnet.
8.1.1
Eierstock (Ovar)
Der paarig angelegte Eierstock (Ovar; . Abb. 8.3) ist der Produktionsort und das Weiterentwicklungsorgan der Eizellen und weiblicher Geschlechtshormone. Er entspricht in seiner Form und Größe einer flachen Pflaume. Die Blutversorgung erfolgt über die A. ovarica, die auf Höhe der Nierenarterienabgänge aus der Aorta entspringt (7 Abschn. 8.1.4).
8.1.2
Eileiter (Tuben)
Die Tuben entspringen seitlich am Fundus des Uterus und münden in einen Fransentrichter, (Fimbrientrichter), der sich beim Eisprung auf das Ovar legt. Diese Fimbrien sind 12–15 cm lang und nehmen die Eizelle auf. Gelangt ein befruchtetes Ei nicht innerhalb von 4 Tagen in die Gebärmutter, kommt es zu einer Einnistung in die Tube und damit zu einer sog. Eileiterschwangerschaft (7 Abschn. 8.7.3). Der Eileiter rupturiert dann meist nach wenigen Tagen, und es kommt zu einer lebensbedrohlichen Blutung.
8.1.3
Gebärmutter (Uterus)
Der Uterus liegt im kleinen Becken zwischen Rektum und Blase. Er ist üblicherweise nach vorn gewölbt (anteflektiert). Die Gebärmutter wird in 4 Segmente eingeteilt: 4 Dach (Fundus), 4 Körper (Korpus),
. Abb. 8.3 Vorderansicht der inneren Geschlechtsorgane
4 Hals (Zervix), 4 Mund (Portio). Fundus, Korpus und ein Teil der Zervix liegen intraperitoneal und sind mit Bauchfell (Peritoneum) überzogen. Die untere Hälfte der Zervix liegt im Beckenbindegewebe (Parametrium), die Portio mündet in die Vagina. Durch die Portio wird das Scheidengewölbe in ein vorderes und ein hinteres Scheidengewölbe eingeteilt. Der Uterus hat nach allen Seiten einen Halteapparat, der aus 3 kranialen und 3 kaudalen Bändern besteht. 4 Kraniale Ligamente: 5 Lig. teres uteri = Lig. rotundum; rundes Mutterband. Es entspringt oberhalb der Tubenabgänge, durchzieht den Leistenkanal und endet in den großen Labien. Es besitzt Zügelfunktion, hält den Uterus in Anteflexions- und Anteversionsstellung. 5 Lig. uteroovaricum = Lig. ovarii proprium. Es entspringt im Tubenwinkel und zieht zum Ovar. 5 Lig. suspensorium ovarii = Lig. infundibulopelvicum. Es entspringt lateral am Ovar und zieht zur Beckenwand. In ihm verläuft die A. ovarica. 4 Kaudale Ligamente: 5 Lig. cardinale. Es setzt mehr seitlich an der Zervix an, zieht aber nach hinten. In ihm verlaufen die uterusversorgenden Gefäße (A. uterina). 5 Lig. sacrouterinum. Es verläuft von der Zervix nach hinten – um das Rektum – und bildet so eine randständige Verstärkung um die durch das Rektum entstehende Lücke. Dieses Ligament hat als einziges eine echte Haltefunktion.
8
384
8
Kapitel 8 · Gynäkologie
4 Blasenpfeiler, bestehend aus 5 Lig. cervicovesicale = vesicouterinum. Es zieht von der Zervix nach vorn zur Blase. 5 Lig. pubovesicale. Es zieht von der Blase zur vorderen Beckenwand. 4 Parametrium = Beckenbindegewebe: Es verläuft von der Beckenwand zur Zervix und umfasst diese. Das Parametrium wirkt federnd und hält den Uterus im kleinen Becken. Seine wichtigsten Anteile sind das Lig. sacrouterinum und das Lig. cardinale auf beiden Seiten. 4 Lig. latum = breites Band = Peritoneum = Mesometrium. Diese Bauchfellduplikatur zieht von den Uterusseitenbereichen zur seitlichen Beckenwand. Sie besitzt wenig Bindegewebe und hat keine haltende Funktion. Das Lig. latum besteht aus: 5 Mesosalpinx, eine Bauchfellduplikatur, die die Tuben umgibt, gebildet aus beiden Blättern des Lig. latum. 5 Mesoovarium, eine Bauchfellduplikatur aus dem hinteren Blatt des Lig. latum. Das Ovar liegt diesem Blatt an. 5 Excavatio rectouterina, der Douglas-Raum, eine Einsenkung des Peritoneums zwischen Uterus und Rektum. 5 Excavatio vesicouterina, Einsenkung des Peritoneums zwischen Uterus und Blase.
Außen ist der Uterus mit Bauchfell (Perimetrium = Tunica serosa) überzogen. Das Muskelgewebe (Myometrium = Tunica muscularis) ist in der Lage, sich während einer Schwangerschaft auszudehnen und am Ende der Schwangerschaft das Kind auszutreiben. Nachdem das Kind geboren ist, zieht sich der Uterus unter der Einwirkung des Hormons Oxytozin, das die Blutgefäße in der Muskulatur komprimiert, wieder zusammen Innen ist der Uterus mit einer Schleimhautschicht (Endometrium = Tunica mucosa) ausgekleidet, die die Einnistung eines befruchteten Eis ermöglicht. Diese Schleimhautschicht wächst zu Beginn des weiblichen Zyklus und wird am Ende des Zyklus abgestoßen, um sich nach der monatlichen Regelblutung wieder aufzubauen. Der Hohlraum im Uterus, der mit dem Endometrium ausgekleidet ist, wird als Cavum uteri bezeichnet.
8.1.4
Gefäßversorgung
Die A. uterina und die A. ovarica versorgen das weibliche Genitale (. Abb. 8.4). Die A. uterina entspringt aus der A. iliaca interna, verläuft im Lig. cardinale über den Ureter und teilt sich in 2 Äste: 4 R. descendens (cervicovaginalis), der die Zervix und das obere Scheidendrittel versorgt, 4 R. ascendens (uterotubarius), der die Tube und den Corpus uteri versorgt.
Wandschichten des Uterus Die Wandschichten des Uterus sind nach Art ihrer Aufgaben einzuordnen.
Von beiden Rami gehen Äste ab, die die Vorder- und Hinterwand der Gebärmutter versorgen.
. Abb. 8.4 Peritonealverhältnisse und Gefäßversorgung von Ovar, Tuben und Uterus. Ansicht von dorsal
385 8.2 · Zugänge in der Gynäkologie
. Abb. 8.5 Schematische Darstellung der Gefäßversorgung des weiblichen Genitale, der Harnblase und des Rektums
Die A. ovarica entspringt aus der Aorta in Höhe der A. renalis. Sie zieht durch das Lig. suspensorium ovarii zum Ovar. Zwischen dem R. ascendens und der A. ovarica bestehen etliche Verbindungen (. Abb. 8.5). Die Aa. vesicales inferiores versorgen das mittlere Scheidendrittel. Die Aa. pudendalis und rectales versorgen das untere Scheidendrittel und die Vulva.
8.2
Zugänge in der Gynäkologie
8.2.1
Suprasymphysärer Faszienquerschnitt nach Pfannenstiel
4 Hautschnitt quer, leicht bogenförmig, wenn möglich unterhalb des suprapubischen Haaransatzes. 4 Durchtrennung des Subkutangewebes bis auf die Rektusscheide.
4 Quereröffnung der Faszie zunächst in der Mitte mit dem Skalpell, dann Erweiterung nach rechts und links mit einer kräftigen Schere (z. B. nach Cooper). 4 Anklemmen der Faszienränder mit Kocher-Klemmen. 4 Lösen der Faszie von der Vorderwand der Rektusmuskulatur (dies ist weitgehend stumpf möglich); die in der Mitte verlaufende Linea alba wird scharf durchtrennt. 4 Auseinanderdrängen der Rektusbäuche und Einsetzen der Roux-Haken. 4 Unterhalb der Rektusmuskulatur liegt die Fascia transversalis, die bei schlanken Patientinnen häufig eine Einheit mit dem Peritoneum bildet. Die Fascia transversalis wird mit zwei chirurgischen Pinzetten gefasst und vorsichtig mit dem Skalpell gespalten. 4 Anschließend kann das Peritoneum gefasst und eröffnet werden (Cave: Verletzungen der Blase und des Darms).
8
386
8
Kapitel 8 · Gynäkologie
4 Verlängerung des Peritonealschnittes in Längsrichtung nach proximal und distal mit der Schere. 4 Einsetzen von Haken, Sperrern oder Rahmen und Abstopfen der Darmschlingen mit feuchten Bauchtüchern.
mit dem Skalpell. Längserweiterung des Schnittes mit der Schere. 4 Einsetzen von Haken oder Rahmen und Abstopfen des Darms mit Bauchtüchern.
Verschluss
Verschluss
4 Anklemmen des Peritoneums mit 3–4 Peritonealklemmen nach Mikulicz. 4 Textilien und Instrumente werden auf Vollständigkeit überprüft und der Zählstand dokumentiert. 4 Fortlaufende Peritonealnaht im oberen Wundwinkel beginnend. 4 Fortlaufende Adaptationsnaht der Rektusmuskeln, am distalen Wundwinkel beginnend (dazu kann die Peritonealnaht weiter genutzt werden). 4 Exakte Blutstillung. 4 Fasziennaht, entweder fortlaufend oder durch kräftige Einzelknopfnähte. Bei Einzelknopfnähten werden zunächst Ecknähte angelegt, die lang gelassen werden, danach erfolgt eine Naht in der Mitte. 4 Bei Bedarf Einlage einer subfaszialen Redon-Drainage. 4 Weiterer Faszienverschluss in fortlaufender Nahttechnik. 4 Evtl. Subkutannaht mit Einzelknopfnähten. 4 Intrakutannaht oder Hautklammerung.
4 Anklemmen des Peritoneums mit 3–4 Peritonealklemmen nach Mikulicz. 4 Textilien und Instrumente werden auf Vollständigkeit überprüft und der Zählstand dokumentiert. 4 Unterschiedliche Nahttechniken sind möglich: 5 Fassen aller Schichten in fortlaufender Nahttechnik mit einem Schlingenfaden; schichtweiser Wundverschluss in fortlaufender oder Einzelknopfnahttechnik. 5 Stabile Rekonstruktion der Bauchdecke: Zunächst werden Rektusaponeurose, Muskulatur und Peritoneum durchstochen. Anschließend wird unter Bildung einer Schlaufe mit dieser Naht mehr oberflächlich zurückgestochen. Subkutannaht. 4 Intrakutannaht oder Hautklammerung.
jVorteile
4 Geringere »Platzbauchgefahr« durch den Wechselschnitt. 4 Gute kosmetische Ergebnisse durch den Hautschnitt unterhalb des Haaransatzes.
jVorteile
4 Ist operativ größerer Raumbedarf gewünscht, wird dieser Zugang gewählt. 4 Gute Erweiterungsmöglichkeit. 4 Geringere Blutungsgefahr. jNachteile
4 Platzbauch-, Herniengefahr. 4 Das kosmetische Ergebnis ist unbefriedigender als beim Zugang nach Pfannenstiel.
jNachteil
4 Der Schnitt bietet kaum Erweiterungsmöglichkeiten.
8.2.2
Medianer Unterbauchlängsschnitt
4 Längsschnitt im Bereich der Linea alba nach distal bis zur Symphyse, nach proximal bis zum Nabel. 4 Bei Schnittverlängerung wird der Nabel in ausreichendem Abstand linksseitig umschnitten, weil auf der rechten Seite das Lig. teres hepatis verläuft, ein verschlossener Rest der Nabelvene, der geschont werden soll (Zugangswege 7 Abschn. 2.1). 4 Durchtrennung des subkutanen Fettgewebes, dann Längsinzision der Faszie. 4 Die Ränder der Rektusmuskeln werden stumpf auseinandergedrängt. 4 Die Fascia transversalis und das präperitoneale Fettgewebe liegen frei. 4 Eröffnung des Peritoneums durch Fassen und Anheben mit chirurgischen Pinzetten und Stichinzision
8.3
Lagerungen und Abdeckung
8.3.1
Gerade Rückenlagerung bei Eingriffenin der Mammachirurgie
4 Rückenlage nach Standard (7 Abschn. 1.2). 4 Anbringen eines Zusatzes an die Tischplatte, damit der Kopf gelagert werden kann, weil die Patientin weit nach oben gelagert werden muss, damit das Gesäß korrekt zu liegen kommt (s. unten).
8.3.2
Beach-Chair-Lagerung
4 Der gesamte Tisch wird 20–30° kopftief gekippt. 4 Der Oberkörper wird 60–70° angehoben, das Gesäß der Patientin muss gut gepolstert im Knick des OPTisches liegen. 4 Die Beine werden ca. 10° abgesenkt.
387 8.3 · Lagerungen und Abdeckung
4 Polstern der Fersen der Patientin mit Gelkissen, Entlastung der Kniegelenke ggf. durch eine Gelrolle, Fixation der Patientin mit einem Gurt, der oberhalb der Patellae angebracht wird. 4 Beide Arme werden ausgelagert. 4 Die Patientin wird an den seitlichen Rand des OP-Tisches gezogen, um einen optimalen Zugang zur Axilla zu haben. 4 Bei Mammaaufbau- oder Mammareduktionsplastiken können beide Arme angelagert werden. 4 Der 2. Assistent steht sehr weit kranial, sodass ein Narkosebügel nicht angebracht werden kann. 4 Anbringen der neutralen Elektrode OP-Feld-nah. 4 Die EKG-Elektroden werden immer auf dem Rücken der Patientin platziert, da bei allen Eingriffen in der Mammachirurgie beide Seiten desinfiziert und abgedeckt werden. 4 Die gesunde Seite ist einsehbar, um bei allen Rekonstruktionen der betroffenen Seite eine Orientierung zu bieten. 4 Feuchtigkeitsschutz an Hals, Axilla und Thorax. 4 Vor der 4-Tuch-Abdeckung wird entweder ein steriles Tuch unter die Axilla geschoben und ein Beinling über den Arm der betroffenen Seite gezogen oder der gesamte Arm zirkulär abgedeckt.
8.3.3
. Abb. 8.6 Steinschnittlagerung mit abgesenkten Beinen. (Nach Krettek u. Aschemann 2005)
Steinschnittlagerung mit abgesenkten Beinen
Diese Lagerung wird bei allen gynäkologischen Laparotomien und Laparoskopien durchgeführt (. Abb. 8.6). 4 Rückenlage auf einem Steinschnitttisch mit einer Gelmatte, Vakuummatte oder anderen polsternden Materialien. 4 Das Gesäß der Patientin schließt mit der Tischkante ab. 4 Die Unterschenkel liegen gepolstert in den Halbschalen der Göbel-Stützen in 160° Kniebeugung. 4 Bei Laparotomien werden die Oberschenkel in Verlängerung des Körpers gelagert, dadurch nähert sich das innere Genitale mehr der OP-Wunde. 4 Bei Laparoskopien sollte der Winkel der Oberschenkel zum Körper ca. 15–20° betragen, dadurch wird die Verletzungsgefahr der großen Gefäße beim Einstich gemindert. 4 Die Beine der Patientin sind 40–45° gespreizt, dazwischen steht der 2. Assistent. 4 Auslagern der Arme. 4 Anbringen der neutralen Elektrode nach Standard. 4 Feuchtigkeitsschutz am Thorax, Abdomen und Gesäß. 4 Nach dem Beziehen der Beine mit den sterilen Beinlingen erfolgt eine 4-Tuch-Abdeckung, bei Laparoskopien eine 1-Tuch-Abdeckung mit integrierten Beinlingen.
. Abb. 8.7 Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen. (Nach Krettek u. Aschemann 2005)
8.3.4
Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen
Diese Lagerung wird bei allen vaginalen Eingriffen durchgeführt (. Abb. 8.7). 4 Rückenlage auf einem Steinschnitttisch nach Standard. 4 Der Rücken liegt flach auf. 4 Das Gesäß ragt etwas über das Tischende, dabei ist auf die Polsterung des Steißbeins zu achten. 4 Hüftbeugung knapp über 90° durch hochgestellte Halbschalen, die Unterschenkel in 100° Kniebeugung. Die Unterschenkel werden gepolstert, um Druckschäden des N. peronaeus zu vermeiden. 4 Weites Spreizen der Beine unter Beachtung der anatomisch-physiologischen Möglichkeiten der Patientin. 4 Auslagern der Arme. 4 Anbringen der neutralen Elektrode nach Standard.
8
388
Kapitel 8 · Gynäkologie
4 Feuchtigkeitsschutz am Becken und am Gesäß. 4 Nach der Desinfektion wird ein steriles Tuch unter das Gesäß geschoben, danach die Beine mit Beinlingen bezogen, ein großes Tuch wird suprasymphysär geklebt und nach kranial entfaltet. Das größte Tuch des Abdecksets wird über den Anus geklebt, seitlich um die Oberschenkel herumgeführt und mit stumpfen Klemmen in Höhe des Beckens fixiert. Der Operateur sitzt auf einem steril bezogenen Stuhl.
8.4
Gynäkologisches Instrumentarium
Da es viele unterschiedliche, aber gleichwertige Instrumente gibt, kann hier nur eine Auswahl dargestellt werden.
8
8.4.1
Instrumente für abdominale Eingriffe
4 Grundinstrumente: 5 Schere, 5 Pinzetten, 5 Overholt-Klemmen, 5 Peán-Klemmen, 5 Kocher-Klemmen, 5 Langenbeck-Haken, 5 Roux-Haken. 4 Rahmen und Rückhalteinstrumente: 5 Kirschner-Rahmen, 5 Sattlerrahmensystem (7 Abschn. 2.1.1). 4 Organfasszangen: 5 Duval-Klemme, 5 Ovarienfasszange (. Abb. 8.8), 5 Allisklemme. 4 Uterusscheren mit unterschiedlicher Krümmung (. Abb. 8.9 und . Abb. 8.10). 4 Museux. 4 Wertheim-Parametriumklemme (. Abb. 8.11). 4 Wertheim-Hysterektomieklemme (. Abb. 8.12). 4 Myomheber nach Doyen (. Abb. 8.13).
8.4.2
Instrumente für vaginale Eingriffe
4 Scheidenspekulum nach Breisky (. Abb. 8.14), das die Einstellung des Situs vaginal in alle Richtungen erlaubt. 4 Scheidenspekulum nach Kristeller (. Abb. 8.15), das vordere Blatt (. Abb. 8.15b) hält die Vaginalwand nach oben, das hintere Blatt (. Abb. 8.155a) stellt das hintere Scheidengewölbe dar. Flüssigkeiten können über die Rinnenform ablaufen. 4 Scheidenspekulum nach Scherback (. Abb. 8.16). Durch das Gewicht hält dieses Spekulum selbst.
4 4 4 4 4
Kürette nach Bumm (. Abb. 8.17). Portiozangen/Hakenzange (. Abb. 8.18). Hegar-Stifte (. Abb. 8.19 und . Abb. 8.20). Parametrienklemmen (. Abb. 8.11). Uterussonde (. Abb. 8.21).
8.4.3
Instrumente für die Laparoskopie
Die Instrumente und das Equipment für laparoskopische Operationen entsprechen denen in 7 Abschn. 2.15 beschriebenen. Hinzu kommen spezifische Instrumente, von denen einige vorgestellt werden: 4 Myombohrer (. Abb. 8.22). 4 Morcellationsmesser (. Abb. 8.23).
8.5
Medikamente
! Alle Medikamente auf dem OP-Tisch brauchen einen Markierungscode, der für alle Mitarbeiter gültig ist, um Verwechslungen auszuschließen!
In der Beckenbodenchirurgie wird für die Präparation der vorderen und hinteren Plastik ein Lokalanästhetikum verdünnt mit Ringer-Lösung 1:1 verwendet. Das Aufspritzen der Vaginalhaut ermöglicht eine bessere räumliche Darstellung, und das Adrenalin vermindert Blutungen. Beispiel: Xylonest 0,5% mit Adrenalin 1:250.000. Zur lokalen Injektion in die Stichinzisionen bei laparoskopischen Eingriffen, um den postoperativen Schmerzen vorzubeugen. Beispiel: Scandicain 0,25%. Alle Bio-Meshs (Netze) werden vor der Implantation eingelegt, um eine postoperative Infektion zu verhindern und das Netz für die Implantation vorzubereiten. Das Mesh besteht aus getrocknetem Schweinedarm und ist deshalb sehr hart. Beispiel: Gentamycin 80 mg, verdünnt mit Ringer-Lösung. Botulinumtoxin (Botox) ist ein bakterielles Neurotoxin, das geeignet ist zur Behandlung von Erkrankungen der überaktiven Blase mit und ohne Inkontinenz. In einer kurzen Vollnarkose werden zystoskopisch 20×1 ml von Botulinustoxin gemischt mit NaCl (20 ml NaCl+100 MU Botox) über die ganze Blase verteilt in den Blasenmuskel gespritzt. Dadurch kommt es zu einer Verbesserung der Reizblasenbeschwerden und der Inkontinenz. Der maximale Behandlungseffekt wird meist 1– 2 Wochen nach der Injektion erreicht und hält über 6–10 Monate an.
389 8.5 · Medikamente
8.8
8.9
8.11 . Abb. 8.8 Ovarienzange nach Bonney. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 8.9 Uterusschere nach Sims. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 8.10 Uterusschere gebogen nach Bozemann. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 8.11 Wertheim-Parametriumklemme. (Fa. Aesculap AG)
8.10
8.12
8.13
. Abb. 8.12 Wertheim-Hysterektomieklemme. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 8.13 Myomheber nach Doyen (»Myombohrer«). (Fa. Aesculap AG)
8
390
Kapitel 8 · Gynäkologie
b
a
8
8.15
8.16
8..14
8.17
8.18
. Abb. 8.14 Scheidenspekulum nach Breisky. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 8.15a, b Scheidenspekula nach Kristeller. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 8.16 Scheidenspekula nach Scherback. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 8.17 Kürette nach Bumm. (Fa. Aesculap AG)
8.19
8.20
. Abb. 8.18 Hakenzange nach Schröder (»Kugelzange«). (Fa. Aesculap AG) . Abb. 8.19 Gebogener Uterusdilatator nach Hegar. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 8.20 Gerader Uterusdilatator nach Hegar. (Fa. Aesculap AG)
391 8.6 · Operative Eingriffe
8.21
8.22
8.23 . Abb. 8.21 Uterussonde, biegsam, nach Mayo. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 8.22 Myombohrer/Myomheber. (Fa. Storz)
8.6
Operative Eingriffe
8.6.1
Marsupialisation
. Abb. 8.23 Morcellationsmesser nach Chardonnens. (Fa. Storz)
4 Bei Bedarf wird eine Lasche als Drainage eingelegt. 4 Bakteriologieabstrichröhrchen. kLagerung
kIndikation
4 Bartholin-Abszess. Die Bartholin-Drüsen (Glandulae vestibulares majores; . Abb. 8.2) produzieren ein Sekret, das die Scheide feucht
hält. Sie liegen im Diaphragma urogenitale. Ihre Ausführungsgänge münden in den kleinen Labien. Verstopft der Ausführungsgang, so entsteht zunächst eine schmerzlose Retentionszyste. Bei einer eitrigen Sekundärinfektion bildet sich der Bartholin-Abszess. Diese Erkrankung tritt meist einseitig auf und führt zu einer massiven Schwellung des hinteren Drittels der kleinen Labie. kSymptomatik
4 4 4 4
1. Tag: Missempfindungen. 2. Tag: beginnende Schwellung und Schmerzen. 3. Tag: erhebliche Schwellung und Schmerzen. 4. Tag: Reifung des Abszesses bis zum 6. Tag.
kPrinzip
Marsupialisation (lat. marsupium = Beutel) zur Sanierung eines Bartholin-Abszesses oder einer Zyste, indem die Zyste bzw. der Abszess eröffnet und entleert und ein neuer Drüsenausführungsgang geschaffen wird. kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium, 4 evtl. Sauger.
4 Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen (. Abb. 8.7). 4 Eine aufwändige Abdeckung ist nicht zwingend erforderlich, ausreichend sind Beinlinge und zwei Abdecktücher (ein Abdecktuch unter das Gesäß und eines suprasymphysär). Das Operationsteam trägt aus Gründen des Eigenschutzes sterile Kittel. Marsupialisation 7 Desinfektion von Vulva und Scheide, Einmalkatheterisierung, Abdeckung. 7 Hautinzision im Bereich der Mündungsstelle des verstopften Drüsenausgangs an der Innenseite der kleinen Labie. 7 Entnahme eines Abstrichs für die bakteriologische Untersuchung. 7 Digitales Ausräumen des Abszesses. 7 Beginn der Marsupialisation: Die Zystenwand wird von ihrem Grund vorgezogen und an der Schleimhaut der kleinen Labie mit resorbierbaren Einzelknopfnähten fixiert. 7 Anschließend kann eine Lasche eingelegt werden, um den neuen Ausführungsgang offen zu halten. 7 Postoperativ wird die Wundheilung durch Sitzbäder unterstützt.
8
392
Kapitel 8 · Gynäkologie
8.6.2
Abrasio und Kürettage
Abrasio kIndikationen
4 Diagnostisch: 5 Klärung von Blutungsstörungen, insbesondere bei Postmenopausenblutungen, 5 Karzinomverdacht. 4 Therapeutisch: 5 Entfernung von Endometriumresten, 5 Hypermenorrhö. kPrinzip
8
Ausschabung des nichtschwangeren Uterus zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken. Der Uterus wird mit scharfen Küretten ausgekratzt, da Teile des Endometriums zur Diagnostik gewonnen werden sollen. Bei unklaren Blutungen ist eine Differenzierung von Zervix- und Korpusschleimhaut notwendig, um durch die Histologie den Sitz eines vorhandenen Karzinoms zu bestimmen. Durch die fraktionierte Abrasio (s. unten) ist das möglich.
7 7 7 7
7 7
7
rette wird jedes Mal vollständig bis vor die Portio herausgezogen. Dieses Abradat muss streng vom Korpusmaterial getrennt werden! Uteruslängenbestimmung mit der Uterussonde, um eine spätere Perforation zu vermeiden. Dilatation des Zervikalkanals bis auf ca. 8 mm. Korpusabrasio mit scharfen Küretten. Eingehen, bis Funduskontakt entsteht, dann werden immer wieder lange Kürettenstriche vorgenommen, 3– 6–9–12 Uhr. Ausschaben der Tubenecken mit einer kleineren Kürette. Zur weiteren diagnostischen Differenzierung kann im Vorfeld der Abrasio eine Gebärmutterspiegelung (Hysteroskopie) durchgeführt werden. Hierdurch können die Schleimhautverhältnisse beurteilt und z. B. polypöse Veränderungen sichtbar gemacht werden. Nach der Abrasio kann ggf. durch erneute Hysteroskopie kontrolliert werden, ob diese Veränderungen komplett entfernt wurden.
kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4
Spekula, Hakenzangen/Kugelzangen. Uterussonde, Hegar-Stifte, scharfe Küretten, evtl. scharfe Löffel, anatomische Pinzette, 2 Histologiegefäße, um die Schleimhaut getrennt zur histologischen Untersuchung zu geben.
Abortkürettage – Saugkürettage Absaugen des Schwangerschaftsproduktes in der Frühschwangerschaft bis zur 12.–14. Schwangerschaftswoche (SSW). Für das Endometrium gilt dies als die schonendste Methode, weil damit aufgrund des schnellen Vorgehens ein geringer Blutverlust einhergeht.
kLagerung
kIndikationen
4 Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen (. Abb. 8.7). 4 Ein aufwändiges Abdecken erscheint nicht unbedingt erforderlich, ausreichend sind Beinlinge und zwei Abdecktücher (ein Abdecktuch suprasymphysär und eines unter das Gesäß).
4 Gestörte Schwangerschaft, 4 legaler Schwangerschaftsabbruch.
Fraktionierte Abrasio 7 Zu Beginn wird die narkotisierte Patientin untersucht (Narkoseuntersuchung). 7 Desinfektion von Vulva und Scheide, Einmalkatheterisierung, Abdeckung. 7 Einstellen der Portio mit Spekula. 7 Anklemmen der vorderen Portio mit Hakenzangen. 7 Dilatation des Zervikalkanals mit dünnen HegarStiften (ca. 5–6 mm). 7 Zervixabrasio mit einer kleinen, scharfen Kürette. Eingehen bis zum inneren Muttermund. Die Kü6
kPrinzip
Ausschabung des schwangeren Uterus zur Entfernung von Schwangerschaftsmaterial unter Verwendung von stumpfen Küretten oder Saugküretten. In der Schwangerschaft ist die Uteruswand deutlich weicher als sonst, sodass wegen der hohen Perforationsgefahr keine scharfen Küretten verwendet werden sollten. Saugkürettage 7 Gleiches Vorgehen wie bei der Abrasio. 7 Nach der Dilatation des Zervikalkanals wird die Saugkürette wie die Kürette geführt, die Saugöffnung zeigt gegen die Uteruswand. 7 Evtl. vorsichtiges Nachkürettieren mit einer stumpfen Kürette. 7 Das gewonnene Material wird zur histologischen Untersuchung gegeben.
393 8.6 · Operative Eingriffe
kZiele der Konisation Kürettage mit stumpfen Küretten 7 Gleiches Vorgehen wie bei der Abrasio, aber langsames Erweitern des Zervikalkanals mit HegarStiften, die größer sind als die bei der Abrasio (bis etwa 12 mm). 7 Entfernen des Schwangerschaftsproduktes mit stumpfen Küretten und Abortzange. 7 Vorsichtiges Nachkürettieren, um ein Perforieren des weichen Uterus zu vermeiden und die basalen Schichten des Endometriums zu schonen (ggf. nach i.v.-Gabe von Oxytozin, um die Kontraktion der Uterusmuskulatur zu fördern).
8.6.3
Konisation
kIndikationen
Ektopie, ein nicht krankhaftes Hervortreten des Zervixzylinderepithels auf die Portiooberfläche, auf der sich normalerweise unverhorntes Plattenepithel befindet. Leiden die Patientinnen unter sehr starkem zervikalem Fluor, Kontaktblutung oder besteht die Ektopie über mehrere Jahre, kann eine Konisation vorgenommen werden. Verdächtige zytologische Abstriche, (Papanicolaou-Abstrich): 4 PAP III D: Der Nachweis von Zellen mit leichten bis mittelschweren Zellveränderungen führt zum Verdacht auf eine sich entwickelnde beginnende Entartung (Dysplasie). 4 PAP IV A, IV B: Eine weitergehende Krebsvorstufe ist sehr wahrscheinlich. Da die Grenze zwischen dem Zervixepithel und dem Portioepithel – die karzinomgefährdete Zone, die bei jungen Frauen mehr auf der Portio, bei älteren Frauen mehr im Zervikalkanalbereich liegt – wird bei jungen Frauen ein breiter, flacher Konus, bei älteren ein schmaler, hoher Konus entnommen. kTechniken der Konisation
4 Mit dem Skalpell, für eine genauere histologische Untersuchung zur Abklärung verdächtiger Abstriche, 4 mit Lasertechnik (CO2), 4 mit dem monopolaren Messer/Schlinge, um weniger Blutungen (z. B. Behandlung der Ektopie) zu provozieren. kPrinzip
Entnahme eines Gewebekegels aus der Portio, dessen Spitze bis in den oberen Anteil des Zervikalkanals reicht. Anschließend erfolgt eine fraktionierte Abrasio (7 Abschn. 8.6.2).
4 Exakte histologische Untersuchung. 4 bei nichtinvasiven Neoplasien oder schweren Dysplasien der Zervix endgültige Therapie durch die Entfernung des veränderten Gewebes im Gesunden. kInstrumentarium
4 Spekula, auch seitliche Spekula, z. B. nach Breisky (. Abb. 8.14), 4 Hakenzangen/Kugelzangen, 4 langer Skalpellgriff, evtl. Konisationsmesser, 4 Kornzangen, 4 mittellange chirurgische und anatomische Pinzette, 4 mittellange Schere, 4 Nadelhalter, 4 Uterussonde, 4 scharfe Küretten, 4 Hegar-Stifte, 4 monopolare Handelektrode mit Kugel- und/oder Schlingenelektrode. kLagerung
Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen (. Abb. 8.7). Konisation 7 Desinfektion von Vulva und Scheide, Einmalkatheterisierung, anschließend Abdeckung. 7 Einstellen der Portio mit Spekula. 7 Evtl. Infiltration eines Lokalanästhetikums mit Adrenalin zur Vasokonstriktion oder beidseitige Umstechung des absteigenden zervikalen Astes der A. uterina. 7 Anfärben der Portio mit einem in Jodlösung (Lugol-Lösung) getränkten Tupfer. 7 Gesundes Plattenepithel verfärbt sich bräunlich, nicht gesunde Bezirke verfärben sich nicht oder werden weißlich. So können die Resektionsgrenzen bestimmt werden. 7 Seitliches Abklemmen der Portio mit Hakenzangen. 7 Dilatation des Zervikalkanals mit Hegar-Stiften 8–8,5 mm. 7 Umschneiden der Portio mit dem Skalpell, der Schere, dem abgewinkelten Konisationsmesser, dem Laser oder monopolar. 7 Markierung des entnommenen Konus mit einem Faden bei 12 Uhr. 7 Nun erfolgt immer eine fraktionierte Abrasio (7 Abschn. 8.6.2), um die Konisation im Gesunden sicherzustellen. 6
8
394
Kapitel 8 · Gynäkologie
8.6.6 7 Blutstillung oder ggf. Umstechung des absteigenden zervikalen Astes der A. uterina. Dabei besteht die Gefahr der Zervixeinengung! 7 Ggf. Einlegen einer Streifentamponade und Legen eines Dauerkatheters für 24 h.
kKomplikationen
4 Nachblutungen, 4 Zervixinsuffizienz im Fall einer Schwangerschaft.
8.6.4
Operationen bei Zervixinsuffizienz
Cerclage nach Shirodkar
Vorgehen wie bei Cerclage nach Mc Donald (7 Abschn. 8.6.5). Die Scheidenhaut wird an der Zervix jeweils vorn und hinten ein wenig inzidiert. Blase und Rektum werden mit Präpariertupfern hochgeschoben, um die Naht möglichst hoch legen zu können. Ein nicht resorbierbarer Polyesterfaden mit stumpfer Nadel wird dicht unter der Portiohaut um die Zervix herumgeführt. Der Einstich erfolgt bei 12 Uhr; es kann bei 6 Uhr einmal ausgestochen werden. Entfernung des Fadens möglichst nicht vor der 37. SSW.
8.6.7
Totaler Muttermundverschluss nach Szendi
kIndikationen
8
4 Insuffizienz des Gebärmutterhalses in der Schwangerschaft. Schon während des 2. Schwangerschaftsdrittels wird der Verschlussmechanismus geschwächt. Es kommt zur Verkürzung und Auflockerung der Zervix. Der Muttermund öffnet sich mit der Gefahr des vorzeitigen Blasensprungs. 4 Zur Prophylaxe bei vorausgegangenen Spätaborten. 4 Als Therapie bei Eröffnung des inneren Muttermundes vor der 28. SSW (dabei darf keine Scheideninfektion vorliegen). kInstrumentarium
4 Spekula, Ovarfasszangen. 4 Tupfer, Nadelhalter, nicht resorbierbarer Polyesterfaden.
Totaler Muttermundverschluss nach Szendi 7 Desinfektion der Scheide. 7 Seitliches Anhaken der Zervix mit 2 Kugelzangen. 7 Zirkuläre Umschneidung des Portioepithels und Deepithelialisierung mit dem Skalpell bis zum äußeren Muttermund. 7 Entfernung des Zervixschleims und nochmalige Desinfektion der Zervix. 7 Zweischichtiges Aufeinandernähen der vorderen und der hinteren Muttermundlippe mit resorbierbaren Einzelknopfnähten. 7 Adaptation des hinteren und des vorderen Epithelrandes durch eine quer verlaufende nicht resorbierbare Intrakutannaht. 7 Entfernung der Intrakutannaht nach ca. 10 Tagen.
kLagerung
4 Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen (. Abb. 8.7), 4 maximale Beckenhochlage. kPrinzip
Einengung des Muttermundes.
8.6.5
Cerclage nach Mc Donald
Desinfektion der Scheide. Anklemmen der Portio mit Ovarfasszangen. Legen der nicht resorbierbaren subcutanen Naht, die 4-mal ausgestochen wird. Dabei darf sie nicht zu stark angezogen werden, um eine gute Durchblutung zu gewährleisten. Entfernung des Fadens möglichst nicht vor der 37. SSW.
8.6.8
Vaginale Hysterektomie
kIndikationen
4 Erhöhtes allgemeines OP-Risiko oder in Kombination mit Deszensusoperationen. 4 Uterus myomatosus, wenn dieser Faustgröße nicht überschreitet. [Dann muss ein Morcellement (= Zerstückelung) oder eine Hemisectio durchgeführt werden.] 4 Manchmal ist es nötig, die bereits narkotisierte Patientin präoperativ vaginal zu untersuchen und dann die definitive Entscheidung über den Zugang zu treffen. kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium, 4 Instrumente zum vaginalen Operieren, diverse Spekula (z. B. nach Scherbak, Breisky), 4 Hakenzangen/Kugelzangen, 4 kräftige Schere (Wertheim),
395 8.6 · Operative Eingriffe
4 Ovarienzangen, 4 Parametriumklemmen und »Gegenklemmen« (z. B. Kocher-Klemmen), 4 Einmalkatheter, Blasenverweilkatheter oder suprapubische Ableitung. 7
kLagerung
Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen (. Abb. 8.7).
7
Vaginale Hysterektomie 7 Narkoseuntersuchung. 7 Desinfektion und Spülung der Scheide und des Unterbauchs, falls eine Eröffnung des Bauches notwendig wird, anschließend Einmalkatheterisierung und Abdeckung. 7 Einstellen und Anhaken der Portio mit Spekula und Hakenzangen. Nach hinten z. B. Einsetzen eines Breisky-Spekulums. Die Portio kann zunächst mit einem schmalen vorderen Spekulum eingestellt werden (. Abb. 8.24). 7 Zirkuläres Umschneiden der Portio mit dem Skalpell. 7 Vorderer Scheidenschnitt. – Vordere Kolpotomie: Präparation und Durchtrennung der Bindegewebsschicht zwischen der Blase und der vorderen Scheidenwand (Lig. cervicovesicale) mit Präpariertupfer und Schere. Weiteres Lösen meist digital möglich. Die Blasenpfeiler werden umstochen und durchtrennt. – Darstellung der vorderen Peritonealumschlagfalte und Eröffnung (vordere Kolpozöliotomie) mit der Schere, anschließend Fadenmarkierung (. Abb. 8.25). Dieser Schritt kann auch später, nach der hinteren Kolpotomie, erfolgen. 7 Hinterer Scheidenschnitt. – Hintere Kolpotomie: Die Hakenzangen werden nach oben gezogen. Durchtrennung der Bindegewebsplatte zwischen dem Rektum und der hinteren Scheidenwand (Septum rectovaginale), dicht an der hinteren Zervixwand. Es ist weniger Präparation erforderlich, da das Douglas-Peritoneum wesentlich weiter nach unten reicht. 7 Eröffnung des Douglas-Raums (hintere Kolpozöliotomie; . Abb. 8.26), 7 Absetzen der Parametrien: Mit Parametrienklemmen, einer kräftigen Schere und resorbierbaren, geflochtenen, kräftigen Umstechungen werden die einzelnen Ligamente und Gewebszüge ab6
7
7
7 7 7
7
7
wechselnd rechts und links in nicht zu großen Schritten abgesetzt, beginnend mit dem dorsalen Anteil des Parametriums und den Ligg. sacrouterina (. Abb. 8.27). Absetzen der Ligg. sacrouterina, die in der seitlichen Scheidenwand integriert verbleiben. Absetzen der Uterinagefäße (. Abb. 8.28) und der Ligg. cardinalia. Sind die Parametriumanteile abgesetzt, hängt der Uterus nur noch an den Ligg. rotunda und den Adnexen (. Abb. 8.29 und . Abb. 8.30). Stürzen des Uterus: Eine Hakenzange an der Portio wird entfernt und an die Hinterwand des Uterus geklemmt. Der Uterus wird vorgezogen, bis der Fundus zu sehen ist. Bei einer großen Gebärmutter ist evtl. ein Morcellement (Zerstückelung des Uterus mit dem Messer) oder eine Hemisectio mit sagittaler Spaltung notwendig. Dabei dürfen die Adnexgefäße nicht verletzt werden. Darstellung der Adnexe. Sollen diese erhalten bleiben, werden sie am Uterusansatz umstochen und abgesetzt. Getrennte Umstechungen des Lig. ovarii proprium, der Tube (. Abb. 8.31) und des Lig. teres uteri. Die Nähte werden lang gelassen und angeklemmt. Entfernen des Uterus. Inspektion der Adnexe. Verschluss des Peritoneums: Rechts und links wird eine Ecknaht gelegt, die nacheinander das vordere Peritonealblatt, das Lig. teres uteri, den parametranen Stumpf und das hintere Peritonealblatt fasst. Verschluss der restlichen Peritonealwunde. Die Stümpfe liegen nun extraperitoneal. Verschluss der Scheidenwunde (. Abb. 8.32): Legen von je einer Ecknaht, ohne dass die extraperitonealen Stümpfe mitgefasst werden, dann Einzelknopfnähte. Abschließend Legen eines Blasenverweilkatheters oder einer suprapubischen Ableitung.
jVorteile
4 Geringes operatives Trauma, 4 leichtere postoperative Mobilisierung der Patientinnen, 4 geringeres Thromboserisiko. jNachteile
4 Eingeschränkte Möglichkeit, an den Adnexen zu operieren, 4 technisch schwierig bei Voroperationen am Uterus (z. B. Sectio caesarea).
8
396
Kapitel 8 · Gynäkologie
8 . Abb. 8.24 Anhaken und Einstellen der Portio. (Nach Hepp et al. 1991)
. Abb. 8.25 Beginn der vaginalen Hysterektomie. (Nach Briese et al. 2002) anterior und posterior
. Abb. 8.26 Eröffnung der Excavatio rectouterina (Douglas-Raum). (Nach Briese et al. 2002)
. Abb. 8.27 Absetzen der Ligg. sacrouterina, die in der seitlichen Scheidenwand integriert verbleiben. (Nach Briese et al. 2002)
8.6.9
Genitaldeszensus
Der Uterus wird in seiner korrekten Lage im kleinen Becken durch folgende Bänder gehalten: 4 Lig. sacrouterina: Aufhängung am Sakrum. 4 Lig. cardinale: fixiert die mittelständige Lage. 4 Lig. teres uteri: sichert die Anteversio. Aus einem Defekt dieses Halteapparates entsteht der Descensus uteri.
Die Vagina ist in ihrem unteren Anteil durch das Perineum (Damm) und die Levatormuskulatur, in ihrem oberen Anteil durch das Beckenbindegewebe fixiert. Besteht hier ein Defekt, so entsteht der Descensus vaginae. Aus der Insuffizienz dieser Haltevorrichtung entstehen Erkrankungen: 4 Durch Erschlaffung der vorderen Scheidenwand: 5 Zystozele. 4 Durch Erschlaffung der hinteren Scheidenwand: 5 Rektozele, 5 Enterozele.
397 8.6 · Operative Eingriffe
. Abb. 8.28 Absetzen des Uterinagefäßbündels. (Nach Briese et al. 2002)
. Abb. 8.30 Durchtrennung des Lig. rotundum gemeinsam mit dem viszeralen Peritoneum des Uterus. (Nach Briese et al. 2002)
. Abb. 8.29 Das Absetzen des Lig. rotundum erfolgt vor dem »Stürzen« des Uterus. (Nach Briese et al. 2002)
. Abb. 8.31 Durchtrennung des Lig. ovarii proprium und der Tube. (Nach Briese et al. 2002)
jUrsachen
4 Primäre oder sekundäre (altersbedingte, durch Östrogenmangel in der Menopause) Bindegewebsschwäche, 4 Überdehnung und Verletzung durch Geburten, 4 erhöhter intraabdomineller Druck, z. B. durch chronischen Husten, Heben, Übergewicht.
Descensus vaginae jOperative Therapie durch vordere und hintere Scheidenplastik (Kolporrhaphie)
Raffung und Stützung der Scheidenwand (. Abb. 8.33). Hier kommen bei Rezidivsituation oder bei ausgeprägter Bindegewebsschwäche synthetische Netzte oder Bio-Meshes zur Deckung vorderer und hinterer Vaginalwanddefekte zum Einsatz. Synthetische Netze werden aufgrund der Schrumpfung und erhöhter Erosionsraten in der Scheide nur bei strengster Indikation und v. a. bei Frauen ohne oder mit abnehmender sexueller Aktivität eingesetzt.
. Abb. 8.32 Einschichtiger Scheidenverschluss nach zirkulärer Peritonealisierung. (Nach Briese et al. 2002)
8
398
Kapitel 8 · Gynäkologie
Behebung der Zystourethrozele
8
. Abb. 8.33 Hintere Scheidenplastik, Raffung und Adaption des Septum und Vereinigung der Levatorschenkel. (Nach Hepp et al. 1991)
Da eine Keimbesiedlung der eingebrachten Netze zu schwersten Infektionen mit evtl. notwendiger Netzentfernung (u. U. sehr schwierig) führen kann, werden die BioImplantate am Instrumentiertisch vor dem Einsetzen in antibiotischer Lösung gelagert (7 Abschn. 8.5).
Descensus uteri kPrinzip
Vaginale Hysterektomie mit Scheidenstumpffixierung, alternativ sakrospinale Fixation unter Uteruserhalt, abdominale oder laparoskopische Uterosakropexie mit Netzinterponat.
Descensus genitalis Lagerung, Abdeckung und Vorbereitungsmaßnahmen wie bei der vaginalen Hysterektomie (7 Abschn. 8.6.8). jVordere Kolporrhaphie/vordere Plastik kPrinzip
Die Scheidenhaut ist in der Mittellinie gespalten und nach lateral im Spatium vesicovaginale von der Blase abpräpariert. Das paravesikale Gewebe (Blasenpfeiler) wird nun von lateral gefasst und durch quere Nähte nach medial verlagert und vernäht. Dadurch entsteht unter der Blase eine Doppelung der Faszie (. Abb. 8.34).
7 Einsetzen der Spekula, Anklemmen und Vorziehen der Portio mit Hakenzangen. 7 Hervorziehen der vorderen Scheidenwand mit Kocher- oder Allis-Klemmen. 7 Evtl. Unterspritzen der Scheidenwand mit z. B. Xylonest 0,5% mit Adrenalin und Ringer-Lösung, 1:1 verdünnt, um die Wandschichten zu trennen und Blutungen zu minimieren. 7 Spalten der Vaginalhaut durch eine mittlere Längsinzision von der Harnröhrenmündung bis zur Portio, dabei soll das Bindegewebe noch intakt bleiben. 7 Anklemmen der Schnittkanten mit Kocher- oder Allis-Klemmen und Anheben der jeweiligen Seite zum seitlichen Abpräparieren der Scheidenhaut und des Septum vesicovaginale mit Skalpell, Schere und Präpariertupfer. 7 Darstellung der Blase. 7 Anheben der Blase mit Pinzetten und Lösen des Gewebes zwischen Blase und vorderer Zervixwand. 7 Seitliches Abdrängen der Blasenpfeiler. Wenn die deszendierte Blase so weit mobilisiert ist, dass sie in ihre spätere Lage zurückgedrängt werden kann, ist die Blasenpräparation korrekt durchgeführt. Seitlich muss die endopelvine Faszie zu erkennen sein. 7 Üblicherweise beginnt die Operation mit der Hysterektomie, und im Anschluss daran werden die Scheidenplastiken vorgenommen. Am Ende der Hysterektomie ist beim Peritonealverschluss darauf zu achten, dass die Peritonealisierung möglichst hoch durchgeführt wird. 7 Zum Anheben des Blasenbodens werden die Kocher-Klemmen auseinander gezogen und das seitliche Bindegewebslager (endopelvine Faszie) mit Einzelknopfnähten in der Mittellinie vereinigt. Angefangen wird im Bereich der Blasenpfeiler, bis hin zum paraurethralen Bindegewebe. 7 Alternativ zu den beiden letztgenannten Punkten kann ein Netzinterponat spannungsfrei unter der Zystozele platziert werden. Dieses Netz wird teilweise an der endopelvinen Faszie mit feinen Einzelknopfnähten fixiert. Verwendet werden kann z. B. ein Bio-Mesh. Vor Implantation wird es in eine antibiotische Lösung gelegt, um Infektionen vorzubeugen und das Netz geschmeidig zu machen. Das Bio-Mesh ist gut verträglich und stellt postoperativ keine Probleme für die Patientin dar. 6
399 8.6 · Operative Eingriffe
. Abb. 8.34 Prinzip der vorderen Scheidenplastik. (Nach Scharl u. Göhring 2006)
7 Eine andere Möglichkeit ist die Implantation eines synthetischen Netzes, das manchmal postoperativ zu Unverträglichkeiten führt. 7 Ggf. Resektion von überschüssiger Scheidenhaut. 7 Spannungsfreier Verschluss der Vaginalhaut mit Einzelknopf- oder Z-Nähten oder fortlaufender Naht. 7 Ggf. Einlegen einer Drainage.
jHintere Kolpoperineorrhaphie/hintere Plastik kPrinzip
Die Scheidenhaut ist in der Mittellinie gespalten und nach lateral im Spatium rectovaginale vom Rektum abpräpariert. Das pararektale Gewebe (Rektumpfeiler) wird nun von lateral gefasst und durch quere Nähte nach medial verlagert und vernäht. Dadurch entsteht unter dem Rektum eine Doppelung der Faszie (. Abb. 8.35a). Anschließend werden die Levatorschenkel beidseits freigelegt und median vereinigt. Dadurch wird der Damm verbreitert und der Hiatus genitalis verkleinert (. Abb. 8.35b).
. Abb. 8.35 Prinzip der hinteren Scheidenplastik. (Nach Scharl u. Göhring 2006)
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Behebung der Rektozele 7 Beidseitiges Anklemmen mit einer Hakenzange oder Halstedt-Klemme am Übergang Damm und Scheidenhaut. 7 In der Mittellinie, am höchsten Punkt der sich anschließenden hinteren Scheideninzisionsstelle 6
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wird eine Kocher-Klemme angesetzt zur Festlegung der Inzisionsgrenzen. Auch hier kann die Scheidenwand unterspritzt werden (s. oben). Seitliches Anspannen der Hakenzange/HalstedtKlemme und Hautinzision quer zwischen beiden Zangen. Von der Mitte dieser Inzision aus erfolgt die mediane Scheidenhautinzision bis zur Klemmenmarkierung (T-Inzision). Die Wundränder werden mit scharfen Klemmen angeklemmt. Trennung der Scheidenwand vom Septum rectovaginale mit dem Skalpell oder der Schere. Wichtig ist eine ausreichende Präparation nach oben
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Kapitel 8 · Gynäkologie
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und zur Seite. Nun ist die Rektozele deutlich zu erkennen. Darstellung der Levatormuskulatur. Der Aufbau des Beckenbodens und damit das Versenken der Rektozele beginnt mit der Raffung und Adaptation des Septum rectovaginale im oberen Bereich des Scheidenschnittes durch Einzelknopfnähte zweischichtig. Dabei wird streng darauf geachtet, dass keine M.-levator-ani-Interposition (Vereinigung) im Sinne einer Levatorplastik durchgeführt wird, denn eine Levatorplastik führt zu Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Darstellung der perinealen Gruben. Die auseinandergewichenen Ansätze des M. bulbosponciosus werden im Centrum tendineum perinei profundum vereinigt. Dadurch wird ein suffizienter Scheidenverschluss wiederhergestellt. Alternativ zu den beiden letztgenannten Punkten kann ein Netzinterponat spannungsfrei über der Rektozele platziert werden (s. oben: vordere Kolporrhaphie). Geringfügige Resektion überschüssiger hinterer Scheidenhaut. Scheiden- und Dammhautnaht mit Einzelknopfnähten oder fortlaufender Naht. Ggf. Einlegen einer Drainage. Legen eines Blasenverweilkatheters oder Auffüllen der Blase mit Blasenspritze und Einmalkatheter, um den suprapubischen Blasenkatheter legen zu können. Legen einer Salbentamponade (östrogenhaltige Salbe).
jVaginale Kolposakropexie kPrinzip
Sakrospinale Scheidenstumpffixation oder sakrospinale Fixation unter Uteruserhalt.
Vaginale Kolposakropexie 7 Fixierung des Scheidenendes im kleinen Becken durch Anklemmen der hinteren Scheidenhaut mit Kocher-, Allis- oder Halstedt-Klemmen am Scheidenende sowie ca. 2 cm entfernt vom Scheidenende. 7 Längsinzision der Scheidenhaut zwischen den Klemmen mit dem Skalpell. 7 Fassen der Wundränder mit Klemmen und Eröffnen der rechten Pararektalloge möglichst stumpf, z. B. mit dem Finger. Die sakrospinale Fixation 6
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wird aufgrund der leichten Linkskrümmung des Darms auf der rechten Seite durchgeführt. Das pararektale Fettgewebe wird mitsamt dem Rektum nach medial gedrängt. Ertasten der Spina ischiadica und des nach hinten zum Kreuzbein verlaufenden Lig. sacrospinale. Darstellung der präparierten Pararektalloge mittels Breisky-Spekula. Ein Blatt reicht etwa bis zur Spina ischiadica, ein weiteres medialisiert Rektum und pararektales Gewebe, sodass das Lig. sacrospinale sichtbar wird. Dieses wird etwa 2 cm medial der Spina ischiadica mit 2 nicht resorbierbaren kräftigen Fäden medial und lateral durchstochen. Diese Fäden werden am Scheidenende bzw. ca. 2 cm vor der Portio aus der Scheide gestochen und mit Klemmchen armiert. Die vorgelegten Fixationsnähte werden locker in der Tiefe geknotet. Es darf keine starke Einziehung der Scheide Richtung des sakrospinalen Ligaments vorliegen. Bei Bedarf Einlegen einer Drainage in die Wundhöhle. Verschluss der Scheidenhaut durch Einzelknopfnähte oder fortlaufende Naht.
Eine weitere Möglichkeit die Scheide zu fixieren, ist die Uterosakropexie (s. unten). Dieser Eingriff wird v. a. bei sehr jungen sexuell aktiven Frauen gewählt, denn durch die Uterosakropexie wird die anatomisch gerechte Achse der Vagina beibehalten, was Beschwerden beim Geschlechtsverkehr verhindert. jUterosakropexie kIndikation
Partialprolaps uteri. kPrinzip
Das Netz wird vaginal eingeführt, und die Befestigung am Promontorium wird laparoskopisch durchgeführt. Geeignet ist diese Methode v. a. bei Kombination mit vorderen und hinteren Plastiken. Ein von vaginal an der Portio angeheftetes, in den Douglas-Raum eingebrachtes Netz (Kunststoffnetz, ggf. titanbeschichtet) wird über einen Einwegapplikator mit leichter Spannung mit einer Titanspirale am Promontorium fixiert. Alternativ kann die gesamte Operation laparoskopisch durchgeführt werden (s. unten). kInstrumentarium
4 Für den vaginalen Part: 5 Grundinstrumente wie Schere, Pinzette, Präparierklemme nach Overholt,
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5 Scheidenspekula nach Breisky, 5 Kugelfasszangen. 4 Für die Laparoskopie: 5 endoskopische Instrumente wie Trokare, Taststab, atraumatische und traumatische Fasszangen, Nadelhalter. kLagerung
4 Steinschnittlagerung. 4 Während des vaginalen Eingriffs Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen (. Abb. 8.7). 4 Während des laparoskopischen Eingriffs Steinschnittlagerung mit abgesenkten Beinen (. Abb. 8.6). Bei diesem kombinierten Eingriff von vaginalem und laparoskopischem Zugang wird die Patientin für beide Eingriffe vorbereitet: 4 Desinfektion des Abdomens bei abgesenkten Beinen. 4 Hochfahren der Beine und Desinfektion und Scheidenspülung des Genitalbereichs. 4 Unter das Gesäß wird ein kleines steriles Tuch geschoben, Abdecken der Beine mit Beinlingen, Beine wieder absenken und Seitentücher lateral ans Abdomen kleben. 4 Ein großes Tuch nach kranial. 4 Ein Abdecktuch über den Mons pubis und über die Oberschenkel kleben und nach kranial entfalten, um das desinfizierte Abdomen vom Genitalbereich zu trennen. 4 Die Beine werden wieder hochgefahren und ein großes Tuch über den Anus geklebt, seitlich herumgeführt und mit stumpfen Tuchklemmen fixiert. kInstrumentarium
4 Vorbereitung der Instrumente: 5 Bei großen Beistelltischen können die Siebe für beide Zugangswege gemeinsam vorbereitet werden. Beispielsweise wird die rechte Seite des Tisches für den vaginalen Eingriff vorbereitet (hier stehen Grundsieb und Vaginalsieb), die linke Seite für die Laparoskopie (hier stehen die laparoskopischen Siebe). 5 Textilien werden bei der Vorbereitung gleich aufgeteilt und entsprechend dokumentiert. 5 Alternativ kann mit zwei kleineren Beistelltischen gearbeitet werden. 4 Vorbereitung des Instrumentiertisches: 5 Die vorbereiteten laparoskopischen Instrumente liegen auf dem Instrumentiertisch und werden abgedeckt. 5 Auf der zweiten Lage werden die Instrumente für den vaginalen Eingriff vorbereitet. 5 Alternativ können zwei Instrumentiertische separat vorbereitet werden.
Uterosakropexie 7 Desinfektion des Abdomens, Desinfektion des Genitalbereichs mit Scheidenspülung. 7 Einmalkatheterisierung und Abdeckung. 7 Einstellen des Vaginalgebiets, Darstellen der Portiohinterwand. 7 Ggf. Unterspritzen der Scheidenwand. 7 Inzision der Vaginalhaut. 7 Abpräparieren der Scheidenhaut vom Muttermund, Eröffnen des Douglas-Raums. 7 Hier wird das Mesh mit einer Portioanhaftungsfläche von ca. 3,0–3,5 cm an der Portio faltenfrei adaptiert (z. B. mit nicht resorbierbarem oder mit sehr langsam resorbierbarem Nahtmaterial), der verbleibende Teil des Netzes wird in den Bauchraum gelegt. 7 Anschließend Verschluss der Scheide und ggf. Plastiken. 7 Einlage eines Blasenverweilkatheters. 7 Kittel- und Handschuhwechsel des operativen Teams. 7 Instrumentiertisch für die Laparoskopie vorbereiten (s. oben). 7 Beine der Patientin wieder absenken. 7 Subumbilikale Inzision. 7 Eingehen mit der Veress-Nadel, Probe nach Semm, um festzustellen, dass die Nadel frei liegt. 7 Insufflation von CO2. 7 Einführen des 10-mm-Trokars. Einführen der Optik. 7 Einbringen zweier weiterer 5-mm-Trokare und eines 10-mm-Trokars. 7 Auf der rechten Seite wird das Peritoneum mit einer endoskopischen Präparierschere (z. B. nach Metzenbaum) an der Beckenwand gespalten. Der Ureter wird vorher dargestellt. Aufspalten des Peritoneums vom Promontorium bis zum Scheidengrund. 7 Darstellung des Netzes. 7 Fixation des Meshs mit dem Applikator, der eine oder zwei Titanspiralen (. Abb. 8.36) am Promontorium unter leichter Spannung einbringt. 7 Das Netz wird im Retroperitonealraum platziert und hat keinen Kontakt zum Rektum und zum Ureter. 7 Das Peritoneum wird mit verschlossen, sodass das Netz komplett vom Peritoneum gedeckt ist. 7 Evtl. Blutstillung. 7 Zählen der Instrumente und Textilien und Dokumentation des Zählstandes. 7 Beenden der Gasinsufflation und Entfernung der Trokare. 7 Verschluss der Inzisionen. 7 Pflasterverband. 7 Ggf. Einlegen von vaginalen Wunddrainagen. 7 Einlage einer vaginalen Tamponade mit östrogenhaltiger Salbe.
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Kapitel 8 · Gynäkologie
Laparoskopische Uterosakropexie 7 Die Operation beginnt laparoskopisch (s. oben). 7 Die Portiohinterwand wird laparoskopisch freipräpariert. 7 Das Netz wird über den Trokar eingeführt und mit Hilfe eines nicht resorbierbaren Fadens an der Portio befestigt. 7 Aufspalten des Peritoneums bis zum Promontorium. Darstellung der Ureter. 7 Fixation des Mesh mit der Titanspirale (. Abb. 8.36) am Promontorium unter leichter Spannung. 7 Verschluss des Peritoneums.
8.6.10
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. Abb. 8.36 Titanspirale. (Beispiel: Protack, Fa. Covidien)
Inkontinenzoperationen
Inkontinenzoperationen werden sowohl von Gynäkologen als auch von Urologen (7 Abschn. 9.8.1) durchgeführt. Vor jeder Operation ist eine sorgfältige, erweiterte Diagnostik mit urodynamischer Untersuchung indiziert. Die möglichen Befundkonstellationen haben eine hohe Relevanz für die Differenzialdiagnostik und die therapeutische Entscheidung. Das Ziel jeder Inkontinenzoperation ist es, die Inkontinenz unter Vermeidung von Operationskomplikationen (Miktionsbeschwerden, Organverletzungen u. a.) zu beheben. jFormen der Inkontinenz
4 Belastungsinkontinenz, 4 Dranginkontinenz, überaktive Blase, 4 Belastungsinkontinenz (Urge-Inkontinenz): Bei der Belastungsinkontinenz handelt es sich um den unfreiwilligen Harnabgang bei Belastungen, die mit einem Anstieg des intraabdominellen Drucks einhergehen, wie z. B. Husten, Lachen, Niesen. In schweren Fällen kann der Harnverlust auch bei Ruhebedingungen auftreten. jUrsachen
4 Erschlaffung der Beckenbodenmuskulatur mit Deszensusproblematik z. B. durch Spontangeburten, chronische Bronchitis oder Adipositas. 4 Verlust des Harnröhrendrucks, z. B. durch verminderte Durchblutung der Schleimhaut im Alter oder durch Störung der Nervenversorgung nach Verletzungen.
. Abb. 8.37 Platzierung des Prolenenetzbandes bei der TVT-Plastik. (GYNECARE, eine Division der Ethicon GmbH)
»Tension free vaginal tape« (TVT) kPrinzip
Ein Prolenenetzband wird um die mittlere Urethra herum durch den retropubischen Raum (Cavum Retzii) in die vordere Bauchwand geführt und dort verankert (. Abb. 8.37). Verwendet werden kann auch bei sehr jungen Frauen ein Bio-TVT-Band, es muss vor Implantation in eine antibiotische Lösung gelegt werden. Es wird mit 1–2 zarten resorbierbaren Nähten fixiert. Möglich ist auch ein Durchziehen des Bandes durch das Foramen obturatum (TVTO) mit Ausleitung zur Oberschenkelinnenseite (7 Kap. 9.8.1). In dieses locker eingelegte Netzband sprossen Bindegewebszellen ein und führen so zur Verankerung. Diese Operationen sind in Lokal- bzw. Periduralanästhesie möglich. Der Erfolg der Operation kann dann intraoperativ kontrolliert werden.
jBehandlung
4 Spannungsfreie Kunststoffschlingen [»tension free vaginal tape« (TVT) u. a.], 4 Kolposuspensionsverfahren, 4 intra- bzw. periurethrale Injektionen, z. B. mit Bulkamid.
kInstrumentarium
4 4 4 4
Grundinstrumente, Spekula, Allis-Klemmen, chirurgische Klemmen,
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. Abb. 8.38 TVT-Set. (GYNECARE, eine Division der Ethicon GmbH)
4 Prolenenetzband-Set (. Abb. 8.38) bestehend aus: 5 einem mit 2 Nadeln armiertem Netzband, von einer Plastikhülle umzogen, die nach korrekter Positionierung des Bandes entfernt wird, 5 Einführhilfe (Trokar), 5 Führungsdraht zur Kathetermanipulation, 4 Blasenkatheter. 4 ggf. Markierungsstift. 4 Blasenspritze, 4 Einmalkatheter, 4 Zystoskop, 4 ggf. Lokalanästhetikum. kLagerung
Steinschnittlagerung mit nur leichter Beugung der Hüftgelenke, sodass sowohl das vaginale als auch das abdominale OP-Feld zugänglich ist.
»Tension free vaginal tape« 7 Desinfektion von Unterbauch und Scheide. Einmalkatheterisierung. 7 Ggf. Markierung der suprasymphysären Inzisionen bzw. Ausstichstellen, beidseits der Mittellinie. 7 (Injektion des Lokalanästhetikums zunächst suprapubisch, retrosymphysär, dann von vaginal paraurethral). 7 Einsetzen des Spekulums. 7 Anhaken der Vaginalhaut mit z. B. Allis- oder chirurgischen Klemmen. 7 Kleine mediane Scheidenstichinzision ca. 1 cm unterhalb der Harnröhrenöffnung. 7 Tunnelung mit der Präparierschere. 7 Einsetzen des Führungsdrahtes in den 18-CharrBlasenkatheter und Einführen in die Blase. Dadurch kann die Urethra zur entsprechenden Seite verlagert werden. 6
7 Mit Hilfe des Trokars wird die erste Nadel rechts in die Inzision vorgeschoben in Richtung Diaphragma urogenitale, weiter hinter der Symphyse (ständiger Knochenkontakt) durch den retropubischen Raum in die Bauchdecke. 7 Evtl. kleine Stichinzisionen suprapubisch, um das Herausführen der Nadeln zu erleichtern. Gleiches Vorgehen auf der linken Seite. 7 Auffüllen der Harnblase mit Blasenspritze, RingerLösung und Einmalkatheter und Durchführen der Zystoskopie. 7 Ist die Blase unversehrt, Abschneiden der Nadeln und Bandfixierung mit Klemmen. 7 Bei Lokalanästhesie Feinanspannung des Prolenenetzbandes unter Hustenstößen der Patientin, bis praktisch kein Harnverlust mehr stattfindet. 7 In Vollnarkose Feinanspannung des Prolenenetzbandes nach Erfahrungswerten des Operateurs. 7 Das Band soll nicht unter Spannung stehen, sondern locker um die Urethra zu liegen kommen. 7 Von den suprapubischen Inzisionen aus wird die Schutzhülse des Prolenebandes entfernt. Das Band wird jeweils etwas unter Hautniveau abgeschnitten. Verschluss der Hautinzisionen durch kleine Nähte oder durch einen Hautkleber. (Handschuhwechsel beim Übergang von vaginal nach abdominal.) 7 Verschluss des Vaginalschnittes mit feinem resorbierbarem Nahtmaterial. 7 Legen eines Blasenkatheters für 24 h.
Kolposuspension kPrinzip
Bei der Kolposuspensionsoperation (z. B. nach Burch) wird die Scheidenfaszie am Becken fixiert und somit indirekt der Blasenhals angehoben und nach vorn gezogen. Bei zu straffer Fixierung kommt es zu einer Überkorrektur mit drohenden Blasenentleerungsstörungen.
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Kapitel 8 · Gynäkologie
kInstrumentarium
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Grundinstrumente (auch lange Instrumente), Scheidenspekula nach Breisky, Blasenverweilkatheter, Zystoskop.
kLagerung
Steinschnittlagerung mit abgesenkten Beinen. Kolposuspension
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7 Desinfektion des Unterbauchs und des Genitalbereichs, Legen des Blasenkatheters, Abdeckung. 7 Suprasymphysärer Hautquerschnitt. 7 Durchtrennung des subkutanen Fettgewebes bis zur Rektusscheide. 7 Quereröffnung der Rektusfaszie zunächst in der Mitte mit dem Skalpell, dann beidseitige Eröffnung mit einer kräftigen Schere (z. B. nach Cooper). 7 Die beiden Rektusbäuche werden in der Mittellinie getrennt und mit Roux-Haken auseinandergedrängt. 7 Darstellung des Cavum Retzii (extraperitonealer Raum zwischen Harnblase und Bauchwand): die seitlichen Blasenanteile sowie die Urethra können meist stumpf von der Beckenwand gelöst werden. 7 Mit einer Hand wird von vaginal die Scheide angehoben, mit der anderen werden die Verbindungsfasern zwischen Scheidenfaszie und Blasenhals/Urethra abgeschoben. 7 Beidseits des Übergangs von der Harnblase zur Harnröhre (Orientierung bietet der Katheterballon) werden je 2–3 nicht resorbierbare Fäden tief in die Scheidenwand und dann seitlich versetzt, z. B. durch die Cooper-Ligamente, gestochen (. Abb. 8.39). Diese werden so geknotet, dass die Scheide federnd fixiert ist (Handschuhwechsel des Operateurs). 7 Intraoperative Zystoskopie. Ist die Blase unversehrt, wird erneut ein Blasenkatheter gelegt. 7 Nach sorgfältiger Blutstillung Einlegen einer Drainage in das Cavum Retzii. 7 Zählen der Instrumente und Textilien und Dokumentation des Zählstandes. 7 Schichtweiser Wundverschluss, Verband.
Bulkamid-Injektion Bei der Behandlung der Belastungsinkontinenz wird Bulkamid eingesetzt, ein Hydrogel, das paraurethral injiziert wird. Die Bulkamid-Injektion ist ein minimal-invasives Verfahren und besonders geeignet für Patientinnen, die infolge anderer operativer Eingriffe an Harninkontinenz leiden oder bei denen andere Eingriffe erfolglos waren.
. Abb. 8.39 Kolposuspension. (Mod. nach Petri 2000)
kIndikation
Inkontinenz durch hypotone Urethra. kPrinzip
Bulkamid-Hydrogelinjektion in die Wand der Urethra. kInstrumentarium
4 Urethrozystoskop, 4 Einmalkatheter, 4 Bulkamid-Hydrogel-Set, bestehend aus: 5 2 Spritzen mit dem Hydrogel, 2 Kanülen, Zu- und Ablauf, Einführhülse mit Arbeitskanal, 5 Infusionsbesteck, 4 500 ml NaCl, 4 Bereitstellung des MIC-Turms. kLagerung
Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen (. Abb. 8.7). Bulkamid-Hydrogelinjektion 7 Desinfektion, Einmalkatheterisierung und Abdeckung. 7 Das Urethrozystoskop wird in die Einführhülse des Bulkamid-Sets geschoben und in die Urethra eingebracht, das Infusionsbesteck leitet das NaCl über den Zulauf in die Urethra. 7 Konnektieren der Kamera des MIC-Turmes mit der Optik. 7 Unter Sicht kann nun über den Arbeitskanal des Bulkamid-Systems die Kanüle eingebracht und das Hydrogel in drei verschiedene Depots in die Wand der Urethra injiziert werden.
Dranginkontinenz bzw. überaktive Blase Durch eine Schädigung des Blasenmuskels oder der -schleimhaut, z. B. durch chronische Blaseninfektionen
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oder die Schädigung des Nervensystems (z. B. bei multipler Sklerose), kommt es zu einem intensiven Harndrang, verbunden mit der Unfähigkeit, die Blasenentleerung zurückzuhalten. jBehandlungen
4 Botoxinjektion, 4 sakrale Neuromodulation (Blasenschrittmacher). jBotoxinjektion bei Urge-Inkontinenz
Botox 7 Abschn. 8.5. kIndikation
Harndranginkontinenz. kPrinzip
Zirkuläres Umspritzen der Blasenschleimhaut mit Botox mittels Zystoskopie. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Arbeitszystoskop, Einmalkatheter, Blasenspritze, Botox-Injektionsnadel, 20 ml NaCl, 20 ml Luer-Lock-Spritze, Ringer-Lösung, 3-Wege-Hahn mit Schlauch, 1 Ampulle Botox, Bereitstellung des MIC-Turms.
kLagerung
Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen (. Abb. 8.7). Botoxinjektion 7 Desinfektion, Einmalkatheterisierung und Abdeckung. 7 Auffüllen der Blase mit Ringer-Lösung. 7 Vorbereitung der Injektionsnadel und der Schlauchverlängerung mit der 20-ml-Luer-LockSpritze mit dem aufgezogenen Botox. 7 Arbeitszystoskop in die Blase einführen, Kamera des MIC-Turms mit der Optik konnektieren. 7 Darstellen des Trigonum mit Identifikation der Ostien, da hier kein Botox injiziert wird. 7 Unter Sicht werden 20 ml Botox/NaCl zirkulär in die Blasenschleimhaut injiziert.
jBlasenschrittmacher
Die Nerven, die die Blase, den Beckenboden und den Darmschließmuskel versorgen, befinden sich im unteren Rückenbereich und werden als Sakralnerven bezeichnet. Der Blasenschrittmacher ist ein Impulsgenerator, der durch
schwache elektrische Impulse die für die korrekte Funktion des Blasen- und des Darmschließmuskels verantwortlichen Nerven stimuliert. Daher kann der Schrittmacher auch bei Stuhlinkontinenz eingesetzt werden. Aufgrund der Funktionsweise spricht man beim Blasenschrittmacher auch von »sakraler Neuromodulation«. kPrinzip
Die sakrale Neuromodulation besteht aus 2 Phasen: 4 der Testphase – perkutane Neuromodulation (PNE-Test) und 4 der Implantationsphase. In der Testphase werden die Sakralnerven in Narkose mittels Elektroden über die Kreuzbeinöffnungen punktiert, die Elektroden werden zunächst vorübergehend über die Haut ausgeleitet und über ein Verlängerungskabel mit dem externen Impulsgeber (Testschrittmacher) verbunden. Auf diese Weise kann die Stromstärke individuell und seitengetrennt von außen geregelt werden. Unter Durchführung eines Miktions- oder Stuhltagebuches wird der Effekt der sakralen Neuromodulation anschließend über mehrere Tage sowohl stationär als auch ambulant beobachtet. Zeigt sich während der Testphase eine Besserung der Symptome von mehr als 50%, wird in einem zweiten Eingriff die endgültige Elektrode und der Schrittmacher im Bereich des Gesäßes unter die Haut implantiert. Bei ca. 70% der getesteten Patienten ist die Testphase positiv, sodass eine Implantation des Schrittmachers erfolgen kann. Der Schrittmacher bleibt unter der Haut tastbar, führt aber zu keinerlei Bewegungseinschränkung. Ähnlich wie beim Herzschrittmacher werden nun permanent schwache elektrische Impulse an die Sakralnerven abgegeben. Dadurch kann die noch bestehende Restfunktion dieser Nerven soweit gesteigert werden, dass die normale Blasenfunktion wiederhergestellt wird. jPerkutane Neuromodulation, Testphase (PNE-Test) kIndikationen
Dranginkontinenz und Blasenentleerungsstörungen bei neurogener Ursache, z. B. MS-Erkrankung oder Verletzung der Blasen- und Darminnervation nach Operationen im Bereich des kleinen Beckens. kInstrumentarium
4 4 4 4 4
Bildwandlerbezug, steriler Stift, mittelgroße Inzisionsfolien, Stichskalpell, Spezialequipment von z. B. Interstim (Fa. Medtronic): Erdungselektrode, 2 Foramennadeln, Patientenkabel, 1 Teststimulationskabel und 2 temporäre Teststimulationselektroden. 4 C-Bogen bereitstellen.
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406
Kapitel 8 · Gynäkologie
kLagerung
4 Bauchlagerung. 4 Unter Thorax, Gesäß und die Füße werden Lagerungshilfsmittel zur Dekubitusprophylaxe geschoben. 4 Das Gesicht der Patientin liegt in einem Gelkissen. 4 Die Arme werden auf zwei Armauslegern in physiologischer Haltung ausgelagert. 4 Beachtung der Strahlenschutzmaßnahmen. PNE-Test
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7 Das Röntgengerät steht bereit. 7 Mit breitem Pflaster werden vor der Desinfektion beide Gesäßhälften auseinandergezogen, das Pflaster wird am OP-Tisch fixiert. 7 Anbringen der Erdungselektrode von Medtronic Interstim am linken Unterschenkel der Patientin: dazu die Folie entfernen, die Elektrode kurz mit Leitungswasser befeuchten und ankleben. 7 Desinfektion. 7 Bei der sterilen Abdeckung müssen die Füße frei bleiben. 7 Auswahl der beiden Foramennadeln (entweder 9,0 cm oder 12,5 cm). 7 Ggf. kleine Stichinzisionen im Sakralbereich. 7 Punktion der sakralen Spinalnerven mit den beiden Foramennadeln. 7 Das Patientenkabel und das Teststimulationskabel werden angereicht. Der rote Anschluss des Teststimulationskabels wird vom »Springer« mit der Erdungselektrode konnektiert, die am linken Unterschenkel der Patientin klebt. Der schwarze Anschluss des Teststimulationskabels wird am Patientenkabel angeschlossen, das andere Ende wird mit der Foramennadel verbunden. 7 Das Ende des Teststimulationskabels wird vom »Springer« am temporären Schrittmacher angeschlossen, und das Gerät kann nun angeschaltet und eingestellt werden. 7 Zwei temporäre Teststimulationselektroden werden zur Stimulation der Sakralnerven in die Foramennadeln eingeführt. Bei positivem Ergebnis ist die Muskelkontraktion im Perianalbereich gut sichtbar; zeigen die freiliegenden Füße eine zu starke Reaktion, wird die Lage der Nadeln korrigiert. Ist während der Stimulation das Ergebnis nicht eindeutig, werden unter Röntgenkontrolle die Foramennadeln neu platziert. 7 Nach der Entfernung der Foramennadeln werden die platzierten Teststimulationselektroden durch zwei Inzisionsfolien fixiert.
! Solange die Testelektroden liegen, darf die Patientin weder duschen noch baden. jImplantation eines Blasenschrittmachers nach positivemPNE-Test kIndikationen
Siehe oben (PNE-Test). kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium, z. B. chirurgische Pinzetten, Präparierschere, Nadelhalter, 4 steriler Bildwandlerbezug, 4 steriler Stift, 4 Stichskalpell, 4 Schrittmacher, 4 Elektrode, 4 Foramennadel, 4 C-Bogen bereitstellen. kLagerung
Bauchlagerung (s. oben, PNE-Test). Blasenschrittmacherimplantation 7 Das Röntgengerät wird steril abgedeckt. 7 Beide Gesäßhälften werden vor der Desinfektion mit breitem Pflaster auseinandergezogen, das Pflaster wird am OP-Tisch fixiert. 7 Desinfektion. 7 Bei der sterilen Abdeckung müssen die Füße frei bleiben. 7 Markierung und Punktion der erfolgreich getesteten Foramina sacrale. 7 Erneute Kontrolle der elektrischen Stimulation, bis die Reaktion im Perianalbereich erneut gut sichtbar ist. 7 Implantation der definitiven Elektrode einseitig in Seldinger-Technik. 7 Röntgenkontrolle des korrekten Sitzes. 7 5–6 cm langer Hautschnitt im Glutäalbereich und Präparation einer Tasche für den Schrittmacher. 7 Die Elektroden werden unter der Haut mit Hilfe eines Trokars in Richtung der Glutäaltasche geführt und mit dem Schrittmacher konnektiert. 7 Anschließend wird der Schrittmacher in der Glutäaltasche platziert. 7 Blutstillung, schichtweiser Wundverschluss, Verband.
407 8.6 · Operative Eingriffe
8.6.11
Abdominale Hysterektomie
Indikationsabhängige Verfahrensweisen: 4 einfache Uterusexstirpation: 5 mit/ohne Exstirpation der Tube/n, 5 mit/ohne Exstirpation der Adnexe, 4 erweiterte Uterusexstirpation nach Wertheim-Meigs. kIndikationen
4 Großer Uterus myomatosus, 4 bei Zustand nach diversen abdominalen Operationen, wenn keine Laparoskopie möglich ist, 4 Korpuskarzinom, Zervixkarzinom, 4 evtl. Endometriose bei fehlgeschlagener konservativer Therapie. kInstrumentarium
4 4 4 4
Grundinstrumentarium, Laparotomieinstrumentarium, Blasenhaken, Blasenverweilkatheter.
kLagerung
Steinschnittlagerung mit abgesenkten Beinen (. Abb. 8.6) oder Rückenlagerung.
Uterusexstirpation 7 Desinfektion des Abdomens und der Scheide, Dauerkatheterisierung, Abdeckung. 7 Zugang durch den suprasymphysären Faszienquerschnitt nach Pfannenstiel. 7 Nach dem Abstopfen des Darms mit Bauchtüchern und Einsetzen eines Rahmens oder mehrerer Bauchhaken erfolgt das Anklemmen des Uterus: – beim Uterus myomatosus mit einer MuseuxKlemme oder einem Myombohrer, – beim Karzinom mit stumpfen Klemmen an den Ligg. rotunda oder einer Uterusfasszange nach Collin. 7 So ist es möglich den Uterus hochzuziehen und die Strukturen darzustellen. 7 Fassen der Tube mit einer Ovarfasszange und Anspannen der Mesosalpinx. 7 Die Tube wird entlang der Mesosalpinx schrittweise über Durchstechungsligaturen abgesetzt. An der Fimbrie wird begonnen, die letzte Ligatur wird lang gelassen und angeklemmt. Wichtig ist ein gefäßschonendes Operieren, um die Durchblutung des Ovars nicht zu gefährden. 7 Gleiches Vorgehen auf der Gegenseite. 6
7 Sollen die Adnexe nicht entfernt werden, werden beidseits uterusnah je eine Parametrien- oder Kocher-Klemme gesetzt, die die Tube, das Lig. ovarii proprium und das Lig. teres uteri fassen. 7 Umstechung des Adnexbündels mit separater Umstechung des Lig. teres uteri. Die Fäden werden lang gelassen und angeklemmt. Zur Sicherheit ist eine weitere Ligatur ratsam. 7 Spalten des Blasenperitoneums (quer) und Abschieben blasenwärts. 7 Abpräparieren der Blase von der vorderen Zervixwand. 7 Die Bindegewebsbrücken vom Uterus zur Blase hin werden abgeschoben. In diesem Bereich verlaufen die Ureteren. 7 Beidseits stellen sich die uterinen Gefäße und Parametrien dar, sie werden durchtrennt. 7 Eine Parametrienklemme wird am oberen Anteil des Lig. cardinale (hier verläuft die A. uterina) uterusnah angesetzt und eine zweite dahinter. 7 Mit einer kräftigen Schere wird das Gewebe durchtrennt, und die angeklemmten Anteile werden mit kräftigem resorbierbarem Nahtmaterial durchstochen. 7 In gleicher Weise wird das Ligament schrittweise nach kaudal durchtrennt. Ein mehrfaches Wechseln der Seiten erleichtert das Vorgehen. Der Uterus wird beweglicher. 7 Beim schrittweisen Durchtrennen des Halteapparates folgt nach den Ligg. cardinaliae das Absetzen der Ligg. sacrouterinae. 7 Danach hängt der Uterus nur noch am Scheidenrohr. Mit einem Blasenhaken wird die Blase zurückgedrängt. 7 Dicht unterhalb der Portio wird das Scheidenrohr schrittweise umschnitten, die Ränder werden mit kräftigen Klemmen gefasst. 7 Entfernen des Uterus. 7 Umstechen der einzelnen Klemmen. 7 Desinfektion der Scheide. 7 Vielfach ist es üblich, die Instrumente, die mit der Vagina in Berührung gekommen sind, abzuwerfen (»Schmutzbetrieb«). 7 Scheidenverschluss mit Einzelknopfnähten oder einer quer verlaufenden Säumung der vorderen und hinteren Scheidenwand. 7 Kontrolle auf Bluttrockenheit. 7 Peritonealisierung des Wundgebietes durch Verschluss des Blasenperitoneums. Mitgefasst werden: 6
8
408
Kapitel 8 · Gynäkologie
–
7 7 7 7
die Adnexabgänge im Mesosalpinxbereich dicht unterhalb der Tube, – die Ligg. teres uteri, – die Scheidenrückwand im Bereich der Ligg.sacrouterina-Stümpfe. Nun ist das seitliche Wundgebiet extraperitonealisiert. Kontrolle des Bauchraums auf Bluttrockenheit. Zählen der Instrumente und Textilien und Dokumentation des Zählstandes. Schichtweiser Wundverschluss und Verband.
Uterusexstirpation mit Adnexexstirpation kIndikationen
8
Korpuskarzinom, da die Metastasierung über die Mesosalpinx erfolgt. kVorbereitung und OP-Verlauf
Siehe oben (Uterusexstirpation); abweichend: 4 Uterusnahes Anklemmen der Tube, des Lig. ovarii proprium und möglichst des Lig. teres uteri. 4 Anklemmen der Tube mit einer Ovarfasszange und Anspannen des Lig. suspensorium ovarii. Wichtig ist die Identifikation des Harnleiters. 4 Umstechung des Lig. suspensorium ovarii, in dem die A. ovarica verläuft. Weitere Umstechungen sind nicht nötig, da die uterusnahe Klemme gesetzt wurde. 4 Umstechung des Lig. teres uteri uterusnah. Weiterer OP-Verlauf s: oben (Uterusexstirpation).
Erweiterte Uterusexstirpation nach Wertheim-Meigs kIndikationen
4 Zervixkarzinom. Bei jungen Frauen können die Ovarien belassen und ihre Funktion erhalten werden. Dies ist möglich, da die Metastasierung des Zervixkarzinoms über die Parametrien und nicht wie beim Korpuskarzinom über die Adnexe verläuft. ! Sorgfältige Revision des Abdomens. kPrinzip
4 Entfernung des Uterus und der Adnexe. 4 Uterusferne Entfernung des parametranen Beckenbindegewebes. Hierbei besteht die Schwierigkeit, die Ureteren herauszupräparieren. 4 Entfernen des oberen Scheidenanteils. 4 Entnahme von Lymphknoten im Bereich der A. iliaca interna, der Obturatoriusregion, der A. iliaca externa
und der A. iliaca communis bis hin zur Bifurkation. Die Lymphknoten werden eher aus diagnostischen als aus therapeutischen Gründen entfernt.
Erweiterte Uterusexstirpation nach Wertheim-Meigs 7 Desinfektion des Abdomens und der Scheide, Legen eines Blasenkatheters, Abdeckung. 7 Eröffnung des Abdomen durch einen medianen Unterbauchlängsschnitt (7 Abschn. 8.2.1). 7 Reicht das Karzinom über das kleine Becken hinaus, wird die Operation nicht fortgesetzt. 7 Nach Einsetzen der Bauchhaken können die paraaortalen und parakavalen Lymphknoten entfernt werden. 7 Danach werden die Bauchhaken gegen einen Rahmen ausgetauscht. 7 Der Uterus wird nicht direkt angeklemmt, sondern es werden atraumatische Klemmen an die Ligg. rotunda gesetzt. 7 Spaltung des Blasenperitoneums rechts und links der Mittellinie. 7 Durch diese getrennten Inzisionen wird stumpf bis auf den Beckenboden vorpräpariert. Dabei entstehen die sog. paravesikalen Gewebsgruben, durch die die spätere Isolierung der Uterinagefäße und die Ureterfreilegung erleichtert werden. 7 In einem Abstand von etwa 3 cm vom Uterus werden die Ligg. teres uteri umstochen und durchtrennt. 7 Sollen die Adnexe mit entfernt werden, werden diese mit einer Organfasszange angehoben und die Ligg. suspensoria ovarii umstochen und durchtrennt. Hier verläuft die A. ovarica. Die Fäden werden lang gelassen. 7 Entfernung des Lymphknotenfettgewebes beidseits: – Das Lig. latum kann nach lateral aufgespannt werden, wenn es zuvor zwischen Lig. teres uteri und Lig. suspensorium ovarii gespalten wurde. Die Beckengefäße und der Ureter werden sichtbar. – Es beginnt die Lymphknotenausräumung an der seitlichen Beckenwand, ausgehend von der A. iliaca communis-Gabelung, entlang der A. iliaca externa und der A. iliaca interna. – Die A. uterina wird mit dem Lig. cardinale freipräpariert. Hierbei wird evtl. eine Clipzange benötigt. (Die Lymphonodektomie wird mit der Präparation der Lymphknoten im Bereich der Bifurkation abgeschlossen.) 6
409 8.6 · Operative Eingriffe
7 Unterbindung der Uteringefäße unmittelbar am Abgang der A. und V. iliaca interna. Umstechung der Ligg. cardinalia. 7 Mobilisieren des Rektums und Absetzen der Ligg. sacrouterina. 7 Wichtig ist die beidseitige Ureterpräparation bis zur Einmündung in die Blase. Dabei wird das Lig. vesicouterinum durchtrennt. 7 Es erfolgt die Blasenpräparation bis zu dem Bereich, in dem die Scheide durchtrennt werden soll. 7 Über mehrere Umstechungen wird das die Vagina umgebende Gewebe (Parakolpium) durchtrennt. Die letzte Naht fasst das seitliche Scheidengewölbe und dient als Haltefaden. 7 Zum Absetzen des Uterus am Scheidenrohr werden zwei Parametrienklemmen gesetzt und darunter der Uterus und eine Scheidenmanschette mit der Parametrienschere abgesetzt. 7 Verschluss der Scheide. 7 Einlage einer Wunddrainage. 7 Es erfolgt die Peritonealisierung des OP-Gebietes. 7 Zählen von Instrumenten und Textilien und Dokumentation des Zählstandes. 7 Schichtweiser Wundverschluss und Verband.
8.6.12
Kaiserschnitt (Sectio caesarea)
kIndikationen
4 Mütterliche Indikationen: 5 schwere Erkrankung der Mutter, 5 drohende Eklampsie bei EPH-Gestose. 4 Mütterliche und kindliche Indikationen: 5 relatives und absolutes Missverhältnis (bei ca. 5–6% der schwangeren Frauen besteht ein Missverhältnis zwischen dem Durchmesser des Geburtskanals und dem Kopf des Kindes). 4 Kindliche Indikationen: 5 Lageanomalien, z. B. Beckenendlage, 5 kindliche Asphyxie, Nabelschnurumschlingung, Nabelschnurvorfall, 5 vorzeitige Plazentalösung, 5 Placenta praevia, 5 Frühgeburtlichkeit, 5 Mehrlingsschwangerschaft (Drillinge). kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium, 4 Laparotomieinstrumente, wie z. B. Fritsch-Haken, kräftige Kocher-Klemmen, 4 Ovarfasszangen,
4 große stumpfe Kürette, 4 evtl. dicke Hegar-Stifte, 4 Blasenverweilkatheter. kLagerung
4 Steinschnittlagerung mit abgesenkten Beinen (. Abb. 8.6) oder 4 Rückenlagerung mit Abspreizen der Beinplatten des OP-Tisches. Zur Verhinderung eines V.-cava-Syndroms wird der OPTisch leicht nach links gekippt. (Das V.-cava-Syndrom beschreibt eine Kreislaufstörung der Mutter. Das Syndrom tritt hauptsächlich gegen Ende der Schwangerschaft (bei entsprechendem Gewicht des Kindes) auf, wenn die Mutter sich längere Zeit in Rückenlage befindet. Durch Druck des Kindes auf die hinter der Gebärmutter verlaufende untere Hohlvene (V. cava inferior) wird der venöse Rückstrom zum Herzen behindert; es kommt zu Kreislaufproblemen (Blutdruckabfall, Schwindel, Herzrasen) bis hin zum Schock und zur Bewusstlosigkeit.) ! Bei einer Notfallindikation ist die Entwicklung des Kindes vorrangig. Abdeckung und Desinfektion sind zweitrangig und dürfen vernachlässigt werden.
Kaiserschnitt (Sectio) 7 Desinfektion des Abdomens und der Scheide, Legen eines Blasenkatheters. 7 Eröffnung des Abdomens durch einen Pfannenstiel-Schnitt. 7 Einsetzen der Fritsch-Haken. 7 Im Bereich des unteren Uterinsegmentes – hier ist das Peritoneum verschiebbar – wird an der Harnblasenumschlagfalte das Bauchfell quer inzidiert, die Blase wird abpräpariert. 7 Mit dem Skalpell wird das untere Uterinsegment quer und leicht bogenförmig eröffnet. Erweiterung der Wunde mit dem Finger oder mit der Cooper-Schere. 7 Vorsichtiges Eröffnen der Fruchtblase und Entwicklung des Kindes. 7 Ausstreichen der Nabelschnur zum Kind hin. 7 Die Abnabelung erfolgt, indem je zwei KocherKlemmen zum Kind und zur Plazenta hin gesetzt werden und zwischen diesen die Nabelschnur durchtrennt wird. 7 Das Kind wird abgegeben und von der Hebamme und dem Kinderarzt untersucht. 6
8
410
Kapitel 8 · Gynäkologie
kPrinzip
8
7 Es erfolgt die manuelle Entwicklung der Plazenta, evtl. unter Zuhilfenahme von Ovarfasszangen. 7 Manchmal ist eine Nachkürettage mit einer großen stumpfen Kürette und die Dilatation der Zervix mit Hegar-Stiften erforderlich. 7 Die Plazenta und das freie Nabelschnurstück werden an die Hebamme abgegeben, das freie Nabelschnurstück wird für Blutuntersuchungen benötigt. 7 Die Geburtszeit muss exakt notiert werden, dies geschieht meist durch die Hebamme und/oder den Anästhesisten. 7 Kräftige Klemmen werden an den »Uterotomieecken« gesetzt. 7 Verschluss des Uterus fortlaufend oder mit Einzelknopfnähten, die die Uteruswand ohne Schleimhaut fassen. Eine zweite Nahtreihe kann deckend über die Uterotomiewunde gelegt werden. 7 Verschluss des Blasenperitoneums. Die Uteruswunde liegt nun extraperitoneal. 7 Die Blutstillung muss sorgfältig erfolgen, da zu Beginn der Operation nur bedingt darauf geachtet werden kann. 7 Zählen von Instrumenten und Textilien und Dokumentation des Zählstandes. 7 Schichtweiser Wundverschluss und Verband.
Zusätzliche Hinweise 4 Die Operation muss bis zur Entwicklung des Kindes so rasch wie möglich verlaufen, um eine kurze Narkosedauer für das Kind zu gewährleisten, sofern der Kaiserschnitt nicht in Peridural- oder Spinalanästhesie erfolgt. Daher wird bei eiligen Schnittentbindungen nur das absolut Notwendige an Instrumentarium vorbereitet. 4 Bei notfallmäßiger Indikation haben sich spezielle Siebe bewährt, die so vorbereitet sind, dass direkt aus dem Sieb instrumentiert werden kann. 4 Bei einer Mehrlingssectio müssen die KocherKlemmen zum Abnabeln gekennzeichnet werden. 4 Da die Patientin erst unmittelbar vor dem Hautschnitt narkotisiert wird oder bereits einen Periduralkatheter hat, muss jegliche Unruhe bei den Vorbereitungen vermieden werden.
Entfernung des gesamten äußeren Genitale (Klitoris, kleine und große Labien). kInstrumentarium
4 4 4 4
Grundinstrumentarium, Blasenverweilkatheter, evtl. bipolare Pinzette, evtl. steriler Stift.
kLagerung
Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen (. Abb. 8.7). Einfache Vulvektomie 7 Desinfektion des Genitalbereichs und Scheidenspülung mit Schleimhautdesinfektionsmittel. 7 Einmalkatheterisierung und sterile Abdeckung. 7 Evtl. Anzeichnen der Schnittführung. 7 Legen eines Nélaton-Katheters zur klaren Identifikation der Urethramündung. 7 Es erfolgt ein ovalärer Hautschnitt vom Schamhügel bis zum Damm. 7 Seitliches Präparieren mit der Schere und der monopolaren Messerelektrode. 7 Die Urethramündung und die Vaginalöffnung werden zirkulär umschnitten, und das Präparat kann entfernt werden. 7 Das Vulvapräparat wird auf einer Korkplatte mit Stahlnadeln in seiner lagegerechten Anatomie fixiert und erst dann in ein Histologiegefäß mit Formalinlösung gegeben, damit der Pathologe die korrekte Anatomie erkennen kann. 7 Sorgfältige Blutstillung mit Elektrokoagulation und zarten Umstechungen. 7 Die Wundränder werden nun senkrecht mit resorbierbarem Nahtmaterial vernäht. 7 Mit dem gleichen Nahtmaterial werden dann die Urethramündung und die Vaginalöffnung eingenäht. 7 Evtl. Einlage einer Wunddrainage. 7 Hautnaht.
Radikale Vulvektomie mit Lymphonodektomie inguinal beidseitig kIndikationen
Vulvakarzinom. 8.6.13
Vulvektomie
kIndikationen
Karzinom des äußeren Genitale.
kPrinzip
4 Entfernung des Lymphknotenpaketes in beiden Leisten. 4 Entfernung des gesamten äußeren Genitale.
411 8.7 · Laparoskopie/Pelviskopie
kInstrumentarium
jDiagnostische Laparoskopie
4 4 4 4 4
4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium, Blasenverweilkatheter, steriler Stift, bipolare Schere, evtl. bipolare Pinzette.
Punktion zur Entnahme von zytologischem Material, Gewebeentnahmen, bei Verdacht auf Extrauteringravidität (EUG), bei unklaren Unterbauchbeschwerden, zur Prüfung der Tubendurchgängigkeit (mit retrograder Blauprobe).
kLagerung
4 Steinschnittlagerung. 4 Während der Lymphonodektomie inguinal werden die Beine der Patientin abgesenkt. 4 Während der Vulvektomie werden die Beine der Patientin hochgestellt. Radikale Vulvektomie 7 Desinfektion der Leisten und der proximalen Anteile der Oberschenkel bei abgesenkten Beinen. Dann werden die Beine hochgefahren für die Desinfektion des Genitalbereichs mit Scheidenspülung, Einmalkatheterisierung. Sterile Abdeckung. 7 Mit Hilfe eines sterilen Stiftes wird die »LeopoldUmschneidungsfigur« inguinal angezeichnet: 7 Hautschnitt über der einen Leiste von kranial und seitlich bis über das Lig. inguinale nach unten. 7 Nach Spaltung der Faszie über den Inguinalgefäßen kann das inguinale und oberflächliche femorale Fettgewebe mit den darin liegenden Lymphknoten entfernt werden. 7 Sorgfältige Blutstillung und Einlage einer Wunddrainage. 7 Schichtweiser Wundverschluss. 7 Gleiche Vorgehensweise auf der anderen Seite. 7 Verband für beide Leistenschnitte. 7 Vor der Durchführung der Vulvektomie (s. oben) werden die Beine der Patientin hochgefahren, Kittel, Handschuhe und Instrumente, die unmittelbar mit den entfernten Lymphknoten in Kontakt waren, werden für die Vulvektomie nicht benutzt. 7 Vulvektomie s. oben.
jTherapeutische Laparoskopie
4 4 4 4 4 4 4
Tubensterilisation, Adhäsiolyse, Koagulation von Endometrioseherden, EUG, Ovarialtumorentfernung, Myomentfernung, laparoskopisch assistierte vaginale Hysterektomie (LAVH), 4 totale laparoskopische Hysterektomie (TLH), 4 laparoskopische suprazervikale Hysterektomie (LASH), 4 laparoskopische pelvine und paraaortale Lymphonodektomie.
8.7.1
Laparoskopie
kIndikation
Diagnostisch oder therapeutisch (s. oben). kInstrumentarium
4 Reduziertes Grundinstrumentarium, 4 Laparoskopieinstrumente, 7 Abschn. 2.15 und 7 Abschn. 8.4.3, 4 ggf. Bergebeutel. 4 endoskopisches Nahtmaterial, evtl. Schlingen (7 Abschn. 1.5). 4 Videooptik, Arbeitsoptik, 4 digitales Aufzeichnungsgerät, 4 evtl. Uterussonde, 4 Hakenzange, 4 evtl. Portioadapter/Uterusmanipulator, 4 Bereitstellung des MIC-Turms (7 Abschn. 2.15). kLagerung
8.7
Laparoskopie/Pelviskopie
Zur Entfernung von Organteilen, z. B. Ovarien, unterstützend bei der Hysterektomie und bei der extrauterinen Gravidität (EUG), spielt die Laparoskopie eine große Rolle. Das technische Equipment entspricht dem in 7 Abschn. 2.15 dargestellten.
4 Steinschnittlagerung mit abgesenkten Beinen (. Abb. 8.6). 4 Intraoperativ verändert sich die Stellung der Beine. Der Kopf der Patientin liegt tiefer als das Becken, dadurch sinkt der Darm in den Oberbauch, und das kleine Becken ist besser überschaubar.
8
412
Kapitel 8 · Gynäkologie
8.7.2
Laparoskopische Eingriffe am Uterus
Laparoskopie
8
7 Untersuchung in Narkose. 7 Desinfektion des Abdomens und des Genitalbereichs; Einlegen eines Dauerkatheters. 7 Evtl. Einstellen der Portio mit Spekula, Anklemmen der Portio mit Hakenzangen und Einführen der Uterussonde. 7 Die Instrumente werden mit Pflaster fixiert. 7 Alternativ kann ein Portioadapter oder Uterusmanipulator eingesetzt werden. Mit diesen Instrumenten kann der Uterus während der Laparoskopie bewegt werden. Für diesen Operationsschritt werden die Beine der Patientin hochgestellt. 7 Absenken der Beine und Abdeckung. 7 Stichinzision am Nabelunterrand. 7 Beidseitiges Anheben der Bauchdecken und Einstechen der Veress-Nadel. Prüfung, ob die Nadel frei im Intraperitonealraum liegt. 7 Anschließen des Insufflationsschlauchs und Auffüllen des Intraperitonealraums mit CO2, um eine bessere Übersicht zu erzielen und Verletzungen zu vermeiden. 7 Ist genügend CO2 insuffliert, wird die Veress-Nadel entfernt und der Hautschnitt auf Trokargröße erweitert. 7 Vorsichtiges Einführen des Trokars und Wechsel des Mandrins gegen die Optik. 7 Anschließen des Kaltlichtkabels und der CO2-Zufuhr, Inspektion der Bauchhöhle. 7 Kopftieflage. 7 Der Assistent kann über den Uterusmanipulator/ Portioadapter die Lage des Uterus verändern, indem er die vaginalen Führungsinstrumente bewegt. 7 Ggf. Anbringen eines oder mehrerer suprasymphysärer Einstiche in Höhe der oberen Schamhaargrenze. Zuvor Sicherstellung durch den intraabdominalen Lichtstrahl der Optik, dass sich unterhalb der geplanten Einstiche keine Bauchdeckengefäße befinden. 7 Einführung der 5-mm-Arbeitstrokare (diese können je nach Befund im OP-Verlauf durch größere ersetzt werden) und Einführen der gewünschten Arbeitsinstrumente. 7 Durchführung des geplanten Eingriffs. 7 Abschließend Entfernen der Instrumente und Ablassen des Gases durch das Trokarventil. 7 Die Stichinzisionen können mit Einzelknopfnähten verschlossen werden. 7 Verband mit kleinen Wundpflastern.
Myomenukleation Das Myom ist eine gutartige Geschwulst der glatten Uterusmuskulatur. Die Entartungsgefahr liegt unter 0,5%. Myome wachsen verdrängend, sind aber zum umgebenden Gewebe scharf abgrenzbar.
Einteilung der Myome nach ihrer Lage jIntramurale Myome
Diese häufigsten Myome liegen im Myometrium. Werden sie größer, lässt die Kontraktionsfähigkeit der Uterusmuskulatur nach. Die Patientinnen klagen über verstärkte und längere Menstruationsblutungen sowie über Schmerzen. Es können einzelne, aber auch mehrere Myome auftreten, die durch ihr Wachstum Symptome wie Kreuzschmerzen, Entleerungsstörungen des Darms und der Blase, Anämie und Sterilität hervorrufen. jSubseröse Myome
Sie liegen zwischen dem Myometrium und dem peritonealen Überzug. Uteruswand und -höhle werden nicht verändert, daher treten auch keine Blutungsstörungen auf. Es ist möglich, dass das Myom nur mit einem Gefäßstiel verbunden ist. Beschwerden treten dann auf, wenn die Myome an Größe zunehmen und Nachbarorgane verdrängen, oder wenn es zur Torsion des Gefäßstieles kommt; dies kann eine Nekrose und damit das Beschwerdebild eines akuten Abdomens nach sich ziehen. jSubmuköse Myome
Sie liegen vornehmlich in der Uterushöhle unter dem Endometrium und entwickeln sich mit oder ohne Gefäßstiel in die Gebärmutterhöhle hinein. Es treten vermehrte oder verstärkte Blutungen auf, wehenartige Schmerzen sind möglich, da die Uterusmuskulatur durch Kontraktionen versucht, das Myom auszustoßen. kPrinzip
4 Laparoskopische Myomenukleation/-abtragung. 4 Uterusexstirpation. 4 Hysteroskopische Abtragung von submukösen Myomen. 4 Myomentfernung. kInstrumentarium
Laparoskopisches Instrumentarium mit Myombohrer (. Abb. 8.22), Myommesser und Morcellator.
413 8.7 · Laparoskopie/Pelviskopie
! Das suprazervikale Vorgehen bedeutet für die Patientin weiterhin die Notwendigkeit der Krebsvorsorge zum Ausschluss eines Gebärmutterkarzinoms. kIndikationen
4 Wenn ein vaginales Vorgehen durch einen großen Uterus myomatosus nicht möglich ist. 4 Wenn keine vaginale Entbindung mit hohem Uterus vorausgegangen ist. kKontraindikationen
Bösartige Prozesse, ggf. wird im Vorfeld zur Diagnostik eine Hysteroskopie mit Abrasio durchgeführt. kInstrumentarium . Abb. 8.40 Myomenukleation. (Fa. Storz; Prof. Luca Mencaglia, MD)
Laparoskopisches Instrumentarium, ggf. mit Morcellator (. Abb. 8.23 und . Abb. 8.41).
Laparoskopisch assistierte vaginale Hysterektomie (LAVH) Myomentfernung 7 Vorbereitung wie zur Laparoskopie (7 Abschn. 8.7.1). 7 Ein gestieltes subseröses Myom wird mit einer Fasszange hochgezogen und der Stiel dargestellt. Entfernung des Myoms mit der Schere an der Uteruswand nach bipolarer Koagulation des Myomstiels. 7 Bei einem intramuralen Myom werden die Serosa und das Myometrium (sog. Kapsel) nach Oberflächenkoagulation mit der Schere gespalten. 7 Mit einer Fasszange (. Abb. 8.40) oder dem laparoskopischen Myombohrer wird das Myom gefasst und mit der Schere oder dem elektrischen Myommesser enukleiert. Dabei müssen Gefäße koaguliert werden. Eine Eröffnung der Gebärmutterhöhle sollte vermieden werden. 7 Kapselreste werden vollständig entfernt. 7 Blutstillung und Wundverschluss mit durchgreifenden Einzelknopfnähten. 7 Das Myom wird über einen Arbeitstrokar, ggf. nach Zerkleinerung mit dem Morcellator, entfernt. 7 Wundverschluss (bei größeren suprapubischen Inzisionen ggf. mehrschichtig). 7 Verband mit kleinen Wundpflastern.
kPrinzip
Diese Operationstechnik wird in der Regel bei Frauen mit enger Scheide, Voroperationen im kleinen Becken, zusätz-
a
Laparoskopische Hysterektomie Die laparoskopische Hysterektomie kann komplett (TLH) oder suprazervikal (LASH) unter Belassung des unteren Gebärmutterhalsanteils erfolgen. Ebenfalls kann hier eine laparoskopisch assistierte vaginale Hysterektomie (LAVH) durchgeführt werden.
b . Abb. 8.41 Morcellatoren (Beispiel a: Fa. Storz, Beispiel b: Wisap, Sauerlach). (Nach Dian et al. 2008)
8
414
Kapitel 8 · Gynäkologie
lichen abdominalen Erkrankungen oder geplantem Eingriff an den Adnexen durchgeführt. Der vaginale Zugang wird durch den laparoskopischen Zugang ergänzt. Die Präparation erfolgt laparoskopisch, denn durch die bessere Sicht auf das innere Genitale ist eine schonende Entfernung der Gebärmutter möglich. Die Entfernung des Präparates erfolgt über eine Zusatzinzision suprapubisch.
Laparoskopische suprazervikale Hysterektomie (LASH) kPrinzip
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Nach dem Absetzen der Adnexe und der Parametrien bis zum isthmozervikalen Übergang wird der Korpus von der Zervix abgetrennt. Nach Morcellement des Korpus kann das Präparat über einen Trokar entfernt werden. Portio und Zervix bleiben erhalten, sodass weiterhin die Gefahr eines Zervixkarzinoms und eines Zervixmyoms bestehen bleibt.
7 7
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7 7 7
einem Streifen verschlossen oder mit einem Ballonkatheter geblockt, damit es nicht zum Gasverlust des Pneumoperitoneums kommt. Zirkuläres Abtrennen der Zervix von der Scheide. Wenn es möglich ist, wird der Uterus über die Scheide entfernt, z. B. durch eine unter Sicht von vaginal eingeführte Kugelzange. Ist dies nicht möglich, muss der Uterus per Morcellement geborgen werden, in der Regel am Ende der Operation. Fortlaufender Verschluss des Scheidenendes mit kräftigem resorbierbarem, geflochtenem Nahtmaterial. Readaptation des Peritoneums über dem Scheidenstumpf. Evtl. Einlegen einer intraabdominalen Drainage. Verband mit kleinen Wundpflastern.
Laparoskopische Hysterektomie (TLH/LASH) 7 Vorbereitung wie zur Laparoskopie (s. oben). 7 Anbringen von 3 suprasymphysären Inzisionen für die Arbeitstrokare. 7 Der Uterus wird nach Identifikation der Ureterverläufe mit einer Fasszange vom rechten oder linken suprasymphysären Einstich aus im Tubenabgangsbereich gefasst und zur Gegenseite gezogen. 7 Mit einer stumpfen Klemme werden von der anderen Seite aus zunächst die Adnexe gefasst. Über den mittleren suprasymphysären Einstich werden die Adnexe nach Koagulation vom Uterus abgetrennt (bipolare Koagulation oder Ultraschallskalpell). 7 Gleiches Vorgehen bei den Ligg. rotunda. 7 Spalten des viszeralen Peritoneums auf der Uterusvorderwand mit der Präparationsschere oder mit dem Ultraschallskalpell. 7 Abschieben der Harnblase vom unteren Uterinsegment, entweder stumpf mit einer Fasszange oder scharf mit dem Ultraschallskalpell. 7 Über den mittleren Einstich werden die Parametrien beidseits koaguliert und durchtrennt (jeweils Zug am Uterus zur Gegenseite). So wird die Zervix schrittweise komplett freigelegt. 7 Erfolgt eine suprazervikale Hysterektomie (. Abb. 8.42), kann der Uterus nach sicherer Durchtrennung des uterinen Gefäßbündels von der Restzervix abgetrennt werden. 7 Bei der TLH wird nach der Eröffnung des vorderen Scheidengewölbes die Scheide luftdicht mit
8.7.3
6
4 Therapeutische Laparoskopie: partielle Salpingektomie/Segmentresektion.
Laparoskopische Eingriffe an den Adnexen
kIndikationen
4 Tubargravidität (Extrauteringravidität; EUG). Jedes befruchtete Ei, das sich außerhalb der Uterushöhle implantiert, führt zur Extrauteringravidität (EUG). So entstehen: 4 Tubargravidität, 4 ampulläre Tubargravidität, evtl. mit Tubarabort, 4 selten: Ovarial-, Intestinalgravidität, intramurale Tubargravidität. jUrsachen
Störungen des Eitransportes durch Verwachsungen nach Adnexitiden, durch anatomische Defekte (angeboren oder nach Operationen), sowie Störungen im Eiaufnahmemechanismus. jDiagnostik
4 Schwangerschaftstest (Bestimmung von β-HCG im Urin oder im Blut; ab einem Wert von 1000 IE βHCG muss intrauterin eine Fruchthöhle sichtbar sein!), 4 Sonographie, 4 diagnostische Laparoskopie. jTherapie der EUG
415 8.7 · Laparoskopie/Pelviskopie
a
b
c
d
. Abb. 8.42 Endoskopische suprazervikale Hysterektomie: a Schnittführung. b Präoperativer Situs. c Nach suprazervikaler Hysterektomie.
4 4 4 4
Salpingotomie, instrumentelle Expression (»milk-out«). Salpingektomie, selten Adnektomie.
Ziel der Operation ist, die Tubenfunktion zu erhalten, unabhängig davon, ob es sich um eine Tubargravidität mit oder ohne Ruptur handelt. Nach der therapeutischen Laparoskopie kann eine Kürettage erfolgen (7 Abschn. 8.6.2). kPrinzip
Allen Versorgungsformen gemeinsam ist: 4 Legen eines Blasenkatheters, 4 Laparoskopie, 4 Darstellen der EUG.
d Endsitus mit vereinigten Ligg. rotunda und Peritonealisierung. (Nach Thill et al. 2010 und Dian et al. 2008)
Salpingektomie bei einem ausgedehnten Defekt 7 Fassen der Tube mit einer Fasszange am Fimbrienende. 7 Absetzen der Tube von der Mesosalpinx. Dabei wird mit der bipolaren Koagulation bei der Fimbria ovarica begonnen. 7 Es folgt das Absetzen der Mesosalpinx in kleinen Schritten mit der Schere dicht am unteren Tubenrand, jeweils nach vorheriger Koagulation. Dabei sind die ovarversorgenden Gefäße zu schonen. 7 Evtl. Verwachsungen werden gelöst (. Abb. 8.43). 7 Am uterusnahen Tubenabgang wird die Tube bipolar koaguliert und anschließend mit der Schere abgetrennt und über einen Arbeitstrokar, ggf. nach Inzisionserweiterung, aus der Bauchhöhle entfernt.
kInstrumentarium
4 Laparoskopisches Instrumentarium, 4 feines Nahtmaterial, 4 Instrumentarium für die Kürettage.
Instrumentelle Expression Diese kann bei einer weit peripher gelegenen Tubargravidität durchgeführt werden, wenn die Gravidität im Bereich des Fimbrientrichters liegt. Die Tube wird dabei mit zwei atraumatischen Fasszangen zum Fimbrienende hin ausge-
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416
Kapitel 8 · Gynäkologie
a
b
. Abb. 8.43 a, b Verwachsungen zwischen rechtsseitiger Tube und Uterus (a). Laparoskopische Adhäsiolyse (b). (Nach Gätje u. Kaufmann 2006)
8
streift. Anschließend ist eine ausgiebige Spülung der Tube notwendig. Hier besteht ein erhöhtes Rezidivrisiko. Salpingotomie 7 Nach Darstellung der Tube wird sie über der Vorwölbung mit der feinen Schere oder dem elektrischen Messer über 1–2 cm längs gespalten. 7 Ausräumen des Schwangerschaftsproduktes mit der Fasszange oder durch Absaugung (. Abb. 8.44). 7 Ausgiebige Spülung des Wundgebietes und Inspektion auf Gewebereste. 7 Nach vorsichtiger bipolarer Blutstillung erfolgt ggf. der Verschluss der Inzisionsstelle mit einer feinen Naht. 7 Um eine Blutleere zu erreichen, kann zu Beginn der Operation in die Tube ein Medikament mit vasokonstriktorischer Wirkung gespritzt werden.
8.7.4
Operationsformen zur Sterilisierung
Alle Operationen unterbrechen die Tubenpassage.
Tubenkoagulation durch Laparoskopie 7 Laparoskopie (7 Abschn. 8.7.1). 7 Nach Darstellung der Tuben werden diese nacheinander im mittleren Drittel mit einer bipolaren Koagulationszange gefasst und angehoben. Die Koagulation erfolgt im Temperaturbereich von 60–180 °C über eine Strecke von 2–3 cm (. Abb. 8.45). Auf eine anschließend ausreichende Kühlphase ist zu achten. 7 Fakultatives Durchtrennen der Tube mit der Schere; hierbei ist die Mesosalpinx zu schonen.
Tubenteilresektion nach Pomeroy 7 Mit einer Pinzette wird die Tube im mittleren Drittel gefasst, sodass eine Schlaufe entsteht. 7 Im Bereich der zugehörigen Mesosalpinx wird die Tube unterfahren und zu beiden Seiten hin unterbunden. Die überstehende Tubenschlaufe wird reseziert. 7 Die Resektionsstelle wird mit dem Lig. teres uteri gedeckt.
jLaparoskopische Operationsformen
4 Sterilisierung post partum durch Laparoskopie, 4 Tubenkoagulation durch Laparoskopie. jNichtlaparoskopische Operationsformen
4 Sterilisierung nach Pomeroy, 4 Sterilisierung nach Labhardt (u. a.). Diese Methoden finden heute ihre Anwendung anlässlich eines Kaiserschnittes oder als zusätzlicher Eingriff während einer Laparotomie.
Subseröse Tubenresektion nach Labhardt 7 Darstellen der Tube im mittleren Drittel auf einer Länge von ca. 3 cm. Anschlingen oder Anklemmen der Tube auf beiden Seiten der Präparationsstelle. 7 Längsspaltung der Serosa und Ausschälen des Tubenrohrs mit der Präparierschere. 7 Resektion eines ca. 2 cm langen Tubenanteils. 7 Versenken der Stümpfe und fortlaufende Naht der Mesosalpinx.
417 8.7 · Laparoskopie/Pelviskopie
8.7.5
Laparoskopische Operationen am Ovar
Voraussetzungen
. Abb. 8.44 Salpingotomie: Entfernen des Schwangerschaftsproduktes. (Fa. Storz; Prof. Luca Mencaglia, MD)
a
Die meisten gutartigen Veränderungen des Ovars können laparoskopisch therapiert werden. Hier sind v. a. die Ovarialtumoren zu nennen. Die Größe der Veränderung kann allerdings ein limitierender Faktor für die Möglichkeit einer Laparoskopie sein. Ovarialtumoren sind sehr häufig und bei der geschlechtsreifen Frau in den meisten Fällen funktionellen Ursprungs (z. B. Corpus-luteum-Zyste). Bei Verdacht auf ein Ovarialkarzinom sollte nach wie vor eine Längslaparotomie durchgeführt werden. Vor der Operation erfolgt eine diagnostische Beurteilung (z. B. sonographisch) des Ovarialtumors. Da viele Ultraschallkriterien sowohl bei gutartigen als auch bei bösartigen Tumoren des Ovars auftreten können, sollten Ovarialtumoren, wenn sie laparoskopisch operiert werden, immer in Bergebeuteln entfernt werden. Bei einer versehentlichen Eröffnung des Tumors kann so eine Zellaussaat (»spilling«) in den Bauchraum verhindert werden, denn die Verteilung von Tumorzellen verschlechtert die Prognose. Zeigt sich direkt zu Beginn der Laparoskopie, dass es sich um ein bösartiges Geschehen handelt, wird auf ein abdominales Vorgehen konvertiert. Bei Frauen im geschlechtsreifen Alter wird bei gutartigen Befunden darauf geachtet, dass ausreichendes Ovarialgewebe erhalten bleibt. Im Folgenden werden die unterschiedlichen Versorgungsmöglichkeiten kurz vorgestellt. Für die folgenden Operationen entsprechen die instrumentelle Vorbereitung wie auch die Lagerung den oben besprochenen.
Ausschälen eines Tumors oder einer Zyste
b . Abb. 8.45 a, b Proximaler Tubenstumpf nach Sterilisation (a). Nach laparoskopischer Tubenanastomose (b). (Nach Gätje u. Kaufmann 2006)
7 Vorbereitung und Ablauf wie bei der Laparoskopie (7 Abschn. 8.7.1). 7 Einführen eines Bergebeutels in den Bauchraum über einen Arbeitstrokar (die Größe richtet sich nach den Maßen des Ovarialtumors). 7 Platzierung des Beutels mit seiner Basis im Douglas-Raum und Aufspannen der Öffnung. 7 Der Ovarialtumor wird in den Kunststoffbeutel gelegt. 7 Zwischen Tumor und gesundem Gewebe wird auf der Kapsel mit der bipolaren Zange ein Koagulationsstreifen gelegt. 7 Mit der Präparationsschere wird die Kapsel ohne Eröffnung des Tumors inzidiert. 7 Aufspannen der Kapsel mit einer Fasszange. 6
8
418
8
Kapitel 8 · Gynäkologie
7 Über den zweiten Arbeitstrokar wird dicht an der Kapsel mit einem stumpfen Instrument der Tumor ausgeschält. Sollte es dabei zur Eröffnung kommen, wird der Inhalt abgesaugt. Es ist darauf zu achten, dass die Flüssigkeit nur in den Bergebeutel fließt! 7 Der Bergebeutel wird an einer Schlaufe zugezogen und über einen der Arbeitstrokare, ggf. nach Schnitterweiterung, geborgen. 7 Ist der Tumor zur Entfernung noch zu groß, kann er innerhalb des Bergebeutels abpunktiert werden. Dieser Schritt kann auch vor der Ausschälung des Tumors/Zyste durch eine laparoskopische Punktionsnadel erfolgen (Gefahr des »spilling« beachten). 7 Das Gewebe kann dann ggf. zur Schnellschnittuntersuchung gegeben werden, muss aber in jedem Fall histologisch beurteilt werden. 7 Ausgiebige Blutstillung mit der bipolaren Koagulation und Spülung des Bauchraums zur Entfernung von Blutresten zur Adhäsionsprophylaxe. 7 Das Restovar kann mit einer oder mehreren Nähten vernäht und rekonstruiert werden. 7 Evtl. Einlage einer abdominalen Wunddrainage über einen der Arbeitstrokare. 7 Beendigung der OP wie (7 Abschn. 8.7.1; Laparoskopie) beschrieben.
mor in den Bergebeutel gelegt, um dann über einen der Arbeitstrokare bzw. dessen Bauchdeckeninzision entfernt zu werden. Hierbei können eine Abpunktion im Beutel und die Verwendung eines Bauchdeckenhakens hilfreich sein. 7 Ausgiebige Blutstillung mit der bipolaren Koagulation und Spülung des Bauchraums. 7 Evtl. Einlage einer abdominalen Wunddrainage. 7 Beendigung der Operation wie bei der Laparoskopie (7 Abschn. 8.7.1).
Stielgedrehte Ovarialzyste 7 Die Beschwerden sind die eines »akuten Abdomens« und stellen eine OP-Indikation dar. 7 Zunächst muss die Drehung der Zyste aufgehoben werden, dies ist meist laparoskopisch möglich. 7 In den Stiel einbezogen sind oft das Lig. ovarii proprium, die Tube, das Lig. suspensorium ovarii, das Lig. teres und Anteile des Lig. latum. 7 Einige Minuten müssen abgewartet werden, um zu beurteilen, welche Gewebeanteile wieder gut durchblutet werden. 7 Nichtdurchblutete Gewebeanteile werden nach bipolarer Koagulation mit der Schere reseziert und über einen der Arbeitstrokare entfernt. (Bei jungen Frauen wird immer versucht werden, einen Ovarrest zu erhalten).
Adnexexstirpation zur Tumorentfernung 7 Vorbereitung und Ablauf wie bei der Laparoskopie (7 Abschn. 8.7.1). 7 Darstellung des Tumors. Wegen seiner Größe kann die Lage des Ureters verändert sein, deshalb muss dieser vor der Tumorexstirpation dargestellt, ggf. präoperativ geschient werden. 7 Bipolare Koagulation des Lig. infundibulopelvicum (Lig. suspensorium ovarii). Durchtrennung mit der Schere. 7 Anschließende Koagulation des Peritoneums (Lig. latum) lateral der ovarversorgenden Gefäße und parallel zum Tubenverlauf bis hin zum Tubenabgang. 7 Koagulation und Durchtrennung von Tube und Lig. ovarium proprium mit der Schere. 7 Einlegen eines Bergebeutels in angemessener Größe über einen der Arbeitstrokare. 7 Entweder wird die Adnexe direkt im Bergebeutel entfernt, oder es wird der bereits abgesetzte Tu6
Bestätigt sich bei der Operation eines Ovarialtumors, dass es sich um einen bösartigen Tumor handelt, so muss eine Radikaloperation erfolgen: 4 Längsschnittlaparotomie, 4 Hysterektomie, 4 Adnektomie beidseitig, 4 pelvine Lymphonodektomie, 4 Omentektomie, 4 Appendektomie (7 Abschn. 2.11), 4 ggf. Entfernung weiterer befallener Strukturen.
8.8
Mammachirurgie
8.8.1
Anatomie, Risikofaktoren, Symptome
Das Brustdrüsenwachstum zeigt sich durchschnittlich ab dem 10.-11. Lebensjahr und entwickelt sich durch den Einfluss von Östrogen und Progesteron. Dies geschieht meist 1–2 Jahre vor dem Einsetzen der ersten Regelblutung.
419 8.8 · Mammachirurgie
Anatomische Grundlagen Die weibliche Brustdrüse liegt auf der Faszie des M. pectoralis major und ist gegen sie verschieblich. Unterteilt wird sie in den Drüsen- und Fettkörper sowie in das Milchgangsystem. Der Drüsenkörper besteht aus 12–20 Drüsenlappen (Lobi), die wiederum durch lockeres Bindegewebe weiter in Drüsenläppchen (Lobuli) unterteilt sind. Jeder Drüsenlappen wird von einem Milchgang (Ductulus lactiferus) durchzogen, der sich wiederum zu 12–15 Hauptausführungsgängen (Ductus lactiferus) vereinigt und auf der Brustwarze mündet.
Gefäßversorgung Die arterielle Versorgung der Mamma entspringt aus medialen Ästen der 2.–4. Interkostalarterien, die seitlich des Sternums in die Mamma eintreten. Weiterhin übernehmen Äste der A. thoracica lateralis die laterale Gefäßversorgung.
Lymphabfluss Aus chirurgischen Gesichtspunkten wird der Lymphabfluss der Brust, der axillären Lymphknoten in 3 Etagen aufgeteilt (. Abb. 8.46): 4 Level I: untere axilläre Gruppe bis zum lateralen Rand des M. pectoralis minor. 4 Level II: mittlere axilläre Gruppe dorsal des M. pectoralis minor und unterhalb der V. subclavia. 4 Level III: obere infraklavikuläre, medial des M. pectoralis minor gelegene Gruppe, oberhalb der V. subclavia. Medial zieht das Lymphabflussgebiet durch die Interkostalräume hindurch zu parasternalen, interkostalen und interpektoralen Lymphknoten. Anatomische Strukturen in der Axilla sind die V. und A. axillaris, das thorakodorsale Gefäß-Nerven-Bündel mit dem N. thoracodorsalis (motorische Innervation des M. latissimus dorsi) sowie der N. thoracicus longus, der auf dem M. serratus anterior nach kaudal zieht und diesen motorisch innerviert. Präparation und Durchtrennung der von der V. axillaris abgehenden Äste. Dorsal davon wird das thorakodorsale Gefäß-Nerven-Bündel aufgesucht, angeschlungen und geschont.
Aufteilung des Brustdrüsenkörpers Der Brustdrüsenkörper kann zur genaueren Beschreibung eines tumorösen Geschehens in 4 Quadranten und die Brustwarze eingeteilt werden. Mammakarzinome treten mit unterschiedlicher Häufigkeit in diesen Quadranten auf, am häufigsten oben außen gefolgt von oben innen, der Brustwarzenregion und zuletzt unten innen.
Risikofaktoren für Mammakarzinom Das Mammakarzinom ist der häufigste bösartige Tumor der Frau und betrifft etwa jede 10. Frau in Deutschland.
a
b . Abb. 8.46a, b Anatomische Begrenzung der drei axillären Lymphknotenstationen. (Nach Diedrich et al. 2007)
Bestimmte Risikofaktoren sind typisch für die Entwicklung eines Mammakarzinoms: 4 familiäre Belastung (Mammakarzinom bei Mutter oder Schwester), 4 bösartige Erkrankung in der eigenen Anamnese, Zustand nach Mammakarzinom, 4 Nichtgebärende bzw. Spätgebärende (>35. Lebensjahr), 4 frühe erste Periode (<12. Lebensjahr), späte letzte Periode (>52. Lebensjahr), 4 genetischer Faktor (BRCA-Gene: etwa 5–10% aller Brustkrebsfälle sind auf vererbbare Mutationen in einem der beiden Gene BRCA1 oder BRCA2 zurückzuführen), 4 Alter >50 Jahre, 4 Übergewicht, 4 Mastopathie III. Grades.
8
420
Symptome
Zytologie
Jeder Knoten in der Brust ist abklärungsbedürftig. Häufigster Tumor der Mamma ist das gutartige Fibroadenom. Bestimmte Symptome können Hinweise auf das Vorliegen eines bösartigen Mammatumors geben: 4 Einziehung der Haut, einseitige Mamilleneinziehung, 4 Verdickung der Haut: Apfelsinenhaut (»peau d’orange«), 4 Mamillensekretion, v. a. blutige, 4 Hautulkus oder Rötung der Haut, 4 neu aufgetretene Größen- und Formungleichheit der Mammae, 4 Unverschieblichkeit eines Knotens unter der Haut oder auf der Faszie.
Ein Zellabstrich von Mamillensekret kann den Nachweis von bösartigen Zellen erbringen. Sekret kann auch durch Feinnadelpunktion gewonnen werden.
8.8.2
8
Kapitel 8 · Gynäkologie
Diagnostische Möglichkeiten
Wichtigste Grundlage aller Mammadiagnostik ist die regelmäßige durch die Frau selbst durchgeführte Tastuntersuchung. Zusätzlich können die folgenden Untersuchungen, entweder als Basisdiagnostik oder als Abklärungsmöglichkeit eines schon erhobenen Befundes, durchgeführt werden.
Mammographie Röntgenuntersuchung der Brustdrüse. Empfohlen wird eine Basismammographie zwischen dem 30. und 35. Lebensjahr und auf jeden Fall zur Abklärung eines Tastbefundes. Bestimmte Kriterien sind hier malignitätsverdächtig (z. B. Mikrokalk, sternförmige Verdichtungen). Mammographisch verdächtige Bezirke, die sonst nicht sichtbar sind, können präoperativ mammographisch drahtnadelmarkiert werden, sodass eine operative Auffindung möglich wird. (Das entnommene Präparat kann dann nochmals geröntgt werden, um zu zeigen, dass die verdächtigen Bezirke wirklich enthalten sind).
Sonographie Ergänzung der Mammographie mit Unterscheidungsmöglichkeit zwischen soliden und zystischen Prozessen. Auch hier sind einige Phänomene malignitätsverdächtig (unscharfe Tumorbegrenzung, durchblutete Binnenstrukturen etc.). Nicht palpable Tumoren, die aber sonographisch sichtbar sind, können, zur besseren Auffindung, direkt präoperativ unter sonographischer Kontrolle mit einem Draht markiert werden.
Galaktographie Bei pathologischer Sekretion aus der Mamille wird radiologisch eine Milchgangdarstellung mit Kontrastmittel vorgenommen. Das Kontrastmittel wird in den Milchgang injiziert.
Stanzbiopsie Hierbei wird unter sonographischer Kontrolle nach einer kleinen Hautinzision ein Tumor gezielt durch eine Hochgeschwindigkeitsnadel biopsiert. Die Stanzbiopsie dient der diagnostischen Abklärung, um einerseits eine bessere OP-Planung mit der Patientin zu erzielen, andererseits der Patientin während der Operation verlängerte Narkosen durch das Warten auf das Schnellschnittergebnis zu ersparen.
Markierung des Wächterlymphknotens (»sentinel node«) Der Wächterlymphknoten ist der erste Lymphknoten im Lymphabfluss eines Mammakarzinoms mit der höchsten Wahrscheinlichkeit für einen metastatischen Befall. Bei kleinem Mammakarzinom kann die selektive Entfernung des Wächterlymphknotens ausreichend sein. Hierzu muss der Lymphknoten vor der Operation radioaktiv markiert werden. Dazu wird eine radioaktive Substanz (99Technetium, Tc 99) unter die Haut der betroffenen Brust (z. B. unter die Brustwarze) injiziert. Diese reichert sich im Wächterlymphknoten an, sodass dieser bei der Operation mittels Gammakamera identifiziert werden kann. Zusätzlich kann auf die gleiche Weise auch eine Farbmarkierung des Lymphknotens mit Patentblau erfolgen. Der so markierte Wächterlymphknoten kann dann mit nur kleinem Hautschnitt entfernt werden. ! Bei Einsatz von radioaktivem Technetium müssen alle Histologiegefäße zusätzlich mit einem Aufkleber der Nuklearmedizin gekennzeichnet werden.
Es erfolgt eine Schnellschnittuntersuchung. Ist der Lymphknoten frei von Tumorzellen, kann auf eine axilläre Lymphadenektomie verzichtet werden. Ist er befallen oder das Mammakarzinom zu groß, muss die axilläre Lymphknotenentfernung erfolgen. Besonderheiten: 4 In seltenen Fällen gibt es mehr als einen Wächterlymphknoten. 4 Manchmal kann kein Wächterlymphknoten markiert werden. Am Ende der Operation muss ein Messprotokoll der Radioaktivität ausgefüllt werden: Wenn die Patientin (die eigentlich radioaktive Quelle) den Saal verlassen hat, werden mit einem Geigerzähler folgende Positionen auf Strahlung kontrolliert: 4 der Fußboden der Einleitung, des OP-Saales und der Ausleitung,
421 8.8 · Mammachirurgie
4 Wäsche- und Müllsäcke, 4 das OP-Instrumentarium. Sollte sich die noch vorhandene Strahlung nicht im Normbereich befinden, muss die Nuklearmedizin informiert werden, und es erfolgt eine gesonderte Entsorgung aller Materialien.
8.8.3
Operationen
Durch die Vielzahl der möglichen Mammaoperationen, insbesondere aus dem plastischen Bereich, kann an dieser Stelle nur auf einige wenige, häufig angewendete OP-Formen näher eingegangen werden. Ziel der Tumoroperationen ist es, den betreffenden Bezirk komplett zu entfernen, d. h. bei bösartigen Befunden unter Einhaltung eines Sicherheitsabstandes im gesunden Gewebe. Zu unterscheiden sind: 4 brusterhaltende Mammaoperationen (Tumorektomie, Quadrantektomie) und 4 ablative Mammaoperationen (subkutane Mastektomie, modifizierte radikale Mastektomie). Ablative Mammaoperationen sind z. B. indiziert bei mehreren Karzinomherden der Brust, bei zu großem Karzinomherd, bei ausgedehnter Tumorausbreitung über die Lymphbahnen. Bei bösartigen Befunden erfolgt zusätzlich die Entfernung axillärer Lymphknoten (Axilladissektion) oder bei kleinem Tumor die Entfernung des Wächterlymphknotens (s. oben). kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium, gefensterte Organfasszangen, Hautstift, monopolare Elektrokoagulationselektrode, evtl. bipolare Pinzette, Drainagen.
kLagerung
Rückenlagerung der Patientin auf dem OP-Tisch (7 Abschn. 8.3.1 und 7 Abschn. 1.2). kSchnittführungen
Der Zugangsweg richtet sich nach Größe, Lokalisation und Dignität (Gut- oder Bösartigkeit) des zu operierenden Tumors (. Abb. 8.47). 4 Periareolärer Bogenschnitt:
Hierbei wird die Hautinzision bogenförmig am Übergang Warzenhof/Haut geführt. Er ist für gutartige mamillennahe Tumoren geeignet. Bei bösartigen Tumoren kann sich das Problem ergeben, dass evtl.
. Abb. 8.47 Empfohlene Schnittführung zur kompletten Entfernung des befallenen Gewebeareals entlang der Langer-Linien. (Nach Diedrich et al. 2007)
durchzuführende Nachresektionen und das Einhalten des Sicherheitsabstandes technisch schwierig werden. 4 Zirkuläre Schnittführung:
Hierbei wird oberhalb des Tumors ein bogenförmiger Hautschnitt angelegt, bei bösartigen hautnahen Tumoren unter Mitnahme einer Hautspindel. Kosmetisch ist dieser Zugang in den oberen Quadranten zu empfehlen. 4 Radiäre Schnittführung:
Rechtwinklig zum Mamillenrand angelegter Hautschnitt. Kosmetisch ist diese Schnittführung in den unteren Quadranten der Brust günstig. 4 Submammärer Bogenschnitt:
Kosmetisch günstiger Zugang über die Submammärfalte zu Tumoren in den unteren Quadranten der Brust. 4 Querovalärer Hautschnitt:
Hierbei wird ein querer bis leicht schräger spindelförmiger Hautschnitt vom Sternum bis zur vorderen Achsellinie, unter Einschluss der Mamille, angelegt. Dies ist der typische Zugang bei Mastektomie.
8
422
Kapitel 8 · Gynäkologie
Tumorektomie (Lumpektomie, »wide excision«)
8
7 Hautinzision mit dem Skalpell je nach Lokalisation, Größe und Dignität des Tumors. 7 Mobilisation des Drüsenkörpers mit der Präparationsschere dicht unter der Haut, ohne diese selbst zu verletzen (postoperative Durchblutungsstörungen möglich). 7 Präparation in alle Richtungen. 7 Unter Tastkontrolle wird der Tumor mit einem Sicherheitsabstand segmentförmig mit dem Skalpell oder der Schere entfernt. Auf ein »Anklemmen« des Tumors sollte verzichtet werden. 7 Bei tiefem Tumorsitz wird die Fascia pectoralis dieses Bereichs mit entfernt. 7 Fadenmarkierung des Präparates (3 Markierungen) zur Orientierung für den Pathologen. Die Schnellschnittuntersuchung soll die Entfernung des Tumorrandes zum Gesunden sicherstellen. Je nach Aussage des Pathologen ist evtl. eine Nachresektion erforderlich. 7 Ausgiebige Blutstillung. 7 Einlegen einer Wunddrainage. 7 Zählen und Dokumentation von Instrumenten und Textilien. 7 Rekonstruktion des Restdrüsenkörpers durch Einzelknopfnähte der Stärke 3–0, mit Orientierung an der gesunden Brust. 7 Verschluss von Subkutis und der Haut durch eine Intrakutannaht. 7 Bei einem bösartigen Befund folgt nun die Axilladissektion über einen gesonderten axillären Zugang nach Handschuhwechsel. 7 Ein sicher gutartiger Tumor kann auch ohne Einhaltung eines Sicherheitsabstandes tumornah ausgeschält werden.
Totale Mastektomie 7 Spindelförmige Umschneidung der Haut unter Einschluss der Mamille mit dem Skalpell. 7 Präparation der Haut und des direkt anliegenden Subkutangewebes mit der Präparierschere oder dem Skalpell nach medial bis zum Sternum, nach kranial bis fast zur Klavikula und nach kaudal bis zum Ansatz des M. rectus abdominis. Es muss so viel Subkutangewebe erhalten bleiben, dass eine Versorgung der Haut gewährleistet ist. 7 Entfernung des Drüsenkörpers unter Mitnahme der Pektoralisfaszie mit dem Skalpell. Dies geschieht parallel zur Muskelfaserverlaufsrichtung von medial/kranial nach lateral/kaudal; hier wird das Gewebe abgesetzt. 6
7 Die versorgenden Gefäße werden entweder unterbunden oder koaguliert. 7 Von diesem Zugang ausgehend beginnt die Axilladissektion (s. unten). 7 Einlegen von Wunddrainagen (z. B. Redon-Drainagen 10 Charr) in das Mastektomiegebiet und die Axilla. 7 Kontrolle auf Bluttrockenheit. 7 Zählen von Instrumenten und Textilien und Dokumentation des Zählstandes. 7 Subkutannaht und fortlaufende Intrakutannaht. 7 Verband mit Wundpflastern und einem Wickelverband mit einer großen Mammabinde und evtl. Schaumstoff.
Axilläre Lymphadenektomie 7 Zugang entweder direkt über die Mastektomiewunde oder über einen separaten bogenförmigen Hautschnitt ca. 2 cm dorsal des M. pectoralis major über ca. 6 cm Länge mit dem Skalpell (bei Tumorektomie muss zuvor das Mammawundgebiet mit einem Tuch abgedeckt werden, die Handschuhe müssen gewechselt werden). 7 Eröffnung des subkutanen Fettgewebes und Darstellung des Randes des M. pectoralis major. Dieser wird vom Assistenten mit dem Haken nach medial gezogen. 7 Aufsuchen der V. axillaris durch vorsichtiges Spreizen mit der Präparationsschere. 7 Lymph- und Blutgefäße werden monopolar koaguliert oder mit Titanclips verschlossen. 7 En-bloc-Resektion des axillären Lymphfettgewebes lateral an der V. axillaris beginnend und auf der Faszie des M. latissimus dorsi nach dorsokaudal präparierend. 7 Möglich ist auch das Entfernen der Lymphknoten des Levels I (. Abb. 8.46) mittels gefensterter Organfasszangen, z. B. Ovarfasszange; dabei werden die thorakodorsalen Gefäß-Nerven-Bündel und der N. thoracicus longus dargestellt. 7 Wenn möglich, sollten auch die Nn. intercostobrachiales erhalten werden, die quer durch die Axilla verlaufen und die Innenhaut des Oberarms sensibel versorgen. 7 Nach Anheben des M. pectoralis minor können nun auch die Lymphknoten des Level II präpariert und mit dem Gesamtpräparat entfernt werden. Nicht unbedingt notwendig ist die Entfernung der Lymphknoten des Levels III, die durch kräftiges Anheben des M. pectoralis minor erreicht werden können. 7 Blutstillung und Einlage einer Wunddrainage. 7 Zählen und Dokumentation von Instrumenten und Textilien. 7 Wundverschluss, Verband.
9
Urologie B. Lengersdorf, C. Matthies, M. Liehn, D. Oppermann, A. Haese, A. Baumgarten, S. Bröker
9.1
Anatomische Grundlagen
– 424
9.2
Spezielles urologisches Instrumentarium
9.3
Transurethrale und perkutane Eingriffe
9.4
Äußeres Genitale
9.5
Prostata
9.6
Blase
9.7
Harnleiter
9.8
Harninkontinenz der Frau
9.9
Blasen-Scheiden-Fisteln
– 428
– 431
– 445
– 456
– 467 – 470 – 478 – 480
9.10 Harninkontinenz des Mannes 9.11 Harnröhrenplastik
– 481
– 484
9.12 Eingriffe an der Niere und am Nierenbecken 9.13 Nierentransplantation (NTX)
– 487
– 493
M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
424
Kapitel 9 · Urologie
Das Fach der Urologie beschäftigt sich mit den harnableitenden Organen sowie den männlichen Geschlechtsorganen.
9.1
Anatomische Grundlagen B. Lengersdorf, C. Matthies, M. Liehn
. Abb. 9.1 und . Abb. 9.2 zeigen Übersichtsbilder des
männlichen und weiblichen Urogenitalapparates einschließlich ihrer embryonalen Entwicklung.
9.1.1
Harnapparat
Niere (Ren) Die Nieren liegen retroperitoneal, seitlich der Wirbelsäule: 4 der obere Nierenpol in Höhe des 11. und 12. Brustwirbelkörpers, 4 der untere Nierenpol in Höhe des 2. und 3. Lendenwirbelkörpers. In der Regel werden die Nieren von der 12. Rippe überkreuzt. Die rechte Niere liegt unterhalb der Leber und somit weiter kaudal als die linke Niere, die unterhalb der Milz liegt. Die Niere hat die Form einer Bohne, es gibt eine Vorderseite (Facies anterior) und eine Hinterseite (Facies posterior), die flacher ausgebildet ist. Die Nebenniere sitzt dem oberen Pol auf. Die mediale Einstülpung der Niere heißt Hilus renalis (. Abb. 9.3).
Die Nieren sind die Organe der Harnbereitung. Nierenbecken, Nierenkelchsystem, Harnleiter, Blase und Harnröhre dienen dem Transport und der Speicherung des Urins.
jNierenhilus (Hilus renalis)
. Abb. 9.1 Entwicklung des männlichen Urogenitalapparates (gerastert: zugrunde gehende Teile; gestrichelt: Lage vor dem Herunterwandern der Keimdrüsen. (Nach Hofstetter u. Eisenberger 1986)
. Abb. 9.2 Entwicklung des weiblichen Urogenitalapparates (gerastert: zugrunde gehende Teile; gestrichelt: Lage vor dem Deszensus). (Nach Hofstetter u. Eisenberger 1986)
Im Nierenstiel befinden sich die zu- und ableitenden Blutgefäße der Niere sowie das Nierenbeckenkelchsystem.
9
425 9.1 · Anatomische Grundlagen
Nierenaufbau
. Abb. 9.3 Ventralansicht der rechten Niere. Das Nierenbecken befindet sich hinter dem Gefäßstiel und ist somit operativ gut zugänglich
Von außen nach innen (. Abb. 9.4): 4 Gerota-Faszie, sie umgibt die Niere selbst und die Nierenfettkapsel. 4 Fettkapsel (Capsula adiposa). 4 Faserkapsel (Capsula fibrosa) des Nierenparenchyms. 4 Nierenparenchym, gebildet aus Rinde (Cortex renis) und Mark (Medulla renis). Das Mark besteht zumeist aus 14 Pyramiden, die allseitig von Rinde umgeben sind, sodass das Parenchym bis an die Nierenkelche heranreicht. Die Pyramidenspitzen ragen in die Kelche hinein und enden dort als Papille. In dieser sind die Sammelrohre enthalten, die wiederum mit ihrer Spitze in das Kelchsystem und danach in das Nierenbecken münden. 4 Nierenbecken (Pelvis). Als Beginn der harnableitenden Wege münden hier die Nierenkelche, das Nierenbecken verjüngt sich zunehmend und geht in den Harnleiter über. 4 Harnleiter (Ureter). Der Harnleiter ist ein röhrenförmiges, ca. 30 cm langes Hohlorgan. Seine Wand besteht aus einer äußeren und einer inneren Längsmuskelschicht sowie einer ringförmigen Mittelschicht. Er ist mit Schleimhaut ausgekleidet. Glatte Muskulatur und Eigeninnervation machen den Urintransport möglich. Mit peristaltischen Bewegungen wird der Urin in die Blase transportiert. Drei physiologische Engstellen bilden Prädilektionsstellen für Konkrementobstruktionen (Steineinklemmungen): 4 Ureterabgang aus dem Nierenbecken. 4 bei der Überkreuzung der Iliakalgefäße. 4 Einmündung in die Harnblase.
. Abb. 9.4 Längsschnitt durch die Niere. (Nach Schiebler et al. 2003)
4 Die Nierenarterie (A. renalis) entspringt der Bauchaorta und teilt sich im Hilusbereich in 2 Äste auf. Häufig gibt es abweichende Äste (aberrierende Gefäße), die in den oberen oder unteren Nierenpol einmünden. 4 Die Nierenvene (V. renalis); beide Vv. renales münden in die V. cava. Da die linke Nierenvene den Weg über die Aortenvorderwand zur V. cava nimmt, ist sie etwas länger als die rechte Nierenvene. 4 Das Nierenbeckenkelchsystem, mit meist 7 Kelchpaaren. 4 Der Harnleiter (Ureter) tritt hinter den Gefäßen aus und liegt meist außerhalb des Hilus. Er bildet die Verlängerung des Nierenbeckens.
Hinter der Blase wird der Harnleiter beim Mann vom Samenleiter (Ductus deferens), bei der Frau von der A. uterina gekreuzt. Die Ureteren ziehen von hinten in die Blase ein. Sie verlaufen dort noch etwa 4 cm schräg in der Blasenwand, bevor sie spitzwinklig im Blasenboden münden. Die Einmündungsstellen, die Ostien, sind 2 Eckpunkte des Trigonum vesicae.
Harnblase (Vesica urinaria) Die Harnblase sammelt den Urin zwischen den willkürlichen Harnentleerungen. Sie liegt subperitoneal im kleinen Becken hinter der Symphyse. Nur gefüllt ragt sie über die Symphysenoberkante hinaus und schiebt so das Peritoneum nach oben (. Abb. 9.5). Ein suprapubischer Blasenkatheter sollte aus diesem Grund nur bei gefüllter Blase (200–300 ml) gelegt werden.
9
426
Kapitel 9 · Urologie
9 . Abb. 9.5 Männliche Harnblase in der Frontalebene aufgeschnitten. Schraffiert: Hinter der Harnblase liegende Samenleiter und Samenblasen. Die Pfeile im Bereich des Trigonum vesicae zeigen den Verlauf der Öffnungs- (links) und Verschlussmuskeln (rechts) für die Harnleiter an. (Nach Schiebler et al. 2003)
Aufbau
4 Die Blase besteht aus einer Muskelschicht (Tunica muscularis), die mit Schleimhaut (Urothel) ausgekleidet ist. 4 Das Blasendach hat einen Scheitel (Vertex), von dessen Mitte eine mediane Bauchfellfalte, die das Lig. umbilicale enthält, zum Nabel zieht. Dies ist der Überrest des embryonalen Urachus. 4 Rechte und linke Seitenwand. 4 Blasenhinterwand. 4 Blasengrund (Blasenboden mit dem Trigonum vesicae und den beiden Ostien). jTrigonum vesicae
Ein in Form eines Dreiecks am Blasenboden liegendes Feld, das im Gegensatz zur übrigen Schleimhaut keine Falten hat und sich nicht verschieben lässt. An dessen Eckpunkten münden die beiden Harnleiter sowie nach kaudal die Harnröhre (Ostium urethrae internum). Der Blasenhals bezeichnet den Übergang von der Blase in die Harnröhre.
Harnröhre (Urethra) jWeibliche Urethra
4 Länge ca. 3–4 cm 4 Verläuft vor der Vagina und mündet im Scheidenvorhof.
. Abb. 9.6 Schnitt durch die männliche Harnblase und den Penis. (Nach Schiebler et al. 2003)
4 Wird verschlossen durch Fasern des äußeren Schließmuskels (M. sphincter urethrae externum) sowie durch Venengeflechte, die die Schleimhaut gegeneinander drücken. jMännliche Urethra
Sie ist ca. 20 cm lang und zieht von der Blase (Ostium urethrae internum) bis zur Glans penis (Ostium urethrae externum; . Abb. 9.6). Die Harnröhre besteht aus 5 Abschnitten: 4 Ostium urethrae internum; mit dem M. sphincter urethrae internum. 4 Pars prostatica; der Abschnitt zwischen Ostium urethrae internum und M. sphincter externus ist etwa 3– 4 cm lang. Am Ende der Pars prostatica befindet sich an der Urethrahinterwand der Colliculus seminalis (Samenhügel), an dessen Seiten die Prostataausführungsgänge und die Samenleiter münden. Hier treffen Harn- und Samenwege zusammen, sodass die Urethra auch als Harnsamenröhre bezeichnet werden kann. 4 Pars membranacea; dieser Abschnitt wird vom M. sphincter urethrae externum umschlossen und ist etwa 1 cm lang. In diesem Bereich tritt die Urethra durch das Diaphragma urogenitale, welches zusammen mit dem M. levator ani den muskulären Verschluss des Beckenbodens bildet.
427 9.1 · Anatomische Grundlagen
4 Pars spongiosa; verläuft im Corpus spongiosum (Harnröhrenschwellkörper des Penis) und ist ca. 20 cm lang. 4 Ostium urethrae externum.
9.1.2
Männlicher Urogenitaltrakt
Hoden (Testis) Aufgabe: Produktion von Spermien und dem männlichen Hormon Testosteron. Die Hoden liegen außerhalb der Bauchhöhle im Hodensack (Skrotum), da die Innentemperatur des Körpers für die Produktion funktionstüchtiger Samenzellen zu hoch wäre. Aufbau
4 Tunica albuginea: Bindegewebige Kapsel des Hodenparenchyms (. Abb. 9.7). 4 Hodenparenchym: Besteht aus den Hodenläppchen (Lobulus testis), den Hodenkanälchen sowie den Leydig-Zwischenzellen, die zwischen den Kanälchen liegen und das Testosteron bilden. Im Hodenhilus sammeln sich die Hodenkanälchen zu einem Kanälchensystem (Rete testis). Dort beginnen die ableitenden Samenwege (Ductuli efferentes; . Abb. 9.7).
Nebenhoden (Epididymis) Der Nebenhoden liegt dem Hoden auf und ist teilweise mit der Hodenhinterwand verwachsen. Er besteht aus dem breiteren Nebenhodenkopf (Caput epididymidis), dem Nebenhodenkörper und dem schlanken Nebenhodenschwanz, der über den Nebenhodengang (Ductus epididymidis) zum Samenleiter (Ductus deferens) wird. Gefäße und die Hodenausführungsgänge münden in den Nebenhoden und gelangen über den Nebenhodengang (Ductus epididymidis) in den Samenleiter. Der Nebenhoden dient als Speicher- und Reifungsorgan.
Samenleiter (Ductus deferens) Aufgabe: Aktiver Transport der Samenzellen. Der Samenleiter verläuft hinter dem Nebenhoden aufwärts in den Samenstrang und zieht weiter in den Leistenkanal. Der Samenstrang wird gebildet aus Nerven, der A. testicularis, dem Plexus pampiniformis (Venengeflecht), Lymphgefäßen und dem Ductus deferens. Die Umhüllung des Samenstrangs bilden der M. cremaster und Bindegewebe. Vom inneren Leistenring aus zieht der Samenleiter an der Blasenhinterwand zum Blasengrund, wo er den Ureter überkreuzt. Dorsal der Prostata erweitert er sich zur Ampulla ductus deferentis, hinter der der Ausführungsgang der Samenbläschen mündet. Gemeinsam treten sie als Ductus ejaculatoris durch die Prostata, wo sie auf dem Col-
. Abb. 9.7 Hoden mit Nebenhoden. Die Ductuli efferentes leiten die Spermien aus dem Hoden in den Nebenhoden
liculus seminalis münden. Der Ductus ejaculatoris wird während der Ejakulation stark komprimiert, um das Ejakulat zu beschleunigen.
Hodensack (Scrotum) Das Skrotum umgibt die Hoden und die unteren Anteile des Samenstrangs. Die beiden Hoden sind durch eine feine bindegewebige Zwischenwand voneinander getrennt.
Akzessorische Geschlechtsdrüsen Aufgabe: Produktion eines alkalischen, fruktosehaltigen Sekrets, das die Beweglichkeit der Spermien positiv beeinflusst. jSamenblase (Vesicula seminalis)
Sie liegt hinter der Blase am Blasengrund, seitlich der Ampulla ductus deferentis. Der Ausführungsgang mündet distal der Ampulle in den Ductus deferens. jProstata (Vorsteherdrüse)
Ein kastaniengroßes, prall-elastisches, von Muskelfasern durchzogenes Drüsenorgan, das in jeweils einen rechten und linken Lappen unterteilt ist. Die Prostata umgibt die Urethra unterhalb des Ostium urethrae internum bis hin zum Colliculus seminalis (Pars prostatica der Harnröhre). Ihre Basis liegt am Blasengrund, die Spitze (Apex) zeigt zum Diaphragma urogenitale. Hinten liegt sie dem Rektum an, getrennt durch die Denonvillier-Faszie. Der Apex prostatae ist der kaudale Anteil der Prostata, nahe dem Beckenboden gelegen. Die Prostata wird in 3 Zonen unterteilt:
9
428
Kapitel 9 · Urologie
4 Periphere Zone: Sie liegt zum Rektum und zum Apex prostatae hin. Bei jüngeren Männern umfassen ca. 75% der Prostata diesen Bereich. 4 Zentrale Zone: Unter dem Trigonum der Blase. 4 Transitionalzone: Der Innenbereich der Prostata, er umgreift die Urethra. Die Ausführungsgänge der Prostata (Ductus prostatici) münden seitlich des Colliculus seminalis. Das Prostatasekret ist dünnflüssig, alkalisch und wird während der Ejakulation den Spermien beigemischt. Es wirkt bewegungsauslösend und schützt durch das alkalische Sekret die Samenzellen vor dem sauren Scheidenmilieu. Die gutartige Prostatahyperplasie (BPH) entsteht häufig in der Transitionalzone. Das Prostatakarzinom hingegen entsteht typischerweise in der peripheren Zone und ist daher möglicherweise mit dem Finger bei der rektalen Untersuchung zu tasten!
9
jCowper-Drüsen (Glandula bulbourethralis)
Sie sind paarig im Diaphragma urogenitale angelegt. Ihre Ausführungsgänge münden in den Anfangsbereich des Harnröhrenschwellkörpers (Bulbus penis). Vor der Ejakulation sondern sie ein Sekret ab, das den pH-Wert der Harnreste neutralisiert und die Eichel befeuchtet. Sie sind von geringer klinischer Bedeutung.
. Abb. 9.8 Schwellkörper des Penis. (Nach Hofstetter u. Eisenberger 1986)
Penis
5 Gewährleistet die Durchgängigkeit der Harn-/Samenröhre. 5 Vom Penisschwellkörper getrennte Blutversorgung (ist bei der Behandlung einer krankhaften Dauerversteifung (Priapismus) nützlich).
Aufgaben: Harnentleerung und Spermaübertragung. Aufbau
Hauptbestandteile sind die beiden Penisschwellkörper (Corpus cavernosum) sowie der Harnröhrenschwellkörper (Corpus spongiosum). Sie werden von der Fascia penis und der Haut umschlossen (. Abb. 9.8). 4 Penisschwellkörper (Corpora cavernosa penis): 5 Paarig angelegt, entspringen sie an den Schambeinästen. 5 Hier vereinigen sie sich an der Peniswurzel und umschließen seitlich und an der Oberseite den Harnröhrenschwellkörper bis zur Glans penis. 5 Sie sind von einer derben, kaum dehnbaren Tunica albuginea umgeben und bewirken die Versteifung des Penis. 4 Harnröhrenschwellkörper (Corpus spongiosum): 5 Unpaarig, komprimierbar durch eine zarte dehnbare Tunica albuginea. 5 Verläuft in der unteren Längsfurche der Penisschwellkörper und umschließt die Harnröhre. 5 Das proximale Ende wird als Bulbus penis (Zwiebel) bezeichnet. 5 Das distale Ende liegt in der Glans penis (Eichel). 5 Nimmt kaum an der Versteifung des Penis teil.
Die Haut liegt der Fascia penis locker auf und bildet im vorderen Abschnitt eine Hautduplikatur, die als Vorhaut (Präputium) bezeichnet wird, die die Eichel wie eine Hülle bedeckt. Die Glans penis hat an der Unterseite eine Furche mit einem Bändchen, dem Frenulum, das sie mit der Vorhaut verbindet.
9.2
Spezielles urologisches Instrumentarium
9.2.1
Spezielle Instrumente für offene Operationen
4 4 4 4 4 4
Codman-Rahmen (Bookwalter) (. Abb. 4.28). Finochietto-Rippensperrer (. Abb. 4.27). Balfour-Sperrer (. Abb. 4.26). Nierenstielklemme nach Guyon (. Abb. 9.9). Blasenhaken (. Abb. 9.10). Kaderspatel (. Abb. 9.11).
429 9.2 · Spezielles urologisches Instrumentarium
9.9
9.10
9.12
4 4 4 4
Nierensteinfasszange (. Abb. 9.12). lange Lidhaken. Allis-Klemmen (7 Kap. 2). Lungenspatel nach Allis.
9.2.2
Katheter und Schienen
Katheter und Schienen werden aus unterschiedlichen Materialien gefertigt: 4 Latex: Ist elastisch und gleichzeitig hart, ruft häufig Gewebereaktionen und vermehrt Allergien hervor.
9.11
. Abb. 9.9 Nierenklemme nach Guyon. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 9.10 Wundhaken nach Kirsch (Blasenhaken). (Fa. Aesculap AG) . Abb. 9.11 Kaderspatel (Beispiel: Fa. Aesculap). (Aus Archiv Bundeswehrkrankenhaus Hamburg) . Abb. 9.12 Nierensteinzange nach Randall. (Fa. Aesculap AG)
4 PVC (Polyvinylchlorid): Hartes Material, eignet sich als Stent, es lagern sich allerdings rasch Fibrinbeläge an. 4 Silikon: Gewebefreundlich, große Wärme- und Wasserbeständigkeit, eignet sich v. a. bei längerer Verweildauer im Körper. Die Katheter unterscheiden sich in Form und Beschaffenheit der Katheterspitzen (. Abb. 9.13). Die gängigsten finden hier Erwähnung: 4 Nélaton: Runde geschlossene Spitze, keine Krümmung, 2 oder 4 gegenüberliegende Augen, Anwendung bei Frauen und Männern, meist als transurethraler Katheter.
9
430
Kapitel 9 · Urologie
. Abb. 9.14 Katheterspitze nach Couvelaire, Flötenspitz. (Fa. Rüsch)
. Abb. 9.13 Katheterspitzen: von oben nach unten: Tiemann-Katheter, Nélaton-Katheter, Dufour-Katheter, Stirnlochkatheter, Neoblasenkatheter, längsgerillter Harnröhrenkatheter. (Aus Archiv Bundeswehrkrankenhaus Hamburg)
9
4 Tiemann: Konisch zulaufende geschlossene Spitze, leicht gebogen, meist nur ein Auge, häufig zur Einmalkatheterisierung ohne Blockung, wird in aller Regel bei Männern angewendet. 4 Couvelaire: Vorn offene Flötenspitze, seitliche große Augen, häufig zum Ausspülen von Koageln (. Abb. 9.14). 4 Dufour: Ähnlich geformt wie ein Tiemann-Katheter, jedoch vorn offene Flötenspitze und zwei seitliche Augen (. Abb. 9.15). 4 Neo-Blasenkatheter: Stirnlochkatheter, die Strecke vor dem Ballon ist länger und hat große Augen damit der Schleim besser ablaufen kann. 4 Stirnlochkatheter: Mit zwei oder mehreren versetzten Augen, und vorn offen z. B. als suprapubische Ableitung. 4 Längsgerillter Blasenkatheter mit Nélaton Spitze: nach Harnröhrenplastiken, verhindert durch verbesserten Sekretabfluss ein Verkleben mit der Schleimhaut. Zudem werden Blasenkatheter unterschieden in: 4 Einfache Katheter ohne Blockung zur Einmalkatheterisierung. 4 Doppelläufige Katheter mit Blockung als Verweilkatheter. 4 Suprapubische Katheter mit und ohne Blockung (. Abb. 9.15). 4 Dreiläufige Katheter als Tamponadekatheter, auch bezeichnet als Dauerspül-/Hämaturiekatheter. Dieser Katheter findet Anwendung nach transurethralen Operationen oder bei Blutungen in der Blase. Er besitzt einen Kanal zur Harnableitung, einen separaten Spülzugang und den dritten Lauf zum Blocken
. Abb. 9.15 Suprapubischer Katheter (Beispiel: Fa. Braun). (Aus Archiv Bundeswehrkrankenhaus Hamburg)
mit größerem Blockungsvolumen als ein herkömmlicher Verweilkatheter. Außerdem ist die Wand des Katheters verstärkt, damit sie beim Aspirieren von Koageln mit einer Blasenspritze nicht kollabiert. Tamponadekatheter können bei der transurethralen Einlage mit einem Führungsstab leichter eingeführt werden. ! Die Stärke von Kathetern und Schienen wird in Charrière (Charr) angegeben, wobei 1 Charr =1/3 mm Außendurchmesser entspricht.
Als ideales Füllmedium zum Blocken des Ballons ist Glycerollösung geeignet. Hierbei handelt es sich um mit Glycerin versetztes steriles Wasser; diese Lösung hat größere Moleküle als reines Wasser und erschwert so die Diffusion der Blockflüssigkeit aus dem Katheter. Bei den häufig angewendeten Silikonkathetern geschieht das schneller als bei Latexkathetern und ist dann problematisch, wenn Katheter einen kleinen Blockballon haben (z. B. Nephrostomiekatheter oder Okklusionskatheter, die im Harnleiter zu liegen kommen). Ureterkatheter (UK) und Schienen (J-, Doppel-J- bzw. Pigtail-Katheter=Schweineschwänzchen; . Abb. 9.16) bestehen meist aus Silikon. Häufig sind sie mit einer hydrophilen Beschichtung versehen, die das Einführen erleichtert, v. a. bei Harnleiterengen durch Tumoren, Stenosen, Steine oder anatomische Gegebenheiten. UK und Schienen besitzen einen Mandrin zur Streckung, ein oder mehrere Augen über eine gewisse Strecke, eine Zentimetergraduierung und eine Röntgenmarkierung. Die Spitze eines UK kann geschlossen oder offen, gerade oder leicht gebogen sein. Doppel-J-Schienen werden mit oder ohne Faden (der dann z. B. an einem lie-
431 9.3 · Transurethrale und perkutane Eingriffe
. Abb. 9.16 Ureterkatheter. (Aus Archiv Bundeswehrkrankenhaus Hamburg)
genden transurethralen Katheter befestigt werden kann) oder mit einem Antirefluxkörbchen geliefert. Außerdem kommen Stents, die im Bereich des Harnleiters verdickt sind, und Okklusionskatheter, die im Harnleiter geblockt werden können, zur Anwendung. Sie alle dienen als »innere Schiene«, d. h. sie gewährleisten den Abfluss von Urin aus der Niere in die Blase. Mono-J-Schienen dienen häufig der perkutanen Harnableitung, z. B. beim Ileumkonduit. Nephrostomiekatheter, auch Nierenfistel genannt (»Nifi«), liegen mit ihrem Pigtail im Nierenbecken und werden perkutan ausgeleitet (Einlage 7 Abschn. 9.3.8). Nierenfisteln werden mit Blockung geliefert. Sie sollten grundsätzlich zur Sicherung an der Haut festgenäht werden. Zur Entfernung von Steinen und Fremdkörpern stehen verschiedene Fasszangen (. Abb. 9.12) und Körbchen zur Verfügung. Es gibt diese in starrer und flexibler Ausfertigung sowie in verschiedenen Größen. Als Einführhilfe für die unterschiedlichen Schienen gibt es Führungsdrähte, zumeist hydrophil beschichtet, z. B. Terumo-Draht, Lunderquist-Draht (7 Kap. 4).
9.3
Transurethrale und perkutane Eingriffe
Die endoskopische Urologie erfordert ein umfassendes Wissen über die verschiedenen Katheter, Schienen und Stents. Das OP-Pflegepersonal muss die Zerlegung wie auch die Zusammensetzung der Instrumente schnell und korrekt durchführen können, wenn die Instrumente in zerlegtem Zustand sterilisiert werden. Es ist wünschenswert, diese Eingriffe mit speziellen OP-Tischen, an denen ein Ablaufsieb angebracht werden kann, in einem OP-Saal mit Bodenablauf durchführen zu können. Außerdem muss eine Vorrichtung zum Hochziehen der Kanister vorhanden sein, die ca. 60 cm über Patientenniveau angebracht werden sollen.
. Abb. 9.17 Einläufiges Resektoskop mit Trokar (von oben nach unten: Halbschaft, Trokar, Sauger, Resektionsschlitten, einläufiges Resektoskop). (Aus Archiv Bundeswehrkrankenhaus Hamburg)
. Abb. 9.18 Doppelläufiges Resektoskop mit Resektionsschlitten. (Aus Archiv Bundeswehrkrankenhaus Hamburg)
Diese Eingriffe werden häufig in Spinalanästhesie durchgeführt, deshalb ist hinsichtlich der Lagerung in Steinschnittlage u. a. die Intimsphäre der Patienten zu beachten.
9.3.1
Instrumente
Blasenspritze, Zystoskop, Resektoskop ein- und doppelläufig mit Trokar (. Abb. 9.17 . Abb. 9.18), unterschiedliche Resektionsschlingen (. Abb. 9.19), Urethrotom nach Sachse (. Abb. 9.20), Ureterorenoskop (7 Abschn. 9.3.4), OtisUrethrotom (. Abb. 9.21), Steinpunch (. Abb. 9.22), Nephroskop (7 Abschn. 9.3.9), Steinfasszange (. Abb. 9.12), Körbchen, PE-Zangen, Terumo- und Lunderquist-Draht.
9.3.2
Transurethrale Resektion der Prostata (TUR-P)
Die TUR = transurethrale Resektion ist das älteste minimalinvasive chirurgische Verfahren und gilt als Standardtherapie bei Vorliegen einer BPH mit Adenomen, die nicht größer
9
432
Kapitel 9 · Urologie
a
9
b
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f
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j . Abb. 9.19 Modernes Resektionsinstrument (a) mit verschiedenen Schlingenformen: b Resektionsschlinge, c Hakensonde, d Rollensonde, e Kerbsonde, f breite Schlinge, g breite Schlinge für TUR-P,
h »Mähschlinge« für TUR-B an der Blasenhinterwand, i Resektoskop mit Biopsiezange, j Maul der Biopsiezange. (Nach Hofmann 2009)
als 80 g sind. Auch vorhandene Blasensteine können auf diesem Weg mittels eines Steinpunches entfernt werden. Die Ausschälung bzw. Abhobelung erfolgt mittels eines Resektoskops, das über einen Kanal für die Optik sowie über einen Arbeitskanal verfügt. Als Spülflüssigkeit wird wegen der Anwendung der HF-Chirurgie eine hypotone salzfreie Zuckerlösung, z. B. Purisole, verwendet. Die neueren bipolaren Resektoskope funktionieren mit physiologischer NaCl-Lösung. Damit können Komplikationen wie das TUR-Syndrom (s. unten) vermieden werden. Bei der Hochdruckresektion wird mit dem doppelläufigen Resektoskop gearbeitet, wo sich wiederkehrend bei
zunehmender Blasenfüllung der Druck (und damit die Gefahr der Einschwemmung) erhöht. Alternativ kann mit dem einläufigen Resektoskop und einem suprapubisch in der Blase platzierten Trokar zur Absaugung eine »Niederdruckresektion« durchgeführt werden. Dieses Verfahren darf nicht bei vorhandenen Blasentumoren gewählt werden. jDiagnostik
4 Übliche Labordiagnostik. 4 PSA (prostataspezifisches Antigen zur Differenzialdiagnose des Prostatakarzinoms). 4 Uroflowmetrie.
433 9.3 · Transurethrale und perkutane Eingriffe
9.20
9.21
9.22 . Abb. 9.20 Urethrotom nach Sachse zur Harnröhrenschlitzung unter Sicht. (Fa. Storz) . Abb. 9.21 Otis-Urethrotom zur »blinden« Harnröhrenschlitzung. (Fa. Storz)
. Abb. 9.22 Steinpunch zur Sichtlithotrypsie von Blasensteinen. (Nach Hohenfellner u. Zingg 1983, mit frdl. Genehmigung von Fa. Storz)
4 Sonographie. 4 TRUS (transrektaler Ultraschall).
4 Kaltlichtkabel. 4 Optiken (0°, 12° und 70°). 4 einläufiges Dauerspülresektoskop (inkl. Stromkabel, verschiedene Resektionsschlingen, Kugelelektroden zum Koagulieren, Hakensonde). 4 Pinzette, Schere. 4 Trokar. 4 steriler Kamerabezug. 4 Blasenspritze zum Ausspülen der Resektionsspäne (mit Konnektor für das Resektoskop). 4 große Metallschüssel für warme physiologische NaClLösung. 4 Spül-Kompressions-Katheter (3-Wege-Dauerkatheter) 22 Charr. 4 bei Bedarf Ablaufsystem mit einem Pumpball, um postoperativ manuell Koagel zu entfernen. 4 Spülsystem. 4 Katheterverschlussstopfen. 4 Stirnlochkatheter 14 Charr (zur suprapubischen Einlage).
kIndikationen
4 4 4 4
Kleine bis mittelgroße Adenome. Blasensteine. rezidivierender Harnverhalt bei BPH. Überlaufinkontinenz.
kPrinzip
Entfernen von Prostatagewebe mit Hilfe eines in die Harnröhre eingeführten Resektionsinstruments mit einer hochfrequenzführenden Schlinge unter Sichtkontrolle. kInstrumentarium
4 4 4 4
Gleitmittel. Stichskalpell. lange Kanüle. Zu- und Ableitungssystem.
9
434
Kapitel 9 · Urologie
. Abb. 9.23 Steinschnittlage mit Vakuummatte und Beinhaltern mit Einhandbedienung. (Nach Krettek u. Aschemann 2005)
9
4 4 4 4 4
20-ml-Spritzen zum Blocken der Katheter. Glycerollösung. Sieb zum Auffangen der »Prostataspäne«. diverse 10-l-Kanister mit vorgewärmter Spüllösung. MIC-Turm mit Monitor, Lichtquelle, HF-Gerät, Endoskopkamera und evtl. Drucker für intraoperative Fotodokumentation (7 Kap. 2). (Theoretisch ist auch die Direktsichtresektion ohne Videoübertragung möglich.)
kLagerung
4 Steinschnittlage (. Abb. 9.23) 4 Anlegen der Neutralelektrode am (rasierten) Oberschenkel des Patienten.
TUR Prostata (TUR-P) 7 Desinfektion des OP-Gebiets mit einem Schleimhautdesinfektionsmittel. 7 Beginn oberhalb des Bauchnabels bis zur halben Oberschenkelhöhe einschließlich der Anusregion. 7 Anbringen des Ablaufsiebs am OP-Tisch mit einem Ablaufkanal in den Boden. 7 Sterile Abdeckung des OP-Gebiets. 7 Anschluss des Kaltlichtkabels, der Zu- und Ablaufsysteme, Beziehen der Endoskopkamera mit einem sterilen Klarsichtbezug und Anschluss an die Optik. 7 Entlüften des Spülsystems. 7 Instillieren eines Gleitmittels in die Urethra und Einführen des Resektoskops mit der Optik (0°/12°) unter Sicht bis in die Blase. 6
7 Dabei werden die Harnröhre, die prostatische Harnröhre und der Blasenauslass inspiziert. 7 Wechsel auf die »Übersichtsoptik« (70°) und Inspektion der Blase, der Ostien (entleert sich klarer Urin?), der Seitenwände sowie des Blasendachs. 7 Zeigt sich ein Blasentumor, wird dieser transurethral entfernt (7 Abschn. 9.3.3, TUR-B) und zur histologischen Untersuchung eingeschickt. 7 Die Resektion der Prostata wird dann nicht mit dem Trokar ausgeführt, sondern mit dem doppelläufigen Resektoskop (. Abb. 9.24). 7 Bei vorhandenen Blasensteinen werden diese zunächst mit dem Steinpunch, alternativ mit Laser (7 Abschn. 9.3.4) zerkleinert und danach ausgespült. 7 Nach Auffüllung der Blase wird von außen unter Sicht eine lange Kanüle in die Blase gestochen. Entleert sich über die Kanüle Flüssigkeit, wird an der Einstichstelle eine Stichinzision mit dem Skalpell durchgeführt, der Trokar in die Blase eingebracht und daran die Absaugung befestigt. 7 Die Blase wird entleert und der Transporteur mit der Resektionsschlinge über das liegende Resektoskop in die Blase eingeführt. 7 Jetzt erst wird das Stromkabel des HF-Gerätes mit dem Resektoskop verbunden und von der Übersichts- auf die Geradeaus-Optik gewechselt. Die Einstellungen des HF-Gerätes sollten programmiert und standardisiert sein. 7 Der exakte Resektionsbeginn wird notiert, um im weiteren Verlauf die Gefahr eines TUR-Syndroms besser einschätzen zu können. 7 Die Resektion wird unter Sicht durchgeführt, beginnend am Mittellappen, nach Blutstillung mittels Schlinge oder Kugelelektrode, weitere Resektion parakollikulär. 7 Anschließend Resektion des einen, danach des anderen Seitenlappens. 7 Eine zwischenzeitliche Blutstillung ist je nach Blutungsintensität indiziert. 7 Während der gesamten Resektion ist darauf zu achten, dass die Prostatakapsel und die umliegende Muskulatur nicht verletzt werden. 7 Abschließend erfolgt die Resektion apikal unter Schonung des M. sphincter externus. 7 Blutstillung mit der Kugelelektrode. 7 Ausspülen sämtlicher Resektionsspäne mit der Blasenspritze. Die Späne werden in einem Sieb gesammelt, gewogen und zur histologischen Untersuchung gegeben. Das Gewicht gibt dem Operateur 6
435 9.3 · Transurethrale und perkutane Eingriffe
7
7
7
7
7
Hinweise auf die Größe der produzierten Prostataloge, falls der Katheter dort geblockt werden soll. Über den liegenden Halbschaft des Trokars Einlage des Stirnlochkatheters und Blockung mit entsprechender Menge Glycerollösung. Anschluss des Spülsystems. Die Spülung erfolgt zunächst im Schuss, um der Bildung von Blutkoageln optimal vorzubeugen. Danach Instillieren eines Gleitmittels in die Urethra und Einlage des 3-Wege-Dauerspülkatheters in die Blase, zur weiteren Blutstillung wird dieser in der Prostataloge oder in der Blase mit Zug zum Blasenhals hin mit bis zu 60 ml geblockt. Anschluss des Ablaufsystems mit Pumpball und Verschluss des zweiten Zugangs des Katheters mit einem Stopfen. Versorgen der suprapubischen Kathetereintrittstelle mit einem Kompressen-Salben-Verband. Entfernen der Patientenabdeckung und des Ablaufsiebs. Anbringen der Beinteile des OP-Tisches und vorsichtiges Entlagern des Patienten aus der Steinschnittlagerung in die Rückenlage mit geraden Beinen.
. Abb. 9.24 Schematische Darstellung der transurethralen Prostataresektion. (Nach Hautmann u. Huland 2001/2006)
kInstrumentarium
Siehe TUR-P (7 Abschn. 9.3.2). Abweichend: 4 doppelläufiges Resektoskop, ggf. etwas kleinerer SpülKompressionskatheter mit 20 Charr. 4 Kein Trokar! kLagerung
Siehe TUR-P (7 Abschn. 9.3.2). 9.3.3
Transurethrale Resektion der Blase (TUR-B)
Der transurethralen Resektion von Blasentumoren liegt sowohl eine diagnostische als auch häufig eine therapeutische Indikation zugrunde. Verdächtige Schleimhautbefunde und oberflächliche Tumoren werden zur Bestimmung der Infiltrationstiefe und des Differenzierungsgrades abgetragen. Weitere Therapieschritte werden in Abhängigkeit der Ergebnisse der histologischen Untersuchung geplant. Patienten mit kleinen nichtinvasiven Harnblasentumoren sind nach einer TUR-B ausreichend therapiert und werden regelmäßig mittels Zystoskopie kontrolliert. jDiagnostik
4 Übliche Laborparameter, 4 Zystoskopie, 4 Sonographie der Blase. kIndikationen
4 Resektion oberflächlicher Tumoren und/oder verdächtiger Blasenschleimhaut, 4 Zur Bestimmung von Histologie mit Infiltrationstiefe und Differenzierungsgrad. kPrinzip
Abtragen von Tumorgewebe mittels eines Resektoskops und einer stromführenden Schlinge.
TUR Blase (TUR-B) 7 Urethrozystoskopie mit dem Resektoskop wie bei der TUR-P (7 Abschn. 9.3.2; hier besonders auf Urinaustritt aus den Ostien achten, da simultan auch Tumoren der oberen Harnwege vorhanden sein können). 7 Abtragen der Tumoren und Biopsien aus der darunterliegenden Muskulatur der Blase. Die Resektate werden sofort mit der Blasenspritze ausgespült und unter genauer Lokalisationsangabe zur histologischen Untersuchung gegeben. 7 Bei der Resektion sind die Ostien möglichst zu schonen, um eine Striktur mit Harnstauung oder einen Reflux in die Nieren zu vermeiden. 7 Endgültige Blutstillung mit der Hochfrequenzkugelelektrode oder der Schlinge (hier muss der Ablauf wasserklar sein, weil im Gegensatz zur TUR-P mit der Blockung kaum eine effektive Blutstillung erreicht werden kann). 7 Entfernen des Resektoskops, Instillieren eines Gleitmittels und Einbringen des 3-Wege-SpülKompressionskatheters 20 Charr in die Blase, Blockung mit 20 ml Glycerollösung. 7 Anschluss an das Spülsystem und Konnektion mit dem Ablaufbeutel.
9
436
Kapitel 9 · Urologie
TUR-Syndrom Infolge Einschwemmung der hypotonen Spülflüssigkeit durch die eröffneten Gefäße in den Blutkreislauf kann es zu einer Hyperhydratation mit Herz-Kreislauf-Belastung bis hin zu einer Rechtsherzinsuffizienz kommen. Deshalb ist es wichtig, die Resektionszeit möglichst kurz zu halten. Das TUR-Syndrom tritt v. a. bei Patienten mit Spinalanästhesie und während der Aufwachphase bei Patienten mit Vollnarkose auf. Symptome des TUR-Syndroms sind Übelkeit, Verwirrtheit, Unruhe und Erbrechen bis hin zum Schock, akutem Nierenversagen und Hirn- und Lungenödem.
9.3.4
9
Ureterorenoskopie (URS)
Die Ureterorenoskopie ist eine diagnostische wie auch eine therapeutische Maßnahme. Sie wird z. B. angewendet zur Sicherung einer Tumorverdachtsdiagnose oder zur Entfernung von Harnleitersteinen. Neben den sog. semirigiden (nur gering biegbaren) Geräten, die relativ weite Arbeitskanäle für Zangen, Drähte, Körbchen oder Lasersonden besitzen, können v. a. zum Einsehen der unteren und mittleren Kelchgruppe flexible Ureterorenoskope (URS) eingesetzt werden. Sie sind ähnlich den bekannten Endoskopen aus der Gastroenterologie gut steuerbar und biegsam. Bei der endoskopischen Steintherapie gibt es unterschiedliche Verfahren: 4 Elektrohydraulisch (EHL), das entspricht dem Prinzip der ESWL (Erzeugung akustischer Stoßwellen und fokussierte Abgabe über eine Wasservorlaufstrecke in den Körper des Patienten). Dieses Verfahren ist effektiv auch bei großen Blasensteinen, birgt aber die Gefahr einer Harnleiter- bzw. Blasenwandperforation. Die Sonden sind dünn und flexibel und daher auch für die flexible URS geeignet. 4 Unterschiedliche Laser. Ihr Einsatz ist sehr effizient, sie haben ein geringeres Risiko einer Harnleiterverletzung gegenüber der EHL. Die Sonden gibt es in mehreren Durchmessern, sie sind auch für die flexible URS einsetzbar. 4 Bei der Entfernung kleinerer Steine oder Restfragmente kommen Greifzangen oder Körbchen mit verschiedenen Drahtkonfigurationen zum Einsatz. Die URS gilt als effiziente Behandlung bei Harnleiter- und Nierensteinen, über 90% der Patienten bedürfen nur eines Eingriffs. Komplikationen sind selten, leichte Schleimhautblutungen sind dabei die häufigsten. Selten kommt es zu bakteriellen Infektionen des Harntraktes oder zu Ureterperforationen. Diese werden durch temporäre Einlage eines DJ-Katheters behandelt und heilen zumeist folgenlos aus, narbige Strikturen sind selten zu erwarten.
. Abb. 9.25 Flexibles Ureterorenoskop; hier: das 9-Charr-Ureterorenoskop Wolf 7331 sowie das Handstück des Wolf 7330 (Fa. Wolf )
kPrinzip
Die URS wird als primäres Verfahren oder sekundär (nach einige Tage/Wochen zuvor eingelegter HL-Schiene) durchgeführt. Bei letzterem Vorgehen ist das Einführen des Endoskops in das Ostium und die Sicht im Harnleiter in aller Regel besser, da der Harnleiter durch die Schiene reflektorisch aufgeweitet ist. Nach Einlage eines Sicherheits- und ggf. eines Führungsdrahts in den Harnleiter wird das URS unter Sichtund Durchleuchtungskontrolle in den Harnleiter eingeführt. Der Draht kann über ein Zystoskop oder mit dem URS-Gerät eingeführt werden. Die modernen Ureterorenoskope mit geringem Durchmesser lassen sich in der Regel ohne Dilatation des Ostiums einführen (. Abb. 9.25). Aufsuchen des Steins/des Tumors, Entfernen mit einem Dormia-Körbchen (. Abb. 9.26), einer Zange (. Abb. 9.27) oder bei Steinen nach Zertrümmerung mit dem Laser (. Abb. 9.28). Bei der flexiblen URS wird eine Ureterschleuse verwendet. Diese verbleibt während der Operation im Harnleiter und ermöglicht dadurch wiederholte Endoskoppassagen ohne Traumatisierung von Ostium und Harnleiter. Die postoperative Einlage eines DJ-Katheters ist nach unkomplizierten Eingriffen nicht erforderlich, bei längeren OP-Zeiten, ödematösem Steinbett oder bei Harnleiterperforationen kann die Einlage nötig werden. jDiagnostik
4 Übliche Laborparameter, 4 Urinkultur (Ausschluss eines Harnwegsinfekts), 4 Infusionsurogramm.
437 9.3 · Transurethrale und perkutane Eingriffe
kPrinzip
Gewinnen von Spülzytologie oder Histologie aus dem Harnleiter, Entfernen von Steinen über ein semirigides oder flexibles Ureterorenoskop. kLagerung
Steinschnittlage, bei Bedarf Absenken des Beins. Beachtung der Strahlenschutzrichtlinien (7 Abschn. 3.4.2). kInstrumentarium 9.26
9.27
4 4 4 4 4 4 4 4
Ureterorenoskop (URS; . Abb. 9.25), Lichtkabel, Zulaufsystem und Absaugschlauch, steriler Kamerabezug, NaCl-Spüllösung, evtl. Zystoskop mit Optik (0°, 12° oder 70°), Sterilbezug für C-Bogen, 1–2 Terumo-Drähte.
Bei Bedarf: 4 Ureterenkatheter, 4 Kontrastmittel, 4 Laser und Lasersonde, 4 Dormia-Körbchen, 4 Steinfasszange, 4 DJ-Schiene, 4 Fasszange, 4 Nélaton-Blasenkatheter, Ablaufbeutel und Blockmittel, 4 diverse Spritzen für Spülzytologie und Alkohol 70%ig. Technisches Equipment: 4 MIC-Turm mit Lichtquelle, Monitor, Kamera, Drucker, 4 C-Bogen.
9.28 . Abb. 9.26 Abtragung eines gestielten papillären Tumors im oberen Harntrakt mittels Körbchen. Der Tumorgrund muss nach dieser Maßnahme vorzugsweise mit einem Laser nachbehandelt werden. (Nach Hofmann 2009) . Abb. 9.27 Zangenbiopsie eines Uretertumors mit einem flexiblen Ureterorenoskop. (Nach Hofmann 2009) . Abb. 9.28 Schema der Abtragung eines gestielten papillären Tumors im oberen Harntrakt mittels Laser. (Nach Hofmann 2009)
kIndikationen
4 Harnleitersteine, 4 Abklärung einer Makrohämaturie aus dem oberen Harntrakt, 4 Füllungsdefekte des oberen Harntrakts in der Bildgebung.
URS 7 Lagerung, Desinfektion und Abdeckung zunächst wie bei der TUR. 7 Anschluss aller benötigten Geräte an Lichtquelle, Kamera, Zulauf und Absaugung. Steriles Beziehen des C-Bogens, dieser wird über den Patienten gefahren, um den Verlauf der Harnleiter bis zum Nierenbecken darzustellen. 7 Nun gibt es die Möglichkeit, sofort mit dem URS oder zunächst mit dem Zystoskop in die Blase einzugehen.
9
438
9
Kapitel 9 · Urologie
Vorgehen mit Zystoskop
Vorgehen mit dem URS
7 Instillieren eines Gleitmittels, Einführen des Zystoskops zunächst mit der 0°-Optik, in der Blase Wechsel auf die Übersichtsoptik (70°) und Inspektion der Blase und der Ostien. 7 Über den Arbeitskanal des Zystoskops wird ein UK in das Ostium eingeführt, der Mandrin des UK wird dann ca. 1 cm zurückgezogen, um eine Perforation des Harnleiters zu vermeiden. 7 Liegt der UK sicher im Harnleiter, wird der Mandrin komplett entfernt und ggf. ein retrogrades Pyelogramm durchgeführt. Über den noch im Zystoskop liegenden UK wird ein Terumo-Draht unter Röntgenkontrolle bis in das Nierenbecken vorgeschoben. 7 UK und Zystoskop können nun entfernt werden, der Terumo-Draht bleibt als Sicherung im Harnleiter liegen. 7 Alle verwendeten Drähte und Schienen müssen angefeuchtet werden, damit sie leicht gleiten! 7 Drähte und Fassinstrumente sind sehr lang, deshalb ist Vorsicht geboten hinsichtlich der Kontamination mit unsterilen Gebieten! 7 Der Draht wird in einer aus Abdeckmaterial gebildeten Falte am Bein des Patienten befestigt, es darf kein Klebstoff an den Draht gelangen! 7 Nun wird auf das URS gewechselt, das am Draht vorbei (alternativ über den Draht) unter Sicht in den Harnleiter vorgeschoben wird. Ein Drehen des Endoskopes um 180° kann den Zugang in das Ostium erleichtern. Vorschieben unter Sicht und evtl. Röntgenkontrolle bis in das Nierenbecken. Dabei sollte das Lumen des Harnleiters durch entsprechendes Kippen des URS immer möglichst zentral eingestellt sein. 7 Bei Bedarf kann die Spülung abgestellt werden und über diesen Kanal mit Kontrastmittel ein Pyelogramm durchgeführt werden, um die physiologischen Engstellen und/oder Steine darzustellen. 7 Vorliegende Steine können unter Sicht, über den Arbeitskanal des URS mit Fasszange oder DormiaKörbchen entfernt werden. Die Steine werden entweder mit dem URS zusammen durch die Urethra entfernt oder in der Blase abgelegt, von dort werden sie abschließend ausgespült oder mit dem Urin ausgeschieden. 7 Bei sehr großen Steinen empfiehlt es sich, diese mit dem Laser zu zertrümmern und zu entfernen. 7 Abschließend nochmaliges Vorschieben des URS bis in das Nierenbecken und Inspektion des Harnleiters auf Läsionen, ggf. Einlage eines DJ-Katheters. 7 Einbringen eines Dauerkatheters.
7 Instillieren eines Gleitmittels und Einführen des URS in die Blase unter Sicht. Eingehen in das Ostium wie oben beschrieben. 7 Nach Passage des intramuralen Anteils des Harnleiters Vorschieben eines Terumo-Drahtes durch den Arbeitskanal unter Röntgenkontrolle bis in das Nierenbecken. Liegt der Draht richtig, wird das URS entfernt, und der Draht bleibt als Sicherung liegen. 7 Weiteres Vorgehen wie oben beschrieben.
Vorgehen bei liegender DJ-Schiene 7 Instillieren eines Gleitmittels und Einführen des URS in die Blase unter Sicht. Über den Arbeitskanal wird eine geeignete Fasszange bis zur DJSchiene geführt. Diese wird am Ende gefasst, die Schiene wird nun vor den Meatus luxiert und dort festgehalten. Durch das Ende des DJ-Katheters wird dann der Terumo-Draht unter Röntgenkontrolle bis in das Nierenbecken vorgeschoben (hier muss anfangs natürlich noch das proximale Ende des DJ im Harnleiter liegen). 7 Die Schiene wird über den liegenden Draht entfernt und der Draht selbst, wie oben beschrieben, unter sterilen Bedingungen an der OP-Abdeckung befestigt. 7 Weiteres Vorgehen wie oben. 7 Sollte bei der Manipulation der DJ-Katheter aus dem Harnleiter gezogen werden, ist das direkte Verfahren anzuwenden.
9.3.5
Anlage einer suprapubischen Harnableitung
Die Anlage einer suprapubischen Harnableitung hat gegenüber der transurethralen Ableitung den Vorteil, dass eine Keimverschleppung in die Harnblase vermindert wird. Außerdem werden Verletzungen der Urethra mit ihren Folgen, wie z. B. Strikturen, vermieden. jDiagnostik
Übliche Laborparameter. kIndikationen
4 Harnentleerungsstörungen mit hohen Restharnmengen, 4 hochgradige Harninkontinenz, 4 im Rahmen von operativen/intensivmedizinischen Maßnahmen.
439 9.3 · Transurethrale und perkutane Eingriffe
kKontraindikation baren geflochtenen Faden an der Bauchdecke angenäht. 7 Der Katheter wird mit dem Ablaufsystem verbunden und die Einstichstelle mit einem Salben-Kompressen-Verband versorgt. 7 Der transurethrale Katheter wird entblockt und aus der Blase entfernt.
Harnblasenkarzinom, da eine rasche Tumorinfiltration und Exulzeration entlang der Katheteraustrittstelle möglich ist. kPrinzip
Dauerhafte Harnableitung. Ableitung des Urins über einen Katheter, der durch die Bauchdecke in die Blase eingelegt wird. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Nélaton-Blasenkatheter 16 Charr, 10-ml-Spritze zum Blocken, Gleitmittel, Blasenspritze, Schüssel mit steriler NaCl-Lösung, suprapubisches Katheterset (. Abb. 9.15) mit (12 und 14 Charr) und ohne (10 Charr) Ballon, Glycerollösung zum Blocken, ggf. ein geflochtener atraumatischer Faden der Stärke 0 zur Fixation an der Haut, lange Kanüle, Stichskalpell, Kompressen, ggf. Sonographiegerät zur Verbesserung der Orientierung, dann steriler Schallkopfbezug.
kLagerung
9.3.6
Einlage einer Doppel-J-Schiene
Die Indikationsbreite zur Einlage einer Harnleiterschiene ist groß und beinhaltet diagnostische sowie therapeutische Indikationen. Eine retrograde Darstellung der ableitenden Harnwege mittels Kontrastmittel unter Bildwandlerkontrolle ist üblich, ggf. wird auf das Röntgen verzichtet, z. B. bei schwangeren Frauen mit Harnstauung. Anhand der Körpergröße des Patienten und ggf. eines Röntgenbildes wird die Schienenlänge ermittelt. Sie beträgt in der Regel beim Erwachsenen 24–30 cm, der Durchmesser beträgt zwischen 4 und 10 Charr. Zumeist werden beidseits zentral offene Doppel-J-Schienen (DJ) verwendet. Der Patient ist durch den DJ nicht in seiner Mobilität eingeschränkt. Der Eingriff kann sowohl in Lokalanästhesie als auch in Vollnarkose durchgeführt werden.
Rückenlage mit abgespreizten Beinen oder Steinschnittlage. jDiagnostik Suprapubische Harnableitung 7 Hautdesinfektion einschließlich des Genitalbereichs, steriles Abdecken des OP-Gebiets. Instillieren des Gleitmittels in die Urethra und Einlegen des Nélaton-Blasenkatheters, der mit 10 ml NaCl geblockt wird. Auffüllen der Blase mittels Blasenspritze und 200 ml steriler NaCl-Lösung. 7 Handschuhwechsel. 7 Punktion der Blase mit einer langen Kanüle in der Mitte der Bauchdecke ca. 2 Querfinger oberhalb des Schambeins (alternativ Nutzung der Ultraschallortung), abtropfender Urin aus der Kanüle zeigt die richtige Position der Nadelspitze. 7 Stichinzision an der Punktionsstelle und Entfernen der Kanüle. 7 Der Katheter wird über die Hohlnadel des Systems, die in Längsrichtung zwei gegenüberliegende Sollbruchstellen hat, bis zur Markierung in die Blase eingebracht. 7 Die Hohlnadel wird gebrochen und entfernt, der Katheter geblockt oder mit einem nicht resorbier6
4 Übliche Laborparameter (Nierenwerte, Entzündungsparameter), 4 Röntgenbild, 4 Anamnese (kolikartige Schmerzen?), 4 Sonographie der Harnblase. kIndikationen
Harnstauung der ableitenden Harnwege, z. B.: 4 Obstruktionen im Rahmen von Konkrementen im Harnleiter, 4 Tumoren im kleinen Becken, die den Harnleiter komprimieren. kPrinzip
Harnableitung zwischen Niere und Blase über eine Schiene mit einem Lumen. kInstrumentarium
4 4 4 4 4
Zystoskop, Optiken, Kaltlichtkabel, Ureterenkatheter (UK) (. Abb. 9.29), Gleitmittel (evtl. mit Lokalanästhetikum, bei Eingriff in Lokalanästhesie),
9
440
Kapitel 9 · Urologie
7 Jetzt kann über den liegenden Ureterkatheter Kontrastmittel eingebracht werden, um mit Hilfe des Bildwandlers den Harnleiter bis in das Nierenbecken darzustellen. 7 Über den UK wird nun der Terumo-Draht mit der flexiblen Spitze bis in das Nierenbecken vorgeschoben und der UK entfernt. 7 Über den Draht wird eine ausgewählte DJ-Schiene in Seldinger-Technik (7 Kap. 4) unter RöntgenKontrolle bis in das Nierenbecken hochgeschoben. 7 Liegt die Schiene im Nierenbecken, wird der Draht zurückgezogen, bis sich das kraniale Ende des DJ im Nierenbecken zum ersten »J« einrollt. 7 Dies kann manchmal auch durch Drehen der Schiene, evtl. mit dem Pusher (Vorschieber) erreicht werden. 7 Wenn der DJ korrekt im Nierenbecken liegt, wird der Terumo-Draht entfernt. 7 Unter zystoskopischer und radiologischer Kontrolle wird nun das kaudale Ende mit dem Pusher in der Harnblase abgeworfen (hier liegt das zweite J, daher der Name Doppel-J). 7 Durch langsames Entfernen des Zystoskops vom Ostium unter gleichzeitigem Vorschieben des Pushers kann diese Manipulation erleichtert werden. 7 Entfernen des Zystoskops aus der Urethra. 7 Bei Bedarf (bei infizierten Harnstauungsnieren muss eine drucklose Ableitung erfolgen!) kann ein Nélaton-Blasenkatheter für 1–2 Tage eingelegt werden.
. Abb. 9.29 Ureterenkatheter. (Nach Hautmann u. Huland 2006)
9
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Kontrastmittel, DJ-Schiene, steriler Bezug für die Kamera, steriler Bezug für den C-Bogen, MIC-Turm mit Monitor, Lichtquelle, Kameraeinheit, Spülsystem mit Anschluss für das Zystoskop und Adapter für Spüllösung, Absaugschlauch, evtl. Nélaton-Blasenkatheter mit Ablaufbeutel, Beutel mit steriler NaCl-Lösung, Bereitstellung des Bildwandlers.
kLagerung
Steinschnittlage unter Beachtung der Strahlenschutzrichtlinien. Einlage einer Doppel-J-Schiene 7 Hautdesinfektion einschließlich des Genitalbereichs und steriles Abdecken des OP-Gebiets. Der steril bezogene C-Bogen wird über den Patienten gefahren. 7 Die Kamera, Lichtkabel sowie der Zu- und Ablauf werden am Zystoskopschaft konnektiert. 7 Nach dem Instillieren des Gleitmittels wird das Zystoskop über die Urethra mit der 0°-Optik eingeführt. In der Blase erfolgt der Wechsel auf die 70°-Optik zur Zystoskopie. Nach der Identifikation des entsprechenden Harnleiterostiums wird über den Arbeitskanal des Zystoskops unter Sicht ein zentral offener Ureterkatheter mit Führungsdraht ca. 1 cm in das Ostium eingeführt. 7 Der UK wird nun ein Stück weiter in den Harnleiter vorgeschoben und der Mandrin vorsichtig entfernt. 6
9.3.7
Urethrotomie nach Otis/Sachse
Strikturen entstehen u. a. infolge transurethraler Eingriffe wie Katheterismus, Zystoskopien und Resektionen. Auch traumatische Ursachen nach Beckenfrakturen sind bekannt. (Bis zur Einführung der Antibiotikatherapie der Gonorrhö waren über 70% der Strikturen postentzündlicher Natur). Grundsätzlich gilt, dass nur urodynamisch wirksame Strikturen der Behandlung bedürfen. Die Striktur wird mit einem kontrollierten Längsschnitt, in der Regel bei 12 Uhr SSL, erweitert. Diese längliche Inzision epithelialisiert rasch in einer nur gering stenosierenden Narbe. jDiagnostik
4 4 4 4
Anamnese, Harnstrahlmessung, retrogrades Urethrozystogramm (RUG oder UCG), Sonographie des Abdomen,
441 9.3 · Transurethrale und perkutane Eingriffe
4 Miktionszyturetrogramm (MCU), 4 Urethroskopie mit der 0°-Optik. kIndikationen
Kurzstreckige Striktur der vorderen Harnröhre (Sachse) bzw. des Meatus oder der distalen Harnröhre (Otis). kPrinzip
Erweiterung des Harnröhrenlumens durch einen kontrollierten Längsschnitt, in der Regel bei 12 Uhr, ohne Sicht beim Verfahren nach Otis, unter Sicht beim Verfahren nach Sachse. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4
Urethrotom nach Otis (. Abb. 9.20), Gleitmittel, evtl. Bougies, längsgerillter Harnblasenkatheter, Spritze und Blockungsmittel, Ablaufbeutel.
kLagerung
Steinschnittlage.
a
b
. Abb. 9.30 Stumpfe Dehnung vs. Urethrotomia interna. Durch die Bougierung kommt es fast immer zu multiplen Einrissen (a). Durch die Urethrotomia interna entsteht ein scharfer, glattrandiger Schnitt (b). (Nach Hofmann 2009)
Otis-Urethrotomie (Urethrotomia interna) 7 Hautdesinfektion einschließlich der Genitalregion und steriles Abdecken des OP-Gebiets. 7 Instillieren des Gleitmittels in die Urethra. 7 Das Urethrotom wird in geschlossenem Zustand vorsichtig über die Striktur geführt. 7 Liegt die Spitze mit dem Messer proximal der Striktur, wird das Otis-Urethrotom bis auf die gewünschte Weite geöffnet (maximal 30 Charr). 7 Durch Zug am Instrument wird die Harnröhre gestreckt und das Messer an der Striktur platziert. Die Schnittführung erfolgt durch Ziehen des Messers nach distal bei 12 Uhr. 7 Ggf. ist eine Wiederholung des Vorgangs erforderlich.
kInstrumentarium
4 Urethrotom nach Sachse (. Abb. 9.20; zum Urethrotom nach Sachse gehört eine Optik, ein messerführender Instrumentenkanal sowie ein weiterer Kanal zum Einbringen verschiedener Arbeitssonden, z. B. Laser), 4 Messer mit und ohne Arbeitskanal, 4 Kaltlichtkabel, 4 0°-Optik, 4 steriler Kamerabezug, 4 Gleitmittel, 4 Zu- und Ablaufsystem mit Ablaufbeutel, 4 Beutel mit steriler Spüllösung, 4 MIC-Turm mit Lichtquelle, Monitor, Kameraeinheit, 4 längsgerillter Harnblasenkatheter, 4 evtl. Laser und sterile Lasersonde. kLagerung
Steinschnittlage.
. Abb. 9.31 Schlitzung der Harnröhrenstriktur im bulbären Bereich durch Urethrotomie. (Nach Hofmann 2009)
9
442
Kapitel 9 · Urologie
kInstrumentarium Sachse-Urethrotomie 7 Hautdesinfektion einschließlich der Genitalregion und steriles Abdecken des OP-Gebiets. 7 Anschließen des Urethrotoms an Lichtquelle, Kamera, Zu- und Ablauf. 7 Instillieren des Gleitmittels in die Urethra und Einführen des Sachse-Urethrotoms mit eingezogenem Messer unter Sicht, bis an die Striktur heran, und Darstellen der Stenose. 7 Ist dies problemlos möglich, wird die Stenose überwunden und die proximale Harnröhre sowie die Blase gespiegelt. 7 Danach erfolgt die Urethrotomie. Dabei wird das Messer proximal der Stenose angesetzt und nach distal der Schnitt bei 12 Uhr in Längsrichtung durchgeführt. 7 Grundsätzlich kann der Schnitt antegrad oder retrograd erfolgen. 7 Lässt sich die Stenose nicht überwinden, kann über den Arbeitskanal eine Lasersonde eingeführt werden. Damit kann die Stenose so erweitert werden, dass ein Überwinden mit dem Urethrotom möglich ist. 7 Dann Vorgehen wie oben beschrieben. 7 Nach Entfernen aller Geräte und Instrumente wird ein längsgerillter Harnblasenkatheter eingelegt und die Steinschnittlage des Patienten aufgehoben.
9
4 Ultraschallgerät mit Punktionshilfe für den Schallkopf, 4 steriler Bezug für den Schallkopf, 4 steriler Bezug für den C-Bogen, 4 2- oder 3-teilige Punktionsnadel, 4 Grundinstrumentarium, 4 Stichskalpell, 4 Kontrastmittel mit Spritze, 4 Metall- oder Teflon-Bougies (7–30 Charr), 4 Lunderquist-Draht, 4 evtl. Gleitmittel und Blockungsflüssigkeit, 4 Nierenfisteln in verschiedenen Größen, mit und ohne Ballon (Silikonkatheter mit Pigtail-Spitze mit und ohne Blockung, mit unterschiedlich positionierten »Augen«), 4 Ablaufbeutel, 4 Naht zum Fixieren der Fistel (Stärke 0, geflochten, nicht resorbierbar), 4 Bereitstellung des Bildwandlers. kLagerung
Bauchlage, evtl. auf Röntgenstrahlen durchlässigem Tisch, evtl. muss der Bauch des Patienten unterpolstert werden (»Katzenbuckel«). Beachtung der Strahlenschutzbestimmungen. kZugang
Infrakostal in der hinteren Axillarlinie.
9.3.8
Perkutane Nephrostomie
Die perkutane Nephrostomie ist die röntgenologische bzw. sonographisch geführte Einlage einer perkutanen Fistel in das Nierenbecken. Dies ist die Alternative zur retrograden Entlastung einer Harnstauung mittels DJ-Katheter. kIndikationen
4 4 4 4 4
Obstruierender Harnleiterstein, Harnleitertumoren, iatrogene Harnleiterstrikturen, Kompression des Harnleiters durch Tumoren, Ableitung infizierter Harnstauungsnieren.
kPrinzip
Harnableitung mittels eines Fistelkatheters aus dem Nierenbecken über die Haut nach außen. Im weiteren Verlauf kann dann über die liegende Fistel die Diagnostik weitergeführt werden (antegrades Pyelogramm, Nierendruckmessung).
Perkutane Nephrostomie 7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OPGebiets. 7 Positionierung, Anschluss und steriles Beziehen des Bildwandlers und des Ultraschallgerätes. 7 Punktion des Nierenbeckens mit der Punktionsnadel unter sonographischer Kontrolle, wenn möglich durch die mittlere oder untere Kelchgruppe. 7 Liegt die Punktionsnadel im Nierenbecken, wird der Mandrin entfernt. 7 Kontrastmittel wird über die Hohlnadel unter Röntgenkontrolle in das Nierenbecken eingebracht. Ablaufender Urin aus der Nadel bestätigt nach Mandrinentfernung bereits die richtige Lage. 7 Das Nierenbecken und der Harnleiter stellen sich dar. 7 Ein Lunderquist-Draht mit gekrümmter weicher Spitze wird über die liegende Hohlnadel in das Nierenbecken eingebracht, die Nadel wird entfernt. 6
443 9.3 · Transurethrale und perkutane Eingriffe
7 Über den nun liegenden Draht wird mit immer kräftiger werdenden Bougies der Punktionskanal erweitert (evtl. ist vorher eine kleine Stichinzision in der Haut erforderlich, um das Vorschieben zu erleichtern), bis der gewünschte Durchmesser erreicht ist. 7 Die Bougierung sollte immer etwas weiter als die gewünschte Fistel sein. 7 Bei Nierenfisteln mit kräftigem Einlagedraht kann eine Bougierung entfallen. 7 Nun wird der ausgewählte Fistelkatheter über den noch liegenden Lunderquist-Draht mit Gleitmittel in das Nierenbecken eingebracht. Unter Röntgenkontrolle wird der Draht vorsichtig zurückgezogen und kontrolliert, ob sich die Fistel an der gewünschten Stelle aufrollt. 7 Ist dies nicht der Fall, kann der Draht wieder vorgeschoben und die Position durch Drehen der Fistel verändert werden. 7 Sobald die Fistel optimal liegt, wird der Draht entfernt und die Fistel an der Haut doppelt fixiert. 7 Eine blockbare Fistel wird mit der entsprechenden Menge Glycerollösung geblockt. 7 Konnektieren des Ablaufbeutels, Kompressen-Salben-Verband mit Fixierpflaster. 7 Entfernen aller Materialien.
Bei gestautem Nierenbecken ist die Punktion unproblematisch. Sollte die Punktion bei nicht gestautem Nierenbecken nicht gelingen, kann retrograd über einen Ureterkatheter das Kelchsystem mit Kontrastmittel gefüllt werden, damit es sich radiologisch besser darstellt und evtl. aufgeweitet wird. Zusätzlich kann das Kontrastmittel mit Methylenblau versetzt werden. Bei der Punktion entleert sich dann gefärbter Urin, der so die richtige Position der Punktionsnadel anzeigt.
9.3.9
Nephroskopie = PNL (perkutane Nephrolithoplaxie)
Die erste erfolgreiche perkutane Steinentfernung wurde schon 1941 beschrieben, jedoch erst 1976 hielt die PNL ihren Einzug in die Klinik. Die PNL als gilt als Option zur Steinentfernung aus dem Nierenbeckenkelchsystem (neben ESWL und URS). Die offene Steinentfernung wurde so nahezu vollständig abgelöst. jDiagnostik
4 Übliche Laborparameter (Gerinnung, Nierenwerte, Entzündungsparameter), 4 Ausscheidungsurogramm (AUG)
4 4 4 4
Sonographie, Röntgenleeraufnahme, evtl. Nierenszintigraphie, evtl. retrograde Ureteropyelographie.
kPrinzip
Entfernung bzw. Zertrümmerung von Steinen des Nierenbeckens über ein Nephroskop. kIndikationen
4 Fehlgeschlagene ESWL/URS, 4 große Steine der unteren Kelchgruppe (>2 cm), 4 besondere Steinzusammensetzung (z. B. Zystinsteine) kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Zystoskop, Optiken 0°, 70°, Kaltlichtkabel, Zu- und Ablaufsystem, Beutel mit steriler NaCl-Lösung, sterile Bezüge für Kamera, Bildwandler und das Ultraschallgerät, kleines Grundinstrumentarium, Nephroskop mit integrierter Optik 0° (. Abb. 9.32), Faszienmesser (Korth-Messer; . Abb. 9.33), Stichskalpell, Bougie-Set groß (nach Alken aus Metall oder Kunststoff mit Amplatz-Schaft, bis 30 Charr; . Abb. 9.34), Punktionshilfe für das Sonographiegerät, 2- oder 3-teilige Punktionskanüle, Ureter- oder Okklusionskatheter, Fasszange für das Nephroskop zur Steinentfernung, Kontrastmittel mit Spritze, Gleitmittel, Nélaton-Blasenkatheter, Verschlussstopfen, Spritze und Glycerollösung, Zulaufsystem für Kontrastmittel, Nephrostomiekatheter, Lunderquist-Draht, evtl. Methylenblau, MIC-Turm mit Lichtquelle, Kameraeinheit, Monitor, evtl. Laser, Lasersonde, Bereitstellung des Bildwandlers und des Ultraschallgerätes.
kLagerung
Sollte zunächst transurethral eingegangen werden (Schieneneinlage o. Ä.), zunächst Steinschnittlagerung. Die eigentliche PNL erfolgt in Bauchlage mit aufgewölbter Wirbelsäule.
9
444
Kapitel 9 · Urologie
. Abb. 9.32 Nephroskop. (Nach Hofmann 2009)
a
9
b . Abb. 9.33 Faszienmesser nach Korth. (Aus Archiv Bundeswehrkrankenhaus Hamburg)
Perkutane Nephrolithoplaxie (PNL)
. Abb. 9.34 Teleskop-Bougie-Set nach Alken (a). Kunststoff-Bougies mit Amplatz-Schaft (b). (Nach Hofmann 2009)
7 In Steinschnittlage: Primär wird die aktuelle Steinlage über eine Röntgenaufnahme ermittelt. 7 Das Zystoskop wird an Zu- und Ablaufsystem sowie an die Lichtquelle angeschlossen, die Kamera steril bezogen. 7 Nachdem das Gleitmittel in die Urethra instilliert wurde, kann das Zystoskop mit der 0°-Optik in die Blase eingeführt werden. 7 Aufsuchen des entsprechenden Ostiums und Einlage eines Ureter- oder Okklusionskatheters in den Harnleiter bis in das Nierenbecken, um ein Einspülen von Steinfragmenten in den Harnleiter zu verhindern. Der Ureterkatheter wird transurethral ausgeleitet. 7 Nach Entfernen aller gebrauchten Instrumente wird ein Nélaton-Blasenkatheter eingelegt und geblockt. Am Katheter wird der UK/Okklusionskatheter mit einem Faden fixiert, damit er bei der Umlagerung des Patienten nicht versehentlich entfernt wird. Der Katheter wird zum Umlagern abgestöpselt. 7 Nun wird die Abdeckung entfernt und der Patient in Bauchlage umgelagert, der Katheter an eine Infusion mit Kontrastmittel angeschlossen.
7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OPGebiets. 7 Weiteres Vorgehen zunächst wie bei der Anlage einer Nierenfistel (7 Abschn. 9.3.8). 7 Die Punktion direkt auf eine Kelchgruppe und/ oder den Stein wird röntgenologisch erleichtert durch das retrograd aufgefüllte Nierenbeckenkelchsystem über den im Harnleiter liegenden UK/Okklusionskatheter. 7 Da die herkömmlichen Nephroskope einen Durchmesser von 20–26 Charr haben, muss die Bougierung bis zur erforderlichen Weite durchgeführt werden. 7 Über den liegenden Lunderquist-Draht wird das Faszienmesser bis kurz vor das Nierenparenchym zur Erweiterung des bougierten Kanals vorgeschoben. 7 Das Korth-Messer ist sehr scharf, Vorsicht beim Anreichen! 7 Ein Amplatz-Schaft wird in der Größe, die dem Außendurchmesser des Nephroskops entspricht, belassen. Die Bougies und der Lunderquist-Draht werden entfernt. Das Nephroskop wird an Zu- und Ablauf, Lichtquelle und Kamera angeschlossen und unter Zuhilfenahme von Gleitmittel durch den Schaft in das Nierenhohlsystem eingeführt.
6
6
445 9.4 · Äußeres Genitale
kInstrumentarium 7 Das Nierenbeckenkelchsystem wird orientierend inspiziert und der Stein aufgesucht. Dieser kann mit einer Fasszange entfernt werden. 7 Ist der Stein zu groß, kann er mit einer über den Arbeitskanal eingeführten Lasersonde zerkleinert werden, kleinere Fragmente werden abgesaugt oder ausgespült. 7 Nach der Steinentfernung wird über den Arbeitskanal des Nephroskops wieder der LunderquistDraht vorgeschoben, und das Nephroskop sowie der Amplatz-Schaft werden entfernt. Dabei ist darauf zu achten, den Draht nicht herauszuziehen. 7 Ein Nephrostomiekatheter in der Größe des Außendurchmessers des Nephroskops wird zur Kompression des Nierenparenchyms und zur Harnableitung eingelegt und mit Kontrastmittel geblockt. Die richtige Lage wird röntgenologisch kontrolliert, der Draht entfernt. 7 Die PCN kann (zur Sicherheit) zusätzlich doppelt an der Haut fixiert werden. 7 Kompressionsverband. 7 Entfernen aller Geräte und Instrumente. 7 Umlagern des Patienten. 7 Ob Blasenkatheter und UK entfernt werden können, liegt an der weiteren Therapie.
9.4
Äußeres Genitale
9.4.1
Phimose
4 Feines Grundinstrumentarium, 4 gerade Schere, 4 feines, resorbierbares, geflochtenes Nahtmaterial.
Zirkumzision Bei Kindern wir dieser Eingriff in der Regel unter Vollnarkose vorgenommen, seltener mit Lokalanästhesie (7 Kap. 13). Zirkumzision 7 Fassen und Anspannen des Präputiums oberhalb der Enge mit zwei Mosquitoklemmchen. 7 Das äußere Vorhautblatt wird mit dem Skalpell zirkulär umschnitten und mit Hilfe einer Kompresse oder eines Präpariertupfers zurückgestreift. 7 Das äußere Blatt wird dann dorsal mit der geraden Schere längs gespalten, mit Mosquitoklemmchen aufgespannt und zirkulär reseziert. Dabei ist das Frenulum möglichst zu schonen. 7 Das innere Blatt wird bis auf 3–5 mm unterhalb des Sulcus coronarius reseziert. 7 Nach sorgfältiger Blutstillung werden die beiden Vorhautblätter durch Einzelknopfnähte oder semizirkuläre, fortlaufende Nähte miteinander verbunden. 7 Kompressenverband mit desinfizierender Salbe. 7 Zur besseren Kompensation von postoperativen Schmerzen sollte auch nach einer Vollnarkose eine Peniswurzelblockade mit 2%-iger Lidocainlösung (ohne Adrenalin) angelegt werden.
Definition Angeborene oder erworbene Verengung der Vorhaut, die nicht (absolute Phimose) oder nur schwer (relative Phimose) über die Glans zurückgezogen werden kann.
9.4.2
Paraphimose
Definition Anschwellen der retrahierten Vorhaut hinter der Glans.
kIndikationen
4 Miktionsstörungen aufgrund der Vorhautverengung, 4 rezidivierende Balanitiden (eitrige Entzündungen unter der Vorhaut), 4 Paraphimose (7 Abschn. 9.4.2). kPrinzip
Zirkumzision, als die klassische zirkuläre Resektion der Vorhaut, oder verschiedene andere OP-Techniken unter Belassen eines Teils der Vorhaut. kLagerung
Rückenlage, Blutstillung erfolgt in der Regel über die bipolare Koagulation.
Es kommt zu einem Venenstau mit ödematöser Schwellung des Präputiums und der Glans (»spanischer Kragen«; . Abb. 9.35), was eine Reposition zunehmend erschwert. Dieses Krankheitsbild ist extrem schmerzhaft und kann bei längerer Dauer zu Nekrosebildung führen und/oder eitrig infizieren. Diese Diagnose gilt als Notfallindikation.
9
446
Kapitel 9 · Urologie
9.4.3
Penisteilamputation
kIndikationen
4 Peniskarzinom, 4 distales Urethrakarzinom. kPrinzip
Teilweises Absetzen des Penis sowie der Urethra. kLagerung
. Abb. 9.35 Paraphimose
Rückenlage. Wird mit monopolarem Strom gearbeitet, wird die Dispersionselektrode an einem Oberschenkel platziert. kInstrumentarium
4 4 4 4
Grundinstrumentarium, Gummizügel, Dauerkatheter, Nahtmaterial (resorbierbar, geflochten, verschiedene Stärken: 3–0, 4–0), 4 evtl. Kondom.
9
Penisteilamputation
. Abb. 9.36 Manuelle Reposition
. Abb. 9.37 Inzision des Schnürrings
jTherapie
Konservativ durch Kühlung mit Eiswasser oder vorsichtige manuelle Kompression der Schwellung. Gelingt die manuelle Reposition (. Abb. 9.36), muss in Folge die Abschwellung abgewartet werden und evtl. später eine Zirkumzision durchgeführt werden. Bei Nichtgelingen der Reposition muss der Schnürring längs dorsal inzidiert werden (. Abb. 9.37). Nach Abschwellen wird in zweiter Sitzung die Zirkumzision durchgeführt.
7 Hautdesinfektion und sterile Abdeckung des OPGebiets. 7 Der tumortragende Penisanteil wird evtl. mit Hilfe eines Kondoms oder einer Kompresse mit TapeVerband abgeklebt, um eine Tumorzellstreuung durch Manipulation zu vermeiden. 7 Herstellen einer Blutleere durch das Legen eines Gummizügels um die Peniswurzel. 7 Zirkuläres Umschneiden der Penishaut ca. 2 cm proximal des Tumors. Durchtrennen der Schwellkörper. 7 Die Urethra wird ebenfalls durchtrennt und dorsal inzidiert, die verbleibende Harnröhre sollte den Schwellkörper um ca. 1 cm überragen. 7 Die Blutgefäße werden ligiert, der Schwellkörper umstochen und das entfernte Präparat üblicherweise zur Schnellschnittdiagnostik gegeben. 7 Nach Aufhebung der Blutleere erfolgt eine sorgfältige Blutstillung. 7 Die Haut des Penisschaftes wird distal über den Schwellkörpern vernäht und die längsinzidierte Harnröhre mit der Haut adaptiert. 7 Einlage eines Dauerkatheters. 7 Verband.
Durch die Operation ist der Penis verkürzt, Geschlechtsverkehr ist in aller Regel nicht mehr möglich.
447 9.4 · Äußeres Genitale
9.4.4
Penisamputation
kIndikationen
Peniskarzinom und Urethrakarzinom.
Nach der Operation ist kein Geschlechtsverkehr mehr möglich, die Miktion kann nur noch im Sitzen erfolgen. Durch Narbenbildung kann es zur Einengung des Neomeatus urethrae kommen.
kPrinzip
Entfernung des kompletten Penis inkl. der Urethra.
9.4.5
Penisdeviation
kLagerung
Definition
Steinschnittlage. Wird mit monopolarem Strom gearbeitet, wird die Dispersionselektrode an einem Oberschenkel platziert.
Angeborene Krümmung des Penis außerhalb der physiologischen Norm (im Gegensatz zur erworbenen Verkrümmung, der Induratio penis plastica oder M. Peyronie).
kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium, 4 Dauerkatheter, 4 Nahtmaterial (resorbierbar, geflochten, unterschiedliche Stärken), 4 evtl. Easy- flow Drainage, 4 evtl. Kondom, 4 bei Bedarf suprapubischer Katheter. Penisamputation 7 Hautdesinfektion und sterile Abdeckung des OPGebiets. 7 Der tumortragende Penisanteil wird evtl. mittels eines Kondoms oder eines Kompressen-Tape-Verbandes abgeklebt, um eine Tumorzellstreuung durch Manipulation zu vermeiden. 7 Zirkuläre Penisschaftinzision, Freipräparieren des Schaftes und Absetzen des Lig. suspensorium. 7 Die Schwellkörper werden proximal voneinander getrennt, die beiden Schwellkörperschenkel werden im bulbären Harnröhrenbereich an ihren Crura mit kräftigen resorbierbaren Nähten abgesetzt. 7 Das Präparat wird zur histologischen Schnellschnittuntersuchung gegeben. 7 Sorgfältige Blutstillung. 7 Mobilisation der Urethra. 7 Perineal wird mit einem Stichskalpell eine Hautinzision gesetzt. 7 Mit einer Overholt-Klemme wird die Haut von dieser Inzision bis zur bulbären Absetzungsstelle getunnelt und die Urethra nach perineal durchgezogen. Spatulieren der Harnröhre (Einschneiden in Längsrichtung zur Vergrößerung des Lumens) und Bildung eines perinealen Urostomas (»Boutonniere«). 7 Evtl. Einlage einer Easy-flow-Drainage. 7 Einlage eines Dauerkatheters oder eines suprapubischen Katheters. 7 Schichtweiser Wundverschluss. 7 Verband.
kIndikationen
4 Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, 4 Wunsch des Patienten, 4 Operation nach Nesbit. kPrinzip
Ellipsenförmige Exzision der Tunica albuginea der Corpora cavernosa. kLagerung
Rückenlage. In der Regel erfolgt die Blutstillung mittels bipolarer Koagulation, bei monopolarer Koagulation Platzierung der neutralen Elektrode an einem Oberschenkel. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium, Allis-Klemmen, Gummizügel, Butterfly-Kanüle, Maßband, Perfusorspritze, heparinisierte physiologische Kochsalzlösung, Nahtmaterial (monofil, geflochten, resorbierbar und nicht resorbierbar, unterschiedliche Stärken), 4 suprapubischer Katheter. Fotodokumentation prä- und postoperativ. Penisdeviation 7 Zunächst wird ein suprapubischer Katheter gelegt, da postoperativ ein komprimierender Penisverband gewickelt wird, der eine Miktion unmöglich macht. 7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OPGebiets. 6
9
448
9
Kapitel 9 · Urologie
7 Schnittführung zunächst wie bei der Zirkumzision (7 Abschn. 9.4.1). 7 Lösen der Hautweichteile zirkulär bis zur Peniswurzel. 7 Sorgfältige Blutstillung mit bipolarer Koagulation. 7 Herstellen einer artifiziellen Erektion mittels heparinisierter Kochsalzlösung, die über die ButterflyKanüle direkt in die Schwellkörper injiziert wird. Die Nadel muss optimal fixiert werden, da eine mehrfache Punktion zur Läsion der Tunica führen kann. 7 Ventrale und dorsale Messung der Penislänge und Dokumentation der Maße. Die Resektionsgröße der Ellipsen richtet sich nach dem Grad der Abweichung. 7 Fassen der Tunica albuginea mit einer Allis-Klemme auf der »konvexen« Seite (gegenüber) der Verkrümmung. 7 Exzision der Tunica albuginea beidseits um die Allis-Klemme herum, der Schwellkörper ist damit eröffnet. 7 Die Exzisionsstellen werden invertierend mit Einzelknopfnähten vernäht, dadurch kommt es zu einer Begradigung, aber auch zur Verkürzung des Penis. 7 Um eine glatte Oberfläche zu erhalten, können die Einzelknopfnähte fortlaufend übernäht werden. 7 Die Begradigung und der Verschluss der Leckage werden durch eine artifizielle Erektion überprüft und fotodokumentiert. 7 Entfernen der Butterfly-Kanüle und des Gummizügels und nochmalige Blutstillung. 7 Zählkontrolle der Textilien und der Instrumente sowie die Dokumentation der Vollzähligkeit. 7 Schichtweiser Wundverschluss mit abschließend typischer »Zirkumzisionsnaht« (die Zirkumzision verhindert sonst auftretende Lymphabflussprobleme). 7 Fotodokumentation des OP-Ergebnisses. 7 Anlage eines zirkulären Verbands, der an der Glans angenäht wird.
9.4.6
Vasektomie
kIndikationen
4 Sterilisation bei abgeschlossener Familienplanung, 4 Verhinderung einer Nebenhodenentzündung. Die Vasektomie wird im Regelfall in Lokalanästhesie durchgeführt. Weiterführende diagnostische Maßnahmen sind nicht nötig, lediglich eine klinische Untersuchung mit
Nachweis der Samenleiter wird vorgenommen. Zur Sicherung der Histologie, z. B. bei evtl. Schadenersatzansprüchen bei einem »Misserfolg« der Operation, sollten die Samenleiterresektate nach Seitenlokalisation getrennt zur pathohistologischen Untersuchung gegeben werden. kPrinzip
Durchtrennung und Teilentfernung der Ductus deferentes. kLagerung
Rückenlage oder Steinschnittlagerung. Bei benötigter Blutstillung wird die bipolare Koagulation zum Einsatz kommen. kInstrumentarium
4 Feines Grundinstrumentarium, 4 Lokalanästhetikum. Vasektomie 7 Hautdesinfektion und sterile Abdeckung des OPGebiets. 7 Zugang hochskrotal, unmittelbar in der Nähe der Peniswurzel direkt über dem Samenleiter. Ertasten und Fixieren des Samenleiters mit zwei Fingern. 7 Die Lokalanästhesie wird entlang des Ductus deferens appliziert. 7 Fixieren des Ductus, z. B. mit Hilfe einer scharfen Backhaus-Klemme. 7 Hautinzision längs über dem Ductus deferens. 7 Fassen des Samenleiters und seiner Hülle mit einer chirurgischen Pinzette. 7 Längsinzision über dem Samenleiter mit dem Skalpell. 7 Nachfassen mit der Pinzette und Unterfahren des Stranges mit einem feinen Overholt- oder mit einem gebogenen anatomischen Klemmchen. 7 Nach Freipräparieren des Samenleiters werden im Abstand von ca. 2–3 cm zwei Klemmchen gesetzt und der Ductus deferens dazwischen reseziert. 7 Einschicken des Präparats zur pathohistologischen Untersuchung. 7 Bei einer Vasoteilresektion zur Verhinderung einer Nebenhodenentzündung reicht die einfache Ligatur der Samenleiterenden, bei einer Sterilisation werden die Enden evtl. koaguliert, ligiert, umgeschlagen und erneut unterbunden. Zusätzlich können beide Enden oder nur das abdominale Ende in die umliegende Muskulatur eingenäht werden. 6
449 9.4 · Äußeres Genitale
kInstrumentarium 7 Zur Sicherheit kann Bindegewebe zwischen die beiden Enden eingenäht werden. 7 Blutstillung, Naht der Subkutis, Hautnaht. 7 Analoges Vorgehen auf der Gegenseite. 7 Versorgen der Nähte mit Wundpflastern.
9.4.7
Vaso-Vasostomie
4 Feines Grundinstrumentarium, 4 Operationsmikroskop, steriler Bezug für das Mikroskop, 4 Approximator (. Abb. 9.38), 4 mikrochirurgische Instrumente (Nadelhalter, Pinzetten – es gelten alle Regeln des Instrumentierens unter dem Mikroskop; 7 Kap. 10), 4 Spritzen, Venenverweilkanüle, 4 Nahtmaterial (geflochten, monofil, resorbierbar und nicht resorbierbar in verschiedenen Stärken).
kIndikationen
4 Erneuter Kinderwunsch nach erfolgter Sterilisation. Die Vaso-Vasostomie wird in Vollnarkose in mikrochirurgischer Vorgehensweise unter dem Operationsmikroskop durchgeführt. Die Erfolgsrate ist hoch, nach 3–12 Monaten sind bei 80–90% der Männer wieder Spermien nachweisbar. In den ersten 5 Jahren nach Sterilisation sind die Erfolgsaussichten sehr gut, nach 10 Jahren noch gut. kPrinzip
Reanastomosieren der zuvor bei der Vasektomie (7 Abschn. 9.4.6) ligierten Samenleiter.
kLagerung
Rückenlage. In der Regel erfolgt die Blutstillung mittels bipolarer Koagulation, bei monopolarer Koagulation Platzierung der neutralen Elektrode an einem Oberschenkel.
Vaso-Vasektomie 7 Hautdesinfektion und sterile Abdeckung. 7 Steriles Abdecken des OP-Mikroskops und der bereitgestellten Stühle für die Operateure. 7 Kleiner Hautschnitt auf dem Skrotum und Hervorluxieren des Hodens aus dem Skrotum. 7 Nach Freipräparieren des Samenleiters werden die beiden Enden »angefrischt«. Durch Massieren des Nebenhodens wird aus dem distalen Anteil Sekret exprimiert und mit Hilfe einer Spritze (mit ca. 0,2 ml steriler NaCl-Lösung) aspiriert. 7 Anschließend Mikroskopie zum Nachweis von Spermien. Dies dient dem Nachweis der Durchlässigkeit des distalen Samenleiters. Indirekt kann eine orientierende Aussage zur Erfolgsaussicht getroffen werden. 7 Das Lumen des proximalen Samenleiters kann mit einem monofilen Faden sondiert und auf Durchgängigkeit überprüft werden. 7 Nach positivem Spermiennachweis wird der Samenleiter unter dem Mikroskop in zweischichtiger Nahttechnik mit einem nicht resorbierbaren, monofilen Faden (6–0 bis 10–0 doppelt armiert) reanastomosiert. Sorgfältige Blutstillung, subkutane Naht, Hautnaht. 7 Analoges Vorgehen auf der Gegenseite. 7 Versorgen der Nähte mit Wundpflaster.
Sollten im hodenseitigen Samenleiterstumpf keine Spermien nachgewiesen werden können, besteht die Möglichkeit einer direkten Adaptierung des proximalen Stumpfes mit dem Nebenhoden.
. Abb. 9.38 Spannnungsfreie Adaptation der beiden Enden der Samenleiter zur Reanastomose mittels eines Approximators. (Nach Nieschlag et al. 2009)
9
450
Kapitel 9 · Urologie
9.4.8
Hydrozele, Spermatozele
Definition Eine Hydrozele (Wasserbruch) ist eine Füssigkeitsansammlung im Periorchium. Sie kann angeboren oder erworben sein. Beim Herabsteigen des Hodens in der Fetalzeit folgt der Hoden einer Ausstülpung des parietalen Peritoneums, dem Processus vaginalis peritonei. Diese physiologische Leistenhernie schließt sich zum Ende der Fetalzeit. Bei Ausbleiben dieser »Verklebung« können Hydrozelen (»offener Processus«) unterschiedlicher Ausprägung entstehen.
Erworbene Hydrozelen sind meist reaktiver Genese, z. B. nach Entzündungen, Tumoren und Traumata. Definition
9
Spermatozelen sind zystische Erweiterungen, die von den Samenwegen ausgehen (zumeist am Nebenhodenkopf ) und mit ihnen in Verbindung stehen. Sie gehen häufig ohne Schmerzen einher und werden nur durch Zufall entdeckt.
Operatives Vorgehen nur bei Beschwerden oder schwieriger Abgrenzung zu Tumoren, da es bei ca. der Hälfte der operierten Patienten zu einer Verschlechterung der Ejakulatqualität kommt, was mit einem eventuellen Kinderwunsch kollidiert. Die Patienten sollten dann auf eine mögliche Spermienasservierung hingewiesen werden. jDiagnostik
4 Klinische Untersuchung (Inspektion, Palpation), 4 Sonographie. kIndikationen
4 Angeborene Hydrozelen wegen der Gefahr der Darmeinklemmung, 4 sehr große Befunde, die Beschwerden bereiten. kPrinzip
Freilegen des Hodens, Eröffnung und Resektion der Hydrozelenwand zur Verhinderung einer erneuten Flüssigkeitsansammlung. Die Hodenfreilegung kann je nach Indikation mittels skrotalem oder inguinalem Zugang erfolgen. Bei der Operation werden die Hodenhüllen eröffnet und nur umgeschlagen und wieder vernäht (OP nach Winkelmann), abgetragen (OP nach van Bergmann) oder über den skrotalen Zugang mit der Tunica albuginea des Hodens verbunden (OP nach Salomon/Lord).
kInstrumentarium
4 Grundinstrumente, 4 Zügel zum Anschlingen des Samenstrangs, 4 bei Bedarf tiefe Haken. kLagerung
Rückenlage. In der Regel erfolgt die Blutstillung mittels bipolarer Koagulation, bei monopolarer Koagulation Platzierung der neutralen Elektrode an einem Oberschenkel. Hydrozele, Spermatozele 7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OPGebiets. 7 Hautschnitt inguinal. 7 Aufsuchen und Anschlingen des Samenstrangs. 7 Vorsichtiges Hervorluxieren des Hodens mit der Hydrozele aus dem Skrotalfach. 7 Durchtrennung des Gubernaculum testis. 7 Feuchte Umlegung für den Hoden bereithalten. 7 Evtl. Punktion der Hydrozele. 7 Eröffnen der Hydrozelenwand, Exploration und Inspektion des Hodens. 7 Anklemmen der Hydrozelenwand mit Klemmchen.
OP nach van Bergmann 7 Resektion der Hydrozelenwand bis auf einen Saum von ca. 0,5–1 cm. 7 Sorgfältige Blutstillung. 7 Umsäumen der Resektionsränder mit einer fortlaufenden Naht. 7 Evtl. Einlegen einer Drainage. 7 Der Hoden wird wieder in das Skrotalfach zurückgelegt. 7 Erneute Kontrolle auf Bluttrockenheit. 7 Zählkontrolle aller OP-Textilien und Instrumente und Dokumentation des Zählstandes. 7 Schichtweiser Wundverschluss. 7 Wundpflaster.
OP nach Winkelmann 7 Das Vorgehen ist identisch bis zur Eröffnung der Hydrozelenwand, diese wird belassen, umgeschlagen und hinter den Nebenhoden gelegt, sodass die Innenfläche der Hydrozelenwand nach außen zu liegen kommt. 7 Adaptation der Wandränder hinter dem Hoden durch eine fortlaufende Naht. 7 Weiteres Vorgehen wie oben.
451 9.4 · Äußeres Genitale
OP nach Salomon/Lord 7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OPGebiets. 7 Über einen kleinen skrotalen Zugang wird die Hydrozelenwand auf ca. 5–7 cm in Höhe des Hodens eröffnet. 7 Fixieren der eröffneten Hydrozelenwand am sichtbaren Rand der Tunica albuginea des Hodens. 7 Sorgfältige Blutstillung. 7 Zählkontrolle der Textilien und Instrumente und Dokumentation der Vollzähligkeit. 7 Schichtweiser Wundverschluss. 7 Wundpflaster bzw. Kompressenverband mit Netzhose.
4 laparoskopische Venenresektion, 4 mikrochirurgische Venenresektion. Beschrieben werden hier die hohe Ligatur nach Bernardi sowie die antegrade Sklerosierung nach Tauber, die meist ambulant durchgeführt wird. jDiagnostik
4 Untersuchung des Patienten im Liegen und im Stehen, 4 Sonographie des Hodens und des Samenstrangs, 4 sonographische Darstellung des Retroperitonealraums, 4 Spermiogramm, 4 Dopplersonographie zur Darstellung des venösen Refluxes.
Hohe Ligatur nach Bernardi kPrinzip 9.4.9
Varikozele
Unterbindung/Okklusion der V. testicularis.
Definition
kInstrumentarium
Eine Krampfaderbildung im Bereich des aus den Hodenvenen gebildeten Plexus pampiniformis, einem Venengeflecht im Samenstrang.
4 Grundinstrumentarium, 4 bei Bedarf längere Instrumente sowie tiefere Haken, 4 Nahtmaterial (geflochten, monofil, resorbierbar und nicht resorbierbar).
Sie tritt häufig bei jungen Männern auf und wird unterschieden in: 4 Symptomatische Varikozele, hier liegt eine Abflussbehinderung im retroperitonealen Abstromgebiet der V. spermatica, z. B. durch einen Tumor, vor. 4 Idiopatische Varikozele, die durch einen venösen Reflux der V. spermatica in den Plexus pampiniformis entsteht. Sie ist in bis zu 90% aller Fälle linksseitig zu finden, es wird angenommen, dass dies an der ungünstigen Einstrombahn der linken V. testicularis in die linke V. renalis liegt. Auf der rechten Seite mündet die Hodenvene auf direktem Weg in die V. cava inferior. kIndikationen
4 Durch den Rückstau des Blutes kommt es zu einer Überwärmung des Hodens, was zu einer Verminderung der Samenqualität führen kann. 4 Schmerzen. 4 Hodenhypotrophie. jTherapie
Es gibt unterschiedliche Therapieverfahren: 4 retrograde Sklerosierung (angiographisch), 4 skrotale antegrade Sklerosierung (nach Tauber), 4 hohe retroperitoneale Ligatur (nach Bernardi), 4 inguinale Ligatur (nach Ivanissevich),
kLagerung
4 Rückenlage, evtl. Anti-Trendelenburg-Lagerung (auf korrekte Fixation des Patienten achten). 4 Anheben der zu operierenden Seite durch Unterlegen eines Polsters. kZugang
Pararektal oder Wechselschnitt suprainguinal. Hohe Ligatur nach Bernardi 7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OPGebiets. 7 Hautschnitt. 7 Längsdurchtrennung der vorderen Rektusscheide. 7 Abdrängen des M. rectus abdominis nach medial. 7 Das Peritoneum wird nicht eröffnet, sondern mit tiefen Haken nach medial gezogen. 7 Freilegen der Vv. spermaticae, die am Peritonealsack haften (meistens verlaufen dort drei Venen). 7 Lymphgefäße sowie die Arterie sollen nach Möglichkeit erhalten bleiben. 7 Die Venen werden möglichst hoch mit einem Overholt-Klemmchen angeklemmt, durchtrennt und doppelt ligiert. 6
9
452
Kapitel 9 · Urologie
7 Unter Durchleuchtung wird nun Kontrastmittel injiziert, um den Verlauf der Testikularvene darzustellen. 7 Bei typischem Verlauf wird nun unter Bauchpresse das Äthoxysklerol in Air-bloc-Technik injiziert (Luft – Verödungsmittel – Luft). 7 Entfernen der Knopfkanüle und Ligatur nach proximal. 7 Durch Valsalva-Manöver (Pressen) des Patienten kann die Ligatur einfach kontrolliert werden. 7 Sorgfältige Blutstillung. 7 Schichtweiser Wundverschluss. 7 Wundpflaster. 7 Anlegen eines Suspensoriums.
7 Sorgfältige Blutstillung. 7 Zählkontrolle der Textilien und Instrumente sowie Dokumentation des Zählstandes. 7 Evtl. Einlage einer Drainage. 7 Schichtweiser Wundverschluss und Wundpflaster.
Antegrade Sklerosierung nach Tauber Die Operation wird üblicherweise in Lokalanästhesie durchgeführt. kPrinzip
Das Sklerosierungsmittel führt zu einer Entzündungsreaktion des Gefäßendothels und damit zum Verschluss der Vene. kInstrumentarium
9
4 4 4 4 4 4
Feines Grundinstrumentarium, feine Knopfkanülen, Kontrastmittel, diverse Spritzen, Gummizügel, Äthoxysklerol, physiologische Kochsalzlösung, Lokalanästhetikum.
kLagerung
4 Rückenlage auf einem Durchleuchtungstisch, 4 Bereitstellung des Bildwandlers unter Beachtung des Strahlenschutzes. kZugang
Hohe skrotale Inzision.
a
Antegrade Sklerosierung nach Tauber 7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OPGebiets. 7 Lokalanästhesie. 7 Skrotale Inzision von ca. 3 cm Länge auf dem Samenstrang. 7 Freilegen des Samenstrangs und Anschlingen mit dem Gummizügel. 7 Eröffnen der Tunica vaginalis und Präparieren des meist nach dorsal gelegenen Venengeflechtes. 7 Die Venen füllen sich, wenn der Patient presst. 7 Eine geeignete Vene wird mit einem feinen Overholt-Klemmchen unterminiert und distal ligiert. 7 Nach proximal wird eine Ligatur vorgelegt, aber nicht zugezogen. 7 Zwischen den Fäden wird das Gefäß inzidiert und eine Knopfkanüle unter Einspritzung physiologischer Kochsalzlösung eingeführt (. Abb. 9.39). 6
b . Abb. 9.39 OP-Technik nach Tauber: 11-jähriger Junge mit Varikozele. a Nach Skrotalschnitt links Anzügeln des Samenstrangs (roter Gummizügel), Isolierung einer varikös dilatierten Vene des Plexus pampiniformis. Die Vene ist zwischen den Overholt-Branchen gut erkennbar; distale Venenligatur vorgelegt. b Nach distaler Venenligatur Vorlage einer proximalen Venenligatur (noch nicht geknoteter Faden). Punktion der dilatierten Vene mittels Braunüle. (Nach Steffens u. Treiyer 2008)
453 9.4 · Äußeres Genitale
9.4.10
Orchiektomie, Ablatio testis
Die Entfernung eines Hodens (Semikastration) ist obligat bei Hodentumoren. Die beidseitige Hodenentfernung (Kastration) zum Entzug der Androgene beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom wird nur noch sehr selten vorgenommen, da inzwischen eine medikamentöse Therapie möglich ist. Hodentumoren gehen zu über 90% von den Keimzellen aus und werden in Seminome und Nichtseminome eingeteilt. Beim größten Teil der restlichen 10%, die sich aus Binde- und Stützgewebe bilden, handelt es sich um Tumoren der Leydig-Zellen, die sonst für die Androgenproduktion zuständig sind. Betroffen sind meist Männer im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Als Risikogruppen gelten Patienten mit kleinem bzw. primär nicht deszendiertem Hoden sowie Patienten mit positiver Familienanamnese. Als Erstsymptom wird meist eine schmerzlose Vergrößerung einhergehend mit einem Schweregefühl beschrieben, tastbare Induration im Hoden oder an der Oberfläche, aber auch selten eine Gynäkomastie. Extratestikuläre Symptomatik, wie z. B. Rückenschmerzen, tritt bei Metastasenbildung auf. Tumormarker im Blut können erhöht sein. Die Heilungschance bei lokal begrenzten Tumoren liegt bei über 90%, wobei Seminome durch ihre geringere Metastasierungsneigung eine höhere Heilungstendenz haben als Nichtseminome. Das Wachstum der Hodentumoren wird zunächst durch die Bindegewebshülle des Hodens (Tunica albuginea) begrenzt. Die Metastasierung erfolgt entlang der Hodenlymphgefäße zu den retroperitonealen Lymphknoten. Eine kontralaterale Biopsie wird empfohlen, um die sog. TIN-Zellen (testikuläre intraepitheliale Neoplasie), die später obligat zu einem kontralateralen Tumor führen würden, frühzeitig entdecken zu können. Evtl. wird intraoperativ eine Schnellschnittuntersuchung des gewonnenen Gewebes vorgenommen. kZugangswege
Skrotaler oder inguinaler Zugang. Beschrieben wird die einfache Orchiektomie über einen skrotalen Zugang bei irreversiblen, benignen Erkrankungen des Hodens (z. B. alte Torsion mit Untergang des Hodengewebes) sowie die subkapsuläre Orchiektomie nach Riba, ebenfalls über den skrotalen Zugangsweg. Sie gilt als Alternative zur medikamentösen Therapie bei fortgeschrittenem Prostatakarzinom. Durch Belassen des Nebenhodens, des Samenstrangs sowie der Tunica albuginea bleibt kein »leeres Skrotum« zurück. Die radikale inguinale Ablatio testis wird angewandt bei allen malignen Hodentumoren. Durch den inguinalen Zugang können frühzeitig die testikulären Lymph- und
Blutgefäße kontrolliert werden. Der Samenstrang sollte in Höhe des inneren Leistenringes abgesetzt werden. Die skrotale Verletzung und somit eine ungewollte Tumorzellverschleppung wird vermieden. Die Enukleationsresektion wird z. B. bei testikulären Keimzelltumoren in einem Einzelhoden oder bei suspekten Befunden in beiden Hoden durchgeführt. Diese Operationsmethode erfordert eine Hodenfreilegung über einen inguinalen Zugang, wobei der Tumor unter sonographischer Kontrolle aus dem Hoden entfernt wird. Die Entscheidung über das weitere Vorgehen ist abhängig vom Ergebnis der Schnellschnittuntersuchung. kIndikationen
Siehe oben. jDiagnostik
4 4 4 4
Klinische Untersuchung, Sonographie beider Hoden, Spermiogramm, spezielle Labordiagnostik (Routinelaborwerte, Hodentumormarker, Testosteron).
kPrinzipien
4 Organerhaltende Entfernung des Tumors. 4 Entfernung von Hoden, Nebenhoden einschließlich Samenstrang (bei der radikalen Ablatio testis). kLagerung
Rückenlage. In der Regel erfolgt die Blutstillung mittels bipolarer Koagulation, bei monopolarer Koagulation Platzierung der neutralen Elektrode an einem Oberschenkel. kInstrumentarium
4 Grundinstrumente, 4 feines Instrumentarium (Scheren, Pinzetten), 4 Gummizügel (bei inguinalem Zugang). Einfache Orchiektomie 7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OPGebiets. 7 Skrotale Inzision. 7 Freipräparieren und Durchtrennen aller Hüllen des Samenstrangs bis auf die Tunica vaginalis. 7 Nach Durchtrennen der Tunica vaginalis können Hoden und Samenstrang hervorluxiert werden. 7 Das Vas deferens wird von den umliegenden Strukturen separiert, zwischen 2 Klemmchen durchtrennt und ligiert. 6
9
454
Kapitel 9 · Urologie
7 Nun wird der testikuläre Gefäßstiel zwischen 2 Overholt-Klemmen durchtrennt und ebenfalls ligiert oder umstochen. 7 Der Hoden kann nun entfernt werden. 7 Vorbereiten und Einschicken des Präparates zur histologischen Untersuchung. 7 Blutstillung, Wundinspektion. 7 Zählkontrolle aller OP-Textilien und Instrumente, Dokumentation des Zählstandes. 7 Evtl. Einlage einer Drainage (Easy-flow-Drainage). 7 Schichtweiser Wundverschluss. 7 Wundpflaster.
Subkapsuläre Orchiektomie nach Riba
9
7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OPGebiets. 7 Mediane, skrotale Inzision im Bereich der Raphe und Eingehen in das Skrotalfach. 7 Aufsuchen der Tunica albuginea, Längsinzision und Anklemmen der Ränder der Tunica mit 2 chirurgischen Klemmchen. 7 Stumpfes Abschieben des Hodenparenchyms von der Innenseite der Tunica albuginea. 7 Abtragen des am Rete testis noch fixierten Parenchyms mit monopolarer oder bipolarer Elektrokoagulation. 7 Blutstillung, Wundinspektion. 7 Verschluss der Tunica albuginea und der anderen subkutanen Hautschichten. 7 Wundpflaster. 7 Vorbereiten und Einschicken des Präparates zur histologischen Untersuchung. 7 Analoges Vorgehen auf der anderen Seite.
Radikale, inguinale Ablatio testis 7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OPGebiets. 7 Hautinzision 2 cm oberhalb und parallel zum Leistenband (analog einer Leistenhernie). 7 Durchtrennen der Subkutis bis auf die Externusfaszie. 7 Inzision der Faszie im Faserverlauf. 7 Identifikation und Anschlingen des Samenstranges mit Hilfe eines Zügels. 7 Okklusion des Zügels zur Vermeidung einer Tumorzellverschleppung und zur Verminderung der Durchblutung. 6
7 Mobilisation des Hodens aus dem Skrotum und Ligatur/Koagulation des Gubernaculum testis. 7 Feuchte Umlegung. 7 Eröffnen der Tunica albuginea. 7 Aufschneiden und Inspektion des Hodens und des Tumors, bei Bedarf Entnahme von Gewebe für die Schnellschnittuntersuchung, sonst Fortführen der Ablatio testis. 7 Weitere Eröffnung des Leistenkanals unter Abschieben des Peritoneums. 7 Stumpfe zirkuläre Präparation des Samenstranges bis zum inneren Leistenring und der peritonealen Umschlagfalte. 7 Samenleiter und Gefäße werden nach kranial bis zu ihrer Aufteilung verfolgt. 7 Getrennte Ligatur und/oder Durchstechung von Arterie, Vene und Samenleiter. 7 Blutstillung, evtl. Einlage einer Drainage. 7 Austupfen des Skrotalfachs, auf Patientenwunsch Einlage einer Hodenprothese. 7 Zählkontrolle aller OP-Textilien und Instrumente und Dokumentation des Zählstandes. 7 Schichtweiser Wundverschluss. 7 Wundpflaster.
Kontralaterale Hodenbiopsie Diese wird üblicherweise als sog. Doppelbiopsie durchgeführt, um die Detektionsrate der TIN zu erhöhen. 7 Handschuh- und Instrumentenwechsel. 7 Den Hoden mit gespannter Haut im Skrotalfach fixieren. 7 Kleine Inzision durch alle Hodenhüllen bis zur Tunica albuginea. 7 Die Tunica albuginea wird am Oberpol ca. 5 mm inzidiert, das hervorquellende Hodengewebe abgetragen und zur histologischen Untersuchung gegeben. 7 Naht der Tunica albuginea. 7 Anschließend gleiches Vorgehen am Unterpol. 7 Blutstillung. 7 Schichtweiser Wundverschluss. 7 Wundpflaster.
9.4.11
Radikale Lymphadenektomie (RLA)
Hodentumoren metastasieren als erstes in die Lymphknoten retroperitoneal beidseits und unterhalb des Nierenhilus. Die Behandlung der Hodentumoren wird risikoadap-
455 9.4 · Äußeres Genitale
tiert durchgeführt, d. h. je nach Ausbreitung des Tumors und des histologischen Typs erfolgt ein differenzierter Einsatz von Chemotherapie und/oder RLA. Zur Reduktion der Häufigkeit der retrograden Ejakulation ist heute die nervenerhaltende modifizierte RLA (d. h. die Ausräumung der Lymphknoten nur der ipsilateralen Seite unter Einhaltung festgelegter Dissektionsgrenzen) das Operationsverfahren der Wahl. Die sympathischen Nervenfasern werden dabei identifiziert und geschont. Bei positivem intraoperativem Schnellschnittergebnis wird die RLA auf die kontralaterale Seite erweitert.
kIndikationen
4 Minderung des Risikos der Metastasenbildung, 4 Entfernung bereits bestehender Metastasen, 4 Resttumorbergung nach Chemotherapie. jDiagnostik
4 Spezielle Labordiagnostik, 4 CT Thorax, 4 CT Abdomen/Becken. kPrinzip
Entfernung der retroperitonealen Lymphknoten unter Einhaltung der vorgegebenen Dissektionsgrenzen.
jDissektionsgrenzen
Die Dissektionsgrenzen bei linksseitigem Hodentumor sind: 4 linke Grenze: Ureter, 4 nach kranial die Nierengefäße, 4 rechte Grenze – präaortal bis zum Abgang der A. mesenterica inferior, darunter bis zur Bifurkation (kaudale Grenze) nur links lateral der Aorta. 4 Interaortokavale Lymphknoten müssen nicht entfernt werden. Die Dissektionsgrenzen bei rechtsseitigem Hodentumor: 4 rechte Grenze: Ureter, 4 nach kranial die Nierengefäße, 4 linke Grenze: präaortal bis zum Abgang der A. mesenterica inferior, 4 interaortokaval bis zu den Vasa iliacae. Alle interaortokavalen Lymphknoten müssen entfernt werden. Die Ausräumungsfelder zeigt . Abb. 9.40.
a
kLagerung
4 Rückenlage. 4 Evtl. wird der OP-Tisch etwas aufgeklappt, damit der Patient überstreckt liegt. kInstrumentarium
4 4 4 4
Grundinstrumentarium, langes Grundinstrumentarium, Gefäßklemmen, spezielles Rahmenrückhaltesystem, z. B. BookwalterRahmen (Fa. Codman; . Abb. 4.28), 4 evtl. Clipzangen, 4 Zügel, 4 evtl. Hämostyptika. ! Bei bereits bestehenden, z. T. sehr großen Metastasen, die auch mit den Gefäßen verwachsen sein können, kann es zu sehr starken Blutungen kommen.
b
. Abb. 9.40 Ausräumungsfelder bei der einseitigen retroperitonealen Lymphadenektomie (RLA) im Stadium I des nichtseminomatösen Hodentumors. (Nach Hautmann u. Huland 2001/2006)
9
456
Kapitel 9 · Urologie
Radikale Lymphadenektomie (RLA) 7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OPGebiets. 7 Längs verlaufende mediane Oberbauchlaparotomie mit Linksumschneidung des Nabels vom Xiphoid bis 5 cm unterhalb des Nabels (7 Abschn. 2.1, Zugangswege). 7 Durchtrennen des subkutanen Gewebes bis auf die Rektusscheide. 7 Einschneiden des hinteren Blattes und Eröffnen des Peritoneums. 7 Einsetzen des Rahmenhaltesystems. Dabei werden die Darmschlingen mit feuchten Bauchtüchern geschützt und zur Seite abgestopft (eine Auslagerung des Darms macht postoperativ mehr Ileusprobleme). 7 Ständige Kontrolle des Darms auf Ischämiezeichen! 7 Eröffnen des Retroperitoneums. 7 Identifikation und Präparieren der jeweiligen Dissektionsgrenzen mittels Overholt- oder Scherenpräparation. 7 Ausräumen der entsprechenden Lymphknoten und Einsendung zur Schnellschnittuntersuchung, um das Dissektionsfeld letztlich festzulegen. 7 Nach Beendigung der Lymphknotendissektion ist die Sicht auf die präparierten großen Gefäße – V. cava und Aorta abdominalis- (ggf. einschließlich der Gefäßkreuzung) frei. 7 Blutstillung, evtl. Einlage eines Hämostyptikums in das Dissektionsgebiet. 7 Einlage einer oder mehrerer Robinson-Drainagen, die zur Flanke ausgeleitet werden. 7 Zählkontrolle aller OP-Textilien, Instrumente und Materialien und Dokumentation des Zählstandes. 7 Naht des Retroperitoneums. 7 Schichtweiser Wundverschluss. 7 Wundpflaster.
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9.5
Prostata
Bei steigendem Lebensalter, ab ca. 45 Jahren, kommt es durch die Verschiebung im androgenen Hormonhaushalt zu einer Wucherung der periurethralen Drüsen, einhergehend mit einer gutartigen Vergrößerung der epithelialen und fibromatösen Anteile der Transitionalzone der Prostata: zur BHP (benigne Prostatahyperplasie oder Prostataadenom) (. Abb. 9.41). Die Einengung der prostatischen Harnröhre und des Blasenauslasses führt zu einer erschwerten Blasenentleerung mit irritativen und/oder ob-
a
b . Abb. 9.41 Zonale Anatomie der Prostata nach McNeal. a Sagittale, b transversale Darstellung. (Nach Hofmann 2005)
struktiven Miktionsbeschwerden, dem BPS (benignes Prostatasyndrom). Streng genommen beschreibt die BPH nur das histologische Bild dieser Prostatavergrößerung. Das StandardOP-Verfahren, die TUR-P (transurethrale Resektion der Prostata) ist in 7 Abschn. 9.3.2 beschrieben. Die durch das BPS bedingten Folgen können lange asymptomatisch verlaufen, aber schwere Schäden am Harntrakt verursachen wie: 4 Hämaturie, 4 HWI (Harnwegsinfekte), 4 Blasensteine,
457 9.5 · Prostata
4 4 4 4
Restharngefühl, Harnverhalt, Überlaufinkontinenz, Flankenschmerzen bei Hydronephrose.
Als irritative Symptome gelten: 4 ständiger Harndrang, 4 Pollakisurie, 4 Nykturie, 4 schmerzhafte Miktion, 4 Dranginkontinenz.
. Abb. 9.42 Prostatektomie nach Freyer. (Nach Höfer et al. 2000)
. Abb. 9.43 Prostatektomie nach Millin. (Nach Höfer et al. 2000)
Weitere Faktoren, die das gutartige Wachstum der Prostata beeinflussen, sind neben der Verschiebung des AndrogenÖstrogen-Haushaltes Übergewicht, Diabetes mellitus, Leberzirrhose, Hypertonie und die genetische Prädisposition. Bei Adenomen mit Volumina von mehr als 80 ml gelten die retropubische extravesikale (nach Millin) sowie die suprapubische transvesikale Prostatektomie (nach Freyer) als Therapien der Wahl. Beide OP-Verfahren haben als Gemeinsamkeit das manuelle Ausschälen der Adenome aus ihrer chirurgischen Kapsel sowie die zwangsläufige Entfernung der prostatischen Harnröhre im Hyperplasiebereich. Die Schleimhaut bildet sich dort neu. Zur Vermeidung aufsteigender Infektionen kann eine beidseitige Vasoteilresektion durchgeführt werden. Alternative Therapien wie z. B. Laserablationen, TUMT (transurethrale Mikrowellenthermie), TUNA (transurethrale Nadelablation) müssen hinsichtlich ihrer Ergebnisse mit der TUR-P oder den offenen Adenomektomien verglichen werden. Sie gelten teilweise als schonendere Verfahren und sind daher eher bei multimorbiden Patienten in Erwägung zu ziehen. Die Auswahl des geeigneten Operationsverfahrens hängt von der Prostatagröße und dem Allgemeinzustand des Patienten ab.
9.5.1
Prostatektomie nach Millin
kIndikation
4 Blasenatonie, 4 Harnrückstauung mit Hydronephrose, 4 Niereninsuffizienz. Das Ausmaß der Beschwerden steht nicht immer im Zusammenhang mit der Prostatagröße und dem Grad der Obstruktion. Es wird zwischen obstruktiven und irritativen Symptomen unterschieden. Als obstruktive Beschwerden seien genannt: 4 Harnstrahlabschwächung, 4 Startverzögerung der Miktion, 4 Nachträufeln,
Adenome >60–80 g. jDiagnostik
4 4 4 4
Übliche Labordiagnostik, Urinstatus, Sedimentkultur, digitale rektale Untersuchung, Sonographie.
kLagerung
Rückenlage, evtl. etwas überstreckt in der Lendenwirbelsäule. Neutralelektrode am Oberschenkel.
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458
Kapitel 9 · Urologie
kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
9
Grundinstrumentarium, evtl. längeres Instrumentarium, Balfour-Sperrer, evtl. Lungenspatel nach Allis, evtl. Kaderspatel, langes Diathermiemesser oder Stichel, Blasenspritze, evtl. suprapubische Harnableitung, Nélaton-Katheter (intraoperativ), Dauerspül-/Kompressionskatheter (postoperativ), Ablaufbeutel, evtl. Überleitungssystem zur postoperativen Spülung, Blockungsflüssigkeit, Robinson-Drainage, Nahtmaterial (monofil, geflochten, resorbierbar und nicht resorbierbar, verschiedene Größen und Stärken), bei Bedarf Clipzange.
kAbdeckung
Gemäß Abteilungsstandard, das Genital muss jederzeit durch einen »Lendenschurz« erreichbar sein. Retropubische extravesikale Prostatektomie nach Millin 7 Hautdesinfektion einschließlich des Genitalbereichs und sterile Abdeckung des OP-Gebiets. 7 Legen des Nélaton-Katheters unter sterilen Kautelen. 7 Handschuhwechsel, dann den »Lendenschurz« ankleben zur ständigen Erreichbarkeit des Penis. 7 Pfannenstiel-Schnitt oder medianer extraperitonealer Unterbauchschnitt. 7 Nach dem Hautschnitt Eröffnen des extraperitonealen Raumes zwischen Harnblase und Bauchwand sowie des Spatium retropubicum (Cavum Retzii). 7 Einsetzen des Balfour-Sperrers, der auch die Blase mit zurückhält. 7 Es wird die Vorderseite der Prostatakapsel dargestellt (ähnlich wie bei der radikalen retropubischen Prostatektomie). Die in ihr verlaufenden Gefäße werden in 2 querverlaufenden Reihen 1– 2 cm unterhalb des Blasenauslasses mit monofilen Fäden der Stärke 1 umstochen. 7 Mit dem langen Diathermiemesser/Stichel wird die Prostatakapsel zwischen den vorgelegten Nahtreihen eröffnet. 7 Das Drüsengewebe wird nun teils stumpf, teils scharf mit Overholt-Klemme, der stark gebogenen Schere und dem Finger aus der Kapsel gelöst. 6
7 Vorsicht: Bei Durchstoßen der Prostatakapsel kommt es zur Verletzung des Rektums! 7 Absetzen der Schleimhaut am Blasenausgang/ Prostatakapsel und Durchtrennen der Harnröhre oberhalb des Schließmuskels. 7 Entfernen des Drüsengewebes. 7 Während der Enukleation kommt es meist zu einer starken Blutung, die aber häufig nachlässt, sobald das Adenom entfernt ist! 7 Das Präparat wird makroskopisch auf Vollständigkeit geprüft, danach wird es gewogen und zur histologischen Untersuchung eingesandt. 7 »Retrigonisationsnaht«: Durch Hereinziehen der Trigonumspitze in die Prostataloge und Vernähen mit monofilen resorbierbaren Fäden (4–0) kommt es zur ersten Blutstillung. 7 Weitere Blutstillung mittels Koagulation und Umstechung der Gefäße am Blasenhals mit Raffen der Prostatakapsel, Blutstillung in der Prostataloge. 7 Legen des Dauerspülkatheters in die Loge oder in die Blase. 7 Bei Bedarf Einlage einer suprapubischen Harnableitung. 7 Verschluss der Prostatakapsel zunächst mit Ecknähten, dann fortlaufende Naht mit resorbierbaren monofilen Fäden der Stärke 0. 7 Einlage einer Robinson-Drainage. 7 Kontrolle aller Instrumente und Textilien auf ihre Vollzähligkeit, Dokumentation des Zählstandes. 7 Schichtweiser Wundverschluss, Wundpflaster. 7 Der Dauerspülkatheter kann mit bis zu 60 ml Glycerollösung geblockt werden. 7 Evtl. Anschluss an die NaCl-Spüllösung und das Ablaufsystem.
9.5.2
Prostatektomie nach Freyer
kIndikationen
4 Adenome >60–80 g, 4 gleichzeitiges Vorhandensein von Blasensteinen. jDiagnose
Siehe OP nach Millin (7 Abschn. 9.5.1). kPrinzip
Der Zugang erfolgt ebenfalls über einen PfannenstielSchnitt, hierbei wird jedoch die Blase eröffnet; die Prostataadenome werden über die eröffnete Blase entfernt. Diese Methode hat den Vorteil, dass die vorhandenen Blasensteine gleichzeitig mit entfernt werden können und die Prostatakapsel bestehen bleibt.
459 9.5 · Prostata
9.5.3
Radikale Prostatektomie
Die Diagnose Prostatakarzinom führt zur radikalen Entfernung der Prostata einschließlich der Samenblasen. Dieses Karzinom ist der häufigste maligne Tumor in der Urologie. Er tritt vorwiegend bei Männern über 50 Jahren auf. Im Gegensatz zur BPH entwickelt sich das Prostatakarzinom meist in der peripheren Zone der Drüse. Durch seine Lage ist es durch eine rektale Untersuchung früh zu ertasten. Da der Tumor somit harnröhrenfern liegt, treten Symptome (z. B. Miktionsbeschwerden) erst spät auf. Bei fortgeschrittenen Tumoren mit Metastasenbildung im Becken- und/oder Lendenwirbelbereich, bei Tumorwachstum in die Blase und/oder die Ostien sowie in die retroperitonealen Lymphknoten kann es zur Hämaturie, Impotenz, Harnstauung und zu unspezifischen Symptomen wie Rückenschmerzen kommen. Männer ohne familiäre Genese sollten ab dem 45. Lebensjahr, sonst ab dem 40. Lebensjahr die regelmäßige Vorsorgeuntersuchung, die eine DRU (digitale rektale Untersuchung) beinhaltet, in Anspruch nehmen. Zudem kann der PSA-Wert im Blut bestimmt werden, wobei bei Erhöhung (ab 2,5–4 ng/ml) eine weitere Abklärung indiziert sein kann. Präoperativ erfolgt eine transrektal-sonographische Stanzbiopsie. Das lokal begrenzte Prostatakarzinom wird kurativ operativ mit der radikalen Prostatektomie, das metastasierende Karzinom palliativ mit einer Antiandrogentherapie und/oder der Orchiektomie nach Riba (7 Abschn. 9.4.10) behandelt. Außerdem gibt es noch verschiedene medikamentöse und radiologische Therapieformen. ! Die nervschonende (zur Erhaltung der Erektionsfähigkeit) radikale Prostatektomie stellt eine Behandlung mit optimalen onkologischen und funktionellen Resultaten bezüglich der Kontinenz und Potenz dar und ist somit für das organbegrenzte Karzinom der therapeutische Standard.
Erwähnt sei noch die perineale Prostatektomie, die den Nachteil hat, dass zur Lymphadenektomie ein zweiter Zugang gewählt werden muss. Sie wird nur noch selten durchgeführt. Die laparoskopische Variante (7 Abschn. 9.5.4) hat zum Nachteil, dass sie eine deutlich verlängerte Lernkurve des OP-Teams erfordert und so die OP-Zeit verlängert. Vor der Resektion der Prostata kann in gleichzeitiger Operation die pelvine Lymphadenektomie zum Ausschluss einer Metastasierung durchgeführt werden (je nach Risikokonstellation kann darauf verzichtet werden). Die Lymphknoten im Bereich der Fossa obturatoria und entlang der Aa. Iliaca externa und interna werden entfernt und nach Seitenlokalisation getrennt zur histologischen
intraoperativen Schnellschnittuntersuchung gegeben. Bei positivem Befund kann eine beidseitige Orchiektomie nach Riba (7 Abschn. 9.4.10) erfolgen, ansonsten wird mit der Entfernung der Prostata fortgefahren. Die Resektionsgrenzen sind nach kranial der Blasenhals, nach kaudal der Beckenboden. Vorsicht bei der Präparation zur Vermeidung einer Rektumperforation! kIndikationen
4 Auf das Organ begrenztes Prostatakarzinom, 4 Lebenserwartung des Patienten >10 Jahre. jDiagnostik
4 Standardmäßiges Labor einschließlich Gerinnungsstatus, PSA, 4 Blutgruppe, Bereitstellung von Konserven, evtl. mit vorheriger Eigenblutspende, 4 histologischer Befund der durchgeführten Stanzbiopsie, 4 ggf. CT Abdomen/Becken und/oder Knochenszintigraphie. kPrinzip
4 Entfernung der Prostata mit den Samenblasen und der Ductus deferentes. 4 Entfernung der pelvinen Lymphknoten. 4 Anastomosierung des Blasenhalses mit dem Harnröhrenstumpf. 4 Erhalten der Nn. splanchnici pelvici (frühere Bezeichnung: Nn. erigentes) und Vasa erigentes. 4 Der Operateur trägt eine Lupenbrille. kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium, 4 bipolare Schere, 4 langes Instrumentarium einschließlich langer Lidhaken, 4 Bookwalter-Rahmen, 4 langes Diathermiemesser und/oder Stichel, 4 evtl. Clipzange, 4 Nélaton-Katheter zur intraoperativen Harnableitung und zur späteren Manipulation am Apex prostatae, 4 Blasenspritze, Gleitmittel, 20-ml-Spritze, 4 Sterile NaCl- oder Ringer-Lösung zum Auffüllen der Blase, 4 Dauerspül-Kompressionskatheter zur postoperativen Harnableitung, 4 Glycerollösung zum Blocken des Katheters, 4 Robinson-Drainage, 4 evtl. Ureterschienen zur Identifizierung, Kennzeichnung und Schienung der Ostien, 4 evtl. Darmrohr zur Schienung des Rektums, 4 Nahtmaterial (resorbierbar und nicht resorbierbar,
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460
Kapitel 9 · Urologie
monofil und geflochten in verschiedenen Stärken und Nadelgrößen; Anastomosennähte sind resorbierbar und doppelt armiert), 4 evtl. Hämostyptika.
7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OPGebiets einschließlich des Genitalbereichs. 7 Legen des Nélaton-Katheters. 7 Handschuhwechsel. 7 Anlegen des »Lendenschurzes«. 7 Mediane Unterbauchlaparotomie von der Symphyse bis ca. 2 cm unterhalb des Nabels. Hautinzision mit dem Skalpell, Durchtrennen der Rektusmuskulatur in der Mittellinie. 7 Abpräparieren des Peritoneums und der Muskelfaszie von der hinteren Bauchwand, mit sorgfältiger Präparation unter der Transversalisfaszie, um die Vasa epigastrica inferiores nicht zu verletzen. 7 Einsetzen des Rahmens. 7 Eröffnen des Spatium retropubicum zum Foramen obturatorium der Beckenbodenfaszie und den Beingefäßen. 7 Aufsuchen der obturatorischen/iliakalen Lymphknoten bis zur Kreuzung der Aa. und Vv. Iliaca interna und externa. 7 Freipräparieren, ligieren oder clippen und Entfernen der Lymphknoten mittels Overholt- oder bipolarer Scherenpräparation (. Abb. 9.44). 7 Die Lymphknoten werden korrekt beschriftet nach Seitenlokalisation getrennt zur Schnellschnittuntersuchung gegeben. 7 Freipräparieren der Prostatavorderseite, hier kann anhaftendes Fett unter Koagulation abgezogen werden.
7 Spalten der endopelvinen Faszie, die auch die Prostatavorderwand umgibt und seitlich bis auf den M. levator ani geht. 7 Beidseitige Durchtrennung des Lig. puboprostaticum (Ligament zwischen der Symphyse und der Prostata). 7 Seitliches Darstellen des Gefäß-Nerven-Bündels (NVB). Das Bündel kann ggf. geschont werden, sodass eine Erhaltung des Nervs gelingt (Randbiopsien unter Schnellschnittbedingungen). Dazu Inzision der Prostatakapsel bei 10 bzw 12 Uhr (SSL) und sukzessive Abtrennung des NVB von der Prostata. Hier wird sparsam koaguliert und eher geclippt, um thermische Nervenschädigungen zu vermeiden. 7 Unter den Bändern verläuft in der Medianlinie der Plexus prostaticus, ein Venengeflecht, das auf der Prostata über die Blase ins Becken zieht. Der Plexus wird mit einem Overholt unterfahren und danach umstochen. 7 Präparieren des Apex prostatae beidseits, nahe des Diaphragma urogenitale (Spitze der Seitenlappen der Prostata). 7 Die Urethra mit dem liegenden Katheter ist nun tastbar und wird dargestellt. Unmittelbar hinter dem Apex prostatae wird die Urethra inzidiert. 7 Vorlegen der beiden ventralen Anastomosennähte von innen nach außen unter Fassen des Harnröhrenendothels. Die benutzte Nadel des doppelt armierten Fadens kann entfernt werden. 7 Der transurethrale Katheter wird durchtrennt, dessen proximales Ende wird in die Wunde eingezogen und das distale Ende mit einer kräftigen Klemme (nach Kocher oder Mikulicz) am Rahmensystem befestigt. 7 Ab diesem Zeitpunkt der Operation fließt Urin mit in die Wunde! Die entsprechende Information wird an die Anästhesie gegeben und eine Zwischenbilanz des bisherigen Blutverlustes vorgenommen. 7 Vom Harnröhrenstumpf kann eine Probe entnommen und ebenfalls zur Schnellschnittuntersuchung gegeben werden. 7 Vorlegen von zwei oder mehreren dorsalen Anastomosennähten. 7 Der Apex prostatae wird nun durch Zug am durchgeschnittenen Katheter hochgezogen und der M. rectourethralis durchtrennt. 7 Freipräparieren der Prostatahinterwand mit Durchtrennung der Denonvillier-Faszie, die die
6
6
kLagerung
Rückenlage, evtl. etwas überstreckt in der Lendenwirbelsäule. Anlegen der Neutralelektrode am rechten Oberschenkel. ! Evtl. wird präoperativ ein Darmrohr zur Schienung des Rektums eingelegt, intraoperativ kann dann mittels Luftinsufflation eine Leckage ausgeschlossen resp. dargestellt werden. kAbdeckung
Gemäß Abteilungsstandard. Der Penis muss intraoperativ jederzeit erreichbar sein, deshalb Anlage eines »Lendenschurzes«.
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Radikale Prostatektomie
461 9.5 · Prostata
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Prostata von hinten umgibt und sie zum Rektum abgrenzt. Auslösen der Samenblasen, dann schrittweises Unterbinden der Gefäßpfeiler der Prostata rechts und links (ggf. unter Schonung des Gefäß-NervenBündels jeweils lateral) Präparation des Blasenhalses, der direkt unterhalb des Trigonums durchtrennt wird. Die Samenblasen, deren Arterien, und die Ductus deferentes werden freipräpariert, ligiert und durchtrennt (. Abb. 9.44). Das Gesamtpräparat wird entfernt und vom Operateur auf Vollständigkeit untersucht. Bevor es zur histologischen Untersuchung gegeben wird, wird es gewogen und mit Tinte markiert. Evtl. Entnahme von Proben aus dem Blasenhals, falls Tumorinfiltration vermutet wird. Bei Bedarf Einengung des Blasenhalses auf Kleinfingergröße mit resorbierbarem monofilem Nahtmaterial. Die Blasenschleimhaut wird mit feinen resorbierbaren Fäden evertiert, um eine stabile Anastomose zu erzielen. Der Dauerspülkatheter wird eingelegt, mit einer Pinzette durch den Blasenhals in die Blase eingeführt und mit 5–10 ml Glycerollösung vorgeblockt. Komplettierung der Anastomosennähte durch Einstechen der 2. Nadel an korrespondierender Position am neuen Blasenauslass. Anschließend kann auch die 2. Nadel entfernt werden. Falls der Patient überstreckt gelagert wurde, wird die Überstreckung vor dem Knüpfen der Anastomose aufgehoben. Die vorgelegten Anastomosennähte werden angezogen und stellen so die Verbindung zwischen Urethra und Blase her. Es muss eine spannungsfreie Anastomose entstehen. Evtl. wird zusätzlich eine suprapubische Harnableitung gelegt. Blutstillung, Einlage einer oder alternativ zweier Robinson-Drainage(n), evtl. Einlage eines Hämostyptikums. Zur orientierenden Überprüfung der Anastomosendichtigkeit kann die Blase über den liegenden Katheter mit einer Blasenspritze gefüllt werden (sterile NaCl- oder Ringer-Lösung). Eine weitere adaptierende Naht ist möglich. Endgültige Blockung des Katheters in der Prostataloge mit bis zu 40 ml Glycerollösung. Zählkontrolle aller Textilien und Instrumente, Dokumentation des Zählstandes. Schichtweiser Wundverschluss. Wundpflaster.
a
b
. Abb. 9.44 Radikale Prostatektomie. a Entfernen der pelvinen Lymphknoten, der Prostata mit den Samenblasen und Absetzen der Ductus deferentes. b Anastomosierung des Blasenhalses mit dem Harnröhrenstumpf
9.5.4
Laparoskopische Prostatektomie
Endoskopisch extraperitoneale radikale Prostatektomie (EERPE), (nEERPE = nerverhaltende Prostatektomie) Die laparoskopische radikale Prostatektomie kann sowohl transperitoneal als auch extraperitoneal durchgeführt werden. Das extraperitoneale Operationsverfahren hat sich durchgesetzt, da die Verletzungsgefahr intraperitonealer Organe geringer ist und die Rekonvaleszenz des Patienten in der Regel schneller verläuft (u. a. anderem kann der Blasenverweilkatheter früher entfernt werden). kIndikationen 4 7 Abschn. 9.5.1 und 7 Abschn. 9.5.2,
4 nicht metastasierendes Prostatakarzinom. kLagerung
4 Rückenlagerung mit korrekter Fixation, um eine Trendelenburg-Lagerung durchführen zu können. 4 Manche Operateure bevorzugen eine Lagerung mit gespreizten Beinen. kInstrumentarium
4 Grundinstrumente, 4 laparoskopisches Equipment (siehe MIC; 7 Abschn. 2.15), 4 0°-Optik, 4 5 Trokare (3×5 mm, 1×10 mm für die Optik, 1×12 mm (alternativ ebenfalls 10 mm), 4 Dauerkatheter mit Blockung für die Harnblase, ggf. ein DK für das Rektum als Schienung, 4 bipolare oder Ultraschalldissektionsinstrumente und/ oder Clipstapler, 4 Präpariertupfer,
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462
Kapitel 9 · Urologie
a
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b . Abb. 9.45a, b Präparation des Präperitonealraumes: a Dissektion entlang der eingezeichneten Linie (Pfeile) bis auf die hintere Rektusscheide, anschließend stumpfe Präparation des Präperitonealraums
4 Bergebeutel, 4 Nahtmaterial (geflochten, resorbierbar, atraumatisch 3–0). kPrinzip
Stumpfe Dissektion des Präperitonealraumes (. Abb. 9.45). Der Verlauf der OP entspricht der offenen radikalen retropubischen Prostatektomie. Durch die ca. 10- bis 15-facheVergrößerung kann das Gefäß-Nerven-Bündel zumeist gut identifiziert und so erhalten werden.
mittels Finger. b Präparation des Präperitonealraums mittels Ballontrokar. (Nach Stolzenberg et al. 2004)
EERPE 7 Desinfektion, sterile Abdeckung, Einbringen eines transurethralen Dauerkatheters mit Blockung. 7 Trokarpositionierung: – Paraumbilikale Minilaparotomie, Einbringen des 10-mm-Optiktrokars. 7 Insufflation des CO2 zur Anlage des Pneumoperitoneums. 7 Rechts und links 2 cm lateral der Mittellinie Einbringen von jeweils einem 5-mm-Arbeitstrokar. 7 Rechts und links, ca. 2–3 cm von der Spina iliaca entfernt, Einbringen von jeweils einem 5-mm6
463 9.5 · Prostata
7
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7 7 7 7 7 7 7 7 7 7 7 7 7 7 7
9.5.5
und einem 12-mm-Trokar (alternativ 10 mm; . Abb. 9.46). Nach der Präparation des Präperitonealraums mittels stumpfer Gewebetrennung wird bei entsprechender Indikation mit der pelvinen Lymphadenektomie (7 Abschn. 9.5.3) begonnen. Die weiteren Schritte der Prostatektomie entsprechen dem in 7 Abschn. 9.5.1 besprochenen Vorgehen bei der offenen retropubischen Prostatektomie: Präparation der Samenblasen. Präparation der Denonvillier-Faszie und Inzision. Präparation des Gefäß-Nerven-Bündels. Präparation der Prostatapfeiler und bipolare oder Ultraschalldurchtrennung. Durchtrennung des Plexus Santorini. Durchtrennung der Urethra. Entblockung des Dauerkatheters. Entfernung der Prostata in einem Bergebeutel über den linken 12-mm-Trokar am Ende der OP. Anlegen der Anastomose zwischen Blase und Urethra mit Einzelknopfnähten. Dichtigkeitsprüfung durch Instillierung von ca. 100 ml Aqua dest. oder Ringer-Lösung. Einlegen eines Dauerkatheters. Einlegen einer Silikon-Drainage. Ablassen des Gases. Wundverschluss und Verband. Anschluss des Urinabflusssystems.
. Abb. 9.46 Anordnung der Trokare für die EERPE (Platzierung in der angegebenen Reihenfolge). (Grafik von Jens Mondry, moonsoft, Jena; Abb. nach Stolzenberg et al. 2004)
Da Vinci-gesteuerte radikale Prostatektomie D. Oppermann, A. Haese
Das Da Vinci-System dient der Steuerung endoskopischer Instrumente bei thorakoskopischen und laparoskopischen Eingriffen. Es muss durch geschultes Fachpersonal in einem Operationssaal bedient werden. Für das Equipment wird ein ausreichend großer OPSaal benötigt, in dem das System fest installiert wird. Bei der Positionierung des Da Vinci-Systems und der Zubehörteile im Operationssaal muss auf maximale Sicherheit und Effizienz geachtet werden. Andere Funktionen und Geräte im Saal dürfen nicht behindert sein. Das Equipment besteht aus 3 Hauptkomponenten: 4 Konsole für den Chirurgen mit 2 Master-Steuerungselementen und einem integrierten Stereobildbetrachter mit 3-D-Anzeige (. Abb. 9.47). Der Chirurg braucht bei der Positionierung dieser Konsole im Sitzen einen freien Blick auf das Operati-
. Abb. 9.47 Das Da Vinci-System. (Fa. Intuitive Surgical)
onsfeld und gleichzeitig eine ungehinderte Kommunikation mit dem Assistenten. 4 Patientenwagen mit Kameraarm und 3 Instrumentenarmen. Da verschiedene Kabel an der Konsole angebracht werden müssen, sollte der Patientenwagen so positioniert werden, dass die Kabel nicht ständig in die Buchsen ein- und ausgesteckt werden müssen.
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464
Kapitel 9 · Urologie
4 Videosystemwagen mit Kamera und bildverarbeitenden Geräten sowie CO2-Insufflator, Hochfrequenzgerät und einer Lichtquelle. Der Videosystemwagen wird so positioniert, dass er problemlos vom Assistenten und dem Instrumentanten gesehen werden kann. 4 Optional: Ein Zusatzmonitor für den Instrumentanten.
9
Das »Da Vinci-System« darf nur von den Fachkräften der Firma »Intuitive Surgical« eingewiesen werden. Das Pflegepersonal bedient die Chirurgenkonsole nur beim Einund Ausschalten des Systems und Kalibrieren der Optik. Das Gerät testet sich selbst, während des Testvorgangs dürfen die Arme des Patientenwagens nicht bedient werden. Die Instrumentenarme und der Kameraarm am Patientenwagen werden vom Pflegepersonal auf Funktion überprüft und steril bezogen. Auch die Positionierung des Patientenwagens am Patienten muss geübt werden, da die Lenkung des Wagens schwierig ist. Sämtliche Geräte auf dem Videosystemwagen müssen gemäß MPG überprüft werden.
. Abb. 9.48 Instrumente für die Roboterarme des Da Vinci-Systems
4 Der Patient muss ausreichend gesichert werden, da er in eine extreme Kopftieflagerung gebracht wird. Eine Neutralelektrode wird am Oberschenkel angebracht. kInstrumentarium
kIndikationen
Histologisch gesichertes Prostatakarzinom. kKontraindikationen
Je nach Erfahrung des Operateurs mit dem Da Vinci-System können vermehrte Adhäsionen nach Voroperationen im Unterbauch eine Kontraindikation sein. Dies gilt auch bei Patienten mit vorangegangener Seed-Implantation (über ein Koordinationssystem werden kleinste radioaktive Teilchen, sog. »seeds«, in die Prostata eingebracht, um dort das Prostatakarzinom radioaktiv zu bestrahlen), oder bei einer sehr großen (z. B. mehr als 100 cm3) Prostata. kPrinzip
Radikale mikroinvasive, transperitoneale roboterassistierte Prostatektomie. Die Prostata wird retropubisch deszendierend durch in der Regel 6 Trokare operiert. Wenn das Tumorwachstum es zulässt, werden die Gefäß-NervenStränge geschont. kLagerung
4 Der OP-Tisch wird mit einer Tempur- oder Vakuummatratze abgepolstert. Eine Wärmematte ist obligat. 4 Es werden 2 Schulterstützen mit ausreichender Polsterung angebracht. 4 Die Narkoseeinleitung wird in Rückenlage auf einem geraden Tisch durchgeführt. 4 Nach der Narkoseeinleitung werden beide Arme des Patienten seitlich angelegt und entsprechend gepolstert und fixiert. 4 Der Patient wird in Steinschnittlagerung mit abgesenkten Beinen gelagert.
Das Instrumentarium unterscheidet sich hinsichtlich der Grundinstrumente nicht wesentlich von einer laparoskopischen Operation (7 Abschn. 2.15). Bei den MIC-Instrumenten muss das allgemeine MIC-Instrumentarium von den Da Vinci-spezifischen Instrumenten unterschieden werden. Da Vinci-spezifisches Instrumentarium: 4 Die Endoskopkamera mit 2 Optiken, Lichtleitkabel, verschiedene Trokare, Roboterinstrumente und Steriladapter sowie Kanülenbefestigungen für die steril bezogenen Roboterarme (. Abb. 9.48) sind von der Firma Intuitive Surgical Inc. für das Da Vinci-System entwickelt worden. 4 Sowohl die Roboterinstrumente als auch die Steriladapter für die Roboterarme haben einen Chip integriert. Dieser speichert die Häufigkeit der Einsätze des jeweiligen Instruments. Nach ca. 10 Einsätzen ist das Instrument funktionsunfähig. Die sog. »restlichen Leben« dieser Instrumente werden nach der Operation am Monitor angegeben und müssen dokumentiert werden, um zu verhindern, dass Instrumente mit 0 »Leben« resterilisiert werden. Die Dokumentation gibt gleichzeitig einen Überblick über die vergleichsweise teuren Instrumente, damit sie rechtzeitig neu bereitgestellt werden können. ! Die Steriladapter haben auch einen »Lebenszähler«. Im Gegensatz zu den Roboterinstrumenten funktionieren sie nach Ablauf der vorgegebenen Einsätze (50) weiter. Die entsprechenden Icons auf dem Kontrollmonitor leuchten dann rosafarben und nicht blau.
465 9.5 · Prostata
Die Roboterinstrumente haben eine 360° Beweglichkeit, die Branchen können um 90° in zwei Richtungen bewegt werden, sie sind wie eine Hand in allen Freiheitsgraden intuitiv vom Operateur über die Konsole steuerbar. 4 Laparoskopisches Instrumentarium: 5 2 Einmaltrokare (12 mm), 5 1×5-mm-Trokar, 4 2 Nadelhalter, 4 Dissektor, 4 Fasszange (bei Lymphknotenausräumung), 4 Schere, 4 Clipzange 10 mm für resorbierbare Clips, 4 Clipzange 5 mm für Titanclips, 4 Saug-Spül-System, 4 mono- und bipolares Kabel, 4 Bergebeutel, 4 Roboterinstrumente: 5 0° Optik der Fa. Intuitive, 5 Kamerakopfadapter für die Optik, 5 Lichtleitkabel, 5 3 Da Vinci-Trokare (8 mm), 5 3 Reduzierkappen für die Da Vinci-Trokare, 4 Nadelhalter, 4 bipolarer Maryland-Dissektor, 4 monopolare Maryland-Schere mit Adapter, 4 Kameraarmadapter/Kamerakanüle für den Kameraarm, 4 Adapter und Kanülenbefestigung für die steril bezogenen Instrumentenarme [in der Regel werden alle 4 Arme (d. h. ein Kameraarm, 3 Arme gekennzeichnet jeweils in Rot, Grün und Gelb) für die Instrumente benutzt], 4 Zusatzmaterialien: 5 sterile Bezüge für den Kameraarm und die Instrumentenarme, 5 Kamerabezug, 5 Saugerschlauch, 5 Stichskalpell, 5 Gleitgel, 5 Urinkatheter Silikon 18 Charr, 5 Urinkatheter Latex 18 Charr zur Schienung der Anastomose, 5 Aqua dest. zur Blockung des Urinkatheters, 5 Urinbeutelsystem, 5 NaCl 0,9% zum Anspülen des Katheters, 5 Blasenspritze, 5 Robinson-Drainage 15 Charr, 5 Magazine für Clips, 4 Nahtmaterialien: 5 3–0 resorbierbar, monofil, doppelt armiert für die Anastomosennaht (gekürzt auf je 17 cm Länge), 5 2–0 resorbierbarer geflochtener Faden für die Plexusnaht, 5 Nahtmaterial zum Verschluss der Wunde (s. oben).
Da Vinci-gesteuerte radikale Prostatektomie 7 Vorbereitung des Equipments: – Nach Einschalten des Systems an der Konsole und Überprüfung der Funktionalität der Instrumentenarme werden die Instrumentenarme und der Kameraarm steril bezogen. – Danach werden die Arme eingeklappt und mit einem sterilen Tuch abgedeckt, um zu vermeiden, dass sie während der Vorbereitung des Patienten unsteril werden. – Anschließend beginnt die Vorbereitung der Instrumente und des Zubehörs. 7 Das OP-Gebiet wird desinfiziert und der Patient abgedeckt, ein Blasenkatheter gelegt. 7 Der Assistent steht rechts, der Instrumentant links des Patienten. 7 Es werden alle benötigten Kabel angeschlossen und das Kamerakabel steril bezogen. 7 Während der Operateur die Veress-Nadel in den Bauchraum einführt und die CO2-Insufflation beginnt, kalibriert der Instrumentant gemeinsam mit dem Springer die Optik. 7 Nachdem die Insufflation beendet ist, wird die Veress-Nadel entfernt und der erste 12-mm-Trokar mit Hülse einen Fingerbreit oberhalb des Nabels eingeführt. 7 Der Obturator wird entfernt und die 0° Optik eingesetzt. 7 Der Gasanschluss wird an der Trokarhülse befestigt. 7 Nach der Inspektion des Bauchraums werden die weiteren 5 Tokare eingeführt; ggf. müssen Verwachsungen im Bauchraum gelöst werden. 7 Die Platzierung der Trokare ist abhängig vom Operateur und kann variieren. 7 Rechts zwischen Kameratrokar und Spina iliaca anterior superior (SIAS) werden drei Trokare platziert, der 12-mm-Trokar wird am dichtesten an der SIAS positioniert und dient als Hilfstrokar für den Assistenten. 7 Nabelwärts werden nun der 8-mm-Da Vinci-Trokar und abschließend der 5-mm-Trokar, der ebenfalls als Hilfstrokar für den Assistenten eingesetzt wird, platziert. 7 Auf der linken Seite werden die beiden letzten 2 Da Vinci-Trokare symmetrisch zwischen Kameratrokar und der SIAS eingebracht. 7 Der Operateur weist den Springer ein, den Patientenwagen exakt mittig zwischen den Beinen des Patienten zu positionieren und zu fixieren. 7 Die Optik wird am Kameraarm befestigt. 6
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466
9
Kapitel 9 · Urologie
7 Die drei Roboterinstrumente (bipolarer Dissektor, Nadelhalter, monopolare Schere) werden durch die Da Vinci-Trokare eingeführt und an den Instrumentenarmen befestigt. 7 Cave: Um ernsthafte Verletzungen zu vermeiden, darf der OP-Tisch auf keinen Fall bewegt werden, nachdem das Da Vinci-System in Position gebracht, die Trokare im Patienten platziert und die Manipulationsarme an den Kanülen befestigt wurden! 7 Durch den 5-mm-Trokar wird eine Saug-Spül-Kanüle geführt, die der Assistent bedient, der andere 12-mm-Trokar wird ebenfalls von dem Assistenten bedient und hauptsächlich für die Titanclipzange und die PDS-Clipzange benutzt (. Abb. 9.49). 7 Aufsuchen des Cavum Retzii. Hierzu wird das Peritoneum jeweils lateral der Plicae umbilicales inzidiert. 7 Nun lässt sich die Blase von der vorderen Bauchwand lösen, und der Blick auf die anteriore Prostata wird frei. 7 Aufsuchen der puboprostatischen Bänder. 7 Aufsuchen und Eröffnung der endopelvinen Faszie, Präparation der beiden puboprostatischen Bänder, die durchtrennt werden. 7 Dadurch wird die Prostata am Apex mobilisiert. 7 Der Plexus Santorini wird freipräpariert und mit einem resorbierbaren geflochtenen Faden umstochen. Die Nähte werden so gelegt, dass die Harnröhre dabei nicht verletzt wird. 7 Zur Vermeidung einer Blutung wird eine BackflowNaht an die Ausläufer des Plexus Santorini an der Prostataseite gelegt, um Blutungen aus den Venen der Prostata zu verhindern. 7 Der oben beschriebene Ablauf kann je nach Operateur variieren. 7 Erfahrene Da Vinci-Operateure beginnen sofort mit der deszendierenden Freipräparation der Prostata. Die Prostata wird vom Blasenhals freipräpariert. 7 Eröffnung der Blase durch Lösen der Schicht zwischen Blase und Prostata bis zur Urethra. 7 Der Instrumentant manipuliert den geblockten Blasenkatheter, um dem Operateur die Abgrenzung vom Blasenhals zur Prostata darzustellen. 7 Kleinere Blutungen werden geclippt oder mit dem bipolaren Dissektor koaguliert. 7 Nachdem die Urethra anterior eröffnet wurde, wird der entblockte DK so weit in die Prostata gezogen, dass die Spitze sichtbar wird. Die DK-Spitze wird vom Operateur mit dem dritten Roboterarm 6
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6
bauchdeckenwärts gezogen, um die Prostata anzuheben. Danach beginnt die dorsale Präparation der Prostata. Die Samenbläschen werden nacheinander mit dem bipolaren Maryland-Dissektor und der monopolaren Schere freipräpariert. Dabei werden die Gefäße, die Ductus deferentes und das umgebende Gewebe mittels resorbierbarer Clips ligiert und durchtrennt. Den Clipapplikator bedient der Assistent, während der Operateur das zu klippende Gewebe unter leichter Spannung hält. Es erfolgt die Mobilisation der Prostata vom Rektum, dabei wird die Denonvillier-Faszie auf dem Enddarm nach Möglichkeit belassen. Je nach Befund der vorherigen Prostatabiopsien werden die Gefäß-Nerven-Stränge, die der Prostata direkt anliegen und zur Potenz notwendig sind, vorsichtig von der Prostatakapsel abgeschoben. Hilfestellung zur Präparation dieser Gewebeschichten leistet die 10-fache Vergrößerung des Da Vinci-Systems. Kleine Blutungen am Gefäß-Nerven-Strang werden mit Titanclips (5 mm) versorgt. Hier sollte nach Möglichkeit kein Strom an das Gewebe kommen, um die Nerven nicht zu verletzen. Blutungen am verbleibenden Gewebe der Prostata können mit bipolarem Strom gestoppt werden. Diese »nervschonende« Methode kann je nach Tumorbefall beidseitig, einseitig u. U. auch gar nicht erfolgen. Nach der Präparation des Nervenbündels bis zum Apex an beiden Seiten wird die Harnröhre unter Schonung des Schließmuskels freipräpariert und durchtrennt, der Blasenkatheter bis zum Schließmuskel vorsichtig zurückgezogen. Die nun mobile Prostata wird in einen Bergebeutel gelegt. Erfolgt kein Schnellschnitt, wird die Prostata im Bergebeutel verwahrt, während die Anastomose von der Blase zum Schließmuskel genäht wird. Soll ein Schnellschnitt erfolgen, wird die Prostata unter Sicht durch Zurückziehen des 12-er Trokars und Vergrößerung des Schnitts geborgen. Der Operateur entnimmt dem Präparat einen Gewebeschnitt, während der Assistent den vergrößerten Schnitt schichtweise so verschließt, dass der 12-er Trokar wieder eingebracht werden kann, aber kein CO2 aus dem Bauchinnenraum entweichen kann.
467 9.6 · Blase
7 Es erfolgt nun je nach Befund die Lymphadenektomie mittels Fasszange, bipolarem Maryland-Dissektor und Titanclips auf beiden Seiten. 7 Das Ergebnis des Schnellschnitts gibt vor, ob die Gefäß-Nerven-Stränge erhalten werden können: Die Kontaktstellen der Prostata zu den Nervensträngen werden mikroskopisch untersucht, um sicherzustellen, ob die Nervenstränge belassen werden können oder bei Tumorkontakt entfernt werden müssen. 7 Bei befallenen Randzonen müssen die Gefäß-Nerven-Stränge entfernt werden. 7 Nun erfolgt die Anastomose der Harnröhre mit der Harnblase. 7 Der Latexkathether wird durch einen Silikonkathether ersetzt, der bis zum Schließmuskel vorgeschoben wird. 7 Die Nähte für die Anastomose sind vorher auf 17 cm gekürzt und am Ende geknotet worden. 7 Die Anastomose wird dorsal beginnend an der Harnröhre fortlaufend zum Blasenhals genäht (van Velthoven-Technik). 7 Kurz vor Fertigstellung wird der Blasenkatheter bis zur Blase geschoben und geblockt. 7 Nach Fertigstellung erfolgt die zweite Verknotung durch den Operateur. 7 Mittels einer Blasenspritze und NaCl-Lösung wird die Dichtigkeit der Anastomose über den Katheter überprüft. 7 Einlegen der Drainage. 7 Nach gründlicher Inspektion des Bauchraums auf Blutungen werden die Instrumente und Trokare unter Sicht entfernt, das CO2 abgelassen und der Da Vinci-Patientenwagen zurückgeschoben. 7 Die restlichen »Leben« der Roboterinstrumente werden vor Ausschalten des Monitors dokumentiert. 7 Wurde ohne Schnellschnitt operiert, erfolgt die Bergung der Prostata über den Bauchnabel. 7 Der schichtweise Verschluss der Inzisionen und Anlegen der Pflasterverbände beenden den Eingriff. 7 Der Patient wird wieder in die Rückenlage gebracht.
jKomplikationen
4 Organ- bzw. Darmverletzungen beim Einbringen der Veress-Nadel oder der Trokare, 4 Verletzung benachbarter Organe, 4 Blutungen, 4 Insuffizienz der Anastomose zwischen Blasenhals und Harnröhrensphinkter.
. Abb. 9.49 Da Vinci-System in situ
! Konvertierung bei nicht beherrschbaren Komplikationen oder mangelhafter Sicht. jNachsorge
Durch eine angepasste Schmerztherapie und eine frühe Mobilisation bleiben die Patienten bei komplikationslosem Verlauf 3–4 Tage in der Klinik. Der Blasenkatheter wird nach etwa 12–14 Tagen gezogen.
9.6
Blase B. Lengersdorf, C. Matthies, M. Liehn
Die Blase liegt unter der Peritonealhöhle und hinter der Symphyse. Am Oberrand wird sie begrenzt vom Spatium Retzii, der Verschiebeschicht für die Harnblasenfüllung. Die Harnblase geht nach kaudal in die Prostata über. Bei der Frau liegt der Blasenhals der Scheide an, hinter der Blase liegt der Uterus. Die Harnblase ist von innen mit einer dehnbaren Schleimhaut, dem Urothel, ausgekleidet. Fehlbildungen der Blase sind selten. Dazu zählen u. a. Divertikel, sehr selten entsteht der HarnblasenekstrophieEpispadie-Komplex, der auch mit Fehlbildungen des äußeren Genitale einhergeht. Entleerungsstörungen können zu Blasensteinen führen. Harninkontinenz zählt zu den Funktionsstörungen der Blase (7 Abschn. 9.8). Das Harnblasenkarzinom ist der zweithäufigste Tumor in der Urologie und hat seinen Ursprung in 90% der Fälle im Urothel. Malignome anderer Genese sind selten. Selbst kleinste Tumoren können eine Makrohämaturie hervorrufen, daher ist Blut im Urin, das nicht eindeutig von einer Entzündung herrührt, immer karzinomverdächtig und somit abklärungsbedürftig. Auf die seltenen Erkrankungen und ihre Therapie wird hier nicht näher eingegangen.
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468
Kapitel 9 · Urologie
9.6.1
Sectio alta (z. B. bei Blasensteinen)
Rezidivierende Harnwegsinfekte und Blasenentleerungsstörungen (z. B. bei der BPH) führen ggf. zur Entstehung von Blasensteinen. Mädchen und Frauen erkranken weniger häufig an Harnblasensteinen, weil sie durch ihre kurze Harnröhre das Urinsediment besser ausscheiden können. Die Zusammensetzung der Harnblasensteine ist unterschiedlich und hat keinen Einfluss auf die Therapie. Harnblasensteine sind i. Allg. therapiebedürftig. Die meisten Steine können aber endoskopisch, bei der BPH meist in Kombination mit einer TUR-P, entfernt werden. Die Auswahl des Operationsverfahrens richtet sich nach Anatomie, Größe und Anzahl der Steine sowie der Prostatagröße, falls diese zeitgleich entfernt werden soll. jDiagnostik
9
4 4 4 4 4 4
Übliche Laborparameter, Sonographie, Abdomenleeraufnahme, Zystogramm, CT (ohne Kontrastmittel), Zystoskopie (Prostatagröße? Harnröhrenstriktur? Divertikel?).
kIndikationen
4 4 4 4
Vorliegen von Harnblasensteinen, BPH, Entfernen von Fremdkörpern, endoskopisch nicht beherrschbare Blasentamponaden und Blutungen.
kPrinzip
Eröffnen der Blase und Entfernen der Harnblasensteine. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium, evtl. lange Instrumente, Balfour-Sperrer, Zügel, Nélaton-Blasenkatheter zur intraoperativen Harnableitung sowie einen Ablaufbeutel, Blasenspritze, sterile NaCl- oder Ringer-Lösung, Robinson-Drainage, Nahtmaterial nach Abteilungsstandard (monofil, resorbierbar der Stärke 0 oder 1 zum Verschluss der Blase), evtl. suprapubischer Blasenkatheter.
kLagerung
Rückenlage, evtl. leichte Überstreckung in der Lendenwirbelsäule. Neutralelektrode am Oberschenkel.
kZugang
Pfannenstiel-Schnitt oder Unterbauchschnitt in der Mittellinie. Sectio alta 7 Hautdesinfektion einschließlich des Genitalbereichs und steriles Abdecken des Operationsgebietes inkl. Anlage eines »Lendenschurzes«. 7 Legen des Nélaton-Blasenkatheters. 7 Handschuhwechsel und Anlegen des »Lendenschurzes«. 7 Hautinzision, Eröffnen des extraperitonealen Raums zwischen Harnblase und Bauchwand sowie des Spatium Retzii. 7 Auffüllen der Blase auf ca. 300 ml mit der Blasenspritze und NaCl- oder Ringer-Lösung. 7 Stumpfe Mobilisierung der Harnblase. 7 Einsetzen des Balfour-Sperrers, ggf. Schonung der Bauchwand mit feuchten Tüchern. 7 Vertikale Eröffnung der Blase bis ca. 1 cm an den Blasenhals heran. 7 Ab diesem Zeitpunkt fließt Urin mit in das OP-Gebiet, deshalb zeitnah ein Hinweis an die Anästhesie wegen Bilanzierung und Blutverlust! 7 Am Blasenhals wird eine Durchstichligatur (monofil, resorbierbar der Stärke 0 oder 1) zur Sicherung gegen ein weiteres Einreißen der Blase gesetzt. 7 Die vorhandenen Steine oder Fremdkörper werden mit einer Pinzette oder einer Péan-Klemme entfernt. 7 Nach Kontrolle auf Steinfreiheit wird die Blase zweischichtig mit kräftigem monofilem, resorbierbarem Nahtmaterial verschlossen. 7 Evtl. Einlage einer suprapubischen Harnableitung. 7 Einlage einer Robinson-Drainage. 7 Zählkontrolle aller Textilien und Instrumente und Dokumentation des Zählstandes. 7 Schichtweiser Wundverschluss und Verband. 7 Der Blasenkatheter wird belassen. 7 Evtl. Anlage einer Blasendauerspülung.
9.6.2
Radikale Zystektomie
Die komplette Entfernung der Blase, evtl. auch der Harnröhre, wird bei muskelinfiltrierendem Blasenkarzinom, das i. Allg. durch eine transurethrale Biopsie nachgewiesen wurde, durchgeführt. Dazu gehört beim Mann die Prostatektomie und bei der Frau die vordere Exenteration. Nach der Zystektomie muss eine neue Harnableitung geschaffen werden. Die Auswahl der neuen Harnableitung richtet sich nach der Ausbreitung des Tumors, der Lebens-
469 9.6 · Blase
erwartung des Patienten und dessen Wunsch. Prinzipiell wird eine neue Harnableitung unterteilt in: 4 orthotope (an Stelle der Harnblase), 4 heterotope (an einer anderen Stelle), 4 kontinente, 4 inkontinente (»nasse« Ableitung, der Harn wird in einem Ablaufbeutel aufgefangen) Harnableitungen. jDiagnostik
4 Übliche Laborparameter, (ggf. Gerinnung), 4 histopathologische Sicherung durch Biopsie (TURBlase; 7 Abschn. 9.3.3), 4 CT Thorax und Abdomen zum Ausschluss von Fernmetastasen, 4 Knochenszintigraphie zum Ausschluss von ossären Metastasen, 4 präoperative Stomaberatung und Markierung der geplanten Harnableitungsstelle. Präoperative Darmreinigung, perioperative Antibiotikabehandlung. kIndikationen
4 Muskelinfiltrierendes Blasenkarzinom, als Palliativmaßnahme bei fortgeschrittenem Blasenkarzinom mit nicht mehr beherrschbaren Blutungen, 4 fehlende Harnblasenkapazität mit Pollakisurie, 4 ggf. andere Ursachen mit erheblicher Funktionsstörung der Blase (z. B. Schrumpfblase nach Radiatio). kKontraindikation
Nicht behandelte Gerinnungsstörung. kPrinzip
4 Beim Mann: Entfernen der Blase, der Prostata, der distalen Ureter, der Samenblasen, bei Tumorbefall evtl. der Harnröhre sowie eine Ausräumung der pelvinen Lymphknoten; Anlage einer neuen Harnableitung. 4 Bei der Frau: Entfernen der Blase, des Uterus samt vorderem Vaginaldach, der distalen Ureteren, evtl. der Tuben, evtl. der Urethra sowie eine Ausräumung der regionären Lymphknoten; Anlage einer neuen Harnableitung. kLagerung
4 Rückenlage, 4 evtl. modifizierte Steinschnittlagerung mit abgesenkten Beinen. kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium, 4 lange Instrumente,
4 Laparotomieinstrumentarium mit Organfasszangen (nach Allis, Duval, Museaux), 4 weiche Darmklemmen (7 Kap. 2), 4 Rahmensperrer, 4 Zentimetermaß, 4 Zügel, 4 Schere nach Potts, 4 Klammernahtinstrumente für die neue Harnableitung (»linear cutter«), 4 evtl. Clipzange, 4 Ureterschienen (Mono-J), 4 Nélaton-Blasenkatheter, 4 bipolare Schere, 4 evtl. Urostomaset (je nach geplanter Harnableitung), 4 bei Bedarf Hämostyptika, 4 Nahtmaterial nach Abteilungsstandard (monofil, geflochten, resorbierbar, nicht resorbierbar, u. a. der Stärke 4–0, 5–0). kZugang
Unterbauchschnitt mit Linksumschneidung des Nabels. Radikale Zystektomie bei männlichen Patienten 7 Hautdesinfektion, einschließlich der Genitalregion. 7 Sterile Abdeckung des OP-Gebiets. 7 Legen des Nélaton-Blasenkatheters. 7 Handschuhwechsel, Anlegen des »Lendenschurzes« oder Eintuchabdeckung mit integrierten Beinlingen bei der Steinschnittlage. 7 Hautinzision, Spalten der Rektusscheide in Längsrichtung, Auseinanderdrängen der Rektusbäuche. 7 Durchtrennen der hinteren Rektusscheide ohne Eröffnung des Peritoneums. 7 Nach distal Eröffnen des Spatium Retzii. 7 Einsetzen des Rahmensperrers. 7 Beidseitige Lymphknotenentnahme im Bereich der Aa. iliacae und der Fossa obturatoria mittels Overholt- und Scherenpräparation, bipolarer Schere und/oder Clipzange. 7 Ggf. erweiterte Lymphadenektomie nach retroperitoneal. 7 Aufsuchen und Anschlingen der Ureteren, die möglichst weit nach distal in Richtung Blase freipräpariert werden. Nach dem Legen von Haltefäden werden die Harnleiter blasennah durchtrennt und die Absetzungsränder nach Seitenlokalisation getrennt zur Schnellschnittuntersuchung geschickt. Bei positivem Befund müssen die Ränder nachreseziert werden. 6
9
470
9
Kapitel 9 · Urologie
7 Einlegen von Mono-J-Schienen in beide Ureteren, wobei eine Schiene schräg abgeschnitten wird zur späteren Unterscheidung zwischen rechtem und linkem Ureter. Die Schienen werden mit Haltefäden (resorbierbar, geflochten, 4–0) an den Harnleitern befestigt. 7 Evtl. werden die Schienen mit steriler NaCl- oder Ringer-Lösung angespült, um sicher zu gehen, dass sie korrekt im Nierenbecken positioniert sind. 7 Seitliches Ausleiten der Schienen in einem Urinauffangbeutel (z. B. steriler Handschuh oder Plastikbeutel). 7 Dann aszendierendes Vorgehen (wie bei der radikalen Prostatektomie) oder alternativ zunächst deszendierend: – Mobilisation der Blase nach hinten und Anheben mit einer Organfasszange, Absetzen der oberen Blasenpfeiler mit der A. vesicalis superior. – Schrittweises Absetzen der seitlichen Blasenpfeiler bis in Höhe der Samenblasen. – Schrittweises Durchtrennen und Ligieren der tiefen Blasenpfeiler mit der A. vesicalis inferior. 7 Weiteres Vorgehen wie bei der radikalen Prostatektomie (7 Abschn. 9.5.3). 7 Der Harnröhrenabsetzungsrand wird zur Schnellschnittuntersuchung gegeben: Bei Tumornachweis kommt eine orthotope Harnableitung nicht in Frage, eine Urethrektomie sollte erfolgen (7 Abschn. 9.7.4). 7 Durchtrennen und Ligieren der puboprostatischen Bänder, lösen der Prostata vom Rektum. 7 Entfernung des Gesamtpräparates. 7 Blutstillung und Herstellen der neuen Harnableitung. 7 Danach Einlage einer oder zweier Robinson-Drainagen und evtl. Einlage eines Hämostyptikums. 7 Schichtweiser Wundverschluss. 7 Wundpflaster, Anschluss der Drainageablaufbeutel.
Radikale Zystektomie bei weiblichen Patienten 7 Einlage einer mit Schleimhautdesinfektionsmittel getränkten Scheidentamponade. 7 Legen des Nélaton-Blasenkatheters. 7 Vorgehen bis einschließlich pelviner Lymphadenektomie und Präparation der Harnleiter wie beim männlichen Patienten. 6
7 Absetzen der oberen Blasenpfeiler mit der A. vesikalis superior. 7 Schrittweises Absetzen der seitlichen Blasenpfeiler. 7 Darstellen des Douglas-Raumes und Mobilisieren des Uterus durch schrittweise Durchtrennung der Ligg. sacrouterina und Ligg. pubovesicales. 7 Dabei zunächst Inzision der dorsalen Scheidenwand unterhalb der Cervix uteri (hier hilft die gut palpable Scheidentamponade als Orientierung, um das Rektum nicht zu verletzen). 7 Beidseitige lateroventrale Inzision der Scheide mit Entfernung eines ca. 2 cm weiten Segments der vorderen Scheidenwand. 7 Inzision der endopelvinen Faszie. 7 Mobilisierung der Urethra ca. 0,5 cm distal des Blasenhalses. 7 Absetzen des Gesamtpräparates und Schnellschnittuntersuchung des Harnröhrenstumpfes zur weiteren Planung der neuen Harnableitung (7 Abschn. 9.7.8). 7 Vaginalrekonstruktion durch Mobilisation der Vaginalhinterwand und Klappen derselben nach vorn. 7 Nach Anlage der neuen Harnableitung Einlage einer oder zweier Robinson-Drainagen und evtl. eines Hämostyptikums. 7 Schichtweiser Wundverschluss. 7 Wundpflaster, Anschluss aller Drainageablaufbeutel, Entfernen der Scheidentamponade!
9.7
Harnleiter
Die Harnleiter beginnen am Nierenbecken, sie bilden dort eine Art Trichter, in dem der von der Niere gefilterte Urin gesammelt wird. Sie verlaufen hinter dem Bauchfell (retroperitoneal) über die beiden Aa. iliacae communis, bevor sie in die Blase münden. Nach dem Eintritt in die Blase verlaufen die Harnleiter ein kurzes Stück innerhalb der Blasenwand (intramural); dadurch wird bei Füllung der Blase ein Rückfluss (Reflux) in die Nieren durch einen natürlichen Ventilmechanismus weitestgehend verhindert. Durch den intramuralen Verlauf entstehen zwei konvergierende Falten, die das Trigonum vesicae (Harnblasendreieck) begrenzen. Die folgenden 3 Stellen bilden die physiologischen Ureterengen: 4 Abgang aus dem Nierenbecken, 4 Überkreuzung der großen Gefäße, 4 Eintritt in die Blase.
471 9.7 · Harnleiter
Fehlbildungen am Harnleiter treten relativ häufig auf. Durch Störungen im Harntransport kann es als Folge zu rezidivierenden Harnwegsinfekten, Harnleitersteinen und zur Niereninsuffizienz kommen. Verletzungen des Harnleiters sind selten. Iatrogene Harnleiterverletzungen und Steine können zu Strikturen führen. Das Urothelkarzinom des Harnleiters hat ähnliche Entstehungsfaktoren wie das Harnblasenkarzinom (z. B. Rauchen, chemische Faktoren wie Giftstoffe am Arbeitsplatz sowie genetische Disposition). Grundsätzlich sind in der Erwachsenenchirurgie Operationen am Harnleiter relativ selten geworden, da die meisten Erkrankungen frühzeitig entdeckt und dann auch im Kindesalter operiert wurden. Auch der Fortschritt in der minimal-invasiven Chirurgie führt dazu, dass Verletzungen und Verwachsungen weniger häufig vorkommen.
9.7.1
Antirefluxplastik
Die regelgerecht angelegten Harnleiter verlaufen nach ihrem Eintritt in die Blase ca. 2–3 cm schräg durch die Blasenwand. Der Urin kann ungehindert in die Blase fließen. Durch die zunehmende Blasenfüllung erhöht sich der Innendruck, und der Harnleiter wird in der Blasenmuskulatur zusammengedrückt. Ein Zurückströmen von Urin in den Harnleiter und die Nieren (Reflux) unterbleibt. Wenn der Verlauf intramural nicht oder zu kurz angelegt wurde, also ein inkompetenter vesikoureteraler Übergang besteht, führt dieser zu Reflux von Urin bis zurück in die Niere. Es können rezidivierende Harnwegsinfekte und eine chronische Pyelonephritis bis zum Verlust der Nierenfunktion entstehen. Der vesikorenale Reflux wird nach Parkulainen in eine Skala von 1–5 eingeteilt (. Tab. 9.1). kIndikationen
4 Erreichen von Grad 3–4 der Parkulainen-Skala (. Tab. 9.1). 4 Resektion des distalen Harnleiters mit anschließender Reimplantation.
. Tab. 9.1 Einteilung des vesikorenalen Reflux nach Parkulainen Grad
Kennzeichen
1
Reflux nur in den Harnleiter
2
Reflux erreicht das Nierenbecken
3
Reflux in das Nierenbecken, Erweiterung des Hohlraumsystems
4
Massive Erweiterung des Hohlraumsystems
5
Starke Erweiterung, die meisten Kelche sind nicht mehr erkennbar
kPrinzip
Tunnelbildung zwischen Blasenschleimhaut und Blasenmuskulatur zur Bildung eines neuen Ventils. Es stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung: Extravesikales Vorgehen nach Lich-Grégoir 7 Bei aufgefüllter Blase wird der/die Harnleiter an der Blasenaußenwand aufgesucht und bis zum Eintritt in die Blase freipräpariert. 7 Nach Anlegen von Haltefäden wird die Blasenmuskulatur nach kranial über eine Länge von 4– 5 cm bis auf die Mukosa durchtrennt, ohne die Blasenschleimhaut zu eröffnen (. Abb. 9.50a, b). 7 In diesen so geschaffenen »Graben« wird der Ureter, ausgehend von seinem Originalostium, hineinverlagert und submukös eingenäht (4–0 geflochten, resorbierbar; . Abb. 9.50c). Da die Muskulatur über dem Ureter wieder verschlossen wird, wird der Ventileffekt durch diesen intramuralen Verlauf wiederhergestellt.
Operation nach Politano-Leadbetter 7 . Abb. 9.51.
Intravesikales Vorgehen nach Cohen 7 Nach Eröffnen der Blase wird das Ostium aufgesucht und eine Ureterschiene (Mono-J) eingelegt, die am Harnleiter mit Haltenähten befestigt wird (4–0 resorbierbar, geflochten; . Abb. 9.52a). 7 Das Ostium wird umschnitten und der Harnleiter unter leichtem Zug an der Schiene aus der Blasenwand gelöst, bis er in die Blase gezogen werden kann. 7 Die Tunnelierung der Mukosa erfolgt ausgehend vom alten Ostium in Richtung Gegenseite. 7 Der geschiente und spatulierte Harnleiter wird durch den Tunnel gezogen und an seiner neuen Mündungsstelle mit der Blasenmuskulatur anastomosiert. 7 Blasenschleimhaut und Ureter werden miteinander verbunden (resorbierbar, geflochten 4–0; . Abb. 9.52e). 7 Der Mono-J-Katheter wird evtl. belassen. 7 Zweischichtiger Blasenverschluss (monofil, resorbierbar, Stärke 0). 7 Weiteres Vorgehen wie bei der Boari-Plastik (s. unten), der Blasenkatheter muss nicht zwingend belassen werden.
9
472
Kapitel 9 · Urologie
a
b
c
. Abb. 9.50 Extravesikale Antirefluxplastik nach Lich-Grégoir. (Nach Kelalis et al., zit. in Hautmann u. Huland 2001/2006)
9 a
d
b
c
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f
. Abb. 9.51 Transvesikale Antirefluxplastik nach Politano-Leadbetter. (Nach Hautmann u. Huland 2001/2006)
a
b
c
d
. Abb. 9.52 Transvesikale Antirefluxplastik nach Cohen. (Nach Glassberg et.al., zit. in Hautmann u. Huland 2001/2006)
e
473 9.7 · Harnleiter
9.7.2
Ersatzplastik am distalen Harnleiter (Boari-Plastik)
Bei angeborenem vesikouretralem Reflux mit rezidivierenden Infekten oder auch nach Verletzungen der Ostien oder des distalen Harnleiters, z. B. nach TUR-Prostata, TUR-Blase, Ureterorenoskopie (URS) sowie bei Tumorinfiltration des distalen Harnleiters, wenn auf eine Nephroureterektomie verzichtet wird, kann eine Rekonstruktion des distalen Harnleiters erfolgen. Aus der Blasenwand wird ein Lappen gebildet, der durch submuköse Tunnelung des Harnleiters die Strecke des fehlenden Teils des Ureters überbrückt. Voraussetzung zur Durchführung der Operation sind ein ausreichendes Fassungsvermögen der Blase sowie eine intakte Blasenwand. jDiagnostik
4 4 4 4 4
Übliche Laborparameter, Urinsediment, Sonographie von Blase und Niere, Miktionszysturethrographie (MCU), ggf. Isotopennephrogramm (ING) bei Zweifel über die Funktion der betroffenen Niere.
kIndikationen
4 Ausgedehnte Verletzung oder Striktur des distalen Harnleiters, 4 wenn eine spannungsfreie Reimplantation des Harnleiters in die Blase ohne Lappenbildung nicht möglich ist. kPrinzip
Lappenbildung aus der Blasenwand. Neueinpflanzung des Restureters durch Tunnelbildung zwischen Blasenschleimhaut und Blasenmuskulatur zur Bildung eines neuen Antirefluxventils. kLagerung
4 Rückenlage, 4 evtl. auch Steinschnittlagerung. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium, feine Klemmen und Scheren, bei Bedarf lange Instrumente, ggf. Balfour- oder Rahmensperrer, Gummizügel, Nélaton-Blasenkatheter, Blasenspritze, Ureterschiene (Mono-J), Robinson-Drainage, Nahtmaterial nach Abteilungsstandard, u. a. feines resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial (z. B. 4–0).
kAbdeckung
Nach Abteilungsstandard mit »Lendenschurz«, um jederzeit den Genitalbereich erreichen zu können, bei Steinschnittlage Eintuchabdeckung mit integrierten Beinlingen. Boari-Plastik 7 Hautdesinfektion einschließlich des Genitalbereichs und sterile Abdeckung des OP-Gebiets. 7 Legen des Blasenkatheters. 7 Handschuhwechsel und Anlegen des »Lendenschurzes«. 7 Pfannenstiel-Schnitt mit extra- oder transperitonealem Zugang bei Verwachsungen. 7 Hautinzision mit dem Skalpell, Quereröffnung der Rektusscheidenfaszie. 7 Auseinanderdrängen und stumpfes Unterfahren der Rektusbäuche. 7 Eröffnen des extraperitonealen Raumes (Spatium retropubicum) und Abschieben des Peritonealsacks von der Blasenvorderwand möglichst weit nach kranial. 7 Schaffen eines möglichst großen Eingangs in den paravesikalen Raum der zu operierenden Seite. 7 Aufsuchen und Anschlingen des Harnleiters oberhalb der Kreuzung der Iliakalgefäße. 7 Präparation nach distal bis zum veränderten Ureteranteil. 7 Anlegen einer Haltenaht, Durchtrennen des Harnleiters und Resektion des veränderten Anteils. 7 Einlegen einer Ureterschiene, die proximal bis in die Niere hochgeschoben und mit einem feinen resorbierbaren Faden fixiert wird. 7 Die Base wird aufgefüllt und die Blasenwand soweit mobilisiert, dass ein ausreichend großer Lappen gewonnen werden kann. Dessen Basis sollte in Richtung des ursprünglichen Ostiums liegen (Blasenhinterwand), um eine gute Durchblutung zu gewährleisten. 7 Anlegen von Markierungsnähten und Zuschneiden des Lappens, der etwas länger als der zu überbrückende Defekt sein sollte und mindestens 2 cm breit sein muss. 7 Am Ende des Lappens wird mit einem feinen Overholt mittig ein submuköser Tunnel von ca. 4 cm Länge gebildet, vorher ggf. Unterspritzung der Schleimhaut mit NaCl im Sinne einer Hydrodissektion der Schichten. 7 Der mit einem Faden markierte Ureter wird durch den Tunnel gezogen und mit feinen resorbierbaren Fäden mit der Blasenschleimhaut vernäht 6
9
474
Kapitel 9 · Urologie
9.7.3
7
7
7 7 7 7
9
7 7 7
(Antirefluxplastik nach Politano-Leadbetter; . Abb. 9.51). Mukosa-Mukosa-Naht, Ureteradventitia und Blasenmuskulatur werden zur Sicherheit miteinander vernäht. Verschluss des Boari-Lappens über dem Ureter und der liegenden Schiene, ohne den Harnleiter einzuengen (. Abb. 9.53). Falls nötig, wird die Schiene belassen und separat transvesikal-transkutan ausgeleitet. Verschluss der Restblase mit groben resorbierbaren Fäden der Stärke 0 oder 1. Einlage einer Robinson-Drainage. Zählkontrolle und Dokumentation aller Textilien und Instrumente und Dokumentation des Zählstandes. Schichtweiser Wundverschluss. Evtl. wird der Blasenkatheter belassen. Wundpflaster.
Ureterfreilegung
Die Freilegung der Harnleiter kommt meist nur noch bei Harnleitertumoren, Stenosen und Verletzungen – zumeist nach urologisch-endoskopischen, gynäkologischen oder chirurgischen Eingriffen – in Frage. Harnleitersteine werden in aller Regel mittels endoskopischer Maßnahmen, wie der Ureterorenoskopie (7 Abschn. 9.3.4) oder der extrakorporalen Stoßwellenlithoplaxie (ESWL) entfernt. Zugang und Lagerung richten sich nach dem Sitz der Harnleiterveränderung. Bei Erkrankungen im oberen Drittel des Harnleiters wird ein extraperitonealer Zugang in Seitenlage, bei Erkrankungen im mittleren und unteren Drittel wird ein extraperitonealer Zugang in Rückenlage mittels Pararektal- oder Parainguinalschnitt gewählt. Sollten in Ausnahmefällen Steine entfernt werden müssen, wird präoperativ röntgenologisch der genaue Sitz des Steins bestimmt. jDiagnostik
4 Übliche Laborparameter, 4 retrogrades Pyelogramm. kIndikationen
4 4 4 4
Kurzstreckige Harnleiterstrikturen, Verletzungen des Harnleiters, Harnleitersteine, Harnleitertumoren.
kPrinzip
Resektion der Stenose, des Tumors oder Entfernung der Steine mit anschließender End-zu-End-Anastomose des Ureters. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4
. Abb. 9.53 Nahezu 2/3 des Harnleiters können mit Hilfe eines gestielten Boari-Blasenlappens und zusätzlicher Hörner-Blasenplastik (sog. Psoas-Hitch-Technik) ersetzt werden. Hierbei wird der aus der Harnblase gebildete sog. Boari-Lappen zu einem Rohr geformt und der Harnleiter im Sinne einer Ureterozystoneostomie und Fixation des Blasenhornes am M. psoas implantiert. (Nach Hautmann u. Huhland 2006)
Grundinstrumentarium, evtl. langes Instrumentarium, bei Bedarf Balfour- oder Finocchietto-Sperrer, feines Skalpell, Schere nach Potts de Martell, Ureterschiene (Doppel-J) Zügel, Robinson-Drainage, evtl. Nélaton-Blasenkatheter, der postoperativ eingelegt wird, 4 Nahtmaterial nach Abteilungsstandard (u. a. feine resorbierbare, geflochtene Fäden der Stärke 4–0 sowie monofile Fäden der Stärke 5–0), 4 bei Bedarf spezielles Steininstrumentarium, z. B. Steinfasszangen, biegbare Steinlöffel, Knopfsonde, Dissektor, 4 Spritze und Knopfkanüle, sterile NaCl- oder RingerLösung.
475 9.7 · Harnleiter
kLagerung
Je nach Zugang Seitenlagerung oder Rückenlage. Falls der Bildwandler benötigt wird, ist an den Strahlenschutz für Patienten und Personal zu denken. Anlegen der Neutralelektrode am Oberschenkel. kZugang
Flankenschnitt, Pararektal- oder Parainguinalschnitt. Ureterfreilegung 7 Hautdesinfektion und sterile Abdeckung des OPGebiets. 7 Hautinzision. 7 Stumpfes Ablösen des Peritoneums. 7 Einsetzen eines entsprechenden Wundsperrers, ggf. vorherige Umlegung mit feuchten Tüchern. 7 Darstellen und Anschlingen des Ureters. 7 Präparation und Aufsuchen des Befundes unter Schonung der begleitenden Harnleitergefäße, sonst kann es zu einer Nekrose kommen. 7 Anlegen von Haltefäden (4–0 resorbierbar, geflochten) distal und proximal der Veränderung.
7 Spatulieren des distalen und proximalen Endes des Ureters mit der Schere nach Potts; die Spatulierung nach kranial und kaudal erfolgt um 180° versetzt. 7 Einlage eines Doppel-J-Katheters. 7 Legen von Ecknähten mit feinem monofilem Nahtmaterial 5–0. 7 Verschluss von Vorder- und Hinterwand mit Einzelknopf- oder fortlaufender Nahttechnik.
Striktur oder Harnleiterabriss 7 Ureteroureterostomie wie oben beschrieben. 7 Zählkontrolle aller Textilien und Instrumente, Dokumentation des Zählstandes. 7 Einlage einer Robinson-Drainage. 7 Schichtweiser Wundverschluss, Wundpflaster. 7 Evtl. Einlage eines Blasenkatheters.
9.7.4 Steinentfernung 7 Längsinzision des Ureters. 7 Mit Hilfe des Steininstrumentariums wird der Stein entfernt und danach der Ureter nach distal und proximal mit Spritze und Knopfkanüle durchgespült (NaCl- oder Ringer-Lösung). 7 Einlage einer Ureterschiene und Dauerableitung für 7–10 Tage. 7 Verschluss der Ureterotomie mit feinem resorbierbarem Nahtmaterial 5–0 mit Einzelknopfnähten.
Tumorresektion 7 In aller Regel werden Karzinome des Harnleiters per URS gesichert. Dann sollten Niere und betroffener Harnleiter entfernt werden. Bei schlechter Funktion der kontralateralen Niere muss ggf. der Organerhalt angestrebt werden. 7 Resektion des betroffenen Harnleiterabschnittes. 7 Das Resektat wird zur Schnellschnittuntersuchung (»Ränder frei?«) gegeben. 7 Herstellung einer End-zu-End-Anastomose: Dazu müssen beide Ureterenden frei von narbigen Veränderungen sein und locker adaptiert werden können. 6
Ureterokutaneostomie
Bei der Ureterokutaneostomie wird/werden der/die Harnleiter direkt in die Haut implantiert. Dieses Verfahren gilt als Palliativeingriff. Er ist technisch einfach und kann mit geringem Zeitaufwand durchgeführt werden. Ein wesentlicher Nachteil ist die erhöhte Stenoserate im HautSchleimhaut-Bereich. Ureterokutaneostomie (»feuchte« Harnableitung) 7 Die geschienten Harnleiter werden mobilisiert und nach kranial präpariert. 7 Sie werden zur Bauchwand geführt und dort ausgeleitet. 7 Eine weitere Möglichkeit ist, einen Ureter mit Endzu-Seit-Technik in den zweiten zu implantieren und diesen dann unilateral auszuleiten. 7 Das Harnleiterende wird auf einer Strecke von 2– 3 cm mit der Schere nach Potts gespalten und samt Schiene zur seitlichen Bauchwand ausgeleitet (. Abb. 9.54). Im Hautstoma wird ein dreieckiger Zipfel Haut ausgeschnitten und in die Ureterinzision eingenäht (5–0 monofil resorbierbar), dadurch soll die Stenosetendenz verringert werden. 7 Die Versorgung erfolgt mit einem selbstklebenden Beutel.
9
476
Kapitel 9 · Urologie
Ileumkonduit nach Wallace
9 . Abb. 9.54 Ureterokutaneostomie
9.7.5
Ileumkonduit
Ileum- oder auch Kolonkonduits gelten seit mehr als 50 Jahren sowohl beim Urothelkarzinom als auch bei anderen Malignomen im kleinen Becken als Standardtherapie der supravesikalen Harnableitung. Beim Ileumkonduit werden die Harnleiter mit einer kurzen Ileumschlinge anastomosiert, und diese wird dann am rechten Unterbauch aus der Haut ausgeleitet. kPrinzip
Eine etwa 15–20 cm lange Ileumschlinge wird ca. 20 cm vor der Ileozäkalklappe ausgeschaltet. Der verbleibende Dünndarm wird reanastomosiert (mit Naht bzw. in Staplertechnik; 7 Kap. 2). Der linke Harnleiter wird unter dem Sigma in Höhe der Gefäßbifurkation auf die rechte Seite geführt. Die Implantation der Ureteren erfolgt entweder nach Bricker oder nach Wallace.
7 Die Harnleiterenden werden an den Enden mit der Schere nach Potts spatuliert und auf ca. 1,5 cm gleich- oder gegenläufig miteinander Seitzu-Seit (5–0 monofil resorbierbar) verbunden, dadurch entsteht eine »Ureterplatte«. 7 Diese wird dann in das orale, ausgeschaltete Ileumsegment anastomosiert und hat aufgrund der größeren Fläche ein geringeres Risiko einer Stenose der ureteroilealen Anastomose. 7 Die ideale Lokalisation für das Stoma führt durch den M. rectus abdominis und ist vor der Operation an der Hautaustrittstelle markiert worden. 7 Die Haut wird kreisförmig mit einem Durchmesser von ca. 1,5 cm gespalten, der Muskel im Faserverlauf stumpf zur Seite gedrängt und das Peritoneum inzidiert. 7 Das aborale Ende des Konduits wird mit einer weichen Darmklemme oder einer Allis-Klemme durch den Muskel bis ca. 5 cm über das Hautniveau gezogen. 7 Das Konduit wird ggf. an der Faszie fixiert (3–0 resorbierbar, geflochten). 7 Danach wird das Darmende evertierend mit der Subdermis vernäht, sodass ein prominentes Stoma entsteht (7 Abschn. 2.12.9 Anus praeter). 7 Versorgung mit Urostomaklebebeutel.
9.7.6
Kolonkonduit
Die Versorgung mit einem Kolonkonduit ist alternativ zum Ileumkonduit bei Bestrahlungen im kleinen Becken, bei fehlendem distalem oder mittlerem Harnleiter, bei zu kurzem Dünndarm oder beim M. Crohn des Ileums gegeben. Der ausgeschaltete Darmanteil ist das Colon transversum, alternativ kann auch das Colon sigmoideum gewählt werden (. Abb. 9.55). Die Gefäßversorgung erfolgt beim Colon transversum über die A. colica media, beim Sigmoideum über die A. mesenterica inferior.
Ileumkonduit nach Bricker
Transversumkonduit
7 Verschluss des oralen Endes des ausgeschalteten Darmsegmentes, das aborale Ende wird zur Haut ausgeleitet. 7 Die Harnleiter werden einzeln seitlich in die Darmwand anastomosiert (4–0 resorbierbar, geflochten).
7 Ein ca. 20 cm langes Darmsegment (z. B. Colon transversum) wird aufgesucht, mobilisiert und aus der Darmpassage ausgeschaltet. 7 Ein Harnleiter wird retromesenterial auf die Gegenseite geführt. 6
477 9.7 · Harnleiter
a
d
b
c . Abb. 9.55 Kolonkonduit. a Isolierung eines Sigmasegments. b, c Wiederherstellung der Darmkontinuität, retroperitoneales lateroko-
7 Der Darm wird an einer freien Tänie ca. 4 cm längs eröffnet. 7 Die Harnleiter werden in Antirefluxtechnik (7 Abschn. 9.7.2) implantiert. 7 Danach quere Vernähung der Darmöffnung. 7 Die Technik der Anlage des Stomas entspricht der beim Ileumkonduit beschriebenen (7 Abschn. 9.7.5).
lisches Durchziehen beider Harnleiter. Antirefluxive Implantation der Harnleiter. d Retroperitonisiertes Kolonkonduit. (Nach Sigel 1993)
sich dann intermittierend katheterisieren (Mainz-Pouch I, z. B. über den Nabel), oder der Urin wird über den Anus entleert. Nachteile sind rezidivierende fieberhafte Harnwegsinfekte und die Gefahr eines sekundären Adenokarzinoms im Bereich der ureterointestinalen Anastomose.
9.7.8
9.7.7
Mainz-Pouch I und II
Hier handelt es sich um eine kontinente Harnableitung. Die Harnleiter werden in entweder einen ausgeschalteten Darmanteil (Ileum und Zäkum) oder in einen detubularisierten Sigmaanteil, der aus der direkten Stuhlpassage herausgenommen wird und sich damit in einem »Niederdruckbereich« befindet, implantiert. Die Patienten müssen
Anlage einer Neoblase
Die orthotope Blasenersatzplastik bei Patienten beiderlei Geschlechts ist möglich, wenn der Tumor die Harnröhre und den M. sphincter externus nicht infiltriert hat. Die Neoblase wird in aller Regel als Ileumneoblase angelegt. Durch die antimesenteriale Längsinzision des Darms, mit W- oder S-förmiger Vernähung zu einer Platte, entsteht ein »Niederdruckreservoir«, d. h. allein die Füllung mit Urin bewirkt den Harndrang, der über den funktionierenden Sphinkter zur Harnentleerung führt.
9
478
Kapitel 9 · Urologie
Harninkontinenz der Frau
9.8 Neoblasenanlage
9
7 Ein ca. 60 cm langes Dünndarmsegment wird in ungefähr 15 cm Abstand vor der Ileozäkalklappe ausgeschaltet. Der Darmanteil muss eine ausreichende eigene Gefäßversorgung besitzen! 7 Die Darmkontinuität wird durch End-zu-EndAnastomose mittels Handnaht oder in Seit-zuSeit-Staplertechnik wiederhergestellt. 7 Detubalisierung durch antimesenteriale Längsinzision der ausgeschalteten Darmschlinge, wobei an beiden Enden (bei seitengetrennter Ureterimplantation) oder nur am aboralen Ende (bei Verwendung der Wallace-Platte) ca. 5 cm eröffnet werden. 7 Blutstillung und Säuberung des Darmsegments. 7 S- oder W-förmige Anordnung des Darmabschnittes und Nähte der benachbarten Ränder, sodass eine Platte entsteht. Die Harnleiter werden seitengetrennt jeweils in das nicht tubularisierte Ende der Neoblase eingenäht. Dabei können die Ureteren mit einer Antirefluxtechnik in die Dünndarmplatte implantiert werden. Bei antirefluxiver Technik kann es vermehrt zu Stenosen kommen, dafür ist ein besserer Schutz vor aszendierenden Infekten gegeben. Die seitengetrennte Implantation der Harnleiter erspart die Verlagerung eines Harnleiters unter dem Darm hindurch auf die kontralaterale Seite. 7 Die Anlage einer Wallace-Platte (7 Abschn. 9.7.5, Ileumkonduit) zum Einnähen der Ureteren ist ebenfalls möglich. 7 Die unteren Enden der Dünndarmplatte werden nach oben eingeschlagen. Die Vorderwand der Neoblase wird dabei T-förmig verschlossen (3–0 resorbierbar, geflochten, gerade Nadel). 7 Durch die zuvor mit Anastomosennähten vorbereitete Urethra (doppelt armierte Fäden 4–0, nicht resorbierbar, monofil) wird ein 22-Charr-Blasenkatheter geführt. 7 Am untersten Punkt der Neoblase wird mit einem langen Diathermiestichel eine Öffnung für den Katheter geschaffen und dieser dort mit 30 ml geblockt. 7 Die Urethra wird an der Kathetereintrittstelle mit der Neoblase vernäht (ähnlich der Anastomose der Harnröhre mit dem Blasenhals bei der radikalen Prostatektomie).
Definition Harninkontinenz wird definiert als Zustand mit jeglichem unwillkürlichem Urinverlust, der ein soziales oder hygienisches Problem darstellt (Zitat aus Schmelz et al. 2006; Definition der International Continence Society; ICS).
Es wird unterschieden zwischen: 4 Belastungsinkontinenz (früher: Stressinkontinenz): Unwillkürlicher Harnverlust bei körperlicher Belastung, Niesen, Husten. 4 Dranginkontinenz: Unwillkürlicher Harnverlust in Kombination mit plötzlich vorausgegangenem Drangempfinden. 4 Mischinkontinenz: Unwillkürlicher Harnverlust assoziiert mit Harndrang wie auch mit körperlicher Belastung, Niesen, Husten. 4 Nächtliche Enuresis: Jeglicher unwillkürlicher Harnverlust während des Schlafes. 4 Übrige Inkontinenzformen: Situationsabhängige Inkontinenzepisoden, z. B. bei Geschlechtsverkehr. 4 Als Sonderform gilt die neurogene Inkontinenz, die auf einer neurologischen Grunderkrankung beruht. Als Ursache für die Belastungsinkontinenz gelten z. B. Alterungsvorgänge, Adipositas und eine Beckenbodensenkung, z. B. nach vaginalen Geburten. Die Therapie ist abhängig von Form und Ausprägung der Inkontinenz. Die operative Maßnahme sollte erst bei Versagen der konservativen Therapie, z. B. Beckenbodentraining, in Betracht gezogen werden. Es gibt vielfältige Verfahren, von denen sich die unten aufgeführten Techniken durchgesetzt haben. Harninkontinenzformen der Frau werden sowohl von Urologen als auch von Gynäkologen therapiert (7 Kap. 8).
9.8.1
»Tensionfree Vaginal Tape« (TVT, TVT-O)
Einbringen eines »tensionfree vaginal tape« (TVT = spannungsfreies Band; 7 Abschn. 8.6.10), welches auch transobturatorisch positioniert werden kann (TVT-O). Das TVT ist ein synthetisches Band, das von vaginal mit einer Spezialnadel um die Urethra retrosymphysär nach ventral eingebracht wird. Es wird nicht fixiert (daher: »tensionfree«), sondern verankert sich durch Gewebeeinsprossung. Dadurch unterstützt es bei zunehmender Blasenfüllung die
479 9.8 · Harninkontinenz der Frau
Harnblase bzw. die Urethra wie eine »Hängematte« und verbessert somit den Kontinenzmechanismus. Eine mögliche Komplikation bei Implantation des TVT ist die Blasenverletzung. Die Erfolgsrate liegt bei ca. 80%. Beim TVT-O, das ebenfalls aus synthetischem Material gefertigt ist, erfolgt die Einlage des Bandes transobturatorisch. Es besteht dadurch eine geringere Gefahr der Blasenverletzung. kIndikationen
Belastungsinkontinenz nach Versagen der konservativen Therapie. kLagerung
Steinschnittlagerung. Neutralelektrode am Oberschenkel. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium mit Kocher Klemmen, Stichskalpell, 15-er Skalpell, Allis-Klemmen, Scheidenspekula mit Gewicht (7 Kap. 8), Band-Set, Nélaton-Blasenkatheter, Spritze zum Blocken, Ablaufbeutel, Gleitmittel, östrogenhaltige Salbe, Streifentamponade, Lokalanästhetikum mit Adrenalin, lange Kanüle zum Einspritzen der Lokalanästhetika, Nahtmaterial (resorbierbar, monofil, 3–0), in Bereitschaft: Zystoskop.
kZugang
4 Vaginale Inzision. 4 Kleine Inzisionen suprapubisch am Tuberculum pubicum rechts und links. TVT-Anlage 7 Desinfektion von Unterbauch, oberem Oberschenkel, Scheide und Damm mit einem gefärbten Schleimhautantiseptikum. 7 Ein Abwaschtupfer wird bis OP-Beginn in der Scheide belassen. 7 Abdecken des OP-Gebiets. 7 Einlegen des Blasenkatheters. 7 Entfernen des Tupfers aus der Vagina. 7 Bei Operation in Lokalanästhesie Injektion des Anästhetikums in die suprapubischen Austrittstellen der TVT-Nadeln, retrosymphysär und von vaginal paraurethral. 6
7 Hydrodissektion der Vaginalvorderwand und der darunter liegenden Schichten. Dies erleichtert im Weiteren die paraurethrale Präparation und verringert das Risiko einer Urethraverletzung. 7 Einstellen der vorderen Scheidenwand mit Hilfe des Spekulums mit Gewicht. 7 Fassen der Vaginalhaut neben der Urethra mit z. B. Allis-Klemmen. 7 Sie wird am Übergang vom proximalen zum mittleren Harnröhrendrittel mit dem 15-er Skalpell auf etwa 4 cm eröffnet. 7 Unter Schonung der Urethra wird der Beckenboden paraurethral in Richtung Hinterkante des Schambeins mit der Schere rechts und links getunnelt. 7 Stichinzisionen suprapubisch, jeweils ca. 2–3 cm lateral der Medianlinie; eine lange Kanüle wird zur Orientierung für die spätere Stichrichtung der Führungsnadel unter Knochenkontakt an der Hinterkante des Schambeins von außen Richtung vaginal geführt. 7 Dann erfolgt die Bandeinlage: – Eine Führungsnadel wird von außen nach vaginal durchgestoßen und das Band an der Spitze dieser Führungsnadel befestigt. – Die zweite Führungsnadel wird auf der anderen Seite eingeführt, das Band wird um die Harnröhre gelegt und dann an der zweiten Nadel befestigt. – Die Führungsnadeln sind für rechts und links gekennzeichnet. – Die Nadeln werden zurückgezogen und das Band damit nach kranial in die retrosymphysäre Region hochgezogen. – Das Band wird um die mittlere Harnröhre platziert. – Mit zwei Kocher-Klemmen wird die Schutzhülle des Prolenebandes außerhalb der suprapubischen Stichinzisionen gefasst, und die Führungsnadeln werden entfernt. – Feinanspannung (spannungsfrei) des Bandes (mit ca. 1 ml Luft) um die Urethra. 7 Hat die Patientin keine Vollnarkose, wird sie gebeten zu husten. Das Band wird solange fester um die Harnröhre gelegt, bis kein Urin mehr fließt. 7 Von außen wird die Schutzhülle des Bandes mit den beiden Kocher-Klemmen entfernt. 7 Das Band wird an beiden Inzisionsstellen unterhalb des Hautniveaus abgeschnitten, die Einstichstellen werden mit kleinen Wundpflastern versorgt. 6
9
480
Kapitel 9 · Urologie
jDiagnostik 7 Der Vaginalschnitt wird mit resorbierbaren monofilen Fäden genäht (3–0). 7 Einlage einer mit einer östrogenhaltigen Salbe getränkten Streifentamponade, diese wird mit ihrem Halteband am Blasenkatheter befestigt und dort belassen. 7 Tamponade und Katheter können am 1. postoperativen Tag entfernt werden.
9.8.2
9
Inkontinenzoperation nach Burch
Die Kolposuspensionsoperation nach Burch ist mit über 70% Langzeiterfolg das Standardverfahren in der operativen Inkontinenztherapie und in 7 Abschn. 8.6.10 beschrieben. Die vaginalen Operationen wie z. B. TVT (7 Abschn. 9.8.1 und 8.6.10), die seit ca. 10 Jahren durchgeführt werden, haben eine postoperative Erfolgsquote von 80% und sind deutlich weniger invasiv als die OP nach Burch, die mit einer Eröffnung des paravesikalen Raumes einhergeht. Das paravaginale Gewebe wird mittels Matratzennähten an das Lig. ileopectineum (Cooper-Band) genäht.
Die Diagnose wird gesichert durch eine Zystoskopie mit Biopsie, Miktionszystourethrographie (MCU), CT Abdomen bei Tumorverdacht und durch einen »Blaunachweis« (Indigocarmininjektion in die Blase → ein vaginal eingelegter Tupfer färbt sich blau). kPrinzip
Exzision der Fistelränder, Verschluss der Blase und evtl. Decken des Defekts mittels eines Lappens aus Peritoneum. Bei der Peritoneallappenplastik wird die Fistel ausgeschnitten, die Scheide wird verschlossen und der verschlossene Defekt mit einem Peritoneallappen gedeckt. Bei kleineren Fisteln wird von vaginal, bei größeren von abdominal eingegangen. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium, Scheidenspekula, suprapubischer Katheter, Robinson-Drainage, Nahtmaterial (resorbierbar, monofil und geflochten), Nélaton-Blasenkatheter.
kLagerung
Steinschnittlagerung mit abgesenkten Beinen. 9.9
Blasen-Scheiden-Fisteln kZugang
Blasen-Scheiden-Fisteln entstehen z. B. nach Hysterektomien, nach Bestrahlungen im kleinen Becken, nach geburtshilflichen Operationen, durch Traumata und Tumoren. Zusätzlich besteht häufig eine Harninkontinenz. Die Lokalisationen zeigt . Abb. 9.56. Kleinere Fisteln werden von vaginal rekonstruiert, größere (>2 cm) über eine Unterbauchlaparotomie.
. Abb. 9.56 Fisteln des unteren Harntraktes und deren Häufigkeit. (Nach Hautmann u. Huland 2001/2006)
Suprasymphysärer Faszienquerschnitt nach Pfannenstiel. Peritoneallappenplastik 7 Desinfektion und sterile Abdeckung des OP-Gebiets. 7 Nach Eröffnen der Bauchdecke wird das Peritoneum vom Blasendach in Richtung Fistel abpräpariert. 7 Mediane Inzision der Blase und seitliche Inzision des Peritoneums. 7 Blasen- und Scheidenwand werden bis unter die proximale Urethra voneinander getrennt und die Fistelränder ausgeschnitten. 7 Die Scheide wird mit resorbierbaren Nähten einschichtig verschlossen, dabei müssen die Knoten in der Scheide liegen! 7 Ein ca. 5 cm breiter Peritoneallappen wird seitlich der Blase gestielt in Richtung Beckenboden präpariert und auf der Scheide festgenäht. 7 Dabei muss die Scheidennaht gut abgedeckt sein. 7 Die Blase wird zweischichtig verschlossen. 7 Einlage einer suprapubischen Harnableitung. 7 Blutstillung und Verschluss des Peritoneums. 6
481 9.10 · Harninkontinenz des Mannes
7 Einlage einer Robinson-Drainage in das Cavum Retzii. 7 Kontrolle aller Instrumente und Textilien und Dokumentation des Zählstandes. 7 Schichtweiser Wundverschluss. 7 Wundpflaster.
9.9.1
Technik nach Latzkow
Die Operation wird bei kleineren Fisteln, die von vaginal aus erreichbar sind, durchgeführt. kInstrumentarium
Siehe oben, zusätzlich feinere längere Scheren und Pinzetten.
a
kLagerung
Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen, Oberkörper leicht abgesenkt. kZugang
Von vaginal. Latzkow-Technik 7 Desinfektion des OP-Gebiets und sterile Abdeckung. 7 Einstellen der Fistel mit dem Scheidenspekulum. 7 Zirkuläre Umschneidung des Fistelgangs und Mobilisation der vorderen Vaginalwand. Scheiden- und Blasenwand werden dadurch voneinander getrennt. 7 Die Blasenwand wird dann mit einer Rückstichnaht unter Belassen des Fistelgangs mit einem resorbierbaren Faden verschlossen. Diese Nahttechnik ist erforderlich, damit die Nähte von Scheide und Blase nicht aufeinander zu liegen kommen. 7 Verschluss der Scheide mit innen liegenden Knoten. 7 Entfernen aller verwendeten Instrumente und Textilien und Zählkontrolle mit Dokumentation. 7 Einlage eines Nélaton-Blasenkatheters.
9.10
Harninkontinenz des Mannes
Die Ursache für die Harninkontinenz des Mannes ist häufig eine postoperative Komplikation nach Eingriffen an der Prostata. Bei der radikalen retropubischen Prostatektomie (RRP) kann es z. B. zu einer direkten Schädigung des M. spincter externus nach tiefer Umstechung des Plexus
b . Abb. 9.57 Blasen-Scheiden-Fistel. a Schnittführung zur Bildung des Peritoneallappens. b Einnähen des Peritoneallappens auf die verschlossene Scheide. (Mod. nach Petri 2001)
Santorini bei Blutungen während der Operation kommen. Auch die TUR-P und Adenektomie können zu einer Sphinkterschwächung führen. Bei der Anamneseerhebung werden Leidensdruck des Patienten, Voroperationen, Medikamente, urologische oder auch neurologische Erkrankungen sowie das Ausmaß der Harninkontinenz erfragt. Dabei wird der Harnverlust nach Stamey in 3 Stadien unterteilt (. Tab. 9.2). Als operative Verfahren sind die Anlage eines artifiziellen Sphinkters ebenso wie die Anlage eines suburethralen Bandes (AdVance) zu nennen. Für den Therapieerfolg bei der Bandanlage ist eine restliche Sphinkteraktivität die Voraussetzung. Langzeitergebnisse existieren lediglich für den artifiziellen Sphinkter, andere Verfahren müssen sich erst bewähren.
9
482
Kapitel 9 · Urologie
. Tab. 9.2 Einteilung des Harnverlustes nach Stamey
kPrinzip
Schweregrad
Kennzeichen
Obstruktion der Harnröhre in Bereich der membranösen/ bulbären Harnröhre.
1
Harnverlust bei Niesen, Husten und Lachen
kLagerung
2
Harnverlust beim Gehen und Aufstehen
3
Harnverlust im Liegen
Modifizierte Steinschnittlagerung mit abgesenkten Beinen. kInstrumentarium
9.10.1
9
Artifizielle Sphinkteranlage
Es ist keine Sphinkteraktivität mehr vorhanden. Diese wird dann nach der Operation mechanisch durch einen um die Harnröhre herum liegenden Cuff imitiert. Hinsichtlich der Kontinenz sind gute Ergebnisse zu erwarten, nachteilig ist hier allerdings die relativ häufige Revisionsrate in den ersten 5 Jahren nach Operation (mechanische Defekte, Infektionen des Systems, HR-Arrosionen). Zusätzlich erfordert dieses System einiges an manuellem Geschick des Patienten sowie Einsicht in die Problematik. jDiagnostik
4 4 4 4 4
Übliche Laborparameter, Urinkultur, Sediment, Sonographie wegen Restharnbestimmung, Urodynamik, Zystoskopie.
Vorbereitung auf 2 separaten Instrumentiertischen. 4 Instrumentiertisch mit: 5 Grundinstrumentarium. 5 evtl. längere Instrumente, 5 bei Bedarf größere Wundspreizer, 5 Scott-Rahmen (. Abb. 9.58). 4 Instrumentiertisch mit: 5 AMS 800-Einmalset mit seinen drei Komponenten (druckregulierender Ballon, HarnröhrenCuff, Kontrollpumpe) und Messstreifen (. Abb. 9.59), 5 antibiotische Lösung zum Einlegen des Systems (z. B. Gentamycin), 5 mindestens 8 stumpfe Klemmchen, die mit Zügeln, die im System enthalten sind, bezogen werden. 4 Kontrastmittel zum Füllen des Ballons, 4 Nahtmaterial, 4 Nélaton-Blasenkatheter.
kIndikationen
kZugang
4 Fehlende Sphinkteraktivität, 4 Versagen anderer Therapieoptionen.
Perineal- und Unterbauchwechselschnitt.
a . Abb. 9.58a, b Scott-Rahmen (a Modell, b in situ). (Fa. AMS – American Medical Systems)
b
483 9.10 · Harninkontinenz des Mannes
Artifizielle Sphinkteranlage (Operation am Beispiel Komplettset AMS 800 , Fa. American Medical Systems)
a
b . Abb. 9.59a, b Artifizieller Sphinkter AMS 800 (a Modell, b in situ). (Fa. AMS – American Medical Systems)
! Die Rasur der Patienten erfolgt zeitnah in der Einleitung oder erst im OP-Saal selbst, keinesfalls auf der peripheren Station, um Infektionen vorzubeugen. Desinfektion des OP-Gebiets mit einem Schleimhautdesinfektionsmittel und sterilen Tüchern über 15 min. Danach erst die übliche Desinfektion mit dem gebräuchlichen alkoholischen Desinfektionsmittel unter Einhaltung der Einwirkzeit. Dieses Verfahren soll Infektionen nach der Implantateinlage reduzieren.
7 Hautdesinfektion unter Beachtung der angegebenen Kriterien und steriles Abdecken des OPGebiets. 7 Zunächst ist der Patient in Steinschnittlage gelagert. 7 Es wird eine senkrechte mediane perineale Inzision durchgeführt, die Harnröhre wird ohne Eröffnung des M. bulbospongiosus freigelegt. Das Centrum tendineum wird von der Harnröhre stumpf getrennt, bis der membranöse Anteil komplett umfahren werden kann, hier wird die Cufflänge mit dem mitgelieferten Messstreifen ermittelt. 7 Das Silikonmaterial des AMS 800 wird auf dem 2. Instrumentiertisch entlüftet, mit Kontrastmittel gefüllt und mit den bezogenen Klemmchen verschlossen. 7 Das komplette Material wird in steriler Antibiotikalösung bis zur Implantation aufbewahrt. 7 Der Cuff wird um die membranöse Harnröhre gelegt und verschlossen. Das Centrum tendineum wird über dem Cuff rekonstruiert, sodass dieser in einem sicheren und stabilen Lager oberhalb des Centrums liegt. 7 Die Wunde wird zunächst offen gelassen und mit einem in Schleimhautdesinfektionsmittel getränktem Bauchtuch abgedeckt. 7 Absenken der Beine. 7 Im rechten Unterbauch wird ein Wechselschnitt durchgeführt. Hier wird der druckregulierende Ballon intraperitoneal versenkt und mit der vorher abgemessenen Menge Kontrastmittel (nach Herstellerangaben) befüllt. 7 Das Peritoneum wird verschlossen, danach wird die Kontrollpumpe ins rechte Skrotalfach verbracht und dort zunächst mit einer Klemme von außen fixiert. Der zuführende Schlauch vom Cuff wird über einen mit dem Overholt präparierten Tunnel nach inguinal durchgezogen. 7 Nun werden die Verbindungsschläuche entsprechend gekürzt, gespült, konnektiert und dann im subkutanen Fettgewebe versenkt. 7 Blutstillung, Zählkontrolle aller Instrumente und Textilien, Dokumentation des Zählstandes. 7 Schichtweiser Wundverschluss auch der perinealen Wunde und Anlegen der Wundpflaster. 7 Der Cuff wird mit der Pumpe im Skrotalfach entleert und somit deaktiviert. 6
9
484
Kapitel 9 · Urologie
7 Der Cuff muss bei jeglicher transurethraler Manipulation deaktiviert sein! 7 Dann erst wird ein Nélaton-Blasenkatheter transurethral eingelegt.
9.10.2
AdVance-Band-Einlage (Fa. AMS)
Dieses funktionelle, retrourethrale, nicht knochenverankerte Band wird z. B. bei Patienten mit Belastungsinkontinenz nach radikaler Prostatektomie eingelegt. Das Schlingensystem für Männer wird mehr und mehr zum Standard bei leichter bis mittelgradiger Harninkontinenz, allerdings gibt es noch keine Langzeitergebnisse. jDiagnostik
9
4 4 4 4
Übliche Laborparameter, Urodynamik. Zystoskopie, Patientenanamnese.
kIndikationen
Leichte bis mittelgradige Harrninkontinenz verschiedener Genese. kLagerung
Steinschnittlage mit hochgestellten Beinen. kPrinzip
Anheben der Urethra mittels einer Schlinge aus nicht resorbierbarem Band über einen perinealen Zugang sowie über eine kleine Stichinzision transobturatorisch. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium, Scott-Rahmen (AMS; . Abb. 9.58), AdVance-Band-Set (AMS; . Abb. 9.60), Nahtmaterial (3–0, 4–0, monofil, resorbierbar), Nélaton-Blasenkatheter, Ablaufbeutel.
9.11
Harnröhrenplastik
Eine Harnröhrenplastik kann bei Strikturen der Harnröhre unterschiedlicher Genese durchgeführt werden. Es wird unterschieden zwischen seltenen angeborenen und häufigeren erworbenen Strikturen. Als Ursachen für erworbene Strikturen gelten z. B. Mikrotraumata bei der Einlage von Blasenkathetern, direkte Verletzungen beispielsweise nach Verkehrsunfällen, Infektionen der
. Abb. 9.60 AdVance-Band. (Fa. AMS – American Medical Systems)
Urethra oder auch Tumoren der Harnröhre und des umliegenden Gewebes. Nach der einfachen Urethrotomie (als bisher übliches Primärverfahren) kommt eine plastische Rekonstruktion bei Rezidiven oder bei bereits primär längeren oder komplexeren Strikturen in Frage. Die Wahl des Operationsverfahrens ist abhängig von der Lokalisation der Striktur. Sie können lokalisiert sein: 4 in der prostatischen Harnröhre: zwischen Harnblase und Schließmuskel, 4 in der membranösen Harnröhre: unterhalb der Prostata, innerhalb des Schließmuskels, 4 in der bulbären Harnröhre: zwischen Schließmuskel und Beginn des mobilen Penis, 4 in der penilen Harnröhre: im mobilen Teil des Penis, 4 in der Eichel selbst. Hauptsymptom ist ein abgeschwächter Harnstrahl. Durch den erhöhten Druck bei der Miktion kann eine Restharnbildung die Folge sein, was zu rezidivierenden Blasenentzündungen führen kann. Ein weiteres häufiges Symptom ist eine Mikrohämaturie. Bei länger bestehender Harnröhrenenge kann es aufgrund des erhöhten Auslasswiderstands zu einer Verdickung der Blasenmuskulatur und somit zu einer Einschränkung der Elastizität der Blase kommen. Das führt zu einer weiteren Verschlechterung der Entleerungsfunktion. Im Extremfall kann ein Reflux von Urin in Harnleiter und Niere und damit deren Schädigung resultieren. jDiagnostik
4 Anamnese (genaue Befragung des Patienten nach Dauer und eventuellen Infektionen oder auch Unfällen), 4 Urinuntersuchung, 4 Sonographie zur Bestimmung der Restharnmenge und Zustand der Harnblase, 4 Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel zur genauen Lokalisation der Striktur.
485 9.11 · Harnröhrenplastik
4 Bei der retrograden Urethrographie wird Kontrastmittel in die gestreckte Harnröhre gespritzt und gleichzeitig durchleuchtet, so können Ort und Länge der Striktur ermittelt werden. jTherapie
Führt eine endoskopische Maßnahme wie die Urethrotomie nach Sachse oder Otis (7 Abschn. 9.3.7) nicht zum Erfolg, muss eine Harnröhrenplastik durchgeführt werden. Zu Beginn der plastischen Verfahren wird ein Draht über die Striktur in die Blase vorgelegt, um trotz der erheblich veränderten Anatomie im Bereich der Striktur die Harnröhre sicher identifizieren zu können. Dies kann ggf. mit dem Zystoskop erfolgen. Die exakte Lokalisation des proximalen Endes der Striktur wird mittels einer Sonde dargestellt. Dabei muss beachtet werden, dass die Striktur nicht mechanisch aufgesprengt wird. Am Ende des Eingriffs wird ein längsgerillter Blasenkatheter in die Harnröhre eingelegt. Er dient der Schienung und dem Offenhalten der Urethra, außerdem verhindern die Längsrillen des Katheters ein Verkleben der Schleimhaut. Eine postoperative Dauerableitung über einen suprapubischen Katheter für 10–14 Tage lässt die Rekonstruktion abheilen.
9.11.1
Harnröhrenplastik mit End-zu-End-Anastomose
jDiagnostik
4 4 4 4 4
Übliche Laborparameter, Urinuntersuchung, Sonographie, retrograde Urethrographie, MCU.
kIndikationen
Kurze Strikturen der Harnröhre. kPrinzip
Resektion der Striktur und Reanastomose der Harnröhre. kLagerung
Rückenlage, evtl. Steinschnittlage. kInstrumentarium
4 Grundinstrumente, 4 feine Scheren und Pinzetten (chirurgisch und atraumatisch), 4 Schere nach Potts, 4 Stichskalpell, 4 Gummizügel, 4 bipolare Koagulation,
4 Nahtmaterial (3–0, 4–0, 5–0, monofil resorbierbar, 4–0 resorbierbar geflochten), 4 Nélaton-Blasenkatheter, längsgerillter Nélaton-Blasenkatheter, 4 Gleitmittel, 4 Ablaufbeutel. kZugang
Längsinzision auf der Unterseite des Penis. Harnröhrenplastik mit End-zu-End-Anastomose 7 Hautdesinfektion und sterile Abdeckung des OPGebiets. Einbringen eines Terumo-Drahts in die Harnröhre. 7 Längsinzision an der Unterseite des Penis etwas versetzt von der Mittellinie, von der Katheterspitze bis über die zu erwartende Striktur. 7 Die Harnröhre wird dargestellt und mit einem Zügel angeschlungen. 7 Proximal und distal der Striktur werden Haltenähte an dem gesunden Anteil der Harnröhre angelegt und angeklemmt (3–0 oder 4–0 monofil resorbierbar). 7 Die Harnröhre wird unmittelbar distal der Katheterspitze mit dem Stichskalpell inzidiert und die Striktur in ihrem Verlauf mit der Schere/dem Messer eröffnet. 7 Der verengte Anteil wird reseziert und das proximale sowie das distale Lumen inspiziert, um sicher zu sein, dass alle fibrotischen Anteile entfernt wurden. 7 Die gesunden Harnröhrenenden werden entgegengesetzt mit der Schere nach Potts spatuliert. Nun wird die Harnröhre dorsal beginnend einschichtig wieder verschlossen (mit Nahtmaterial der Stärke 4–0 oder 5–0 monofil resorbierbar). 7 Nach Beendigung einer seitlichen Naht wird der längsgerillte Nélaton-Blasenkatheter eingeführt, mit einer atraumatischen Pinzette bis in die Blase geführt und dort geblockt. 7 Nun kann die andere Seite der Anastomose auf die gleiche Weise genäht werden. 7 Um die Anastomose wird zum Schutz gesundes subkutanes Gewebe gelegt. 7 Schichtweiser Wundverschluss. Wundpflaster. Anschluss des Urinablaufbeutels.
9
486
Kapitel 9 · Urologie
9.11.2
Harnröhrenplastik mit Ersatz aus der Mundschleimhaut
Bei Rezidiven oder bei langstreckigen Strikturen (>2 cm Länge) kann die Harnröhre durch Einnähen eines Stückes aus der Mundschleimhaut erweitert oder auch ersetzt werden. Man unterscheidet hier ventrales oder dorsales Onlay/Inlay. kIndikationen
4 Langstreckige Strikturen >2 cm. 4 Rezidiv-OP. kPrinzip
Erweiterung der Urethra oder Ersatz eines Teils der Harnröhre mittels Mundschleimhaut. kInstrumentarium 7 Abschn. 9.11.1.
9
4 Suprapubischer Katheter, 4 lange Kanüle, 4 zusätzlich ein feststellbares Nasenspekulum nach Cottle, 4 bei Bedarf ein 2. Instrumentiertisch für: 4 Markierungsstift und Zentimetermaß, 5 Lokalanästhetikum mit Adrenalinzusatz, 5 zusätzliches Grundinstrumentarium, 5 evtl. Scott-Rahmen (bei perinealem Vorgehen), 5 Harnröhren-Bougies (Benecke-Sonden), 5 evtl. Zystoskop, 5 evtl. Terumo-Draht, 5 Nahtmaterial (3–0 monofil, resorbierbar), 5 Schleimhautdesinfektionsmittel. kLagerung 7 Abschn. 9.11.1.
kZugang
Je nach Lokalisation der Striktur auf der Unterseite des Penis oder perineal bei bulbären Strikturen. Harnröhrenplastik mit Ersatz aus der Mundschleimhaut 7 Evtl. nasale Intubation. 7 Liegt die Striktur im bulbären Teil der Harnröhre, wird die Urethra über eine perineale Inzision freigelegt. 7 Direkt distal des Bougie-Endes wird die Urethra mit einem Stichskalpell inzidiert und mit der Schere nach Potts eröffnet. 6
7 Wurde primär ein Terumo-Draht eingelegt (s. oben), wird dieser sichtbar, wenn die Striktur eröffnet ist. 7 Mit einem Nasenspekulum kann die Urethra vorsichtig inspiziert und die Striktur über die gesamte Länge sichtbar gemacht werden. 7 Die Länge der zu gewinnenden Mundschleimhaut wird mit dem Maßband ausgemessen (Länge der Striktur ×1,3, da das Graft später noch etwas schrumpft). 7 Die Wunde wird für die Zeit der Schleimhautgewinnung mit einem in Schleimhautdesinfektionsmittel getränkten Bauchtuch abgedeckt. 7 Der Mund wird mit einem Schleimhautdesinfektionsmittel desinfiziert, die Mundschleimhaut mit einem mit Adrenalinzusatz versehenen Lokalanästhetikum (als Vasokonstringens) unterspritzt. 7 Hinweis an die Anästhesie, dass ein Lokalanästhetikum mit Adrenalinzusatz gespritzt wird! 7 Anlegen von Haltefäden über die Länge der zu entnehmenden Schleimhaut. 7 Mit der Schere wird die Schleimhaut abpräpariert und entnommen. 7 Die gewonnene Schleimhaut wird in Schleimhautdesinfektionsmittel eingelegt und die Wunde im Mund mit monofilem resorbierbarem Nahtmaterial verschlossen (3–0). 7 Die Mundschleimhaut wird über dem Finger des Operateurs vom anhaftenden Fett befreit. Sie verbleibt in einem mit Schleimhautdesinfektionsmittel gefüllten Behälter auf dem Tisch für den urethralen Eingriff. 7 Kittel- und Handschuhwechsel. 7 Die Harnröhre wird mit dem Nasenspekulum eingesehen und die Mundschleimhaut mit 4–0 monofilen resorbierbaren Fäden – am proximalen ventralen Ende der Striktur beginnend – mit durchgreifenden Nähten eingenäht. 7 Dabei erleichtert das Nasenspekulum den Zugang zur Urethra. 7 Nach Fertigstellung einer seitlichen Naht wird der evtl. noch liegende Draht entfernt und über die Harnröhre ein längsgerillter Nélaton-Blasenkatheter eingelegt. 7 Nun wird die zweite Seite der Anastomose genäht. 7 Die Anastomose wird zum Schutz mit gesundem Gewebe aus der direkten Umgebung ummantelt (Corpus spongiosum und M. bulbospongiosum). 7 Schichtweiser Wundverschluss, Wundpflaster.
487 9.12 · Eingriffe an der Niere und am Nierenbecken
9.11.3
Harnröhrenplastik mit Meshgraft
Dies ist ein zweizeitiges Verfahren, das als Rezidivplastik oder bei extrem langen Strikturen angewendet wird. Hierbei wird z. B. Haut aus dem Oberschenkel entnommen, gemesht und als Ersatz für die Urethra eingenäht. Diese Operation wird nur noch selten durchgeführt, da die Technik mit gestielten und freien Transplantaten seltener zu Rezidiven führt.
9.12
Eingriffe an der Niere und am Nierenbecken A. Baumgarten, B. Lengersdorf, C. Matthies, M. Liehn
Neben der Tumorchirurgie bei Nierenzellkarzinomen oder Urothelkarzinomen des Nierenbeckens kommt als relativ häufiger Eingriff die Rekonstruktion bei der Nierenbeckenabgangsstenose vor. Diese Operationen sind auch laparoskopisch möglich.
. Abb. 9.61 Überstreckte Seitenlagerung. Bei der Flankenlagerung liegt das Becken auf dem höchsten Punkt der Operationslagerungsfläche. (Nach Krettek u. Aschemann 2005)
4 Nahtmaterial: monofil, resorbierbarer Faden Stärke 5–0 für die Anastomose, 4 monofiler, resorbierbarer Haltefaden der Stärke 3–0 4 Ligaturen, monofil, resorbierbar, Stärke 0 kLagerung
9.12.1
Nierenbeckenplastik nach Anderson-Hynes
Seitenlage leicht überstreckt (Flankenlagerung) (. Abb. 9.61).
kIndikationen
kZugang
Angeborene oder erworbene Ureterabgangsstenose mit entsprechender Abflussbehinderung, Infektion, Steinbildung, Blutung.
Interkostal- (. Abb. 9.62) bzw. Flankenschnitt (. Abb. 9.63).
Nierenbeckenplastik nach Anderson-Hynes jDiagnostik
4 4 4 4
Übliche Laborparameter, Sonographie, Ausscheidungsurogramm, Ggf. Isotopennephrogramm (ING).
kPrinzip
Entfernung des zu engen Harnleitersegmentes, Verkleinerung des zu großen Nierenbeckens, Versorgung bzw. Verlagerung abweichender (aberrierender) Gefäße, Absetzen des Ureters, Anastomose zwischen Pyelon und Ureter mit/ohne Nephrostomiekatheter, Splint oder Doppel-J-Schiene. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumente, Balfour-Sperrer, tiefe Haken, Allis-Klemmen, Schere nach Potts de Martell, Gummizügel, Uretersplinte (z. B. Doppel-J-, Nephrostomiekatheter) Robinson-Drainage,
7 Hautdesinfektion und sterile Abdeckung des Patienten. 7 Hautschnitt, danach Durchtrennen der Zwischenrippenmuskulatur mit dem Diathermiemesser. Durchtrennung der Ligg. costovertebrale, danach lassen sich die Rippen gut spreizen. 7 Laterale Eröffnung der Gerota-Faszie und der Nierenfettkapsel. 7 Aufsuchen und Anschlingen des Harnleiters. 7 Freipräparation des Nierenbeckens bis zum Parenchym. Aberrierende Gefäße am Übergang vom Nierenbecken zum Harnleiter werden zunächst angeschlungen. 7 Eventuelle Adhäsionen werden unter Schonung der Gefäße an der Nierenbeckenwand gelöst. Ist das Nierenbecken freipräpariert, erfolgt die Exploration nach pathologischen Veränderungen (z. B. Steinen). 7 Mit Haltefäden wird der Resektionsbereich markiert. 6
9
488
Kapitel 9 · Urologie
. Abb. 9.62 Interkostalschnitt
9
7 Bogenförmige Teilresektion des Nierenbeckens. Dabei sollte die Fettkapsel sorgfältig geschont werden. Absetzen des Harnleiters unterhalb der Stenose und Längsinzision (ca. 2–3 cm) des Nierenbeckens bzw. des Harnleiters, um eine größere Strecke für die Anastomose zu erreichen (und damit eine erneute Enge zu vermeiden) (. Abb. 9.64). 7 Dazu wird die Vorderwand des Nierenbeckens durch resorbierbare Einzelknopfnähte mit dem längsinzidierten und spatulierten restlichen Harnleiter zunächst auf einer Seite vernäht. 7 Ein Harnleitersplint (oder DJ-Katheter) wird zur Schienung in den Harnleiter vorgeschoben und perkutan ausgeleitet und fixiert. Dies gewährleistet den problemlosen Urinabfluss. 7 Dann Restverschluss der Anastomose auf der zweiten Seite und Verschluss des restlichen Nierenbeckens mit resorbierbaren, monofilen Fäden (Einzelknopf oder fortlaufend). 7 Nach Kontrolle der Dichtigkeit der Anastomose (Wasserprobe) und der Durchgängigkeitsprüfung (fördert die Schiene Urin?) erfolgt die Einbettung der Nierenharnleiteranastomose in die Fettkapsel, um späteren Adhäsionen vorzubeugen. 7 Bei Bedarf Einlegen einer Wunddrainage. 7 Zählkontrolle der OP-Textilien und des Instrumentariums mit Dokumentation des Zählstandes. 7 Zum anschließenden Wundverschluss wird die überstreckte Lagerung aufgehoben. 7 Schichtweiser Wundverschluss, Fixieren der Drainage.
. Abb. 9.63 Flanken-/lumbaler Schrägschnitt
b a
. Abb. 9.64 Nierenbeckenplastik. a Resektion, b Anastomose. (Mod. nach Alken u. Sökeland 1982)
9.12.2
Lappenplastik nach Culp-de-Weerd-Scardino
kPrinzip
Diese Plastik wird zur Überbrückung einer längeren Harnleiterenge durchgeführt. Die Stenose wird längs gespalten, aus dem zu großen Nierenbecken wird ein Lappen gebildet und in die vorherige Stenose des Harnleiters eingenäht (. Abb. 9.65).
9.12.3
Nierenpol- oder Teilresektion
kIndikationen
4 4 4 4
Kleiner maligner Tumor (4–5 cm), gutartiger Nierentumor, funktionsloser Anteil einer Doppelniere, maligner Nierentumor bei Einzelniere,
489 9.12 · Eingriffe an der Niere und am Nierenbecken
kZugang
Interkostalschnitt oder Flankenschnitt (. Abb. 9.62 und . Abb. 9.63). kLagerung Seitenlage und leicht überstreckt (. Abb. 9.61).
Nierenpolresektion/Tumorenukleation
. Abb. 9.65 Lappenplastik zur Überbrückung einer längeren Enge nach Culp-de-Weerd-Scardino. Der Lappen, dem rechtwinkligen Nierenbecken angepasst, wird heruntergezogen und in den spatulierten Ureter positioniert.
4 Nierentrauma, 4 abgekapselte tuberkulöse Prozesse. jDiagnostik
4 4 4 4 4
Übliche Laborparameter, Sonographie, CT, Röntgenaufnahme Thorax, Ausscheidungsurographie, Nierenszintigraphie.
kPrinzip
Entfernen des Nierentumors mit angrenzender Pseudokapsel und/oder mit einem Anteil der Nierenfettkapsel. kInstrumentarium
4 Grundinstrumente, 4 Nierenzusatzinstrumente wie z. B.: 5 tiefe Haken, 5 Wundsperrer nach Balfour, 5 Lidhaken, 5 evtl. Hirnspatel bzw. Myrthenblattspatel, 5 bei Bedarf Knopfsonde, 4 Gummizügel, 4 Tourniquet, 4 Bei Bedarf resorbierbare Hämostyptika, 4 bei Bedarf steriles Eis (tiefgefrorene Ringer-Lösung zur Temperatursenkung des Organs), 4 ggf. Ultraschallgerät zur Diagnostik tiefliegender Tumoren, 4 Robinson-Drainage, 4 resorbierbares monofiles und geflochtenes Nahtmaterial der Stärke 5–0 und 0, 4 bei Bedarf Fibrinkleber.
7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OPGebiets. 7 Nach Hautschnitt und Durchtrennung der Zwischenrippenmuskulatur Darstellen der Gerota-Faszie. Diese wird eröffnet, die Niere zunächst am Psoas mobilisiert, anschließend erfolgt die Präparation des Unterpols mit Anschlingen des Harnleiters, dann die des Oberpols und zuletzt des Nierenstiels. 7 Evtl. aberrierende Gefäße werden ligiert und durchtrennt. 7 Unter Schonung des Fettgewebes wird so die Niere mit dem Tumor dargestellt. 7 Anzügeln der nierenversorgenden Gefäße durch Tourniquets. (Die Blutversorgung kann, ohne Nierenschäden hervorzurufen, bis zu 20 min unterbrochen werden. Wird diese Zeit überschritten, kann eine Kühlung der Niere, z. B. durch Umlegung mit Eiswassertüchern, Schädigungen des Nierengewebes vermeiden.) 7 Scharfe Eröffnung der Fettkapsel ca. 1 cm neben dem Tumor, der dann mit einem Hirnspatel und/ oder einer Knopfsonde atraumatisch und vollständig aus der Pseudokapsel herausgelöst wird (Enukleation). 7 Das Präparat wird zur Schnellschnittuntersuchung gegeben. 7 Zeigt das Untersuchungsergebnis des Pathologen, dass die Schnittränder nicht tumorfrei sind, muss eine Nachresektion bzw. Nephrektomie erfolgen. 7 Umstechung einzelner größerer Blutgefäße und, falls notwendig, Verschluss des eröffneten Hohlsystems. 7 Blutstillung im Weiteren mit Hämostyptika. 7 Öffnen der Tourniquets und erneute Kontrolle der Blutstillung. 7 Ggf. Deckung der Wundfläche mit der mobilisierten Fettkapsel. 7 Blutstillung, Einlegen einer Drainage. 7 Zählkontrolle der OP-Textilien und Instrumente und Dokumentation des Zählstandes. 7 Aufheben der überstreckten Lagerung, schichtweiser Wundverschluss. 7 Anschluss der Drainageablaufbeutel, Wundpflaster.
9
490
Kapitel 9 · Urologie
9.12.4
Nephrektomie
Definition Es wird zwischen einfacher und radikaler Nephrektomie unterschieden. Bei der einfachen Nephrektomie wird lediglich die Niere unter Belassung der Fettkapsel und der Nebenniere entfernt. Bei der radikalen Nephrektomie wird die Niere einschließlich Fettkapsel, evtl. der Nebenniere und der regionären, paraaortalen bzw. parakavalen Lymphknoten entfernt.
9
Bei einem Nierenbeckenkarzinom (Urothelkarzinom) werden die Niere und der Ureter mitsamt einer Blasenmanschette und die zugehörigen Lymphknoten entfernt = Nephroureterektomie: Dabei wird zunächst in Seitenlage die Niere entfernt, der Ureter soweit wie möglich nach distal präpariert, danach erfolgt die Umlagerung des Patienten in Rückenlage und die Entfernung des distalen Harnleiters samt Blasenmanschette über einen Pararektalschnitt.
Einfache Nephrektomie kIndikationen
4 Funktionslose Niere bei entzündlichen Prozessen, 4 Fehlbildungen mit Funktionseinschränkung oder -ausfall, z. B. dysplastische Niere, 4 schwere traumatische Nierenruptur, 4 Schrumpfniere mit Komplikation wie Hypertonus. jDiagnostik
4 4 4 4 4
Übliche Laborparameter, Sonographie der Niere, CT Abdomen, Ausscheidungsurographie, Nierenszintigraphie.
kPrinzip
Entfernung der Niere unter Belassung der Nebenniere und der Fettkapsel (. Abb. 9.66). kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium, Gefäßinstrumente in Bereitschaft, Nierenstielklemmen, bei Bedarf langes Instrumentarium, Gummizügel, evtl. Clipzange, evtl. bipolare Schere, Robinson-Drainage, kräftige Ligaturen für den Nierenstiel, evtl. Gefäßnaht, 4 bei Bedarf resorbierbares Hämostyptikum.
. Abb. 9.66 Nephrektomietechnik. a Stumpfe Freipräparation der Nierenstielgefäße. b Ligatur der Gefäße nach Anklemmen durch Stielklemmen
kLagerung
Seitenlage, evtl. überstreckt (. Abb. 9.61). kZugang
Interkostal- (. Abb. 9.62) oder Flankenschnitt (. Abb. 9.63). Einfache Nephrektomie 7 Operative Eröffnung (s. oben). 7 Der obere Nierenpol wird freigelegt, ohne die Nebenniere zu verletzen. 7 Vorsichtige Präparation von A. und V. renalis mit einer Overholt-Klemme. 7 Arterie und Vene werden (wenn möglich einzeln) mit je einer Nierenstielklemme abgeklemmt. Zur Aorta hin werden die Gefäße mit kräftigen Ligaturen doppelt ligiert, zur Niere reicht eine einfache Ligatur (. Abb. 9.66). 6
491 9.12 · Eingriffe an der Niere und am Nierenbecken
7 Die Niere ist jetzt nur noch am Ureter fixiert, der möglichst weit distal ligiert und durchtrennt wird. 7 Nach makroskopischer Inspektion des Präparates durch den Operateur wird dieses zur histologischen Untersuchung gegeben. 7 Nach der Blutstillung erfolgt die Zählkontrolle aller verwendeten OP-Textilien und Instrumente sowie die Dokumentation des Zählstandes. 7 Einlage einer Robinson-Drainage, Aufheben der Überstreckung und schichtweiser Wundverschluss. 7 Wundpflaster und Anschluss der Drainageablaufbeutel.
Radikale Nephrektomie kIndikationen
Maligner Nierentumor. kPrinzip
Entfernen der Niere, der Fettkapsel, bei Tumoren am oberen Pol auch der Nebenniere. Entfernen der regionären, paraaortalen und parakavalen Lymphknoten (die Lymphadenektomie wird häufig nicht durchgeführt). Die Gefäße werden ggf. vor der Eröffnung der Nierenloge unterbunden, um eine Aussaat von Tumorzellen zu verhindern. kInstrumentarium
4 Wie bei der einfachen Nephrektomie (s. oben), das Gefäßsieb ist obligat. 4 Bei Bedarf Einzelclipstapler, 4 zusätzlich Rahmensperrer z. B. Bookwalter. kLagerung
Rückenlage. kZugang
Transperitonealer Zugang (Medianschnitt, Transrektalschnitt), vom Xiphoid bis unterhalb des Nabels oder Rippenbogenrandschnitt, Interkostal- oder Flankenschnitt. Bei sehr großen Tumoren oder bei Verdacht auf einen Tumorthrombus in der V. cava wird der transperitoneale Zugang bevorzugt, da hier die Kontrolle des Gefäßstiels besser ist.
Radikale Nephrektomie 7 Hautdesinfektion und Abdeckung des OP-Gebiets. 7 Nach Hautschnitt und Durchtrennung bzw. ZurSeite-Drängen der Muskelschichten wird das Rahmenhaltesystem angebaut und die entsprechenden Haken eingesetzt. 7 Nach Präparation der entsprechenden Kolonflexur werden transperitoneal die Nierenvene und -arterie aufgesucht. Die Gefäße werden in gleicher Weise wie oben beschrieben präpariert, durchtrennt und ligiert. 7 Die Niere wird möglichst stumpf mit der Fettkapsel aus ihrem Bett gelöst. 7 Aberrierende Gefäße werden unterfahren, ligiert oder geclippt und durchtrennt. 7 Der Ureter wird aufgesucht, möglichst weit nach distal freipräpariert, ligiert und durchtrennt. Die Niere wird mit ihrer Fettkapsel möglichst en bloc entfernt. 7 Es folgt ggf. die regionäre Lymphknotenausräumung. 7 Sollte die Nebenniere mit entfernt werden, werden die sehr feinen Gefäßverzweigungen geclippt und durchtrennt. 7 Nach der Kontrolle und Dokumentation der OPTextilien und Instrumente und der Dokumentation des Zählstandes wird eine Robinson-Drainage eingelegt. 7 Schichtweiser Wundverschluss und Wundpflaster. 7 Bei Entfernung der linken Tumorniere wird die V. testicularis bzw. die V. ovarica ebenfalls ligiert, da diese in die V. renalis münden. 7 Bei einer rechten Tumorniere können Tumoranteile in die V. cava eingewachsen sein. Dies erfordert ein tangentiales Abklemmen der V. cava mit einer Gefäßklemme (z. B. nach Satinsky). 7 Je nach Ausdehnung des Tumoranteils in der V. cava muss diese ventral freigelegt werden. Zur Unterbrechung des Blutzustroms werden alle zuführenden Gefäße einschließlich der V. cava oberhalb des Tumors mit einem Tourniquet versorgt. 7 Nach Verschluss der Tourniquets wird die V. cava zwischen zwei Haltefäden längs eröffnet und der Tumor entfernt. Über der Längseröffnung wird eine Gefäßklemme gesetzt und der Blutstrom der Gegenniere freigegeben. Fortlaufende Gefäßnaht der Vene. Gefäßklemme und Tourniquets werden gelockert und die Naht auf Dichtigkeit überprüft, danach Entfernen der Klemme und der Tourniquets. 7 Weiteres Vorgehen wie oben.
9
492
Kapitel 9 · Urologie
9.12.5
Laparoskopische Nierenoperationen
Laparoskopisch transperitoneale Nephrektomie
kZugang
Transperitonealer Zugang über eine ca. 2 cm lange Stichinzision in Nabelhöhe, unmittelbar pararektal. Weitere ca. 4 Zugänge für Trokare in halbkreisförmiger Anordnung.
kIndikation
Sämtliche Indikationen wie in 7 Abschn. 9.12.4 beschrieben außer sehr große Tumoren und Gefäßbeteiligung. kKontraindikation
Patienten mit hochgradiger obstruktiver und restriktiver Lungenfunktionsstörung. jDiagnostik
4 4 4 4
Übliche Laborparameter, CT des Abdomens, Thoraxröntgenaufnahme bei Nierentumor, Ausscheidungsurographie.
kPrinzip
9
Entfernen der Niere/Teile der Niere/Rekonstruktion des Nierenbeckenabgangs mittels minimal-invasiver Operationstechnik. Die Instrumente und die Kamera werden über Trokare in die Bauchhöhle eingeführt. Die CO2-Insufflation dient der besseren Übersicht während der Operation. Die Niere wird mit Hilfe eines Bergebeutels aus dem Körper entfernt. Es gelten alle Vor- und Nachteile der MIC ( 7 Abschn. 2.15).
Laparoskopisch transperitoneale Nephrektomie 7 Hautdesinfektion und Abdeckung des OP-Gebiets. 7 Anheben der Bauchdecke, z. B. mit zwei scharfen Backhaus-Klemmen, Stichinzision paraumbilikal ca. 3 cm lateral des Nabels. 7 Punktion des Intraperitonealraums mit der VeressNadel, Aspirationstest und Anschluss der CO2-Zuleitung. 7 Alternativ Minilaparotomie und Einbringen eines Trokars unter Sicht. 7 Nach Erreichen des gewünschten Druckes (ca. 15 mmHg) wird die Veress-Nadel gegen einen 12mm-Trokar ausgetauscht und die Optik eingeführt. 7 Nach Inspektion der Bauchhöhle erfolgt die Anlage der nächsten 2 bzw. 3 Trokare unter Sicht. 7 Die ideale Position der Trokare: – periumbilikal am lateralen Rand des M. rectus abdominis, – subkostal in der Medioklavikularlinie, – oberhalb der Crista iliaca in der Mamillarlinie, – subkostal in der vorderen Axillarlinie. 7 Die Präparationslinie richtet sich nach der Seitenlokalisation.
kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumente, MIC-Instrumentarium (7 Abschn. 2.15), 30°-Optik, 3–4 Trokare (5–15 mm), Bergebeutel, Päpariertupfer für die MIC, Einzelclipzange, Clipzange mit resorbierbaren Gefäßclips, ggf. Ultraschalldissektion, ggf. linearer Endostapler (mit einem weißen Magazin), steriler Bezug für die Kamera, ggf. Robinson-Drainage, Faszien- und Hautnaht, Wundpflaster, MIC-Turm mit Monitor, Kameraeinheit, Lichtquelle, Gasinsufflator, CO2-Flasche und digitalem Aufnahmegerät.
kLagerung
Modifizierte Seitenlagerung, evtl. Kopftieflage. Der Patient wird zu Beginn der Operation an der zu operierenden Seite angehoben gelagert, nach der Anlage des Pneumoperitoneums wird die Seitenlagerung verstärkt.
Nephrektomie 7 Laterokolische Inzision des Peritoneums und Mobilisation des Kolons von der Flexur bis zum Zäkum bzw. zum Sigma. Der Dickdarm wird dabei nach medial verlagert und somit die Nierenloge freigelegt. 7 Aufsuchen des Harnleiters. 7 Präparation bis zum Nierenbecken mit Schere und Overholt-Klemme und Mobilisation nach distal. 7 Mobilisation des gesamten Unterpols. 7 Nach erfolgter Präparation des Gefäßstiels und der Nierenvene/-arterie werden diese geclippt und durchtrennt, alternativ wird die Nierenvene mit einem linearen Endostapler abgesetzt. Nun beginnt die Präparation des Oberpols. Hier muss besonders auf Nebenniere sowie Milz/Leber geachtet werden. 7 Der Harnleiter wird mit Clips abgesetzt. Die Niere wird vom Psoas abgelöst und ist dann komplett mobilisiert. 6
493 9.13 · Nierentransplantation (NTX)
7 Mit Hilfe des Bergebeutels unter Erweiterung eines Zugangs wird das Präparat entfernt, Peritoneum und Faszie der erweiterten Trokarinzision werden verschlossen. Abschließende Inspektion des Nierengefäßstiels und der Nierenloge auf Bluttrockenheit. 7 Einlage einer Robinson-Drainage, Ablassen des Gases und Entfernen der Trokare unter Sicht. Hautnaht und Wundpflaster. 7 Anschluss des Drainageablaufbeutels.
Retroperitoneoskopische Nephrektomie Indikation und Diagnostik entsprechen den in 7 Abschn. 9.12.4 besprochenen. Zu den oben erwähnten Instrumenten kommt ein Dilatationsballon. Zugang über 3–4 Trokare. Retroperitoneoskopische Nephrektomie 7 Der Dilatationsballon wird über einen kleinen Schnitt unterhalb der Spitze der 12. Rippe nach Durchtrennung der Fascia thoracolumbalis und stumpfer Präparation des Retroperitonealraumes eingebracht. 7 Der Ballon wird mit 600–800 ml Luft gefüllt und der Optiktrokar eingebracht. 7 Die Präparation der Niere entspricht dem transperitonalen Vorgehen.
9.13
Nierentransplantation (NTX) S. Bröker
und seine Lebensqualität einschränkt, ist es wünschenswert, möglichst rasch eine Nierentransplantation durchzuführen. kKontraindikationen
Akute oder chronische Infektionserkrankungen, malignes Tumorleiden sowie kardiale, respiratorische oder vaskuläre Begleiterkrankungen. kPrinzip
Heterotope Transplantation einer Spenderniere in die rechte bzw. linke Fossa iliaca mit folgenden Anastomosen: 4 End-zu-Seit: Transplantatvene – V. iliaca externa. 4 End-zu-Seit: Transplantatarterie – A. iliaca externa. 4 End-zu-Seit: spenderseitiger Ureter und empfängerseitige Blase. Die eigene Niere des Empfängers verbleibt zumeist im Situs. Eine rechte Spenderniere wird in der Regel in die linke Fossa iliaca transplantiert, aber auch eine gleichseitige Transplantation wird praktiziert. kLagerung
4 Rückenlagerung, ggf. Anlagern des rechten Armes unter Beachtung der Lagerungskriterien (7 Abschn. 1.2). Der Arm, an dem der arteriovenöse Shunt (7 Kap. 5) angelegt wurde, ist mit Watte zu polstern. 4 Die Halterung des Bookwalter-Rahmens wird rechts bzw. links am OP-Tisch befestigt. 4 Die Blase wird über den liegenden Dauerkatheter gefüllt. 4 Platzierung der neutralen Elektrode an einem Oberschenkel. ! Beachtung der Hygienerichtlinien bei infektiösen Patienten. kInstrumentarium
Die Transplantation einer Niere kann durch eine Leichenspende oder durch Lebendspende realisiert werden. Bei Spender und Empfänger sollte die HLA-Kompatibilität bestmöglich übereinstimmen, und das serologische »crossmatch« muss negativ sein. Die Wartezeit für ein Organ beträgt derzeit ca. 6–8 Jahre.
4 4 4 4
kIndikationen
4 4 4 4
Alle Formen der irreversiblen terminalen (dialysepflichtigen) Niereninsuffizienz. Die Ursachen hierfür finden sich beim Erwachsenen meist in einer Glomerulo- bzw. Pyelonephritis, der diabetischen Nephropathie sowie anderen Erkrankungen, die zur Nierenschädigung führen (z. B. Analgetikanephropathie, Zystennieren). Da die Dialysebehandlung die Nierenfunktion nur partiell ersetzt, vom Patienten sehr viel Disziplin fordert
4
4 4 4 4
Grundinstrumentarium, Laparotomieinstrumentarium, Rahmensystem z. B. nach Bookwalter (. Abb. 4.28), Gefäßinstrumentarium mit Knopfkanülen, Sonden, Schere nach Potts, Löffel- und Satinsky-Klemme, große Metallschüssel für physiologische Kochsalzlösung, Blasenfüllsystem, feines bzw. Stichskalpell, Zügel bzw. Vesselloop, Aortenpunch (Aortenstanzen unterschiedlicher Größen), warmes und kaltes NaCl 0,9%, Heparinlösung, ggf. Doppel-J- Katheter, Robinson-Drainage.
9
494
Kapitel 9 · Urologie
Vorbereitung eines Beistelltisches zur Präparation des Spenderorgans, Schüssel für Eis, Eishammer, Eis, kaltes NaCl, evtl. kalte Konservierungslösung, textile Umlegungen, sterile Plastiktüten (in der Regel 3 Stück zur Wiederverpackung), grobe Schere und Klemmen zum Auspacken des Organs, feines Gefäßinstrumentarium, 10-mlSpritze, Knopfkanülen und Sonden. Back-table-Präparation
9
7 Vor Beginn der eigentlichen Transplantation wird das Spenderorgan auf einem separaten Tisch vorbereitet. 7 Das Organ wird unter sterilen Bedingungen mittels Kocher-Klemme und Schere (nach Mayo oder Cooper) aus der 3-Beutel-Verpackung (7 Kap. 16, Explantation) entnommen und in eine Schüssel mit sterilem, zerkleinertem Eis, kalter NaCl-Lösung sowie Bauchtüchern gelegt. Das Organ darf keinen Kontakt mit Eis haben, sonst entsteht Gefrierbrand! 7 Die Spenderniere wird eingehend auf ihre Verwendungsfähigkeit untersucht. Das perirenale Fett wird abpräpariert und die Gefäße mittels Knopfkanüle und NaCl-Lösung auf ihre Dichtigkeit geprüft, ggf. muss ein Gefäß mit nicht resorbierbarem Nahtmaterial umstochen werden. 7 Anschließend wird das Organ wieder 3-fach steril verpackt oder verbleibt direkt auf dem Instrumentiertisch im OP-Saal in kalter Konservierungslösung.
Nierentransplantation (OP-Verlauf) 7 Hautdesinfektion des Abdomens von Mamille bis Symphyse, Abdeckung des OP-Gebiets. 7 Rechts oder links bogenförmige Hautinzision, die ca. 5 cm oberhalb der Symphyse beginnt und bis oberhalb der Spina iliaca anterior superior verläuft. 7 Durchtrennung des subkutanen Fettgewebes, der Faszie und des M. obliquus externus mit dem Diathermiemesser. 7 Vorsichtiges Eingehen in den Retroperitonealraum, der stumpf nach medial verdrängt wird. Bei Männern erfolgt die Präparation unter Schonung des Ductus deferens. 7 Umlegung mit Bauchtüchern und Anbringen des Rahmensystems. 7 Exposition des Retroperitoneums. 7 Präparation der A. iliaca externa (. Abb. 9.67) unter Schonung der lymphatischen Gefäße. Anzügeln der Arterie mit einem Vesselloop. 6
7 Präparation der V. iliaca bis zum Abgang der V. iliaca interna und Anzügeln des Gefäßes. 7 Das Spenderorgan wird nun probeweise eingebracht. 7 Um einen übersichtlichen Situs zu erhalten sowie eine spannungsfreie Anastomosennaht zu gewährleisten, kann das Organ in einer mit kaltem NaCl getränkten Kompresse, in die mittig ein kleines Loch für die Gefäße geschnitten wurde, am Transplantationsort gelagert und fixiert werden. 7 Von diesem Zeitpunkt an bis zur Reperfusion wird nur kaltes NaCl verwendet. 7 Der Beginn der Anastomosennaht und deren Ende werden dokumentiert. 7 Ausklemmen der A. iliaca externa mit z. B. einer Löffel- oder Satinsky-Klemme, Eröffnen des Gefäßes mit einem Stichskalpell und Aufstanzen der Inzision mit einem Aortenpunch zur Herstellung eines größenidentischen Lumens. 7 Spülen mit heparinisierter NaCl-Lösung. 7 Kontrolle der Intima auf sklerotische Veränderungen. 7 Nach dem Legen der Ecknähte erfolgt eine Endzu-Seit Anastomose in fortlaufender Nahttechnik mit nicht resorbierbarem Nahtmaterial (z. B. monofil 7–0 doppelt armiert). 7 Nach Beendigung der Anstomose wird die Nierenarterie mit z. B. einer Bulldogklemme abgeklemmt und die Anastomose freigegeben. 7 Kontrolle auf Bluttrockenheit. 7 Analog der arteriellen Vorgehensweise erfolgt nun das Ausklemmen der V. iliaca externa (. Abb. 9.67), dann Eröffnen des Gefäßes und Verlängerung der Inzision mit einer gewinkelten Schere nach Potts. 7 Legen der Ecknähte und Herstellung einer Endzu-Seit-Anastomose in fortlaufender Technik mit nicht resorbierbarem Nahtmaterial (z. B. monofil 6–0 doppelt armiert). 7 Die anschließende Reperfusion erfolgt durch Freigabe der Vene und anschließende Freigabe der Nierenarterie in Abstimmung mit dem Anästhesisten, um die Kreislaufsituation nicht zu gefährden. 7 Dokumentation der Reperfusionszeit. 7 Ab diesem Zeitpunkt wird wieder körperwarmes Kochsalz verwendet. 7 Kontrolle auf Bluttrockenheit und Beginn der retrograden Blasenfüllung. 7 Es werden verschiedene Methoden der Ureteranastomose beschrieben, in der Regel wird eine Ureteroneozystostomie nach Grégoir durchgeführt:
495 9.13 · Nierentransplantation (NTX)
7 Präparation, Kürzen sowie Schlitzen des Transplantatureters am distalen Ende. 7 Nach der Durchtrennung der Harnblasenmuskulatur wird die Blase am geplanten Anastomoseneingang eröffnet und die Spülflüssigkeit abgesaugt. 7 Legen und Anklemmen der Ecknähte und Herstellen einer spannungsfreien End-zu-Seit-Anastomose in fortlaufender Nahttechnik zwischen Ureter und Harnblase mit einem monofilen resorbierbaren Faden der Stärke 5–0. 7 Ggf. Schienung durch einen Doppel-J-Katheter. 7 Readaptation der Blasenmuskulatur über der Anastomose als Antirefluxplastik. 7 Bei Bedarf wiederholtes Auffüllen der Blase zur Dichtigkeitsprüfung, Spülen des OP-Gebiets sowie Kontrolle auf Bluttrockenheit. 7 Evtl. Einbringen einer Drainage, z. B. Robinson. 7 Zählen von Textilien und Instrumenten sowie Dokumentation des Zählstandes. 7 Schichtweiser Wundverschluss und Verband.
. Abb. 9.67 Operativer Situs der Nierentransplantation in die Fossa iliaca. (Nach Siewert 2006)
9
10
Neurochirurgie M. Liehn, M. Brunken, M. Weissflog, A. Gudat
10.1 Anatomische und physiologische Grundlagen
– 498
10.2 Neurochirurgisches Basiswissen im Operationssaal
– 507
10.3 Diagnostische Untersuchungen in der Neurochirurgie 10.4 Intrakranielle Tumoren
– 517
10.5 Intrakranielle Gefäßmissbildungen 10.6 Entzündliche Erkrankungen 10.7 Schädel-Hirn-Traumata
– 525
– 529
– 530
10.8 Erkrankungen und Verletzungen des Rückenmarks, seiner Hüllen und der Wirbelsäule – 536 10.9 Schädigung peripherer Nerven
– 545
M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_10, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
– 516
498
Kapitel 10 · Neurochirurgie
10.1
Anatomische und physiologische Grundlagen
Hierzu gehören die Großhirnrinde und die im Inneren des Gehirns liegenden Kerngebiete (Nuclei oder Ganglien) – die Basalganglien.
M. Liehn, M. Brunken, M. Weissflog Unter topographischem Aspekt werden 2 Bereiche des Nervensystems unterschieden: 4 Zentrales Nervensystem (ZNS):
Zu diesem Teil gehören das Gehirn und das Rückenmark. Beide Organe verarbeiten Reize und Sinneseindrücke aus der Umwelt oder steuern Reaktionen und komplexe Verhaltensabläufe. Das zentrale Nervensystem besteht aus vernetzten Nervenfasern, die die Gehirnzellen untereinander sowie mit den Sinnesorganen und dem Muskelsystem verbinden. Komplexe Verhaltensweisen (Wut, Flucht) sind oft auf komplizierte Verknüpfungsmuster der Nervenzellen zurückzuführen. 4 Peripheres Nervensystem (PNS):
10
Es verbindet mit seinen Hirn- und Spinalnerven sowie seinen Ganglien (Schaltstellen) die Peripherie des Körpers mit den zentralen Nervenbereichen. Das PNS teilt sich noch einmal weiter auf in das willkürliche oder motorische Nervensystem (von hier aus werden alle willentlichen Muskelbewegungen gesteuert) und das unwillkürliche, auch vegetative Nervensystem. Dieser Teil überwacht und lenkt die Funktion der inneren Organe mit Hilfe von 2 unterschiedlichen Systemen: Während der Sympathikus anregend und mobilisierend wirkt, bremst und beruhigt der Parasympathikus. Das Nervensystem entwickelt sich aus dem embryonalen äußeren Keimblatt, dem Ektoderm. Durch bestimmte Einrollungs- und Ausstülpungsvorgänge entsteht aus den Neuralwülsten das Neuralrohr. Am Vorderende des Neuralrohrs entsteht das Gehirn über zunächst 3 blasenförmige Erweiterungen (Vorder-, Mittel- und Nachhirn). Aus dem Vorderhirn werden das spätere Großhirn und das Zwischenhirn. Aus dem Nachhirn werden Kleinhirn und Medulla oblongata (verlängertes Mark). Die Hohlräume der embryonalen Hirnblasen bleiben erhalten und bilden später die 4 inneren Höhlen (Ventrikel) des Gehirns.
10.1.1
Großhirn
Bei einem Anschnitt des Gehirns erkennt man 2 Bereiche. 4 Weiße Substanz des Gehirns (Marklager): Hier verlaufen Nervenfasern. Die weiße Farbe ergibt sich aus den Markscheiden. 4 Graue Substanz des Gehirns:
Bereiche, in denen größere Mengen von nah beieinander liegenden Nervenzellkörpern zu finden sind.
Die Basalganglien gehören zum Hirnstamm und lassen sich in die folgenden Anteile unterscheiden: 4 Streifenhügel oder Corpus striatum: Er besteht aus dem Nucleus caudatus (Schweifkern) und Putamen (Schalenkern). Eine erblich bedingte Erkrankung des Streifenkerns ist der Veitstanz (Chorea Huntington), bei der es zum Verlust der motorischen Kontrolle, zu Demenz und zu Wesensveränderungen kommt. Der Streifenkern beeinflusst also die unwillkürlichen Bewegungen (Hemmungsorgan). 4 Pallidum (pallidus = blass): Das Pallidum gibt Anregungen u. a. zu primitiven Bewegungen. Beispiel: die »Massenbewegungen« des Säuglings. Die Markscheiden des Pallidum sind beim Säugling bereits entwickelt. Dies führt zu weit ausgedehnten Bewegungen und Reflexen. Der noch nicht reife Nucleus caudatus kann seine hemmende Kontrollwirkung noch nicht ausüben. Ebenfalls dem Hirnstamm zugerechnet werden Zwischenhirn, Mittelhirn, Kleinhirn und Medulla oblongata. Zu Beginn der embryonalen Entwicklung ist die Oberfläche des Gehirns zunächst glatt. Erst während der Entwicklung bilden sich Windungen (Gyri) des Großhirns aus, zwischen denen dann die Furchen (Sulci) liegen. Wesentliche Furchen sind: 4 Zentralfurche (Sulcus centralis), 4 Sylvi-Furche (Sulcus lateralis, Fissura Sylvii), StirnSchläfenhirn-Furche. Durch diese Furchen lassen sich 4 Lappen abgrenzen: 4 Stirnlappen (Lobus frontalis), 4 Scheitellappen (Lobus parietalis), 4 Schläfenlappen (Lobus temporalis), 4 Hinterhauptlappen (Lobus occipitalis).
Großhirnrinde Die Rinde oder der Kortex bildet den äußeren Rand des Großhirns. Die Großhirnrinde ist im Bereich der Zentralregion etwa bis zu 5 mm dick. Die Hirnrinde enthält schätzungsweise 14 Mrd. Zellen. Das Gesamtgewicht der Zellen beträgt 21,5 g. Das bedeutet, dass eine Nervenzelle ca. 1/25.000.000 mg schwer ist. Die Rinde enthält 6 Schichten, die aus unterschiedlichen Nervenzellen aufgebaut sind. Die meisten Nervenzellen haben mehrere kurze Fortsätze (Dendriten). Außerdem besitzen sie einen besonderen, manchmal bis zu 1 m langen Hauptfortsatz mit einem Achsenzylinder (Neurit), der von einer Markscheide als äußere weißlich-gelbe Hülle
499 10.1 · Anatomische und physiologische Grundlagen
umgeben sein kann. Das aus dem Nervenzellkörper, seinen Verästelungen und dem Neuriten bestehende Gebilde nennt man Neuron. Neben diesen Neuronen enthält die Rinde des Großhirns auch Zellen mit nichtnervöser Funktion: die Neuroglia, die mit unterschiedlichen Zelltypen das Stütz- und Hüllgewebe des Nervensystems darstellt und für den Stoffwechsel der Nervenzellen wichtig ist.
Nervenleitungen und Informationsübermittlung Nervenfasern leiten die Erregung grundsätzlich nur in eine Richtung, entweder vom Gehirn zur Peripherie (efferente Leitung) oder von der Peripherie zum Gehirn (afferente Leitung).
4 Nucleus niger (schwarzer Kern) oder Substantia nigra:
Bei Erkrankungen dieses Kerngebietes nach einer Enzephalitis oder durch Atrophie im Alter kommt es zur Parkinson-Erkrankung.
Kleinhirn Das Kleinhirn koordiniert das Zusammenspiel von Muskelgruppen. Dem Kleinhirn gehen aus sehr weiten Bereichen des Nervensystems Erregungen zu. Besonders wichtig sind die engen Beziehungen zum statischen Organ. Es ist für die Koordination der Bewegungsabläufe und das Gleichgewicht zuständig.
10.1.4 10.1.2
Zwischenhirn
Zum Zwischenhirn gehören der Thalamus (Thalamus opticus = Sehhügel) und der Hypothalamus. Der Hypothalamus ist dem vegetativen Nervensystem übergeordnet. Er bildet die zentrale Regulation vegetativer Prozesse wie Temperaturempfinden, Physiologie der Erregung und des endokrinologischen Geschehens. Ferner wird hier die Ausschüttung von Hormonen, besonders der Hypophyse und der Nebennieren, koordiniert. Alle Vorgänge des Hypothalamus stehen in engster Beziehung zum Thalamus und zum Großhirn. Der Thalamus gilt als wichtige Sammel- und Umschaltstelle für Erregungen aus den Sinnesorganen und dem Körper. Bei unangenehmen Empfindungen (Schreck, Ekel) wird die Erregung des Thalamus auch auf den Sympathikus umgeleitet, sodass Übelkeit und sogar Erbrechen die Folge sein können. Erkrankungen und Verletzungen des Thalamus stören die Sensibilität (Spontanschmerzen, Rasierschmerzen). Das gesamte Zwischenhirn ist der Ursprungsort aller Affekte wie Wut, Ärger, Freude, Wohlbehagen. Zwischen Thalamus und Hirnrinde bestehen zahlreiche axonale Verbindungen, sodass beide Hirnregionen in ständiger Verbindung miteinander stehen und sich wechselseitig stimulieren oder hemmen. Ferner bestehen engste Beziehungen vom Zwischenhirn zu den Basalganglien.
10.1.3
Mittel- und Kleinhirn
Mittelhirn Neben dem Aquaeductus cerebri Sylvii, der Verbindung zwischen dem 3. und 4. Hirnventrikel, enthält das Mittelhirn u. a. 2 für die Motorik sehr wichtige Kerne: 4 Nucleus ruber (roter Kern): Er erhält v. a. Erregungen aus dem Kleinhirn.
Hirnnerven
Als Hirnnerven werden die direkt vom Gehirn abgehenden 12 bzw. 13 Nerven bezeichnet, die mit Ausnahme des X. Hirnnervs (N. vagus) zu den Organen des Kopfes und der Kehle führen (. Tab. 10.1). Hirnnerv I und II, der Sehnerv und der Riechnerv, sind Ausstülpungen des Zwischenhirns und somit Gehirnanteile, während die übrigen Hirnnerven wie die Spinalnerven aus den frühen Anlagen des Zentralnervensystems herauswachsen.
10.1.5
Rückenmark
Das Rückenmark (Medulla spinalis) liegt im Wirbelkanal der Wirbelsäule. Es ist ein langer Strang aus Nervensubstanz. In regelmäßigen Abständen treten zahlreiche, jeweils eine vordere und eine hintere Nervenwurzeln aus (. Abb. 10.1). Am Rande des Wirbelkanals vereinigen sich beide Wurzeln zu einem der insgesamt 31 Spinalnerven, die zu den Muskeln und zur Haut weiterziehen. Das Rückenmark geht ohne festen Übergang aus der Medulla oblongata hervor und endet mit dem Conus medullaris in Höhe des 1. oder 2. Lendenwirbels. Es werden 8 Halssegmente (Zervikalsegmente), 12 Brustsegmente (Thorakalsegmente), 5 Lendensegmente (Lumbalsegmente), 5 Kreuzbeinsegmente (Sakralsegmente) und 1 Steißsegment (Kokzygealsegment) unterschieden. Das Rückenmark ist ca. 40–50 cm lang. Da die Wirbelsäule schneller wächst als das Rückenmark, ist dieses schließlich kürzer als die Wirbelsäule und endet im thorakolumbalen Übergang. Daher ziehen die spinalen Nervenfasern, insbesondere die der Lumbal- und Sakralsegmente, aus den unteren Bereichen des Rückenmarks im Wirbelkanal noch weiter nach unten, bevor sie das für sie bestimmte Foramen intervertebrale erreichen. Die Spinalnervenwurzeln unterhalb des Conus medullaris sind zu einem dicken Faserbündel vereinigt, das wie ein Pferdeschwanz aussieht und deshalb als Cauda equina
10
500
Kapitel 10 · Neurochirurgie
. Tab. 10.1 Hirnnerven Nerv
10
Ursprung
Austrittsstelle
Erfolgsorgan
Funktion
I.
N. olfactorius (fila olfactoria)
Zwischenhirn
Stirnbasis/Zwischenhirn
Nasenschleimhaut
Geruchsempfindung
II.
N. opticus (fasciculus opticus)
Zwischenhirn
Zwischenhirn
Netzhaut des Auges
Sehen
III.
N. oculomotorius
Mittelhirn
Mittelhirn vor der Brücke
Augenmuskel
Bewegung des Augapfels, Pupillenspiel
IV.
N. trochlearis
Mittelhirn
Mittelhirn vor der Brücke
Augenmuskel (M. obliquus superior)
Rotation des Augapfels nach außen und unten
V.
N. trigeminus
Rautenhirn
Brücke (Seitenrand)
Gesicht, Kaumuskulatur
Sensible Versorgung der Gesichtshaut
VI.
N. abducens
Rautenhirn
Brücke (Seitenrand)
M. rectus lateralis
Rotation des Augapfels nach außen
VII.
N. facialis
Rautenhirn
Medulla oblongata (Kleinhirnbrückenwinkel)
Gesichtsmuskulatur
Mimik
VIII.
N. vestibulocochlearis
Rautenhirn
Medulla oblongata (Kleinhirnbrückenwinkel)
Schnecke des Innenohres, Bogengänge des Innenohres
Hören, Wahrnehmung der Stellung des Körpers im Raum
IX.
N. glossopharyngeus
Rautenhirn
Medulla oblongata (seitlich)
Mund und Zunge
Geschmack, Gaumenbewegung (Schlucken)
X.
N. vagus
Rautenhirn
Medulla oblongata (seitlich)
Ohrmuschelrückseite, Gehörgang, Schlund, Zungengrund, Herz, Lunge, Magen, Darm
Sensible Versorgung, motorische Versorgung, parasympathische Versorgung
XI.
N. accessorius
Rautenhirn
Medulla oblongata (seitlich)
M. sternocleidomastoideus, M. trapezius
Kopfnicken, Hebung der Schultern
XII.
N. hypoglossus
Rautenhirn
Medulla oblongata (oberes Halsmark)
Zungenmuskulatur
Zungenbewegung
XIII.
N. intermedius
Rautenhirn
Medulla oblongata
Zunge, Tränendrüse, Speicheldrüse
Geschmack, Drüsensekretion
bezeichnet wird. Auf Querschnitten durch das Rückenmark erkennt man die graue Substanz innen (nicht wie beim Gehirn außen). Dieser graue Teil des Rückenmarks erscheint ungefähr in der Form eines Schmetterlings oder in der eines großen lateinischen H. Die den Rand des Rückenmarks berührenden Flügel der grauen Substanz nennt man Hinter- bzw. Vorderhörner. Die Spinalnerven verlassen das Rückenmark mit einer vorderen und einer hinteren Wurzel. Die vordere Wurzel bildet das motorische Neuron: Nach Durchschneidung ergibt sich eine Lähmung der von diesem Nerv versorgten Muskelgruppen. Die hintere Wurzel ist das sensible Neuron: Nach Durchschneidung ist ein bestimmter Teil des Körpers gefühllos. Das Spinalganglion (sympathische und parasympathische Nervenzellen) der hinteren Wurzel liegt im Foramen intervertebrale.
Leitungsapparat des Rückenmarks . Abb. 10.1 Rückenmark mit 2 eingezeichneten Spinalnervenpaaren
Der Leitungsapparat des Rückenmarks liegt in der weißen Substanz. Vollständige Durchtrennung des Rückenmarks, wie
501 10.1 · Anatomische und physiologische Grundlagen
z. B. bei einem traumatischen Querschnittsyndrom, bedeutet den totalen Ausfall der gesamten Willkürmotorik und Sensibilität. Der Körper ist unterhalb der Läsion absolut gefühllos und völlig gelähmt. In den Rückenmarksegmenten unterhalb einer kompletten Querschnittlähmung bleiben Reflexe auf Rückenmarkniveau erhalten. Das erklärt, dass sich nach einer Querschnittlähmung eine spastische Lähmung entwickeln kann oder über die Stimulierung eines erhaltenen Reflexbogens die Blase kontrolliert entleert werden kann (Reflexblase). Die Leitungsfasern gleicher Funktion liegen in Strängen zusammen, die bei allen Menschen gleich lokalisiert sind. jAfferente Systeme
Die afferenten Systeme leiten zum Hirn hin. Temperatur und Schmerzempfindung, Tast- und Berührungsempfindung, ob grob oder fein, werden in unterschiedlichen Bahnen dem Hirn zugeleitet. jEfferente Systeme
Die efferenten Systeme leiten vom Hirn zur Peripherie in den Pyramidenbahnen. Diese entspringen in der vorderen Zentralwindung des Großhirns und laufen in der Capsula interna (zwischen den Basalganglien und dem Zwischenhirn) abwärts. Im verlängerten Mark kreuzt die Hauptmasse der Pyramidenbahnen auf die Gegenseite. Nach einer Verletzung der Pyramidenbahn ist unterhalb der geschädigten Stelle keine willkürliche Bewegung mehr möglich. Betrifft der Ausfall eine Rückenmarkhälfte, so kann der Patient z. B. das Bein der gleichen Seite nicht mehr willkürlich bewegen. Ist die Pyramidenbahn intrazerebral unterbrochen, z. B. bei einem apoplektischen Insult (Blutung im Bereich der Capsula interna), so sind willkürliche Bewegungen auf der Gegenseite nicht mehr möglich. Die efferenten Systeme leiten auch das extrapyramidal motorische System. Dieses steuert die unwillkürlichen Bewegungsimpulse. Im Zusammenspiel mit dem Zwischenhirn haben diese Bahnen direkte Beziehungen zu den Basalganglien, dem Striatum. In den extrapyramidalen Bahnen werden automatische »Bewegungsimpulse« geleitet, wie z. B. bei geübtem Schreiben. Der Bewegungsentwurf dazu ist in den Basalganglien gespeichert. Das bedeutet eine Entlastung des pyramidalen Systems.
10.1.6
Zentren der Großhirnrinde
der Erholung vom ersten Verletzungsschock keine Folgen zu haben. Eine genauere psychologische Untersuchung von Menschen mit solchen Ausfällen hat aber eine durchweg deutliche Veränderung der Persönlichkeit gezeigt. Meist ist der Antrieb geschwächt, die Person hat wenig Initiative. Nach einer Schädigung des Stirnhirns macht der Patient den Eindruck einer nicht mehr sicheren Persönlichkeit. Man spricht hier auch von einem Stirnhirnsyndrom.
Lähmungen Verletzungen der vorderen Zentralwindung des Gehirns ergeben Lähmungen ganz bestimmter Muskelgruppen der kontralateralen Seite. Die gleiche Wirkung haben auch Schlaganfälle oder Tumoren in dieser Region. In der vorderen Zentralregion beginnen die Pyramidenbahnen, die durch die Capsula interna in das verlängerte Mark absteigen und dort auf die Gegenseite kreuzen. Im Rückenmark wirken sie dann auf das System der Motoneurone (motorische Vorderhornzellen und ihre Neuriten; 7 Abschn. 10.1.1), indem Muskeln jeweils von einer bestimmten Stelle in der vorderen Zentralwindung ihre Anweisung erhalten. In der Rinde der vorderen Zentralwindung liegen demnach motorische Zentren. Die Folgen ihrer Ausschaltung sind berechenbar. Gewissermaßen projiziert sich die Oberfläche des ganzen Körpers auf die Oberfläche der vorderen Zentralwindung. Die Größe dieser Projektionsflächen auf der vorderen Zentralwindung ist von der Feinheit der von den Muskeln zu leistenden Arbeit abhängig. Die Flächen für die motorischen Fasern, die zur Hand, zum Mund und besonders zu den Lippen führen, sind verhältnismäßig groß. Projiziert man den Körper proportionsgerecht auf die vordere Zentralwindung, so entsteht ein »Homunkulus« (. Abb. 10.2) mit einem sehr großen Kopf, einer geradezu riesigen Hand und einem zierlichen Bein. Die Zentren erfüllen ihre komplexen Aufgaben stets in Zusammenwirkung mit dem ganzen Gehirn. Immer unterliegen sie Einflüssen aus den vorderen Bereichen des Stirnlappens und auch aus den Erregungen, die vom Zwischenhirn ausgehen. Ferner ist für den Bewegungsablauf, v. a. für geübte Bewegungen, das extrapyramidale System notwendig. Es steuert die bekannten und geläufigen Bewegungen. > Das pyramidale System steuert willkürliche, das extrapyramidale System dagegen unwillkürliche Bewegungen.
Nachfolgend werden einige Konsequenzen beschrieben, die durch eine Störung bzw. den Ausfall von Zentren der Großhirnrinde verursacht sind.
Das extrapyramidale System liefert den Bewegungsentwurf, das in der vorderen Zentralwindung beginnende pyramidale System verfeinert ihn und passt ihn den vorhandenen Gegebenheiten an.
Diffuse Persönlichkeitsstörungen
Sensibilitätsstörungen
Der Ausfall eines recht umfangreichen Gebietes des Stirnlappens und von Teilen des Schläfenlappens scheint nach
Nach Verletzungen bestimmter Bereiche der Großhirnrinde ist ein entsprechendes Gebiet der Haut gefühllos oder
10
502
Kapitel 10 · Neurochirurgie
a
10
b
. Abb. 10.2a, b Zuordnung der verschiedenen Körperregionen zu den motorischen und den sensiblen Hirnrindengebieten. a Projektion der somatosensorischen Körpergebiete auf den Gyrus postcen-
tralis. b Projektion des motorischen Homunkulus auf den Gyrus praecentralis. (Nach Schiebler u. Schmid 2003)
unempfindlich. Diese sensorischen Rindengebiete an der hinteren Zentralwindung liegen neben den entsprechenden motorischen Zentren der vorderen Zentralwindung, d. h. ein sensorisches Fußzentrum befindet sich neben dem motorischen usw. Beide Zentren greifen ineinander über. Die sensiblen Fasern gelangen aus allen Abschnitten des Körpers auf die hintere Zentralwindung, sodass man auch hier von einer Projektion der Körperoberfläche auf die Hirnrinde spricht. Auch diese ist keineswegs proportionsgerecht. Der Umfang des Projektionsgebietes auf der sensorischen Rinde hängt nicht von der Größe der Körperoberfläche ab, sondern von ihrer Bedeutung. Daumen, Lippen und Gesicht haben ein verhältnismäßig großes, Rumpf und Hals ein sehr kleines Areal (7 Abb. 10.2).
sichtsfeld, rechtes Auge: mediales Gesichtsfeld) – die homonyme Hemianopsie nach links. In der Nähe der Area striata gibt es ein schwer abgrenzbares Gebiet, das sekundäre Sehzentrum. Nach dessen doppelseitigem Ausfall kann der Mensch einen Gegenstand noch richtig wahrnehmen und benutzen, er kann ihm aber nicht seinen Namen geben. Der Patient leidet an Seelenblindheit.
Störungen des optischen und des akustischen Wahrnehmens Optische Wahrnehmung Im Bereich des Hinterhauptlap-
pens des Großhirns in der Nähe der Fissura calcarina findet sich ein leicht streifig erscheinendes Areal, die Area striata. Dieses Areal bildet das primäre Sehzentrum. Es empfängt seine Erregungen von der Netzhaut des Auges über den Sehnerv und die Sehnervenstrahlung. Werden diese Areale in beiden Hinterhauptlappen z. B. durch ein Trauma, zerstört, ist der Patient blind. Ein Tumor im rechten Hinterhauptlappen bewirkt dagegen eine halbseitige Blindheit beider Augen (Ausfall linkes Auge: laterales Ge-
Akustische Wahrnehmung Weiter unterscheidet man im Schläfenlappen 2 akustische Zentren für das Hören: 4 das primäre Zentrum dient der akustischen Wahrnehmung, 4 das sekundäre Zentrum dient dem Erkennen des Gehörten.
Diese Zentren kann man in der Rinde nicht voneinander trennen, sie sind ineinander verzahnt. Alles spricht dafür, dass der Umfang eines solchen Zentrums morphologisch nicht festliegt, sondern je nach Beanspruchung größer oder kleiner ist.
Sprachstörungen Sensorische Aphasie Ausfälle im Bereich des Hörzentrums
können zu schweren Störungen des Sprachverständnisses führen. Der Rindenbereich, auf dessen Schädigung sie zurückzuführen sind, lässt sich vom eigentlichen Hörzen-
503 10.1 · Anatomische und physiologische Grundlagen
trum nicht genau abgrenzen; er liegt im Schläfenbereich des Großhirns. Der betreffende Bereich heißt auch Wernicke-Zentrum. Motorische Aphasie Das Sprachverständnis ist nur wenig
beeinträchtigt, aber der Patient kann Silben nicht zusammensetzen, keine Sätze bilden und Worte nicht finden. Verantwortlich sind Ausfälle am unteren Rand des Stirnlappens, der Broca-Windung. Die Sprachzentren befinden sich in der Regel bei Rechtshändern auf der linken Seite, bei Linkshändern manchmal auf der rechten Seite des Gehirns → Dominanz der linken Hemisphäre.
10.1.7
Liquorräume
Die Hohlräume der embryonalen Hirnblasen bleiben erhalten und bilden später die 4 inneren Höhlen (Ventrikel) des Gehirns. 1. und 2. Ventrikel liegen in der rechten und linken Hemisphäre des Großhirns, beide Ventrikel werden auch Seitenventrikel genannt und sind über die Foramina Monroi untereinander und mit dem 3. Ventrikel im Zwischenhirn verbunden. Der 3. Ventrikel ist mit dem 4. Ventrikel im Rautenhirn über den Aquaeductus cerebri Sylvii im Mittelhirn verbunden. Der 4. Ventrikel setzt sich fort in den Zentralkanal des Rückenmarks. Gleichzeitig bestehen vom 4. Ventrikel Verbindungen zu den äußeren Liquorräumen (Foramina Luschkae und Foramen Magendii). In den Ventrikeln befindet sich der Liquor cerebrospinalis. Er wird von Gefäßgeflechten (Plexus chorioidei) in den Hirnkammern gebildet und gelangt über die genannten Foramina schließlich an die Außenflächen des Gehirns und des Rückenmarks. Er wird in den Pacchioni-Granulationen der Arachnoidea und im Bereich der Wurzelscheide der Spinalnerven in das Blutgefäßsystem rückresorbiert. Ist diese Liquorzirkulation an einem dieser vorgenannten Orte behindert, entwickelt sich ein Hydrozephalus. jFunktionen des Liquors
4 4 4 4
Aufrechterhaltung eines konstanten Hirninnendrucks, Aufrechterhaltung eines konstanten Hirnvolumens, Schutzfunktion nach Art eines Wasserkissens, Ernährung der Zellen des Gehirns.
wegt und sich dann gegen das darunter liegende Periost verschiebt. So kommt es, dass sich Hämatome innerhalb der Kopfschwarte kaum, im Raum zwischen Galea und Perikranium (Periost) dagegen schnell ausbreiten. Die Kopfschwarte ist außerordentlich gut durchblutet. Eine Besonderheit stellen die zahlreichen Anastomosen zwischen äußeren und inneren Schädelvenen dar. Die Venen der Kopfschwarte besitzen eine Verbindung in das Schädelinnere. Dies ist ein Weg, auf dem Infektionen gelegentlich eindringen können. 4 Lockeres Bindegewebe grenzt die Kopfschwarte ab gegen 4 das Periost (Perikranium). 4 Schädeldachknochen. Dieser besteht aus 3 Schichten: 5 Lamina externa, 5 Diploe (enthält Knochenmark und ist gut durchblutet), 5 Lamina interna. Gehirn und Rückenmark liegen im knöchernen Schädel bzw. im Wirbelkanal gut geschützt gegen Verletzungen. Der Schädel ist das Knochengerüst des Kopfes (. Abb. 10.3 und . Abb. 10.4). Man unterscheidet: 4 Neurokranium (Hirnschädel), 4 Viszerokranium, Splanchnokranium (Gesichtsschädel). Der Schädel setzt sich wie ein Mosaik aus 29 Teilen (Schädelbeinen) zusammen: 4 Schädeldach, Schädelkalotte: Stirnbein, die beiden Scheitelbeine, die 2 Schuppen der Schläfenbeine und der größte Teil des Hinterhauptbeins. 4 Schädelbasis: die zum Stirnbein gehörenden Dächer der Augenhöhle, das Keilbein, die beiden Felsenbeine, die Teile der Schläfenbeine sind, und ein Teil des Hinterhauptbeins. Die Schädelbasis stellt die untere Rahmenkonstruktion des Knochengerüstes »Kranium« dar. Von Bedeutung sind: 4 Hypophysenregion (Sella turcica). 4 Kleinhirnbrückenwinkel. 4 Vordere Schädelgrube; sie enthält Zugänge zur Na-
senhöhle und zur Orbita. 4 Mittlere Schädelgrube; sie enthält Zugänge zum Ge-
sichtsschädel und zur Orbita. 4 Hintere Schädelgrube; sie enthält Zugänge zum In-
10.1.8
Hüllen des Gehirns und des Rückenmarks
Von außen nach innen sind zu erkennen: 4 Die äußere Haut ist fest verbunden mit der 4 Galea aponeurotica (Kopfschwarte) und der mimischen Muskulatur, mit der zusammen sie sich be-
nenohr, zur Halsregion und zum Wirbelkanal. 4 Der Verbindungsknochen zum Gesichtsschädel ist das Siebbein, durch dessen löchrigen Grund die Fasern der Riechnerven ziehen. Die Schädelknochen sind untereinander fest durch Schädelnähte verbunden; von diesen Nähten geht das Schädelwachstum aus (desmoplastisches Wachstum).
10
504
Kapitel 10 · Neurochirurgie
10 . Abb. 10.3 Schädel in der Seitenansicht. (Nach Schiebler u. Schmidt 2003)
. Abb. 10.4 Schädel in der Frontalansicht. (Nach Schiebler u. Schmidt 2003)
505 10.1 · Anatomische und physiologische Grundlagen
Die 3 wichtigsten Schädelnähte sind: 5 Kranznaht (Sutura coronalis), 5 Pfeilnaht (Sutura sagittalis), 5 Lambdanaht (Sutura lambdoidea). 4 Meningen (Hirn-, Rückenmarkhäute); sie liegen zwischen Knochen und Hirn bzw. Rückenmark. 5 An der Innenseite des Schädels fehlt ein eigenes Periost. Dort übernimmt die Dura mater (Pachymeninx, harte Hirnhaut) die Funktion. Sie liegt auch dem Wirbelkanal innen als feste Haut an. Sie lässt sich meist leicht vom Knochen lösen und haftet nur an den Schädelnähten fester. 5 Zwischen den beiden Großhirnhemisphären bildet die Dura mater eine Duplikatur, die Falx cerebri (Großhirnsichel), an deren Oberkante der Sinus sagittalis superior (oberer Längsblutleiter) verläuft. Eine ähnliche Duplikatur spannt sich oberhalb der hinteren Schädelgrube aus und trennt das Kleinhirn von den hinteren Anteilen des Großhirns: das Tentorium cerebelli (Kleinhirnzeltdach), in dessen Mitte sich ein Schlitz (Tentoriumschlitz) zum Durchtritt des Hirnstamms befindet. Diese Duraduplikaturen bieten der an sich weichen Konsistenz des Gehirns zusätzlichen Halt. 5 Die Sinus durae matris (die in die Dura eingefügten venösen Blutleiter) haben nicht den Wandaufbau der »echten« Venen, sondern sind lediglich mit Endothel ausgekleidete Hohlräume. Bei Verletzungen klaffen sie, bluten daher nicht nur kräftig, sondern stellen auch eine Luftemboliegefahr dar. 5 Arachnoidea (Spinnengewebshaut): Sie bildet mit ihrem spinnengewebsartigen Aufbau eine lockere Verbindung zwischen harter und weicher Hirnhaut. Sie kleidet nicht, wie die weiche Hirnhaut, alle Winkel aus, sondern überdacht sie vielmehr; die entsprechenden Räume heißen Zisternen. Die größte dieser Zisternen ist die Cisterna cerebellomedullaris im Winkel zwischen Kleinhirn und Medulla oblongata. Alle Zisternen sind ebenso wie der gesamte Raum zwischen Spinnengewebs- und weicher Hirnhaut (Subarachnoidalraum) mit Liquor gefüllt (äußerer Liquorraum). 5 Pia mater (Leptomeninx, weiche Hirnhaut): Sie liegt direkt dem Gehirn bzw. dem Rückenmark an; in ihr verlaufen feine Venen und Arterien zur Versorgung von Hirn- und Rückenmark.
10.1.9
Blutversorgung des Gehirns
Die arterielle Versorgung des Gehirns geschieht über die beiden Aa. carotides internae und die beiden Aa. vertebrales. Letztere vereinigen sich nach ihrem Eintritt durch
das Hinterhauptloch in den Schädel zur A. basilaris. Beide Aa. carotides internae sind mit der A. basilaris über Rr. communicantes miteinander verbunden. Auf diese Weise entsteht an der Hirnbasis ein zusammenhängendes System aller zum Gehirn führenden Arterien, das als Circulus arteriosus Willisii bezeichnet wird. Damit wird bei Ausfall einer der zuführenden Arterien in den meisten Fällen die volle Blutversorgung des Gehirns sichergestellt. Vom Circulus arteriosus Willisii entspringen die eigentlichen, das Hirn vorsorgenden Arterien (A. cerebri anterior, A. cerebri media und A. cerebri posterior). Die aus dem Hirn das Blut abführenden Venen münden in die Sinus der Dura mater. Aus ihnen gelangt das Blut schließlich zu der großen V. jugularis (Drosselvene). Aus ihr strömt das Blut in die V. cava und von dort ins Herz.
10.1.10
Wirbelsäule
Die Wirbelsäule (Columna vertebralis; . Abb. 10.5) besteht aus: 4 7 Halswirbeln, 4 12 Brustwirbeln, 4 5 Lendenwirbeln, 4 Kreuzbein und 4 Steißbein. Alle Wirbel, mit Ausnahme des 1. Halswirbels (Atlas), haben einen ähnlichen Aufbau (. Abb. 10.6). Sie bestehen aus dem Wirbelkörper, dem Wirbelbogen, dem Dorn- und dem Querfortsatz. An den Bögen der Brustwirbel befinden sich außerdem Gelenkflächen für die Rippen. Die Verbindung der Wirbel untereinander wird durch die Wirbelgelenke am Wirbelbogen, die Bandscheiben und verschiedene Bänder erreicht. Die Bandscheiben (Disci intervertebrales) sind an den Endflächen zweier benachbarter Wirbelkörper befestigt und spiegeln deshalb die Form dieser Flächen wider. Sie sind aus Faserknorpel aufgebaut, der in der Mitte zum Nucleus pulposus aufgequollen ist. Der Nucleus pulposus wirkt wie ein Wasserkissen. Damit diese weiche Masse nicht durch die Last der Wirbelsäule zwischen den Wirbelkörpern herausgequetscht wird, ist er von dem Faserring (Anulus fibrosus) außen umgeben, der aus straffen, kollagenen Faserzügen besteht. Der Bandapparat besteht aus folgenden Bändern: 4 Vorderes Längsband (Lig. longitudinale anterius); es liegt an der Vorderseite aller Wirbelkörper. 4 Hinteres Längsband (Lig. longitudinale posterius); es liegt an der Hinterseite der Wirbelkörper, d. h. an der Vorderwand des Wirbelkanals. 4 Zwischendornfortsatzbänder (Ligg. interspinalia).
10
506
Kapitel 10 · Neurochirurgie
10
a
b
c
. Abb. 10.5a–c Wirbelsäule von vorn (a), hinten (b) und seitlich von links (c). Beachte die Größe der Wirbelkörper sowie die Stellung der Dornfortsätze in den unterschiedlichen Wirbelsäulenabschnit-
a
b
ten. In der Seitenansicht (c) sind die physiologischen Wirbelsäulenschwingungen zu erkennen. (Nach Appell u. Steng-Voss 2008)
c
d
. Abb. 10.6a–f Vergleichende Darstellung eines Hals-, (a, b), Brust(c, d) und Lendenwirbels (e, f) von oben und seitlich. Die Gelenkflächen der kleinen Wirbelgelenke sind blau markiert, diejenigen zur
e
f Aufnahme der Rippen am Brustwirbel hellgrau. Beachte die unterschiedliche Ausprägung der Fortsätze und die Stellung der Gelenkflächen. (Nach Appell u. Steng-Voss 2008)
507 10.2 · Neurochirurgisches Basiswissen im Operationssaal
4 Dornspitzenband (Lig. supraspinale); es liegt über allen Dornfortsätzen. 4 Zwischenbogenbänder (Ligg. interarcuata) bzw. gelbe Bänder (Ligg. flava). Die Form der menschlichen Wirbelsäule entspricht einem lang gezogenen Doppel-S: Die Halswirbelsäule (HWS) ist nach vorn durchgebogen (Halslordose), die Brustwirbelsäule (BWS) nach hinten (Brustkyphose) und die Lendenwirbelsäule (LWS) wieder nach vorn (Lendenlordose). Dabei sind es die Bänder, die der Wirbelsäule ihren Halt geben. Längsmuskulatur und Bauchmuskulatur wirken zusätzlich als elastisches Korsett. Zwischen dem 1. und 2. Halswirbel (Atlas und Axis) besteht eine gelenkige Verbindung, um die Drehung des Kopfes zu ermöglichen: Der Atlas dreht sich um den Zahn (Dens) des 2. Halswirbels. Durch die Aneinanderreihung der Wirbel mit ihren Wirbellöchern entsteht der Wirbel- oder Spinalkanal, in dem das Rückenmark liegt, das von den gleichen Häuten umgeben ist wie das Gehirn (7 Abschn. 10.1.8).
10.1.11
Vegetatives Nervensystem
Das vegetative (idiotrope) Nervensystem führt eine Reihe von Nervenbahnen, die gesondert zu den glatten Muskeln (z. B. des Darms oder der Harnblase), zu den Drüsen und zum Herzen verlaufen. Es besteht aus dem Parasympathikus und dem Sympathikus. 4 Die sympathischen Bahnen beginnen in der grauen Substanz des Rückenmarks und ziehen durch die vor-
deren Wurzeln in die weißen Verästelungen (Rr. communicantes albi) zum Grenzstrang des Sympathikus. Er ist eine perlschnurartige Kette an beiden Seiten der Wirbelsäule. 4 Zu den parasympathischen Nerven gehört im Wesentlichen der N. vagus. Er entspringt aus einem besonderen Kern des Hirnstamms und erscheint als X. Hirnnerv aus der Medulla oblongata. Er sendet Äste zu allen inneren Organen bis hinab zum Dünndarm. Enddarm und Urogenitalsystem werden durch parasympathische Fasern aus dem Sakralmark versorgt. In ihrer Wirkung auf die inneren Organe sind Sympathikus und Parasympathikus Antagonisten. Aus den unterschiedlichen Funktionen (. Tab. 10.2) lässt sich ableiten, dass das sympathische System im Wesentlichen der Leistungserhöhung dient, während das parasympathische System im Wesentlichen Erholungseffekte bedingt.
10.2
Neurochirurgisches Basiswissen im Operationssaal
10.2.1
Arbeitsbedingungen im neurochirurgischen Operationssaal
Wichtiges Arbeitshilfsmittel des Neurochirurgen ist das Operationsmikroskop. Der Umgang mit allen benötigten hochsensiblen technischen Geräten muss erlernt werden, denn es ist v. a. den hochauflösenden Mikroskopen, dem empfindlichen Mikroinstrumentarium, dem Laserschnittgerät, der intraoperativen Sonographie, dem Ultraschall-
. Tab. 10.2 Funktionen des Sympathikus und des Parasympathikus Erfolgsorgan
Sympathikus
Parasympathikus
Herz
Beschleunigung des Herzschlags
Verlangsamung des Herzschlags
Herzkranzgefäße
Erweiterung
Verengung
Gefäße
Verengung
Erweiterung
Bronchien
Erweiterung
Verengung
Ösophagus
Erschlaffung
Krampf
Magen, Darm
Hemmung der Peristaltik und der Drüsentätigkeit
Anregung der Peristaltik und der Drüsentätigkeit
Blase
Harnverhaltung
Harnentleerung
Genitalien
Gefäßverengung
Gefäßerweiterung
Pupillen
Erweiterung
Verengung
Lidspalte
Erweiterung
Verengung
Speicheldrüsen
Spärlicher, zähflüssiger Speichel
Reichlicher, dünnflüssiger Speichel
Schweißdrüsen
Spärlicher, klebriger Schweiß
Reichlicher, dünner Schweiß
10
508
Kapitel 10 · Neurochirurgie
zertrümmerer, den High-speed-Bohrmaschinen, dem intraoperativen Monitoring, der Neuronavigation und überhaupt der elektronischen Datenverarbeitung zu verdanken, dass am Gehirn und am Rückenmark routinemäßig auf hohem Niveau operiert werden kann. Die Einweisung in diese Geräte gemäß dem Medizin Produkte Gesetz ist obligat. Der Aufbau, der Anschluss, die Funktion, der Abbau und die Pflege sowie die Wartung müssen vertraut sein. Die Instrumentation unter dem Mikroskop (7 Abschn. 10.2.5) unterliegt besonderen Kriterien.
10.2.2
10
Lagerung und Abdeckung
Lang dauernde Operationen erfordern eine optimale Lagerung des Patienten (7 Abschn. 1.2). Ein Wärmeverlust des Patienten muss mit geeigneten Methoden verhindert werden. Meistens werden der Kopf und die Halswirbelsäule des Patienten mit einem 3-Punkt-Kopfspanner nach Mayfield starr fixiert, um ein Verwackeln des OP-Feldes weitgehend zu verhindern. Dabei muss der Patient so liegen, dass das OP-Team möglichst freien Zugang zum OP-Situs und die Anästhesisten freien Zugang zu den Beatmungs-, Mess- und Überwachungsgeräten haben. Liegt der Patient bei Kopfoperationen auf dem Rücken, ragt das Tubussystem oftmals, nur durch die Abdeckung getrennt, nahe dem Instrumententisch aus dem Mund des Patienten. Es ist deshalb beim Platzieren des Instrumententisches unbedingt darauf zu achten, dass die Arbeitsplatte so weit hochgefahren wird, dass Tubusverbindung, Infusionsschläuche, die Dopplersonde u. a. unter der Abdeckung nicht verschoben werden können. Die Abdeckung erfolgt standardisiert abteilungsspezifisch. Der Patient muss gut wärmeisoliert gelagert und abgedeckt sein. Vorteilhaft ist ein Abdecksystem mit integriertem Auffangbehältnis für Spülflüssigkeiten.
10.2.3
Instrumente und Geräte der Neurochirurgie
Zum Schutz des Patienten, der eigenen Sicherheit und zur Erleichterung des Umgangs mit den sensiblen Geräten gibt es Sicherheitsrichtlinien der Hersteller und des Gesetzgebers (MPG), die eingehalten werden müssen. Beim Instrumentarium unterscheiden wir: 4 Kraniotomieinstrumentarium für Eingriffe am Schädel und am Gehirn. Dazu kommen dann bei Bedarf je nach Operation die speziellen Instrumente wie z. B. das Mikroinstrumentarium. 4 Laminektomieinstrumentarium für alle Operationen an der Wirbelsäule, am Rückenmark und an den Spinalnerven.
Kraniotomieinstrumente jSchädeleröffnung
4 Grundinstrumentarium: Skalpell, Pinzetten, Scheren, Nadelhalter, scharfe Haken 4 Raspatorien, schmal und breit, z. B. nach Willinger. 4 Elevatorium, z. B. nach Langenbeck (. Abb. 10.7). 4 Dissektor, einseitig stumpf, einseitig scharf, z. B. nach Freer (. Abb. 10.8) zum Abhebeln des Knochendeckels. 4 Anatomische Dandy-Klemmen (. Abb. 10.9) zur Blutstillung an der Galea der Kopfhaut. 4 Eventuell Raney-Clips mit Applikationszange (. Abb. 10.10) oder Kölner Klammern. Die Clips werden an den Kopfhautlappen zur Kompression und damit zur Blutstillung gesetzt. Alternativ gibt es viele Klammern mit gleichem Wirkungsmechanismus. 4 High-speed-Bohrmaschine mit einem Trepan (. Abb. 10.11), der runde Löcher in die Kalotte bohrt und stoppt, sobald er keinen Widerstand mehr hat, also wenn er an der Dura angelangt ist. 4 Das Kraniotom verbindet die mit dem Trepan gesetzten Bohrlöcher. Dazu wird ein Sägeblatt in die Bohrmaschine eingespannt und ein Duraschutz darüber geschraubt. Dessen Schuh gleitet auf der Dura, sodass diese geschützt wird (. Abb. 10.12). Diese Hochgeschwindigkeitsbohrsysteme mit 80.000–100.000 Umdrehungen/min werden ebenfalls zum druckfreien Fräsen von Knochenvorsprüngen oder zum Aufbohren von Nervenkanälen verwandt (. Abb. 10.13). 4 Mit den Stanzen kann das Bohrloch erweitert werden. Diese Stanzen gibt es nach oben oder nach unten schneidend sowie in der schmalen und der breiten Version. Die Spitze zeigt entweder 90° oder 130° (. Abb. 10.14 und . Abb. 10.15). 4 Mit dem Nervenhäkchen (Durahäkchen) werden die Bohrlochränder umfahren, um adhärente Dura zu lösen. 4 Muss ein Bohrloch erweitert werden, aber die Stanzen sind zu klein, eignet sich eine feine Hohlmeißelzange nach Luer. Zur Gehirnoperation kommen dann verschiedene Instrumente hinzu: 4 Anatomische Bajonettpinzetten, z. B. nach Gruenwald (. Abb. 10.16). Bajonettförmige Instrumente ermöglichen das Fassen von Gewebe in den kleinen Zugängen, ohne dass die Hand des Operateurs im Mikroskopausschnitt sichtbar wird. 4 Duramesser, z. B. ein kleines rundes (15er), um eine kleine Inzision in die Dura zu legen, die dann mittels einer Duraschere erweitert wird. Diese Schere hat eine abgeflachte Branche, die das Gehirn beim Schneiden der Dura vor Verletzungen schützt (z. B. nach Schmieden-Taylor oder nach Frazier; . Abb. 10.17).
509 10.2 · Neurochirurgisches Basiswissen im Operationssaal
10.7
10.11
10.8
10.9
10.10
10.12
10.13 . Abb. 10.7 Elevatorium. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 10.8 Dissektor. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 10.9 Dandy-Klemmen. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 10.10 Raney-Clips. (Fa. Codman)
. Abb. 10.11 Trepan. (Fa. Codman) . Abb. 10.12 Kraniotom und Schutzschuh. (Fa. Codman) . Abb. 10.13 High-speed-Bohrsystem. a Trepane, b Bohrer (Fa. Zeppelin)
10
510
Kapitel 10 · Neurochirurgie
10.14 . Abb. 10.14 Stanze nach Kerrison. (Fa. Aesculap AG)
10.15 . Abb. 10.15 Stanze nach Hajek-Kofler. (Fa. Aesculap AG)
jSchädelverschluss
4 Durapinzetten, Nadelhalter, Schere. 4 Zur schnellen und passgenaueren Fixierung des Knochendeckels werden in verschiedenen Formen angebotene Verschlussplättchensysteme verwendet (. Abb. 10.18). 4 Nur noch selten wird der Knochendeckel mit nicht resorbierbaren Fäden über 2-mm-Bohrlöcher an der Kalotte festgeknotet. 4 Zu jeder Kopfoperation gehört ein standardisierter Zusatz (s. unten), eine Spülspritze mit Knopfkanüle, das Mikroinstrumentarium und andere Spezialinstrumente.
10
Laminektomieinstrumente 10.16
10.17
. Abb. 10.16 Bajonettpinzette. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 10.17 Duraschere. (Fa. Aesculap AG)
4 Feine chirurgische Durapinzetten (z. B. nach Adson). 4 Feine Saugeransätze. 4 Hirnspatel, z. T. selbsthaltend: Diese Spatel werden so gebogen, dass sie sich dem Hirngewebe optimal anlegen. Das Gehirn wird dabei durch einen Streifen feuchter Hirnwatte geschützt. Sollte ein Spatel für kurze Zeit ohne Hirnwatte eingesetzt werden, muss er feucht angereicht werden. Zum Offenhalten des OP-Feldes wird ein Halteapparat mit flexiblen Armen an dem Operationstisch fixiert; in diese Arme werden dann die benötigten Spatel eingesetzt. 4 Bei Bedarf: Aneurysmaclips mit Applikationszangen (7 Abschn. 10.5.1).
4 Skalpell, groß für die Haut und etwas kleiner für die Dura, Pinzetten (chirurgisch grob, chirurgisch fein und bajonettförmig anatomisch). 4 Scheren, scharfe Haken, Nadelhalter. 4 Laminektomiespreizer nach Williams (. Abb. 10.19), der durch seine spezielle Biegung nicht die Übersicht bei dem dorsalen Zugang behindert. Zum Teil werden diese Wundspreizer mit gelenkigen Verbindungen zu den Branchen angeboten. 5 Für eine Laminektomie wird ein Sperrer mit 2 gleich langen Branchen bevorzugt, 5 für eine Hemilaminektomie wird ein Wundspreizer mit einer langen und einer kurzen Branche gewählt. 4 Laminektomiestanze nach Hajek-Kofler (nach oben offen) oder nach Smith-Kerrison (nach unten offen; s. oben: Kraniotomieinstrumente). 4 Mit geraden oder abgewinkelten Rongeuren (Tumorexstirpationszangen) wird das zerschlissene Bandscheibengewebe entfernt (. Abb. 10.20). 4 Der Nervenwurzelhaken (z. B. nach Love oder nach Krayenbühl) hält die Nervenwurzel aus dem OP-Ge-
511 10.2 · Neurochirurgisches Basiswissen im Operationssaal
a
c
b
d
. Abb. 10.18a–d Craniofix-System mit Verschlussplättchen (Beispiel: Fa. Aesculap AG). Instrumentarium (a), Implantat (b), Craniofix-System in situ (c) und implantiert (d)
Mikroinstrumentarium Operationen unter dem Mikroskop erfordern neben dem Standardinstrumentarium ein geeignetes Mikroinstrumentarium. 4 Nervenhäkchen mit und ohne Knopf (. Abb. 10.22). 4 Arachnoideascheren (. Abb. 10.23). 4 Mikroscheren, gerade oder bajonettförmig (. Abb. 10.24). 4 Mikropinzetten, ebenfalls gerade oder bajonettförmig. 4 Mikronadelhalter, bajonettförmig (. Abb. 10.25). 4 Mikrodissektor, zur Unterstützung bei der Präparation (. Abb. 10.26). . Abb. 10.19 Laminektomiesperrer nach Williams
biet (. Abb. 10.21). Auch hier ist es wichtig, dass der Haken feucht angereicht wird. 4 Das Nerv- oder Durahäkchen löst nach der Inzision mit einem kleinen Messer die Dura vom Rückenmark. 4 Bei Operationen an der Wirbelsäule und am Rückenmark gelten dieselben Regeln wie für die Gehirnoperation; der Standardzusatz (s. unten) bleibt derselbe.
Die übliche bipolare Koagulationspinzette wird für Mikroskopoperationen gegen eine Mikropinzette ausgetauscht. Instrumentation 7 Abschn. 10.2.5.
Neurochirurgische Spezialitäten 4 Resorbierbares Hämostyptikum (Kollagenvlies, Tabotamp) tamponiert die blutende Stelle. 4 Für intrazerebrale Blutungen kann das Hämostyptikum zudem in Fibrinkleber getränkt werden.
10
512
Kapitel 10 · Neurochirurgie
10.20
10.21
10
10.22
10.23
. Abb. 10.20 Rongeure. a Nach Love-Gruenwald, b nach WeilBlakesley. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 10.21 Nervenwurzelhaken. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 10.22 Nervenhäkchen. (Fa. Aesculap AG)
10.24 . Abb. 10.23 . Abb. 10.24 . Abb. 10.25 . Abb. 10.26
10.25
10.26
Arachnoideaschere. (Fa. Aesculap AG) Mikroschere nach Malis. (Fa. Aesculap AG) Mikronadelhalter nach Spetzler. (Fa. Aesculap AG) Mikrodissektor. (Fa. Aesculap AG)
513 10.2 · Neurochirurgisches Basiswissen im Operationssaal
4 Hirnwatte wird als Tupfer oder Streifen in verschiedenen Größen und Längen angeboten. Sie besteht aus gepresster, fusselfreier Watte. Jeder Tupfer und jeder Streifen ist mit einem Faden armiert. Tupfer müssen häufig für den Gebrauch noch zurechtgeschnitten werden. Sie werden immer feucht angereicht, denn sie dienen dem Schutz des Gehirns oder der Lagefixation eines Tabotamp-Streifens. Streifen und Tupfer werden mit einer Pinzette angereicht. Sie werden unter das Mikroskop gehalten, damit der Operateur sie abnehmen kann. Dabei ist die Hand des Instrumenteurs im Mikroskopausschnitt nicht sichtbar. 4 Sollte die eröffnete Dura nicht wieder zuzunähen sein, muss die Defektdeckung durch einen »Patch« erfolgen. Dazu wird ein gewebefreundliches alloplastisches Material, z. B. Gore-Dura, verwendet. Sie wird in verschiedenen Größen angeboten, zurechtgeschnitten und eingepasst. Entweder wird sie mit Spezialfäden fortlaufend eingenäht oder nur aufgelegt und/oder mit Fibrinkleber fixiert. Eine wenig aufwändige Alternative stellt der resorbierbare Durapatch (z. B. Tachosil) dar, das zunehmend standardmäßig genutzt wird. Das synthetische Implantat aus Polydioxanon wird innerhalb eines Vierteljahres durch eine körpereigene Bindegewebsschicht ersetzt. Dieser Durapatch hat eine poröse Grundstruktur, um die Einsprossung von Gefäßen und Gewebe zu ermöglichen. Er gilt jedoch als liquordicht. 4 Knochenwachs ist ein industriell gefertigtes Wachs, das zur Blutstillung auf blutenden spongiösen Knochen mit dem Finger oder dem Dissektor aufgetragen wird. 4 Der bipolare Koagulator löst eine fein umschriebene Verschorfung aus. Sie ist auf das Gewebe zwischen den Pinzettenbranchen beschränkt, weil die Restfläche der Pinzette isoliert ist. Bipolare Pinzetten wirken zweipolig, sodass eine Neutralelektrode am Patienten zur Stromableitung nicht benötigt wird. Zur Sicherung der einwandfreien Koagulation müssen die Pinzettenspitzen immer sauber gehalten werden. Wegen der feinen Strukturen am Gehirn und an den Nerven würde jede breitflächige monopolare Koagulation gesunde Gehirnareale zerstören. Die benötigten Pinzetten werden bajonettförmig, gerade und gebogen angeboten.
unverletzt bleiben. Während des Bohrens und Fräsens muss mit kalter Spülung der Knochen gekühlt werden. Die Hochgeschwindigkeitsbohrsysteme bohren mit 80.000– 100.000 Umdrehungen/min und ermöglichen dadurch druckfreies, exaktes Fräsen.
Geräte der Neurochirurgie
jUltraschallzertrümmerer
jHigh-speed-Bohrsysteme
Mit einem starken Ultraschallsender können Tumoren, Schicht für Schicht, in kleine Gewebefetzen zertrümmert werden. Durch ein Saug-Spül-System wird abgelöstes Tumorgewebe entfernt. Weil Gefäße und gesundes Hirngewebe elastischer und weicher sind als tumoröse Bestandteile, schädigt sie der Ultraschall nicht.
Bohrer für die Öffnung der Kalotte und zum Fräsen an Wirbeln, Wirbelbögen und Wirbelgelenken werden von Pressluftturbinen oder von Elektromotoren angetrieben. Bohrer und Fräsen müssen scharf sein, damit durch kontrollierbaren Kraftaufwand Dura, Sinus und Hirngewebe
jLasersysteme
Sie sind Standard in jedem neurochirurgischen OP-Saal. In der Regel werden der CO2-Laser und der Nd:YAG-Laser eingesetzt. Beide Systeme erfordern besondere Erfahrung beim Aufbau und bei der Bedienung. Sicherheitsregeln sind deshalb festgelegt und müssen unbedingt beachtet werden. (Jede OP-Abteilung hat einen Laserbeauftragten!). Alle im Saal Anwesenden müssen eine Laserschutzbrille tragen, da die Streustrahlung des Lasers die Netzhaut der Augen verletzen kann. Der Zugang zum OP-Saal muss mit einem Laser-Hinweisschild gekennzeichnet sein. jIntraoperative Ultraschalldiagnostik (Sonographie)
Bei der Ultraschalldiagnostik werden die unterschiedlichen Reflexionen von ausgesandten Schallwellen durch verschiedene Körpergewebe genutzt, um ein Bild des Körperinneren zu erzeugen. Da der Schädelknochen relativ schalldicht ist, spielt diese Technik in der präoperativen neurochirurgischen Diagnostik keine Rolle. Eine Ausnahme bilden Säuglinge, bei denen die offenen Schädelnähte und die Fontanelle ausgezeichnete Schallbedingungen bieten. Intraoperativ lässt sich der Ultraschall nach Kraniotomie mit geeigneten Sondenköpfen gut zum Auffinden von anatomischen Landmarken (Falx, Ventrikel, Plexus chorioideus), pathologischen Prozessen und zur Resektionskontrolle von Tumoren einsetzen. jDopplersonographie
Die Frequenzverschiebung sich schnell bewegender Objekte (Doppler-Effekt) ist die physikalische Grundlage dieser Untersuchung. Angewandt auf die fließenden korpuskulären Bestandteile des Blutes (Blutkörperchen) lassen sich die Flussgeschwindigkeiten und annähernd die Weite der untersuchten Gefäße beurteilen. In der Neurochirurgie wird das Verfahren zur Untersuchung von Gefäßspasmen als Komplikation von Subarachnoidalblutungen und zur intraoperativen Kontrolle der Durchgängigkeit zu- und abführender Gefäße nach Aneurysmaclipping und bei Angiomoperationen benutzt.
10
514
Kapitel 10 · Neurochirurgie
jNeuronavigation
Mit Hilfe der Neuronavigation gelingt der Transfer von Bilddaten aus der kranialen Computertomographie (CCT) und der Magnetresonanztomographie (MRT) in die reale Anatomie des OP-Situs. Über Laserstrahlen werden markante Schädelstellen markiert; sie werden lasertechnisch vermessen, und das System errechnet aus den Landmarken die Position des Tumors. Ist der Kopf des Patienten zur Operation fixiert, werden die Marker identifiziert. Das Kamerasystem der Neuronavigation erfasst die Positionen der Marker, und ein Systemrechner stellt die Beziehung zwischen den CCT-/ MRT-Bildern und der tatsächlichen Anatomie des Patienten her. Diese Kontrolle wird intra- und postoperativ mehrfach wiederholt. Veränderungen, die intraoperativ auftreten, können nicht real abgebildet werden. . Abb. 10.27 Stereotaktisches Gerät nach Leksel. (Nach Siewert 2006)
Vorteile der Neuronavigation jEndoskope
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Auch in der Neurochirurgie werden zunehmend starre und flexible Optiken eingesetzt, um z. B. einen Hydrozephalus oder einen Ventrikeltumor zu operieren, eine Zyste und die Hypophysenloge zu inspizieren oder um eine Gewebeprobe aus dem Ventrikel zu entnehmen.
4 Der ideale Bereich für die Kraniotomie lässt sich vorab bestimmen. 4 Es lässt sich prüfen, welche Hirnareale auf dem gewählten Zugangsweg berührt werden. 4 Intraoperativ ist stets eine sichere Instrumentenführung anhand der morphologischen Darstellung auf dem Monitor möglich.
jStereotaktisches Instrumentarium
Mit stereotaktischen Systemen können präoperativ computergestützte Zielpunktberechnungen durchgeführt werden. Sie dienen zur Punktion tief im Hirn gelegener pathologischer Veränderungen. Hierdurch wird oftmals die konventionelle, größere Öffnung des Schädels vermieden. Die Rundbügel des stereotaktischen Instrumentariums, die Führungssonden und Halterungen (. Abb. 10.27) dürfen auf gar keinen Fall verbogen, fallen gelassen oder geworfen werden. Obwohl das Bügelsystem solide und schwer aussieht, ist es nicht unbedingt ein besonders stabiles Instrumentarium. Bereits wenige Zehntel Millimeter Formveränderung würden die Sondeninstrumente von dem vorher im CT vermessenen Zielpunkt ablenken. jIntraoperatives Monitoring
Für das Erkennen wichtiger Hirnzentren (Hirnmantel, Pyramidenbahn, Hirnstamm) sowie zur Identifizierung von Hirnnerven wird ein neurophysiologisches Monitoring verwandt. Die neurophysiologischen Untersuchungen beinhalten die direkte Stimulation z. B. der Gesichtsnerven oder der motorischen Hirnrinde, aber auch die Anwendung evozierter Potenziale, z. B. somatosensorisch evozierte Potenziale (SSEP), akustisch evozierte Potenziale (AEP). Im Monitor gelingt auf diese Weise eine Aussage über den Funktionszustand wichtiger Strukturen, die unbedingt bei einer Operation erhalten werden müssen.
So ist es möglich, während einer Operation den Befund zu lokalisieren, zu erreichen und gesundes Gewebe zu schonen. Zusätzlich sind navigierte Punktionen von pathologischen Veränderungen im Hirn möglich. Das Haltesystem und die Biopsiesonde sind mit Markern ausgestattet und können so vom Kamerasystem erfasst werden. Mit dem gesamten Navigationsinstrumentarium muss sorgsam umgegangen werden, da hier geringe Formveränderungen zu Fehlern in der Darstellung der Anatomie führen. jOperationsmikroskop
Die mikroskopisch feine, normale Anatomie und die oft enge Nachbarschaft pathologischer Prozesse zu lebenswichtigen Zentren erfordern eine räumliche Vergrößerung und die beste Ausleuchtung, die nur durch das Mikroskop erreicht werden kann. Entweder ist das Mikroskop oberhalb des OP-Feldes an der Decke fixiert oder an einem fahrbaren Stativ angebracht. Der Operateur sitzt auf einem mit dem Mikroskop verbundenen Stuhl, damit er seine Arme während der Operation ruhig ablegen kann. Alle Funktionen des Mikroskops werden über Fuß- bzw. Handschaltungen gesteuert. Stuhlposition, Lichtintensität, Brennpunkt, Lichtkegel u. a. werden intraoperativ auf diese Weise eingestellt. Die Okulare für den Operateur und
515 10.2 · Neurochirurgisches Basiswissen im Operationssaal
. Abb. 10.28 Mikroinstrumente auf dem Instrumentiertisch, gelagert auf einer Gummimatte
die Assistenz werden vorher auf die individuellen Sichtigkeiten eingestellt. Alle anderen Mitarbeiter verfolgen die Operation auf einem Monitor. Das Mikroskop wird während der Operation mit einem sterilen Klarsichtbezug abgedeckt.
10.2.4
Arbeiten mit dem Mikroskop
Nach der Fixierung des Patientenkopfes durch MayfieldSpanner wird die Schädelkalotte über dem pathologischen Prozess eröffnet. Dies geschieht noch ohne Mikroskop. Nach der Duraeröffnung wird das steril bezogene Mikroskop über dem OP-Feld positioniert. Die perforierten Ausschnitte der Schutzfolien von den Okularen werden entfernt.
10.2.5
Instrumentieren unter dem Mikroskop
Mikroinstrumente werden in ihren Containern auf genoppten Gummimatten gelagert, damit sie keinesfalls mit ihren empfindlichen Spitzen aneinander stoßen können und die Spitzen so zerstört würden. Auf dem Instrumentiertisch sollen sie ebenfalls auf einer Gummimatte ohne Kontakt zu anderen Instrumenten gelagert werden (. Abb. 10.28). Mikroinstrumente werden in der Regel ohne Verschlussraster benutzt. Trotzdem werden sie geschlossen angereicht und vom Operateur so in den Situs eingeführt, um periphere Verletzungen der empfindlichen Gehirnmasse zu vermeiden. Unter dem Mikroskop mit seiner Vergrößerung wirkt alles Fremdmaterial extrem störend, deshalb sind die Instrumente blutfrei zu halten. Dazu werden feuchte fusselfreie Textilien benötigt. Alle Instrumente sind dem Operateur am Mikroskop deshalb sanft, aber sicher in die Hand außerhalb des Sichtfeldes anzureichen. Manche Operateure bitten gelegentlich darum, dass ihre Hand mit dem Instrument in Richtung des Gesichtsfeldes geführt wird. Unter dem Mikroskop ändern sich die Anforderungen an alle an der Operation Beteiligten:
Während der Operation liegt das Arbeitsfeld nur innerhalb des ausgeleuchteten Gesichtsfeldes. Nur diesen Bereich übersieht der Operateur. In der um ein Vielfaches vergrößerten Sicht auf das kleine OP-Gebiet stört fortan alles, was der Operateur nicht selbst in das Sichtfeld einführt. Die Vergrößerung des realen Bildes bewirkt, dass Bewegungen schneller, unkontrollierter und – außerhalb des Brennpunktes – v. a. unscharf erscheinen. Da die Handgelenke des Operateurs beim mikroskopischen Operieren aufgestützt sind (Ober- und Unterarme ruhen auf der Armlehne des Mikroskopstuhls), kann nur in einem kleinen, oftmals spitzen Winkel angereicht werden. Ein Nachgreifen ist zwischen Mikroskop, selbsthaltenden Hirnspateln und Sauger nur schwer möglich; darüber hinaus muss der Operateur das »Zufassen« beim Instrumentenwechsel ohne Sicht außerhalb des Sichtfeldes ertasten. Wird nicht sicher angereicht, muss der Operateur aufschauen; dies strengt sein Auge durch den Wechsel der Vergrößerung und des Lichts stark an, und die Neuadaptation kostet Zeit. Die ohnehin nur mit wenig Kraft gehaltenen Pinzetten, Zangen, Dissektoren u. a., die sich schon in der anderen Hand des Operateurs befinden, dürfen keinesfalls beim Anreichen berührt werden. Im trichterartigen Situs kann jedes von außen vermeintlich nur leichte Anstoßen zu folgenschweren Gewebs- und Gefäßverletzungen führen. > Stoßen Sie deshalb nicht gegen Sauger und in den Situs eingeführte Instrumente!
Ein Stoßen von außen gegen das Standmikroskop erscheint im Situs wie ein »Erdbeben«. Alle im Saal Anwesenden müssen darauf hingewiesen werden.
10.2.6
Ende der neurochirurgischen Operation
4 Linsen und Okulare des Mikroskops sind nach Spritzflecken, Schlieren und Schmutz zu untersuchen und ggf. mit einem feuchten Leinentuch zu säubern. Alle Standardeinstellungen des Mikroskops werden wieder hergestellt, bevor alle Öffnungen staubgeschützt zugedeckt werden. Schrauben, Schalter und Handräder dürfen nicht überdreht werden. Bei vielen Operationen wird immer wieder durchleuchtet (z. B. bei Operationen an der Wirbelsäule, bei transnasalen/transsphenoidalen Hypophysenoperationen u. a.). Da es schwere körperliche Arbeit bedeutet, zum Schutz vor Strahlen mit einer Bleischürze mehrere Stunden instrumentieren zu müssen, sollten diese Operationen vorzugsweise an den Tagesanfang gelegt werden.
10
516
Kapitel 10 · Neurochirurgie
10.3
Diagnostische Untersuchungen in der Neurochirurgie
Grundlage jeder neurochirurgischen Behandlung sind die Erhebung der Krankengeschichte des Patienten und die neurologische Untersuchung. Voraussetzung ist eine genaue Kenntnis der Anatomie und Funktion des zentralen und peripheren Nervensystems. Zur gezielten Behandlung sind spezielle Untersuchungstechniken notwendig: 4 Nativdiagnostik, 4 Ultraschalldiagnostik, 4 Dopplersonographie, 4 neuroradiologische Spezialuntersuchungen, 4 neurophysiologische Untersuchungen, 4 Liquordiagnostik.
10.3.1
10
Ultraschalldiagnostik
Ultraschallechoimpulse werden in elektrische Impulse verwandelt und entsprechend auf einem Bildschirm dargestellt. 4 In der Neurochirurgie: Diagnostik im Säuglingsstadium durch die offene Fontanelle, zum Auffinden von Tumoren, Fehlbildungen, Hydrozephalus, Blutansammlung. 4 Intraoperativ: zum Nachweis tief gelegener Tumoren, Zysten, Abszesse etc. (7 Abschn. 10.4.5).
10.3.2
Dopplersonographie
Ultraschallverfahren zur Darstellung der Strömungsverhältnisse in den Gefäßen. Nachweis eines Gefäßspasmus.
10.3.3
Neuroradiologische Spezialuntersuchungen
Axiale Computertomographie Computergesteuertes Röntgenverfahren, das die Strahlenabsorption des Gewebes misst, wenn es in verschiedenen Richtungen durchstrahlt wird. Aufgrund der unterschiedlichen Strahlenabsorption der intrakraniellen Strukturen entstehen Bilder mit großer Detailgenauigkeit. Das Verfahren dient dem Nachweis von Hirntumoren, traumatischen Veränderungen, Frakturen, Hämatom, Hirnödem, Apoplex, Infarkt etc.
wird aber bei Patienten mit einem Herzschrittmacher oder als Funktionsmyelographie in Kombination mit CT angewendet.
10.3.4
Angiographie (Gefäßdarstellung)
Über eine Beinarterie (A. femoralis) wird ein Katheter in der Aorta bis zum Abgang der Hirngefäße vorgeschoben und von hier aus ein Kontrastmittel in Richtung Gehirn gespritzt, sodass im Röntgenbild die Gefäße sichtbar werden. 4 Karotisangiographie, 4 Vertebralisangiographie, 4 Spinale Angiographie. Mit Hilfe der Angiographie lassen sich durch die Verlagerung von Arterien und Venen ausgelöste raumbeengende Prozesse nachweisen und lokalisieren. Es ergeben sich artdiagnostische Hinweise (pathologische Gefäßneubildungen, Tumorkreislauf). Der Angiographie allein bleibt auch die Darstellung von pathologischen Gefäßveränderungen (arteriosklerotische Wandveränderungen, Stenosen, Verschlüsse) und von Gefäßmissbildungen (Angiome, Aneurysmen) vorbehalten.
10.3.5
Interventionelle Radiologie
Gefäßmissbildungen und Aneurysmen können interventionell versorgt werden (7 Abschn. 10.5).
10.3.6
Kernspintomographie
Die Kernspintomographie (»nuclear magnetic resonance«, NMR), auch »Magnetresonanztomographie« (MRT) genannt, ist ein computergestütztes bildgebendes tomographisches Verfahren, das keine Röntgenstrahlen benutzt, sondern auf dem Prinzip der »Kernspinresonanz« beruht. Durch ein von außen angelegtes Magnetfeld richten sich die Wassermoleküle aus. Bei der Rückkehr in den ursprünglichen Zustand senden sie gewebespezifische elektromagnetische Wellen aus, die gemessen und in unterschiedliche Grautöne in der Bildgebung übersetzt werden können.
10.3.7
Neurophysiologische Untersuchungen
Myelographie Darstellung des spinalen Subarachnoidalraums durch Einbringen eines Kontrastmittels (lumbal zum Nachweis von Tumoren, Bandscheibenvorfällen, Fehlbildungen). Oft in Kombination mit der Computertomographie (Myelo-CT). Diese Untersuchung hat heute viel an Bedeutung verloren,
Elektroenzephalographie Elektrische Vorgänge innerhalb des Gehirns machen sich bis in die Kopfhaut hinein bemerkbar und können hier abgeleitet werden. Auf diese Weise lassen sich Auskünfte über die zerebralen Funktionen erhalten und Rückschlüsse auf
517 10.4 · Intrakranielle Tumoren
Störungen ziehen. Die Elektroenzephalographie (EEG) ist eine technische Hilfsuntersuchung, die nur im Zusammenhang mit einer klinischen Symptomatik Aussagekraft hat.
Elektromyographie Bei der Elektromyographie (EMG) wird die elektrische Aktivität der Muskeln in Ruhe und unter Kontraktion gemessen und ähnlich wie beim EEG als Welle aufgezeichnet. So lassen sich Anhaltspunkte über den Grad von Lähmungen gewinnen. Es können z. B. Rückbildungstendenzen bei bestehenden Lähmungen oder deren Fortschreiten erkannt werden.
Elektroneurographie Mit der Elektroneurographie (ENS) wird die Nervenleitgeschwindigkeit gemessen; so lassen sich Nervenschädigungen lokalisieren.
Evozierte Potenziale Evozierte Potenziale (EP, Reizpotenziale) sind die elektrophysiologische Antwort des Gehirns auf die Reizung von Sinnesorganen und von Leitungsbahnen, die sich hinsichtlich der Seitendifferenzen und der Ausprägung der Potenziale beurteilen lassen. Die Stimuli sind unterschiedlich: sensibel (SEP), visuell (VEP), akustisch (AEP). Nach transkranieller Magnetstimulation des zentralmotorischen Systems in der Peripherie können auch Potenziale vom Muskel abgeleitet (MEP) werden. Auf diese Weise lassen sich Aussagen über den Funktionszustand bestimmter Zentren oder Leitungsbahnen treffen. Bei einer Rückenmarkschädigung z. B. gelingt mit Hilfe dieser Reizpotenziale eine Höhenlokalisation.
10.3.8
Liquordiagnostik
Verschiedene pathologische Prozesse des Gehirns und des Rückenmarks führen zu Veränderungen des Liquors. Deshalb ist die Liquoruntersuchung für den Neurochirurgen immer von Bedeutung.
Lumbalpunktion Definition Punktion des lumbalen Subarachnoidalraums zwischen den Dornfortsätzen des 3. und 4. LWK, also immer unterhalb des Rückenmarks, das in Höhe des 1. und 2. LWK endet.
Die Untersuchung wird am sitzenden oder liegenden Patienten unter sterilen Bedingungen durchgeführt. Zur eigentlichen Liquordiagnostik gehören:
4 Liquordruckmessung:
Werte über 20 cm Wassersäule sind pathologisch. 4 Liquoreiweiß:
Normal sind 20–40%. Eine Erhöhung des Liquoreiweißes findet man bei allen raumbeengenden Prozessen (Sperrliquor, Stoppliquor!), eine charakteristische Erhöhung des Liquoreiweißes bei intrakraniellen Neurinomen. Eine schnelle orientierende Untersuchung sollte bei jeder Liquorabnahme mit der PandyReaktion durchgeführt werden, die den Gehalt an Eiweiß im Liquor misst. 4 Zellzahlbestimmung:
Normal sind 3/3–12/3 Zellen/μl. Die Zählkammer, in der der Liquor gezählt wird, ist so eingerichtet, dass die Zählung einem Zellgehalt pro 3 mm3 entspricht. Die gezählte Zellzahl wird deshalb durch 3 geteilt, um die Zellmenge pro mm3 festzulegen. 4 Liquorablasstest:
30–40 ml werden abgelassen. Tritt daraufhin eine Besserung ein, bedeutet das ein Vorliegen eines Normaldruckhydrozephalus.
10.4
Intrakranielle Tumoren
10.4.1
Allgemeines
Definition Unter Hirntumoren versteht man alle Neubildungen mit dauerndem Wachstum innerhalb der Schädelkapsel.
Man unterscheidet 4 Geschwülste der Hirnsubstanz (neuroepitheliale Tumoren), 4 Geschwülste, die von den Hirnhäuten, den Gefäßen und den Schädelknochen ausgehen (mesodermale Tumoren), 4 Tumoren der Hypophysenregion (ektodermale Tumoren). Zu den Hirntumoren im weitesten Sinne zählen auch die Gefäßmissbildungen und die Gefäßgeschwülste, die intrakraniellen Metastasen sowie die Granulationsgeschwülste bei Lues (Gummen) und bei Tuberkulose (Tuberkulome). Ferner gehören hierzu auch die durch Parasiten (Zystizerken und Echinokokken) ausgelösten Zysten. Von 10.000–20.000 Menschen erkrankt einer an einem Hirntumor. Die Entstehung solcher Tumoren ist letztlich unbekannt. Auffallend ist jedoch, dass bestimmte Hirntumoren immer wieder an gleicher Stelle auftreten.
10
518
Kapitel 10 · Neurochirurgie
10.4.2
Allgemeine Symptome
4 Stetige Progredienz der Erscheinungen. 4 Vielfach Kopfschmerz. 4 Manchmal Hirndruckzeichen: Dazu gehören diffuse und andauernde Kopfschmerzen, die morgendlich ausgeprägter sind, Erbrechen, Benommenheit und Apathie. 4 Nimmt der Hirndruck zu, können wichtige basale Zentren in dem Tentoriumschlitz bzw. in dem Hinterhauptloch eingeklemmt werden. 4 Eine Einklemmung zeigt sich durch Streckspasmen, Atemstörungen, Pupillenstörungen. 4 Am Augenhintergrund findet sich eine Stauungspapille. 4 Neuropsychiatrische Symptome. > Hirndruckzeichen sind so lange auf einen intrakraniellen, raumfordernden Prozess verdächtig, bis ein solcher sicher ausgeschlossen ist.
. Tab. 10.3 Symptome und Schädigungsorte von Hirntumoren Symptom
Schädigungsort
Psychische Veränderungen Antriebsstörungen
Stirnhirn, Stammganglien
Euphorie
Stirnhirnbasis, Schläfenhirn, Brücke
Depressionen, Angst
Schläfenhirn
Verstimmung, Reizbarkeit
Schläfenhirn
Neurologische Ausfälle Riechstörungen
Stirnbasis
Motorische Aphasie (Unfähigkeit zu sprechen)
Stirnhirn
Sensorische Aphasie (Unfähigkeit zu verstehen)
Schläfenhirn, Scheitelhirn
Sprachstörungen
Bei Rechtshändern linkshirnig Bei Linkshändern manchmal rechtshirnig
10
10.4.3
Spezielle neurologische Klinik
Symptome und Schädigungsorte sind in . Tab. 10.3 aufgelistet.
Besonderheiten der Hirntumoren gegenüber anderen Tumoren 4 Alle Geschwülste innerhalb der knöchernen Schädelkapsel, auch die langsam wachsenden, gutartigen, sind in ihrer Wirkung bösartig, da sie durch zunehmenden Hirndruck und fehlende Ausweichmöglichkeit des Gehirns zum Tod führen, wenn nicht chirurgisch eingegriffen wird. 4 Sie bewirken gewöhnlich keine Kachexie. 4 Sie metastasieren nicht. 4 Sie bevorzugen nicht das höhere Lebensalter, sondern kommen auch schon in der Kindheit vor.
Halbseitenlähmung
Scheitelhirn, Stirnhirn
Gangstörung
Kleinhirn
Orientierungsstörung
Scheitelhirn, Okzipitalhirn
Gesichtsfelddefekte
Okzipitalhirn, Sehnervenkreuzung
Hirnnervenlähmung
Hirnstamm, Hirnbasis
Ataxie, Nystagmus
Kleinhirn
Epileptische Anfälle Häufiger generalisiert als fokal In etwa 1/4 der Fälle erstes Symptom Lokale Symptome (Herdsymptom)
Die Zuordnung bestimmter Herdsymptome zu einzelnen Hirnregionen ist z. T. recht typisch
Nachfolgend werden einige häufigere bzw. charakteristische Tumorformen beschrieben entsprechend ihrer Zugehörigkeit zum Entstehungsort.
Balken hindurch wachsend, auf beiden Seiten, sowie in den Stammganglien. Die Anamnese ist kurz (Wochen bis einige Monate). Neben den allgemeinen Tumorsymptomen treten bald Paresen, Sprachstörungen und andere lokale Ausfälle auf. Die Überlebenszeit beträgt auch nach Operation und Radiochemotherapie im Mittel 1–2 Jahre.
Neuroepitheliale Tumoren (Gliome)
jAstrozytom
jGlioblastoma multiforme
Großhirnastrozytome treten gehäuft zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr auf. Sie wachsen meist langsam, seltener sind sie einigermaßen abgrenzbar, meist jedoch wachsen sie infiltrierend im Marklager von Stirn- und Schläfenlappen. Bei ausgereiften Formen kommt es zu
10.4.4
Einteilung
Der häufigste Hirntumor ist das sehr bösartige Glioblastoma multiforme. Es kommt gehäuft zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr vor, wächst infiltrierend und findet sich u. a. in den Großhirnhemisphären, gelegentlich durch den
519 10.4 · Intrakranielle Tumoren
langsam zunehmenden klinischen Symptomen (z. B. allmählich progredienter Hemiparese). Frühstadien können in der neuroradiologischen Befundung gelegentlich nicht sicher zugeordnet werden. Bei umschriebenen Astrozytomformen, die sich gut operieren lassen, kommen Rezidive gelegentlich erst nach Jahren vor. In einigen Fällen gibt es Dauerheilungen nach Operationen. jSpongioblastome des Kleinhirns
»Kleinhirnastrozytome« sind wesentlich gutartiger als die Großhirnastrozytome. Sie kommen gehäuft zwischen dem 5. und dem 15. Lebensjahr vor. Es sind gut abgrenzbare, oft zystische Tumoren, die v. a. in den Kleinhirnhemisphären, aber auch im Wurm und in der Brücke sitzen. Sie verursachen langsam progrediente Kleinhirnsymptome mit Ataxie, Gleichgewichtsstörungen, Nystagmus und später Hirndruckzeichen durch einen Verschlusshydrozephalus. Sofern sie radikal entfernt werden können (im Bereich der Brücke ist das nicht immer möglich), kann eine Dauerheilung erzielt werden. jOligodendrogliome
Sie häufen sich zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr. Sie können sich verdrängend oder infiltrierend im Großhirn oder in den Stammganglien entwickeln, im Jugendalter auch im Thalamus. Neben den sich im Verlauf von Monaten entwickelnden lokalen Tumorsymptomen kommen epileptische Anfälle (Jackson-Anfälle) besonders häufig vor. Auch nach radikaler Operation können Rezidive auftreten, manche jedoch erst nach mehreren Jahren. Reoperationen sind möglich, meistens dann kombiniert mit Radiochemotherapie. jHirnstammgliome
Sie sind histologisch unterschiedlich einzuordnen, bieten aber klinisch ein charakteristisches Bild. Es handelt sich stets um progrediente Symptome der Brücke (Pons) und des verlängerten Rückenmarks (Medulla oblongata). Im Verlauf weniger Wochen bis Monate treten Hirnnervenlähmungen, Schluckstörungen, Augenmotilitätsstörungen Sensibilitätstörungen und Pyramidenbahnzeichen auf. Häufig führen diese Tumoren zu einem Verschluss des Abflusses des Hirnwassers (Hydrocephalus occlusus). Der Abfluss des gestauten Hirnwassers durch eine operativ verlegte Drainage (ventrikuloperitonealer Shunt) oder eine Ventrikulostomie (7 Abschn. 13.6.1) muss gewährleistet werden. Da bei der Operation der Tumoren im Hirnstamm mit schwerwiegenden neurologischen Ausfällen zu rechnen ist, kann oft nur palliativ behandelt werden.
Paragliome Paragliome sind Tumoren, die von der sog. Paraglia ausgehen. Dementsprechend unterscheidet man
4 Ependymome aus dem Ependym (Auskleidung der
Hirnkammern), 4 Plexuspapillome aus dem Plexus choreoideus (Blut-
adergeflecht in den Ventrikeln) und die 4 Neurinome aus den Schwann-Zellen (Hüllscheiden
der Nerven). Als Beispiel wird im Folgenden das Akustikusneurinom beschrieben. Dies ist ein Tumor, der von den Hüllscheiden des VIII. Gehirnnervs (N. vestibulocochlearis) ausgeht. Die Akustikusneurinome manifestieren sich meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr und erzeugen das charakteristische klinische Bild des Kleinhirnbrückenwinkeltumors. Gelegentlich sind sie die Teilerscheinungen einer Neurofibromatosis Recklinghausen und liegen dann häufig beidseitig vor. Symptome Zu Beginn finden sich meist Gehörstörungen,
zunehmende Taubheit sowie Gleichgewichtsstörungen. Später kommen Trigeminusausfälle mit Sensibilitätsstörungen im Gesicht und eine periphere Fazialisparese hinzu. Schließlich können Kleinhirnsymptome, Druckerscheinungen auf dem Hirnstamm und Hirndruckzeichen (s. oben) auftreten. Im Liquor findet sich immer eine Eiweißerhöhung (Pandy positiv, 7 Abschn. 10.3). Therapie Ist eine radikale Entfernung möglich, ist mit
Dauerheilung zu rechnen, nicht selten auf Kosten einer Fazialis- oder Trigeminusparese.
Mesodermale Tumoren Mesodermale Tumoren gehen von den Meningen, den Gefäßen und den Schädelknochen aus. Einige werden nachfolgend beschrieben. jMeningeome
Sie kommen meist zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr vor. Diese häufigsten mesodermalen, intrakraniellen Geschwülste wachsen langsam über Jahre, verdrängend, verursachen nicht selten epileptische Anfälle und haben einige bevorzugte Lokalisationen (. Tab. 10.4). Am häufigsten sind Meningeome an der Dura der Konvexität, am Tentorium und an der Falx zu finden. jMedulloblastome
Medulloblastome sind maligne Geschwülste des Kindesoder Jugendalters. Sie machen etwa 20% der Hirntumoren bei Jugendlichen aus. Sie liegen im unteren Kleinhirnwurm, kommen aber auch in den Kleinhirnhemisphären und in der Brücke vor. Sie wachsen infiltrierend und setzen Abtropfmetastasen auf dem Liquorweg in den Spinalkanal. Dies erzeugt dann Rückenmark- und Kaudasymptome. Sie verursachen ähnliche Symptome wie die Spongioblastome
10
520
Kapitel 10 · Neurochirurgie
. Tab. 10.4 Lokalisationen und Symptome des Meningeoms
10
Lokalisation
Symptome
N. olfactorius (Frontobasis)
4 Anosmie, Kopfschmerz 4 Stirnhirnsyndrom 4 Epileptische Anfälle
Kleiner Keilbeinflügel
4 Hyperostosebildung 4 Diskrete Halbseitensymptome 4 Einseitige Optikusschädigung
Tuberculum sellae
4 Chiasmaläsion
Sinus sagittalis und Falx
4 Nicht selten rein motorische Lähmung der unteren Extremitäten (Mantelkanten-Syndrom)
Intraventrikuläre Meningeome
4 Verlegung des Foramen Monroi (heftige Kopfschmerzattacken und Erbrechen)
des Kleinhirns. Selbst nach makroskopisch radikaler Entfernung und Bestrahlung des gesamten Zentralnervensystems oder Zytostatikatherapie, auf die der Tumor gut anspricht, stellen sich nach Monaten bis Jahren in 40–60% der Fälle Rezidive ein. Ein Teil der Medulloblastome wird heute bei den primitiv neuroektodermalen Tumoren (PNET) eingeordnet.
Ektodermale Tumoren (Tumoren der Hypophysenregion)
verkalken die Kraniopharyngeome. Obwohl sie eigentlich gutartig sind, lassen sie sich oft aus Lokalisationsgründen nicht radikal entfernen.
Missbildungstumoren Zu ihnen gehören die Epidermoide und die Dermoide. Sie zeigen einen Altersgipfel zwischen dem 25. und dem 40. Lebensjahr. Ursache sind während der Embryonalzeit ausgesprengte Keime von z. B. Haut-, Zahn- oder Haaranlagen.
Metastasen Sie treten solitär oder multipel auf und entwickeln Walnuss- bis Hühnereigröße. Als Ausgangspunkt finden sich nach ihrer Häufigkeit Bronchialkarzinome, Mammakarzinome, Hypernephrome, Karzinome des Magen-DarmTraktes, Sarkome und Melanosarkome, Schilddrüsen- sowie Uteruskarzinome. Ist der Primärturmor bekannt, liegt bei entsprechender Symptomatologie die Verdachtsdiagnose einer Metastase nahe. Häufig führt erst die Histologie einer exstirpierten Metastase auf die Spur der bis dahin unbekannten Primärgeschwulst. Ein operatives Vorgehen ist bei entsprechendem Allgemeinzustand immer gerechtfertigt, insbesondere wenn sich kein Hinweis für multiple Absiedlungen ergibt. Die Prognose ist in erster Linie vom Primärtumor abhängig. Es werden noch eine ganze Reihe weiterer Hirntumoren unterschieden, die aber aufgrund ihrer relativen Seltenheit hier nicht erwähnt werden.
jHypophysenadenome
Sie kommen v. a. zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr vor. Klinisch finden sich bei Hypophysenadenomen endokrine Störungen (beim seltenen eosinophilen Adenom die Akromegalie, beim chromophoben Adenom Zeichen einer Hypophyseninsuffizienz mit dünner runzliger Haut und sekundärem Ausfall zugeordneter Drüsen, v. a. der Schilddrüse und der Gonaden). Außerdem findet man Gesichtsfeldausfälle (in der Regel eine bitemporale Hemianopsie), Verminderung der Sehstärke und im Röntgenbild eine ballonartig aufgetriebene Sella. Die allermeisten Hypophysenadenome lassen sich über einen transnasal-sphenoidalen Zugang operieren. Die Radikalität wird dabei v. a. durch die mögliche Infiltration des seitlich begrenzenden Sinus cavernosus bestimmt (7 Abschn. 10.4.5). jKraniopharyngeome
Sie kommen am häufigsten im Kindes- und Jugendalter vor mit einem Maximum im 2. Lebensjahrzehnt. Der Tumor drängt stärker als das Hypophysenadenom in das Zwischenhirn und in den 3. Ventrikel vor und verursacht entsprechende klinische Symptome (Hydrozephalus, Triebund Antriebsstörungen, Diabetes insipidus). Nicht selten
10.4.5
Therapie der Hirntumoren
Jeder Hirntumor, der nicht beseitigt werden kann, ist – ob gut- oder ob bösartig – auf Dauer tödlich. Hierbei handelt es sich um ein Raumproblem. Die Entfernung ist fast ausschließlich über eine Operation möglich. Alle diagnostischen Maßnahmen zielen auf die Frage ab, ob der Tumor operabel ist. Mit gutem Erfolg operabel sind in der Regel: 4 Tumoren an der Oberfläche des Gehirns, 4 Tumoren im Bereich der Pole (Stirnpol, Schläfenpol, Hinterhauptpol), 4 Tumoren im Bereich der Kleinhirnhemisphäre und im Dach des 4. Ventrikels. Schwieriger ist die Entscheidung zur Operation bei Tumoren in der Tiefe des Gehirns. Handelt es sich, soweit dies von den diagnostischen Methoden abgeleitet werden kann, um gutartige Tumoren, d. h. heilbare, langsam wachsende, vom Hirngewebe abgegrenzte Tumoren, wird auch bei ungünstiger Lage zur Operation geraten. Meist müssen anschließend neurologische Ausfälle in Kauf genommen
521 10.4 · Intrakranielle Tumoren
werden. Nicht zuletzt ist aber für die Entscheidung zur Operation der Zustand des Patienten wesentlich. Ist es bereits zu kompletten Ausfällen gekommen (Blindheit, vollständige Lähmung, Bewusstlosigkeit), bilden sich diese Störungen durch die Operation nicht regelmäßig zurück. Alle Tumoren, die nicht vollständig operiert werden können, rezidivieren. Das ist der Fall bei den meisten Gliomen, die diffus das Hirngewebe infiltrieren. In solchen Fällen muss es das Ziel einer Operation sein, den Tumor möglichst vollständig zu entfernen, um so zumindest ein langes beschwerdefreies Intervall zu erreichen. Schwere neurologische Ausfälle sollten nicht riskiert werden. Rezidivoperationen bei Gliomerkrankungen sind erfolgreich und nicht ganz selten.
Transnasale Hypophysenadenomektomie kIndikation
Hypophysenadenom (7 Abschn. 10.4.4). kPrinzip
Vollständige Entfernung des Tumors über den transnasalen Zugang durch die Keilbeinhöhle unter Bildwandlerkontrolle. kLagerung
4 Der Patient befindet sich in Rückenlage, der Kopf wird nach rechts zum Operateur gedreht, rekliniert und auf einem festen Kopfring fixiert. Oder: 4 Der Patient befindet sich in halbsitzender Position, der Kopf wird ganz leicht nach rechts zum Operateur gedreht und mit der Dornenhalterung nach Mayfield fixiert. 4 Der C-Bogen wird zur seitlichen Durchleuchtung der Schädelbasis bereitgestellt, das OP-Mikroskop wird vorbereitet und steril bezogen. 4 Alle Richtlinien des Strahlenschutzes sind einzuhalten. kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium zur Kraniotomie (7 Abschn. 10.2.3), 4 Standardzusatz, Mikroskop und -bezug, 4 feine Saugeransätze, 4 feine Raspatorien, 4 evtl. High-speed-Bohrmaschine mit kleinen Fräsen oder Rosenbohreransätzen, 4 schmale, gerade Lambotte-Meißel mit dem dazu gehörenden Metallhammer, 4 Langenbeck-Haken. Hypophysenspezialinstrumente (das sind verschiedene Mikroinstrumente, die durch ihre Bajonettform die transnasale Vorgehensweise ermöglichen):
4 verschieden lange Nasenspekula (z. B. nach Killian), 4 Hohlmeißelzange mit doppelter Übersetzung nach Jansen-Middleton, 4 Hypophysenfasszangen (z. B. nach Weil-Blakesly), 4 High-speed-Bohrmaschine mit kleinen Fräsen oder Rosenbohreransätzen, 4 Mikromesser mit bajonettförmigem Griff, Mikroschere, 4 Bajonettdissektoren (. Abb. 10.29), 4 Hypophysengabel (. Abb. 10.30) zur Fixation des Tumors während der Präparation, 4 Enukleatoren (. Abb. 10.31) zum Auslösen des Adenoms aus der Sella turcica, 4 Ringküretten (. Abb. 10.32) zum abschließenden Säubern des ehemaligen Adenomlagers, 4 Löffel, 4 Sichelmesser, 4 Spiegel, 4 ggf. Endoskop. Transnasale Hypophysektomie 7 Die Inzision der Schleimhaut an der Septumvorderkante und am Boden des Naseneingangs wird mit einem kleinen (15er) Skalpell vorgenommen. Danach wird die Schleimhaut subperichondral vom Septum mit einem Raspatorium abgelöst. 7 Vorhandene Knorpelwülste werden ggf. mit der Hohlmeißelzange nach Jansen-Middleton entfernt. Zwischen Nasenseptum und Schleimhaut wird mit Schere und Dissektor präpariert, dann wird das selbsthaltende Nasenspekulum (z. B. nach Killian) eingesetzt (. Abb. 10.33). 7 Der Keilbeinboden wird unter Röntgenkontrolle mit dem Raspatorium und dem Dissektor dargestellt und die Keilbeinhöhle mit dem Luer eröffnet. Entfernung der Schleimhaut. 7 Der Sellaboden wird dargestellt und ggf. mit einer Hohlmeißelzange oder mit dem Bohrer eröffnet. 7 Nun ist die Sicht auf den Tumor frei. Er wird mit Sauger, Kürette, Löffel, Fasszange und Enukleatoren entfernt: Zuerst wird der Tumor am Sellaboden, später zur Seite in Richtung Sinus cavernosus und zuletzt nach kranial zum Diaphragma sellae entfernt. Die einzelnen Anteile werden zur histologischen Untersuchung gesandt. 7 Die Blutstillung erfolgt mit Bipolator und/oder Hämostyptika. Danach muss kontrolliert werden, z. B. endoskopisch oder mit Hilfe eines Spiegels, ob der Tumor vollständig entfernt werden konnte. 6
10
522
Kapitel 10 · Neurochirurgie
10.29
10.30
10 10.31
10.32 . Abb. 10.29 Bajonettdissektor. (Fa. Codman) . Abb. 10.30 Hypophysengabel. (Fa. Codman)
7 Die Lücke im Sellaboden kann mit einem perpendikulären Knochenstückchen (aus dem oberen Teil der Nasenscheidewand) und Hämostyptikum abgedeckt werden. 7 Das Spekulum wird entfernt, die Schleimhautwunde bei Bedarf vernäht. Die Tamponade der Nasengänge beendet diesen Eingriff.
. Abb. 10.31 Enukleatoren. (Fa. Codman) . Abb. 10.32 Ringküretten. (Fa. Codman)
gewählt. Der Patient liegt in Rückenlage mit leicht seitwärts gedrehtem Kopf. Die osteoplastische Trepanation erfolgt im Stirn-Schläfen-Bereich als typische Tumorentfernung unter Zuhilfenahme des OP-Mikroskops.
Tumorresektion kIndikation
Operabler Hirntumor, z. B. Gliom, links temporal. kPrinzip
Eine intraoperative Liquorfistel wird mit einem Fettpatch oder Tachosil (7 Abschn. 10.2.3) gedeckt, ggf. wird eine passagere lumbale Liquordrainage angelegt. Eine weitere Möglichkeit der Entfernung eines Hypophysenadenoms bietet die Operation über den subfrontalen Zugang. Er wird bei großen supra- und parasellär gewachsenen Tumoren
Osteoplastische Trepanation (7 Abschn. 10.7.5), vollständige Entfernung des hirneigenen Tumors. kLagerung
4 Rückenlage oder Seitenlage. 4 Fixation des Kopfes in der Mayfield-Dornenhalterung.
523 10.4 · Intrakranielle Tumoren
7
7 7 . Abb. 10.33 Transnasale Hypophysektomie. (Nach Siewert 2001)
4 Der Patient liegt auf einer Wärmematte, um den Wärmeverlust so gering wie möglich zu halten. 7
kEinsatz der Neuronavigation
4 Die Planung ist zuvor im CT oder im MRT erfolgt. 4 Nach der Operationslagerung und der Mayfield-Fixierung wird der Referenzstern fixiert und darf nicht mehr verrückt werden. 4 Durch den Operateur erfolgt dann die Referenzierung des Systems, und die Neuronavigation ist einsatzbereit. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4
Kraniotomieinstrumentarium, Standardzusatz, Mikroinstrumente, Mikroskop mit Klarsichtbezug, bei Bedarf ein Ultraschallzertrümmerer oder ein Laser, intraoperative Ultraschalldiagnostik, intraoperatives Monitoring.
7
7
7
7
7
Gliomexstirpation 7 Der gerade oder selten lappenförmige Haut-Galea-Schnitt richtet sich in seiner Größe nach der Ausdehnung des Tumors und nach den Vorgaben der Neuronavigation. 7 Die Versorgung des Lappenrandes erfolgt entweder mit Raney-Clips oder Kölner Klammern, für die Blutstillung am Skalprand werden Dandy-Klemmen benutzt. 7 Inzision des Periosts mit dem Skalpell, im Bereich der Sägelinie wird es mit dem Raspatorium abgeschoben. 7 Ein oder mehrere Bohrlöcher werden mit dem Trepan gesetzt und mit Häkchen und Stanzen gesäu6
7 7
bert. Die Bohrlöcher werden untereinander mit dem Kraniotom verbunden, sodass der Knochendeckel unter Zuhilfenahme von Elevatorium und Dissektor entfernt werden kann. Das OP-Feld wird mit sauberen Kompressen oder mit Hirnwattestreifen umlegt. Alle Knochenspäne werden mit körperwarmen Spülungen entfernt. Die Dura wird mit einem kleinen Skalpell inzidiert und der Schnitt mit der Duraschere erweitert. Die Inzision der Hirnoberfläche wird mit der bipolaren Koagulationspinzette und der Mikroschere vorgenommen. Die Präparation im Gehirn erfolgt mit Dissektor, Mikroschere, Bipolator, Tumorfasszangen und feinen Saugern unter dem Mikroskop. Das Gehirn wird dabei über eine Spülung ständig feucht gehalten. Das freigelegte gesunde Gehirngewebe wird mit feuchten Hirnwattestreifen abgedeckt, das OP-Gebiet mit selbsthaltenden Hirnspateln offen gehalten. Intraoperativ kann der Tumor mittels Ultraschalldiagnostik in seiner Ausdehnung dargestellt werden. Die Ultraschalluntersuchungen dienen dann der Resektionskontrolle. Ein Ultraschallzertrümmerer erleichtert manchmal die Abtragung tumorösen Gewebes (7 Abschn. 10.2.3). Nach der Entfernung der Geschwulst erfolgt die Blutstillung mit Bipolator, Hämostyptika und/oder Clips. Der Duraverschluss sollte, wenn möglich, ohne Duraersatz mit fortlaufender Naht vorgenommen werden. Ist dies nicht möglich, benutzt man patienteneigenes Periost oder synthetischen Duraersatz (Tachosil oder GoreTex-Dura). Der Knochendeckel wird mittels eines Metallplattensystems am Knochenrand mit der Kalotte fixiert. Einlegen einer Redon-Drainage subgaleal je nach Wundgröße. Die Muskel-Periost-Naht und die Haut-Galea-Naht beenden die Operation. Abschließend wird ein zirkulärer Kopfverband angelegt.
Weitere therapeutische Möglichkeiten jBestrahlung
Mit Hilfe der Bestrahlung lässt sich bei manchen intrakraniellen Tumorerkrankungen eine Verlängerung des beschwerdefreien Intervalls, nicht jedoch eine Heilung erreichen. Hirntumoren sprechen unterschiedlich auf die Bestrahlung an; Bestrahlung sollte bei Glioblastomen, bei Astrozytomen und Oligodendrogliomen höherer Malignität, bei Medulloblastomen sowie bei Hirnmetastasen versucht werden.
10
524
Kapitel 10 · Neurochirurgie
Moderne radiochirurgische Verfahren wie die interstitielle Radiotherapie, das Gamma-Knife und der LINAC bieten eine Ausweitung der Therapiemöglichkeiten. Für die Indikationsstellung zur Bestrahlung ist die Kenntnis der Tumorhistologie notwendig. Die Entscheidung zur Bestrahlung und Zytostatikatherapie wird in der Regel in fachübergreifenden Tumorkonferenzen getroffen. Der Einsatz gezielter Bestrahlung und Chemotherapie führt zu längeren Überlebenszeiten. jZytostatika
Zytostatische Medikamente in der Neurochirurgie sind nur eine Möglichkeit der Behandlung. Durchgesetzt hat sich die zytostatische Behandlung bislang bei den Neuroblastomen (Tumoren des Sympathikus, die im Wesentlichen im Kindes- und Jugendalter vorkommen) und bei den Medulloblastomen. Standard ist die Radiochemotherapie bei der Nachbehandlung des Glioblastoms. Nach der Resektion eines Glioblastoms wird gelegentlich in die Resektionshöhle ein Zytostatikum eingelegt.
a
jPalliativoperationen
10
Auch kleine Tumoren können durch ihre Lage die Liquorabflusswege (Foramen Monroi, 3. Ventrikel, Aquaeductus Sylvii) behindern. Dann bleibt lediglich die Möglichkeit einer Palliativoperation. Das Prinzip dieser Operation liegt in der Ableitung des Liquor cerebrospinalis aus einem der beiden Seitenventrikel in den Peritonealraum (ventrikuloperitonealer Shunt, 7 Abschn. 13.6.1). Die vielen, hierzu im Handel erhältlichen Systeme haben alle ein Ventil im Schlauchsystem, das das Zurückfließen des Blutes in den Ventrikel verhindert. In dem Ventrikel muss ein bestimmter Druck aufgebaut werden, bevor sich das Ventil öffnet, um den Liquor abzuleiten. Dieser Öffnungsdruck kann prä- oder intraoperativ gemessen und entsprechend das Ventil ausgesucht werden. Eine Alternative ohne Einbringen von Fremdmaterial bietet die Ventrikulostomie: Mit einem starren Endoskop gelangt man über einen Seitenventrikel zum Boden des 3. Ventrikels. Dieser wird über einen Ballonkatheter perforiert (. Abb. 10.34). Über das Perforationsloch kann der Liquor dann abfließen. Zu bevorzugen ist heute bei allen Formen des Verschlusshydrozephalus diese endoskopische Ventrikulostomie (. Abb. 10.35), bei der durch ein in den 3. Ventrikel eingebrachtes Endoskop der Boden des Ventrikels perforiert wird und dem aufgestauten Liquor der Weg an die Außenflächen des Gehirns freigegeben wird. Dieses Verfahren vermeidet die häufigen Shuntkomplikationen.
b . Abb. 10.34a, b Einblick in einen Ventrikel (a) mit Ballonkatheter (b). (Abb. freundlicherweise überlassen von Prof. Dr. Kehler, Neurochirurgie Asklepios Klinik Altona, Hamburg)
. Abb. 10.35a, b Ventrikulostomie. a Ort der Ventrikulostomie am Boden des 3. Ventrikels; b Lage und Richtung des Endoskops
525 10.5 · Intrakranielle Gefäßmissbildungen
10.5
Intrakranielle Gefäßmissbildungen
10.5.1
Aneurysmen
Definition Aneurysmen im Gefäßsystem des Gehirns sind angeborene Gefäßaussackungen. Sie sind besonders häufig an den Teilungsstellen der Gefäße lokalisiert, an denen oft Gefäßwanddefekte im Zusammenhang mit der Gefäßentwicklung nachzuweisen sind, oder sie sitzen an den ursprünglichen Abgangsstellen embryonaler, später obliterierter Arterien.
Aneurysmen treten solitär und multipel im intrakraniellen Raum auf; sie können mit anderen Gefäßmissbildungen kombiniert sein (Angiome). Die Aneurysmen zeigen sich in sehr unterschiedlicher Größe, meist sind sie etwa kirschkerngroß. In ihrer Form sind sie sack- oder beerenförmig, gestielt (meist an den Gefäßaufteilungen) oder spindelförmig (Gefäßerweiterungen über eine größere Strecke). Gelegentlich sitzen sie auch breitbasig der Gefäßwand auf.
Lokalisation Intrakranielle Aneurysmen liegen am häufigsten an der Hirnbasis, am Circulus arteriosus Willisii, meist im vorderen Abschnitt (76%), seltener im hinteren Abschnitt (24%).
Symptome Die Anlage zur Ausbildung zerebraler Aneurysmen ist in der Regel angeboren, sie vergrößern sich in Abhängigkeit von der Hämodynamik im Lauf des Lebens. Klinisch können sie überhaupt oder zumindest lange Zeit stumm bleiben. Diagnostiziert werden sie erst, wenn sie Symptome bewirken. 4 Nachbarschaftsreaktion (Aneurysmen vom paralytischen Typ): Es kommt zu Lähmungserscheinungen an den Hirnnerven; insbesondere die Augenmuskeln sind betroffen. Die plötzlich spontan auftretenden Lähmungen des III. Hirnnervs sind praktisch immer auf ein Aneurysma im supraklinoidalen (oberhalb des Klinoidfortsatzes gelegen) Karotisabschnitt zurückzuführen. 4 Blutung:
Bei der Ruptur eines Aneurysmas kommt es plötzlich (apoplektiform) entweder zu einer Subarachnoidalblutung (SAB), zu einer intrazerebralen oder zu einer kombinierten subarachnoidalen und intrazerebralen Blutung. Die Subarachnoidalblutung beginnt in der Regel mit blitzartig einsetzenden unerträglichen Kopfschmerzen. Nackensteifigkeit, Übelkeit und Erbrechen können bald folgen. In der Hälfte der Fälle kommt es sehr rasch zu einer Bewusstseinsein-
trübung mit Schläfrigkeit, Verwirrtheit und Unruhe. Die Kranken stürzen, z. B. nach ungewohnten Anstrengungen, plötzlich zu Boden und sind sofort tief bewusstlos. Zeichen einer Enthirnungsstarre mit Streckkrämpfen deuten auf einen Durchbruch der Blutung ins Ventrikelsystem hin und sind damit prognostisch sehr ungünstig zu bewerten. 5 Die Diagnose liefern Angio- und 3-D-CT. 5 Die Lumbalpunktion mit dem Nachweis blutigen Liquors bestätigt im Zweifelsfall die Diagnose. Nach einer abgelaufenen Subarachnoidalblutung kommt es zu einer bindegewebigen Verschwartung der Arachnoidea. Diese Verschwartung kann einer möglichen Rezidivblutung ein unüberwindliches Hindernis bieten. So kann es leichter zu einer Wühlblutung in das Hirn kommen, häufiger mit Einbruch in das Ventrikelsystem. 4 Im Zusammenhang mit der Aneurysmablutung kommt es meist zu Kontraktionen der Gefäßwandungen (Gefäßspasmen), die wiederum eine Mangeldurchblutung der abhängigen Hirngebiete bewirken und zum Hirninfarkt führen können. Spasmen treten sehr häufig zwischen dem 3. und 18. Tag nach der Blutung auf.
Diagnostik Der Nachweis der exakten Lokalisation eines Aneurysmas ist nur durch die Angiographie möglich. Standard ist die »Rundumangiographie«, d. h. die Darstellung sämtlicher zum Hirn führenden Arterien, um die relativ häufigen, multiplen Aneurysmen auszuschließen. Die Angiographie sollte so bald wie möglich nach der SAB durchgeführt werden, um die grundsätzliche Entscheidung zur Operation zu treffen. Durch die Subarachnoidalblutung kommt es häufig zur Hydrozephalusbildung, die dementsprechend eine externe Ventrikeldrainagenoperation nach sich zieht.
Therapie Die Therapie einer Subarachnoidalblutung beginnt auf der Intensivstation. Zunächst werden die gestörten vitalen Funktionen (Atmung, Kreislauf, Temperaturregelung, Stoffwechselvorgänge) normalisiert. Insbesondere die Senkung des meist erhöhten Blutdruckes ist notwendig. Zur Behandlung und Prophylaxe von Gefäßspasmen wird Nimodipin gegeben, das den Blutdruck senkt und die Gefäße weit stellt. Behandlungsziel ist der sofortige und zuverlässige Ausschluss aus dem arteriellen Kreislauf. Anzustreben ist die umgehende Behandlung, weil die Patienten hochgradig durch eine Reblutung gefährdet sind, die meist tödlich verläuft, mindestens jedoch mit einer Zunahme neurologischer Ausfälle verbunden ist.
10
526
Kapitel 10 · Neurochirurgie
. Abb. 10.36 Operative Aneurysmaausschaltung durch einen Gefäßclip. (Nach Heberer et al. 1993)
10
In einer zunehmenden Zahl von Fällen erscheint es sinnvoller, das Aneurysma auf endovaskulärem Weg zu verschließen (»coiling«), als es operativ mit einem Clip zu verschließen. Dieses Behandlungsverfahren wird in der Neuroradiologie durchgeführt. Mit Hilfe von Mikrokathetern, die über die A. femoralis eingebracht werden, kann das Aneurysma sondiert und mit feinsten Platinspiralen (»coils«) verschlossen werden. Beide Behandlungsverfahren (Clipping wie Coiling) bergen Risiken. Im Einzelfall entscheiden Neuroradiologe und Neurochirurg gemeinsam über das anzuwendende Verfahren. jAneurysmaclipping kIndikation
Beispielsweise Karotisaneurysma rechts. kPrinzip
Osteoplastische Kraniotomie, Aufsuchen des Aneurysmas, Clipping des Aneurysmasacks unter Erhaltung der Blutzirkulation in der betroffenen Hirnarterie (. Abb. 10.36). kLagerung
4 Rückenlagerung mit Kopffixation in der Dornenhalterung nach Mayfield. 4 Der Patient liegt auf einer Wärmematte und wird mit einer Wärmedecke zugedeckt. kInstrumentarium
4 4 4 4 4
Kraniotomieinstrumentarium, Standardzusatz, Mikroinstrumente und Mikroskop, evtl. Fibrinkleber für ein Muskelstück, Aneurysmaclips, z. B. nach Sugita, Yasargil, Pernetzky u. a. stehen in vielen Variationen zur Verfügung (. Abb. 10.37),
. Abb. 10.37 Aneurysmaclips im geöffneten Applikator
4 Dazu gibt es unterschiedlich gebogene Applikationszangen für diese Clips, 4 Intraoperativ wird mit einer Mikrosonde eine Dopplersonographie durchgeführt, um die Strömungsverhältnisse nach dem Clipping beurteilen zu können. Benötigt wird ein Mikroskop mit Schwarzlicht-Einheit und Videokette zur intraoperativen Fluoreszenzangiographie mit Indocyaningrün (ICG). Es werden immer 2 Saugsysteme angeschlossen, denn im Fall einer Aneurysmaruptur blutet es sehr stark. Clipping eines Aneurysmas 7 Ein kleiner Haut-Galea-Schnitt an der rechten Schläfe als Beginn einer osteoplastischen Trepanation (7 Abschn. 10.4.5). 7 Präparation auf der Kalotte in üblicher Weise mit anschließendem Aussägen eines kleinen Knochendeckels. Bogenförmige Eröffnung der Dura mit Messerchen und Duraschere. 7 Einstellen des OP-Mikroskops. 7 Durch das Anheben des Stirnhirns mit einem Hirnspatel und der Hirnwatte lässt sich die A. carotis interna mit Dissektor und Häkchen darstellen. Der Aneurysmahals wird aufgesucht und mit Häkchen, Dissektor und Bipolator präpariert, bis er völlig frei vom umliegenden Gewebe ist. 7 Das Aneurysma wird mit einem Clip ausgeschaltet, ggf. wird das Clipping unter passagerem Ver6
527 10.5 · Intrakranielle Gefäßmissbildungen
Komplikationen
7
7
7
7
schluss des zuführenden Gefäßes durchgeführt (Vermeidung einer intraoperativen Aneurysmablutung). Hirninfarkte lassen sich bei passagerem Clipping zuführender Gefäße nur vermeiden, wenn diese Phase zeitlich limitiert wird (10– 15 min) und die Ischämietoleranz durch tiefe Narkose und vorherige Beatmung mit 100% Sauerstoff erhöht wurde. Komplexe anatomische Verhältnisse am Aneurysmahals können die Kombination mehrerer unterschiedlicher Clips notwendig machen. Manchmal gelingt ein optimales Clipping nicht, oder das Aneurysma rupturiert während oder vor dem Setzen des ausgesuchten Clips (s. unten). Dann gestaltet sich die Präparation des Aneurysmahalses schwieriger. Häufig gibt es auch nach der Clipapplikation noch kleine Blutungen. Dann wird ein kleines Stück Muskel aus dem Haut-Galea-Lappen präpariert und mit Fibrinkleber auf die blutende Perforation geklebt. Nach dem Setzen des Clips wird die Durchgängigkeit zu- und abführender Gefäße mittels intraoperativer Dopplersonographie oder durch eine intraoperative Fluoreszenzangiographie mit Indocyaningrün kontrolliert. Abschließend wird der Aneurysmasack mit einer feinen Kanüle zur Erfolgskontrolle punktiert und das OP-Gebiet gespült. Der Verschluss der Dura, das Einsetzen des Knochendeckels erfolgen in üblicher Weise. Eine subgaleale Redon-Drainage, der schichtweise Wundverschluss und der Kopfverband beenden diese Operation.
Geplatztes Aneurysma Wenn ein Aneurysma rupturiert, kann das OP-Feld sehr schnell mit Blut gefüllt werden. Dann kommt sofort der 2. Sauger zum Einsatz, der während der gesamten Operation funktionsfähig bereit liegt. Jetzt wird ein Höchstmaß an Ruhe und Sicherheit in der Handhabung der Clipzangen und des Mikroinstrumentariums erwartet. Gegebenenfalls wird ein passagerer Clip benötigt, um die Blutung zu stillen. Das Austauschen in einen endgültig verbleibenden Clip bedeutet noch einmal für kurze Zeit eine starke Blutung. Bei Bedarf wird die Rupturstelle mit Gewebekleber und Hämostyptika zusätzlich verschlossen. Zusätzliche Unruhe entsteht im OP-Saal möglicherweise auch durch ein Abfallen der Kreislauffunktionen und die dann notwendigen Stabilisierungmaßnahmen.
Die Mortalität der ersten Subarachnoidalblutung liegt bei etwa 25%. In mehr als der Hälfte der Fälle kommt es zu Rezidivblutungen. Die Mortalität bei der ersten Rezidivblutung ist mit etwa 50% anzusetzen, das Todesrisiko bei weiteren Blutungen noch höher. Mit jeder erneuten Blutung sinkt die Überlebenschance erheblich. Dabei sind die einzelnen Lokalisationen der Aneurysmen ebenso unberücksichtigt wie die Ausgangslage bzw. der Zeitpunkt des operativen Eingriffs. (Ein kleines gestieltes Karotisaneurysma ist z. B. risikoloser zu operieren als ein breitbasig aufsitzendes oder ein Aneurysma an der A. basilaris.) Je besser der Allgemeinzustand des Patienten ist und je geringer die vegetativen Dysregulationen (Temperatur, Kreislauf, Atmung) sind, desto besser ist der postoperative Zustand des Patienten. Zu langes Warten bringt in erhöhtem Maße die Gefahr einer Rezidivblutung mit sich.
10.5.2
Angiome
Definition Zerebrale Angiome sind angeborene Fehlbildungen, deren Aufbau und Differenzierung zum Zeitpunkt der Geburt abgeschlossen ist.
Zwar wird im Verlauf des Lebens eine gewisse Größenzunahme beobachtet, es handelt sich dabei aber nicht um ein autonomes, sondern vielmehr um ein funktionell physiologisches Wachstum (allgemeines Körperwachstum, Aufsaugung und Aufstauung des zirkulierenden Blutes infolge der veränderten Kreislaufsituation). Man findet bei den Angiomen eine Vielzahl erheblich erweiterter (ektatischer) pathologisch veränderter Gefäße innerhalb des normalen Gewebes: 4 Handelt es sich dabei vorwiegend um venöse Gefäße, so spricht man von venösen Angiomen, die aber selten vorkommen. 4 Meist handelt es sich bei den intrazerebralen Angiomen um arteriovenöse Angiome, bei denen unter Umgehung der Kapillaren ein Kurzschluss zwischen arteriellem und venösem Anteil der Blutversorgung besteht, sodass Venen z. T. mit arteriellem Blut gefüllt sind.
Lokalisation Die meisten arteriovenösen Angiome liegen oberflächlich im Bereich der Meningen und reichen in die Gehirnsubstanz hinein. Weitaus am häufigsten ist der Sitz oberhalb des Tentoriums im Versorgungsgebiet der A. cerebri media.
Symptome Klinische Symptome können u. U. ganz fehlen. In typischen Fällen finden sich mehr oder weniger ausgeprägt
10
528
Kapitel 10 · Neurochirurgie
und verschieden kombiniert Zeichen, die meist erstmals zwischen dem 10. und dem 30. Lebensjahr auftreten. 4 Subarachnoidale oder intrazerebrale Blutungen, evtl. rezidivierend. 4 Epileptische Anfälle. 4 Kopfschmerz, häufig migräneartig. 4 Neurologische Symptome: infolge einer intrakraniellen Blutung oder aufgrund der Mangeldurchblutung des umliegenden Gewebes.
Diagnostik Die Diagnose eines zerebralen Angioms lässt sich nur sicher durch die Angiographie stellen. Dabei sind genau die zuführenden und die abführenden Gefäße zu sehen.
Therapie
10
Die Therapie der Angiome besteht in ihrer operativen Entfernung bzw. im Verschluss der zuführenden und der abführenden Gefäße. Eine zuvor durchgeführte endovaskuläre Therapie kann die Operation erheblich erleichtern. Die Möglichkeiten des operativen Vorgehens hängen von der Symptomatologie, der Ausdehnung und dem Sitz des Angioms ab. Diffuse arteriovenöse Angiome sind inoperabel, ebenso Angiome im Bereich der Stammganglien.
Therapie Ist die medikamentöse Behandlung nicht erfolgreich, kommen verschiedene Operationen in Betracht. jOperation nach Janetta kIndikation
Wenn ein Gefäß-Nerven-Kontakt im Verlauf des N. trigeminus nachgewiesen werden kann, stellt die mikrovaskuläre Dekompression nach Janetta nach erfolgloser medikamentöser Therapie eine erfolgversprechende Behandlungsoption dar. Bei strenger Indikationsstellung kann ein Großteil der Patienten dauerhaft von ihren Schmerzen befreit werden. kPrinzip
Zur Polsterung wird zwischen Trigeminusnerv und das begleitende Gefäß (A. cerebelli superior oder die gleichnamige Vene) nach Lösung im Verlauf vom Hirnstamm zur Schädelbasis zur Dekompression ein Stück Teflonschwamm oder körpereigene Muskulatur eingelegt. kLagerung
4 Halbsitzende Position oder Rückenlage. 4 Schädelfixation in der Mayfield-Halterung. Operation nach Janetta
10.5.3
Trigeminusneuralgie
Symptome Die Trigeminusneuralgie ist gekennzeichnet durch einen typischen, attackenartigen, pulsierenden einseitigen Schmerz im Versorgungsgebiet des N. trigeminus (V. Hirnnerv). Häufig können durch sensible Reize (Berühren der Wange, Kauen, Sprechen) Attacken ausgelöst werden. Ist der 1. Trigeminusast betroffen, werden Schmerzen in Stirn und Auge beschrieben. Die Konjunktiva kann gerötet sein, und das Auge tränt. Der 2. Trigeminusast versorgt den Oberkiefer bis zum Nasenflügel, der 3. Trigeminusast den Unterkiefer. Meist sind der 2. und 3. Ast kombiniert betroffen. Ursachen sind ein Gefäß-Nerven-Kontakt im Bereich des oberen Kleinhirnbrückenwinkels, Tumoren im Bereich der Schädelbasis oder eine multiple Sklerose.
Diagnostik Auszuschließen sind zunächst entzündliche Prozesse an Nasensennebenhöhlen, Ober- und Unterkiefer und an den Zähnen. Die Funktion der Kiefergelenke muss kieferorthopädisch überprüft werden. Immer ist eine kraniale Kernspintomographie erforderlich, um Tumoren nachzuweisen oder die Verdachtsdiagnose der multiplen Sklerose (MS) zu erhärten. Zum Nachweis von Gefäß-Nerven-Kontakten ist eine kraniale Kernspintomographie mit Dünnschichten im Bereich der Brücke (Pons) in T2-Gewichtung unerlässlich.
7 Über eine subokzipitale Kraniotomie wird der N. trigeminus dargestellt. Daneben verläuft beim Eintritt in den Hirnstamm häufig ein Gefäß, das den Nerv komprimiert. 7 Zur Dekompression wird ein Stück Teflon zwischen den Nerv und das Gefäß gelegt. 7 Wenn die Beschwerden danach wieder auftreten, ist eine erneute Operation nicht sinnvoll, sondern die perkutane Rhizotomie des N. trigeminus.
Bei Therapieversagen oder symptomatischer Trigeminusneuralgie (Tumor/MS) kann die perkutane Rhizotomie des Nervs im Bereich des Ganglion Gasseri in Kurznarkose durchgeführt werden.
10.5.4
Spontane intrazerebrale Blutungen
Definition Alle nichttraumatisch entstandenen Blutungen in die Hirnsubstanz.
Ursache Häufigste Ursache ist der Bluthochdruck. Andere Ursachen können Gefäßmissbildungen, stark vaskularisierte
529 10.6 · Entzündliche Erkrankungen
Tumoren, Bluterkrankheiten, degenerative Gefäßprozesse, Antikoagulationstherapie, Antikonzeptiva sowie entzündliche Gefäßprozesse sein. Die Blutungen treten meist plötzlich als sog. Schlaganfall auf. Die hypertonische intrazerebrale Massenblutung ist meist im Bereich der Stammganglien lokalisiert. Ihre Symptomatik ist gekennzeichnet durch akuten Bewusstseinsverlust bei oft gleichzeitig auftretender Halbseitenlähmung.
Therapie Das therapeutische Vorgehen hängt von der klinischen Symptomatologie und dem Sitz der Blutung ab. Patienten mit Stammhirnblutungen und Einbruch in das Ventrikelsystem haben eine ungünstige Prognose. Bei Ventrikelblutungen ist es sinnvoll eine Ventrikeldrainage zu legen; oft bleibt nur der Versuch einer intensivmedizinischen Therapie. Grundsätzlich sollten aber alle raumfordernden intrazerebralen und v. a. auch intrazerebellären, akuten Blutungen operiert werden.
10.6
Entzündliche Erkrankungen
Verletzungen, v. a. aber bei eitrigen Entzündungen der Nasennebenhöhlen. Die Gefahr liegt auch hier im Übergreifen des osteomyelitischen Prozesses auf das Endokranium. Dann entsteht ein sog. Epiduralabszess. Therapie Frühzeitiges chirurgisches Vorgehen mit radika-
ler Ausräumung, sowohl der erkrankten Knochen als auch der sekundären Abszesse, z. B. im Epiduralraum, ist angezeigt. Eine zusätzliche antibiotische Therapie ist obligat. Eine Sonderform ist die Knochendeckelosteomyelitis nach Hirnoperationen. Hier ist die Entfernung des Knochendeckels notwendig, der später als Plastik mit Knochenzement nachmodelliert und der Kopfform angepasst und eingesetzt wird (7 Abschn. 10.7.5).
10.6.3
Epiduraler Abszess
Ein epiduraler Abszess (zwischen Dura und Kalotte) kann nach Infektionen der Nasennebenhöhlen, der Warzenfortsatzzellen oder nach einer Schädelosteomyelitis entstehen. Es kann zu größeren Eiteransammlungen kommen, die mit Hirndruckerscheinungen einhergehen: Lähmungen und Krampfanfälle können auftreten.
Entzündliche Erkrankungen Hier wird unterschieden zwischen entzündlichen Erkrankungen 4 der Kopfschwarte, 4 des Knochens, 4 des Gehirns und 4 seiner Hüllen.
10.6.1
Entzündungen der Kopfschwarte
Eitrige Entzündungen der Kopfschwarte entstehen nach Verletzungen (z. B. Schnitt-, Platz- und Schürfwunden), im Zusammenhang mit Furunkeln, Karbunkeln, infizierten Atheromen oder fortgeleitet von infizierten Knochenherden. Sie werden, sobald eine Einschmelzung erkennbar ist, inzidiert. Folge solcher zunächst umschriebenen Entzündungen kann eine Kopfschwartenphlegmone sein.
Therapie Die notwendige Therapie liegt in der Freilegung
und der ausreichenden Drainierung nach außen.
10.6.4
Subdurales Empyem
Abszesse zwischen Dura und Subarachnoidalraum kommen, wenn auch selten, als Folge von traumatischen Infektionen vor. Auch eitrige Hals- und Nasenentzündungen können zu einer subduralen Abszedierung führen. Klinisch zeigen sich Hirndruckzeichen, meningitische Symptome, Krampfanfälle, Halbseitenzeichen und Bewusstseinsstörungen. Therapie Die einzig sinnvolle Therapie ist die baldige Trepa-
nation mit der Eröffnung der Dura, Entleerung des Empyems und anschließender Spülung mit antibiotischer Lösung. Prognose Die Prognose ist ernst, da sich im weiteren Ver-
Therapie Antibiotika, mehrere Inzisionen, Drainagen.
lauf auch nach Sanierung der Empyemhöhle noch Spätabszesse bilden können.
Gefahr Fortleitung der Entzündung in das Schädelinnere.
10.6.5 10.6.2
Meningitiden
Infektion der Schädelknochen
Die Schädelosteomyelitis ist selten. Sie entsteht meist fortgeleitet, so z. B. bei Infektionen der Kopfschwarte, nach
Eine Entzündung der Meningen ist nur dann eine Indikation zu einem neurochirurgischen Vorgehen, wenn es nach einer Meningitis zu einer Liquorzirkulationsstörung mit
10
530
Kapitel 10 · Neurochirurgie
Hydrozephalus kommt (z. B. infolge eines Verschlusses des Aquäduktes oder des Foramen Magendii) oder infolge fehlender Liquorresorption bei Verklebung der Zisternen und der Subarachnoidalräume.
Frühphase, sondern auch über den Erfolg der anschließenden Behandlung und über das Ausmaß der bleibenden Schäden.
Erstversorgung am Unfallort Therapie In diesen Fällen ist eine externe Liquorableitung
im akuten Stadium und ein ventrikuloperitonealer Shunt im chronischen Stadium notwendig (7 Abschn. 10.4.5 und 7 Abschn. 13.6.1).
10.6.6
10
Hirnabszess
Selten entsteht ein Hirnabszess traumatisch, viel häufiger durch Fortleitung. Die primäre Infektionsquelle ist meist eine Ohraffektion, eine Entzündung der Nasennebenhöhlen oder ein eitriger Lungen oder Zahnprozess. Je nach Aktivität der Erreger (Staphylo-, Pneumo- oder Streptokokken) tritt er als Frühabszess schon innerhalb weniger Tage bis Wochen oder auch nach Jahren als Spätabszess in Erscheinung. Der Spätabszess ist in der Regel immer abgekapselt und kann verkalken. Überwiegend ist das Großhirn betroffen. Klinisch finden sich meist rasch progrediente Symptome eines raumfordernden intrakraniellen Prozesses mit Herdsymptomen, evtl. epileptischen Anfällen und Hirndruckzeichen, sodass in erster Linie ein Hirntumor angenommen wird. Hinweisend sind dann eine Leukozytose und eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit sowie in der Regel eine CRP-Erhöhung. Die Verdachtsdiagnose eines Hirnabszesses erfordert ein CCT mit Kontrastdarstellung und das NMR. Hiermit gelingen zumeist der Nachweis und die Lokalisation. Therapie Die Therapie ist abhängig von der Krankheitsphase, der Größe und der Lokalisation des Abszesses, die mit der intraoperativen Ultraschalldiagnostik kontrolliert wird. Immer besteht das Ziel in einer vollständigen Entfernung. Hierbei werden die frühen raumfordernden Abszesse zunächst punktiert und gespült. Eine intensive antibiotische Therapie ist obligat. Prognose Die Mortalität bei Hirnabszessen liegt immer
noch bei etwa 30%.
10.7
Schädel-Hirn-Traumata
10.7.1
Versorgung des Patienten
Immer noch sterben Tausende von Patienten jährlich an einer schweren Hirnverletzung. Die Maßnahmen, die der erste Helfer am Unfallort trifft oder unterlässt, entscheiden bei vielen Verletzten nicht nur über Leben und Tod in der
Zuerst sind die bekannten Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen erforderlich. Tritt Blut, Liquor oder Hirnbrei aus der Nase aus, ist für ein freies Ablaufen zu sorgen, damit das Eindringen in die Luftwege verhindert wird. Jede durch ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT) bedingte Bewusstlosigkeit bedeutet absolute Lebensgefahr und erfordert nach der notärztlichen Versorgung den schnellstmöglichen und sachgemäßen Transport ins Krankenhaus. Im Allgemeinen ist die optimale Lagerung für den Transport bewusstloser Hirnverletzter die 30°-Kopf-hoch-Lagerung. Nur in Ausnahmefällen, z. B. bei Vorliegen eines traumatischen Querschnittes, ist die flache Rückenlage ratsamer.
Versorgung im Krankenhaus Die einzelnen Maßnahmen im Krankenhaus sind nach Art und Schwere der Verletzung unterschiedlich (7 Übersicht). Sofortmaßnahmen beim Schädel-Hirn-Trauma im Krankenhaus 4 Einlieferung des Verletzten: orientierende ärztliche Untersuchung der Atmung, des Kreislaufs, der Bewusstseinslage, der Verletzungen und der Pupillen 4 Sicherstellung der Atmung: Absaugen, Intubation 4 Schockbekämpfung: venöse Zugänge, Blutentnahmen für die Blutgruppenbestimmung und die üblichen Routineuntersuchungen, Infusion, Blutdruckkontrolle etc. 4 Sonographie 4 Konsiliarisches Hinzuziehen der (Neuro)chirurgen, Ophthalmologen, des HNO-Arztes, des Kieferchirurgen, Orthopäden, Neurologen und Internisten 4 Trauma-CT (Ganzkörper-CT) 4 CCT (kraniale Computertomographie) 4 Blasenverweilkatheter 4 Magensonde 4 Tetanusprophylaxe 4 Operative Versorgung 4 Intensivtherapie 4 Hirndruckmessung
Weiterbehandlung Für die Weiterbehandlung schwerer
Schädel-Hirn-Verletzungen gelten die Besonderheiten neurochirurgischer Intensivpflege.
531 10.7 · Schädel-Hirn-Traumata
10.7.2
Einteilung der Schädel-Hirn-Traumata
Um in der akuten Phase richtig handeln zu können, ist die Einteilung der verschiedenen Schädel-Hirn-Traumata notwendig. Wir unterscheiden: 4 gedecktes Schädel-Hirn-Trauma, 4 offenes Schädel-Hirn-Trauma, 4 Frakturen der Schädelbasis, 4 Hirnödem und Hirnschwellung, 4 traumatische intrakranielle Hämatome.
Gedecktes Schädel-Hirn-Trauma
noch Ansprache löst eine Gegenbewegung aus; sinnvolle, bewusste Handlungen werden nicht ausgeführt. Jüngere neuropsychologische Untersuchungen belegen, dass es sich beim apallischen Syndrom um ein Durchgangssyndrom handelt, bei dem sich durch eine intensive qualifizierte Behandlung auch nach längerer Zeit noch wesentliche Erholungen einstellen können. Dies gilt umso mehr, je jünger die Patienten sind. Zur Beurteilung der Bewusstseinslage kommt die Glasgow-Koma-Skalierung zur Anwendung. Therapiephasen des gedeckten Schädel-Hirn-Traumas
Definition Die Dura ist beim gedeckten SHT von den Verletzungen nicht betroffen.
4 Akute posttraumatische Phase: Schockbekämpfung, Stabilisierung des Kreislaufs, Sicherung der Atemwege, Flüssigkeitsbilanzierung und Ernährung, laufende Laboruntersu-
Eine Unterteilung der gedeckten Schädel-Hirn-Verletzungen, abhängig von der Dauer der Störung, zeigt . Tab. 10.5. Als posttraumatischer Defektzustand des Gehirns mit prolongiertem Koma gehört das apallische Syndrom an sich zu den Schädel-Hirn-Verletzungen 3. Grades. Es nimmt dort jedoch eine Sonderstellung ein, da es auch nach nicht verletzungsbedingter Schädigung des Gehirns auftreten kann, etwa bei Vergiftungen. Dieses Zustandsbild ist durch erhaltende Elementarfunktionen des Stammhirns, wie Atmung, Kreislauf und Schlaf-wach-Rhythmus bei weitgehendem Ausfall der Großhirnfunktionen, gekennzeichnet. Solche Patienten liegen wach mit offenen Augen ohne Wahrnehmung und ohne Reaktion. Weder Berührung
chungen, Behandlung des Hirnödems, ggf. Operation, Pflege, Gymnastik. 4 Rehabilitationsphase im Krankenhaus: Pflege, Beschäftigungstherapie, Krankengymnastik. 4 Rehabilitationsphase der sozialen Eingliederung: Körperliche Wiederherstellung und soziale Wiedereingliederung in einem entsprechenden Hirnverletztenzentrum. Geeignete Umschulungsmaßnahmen sind genauso erforderlich wie eine entsprechende soziale Therapie.
. Tab. 10.5 Kriterien zur Gradeinteilung gedeckter Schädel-Hirn-Verletzungen Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades
2. Grades
3. Grades
Bewusstlosigkeit
Bis 5 min
Bis 30 min
Länger
Neurologische Ausfälle
Möglich
Möglich
Sicher
Kreislaufstörungen
Möglich
Möglich
Wahrscheinlich
Atemstörungen
Fehlend
Möglich
Wahrscheinlich
Vegetative Störungen
Möglich
Wahrscheinlich
Wahrscheinlich
Temperaturregulationsstörungen
Fehlend
Fehlend
Wahrscheinlich
Hirnschwellung, Hirnödem
Fehlend
Möglich
Wahrscheinlich
Rückbildung neurologischer Befundabweichungen
Sicher
Innerhalb 30 Tagen
Meist nicht vollständig
Rückbildung subjektiver Beschwerden
Innerhalb von Tagen
Wahrscheinlich
Dauerbeschwerden
Keine
Möglich
Wahrscheinlich
10
532
Kapitel 10 · Neurochirurgie
Offenes Schädel-Hirn-Trauma Definition Durch eine von außen einwirkende Gewalt wird Hirngewebe zerstört. Dabei weisen Haut, Knochen und Dura gleichzeitig eine durchlaufende Wunde auf.
Die Verletzungen können durch stumpfe oder scharfe Gewalteinwirkungen hervorgerufen werden. Abhängig von der Gewalteinwirkung zeigen sich umschriebene Stichverletzungen oder tiefgreifende Gewebezerstörungen. Gefahren, die hierdurch entstehen können, liegen in der komplizierenden Osteomyelitis, in der Gefahr der Meningitis und der Enzephalitis mit der weiteren Gefahr des Abszesses oder des subduralen Empyems. jKlinik
10
Der sehr unterschiedliche Schweregrad der Hirnverletzungen ist auch ausschlaggebend für das klinische Syndrom, sowohl hinsichtlich der Bewusstseinslage als auch im Hinblick auf allgemeine Hirnstörungen (Atmung, Kreislauf u. a.) und fokale Ausfälle. Herdförmige Störungen werden immer dann zu erwarten sein, wenn entsprechende Hirnareale, wie die Zentralregion, die Stammganglien, das Sprachzentrum und die Sehrinde mitverletzt sind. Der lokale Inspektionsbefund, das Röntgenbild des Schädels und das CCT mit Knocheneinstellung lassen im Zusammenhang mit der neurologischen Situation meist eine ausreichende Diagnose zu. jTherapie
Alle offenen Schädel-Hirn-Traumata bedürfen der primären operativen Versorgung, einmal zur Beseitigung gleichzeitiger raumfordernder intrazerebraler Blutungen und zum anderen zur Verhütung von Infektionen, wie sie oben besprochen wurden. ! Ziel der Therapie muss es sein, die offene Hirnwunde in eine geschlossene Hirnwunde zu verwandeln.
Bei jeder Wunde der Kopfhaut mit gleichzeitiger Knochenverletzung (Trümmerbruch, Impression, Defekt) muss nach der Säuberung der Hautwunde und meist einer Exzision der Wundränder die Knochenverletzung übersichtlich dargestellt werden. Bei den Impressionen und penetrierenden Verletzungen muss der Knochen im Verletzungsbereich so weit entfernt werden, bis die Duraverletzung übersichtlich freiliegt. Die traumatisch entstandene Duralücke muss meist noch zusätzlich erweitert werden, um die darunter liegende Hirnwunde einwandfrei beurteilen zu können. Vorhandene raumfordernde Blutungen werden ausgeräumt und eine sorgfältige Blutstillung durchgeführt.
Die Dura wird genäht oder bei einem größeren Defekt durch ein Stück Periost, synthetisches Vlies oder synthetische Dura verschlossen. Die Knochenlücke kann entweder primär durch größere Knochenfragmente wieder gedeckt werden, oder sie wird sekundär durch Kunststoff (z. B. Palacos) oder angepasste Implantate aus Titan verschlossen. ! Allgemein gilt die Regel, offene Hirnwunden innerhalb der ersten 12 h nach der Verletzung zu versorgen.
Frakturen der Schädelbasis Frakturen der Schädelbasis führen nicht selten zu begleitenden Komplikationen: 4 Liquorfisteln, 4 Pneumenzephalus, 4 Gefäßverletzungen. jLiquorfisteln
Bei sichtbarem Abfluss von Liquor aus Nase und Ohr ist die Diagnose einer Liquorfistel leicht zu stellen. Liquor muss jedoch nicht immer fließen. Bei Fisteln besteht immer die Gefahr einer aufsteigenden Entzündung der Hirnhäute und des Gehirns. Sie müssen deshalb operativ verschlossen werden. Ohrliquorfisteln, bei denen übrigens auch ein Riss im Trommelfell und Felsenbein vorliegen muss (häufige Begleiterscheinung bei Schädelbasisfrakturen), verschließen sich oftmals von selbst. jPneumenzephalus
Der Pneumenzephalus stellt eine Komplikation insbesondere der nasalen Fistel dar. Es kommt zu einem Einströmen von Luft in den Schädelinnenraum, die wegen eines an der Liquorfistel entstehenden Ventilmechanismus nicht mehr entweichen kann. jGefäßverletzungen bei Basisfrakturen
Unter den Gefäßverletzungen bei Basisfrakturen hat die Karotis-Kavernosus-Fistel eine besondere Bedeutung. Durch Verletzung der A. carotis im Bereich des Sinus cavernosus entsteht ein arteriovenöser Kurzschluss. Das arterielle Blut ergießt sich sofort in den venösen Schenkel. Klinisch charakteristisch ist der pulsierende Exophthalmus. Zusätzlich können Schädigungen des III. V. und VI. Hirnnervs auftreten, die in der Wandung des Sinus cavernosus verlaufen. Die Behandlung geschieht auf endovaskulärem Wege.
Hirnödem und Hirnschwellung Hirnödem und Hirnschwellung sind Reaktionen des Gehirns auf Schädigungen verschiedenster Art. Je nach Schwere und Schädigung werden sie mehr oder minder schnell entstehen. Beide Zustände sind gekennzeichnet durch Flüs-
533 10.7 · Schädel-Hirn-Traumata
sigkeitseinstrom in das Gehirn selbst. Beim Hirnödem ist der Flüssigkeitsgehalt in den Gewebsspalten des Gehirns vermehrt, bei der Hirnschwellung im Gewebe selbst. Hieraus resultiert eine Erhöhung des intrakraniellen Druckes, der sekundär wieder zur Hirnschädigung führen kann. Praktisch jeder neurochirurgische Eingriff und alle schweren Schädel-Hirn-Verletzungen, aber auch intrazerebrale Massenblutungen, Hirninfarkte, Meningitiden und Enzephalitiden sowie Vergiftungen können ein Hirnödem und eine Hirnschwellung zur Folge haben. Eine zuverlässige Messung gelingt durch spezielle Hirndruckmesssonden, die meist intrazerebral platziert werden. Eine operative Therapie dieser Zustände gibt es in der Regel nicht. Allerdings kann als allerletzte Möglichkeit unter bestimmten Voraussetzungen eine großflächige operative Entlastung z. B. bei einem malignen Hirninfarkt oder Hirnschwellung versucht werden. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen und jungen Erwachsenen kann so die Prognose verbessert werden.
10.7.3
Traumatische intrakranielle, extrazerebrale Hämatome
Definition Blutung innerhalb der knöchernen Schädelkapsel (außerhalb des Gehirns).
Im Gefolge von Schädel-Hirn-Verletzungen können innerhalb des Schädels Blutungen entstehen, die durch ihre Raumforderung und damit durch die Erhöhung des Kopfinnendruckes lebensbedrohliche Komplikationen darstellen. Ihre schnelle Diagnose und die entsprechende Behandlung durch eine Operation sind von entscheidender Bedeutung für die Prognose.
. Abb. 10.38 Raumfordernde Wirkung eines epiduralen Hämatoms auf die Hirnstrukturen (schematisierter Längsschnitt auf Höhe von Tentoriumschlitz und Foramen occipitale magnum). 1 Lokale Wirkung auf die ipsilaterale Großhirnhemisphäre mit druckbedingter Ischämie, Verschiebung des Seitenventrikels unter die Falx cerebri zur Gegenseite, 2 Herniation des medialen Temporallappens zwischen Tentoriumrand und Mittelhirn mit Druck- und Ischämiewirkung auf dasselbe sowie auf den gleichseitigen N. oculomotorius, 3 Tiefertreten des ganzen Stammhirns durch supratentoriell stark erhöhten intrakraniellen Druck, Funktionsstörung und Schädigung von Mittelhirn; später Einklemmung des tieferen Stammhirns im Foramen occipitale magnum. (Nach Heberer et al. 1993)
beachten sind ferner neurologische Ausfälle wie Lähmungen an der dem Hämatom entgegengesetzten Körperseite. Die Überwachung Schädel-Hirn-Verletzter hinsichtlich der Ausbildung eines intrakraniellen Hämatoms erfordert die mindestens stündlich durchzuführende Überprüfung von Puls, Blutdruck, Pupillen und Bewusstseinslage. Entsprechend ihrer anatomischen Ausbreitung und des Entstehungsmechanismus weisen die intrakraniellen Hämatome Unterschiede auf.
Symptome Der wichtigste Hinweis auf das Vorliegen einer intrakraniellen Blutung ist das freie Intervall. Nach einem Unfall ist der Patient gar nicht oder nur kurz bewusstlos und wacht später wieder auf. Ein Intervall von Bewusstseinsklarheit wird durchlaufen, und Stunden danach trübt das Bewusstsein des Patienten wieder ein. Diese erneute Bewusstseinseintrübung ist Folge der raumfordernden Blutung und der damit verbundenen Druckerhöhung. Schwierig wird die Beurteilung bei Verletzten mit einem Schädel-Hirn-Trauma 3. Grades, deren primäre Bewusstlosigkeit durch den Unfall unmerklich in die sekundäre Blutung übergeht. Ähnliche Schwierigkeiten bestehen bei alkoholisierten Patienten. Ein weiteres Zeichen, das den Verdacht auf eine intrakranielle raumfordernde Blutung nahe legt, ist die einseitige Pupillenerweiterung. Zu
Epidurales Hämatom Das epidurale Hämatom liegt zwischen harter Hirnhaut und Schädelknochen (. Abb. 10.38). Es ist fast ausschließlich auf eine Verletzung der A. meningea media zurückzuführen und damit ein arterielles, sich schnell entwickelndes Hämatom. Dieses große Gefäß, das im Bereich der Schläfe die harte Hirnhaut versorgt, wird bei temporalen Frakturen leicht mitverletzt. Die temporale Schläfengegend wird dadurch zur Hauptlokalisation dieser Hämatome. Der Verdacht auf ein epidurales Hämatom ergibt sich im Wesentlichen aus etwa 3 Verlaufssituationen: 4 Bei einem gedeckten Schädel-Hirn-Trauma kommt es zu einer sofortigen Bewusstlosigkeit, die kurze Zeit dauert; der Verletzte wird wieder wach und ansprech-
10
534
Kapitel 10 · Neurochirurgie
bar. Nach einem Zeitraum von einer bis mehreren Stunden (freies Intervall) erfolgt eine erneute Bewusstseinstrübung und Bewusstlosigkeit als Zeichen der zunehmenden Raumforderung. 4 Bei einem Schädel-Hirn-Trauma hat primär keine Bewusstlosigkeit vorgelegen, nach entsprechender Zeit setzt eine sekundäre Bewusstseinstrübung durch das anwachsende Hämatom ein. 4 Die primäre Bewusstlosigkeit nach einem SchädelHirn-Trauma hält an und wird in den folgenden Stunden zunehmend tiefer durch eine raumfordernde Blutung. Das epidurale Hämatom erfordert rasches chirurgisches Vorgehen. jEntfernung eines epiduralen Hämatoms kIndikation
Epidurales Hämatom. kPrinzip
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Beseitigung der Kompressionserscheinungen durch sofortige Schädeleröffnung und Entfernung des Hämatoms sowie Blutstillung der verletzten Arterie. Das erforderliche schnelle Vorgehen erfordert ggf. eine Vernachlässigung der Sterilität! kLagerung
4 Rückenlage, den Kopf auf die kontralaterale Seite gedreht, in einem Kopfring oder mit den Gummipolstern einer Kopfhalterung fixiert. 4 Bei Bedarf Anlegen der Dispersionselektrode am Oberarm kInstrumentarium
Kraniotomieinstrumentarium inkl. Bohrmaschine, Standardzusatz. Entfernung eines epiduralen Hämatoms 7 Halbrunde Inzision der Kopfschwarte über dem lokalisierten Hämatom. Die Blutstillung an den Wundrändern erfolgt z. B. am Kopfschwartenrand mit Dandy-Klemmen und am Schwartenlappen mit Raney-Clips. 7 Der Haut-Galea-Lappen wird vom Periost mit dem Messer abpräpariert und ggf. in eine feuchte Kompresse gewickelt, damit er während der Operation nicht austrocknet. Das Periost wird, ebenfalls halbrund, dort durchtrennt, wo die Trepanation geplant ist. 6
7 Mit einem breiten Raspatorium wird der Schädelknochen freigelegt. Bohrlöcher werden mit dem Trepanbohrer gesetzt und mit dem Kraniotom der Knochendeckel ausgesägt. Mit einem Elevatorium wird dieser angehoben, meist muss adhärente Dura noch mit einem Dissektor abpräpariert werden. 7 Blutungen aus der Spongiosa werden mit Knochenwachs gestillt. Schon beim Setzen der Bohrlöcher quillt das gestaute Blut hervor, wird abgesaugt und schafft so eine erste Druckentlastung. 7 Das Hämatom wird durch Spülung und mit dem Dissektor entfernt. Das blutende Gefäß wird aufgesucht und mit bipolarer Koagulation verschorft, mit einem Clip verschlossen und/oder mit Hämostyptikum tamponiert. 7 Zwischen Kalotte und Dura werden kleine Streifen von Fibrinschaum (Kollagenvlies o. Ä.) eingelegt, die diffuse Blutungen unter dem Trepanationsrand stillen. Sichtbare Blutungen müssen bipolar versorgt werden. 7 Die Kalottenfixation erfolgt über vorgefertigte Metallplättchen (. Abb. 10.18). 7 Nach dem Einlegen einer subkutanen Redon-Drainage (10–12°Charr) werden die Raney-Clips und die Dandy-Klemmen entfernt; es beginnt der schichtweise Wundverschluss. Ein zirkulärer Kopfverband beendet die Operation.
Subdurales Hämatom Definition Ausgedehnte, flächenhafte Blutung im Subduralraum zwischen Dura und Arachnoidea. In diesem Spalt ist eine Ausdehnung über eine ganze Gehirnhälfte möglich.
Es sind venöse oder arterielle Blutungen aus Rindenkontusionen oder Einrissen von Sinus oder Brückenvenen, die von der Hirnoberfläche zu den Blutleitern in der harten Hirnhaut ziehen. Bei oberflächlichen Rindenprellungsherden sind die Blutungen meist arteriell-venös gemischt; hierbei sorgt die arterielle Komponente für den weiteren akuten Verlauf. Hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs unterscheidet man die im Folgenden beschriebenen 2 Formen. jAkutes subdurales Hämatom
Es ist fast immer mit einer schweren Hirnkontusion verbunden und unterscheidet sich hierin vom epiduralen Hämatom. Die primäre Bewusstlosigkeit vertieft sich oder tritt nach Ablauf von Stunden erneut auf.
535 10.7 · Schädel-Hirn-Traumata
jChronisches subdurales Hämatom
Demgegenüber entwickeln sich chronische Hämatome erst in einem längeren Zeitraum von Wochen bis Monaten, gehäuft bei Patienten, die unter Antikoagulationstherapie stehen. Die wechselnde Symptomatik kann dem Bild einer Hirngeschwulst ebenso ähneln wie dem einer vaskulären Insuffizienz. Eine Sonderform des chronischen subduralen Hämatoms ist die Pachymeningeosis haemorrhagica interna, die auf einer Erkrankung der harten Hirnhaut beruht. Im Bereich der innersten Duraschicht besteht gefäßreiches Granulationsgewebe, in das es spontan oder auch bereits bei Bagatelltraumata bluten kann. Daraus können sich umschriebene und meist ausgedehnte, vielfach doppelseitige Hämatome entwickeln. jEntfernung eines subduralen Hämatoms kIndikation
Subdurales Hämatom. kPrinzip
Entfernung des Hämatoms, um die Hirnkompression zu beseitigen. Beim akuten Hämatom muss die Blutungsquelle versorgt werden, beim chronischen Hämatom ist die Eröffnung aller Membranen erforderlich. kLagerung
4 Rückenlage, Kopflagerung entsprechend der Lokalisation des Hämatoms seitlich auf einem Ring. 4 Bei Bedarf Dispersionselektrode an einem Oberarm. kInstrumentarium
4 Kraniotomieinstrumentarium, 4 Standardzusatz, 4 Jackson-Pratt-Drainagen in unterschiedlichen Größen. Akutes subdurales Hämatom 7 Die Eröffnung des Schädels erfolgt wie beim epiduralen Hämatom mit einer großzügigen halbrunden Trepanation über dem computertomographisch lokalisierten Hämatom. 7 Die Dura wird mit einem Messerchen inzidiert und der Schnitt halbkreisförmig mit einer Duraschere erweitert. 7 Danach wird das Hämatom durch Spülung und Saugen entfernt. Dabei muss evtl. das gequetschte Hirngewebe abgesaugt werden. Eine exakte Blutstillung erfolgt mit dem bipolaren Koagulator. Abgerissene Brückenvenen werden koaguliert, mit Clips verschlossen und/oder mit Hämostyptikum tamponiert. 6
7 Besteht eine so starke Hirnschwellung, dass die Dura nicht wieder vernäht werden kann, muss eine Duraerweiterungsplastik vorgenommen werden. Der Knochendeckel bleibt wegen der bestehenden oder zu erwartenden Hirnschwellung meist entfernt und wird verworfen. Bei weiter zu erwartender Hirnschwellung kann die Implantation einer Hirndruckmesssonde sinnvoll sein. 7 In Ausnahmefällen kann der Knochendeckel tiefgefroren und bis zur Reimplantation steril gelagert werden. 7 Nach der Entfernung der Raney- und der DandyKlemmen erfolgt der übliche Wundverschluss.
Chronisches subdurales Hämatom 7 Als kleinster, häufig ausreichender Eingriff erfolgt die Entleerung des Hämatoms über ein Bohrloch. 7 Dazu wird ein gerader Hautschnitt gelegt, die Kopfschwarte mit einem Sperrer auseinander gehalten, das Periost inzidiert und ein Bohrloch angelegt, das evtl. mit einem Luer erweitert werden muss. 7 Die freigelegte Dura wird mit der bipolaren Pinzette punktförmig koaguliert und dann mit einem kleinen Skalpell kreuzförmig inzidiert. Das unter Druck stehende Hämatom entleert sich. 7 Durch das Einführen eines feuchten Nélaton-Katheters in den Subduralraum kann durch Spülung das restliche Hämatom entfernt werden. Abschließend wird eine Jackson-Pratt-Drainage eingelegt, um nachlaufende Hämatomflüssigkeit abzusaugen 7 Besteht eine Pachymeningeosis mit dicken Membranen und rezidivierenden Hämatomen, erfolgt die Trepanation mit Entfernung dieser Membranen. 7 Der übliche Wundverschluss unter möglicher Zuhilfenahme eines kleinen Durapatches zum Verschluss der Durainzision beendet die Operation.
10.7.4
Traumatische intrakranielle, intrazerebrale Hämatome
Intrazerebrale Hämatome werden entweder durch Gefäßzerreißung in der Hirnsubstanz oder indirekt durch Rindenprellungsherde verursacht. Meist liegen sie im Bereich des Stirnhirns und des Schläfenhirns. Der Verlauf solcher intrazerebralen Hämatome ist uncharakteristisch. Er hängt im Wesentlichen davon ab, ob sie isoliert vorkommen oder ob noch weitere Verletzungen des Gehirns vorliegen.
10
536
Kapitel 10 · Neurochirurgie
Klinisch sind akute subdurale Hämatome nicht von kontusionellen Schädigungen zu unterscheiden. Bei mehr chronischem Verlauf sind neben herdförmigen Ausfällen eher Symptome einer allgemeinen Hirndrucksteigerung vorhanden. Zur Therapie genügt manchmal die Bohrlochtrepanation. Die Prognose ist abhängig von der Lokalisation und Ausdehnung des Hämatoms selbst und von der zusätzlich erlittenen Hirnschädigung.
10.7.5
Schädeldefekt nach osteoklastischer Trepanation
Trepanation jOsteoplastische Trepanation
Bei geplanten Operationen im frontalen, temporalen, parietalen und okzipitalen Bereich zur Entfernung von Tumoren, Angiomen oder Aneurysmen wird dem Patienten sein eigener Knochendeckel wieder angepasst, wenn am Ende der Operation keine Hirnschwellung auftritt.
10
jOsteoklastische Trepanation
Bei frischem Schädel-Hirn-Trauma mit sichtbarer oder zu erwartender postoperativer Hirnschwellung bleibt der Knochendeckel entfernt. Nach der Trepanation wird in einer Zweitoperation eine Schädeldachplastik vorgenommen. Die Schädeldachlücken müssen aus verschiedenen Gründen verschlossen werden: 4 Jede Lücke bedeutet eine vorhandene Gefahr für das Gehirn. 4 Bei größeren Defekten können Schwankungen des intrakraniellen Druckes Ursache von Beschwerden sein. 4 Eine kosmetische Indikation gibt es bei Schädeldefekten im Gesichtsbereich.
kLagerung
4 Rückenlagerung mit entsprechend der Lokalisation des Defekts gedrehtem Kopf. 4 Neutrale Elektrode an einem Oberarm. 4 Der Patient liegt auf einer Wärmematte. kInstrumentarium
4 Kraniotomieinstrumentarium, 4 Standardzusatz, 4 Refobacin-Palacos, die Menge entsprechend der Größe des Defektes, 4 4,5-mm-Spiralbohrer. Schädeldachplastik 7 Über die Eröffnung des ursprünglichen Hautschnittes wird der Haut-Galea-Lappen präpariert. Der Kraniotomiedefekt wird übersichtlich dargestellt, die nach Herstelleranweisung angerührte Refobacin-Palacos-Masse über dem Defekt einmodelliert. Zum Schutz des Gehirns liegen feuchte Hirnwattestreifen auf. Die Handschuhe werden zum Anmodellieren angefeuchtet. 7 Das Aushärten des Knochenzements erfolgt außerhalb des OP-Gebietes, damit die Hitzeentwicklung nicht zu thermischen Schäden des Gehirns führen kann (7 Kap. 3.4.4). 7 Nach der Aushärtungszeit werden die Ränder der Plastik geglättet. Anschließend erfolgt die Perforation der gesamten Plastik mit einem 4,5-mmBohrer, die die Einsprossung von Gewebe beschleunigt. Die Plastik wird befestigt wie ein Knochendeckel (s. oben). 7 Bei Bedarf Einlegen einer Redon-Drainage. Danach erfolgt der übliche schichtweise Wundverschluss.
Schädeldachplastik kIndikation
10.8
Zustand nach osteoklastischer Trepanation.
Erkrankungen und Verletzungen des Rückenmarks, seiner Hüllen und der Wirbelsäule
kPrinzip
Deckung des Kalottendefekts. Entweder wird der patienteneigene entfernte tiefgefrorene Knochendeckel bereitgehalten und reimplantiert, oder (heute die häufigere Möglichkeit) der Defekt wird mit einer während der Zweitoperation hergestellten Refobacin-Palacos-Platte gedeckt. Alternativ kann mittels eines Dünnschicht-CT ein passender Titandeckel angefertigt werden, oder ein PEEK-Deckel (Poly-Äther-Äther-Keton) wird mit Kleinfragmentplatten und Schrauben (7 Kap. 3) an der Kalotte fixiert.
M. Liehn, M. Brunken, M. Weissflog, A. Gudat 10.8.1
Spinale Geschwülste
Definition Alle raumfordernden Prozesse des Spinalkanals. Entweder gehen sie vom Spinalkanal selbst aus oder dringen sekundär in den Wirbelkanal ein.
537 10.8 · Erkrankungen und Verletzungen des Rückenmarks, seiner Hüllen und der Wirbelsäule
a
b
c
d
. Abb. 10.39a–d Lokalisation spinaler Tumoren. a Normale Verhältnisse, b extradurale Tumoren, vom Knochen ausgehend, c intradu-
rale extramedulläre Tumoren, d intradurale, intramedulläre Tumoren. (Nach Siewert 2006)
Im weitesten Sinne gehören zu den spinalen Geschwülsten auch nichttumoröse raumfordernde Prozesse, wie Arachnoidalzysten, Bandscheibenvorfälle u. a. m. Entsprechend dem Aufbau der Wirbelsäule spricht man hinsichtlich der Lokalisation von zervikalen, thorakalen, lumbalen und sakralen Tumoren. Spinale Geschwülste sind im Vergleich mit Hirntumoren um ein Vielfaches seltener. Alle spinalen Geschwülste bewirken eine Kompression (Druckschädigung, Quetschung) des Rückenmarks oder der Cauda equina. Zur Differenzierung der spinalen Geschwülste nutzt man ihre Beziehung zum Rückenmark und zu seinen Häuten (. Abb. 10.39): 4 extradural = außerhalb des Durasackes, meist Karzinommetastasen, 4 intradural = innerhalb des Durasackes: 5 extramedullär = außerhalb des Rückenmarks: von den Wurzeln ausgehende Neurinome, von den Meningen ausgehende Meningeome, 5 intramedullär = innerhalb des Rückenmarks, meist Astrozytome oder Ependymome.
etc.) besteht ausschließlich die Möglichkeit einer operativen Entfernung der Geschwulst. Bei den malignen Prozessen (Sarkomen, Karzinomen u. a.) sollen Operation, Bestrahlung und Chemotherapie die therapeutische Wirksamkeit möglichst weit spannen. Im Allgemeinen sind die knochenzerstörenden spinalen Tumoren prognostisch ungünstiger zu beurteilen als die biologisch gutartigen Meningeome und Neurinome. Gliome, auch die biologisch gutartigen, sind hinsichtlich ihres Sitzes im Rückenmark prognostisch sehr zurückhaltend zu beurteilen. Kleine umschriebene Geschwülste können evtl. nach dorsaler Myotomie unter Einsatz des CO2-Lasers entfernt werden. Über mehrere Segmente reichende Gliome und die sog. Stiftgliome sind operativ schwer angehbar. Je nach Sitz droht auch beim Einsatz aller technischen Einrichtungen eine Para- oder Tetraplegie. Manchmal kann allein eine Strahlenbehandlung eine Besserung bewirken.
jSymptome
Alle Prozesse, die das Rückenmark von außen komprimieren, führen zu einer zunehmenden Beeinträchtigung der Rückenmarkfunktionen, in erster Linie der Motorik, später der Blasenfunktion. Schließlich droht die Querschnittlähmung.
10.8.2
Spinale Gefäßmissbildungen
Es können Venektasien (pathologisch erweiterte Venen) vorliegen oder aber häufiger arteriovenöse Angiome. Meist liegen sie intradural, hier vornehmlich im Bereich der weichen Rückenmarkhäute. Wenn sie im Rückenmark selbst liegen, werden die kaudalen Abschnitte bevorzugt. Sie sitzen vornehmlich über den Dorsalseiten des Rückenmarks und erstrecken sich über mehrere Segmente. Männer sind wesentlich häufiger betroffen als Frauen.
jTherapie
Je nach Geschwulstart gibt es folgende Behandlungsformen: 4 Operation, 4 Bestrahlung und 4 Chemotherapie.
jTherapie
Operation.
10.8.3
Bei einigen Karzinommetastasen (Prostata, Mamma) können Hormonbehandlungen mit gegengeschlechtlichen Hormonen wie auch Kastration und Ausschaltung der Hypophyse günstig wirken. Bei den benignen Tumoren (einige Gliome, Meningeome, Neurinome, Lipome, Dermoide
Entzündliche Erkrankungen des Spinalkanals
Unter den entzündlichen Erkrankungen des Spinalkanals, die neurochirurgisch therapiert werden, sind im Wesentlichen zu erwähnen:
10
538
Kapitel 10 · Neurochirurgie
4 Epiduraler Abszess: Er ist sofort zu operieren und muss entsprechend antibiotisch behandelt werden. 4 Arachnitis spinalis: Sie kann zu einer bindegewebigen Verdickung der Arachnoidea und zu Verwachsungen mit der Dura führen. Die Diagnose stützt sich auf die Vorgeschichte (Meningitis, Spondylitis, Infektionskrankheiten u. a.), den klinischen Verlauf (z. B. wechselnde neurologische Reiz- und Ausfallerscheinungen) und Liquoruntersuchungen (Eiweißerhöhung, Zellvermehrung).
10.8.4
10
Bandscheibenerkrankungen
Die Bandscheibe oder Zwischenwirbelscheibe (Discus intervertebralis) besteht aus einem zentralen Gallertkern (Nucleus pulposus) und einem umgebenden Faserring (Anulus fibrosus). Der Nucleus pulposus besteht aus weichem Gewebe und nimmt etwa 2/3 der Bandscheibe ein. Im jugendlichen Alter besitzt er einen hohen Wassergehalt. Vom umgebenden bindegewebigen Anulus fibrosus zusammengepresst, ist er mit einem kugelförmigen Wasserkissen zwischen den Wirbelkörpern vergleichbar. Die Bandscheibe dient als Stoßdämpfer und Polster, aber mehr noch als Gelenk des Achsenorgans Wirbelsäule. Mit zunehmendem Alter nimmt die Elastizität der Bandscheibe ab, und es kommt zum Verschleiß der Bandscheibe. Dabei handelt es sich um mechanische und stoffwechselphysiologische, altersabhängige Veränderungen in der nichtvaskularisierten Bandscheibe. Diese bilden die Voraussetzungen zum pathologischen Einreißen des Anulus fibrosus und führen zur Sequestrierung (»Vorfallen«) des Nucleus pulposus. Eine Zunahme dieser degenerativen Vorgänge in der Bandscheibe mit Elastizitätsverlust führt zu einer Lockerung im entsprechenden Bewegungsapparat (Bandscheibe, Wirbelbänder und kleine Wirbelgelenke). Die stärksten Veränderungen an den Bandscheiben mit daraus resultierenden Krankheitserscheinungen finden sich im Bereich der mittleren und unteren Halswirbelsäule sowie im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule. Für die Entstehung eines Bandscheibenvorfalls spielt nicht nur die Druckbelastung des Nucleus pulposus eine Rolle, sondern auch die Beweglichkeit des Wirbelsäulenabschnitts. Im Bereich der Brustwirbelsäule, die durch die anhängenden Rippen wenig beweglich ist, kommen Bandscheibenvorfälle ausgesprochen selten vor. Solange der Anulus fibrosus noch intakt ist und das Gallertgewebe des Nucleus pulposus lediglich den Faser-
ring aus dem Zwischenwirbelraum hervordrückt, spricht man von einer Protrusion (Verlagerung). Von einem Prolaps (Vorfall) wird dann gesprochen, wenn Faserring und Längsband zerrissen sind und sich Bandscheibengewebe durch die Öffnung in den Wirbelkanal quetscht. Losgelöste Bandscheibenanteile, sog. Sequester, können durch die Lücke im Faserring in den Spinalkanal hineinrutschen und wirken dort raumfordernd wie eine intraspinale Geschwulst. Hinsichtlich der Entstehung von Bandscheibenvorfällen ist bekannt, dass der Körperbau des Patienten keine Rolle spielt, und dass Männer gegenüber Frauen mit 2/3 am Krankheitsgeschehen beteiligt sind. Bereits im Kindesalter (8–15 Jahre) sind klinisch manifeste Bandscheibenschäden bekannt, auch noch im 7. und 8. Dezennium mit einem Gipfel während der mittleren Lebensjahre (30– 50 Jahre). Welche Rolle allgemeine und berufliche Belastungen hinsichtlich der Entstehung, der Intensität und des zeitlichen Ablaufs spielen, ist unbekannt. Im Wesentlichen ist anzunehmen, dass es sich um ein anlagebedingtes Leiden handelt. Chronische Über- und Fehlbelastungen der Wirbelsäule vermögen dabei einen verschlimmernden Einfluss auszuüben. Einmalige erhebliche Gewalteinwirkung kann ebenfalls eine Verschlechterung des Grundprozesses herbeiführen, nur im Ausnahmefall hat sie eine lokale ursächliche Wirkung.
Lumbaler Bandscheibenschaden jKlinik
Die wesentlichsten klinischen Bilder sind im Folgenden dargestellt. Lumbago Meist blitzartig einschießender Kreuzschmerz, als Folge einer Bandscheibenverschiebung (»Hexenschuss«). Mit dem Schmerz kommt es zur Verspannung und Verkrampfung der paravertebralen Muskulatur (Muskelhartspann). Diese führen wiederum zu schmerzhaft fixierter Fehlhaltung der Lendenwirbelsäule mit weitgehender Bewegungseinschränkung. Eine Rumpfbeugung ist nicht oder kaum möglich. Durch Husten, Niesen und Pressen können die Schmerzen anfallartig verstärkt werden. Ischialgie, Lumboischialgie Liegt ein Bandscheibenvorfall mehr lateral, kommt es zu einer mechanischen Irritation der in dieser Höhe austretenden Nervenwurzeln. Der Schmerz strahlt entsprechend seinem Versorgungssegment ins Bein aus. Meist liegt gleichzeitig ein Rückenschmerz vor. Lediglich bei ganz weit lateral gelegenen Vorfällen kann dieser Rückenschmerz fehlen. Sonst ist die Lendenwirbelsäule meist schmerzhaft fixiert und zeigt eine Entlastungsskoliose zur gesunden Seite. Am häufigsten betroffen sind die Zwischenwirbelräume L 4/5 und L 5/S 1. Beim Vorfall der 4. Lendenwirbelbandscheibe
539 10.8 · Erkrankungen und Verletzungen des Rückenmarks, seiner Hüllen und der Wirbelsäule
(zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel) ist die 5. Lendenwurzel betroffen. Diese bildet zusammen mit der 2., 3. und 4. Lendenwurzel und der 1. Kreuzbeinwurzel den N. ischiadicus. Der Name Ischialgie besagt also, dass es innerhalb eines Teils des Versorgungsgebietes des N. ischiadicus, nämlich des Teils, der für die 5. Lendenwurzel zuständig ist, zu radikulären Schmerzen kommt. Der sensible Wurzelanteil versorgt ein Hautareal an der Außenseite des Beins bis zur Großzehe. Bei einer Schädigung wird in diesem Dermatom einmal der mechanische Wurzelreiz, die Schmerzen, lokalisiert, und zum anderen kann man in diesem Hautbereich eine Gefühlsstörung (Hypalgesie und/oder Hypästhesie) nachweisen. Eine motorische Wurzelläsion zeigt sich in einer Störung der Zehenhebung und der Fußhebung. Beim Vorfall der untersten, der 5. Lendenbandscheibe (zwischen dem letzten Lendenwirbel und dem Kreuzbein) wird die 1. Sakralwurzel geschädigt. Die Schmerzen strahlen mehr in die Hinterseite des Beins aus, über die Wade und Ferse bis zur Kleinzehe bzw. zum lateralen Fußrand. Entsprechend bestehen auch in diesem Bereich sensible Störungen. Der Reflexbogen für den Achillessehnenreflex läuft über die 1. Sakralwurzel, sodass der Reflexausfall auf eine Wurzelschädigung S 1 hinweist. Am Fuß werden die Zehensenkung und die Fußsenkung gestört, sodass der Zehengang behindert ist oder unmöglich wird. Wesentlich seltener kommt es zu einem Vorfall der 2. Lendenwirbelscheibe mit Schädigung der 3. Lendenwurzel oder zu einem Vorfall der 3. Lendenbandscheibe mit Beteiligung der 4. Wurzel. In letzterem Fall ist der Patellarsehnenreflex abgeschwächt oder fehlt, und motorisch ist vornehmlich der M. quadriceps betroffen. Die Schmerzausstrahlung erfolgt nur zur Vorderseite des Beins bis zum Schienbein ohne Fußbeteiligung. Verschwinden die Beinschmerzen bei bleibender Taubheit im entsprechenden Hautdermatom und bei einer kompletten Parese der entsprechenden Muskulatur, weist dies auf eine vollständige Leitungsunterbrechung der Wurzel hin. Eine sofortige Operation ist indiziert. Ein massiver medialer Bandscheibenvorfall oder ein sog. Massenprolaps kann zu einer Kompressionsschädigung der Cauda equina führen. Die Folgen sind ein kompletter oder ein partieller Ausfall aller unterhalb des Vorfalls gelegenen Nervenwurzeln mit schlaffen Lähmungen, sensiblen (Reithosensensibilitätsstörung) und vegetativen Störungen (Blasenentleerung, Defäkation, Potenz). Das Kaudasyndrom entspricht einer tiefen Querschnittlähmung und kann akut auftreten oder sich allmählich progredient oder intermittierend entwickeln. Es besteht eine absolute OP-Indikation. jDiagnostik
Die Diagnose eines Bandscheibenvorfalls stützt sich auf die typischen radikulären Schmerzen und auf die klinische
Untersuchung, die die entsprechenden Ausfallerscheinungen der betroffenen Nervenwurzel zeigen soll. Der Beweis des Prolapses ist durch das MRT zu erbringen. In Zweifelsfällen kann die elektromyographische Untersuchung hilfreich sein. Differenzialdiagnostisch ist in besonderer Weise darauf zu achten, dass nichtentzündliche Wirbelaffektionen oder andere tumoröse spinale Prozesse, Polyneuropathien oder auch entzündliche und tumoröse Prozesse der Beckengegend und der Hüftgelenke, die gelegentlich ähnliche Symptome bewirken können, vorliegen. jBehandlung der lumbalen Bandscheibenvorfälle Definition Konservative und operative Therapie müssen sich beim lumbalen Bandscheibenvorfall ergänzen.
Der »Teufelskreis« von Protrusion, Schmerz, Muskelverspannung und Haltungsanomalie muss durchbrochen werden. Dies kann durch Schmerzmittel, Bettruhe, Bestrahlung, Wärmeanwendung, Einreibung und Gymnastik erreicht werden. Außerdem kommen lokale Injektionen zur Anwendung (paravertebral, epidural, peridural) wie auch Moor- und Thermalbäder und z. T. komplizierte Entspannungslagerungen. Durch eine Beseitigung des Schmerzes, eine Förderung der Durchblutung und eine Entspannung der Muskulatur soll die Bandscheibe ihre normale Lage wieder einnehmen. Dies ist möglich, solange der Anulus fibrosus noch eine genügende Eigenelastizität besitzt und noch nicht völlig zerrissen ist. Chiropraktische Manipulationen sollen insbesondere der Rückführung des verschobenen Bandscheibengewebes dienen. Ist die Bandscheibe jedoch perforiert, sind konservative Maßnahmen wirkungslos. Die Indikation zur Operation eines lumbalen Bandscheibenvorfalls soll dann gestellt werden, wenn ein akutes, auch erstmaliges Wurzelkompressionssyndrom mit erheblichen neurologischen Ausfällen, wie Fußsenker-, Fußheberparesen, Oberschenkelstreckparesen, Gefühlsstörungen, einseitig, beidseitig oder kombiniert mit Blasen- und Mastdarmstörungen, als Kaudasyndrom auftreten. Diese akuten Wurzelkompressionssyndrome (. Abb. 10.40) mit mäßigen, aber typischen neurologischen Ausfällen, die mehrfach in kürzeren Abständen rezidivieren, bedürfen der unmittelbaren operativen Therapie. Bei der Operation wird nicht nur der sichtbare Vorfall entfernt, sondern auch zusätzlich das Innerste der Bandscheibe (der defekte Nucleus pulposus) soweit wie möglich ausgeräumt, um ein Rezidiv zu vermeiden. Andere operative Verfahren sind die perkutane Diskotomie, die Laserdiskotomie, die periradikuläre Therapie (PRT) oder die endoskopische Bandscheibenoperation.
10
540
Kapitel 10 · Neurochirurgie
. Abb. 10.41 Bauchlage auf Universaloperationslagerfläche 1150.30 mit Armlagerung in maximal 90° Abduktion. (Nach Krettek u. Aschemann 2005)
kInstrumentarium
. Abb. 10.40 Lumbale Diskushernie, die zwei Wurzeln komprimiert. (Nach Siewert 2007)
10 jBandscheibenoperation
Bei lumbalen Bandscheibenvorfällen ist der interlaminäre Zugang zur Bandscheibe die Methode der Wahl. Nur selten wird man sich zur Hemilaminektomie oder Laminektomie entschließen müssen. In der Regel werden die interlaminäre Fensterung und die Prolapsentfernung mikrochirurgisch durchgeführt. kIndikation
Diskusprolaps zwischen L 5/S 1 mit Ischialgie und Kompressionssyndrom S 1. Sitz des Prolapses ist entweder lateral, medial oder mediolateral. kPrinzip
Nach genauer Lokalisation des Vorfalls mit MRT, ggf. CT wird die Bandscheibe im Vorfallbereich inzidiert und der Gallertkern vollständig ausgeräumt und so die Spinalwurzel entlastet. Bei Anwendung der Cross-over-Technik, d. h. Freilegen des Wirbels in der Mitte, gelangt der Operateur auf beide Seiten. Dazu wird der Patient wie auch das Mikroskop vom Operateur weggekippt. Das minimiert das Weichteiltrauma. kLagerung
4 Bauchlage auf der Wilson-Bank (. Abb. 10.41) oder Seitenlage. 4 Außerhalb des OP-Gebiets sollte der Patient mit vorgewärmten Tüchern abgedeckt werden. 4 Beachtung des Strahlenschutzes.
4 Neurochirurgische Grundinstrumente für Laminektomie (7 Abschn. 10.2.3), 4 High-speed-Bohrmaschine mit Rosenbohrern und Diamantfräsen, 4 Standardzusatz, 4 Mikroinstrumentarium und Mikroskop oder Lupenbrille. Operation eines Bandscheibenvorfalls 7 Nach Höhenlokalisation mit Röntgenbildwandler wird ein medianer Hautschnitt über der Mitte zweier Dornfortsätze gelegt. Nach der Durchtrennung der Faszie entlang der Dornfortsätze mit dem Skalpell wird ein Wundspreizer eingesetzt und die Rückenmuskulatur mit dem Raspatorium an der Seite abgedrängt, auf dem der Vorfall diagnostiziert wurde. 7 Die medialen Muskelansätze werden durchtrennt. Die Blutstillung erfolgt mit der bipolaren Pinzette und durch Kompression. 7 Die beiden Wirbelbögen werden von der Basis der Dornfortsätze bis zum Zwischenwirbelgelenk dargestellt. 7 Nochmalige intraoperative Höhenkontrolle unter Durchleuchtung. 7 Evtl. muss durch das Abtragen von Anteilen der Wirbelbögen nach kranial und kaudal die Fensterung mit Stanzen erweitert werden, um die Übersicht zu verbessern. 7 Die Darstellung der Nervenwurzel und des Duraschlauchs erfolgt mit dem Mikroinstrumentarium und dem Mikroskop. 6
541 10.8 · Erkrankungen und Verletzungen des Rückenmarks, seiner Hüllen und der Wirbelsäule
Zervikaler Bandscheibenschaden 7 Vorsichtig wird die betroffene Nervenwurzel mit dem feuchten Wurzelhaken nach medial verlagert und der Prolaps bzw. der Sequester mit Nervenhaken und Dissektor dargestellt. 7 Der Sequester kann häufig in einem Stück mit der Tumorexstirpationszange entfernt werden. Liegt der Sequester subligamentär, wird das hintere Längsband mit feinem Skalpell inzidiert. 7 Meist wird in den Zwischenwirbelraum mit Tumorfasszangen und Löffeln eingegangen. Ziel ist es, alle verschlissenen, gelösten Anteile des Nucleus auszuräumen. 7 Nach einer Spülung mit NaCl, der sorgfältigen Blutstillung mit dem Bipolator, Hirnwatte und Hämostyptika werden die Faszie und die Haut genäht. Die Anlage des Verbandes beendet den Eingriff.
Der ehemalige Raum des Gallertkerns wird im Verlauf der Wundheilung zumeist bindegewebig ausgekleidet. Verglichen mit der spontan auftretenden Schädigung von Nerven und Kaudawurzeln bei abwartender Haltung sind die OP-Komplikationen gering. In weniger als 1% kommt es postoperativ zu einer blande verlaufenden, nicht bakteriellen Spondylitis, die u. a. einer längeren Ruhigstellung bedarf. Echte Rezidive an der bereits operierten Bandscheibe sind selten. Besonderes Gewicht ist auf die postoperativen Rehabilitierungsmaßnahmen zu legen. Es kommen v. a. krankengymnastische und Bäderbehandlung (Schwimmen und gezielte Bewegungsübungen) in Frage. Eine Schonzeit mit allmählich steigender Belastung ist einzuhalten.
Die klinischen Bilder bei zervikalen Bandscheibenvorfällen sind zahlreich. Vorbedingung für den zervikalen Vorfall ist, wie auch in anderen Abschnitten der Wirbelsäule, die Bandscheibendegeneration. Eine viel größere Rolle spielen jedoch im zervikalen Abschnitt die Halswirbelverletzungen (Schleudertrauma) durch die andersartig ablaufenden Bewegungsmechanismen. Je nach Höhenlokalisation, mechanischer Reizung oder Schädigung nervöser Strukturen (Wurzeln, Halsmark) und Gefäße (A. vertebralis) unterscheidet man die im Folgenden beschriebenen Bandscheibenschäden. Nacken-Hinterkopf-Schmerz (Zephalgie) Vornehmlich
sind dabei die oberen Halsbandscheiben (Zervikalwirbel, C) C 2/3 und besonders C 3/4 beteiligt. Die Nackenmuskulatur ist verspannt, Kopfbewegungen sind schmerzhaft eingeschränkt mit Druckschmerz der paravertebralen Muskulatur. Nacken-Arm-Schmerzen (Brachialgie) Verspannungen der
Nackenmuskulatur mit Bewegungseinschränkung des Kopfes und Zwangshaltung sind kombiniert mit einem Schulterschmerz oder einer Schmerzausstrahlung, auch Parästhesien in den Arm bis in die Finger. Dieses Krankheitsbild findet sich hauptsächlich bei Schädigungen der Bandscheibe C 5/6 und C 6/7. Vertebragener Schwindel Gleichgewichtsstörungen und
Schwindel sind Begleitsymptome eines zervikalen Bandscheibenschadens. Meist wird über uncharakteristische Schwindelsensationen geklagt oder reiner Drehschwindel bei bestimmten abrupten Kopfbewegungen oder besonderen Kopfhaltungen angegeben.
Extraforaminaler Bandscheibenvorfall Es handelt sich um einen Bandscheibenvorfall innerhalb und außerhalb des Nervenwurzelaustrittkanals aus dem Wirbelkanal. Seine operative Behandlung erfolgt über den oberen Gelenkfortsatz, der mit einem High-speed-Bohrer aufgefräst wird. Extraforaminale Bandscheibenvorfälle werden über einen transmuskulären Zugang erreicht.
Thorakaler Bandscheibenschaden Bandscheibenerkrankungen der Brustwirbelsäule sind nicht sehr häufig. Auch der gefürchtete Massenvorfall mit medullären Ausfällen bis hin zum Querschnitt ist außerordentlich selten. Er wird wie ein sonstiger raumfordernder Prozess des thorakalen Spinalraums diagnostiziert. Je nach Lage zum Rückenmark wird die Operation über eine dorsale Laminektomie mit partieller Rippenköpfchenresektion oder einen transthorakalen Zugang operiert.
Zervikale Myelopathie Oft handelt es sich um chronische
Formen der sog. diskogenen Myelopathie (Rückenmarkschädigung) mit langsam fortschreitenden Para- und Tetraparesen und Sensibilitätsstörungen. Eventuell – jedoch keineswegs ständig – kombiniert mit Nacken-, Hinterkopfoder Arm- sowie Schulter-Arm-Schmerzen. Störungen der Blasen- und Darmfunktionen können hinzukommen. Die Markschädigung ist entweder auf eine direkte mechanische Schädigung zurückzuführen oder auf eine Drosselung der Blutzufuhr über die vordere Spinalarterie. Vornehmlich ist die Bandscheibe C 5/6 geschädigt. Nicht selten sind mehrere Bandscheiben ursächlich verantwortlich. Bei einer zervikalen Myelopathie ist es notwendig, an weitere Erkrankungen zu denken, wie Halsmarktumoren, Fehlbildungen (basiläre Impression, Arnold-Chiari-Syndrom, Densanomalien), multiple Sklerose, amyotrophe Lateralsklerose oder Syringomyelie.
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542
Kapitel 10 · Neurochirurgie
jDiagnostik
Zur Sicherung der Diagnose eines zervikalen Bandscheibenvorfalls sind unbedingt erforderlich: 4 NMR oder 4 CT. Weitere Untersuchungen können die Diskographie oder manchmal noch das Myelo-CT sein. Die Darstellung der A. vertebralis dient im Wesentlichen dem Ausschluss zervikaler Gefäßtumoren. Die elektromyographische Untersuchung hat in der zervikalen Diagnostik eher größere Bedeutung als bei lumbalen Störungen. Sowohl in der Abgrenzung von Wurzelausfällen gegenüber anderen Schädigungsmöglichkeiten als auch in der Höhenlokalisation können wesentliche Informationen gewonnen werden. jTherapie
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Erfordern nicht unerträgliche Schmerzzustände oder massivere neurologische Ausfälle ein schnelles chirurgisches Handeln, so ist zunächst immer die konservative Behandlung angezeigt. Auch hier sind alle Maßnahmen darauf gerichtet, durch Schmerzlinderung, Auflockerung der Muskelverspannung und Beseitigung der Haltungsanomalien die mechanischen Schädigungen der Bandscheibenverlagerungen und sekundären Wirbelveränderungen zu beheben (Analgetika, lokale Wärmeanwendung, Bäder, Bettruhe, lokale Ruhigstellung durch Schanz-Krawatte, Extensionen, lokale Injektionen und chiropraktische und krankengymnastische Behandlungen). Führen diese Maßnahmen nicht zum Erfolg, muss die Frage der Operabilität geprüft werden. Bei medullären Störungen und Wurzelschädigungen ist die Operation immer angezeigt. jOperationsmethoden
Bei erheblichen osteochondrotischen Veränderungen in mehreren Bandscheibenhöhen hat nach wie vor die Laminektomie (Entfernung der entsprechenden Wirbelbögen) ihre Bedeutung (. Abb. 10.42). Dies gilt umso mehr, wenn gleichzeitig über mehrere Segmente ein enger Spinalkanal vorliegt und das Rückenmark von ventral und dorsal bedrängt wird. Bei der Laminektomie werden in den entsprechenden Höhen Wirbelbögen entfernt. Dies ist daher eine invasive operative Maßnahme, die nur unter strenger Indikation durchgeführt werden sollte. Die instrumentelle Vorbereitung entspricht der für eine Diskotomie. Für die seltene Laminektomie selbst sollte eine Knochenschneidezange (z. B. nach Liston) bereitliegen. Ein High-speed-Fräser erleichtert die Knochenarbeit wesentlich. Häufiger kommt die Foraminotomie (. Abb. 10.42) zur Anwendung. Hierbei wird die geschädigte Nervenwurzel dargestellt. Der Wurzelkanal wird mit einem Rosen-
. Abb. 10.42 Operative Zugänge zum zervikalen Rückenmark und zu den Nervenwurzeln. (Nach Siewert 2001)
bohransatz im High-speed-Bohrer aufgefräst, die Nervenwurzel wird so dekomprimiert. Von diesem Zugang gelingt es, lateral gelegene freiperforierte Bandscheibenvorfälle zu entfernen bzw. lateral gelegene Randosteophyten abzutragen. Diese Operation sollte immer dann durchgeführt werden, wenn sichere radikuläre Ausfälle vorliegen. Bei vorwiegend medial gelegenen Bandscheibenvorfällen oder osteochondrotischen Knochenveränderungen in einer oder allenfalls 2 Höhen, v. a. wenn der Wirbelkanal von vorn her eingeengt ist und entsprechend das Rückenmark von vorn bedrängt ist, wählt man den Zugang von ventral, die ventrale Fusionsoperation. Ein standardisiertes OP-Verfahren wurde 1956 von Ralf B. Cloward entwickelt. Zahlreiche Modifizierungen erfolgten in den nächsten Jahren. Meistens wird heute die von Caspar modifizierte OP-Technik angewandt. Der Zugang zur vorderen Halswirbelsäule erfolgt zwischen dem lateral gelegenen Gefäßbündel der A. carotis und V. jugularis einerseits und der medial gelegenen Trachea und dem Ösophagus andererseits. Nach Zurückdrängen der prävertebralen Muskulatur lässt sich dann der Zwischenwirbelraum darstellen. Die unter Bildwandlerkontrolle korrekt dargestellte erkrankte Bandscheibe wird ausgeräumt, freie Bandscheibensequester werden entfernt, knöcherne Randzacken abgefräst, bis die ventrale Dura vollständig freiliegt und sich in den Zwischenwirbelraum vorwölbt. Bei diesem OP-Verfahren ist es notwendig, die der Bandscheibe benachbarten Wirbel zur besseren Stabilität der Halswirbelsäule zu verblocken. Heute werden in den Zwischenwirbelraum zumeist Cages aus Titan oder PEEK (Poly-Äther-Äther-Keton; . Abb. 10.43) eingesetzt, die eine stabile Halswirbelsäule bereits nach kurzer Zeit gewährleisten. Verschiebungen
543 10.8 · Erkrankungen und Verletzungen des Rückenmarks, seiner Hüllen und der Wirbelsäule
. Abb. 10.43 Zwischenwirbelscheibe mit Setzinstrument (Cage). (Fa. Intromed)
dieser Cages sind eher selten. Bei längerstreckigen Dekompressionen sollte zur Stabilisierung zusätzlich ein ventrales Platten-Schrauben-System mitbenutzt werden. Operative Eingriffe an degenerativen Knochen können Instabilitäten hervorrufen, die mit Stabilisierungsmaßnahmen wie Osteosynthesen behandelt werden müssen (7 Kap. 3).
10.8.5
Spinalstenose
Im Rahmen von degenerativen Wirbelsäulenveränderungen kommt es an den kleinen Wirbelgelenken zu massiven knöchernen Verdickungen. Gleichzeitig quillt das Bandgewebe auf. Besonders betroffen ist das Lig. flavum. An den Zwischenwirbelgelenken können sich, ausgehend vom Synovialgewebe, Zysten bilden. Auch Bandscheibenvorwölbungen und knöcherne Randzacken sind häufig zu beobachten. Alle diese Veränderungen führen zu einer deutlichen Verengung des Querschnitts des knöchernen Spinalkanals. Nervale Strukturen wie Rückenmark oder Spinalnerven werden so komprimiert. Nicht selten entstehen Instabilitäten in Form von Wirbelkörperverschiebungen gegeneinander, sodass der Engpass zusätzlich verstärkt wird. Die Spinalstenosen treten am häufigsten im Lumbalbereich auf, sind jedoch auch im Zervikalbereich zu finden. Eine zervikale Spinalstenose ist gekennzeichnet durch eine zunehmende Gangunsicherheit, durch Störungen in der Feinmotorik und der Tiefensensibilität. In schweren Fällen sind starke Paresen und Sensibilitätsstörungen bis zur Querschnittlähmung zu verzeichnen. Schmerzen im HWS-Bereich und in den Armen sind nicht selten. Blasenstörungen treten auf. Bei den lumbalen Spinalstenosen steht die Schmerzsymptomatik im Vordergrund, v. a. lumbale Schmerzen, die oft in beide Beine einstrahlen. Sie verstärken sich unter Belastung, sodass die Patienten nur kurze Strecken schmerzfrei gehen können (Claudicatio nervosa). Wegen der heftigen Schmerzen müssen sie dann pausieren, um erneut eine kurze Strecke gehen zu können. Oft versagen oder kribbeln die Beine unter Belastung. Die Patienten sind in der Regel gut beweglich, ein Vornüberbeugen lindert die Schmerzen. Die Patienten berich-
ten, dass sie jedoch schmerzfrei Fahrrad fahren können. Bei höhergradigen Stenosen können auch Gefühlsstörungen und Paresen an der unteren Extremität auftreten. Seltener sind Blasen-Mastdarm-Störungen. Am häufigsten sind die Segmente L 3/4 und L 4/5 betroffen. Für die Diagnose der Spinalkanalstenose ist eine Kernspintomographie der entsprechenden Wirbelsäulenabschnitte zu fordern. Ergänzt werden kann die Diagnostik durch Funktionsaufnahmen und Computertomographie der Wirbelsäule. Eine zervikale Spinalkanalstenose wird dann operiert, wenn die oben genannten Störungen auftreten und der MRT-Befund entsprechend ist. Wird der Spinalkanal der HWS vorwiegend von dorsal eingeengt, kann er über eine Laminotomie oder Laminektomie entlastet werden. Ist die Enge durch mediale Verknöcherungen und Bandscheibenprotrusionen bedingt, werden die Bandscheibe und die knöchernen Randzacken von ventral her entfernt und das Segment mit einem entsprechenden Implantat versteift. Die Indikation zur Operation einer Lumbalstenose wird meist wegen einer radikulären Schmerzsymptomatik (Claudicatio nervosa) gestellt, die die Lebensqualität der Patienten erheblich beeinträchtigt.
Therapie kPrinzip
Ziele der Operation sind die Dekompression und Entlastung des Duraschlauches und der Nervenwurzeln. Die Lendenwirbelsäule wird an der Seite freigelegt, an der der Patient die meisten Schmerzen angibt oder an der die gravierendsten radiologischen Veränderungen zu erkennen sind. Nach Darstellung des verdickten Zwischenwirbelgelenks und der Halbbögen der Lendenwirbel des betroffenen Segments wird mit einem High-speed-Bohrer die verdickte Knochensubstanz entfernt. Das verdickte gelbe Band wird dann sichtbar und schrittweise reseziert. Das verdickte Bandgewebe kann mit der Dura verklebt sein, sodass bei der Entfernung des Bandgewebes darauf geachtet werden muss, dass keine Duraverletzung entsteht. Dann wird der Patient vom Operateur weggekippt. Mit dem Operationsmikroskop ist es jetzt möglich, über die Mittellinie zur Gegenseite zu sehen. Das degenerative Bandgewebe wird über die Mittellinie bis zur Gegenseite hin reseziert. Auch die knöchernen Veränderungen am Zwischenwirbelgelenk auf der Gegenseite werden reseziert oder weggefräst. Der Duraschlauch, der am Anfang der Operation einen deutlichen Knick oder eine deutliche Falte zeigt, verläuft nach der Dekompression wieder glatt und spannungsfrei. Manchmal erfordert eine Instabilität im operierten Segment eine zusätzliche Stabilisierung durch ein Schrauben-Stab-System und durch die Einlage von Cages in den zuvor ausgeräumten Bandscheibenraum.
10
544
Kapitel 10 · Neurochirurgie
10.8.6
Wirbelkörperkompressionsfrakturen A. Gudat
Zur Reposition von Wirbelkompressionsfrakturen ist die Ballonkyphoplastie sinnvoll. Ein Ballonkatheter (z. B. Fa. Kyphon) dient zur Kompaktierung von Spongiosa und Reposition von Wirbelkörperfrakturen. Der Ballonkatheter wird im Knochen positioniert und unter Kontrolle aufgedehnt. Wenn der Ballon sich aufweitet, wird der Knochen verschoben, bis die Anatomie wiederhergestellt ist.
Kyphoplastie kPrinzip
Die Kyphoplastie ist eine minimal-invasive Methode zur Behandlung schmerzhafter und die Mobilität einschränkender Wirbelkörperbrüche. Der eingebrochene Wirbel wird durch Einspritzung eines speziellen Knochenzements wieder aufgerichtet. Es werden 2 Verfahren unterschieden: 4 Vertebroplastie:
10
Prophylaktische Knochenzementstabilisierung von osteoporotischen Wirbelkörpern ohne Ballonaufrichtung. 4 Kyphoplastie:
Knochenzementstabilisierung von frischen osteoporotisch bedingten Wirbelkörperfrakturen (1–4 Wochen alt) oder prophylaktisch bei drohenden osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen mit Ballonaufrichtung. kIndikation
Versorgung von Wirbelkörperkompressionsfrakturen mit folgenden Ursachen: 4 primäre und sekundäre Osteoporose, 4 Knochenmetastasen, 4 multiples Myelom. kLagerung
4 Bauchlage, mit Unterstützung der Lordose durch Unterpolsterung im Thorax- und Beckenbereich des Patienten, auf einem Durchleuchtungstisch. 4 Arme werden ausgelagert; bei Versorgung im hochthorakalen Bereich Arme anlegen (Schulterblätter werden dadurch abgesenkt). 4 Einhalten der Dekubitusprophylaxe. 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. 4 Bildwandler (falls möglich 2 C-Bögen). 4 Strahlenschutz für den Patienten und das Personal. kAbdeckung
4 Gemäß Abteilungsstandard. 4 Es sind lange Tücher zu verwenden, damit der C-Bogen bei Positionsveränderungen während des Eingriffes von der a.-p.-Richtung nach lateral steril bleibt.
kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium, Hammer, Flachzange, Kontrastmittel, steriler Hautstift, Stichskalpell, Spezialinstrumentarium für Ballonkyphoplastie je nach Firma (z. B. Fa. Kyphon). Kyphoplastie 7 Einrichten des oder der C-Bögen in strenger achsengerechten a.-p.- und lateraler Einstellung des betroffenen Wirbelkörpers. 7 Desinfektion und sterile Abdeckung des OP-Gebiets. 7 Markierung der Eintrittspunkte unter Röntgenkontrolle mit sterilem Hautstift. 7 Der Zugang erfolgt in der LWS transpedikulär, in der oberen BWS extrapedikulär. 7 Nach Festlegung der Eintrittspunkte erfolgt eine Stichinzision, durch diese wird die Biopsienadel in den Wirbelkörper unter ständiger Röntgenkontrolle eingebracht. Hierbei ist häufig ein Hammer erforderlich. 7 Ist die korrekte Lage erreicht, wird das Stilett der Nadel entfernt und ein stumpfer Kirschner-Draht in die Kanüle und weiter in den Wirbelkörper eingeführt. 7 Anschließend Entfernung der Biopsienadel und Einbringen des Arbeitstrokars mit Obturator über den K-Draht in Seldinger-Technik. 7 Gleiches Vorgehen auf der gegenüberliegenden Seite. 7 Entfernung des Obturators und Einbringen der beiden mit Kontrastmittel gefüllten Ballonkatheter in den Wirbelkörper. 7 Füllen beider Ballons unter Beachtung des Druckund Volumenlimits (beide sind an der Druckspritze der Ballonkatheter abzulesen). 7 Ist das Repositionsergebnis erreicht, wird der Zement vorbereitet: Zuerst wird die Flüssigkeit, dann das Pulver in den Zementmixer gegeben und solange vermischt, bis sich eine gleichmäßige, dünne Flüssigkeit gebildet hat. 7 Dann wird der Zement in die Applikatoren gespritzt (ein Applikator hat ein Fassungsvermögen von 1,5 cm3). 7 Ist die richtige Konsistenz des Zements erreicht (ca. 4–6 min Wartezeit nach dem Anrühren), können beide Ballonkatheter entfernt werden. 6
545 10.9 · Schädigung peripherer Nerven
7 Die gefüllten Applikatoren werden simultan über beide Arbeitstrokare in den Wirbelkörper gebracht und der Zement unter Verwendung eines Stößels in den Wirbelkörper appliziert. 7 Nach korrekter Auffüllung der entstandenen Höhle im Wirbelkörper ca. 10 min warten, bis der Zement vollständig ausgehärtet ist. 7 Alle beschriebenen Arbeitsschritte erfolgen unter ständiger Röntgenkontrolle in 2 Ebenen. 7 Entfernung der Arbeitstrokare. 7 Hautverschluss und Verband.
10.8.7
. Tab. 10.6 Einteilung der Paresen nach Mumenthaler und Schliak Grad
Kennzeichen
0
Keine Muskelaktivität Völlige Plegie
1
Sichtbare Muskelkontraktion ohne Bewegungseffekt
2
Aktive Bewegung mit Hilfestellung
3
Aktive Bewegung entgegen der Schwerkraft
4
Aktive Bewegung gegen Widerstand
5
Normale Muskelkraft
Spinale Verletzungen
10.9
M. Liehn, M. Brunken, M. Weißflog
Periphere Nerven sind meist gemischte Nerven, d. h. sie enthalten motorische und sensible Fasern. Infolgedessen werden Ausfälle peripherer Nerven sich immer in sensiblen und motorischen Ausfällen zeigen. Sensible Störungen machen sich als Minder-, z. T. auch als Missempfindung im Hauptversorgungsgebiet des betroffenen Nervs bemerkbar. Die Störungen von Empfindung, Schmerz, Temperatur, Tastsinn können vollständig oder teilweise sein. Motorische Ausfälle bei Schädigung peripherer Nerven zeigen sich durch schlaffe Paresen (Schädigung des 2. Neurons) im Gegensatz zu spastischen Lähmungen bei Schäden im Rückenmarkbereich (Schädigung des 1. Neurons). Die Schwere der Parese wird entsprechend der Muskelkraft in Schweregrade eingeteilt (. Tab. 10.6). Schädigungen peripherer Nerven betreffen neben den sensiblen und motorischen die vegetativen Fasern. Deshalb kann es zu Störungen der Durchblutung und der Trophik (Ernährung) im Versorgungsgebiet des Nervs kommen. Die klinische Diagnostik peripherer Nervenschädigung beruht auf der neurologischen Untersuchung mit Feststellung motorischer, sensibler und vegetativer Ausfälle. Dazu kommen die Elektromyographie und die Elektroneurographie.
Je nach der Ursache der Verletzung, die durch die Art der Gewalteinwirkung bedingt ist, unterscheidet man verschiedene Verletzungsformen: 4 Meist durch direkte Gewalt verursacht ist die Wirbelsäulenprellung, die Distorsion. Die dadurch ausgelösten Beschwerden und Funktionsstörungen klingen vielfach schnell ab und bedürfen keiner speziellen Therapie. 4 Durch ein Hyperflexionstrauma entsteht der klassische Wirbelkörperbruch, überwiegend im Bereich der Brustwirbelsäule, seltener auch im Bereich der Lendenwirbelsäule. Die Wirbelbögen und die Wirbelgelenke sind nicht beteiligt. Diese Wirbelkörperbrüche können mit oder ohne Bandscheibenverletzung einhergehen. 4 Bei der ausgeprägtesten Form der Wirbelsäulenverletzung kommt es, neben der immer vorhandenen Wirbelkörperfraktur, sowohl zu einer Mitbeteiligung der Bogen- und Gelenkfortsätze als auch der benachbarten Bänder und Muskeln. 4 Die folgenschwersten Wirbelsäulenverletzungen stellen die Luxationsbrüche dar; hierbei kommt es neben der Frakturierung zu Verrenkungen und Verschiebungen unterschiedlichen Ausmaßes in verschiedene Richtungen. Diese Fälle sind meist kombiniert mit einer Schädigung des Rückenmarks oder der Nervenwurzeln. 4 Wirbelluxationen ohne Fraktur finden sich fast ausschließlich im Bereich der Halswirbelsäule. Die Wirbelkörper und Gelenkfortsätze werden dabei aus ihren Verbindungen mit den benachbarten Wirbeln gerissen. Diese Luxationen sind von einer Bandscheibenzerreißung begleitet. In vielen Krankenhäusern werden die spinalen Verletzungen zusammen mit den Unfallchirurgen behandelt (7 Kap. 3).
10.9.1
Schädigung peripherer Nerven
Traumatische Schädigungen
Die häufigste Ursache für ein neurochirurgisches Eingreifen ist die traumatische Schädigung. Definition Unter einer traumatischen Schädigung werden alle von außen auf den Nerv einwirkenden Kräfte verstanden, die eine mechanische, physikalische oder direkte Schädigung hervorrufen, z. B. Arbeits- und Verkehrsunfälle mit vollständiger oder unvollständiger Durchtrennung eines Nervs.
10
546
Kapitel 10 · Neurochirurgie
Teildurchtrennung von Nerven kann zu Neurombildung
führen. Als therapeutische Maßnahmen sind dann die interfaszikuläre Neurolyse und die Neuromentfernung mit gleichzeitiger Nervennaht (s. unten) angezeigt. Eine totale Nervendurchtrennung führt zum vollständigen Ausfall der sensiblen, motorischen und vegetativen Versorgung im Ausbreitungsgebiet des durchtrennten Nervs. Der Erfolg einer notwendigen Nervennaht (s. unten) hängt entscheidend von verschiedenen Faktoren ab. Die Reinnervation des distalen Abschnitts und der zugehörigen Muskulatur ist zeitlich begrenzt. Sind die Wundverhältnisse frisch und ohne Verschmutzung, sind günstige Verhältnisse für eine Nervennaht gegeben. Zerstörende Umbauprozesse beginnen schon kurz nach der Verletzung nicht nur im distalen, sondern auch im proximal der Verletzungsstelle gelegenen Nervenabschnitt. Dies sind: 4 Distaler Abschnitt → Untergang von Achsenzylinder und Markscheide der Nervenfaser. 4 Proximaler Abschnitt → Neurombildung.
10
Jenseits des ersten Jahres nach der Verletzung ist eine erfolgreiche Nervennaht nur noch in 25% gegeben. Die Wachstumsgeschwindigkeit des proximalen Axons, z. B. nach einer Nervennaht, ist unterschiedlich und beträgt ca. 1 mm/Tag. Zu den traumatischen Schädigungen gehören auch 4 iatrogene Einwirkungen, wie z. B. Injektionsschäden, unsachgemäße OP-Lagerungen, Radialislähmung nach Frakturreposition, fehlerhafte Gipspolsterung. 4 Im weiteren Sinne auch chronische Druckläsionen.
Therapie Die Therapie besteht in der offenen oder endoskopischen Durchtrennung des Lig. carpi transversum (7 Abschn. 3.7).
Skalenussyndrom An der Stelle, an der der Plexus brachialis durch die Lücke zwischen den Mm. scaleni und der I. Rippe tritt, kann er infolge einer Einengung dieser Lücke, häufig durch eine Halsrippe, irritiert sein. Therapie Wenn die konservative Therapie nicht zum Erfolg führt, kann der M. scalenus anterior an seinem Ansatz an der I. Rippe durchtrennt und ggf. die Halsrippe entfernt werden.
Supinatortunnelsyndrom Der N. radialis kann am proximalen Ende des Unterarms in dem Bereich, wo er durch den M. supinator hindurchtritt, teils durch narbige Veränderungen, teils durch Tumoren (Lipome) geschädigt werden. Therapie Die operative Therapie besteht in einer Teil-
durchtrennung des M. supinator oberhalb des N. radialis profundus (7 Abschn. 3.7).
Tarsaltunnelsyndrom Durch eine Kompression des N. tibialis im Bereich des Innenknöchels kommt es zu einem Engpasssyndrom, das zu einer Gefühlsstörung am lateralen Fußrand führt, sowie zu distalen Tibialisparesen mit Krallenzehenstellung. Therapie Die Therapie besteht in der Spaltung des Retinakulums der Mm. flexorum (Lig. laciniatum).
10.9.2
Schädigung aufgrund degenerativer Veränderungen 10.9.3
Ulnarisrinnensyndrom Schädigung des N. ulnaris im Bereich des Ellbogens, der dort besonders oberflächlich und somit schädigungsanfällig in einer Knochenrinne (»Musikantenknochen«) liegt. Therapie Es besteht die Möglichkeit einer operativen Vorverlagerung des Nervs in die Ellenbeuge (7 Abschn. 3.7, Handchirurgie).
Karpaltunnelsyndrom Schädigung des N. medianus im Handgelenk unterhalb des Lig. carpi transversum. Dieses Syndrom ist charakterisiert durch typische Schmerzen im Ausbreitungsbereich des Nervs an der Hand, die meist nachts auftreten. Des Weiteren sind sensible Störungen im Versorgungsgebiet und Atrophie des Daumenballens typisch.
Tumoren des peripheren Nervensystems
Bei diesen Tumoren müssen diejenigen, die von außen auf den Nerv einwirken, von den echten Nerventumoren abgegrenzt werden. Tumoren, die von außen einwirken, sind v. a. Metastasen, das Boeck-Sarkoid, Lymphdrüsentumoren, Lipome, Zysten, Fibrome und Ganglien. Zu den eigentlichen Nerventumoren gehören: 4 mesodermale Geschwülste: Fibrome, Fibrosarkome, Hämangiosarkome; 4 neuroektodermale Geschwülste: Neurinome, Neurofibrome, Neurofibromatosis Recklinghausen, Glomustumoren.
547 10.9 · Schädigung peripherer Nerven
10.9.4
Operative Eingriffe an peripheren Nerven
Neurolyse Bei der Neurolyse wird ein Nerv aus seiner Umgebung gelöst. Dieser Eingriff wird v. a. bei indirekten Schädigungen peripherer Nerven durchgeführt. Unter der interfaszikulären Neurolyse versteht man die Freipräparierung der einzelnen Nervenfaserbündel. Sie wird angewendet, wenn es zu Narbenbildung im Epineurium gekommen ist.
Nervennaht Ist es zu einer vollständigen Durchtrennung des Nervs gekommen, ist die Nervennaht zur Kontinuitätswiederherstellung und zur Aussprossung proximaler Nervenfasern nach distal hin notwendig. Wichtig ist, dass die Verbindung der beiden Nervenenden spannungsfrei erfolgt. Dazu ist meist ein autologes Nerventransplantat, z. B. des N. suralis (Wadennerv), erforderlich. Die Vereinigung der verschiedenen Nervenstücke erfolgt unter dem OP-Mikroskop (7 Abschn. 10.2.4 und 7 Abschn. 10.2.5).
10
11
Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie M. Liehn, G. Nehse
11.1 Besonderheiten der Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie 11.2 Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
– 552
11.3 Frakturen und ihre Versorgung
– 555
11.4 Tumor- und rekonstruktive Chirurgie 11.5 Weichteilchirurgie des Gesichtes 11.6 Mikrochirurgie
– 559
– 560
– 560
11.7 Chirurgische Kieferorthopädie
– 561
M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_11, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
– 550
550
Kapitel 11 · Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie
11.1
Besonderheiten der Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie
Die Mund-Kiefer-Gesichts- (MKG-)Chirurgie ist ein eigenständiges Fachgebiet innerhalb der Chirurgie. Gerade Operationen im Gesichtsbereich sind unter funktionellen und kosmetischen Aspekten sehr anspruchsvoll. Das vielfältige Spektrum der Chirurgie wird hier auf kleinstem Raum angewandt. Weichteilchirurgie, Traumatologie, Fehlbildungschirurgie, Tumorchirurgie wie auch Mikrochirurgie und die plastisch-/rekonstruktive Chirurgie sind Teildisziplinen. Darüber hinaus müssen auch die häufig auftretenden Weichteil- und Knochenentzündungen fachspezifisch therapiert werden. Die dentoalveoläre Chirurgie nimmt im Klinikbetrieb einen relativ kleinen Platz ein, sollte aber auf jeden Fall erwähnt werden. Im Folgenden werden nur die gängigsten Operationen beschrieben (Zahnchirurgie ausgenommen). Die Prinzipien, die in den anderen Fachgebieten bereits besprochen wurden, wiederholen sich hier, sodass sie nicht ausführlich behandelt werden.
11.1.1
11
Aufgaben der Operationspflegekraft
Die Aufgaben und Anforderungen an die OP-Pflegekraft/ OTA sind im Fachgebiet der MKG-Chirurgie sehr vielfältig. Das OP-Personal benötigt Kenntnisse des umfangreichen Instrumentariums und dessen Bedeutung sowie Kenntnisse der Prinzipien der Allgemeinchirurgie, Gefäßchirurgie, Traumatologie und der Neurochirurgie. Auch die besonderen Aspekte der Mikrochirurgie müssen berücksichtigt werden (7 Kap. 10). Die Abdeckungssystematik ist schwierig, da Kopf- und Gesichtsbereich mit den endotrachealen Tuben problematisch abzudecken sind. Die Kopfbehaarung sollte dabei separat abgedeckt werden. Allen Anforderungen der Asepsis gerecht zu werden, ist eine Selbstverständlichkeit, aber gerade bei kombinierten intraund extraoralen Operationen sehr schwer zu erreichen.
11.1.2
Instrumentarium
Neben den schon bekannten Grundinstrumentarien werden in der MKG-Chirurgie Spezialinstrumente benötigt. Häufig sind die Instrumente aus der Allgemeinchirurgie, der Traumatologie oder der Gefäßchirurgie bekannt; z. T. sind sie, dem ästhetischen Aspekt Rechnung tragend, kleiner und zarter.
Intraorale Instrumente Um in der Mundhöhle problemlos arbeiten zu können, müssen selbsthaltende Sperrer bereitgelegt werden, die
entweder seitlich oder von frontal so eingesetzt werden, dass sie gleichzeitig den Mund offen halten und die Zunge herabdrücken. Der Denhart-Mundsperrer (. Abb. 11.1) wird seitlich in den geöffneten Mund eingeführt, mit seinen Branchen auf jeweils einen Backenzahn gesetzt und langsam aufgesperrt. Der Mundsperrer nach Roser-König, der ebenfalls seitlich einzusetzen ist (. Abb. 11.2) hat den Nachteil, dass er häufig abrutscht. Es fehlen seitliche Kanten an den Branchen, die ein Weggleiten des Sperrers verhindern könnten. In der Praxis wird der Sperrer deshalb häufig mit 2 Gummiröhrchen überzogen. ! Beim Einsatz der Mundsperrer dürfen keine Zahnschäden provoziert werden.
Ein Mundsperrer, der es erlaubt, am Gaumen und am Rachen zu arbeiten, ist z. B. der Mundsperrer nach KilnerDoughty (. Abb. 11.3). Er hat auswechselbare, unterschiedlich große Spatel, die individuell für den Patienten ausgesucht werden können. Die Rinne in der Valve erlaubt die Platzierung und die Fixation des Tubus nach oraler Intubation. Zu den schon bekannten Haken, wie z. B. nach Langenbeck, gibt es hier die speziellen Modelle, die die Zunge isoliert weghalten können, z. B. der Zungendrücker nach Tobold (. Abb. 11.4). Wegen seiner quer geriefelten Auflagefläche verrutscht er auf der feuchten Zunge nicht so schnell. Außerdem gibt es gerade Zungenspatel (. Abb. 11.5), die aber intraoperativ ungünstig sind, da sie durch die fehlende Biegung die Sicht auf das OP-Feld behindern. Für eine kurze Inspektion des Situs sind sie hervorragend geeignet. Die Zunge muss bei operativen Eingriffen fixiert werden, indem entweder eine dicke Haltenaht durch die Zungenspitze gezogen und vom Assistenten gehalten oder die Zungenfasszange nach Collin (. Abb. 11.6) eingesetzt wird.
Traumatologie Das Grundinstrumentarium wird im Wesentlichen in 7 Kap. 3 vorgestellt. Hierzu gehören Osteosynthesematerialien und das entsprechende Instrumentarium zur Frakturversorgung. Das Raspatorium nach Obwegeser (. Abb. 11.7) ist ein wichtiges Instrument. Aufgrund seiner Biegung kann der Unterkiefer problemlos von seinem Periost befreit werden. Die Unterkieferplatten entsprechen in etwa der Größe des bekannten Kleinfragmentinstrumentariums (7 Kap. 3). Die Osteosyntheseplatten im Oberkiefer, Mittelgesicht oder Stirnbereich werden wegen ihrer Größe als Minioder Mikroplatten bezeichnet. Die Schrauben haben in der Regel ein selbstschneidendes Gewinde. Die Implantate sind ausschließlich aus Titan oder Vitallium hergestellt. Solange sie keine Beschwerden bereiten, können sie im Körper verbleiben. Eine neue Eröffnung der Gesichtsnarben kann dadurch häufig vermieden werden.
551 11.1 · Besonderheiten der Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie
11.1
11.2
11.4
11.3
11.5 . Abb. 11.1 Mundsperrer nach Denhart. (Fa. Martin) . Abb. 11.2 Mundsperrer nach Roser-König. (Fa. Martin) . Abb. 11.3 Mundsperrer nach Kilner-Doughty. (Fa. Martin)
11.6
. Abb. 11.4 Zungendrücker nach Tobold. (Fa. Martin) . Abb. 11.5 Gerader Zungenspatel. (Fa. Martin) . Abb. 11.6 Zungenfasszange nach Collin. (Fa. Martin)
11
552
Kapitel 11 · Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie
11.7
11.8
11.9
. Abb. 11.7 Raspatorium nach Obwegeser. (Fa. Martin) . Abb. 11.8 Transbukkale Bohrhülse mit Schraubendreher. (Fa. Mondeal)
. Abb. 11.9 Tamponstopfer nach Luniatschek. (Fa. Martin)
In der Unterkiefertraumatologie setzt sich der operationstechnisch schwierigere, aber ästhetisch günstigere, intraorale Zugangsweg durch. Mit einer speziellen Zielbohrhülse als Gewebeschutz (. Abb. 11.8) können der Spiralbohrer durch die Wange dem Unterkiefer aufgesetzt, die Bohrlöcher angelegt und die Osteosyntheseschrauben eingedreht werden. In geeigneten Fällen kann durch die Verwendung eines 90°-Winkelbohrers und Schraubendrehers auf die transbukkale Bohrhülse verzichtet werden. Des Weiteren kommen in der MKG-Chirurgie alle Instrumente für Drahtnähte bzw. Cerclagen (Flachzange, Drahtschneider, Drahtschere etc. (7 Kap. 3) zur Anwendung. Im Besonderen wird hier der kieferorthopädische Tamponstopfer nach Luniatschek (. Abb. 11.9) erwähnt. Durch seine gespaltene Spitze kann er verhindern, dass ein Draht auf einer kleinen Kante abrutscht, bevor er durch Anspannung endgültig fixiert werden kann. Funktionelle und ästhetische Aspekte sind in der Gesichtschirurgie oberstes Gebot. Das bedeutet, dass Instrumentarium und verwendetes Nahtmaterial atraumatisch und fein sein müssen, um Korrekturoperationen zu vermeiden.
Knochensegmente oder ganze Kieferabschnitte mobilisiert, verschoben und in der korrigierten Position mit Osteosynthesematerialien (7 Kap. 3) stabilisiert. Zu einer Osteotomie benötigt man gerade oder gebogene Osteotome in verschiedenen Breiten. In Kombination mit einem Metallhammer können sie zum Durchtrennen eines Knochens, z. B. des Unterkiefers, benutzt werden, sofern nicht die Situation die Durchtrennung mittels einer oszillierenden Säge erfordert.
11
11.2
Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
Eine der häufigsten angeborenen Fehlbildungen ist die Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte (LKG-Spalte). Die chirurgische Versorgung findet möglichst frühzeitig im Säuglings- oder Kindesalter statt, und die Koordinierung der weiterführenden Therapie liegt in der Verantwortung der MKG-Chirurgen.
11.2.1
Ätiologie
Chirurgische Kieferorthopädie Fehlentwicklungen oder Deformitäten der Kieferbasen mit gestörter Okklusion (z. B. Progenie) können durch Umstellungsosteotomien operativ korrigiert werden. Nach Osteotomien im Unter- und/oder Oberkiefer werden einzelne
Die LKG-Spalten haben, ebenso wie die isolierten Spaltbildungen, eine multifaktorielle Genese. Die angeborenen Spalten können in vielfältigen Formen in Erscheinung treten (. Abb. 11.10):
553 11.2 · Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
. Abb. 11.10 Varianten der LKG-Spalten
4 Die isolierte Lippenspalte kann vollständig (Lippenrot und Lippenweiß) sowie unvollständig (häufig nur Einkerbungen im Rot-Weiß-Bereich) auftreten; sie kann einseitig oder zweiseitig sein. 4 Ein seltenes Krankheitsbild stellen die Lippen-KieferSpalten dar. Hier reicht der Spalt bis in den Alveolarfortsatz des Oberkiefers hinein. 4 Die isolierte Gaumenspalte betrifft den weichen Gaumen, kann aber auf den harten Gaumen übergreifen. 4 Die häufigste Variante der Spaltbildungen ist die vollständige LKG-Spalte, die ebenso wie die Lippenspalte ein- oder doppelseitig auftreten kann. Sie reicht von der Lippe weiter durch den Kiefer und durch den gesamten Gaumen.
11.2.2
Klinik
Die Neugeborenen sind durch ihre Fehlbildung erheblich behindert. Die Nahrungsaufnahme durch Saugen ist wegen der Spalte zur Nase nicht möglich. Unbehandelt ist die
spätere Sprechentwicklung gestört. Auffällig bei den Kindern mit Gaumenspalten ist die näselnde Sprache (Rhinolalia aperta). Diese Kinder leiden oft unter Mittelohrentzündungen mit Ergussbildung, denn die funktionelle Tubenbelüftung fehlt.
11.2.3
Therapie
Die Rehabilitation erfordert eine interdisziplinäre Behandlung von MKG-Chirurgen, Kieferorthopäden, HNOÄrzten und Logopäden. Die operative Therapie beinhaltet den funktionellen und plastisch-rekonstruktiven Verschluss der Spalten. Kieferorthopädisch wird durch die Anpassung einer Kunststoffabdeckplatte an den Gaumen erreicht, dass die Zunge aus der Spalte herausgehalten, die Nahrungsaufnahme verbessert wird und der Kieferbogen sich günstiger ausbilden kann. Später muss die Zahnstellung korrigiert werden. Wichtig ist die Kontrolle der Ohrenfunktion durch HNOUntersuchungen. Bei Entwicklungen von Otitiden und
11
554
Kapitel 11 · Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie
Ergüssen sind die Parazentese und/oder die Einlage von Paukenröhrchen nötig (7 Abschn. 12.5.12). Die logopädische Behandlung unterstützt die Sprechentwicklung. Je nach Bedarf muss eine psychologische Mitbehandlung erwogen werden. Ein speziell aufgestellter Therapieplan sorgt dafür, dass das betroffene Kind frühzeitig rehabilitiert wird; hierbei wird jedoch der optimale Verschlusszeitpunkt in den verschiedenen Spaltzentren kontrovers diskutiert. Im Folgenden wird ein erster Einblick in die sehr komplexe und schwierige Spaltchirurgie gegeben.
11.2.4
4 Stift zum Anzeichnen der genauen Schnittführung, 4 Lineal oder Zirkel zum präzisen Abmessen der Gewebelängen, 4 feines Grundinstrumentarium (Adson-Pinzetten, Wittenstein-Schere, kleine Einzinkerhaken etc.), 4 bipolare Pinzette zur Blutstillung, 4 bei Bedarf ein Diamantmesser, 4 OP-Mikroskop mit Bezug, 4 Mikroinstrumente, 4 Bei Bedarf Bereitstellung einer (angewärmten) Lupenbrille, 4 körperwarme Spülflüssigkeiten.
Operation einer Lippenspalte
kIndikation
Verschluss einer Lippenspalte
Einseitige Lippenspalte.
7 Nach dem Vermessen der Spalte und der Dokumentation der Maße wird die genaue Schnittführung eingezeichnet und ggf. fotografiert. Mit einem spitzen kleinen Skalpell oder dem Diamantmesser wird der Hautschnitt vorgenommen. 7 Die Präparation der Muskulatur erfolgt mit einer feinen Schere, bei Bedarf mit einer Lupenbrille oder unter dem OP-Mikroskop. Jede Schicht wird neu angeordnet und einzeln mit sehr feinem atraumatischem Nahtmaterial verschlossen. Ein Foto zur Dokumentation bildet den Abschluss der Operation (. Abb. 11.11). 7 Entscheidend sind eine symmetrische Oberlippenlänge und eine korrekte Rekonstruktion der Muskulatur, die durch verschiedene Schnittführungen erreicht werden. 7 Dominierend sind hier Winkelschnittführungen oder Wellenschnitte (nach Pfeifer).
kPrinzip
Anatomische und funktionelle Rekonstruktion der gespaltenen und fehlinserierten Muskulatur mit Bildung des vorderen Nasenbodens und symmetrischem Verschluss der Lippe innerhalb der ersten 6 Lebensmonate.
11
kInstrumentarium
kLagerung
4 Auf einer Wärmematte in Rückenlage; der Kopf wird in einem Gelring (Kinderkopfgröße) gelagert, die kleine neutrale Elektrode wird an einem Oberschenkel platziert, sofern monopolar gearbeitet wird. In der Regel wird die bipolare Blutstillung Anwendung finden. 4 Das Kind wird zusätzlich in Alufolie gewickelt oder mit Wärmedecken abgedeckt, um ein Auskühlen des Körpers zu verhindern. 4 Das Hautdesinfektionsmittel kann angewärmt werden, um weitere kalte Einflüsse zu vermeiden.
. Abb. 11.11a–c Lippenplastik nach Tennison/Randall. a Aufgezeichnete Schnittführung mit dreieckigem Austauschlappen im late-
ralen Lippenstumpf. b Aufpräparierte Spalte mit erkennbarem Austauschprinzip. c Schichtweiser Wundverschluss. (Nach Siewert 2006)
555 11.3 · Frakturen und ihre Versorgung
11.2.5
Verschluss des weichen und des harten Gaumens
Voraussetzung für eine regelrechte Sprechentwicklung ist ein geschlossener harter und weicher Gaumen. Beim Weichgaumenverschluss wird die fehlinserierte Muskulatur gelöst und funktionell vereinigt, damit bei bestimmten Lautbildungen ein velopharyngealer Verschluss erreicht werden kann. Beim Hartgaumenverschluss wird durch die Verschiebung der nasalen und oralen Schleimhaut die Spalte zweischichtig verschlossen (. Abb. 11.12). Gelegentlich müssen zu einem späteren Zeitpunkt sprechverbessernde Operationen angeschlossen werden. Bei den Gaumenplastiken sind Mundsperrer, die gleichzeitig die Zunge mundbodenwärts drücken, obligater Bestandteil des Instrumentariums.
11.2.6
Osteoplastik der Kieferspalte
Einige Spaltzentren verschließen mit der Lippe gleichzeitig auch die Kieferspalte (primäre Osteoplastik im Alter von ca. 6 Monaten), andere machen den Verschluss vom Zeitpunkt der 2. Dentition (7.–10. Lebensjahr) abhängig. Der Kieferdefekt wird mit autologer Spongiosa (Beckenkamm), vereinzelt auch mit Rippen- oder Schädelknochen aufgefüllt, damit kieferorthopädisch ein harmonischer Zahnbogen im Oberkiefer eingestellt werden kann.
11.2.7
Korrekturoperationen
Häufig sind im Erwachsenenalter noch abschließende Korrekturoperationen, z. B. an der Lippe, an der Nase oder auch am Gaumen, sinnvoll. Die Nase kann nach dem Abschluss des Wachstums bei Bedarf aufgerichtet oder eine bestehende Asymmetrie beseitigt werden.
11.3
Frakturen und ihre Versorgung
Die MKG-Chirurgie versorgt sämtliche Frakturen des Unterkiefers und des Gesichtsschädels. Insbesondere Kombinations- oder Mehrfragmentfrakturen stellen schwere Verletzungen dar und bedürfen in der Regel einer primären Therapie. Im Kiefer- und Gesichtsbereich gelten ebenfalls die allgemeinen Regeln der Traumatologie (7 Kap. 3).
11.3.1
Diagnostik
Nach stumpfer Gewalteinwirkung weisen starke Hämatome oder Sensibilitätsstörungen auf eine evtl. vorhandene
. Abb. 11.12a, b Brückenlappenplastik nach Langenbeck/Ernst/ Veau/Axhausen. a Die Brückenlappen sind umschnitten und mobilisiert. Die nasale Schicht ist unter Verwendung der Vomerschleimhaut im Bereich beider Nasengänge gebildet. b Die Brückenlappen sind nach medial verlagert und bilden die orale Schicht. Die seitlichen Entlastungsschnitte sind im Hamulusgebiet locker austamponiert. (Nach Siewert 2006)
Fraktur hin. Eine Schwellung im Augenbereich kann gelegentlich so stark sein, dass die Lider sich nicht mehr öffnen lassen und eine klinische Untersuchung der Augen nicht mehr möglich ist. Eine wichtige Untersuchung ist die Überprüfung der Okklusion, da Störungen beim Zusammenbiss den Verdacht einer Fraktur im Ober- und Unterkiefer nahe legen. Gleichzeitig werden die Kiefer auf eine abnorme Beweglichkeit überprüft. Obligat sind immer fachspezifische Röntgenund/oder CT-Aufnahmen in mindestens 2 Ebenen. Der Bruch eines bezahnten Kiefers mit Beteiligung eines Zahnes gilt immer als offene Fraktur. Dies gilt auch, wenn von außen kein Zugang zum Bruchspalt erkennbar ist, da die Fraktur durch die Zahnalveolen, im Mittelgesicht zusätzlich durch das dünne Periost im Nasenbereich, mit der Mundoder Nasenhöhle in Verbindung steht. Deshalb sollten Patienten mit diesen Frakturen antibiotisch abgedeckt werden.
11
556
Kapitel 11 · Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie
11.3.2
Unterkieferfrakturen
Etwa 50% aller Frakturen im Gesichtsbereich betreffen den Unterkiefer. Sie haben naturgemäß unterschiedliche Lokalisationen: im Gelenkbereich, im Kieferwinkel, häufig mit Beteiligung des Weisheitszahnes, im Bereich des horizontalen Unterkieferastes, am Kinn. Sie tritt als alleinige Fraktur oder als Kombinationsverletzung auf. Oberstes Behandlungsziel ist die primäre knöcherne Bruchheilung mit Wiederherstellung einer ungestörten Funktion. Die Voraussetzung hierfür ist die absolute Ruhigstellung der Knochenfragmente, die nach konservativen oder operativen Prinzipien erfolgen kann. Die Therapie ist somit vom Verletzungsmuster, vom Dislokationsgrad der Knochenfragmente und vom Zahnstatus des Patienten abhängig. Aufgrund der Weiterentwicklung von Osteosyntheseverfahren und des eingesetzten Instrumentariums rückt die konservative Frakturbehandlung immer mehr in den Hintergrund.
Versorgung von Unterkieferfrakturen
. Abb. 11.13 Zahntragender Schienenverband
. Abb. 11.14 Drahtbogenschiene am Unterkiefermodell
kIndikation
11
Nicht oder gering dislozierte Unterkieferfraktur ohne Mitbeteiligung des Collums (Gelenkfortsatz). kPrinzip
Konservative Therapie: Ruhigstellung einer Unterkieferfraktur durch Einbinden zahntragender Schienenverbände (. Abb. 11.13) im Ober- und Unterkiefer und konsekutiver intermaxillärer Fixation durch Gummi- oder Drahtschlingen (IMF). Voraussetzung dafür sind ausreichend bezahnte Kiefer. Diese Schienen werden an den Kiefer angepasst und mit Drahtligaturen an den Zähnen fixiert (. Abb. 11.14). Um einen sicheren Sitz zu garantieren und Weichteilverletzungen zu vermeiden, wird die Schiene nach der Fixation mit einer Kunststoffschicht bedeckt. Um eine optimale Okklusion zu erreichen, erfolgt eine intermaxilläre Fixation mit Gummischlingen, die den Oberkiefer mit dem Unterkiefer verbinden und die Fragmente in ihre ursprüngliche Position bzw. Okklusion ziehen. Anschließend werden die Gummischlingen durch Drahtligaturen ersetzt. Hierdurch wird eine ausreichende Ruhigstellung des Unterkiefers erreicht und abhängig vom Alter des Patienten für 4–6 Wochen belassen. Dies gilt nicht für Gelenkfortsatzfrakturen (Kollumfrakturen), die einer speziellen Therapie bedürfen. kLagerung
4 Bei intubierten Patienten Rückenlage, bei Patienten mit Lokalanästhesie halbsitzende Position (im Zahnarztbehandlungsstuhl).
4 Da dieser Eingriff nicht unter sterilen Kautelen erfolgen kann, ist eine großflächige Desinfektion und Abdeckung des Patienten nicht erforderlich. 4 Da jedoch mit Kunststoff gearbeitet wird, muss der Patient mit einem wasserundurchlässigen Tuch geschützt werden. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Wangenhalter, Langenbeck-Haken, Zungenspatel, 2 Drahtbogenschienen, die mit Quersprossen und evtl. Ösen versehen sind, Drahtcerclagedrähte (ca. 0,3–0,4 mm), Seitenschneider, Flachzange, Spitzzange, Drahtschere, Tamponstopfer nach Luniatschek, Draht- oder Gummischlingen zur IMF, Anrührspatel, Kunststoff, 2 Dappengläser zum Anrühren des Kunststoffes, 5-ml-Spritze. Sauger.
557 11.3 · Frakturen und ihre Versorgung
Konservative Versorgung einer Unterkieferfraktur 7 Der Patient wird zum Schutz vor der Kunststoffanrührflüssigkeit mit einem wasserundurchlässigen Tuch abgedeckt. 7 Die Sprossenschienen werden derart vorgebogen, dass sie an der Außenfläche der Zähne, oberhalb des Paradontiums, zu liegen kommen (labial und bukkal). Die Quersprossen, die zur Schneidezahnkante zeigen, werden so umgebogen, dass sie auf der Kaufläche der Zähne liegen und die Schiene nicht mehr verrutschen kann. 7 Mit 1 oder 2 Luniatschek-Tamponstopfern wird die Schiene in ihrer Position gehalten und mit einzeln um die Zähne gelegten Cerclagedrähten am ganzen Kiefer fixiert. Die verzwirbelten Drahtenden werden mit der Drahtschere abgeschnitten, mit der Spitzzange umgebogen und der Zahnfläche angelegt. In einem Dappenglas (kleines Anrührglas) wird der Kunststoff angerührt, in eine Einmalspritze gefüllt und langsam auf die Schiene mit den Drahtenden appliziert. Nach Aushärtung ist der Draht eingehüllt. So erhöht der Kunststoff die Sitzfestigkeit der Schiene und schützt die Weichteile vor Verletzungen durch die spitzen Drähte. Die auf der Kaufläche liegenden Sprossen werden abgeschnitten. 7 Nach der Säuberung der Mundhöhle wird noch einmal Speichel abgesaugt. Dann erfolgt die intermaxilläre Fixation temporär mit Gummischlingen oder sofort mit Drahtligaturen.
11.3.3
Unterkieferosteosynthese
Voraussetzung für eine Unterkieferosteosynthese ist immer eine dentale Schienung mit intermaxillärer Fixation zur optimalen Einstellung der Okklusion. Bei zahnlosen Patienten können vorhandene Prothesen eine Okklusionshilfe sein. Nach einer exakten Reposition der Fragmente erfolgt eine Kompressionsplattenosteosynthese nach geltenden Traumatologiekriterien (7 Kap. 3.3.2). Die Osteosynthese erfolgt vorzugsweise von intraoral, gelegentlich ist ein extraoraler Zugang notwendig. Je nach Lokalisation muss das transbukkale Instrumentarium zur Anwendung kommen. Damit eine funktionsstabile Osteosynthese erreicht werden kann, sind Kleinfragmentplatten nötig; gelegentlich ist eine Zugschraubenosteosynthese ausreichend (7 Kap. 3). Die Osteosynthese wird nach dem Prinzip der interfragmentären Kompression (DCP-Prinzip) durchgeführt (7 Kap. 3.5.5). Nachdem die Fraktur dargestellt und reponiert wurde, wird die ausgesuchte Platte so an den
Knochen angepasst, dass bei der Kompression keine Fragmentdislokationen oder Verschiebungen auftreten können. Die Platte wird mit Knochenhalte- bzw. Repositionszangen passager fixiert und die Schraubenlöcher werden mit bikortikal fassenden Schrauben besetzt (zuerst die Kompressionslöcher am Bruchspalt, dann die neutralen Rundlöcher bruchspaltfern). ! Wichtig ist, dass dabei weder der N. alveolaris inferior (III. Trigeminusast) noch die Zahnwurzeln beschädigt werden. Der Vorteil besteht darin, dass keine längerfristige intermaxilläre Fixation notwendig ist.
Die Miniplattenosteosynthese wurde für Frakturen des Mittelgesichtes entwickelt. Sie wird jedoch immer häufiger auch am Unterkiefer angewendet. Die Schrauben werden nur monokortikal platziert.
11.3.4
Frakturen des Mittelgesichtes
Zum Mittelgesicht zählen alle Knochen des Gesichtsschädels mit Ausnahme des Unterkiefers. Die verschiedenen Frakturen des Gesichtsschädels wurden von René Le Fort (Chirurg, Lille, 1869–1951) im Jahr 1901 in 3 typische, nach ihm benannte Frakturlinien unterteilt (. Abb. 11.15 und . Tab. 11.1).
Diagnostik Die Röntgenuntersuchung ist obligat (eine Nasen-Nebenhöhlen-Aufnahme, NNH; eine Orbitaübersicht und eine axiale Schädelaufnahme). Die Kieferhöhlen sind durch eine Einblutung meist verschattet. Eine weiterführende Diagnostik bietet die Computertomographie. Klinisch kann meist eine abnorme Beweglichkeit des Oberkiefers getastet werden. Bei zusätzlicher Beteiligung der Schädelbasis kann gelegentlich eine Liquorrhö, bei der Liquor über die Nase austritt, festgestellt werden. Grundsätzlich müssen die Augen bezüglich der Sehkraft und der Bulbusmobilität untersucht werden. Bei Ver-
. Tab. 11.1 Einteilung der Frakturen des Gesichtsschädels nach Le Fort Le Fort-Grad
Kennzeichen
Le Fort I
Basale Absprengung des Oberkiefers
Le Fort II
Absprengung des gesamten Oberkiefers mit der knöchernen Nase
Le Fort III
Absprengung des gesamten knöchernen Mittelgesichtes
11
558
Kapitel 11 · Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie
. Abb. 11.15 Le Fort-Einteilung der Mittelgesichtsfrakturen. a Le Fort I, b Le Fort II, c Le Fort III. (Nach Boenninghaus u. Lenarz 2001)
dacht auf eine Visusverminderung oder eine Bulbusverletzung muss eine augenärztliche Untersuchung erfolgen.
Therapie
11
Die Reposition der Gesichtsknochen und die Fixation des Repositionsergebnisses stehen auch hier an erster Stelle. Vorher müssen der Ober- und der Unterkiefer geschient und die individuell regelrecht eingestellte Okklusion über eine IMF während der Operation gesichert werden. Die Miniplattenosteosynthese ist das Mittel der Wahl, um eine optimale Frakturversorgung mit regelrechter Okklusion zu erreichen. Wenn der Zustand des Patienten eine zeitaufwändige Miniplattenosteosynthese nicht zulässt, kann durch eine kraniofaziale oder zygomatikomaxilläre Aufhängung eine ausreichende Stabilität erreicht werden. Hierbei wird nach einer Oberkiefer-Unterkiefer-Schienung mit intermaxillärer Fixation der Oberkiefer durch eine Drahtnaht am nächstgelegenen stabilen Gesichtsknochen aufgehängt. Dies ist meist ist der Jochbogen oder das Os frontale.
11.3.5
. Abb. 11.16 Reposition einer Jochbeinfraktur mit einem Einzinkerhaken (A), intermaxilläre Fixation (B), Miniplattenosteosynthese am Unterkiefer (C)
Jochbeinfraktur/Jochbogenfraktur
In einem Viertel aller Mittelgesichtsfrakturen ist das Jochbein betroffen. Die üblichen Frakturzeichen wie Krepitation und Beweglichkeit fehlen hier oft. Dafür findet sich häufig eine Stufe am Infraorbitalrand und eine Sensibilitätsstörung durch Läsion des N. infraorbitalis. Durch eine NNH lässt sich die Diagnose bestätigen. ! Da bei einer Jochbeinfraktur der Orbitaboden immer mitbeteiligt ist, muss eine Augenuntersuchung stattfinden. Neben einem direkten Bulbustrauma stehen hier Augenbewegungsstörungen und Diplopien (Doppelbilder) im Vordergrund.
Die Versorgung besteht in einer Reposition mit einem starken Einzinkerhaken (. Abb. 11.16) und in der Fixation des Repositionsergebnisses mit Miniplatten. Der Hautschnitt sollte dann an der lateralen Seite der Augenbraue liegen, da dieser kosmetisch kaum sichtbar ist. Bei einer Revision des Orbitabodens liegt der Hautschnitt im Unterlid. Über diesen Zugang bietet sich eine gute Übersicht über den Orbitarand und auf den Orbitaboden. Darüber hinaus können auch Schnittführungen unterhalb der Lidkante (subziliar) oder transkonjuktival gewählt werden. Bei Defektfrakturen des Orbitabodens ist eine Rekonstruktion notwendig, damit der Orbitainhalt nicht in die Kieferhöhle absackt oder Augenmuskeln in
559 11.4 · Tumor- und rekonstruktive Chirurgie
11.4
. Abb. 11.17a, b Orbitabodendefektfraktur mit in die Kieferhöhle disloziertem Orbitagewebe einschließlich einzelner Frakturfragmente sowie Anteilen des M. rectus inferior (a). Kaudalverlagerung des Bulbus mit Abweichung der optischen Achse. b Orbitabodenrekonstruktion mit autogenem Knorpel oder Polydioxanon-Folie nach Reposition des Orbitaweichgewebes sowie teilweiser Entfernung dislozierter Orbitabodenbruchstücke. Dadurch wird die korrekte Busbuslage erreicht. (Nach Siewert 2006)
ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Hierzu eignen sich resorbierbare Kunststofffolien in verschiedenen Stärken (. Abb. 11.17). Bei frischen isolierten Frakturen des Jochbogens findet sich klinisch eine Einziehung über dem Jochbogen; gelegentlich zeigt sich zusätzlich eine mechanische Kieferklemme. Auch hier sind die NNH-Aufnahme sowie eine Übersicht des axialen Schädels für die Diagnose unentbehrlich. Als Therapie genügt häufig die perkutane Einzinkerreposition, bei der nur eine kleine Stichinzision für den Repositionshaken gemacht wird. Eine Fixation ist dann nicht nötig.
Tumor- und rekonstruktive Chirurgie
Einen breiten Raum nimmt die operative Versorgung von Neoplasien der Mundhöhle und der vorderen zwei Drittel der Zunge sowie der Gesichtshaut ein. Bei allen intraoralen Karzinomen ist die Resektion im ausreichenden Sicherheitsabstand zusammen mit der partiellen (suprahyoidalen) oder kompletten Halsausräumung (»neck dissection«) obligat. Bei einer Primärlokalisation des Tumors in Knochennähe oder bei Infiltration der Kiefer müssen Kontinuitätsdefekte gesetzt werden. Bei allen Tumoroperationen entstehen somit beträchtliche Defekte mit funktionellen Beeinträchtigungen, die insbesondere die Sprache und die Nahrungsaufnahme betreffen. Defektdeckungen mit gestielten Fernlappen oder mit mikrovaskulär anastomosierten körpereigenen Transplantaten können funktionelle Behinderungen minimieren. Sichere gestielte Fernlappen werden aus dem M. pectoralis oder dem M. latissimus dorsi gebildet (Myokutanlappen, Muskel-Haut-Lappen). Beide Myokutanlappen können selbstverständlich auch mikrovaskulär anastomosiert werden. Bei einem freien Gewebelappen haben darüber hinaus Unterarm-, Oberarm-, Skapula- und Paraskapulalappen ihre Bedeutung. Der beste Schleimhautersatz wird durch ein Jejunumtransplantat gewährleistet; hierbei kann die Dünndarmschlinge zeitgleich zur Tumorresektion interdisziplinär durch Chirurgen gehoben werden. Bei Unterkieferdefekten kann die knöcherne Rekonstruktion durch mikrovaskulär anastomosierte Knochenspäne vom Beckenkamm, der Fibula oder vom Skapularand erfolgen, die mit oder ohne bedeckende Haut transplantiert werden. Der Knochen wird an beiden Seiten mit den aus der Traumatologie bekannten Osteosyntheseplatten fixiert. Zu einem späteren Zeitpunkt können auch enorale Implantate zur Verbesserung der Prothesenfähigkeit in die Knochentransplantate eingesetzt werden. Ist eine primäre Rekonstruktion nicht möglich, wird der Knochendefekt mit stabilen Rekonstruktionsplatten überbrückt. Bei plastisch-/rekonstruktiven Eingriffen im Kopf- und im Halsbereich müssen die funktionellen und ästhetischen Besonderheiten im sichtbaren Bereich bei der OP-Planung und -Durchführung berücksichtigt werden. Speziell bei Operationen an den Augenlidern, im Bereich der Orbita, an der Nase oder den Ohrmuscheln werden hohe Anforderungen gestellt, um Fehlfunktionen und ästhetische Beeinträchtigungen zu vermeiden. Im Rahmen der wiederherstellenden Chirurgie stehen Hauttransplantate (Spalthaut, Vollhaut), regionäre Lappenplastiken (Verschiebeplastik, Rotationsplastik, Transpositionsplastik, Dehnungslappenplastik, Insellappenplastik) oder Fernlappenplastiken zur Verfügung. Die unterschiedlichen Indikationen müssen dem jeweiligen Krankheitsbild angepasst werden.
11
560
Kapitel 11 · Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie
11.5
Weichteilchirurgie des Gesichtes
Weichteilverletzungen im Gesicht sind ein gesonderter Bereich und werden anders versorgt als Weichteilverletzungen in der Allgemeinchirurgie. So gelten zwar alle bekannten Regeln der Wundversorgung (7 Abschn. 1.10.3). Die Wundrandexzision jedoch, die sog. Anfrischung, darf im Gesichtsbereich, wenn überhaupt, nur sehr sparsam erfolgen. Das gilt insbesondere an den Augenbrauen, den Lidern und der Nase, da dort besonders leicht Defekte entstehen können. Wunden müssen mit dünnem, atraumatischem Nahtmaterial versorgt werden. Die exakte Adaptation der Wundränder ist Grundvoraussetzung für ein gutes kosmetisches Ergebnis. Häufig muss die Versorgung mikrochirurgisch erfolgen, z. B. bei Nerv- oder Gefäßverletzungen. Die Blutstillung im Gesicht sollte möglichst mit dem bipolaren Hochfrequenz- (HF-)Gerät und einer feinen Pinzette vorgenommen werden. kIndikation
Weichteilverletzung. kPrinzip
11
Säuberung und Inspektion der Wunde, optimale schichtweise Vernähung der Weichteile, ggf. interfaszikuläre Nervennaht unter dem OP-Mikroskop (Tetanusschutz klären). kLagerung
4 Rückenlage, ggf. halbsitzende Position. 4 Bei Bedarf neutrale Elektrode am Oberarm. 4 Bei erwarteter Nervrekonstruktion durch ein Interponat, z. B. mit N. suralis, wird ein Unterschenkel rasiert, leicht abgespreizt, desinfiziert und gesondert abgedeckt.
7 Die Verletzung wird eingehend inspiziert. Wenn nötig wird sie mit einer NaCl-, PVP- oder mit Wasserstoffperoxidlösung weiter gesäubert und/oder mit einer sterilen Bürste von festen kleinen Fremdkörpern befreit. In der Wunde dürfen vor der endgültigen Versorgung keine Fremdkörper mehr zu finden sein. (Wichtig ist die Suche nach Glassplittern!) Schmutzreste führen nach der Verheilung zu Verfärbungen der Narbe, die dann erneut korrigiert werden muss. 7 Die Wundrandexzision beschränkt sich auf zerquetschtes und eindeutig nekrotisches Gewebe. Es folgt die sorgfältige Adaptation der Weichteile nach einer bipolaren Blutstillung. 7 Die einzelnen Schichten werden anatomisch korrekt aneinander genäht. Stufen und Verziehungen müssen vermieden werden. 7 Um die Haut nicht noch mehr zu traumatisieren, wird mit atraumatischen Pinzetten gearbeitet und so oft wie möglich das Subkutangewebe, nicht die Epidermis, gefasst. 7 Bei Bedarf muss in einer 2. Operation eine plastische Rekonstruktion vorgenommen werden. 7 Bei ausgedehnten kombinierten Weichteil- und Knochenverletzungen muss der Weichteildefekt oft plastisch gedeckt werden. Dafür kommen gestielte Nah-, Fern- oder mikrovaskulär anastomosierte Myokutanlappen oder Osteomyokutanlappen in Frage (7 Abschn. 11.4). 7 Bei Nervenverletzungen wird eine mikrochirurgische Rekonstruktion mit oder ohne Nervinterponat notwendig (7 Abschn. 11.6).
kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4
Feines Weichteilinstrumentarium, dünnes, ungefärbtes Nahtmaterial, monofiles Nahtmaterial zur Nervmarkierung, OP-Mikroskopbezug, Mikroinstrumentarium, ein Nervstimulationsgerät (7 Kap. 2). Versorgung einer Weichteilverletzung im Gesicht 7 Nach der Desinfektion des Gesichtes und ggf. des Unterschenkels werden als erstes der behaarte Kopf und danach der Körper des Patienten abgedeckt. Je nach Intubation (oral oder nasal) wird der Tubus nach der Desinfektion abgedeckt oder mit einer sterilen Folie überklebt. 6
11.6
Mikrochirurgie
Operationen unter dem Mikroskop sind nur mit speziellem Instrumentarium möglich. Diese Instrumente bedürfen einer besonderen Behandlung, damit sie funktionsfähig bleiben. Sie dürfen auf keinen Fall an einen harten Gegenstand stoßen, da ihre Spitze sofort verbiegen würde. Deshalb müssen sie auf dem Instrumententisch auf industriell gefertigten Gummiunterlagen liegen. Das Instrumentarium muss immer von Blut gereinigt angereicht werden, damit der Operateur unter dem Mikroskop die Instrumentenspitzen erkennen kann. Diese Reinigung darf nur mit fusselfreien Tüchern erfolgen. Die Mikronadelhalter haben zum großen Teil keine Arretierung. Zwischen Operateur und instrumentierender Pflegekraft wird abgesprochen, ob die Nadel-Faden-Kombination eingespannt angereicht wird oder ob zuerst der Nadelhalter und dann der Faden
561 11.7 · Chirurgische Kieferorthopädie
in seiner geöffneten Verpackung angegeben werden, damit der Operateur den Faden unter dem Mikroskop selbst fassen kann. Die Instrumente werden ohne den sonst wünschenswerten kleinen Druck angereicht. ! Besonders wichtig ist, dass alle Instrumente von der Pflegekraft nach Gebrauch wieder abgenommen werden, damit der Operateur nicht vom Situs wegschauen oder die Instrumente »blind« auf den Instrumentiertisch legen muss. Dabei könnten die Instrumente Schaden nehmen.
Werden Instrumente auf dem Patienten abgelegt, durchstoßen sie dabei evtl. mit ihren Spitzen die Abdeckung. Während der Operation sollte das instrumentierende Personal über ein Zweitokular (Spion) oder über einen Monitor die Operation verfolgen können, um situationsgerecht instrumentieren zu können. Es gelten alle Kriterien der Mikrochirurgie, die in 7 Kap. 10 besprochen wurden. Nach dem Ende der Operation wird das gebrauchte Instrumentarium fixiert in gesonderten Containern zur Aufbereitung in die ZSVA gegeben. Jedes Instrument muss in einer Halterung fixiert sein, damit es nicht beim Transport mit anderen Instrumenten des Instrumentensiebes kollidiert.
11.6.1
Nervrekonstruktion
Die beiden Nervenden werden unter dem Mikroskop mit 2 Pinzetten aufgesucht, und es wird entschieden, inwieweit die Nervläsion einer Versorgung bedarf. Bei einer vollständigen Durchtrennung werden beide Enden über eine kurze Strecke mit Schere und Pinzette freipräpariert. Sollte eine spannungsfreie Reanastomosierung ohne Interposition möglich sein, wird eine End-zu-End-Naht angelegt, d. h. die einzelnen Faszikel werden wieder miteinander verbunden, nachdem das Epineurium an beiden Enden angefrischt bzw. reseziert wurde. Ist eine sofortige Anastomosierung nicht möglich, werden beide Nervenden mit einem monofilen Faden markiert und im umgebenden Gewebe fixiert, damit sie in einer 2. Operation gefunden werden und sich nicht weiter kontrahieren können. Ist eine autologe Interposition möglich, wird die Wunde vorübergehend mit einem feuchten Tuch abgedeckt und z. B. aus dem vorbereiteten Unterschenkel ein Transplantat des N. suralis (möglich ist auch ein Stück des N. auricularis magnus) entnommen. Das Interponat wird an beiden Enden von seinem Epineurium befreit und dann End-zu-End zwischengeschaltet. Benötigt wird sehr feines (6–0/10–0) monofiles Nahtmaterial mit runder Nadel.
11.7
Chirurgische Kieferorthopädie
Fehlstellungen oder Deformitäten der Kieferkörper manifestieren sich in Bissanomalien und können zu funktionellen Störungen der Kiefergelenkrelation führen. Neben der klinischen Analyse werden durch Auswertung einer seitlichen Fernröntgenaufnahme des Schädels die Stellungsanomalien der Kieferbasen in Bezug auf die Schädelbasis berechnet und die chirurgische Therapie bestimmt. Durch Osteotomien im Ober- oder/und Unterkiefer können die Kieferfragmente in die regelrechte Position verschoben und mit Osteosyntheseplatten und/ oder Schrauben fixiert werden. Eine begleitende konservative kieferorthopädische Behandlung ist unumgänglich. Abschließend wird erwähnt, dass Abszesse, dentogene Entzündungen der Kieferhöhlen und Erkrankungen der Kopfspeicheldrüsen (Glandula submandibularis, Glandula parotis) einen großen Raum in der MKG-Chirurgie einnehmen.
11
12
Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie M. Liehn, T. Grundmann, A. Paul
12.1 Grundlagen der Anatomie
– 564
12.2 Diagnostisches Instrumentarium 12.3 Operationsinstrumentarium
– 565
– 566
12.4 Aufgaben der Operationspflegekraft 12.5 Hals-Nasen-Ohren-Operationen
– 568
– 572
M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_12, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
564
Kapitel 12 · Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie
12.1
Grundlagen der Anatomie
12.1.1
Hals
Der M. sternocleidomastoideus grenzt das vordere Halsdreieck vom seitlichen ab, nach oben ist die Halsregion durch den M. digastricus begrenzt, nach unten durch den M. omohyoideus. Als Halseingeweide bezeichnet man das Zungenbein, den Kehlkopf, die Trachea, die Schilddrüse, einige Speicheldrüsen, den Rachen und den oberen Teil des Ösophagus. Diesen Organen liegen seitlich die V. jugularis und die A. carotis mit dem N. vagus an. Eine oberflächliche Halsfaszie bedeckt die Mm. stenocleidomastoidei und die Mm. trapezii. Im vorderen Bereich des Halses befindet sich das Platysma, eine Hautmuskelplatte in der Subkutis. Der Nerven-Gefäß-Strang, bestehend aus dem N. vagus, der A. carotis communis und der V. jugularis interna, ist eingehüllt in Bindegewebe. Er liegt im Halsbereich unter dem M. sternocleidomastoideus.
12.1.2
. Abb. 12.1 Kehlkopf: Knorpelgerüst, Membranen, äußere Muskulatur, Zungenbein. (Nach Boenninghaus u. Lenarz 2007)
Lymphabflüsse
Eine zentrale Region des Lymphabflusses am Hals ist der »Venenwinkel«. Hier mündet die V. facialis in die V. jugularis interna ein.
12 12.1.3
Rachen
Der Rachen wird in die folgenden 3 Abschnitte eingeteilt: 4 Nasopharynx (Nasen-Rachen-Raum), 4 Oropharynx (mittlerer Rachenraum), 4 Hypopharynx (unterste Schlundgegend). Der mittlere Oropharynx beherbergt u. a. die paarig angelegten Gaumenmandeln (Tonsillen). Sie zählen zu den Lymphorganen und befinden sich rechts und links des Rachenraumes. Ihren bindegewebigen Kapseln liegen Fasern des M. constrictor pharyngis an. Die Rachenmandel im Nasopharynx dagegen ist unpaarig und befindet sich am Rachendach hinter den Nasengängen. Wird sie zu groß, v. a. bei Kleinkindern, behindert sie die Nasenatmung sowie die Belüftung des Mittelohrs durch die Ohrtrompete und muss entfernt werden. Die Tuba auditiva Eustachii (Ohrtrompete) verbindet den Nasenrachen mit dem Mittelohr. Sie kann deshalb den Druckausgleich bei Höhenveränderungen bewirken. Der Hypopharynx beginnt hinter den Stellknorpeln und endet an der Einmündung in den Ösophagus.
. Abb. 12.2 Einblick in das Kehlkopfinnere. (Aus Boenninghaus 2001)
12.1.4
Kehlkopf
Der Kehlkopf liegt etwa in Höhe des 5. Halswirbels, beim Mann etwas tiefer als bei der Frau. Der Kehlkopf wird aus Schildknorpel und Ringknorpel gebildet und sitzt der Trachea auf (. Abb. 12.1). Das Zungenbein liegt oberhalb und ist mit einer Membran am Schildknorpel fixiert. Die beiden Stimmbänder ziehen rechts und links von den Stellknorpeln aus zur Vorderkante des Schildknorpels. Der Raum zwischen den Stimmbändern wird als Stimmritze bezeichnet. Die nervale Versorgung des Larynx übernehmen der N. laryngeus inferior (genannt N. recurrens, der u. a. die Stimmbandinnervation übernimmt) und der N. laryngeus superior; beide sind Äste des N. vagus. Der Kehldeckel (Epiglottis) verschließt bei Reizen reflektorisch den Kehlkopfeingang. Beim Schlucken drückt die Zunge die Epiglottis nach unten (. Abb. 12.2).
565 12.2 · Diagnostisches Instrumentarium
12.1.5
Nase
Die äußere Nase besteht aus einem knorpeligen und einem köchernen Anteil. Das knöcherne Nasenbein ist paarig angelegt und schließt seitlich an den Oberkiefer und nach oben an das Stirnbein an. Der knorpelige Anteil besteht aus dem seitlichen Dreiecksknorpel (verbunden mit dem knöchernen Nasenbein und der Nasenscheidewand) und dem Nasenspitzenknorpel, der den Nasensteg und die Nasenflügel bildet. Hinter den Nasenlöchern wird die innere Nase vom Nasenvorhof und von der Nasenhöhle gebildet. Die Schutzhärchen (Vibrissae) im Nasenvorhof filtern die Atemluft. Die Nasenhöhle wird vom knöchern-knorpeligen Septum (Nasenscheidewand) in 2 Räume unterteilt. Oben begrenzt das Siebbein mit den Durchtrittstellen für den N. olfactorius die beiden Höhlen, unten der harte Gaumen und seitlich die Nasenmuscheln, 3 mit Schleimhaut überzogene Knochenvorsprünge, die der Befeuchtung der Atemluft dienen. Hinten gehen die Nasenhöhlen in den Nasopharynx über (. Abb. 12.3).
Nasennebenhöhlen (Sinus paranasales) 7 luftgefüllte Räume stehen mit der Nasenhöhle in Verbindung: 4 die Stirnhöhle (Sinus frontalis, paarig), 4 die Kieferhöhle (Sinus maxillaris, paarig), 4 die Keilbeinhöhle (Sinus sphenoidalis), 4 das Siebbeinlabyrinth (Sinus ethmoidalis, paarig) (. Abb. 12.3).
. Abb. 12.3 Topographische Übersicht Nase und Nasennebenhöhlen. a Schnitt durch Nase und Nasennebenhöhlen mit Etagengliederung des Schädels (I–V). b Seitliche Nasenwand, Nasen-Rachen-
Da sie in enger Beziehung zur Nase stehen, sind sie häufig bei Infektionskrankheiten mitbetroffen.
12.1.6
Ohr
Das Hörorgan des Menschen ist in 3 Teile gegliedert (. Abb. 12.4): 4 Äußeres Ohr mit Ohrmuschel, dem S-förmig gebogenen äußeren Gehörgang und dem Trommelfell als Abgrenzung zum Mittelohr. 4 Mittelohr, das aus der Paukenhöhle besteht, die über die Tube mit dem Nasenrachen verbunden ist, und den darin enthaltenen Gehörknöchelchen (. Abb. 12.4): 5 Hammer (Malleus), 5 Amboss (Incus), 5 Steigbügel (Stapes). Sie sorgen durch ihre Bewegungen für die Schallwellenübertragung. 4 Innenohr, das im Felsenbein liegt. Das Hörorgan liegt in der Schnecke; die Bogengänge enthalten das Gleichgewichtsorgan.
12.2
Diagnostisches Instrumentarium
Ein wichtiges Hilfsmittel in der HNO-Heilkunde ist die Lichtquelle. Hier kamen früher Stirnspiegel, heute Kaltlicht-Kopflampen zur Anwendung. Durch das zur Sehach-
Raum, Rachen und Kehlkopf. Die roten Pfeile markieren die Kreuzung von Luft- und Speisewegen
12
566
Kapitel 12 · Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie
. Abb. 12.4 Anatomische Darstellung des Ohrs. (Nach Beise et al. 2009)
se koaxiale Licht können die HNO-relevanten Strukturen inspiziert werden.
12.2.1
4 starres Lupenlaryngoskop, 90°-Optik (transoral; . Abb. 12.6), 4 flexibles Larynxendoskop (transnasal; . Abb. 12.5).
Ohruntersuchung 12.2.4
12
Stimmgabeluntersuchung
kInstrumentarium
4 Lichtquelle und Ohrtrichter, 4 Binokular-Mikroskop, 4 Absaugung.
Ein wichtiges diagnostisches Hilfsmittel für den HNO-Arzt ist die Stimmgabel. Bei dieser grob orientierenden Untersuchung wird festgestellt, ob eine Schwerhörigkeit besteht, und ob sie im Innenohr oder im Mittelohr lokalisiert ist.
jMögliche Befunde
4 Cerumen oder Fremdkörper, 4 Perforation oder Rötung des Trommelfells, 4 Entzündungen des äußeren Gehörgangs.
12.2.2
Nasenuntersuchung
kInstrumentarium
4 4 4 4
Lichtquelle, Nasenspekula verschiedener Größen (. Abb. 12.7), ggf. Bajonettpinzette (. Abb. 12.8) oder Watteträger, Endoskop mit starrer 0°-, 30°- oder 70°-Optik (. Abb. 12.5, . Abb. 12.6).
12.3
Das Instrumentarium ist durch die Weichteil-, Knochenund auch Mikrochirurgie sehr vielfältig (7 Kap. 11). Zusätzlich zum immer benötigten und in 7 Kap. 1 und 2 beschriebenen Grundinstrumentarium kommen auch hier viele Spezialinstrumente zum Einsatz. Um eine übersichtliche Darstellung zu ermöglichen, werden die verschiedenen Spezialinstrumente zusammen mit den entsprechenden Operationen vorgestellt.
12.3.1 12.2.3
Kehlkopfuntersuchung
kInstrumentarium
4 Zungenspatel (. Abb. 12.9), 4 abgewinkelte Spiegel (. Abb. 12.10) 4 Kaltlichtquelle,
Operationsinstrumentarium
Adenotomie/Tonsillektomie (Entfernung der Rachen-/ Gaumenmandeln)
Diese Operationen werden selten zusammen durchgeführt, die instrumentelle Vorbereitung unterscheidet sich jedoch nur in den benötigten Abtragungsinstrumenten (s. unten).
12
567 12.3 · Operationsinstrumentarium
12.6
12.5
a
b 12.7
12.8
12.9
12.10
. Abb. 12.5 Flexibles Laryngoskop (Fa. Storz) . Abb. 12.6 Lupenlaryngoskop mit Winkel (Fa. Storz) . Abb. 12.7a, b Nasenspekula. (Fa. Martin)
. Abb. 12.8 Bajonettpinzette. (Fa. Martin) . Abb. 12.9 Zungenspatel. (Fa. Martin) . Abb. 12.10 Spiegel. (Fa. Martin)
4 Bei Bedarf werden lange Kanülen zur Applikation des Lokalanästhetikums eingesetzt. 4 Je eine grobe, lange chirurgische und eine anatomische Pinzette. 4 Eine lange kniegebogene Pinzette für die bipolare Koagulation. 4 Präparierschere, z. B. nach Metzenbaum. 4 Mundsperrer, z. B. nach Kilner-Doughty (7 Kap. 11).
4 Tonsillenraspatorium nach Henke (. Abb. 12.11). Dies ist ein doppelseitig benutzbares, scharfes Dissektionsinstrument, um die Tonsille aus ihrer Kapsel zu schälen. 4 Eine in den breiten Branchen aufgebogene Tonsillenschere (. Abb. 12.12). 4 Ringmesser nach Beckmann (. Abb. 12.13). Sie müssen in verschiedenen Größen vorliegen. Da-
568
Kapitel 12 · Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie
mit werden die Adenoide (»Polypen«) entfernt. Diese Messer sind an der Innenkante des oberen Randes geschliffen und schälen so die Adenoide aus ihrem Lager. 4 Tonsillenschnürer (. Abb. 12.14): Die in diesen Schnürer eingesetzte Drahtschlinge wird über die aus ihrer Kapsel befreite Tonsille geführt und dann angezogen, sodass die »Mandel« an der Basis abgetrennt wird. Die einzelnen Schlingen werden für jede Operation erneuert. 4 Tonsillenfasszange nach Blohmke (. Abb. 12.15): Damit können die Tonsillen während der Präparation gefasst werden. Die scharfen Zähnchen unterscheiden diese Zange von den bekannten Organfasszangen (7 Kap. 2). Über die offenen Griffe kann der Tonsillenschnürer an die »Mandel« geführt werden. 4 Korbsauger (. Abb. 12.16): Er ist gebogen und kann durch sein Körbchen keine großen Gewebeteilchen absaugen.
12.3.2
12
Tracheotomie/Koniotomie (Luftröhrenschnitt)
4 Zur Tracheotomie wird neben dem Grundinstrumentarium bei Bedarf ein Dilatator benutzt (. Abb. 12.17). 4 Die Art der Trachealkanüle hängt von verschiedenen Faktoren ab. Es gibt Einmalkanülen, resterilisierbare Metallkanülen, mit oder ohne Mandrin oder Sprechkanülen mit Ventil. Nach einer Operation wird in der Regel eine blockbare Trachealkanüle eingebracht. Für eine notfallmäßige Koniotomie kann das Lig. conicum mit einem Trachealtrokar durchstoßen werden (. Abb. 12.18).
12.3.3
Nasenoperationen
4 Ein wichtiges Instrument ist hier das Nasenspekulum (. Abb. 12.19 und . Abb. 12.20) mit und ohne Arretierung. Nasenspekula sollten immer in verschiedenen Größen vorliegen. Bei Bedarf (z. B. in der Mikrochirurgie) kommen selbsthaltende arretierbare Spekula zur Anwendung. 4 Instrumente zur Untersuchung der Nase sind kniegebogen oder bajonettförmig. Sie erleichtern den Blick auf den Situs, ohne dass die Hand des Operateurs die Übersicht behindert (. Abb. 12.21 und . Abb. 12.22). 4 Mit Raspatorien und Elevatorien wird die Schleimhaut vom Septum separiert. Hier ist ein beidseitig benutzbares Instrument von Vorteil (. Abb. 12.23).
12.3.4
Ohroperationen
Ohroperationen (ausgenommen Ohrmuscheloperationen) werden unter dem OP-Mikroskop vorgenommen. Hier werden daher überwiegend Mikroinstrumente verwendet, die eine besondere Handhabung und Pflege zur Vermeidung von Beschädigungen erfordern. Es gelten alle Hinweise, die in 7 Kap. 10 und 11 für die Mikrochirurgie besprochen wurden. 4 Zur Inspektion des äußeren Gehörganges bis zum Trommelfell reichen die Ohrtrichter. 4 Tast- und Kürettierinstrumente sind z. B. die Ohrschlinge (. Abb. 12.24), ein stumpfes Instrument, um z. B. Cerumen zu entfernen und der Ohrhebel mit Knopf (. Abb. 12.25). 4 Die verschiedenen otologischen Fass- oder Löffelzangen sind kniegebogen (. Abb. 12.26). 4 Parazentesenadeln zur Inzision des Trommelfells sind kniegebogen oder seltener bajonettförmig (. Abb. 12.27). 4 Rundschnittmesser (. Abb. 12.28), Lanzettmesser (. Abb. 12.29) oder Lappenmesser (. Abb. 12.30) werden in der Mikrochirurgie bevorzugt. 4 Mikroscheren, kniegebogen, werden mit verschieden gebogenen Branchen angeboten, damit problemlos in alle Richtungen geschnitten werden kann (. Abb. 12.31). 4 Das Gleiche gilt für die Stanzen, mit denen Knochengewebe entfernt wird (. Abb. 12.32). 4 Mit dem kleinen scharfen Knochenlöffel (. Abb. 12.33) kann Knochengewebe entfernt werden (z. B. bei der Stapesplastik). 4 Zusätzlich zum erwähnten Instrumentarium benötigt man bei der Ohroperation häufig eine Bohrmaschine, wie sie Zahnärzte benutzen. Der Handgriff ist leicht abgewinkelt und nach Bedarf werden Rosenbohrer, Fräsen o. Ä. eingesetzt. Die Bohrer können mit einer integrierten Spülung ausgestattet sein, um den behandelten Knochen während des Fräsens kühlen zu können. 4 In der Regel wird die instrumentierende Pflegekraft mit einer gebogenen Knopf-Kanüle während des Bohrens spülen.
12.4
Aufgaben der Operationspflegekraft
Auch in der HNO-Abteilung, und dort insbesondere in der OP-Abteilung, muss sehr viel Wert auf die prä-, peri- und postoperative Betreuung der Patienten gelegt werden, da viele Eingriffe in Lokalanästhesie vorgenommen werden können. Außerdem sind, z. B. durch die Rachen- und Gaumenmandeloperationen, ein großer Teil der Patienten Kinder, denen wir mit Zuwendung ihre Angst nehmen sollten.
569 12.4 · Aufgaben der Operationspflegekraft
12.11
12.14
12.12
12.13
12.15
. Abb. 12.11 Tonsillenraspatorium nach Henke. (Fa. Aesculap) . Abb. 12.12 Tonsillenschere nach Good. (Fa. Aesculap) . Abb. 12.13 Ringmesser nach Beckmann. (Fa. Aesculap)
12.16 . Abb. 12.14 Tonsillenschnürer nach Brünings. (Fa. Aesculap) . Abb. 12.15 Tonsillenfasszange nach Blohmke. (Fa. Aesculap) . Abb. 12.16 Korbsauger nach Yankauer. (Fa. Aesculap)
12
570
Kapitel 12 · Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie
12.17
12.18
12.19
12.20
12
12.21 . Abb. 12.17 . Abb. 12.18 . Abb. 12.19 . Abb. 12.20
Dilatator nach Laborde Koniotom nach Ueckermann-Denker Nasenspekulum nach Beckmann. (Fa. Aesculap) Nasenspekulum nach Killian. (Fa. Aesculap)
12.22
12.23
. Abb. 12.21 Nasenpinzette nach Troeltsch. (Fa. Aesculap) . Abb. 12.22 Nasenschere nach Heymann. (Fa. Aesculap) . Abb. 12.23 Elevatorium/Raspatorium nach Freer: Eine Seite ist stumpf, die andere scharf. (Fa. Aesculap)
12
571 12.4 · Aufgaben der Operationspflegekraft
12.24
12.28
12.25
12.29
12.26
12.30
12.27
12.32
12.33
12.31 . Abb. 12.24 . Abb. 12.25 . Abb. 12.26 . Abb. 12.27 . Abb. 12.28
Ohrschlinge nach Langenbeck. (Fa. Aesculap) Ohrhebel nach Lucae. (Fa. Aesculap) Fasszange nach Hartmann. (Fa. Aesculap) Parazentesenadel nach Lucae. (Fa. Aesculap) Rundschnittmesser. (Fa. Aesculap)
. Abb. 12.29 . Abb. 12.30 . Abb. 12.31 . Abb. 12.32 . Abb. 12.33
Lanzettmesser nach Rosen. (Fa. Aesculap) Lappenmesser nach Plester. (Fa. Aesculap) Mikroschere. (Fa. Aesculap) Knochenstanze. (Fa. Aesculap) Knochenlöffel nach House. (Fa. Aesculap)
572
Kapitel 12 · Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie
Die Aufgaben bezüglich der unterschiedlichen Instrumentarien und der vielfältigen Operationen gleichen den in 7 Kap. 11 beschriebenen.
Tonsillektomie
kIndikation
4 Behinderung der Nasenatmung durch Hyperplasie der Rachenmandeln. Die betroffenen Kinder haben häufig Schnupfen, schlafen durch die erschwerte Nasenatmung schlecht und schnarchen. 4 Paukenergüsse durch Verlegung der Tubenostien, dadurch Schallleitungsschwerhörigkeit (→ OP: Parazentese).
4 Chronische Tonsillitis: 5 Erreger sind meist Streptokokken. 5 Die chronische Tonsillitis führt manchmal zum Peritonsillarabszess oder durch Streuung zu Folgeerkrankungen der Gelenke (Rheuma), der Nieren (Glomerulonephritis) oder zu funktionellen Herzerkrankungen. 4 Tonsillenhyperplasie (THP): 5 Sollte die Hyperplasie nur einseitig aufgetreten sein, liegt der Verdacht einer malignen Grunderkrankung nahe. 5 Bei Kindern kann die THP zum Schnarchen mit Aussetzen der Atmung führen. 4 Rezidivierende Anginen.
kPrinzip
kPrinzip
Die Adenotomie (AT) ist die operative Abtragung der adenoiden Wucherungen.
Bei der Tonsillektomie (TE) werden die gesamten Gaumenmandeln aus ihrer Kapsel herausgeschält. Bei kleineren Kindern mit Atmungsaussetzern beim Schnarchen kann eine »Mandelkappung«, in der Regel mit dem Laser, indiziert sein.
12.5
Hals-Nasen-Ohren-Operationen
12.5.1
Adenotomie
kIndikation
kLagerung
12
12.5.2
4 In Vollnarkose: Rückenlage mit rekliniertem Kopf. 4 Dieser Eingriff wird nur noch selten in Lokalanästhesie durchgeführt: Dann wird das Kind von einer Pflegekraft in halbsitzender Position gehalten. kInstrumentarium
4 4 4 4 4
Mundsperrer, Zungenspatel, Beckmann-Ringmesser, grobe Pinzetten, bi- oder monopolare Blutstillungspinzette.
kLagerung
4 In Lokalanästhesie: halbsitzende Position. 4 In Vollnarkose: Rückenlage mit rekliniertem Kopf. kInstrumentarium
4 4 4 4
Instrumente wie bei der AT/TE, mit einem Faden armierte Tupfer zur Kompression, ggf. bipolare Koagulationspinzette, Umstechung.
Adenotomie
Tonsillektomie
7 Nach der sterilen Abdeckung wird der Mundsperrer nach Kilner-Doughty eingesetzt. Er drückt die Zunge nach unten und fixiert gleichzeitig den Tubus. 7 Die adenoiden Vegetationen werden mit dem entsprechend großen Ringmesser an ihrer Basis abgetragen. Das Blut wird abgesaugt, eine passagere Blutstillung mit armierten großen Tupfern reicht zumeist aus. 7 Blutende Gefäße werden mit der bipolaren Koagulationspinzette koaguliert. 7 Zählen der Tupfer und Dokumentation der Vollzähligkeit. 7 Die Entfernung des Mundsperrers, Absaugen und Inspektion der Mundhöhle beenden den Eingriff.
7 Für die vorgesehene Lokalanästhesie werden die Tonsillen mit einer langen dünnen Kanüle mit dem Anästhetikum umspritzt. Dieses hat häufig einen Adrenalinzusatz, um gleichzeitig eine Gefäßverengung zu erreichen. 7 Nach dem Einsetzen des Mundsperrers – für Patienten mit lokaler Betäubung wird ein handgehaltener Zungenspatel verwendet – wird eine Tonsille mit der groben chirurgischen Pinzette gefasst, der vordere Gaumenbogen wird mit der Schere inzidiert und die »Mandel« mit der Tonsillenschere und dem Henke-Raspatorium im Wechsel aus ihrer Kapsel geschält. Mit dem Tonsillenschnürer wird sie vom Zungengrund abgetrennt. 6
573 12.5 · Hals-Nasen-Ohren-Operationen
kInstrumentarium 7 Ein armierter Tupfer wird vorübergehend zur Kompression in das Tonsillenbett geschoben; analoges Vorgehen auf der anderen Seite. 7 Erscheint die Blutstillung unzureichend, wird abschließend eine Umstechung erfolgen. Die Tonsillen werden zur histologischen Untersuchung gegeben.
! Tonsillen werden immer seitengetrennt zur histologischen Untersuchung gegeben.
Die Tonsillektomie kann auch mit alternativen Dissektionstechniken wie dem CO2-Laser, dem Ultraschallskalpell oder dem Coblator durchgeführt werden.
Komplikationen Eine Nachblutung tritt zumeist am OP-Tag oder am 1. postoperativen Tag auf, kann aber noch nach 2 Wochen vorkommen. Leichtere Blutungen sistieren häufig spontan, wenn der Patient mit einer Eiskrawatte im Nacken aufrecht und ruhig im Bett sitzt. Lässt sich eine aufgetretene Blutung mit Tamponade oder Hämostyptika nicht stillen, muss chirurgisch interveniert werden.
12.5.3
Stützautoskopie/Laryngoskopie
Die Stützautoskopie dient der direkten Untersuchung des Kehlkopfes, wenn die indirekte Spiegelung nicht möglich oder unzureichend erscheint, kleineren operativen Eingriffen an Kehlkopf und Pharynx sowie der Entfernung von Fremdkörpern, die in Lokalanästhesie nicht geborgen werden können. Zur besseren Übersicht wird diese Untersuchung mit Hilfe des OP-Mikroskops vorgenommen (. Abb. 12.34). kIndikation
4 Verdacht auf Larynxpapillome, Leukoplakie, Stimmlippenpapillome, Stimmbandpolypen oder Kehlkopfkarzinom. 4 Verdacht auf Fremdkörper (z. B. Fischgräten).
4 Starre Laryngoskope in verschiedenen Durchmessern und unterschiedlichen Längen mit montierbarem Lichtleitstab und Kaltlichtkabel (. Abb. 12.35), 4 Zahnschutz für den bezahnten Oberkiefer (. Abb. 12.36), 4 Laryngoskophalter mit Bruststütze (. Abb. 12.37). 4 Verschiedene Fasszangen: 5 Doppellöffelzange, 5 gezahnte Fasszange. 4 Verschiedene Scheren (rechts gebogen, links gebogen, gerade), 4 lange Watteträger, 4 Gefäß für ein adstringierendes Medikament zum Eintauchen von Watteträgern für die Blutstillung, 4 langer Saugeransatz, 4 kleine Gefäße zum Aufnehmen der entnommenen Präparate, 4 OP-Mikroskop mit einem Objektiv mit einer Brennweite von 400 mm, 4 ggf. monopolare Handelektrode. Stützautoskopie 7 In Intubationsnarkose wird der Kopf des Patienten rekliniert und der Zahnschutz eingesetzt. Ein starres Laryngoskop (nach Kleinsasser oder Negus) wird eingebracht und mit einer Kaltlichtquelle verbunden. 7 Die Sicht auf den Kehlkopf wird eingestellt und das Laryngoskop mit der Bruststütze fixiert. Der obere Trachealanteil, die Stimmbänder und die Aryknorpel (die Stellknorpel des Kehlkopfes) können betrachtet werden. Bei Bedarf können jetzt mit Fasszange, Löffelzange und Schere verschiedene Proben entnommen bzw. Papillome oder Polypen entfernt werden. 7 Die einzelnen Präparate müssen korrekt gekennzeichnet und mit ihrer Entnahmestelle bezeichnet werden.
kPrinzip
4 Direkte Betrachtung des Larynx über ein starres Laryngoskop, das auf der Brust des Patienten abgestützt ist (deshalb Stützautoskopie) unter Verwendung des Mikroskops. 4 Bei Bedarf mikrochirurgische Abtragung des Befundes ggf. mit einem CO2-Laser oder Probeentnahmen zur histologischen Diagnosesicherung. kLagerung
4 Rückenlage mit leicht angehobenem Kopfteil. 4 Eine sterile Abdeckung ist nicht nötig.
12.5.4
Tracheotomie
Der sog. Luftröhrenschnitt (Tracheotomie) ist häufig eine Notfallmaßnahme, daher sollten die Instrumente und das Vorgehen allen Beteiligten geläufig sein. kIndikation
4 Langzeitbeatmung oder eine erwartete Langzeitbeatmung. Ist bei intubierten Patienten nach ca. 4–14 Tagen eine Extubation nicht möglich oder nicht zu erwarten, sollte ein Tracheostoma angelegt werden.
12
574
Kapitel 12 · Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie
12
. Abb. 12.34 Prinzip einer Stützautoskopie. (Nach Boenninghaus u. Lenarz 2007)
4 Auch eine geplante Laryngektomie oder Teilresektion des Kehlkopfes sowie Tumorinfiltration in die Trachea sind Indikationen zur Tracheotomie. kPrinzip
Eröffnung der Luftröhre zwecks Einsetzen einer Trachealkanüle zur künstlichen Beatmung. kLagerung
4 Rückenlage mit leicht überstrecktem Kopf. 4 Die Dispersionselektrode wird an einem Oberarm fixiert. kInstrumentarium
Siehe Instrumentarium für Tracheotomie (7 Abschn. 12.3.2).
Tracheotomie 7 Für die Tracheotomie sind 3 verschiedene Zugänge zur Luftröhre möglich: – Obere Tracheotomie, oberhalb des Isthmus der Schilddrüse. – Mittlere Tracheotomie mit der Durchtrennung des Isthmus der Schilddrüse. (Dieser Zugang wird für eine elektive Tracheotomie am häufigsten benutzt.) – Untere Tracheotomie unterhalb des Isthmus der Schilddrüse. 6
575 12.5 · Hals-Nasen-Ohren-Operationen
12.35 12.36
12.37 . Abb. 12.35 Operationslaryngoskop. (Fa. Aesculap) . Abb. 12.36 Zahnschutz. (Fa. Aesculap)
7 Auch die Schnittführung variiert, meist wird der kurze Kocher-Kragenschnitt (7 2.1.1) oder ein medianer Längsschnitt gewählt. Nach der Durchtrennung des Platysma mit dem Skalpell kann die prätracheale Muskulatur stumpf zur Seite gedrängt werden. 7 Vielfach kann der Isthmus der Schilddrüse erhalten werden, indem er mit 2 Langenbeck- oder Kocher-Haken so weit kopfwärts gezogen wird, dass der 3. und 4. Trachealring freiliegt. Gelingt das nicht, wird der Isthmus zwischen 2 Klemmen durchtrennt und umstochen (7 2.2.3). 7 Alle Gefäße müssen unterbunden oder elektrokoaguliert werden, um postoperative Blutungen und die damit verbundene Aspirationsgefahr zu verhindern. 7 Nun kann die Trachea eröffnet werden durch – die X-förmige Inzision, – den Türflügelschnitt, – den rundlichen Björk-Lappen. 7 Die Eröffnung erstreckt sich immer über 2 Knorpelspangen. Das entstehende Fenster wird mit polyfilen Haltefäden an der Haut fixiert, die sog. tracheokutanen Nähte (»mukokutane Anastomose«). 6
. Abb. 12.37 Laryngoskophalter mit Bruststütze. (Fa. Aesculap)
7 Der orale Tubus wird entblockt und entfernt, die passende Trachealkanüle, deren Blockung von der OP-Pflegekraft geprüft wurde, wird eingeführt und an die Beatmung angeschlossen. 7 Zur künstlichen Beatmung empfehlen sich blockbare Tuben. Wenn keine Aspirationsgefahr mehr besteht, wird der Patient mit einer nicht blockbaren Trachealkanüle (z. B. einer Sprechkanüle) versorgt.
Trachealkanülen Nach der Tracheotomie wird eine Rügheimer Kanüle mit blockbarer Manschette eingesetzt, um eine Aspiration aus dem Wundgebiet zu verhindern und den Patienten ggf. zu beatmen. Erst später erfolgt die Versorgung mit einer Trachealkanüle. Diese besteht meist aus einem doppellumigen Rohr, dessen innerer Teil, die »Seele«, beliebig oft entfernt und wieder eingesetzt werden kann. Das erleichtert die Reinigung und die endotracheale Absaugung. Nach der Tracheotomie wird die Kanüle täglich gewechselt. Fallen die Trachealwände in sich zusammen, wird das Tracheostoma mit einem überlangen Spekulum, z. B. nach Killian, offen gehalten. Dann lässt sich die Kanüle leichter einsetzen. Die Trachealkanüle hat vorn eine Platte, die die Kanüle auf der Haut aufliegen lässt. An beiden Seiten
12
576
Kapitel 12 · Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie
12.38
12.39
12 12.40
12.41
. Abb. 12.38 Doppelläufige Trachealkanüle. (Fa. Aesculap) . Abb. 12.39 Doppelläufige Metallkanüle mit herausnehmbarer Innenkanüle. (Fa. Aesculap)
. Abb. 12.40 Spiral-Tracheostomiekanüle mit stufenlos justierbarem Flansch mit Blockermanschette zur Beatmung. (Fa. Covidien) . Abb. 12.41 Ventilkanüle (Sprechkanüle) mit Loch. (Fa. Aesculap)
dieser Platte wird durch vorgefertigte Ösen ein Band gezogen und hinten am Hals des Patienten geknüpft. Sprechkanülen haben in ihrer Krümmung ein Fenster, durch das die Ausatemluft nach innen in den Kehlkopf gelangen kann. Durch ein Rückschlagventil in der Kanülenöffnung wird dem Patienten das Sprechen ermöglicht. Die Auswahl der richtigen Kanüle (. Abb. 12.38 bis . Abb. 12.41) richtet sich danach, ob sie zur Langzeitbeatmung oder als Dauerkanüle verwendet werden soll. Wichtig ist immer, dass die Kanüle dem Durchmesser der Trachea angepasst ist und weder zu kurz noch zu lang gewählt wird.
4 Postoperativ: Nachblutungen oder Arrosionsblutungen, wenn die Kanüle nicht korrekt passt, Phlegmone, Pneumonie, v. a. aufgrund einer Aspiration. 4 Als Spätkomplikation gilt die Trachealstenose, v. a. bei Patienten mit einer Neigung zur Keloidbildung.
Komplikationen
12.5.5
4 Intraoperativ: heftige Blutungen, Verletzungen des Ringknorpels (sie können zu einer Ringknorpelstenose führen), Rekurrensverletzungen mit Lähmung der Stimmlippen.
Eine Koniotomie ist eine »notfallmäßige Tracheotomie« als lebensrettende Maßnahme. Sie ersetzt nicht die Tracheostomie, sondern zieht sie nach sich.
Tracheostomaverschluss Wird die Kanüle und damit das Tracheostoma nach der Heilung oder Besserung der Grunderkrankung nicht mehr benötigt, kann das Tracheostoma in Lokalanästhesie oder in Vollnarkose verschlossen werden.
Koniotomie
577 12.5 · Hals-Nasen-Ohren-Operationen
kIndikation
kIndikation
Lebensbedrohliche akute Atemnot mit Erstickungsgefahr, z. B. 4 allergiebedingte Larynxschwellungen, 4 Intubationshindernisse, 4 Kehlkopffrakturen, 4 Fremdkörper.
4 Karzinome im Kopf- und Halsbereich, 4 Lymphknotenmetastasen ohne Nachweis eines Primärtumors (CUP – »carcinoma of unknown primary«).
kPrinzip
Das Lig. cricothyreoideum (Lig. conicum) wird zwischen dem Unterrand des Schildknorpels und dem Oberrand des Ringknorpels mit dem Koniotom durchstoßen, der Kehlkopf eröffnet und der Patient mit einem dünnen Tubus beatmet.
kPrinzip
Entfernung der Halslymphknoten. Das Ausmaß der Operation ist abhängig von der Lokalisation und der Ausdehnung der Grunderkrankung und kann von der Schädelbasis bis zur Klavikula reichen. 4 Radikale Neck-Dissection:
Lymphknotenausräumung mit umgebendem Fett sowie Resektion von 5 N. accessorius, 5 M. sternocleidomastoideus, 5 V. jugularis interna (evtl. auch A. carotis externa), 5 Glandula submandibularis.
kLagerung
Rückenlage mit Unterpolsterung der Schultern bei rekliniertem Kopf.
4 Funktionelle Neck-Dissection:
Lymphknotenausräumung mit umgebendem Fettund Bindegewebe.
kInstrumentarium 7 Abschn. 12.3.2.
4 Selektive modifizierte Neck-Dissektion:
Lymphknotenausräumung je nach Ausmaß der Grunderkrankung.
Koniotomie 7 Ein 1–2 cm langer vertikaler Hautschnitt wird über dem Lig. conicum angelegt. Der Bogen des Ringknorpels ist tastbar, direkt darüber verläuft das Ligament. 7 Die Öffnung lässt sich stumpf erweitern, in Notsituationen mit dem Finger. 7 Nach dem Hautschnitt wird das Ligament mit einem Koniotom oder einem Skalpell und einem Nasenspekulum nach Killian durchstoßen. Der Trokar des Koniotoms wird zurückgezogen und der Kehlkopf eröffnet.
12.5.6
Neck-Dissection
Eine Neck-Dissection ist eine Halslymphknotenausräumung, die, je nach Tumorstadium, einseitig oder beidseits in einer Sitzung erfolgt. Eine Kombination der Operation mit anderen Eingriffen ist je nach Ausbreitung des Primärtumors möglich, z. B.: 4 Kehlkopfresektion, 4 Unterkieferteilresektion oder 4 Zungengrundresektion mit Mandibulasplitting. Bei laserchirurgischer Resektion des Primärtumors wird die Neck-Dissection zweizeitig nach einem Intervall von ca. 2 Wochen durchgeführt.
kLagerung
4 Rückenlage, den Kopf auf die kontralaterale Seite gedreht. 4 Die neutrale Elektrode wird an einem Oberarm fixiert. kInstrumentarium
4 4 4 4
Grundinstrumente, Sauger, bipolare Pinzette, ein Nervenreizgerät zur Identifikation des N. accessorius sowie des Mundastes des N. facialis, 4 feine Gummizügel. 4 Erweiterung der Operation auf Unterkieferteilresektion oder Mandibulasplitting: 5 Raspatorien, 5 oszillierende Säge, 5 Luer, 5 Plattenosteosynthesematerialien. Neck-Dissection 7 Die Hautschnittführung variiert. Meist verläuft der Schnitt am Vorderrand des M. sternocleidomastoideus mit einer zusätzlichen Inzision in Richtung der Klavikula, also T-förmig. 7 Die Haut-Platysma-Lappen werden präpariert, der M. sternocleidomastoideus freigelegt und bei der 6
12
578
Kapitel 12 · Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie
7
7
7
7
7
12
7
radikalen Neck-Dissection zwischen 2 Klemmen mit dem Skalpell, besser mit dem Diathermiestichel, durchtrennt. Beide Muskelstümpfe werden umstochen. Der N. accessorius verläuft am Hinterrand des Muskels und wird vorsichtig mit einer feinen Schere, z. B. nach Wittenstein, dargestellt und zunächst angeschlungen. Je nach Ausdehnung des Tumors wird er später erhalten oder reseziert werden. Nach der Durchtrennung des Muskels liegt die sog. Gefäßnervenscheide mit der V. jugularis interna, der A. carotis communis und dem N. vagus sichtbar im OP-Feld. Die V. jugularis wird über eine kurze Strecke mittels Overholt-Dissektion freipräpariert, distal doppelt ligiert und zusätzlich mit kräftigem Nahtmaterial umstochen. Nach der Darstellung der A. carotis communis und des N. vagus kann der Dissektionsblock mit Schere und Pinzette kopfwärts präpariert werden. Die V. jugularis interna wird bis zum Foramen jugulare freigelegt, dort wieder doppelt ligiert und abgesetzt. Das Tumorpräparat wird unter Ligatur der V. facialis oder ggf. der A. thyreoidea superior herausgelöst, entfernt und zur histologischen Untersuchung gesandt. Wichtig ist eine topographisch exakte Nadelmarkierung auf einer Korkplatte. Nach der sorgfältigen Blutstillung und der Einlage von 1 oder 2 Redon-Drainagen erfolgen der schichtweise Wundverschluss und der Halsverband.
7
7
7
7
12.5.8
Schilddrüse wird vom Larynx abpräpariert und, wenn möglich, geschont. Präparation und Eröffnung des Kehlkopfes, Darstellung der Trachea, Tracheotomie, Umintubation mit einer blockbaren Trachealkanüle. Resektion je nach Ausdehnung des Tumors: Das Hauptpräparat enthält den Neck-DissectionBlock, den Kehlkopf, ggf. die Glandula submandibularis, Glandula thyreoidea und evtl. den N. accessorius. Primäre Pharynxplastik durch Schlundnaht zur Trennung von Luft- und Speiseweg mit 3–0, 4–0 resorbierbarem, geflochtenem Nahtmaterial. Bei ausgedehntem Hypopharynxkarzinom muss der entstandene Rachendefekt evtl. durch einen myokutanen Lappen des M. pectoralis oder durch ein mikrovaskulär anastomosiertes Unterarminterponat gedeckt werden.
Septumkorrektur
Eine Begradigung der Nasenscheidewand ist nur dann erforderlich, wenn die Verbiegung die Nasenatmung behindert. kIndikation
Septumdeviation: Sie kann durch ein Trauma, aber auch durch gestörtes Wachstum entstehen. kPrinzip
12.5.7
Laryngektomie
Begradigung der Nasenscheidewand, oft kombiniert mit einer Konchotomie (Muschelkappung).
kVorbereitung und Lagerung
Sie entsprechen denen für eine Neck-Dissection (7 Abschn. 12.5.6). Eine Tracheotomie ist obligat und muss vorbereitet werden. Laryngektomie 7 Der Hautschnitt verläuft meist U-förmig am Vorderrand des M. sternocleidomastoideus beidseits, 2 Querfinger oberhalb des Jugulums (Gluck-Soerensen-Lappen). 7 Durchtrennung der prälaryngealen Muskulatur mit dem Diathermiemesser zwischen 2 Klemmen, Durchstechungsligatur der Stümpfe. 7 Die Thyreoidealappen werden dargestellt und der Isthmus zwischen 2 Klemmen durchtrennt. Die 6
kLagerung
4 Rückenlage mit leicht erhöhtem Oberkörper und rekliniertem, zur kontralateralen Seite gedrehtem Kopf. 4 Wird monopolar gearbeitet, gehört die neutrale Elektrode an einen Oberarm. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumente, bipolare Koagulationspinzette, Nasenspekula unterschiedlicher Größe, Nasenschere, Raspatorium nach Freer (. Abb. 12.23), ggf. schmale Meißel mit einem Metallhämmerchen abschwellend wirkende Lösung z. B. Privin, armierte Spitztupfer.
579 12.5 · Hals-Nasen-Ohren-Operationen
Septumkorrektur 7 Vor dem eigentlichen Beginn der Operation werden Spitztupfer mit Privin in die Nasenlöcher gelegt, um das Anschwellen der Schleimhaut zu minimieren. 7 Der Schnitt verläuft im Nasenvorhof als Transfixions- oder Hemitransfixionsschnitt. Mit einem kleinen Messer (Skalpell Nr. 15) wird an der Septumkante eine Inzision gelegt und das Mukoperichondrium mit einem Raspatorium nach Freer abgelöst. 7 Die Begradigung der Scheidewand erfolgt durch Abmeißelung des knöchernen Spornes oder durch gezielte Resektion des deviierten Knorpels. Das entnommene Material, Knochen und Knorpel, wird retransplantiert. 7 Häufig sind zusätzlich die unteren Nasenmuscheln hyperplastisch, die dann mit einer Nasenschere verkleinert werden (Konchotomie). Der Hemitransfixionsschnitt wird mit einer dünnen monofilen Naht verschlossen. Beide Nasenhöhlen werden tamponiert.
Komplikationen Septumhämatom, Nachblutung.
12.5.9
Nasenbeinreposition
In der Regel brechen die verknöcherten knorpeligen Anteile (Fausthieb), sehr selten die knöchernen Strukturen (scharfkantige Verletzungen, Verkehrsunfälle). Nach einer Nasenbeinfraktur mit verschobenen Fragmenten muss die Nase möglichst umgehend wieder aufgerichtet werden. Bei seitlichen Deformationen ist häufig die einfache Reposition mit dem Daumen möglich. Bei Impressionsfrakturen kommt ein Elevatorium oder die Redressment-Zange zum Einsatz (. Abb. 12.42). Nach dem Abschwellen der Nase wird sie beidseits in die Nasenöffnungen eingeführt, der frakturierte Knochen wird reponiert. Anschließend wird die Nase zur Stützung häufig austamponiert, mit einem Nasengips oder einer Schiene versehen.
. Abb. 12.42 Nasenrepositionszange nach Cottle-Walsham. (Fa. Aesculap).
schräg oben bewegt, können dabei eingeklemmt werden, sodass es zu Doppelbildern kommt. Auch der zweite Trigeminusast kann durch Bruchfragmente eingeklemmt werden, was zu Sensibilitätsstörungen im Bereich der Wange führen kann. kIndikation
4 Muskuläre Einklemmung (s. oben). 4 Verdacht auf Fremdkörper. 4 Dislozierte Fraktur, sodass die Gefahr des Absinkens des Orbitainhaltes besteht. 4 Sensibilitätsstörungen im Bereich der Wange (s. oben). kPrinzip
4 4 4 4
Abstützen des Orbitainhalts, Stabilisierung der Fragmente, Freilegung des Muskels und des Nervs, ggf. Einlegen eines Dacron-Netzes auf den Orbitaboden.
kLagerung 12.5.10
Orbitabodenreposition
Orbitabodenfrakturen sind häufig Teil von Kombinationsbrüchen des Mittelgesichtes (7 Kap. 11). Bei der »Blowout-fracture« bricht der Orbitaboden (das Kieferhöhlendach). Der M. rectus inferior, der den Blick nach oben bewegt, sowie der M. obliquus inferior, der den Blick nach
4 Rückenlage. 4 Dispersionselektrode am gleichseitigen Oberarm. kInstrumentarium
4 4 4 4
Grundinstrumente, bipolare Koagulationspinzette, feine Raspatorien, Einzinkerhäkchen (AO-Häkchen, Zahnarzthäkchen),
12
580
Kapitel 12 · Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie
4 Bereitlegen von Gore-Dura, Orbitaplättchen oder Dacronnetz, 4 Vorbereitung von Fibrinkleber.
schient, um ein Eindringen von pathogenen Keimen zu verhindern. Dazu muss Blut abgesaugt und umgekrempelte Perforationsränder müssen geglättet werden. Der Patient erhält prophylaktisch ein Antibiotikum.
Orbitabodenreposition 7 Über den transkonjunktivalen oder den subtarsalen Zugang wird der Orbitainhalt, der durch die Bruchlücke in die Kieferhöhle gefallen ist, sorgfältig reponiert. Eingeklemmte Teile des Orbitainhalts werden mit einem feinen Häkchen und einem Raspatorium aus dem Bruchspalt präpariert. 7 Der Orbitaboden muss einwandfrei reponiert sein. Kleinere Fragmente können miteinander verkeilt werden. Im Ausnahmefall wird eine Miniplattenosteosynthese vorgenommen. 7 Um den Orbitaboden wieder als glatte Fläche zu gestalten, muss er nach der Reposition mit einer resorbierbaren Kunststoffscheibe abgedeckt werden. 7 Ein Wundverschluss unter genauer Adaptierung der Schichten mit feinstem Nahtmaterial beendet den Eingriff.
12.5.11
12
Trommelfellperforation
Die spezielle Diagnostik des Trommelfells erfolgt mit dem Binokularmikroskop. Ein gesundes Trommelfell glänzt gräulich und zeigt keine Rötung oder Sekretansammlung im Mittelohr. Ein pathologisch verändertes Trommelfell zeigt verschiedene Bilder: 4 Eine Einziehung hat fast immer einen Unterdruck in der Paukenhöhle als Ursache. 4 Eine Vorwölbung weist auf eine Flüssigkeitsansammlung im Mittelohr hin. 4 Eine Rötung gilt als Zeichen einer Entzündung.
Ursachen 4 Trommelfelldefekte können vielfältige Ursachen haben: chronische oder akute Mittelohrentzündungen, Pfählungsverletzungen oder Rupturen aufgrund eines plötzlichen Überdruckes (z. B. eine harte Ohrfeige). 4 Cholesteatom: kleiner Defekt mit fötider Otorrhö (stinkendem Ohrfluss). 4 Eine traumatische Trommelfellperforation muss meist versorgt werden; nur kleine schlitzförmige Einrisse können von selbst heilen.
Therapie der akuten traumatischen Trommelfellperforation Über einen Ohrtrichter und das Mikroskop wird die Ruptur dargestellt und mit einem kleinen Silastikläppchen ge-
12.5.12
Parazentese
kIndikation
4 Chronischer Paukenerguss, 4 Tubenfunktionsstörung mit chronischem Unterdruck des Mittelohrs.
Therapie Auf das Trommelfell wird ein Oberflächenanästhetikum aufgebracht, über den Ohrtrichter die lanzettenartige Parazentesenadel (bajonettförmig oder kniegebogen (. Abb. 12.27) eingeführt und ein kleiner Entlastungsschnitt in das Trommelfell gelegt. Das Sekret kann sofort ablaufen. Besonders bei Kindern mit rezidivierender Otitis media wird das Mittelohr zur Dauerbelüftung mit »Paukenröhrchen« (in Narkose) drainiert. Diese bestehen zumeist aus Titan und haben die Form einer Spule. Zur Parazentese wird das Trommelfell vorn unten inzidiert, das Sekret mit einem feinen Ohrsauger abgesaugt und ein Paukenröhrchen eingelegt. Dieses sollte mindestens ein halbes Jahr verbleiben und wird in der Regel spontan abgestoßen.
12.5.13
Tympanoplastik
Die gestörte Schallleitung soll wieder hergestellt werden, indem der Trommelfelldefekt mit körpereigener Temporalisfaszie verschlossen wird. Defekte Gehörknöchelchen können durch Titanprothesen ersetzt werden. Ein vorhandenes Cholesteatom (chronische Knocheneiterung) muss aufgrund der Gefahr der Knochenzerstörung oder der entzündlichen Ausbreitung ausgeräumt werden. Die Tympanoplastik wird in verschiedene Typen eingeteilt, die gebräuchlichsten sind: 4 Typ I: eine einfache Trommelfellplastik (Myringoplastik), 4 Typ III: Trommelfellverschluss und Rekonstruktion der Gehörknöchelchenkette. kIndikation
4 Chronische Mittelohrentzündung mit Trommelfellperforation, 4 narbige Veränderungen, 4 Cholesteatom, 4 Kettenunterbrechung.
581 12.5 · Hals-Nasen-Ohren-Operationen
kPrinzip
Wiederherstellung der Schallleitung durch Revision der Gehörknöchelchen und/oder Trommelfellplastik. kLagerung
4 Rückenlage, den Kopf zur kontralateralen Seite gedreht. Sollte monopolar gearbeitet werden, muss die neutrale Elektrode an dem seitengleichen Oberarm angebracht werden. 4 Die Operation kann sowohl in Lokalanästhesie als auch in Vollnarkose durchgeführt werden. kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium zur Eröffnung des Mittelohrs, 4 Ohrinstrumente (7 Abschn. 12.3.4), 4 zusätzlich bipolare Koagulationspinzette. 4 Bei einer knöchernen Revision muss eine Bohrmaschine zur Verfügung stehen. 4 Das steril bezogene OP-Mikroskop wird bereitgestellt. Tympanoplastik 7 Der Hautschnitt verläuft entweder retroaurikulär (hinter dem Ohr) oder endaural, d. h. vorn zwischen Tragus und Ansatz der Ohrmuschel im Gehörgang (endaurale Schnittführung nach Heermann). 7 Sollte für die Trommelfellplastik ein Stück Faszie benötigt werden, wird ein kleines Stück Temporalisfaszie hinter dem Ohr entnommen und bis zum Gebrauch zwischen 2 Silastikscheiben gelagert. 7 Nach der Beseitigung der Grunderkrankung wird das Trommelfell mit der Faszie unterfüttert, Silikonfolien dienen der zusätzlichen Schienung. 7 Der Gehörgang wird mit Tamponaden oder mit Salbenstreifen (z. B. bei Stapesplastik) austamponiert. Der Zugangsweg wird schichtweise verschlossen und ein Ohrdruckverband angelegt.
Plastische Operationen der Nase und den Ohren, wie auch u. a. die Entfernung der Glandula parotis oder der Glandula submandibularis, gehören ebenfalls in das Spektrum der HNO.
12
13
Kinderchirurgie P. Reifferscheid, M. Liehn
13.1 Arbeitsbedingungen in der Kinderchirurgie 13.2 Thorax
– 587
13.3 Abdomen
– 597
13.4 Bauchwand
– 622
13.5 Urogenitaltrakt
– 631
13.6 Zentralnervensystem 13.7 Tumoren
– 584
– 649
– 659
M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_13, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
584
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
13.1
Arbeitsbedingungen in der Kinderchirurgie
13.1.1
13
Allgemeine Grundlagen
In der Kinderchirurgie gelten für die OP-Pflegekraft zusätzliche besondere Bedingungen. Die altersspezifischen anatomischen und physiologischen Merkmale des Kindes, insbesondere bei Neugeborenen, unterscheiden sich grundlegend von denen des Erwachsenen. Beispielhaft werden genannt: 4 Besonderheiten des Stoffwechsels des Neugeborenen wie Neigung zu Hypoglykämie und Hypokalzämie. 4 Geringeres Blutvolumen (. Tab. 13.1). 4 Wesentlich höherer Flüssigkeitsumsatz. 4 Unreife von Nieren, Leber und Lungen. 4 Erhöhte Blutungsneigung. 4 Vor jeder Operation an Früh- oder Neugeborenen ist die Vitamin-K-Prophylaxe einzuhalten (1 mg wasserlösliches Vitamin K1 i.m.). 4 Unzureichende Infektabwehrmöglichkeiten. 4 Instabiler Wärmehaushalt. Das Früh- und Neugeborene, aber auch das kranke Kleinkind haben Mühe, die Körpertemperatur konstant zu halten. Anatomisch und physiologisch hat dies die folgenden Gründe: 5 Relativ größere Körperoberfläche im Vergleich zum Körpergewicht. (Bei Frühgeborenen ist die Körperoberfläche pro kg KG 10-mal größer als beim Erwachsenen.) 5 Dünnes subkutanes Fettgewebe mit der Folge schlechter Isolierung. 5 Relativ geringe Wärmeproduktion, die durch Medikamente (z. B. Muskelrelaxanzien) weiter reduziert wird. Hinzu kommen Wärmeverluste durch Narkotika und daraus folgend eine gesteigerte Hautdurchblutung. Wärmeverluste entstehen durch: 4 Verdunstung (z. B. der Desinfektionslösung auf der Haut oder über nicht abgedeckte Darmschlingen). 4 Wärmeleitung (direkter Kontakt mit einer kühleren Oberfläche, z. B. Röntgenkasette). 4 Kalte Spüllösungen. 4 Konvektion (Luftaustausch, z. B. offene Türen, raumlufttechnische Anlage). 4 Strahlung (Wärme, die das Kind an eine kühlere Umgebung abgibt ohne sie direkt zu berühren). Nahezu alle Patienten, die unter Allgemeinanästhesie operiert werden, werden intraoperativ hypotherm. Die Abkühlung verläuft in 3 Phasen: 4 in der 1. Stunde rascher Abfall der Körpertemperatur, 4 in den folgenden 2–3 h langsamer Abfall der Körpertemperatur, 4 danach konstant erniedrigte Körpertemperatur.
. Tab. 13.1 Blutvolumen. (Nach Smith u. Rowe 1993) Alter
Volumen [ml/kg KG]
Frühgeborenes
85–100
Reifes Neugeborenes
85
>1 Monat
75
>3 Monate
70
. Tab. 13.2 Angemessene Temperatur des OP-Saals Alter
Optimale Umgebungstemperatur [°C]
Frühgeborene unter 1.000 g 4 In den ersten 6 Wochen
34–35
4 Danach bis zur 12. Woche
31–32
Neugeborene mit 2–3 kg KG am 1. Tag
31–34
4 Danach bis zum 12. Tag
28–31
Wärmeverluste können verringert werden durch: 4 Angemessene Temperatur des OP-Saals (. Tab. 13.2). 4 Anwärmen von Desinfektions-, Infusions- und Spüllösungen auf Körpertemperatur. 4 Einwickeln der Extremitäten, besonders der Hände und der Füße (große Oberfläche) in Watte oder Folie, Bedecken des Kopfes mit Tuch oder Mütze aus tgSchlauch (anästhesiologische Erfordernisse berücksichtigen!). 4 Zügiges Abdecken nach der Hautdesinfektion unter Berücksichtigung der Einwirkzeit. 4 Verwendung von elektronisch geregelten Wärmematten als Unterlage (Vorsicht: Direkten Hautkontakt vermeiden wegen Verbrennungsgefahr der aufliegenden, schlechter durchbluteten Körperpartien auch bei Wärmemattentemperatur im physiologischen Bereich; Molton zwischen Wärmematte und Haut legen, unter Beachtung der Herstellerhinweise, um Verbrennungen und Hautschädigungen zu vermeiden). 4 Kontinuierliches Temperatur-Monitoring. ! »Es gibt keine andere einzelne Maßnahme, die derart wirksam Überlebensrate und -qualität kranker Neugeborener verbessert, wie sorgfältige Kontrolle der Umgebungstemperatur!« (Obladen 2001)
Je unreifer und je kränker das Kind ist, umso höher ist das Risiko von Infektionen, Druckschäden und Wärmever-
585 13.1 · Arbeitsbedingungen in der Kinderchirurgie
lust. Maßgebend sind nicht nur arbeitsrechtliche Verordnungen über die Temperatur in OP-Räumen sondern v. a. die Prognose des Patienten. Mindestens ebenso wichtig wie die anatomischen und physiologischen Besonderheiten sind die psychischen Bedingungen, unter denen ein Kind Krankheit und Operation erlebt. Die Trennung von den Eltern, die Ungewissheit über die bevorstehende Behandlung wird als Verlassenheit, als essenzielle Bedrohung empfunden, besonders von Kindern, die sich nicht krank fühlen (z. B. Hypospadie 7 Abschn. 13.5.5) und/oder unzureichend auf den Eingriff vorbereitet wurden. Gerade weil das Kind die erforderlichen Maßnahmen nicht immer vollständig begreifen kann, hat es Anspruch auf wahrheitsgetreue Information (ohne erschreckende Details) in einer für das Kind verständlichen Sprache. Das Kind ist als Person zu respektieren. Ein vertrauter Gegenstand (Puppe, Tuch) darf in den Einleitungsraum mitgenommen werden. Die Pflege im OP-Saal ist darauf ausgerichtet, eine Atmosphäre der Ruhe und Geborgenheit zu vermitteln. Die Betreuung der Eltern beim Eintreffen des Kindes in der Patientenschleuse schafft Vertrauen und beruhigt beide, Eltern und Kind. ! Ein Kind im OP-Saal darf nie allein gelassen werden.
13.1.2
Lagerung
Der OP-Tisch entspricht der Größe des Kindes. Die Auflagefläche ist schmaler als bei einem Tisch für Erwachsene. Der Operateur muss im Sitzen arbeiten können. Der zu operierende Körperabschnitt wird durch Unterlegen einer Gelrolle hochgelagert. Eine Seitenlagerung kann mit unterpolsterten breiten Pflasterstreifen fixiert werden. Die Platzierung der neutralen Elektrode erfolgt nach den gleichen Kriterien wie in Kap. 1 beschrieben. Die Elektrode muss flexibel sein, vollständig und dicht anliegen, ihre Größe muss der des Kindes entsprechen; es gibt im Handel geeignete Elektroden für Neugeborene.
13.1.3
konserven). Um die Entwicklung einer Latexallergie zu verhindern, sollte bei Neugeborenen, bei denen voraussichtlich mehrere Eingriffe zur Behandlung einer angeborenen Anomalie erforderlich sind (z. B. Meningomyelozele, anorektale Anomalien, Blasenexstrophie), latexfrei gearbeitet werden (Handschuhe, Drainagen, Verbandmaterial). Der Hautschnitt sollte einen optimalen Zugang bei einem Minimum an Gewebeschäden ermöglichen. Er wird entsprechend den Langer-Linien gelegt. Quere Laparotomiewunden sind weniger schmerzhaft und heilen besser als Längsschnitte. Gefäße werden gezielt koaguliert oder zwischen Ligaturen durchtrennt (Fadenstärke 4–0 und 5–0 ist ausreichend). Bei Früh- und Neugeborenen ist die bipolare Mikrokoagulation zu bevorzugen, in der monopolaren HF-Chirurgie die feine Nadelelektrode. Darmoberflächen sind dauernd feucht zu halten; sie trocknen bei der hohen Raumtemperatur rasch aus. Vor dem Wundverschluss muss die Wunde bluttrocken sein. Beim Knüpfen der Nähte darf kein Zug auf das Gewebe übertragen werden. Katheter und Drainagen sind kindgerecht zu fixieren. Die großen angeborenen Anomalien (Ösophagusatresie, Zwerchfellhernie, anorektale Anomalien, Blasenexstrophie) sowie die kindlichen Tumoren sind selten und sollten in Zentren mit entsprechend erfahrenen Behandlungsteams versorgt werden.
Operationstechnik
Die Grundsätze der Erwachsenenchirurgie gelten auch in der Kinderchirurgie. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Fachgruppen (Ärzte und Krankenpflegekräfte bzw. OTA der Chirurgie und ATA der Anästhesie) sollte von gegenseitiger Achtung bestimmt sein. Besonderheiten des Eingriffs und spezielle Instrumente werden im Voraus zwischen Chirurg und OP-Pflegekraft besprochen. Ein Eingriff wird erst dann begonnen, wenn alles vorbereitet ist (einschließlich Röntgenbildern, Laborbefunden, Blut-
13.1.4
Minimal-invasive Chirurgie
Minimal-invasive Techniken sind heute in den meisten kinderchirurgischen Abteilungen Standard. Sie können auch bei Säuglingen unter 1500 g Körpergewicht ohne größeres Risiko angewandt werden. Die Vorteile sind: 4 Bessere Übersicht, besonders am Hiatus oesophagei und im kleinen Becken. 4 Geringere postoperative Morbidität. 4 Geringere postoperative Schmerzen, reduzierter Verbrauch postoperativer Analgetika. 4 Verbesserte Lebensqualität postoperativ: Die Kinder können früher essen, früher aufstehen, schneller ihre gewohnten Aktivitäten wieder aufnehmen. 4 Kürzere Verweildauer. 4 Bessere kosmetische Ergebnisse. 4 Der Fortgang der Operation ist für das gesamte Team besser zu erkennen. Dem stehen folgende Nachteile gegenüber 4 Fehlendes Tastgefühl. 4 Zweidimensionales Bild. 4 Blutungen sind schwerer zu stillen.
13
586
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
4 Längere Operationsdauer und höhere Komplikationsraten während der Lernphasen. 4 Eingeschränkte Auswahl der zur Verfügung stehenden Instrumente (7 Abschn. 2.15)
jGehirn
Physiologische Besonderheiten bei Säuglingen und Kleinkindern
jIntraabdomineller Druck
Physiologische Besonderheiten, die bei Säuglingen und Kleinkindern berücksichtigt werden müssen, sind im Folgenden dargestellt. jHerz-Kreislauf-Effekte
Das Pneumoperitoneum erhöht den Cardiac Index (HerzZeit-Volumen/Körperoberfläche) und den O2-Bedarf. Die Zunahme des intraabdominellen Druckes führt durch Kompression der V. cava zu einer Verminderung des venösen Rückstroms zum Herzen und damit zu einem Abfall des Herz-Zeit-Volumens. Der periphere Gefäßwiderstand ist erhöht. Ein Volumendefizit wird schlecht toleriert. Deshalb wird das Pneumoperitoneum beim Säugling und Kleinkind langsam aufgebaut [z. B. Flow 1 l/min, Druck 8–10 (–12) mm Hg] und nur soweit, wie dies für die Übersicht erforderlich ist. jLungenfunktion
13
Der Zwerchfellhochstand hat eine Verkleinerung des Lungenvolumens zur Folge, ein Ungleichgewicht zwischen Ventilation und Perfusion und einen veränderten Gasaustausch. Die funktionelle Residualkapazität der Lunge ist vermindert, Atemwiderstand und Atem-Minuten-Volumen sind erhöht. Es kommt zu Störungen des Säure-Basen-Haushalts. Intraoperative Lageveränderungen (z. B. Kopftieflage) verschlechtern die respiratorischen Parameter weiter. Säuglinge tolerieren die Erhöhung des intraabdominellen Druckes schlechter als Erwachsene. jNierenfunktion
Das Pneumoperitoneum beeinträchtigt – wie beim Erwachsenen auch – passager die Nierendurchblutung. Während beim Erwachsenen die Urinproduktion nur leicht vermindert ist, kommt es bei Säuglingen in den ersten 45 min nach Anlage des Pneumoperitoneums zu einer Anurie. Postoperativ ist die Urinausscheidung in den ersten Stunden kompensatorisch erhöht. jCO2-Resorption
Wegen der bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen deutlich größeren peritonealen Oberfläche wird mehr CO2 resorbiert mit der Folge einer Hyperkapnie und einer respiratorischen Azidose. Die Hyperkapnie kann bis zu 3 h postoperativ andauern.
Das Pneumoperitoneum führt zu einer Vasodilatation der Hirngefäße und zu einem Anstieg des intrakraniellen Druckes.
Die Erhöhung des intraabdominellen Druckes begünstigt einen gastroösophagealen Reflux und erhöht das Risiko einer perioperativen Aspiration. Die Auswirkungen des intraabdominellen Druckanstiegs auf die kardiorespiratorische Situation machen sich in den ersten Minuten nach Anlage des Pneumoperitoneums bemerkbar und können vom Anästhesisten durch Änderung der Beatmungsparameter beeinflusst werden. jTemperaturregulation
Nicht angewärmtes CO2 trägt bei Säuglingen und Kleinkindern zur Hypothermie bei.
Lagerung Für abdominelle Eingriffe sollten kleinere Kinder am Fußende des OP-Tisches gelagert werden. Der Patient muss so fixiert werden, dass auch extreme Positionsänderungen des OP-Tisches (Kopftieflage, Seitkippung) möglich sind und keine Lagerungsschäden provozieren.
Pneumoperitoneum Der erste Trokar wird in der Regel infraumbilikal nach bogenförmiger Hautinzision unter Sicht eingeführt. Dazu wird die Faszie dargestellt und zwischen Klemmen eröffnet. Darstellung und Eröffnung des Peritoneums, während der Assistent die Bauchdecke mit Hilfe der Klemmen hoch hält. Anlage einer Tabakbeutelnaht und Einbringen des Trokars. Schiebt man vor Gebrauch eine kurze (3–4 cm lange) Plastikhülse auf den Trokar, so kann man ihn mit einer Naht an der Bauchwand fixieren und nach Bedarf nachjustieren. Die Arbeitstrokare werden nach Stichinzision der Haut unter Sicht eingebracht. In der Kinderchirurgie werden bevorzugt Instrumente mit einem Durchmesser von 3–3,5 mm eingesetzt, bei Säuglingen auch mit 2 mm Durchmesser. Standardisierte laparoskopische und thorakoskopische Eingriffe sind in den 7 Übersichten dargestellt. Standardisierte laparoskopische Eingriffe 4 Magen/Ösophagus – Kardiomyotomie – Fundoplikatio – Pyloromyotomie – Gastrostomie 6
587 13.2 · Thorax
4 Leber, Gallenwege, Milz – Cholezystektomie – Entdeckelung von Leberzysten – Atypische Resektion von gutartigen Tumoren der Leber – Leberbiopsie – Splenektomie 4 Dünndarm, Dickdarm – Jejunostomie – Segmentresektion und Anastomose – Dünndarmatresie – Abtragung eines Meckel-Divertikels – Appendektomie – Wandbiopsien des Dickdarms zur Feststellung intramuraler Ganglienzellen – Dickdarmresektion (z. B. kombiniert laparoskopisch/transanal nach Georgeson/de la Torre bei M. Hirschsprung) – Präparation im kleinen Becken bei hohen anorektalen Fehlbildungen (Blasenhalsfistel, kloakale Fehlbildungen) 4 Urogenitaltrakt – Funikulolyse, besonders bei Kryptorchismus, Fowler/Stephens-Operation – Ligatur der Testikularvenen bei Varikozele – Ovarialzystenpunktion, -detorsion – Ovarbiopsie – Nephrektomie/Heminephrektomie (auch retroperitoneal durchführbar) – Nierenbeckenplastik (auch retroperitoneal durchführbar) 4 Bauchwand – Herniotomie – Adhäsiolyse
Standardisierte thorakoskopische Verfahren 4 4 4 4 4 4 4
Lungenbiopsie Abtragung von Bullae Pleurodese Empyemausräumung Tumorbiopsie Lunge/Mediastinum Duktusverschluss Perikarddrainage
Die Aufmerksamkeit minimal-invasiver Techniken in den Medien hat dazu geführt, dass immer mehr Eltern diese Technik für eine bei ihrem Kind anstehende Operation verlangen. Etablierte MIC-Verfahren müssen den Sorgeberechtigten als Behandlungsalternative angeboten werden.
13.1.5
Instrumentarium
Um ein schonendes Operieren zu gewährleisten und dem kleinen Situs gerecht zu werden, kommen feine zarte Instrumente zum Einsatz. Im Prinzip entsprechen sie denen, die auch für erwachsene Patienten verwendet werden. Als Diathermieansatz wird eine Nadelelektrode bevorzugt. Aus Platzmangel können zur Schonung der Haut und der Organe häufig keine Bauchtücher benutzt werden, deshalb sind die Spatel mit tg-Schlauch bezogen und werden feucht angereicht. Eine Lupenbrille erleichtert das subtile Präparieren feiner Strukturen; ggf. wird der Einsatz eines OPMikroskopes notwendig. Für manche Operationen (z. B. anorektale Anomalie) wird ein Muskelstimulationsgerät benötigt. Als Nahtmaterial werden monofile oder geflochtene synthetische resorbierbare Fäden mit atraumatischer Nadel bevorzugt. Sie erfordern entsprechend feine und leichte, der Nadelgröße angemessene Nadelhalter. Die Hautnähte werden intrakutan gelegt, damit keine Fäden entfernt werden müssen. Wundheilungsstörungen und -infektionen werden nicht durch High-tech-Equipment im OP und nicht durch moderne Antibiotika verhindert, sondern durch Disziplin im OP-Saal und durch eine subtile gewebeschonende OP-Technik. Im Folgenden werden einige Operationen besprochen, die nicht der Vorgehensweise in der Erwachsenenchirurgie entsprechen. Um Überschneidungen zu vermeiden, haben wir Krankheitsbilder und Operationen, die in anderen Kapiteln dieses Buches bereits dargestellt sind, hier nicht wiederholt. Wir erheben mit diesem Kapitel keinen Anspruch auf Vollständigkeit, es soll aber helfen, sich in der Kinderchirurgie zu orientieren.
13.2
Thorax
13.2.1
Ösophagusatresie
Komplikationen
Definition
4 Verletzung von Blutgefäßen und von Darmschlingen, v. a. bei blindem Einbringen der Veress-Kanüle. 4 Mechanische oder thermische Verletzung von parenchymatösen und von Hohlorganen während der Präparation.
Kongenitale Anomalie, bei der die Kontinuität der Speiseröhre vollständig unterbrochen ist. In 90% der Fälle liegt zusätzlich eine Fistel zwischen Speiseröhre und Trachea vor.
13
588
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
Häufigkeit Bei der Häufigkeit von 1 : 2500-3000 sind Jungen dezent häufiger als Mädchen (1,26 : 1) betroffen. Unter den Patienten mit Ösophagusatresie sind Zwillinge 2- bis 3-mal häufiger zu finden als im Normalkollektiv.
Formen der Ösophagusatresie jKlassifikation nach Vogt
(amerikanischer Radiologe, 1929) 4 Oberer Speiseröhrenblindsack, Fistel zwischen unterem Ösophagus und Trachea (Typ IIIb, 86%; . Abb. 13.1c). 4 Fehlen eines unterschiedlich langen Speiseröhrenabschnitts, keine Fistel (Typ II, 8%; s.. Abb. 13.1a). 4 tracheoösophageale Fistel ohne Atresie, sog. H-Fistel (Typ IV, 4%; . Abb. 13.1e). 4 Fistel sowohl zwischen oberem als auch zwischen unterem Ösophagusblindsack und Trachea (Typ IIIc, 1– 2%; s. . Abb. 13.1d). 4 Fistel zwischen oberem Ösophagusblindsack und Trachea (Typ IIIa, 1%; s. . Abb. 13.1b). Die Ösophagusatresie tritt sporadisch auf. Die Pathogenese ist nicht bekannt, als wahrscheinlich gilt eine multifaktorielle Genese. Familiäre Formen sind selten (etwa 1%).
Das Wiederholungsrisiko in einer sonst gesunden Familie beträgt 1% und steigt auf 20%, wenn mehrere Geschwister betroffen sind.
Zusätzliche Anomalien Mehr als 50% der Kinder haben eine oder mehrere zusätzliche Anomalien (Herzfehler, urogenitale, vertebrale, gastrointestinale Fehlbildungen, anorektale Anomalien). Von den Patienten sind 20% Frühgeborene. Eine Kombination typischer Anomalien ist die VACTERL-Assoziation (»vertebral, anal, cardiac, tracheo, esophageal, renal, limb anomalies«). Nach der 18. SSW ist die pränatale Diagnose durch Sonographie möglich durch die Kombination von Polyhydramnion der Mütter mit kleiner oder fehlender Magenblase bei Atresie ohne Fistel und sichtbarem oberem Blindsack.
Klinische Symptome Vermehrter teils schaumiger Speichelfluss nach der Geburt, der häufig abgesaugt werden muss; der Ösophagus ist für eine Sonde nicht durchgängig, vielmehr kommt es zu einem Stopp nach 8–12 cm. Die Verlegung der Speiseröhrenlichtung führt zu einer laryngotrachealen Aspiration: Der verschluckte Speichel sammelt sich im oberen Blindsack bis zum Überlaufen und wird in die Lunge aspiriert.
13
. Abb. 13.1 a–e Ösophagusatresieformen. a Typ II: Segmentäre Atresie ohne Fistel. b Typ IIIa: Ösophagusatresie mit oberer Fistel. c Typ IIIb: Ösophagusatresie mit unterer Fistel. d Typ IIIc: Ösophagus-
atresie mit oberer und unterer Fistel. e Typ IV: Isolierte tracheoösophageale Fistel (sog. H-Fistel). Häufigkeit siehe Text
589 13.2 · Thorax
Folge sind Zyanoseanfälle, Atemnot und zunehmende Dyspnoe. Durch die Fistel zwischen unterem Blindsack und Trachea gelangt mit jedem Atemzug Luft nicht nur in die Lunge, sondern auch in den Magen. Der Magen wird überdehnt, das Neugeborene »erbricht« sich in seine eigene Lunge mit nachfolgender »chemischer Pneumonie« wegen der hohen Azidität des Magensekrets im Neugeborenenalter. Bei Frühgeborenen mit einer Ösophagusatresie kann in den Magen gelangte Luft zur Magenruptur mit Pneumoperitoneum führen. Dadurch wird die respiratorische Situation des Frühgeborenen weiter verschlechtert.
Diagnose 4 Sondenprobe (10 Charr). 4 Röntgen (Thorax mit Abdomen): 5 Kontrastgebende Sonde in den oberen Blindsack einführen (Kontrast durch Sonde selbst oder durch Luftinsufflation). 5 Luft im Magen beweist eine Fistel zwischen Trachea und dem unteren Ösophagus. 5 Ausschluss weiterer Fehlbildungen (Herz, Wirbelsäule, Rippen). 5 Ausschluss einer Aspirationspneumonie.
Erstversorgung und Transport 4 Dicke Magensonde, möglichst doppelläufig, in den oberen Blindsack einführen und an Dauersog [–10 bis –20 Pa (–0,1 bis –0,2 mbar)]1 anschließen (Schlürfsonde zum Ausschluss einer Aspiration). 4 Nicht füttern! 4 Lagerung: Oberkörper erhöht (45°), um den Reflux von Magensaft zu verhindern. 4 Keine Maskenbeatmung (führt zu Distension des Magens und zu gastroösophagealem Reflux über die Fistel in die Lunge). Die Eltern müssen über die Fehlbildung und ihre Konsequenzen ausführlich informiert werden.
Präoperative Maßnahmen Weitere Fehlbildungen ausschließen (Echokardiographie zum Ausschluss eines Herzfehlers bzw. einer rechts deszendierenden Aorta). Infusion, Antibiotikatherapie, Säure-Basen-Haushalt ausgleichen, Vitamin-K-Gabe i.m., Körpertemperatur normalisieren. Operation innerhalb von 12 (–48) h ist in den meisten Fällen elektiv möglich. Einzelne Autoren befürworten eine präoperative Tracheoskopie, da die Lokalisation der Fistel Rückschlüsse auf den Abstand zwischen oberem und unterem Ösophagusstumpf erlaubt.
Operation kPrinzip
4 Extrapleurales Vorgehen, Verschluss der Fistel, Herstellung der Speiseröhrenkontinuität durch End-zuEnd-Anastomose (primär oder sekundär) 4 Bei langstreckiger Atresie zusätzliche Gastrostomie zur enteralen Ernährung. kLagerung
4 Wärmematte. 4 Linksseitenlage; rechter Arm liegt auf dem Kopf, Gelrolle unter den Thorax und zwischen die Beine. 4 Neutrale Elektrode am Oberschenkel. 4 Schutz vor Wärmeverlusten (7 Abschn. 13.1.1). kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium, Kochsalzschale, Thoraxsperrer, Teflonspatel, diverse Overholts, Dissektor, Mini-Präpariertupfer, Vessel-Loops, Saugerschlauch mit kleinem Ansatz, Fibrinkleber, Spritze (5 ml), Kanüle Nr. 1 und Nr. 17, Ropivacain, Magensonde 5 Charr, Resorbierbares Nahtmaterial: 5–0 oder 6–0, lange Fäden 4–0. Ösophagusatresie 7 Dorsolaterale Thorakotomie rechts im 4. Interkostalraum (7 Kap. 6 Thoraxchirurgie). 7 Extrapleurale Darstellung des hinteren Mediastinums. 7 Die V. azygos wird zwischen doppelten Ligaturen durchtrennt. 7 Der obere Ösophagusblindsack lässt sich mit Hilfe der präoperativ gelegten Sonde, die vom Anästhesisten bewegt wird, leicht darstellen. Er wird mit einem Haltefaden versehen (. Abb. 13.2). 7 Zum kaudalen Ösophagus führt der N. vagus. Der (meist hypoplastische) untere Ösophagus wird mit dem Overholt unterfahren, mit einem VesselLoop angeschlungen und unter Schonung seiner Blutversorgung und der Vagusäste bis zur Einmündung in die Tracheahinterwand freipräpariert. 6
1
Umrechnungsfaktor: 100.000 entspricht 1 bar =105 Pa.
13
590
13
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
7 Nach Legen von Haltenähten (6–0, atraumatisch resorbierbar) an dem kranialen und kaudalen Fistelrand wird die Fistel schrittweise durchtrennt. 7 Von der Fistelöffnung wird ein Abstrich zur bakteriologischen Untersuchung entnommen. 7 Fistelverschluss (. Abb. 13.3) durch hin- und zurück fortlaufende Naht unter Verwendung der zuvor gelegten Haltenähte, die jeweils mit der gegenüberliegenden Naht verknüpft werden; die Trachea darf weder verletzt noch eingeengt werden. Der Fistelverschluss wird durch Wasserprobe auf Luftdichtigkeit geprüft. Ein Trachealdivertikel muss möglichst vermieden werden. 7 Oberer und unterer Ösophagusblindsack werden sparsam mobilisiert (. Abb. 13.4). Eine evtl. vorhandene obere Fistel wird durchtrennt und verschlossen. Bei einem Abstand von weniger als 15 mm ist im Allgemeinen eine spannungsfreie primäre Anastomose möglich. 7 Durch Exzision eines etwa glasstecknadelkopfgroßen Areals an seinem kaudalen Ende wird der obere Blindsack eröffnet. Die Ösophaguskontinuität wird durch einreihige End-zu-End-Anastomose mit resorbierbaren Einzelknopfnähten (6–0) hergestellt. 7 Nach Legen der Ecknähte werden zunächst die Hinterwandnähte gelegt und nach allmählicher Approximation der Stümpfe geknüpft. 7 Die präoperativ gelegte Sonde wird durch eine 5Charr-Magensonde ersetzt und diese – transnasal gelegte Sonde – über die Anastomose unter Sicht in den unteren Ösophagus und weiter in den Magen geschoben. Naht der Vorderwand. 7 Eine Anastomose unter Spannung ist möglich, in diesem Fall ist eine Thoraxdrainage zu empfehlen. 7 Zwischen Trachea und Ösophagus kann ein etwa linsengroßes Muskelstückchen aus der Brustwandmuskulatur interponiert und mit einem Tropfen Fibrinkleber in Höhe des Fistelverschlusses fixiert werden. 7 Kontrolle auf Bluttrockenheit. 7 Interkostalblock durch paravertebrale Infiltration der an die Thorakotomie angrenzenden Interkostalnerven mit Ropivacain. 7 Zählkontrolle und Dokumentation. 7 Nach Legen von Perikostalnähten (4–0) wird die Lunge unter der intakten parietalen Pleura vorsichtig gebläht und vollständig entfaltet. 7 Die Perikostalnähte werden so geknüpft, dass ein Interkostalraum erhalten bleibt. Naht der Interkostalmuskulatur mit 6–0-Einzelknopfnähten. Schichtweise Adaptation der Brustwandmuskulatur. Subkutannaht. 7 Hautverschluss durch fortlaufende Intrakutannnaht mit atraumatischem resorbierbarem Faden (6–0).
. Abb. 13.2a, b Operation der Ösophagusatresie: Freilegung des kranialen und kaudalen Speiseröhrensegments über einen extrapleuralen Zugang. a Ablösen der Pleura vom kranialen Speiseröhrensegment. b Freipräparation der Einmündung des unteren Speiseröhrensegments in die Trachea. Die Enden beider Segmente sind mit Haltefäden versehen
Bei gleichzeitig bestehendem zyanotischem Herzfehler wird dieser meist zuerst korrigiert. Bei sehr unreifen Frühgeborenen ist gelegentlich ein zweizeitiges Vorgehen notwendig. In einem ersten Schritt wird die Fistel zwischen Ösophagus und Trachea verschlossen, die Anastomosierung folgt einige Tage später in einer 2. Sitzung. In einigen spezialisierten Zentren ist eine thorakoskopische Korrektur der Ösophagusatresie möglich.
Langstreckige Atresie Stets ist die Anlage eines Gastrostomas notwendig, entweder nach Witzel (Chirurg, Düsseldorf, 1856–1925) oder Kader (Chirurg, Breslau, 1863–1937) zur enteralen Ernährung. Es gibt keine einheitliche Definition, bei welchem Abstand von einer langstreckigen Ösophagusatresie gesprochen
591 13.2 · Thorax
werden kann. Bei einem Abstand von mehr als 2 Wirbelkörpern ist eine primäre Anastomose nicht mehr möglich. Dann ergeben sich die in . Abb. 13.5 dargestellten Optionen.
Postoperative Behandlung
. Abb. 13.3 Verschluss der ösophagotrachealen Fistel
4 Röntgenaufnahme des Thorax (Pneumothorax? Atelektasen? Mediastinalverschiebung? Lage der Magensonde?). 4 Falls eine Anastomose unter Spannung angelegt wird: 5 Lagerung des Kindes mit ventral gebeugtem Kopf. 5 Relaxation und Beatmung für etwa 5 Tage. 4 Regelmäßiges schonendes Absaugen des oberen Ösophagus. 4 Magensonde für 36 h offen ablaufend, nicht ziehen, nicht wechseln. 4 Einlauf 24 h postoperativ. 4 Nahrungsaufbau nach 36 h beginnen. 4 Antazida in den ersten 7 Tagen postoperativ (wegen gastroösophagealem Reflux). 4 Lunge optimal mobilisieren: Kind regelmäßig umlagern, Vibrationsmassage des Thorax. 4 Möglichst frühzeitige Extubation. 4 Kontrastmitteldarstellung des Ösophagus zwischen dem 7. und 10. postoperativen Tag.
Prognose Die Überlebenschance ohne zusätzliche lebensbedrohliche Anomalien beträgt fast 100%.
13.2.2
Ligatur des Ductus arteriosus Botalli
Definition Symptomatische Persistenz einer für den Fetalkreislauf charakteristischen Verbindung zwischen A. pulmonalis und deszendierender Aorta (persistierender Ductus arteriosus, PDA). Das Blut der A. pulmonalis fließt an der Lunge vorbei direkt in die Aorta.
Anatomie Der Ductus arteriosus Botalli (erstmals beschrieben von Galen, griechischer Arzt, Rom, 129–199 n. Chr.; heute benannt nach Botallo, Anatom und Chirurg, 1530 – ca. 1571) verbindet beim Fetus die Pulmonalarterie mit der Aorta descendens, in die er distal des Abgangs der linken A. subclavia einmündet.
Pathophysiologie . Abb. 13.4a, b Mobilisation des kranialen und kaudalen Speiseröhrensegments. a Scharfes Abtrennen des kranialen Blindsacks von der Pars membranacea der Trachea. b Annähern der beiden Speiseröhrensegmente zur Uberprüfung der zu überbrückenden Distanz
Im fetalen Kreislauf leitet der Ductus arteriosus das vom rechten Ventrikel ausgeworfene Blut aus der Pulmonalarterie an der nichtbelüfteten Lunge vorbei in die Aorta descendens; von dort gelangt es zum Gasaustausch in die Pla-
13
592
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
. Abb. 13.5 Therapieoptionen bei langstreckiger Atresie
13
zenta. Mit dem ersten Atemzug öffnet sich die Lungenstrombahn. Die Flussrichtung des Blutes im Ductus kehrt sich um, weil der systemische Gefäßwiderstand jetzt höher ist als der pulmonale. Der ansteigende Sauerstoffpartialdruck des jetzt durch den Ductus fließenden arteriellen Blutes führt über eine Kontraktion der Ductusmuskulatur innerhalb von Stunden und Tagen zu einem zunächst funktionellen Verschluss, der innerhalb von 2–3 Wochen bis zu 3 Monaten definitiv obliteriert. Je unreifer ein Neugeborenes ist, desto schwächer reagiert die Ductusmuskulatur auf postnatale Kontraktionsreize. Der dann persistierende Links-Rechts-Shunt führt zur Überfüllung der Lungenarterien, zu einer Belastung des (rechten) Herzens und schließlich zu einer Minderperfusion der Organe des großen Kreislaufs, besonders des Mesenterialkreislaufs (Risiko einer nekrotisierenden Enterokolitis) und des Gehirns (Risiko einer Hirnblutung). Die daraus resultierende Hypoxie des den Ductus durchfließenden Blutes unterhält seine Persistenz und etabliert so einen Circulus vitiosus.
4 niedriger Blutdruck, 4 große Blutdruckamplituden (mit niedrigem diastolischem Druck, »springender« Puls), 4 präkordiale Herzaktion, 4 Systolikum, 4 generalisierte Ödeme.
Diagnose Die Diagnose kann durch Farbdopplersonographie gestellt werden, die die Flussrichtung des Blutes im Ductus feststellen und die Flussgeschwindigkeit des Blutes in den großen Arterien des Gehirns, des Mesenterium und der Nieren messen kann. Die Indikation zur Behandlung wird aufgrund klinischer Kriterien gestellt.
Therapie Die Therapie obliegt i. Allg. den Kardiochirurgen (7 Kap. 7).
13.2.3
Angeborener Zwerchfelldefekt
Symptome Klinische Hinweise auf einen PDA können sein: 4 Verschlechterung der Beatmungsparameter, 4 erhöhter Sauerstoffbedarf, 4 Tachykardie, 4 Vergrößerung der Leber,
Definition Angeborene Zwerchfelllücke mit Verlagerung von Abdominalorganen in den Thorax. Hypoplasie besonders der gleichseitigen Lunge.
593 13.2 · Thorax
Die Prognose hängt wesentlich vom Grad der gleichzeitig bestehenden Entwicklungsstörung der Lunge ab, der Lungenhypoplasie. Die Lunge entwickelt sich nicht über das Stadium der 14.–16. Schwangerschaftswoche hinaus. Das bedeutet für das Neugeborene unzureichenden Gasaustausch (Hyperkapnie), erhöhte Empfindlichkeit für ein Barotrauma (Pneumothoraxrisiko) sowie pulmonale Hypertonie wegen der hypoplastischen Lungenstrombahn: PPHN-Syndrom (persistierende pulmonale Hypertonie des Neugeborenen) mit Rechts-Links-Shunt über das Foramen ovale bzw. den Ductus arteriosus und Hypoxämie. Es entwickelt sich ein Circulus vitiosus mit Hypoxie, Hyperkarbie und Azidose. Zusätzlich kann die Mediastinalverlagerung zu einem verminderten venösen Rückstrom zum Herzen (Volumenmangelschock) führen.
Pathogenese . Abb. 13.6 Bochdalek-Hernie links. (Nach Holschneider u. Wischermann 1993)
Häufigkeit 4 1 : 2000-3000 Lebendgeburten. 4 Geschlechterverhältnis männlich : weiblich = 1–2 : 1. Über 50% der pränatal diagnostizierten Feten mit angeborenen Zwerchfellhernien sterben intrauterin. Auch postnatal hat der angeborene Zwerchfelldefekt eine Mortalität von 30–60%.
Formen Lokalisation: 4 Posterolateral: Bochdalek-Hernie (. Abb. 13.6; >85% links, 12% rechts, <1% beidseits; in 10–20% mit Brucksack; benannt nach Bochdalek, Anatom, Prag, 1801–1883). 4 Anterolateral: Morgagni-Hernie (2% aller Zwerchfellhernien, häufiger rechts, 15–30% beidseits, meist mit Bruchsack; benannt nach Morgagni, Anatom, Padua, 1682–1771) 4 Paraösophageal: Hiatushernie (meist erworben). Ein Bruchsack ist nur in 10–20% der Fälle vorhanden. Nur dann kann von einer »Hernie« gesprochen werden. In den meisten Fällen handelt es sich um einen Prolaps, d.h. der Bruchsack fehlt. Praktisch alle Organe des Bauchraums können in den Thorax verlagert sein, besonders Dünnund Dickdarm, Milz, Magen, (linker) Leber(lappen) und linke Niere. Die Folgen sind eine Kompression der gleichseitigen und – infolge Mediastinalverschiebung – auch der kontralateralen Lunge, eine Rotationsanomalie des Darms (Nonrotation) und eine zu kleine Bauchhöhle.
Die Pathogenese ist nicht geklärt. Angeborene Zwerchfelldefekte treten sporadisch auf. Einzelne familiär gehäufte Fälle sind beschrieben. Die Entwicklung des Zwerchfells ist am Ende der 8. SSW abgeschlossen. Die Verlagerung von Bauchorganen in den Thorax beginnt zwischen der 10. und 12. SSW und kann wechselnde Ausmaße annehmen.
Begleitfehlbildungen Begleitfehlbildungen (bei 15–35%) betreffen das Herz und den Aortenbogen, Chromosomenanomalien, das ZNS, die Lunge (Sequestration) und die Rotationsanomalie des Darms (Nonrotation). Eine pränatale Diagnose ist möglich und sollte die Verlegung der Schwangeren in ein entsprechend erfahrenes Perinatalzentrum veranlassen.
Symptome Die klassischen Symptome nach der Geburt sind Zyanose, Atemnot und Verschiebung des Herzens nach rechts. Sie können progredient sein, weil mit jedem Atemzug einerseits mehr Bauchinhalt in den Thorax gesaugt wird, andererseits die Hernie durch geschluckte Luft an Volumen zunimmt. Weitere Symptome sind ein kahnförmig eingesunkenes (leeres) Abdomen, ein einseitig (meist links) vergrößerter »athletischer« Thorax, ein abgeschwächtes Atemgeräusch links (evtl. Darmgeräusche links) und rechts auskultierbare Herztöne. Treten in den ersten 12–24 h keine Symptome auf (5%), ist die Prognose gut. Bei älteren Kindern stehen gastrointestinale Symptome im Vordergrund.
Diagnose Die Diagnose wird durch eine Röntgenaufnahme des Thorax gestellt, die luftgefüllte Darmschlingen im Thorax, eine Mediastinalverschiebung sowie ggf. eine innerhalb des Thorax seitlich umbiegende Magensonde zeigt.
13
594
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
Präoperative Notfallmaßnahmen Präoperative Notfallmaßnahmen auf der neonatologischen Intensivstation sind: 4 Magensonde mit Dauersog, 4 Lagerung auf der kranken Seite, Fußtieflage, 4 keine Maskenbeatmung, 4 endotracheale Intubation nach Sedierung und Relaxation, 4 Volumensubstitution, 4 Hyperventilation, 4 Behandlung der PPHN.
7
7
Operation kZeitpunkt
In der Regel 12–24 h nach Stabilisierung des Kindes: stabile Lungenstrombahn, keine Zeichen eines PPHN-Syndrom (d. h. im Alter von 14 h bis 6 Tagen). ! Dabei ist an das Risiko der Darminkarzeration und -nekrose zu denken!
7
kPrinzip
Beseitigung des Enterothorax und Verschluss des Zwerchfelldefektes. kLagerung
4 4 4 4
13
OP-Saal auf 32°C vorheizen, Wärmematte. Schutz vor Wärmeverlusten (7 Abschn. 13.1.1). Rückenlage mit Polster in Höhe der unteren Rippen. Neutrale Elektrode am linken Oberschenkel.
7
7 7
kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumente, Bauchinstrumentarium, Kochsalzschale, Saugerschlauch mit kleinem Ansatz, Lidhaken, Baby-Roux, Bauchtücher, Spritze (10 ml), Holzspatel, biologisch degradierbares Gewebeimplantat bereithalten, 4 Pleuradrainage 12 Charr bereit halten 4 Nahtmaterial: 3–0, 4–0 und 5–0 resorbierbar. Verschluss des Zwerchfelldefektes 7 Eröffnung der Bauchhöhle durch Kausch-Schnitt links (Schrägschnitt im linken Oberbauch). 7 Einstellen des posterolateralen Zwerchfelldefektes und vorsichtige Reposition des Enterothorax 6
7
(. Abb. 13.7a–g). Darstellung des Zwerchfelldefektes. Vorhandenen Bruchsack abtragen (leicht zu übersehen o Residualzyste o Lungenkompression). Durch den Defekt hindurch kann man in der Pleurakuppel die linke Lunge sehen. Keine Pleuradrainage! Sie könnte das Barotrauma der gleichseitigen Lunge verschlimmern! Die dorsale Zwerchfellanlage lässt sich meist erst nach Inzision des parietalen Peritoneums darstellen. (Linke Niere sicher kaudal des Zwerchfells?) Wenn die vorhandene ventrale und dorsale Zwerchfellanlage ausreicht, wird der Defekt unter Erhaltung der Zwerchfellkuppel spannungsfrei mit U-Nähten verschlossen und durch zusätzliche Einzelknopfnähte gesichert (3–0, atraumatisch resorbierbar). Keine Zwerchfellplastik, sondern großzügiger Gebrauch von Zwerchfellersatz (z. B. mit einem kegelförmigen Patch aus biologisch degradierbarem Material; . Abb. 13.8); dabei allerdings erhöhte Komplikationsrate: Dehiszenz, Rezidiv, persistierender Hydrothorax. Revision des Dünn- und Dickdarms. Die Darmschlingen werden – ggf. nach vorsichtiger manueller Dehnung der Bauchdecken – geordnet in die Bauchhöhle zurückverlagert. Zählkontrolle und Dokumentation. Die Laparotomiewunde wird schichtweise verschlossen (Einzelknopf- oder fortlaufende Nähte mit resorbierbaren Fäden 5–0). (Wenn dies nicht spannungsfrei möglich ist, wird nur die mobilisierte Haut verschlossen.) Hautverschluss durch fortlaufende Intracutannaht (resorbierbare Fäden 6– 0, atraumatisch). Verband.
In einzelnen hochspezialisierten Zentren werden für ausgewählte Fälle intrauterine Behandlungsmethoden angewandt.
Postoperative Behandlung 4 Magensonde offen ablaufend. 4 Röntgenaufnahme des Thorax (Mediastinum mittelständig?). 4 Beatmung mit niedrigem Druck fortsetzen.
Komplikationen 4 chronische neonatale Lungenkrankheit, 4 gastroösophagealer Reflux, 4 Bridenileus (ca. 20%),
595 13.2 · Thorax
a d
b
e
f
c
g
. Abb. 13.7 a–g Operation einer Bochdalek-Hernie links (nach Duhamel). a Hautinzision, b Situs eventeriert, Zwerchfelldefekt mit Bauchorganen, c Defekt nach Reposition der Bauchorgane, d Präparation der
dorsalen Zwerchfellanlage, e vorgelegte Nähte, f Verschluss des Defektes mit Matratzennähten, g zusätzliche Einzelknopfnähte zur Sicherung (nach Rickham 1969)
4 4 4 4 4
Überlebenschancen
Rezidiv (5–22%), Gedeihstörung, Entwicklungsretardierung, neurologisches Entwicklungsdefizit in 40%, Thoraxdeformität (Trichterbrust, ca. 30%), Hörminderung (hörhilfebedürftig, besonders nach ECMO).
Unterstützung der Lungenfunktion durch extrakorporale Membranoxygenisation (ECMO, . Abb. 13.9) kann die Überlebenschancen um 15–20% verbessern. Risiken sind Hirnblutung, Lungenblutung, Blutung im OP-Gebiet, Infektionen.
13
596
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
. Abb. 13.8 Operation einer Bochdalek-Hernie links: Verschluss des Zwerchfelldefektes mit Implantat. (Nach Willital 1981)
13.2.4
Trichterbrust
Definition Kongenitale oder erworbene Einziehung der vorderen Brustwand. Sekundär nach Eingriffen an der Brustwand oder am Zwerchfell, bei schrumpfenden Pleuraprozessen oder bei Kyphoskoliose.
Häufigkeit
13
4 1 : 1000, 4 genetische Disposition in ca. 30% der Fälle, 4 Jungen bevorzugt (männlich : weiblich = 3 : 1).
. Abb. 13.9 Schemazeichnung des ECMO-Kreislaufsystems. (Nach Heaton et al. 1988)
4 wachstumsabhängige Progredienz, 4 subjektive Beschwerden selten korrelierbar mit den objektiven Befunden.
Diagnostik 4 Röntgenaufnahme des Thorax in 2 Ebenen mit Messlatte, Trichter markieren (a.-p.: Mediastinalverlagerung, seitlich: sternovertebraler Abstand verringert – Verhältnis Längsdurchmesser zu Querdurchmesser pathologisch verändert). 4 EKG (P dextrokardiale). 4 Lungenfunktionsprüfung. 4 Marfan-Syndrom ausschließen (benannt nach Marfan, Pädiater, Paris, 1858–1942).
Ursachen Die Pathogenese ist unklar; es werden im Wesentlichen folgende Theorien diskutiert: 4 primäre Missbildung des Knorpels am sternokostalen Übergang (sternokostale Dysplasie), 4 ein pathologischer Ansatz des Lig. substernale, des Zwerchfells und/oder der Rektusmuskulatur.
Formen 4 Tiefer Trichter des Brustbeins in Höhe 4.–5. Rippe. 4 Flacher breitbasiger Trichter, in Höhe der 1. Rippe beginnend. 4 Asymmetrischer Trichter. 4 Trichterbrust kombiniert mit Kyphose/Kyphoskoliose der BWS.
Klinik 4 4 4 4
Asthenischer Körperbau, Haltungsschwäche, Kyphose, Skoliose (15%),
Therapie Konservativ durch Haltungsgymnastik (prä- und postoperativ; Schwimmen)
Operation kIndikation
4 Medizinische Indikation nur bei hämodynamisch wirksamer Raumforderung oder bei Beeinträchtigung der Lungenfunktion (sehr selten). 4 Kosmetische Indikation bei Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls. 4 OP-Alter umstritten (Störung des Knochenwachstums bei Korrektur vor der Pubertät) 4 Nur höhergradige kardiorespiratorische Störungen können durch die Operation positiv beeinflusst werden. 4 Bis zu 40% Rezidive 10 Jahre postoperativ. kPrinzip
4 Rein kosmetische Operationen beschränken sich auf den Ausgleich des Weichteilprofils.
597 13.3 · Abdomen
4 Knöcherne Korrekturverfahren nach Rehbein und nach Ravitch: alle Muskel- und Bindegewebsansätze vom knöchernen Trichter ablösen, Exzision des deformierten Rippenknorpels und des Xiphoids; Überkorrektur und Schienung mit Metallimplantaten. 4 Heute hat sich das minimal-invasive Verfahren ohne Knorpelresektion, von Nuss beschrieben, zum Standardverfahren entwickelt (auch 7 Kap. 6).
Komplikationen 4 4 4 4 4 4
Wundinfektion. Hämoperikard. Pneumothorax. Rezidiv. Wachstumstörung des knöchernen Thorax. Die stabilisierenden Metallspangen müssen später wieder entfernt werden (6 Monate bei offener Korrektur, 2–4 Jahre nach Nuss-Prozedur).
. Abb. 13.10 Hypertrophe Pylorusstenose. (Nach Dudgeon 1993)
mit Appetitlosigkeit einher. Der Säugling trinkt sofort nach dem Erbrechen gierig. Durch mangelnde Nahrungsverwertung kommt es zu Gewichtsstillstand oder Gewichtsabnahme; durch Wasser- und Elektrolytverluste zu Exsikkose und zu einer hypochlorämischen Alkalose. Pseudoobstipation infolge reduzierter Stuhlmenge.
Diagnose 13.3
Abdomen
13.3.1
Hypertrophe Pylorusstenose
Definition Subtotaler Verschluss des Magenausgangs durch Hypertrophie und Fibrosierung der präpylorischen Antrummuskulatur.
Typische Erkrankung des Säuglings im 1. Trimenon.
Häufigkeit 4 1 : 100–300. 4 Geschlechterverhältnis männlich : weiblich = 4 : 1.
Die Diagnose wird aufgrund der typischen Anamnese, des in der Regel tastbaren Pylorustumors und der »Magenreste« gestellt. Sonographisch ist eine typische »PylorusKokarde« nachweisbar (Pyloruswanddicke 3 mm, Länge des Pyloruskanals 15 mm), laborchemisch hypochlorämische Alkalose.
Operation Im Folgenden werden die OP-Bedingungen und der OPVerlauf für die Pyloromyotomie nach Weber-Ramstedt (erstmals durchgeführt im Jahr 1911; benannt nach Weber, Chirurg, Dresden 1872–1928, und Ramstedt, Chirurg, Münster, 1867–1963) beschrieben. In der Regel wird diese Operation laparoskopisch durchgeführt. Präoperativ muss der Magen über eine Magensonde entleert werden.
Ätiologie Nicht geklärt. Genetische Faktoren gesichert, exogene Faktoren wahrscheinlich, aber nicht bewiesen.
Pathologische Anatomie Pylorusmuskulatur (Ringmuskulatur) spindelig vergrößert (durchschnittlich ca. 3 × 1,5 cm), knorpelhart. Aboral reicht der Pylorustumor zapfenartig ins Duodenum, oral geht er fließend in die Antrummuskulatur über. Die Pyloruslichtung ist bis auf ein fadenförmiges Restlumen eingeengt, der Magen ektatisch (. Abb. 13.10).
Symptome Nach primär unauffälligem Verlauf explosionsartiges Erbrechen »im Strahl«, in der 2.–4. Lebenswoche beginnend. Das Erbrochene ist nie gallig, kann aber bräunlich oder mit Blutfäden durchmischt sein. Es geht weder mit Fieber noch
kIndikation
4 Nach erfolgloser konservativer Behandlung. 4 Keine Notfalloperation: Flüssigkeitsdefizit und Veränderungen des Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushaltes müssen präoperativ ausgeglichen sein. kPrinzip
Längsspaltung der Pylorusmuskulatur bis auf die Submukosa ohne Verletzung der Schleimhaut. kLagerung
4 4 4 4 4
Wärmematte. Rückenlage. Unterer Thorax leicht unterpolstert. Neutrale Elektrode am Oberschenkel. Schutz vor Wärmeverlusten (7 Abschn. 13.1.1).
13
598
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
kInstrumentarium
4 4 4 4
Grundinstrumente, Kinderlaparotomieinstrumente, kleine Lidhäkchen, lange anatomische Pinzette oder WangensteenPinzette, 4 stumpfes gebogenes Klemmchen, 4 monopolare Stichelelektrode, 4 Nahtmaterial: resorbierbar 3–0 (für Lig. umbilicale), 5–0. Pyloromyotomie nach Weber-Ramstedt, Ramstedt (offen chirurgisch)
13
7 Kleine quere Oberbauchinzision (3 cm) rechts in der Mitte zwischen Nabel und Xiphoid. 7 Längsspaltung des M. rectus abdominis. 7 Eröffnung der Bauchhöhle. (Alternativ ist auch ein trans- oder supraumbilikaler Zugang möglich.) 7 Der zwischen Inzision und Magen gelegene Leberrand wird mit einem Spatel weggehalten. Der Magen muss leer sein. 7 Das Antrum wird an der großen Kurvatur mit einer breiten stumpfen Pinzette gefasst. 7 Durch Aufhalten des rechten Wundwinkels mit einem Lidhäkchen kann der Pylorustumor ins Wundgebiet vorgelagert werden (nicht mit Pinzette!), wenn man gleichzeitig den Magen vorsichtig nach links zieht. 7 Der Operateur fixiert den Pylorus mit einer ausgezogenen feuchten Kompresse zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand. (Alternativ kann der Pylorustumor auch in der Bauchhöhle belassen und mit 2 parallel zur Darmachse gelegten Haltenähten fixiert werden. 3–0 Naht mit atraumatischem, monofilem nichtresorbierbarem Faden). 7 Die Seromuskularis des Pylorustumors wird in der gefäßarmen Zone antimesenterial mit dem Skalpell bis etwa in Höhe der Pylorusvene inzidiert. Die Inzision wird mit dem Ende des Skalpellgriffs vertieft und durch Spreizen eines stumpfen, gebogenen Klemmchens so weit erweitert, bis die der Muskularis zugewandten Seite der Submukosa freiliegt und breit in die Inzision prolabiert (. Abb. 13.11). Die Inzision reicht oral bis 1 cm über den Pylorustumor hinaus. 7 Am Übergang zum Duodenum ist Vorsicht geboten. Um eine versehentliche Verletzung der Schleimhaut mit Eröffnung des Duodenums zu vermeiden, sollten die hier gelegenen Pylorusfasern nur stumpf durchtrennt (oder belassen) werden. 6
7 Die Durchtrennung der aboralen Pylorusfasern kann dadurch erleichtert werden, dass der Assistent mit einem feuchten Präpariertupfer die bereits freiliegende Magensubmukosa nach oral hin wegzieht. 7 Zur Entspannung der starren Schnittränder können zusätzliche kleine quere Inzisionen gelegt werden. 7 Sorgfältige Blutstillung mit der bipolaren Mikrokoagulationspinzette. 7 Rückverlagerung des Pylorus in die Bauchhöhle. 7 Zählkontrolle und Dokumentation. 7 Verschluss des Peritoneums mit Einzelknopfnähten (resorbierbar 5–0). 7 Schichtweiser Wundverschluss. Subkutannaht. 7 Hautverschluss durch fortlaufende Intrakutannaht mit atraumatischem resorbierbarem Nahtmaterial (5–0). Verband. 7 Entfernen der Magensonde.
! Die Muskulatur muss vollständig durchtrennt sein, aber eine Verletzung der Duodenalschleimhaut darf auf keinen Fall übersehen werden. Die Folge wäre eine gallige Peritonitis (evtl. durch Luftinsufflation über die Magensonde prüfen). Gegebenenfalls ist eine quere Übernähung mit resorbierbarem (6–0 atraumatisch) Nahtmaterial notwendig, die durch Einschlagen eines Netzzipfels zusätzlich gesichert werden kann.
. Abb. 13.11 Pyloromyotomie: extramuköse Spreizung der durchtrennten Pylorusmuskulatur. (Nach Lobe 1995)
599 13.3 · Abdomen
Laparoskopische Pyloromyotomie 7 Lagerung des Kindes am Fußende des OP-Tisches (. Abb. 13.12). 7 Bogenförmige Eröffnung der Haut infraumbilikal. Schrittweise Darstellung und Eröffnung der Faszie und des Peritoneums. 7 Legen einer Tabakbeutelnaht (Faszie und Peritoneum). 7 Einbringen und Fixieren eines 5-mm-Trokars für Optik und Kamera. Anlage des Pneumoperitoneums (maximaler Insufflationsdruck 8 mm Hg). Einbringen zweier Arbeitstrokare (3,5 mm) nach Stichinzision im rechten und linken Oberbauch unter videoskopischer Sicht. Diese Trokare werden mit einer Naht fixiert, die die Bauchwand und den bauchwandnahen Rand einer zuvor auf den Trokar geschobenen Silikonhülse fasst (3–0; . Abb. 13.13). 7 Fixierung des Magens oral des Pylorustumors mit einer vom linken Oberbauch eingebrachten atraumatischen Zange und Inzision der Serosa über dem verdickten Pylorus mit dem endoskopischen Messer in gleicher Weise wie bei der offenen Operation. 7 Schnittvertiefung stumpf z. B. mit der Hülse des endoskopischen Messers. Einbringen des Pylorusspreizers von rechts, mit dem die Pyloromyotomie vervollständigt wird. Kontrolle auf vollständige Durchtrennung aller Muskelfasern. 7 Insufflation von Luft in den Magen durch den Anästhesisten über die liegende Magensonde zum Ausschluss einer Schleimhautverletzung. Aufheben des Pneumoperitoneums und Entfernen der Trokare. 7 Naht der Faszie (resorbierbar 4–0) und der Haut am umbilikalen Zugang. Hautverschluss der übrigen Zugänge mit Klammerpflastern. Entfernung der Magensonde.
Hinsichtlich der OP-Dauer und der Ergebnisse unterscheidet sich die minimal-invasive Pyloromyotomie nicht wesentlich von der offenen. Die Patienten sollen postoperativ weniger erbrechen, die Nahrung früher vertragen und weniger Schmerzen haben. Andererseits ist die Rate sowohl der unvollständigen Myotomie als auch der versehentlichen Schleimhauteröffnung höher.
Komplikationen 4 Aspirationspneumonie, 4 Verletzung der Duodenalschleimhaut 6–10%,
. Abb. 13.12 Ergonomisch optimale Anordnung des Operationsteams bei Oberbaucheingriffen des Neugeborenen: Der Operateur steht am Fußende des Operationstisches (O = Operateur; A1 = 1. Assistent; A2 = 2. Assistent; S = instrumentierende OP-Pflegekraft; N = Anästhesist). (Nach Ure u. Metzelder 2009)
. Abb. 13.13 Durch gekürzte 18-Charr- bzw. 27-Charr-Silikonhülsen, die über gewindelose, wieder verwendbare Trokare geschoben werden, kann die Fixation der Trokare an der Bauchwandfaszie mittels Naht erfolgen. (Nach Ure u. Metzelder 2009)
4 4 4 4
Wundinfektion (Staphylococcus aureus) <5%, Wunddehiszenz <2%, Blutung <1%, Rezidivstenose <1%.
Postoperative Behandlung 4 Magensonde entfernen (Perforationsrisiko). 4 Mit oralem Nahrungsaufbau 4 h postoperativ beginnen.
13
600
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
13.3.2
Invagination
Definition Einstülpung eines Darmabschnittes (Intussuszeptum) in einen anderen, meist aboral gelegenen (Intussuszipiens), der sich durch die Darmperistaltik verlängert.
Die Mesenterialgefäße des eingestülpten Darms werden komprimiert, seine Durchblutung beeinträchtigt. Durch venöse Stauung kommt es erst zu Wandödem und Sekretion blutigen Schleims, der Symptomatik eines Strangulationsileus und schließlich zur Darmnekrose mit Peritonitis und Sepsis. Häufigste Bauchschmerzursache im Kindesalter nach Obstipation.
Häufigkeit 4 1 : 2000. 4 Geschlechterverhältnis männlich : weiblich = 2–3 : 1. 75% der Fälle treten in den ersten beiden Lebensjahren auf, über 40% der Fälle zwischen 3. und 9. Monat. In vielen Fällen geht ein Luftwegsinfekt oder eine Gastroenteritis voraus (vergrößerte Peyer-Plaques). 85% ileokolisch, 10% ileo-ileokolisch.
Ursachen
13
Über 90% der Invaginationen sind idiopathisch (in 90% vergrößerte Peyer-Plaques als Invaginatkopf), 4–8% haben eine organische Ursache = pathologischer Invaginatkopf (jenseits des 2. Lebensjahres über 20%), 1% treten postoperativ auf. Pathologischer Invaginatkopf: am häufigsten Meckel, Wandverdickung des Dünndarms (Polyp, Tumor, Blutung – z. B. bei M. Purpura Schönlein-Henoch und Dünndarmduplikatur). In 20% der Fälle ist eine spontane Reposition möglich. Passagere kurzstreckige Invaginationen des Dünndarms sind bei jeder Laparotomie zu beobachten.
Symptome 4 Plötzlich auftretende kolikartige Bauchschmerzen (fehlen bei 15% der Patienten) und Schreiattacken wechselnd mit symptomfreien Intervallen. Zunehmende Apathie. 4 Erbrechen (kann ebenfalls fehlen). 4 Durch die Bauchdecken tastbarer walzenförmiger Tumor überwiegend im rechten Oberbauch. 4 Blutig-schleimiger Stuhl (»Johannisbeergelee-artig«). 4 Im weiteren Verlauf Fieber, Hypovolämie und Schock.
Diagnose 4 Typische Anamnese. 4 Sonographie (Kokardenzeichen, meist rechts). 4 Evtl. Röntgen-Abdomenleeraufnahme (pathologische Luftverteilung).
Therapie 4 i.v.-Infusion. 4 Magensonde (nach länger anhaltendem Erbrechen). 4 Antibiotika, kombiniert mit Metronidazol. jKonservativ
Bis zu 90% der Invaginationen sind konservativ in Sedierung (evtl. auch in Narkose) zu reponieren, entweder durch Einlauf oder durch rektale Applikation von Luft, beides unter sonographischer Kontrolle und in Operationsbereitschaft. Nach erfolgreicher Reposition wird das Kind mindestens 24 h stationär überwacht. Sonographische Kontrolle, auch bei Symptomfreiheit, vor Entlassung. jOperativ
Nur indiziert 4 wenn wiederholte konservative Repositionsversuche erfolglos bleiben, 4 bei Verdacht auf Darmnekrose, 4 zur Resektion eines pathologischen Invaginationskopfes, 4 bei akzidenteller Perforation im Verlauf konservativer Repositionsversuche. kInstrumentarium
4 Kochsalzschale, 4 Grundinstrumentarium, 4 Nahtmaterial: 5–0 resorbierbar atraumatisch. Invaginationsreposition 7 Quere Oberbauchlaparotomie rechts. Darstellung des Intussuszipiens, das nach Möglichkeit vor die Laparotomiewunde verlagert wird. 7 Vorsichtige anhaltende Kompression des Invaginationstumors von aboral nach oral. 7 Das Ödem der Darmwand wird verringert und das Invaginat langsam (!) reponiert, möglichst ohne oder mit nur geringem Zug von oral. Die Durchblutungsstörung des reponierten Darms erholt sich allmählich (5–10 min), der Prozess kann durch Auflegen warmer Kochsalzkompressen gefördert werden. 7 Einige Autoren empfehlen eine Ileoaszendopexie zur Vermeidung eines Rezidivs. 7 Ein Meckel-Divertikel muss immer reseziert werden. 7 Eine gleichzeitige Appendektomie ist umstritten. 7 Ein gangränöses Darmsegment wird reseziert. In der Regel ist eine primäre End-zu-End-Anastomose möglich (Ausnahme: bei Peritonitis o Ausleiten der Darmenden als passagerer Kunstafter).
601 13.3 · Abdomen
Laparoskopie Die Laparoskopie kann sowohl diagnostisch als auch therapeutisch eingesetzt werden, insbesondere bei ileo-ilealen Invaginationen, die einer konservativen Behandlung nicht zugänglich sind. Therapeutisch kann das Invaginat jedoch nur durch Zug reponiert werden.
Rezidive Rezidivhäufigkeit: 8–15%, nach konservativer Reposition häufiger als nach operativer. Zwei Drittel der Rezidivpatienten haben nur ein Rezidiv, ein Drittel hat mehr als ein Rezidiv (bis zu 8% noch während des stationären Aufenthaltes). Bei wiederholtem Rezidiv wird ein pathologischer Invaginatkopf in 14% der Fälle gefunden. Die Erfolgsrate konservativer Reposition bei rezidivierender Invagination beträgt etwa 95%. Eine Operation ist bei Rezidiv nur indiziert, wenn 4 die Invagination konservativ irreponibel ist, 4 bei Darmperforation nach konservativem Repositionsversuch, 4 bei Nachweis eines pathologischen Invaginatkopfs.
Mortalität Die Mortalität beträgt <1%.
4 Leicht und einfach zu legen. 4 Keine Laparotomie erforderlich. 4 Kurze Narkosedauer, keine Relaxation; Anlage in Lokalanästhesie möglich (bei älteren Kindern). 4 Kurze OP-Dauer (10 vs. 60 min). 4 Geringere Komplikationsrate (5–9% vs. 7–15%), Mortalität ca.1%. 4 Kurze postoperative Rekonvaleszenz. 4 Geringere Leakage von Magensaft o Haut. 4 Geringes Risiko im Hinblick auf intraabdominale Verwachsungen, Briden etc. 4 Geringere Kosten. 4 Sonde kann nicht versehentlich gezogen werden. 4 Sonde muss nicht gewechselt werden. 4 Fistel schließt sich spontan nach Sondenentfernung.
Nachteil der PEG Nachteilig ist, dass die Sonde immer liegen bleiben muss.
Voraussetzung 4 Kinder über 2 Jahre bzw. über 2,5 kg Körpergewicht. 4 Ösophagus muss für das Gastroskop bzw. für die Rückhalteplatte der Sonde weit genug sein.
Operation 13.3.3
Perkutane endoskopisch geführte Gastrostomie (PEG)
kIndikation
Die PEG wird zur gastralen Ernährung gelegt, wenn eine adäquate orale Nahrungsaufnahme nicht möglich ist.
Definition Anlage einer intubierten Fistel zwischen Magenlumen und Bauchhaut. Eine Fistel (fistula = »Röhre«) ist ein angeborener oder erworbener röhrenförmiger Gang zwischen Körperhöhlen und/oder der äußeren oder inneren Körperoberfläche.
Man unterscheidet: 4 Röhrenfistel: 5 Mit Granulationsgewebe ausgekleidet. Zum Beispiel operativ angelegt durch eine perkutane endoskopisch geführte Gastrostomie (PEG). 4 Lippenfistel: 5 Mit Epithel ausgekleidet. Zum Beispiel operativ angelegt durch Gastrostomie. Beispiele: Witzel-Fistel (1891), Stamm-Gastrostomie (1894) oder Kader-Fistel (1896), Glassman, Janaway/Beck-Jianu (»kontinente« Lippenfistel mit Nippel).
kKontraindikationen
Absolute Kontraindikationen sind: 4 Gerinnungsstörung. 4 Peritonitis. 4 Ileus. 4 Gastroösophagealer Reflux. (Ca. 30% der Kinder mit gastroösophagealem Reflux und PEG brauchen später eine Fundoplikatio.) 4 Ösophagusstenose. 4 Portaler Hypertonus. 4 Megakolon. Relative Kontraindikationen sind: 4 Aszites. 4 Ventrikuloperitonealer Shunt. 4 Vorausgegangene Laparotomie. 4 Mikrogastrie. kLagerung
Rückenlage.
Vorteile der PEG
kInstrumentarium
Vorteile der PEG (Röhrenfistel) im Vergleich zu einer operativ angelegten Gastrostomie (Lippenfistel) sind:
4 PEG-Set, 4 Gastroskop mit Fremdkörperfasszange.
13
602
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
kPräoperativ
4 4 4 4
EKG-Monitor, O2-Sättigung, perioperative Antibiotikaprophylaxe, oropharyngeale Lokalanästhesie. PEG-Anlage
13
7 Hautdesinfektion, Abdeckung. 7 Unsteril Gastroskop einführen, Varizen, Ulzerationen, Pylorusstenose ausschließen. 7 Lokalisation des PEG-Stoma endoskopisch: – Fundusvorderwand medial der großen Kurvatur. – Bauchwand: ausreichender, mindestens 4 cm langer Abstand zum Rippenbogen! (Schmerzen, Perichondritis!). 7 Transillumination bei abgedunkeltem OP-Saal. 7 Sondenspitze in Wasser einlegen. 7 Handschuhwechsel. 7 Ggf. Setzen der Lokalanästhesie, Kanüle unter sterilen Bedingungen bis in Magen vorschieben. 7 Hautinzision (Skalpell Gr. 11) 3 mm und Punktion des Magens mit einer Braunüle, unter endoskopischer Sicht. Kanüle mit Endoskopfasszange fixieren. 7 Vorbereitete Fadenschlinge aus dem Set in die Braunüle einführen, mit der Fasszange fassen und zusammen mit dem Endoskop herausziehen. 7 Fadenschlinge mit der PEG-Sonde verbinden, Sonde mit Instillagel gleitfähig machen. 7 Zurückziehen des Fadens und Platzieren der Sonde (o Mund o Pharynx o Ösophagus o Magen). 7 Bauchdecken sind zwischen 1 und 4 cm dick, Markierung an der Sonde beachten, Kontrollgastrostomie in der Regel überflüssig. 7 Rückhalteplatte anbringen. 7 Sicherungsvorrichtung (blau), Ritsch-Ratsch-Klemme und Einfüllstutzen anbringen.
Alternativ kann die PEG auch laparoskopisch angelegt werden. Wegen der Gefahr der Sondenverstopfung sollte auch bei kleinen Kindern eher eine dickere Sonde (14 Charr) gewählt werden.
Postoperativ 4 Inbetriebnahme nach 24 h, bis dahin offen lassen! 4 Spannung der Rückhalteplatte für 3 Tage belassen (bei unterernährten Patienten und bei Patienten mit Steroid- oder immunsuppressiver Behandlung 5–7 Tage), aber nicht länger als 7 Tage (Cave: Drucknekrosen am Magen und an der Bauchwand).
4 Erster Verbandwechsel nach 3 Tagen, dabei die Position der Halteplatte nicht verändern. 4 Duschen und Baden nach 1 Woche. 4 Weitere Verbandwechsel nach Bedarf (mindestens 2mal pro Woche). 4 Elterngespräch: PEG-Pass, Anleitung, Adresse der ambulanten Ernährungstherapeuten und Prospekt mit Bestellnummern für Zubehör (Überleitungsstücke, Konnektoren etc.) mitgeben.
Komplikationen Die folgenden Komplikationen treten in 10–20% der Fälle auf: 4 Peritonitis. 4 Leckage (Therapie konservativ: häufige Verbandwechsel, Sonde offen lassen; hört nach ca. 10 Tagen auf). 4 Stomainfektion (lokal: Betaisodona, systemisch: H2Blocker, Antibiotika, Eradikation von Helicobacter pyloris). 4 Blutung (wenn anhaltend: revidieren!). 4 Pneumoperitoneum (bis über 50% der Fälle, ohne klinische Bedeutung). 4 Verletzung des Ösophagus. 4 Kolonperforation/gastrokolische Fistel (2,2%). 4 Hautnekrose unter der Rückhalteplatte. 4 Fadenriss. 4 Katheterbruch (und Dislokation der intragastralen Rückhalteplatte). 4 Lösung des Magens von der Bauchwand (o Peritonitis). 4 Verletzung des linken Leberlappens. 4 Verlegung des Magenausgangs infolge Dislokation der Rückhalteplatte/des Ballons. 4 Netz-Prolaps. 4 Ausbleibender Spontanverschluss nach temporärer Gastrostomie (10–18%; Therapie: Silbernitrat oder elektrochirurgische Verschorfung, ggf. Laparotomie und offene Revision).
13.3.4
Duodenalstenose und Duodenalatresie
Definition Angeborener, teilweiser (Stenose) oder vollständiger (Atresie) Verschluss des Duodenums.
Häufigkeit 4 1 : 10.000. 4 Jungen und Mädchen sind gleich häufig betroffen. 4 Atresien (81%) sind häufiger als Stenosen (19%).
603 13.3 · Abdomen
Begleitfehlbildungen Häufig, insgesamt bis 50%: 4 Trisomie 21, 4 Malrotation, 4 Herzfehler, 4 Ösophagusatresie. ! Mekoniumabgang spricht nicht gegen Duodenalobstruktion.
Diagnose 4 Röntgen (Abdomenübersicht im Hängen): »double bubble« (Doppelspiegel: größerer Spiegel links = Magen, kleinerer Spiegel rechts = ektatisches prästenotisches Duodenum) bei im Übrigen luftleerem Abdomen spricht für Duodenalatresie; zusätzliche Luft im Darm spricht für Stenose. 4 Ausschluss assoziierter Anomalien. 4 Pränatale Diagnose möglich (ab 7.–8. Monat).
Präoperative Maßnahmen . Abb. 13.14 Duodenalstenose/-atresie mit Pankreas anulare: prä- und poststenotische Inzisionslinien der Duodenalwand. (Nach Menardi 1994)
Anatomie Man unterscheidet intrinsische und extrinsische Ursachen (. Abb. 13.14.). 4 Intrinsische Ursachen: 5 Atresie: vollständiger Verschluss, z. B. membranös, strangförmig oder Kontinuitätsunterbrechung mit V-förmigem Mesenterialdefekt, Mehrfachatresie, Pankreas anulare mit Atresie. 5 Stenose: unvollständiger Verschluss, z. B. Membran mit zentraler Perforation, Duodenalduplikatur, Gewebeheterotopie. 4 Extrinsische Ursachen: 5 Meist Stenose: z. B. Pankreas anulare, Ladd-Bänder (benannt nach Ladd, Kinderchirurg, Boston, 1880– 1967), Darmdrehungsanomalien, präduodenale Pfortader, arteriomesenterialer Duodenalverschluss. 5 Im Allgemeinen (85%) liegt das Passagehindernis unmittelbar aboral der Vater-Papille (benannt nach Vater, Anatom, Wittenberg, 1684–1751).
Klinik 4 Hydramnion der Mutter (50%). 4 Häufig dystrophe Neugeborene oder Frühgeborene. Galliges Erbrechen, leicht aufgetriebener Oberbauch in den ersten Stunden nach der Geburt, bei Stenosen später; Ikterus (30%).
4 Nasogastrische Ablaufsonde. 4 Intravenöser Zugang und Korrektur der Flüssigkeitsund Elektrolytverluste.
OP-Voraussetzungen Keine Notfalloperation (außer bei Malrotation mit Volvulus): Flüssigkeitsdefizit und Veränderungen des Elektrolythaushalts müssen präoperativ ausgeglichen sein, Kreislaufverhältnisse stabil, Körpertemperatur im Normbereich.
Operation kPrinzip
Umgehung der Stenose/Atresie durch Duodeno-Duodenostomie Seit-zu-Seit (bzw. Duodenotomie und Exzision der Membran). kLagerung
4 Wärmematte, Schutz vor Wärmeverlusten (7 Abschn. 13.1.1). 4 Rückenlage, Gelrolle unter thorakolumbalen Übergang. 4 Neutrale Elektrode am Oberschenkel. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumente, Kinderlaparotomieinstrumente, Mikroinstrumentarium, Kochsalzschale, Teflonspatel, Spritze (10 ml), Magensonde 6 oder 8 Charr, Lupenbrille, resorbierbares atraumatisches Nahtmaterial 5–0, 6–0.
13
604
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
Duodeno-Duodenostomie
13
7 Quere Oberbauchlaparotomie rechts ein Querfinger kranial des Hautnabels. 7 Ausschluss einer Darmdrehungsanomalie. 7 Mobilisierung der rechten Kolonflexur nach medial und des Duodenums nach Kocher. 7 Intrinsische oder extrinsische Stenose? 7 Vorschieben der Magensonde ins Duodenum. Ein Stopp in Höhe des Lumensprungs und eine Einziehung der Duodenalwand oral davon weisen auf eine Duodenalmembran. 7 Nach Legen von Haltenähten und Abdecken des Duodenums gegen die übrige Bauchhöhle wird das Duodenum oral der Einziehung quer, aboral längs eröffnet. 7 Instillation steriler körperwarmer Ringer-Lösung über eine sterile Sonde (6 oder 8 Charr) ins Duodenum aboral des Verschlusses zum Ausschluss weiterer Atresien. 7 Legen der Ecknähte und Naht der Hinterwand der Duodeno-Duodenostomie mit resorbierbaren Einzelknopfnähten (6–0 atraumatisch) einreihig (. Abb. 13.15a–c). 7 In gleicher Weise Naht der Vorderwand, evtl. nach Einlage einer transanastomotischen Schiene (6 oder 8 Charr). 7 Spülung des Wundgebietes und Entfernung sämtlicher Blutkoagel. 7 Zählkontrolle und Dokumentation. 7 Verschluss des Peritoneums mit resorbierbaren Einzelknopfnähten (5–0 atraumatisch). 7 Schichtweiser Verschluss der Bauchdecken (Einzelknopfnähte resorbierbar, 5–0 atraumatisch). Subkutannaht. 7 Hautverschluss durch fortlaufende Intrakutannaht mit atraumatischem resorbierbarem Faden (6–0). 7 Verband. 7 Vorsicht bei der Exzision einer Duodenalmembran (Verletzungsgefahr für den Ductus choledochus, der auf der Membran verlaufen kann). 7 Eine gleichzeitig vorliegende Darmdrehungsanomalie wird entweder durch eine Ladd-Operation (Durchtrennung der Bänder, Linkslagerung des Dickdarmes) oder durch vollständige anatomische Korrektur behandelt. 7 Ein Pankreas anulare wird nicht durchtrennt, weil – es häufig mit einer intrinsischen Duodenalstenose kombiniert ist, – es teilweise intramural liegen kann, – die Durchtrennung mit dem Risiko einer postoperativen Pankreatitis und einer Pankreasfistel verbunden ist. 7 Eventuell in gleicher Sitzung ZVK legen. 7 Eine zusätzliche Gastrostomie ist selten indiziert.
a
c
b . Abb. 13.15 a–c Duodeno-Duodenostomie Seit-zu-Seit. (Nach Kimura et al. 1990)
Postoperativ Magensonde offen ablaufend. Darmmotilitätsstörungen durch das prästenotische Megaduodenum sowie Zottenatrophie im postatretischen Dünndarm können den postoperativen Nahrungsaufbau erschweren.
13.3.5
Mekoniumileus
Definition Mechanischer Neugeborenenileus durch Obturation des terminalen Ileums mit eingedicktem Mekonium.
Ätiologie Ein Mekoniumileus ist die früheste Manifestation einer Mukoviszidose (CF) und kommt bei 10–15% der Patienten mit dieser Erkrankung vor. 90–95% der Kinder mit Mekoniumileus haben eine Mukoviszidose. Hierbei handelt es sich um eine autosomal rezessive Stoffwechselerkrankung, bei der es durch abnorme Sekretbildung u. a. der Bauchspeicheldrüse und der Becherzellen der Darmoberfläche zur Bildung eines besonders zähen Mekoniums kommt. Dieses Mekonium hat eine Konsistenz wie Fensterkitt oder Kaugummi, haftet an der Darmwand und verlegt die Lichtung des Endileums (die letzten 10–15 cm vor der Ileozäkalklappe). Die Krankheit kann bereits intrauterin beginnen.
Formen 4 In zwei Drittel der Fälle liegt ein unkomplizierter Mekoniumileus vor, der mit einem Einlauf mit N-Acetylcystein behandelt werden kann (evtl. Einlauf mit verdünntem Gastrographin).
605 13.3 · Abdomen
4 In einem Drittel der Fälle ist der Mekoniumileus kompliziert durch einen Volvulus, eine Darmperforation (Mekoniumperitonitis, Sepsis) oder eine Dünndarmatresie.
Klinik Neugeborenenileus: 4 aufgetriebenes Abdomen meist von Geburt an, 4 galliges Erbrechen, 4 evtl. Stuhlerbrechen (Dünndarminhalt), 4 fehlender Mekoniumabgang.
Differenzialdiagnose An M. Hirschsprung mit totaler Aganglionosis coli denken.
Diagnose 4 Röntgen (Abdomenübersicht im Hängen): dilatierte Darmschlingen, keine Spiegel, kleinblasige Areale wie Seifenblasen, evtl. fleckförmige Verkalkungen. 4 Kolonkontrasteinlauf: Mikrokolon.
Operation kIndikation
Beim komplizierten Mekoniumileus ist die Indikation zur Operation dringlich. kPrinzip
Bishop-Koop-Fistel (H. Bishop und E. Koop, zeitgenössische Kinderchirurgen, Philadelphia): Endständiges Stoma mit aboralem Ileum, mit dem das orale Ileum End-zuSeit anastomosiert wird o ermöglicht Spülung des Endileums, funktioniert als Überlaufventil bei gleichzeitig möglicher Darmpassage. kLagerung
Mekoniumileus 7 Quere Oberbauchlaparotomie rechts. 7 Abdecken des OP-Feldes mit Bauchtüchern. 7 Enterotomie zwischen Haltefäden oral des mit perlschnurartig eingedicktem Mekonium verstopften Endileums. Der gestaute und dilatierte orale Dünndarm wird entleert bzw. abgesaugt. Einbringen eines dünnen Katheters mit abgerundeter Spitze in das aborale Ileum, das mit 2%iger N-Acetylcysteinlösung gespült wird. Damit gelingt es meist, das eingedickte Mekonium zu entfernen und die Darmpassage wiederherzustellen. 7 Sparsame Skelettierung und Durchtrennung des Dünndarms in Höhe der Enterotomie. Eine Darmresektion ist selten erforderlich. 7 Der orale Dünndarm wird antimesenterial End-zuSeit mit dem aboralen anastomosiert (5–0 bzw. 6– 0 atraumatisch resorbierbar), etwa 4–6 cm aboral der Durchtrennungslinie (. Abb. 13.16). 7 Das aborale lleum wird als endständiges Ileostoma rechts ileakal so ausgeleitet, dass das lleum die Bauchhaut 0,5–1 cm überragt (resorbierbare Fäden 6–0). 7 Zählkontrolle und Dokumentation. 7 Verschluss der Laparotomie in Schichten (resorbierbare Fäden 5–0). 7 Hautnaht (resorbierbare Fäden 6–0). 7 Verband. 7 Eventuell Anlage eines ZVK in gleicher Sitzung. 7 Bei unkompliziertem Mekoniumileus kann ein primärer Verschluss der Enterotomie erwogen werden.
Das Stoma wird bei unkompliziertem Verlauf ca. 10– 12 Wochen nach der Erstoperation verschlossen.
4 Rückenlage; unterer Thorax leicht unterpolstert. 4 Schutz vor Wärmeverlusten (7 Abschn. 13.1.1). 4 Neutrale Elektrode am Oberschenkel. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumente, Kinderlaparotomieinstrumente, Kochsalzschale, Saugkanüle, 5-Charr-Katheter mit abgerundeter Spitze, 2 Spritzen (10 ml) 2%ige N-Acetylcysteinlösung, Nahtmaterial: 5–0 und 6–0 resorbierbar.
. Abb. 13.16 Bishop-Koop-Fistel. (Nach Rowe et al. 1995)
13
606
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
13.3.6
Morbus Hirschsprung
Definition Angeborene Erkrankung (benannt nach Hirschsprung, Pädiater, Kopenhagen, 1830–1916) mit mehr oder weniger vollständiger funktioneller Dickdarmpassagestörung, verbunden mit 4 dem Fehlen intramuraler Ganglienzellen im untersten (am weitesten aboral) gelegenen Abschnitt des Verdauungstrakts und 4 einem abnormen oder fehlenden Öffnungsreflex des M. sphincter ani internus (sog. Analsphinkterachalasie).
Klassifikation . Tab. 13.3.
Häufigkeit 4 1 : 3.000 bis zu 1 : 5.000. 4 Geschlechterverhältnis männlich : weiblich = 4–5 : 1. (Bei langstreckigen Aganglionosen nähert sich das Geschlechterverhältnis 1 : 1) 4 Familiär gehäuft in 4–20%. 4 Wiederholungsrisiko 4% für Geschwister und Kinder, bei totaler Aganglionosis coli mehr als10%.
Assoziierte Anomalien Assoziierte Anomalien treten in bis zu 20% der Fälle auf: 4 Trisomie 21 (10%), 4 Herzfehler, 4 Hydronephrose, 4 Megaureter, 4 Waardenburg-Syndrom, Undine-Syndrom.
Pathogenese Die Pathogenese ist multifaktoriell und multigenetisch. Es handelt sich um eine Migrationsstörung der Neuroblasten. Diese wandern zwischen der 3. und 12. Schwangerschaftswoche aus den pharyngealen Vaguskernen in kraniokaudaler Richtung zunächst in den Plexus myentericus Auerbach (Auerbach, Neuropathologe, Breslau, 1828–1897) ein und von da in den submukösen tiefen Plexus (Henle-Plexus; benannt nach Henle, Anatom, Göttingen 1809–1885) und oberflächlichen Plexus (Meißner-Plexus; benannt nach Meißner, Anatom und Physiologe, Basel, Göttingen, 1829–1905). Die genaue Ursache der Anomalie ist nicht bekannt. Die Besiedelung der Darmwand mit Nervenzellen wird von Genen gesteuert. Eine wesentliche Bedeutung kommt dabei dem RET-Gen (auf Chromosom 10; RET = »rearranged during transfection«) zu, entweder allein oder in Kombination mit anderen Genen. RET-Mutationen wer-
. Tab. 13.3 Klassifikation des M. Hirschsprung
13
1
Aganglionose (ca. 50%)
Ultrakurze Aganglionose (bis maximal 3cm oral des anocutanen Übergangs) Rektum (20%) Kurze Aganglionose (klassische Form), Rektum und Rektosigmoid (60%) Langstreckige Aganglionose (über das Sigma hinaus – 10–15%) Totale Aganglionosis coli (Zuelzer-Wilson-Syndrom – 5–10%)
2
3
Hypoganglionose
Isoliert
Neuronale intestinale Dysplasie (NID)
Hyperplasie des Plexus submucosus mit Riesenganglien (NID Typ B – 41%)
Hypoganglionäres Übergangssegment bei Aganglionose
Unterform mit Ganglionzellheterotopien in der Submukosa Unterform mit Hypoplasie oder Aplasie des Sympathikus NID-ähnliche Läsionen bei Neurofibromatose und multiple Neoplasie (MEN IIb)
4
Unreife der Ganglienzellen
(ca. 10%)
5
Desmose
(fehlendes Bindegewebsgerüst der glatten Muskelfasern des Darms; Ganglienzellen sind vorhanden)
6
Erworbene Innervationsstörungen
(Diabetes mellitus, Chagas-Krankheit)
Bis zum terminalen Ileum (75%) Bis zum mittleren Ileum (20%) Bis zum Jejunum (5%)
607 13.3 · Abdomen
den bei 49% der familiären Hirschsprung-Fälle nachgewiesen sowie bei 35% der sporadischen und bei 76% der langstreckigen Hirschsprung-Formen. Differenzierung und Überleben der zunächst pluripotenten Zellen der Neuralleiste werden u. a. von dem SOX10-Gen (SOX = »sex determining region box«) gesteuert, das bei bestimmten Hirschsprung-Patienten ebenfalls Mutationen aufweist (Waardenburg-Syndrom). Die Aganglionose betrifft immer den am weitesten aboral gelegenen Teil des Rektums und reicht unterschiedlich weit nach oral. In 75–80% der Fälle sind Rektum und Rektosigmoid aganglionär. Ein ultrakurzes Segment findet sich in 10–15%, eine isolierte Analsphinkterachalasie in 5%, eine totale Aganglionosis coli in 3–12% (Zuelzer-Wilson-Syndrom; benannt nach Zuelzer, amerikanischer Pathologe, 1909–1987, und Wilson, zeitgenössischer USamerikanischer Arzt). Das wandhypertrophierte Megakolon geht trichterförmig in das aborale normalweite aganglionäre Segment über. Der Übergang vom distalen aganglionären Segment zum normal innervierten Darm ist histologisch charakterisiert durch eine Zone mit vermindertem Ganglienzellbesatz, deren Länge variabel ist und weder röntgenologisch noch intraoperativ makroskopisch beurteilt werden kann (. Abb. 13.17).
Klinik Die Symptome des M. Hirschsprung sind je nach Lebensalter unterschiedlich. Über 90% der Kinder werden heute im Neugeborenenalter diagnostiziert. Bei gutartigem Verlauf stehen verzögerter Mekoniumabgang (>48 h), aufgetriebenes Abdomen und Nahrungsverweigerung im Vordergrund des klinischen Bildes. Die Krankheit kann aber auch als tiefer Ileus mit aufgetriebenem Abdomen und galligem (oder kotigem) Erbrechen oder fulminant unter dem Bild einer schweren Sepsis mit Schock, Gerinnungsstörung und Nierenversagen verlaufen. Dann ist es schwierig herauszufinden, ob die Darmfunktionsstörung Ursache oder Folge der Sepsis ist. Diese schwerste Verlaufsform geht mit einer lebensbedrohenden ulzerierenden Enterokolitis einher. Vereinzelt kommt eine Peritonitis infolge Darmperforation (meist des Zäkums) vor. Der M. Hirschsprung ist eine Erkrankung des reifen Neugeborenen. Im Kleinkindesalter sind die führenden Symptome schwere, weder diätetisch noch medikamentös zu beeinflussende Obstipation mit massiv aufgetriebenem Abdomen, fehlender Stuhldrang, Gedeihstörung und Anämie. In Einzelfällen wird die Diagnose erst im Erwachsenenalter gestellt. Die Länge des aganglionären Segments korreliert nicht mit dem klinischen Erscheinungsbild.
Pathophysiologie Das aganglionäre Segment nimmt an der geordneten, von oral nach aboral gerichteten propulsiven Peristaltik nicht teil und wirkt so als funktionelles Passagehindernis, vor dem sich der Darminhalt staut. Das Megakolon ist sekundär. Immer besteht eine Öffnungsschwäche des inneren Schließmuskels (M. spincter ani internus), die Analsphinkterachalasie.
. Abb. 13.17 Schematische Darstellung des Morbus Hirschsprung. (Nach Nixon et al. 1992)
Diagnose Typisch ist die Anamnese mit im Neugeborenenalter beginnender Obstipation. Digitorektal tastet man ein leeres Rektum. In der Röntgen-Abdomenübersicht finden sich luftgefüllte erweiterte Darmschlingen, wenig Luft im kleinen Becken. Im Kontrasteinlauf (beim Neugeborenen mit isomolarem wasserlöslichem Kontrastmittel) ohne vorherigen Reinigungseinlauf ist ein enggestelltes Rektum typisch, oral davon ein trichterartiges Übergangssegment, an das sich nach oral das (symptomatische) Megakolon anschließt. Der Katheter für den Kontrasteinlauf darf nur in den Analkanal eingeführt werden. Radiologisch können nur etwa 75% der HirschsprungPatienten diagnostiziert werden. Das Übergangssegment wird nur in etwa 60% korrekt dargestellt. Die Elektromanometrie des Enddarms zeigt »mass contractions«, Abbrechen der propulsiven Wellen im aganglionären Segment, fehlende Adaptationsreaktion, fehlende Internusrelaxation bei Dehnung des Rektums und ein erhöhtes anorektales Ruhedruckprofil (zuverlässig erst nach dem 12. Lebenstag). Diagnostische Bedingung sine qua non ist die Rektumschleimhautsaugbiopsie, die ohne Narkose 2,5 und 8 cm oral der Linea dentata entnommen und gekühlt innerhalb von 4 h der histochemischen Untersuchung zugeführt wird. Eine kontinuierlich verstärkte Acetylcholinesterase-
13
608
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
aktivität in einem dichten intramukösen Nervengeflecht gilt als beweisend. Auch hier ist eine sichere Diagnose erst nach der 2. Lebenswoche möglich, evtl. unterstützt von weiteren immunhistochemischen Methoden. Laparoskopisch oder zum Zeitpunkt der Kunstafteranlage können offene Biopsien der Tunica muscularis des Dickdarms entnommen werden, die eine direkte histologische Beurteilung des intramuralen Ganglienzellgehaltes erlauben. Eine pränatale Diagnose ist auch mit molekulargenetischen Methoden nicht möglich wegen der unterschiedlichen Penetration der genetischen Veränderung und ihrer Varianz in Abhängigkeit von Geschlecht und Länge der aganglionären Segmente.
Differenzialdiagnose Im Neugeborenenalter: 4 Mekoniumileus, 4 Mekonium-Pfropf-Syndrom, 4 nekrotisierende Enterokolitis, 4 Sepsis, 4 Hirnblutung, 4 Hypothyreose, 4 Nebennierenblutung, 4 von der Mutter eingenommene Medikamente oder Drogen.
13
Im Kleinkindesalter: 4 chronische habituelle Obstipation, 4 Analstenose (entweder angeboren in Form einer anorektalen Anomalie oder erworben bei Analfissur oder nach operativer Korrektur einer anorektalen Malformation).
Therapie Eine konservative Behandlung ist allenfalls bei milden Verlaufsformen möglich (Einläufe und Darmspülungen). Vereinzelt wurde über positive Behandlungsresultate mit Botulinumtoxin berichtet. Bei den meisten Kindern wird eine ein- oder mehrzeitige Resektion des aganglionären Darmabschnitts – meist zwischen dem 4. und 8. Lebensmonat – vorgenommen.
Operation In der Regel ist nur die operative Behandlung erfolgreich. kPrinzip
Resektion sowohl des aganglionären als auch des hypoganglionären Segmentes mit Schwächung des M. sphincter ani internus. Die anorektale Kontinenz muss erhalten bleiben. Entscheidend für den Erfolg der Operation ist die nach oral vollständige Resektion des hypoganglionären Segmentes, das nur durch wanddurchgreifende Biopsien bestimmt
. Abb. 13.18 Schematische Darstellung der Rehbein-Operation. (Nach Herzog 1981)
. Abb. 13.19 Schematische Darstellung der Operation nach Soave. (Nach Herzog 1981)
werden kann – entweder präoperativ laparoskopisch oder intraoperativ durch Schnellschnittuntersuchungen. 5 verschiedene Verfahren haben sich durchgesetzt: 4 Rektosigmoidektomie mit extraanaler Anastomose nach Swenson (benannt nach O. Swenson, zeitgenössischer US-amerkanischer Kinderchirurg). 4 Tiefe anteriore Resektion nach Rehbein 1956 (. Abb. 13.18; benannt nach F. Rehbein, Kinderchirurg, Bremen, 1911–1991). 4 Retrorektaler Durchzug mit transanaler Seit-zu-SeitAnastomose nach Duhamel und Grob (1956/1960 benannt nach Duhamel, Kinderchirurg, Paris, und Grob, Kinderchirurg, Zürich, 1901–1976). 4 Durchzug durch demukosierten Rektumstumpf nach Soave (1963 . Abb. 13.19; benannt nach Soave, Kinderchirurg, Turin). 4 Die Technik der Wahl ist heute der transanale endorektale Durchzug nach de la Torre-Mondragou (Kinderchirurg, Mexiko). Dieses Verfahren kann sowohl offen als auch laparoskopisch durchgeführt werden.
609 13.3 · Abdomen
Alle 5 Verfahren führen zu ähnlichen Ergebnissen, jedoch ist keines für alle Situationen geeignet. Ein alternatives Vorgehen ist die langstreckige extraperitoneale Myektomie, die von einem posterioren sagittalen Zugang durchgeführt wird und nicht zwingend die Anlage eines Kunstafters erfordert. jTransanaler endorektaler Durchzug (»transanal endorectal pull through«; TEPT) nach de la Torre kPrinzip
Einzeitiger elektiver Eingriff. Ein Enterostoma wird nur noch in Ausnahmefällen (durch konservative Maßnahmen nicht ausreichend zu entlastende Passagestörung, Enterokolitis, totale Aganglionosis coli) angelegt, in der Regel in Form eines doppelläufigen Kunstafters entweder im rechten Querkolon oder im Endileum. Im normal innervierten Darm angelegt, 4 dient es der Entlastung des Megakolons, 4 ermöglicht es enterale Ernährung und Gedeihen, 4 dient es dem Schutz der späteren Enddarmanastomose, 4 reduziert es das Risiko einer Enterokolitis. Operationsziele sind die Resektion des aganglionären Segments zusammen mit dem hypoganglionären Übergangssegment und dem Megakolon und die Anastomose gesunden, normal innervierten Darms mit dem Enddarm oral des M. sphincter ani internus. kPräoperative Maßnahmen
Die histologische Untersuchung präoperativ laparoskopisch entnommener Biopsien der Dickdarmwand erlaubt die sichere Bestimmung der Resektionsgrenze v. a. in Einrichtungen, in denen eine intraoperative Schnellschnittuntersuchung der Ganglienzellen des Auerbach-Plexus nicht möglich ist. Ausgiebige Reinigung des Dickdarms auf der Kinderstation durch Einläufe. Perioperative Antibiotikaprophylaxe mit einer Kombination aus einem Breitbandantibiotikum (z. B. Ampicillin) mit einem Aminoglykosid und Metronidazol. Zusätzliche Kaudalanästhesie. kLagerung
Nach Intubation und Kaudalanästhesie Steinschnittlage mit angehobenem Gesäß am Fußende des OP-Tisches. Wenn eine gleichzeitige Laparotomie sicher ausgeschlossen ist, wird die Operation in Bauchlage mit angehobenem Gesäß und rechtwinklig gebeugten Hüftgelenken vorgenommen. Blasenkatheter fakultativ. kInstrumentarium
4 4 4 4
Grundinstrumente, Sauger mit feinem Ansatz, monopolares Messer mit Nadelansatz, diverse schmale Langenbeck-Haken,
4 10-ml-Spitze mit dünner Kanüle, 4 Adrenalin (Epinephrin) 1 : 200.000 mit physiologischer Kochsalzlösung verdünnt, 4 Rahmen, 4 Nahtmaterial: resorbierbar 4–0 und 5–0 atraumatisch; nicht resorbierbar monofil 4–0 atraumatisch. Transanaler endorektaler Durchzug (»transanal endorectal pull through«; TEPT) nach de la Torre 7 Erneute ausgiebige Reinigung des Rektums mit Kompressen und physiologischer NaCl-Lösung. Der anokutane Übergang wird mit 8 (–12) Haltefäden aufgespannt (. Abb. 13.20a). 7 Infiltration der Submukosa mit 1 : 200.000 verdünnter Adrenalinlösung. Zirkuläre Inzision der Schleimhaut 1 cm oral der Linea dentata. 7 Eingehen auf die Submukosa, dorsal beginnend, die stumpf von der Tunica muscularis propria abgelöst wird (. Abb. 13.20b). Dazu werden weitere Haltenähte in die Mukosa oral der Inzision gelegt. 7 Nach Präparation eines etwa 7 cm langen Schleimhautzylinders wird die Muscularis propria zirkulär eröffnet (in der Regel kranial der peritonealen Umschlagfalte (. Abb. 13.20c). 7 Durch Zug an dem ausgelösten Schleimhautzylinder wird das intraperitoneale Rektum und schließlich das Sigma ins anale Wundgebiet durchgezogen (. Abb. 13.20d). 7 Die Mesenterialgefäße werden zwischen Ligaturen durchtrennt. Cave: Blutung aus retrahierten Gefäßstümpfen. 7 Die Präparation wird bis 10–15 cm oral des Megakolons fortgesetzt, ggf. müssen dazu A. und V. rectalis superior zwischen Durchstechungsligaturen durchtrennt werden. 7 Die demukosierte Muskelmanschette des (aganglionären) Rektumstumpfes sollte nicht zu lang belassen werden, 4–5 cm genügen. Sie wird dorsal in der Medianlinie gespalten bis zum M. sphincter ani internus. 7 Sorgfältige Blutstillung. 7 Der mobilisierte Darm wird reseziert (. Abb. 13.20e), nachdem die normale Innervation des Resektionsrandes entweder präoperativ endoskopisch oder intraoperativ durch Schnellschnittuntersuchung gesichert wurde. Koloanale Anastomose End-zu-End einreihig mit Einzelknopfnähten (. Abb. 13.20f ). 7 Für die meisten Hirschsprung-Fälle ist ein ausschließlich transanales Vorgehen geeignet. Geht die Aganglionose nach oral über das Sigma hinaus, muss das Kolon zuvor laparoskopisch oder durch Laparotomie mobilisiert werden.
13
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13
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
. Abb. 13.20a–f Transanaler endorektaler Durchzug (»transanal endorectal pull through«; TEPT) nach de la Torre. a Der anokutane Übergang wird mit Haltefäden aufgespannt. Zirkuläre Inzision der Schleimhaut. b Die Rektumschleimhaut wird stumpf von der Musku-
laris abgelöst. c Dorsale Spaltung der Muskelmanschette. d Durchzug des aganglionären Segmentes. e Resektion des aganglionären Segmentes. f Anastomose zwischen dem normal innervierten Kolon und der distalen Rektumwand
Postoperativ
13.3.7
4 Antibiotika bis zum 3. postoperativen Tag. 4 Kalibrierung und ggf. Bougierung der koloanalen Anastomose (ab 3. Woche postoperativ). 4 Stuhlentleerung ab 1.–2. Tag postoperativ.
Komplikationen . Tab. 13.4
Ergebnisse Die Lebensqualität der operativ behandelten Hirschsprung-Patienten wird in über 80% der Fälle als zufriedenstellend bis gut beurteilt, sofern es sich um klassische Formen ohne schwerwiegende zusätzliche Anomalien handelt. Eine mehrjährige Nachbetreuung ist erforderlich.
Anorektale Agenesie
Definition Anorektale Anomalien umfassen ein Spektrum unterschiedlicher Entwicklungsstörungen, deren gemeinsames Merkmal ein angeborener, mehr oder weniger vollständiger Enddarmverschluss ist. Die Analöffnung kann verschlossen, zu eng sein oder an der falschen Stelle liegen. Analkanal oder Anorektum können fehlen oder pathologisch verlaufen.
Anatomie Als Rektum wird der tänienfreie Dickdarmabschnitt zwischen rektosigmoidalem Übergang in Höhe des 2. Sakralwirbelkörpers und dem Anus bezeichnet. Die für die Kontinenz wichtigsten Muskeln sind die inneren und äußeren Schließmuskeln und die Levatormuskulatur mit dem M. puborectalis. Im Gegensatz zu anderen willkürlichen Muskeln des Körpers ist der M. puborectalis auch im Ru-
611 13.3 · Abdomen
Pathogenese . Tab. 13.4 Komplikationen nach M.-Hirschsprung-Operationen (bezogen auf alle Operationsmethoden: Swenson, Rehbein, Duhamel/Grob, Soave/Boley, TEPT) Komplikationen
Häufigkeit
Frühe
Die Pathogenese ist nicht hinreichend geklärt. Hohe Formen entstehen wahrscheinlich zwischen der 4. Fetalwoche und dem 6. Fetalmonat (Scheitel-Steiß-Länge 4–200 mm) u. a. durch fehlerhafte Kloakenteilung. In diesem Sinne können Fisteln zwischen Enddarm und Urogenitaltrakt als Septierungsstörung aufgefasst werden (umstritten). Dagegen ist den intermediären und den tiefen Anomalien die fehlende Dorsalverlagerung des Anus, weg vom Sinus urogenitalis, gemeinsam.
Blutung
?
Cuffabszess (Ursache: Hämatom oder Schleimhautrest zwischen der Rektummuskelmanschette und dem durchgezogenen Dickdarm)
5%
Sphinkterspasmus der Rektummuskelmanschette (vorsichtige Analbougierung)
10–20%
Häufigkeit
Wundinfektion
10–15%
Insuffizienz der Anastomose
2–5%
4 1 : 2500. 4 Geschlechterverhältnis männlich : weiblich = 1,3 : 1. 4 Wiederholungsrisiko 1,4%.
Bridenileus
8–13%
Häufige Stuhlentleerungen mit perianaler Dermatitis (normalisiert sich nach ca. 6 Monaten)
?
Späte Stuhlinkontinenz
3–8%
Analstenose
5–20%
Obstipation (Sphinkteromyektomie oder Nachresektion in bis zu 5% der Fälle)
9–30%
Enterokolitis
2–30%
Stuhlfisteln
1–6%
Blasenentleerungsstörung, Störung der Genitalfunktionen
sehr selten
hezustand bis zu einem gewissen Grad aktiv kontrahiert, sofern er normal innerviert ist. Fehlen mehr als 3 Sakralwirbel, ist die Funktion des M. puborectalis gestört. Der unwillkürlich innervierte innere Schließmuskel stellt eine Verdickung der inneren Ringmuskulatur des Enddarms dar. Er ist normalerweise tonisch kontrahiert und hält den Analkanal geschlossen. Auf Wanddehnung des Rektums reagiert der M. sphincter ani internus mit einem Tonusverlust, der Internusrelaxation, die den Vorgang der Stuhlentleerung einleitet. Der innere Ringmuskel fehlt bei den hohen Formen anorektaler Agenesien bzw. kann mit den heute zur Verfügung stehenden OP-Verfahren nicht sinnvoll nutzbar gemacht werden. Die willkürlich innervierten äußeren Schließmuskel, die eng mit den Muskeln des Beckenbodens verflochten sind, sind mit etwa 20% an der Kontinenz beteiligt. Äußere Schließmuskeln sind auch bei den hohen anorektalen Anomalien in unterschiedlicher Masse vorhanden, meist deutlich weniger als beim Gesunden. Alle diese Muskeln können nicht isoliert betrachtet werden, vielmehr handelt es sich um ein System ineinander verflochtener Muskelgruppen, das im Wesentlichen vom N. pudendus aus S2–S4 versorgt wird.
Ätiologie Über die Ätiologie ist wenig bekannt. Es gibt Hinweise auf: 4 Genetische Faktoren (z. B. bei Kindern mit Morbus Down gehäuft, gelegentlich familiäres Vorkommen). 4 Teratogene Noxen (Schädigung des Embryos von außen, z. B. durch berufliche Exposition der Mutter gegenüber organischen Lösungsmitteln; Nikotin; Übergewicht der Mutter). 4 Durchblutungsstörungen der Beckenorgane infolge von Gefäßmissbildungen. (Einige der betroffenen Kinder haben nur eine Nabelarterie.) Pränatale Diagnostik ist nur indirekt anhand von Symptomen (erweitertes Kolon oder Rektum) sowie typischer assoziierter Fehlbildungen möglich.
Klinik 4 4 4 4 4
Mehr oder weniger vollständiger tiefer Ileus, evtl. Mekoniumabgang mit Urin oder über die Vagina, aufgetriebenes Abdomen, evtl. respiratorische Störungen. Harnabflussstörung.
Assoziierte Anomalien 4 Assoziierte Anomalien sind häufig (bis zu 60%) und zwar bei hohen Formen häufiger als bei tiefen. Sie betreffen hauptsächlich 5 den Urogenitaltrakt (20–60%), bei Kloakenfehlbildung bis 80%, 5 das Skelettsystem und die Wirbelsäule (15–30%), 5 das Herz (9%) und 5 den übrigen Magen-Darm-Trakt (14%). 4 Kombination von Analatresie mit Ösophagusatresie: VACTERL-Assoziation (7 Abschn. 13.2.1). 4 »Tethered spinal cord« in 25% der Fälle (7 Abschn. 13.6.1). Nur in gut einem Drittel der Fälle liegt eine isolierte anorektale Malformation vor.
13
612
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
. Tab. 13.5 Wingspread-Klassifikation (relative Häufigkeit nach Pena 2007) Jungen
Häufigkeit
Mädchen
Häufigkeit
Perineale (kutane) Fistel
25%
Perineale (kutane) Fistel
35%
Rektourethrale Fistel
59%
Vestibuläre Fistel
31%
Bulbär
?
Pesistierende Kloake
24%
Prostatisch
?
davon 2/3 unter 3 cm Länge (kurz)
Rektovesikale Fistel (Blasenhals)
10%
davon 1/3 über 3 cm Länge (lang)
Keine Fistel
5%
Keine Fistel
5%
Rektumatresie
1%
Rektumatresie
1%
Komplexe Formen
<1%
Komplexe Formen
<1%
Klassifikation
13
Die Klassifikation der verschiedenen Formen anorektaler Anomalien ist Voraussetzung für die gegenseitige Verständigung über Diagnose, Therapieplanung und für den Vergleich der Behandlungsergebnisse. Nach der Lagebeziehung des fehlgebildeten Anorektums zum muskulären Beckenboden, d. h. der Levatorplatte und dem M. puborectalis, können hohe und tiefe Formen anorektaler Anomalie unterschieden werden. Bei den hohen, supralevatorischen Formen endet der Rektumblindsack oberhalb der Puborektalisschlinge, bei den tiefen Formen durchsetzt der Enddarm die Levatorplatte und meist auch die tiefen Schichten der äußeren Schließmuskulatur. Eine dritte Gruppe ist die der intermediären Anomalien, bei denen der Rektumblindsack die Levatormuskulatur unvollständig oder in Form einer zur bulbären Urethra bzw. zum Scheideneingang ziehenden Fistel durchsetzt. Diese Einteilung war die Basis der WingspreadKlassifikation von 1986 (. Tab. 13.5). 2005 hat man sich auf die heute gebräuchliche Krikenbeck-Klassifikation geeinigt, die auf einen Vorschlag von Pena zurückgeht und den Verlauf der Fistel beschreibt (. Tab. 13.6). Bei den relativ häufigen sog. Kloakenfehlbildungen handelt es sich um komplexe, sehr variable Missbildungen, bei denen der untere Anteil des Urogenitaltraktes, also Harnröhre und Scheide, mit dem unteren Anteil des Darmtraktes in einem gemeinsamen Kanal verläuft, der sog. Kloake.
Diagnostische Maßnahmen Essenziell: 4 Inspektion des Damms, evtl. Sondierung einer vorhandenen Öffnung. 4 Urinstatus (Mekonium?). 4 Sonographie (»tethered spinal cord«? Zusätzliche Anomalien – Niere! Hydrokolpos!).
. Tab. 13.6 Krikenbeck-Klassifikation anorektaler Fehlbildungen Klinische Hauptgruppen
Perineale (kutane) Fisteln Rektourethrale Fisteln 4 zur prostatischen Urethra 4 zur bulbären Urethra Rektovesikale Fistel Vestibuläre Fistel Kloake Keine Fistel Analstenose
Seltene/regionale Varianten
Pouch-Kolon Rektumatresie/Rektumstenose H-Fistel Sonstige
Fakultativ: 4 Seitliche Röntgenaufnahme der Wirbelsäule in KnieEllbogen-Lage, 16–24 h nach der Geburt (Luft im Rektumblindsack?). 4 Eventuell vorhandene Fistel darstellen durch Miktionszysturethrogramm oder sekundär nach Anlage einer Kolostomie (Loopogramm). 4 Endoskopie (urogenitale Anomalien?).
Therapie jErstversorgung
Eine anorektale Malformation (ARM) ist als angeborener Dickdarmileus aufzufassen, d. h. dem Kind drohen Flüssigkeits- und Elektrolytverluste durch Erbrechen und durch Sequestration in den Darm. Aufgetriebenes Abdomen meist erst nach 1–2 Tagen (tiefer Ileus!). Therapeutische Maßnahmen sind: 4 Offene Magensonde zur Entlastung des MagenDarm-Traktes und zur Vermeidung einer Aspiration.
613 13.3 · Abdomen
4 Infusion zur Substitution der Flüssigkeits- und Elektrolytverluste. 4 Bei Neugeborenen ohne äußerlich sichtbare Fistel Bauchlage mit angehobenem Gesäß. 4 Antibiotikatherapie (Infektionsrisiko wegen Fistel zwischen Darm und Urogenitaltrakt). 4 i.m-Gabe von Vitamin K1 (Konakion; in den meisten Fällen ist eine Operation im Neugeborenenalter erforderlich). Die meisten tiefen Formen können vom Damm her, meist in einer einzigen Sitzung operiert werden (Analplastik, Analtransposition, Mini-Verfahren der posterioren sagittalen Anorektoplastik, PSARP). (Ausnahme: vestibulärer Anus o Kolostomie und »limited PSARP«.) Bei intermediären und bei hohen Formen sowie in allen Zweifelsfällen wird primär ein Sigmaanus mit getrennten Stomata (kurzer Abstand zur Fistel, leicht zu spülen, geringes Prolapsrisiko) angelegt: 4 Dieser Kunstafter dient als vorübergehender Darmausgang, damit das Kind ernährt werden kann. 4 Er dient zur Umgehung der Fistel zum Harntrakt. 4 Man gewinnt Zeit die Fehlbildung genau zu diagnostizieren (Loopogramm unter Druck). 4 Er dient zur Umgehung des späteren OP-Gebietes. Definitive Operation im Alter von 1–2(–3) Monaten, bei Kloake frühestens mit 6–8 Monaten. Das heute allgemein favorisierte definitive OP-Verfahren, das für alle Formen der ARM anwendbar ist, ist die 1982 von de Vries und Pena angegebene posteriore, sagittale Anorektoplastik (PSARP). Die Eltern müssen über die Fehlbildung und ihre Konsequenzen ausführlich informiert werden.
Operation ! Latexfreie Operation! kPrinzip
Haut und sämtliche Muskelschichten zwischen Damm und Steißbein werden streng in der Medianlinie gespalten, eine evtl. vorhandene Fistel wird transrektal versorgt, der mobilisierte Rektumblindsack, falls notwendig, verengt und in den von der Levatormuskulatur gebildeten Trichter sowie in den M. sphincter ani externus gesetzt. Bei etwa 10% der Jungen (insbesondere mit Fistel zum Blasenhals) und etwa 40% der Mädchen mit kloakaler Fehlbildung ist ein zusätzlicher abdominaler Eingriff erforderlich, entweder offen oder laparoskopisch. kLagerung
4 Präoperativ wird ein transurethraler Ballonkatheter gelegt.
4 Operation in Bauchlage mit angehobenem Gesäß, Hüftgelenke rechtwinklig gebeugt. 4 Wärmematte. 4 Neutrale Elektrode am Oberschenkel. 4 Schutz vor Wärmeverlusten (7 Abschn. 13.1.1) kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4
Grund- und Laparotomieinstrumentarium, Kochsalzschale, Muskelreizgerät, abgewinkelte bzw. abwinkelbare stumpfe Wundspreizer, diverse Overholts, HF-Elektrode mit Nadelansatz, Hegar-Stifte, Lupenbrille, Nahtmaterial: 4–0 bis 6–0 atraumatisch resorbierbar. Haltenähte monofil. Anorektale Agenesie: Posteriore sagittale Anorektoplastik 7 Bei hohen Formen der ARM und bei Kloakenfehlbildungen muss so abgedeckt werden, dass das Kind intraoperativ ohne Verletzung der Asepsis von Bauchlage in Rückenlage und zurück gedreht werden kann. 7 Stimulation der Rima ani und der mutmaßlichen Analregion mit dem Muskelreizgerät (Stromstärke zwischen 20–60 mA). Kommt es zu Kontraktionen der parasagittalen Fasern und des Muskelkomplexes? Ist ein Analgrübchen vorhanden? 7 Inzision in der Medianlinie der Rima ani mit der Nadeldiathermie von kranial der Steißbeinspitze bis knapp 2 cm ventral der mutmaßlichen Analregion. Man sieht die parasagittalen Fasern und den Muskelkomplex. Markierung des zukünftigen Anus. Schnittvertiefung streng in der Mittellinie unter wiederholter Kontrolle mit dem Muskelreizgerät. 7 Verlängerung der Hautinzision nach kranial bis etwa in Sakrummitte und Darstellung des Steißbeines, das in der Medianlinie gespalten wird. Über einem vor dem Steißbein eingeführten Overholt wird die Levatormuskulatur vom Steißbein aus in der Medianlinie gespalten. 7 Darstellung der Hinterwand des Rektumblindsackes, die aboral zwischen 2 Haltefäden in der Medianlinie mit der Nadeldiathermie eröffnet wird. Nach Legen von Haltenähten (6–0 atraumatisch) in die Rektumschleimhaut oral der Fistel wird die Submukosa von der Hinterwand der Ure6
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Kapitel 13 · Kinderchirurgie
Postoperative Behandlung
7 7
7
7
7
13
7
7
7
7 7
thra getrennt (lupenmikroskopische Präparation). Weiter oral ist dann die vollständige Ablösung der Rektumvorderwand möglich. Zweireihiger Fistelverschluss mit Einzelknopfnähten (resorbierbar, 6–0 atraumatisch). Darstellung des Rektums, evtl. mit Eröffnung des Peritoneums. Wenn der Blindsack erheblich dilatiert ist, wird eine Modellage erforderlich. Die Rektumwand wird mit einer zweireihigen, einstülpenden Naht verschlossen (6–0 resorbierbar, atraumatisch). Rekonstruktion des anterioren Perinealkörpers mit Einzelknopfnähten (6–0 resorbierbar, atraumatisch). Hautverschluss ventral des neu zu bildenden Anus mit Einzelknopfnähten (6–0 resorbierbar, atraumatisch). Nach Legen der Levatornähte (5–0 resorbierbar, atraumatisch) wird der Rektumstumpf vor dem Levator durchgezogen, die Nähte werden geknüpft. Naht des Steißbeins (resorbierbar, 4–0). Naht der hinteren Zirkumferenz des Muskelkomplexes, der mit Hilfe des Muskelreizgerätes lokalisiert werden kann. Diese Nähte fassen einen oberflächlichen Anteil der Seromuskularis der Rektumhinterwand mit. Schichtweiser Wundverschluss (resorbierbare Einzelknopfnähte 5–0 bzw. 6–0, atraumatisch). Subkutannaht. Analplastik unter leichter Spannung, sodass sich die Analöffnung nach Abschneiden der Fäden retrahiert. Die beiden Hälften des resezierten aboralen Endes des Rektumblindsackes werden zur histologischen Untersuchung abgegeben (Zusätzliche Aganglionose?). Die Haut der Rima ani wird mit resorbierbarem Faden 5–0, atraumatisch fortlaufend verschlossen. Kalibrierung des neu gebildeten Anus mit HegarStiften. Verband mit Jodoformgaze, Leukostrips und Fixomull. Das Kind verbleibt in Bauchlage.
Für die z. T. sehr komplexen kloakalen Fehlbildungen wird die PSARP mit vollständiger urogenitaler Mobilisation notwendig, d. h. gemeinsame Mobilisation von Urethra, Vagina und Rektum. Bei diesen Kindern ist immer das innere Genitale zu revidieren und ggf. zu korrigieren: 4 Tuben durchgängig? 4 Uterusdoppelanlage? 4 Vaginalatresie, -doppelung, -septum?
4 Meist problemlos. Keine wesentlichen Schmerzen (außer nach Laparotomie). 4 Bauchlage mit angehobenem Gesäß für mindestens 2–3 Tage. Offen ablaufende Magensonde. 4 I.v.-Gabe von Antibiotika für 3–5 Tage (danach je nach urologischem Befund Langzeitprophylaxe gegen Harnwegsinfekte). 4 Erster Verbandwechsel nach 24 h. 4 Oraler Nahrungsaufbau, wenn die Kolostomie Stuhl fördert. 4 Ballonkatheter für 5 Tage (bei kurzstreckiger Kloake für 7 Tage, langstreckige haben suprapubische Harnableitung). Versehentlich gezogenen oder herausgerutschten Katheter nicht wieder transurethral legen; wenn Kind nicht spontan miktioniert, suprapubische Harnableitung legen. 4 Entlassung am 7.–8. postoperativen Tag. 4 Postoperative Bougierung mit Hegar-Stiften beginnt zwischen dem 14. und 21. Tag. Stationäre Wiederaufnahme für 1–2 Tage zur Anleitung der Eltern durch den Operateur. Die Bougierung ist essenzieller Bestandteil der Therapie! Sie dient sowohl dem Offenhalten der anokutanen Anastomose, der allmählichen Dilatation des den Anorektalkanal umgebenden Muskeltrichters als auch dem »Training« des Beckenbodens. 4 Bougierung zu Hause (2 -mal täglich) bis die altersentsprechende Weite erreicht ist (. Tab. 13.7). 4 Danach kann der Kunstafter reseziert werden, d. h. meist 6–8 Wochen nach PSARP. Die Bougierungsfrequenz wird erst reduziert, wenn die Bougierung schmerzlos ist. Die Bougierung erfolgt z. T. unter Vollnarkose.
Komplikationen der posterioren sagittalen Anorektoplastik (PSARP) Intraoperativ: 4 Verletzung der Urethra (o Stenose), 4 Verletzung eines Ureters, 4 Verletzung eines Samenleiters und/oder Samenbläschens. Postoperativ: 4 Frühe Komplikationen:, 5 Passagere Femoralisparese (lagerungsbedingt), 5 Wundinfektion, 5 Durchblutungsstörung des durchgezogenen Rektums (o langstreckige narbige Stenose), 5 sekundäre Atresie (bei unterlassener Bougierung), 5 Retraktion des durchgezogenen Rektums, 5 Fistelrezidiv (urethrovaginal, rektovaginal, rektourethral), 5 sekundäre neurogene Blasenentleerungsstörung,
615 13.3 · Abdomen
. Tab. 13.7 Bougiegröße in Abhängigkeit vom Lebensalter Alter
Hegar-Größe [H]
1–4 Monate
H 12
4–8 Monate
H 13
8–12 Monate
H 14
1–3 Jahre
H 15
3–12 Jahre
H 16
Über 12 Jahre
H 17
. Tab. 13.8 Vollständige Kontinenz nach posteriorer sagittaler Anorektoplastik in Abhängigkeit vom Fisteltyp. (Nach Pena u. Levitt 2006) Fisteltyp
Anzahl der Patienten mit vollständiger Kontinenz [%]
Perineale Fistel
87
Tiefe Atresie oder Stenose
75
Vestibuläre Fistel
64
ARM ohne Fistel
51
Bulbäre Fistel
41
Kloake (kurzstreckig: <3 cm)
38
Kloake (langstreckig: >3 cm)
9
Prostatische Fistel
22
Blasenhalsfistel
6
13.8). Praktisch alle operierten ARM-Patienten haben pri-
mär funktionelle Kontinenzprobleme: 4 Fehlendes Stuhldranggefühl (sensorisch). 4 Ungenügende Haltefunktion (unvollständiges Kontinenzorgan: fehlender M. sphincter ani internus, unvollständig angelegte Externus- und Levatormuskulatur, fehlendes Corpus cavernosum recti u. a.). 4 Ungenügende Koordination von Halte- und Entleerungsfunktion. 4 Fehlendes (oder zu großes) Stuhlreservoir. Die Kontinenzprobleme können mit Stuhltraining oder Biofeedbacktraining überwunden werden, wenn der Patient dazu motiviert ist (ab dem 7.–12. Lebensjahr). Entwicklung der Kontinenzfunktion zur Pubertät hin. Zusätzliche Maßnahmen sind »bowel management« (modifizierte hohe Schwenkeinläufe) oder anterograde Dickdarmspülungen nach Malone (zeitgenössischer Kinderchirurg, Southampton, UK) über ein kontinentes Stoma. Hierzu wird der Appendix nach Mitrofanoff (zeitgenössischer Kinderchirurg, Paris) oder ein in Querrichtung tubularisiertes Dünndarmsegment nach Monti verwendet. Für die psychosoziale Anpassung sind eine intakte Familie bzw. kontinuierliche elterliche und ärztliche Zuwendung notwendig, evtl. ist psychotherapeutische Unterstützung erforderlich. Angesichts der Seltenheit und der erheblichen Konsequenzen für den Patienten sollten anorektale Malformationen ausschließlich in entsprechend erfahrenen Zentren operiert und nachgesorgt werden.
13.3.8
5 erhebliche Windeldermatitis nach Kunstafterresektion, die über Monate anhalten kann (kann durch Konditionierung der perianalen Haut durch Stuhlkontakt vor der Kunstafterresektion verhindert werden). 4 Späte Komplikationen: 5 Obstipation und Pseudoinkontinenz, 5 Schleimhautektropium, 5 Analprolaps (selten), 5 Analstriktur (kurzstreckig), 5 Urethradivertikel (selten), 5 echte Stuhlinkontinenz, 5 gynäkologische Komplikationen, wenn gynäkologische Fehlbildungen bei der Erstoperation nicht angemessen korrigiert wurden.
Nekrotisierende Enterokolitis der Früh- und Neugeborenen
Definition Schwere Darmerkrankung der Neugeborenen mit komplexer Ätiologie, bei der es zu fleckförmigen oder segmentalen Hämorrhagien, Ulzerationen, Nekrosen sowie zu antimesenterial gelegenen Perforationen des Dünn- und Dickdarms kommen kann.
Die nekrotisierende Enterokolitis (NEC) betrifft hauptsächlich Frühgeborene im ersten Trimenon. Sie tritt überwiegend sporadisch, gelegentlich auch endemisch in Neugeborenen-Intensivstationen auf.
Häufigkeit Ergebnisse Die Ergebnisse sind abhängig vom Typ: bei tiefen Formen günstiger, bei hohen weniger günstig. Im Durchschnitt erlangen >40% der Patienten vollständige Kontinenz (. Tab.
Nicht genau bekannt; geschätzt werden: 4 0,3% aller Lebendgeborenen. 4 1–2% aller Frühgeborenen. 4 10% der Frühgeborenen <1.500 g.
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Kapitel 13 · Kinderchirurgie
4 Unter den Erkrankten sind weniger als 10% Reifgeborene. 4 Geschlechterverhältnis: männlich : weiblich = 2 : 1.
bevorzugt im Endileum und im Kolon (zusammen in 44% befallen); bei etwa 20% Pannekrose langstreckiger Darmabschnitte.
Risikofaktoren
Klinik
4 Vorzeitiger Blasensprung. 4 Perinatale Stresssituation (erschwerte Geburt, Hypoxie, Hypothermie, Schock, Hypovolämie, Azidose, Hypoglykämie). 4 Unreife. 4 Ungenügende Infektabwehrmöglichkeiten (systemisch; lokal: Darmschleimhaut). 4 Atemnotsyndrom. 4 Hyperviskosität des Blutes (hoher Hämatokrit). 4 Austauschtransfusion über Nabelvene. 4 Nabelarterienkatheter. 4 Frühe Fütterung mit Kuhmilchpräparaten (fehlende Schutzfaktoren der Muttermilch; nichtgestillte Säuglinge erkranken 6-mal häufiger als gestillte). 4 Hyperosmolarität der Nahrung. 4 Drogenabusus der Mutter (Kokain). 4 Medikamente, die die Darmmotilität hemmen bzw. die Darmdurchblutung verringern (Methylxanthine, Indomethacin). 4 Symptomatische Herzfehler (Fallot-Tetralogie, Ventrikelseptumdefekt, Ductus arteriosus persistens). 4 Vorausgegangene Operationen (nach Dünndarmatresie vom Apple-peel-Typ, nach Gastroschisis).
Erkrankungsbeginn schleichend (selten fulminant), überwiegend zwischen dem 5. und 10. Lebenstag, meist 24– 36 h nach der ersten enteralen Nahrungsaufnahme. Symptome sind: 4 Aufgetriebenes schmerzhaftes Abdomen, gallige Magenreste, schleimig-blutige Stühle. 4 Trinkschwäche. 4 Rötung und vermehrte Venenzeichnung der Bauchhaut, Ödem der Bauchwand. 4 Lethargie, Temperaturinstabilität. 4 Apnoeanfälle, Bradykardien. 4 Vergrößerung von Leber und Milz.
! Je mehr Frühgeborene infolge verbesserter Beatmung und Surfactant-Gabe überleben, desto häufiger ist eine NEC zu erwarten.
Es werden die in . Tab. 13.9 genannten Stadien unterschieden (Bell 1978).
Diagnose jLaborbefunde
4 Serumnatrium erniedrigt; Thrombozyten auf <150.000 erniedrigt, Leukopenie <6000 mit Linksverschiebung, C-reaktives Protein (CRP) erhöht. 4 Metabolische Azidose. 4 Ikterus. 4 Disseminierte intravasale Gerinnung. 4 Anstieg reduzierender Substanzen im Stuhl infolge Disaccharidase-Malabsorption (Laktasemangel). 4 Blutige Stühle.
Pathophysiologie
jRöntgen
Bakterielle Infektion eines anfälligen und empfindlichen Makroorganismus. Sie wird durch die folgenden Faktoren ausgelöst: 4 Darmschleimhautläsion im Zusammenhang mit Mikrozirkulationsstörung im mesenterialen Stromgebiet (»Tauchreflex«, Reperfusionstrauma mit toxischen freien O2-Radikalen, Austauschtransfusion, »diastolic steal phenomen« bei Ductus arteriosus persistens, erhöhter intraluminaler Druck im Darm). 4 Bakterieninvasion in die Darmwand (keine spezifischen Erreger; meist Erreger der eigenen Darmflora, die jedoch aufgrund der äußeren Umgebung (Intensivstation) und der antibiotischen Behandlung selektioniert ist. 4 Zeitpunkt und Art der Ernährung.
Abdomenübersicht (»stehende« Schlingen, Pneumatose = Luft in der Darmwand; später luftleeres Abdomen; Luft in Pfortaderästen; freie Luft deutet auf eine Darmperforation hin) – Aufnahmen in 6- bis 8-stündigen Intervallen wiederholen.
Pathologische Anatomie Transmurale Darmwandnekrose mit nur geringer Entzündungsreaktion, überwiegend segmentär oder fleckförmig,
jSonographie
4 Darmmotilitätsstörung, Luft in Pfortaderästen, Aszites. jParazentese.
Differenzialdiagnose 4 4 4 4 4 4
Sepsis, Rotavirusenteritis, Enteritis bei Morbus Hirschsprung, Meningitis, Dünndarmileus, Volvulus,
617 13.3 · Abdomen
. Tab. 13.9 Stadien der nekrotisierenden Enterokolitis (NEC) Stadium I
Stadium II
Stadium III
Verdacht auf NEC
Nachgewiesene NEC
Fortgeschrittene NEC
Anamnese
Perinataler Stress und Hypoxie
Perinataler Stress und Hypoxie
Perinataler Stress und Hypoxie
Allgemeinsymptome
Temperaturinstabilität, Lethargie, Apnoe, Bradykardie
Zusätzlich: Metabolische Azidose, Thrombozytopenie
Zusätzlich: Neutropenie, disseminierte intravasale Gerinnung, Verschlechterung der Vitalzeichen, Sepsis, Schock
Gastrointestinale Symptome
Magenreste, Erbrechen (evtl. gallig), zunehmender Bauchumfang, okkultes Blut im Stuhl
Zusätzlich: Blutige Stühle, aufgetriebenes druckdolentes Abdomen, Verfärbung der Bauchhaut, tastbare Resistenz
Zusätzlich: Peritonitis
Röntgen (Abdomenübersicht)
Erweiterte Darmschlingen
Zusätzlich.: Darmwandödem, »stehende« Schlingen, Aszites, Pneumatose, Luft in Portalvenen
Zusätzlich: Pneumoperitoneum als Zeichen einer Darmperforation
4 Nabelveneninfektion, 4 Pfortaderthrombose, 4 Nebenniereninsuffizienz.
Therapie 4 Nahrungskarenz. 4 Offen ablaufende Magensonde. 4 Hochdosierte Antibiotikabehandlung mit breitem Spektrum unter Einschluss von Anaerobiern und Staphylokokken. 4 Volumensubstitution. 4 Eventuell Transfusion. 4 Korrektur von Elektrolytstörungen. 4 Sauerstoffgabe. 4 Verbesserung der mesenterialen Perfusion. 4 Zwei Drittel der Patienten können konservativ behandelt werden.
Operation ! In Extremfällen muss man sich zunächst auf eine Peritonealdrainage in Lokalanästhesie auf der Intensivstation beschränken. Falls keine Besserung eintritt o Laparotomie kIndikation
Absolute Indikation erst bei Perforation, bei Zeichen einer Durchwanderungsperitonitis, bei Darmgangrän (konstant tastbare Resistenz). Aszites. kPrinzip
Häufig nur doppelläufige Enterostomie oral der Darmwandläsion und/oder Peritonealspülung und -drainage möglich. Ziel sollte sein, so viel erholungsfähigen Darm wie möglich zu erhalten.
kLagerung
4 OP-Saal auf 32°C vorheizen; Wärmematte. 4 Schutz vor Wärmeverlusten 7 Abschn. 13.1.1. 4 Ausreichende Luftfeuchtigkeit, um Flüssigkeitsverlust durch Perspiratio insensibilis gering zu halten. 4 Rückenlage. 4 Unterer Thorax leicht unterpolstert. 4 Neutrale Elektrode am Oberschenkel, bei sehr kleinen Frühgeborenen am Rücken. kInstrumentarium
4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium, Bauchinstrumente, Kochsalzschale, Sauger mit feinem Ansatz, Silikondrain 8 oder 10 Charr bereithalten, ggf. Easyflow oder Penrose-Drain, 4 Spritzen (10 ml), 4 2%ige N-Acetylcysteinlösung, 4 Nahtmaterial: 5–0 und 6–0 resorbierbar. Enterostomie bei NEC 7 7 7 7
Quere Oberbauchlaparotomie rechts. Abstrich für bakteriologische Untersuchung. Das weitere Vorgehen hängt vom Befund ab. Möglichst schonende Revision des Dünn- und Dickdarmes. Peritonealspülung und -drainage. Nekrosen/Perforationen einstülpend quer übernähen mit atraumatisch resorbierbaren Fäden 6–0. 7 Gegebenenfalls Spülung des Endileums mit körperwarmer 2%iger N-Acetylcysteinlösung. 6
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Kapitel 13 · Kinderchirurgie
13.3.9 7 Anlage eines doppelläufigen Kunstafters oral der Perforation(en). 7 Bei ausgedehnten Darmnekrosen möglichst keine Resektion, sondern Second-look-Operation 24– 48 h nach primärer Operation und Anlage des Enterostomas. Die Ileozäkalklappe sollte möglichst erhalten bleiben. 7 Vollständige Resektion unzureichend durchbluteter Darmsegmente kann einen Kurzdarm zur Folge haben. Keine primäre Anastomose bei Peritonitis und bei nicht einwandfrei durchblutetem Darm.
Extrahepatische Gallengangatresie
Definition Perinatal erworbener, progressiv obliterierender, segmentaler oder totaler Verschluss der extrahepatischen und später auch der intrahepatischen Gallengänge.
Häufigkeit 4 1:10.000–18.000. 4 Geschlechterverhältnis männlich : weiblich = 1 : 1,4– 1,7.
Ätiologie Ein wegen NEC angelegtes Stoma wird frühestens nach 4 Wochen verschlossen. Zuvor muss die Durchgängigkeit der aboralen Darmabschnitte gesichert sein. Alternative Verfahren ohne Kunstafteranlage: 4 »Patch, drain and wait« = Übernähen der Perforation, Peritonealdrainage und parenterale Ernährung. 4 »Clip and drop back« = Nekrotischen Darm vollständig entfernen, Resektionsränder des belassenen Darms mit Titanclips oder linearem Stapler verschließen. Relaparotomie nach 48–72 h: Entfernung der Clips und Wiederherstellung der Darmkontinuität ohne Kunstafter.
13
Zum Ausschluss von Strikturen und anderen pathologischen Befunden wird 2–3 Monate nach Abklingen der entzündlichen Veränderungen ein Kontrasteinlauf aboral des Kunstafters vorgenommen. (Frühere Untersuchung nur ausnahmsweise bei fehlendem Gedeihen bzw. hohen Flüssigkeits- und Salzverlusten über das Enterostoma.) Gegebenenfalls Wiederherstellung der Darmpassage aboral des Enterostomas und Resektion des Kunstafters nach weiterem Loopogramm in einer dritten Sitzung.
Die Ätiologie ist nicht bekannt. Als mögliche Ursachen werden u. a. diskutiert: 4 intrauterine Reovirus-Typ-3-Infektion, 4 intrauterine Gefäßkatastrophe, 4 fehlerhafte Verbindung zwischen Gallen- und Pankreasgang, 4 Kombination einer genetischen Veranlagung mit einer gestörten Immunreaktion auf eine endogene Noxe (z. B. hepatotrope Viren).
Formen 4 6% »korrigierbare« (direkte Anastomose mit extrahepatischen Gallenwegen möglich, . Abb. 13.21a–c). 4 94% »nicht korrigierbare« (davon 11% Gallenblase mit weißer Galle, freiem Abfluss nach distal und obliterierten Gängen proximal, s.. Abb. 13.21d–g).
Symptome Cholestase über den 14. Lebenstag hinaus:
Spätfolgen 4 Strikturen, überwiegend nach konservativer Behandlung (meist des Kolons) in ca. 10%. 4 Sekundäre Darmatresien, Enterozelen und innere Fisteln. 4 Malabsorption. 4 Kurzdarm (Dünndarmlänge <40 cm, besonders ungünstig, wenn mit Verlust der Ileozäkalklappe kombiniert).
Prognose 4 Mortalität 10–50%. 4 Von den Frühgeborenen, die eine schwere NEC überleben, leiden 20–40% später an Minderwuchs und psychomotorischer Retardierung.
a
d
b
e
c
f
g
. Abb. 13.21 a–g Formen der extrahepatischen Gallengangatresie: a–c »korrigierbar«, d–g »nichtkorrigierbar«. d + e sind die häufigsten Formen. (Nach Skandalakis et al. 1994)
619 13.3 · Abdomen
4 Verdin-Ikterus, Stuhl acholisch, Urin dunkel gefärbt, 4 Hepatosplenomegalie, 4 manchmal Blutung (z. B. Hämatothorax) als Erstsymptom (Vitamin-K-Mangel).
Diagnostik Problem ist die Differenzierung zwischen obstruktiv und parenchymatös bedingtem Ikterus. Folgende Diagnosekriterien sind hilfreich: 4 Obstruktiv-ikterische Patienten wirken im Gegensatz zu parenchymatös-ikterischen (Hepatitis, Stoffwechselkrankheiten) nicht krank. 4 Diagnosesicherung durch Leberbiopsie in der 4. bis 5. Lebenswoche. 4 Direktes Cholangiogramm spätestens in der 6. Cholestasewoche. jLaborbefunde
4 Anteil des konjugierten Bilirubins auf über 20% erhöht. 4 Lipoprotein X im Serum erhöht. 4 Leberszintigraphie: fehlende Gallenausscheidung in den Darm. Die Diagnose sollte bis zur 6. Lebenswoche gesichert sein.
Operation kPrinzip
4 Biliodigestive Anastomose, um Schädigung der Leber und Leberzirrhose zu verhindern (spätestens in der 8. Lebenswoche; nach dem 3. Lebensmonat nicht mehr sinnvoll). 4 Hepato-Porto-Jejunostomie mit ausgeschalteter Roux-Schlinge (benannt nach Roux, Chirurg, Paris, 1857–1934) als Gallengangersatz nach Kasai 1957 (japanischer Kinderchirurg, 1922–2008) retrokolisch: Hierbei wird versucht, blind an der Leberpforte endende, von Leberparenchym bedeckte intrahepatische Gallengangreste mit dem Darm zu anastomosieren. Der Erfolg hängt vom Gesamtquerschnitt der anastomosierten Gallengänge ab, die mindestens 200 μm weit sein sollten. Verwachsungen zwischen der Serosa des angelagerten Dünndarms und der Leber schaffen eine zusätzliche lymphobiliäre Galledrainage in den Darm. Das Ergebnis ist letztlich eine Autoanastomose zwischen Gallengängen und Darmepithel. ! Länge der Roux-Schlinge mindestens 50 cm (je kürzer desto größer das Cholangitisrisiko). Keine Elektrokoagulation am Leberhilus!
Präoperative Gabe von Vitamin K und Breitbandantibiotika.
kLagerung
4 4 4 4 4 4 4
OP-Saal auf 32°C vorheizen; Wärmematte. Rückenlage. Unterer Thorax leicht unterpolstert. Neutrale Elektrode am Oberschenkel. Bei der Lagerung Röntgenmöglichkeit bedenken. Röntgenschutz für Patient und Personal. Schutz vor Wärmeverlusten (7 Abschn. 13.1.1).
kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumente, Kinderlaparotomieinstrumente, lange Instrumente, Kochsalzschale, Dennis-Brown-Rahmen, Mikroinstrumentarium, abgewinkelte Mikroschere, Lupenbrille, Vessel-Loops, Knopfkanüle, Heidelberger Verlängerungsstück, Spritze 5 ml, Kanüle Nr. 1, Kontrastmittel, Nahtmaterial: Resorbierbar, atraumatisch (4–0, 5–0, 6–0), 4 linearer Anastomosenstapler. Biliodigestive Anastomose, Hepato-Jejunostomie 7 Kleine quere Oberbauchlaparotomie rechts 1 Querfinger oberhalb des Nabels. 7 Beurteilung von Größe, Farbe, Oberfläche und Konsistenz der Leber. Ist eine Gallenblase mit sondierbarem Lumen vorhanden o intraoperative Cholangiographie. Liegt eine nichtkorrigierbare Atresie vor, wird der Schnitt nach beiden Seiten hin erweitert und zunächst das Lig. hepatoduodenale präpariert. 7 Darstellung der A. hepatica communis mit ihrer Aufzweigung. Das Gefäß wird mit einem feinen Gummizügel angeschlungen. Der Gallenblasenrest wird aus dem Leberbett herauspräpariert, die A. cystica zwischen Ligaturen durchtrennt. 7 Der dem Ductus cysticus entsprechende Strang und seine Fortsetzung zum Leberhilus werden unter Schonung der Blutgefäße des Lig. hepatoduodenale bis zur Leberpforte über die Aufzweigung der V. portae hinaus dargestellt. Hier verbreitert sich der Bindegewebestrang zu einem Narbenfeld, das dorsal und kranial der Aufzweigung der V. portae tangential exzidiert wird (. Abb. 13.22 und . Abb. 13.23). Hierbei werden einzelne winzigste Gallengänge eröffnet. Das Wundgebiet am Leberhilus wird mit einer kleinen Kompresse komprimiert (keine elektrische Koagulation!). 6
13
620
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
7 Darstellung des oberen Jejunum, das 10 cm aboral der Flexura duodenojejunalis mit Haltefäden versehen und mit Hilfe des linearen Anastomosenstaplers durchtrennt wird. Der aborale Dünndarmschenkel wird unter Schonung seiner Gefäßversorgung so weit skelettiert, dass er bis zum Leberhilus reicht, zu dem er durch eine im Mesocolon transversum geschaffene Lücke gebracht wird. Der orale Dünndarmschenkel wird 60 cm distal der Enterotomie End-zu-Seit in den aboralen anastomosiert. Die Anastomose wird mit Einzelknopfnähten (resorbierbar, 6–0 atraumatisch) zweireihig angefertigt. 6
7 Übernähung der Klammernahtreihe des aboralen Dünndarmschenkels. Dieser Darmanteil wird Endzu-Seit mit dem zuvor exzidierten Gallefeld im Leberhilus anastomosiert (resorbierbar, 6–0, atraumatisch, einreihig) (. Abb. 13.24 und . Abb. 13.25). 7 Evtl. zusätzlich Hepatoporto-Omentopexie. 7 Adaptation des Mesocolon transversum in der Umgebung der retrokolischen Dünndarmschlinge. Die Darmschlingen werden geordnet in die Bauchhöhle zurückverlagert. 7 Zählkontrolle und Dokumentation. 7 Schichtweiser Verschluss der Bauchdecken, Subkutannaht. Hautverschluss. Verband.
13 . Abb. 13.22 Präparation des atretischen Restes der extrahepatischen Gallenwege bis zur Leberpforte dorsal der Pfortaderaufzweigung. (Nach Kimura et al. 1979)
. Abb. 13.24 Operation der extrahepatischen Gallengangatresie: Präparation der nach Roux ausgeschalteten Dünndarmschlinge. (Nach Howard 1995)
. Abb. 13.23 Operation der extrahepatischen Gallengangatresie: Exzision der Gallenblase und des atretischen Restes der extrahepatischen Gallenwege, Eröffnung der Leberpforte. (Nach Howard 1995)
. Abb. 13.25 Hepato-Porto-Enterostomie mit einer nach Roux ausgeschalteten retrokolischen Dünndarmschlinge. (Nach Howard 1995)
621 13.3 · Abdomen
Postoperativ 4 4 4 4
Langzeitantbiotikaprophylaxe. Substitution fettlöslicher Vitamine (A, D, E, K). Ernährung mit mittelkettigen Triglyzeriden. Medikamentöse Verbesserung des Galleflusses, z. B. mit Ursodesoxycholsäure.
. Tab. 13.10 Prognose nach biliodigestiver Anastomose, Hepato-Porto-Jejunostomie Gruppe
Kennzeichen
I
30%
Guter Gallefluss Vollständige Rückbildung des Ikterus Gute Langzeitprognose mit annähernd normaler Leberfunktion
II
30%
Mäßiger Gallefluss Anhaltender Ikterus Stabile Leberfunktion Gute Langzeitprognose, jedoch Lebertransplantation in einigen Jahren erforderlich
III
30%
Ausbleibender Gallefluss und progrediente Leberschädigung erfordern eine Lebertransplantation innerhalb der ersten 12–16 Lebensmonate (65–88% 5-JahresÜberlebenszeit nach Transplantation)
Die postoperative Gabe von Steroiden ist umstritten.
Komplikationen Cholangitis, sekundärer Verschluss der Anastomose (Reoperation nur indiziert, wenn postoperativ vorhandener eindeutiger und guter Gallefluss plötzlich versiegt). Mangel an fettlöslichen Vitaminen.
Prognose Unbehandelt entwickeln Kinder mit einer Gallengangatresie eine Leberzirrhose, an der sie innerhalb der ersten beiden Lebensjahre sterben. Die Operation kann bei einem Teil der Kinder den Galleabfluss aus der Leber verbessern und so den weiteren Verlauf günstig beeinflussen. Die Prognose ist abhängig von 4 dem Alter bei Operation, 4 dem Zustand der Leber bei Operation, 4 dem Vorhandensein von Galleductuli am Leberhilus, 4 der OP-Technik, 4 dem postoperativem Gallefluss. Die in . Tab. 13.10 genannten 3 prognostischen Gruppen lassen sich 4–6 Wochen postoperativ bilden.
13.3.10
Choledochuszyste
. Abb. 13.26 Normale (= getrennte) Mündung von Ductus choledochus und Ductus pancreaticus (links), gemeinsame Mündung (»long common channel«) rechts. (Nach Rowe et al. 1995)
Definition Embryonal entstandene zystische oder fusiforme Erweiterung des Ductus choledochus proximal einer röntgenologisch oder im ERCP (endoskopische retrograde Choledochopankreatikographie) nachweisbaren gemeinsamen Endstrecke zusammen mit dem Pankreasgang.
Von den verschiedenen Formen ist die mit konzentrischer Dilatation des Ductus choledochus (Typ 1) mit Abstand der häufigste Typ im Kindesalter (>90%).
Ätiologie Ätiologisch nimmt man eine intrauterine Wandschädigung des Ductus choledochus durch Pankreasenzyme an, die infolge der anomalen gemeinsamen Mündung in den Ductus choledochus gelangen können, evtl. begünstigt durch eine Stenose der gemeinsamen Mündung (. Abb. 13.26).
Symptome 4 Oberbauchkoliken, 4 rezidivierende oder persistierende Cholestase mit/ ohne Pankreatitis, 4 palpabler Oberbauchtumor, 4 Fieber, 4 Cholangitis.
Diagnostik 4 Sonographie. 4 Cholestaseparameter, Serumamylase und -lipase erhöht. 4 MR-Cholangiogramm. 4 endoskopische retrograde Choledochopankreatikographie (ERCP). 4 pränatale Diagnostik ab Schwangerschaftsmitte möglich.
13
622
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
Operation 4 Intraoperative Cholangiographie über Gallenblase, falls nicht bereits über präoperative Bildgebung dargestellt. 4 Vollständige Resektion der Choledochuszyste. 4 Hepatiko-Jejunostomie mit einer retrokolischen Roux-Schlinge (. Abb. 13.27). 4 Laparoskopische Operation bei größeren Zysten nicht sinnvoll 4 Langzeitüberwachung notwendig.
13.4
Bauchwand
13.4.1
Omphalozele
Definition Bauchwanddefekt im Bereich des Nabelschnuransatzes. Es handelt sich um eine Bauchwandhernie in die Basis des Nabelschnuransatzes hinein. Bruchinhalt ist neben Dünn- und Dickdarmschlingen immer auch ein Teil der Leber. Der Bruchinhalt ist von einem durchsichtigen Bruchsack aus Amnion und Peritoneum umgeben.
Prognose Sehr gut, wenn zum Zeitpunkt der Operation keine Leberzirrhose besteht. Bei unvollständiger Resektion der Zyste besteht ein hohes Risiko eines Cholangiokarzinoms.
Häufigkeit 4 1 : 5000. 4 Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen.
13
. Abb. 13.27 Operation der Choledochuszyste: Ausschälung bzw. Exzision der Zyste und Hepatiko-Enterostomie mit einer nach Roux ausgeschalteten retrokolischen Dünndarmschlinge. (Nach Rowe et al. 1995)
623 13.4 · Bauchwand
4 Komplexe Fehlbildungen, die mit einer supraumbilikalen Omphalozele einhergehen können, sind die Cantrell-Pentalogie (nach Cantrell, amerikanischer Kinderchirurg 1922–1983, benannter Symptomenkomplex mit epigastrischer Omphalozele, Sternumspalte, zentralem Zwerchfelldefekt, Perikarddefekt und Herzfehler) und die vesikointestinale Fissur oder Kloakenextrophie bei infraumbilikaler Omphalozele (Omphalozele; anorektale Agenesie; exstrophiertes Blasenfeld, das durch ein ebenfalls exstrophiertes Darmfeld in 2 Hälften geteilt wird; Meningozele und kaudale Dysplasie der Wirbelsäule). . Abb. 13.28 Omphalozele
Embryologie Unvollständige Rückbildung des physiologischen Nabelbruchs, die normalerweise in der 10. SSW abgeschlossen ist.
Anatomie Der Bauchwanddefekt hat einen Durchmesser von 4– 12 cm. Die Bauchmuskulatur ist normal angelegt, die Mm. recti abdomis setzen allerdings weiter lateral am Rippenbogen an. Häufig besteht ein Missverhältnis zwischen der Größe der Bauchhöhle und dem Volumen des vorgelagerten Bruchinhaltes (. Abb. 13.28). Die prolabierten Baucheingeweide sind von einer gefäßlosen Membran bedeckt, die innen aus Peritoneum und außen aus Amnion besteht. Unbehandelt beginnt die Zelenwand nach der Geburt auszutrocknen, sie wird trübe und nach etwa 12 h nekrotisch. Eine Ruptur der Zelenwand, die in ca. 10% der Fälle vorkommt, muss unter allen Umständen vermieden werden. Bei großen Omphalozelen wird deshalb eine Entbindung per Sectio empfohlen, obwohl bei vaginaler Entbindung eine Ruptur nur selten beobachtet wird. Die Diagnose in der Frühschwangerschaft (ab 12. SSW) ist sonographisch möglich und sollte die Geburt in einem entsprechend erfahrenen Perinatalzentrum veranlassen.
Assoziierte Anomalien 4 Nonrotation, Mesenterium commune. 4 Etwa 30–60% der Kinder weisen weitere – z. T. lebensbedrohende – Fehlbildungen auf. Diese können Herz, Urogenitalsystem, ZNS, Zwerchfell, Skelettsystem und den Gastrointestinaltrakt betreffen wie Duplikaturen, Atresie oder ein Meckel-Divertikel (benannt nach Meckel, Anatom und Chirurg, Halle, 1781–1833). 4 Nicht seltene Chromosomenanomalien sind die Trisomie 13 und 18 und das Wiedemann-Beckwith-Syndrom (benannt nach Wiedemann, Pädiater, Kiel, 1915–2006, und Beckwith, zeitgenössischer Kinderpathologe, Denver, geb. 1933).
Konservative Behandlung In Ausnahmefällen als passagere Maßnahme bei sehr großer Omphalozele oder bei inoperablen Kindern (Vitium): wiederholte lokale Applikation desinfizierender und adstringierender Lösungen; 0,5%iges Silbernitrat oder Sulfadiazin-Silber-Creme). Nachteile dieser Behandlung sind: 4 lokale Infektion, 4 Sepsis, 4 Ruptur der Zele, 4 langer Krankenhausaufenthalt, 4 große ventrale Hernie, die später korrigiert werden muss, 4 dauerhaftes Missverhältnis zwischen Zeleninhalt und Größe der Bauchhöhle.
Präoperative Maßnahmen 4 Plastikbeutel: Das Neugeborene wird mit den Füßen voran in einen handelsüblichen sterilen Plastikbeutel gebracht, sodass nur der Kopf und die Arme frei bleiben. Auf diese Weise werden Austrocknung und Ruptur der Zelenwand sowie bakterielle Kontamination vermieden. Der Plastikbeutel wird erst bei der Operation geöffnet. 4 Magensonde: ca. 8–10 Charr, um eine Volumenzunahme des Zeleninhalts durch verschluckte Luft zu verhindern. 4 Seitenlage: Zur Zwerchfellentlastung. 4 Venöser Zugang: Zur Volumensubstitution. 4 Blutzuckerkontrollen: Wiedemann-Beckwith-Syndrom (EMG-Syndrom: Omphalozele, Makroglossie und Gigantismus): diese Neugeborenen neigen zu schweren Hypoglykämien. 4 Ausschluss weiterer Fehlbildungen bzw. Syndrome (Chromosomenanalyse veranlassen). Zur Narkose wird das Kind intubiert. ! Maskenbeatmung und Lachgas vermeiden, weil dadurch das Volumen der einen Teil des Zeleninhalts bildenden Darmschlingen vergrößert und ein primärer Bauchwandverschluss erschwert wird.
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624
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
Operation kIndikation
Notfallindikation nur bei rupturierter Omphalozele; sonst elektiv. kPrinzip
4 Kleine und mittelgroße Omphalozele: primärer Bauchwandverschluss, einzeitig. 4 Große Omphalozele: entweder primär konservativ mit sekundärem Bauchwandverschluss oder primär operativ mehrzeitig mit Bildung einer passageren Hernie aus Silastikfolien und sekundärem Bauchwandverschluss. Ein primär operatives Vorgehen erlaubt die Inspektion der Bauchorgane auf zusätzliche Missbildungen und vermeidet die Gefahr einer Zelenruptur. kLagerung
4 OP-Saal auf 32–34°C vorheizen. 4 Wärmematte. 4 Rückenlage. kInstrumentarium
4 4 4 4
13
Grundinstrumentarium, Kinderlaparotomieinstrumentarium, Kochsalzschale, 2 Einmalspritzen (20 ml); 2%ige N-Acethylcysteinlösung zur Darmspülung, 4 Nahtmaterial: Resorbierbare Fäden (3–0, 4–0, 5–0), 4 linearer Anastomosenstapler, 4 sterile Silastikfolien bereithalten. Verschluss einer Omphalozele 7 Beim primären Bauchwandverschluss wird erst das Darmvolumen durch Darmspülung verkleinert und dann die Bauchdecke verschlossen. 7 Umschneidung der Omphalozele unter Belassung eines 1–2 mm breiten Hautstreifens an der Basis. Die zelenfernen Wundränder werden allseits mobilisiert, bis der mediale Rand der Mm. recti beidseits dargestellt ist. 7 Die Nabelgefäße werden nahe der Bauchwand unterbunden. Man kann nun versuchen, den Omphalozeleninhalt in die Bauchhöhle zu reponieren; dabei sind Anstieg des Beatmungsdruckes, Kompression der V. cava mit unterer Einflussstauung, Abknickung der V. cava zwischen Leber und rechtem Vorhof zu vermeiden (abdominelles Kompartmentsyndrom). 6
7 Wenn die Bauchhöhle groß genug ist, um den Inhalt der Omphalozele aufzunehmen, können die Bauchdecken durch Adaptation der medialen Ränder der vorderen Rektusscheide primär verschlossen werden, evtl. unter Verwendung von Fremdmaterial (Patch aus biologisch degradierbarem Material, resorbierbare Fäden 3–0 oder 4–0). 7 Anderenfalls kann man an die medialen Ränder der Mm. recti je eine Silastikfolie annähen (möglichst dünne Folie nehmen; unmittelbar präoperativ sterilisieren; resorbierbares Nahtmaterial). Die Folie wird so gefaltet, dass ein nach lateral gerichteter Saum auf der Rektusscheide zu liegen kommt, der durch eine zusätzliche Nahtreihe am vorderen Blatt der Rektusscheide fixiert wird (resorbierbares Nahtmaterial). 7 Zählkontrolle und Dokumentation. 7 Nach Zuschneiden werden beide Folienblätter über der Omphalozele verschlossen (linearer Anastomosenstapler). Die Bauchhaut wird rings um den so konstruierten Silastikbehälter auf die Folienoberfläche fixiert. 7 Verband mit Jodoformgaze.
Die künstliche Bauchwand kann in der Folgezeit in 1- bis 3-tägigem Abstand durch Nähte verkleinert werden. Dazu ist in der Regel keine Narkose nötig. Mit der Verkleinerung der Hernie geht eine allmähliche Vergrößerung der Bauchhöhle einher, die nach 7–10 Tagen groß genug sein sollte, um einen endgültigen Verschluss der Bauchdecken über dem vollständig reponierten Zeleninhalt zu ermöglichen.
Risiken Sepsis, besonders bei mehrzeitigem Verschluss unter Verwendung von Fremdmaterial; gastroösophagealer Reflux; Leistenbrüche.
Mortalität Hängt von Art und Umfang zusätzlicher Anomalien ab, bei großen Omphalozelen zwischen 30 und 60%. ! Von der Omphalozele zu unterscheiden ist der Nabelschnurbruch mit einem kleinen Bauchwanddefekt (<4 cm Durchmesser). Bruchinhalt sind Dünndarmschlingen, die leicht reponiert werden können. Der Defekt ist immer primär zu verschließen (. Abb. 13.28). Cave: Persistierender Ductus omphaloentericus.
625 13.4 · Bauchwand
13.4.2
Gastroschisis
Definition Die Gastroschisis (besser Laparoschisis) ist ein Prolaps von Baucheingeweiden, meist des Darmes, durch einen angeborenen Defekt der vorderen Bauchwand, in der Regel rechts des Nabelschnuransatzes (. Abb. 13.29). Ein Bruchsack fehlt. Häufig sind Frühgeborene betroffen.
Häufigkeit 4 1 : 2500. 4 Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen.
Embryologie Ursächlich angenommen wird eine unzureichende Entwicklung des extraembryonalen Coeloms, das zu klein ist, den wachsenden Darm aufzunehmen. Infolgedessen kommt es zu einer Ruptur der Bauchwand rechts des Nabelschnuransatzes. Wegen der Rückbildung der rechten (ursprünglich paarig angelegten) Nabelvene in der 4. SSW ist die Bauchwand dort weniger widerstandsfähig.
Anatomie Der Bauchwanddefekt hat im Allgemeinen einen Durchmesser von 2–3 cm. Prolabiert sind große Teile des Dünnund Dickdarmes, gelegentlich auch des Magens, der Harnblase und – beim Mädchen – der Adnexe. Der intrauterine Kontakt der Darmserosa mit der Amnionflüssigkeit gilt als Ursache für eine »chemische Peritonitis«: Die Darmschlingen sind gestaut; die Darmwand ist ödematös verdickt und starr. Die proliferativ verdickte Serosa kann den Darm wie ein dicker Schleier umhüllen und eine Darmverkürzung vortäuschen. Kontaminations- und Verletzungsrisiko der prolabierten Organe begründen die elektive Entbindung per Sectio, deren Vorteile jedoch nicht bewiesen sind. Postnatal führt die große Oberfläche der prolabierten Eingeweide zu einem exzessiven Flüssigkeits- und Wärmeverlust und damit rasch zu einem hypovolämischen Schock und zur Unterkühlung. Eine bakterielle Besiedelung der ungeschützten Darmoberfläche kann eine Sepsis verursachen. Die Abknickung des prolabierten Darms am Rand eines (kleinen) Bauchwanddefektes kann zu Durchblutungsstörungen und Atresie des Darms führen, besonders wenn der Defekt bereits vor der Geburt eine Tendenz zur Verkleinerung hatte. Durch Ultraschall ist eine pränatale Diagnose ab dem 3. Monat möglich. Die pränatale Diagnose sollte die Entbindung in einem entsprechend erfahrenen Perinatalzentrum veranlassen.
. Abb. 13.29 Gastroschisis – prolabiert sind Dünn- und Dickdarm sowie ein Teil des Magens durch den rechts des Nabelschnuransatzes gelegenen Bauchwanddefekt
Begleitfehlbildungen 4 Darmatresie und -perforation; 4 Nonrotation, Mesenterium commune.
Präoperative Behandlung 4 Plastikbeutel: Das Neugeborene wird mit den Füßen voran in einen handelsüblichen sterilen Plastikbeutel gebracht, sodass nur der Kopf und die Arme frei bleiben. Auf diese Weise werden sowohl weitere Flüssigkeits- und Wärmeverluste als auch eine bakterielle Kontamination vermieden. Der Plastikbeutel wird erst bei der Operation wieder geöffnet. 4 Magensonde: ca. 8–10 Charr, um eine Aspiration und die Volumenzunahme der prolabierten Darmschlingen durch verschluckte Luft zu verhindern. Je größer das Volumen des prolabierten Bauchinhalts desto schwieriger der operative Verschluss des Bauchwanddefektes. 4 Rechtsseitenlage: um eine Abknickung des Mesenteriums am Rand des – manchmal sehr engen – Bauchwanddefektes und damit eine Durchblutungsstörung mit Gangrän des vorgefallenen Darms zu vermeiden. 4 Venöser Zugang: zur Volumensubstitution. 4 Antibiotikaprophylaxe: Unmittelbar nach der Geburt beginnend. Zur Narkose wird das Kind intubiert.
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626
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
! Maskenbeatmung und Lachgas vermeiden, weil dadurch das Prolapsvolumen vergrößert und ein primärer Bauchwandverschluss erschwert wird.
Operation kIndikation
Keine Notfallindikation. Voraussetzungen sind: 4 normothermes Kind, 4 Elektrolyte, Blutgasanalyse und Flüssigkeitsdefizite ausgeglichen, 4 stabiler Kreislauf, 4 beginnende Urinausscheidung. kLagerung
4 OP-Saal auf 32–34°C vorheizen. 4 Für ausreichende Luftfeuchtigkeit sorgen, um Flüssigkeitsverlust durch Perspiratio insensibilis (Flüssigkeitsverlust über exponierte Darmschlingen 5 ml/ kg KG/h) gering zu halten. 4 Wärmematte. 4 Rückenlage. kInstrumentarium
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Grundinstrumentarium, Kinderlaparotomieinstrumentarium, Kochsalzschale, Einmalfrauenkatheter 10 Charr, 2 Einmalspritzen (20 ml), 2%ige N-Acethylcysteinlösung zur Darmspülung, Nahtmaterial: Resorbierbare Fäden 3–0, 4–0, 5–0, sterile Silastikfolien bereithalten, linearer Anastomosenstapler.
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Gastroschisis 7 Der Plastikbeutel wird im OP-Saal geöffnet. 7 Mit Hilfe des Frauenkatheters wird 2%ige N-Acethylcysteinlösung transanal in den Darm instilliert und der Gastrointestinaltrakt vorsichtig entweder transanal oder über die Magensonde so vollständig wie möglich entleert, um das Missverhältnis zwischen dem Volumen der prolabierten Darmschlingen und dem Fassungsvermögen der Bauchhöhle zu verringern. 7 Serosaverletzungen sind dabei unbedingt zu vermeiden. Danach wird das Kind aus dem Plastikbeutel herausgenommen, auf eine mit einer trockenen Unterlage bedeckte Wärmematte gelegt, abgetrocknet und mit sterilen Tüchern abgedeckt. 7 Wegen des Risikos einer Schilddrüsenfunktionsstörung durch resorbiertes Jod wird auf eine Desinfek6
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tion mit konzentriertem Polyvidon-Jod verzichtet und der Darm sorgfältig mit körperwarmer steriler Ringer-Lösung gereinigt. Dabei werden Fibrinbeläge und Käseschmiere – soweit ohne Darmverletzung möglich – entfernt. Die Verwendung alkoholischer Desinfektionslösungen ist kontraindiziert. Der Bauchwanddefekt wird quer erweitert (1–2 cm). Die prolabierten Darmschlingen werden sorgfältig nach einer Atresie oder Perforation inspiziert. Verklebungen werden nur gelöst, wenn dies ohne Darmverletzung oder Blutung möglich ist. Briden zwischen dem Rand des Defektes und dem Dünndarmmesenterium werden reseziert. Ein Meckel-Divertikel wird belassen, muss aber im OP-Bericht erwähnt werden. Eine Darmperforation wird als Stoma vorgelagert; eine Darmatresie wird reseziert. Gleichzeitig wird ein doppelläufiges Stoma angelegt. Primäre Anastomosen bei entzündlich veränderter Darmwand und zu erwartender Darmmotilitätstörung stellen ein unvertretbares Risiko dar. Die prolabierten Damschlingen werden geordnet in die Bauchhöhle verlagert. Nach Zählkontrolle und Dokumentation werden Peritoneum und Faszie über dem reponierten Darm mit durchgreifenden U-Nähten aus resorbierbarem Nahtmaterial (3–0) verschlossen, evtl. mit Hilfe einer Bauchwanderweiterungsplastik mit einem Patch aus biodegradierbarem Material. Cave: Abdominelles Kompartmentsyndrom! Ist die Bauchhöhle zu klein (10–15% der Fälle), kann man die Darmschlingen vorübergehend in einer künstlichen ventralen Hernie aus Silastikfolien unterbringen (Schuster-Plastik). Dacron-verstärkte Silastikfolien (0,5–0,8 mm dick) werden am Faszienrand des dazu ringsum freipräparierten Bauchwanddefektes mit Einzelknopfnähten (3–0 resorbierbar) fixiert. Die Folien werden entsprechend der benötigten Größe zurechtgeschnitten und über den nicht in die Bauchhöhle passenden Darmschlingen in der Medianlinie verschlossen (linearer Anastomosenstapler). Eine sichere Fixierung der Folie kann man dadurch erreichen, dass man den Folienrand am Defekt faltet, die Falte selbst am Faszienrand und den lateralen Rand der Folie auf der Vorderwand der Rektusscheide annäht. Um das Risiko einer Wundinfektion am Übergang von körpereigenem Gewebe zum Fremdmaterial gering zu halten, wird die Haut ohne übermäßige Spannung an der Folie angeheftet (6–0 atraumatisch) und ein trockener Verband angelegt. Wegen der zu erwartenden Darmpassagestörung wird ein ZVK bereits bei der Erstoperation angelegt. Offene Magensonde belassen.
627 13.4 · Bauchwand
Bei täglichen Verbandwechseln auf der Intensivstation wird die künstliche Hernie durch Nähte schrittweise verkleinert. In der Regel hat die Bauchhöhle innerhalb von 7 Tagen so an Größe zugenommen, dass der inzwischen deutlich weniger geschwollene Darm ausreichend Platz findet und der Bauchwanddefekt sekundär verschlossen werden kann. Alternativ kann eine temporäre Defektdeckung mit der Nabelschnur erfolgen. Dazu muss der Säugling lang abgenabelt werden. Zum Schutz wird eine durchsichtige Klebefolie aufgebracht.
Komplikationen 4 Subileusartiger Zustand wegen gelegentlich lang anhaltender Darmmotilitätsstörung, 4 Hypothyreose (nach Anwendung jodhaltiger Desinfektionsmittel), 4 Sepsis, 4 Aspirationspneumonie, 4 Sklerödem der unteren Körperhälfte, 4 nekrotisierende Enterokolitis, 4 Cholestase infolge langfristiger parenteraler Ernährung, 4 gastroösophagealer Reflux, 4 Leistenhernien, Nabel- und Narbenhernie.
. Tab. 13.11 Leistenbruch mit bzw. ohne Inkarzeration Leistenbruch ohne Inkarzeration
Leistenbruch mit Inkarzeration
Klinik
Meist symptomlose Schwellung in der Leiste
Plötzlicher Krankheitsbeginn mit erheblichen Schmerzen, Unruhe, Symptomen einer peritonealen Reizung
Befund
Weiche, reponible Schwellung medial des Leistenbandes (Hernia inguinalis), die bis ins Skrotum reichen kann (Skrotalhernie)
Prall-elastische, druckdolente, wenig verschiebliche Schwellung inguinal oder inguinoskrotal
Reposition
Meist spontan
Nicht selten spontan Aktive Reposition (in Sedierung) nur bei Inkarzerationsdauer von weniger als 4–6 h und fehlender Schock-Symptomatik! Fast immer möglich
OP-Indikation
Baldmöglichst elektiv, sofern nicht zusätzliche Erkrankungen das Narkoserisiko erhöhen
Bei erfolglosem Repositionsversuch ist die sofortige Operation indiziert Eine reponierte Hernie wird elektiv operiert, z. B. in 48 h
Prognose Die Überlebenswahrscheinlichkeit liegt bei über 90%.
13.4.3
Leistenbruch
Definition
Anatomie
Verlagerung von Eingeweideanteilen (Bruchinhalt) aus der Bauchhöhle durch eine angeborene oder erworbene Öffnung (Bruchpforte) in eine Ausbuchtung des parietalen Peritoneums (Bruchsack), umgeben von Subkutangewebe, Haut und/oder Skrotalwand (Bruchhüllen). Kindliche Leistenbrüche sind ganz überwiegend indirekte Leistenbrüche; sie entwickeln sich entlang des Leistenkanals. Die Bruchpforte liegt lateral der Vasa epigastrica. Wegen des Inkarzerationsrisikos handelt es sich um einen potenziell lebensbedrohlichen Zustand (Darmverschluss und Peritonitis, Verlust eines Hodens/Ovars oder eines Darmabschnitts).
Im 3. Fetalmonat bildet sich eine fingerförmige Ausstülpung des Peritoneums durch den Leistenkanal in Richtung Skrotum (bzw. Labium majus). Wenn der Hoden den Leistenkanal Richtung Skrotum passiert hat (7.-9. SSW), schließt sich der Processus vaginalis. Offen bleibt nur der distale Anteil (Cavum serosum testis). Der ausbleibende, bzw. unvollständige Verschluss führt einerseits zu den verschiedenen Formen des indirekten Leistenbruchs (divertikuläre Persistenz), andererseits zu Hydrozele und Funikulozele (zystische Persistenz) sowie zu Kombinationen von Leistenbruch und Hydrozele. Wann genau sich der offene Processus vaginalis schließt, ist nicht bekannt. Bei Mädchen schließt er sich in den meisten Fällen im 7. Schwangerschaftsmonat. Bei Jungen ist er in 80–90% der Fälle bei Geburt noch offen und obliteriert in den ersten 6 Monaten bis ca. zum 2. Lebensjahr (links früher als rechts) nach dem Hodendeszensus. Bei 20% der Jungen bleibt er lebenslang offen, ohne Symptome zu verursachen. Angeboren ist nicht der Leistenbruch, sondern der Bruchsack. Bruchinhalt sind meist Dünndarmschlingen,
Inkarzeration Inkarzerationen in etwa 12% der Fälle; 70% der Inkarzerationen treten im 1. Lebensjahr auf (. Tab. 13.11). Sie erfordern grundsätzlich eine notfallmäßige Operation.
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Kapitel 13 · Kinderchirurgie
a
b
c
d
e
. Abb. 13.30 a–e Verschiedene Leistenbruchformen: a kurzer offener Processus vaginalis; b Leistenhernie, c Leistenhernie mit Hy-
drocele testis, d Skrotalhernie, e Leistenhernie mit Hydrocele testis et funiculi. (Nach Holschneider u. Wischermann 1993)
Zäkum (Gleithernie), Appendix, Harnblase (Gleithernie!); beim Mädchen Ovar mit oder ohne Eileiter (Gleithernie!; . Abb. 13.30a–e).
Operation
Häufigkeit 4 1–5% aller Kinder, bis über 30% der Frühgeborenen. 4 Geschlechterverhältnis männlich : weiblich = 9 : 1. 4 60% rechts, 30% links, 10% beidseits. Ursachen für einen ausbleibenden Verschluss des Processus vaginalis testis 4 Maldescensus testis 4 Blasenexstrophie 4 Vermehrte Flüssigkeit intraperitoneal: Aszites, ventrikuloperitonealer Shunt, Peritonealdialyse 4 Erhöhter interperitonealer Druck, z. B. bei zystischer Fibrose (chronischer Husten) 4 Postoperativ: nach Omphalozele, Laparoschisis, Zwerchfellhernie 4 Bindegewebserkrankungen: – Marfan-Sydrom – Ehlers-Danlos-Syndrom
13
Diagnose
Ist die Diagnose gestellt, sollte ein nicht inkarzerierter Leistenbruch elektiv operiert werden, in der Regel innerhalb eines Monats, bei Frühgeborenen vor der Entlassung aus stationärer Behandlung. Der Eingriff wird ambulant vorgenommen. Wegen des erhöhten Risikos postoperativer Apnoen werden Frühgeborene in den ersten 6 Monaten nicht ambulant herniotomiert. kPrinzip
Verschluss eines offenen Processus vaginalis peritonei in Höhe des inneren Leistenringes; bei Maldeszensus Funikulolyse und Orchidopexie in gleicher Sitzung. kLagerung
4 Rückenlage, ggf. Polsterung unter das Gesäß, um die Leistengegend anzuheben. 4 Wärmematte bei Frühgeborenen und dystrophen Säuglingen. kInstrumentarium
4 Grundinstrumente, 4 Bipolare Koagulationspinzette, 4 Nahtmaterial: atraumatisch resorbierbar, Fadenstärke je nach Größe des Kindes (4–0) 5–0 (6–0), 4 5-ml-Spritze mit Ropivacain.
Die Diagnose ergibt sich aus Anamnese und Befund.
Differenzialdiagnose
Verschluss einer Leistenhernie beim Jungen
4 4 4 4 4 4
7 Bei der Desinfektion und Abdeckung darauf achten, dass eine Orchidopexie erforderlich werden kann. Skrotum desinfizieren und nicht mit abdecken. 7 2–3 cm langer Schnitt in einer Hautfalte parainguinal. Durchtrennung der Subkutanfaszie. Darstellung der Externusaponeurose und des äußeren
Leistenhoden, Lymphadenitis, Hydrocele testis, Hydrocele funiculi, Torsion eines Leistenhodens, Varikozele.
6
629 13.4 · Bauchwand
7
7
7
7
7 7 7
Leistenringes. Einsetzen von kleinen Roux- oder Lidhaken und Eröffnung des Leistenkanals durch Längsinzision der Faszie vom äußeren Leistenring nach lateral in Faserrichtung. Zur Darstellung des Bruchsackes wird die Kremastermuskulatur in Faserrichtung gespalten. Anklemmen und Eröffnen des Bruchsackes. Bei der Darstellung des Bruchsackes hält man sich möglichst nahe an der Bruchsackwand. Ein offener Processus vaginalis wird unter Schonung der Gebilde des Samenstranges quer durchtrennt. Der proximale Anteil des Bruchsackes wird bis zur Höhe des inneren Leistenringes allseits freipräpariert und mit einer Tabakbeutelnaht/ Durchstechungsligatur verschlossen (resorbierbarer Faden, atraumatisch, je nach Größe des Kindes). Der distale Bruchsackanteil wird belassen. Adaptation der Kremastermuskulatur. Eine Einengung der Bruchpforte durch Naht des M. obliquus internus an das Leistenband ist nur in Ausnahmefällen sinnvoll. Eine Bassini-Naht verbietet sich beim Kind wegen des damit verbundenen Risikos einer Hodendurchblutungsstörung. Kontrolle auf regelrechte Lage des Hodens im Skrotum; liegt der Hoden nicht im Skrotum, muss in gleicher Sitzung eine Funikulolyse und Orchidopexie vorgenommen werden. Naht der Externusaponeurose und Rekonstruktion des äußeren Leistenrings. Cave: Funikulus nicht einengen. Wundrandinfiltration mit einem langanhaltenden Lokalanästhetikum. Subkutannaht. Hautverschluss durch fortlaufende Intrakutannaht, alternativ mit Gewebekleber. Alternative Methoden zur Schmerzausschaltung sind Blockierung des N. ilioinguinalis oder die Kaudalanästhesie.
Verschluss einer Leistenhernie beim Mädchen 7 Der Zugang ist identisch zum Jungen (s. oben). 7 Nach der Darstellung des Bruchsackes wird das Lig. rotundum ligiert und durchtrennt. Der Bruchsack wird dargestellt, eröffnet und ggf. abgetragen. 7 Bruchsackverschluss durch eine Tabakbeutelnaht. Der Bruchsackstumpf wird unter der Internusmuskulatur fixiert. Pfeilernaht zwischen Internusmuskulatur und Leistenband. 7 Wundverschluss wie oben beschrieben.
Die laparoskopische Herniotomie im Säuglings- und Kindesalter ist umstritten, da sie einen extraabdominalen Eingriff in einen intraabdominalen umwandelt. Die Rezidivrate scheint etwas höher zu sein. Langzeitergebnisse stehen noch aus.
Komplikationen 4 Narbig fixierter Leistenhoden (2%), 4 Hodenatrophie (<1%), 4 Rezidiv (1–4%, v. a. nach vorausgegangener Inkarzeration), 4 Wundinfektion (<1%), 4 Verletzung des Samenleiters (0–1%).
13.4.4
Hydrozele
Definition Flüssigkeitsgefüllte Zyste im Bereich des Samenstranges infolge unvollständiger Obliteration des Processus vaginalis peritonei, über den Flüssigkeit aus der Bauchhöhle in die Zele gelangt.
Formen . Abb. 13.31a–g.
jAngeboren
4 Hydrocele funiculi: flüssigkeitsgefüllte Zyste im Bereich des Samenstranges. 4 Hydrocele testis: Flüssigkeitsansammlung innerhalb des unvollständig obliterierten Processus vaginalis peritonei in der Umgebung des Hodens. 4 Kombinationsmöglichkeiten: Hydrocele testis et funiculi mit oder ohne indirekte Leistenhernie. 4 Bei Mädchen: Nuck-Zyste (benannt nach Nuck, Anatom und Internist, Leyden, 1650–1692); zystische Flüssigkeitsansammlung im Bereich des Lig. rotundum außerhalb des Leistenkanales. jErworben
Symptomatische Hydrocele testis: pathologische Flüssigkeitsansammlung in der Umgebung des Hodens nach Trauma, Torsion, Entzündung oder bei Hodentumor.
Klinik Unterschiedlich ausgeprägte, meist symptomlose Flüssigkeitsansammlung in der Umgebung des Hodens oder entlang des Samenstranges, die sich im Verlauf der ersten 2 Jahre spontan zurückbilden kann.
13
630
13
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
a
b
e
f
c
d
g
. Abb. 13.31 a–g Verschiedene Hydrozelenformen: a Hydrocele testis; b Hydrocele funiculi; c Hydrocele testis et funiculi; d gekammerte Hydrocele testis et funiculi; e Leistenhernie mit Hydrocele tes-
tis et funiculi; f Leistenhernie mit Hydrocele testis; g abdominoskrotale Hydrozele. (Nach Holschneider u. Wischermann 1993)
Befund
4 bei prall-elastischer bzw. extrem großer Hydrozele im Alter von 4–6 Monaten, 4 bei abdominoskrotaler Hydrozele nach Diagnosestellung.
Hydrocele funiculi: Oliven- bis pflaumengroße indolente, meist prall-elastische umschriebene verschiebliche Zyste im Verlauf des Samenstranges. Hydrocele testis: Teils schlaffe, teils prall-elastische zystische Flüssigkeitsansammlung in der Umgebung des Hodens, der von dorsomedial in die Zyste hineinragt. Hydrozelen sind gegen den Leistenkanal gut abgrenzbar. Der Zeleninhalt ist nicht wegdrückbar (Ausnahme: abdominoskrotale Hydrozele). Die Diaphanoskopie ist keine sichere Maßnahme zur Unterscheidung einer Hydrozele von einer inkarzerierten Leistenhernie. Punktion der Zele ist nicht indiziert (Risiken: Rezidiv, Darmperforation, Infektion, Verletzung des Samenstranges).
Operation kIndikation
4 Bei Persistenz der Hydrozele über das 2. Lebensjahr hinaus 4 bei Verdacht auf begleitende Leistenhernie, 4 bei extremer Größe, 4 bei abdominoskrotaler Hydrozele. kOP-Zeitpunkt
4 Bei schlaffer Hydrozele jenseits des ersten Lebensjahres,
kPrinzip
Verschluss des unvollständig obliterierten Processus vaginalis peritonei in Höhe des inneren Leistenrings. Bei abdominoskrotaler Hydrozele zusätzlich möglichst vollständige Exzision des Zelensackes.
OP-Technik Wie bei Herniotomie. ! Nicht zu empfehlen: Operation nach Winkelmann. Hierdurch wird die Hodendurchblutung gefährdet.
Komplikationen 4 Wie bei Herniotomie; 4 postoperative Skrotalschwellung ausgeprägter als nach Herniotomie wegen Leistenbruch; 4 bei großen Hydrozelen nicht selten Skrotalhämatom.
631 13.5 · Urogenitaltrakt
13.5
Urogenitaltrakt
13.5.1
Hydronephrose
beckens erschöpft ist, kommt es zu einer Überdehnung und damit zu einem Ungleichgewicht. Die resultierende Funktionsminderung der Niere muss nicht progredient sein.
Definition Harnabflussstörung aus dem Nierenbecken mit Weitstellung des Nierenbecken-Kelch-Systems, die unbehandelt zu einer Nierenfunktionsstörung führt.
Häufigkeit 4 1 : 1250. 4 Geschlechterverhältnis männlich : weiblich = 2 : 1.
Pathophysiologie Die Pathophysiologie der angeborenen Hydronephrose unterscheidet sich grundsätzlich von der der erworbenen Hydronephrose des älteren Kindes und des Erwachsenen. Die kongenitale Hydronephrose hat erhebliche Konsequenzen für die Entwicklung nicht nur der betroffenen sondern auch der kontralateralen nicht hydronephrotischen Niere. Die glomerulären und tubulären Oberflächen der Neugeborenenniere betragen nur 10% der Erwachsenenniere, die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) entspricht 20–30% des Erwachsenenwertes. Sie nimmt in den ersten 10 Lebenstagen rasch zu und erreicht den Erwachsenenwert im Alter von 2 Jahren. Die am Ende der Schwangerschaft relativ hohe Urinausscheidung ist postpartal deutlich erniedrigt und stabilisiert sich erst einige Tage nach der Geburt auf Werte zwischen 1–2 ml/kg KG/h. Diese physiologischen Schwankungen der Urinproduktion peripartal erklären die Diskrepanz zwischen prä- und postnatalen Befunden. Eine pränatale Hydronephrose kann allein durch die relativ hohe Urinproduktion im letzten Trimenon vorgetäuscht werden. Das ist bei etwa 4% der pränatal diagnostizierten Hydronephrosen der Fall. Andererseits kann eine klinisch relevante Hydronephrose dadurch übersehen werden, dass das Neugeborene zu früh postnatal sonographiert wird, nämlich in der Phase der relativen Dehydratation mit nur geringer Urinausscheidung. Das Missverhältnis zwischen Urinproduktion und Abtransport in den Harnleiter führt zu einer Erweiterung des Nierenbeckens im Sinne einer Akkommodation. Nierendurchblutung und Urinproduktion passen sich den eingeschränkten Abflussmöglichkeiten durch Autoregulation an. Renale Durchblutung und GFR nehmen ab, sodass sich ein Gleichgewicht zwischen Urinproduktion und -abfluss einstellt. Der Druck im Nierenbecken ist bei länger bestehender Dilatation in der Regel nicht erhöht (zwischen 5 und 25 cm H2O). Erst wenn die Reservekapazität des Nieren-
Ursache Anatomische Ursachen der Hydronephrosen werden in intrinsische (z. B. Wandanomalien des pyeloureteralen Übergangs wie Muskeldefizit, Fibrose, Urothelfalten) und extrinsische [»kreuzende« Gefäße – aberrierende oder akzessorische Nierengefäße (sehr umstritten)] eingeteilt. Bei der Operation findet sich selten eine klare Stenoseursache, meist ein mehr oder weniger langes subpelvines adynamisches Segment, das von der Peristaltik des Nierenbeckens nur unzureichend überwunden werden kann, oder eine Abknickung des Harnleiterabgangs aus dem Nierenbecken. Niemals liegt ein kompletter Verschluss vor.
Assoziierte Anomalien 4 Anorektale Malformation, 4 multizystische Nierendysplasie der kontralateralen Niere, 4 vesikoureterorenaler Reflux, 4 Doppelbildungen (Hydronephrose überwiegend in der unteren Anlage).
Klinik Während die Hydronephrose des älteren Kindes und des Erwachsenen durch Symptome wie Bauchschmerzen mit oder ohne Erbrechen, Hämaturie (spontan oder posttraumatisch), Harnwegsinfekte, Pyelonephritis, Konkremente, tastbarer Tumor, Anämie, Gedeihstörung und Hypertonus auffällig werden kann, ist die prä- bzw. postnatal diagnostizierte Hydronephrose in der Regel symptomlos. Über 60% der Fälle treten links, 5–10% treten beidseitig auf.
Diagnose 4 Klinische Untersuchung mit Messung von Körpergewicht, Körperlänge und Blutdruck; Urinstatus und Bestimmung der Retentionswerte im Serum. 4 Sonographie: Die Hydronephrose ist die pränatal am häufigsten diagnostizierte Anomalie. Beurteilt werden die Weite des Nierenbeckens und der Kelche sowie die Parenchymdicke (Gradeinteilung der amerikanischen Society for Fetal Urology; Maizels et al. 1992). Wegen der postpartalen Phase einer relativen Dehydratation soll die erste sonographische Kontrolle einer pränatal diagnostizierten Hydronephrose nicht vor dem 7. Lebenstag erfolgen. 4 Miktionszysturethrogramm zum Nachweis bzw. Ausschluss eines vesikoureteralen Refluxes, der eine Hydronephrose vortäuschen kann (Kombination beider Krankheitsbilder in bis zu 10% der Fälle).
13
632
13
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
4 Ein Ausscheidungsurogramm macht anatomische Details sichtbar, die für die OP-Planung wichtig sein können. Dies gilt besonders für Doppelnieren und Doppelureter. Für den Nachweis gestörter Abflussverhältnisse sind Spätaufnahmen notwendig. 4 Die retrograde Pyelographie zur Darstellung des Ureters ist nur bei dorsalem Zugang präoperativ erforderlich. 4 Nuklearmedizinische Nierenuntersuchung: Die eingesetzten Radiopharmaka DTPA (Technetium-99mDiethylentriaminpentaessigsäure) und MAG3 (Technetium-99m-Mercaptoacetyltriglycin) erlauben Rückschlüsse auf die anteilige Funktion beider Nieren und auf die Abflussverhältnisse, letzteres unterstützt durch Flussbelastung mit einem Diuretikum (Furosemid 1 mg/kg). Halbwertzeiten für die Aktivität über dem Nierenbecken von weniger als 10 min schließen eine Obstruktion aus, solche von mehr als 20 min gelten als Hinweis auf eine Obstruktion. Voraussetzung ist eine konstante Hydratation des Kindes. Bei ektoper Niere und bei nachgewiesenem vesikoureteralem Reflux Untersuchung mit liegendem Blasenkatheter. 4 Markersubstanzen im Urin: u. a. NAG (N-Acetyl-βD-Glukosaminidase, ein lysosomales Enzym der Tubuluszellen) und α2-Mikroglobulin. 4 Perkutane Druck-Fluss-Studien (Whitaker-Test): invasive Methode mit unzuverlässigen Ergebnissen. 4 Funktionsfähige Nierenmasse: Die Bestimmung des Hohlsystemvolumens in Korrelation zur Nierenparenchymmasse scheint eine Aussage für die Entscheidung konservatives vs. operatives Vorgehen zu ermöglichen.
Differenzialdiagnose 4 4 4 4 4
Multizystische Nierendysplasie Potter IIA, vesikoureterorenaler Reflux, Megaureter, zystischer Tumor der Niere oder der Nebenniere, solitäre Nierenzyste.
Therapie Eine pränatale Hydronephrose ist kein Notfall, solange nicht gleichzeitig ein Oligohydramnion vorliegt. Das Kind kann postpartal bei der Mutter bleiben. ! Dilatation ist nicht gleichbedeutend mit Obstruktion.
Das Dilemma bei der Behandlung der Hydronephrose besteht in der Unmöglichkeit, eine obstruktiv bedingte Nierenschädigung sicher und rechtzeitig, d. h. vor Eintritt einer progredienten Nierenfunktionsstörung und morphologischer Läsionen (Tubulusdilatation und -atrophie, Glomerulosklerose, interstitielle Fibrose) zu erkennen. Zum
Zeitpunkt der Diagnose haben 34–46% der Neugeborenen, aber nur 25% der Kinder und 23% der Erwachsenen bereits eine eingeschränkte Funktion der betroffenen Niere, d. h. bei mindestens einem Drittel der Neugeborenen kommt es zu einer spontanen Besserung der Nierenfunktion. Andererseits ist aus klinischen Studien bekannt, dass es bei etwa 25% der pränatal diagnostizierten Hydronephrosen zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion kommt, die schließlich eine operative Korrektur erfordert. In dieser Gruppe mit operierter Hydronephrose sind auch Kinder mit primär guter Nierenfunktion: Bei 15–20% der Neugeborenen, deren hydronephrotische Niere primär eine anteilige Nierenfunktion von über 40% hatte, verschlechtert sich die Funktion so, dass schließlich doch operiert wird. Etwa 10% der obstruierten Nieren haben eine so hochgradig eingeschränkte Funktion (<10% der Gesamtfunktion), dass ein organerhaltender Eingriff nicht mehr sinnvoll ist (o Nephrektomie). Die Indikation zur operativen Korrektur kann sich bei einem symptomlosen Patienten erst aus der Verlaufsbeobachtung ergeben. Sie sollte innerhalb des ersten Lebensjahres gestellt werden. Meistens wird eine medikamentöse Harnwegsinfektprophylaxe mindestens im ersten Lebenshalbjahr befürwortet.
Operation 4 Elektiveingriff. 4 Ausnahme: bilaterale Hydronephrose mit erhöhten Retentionswerten, tastbarer Nierentumor [o perkutane transrenale Katheterpyelostomie; perkutane Katheternephrostomie (PCN), passager]. kIndikation
Die Indikation zur Nierenbeckenplastik ist gegeben bei 4 beidseitiger Hydronephrose (Pyelonweite >12 mm ap), 4 tastbarem »Nierentumor« (Druck im Nierenbecken erhöht), 4 Abnahme der anteiligen Nierenfunktion um mehr als 10%, 4 fehlendem Nuklidabfluss im Diurese-Szintigramm, 4 zunehmender Nierenbeckenektasie (mit oder ohne stabile Nierenfunktion), 4 persistierender Hydronephrose Grad 4, 4 symptomatischer Hydronephrose: 5 Pyelonephritis, 5 Konkremente, 5 Hypertonie, 5 Gedeihstörung, 5 beginnender kompensatorischer Hypertrophie der kontralateralen Niere, 4 Hydronephrose kombiniert mit vesikoureteralem Reflux mindestens 3. Grades 4 Einzelniere, 4 mangelhafter Compliance der Eltern.
633 13.5 · Urogenitaltrakt
. Abb. 13.32 Nierenbeckenplastik nach Anderson-Hynes. (Nach Sigel 2001)
kPrinzip
Nierenbeckenplastik nach Anderson-Hynes (benannt nach J.C. Anderson und W. Hynes, 1949, Sheffield, UK) durch Resektion des subpelvinen adynamischen Segmentes: lange trichterförmige Anastomose zwischen dem tiefsten Punkt des Nierenbeckens und dem Harnleiter (. Abb. 13.32). Bei älteren Kindern wird ein sehr großes Nierenbecken verkleinert. kLagerung
4 Für die Nierenbeckenplastik sind Zugangswege von abdominal, lumbal und dorsal möglich, jeweils extraperitoneal, bei minimal-invasivem Vorgehen auch transperitoneal. 4 Neutrale Elektrode am Oberschenkel. 4 Schutz vor Wärmeverlusten (7 Abschn. 13.1.1). kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4
Grund- und Laparotomieinstrumentarium, Rahmen, Spatel, diverse Overholts, Vessel-Loops, Redon-Drainage, Nahtmaterial: 5–0, 6–0 atraumatisch monofil resorbierbar, evtl. 8–0 atraumatisch, resorbierbar, geflochten, 4 Doppel-J-Katheter (7 Kap. 9). jVoraussetzungen
Soll die Anastomose geschient werden, kann präoperativ transurethral ein Double-pigtail-Katheter (Double-J-Katheter) eingebracht werden (bei Neugeborenen und Säuglingen meist 3 Charr, 12 cm lang).
Hydronephrose 7 Quere Oberbauchinzision und extraperitoneale Darstellung der Niere nach Längseröffnung der Gerota-Kapsel. 7 Die Adventitia des extrarenal erweiterten Nierenbeckens wird medial längs inzidiert und unter Schonung besonders der in Richtung auf den Ureterabgang verlaufenden Gefäße ventral und dorsal nach lateral abpräpariert. Dabei stellt sich der Ureterabgang an der Vorderwand des Nierenbeckens dar. Er liegt meist kranial des tiefsten Punktes des Nierenbeckens. 7 Die Nierengefäße können mit einem Overholt unterfahren und mit einem Vessel-Loop angeschlungen werden. Aberrierende oder akzessorische Nierengefäße dürfen nicht unterbunden und durchtrennt werden (Hypertonierisiko!). 7 Nach Legen einer Haltenaht (6–0 atraumatisch monofil) an den pyeloureteralen Übergang wird der proximale Harnleiter unter sorgfältiger Schonung seiner Blutversorgung dargestellt. Nach Legen einer weiteren Haltenaht an den proximalen Ureter wird dieser unmittelbar distal des pyeloureteralen Übergangs schräg von kranial medial nach kaudal lateral durchtrennt. Der laterale Wundwinkel des Ureters wird – wiederum unter Schonung der Gefäßversorgung – einige Millimeter lang längs gespalten. 7 Falls nicht zuvor durch Legen des Double-pigtailKatheters geschehen, wird die Durchgängigkeit 6
13
634
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
Komplikationen
7
7
7
7 7 7
7 7
13
7
des Harnleiters mit einem 3-Charr-Katheter geprüft, der sich ohne Anhalt für eine Stenose bis in die Harnblase vorschieben lassen sollte. Nach Legen entsprechender Haltenähte wird das Nierenbecken so reseziert, dass ein an seinem tiefsten Punkt abgehender, dreizipfliger Lappen entsteht. Ausspülen des Nierenbeckens. Verschluss des Nierenbeckens mit Einzelknopfnähten (atraumatisches monofiles resorbierbares Nahtmaterial 6– 0), extramukös gestochen, Knoten nach außen (lupenmikroskopische Präparation). Lange, schräg verlaufende, trichterförmige Anastomose zwischen Nierenbecken und Ureter mit Einzelknopfnähten (atraumatisches resorbierbares Nahtmaterial, monofil 6–0 oder geflochten 8–0), extramukös gestochen. Die Wundränder dürfen nicht mit der Pinzette gefasst werden, die Knoten liegen nach außen. Sorgfältige Kontrolle auf Bluttrockenheit. Lockere Adaptation der Adventitia über der Nierenbeckennaht. Naht der Gerota-Kapsel über einer Redon-Drainage. Zählkontrolle und Dokumentation. Schichtweiser Verschluss der Bauchdecken (5–0 atraumatisches resorbierbares Nahtmaterial). Subkutannaht. Hautverschluss durch versenkt geknüpfte intrakutane Einzelknopfnähte. Verband. Alternative Drainagemöglichkeiten sind die Schienung der Anastomose mit einem transrenalen Ureterkatheter und eine gleichzeitige transrenale Nierenbeckendrainage.
Der Eingriff kann auch mit minimal-invasiver Technik durchgeführt werden, in der Regel transabdominal. Bei retroperitonealem Vorgehen steht nur wenig Platz zur Verfügung, die Aktion der Instrumente ist sehr eingeschränkt. Eine Drainage ist nicht in allen Fällen erforderlich. Der Double-pigtail-Katheter muss postoperativ (meist nach 3–6 Wochen) zystoskopisch entfernt werden.
Ergebnisse Die postoperative Ergebniskontrolle findet frühestens nach 6 Monaten statt. Der Urinabfluss ist postoperativ in über 95% der Fälle verbessert. Präoperativ vorhandene Symptome bilden sich zurück. Die Nierenfunktion erholt sich nicht in allen Fällen, besonders dann nicht, wenn die Operation wegen einer progredienten Funktionsverschlechterung erfolgte. Die Aussicht auf eine Erholung der Nierenfunktion scheint umso größer zu sein, je jünger das Kind zum Zeitpunkt der Operation ist (Optimum im Alter von 3–6 Monaten).
4 Blutung, 4 Restenosierung und Urinextravasation kommen in 2–3% der operierten Fälle vor. 4 Die Zahl der Rezidivoperationen liegt unter 2%, die der sekundären Nephrektomie <1%.
13.5.2
Leistenhoden
Definition Der Hoden ist außerhalb des Skrotums lokalisiert und kann nicht spannungsfrei bis zum Boden des Skrotalfachs verschoben werden.
Häufigkeit Bei 30% der männlichen Frühgeborenen und bei 3–5% der Reifgeborenen haben zum Zeitpunkt der Geburt ein oder beide Hoden das Skrotum nicht erreicht. Die meisten dieser kongenital dystopen Hoden deszendieren innerhalb der ersten 3–6 Lebensmonate, sodass am Ende des 1. Lebensjahres 1,5% der Jungen eine Hodendystopie aufweisen. ! Nach Vollendung des 1. Lebensjahres stellt jeder nicht im Skrotum befindliche Hoden einen pathologischen Zustand dar.
Erwachsene mit beidseitigem Kryptorchismus sind überwiegend infertil. Für die einseitige Hodendystopie werden Infertilitätsraten von 30–60% angegeben. Nach Verlagerung des Hodens ins Skrotum liegt die Fertilitätsrate bei Patienten mit beidseitiger Hodendystopie zwischen 0 und 68%, bei Patienten mit einseitiger Hodendystopie zwischen 70 und 95%.
Pathogenese Der physiologische Deszensus verläuft in 2 Phasen: der abdominellen (10.–15. SSW) und der inguinoskrotalen (28.–35. SSW), die nur teilweise von Androgenen gesteuert sind. Daneben werden zahlreiche andere Faktoren diskutiert. Der Maldeszensus wird heute als Folge einer intrauterinen Insuffizienz der Hypothalamus-HypophysenGonaden-Achse, mithin als Endokrinopathie angesehen. Es wird ein Primärschaden (Einschränkung der Fertilität, erhöhtes Malignitätsrisiko) des retinierten Hodens unterschieden von sekundären Veränderungen, die Folge der erhöhten Temperatur sind. Die Temperatur des skrotalen Hodens liegt bei 33°C, die des abdominalen Hodens entspricht der Körperkerntemperatur.
Assoziierte Fehlbildungen 4 Offener Processus vaginalis peritonei, 4 Anomalien des Nebenhodens.
635 13.5 · Urogenitaltrakt
pin (HCG) oder Gonadotropin releasing hormone (GnRH) bzw. die Kombinationsbehandlung mit beiden Hormonen und die Operation. kIndikation
. Abb. 13.33 Verschiedene Formen des Maldeszensus: 1 orthoper Hoden; 2–4 Retentionen: 2 Retentio testis praescrotalis; 3 Retentio testis inguinalis; 4 Retentio testis abdominalis. A–C Ektopien: A epifasziale Ektopie; B femorale Ektopie; C perineale Ektopie. (Nach Köllermann 1971)
Formen Der Deszensus kann ganz ausbleiben, unvollständig ablaufen oder eine falsche Richtung nehmen. Entsprechend werden Retentionen von Ektopien unterschieden (. Abb. 13.33). Als Kryptorchismus wird ein nichttastbarer Hoden bezeichnet (Ursachen können eine Retentio testis abdominalis, eine Anorchie oder eine Hodenaplasie sein. Bei 3–4% der Leistenhodenpatienten fehlt der Hoden). Nach topographisch-anatomischen Gesichtspunkten unterscheidet man bei der Retentio, also beim unvollständigen Deszensus, die Retentio testis abdominalis, inguinalis und präskrotalis. Die häufigste Form einer Ektopie ist der epifasziale Leistenhoden. Seltene Ektopien sind die krurale und die perineale Ektopie. Die Hodenektopie kommt zweimal häufiger als die Retentio testis vor. Beim Pendelhoden ist der Samenstrang normal lang, sodass der Hoden bei der Untersuchung problemlos ins Skrotum verlagert werden kann; hier verbleibt er je nach den Untersuchungsbedingungen eine Zeit lang. Durch Kontraktion des im Kindesalter hyperaktiven Kremastermuskels kann der Pendelhoden jedoch zeitweilig wieder in den Leistenkanal zurückgezogen werden.
Indikationen zur Behandlung sind: 4 Verbesserung der Fertilität. 4 Verringerung der Torsionsrisikos (Torsion in dystopen Hoden 22-mal häufiger). 4 Beseitigung der in über 40% der Fälle vorhandenen Begleithernie. 4 Verringerung des Verletzungsrisikos. 4 Die Diagnose eines Hodentumors wird erleichtert (umstritten). (Hodentumoren sind insgesamt selten: Von 100.000 Männern erkranken pro Jahr 1,8 an einem malignen Hodentumor (0,0018%); aber mehr als 10% aller Keimzelltumoren des Hodens entstehen in dystopen Hoden (Risiko 5- bis 10-mal größer). Die Behandlung sollte im 7. Lebensmonat begonnen und am Ende des 1. Lebensjahres abgeschlossen sein. Ziel ist es, durch rechtzeitige Verlagerung des Hodens Sekundärschäden zu verhindern und eine klinische Untersuchung des Hodens durch Palpation zu ermöglichen. In den Leitlinien wird eine präoperative Hormonbehandlung mit LHRH (»luteinizing hormone-releasing hormone«; Gonadotropin freisetzendes Hormon) und HCG (humanes Choriongonadotropin) für die Dauer von 7 Wochen empfohlen (nur im 1. Lebensjahr). Sie soll einerseits den Deszensus anregen und so eine Operation evtl. vermeiden, andererseits die Fertilitätschancen des retinierten Hodens verbessern. Die konservative Behandlung führt bei 20% der Patienten zu einem Deszensus, der allerdings bei jedem 4. Patienten nicht von Dauer ist.
Operation Die Operation wird ambulant in Allgemeinnarkose durchgeführt, in der Regel offen chirurgisch. Ein primär laparoskopisches Vorgehen empfiehlt sich für die Retentio testis abdominalis und für den Kryptorchismus. Im Folgenden werden die OP-Bedingungen und der -Verlauf für die Operation nach Shoemaker (Chirurg, Den Haag, 1871–1940) beschrieben. kIndikation
Diagnose 4 Klinische Untersuchung! 4 Bei nichttastbarem Hoden: Sonographie, Laparoskopie.
Therapie Als Behandlungsverfahren stehen zur Verfügung: die konservative Behandlung mit humanem Choriongonadotro-
Absolut gegeben, wenn eines der folgenden mechanischen Deszensushindernisse vorliegt: 4 Narbige Fixation des Hodens nach Herniotomie. 4 Gleichzeitig bestehende Leistenhernie (>40%). 4 Ektopie (70%). 4 Sekundärer Aszensus. 4 Leistenhoden in und nach der Pubertät.
13
636
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
kPrinzip
4 Ausreichende Mobilisierung des Funikulus, 4 Durchtrennung der Kremastermuskulatur, 4 vollständige Isolierung und Abtragung eines offenen Processus vaginalis peritonei, 4 adäquate Fixierung des Hodens im Skrotum in einer zwischen Haut und Tunica dartos gebildeten Tasche.
rings. Hierbei darf der Funikulus nicht eingeengt werden. Subkutannaht. 7 Inguinalblock mit Ropivacain. 7 Hautverschluss durch fortlaufende Intrakutannaht oder versenkt geknüpfte intrakutane Einzelknopfnähte, alternativ mit Gewebekleber. Verband (. Abb. 13.34a–f ).
kLagerung
Rückenlage mit leicht gespreizten Beinen und unterpolstertem Gesäß. kInstrumentarium
4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium, feine Kornzange, bipolare Koagulationspinzette, 5-ml-Spritze mit Ropivacain Nahtmaterial resorbierbar monofil oder geflochten 4–0 oder 5–0. Leistenhoden, Fixation des Hodens im Skrotum
13
7 Parainguinalschnitt. 7 Darstellung und Längsspaltung der Externusaponeurose vom äußeren Leistenring aus nach kranial in Faserrichtung. Der Hoden wird allseits mobilisiert, das Gubernaculum testis zwischen Ligaturen durchtrennt. Quere Durchtrennung der Kremastermuskulatur. 7 Ein offener Processus vaginalis wird unter sorgfältiger Schonung der Gebilde des Samenstranges quer durchtrennt. Der proximale Bruchsackanteil wird bis in Höhe des inneren Leistenringes allseits dargestellt und das Peritoneum hier mit einer atraumatischen Tabakbeutelnaht/Durchstechungsligatur verschlossen. 7 Das überschüssige Peritoneum wird abgetragen. Der distale Bruchsackanteil wird der Länge nach eröffnet. Eine evtl. vorhandene Hydatide wird nach Koagulation der Basis abgetragen. Weitere Funikulolyse und quere Durchtrennung der Fasern der Fascia cremasterica, sodass der Samenstrang schließlich nur noch aus Gefäßbündel und Ductus deferens besteht. 7 Der Hoden lässt sich nun spannungsfrei ins Skrotum verlagern; hier wird er in einer zwischen Haut und Tunica dartos gebildeten Tasche (nach Lieblein) pexiert (resorbierbares Nahtmaterial). 7 Naht der Skrotalwunde. Naht der Externusaponeurose und Rekonstruktion des äußeren Leisten6
Blind endende Hodengefäße mit fehlenden oder hochgradig atrophierten Hoden sind wahrscheinlich das Ergebnis einer intrauterinen Hodentorsion (»vanishing testis«).
Spezielle Verfahren 4 Das Verfahren nach Fowler-Stephens besteht in der ein- oder mehrzeitigen laparoskopischen Operation mit Durchtrennung der Vasa spermatica (Risiko der Hodenatrophie) und offen chirurgischer Autotransplantation des Hodens mit mikrovaskulärer Anastomose der A. testicularis mit der A. epigastrica inferior. 4 Orchiektomie wegen Malignitätsrisiko bei Operation in und nach der Pubertät.
Komplikationen 4 4 4 4
Skrotalhämatom und/oder Wundinfektion 1–2%, Rezidiv 2%, Ductusverletzung 1–2%, Hodenatrophie 2–5%.
Prognose 4 Normales Wachstum in 80%. 4 Fertilität: 5 bei einseitiger Orchidopexie 75–80% (12–100%), 5 bei beidseitiger Orchidopexie 20% (0–68%).
13.5.3
Hodentorsion
Definition Drehung des Hodens um seine Längsachse, d. h. um den Samenstrang, mit konsekutiver Drosselung der Hodendurchblutung und Gefahr der hämorrhagischen Nekrose und des Organverlustes.
Anatomie Als Ursache werden eine angeborene anatomische Anomalie der Hodenfixation und ein hyperaktiver bzw. pathologisch verlaufender Kremastermuskel diskutiert. Normalerweise ist der Hoden über den Nebenhoden durch das Mesorchium dorsomedian an der Wand des Processus vaginalis fixiert. Fehlt diese Fixierung, wird der Hoden all-
637 13.5 · Urogenitaltrakt
a
d
b
c . Abb. 13.34 a–f Leistenhodenoperation. a Hautinzision, b Skrotale Inzision, c Bildung einer Tasche zwischen Haut und Tunica dartos, d Durchziehen des mobilisierten Hodens durch die Skrotalwunde,
e
f e Fixierung des Hodens an der Tunica dartos. (Nach Hutson 1995). f Situs vor Abschluss des Eingriffes. (Nach Hadziselimovic u. Herzog 1990)
13
638
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
Differenzialdiagnose
. Abb. 13.35 a, b Formen der Hodentorsion: a supravaginal, b intravaginal. (Nach Holschneider u. Wischermann 1993)
13
seitig von der Tunica vaginalis testis umgeben. Er kann sich dann innerhalb der Tunica vaginalis um seine Längsachse – den Samenstrang – drehen: intravaginale Hodentorsion (. Abb. 13.35b). Dies führt zu einer Drosselung des venösen Abflusses, schließlich auch der arteriellen Blutzufuhr. Die Durchblutungsstörung des Hodens hat, wenn sie länger als 4 h anhält, den teilweisen oder vollständigen Organverlust zur Folge. Dies geschieht auch bei der supravaginalen Torsion (s. . Abb. 13.35a), die praktisch nur im Neugeborenen- und Säuglingsalter vorkommt. Dabei dreht sich der Samenstrang oberhalb der Tunica vaginalis. Die Häufigkeitsgipfel der Hodentorsion liegen im Neugeborenenalter und präpubertär zwischen dem 12. und 15. Lebensjahr.
4 Torsion von Anhangsgebilden des Hodens (Hydatidentorsion; 3- bis 4-mal häufiger als Hodentorsion) oder des Nebenhodens. Der Häufigkeitsgipfel liegt präpubertär. Die hämorrhagisch infarzierte Hydatide kann gelegentlich als blauer Punkt durch die Hodenhüllen hindurch schimmern. Die Hydatidentorsion muss nicht operiert werden. Eine Operation hat jedoch den Vorteil, dass das Kind sofort beschwerdefrei ist und der Krankheitsverlauf abgekürzt wird. Gelegentlich ist die Unterscheidung Hodentorsion/Hydatidentorsion nur operativ möglich. 4 Hoden- und Nebenhodenentzündungen sind im Kindesalter – im Gegensatz zum Erwachsenen – selten. Die Mumpsorchitis wird meist nach der Pubertät beobachtet. Ursache einer Epididymitis ist entweder eine hämatogene oder eine intrakanalikulär aszendierende, von den Harnwegen ausgehende Infektion (transurethraler Dauerkatheter, neurogene Blasenentleerungsstörung, anorektale Anomalie, Blasenexstrophie). 4 Idiopathisches Skrotalödem. 4 Die Hodentorsion kann auch beim Leistenhoden vorkommen und ist dann differenzialdiagnostisch schwer von einer inkarzerierten Leistenhernie zu unterscheiden.
Operation kIndikation
Notfallindikation; je länger die Torsion andauert, desto vollständiger der Organverlust (. Tab. 13.12). kLagerung
Rückenlage mit leicht gespreizten Beinen und unterpolstertem Gesäß.
Klinik Im Neugeborenenalter können die Symptome einer Hodentorsion unspezifisch sein. Beschwerden jenseits des Säuglingsalters sind meist plötzlich einsetzende heftige Schmerzen im betroffenen Hoden, Übelkeit und Erbrechen gefolgt von einer Rötung und Schwellung der Hodenhüllen. Warnsymptome in Form passagerer, spontan abklingender torsionsähnlicher Beschwerden lassen sich bei jedem 3. Patienten anamnestisch eruieren (wird durch intermittierende inkomplette Torsion erklärt).
Diagnose 4 Klinischer Befund: Schwellung und Rötung der betroffenen Skrotalhälfte, erhebliche Druckdolenz des vergrößerten, meist höher stehenden Hodens. Fehlender Kremasterreflex. 4 Dopplersonographie. 4 Hodenszintigraphie, wenn ohne Zeitverlust möglich.
kInstrumentarium
4 4 4 4
Grundinstrumentarium, feine Kornzange, bipolare Koagulationspinzette, Kochsalzschale,
. Tab. 13.12 Prognose nach Hodentorsion. (Nach Noseworthy 1993) Torsionsdauer [h]
Organerhaltung [%]
<6
85–97
6–12
55–85
12–24
20–80
>24
<10
639 13.5 · Urogenitaltrakt
4 Nahtmaterial: Resorbierbar monofil oder geflochten 4–0 oder 5–0. Monofiler nichtresorbierbarer Faden für Orchidopexie. Operation der Hodentorsion 7 Bei der geringsten Unsicherheit in der Diagnostik des akuten Skrotums muss die sofortige operative Exploration vorgenommen werden – im Kindesalter von einem Inguinalschnitt aus. 7 Dabei wird die Torsion rückgängig gemacht und der Hoden mit nichtresorbierbarem Nahtmaterial an 4 Punkten im Skrotum pexiert. Die Tunica vaginalis testis wird offen gelassen. Entfernung des Hodens nur bei sicher vollständiger Infarzierung. 7 Keine Probeexzision!. 7 Da die anatomische Prädisposition zur Hodentorsion immer doppelseitig ist, muss in (gleicher oder) späterer Sitzung der kontralaterale Hoden ebenfalls pexiert werden.
Prognose . Tab. 13.12.
13.5.4
Phimose
Definition Missverhältnis zwischen der Größe der Glans penis und der dehnbaren Weite der Vorhautöffnung; die Vorhaut kann nicht über die Glans retrahiert werden.
Physiologie Die Verklebung zwischen innerem Vorhautblatt und Glans ist beim Neugeborenen physiologisch. Die Separation beginnt bei Geburt und setzt sich während der Kindheit fort (durch Smegmabildung, Erektionen und durch Wachstum der Glans). Smegmazysten sind ein normaler Prozess und sind nicht als Entzündung zu werten. Physiologische Verklebungen sind altersabhängig: 4 Neugeborenes: Vorhaut kann nur bei 5% vollständig retrahiert werden. 4 12 Monate altes Kind: Vorhaut kann nur bei 50% vollständig retrahiert werden. 4 3 Jahre altes Kind: Vorhaut kann bei 90% retrahiert werden. Eine relativ enge Vorhautöffnung besteht bei 8% der 6- bis 7-Jährigen und nur bei 1% der 16- bis 18-Jährigen. Diese »physiologische« Phimose macht keine Miktionsbeschwerden. Zu frühe und gewaltsame Versuche, die Vorhaut zu
retrahieren, führen zu Hauteinrissen. Es resultiert eine ringförmige Narbe der Vorhautöffnung, mithin eine erworbene pathologische Phimose. Vorsichtige Retraktionsmanöver aus hygienischen Gründen sind frühestens im Alter von 12–18 Monaten sinnvoll.
Beschneidung Die Beschneidung gehört zu den ältesten bekannten Operationen und – zumindest teilweise – in den Bereich der Ritualchirurgie.
Operation kIndikation
4 Medizinische Indikation: narbige (=sekundäre) Phimose, rezidivierende Balanoposthitis, Balanitis xeroticans (Lichen sklerosus). 4 Relative Indikation: rezidivierende Posthitis, rezidivierende Paraphimose; rezidivierende Harnwegsinfekte beim Säugling. Die neonatale Zirkumzision verhütet Harnwegsinfektionen. Harnwegsinfektionen bei Säuglingen sind selten, treten aber bei nichtzirkumzidierten Säuglingen (!) 10-mal häufiger auf als bei zirkumzidierten. 4 Karzinomprophylaxe (Penis- bzw. Portiokarzinom) ist allenfalls in tropischen Ländern eine OP-Indikation. Bei normalen anatomischen Verhältnissen kann der gleiche vorbeugende Effekt durch Sauberkeit und Genitalhygiene erzielt werden. 4 Rituelle Indikation: immer vollständige Zirkumzision; möglichst jenseits des Windelalters. Im Allgemeinen nicht auf Kosten der Versichertengemeinschaft. Die meisten Eltern sind erleichtert, wenn ihr Sohn nicht an der Vorhaut operiert werden muss. Andere insistieren trotz der notwendigen Narkose und trotz möglicher Komplikationen auf der Operation, im Wesentlichen aus sozialen oder religiösen Gründen. kKontraindikation
4 Lokale Infektion (floride Balanoposthitis). 4 Hypospadie und andere angeborene Penisanomalien (Zirkumzision erst nach Abschluss der Hypospadiekorrektur). 4 Keine neonatale Zirkumzision bei Frühgeborenen. 4 Vorsicht bei Gerinnungsstörungen (Hämophilie). kOP-Zeitpunkt
Im 5. Lebensjahr. Zu einem früheren Zeitpunkt nur bei spezieller Indikation. kPrinzip
4 Ambulante Operation in Allgemeinnarkose, evtl. mit zusätzlicher Kaudalanästhesie oder mit Penisblock.
13
640
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
4 Teilweise oder vollständige Entfernung der Vorhaut nach Lösung präputialer Verklebungen. Es gibt zahlreiche Methoden. Die Beste ist die mit möglichst wenig Komplikationen und gutem kosmetischen Ergebnis. 4 Radikale Zirkumzision (zwingend bei Diabetes mellitus, bei dermatologischen Präputialerkrankungen, bei Trägern eines Kondom-Urinals wegen Inkontinenz). 4 Die plastische Operation (z. B. nach Schloffer) erreicht bei teilweisem Erhalt der Vorhaut eine Erweiterung der Vorhautöffnung und eine vollständige Retrahierbarkeit. Gleichzeitig werden Synechien mit einer Knopfsonde gelöst und ein Frenulum breve durch Frenulotomie und/oder Frenulumplastik korrigiert. 4 Die alleinige dorsale Inzision ist kosmetisch oft nicht befriedigend. kLagerung
Rückenlage mit unterpolstertem Gesäß. kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium, 4 feine bipolare Koagulationspinzette, 4 Nahtmaterial: atraumatisch resorbierbar, monofil, Fadenstärke 6–0.
Komplikationen 4 Nachblutung in ca. 1% der Fälle. (Präoperativ sollte anamnestisch eine Gerinnungsstörung ausgeschlossen werden.) 4 Wundinfektion (0,2–0,4%). 4 Phimoserezidiv (im Extrem unter dem Bild des »vergrabenen Penis«). 4 Kosmetisch unbefriedigendes Ergebnis, Asymmetrie: meist durch zu lang belassenes inneres Vorhautblatt oder durch chronisches Wundödem. 4 Passagerer Harnverhalt (besonders nach zusätzlicher Kaudalanästhesie). 4 Ulzeration (postoperative Hämaturie) und/oder Stenose des Meatus urethrae externus (Balanitis xerotikans, Lichen sclerosus et atrophicus; 8–31%). 4 Glansverletzung. 4 Denudierung des Penisschaftes. 4 Urethrokutane Fistel (Vorsicht bei der Frenulotomie!). 4 Penisnekrose (nach Verwendung einer monopolaren HF-Elektrode: Koagulationsnekrose durch zu hohe Stromdichte aufgrund des geringen Gewebedurchmessers des Penis).
Konservative Therapie der Phimose Phimose
13
7 Ovalärer Hautschnitt am äußeren Präputialblatt in Höhe des Sulcus coronarius oder distal davon. 7 Mobilisierung der Haut nach distal unter Erhaltung hier verlaufender Venen. Dorsale Inzision der Präputialöffnung und Reposition der Vorhaut. 7 Desinfektion der Glans und des inneren Blattes. Präputiale Verklebungen werden mit einer Knopfsonde vorsichtig gelöst. 7 Durchtrennung des Frenulum. Zirkumzision des inneren Vorhautblattes 3 mm proximal des Sulcus coronarius. Die so umschnittene Hautmanschette wird exzidiert. 7 Sorgfältige Blutstillung mit der bipolaren Mikrokoagulationspinzette. 7 Frenulumplastik. Adaptation des inneren mit dem äußeren Blatt mit 6–0 atraumatischen Einzelknopfnähten (monofiler resorbierbarer Faden).
Sofern keine Narben bestehen, kann ein konservativer Behandlungsversuch mit lokal applizierter Testosteron-haltiger Creme (Andractin; kann nur über das Ausland bezogen werden, da in der BRD nicht zugelassen) unternommen werden. Ähnliche Ergebnisse sind mit der lokalen Anwendung einer Bethamethason-haltigen Creme (0,05%) 2-mal täglich über 4 Wochen zu erreichen.
Risiken der konservativen Therapie mit Erhaltung der Vorhaut 4 Phimose. 4 Paraphimose (Abschnürung der Glans und des inneren Vorhautblattes durch den proximal der Glans retrahierten, verengten Präputialring). Therapie: Reposition – meist ohne dorsale Inzision des Schnürringes möglich, später elektive Zirkumzision. 4 Persistierende Synechien. 4 Balanoposthitis (Häufigkeitsgipfel 6. Lebensmonat). 4 Aszendierende Harnwegsinfekte (bei Jungen mit angeborenen Harntraktanomalien).
Postoperativ 4 Verband mit Fettgaze-Läppchen und locker komprimierender elastischer Mullbinde. Nachbehandlung mit Salbenverbänden und Sitzbädern (z. B. mit Kamille). 4 Eng anliegende Kleidung vermeiden (mechanische Irritation der Glans).
Bei 1(–5)% der primär nicht zirkumzidierten Jungen wird später eine Zirkumzision aus medizinischer Indikation erforderlich. Die medizinisch nicht – indizierte Zirkumzision bei Minderjährigen gilt heute als Körperverletzung, auch wenn die Eltern in die OP eingewilligt haben!
641 13.5 · Urogenitaltrakt
13.5.5
Hypospadie
Definition Angeborene Penisanomalie infolge einer insuffizienten Entwicklung der distalen Harnröhre, gekennzeichnet durch die Kombination von 3 anatomischen Anomalien: 4 ventral dystoper Meatus urethrae externus (Mündung nicht auf der Spitze der Glans, sondern weiter proximal zwischen Glans und Perineum auf der Ventralseite des Penis), 4 ventral gespaltenes Präputium, 4 mehr oder weniger ausgeprägte Krümmung des Penisschaftes nach ventral.
Häufigkeit Die Hypospadie ist mit 1 : 125–1 : 300 (8–3 von 1.000) lebendgeborenen Jungen eine häufige Anomalie, die in 14% familiär vorkommt.
Ätiologie Unklar. Androgenmangel und/oder verminderte Androgensensitivität werden vermutet. Genetische Faktoren, Umweltfaktoren.
Klassifikation . Tab. 13.13.
Embryologie Die an der Kaudalseite des Genitalhöckers gelegenen Genitalfalten begrenzen die entodermale Urethralrinne, die dem vorderen Anteil der Kloakenmembran entspricht. Beim männlichen Embryo verschmelzen die Genitalfalten unter dem Einfluss von Testosteron in der 8.–10. Woche in der Mittellinie und verschließen so die Urethralrinne in einem proximal beginnenden und
nach distal fortschreitenden Prozess zur definitiven Harnröhre. Normalerweise durchdringt die Harnröhre die Glans und findet dort Anschluss an die Fossa navicularis. Diese entsteht getrennt durch Einwachsen von Ektoderm von der Glansoberfläche her. Deshalb scheint bei manchen Kindern mit Hypospadie ein doppelter Meatus urethrae externus vorzuliegen: im Bereich der Glans, der blind endet und der Fossa navicularis entspricht, und auf der Ventralseite des Penis, weiter proximal, durch den der Urin entleert wird. Die Chorda wird als Rudiment des distalen atretischen Corpus spongiosum aufgefasst.
Assoziierte Anomalien Je weiter proximal der Meatus externus mündet, desto häufiger sind zusätzliche Anomalien wie Leistenhoden (10%) und Leistenhernie. Eine zusätzliche Diagnostik (Sonographie, Miktionszysturethrogramm) ist erforderlich bei: 4 Posterioren Hypospadieformen, 4 Hypospadiepatienten mit zusätzlicher Fehlbildung eines anderen Organsystems (z. B. Meningomyelozele, anorektale Agenesie), 4 Hypospadie mit einem Harnwegsinfekt in der Anamnese (Ausschluss eines vesikoureteralen Reflux, 10–17%). 4 Utrikulus prostaticus (bei 57% der Hypospadia perinealis, 10% der Hypospadia penoscrotalis), 4 Bei posterioren Hypospadien und bei Hypospadien mit Kryptorchismus beidseits sind chromosomale Anomalien (Intersexformen) auszuschließen. 4 Keine zusätzliche Diagnostik bei peripherer Hypospadie allein bzw. mit Leistenhoden oder Leistenhernie.
Lokalbefund 4 Position und Kaliber des Meatus urethrae externus? 4 Krümmung des Penisschaftes? (Chorda vorhanden in ca. 35% der Fälle.)
. Tab. 13.13 Klassifikation der Hypospadie (nach der Position des Meatus externus) Vor Chordektomie Anteriore Formen (80%) 1. Grades
Nach Chordektomie H. glandis H. koronaria
65%
Therapie (z. B.) MAGPI MATHIEU, Urethra-Verlängerungsplastik
H. subkoronaria Mittlere Formen (15%) 2. Grades
distales Drittel H. penilis
mittleres Drittel
15%
Island only flap Island only flap Gestielter tubulärer Vorhautlappen
proximales Drittel Posteriore Formen (5%) 3. Grades
H. penoskrotalis H. skrotalis H. perinealis
Nach Barcat 1973
20%
Gestielter tubulärer Vorhautlappen CECIL-MICHALOWSKI CECIL-MICHALOWSKI
13
642
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
4 Beschaffenheit der Urethralplatte und des Corpus spongiosum (Urethralplatte = Hautstreifen am ventralen Penisschaft zwischen Meatus und Fossa navicularis)? 4 Mikrophallus? (Bei proximalen Hypospadieformen – evtl. hormonelle Vorbehandlung.) 4 Hoden deszendiert?
Therapie Therapieziele sind: 4 Normale Miktion (nach vorn gerichteter gebündelter Harnstrahl). 4 Spätere Kohabitations- und Inseminationsfähigkeit (Penisschaft gerade, Urethra tubulär mit adäquatem Kaliber, Meatus mindestens in Höhe des Sulcus coronarius). 4 Behandlung sollte bis Schuleintritt abgeschlossen sein. Eine Schaftverkrümmung ist immer behandlungsbedürftig, auch wenn sie nicht mit einer Hypospadie kombiniert ist (»Chorda sine Hypospadia«). Die Chordektomie ermöglicht ein normales Längenwachstum des Penis und ist im Falle einer Schaftverkrümmung unabdingbare Voraussetzung für eine Urethraplastik. Durch die Aufrichtung des Penis wird der Meatus urethrae externus notwendigerweise weiter nach proximal verlagert, d. h. der Grad der Hypospadie im Hinblick auf die Lage des Meatus wird verschlimmert.
OP-Zeitpunkt
13
4 Meatusstenose (selten): jederzeit. 4 Übrige: im Alter von mindestens 6–18 Monaten.
Allgemeine Richtlinien »Die Hypospadie ist eine nicht schematisierbare Anomalie … Das Operationsverfahren muss individuell … angepasst werden« (Westenfelder 1993). 4 Lupenbrille. 4 Penible Blutstillung (kein oder nur intermittierender Tourniquet, Kompression mit warmen Kochsalzkompressen, sparsame bipolare Mikrokoagulation). 4 Vollständige Chordektomie (Kontrolle durch artifizielle Erektion). 4 Auf gute Durchblutung der Hautlappen achten (Wundränder nicht mit Pinzette anfassen – besser Haltenähte. Spannungsfreie Nähte). 4 Monofile fortlaufende Naht bevorzugen. 4 Genaue Hautadaptation (»Stoß auf Stoß«). 4 Übereinander liegende Nahtreihen vermeiden (Fistelbildung). 4 Extravesikale Silikonsplints (für 5–7–10 Tage) für distale Korrekturen. 4 Suprapubische Harnableitung (für 7–10 Tage) für mittlere und proximale Korrekturen.
4 Mehrzeitige Eingriffe in mindestens 6 Monate langen Intervallen. 4 Keine Zirkumzision vor Abschluss der Hypospadiekorrektur. 4 Transparenter haftender Silastikverband.
Komplikationen 4 4 4 4 4
Urethrokutane Fistel (5–20%), Chordapersistenz (25%), Urethrastriktur (5%), Meatusstenose (2%), Urethradivertikel (selten).
Meatotomie Dorsal/ventral; . Abb. 13.36. kLagerung
Rückenlage mit leicht gespreizten Beinen und unterpolstertem Gesäß. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium, Mikroinstrumente, Skalpell Gr. 11, Hegar-Stifte, Gleitmittel, Nahtmaterial: Monofil resorbierbar 6–0 bzw. 8–0, Silikonsplint der Größe der Urethra entsprechend. Meatotomie 7 Kalibrierung des Meatus urethrae externus mit Hegar-Stiften. 7 Längsinzision der dorsalen Zirkumferenz des Meatus in Richtung auf die Fossa navicularis mit vollständiger Durchtrennung des Weichteilseptums zwischen Meatus und Fossa. 7 Hautnaht quer mit Einzelknopfnähten. 7 Erneute Kalibrierung des Meatus. 7 Eventuell Einlegen eines Splints für einige Stunden.
Distale Urethraplastik (nach Mathieu) jVoraussetzung
Distale Hypospadie ohne echte Chorda: Hypospadia coronaria und subcoronaria; ausreichend dicke Haut ventral der distalen Urethra. kLagerung und Instrumentarium
Lagerung und Instrumentarium sind bei Hypospadie/ Meatotomie beschrieben (s. oben). Zusätzlich: 4 Set für die Anlage einer suprapubischen Harnableitung.
643 13.5 · Urogenitaltrakt
a
b
c
d
. Abb. 13.36 a,b Dorsale Meatotomie. a Inzision und Wundverschluss im Längsschnitt. (Nach Kelalis 1977). b–d Inzision und Wundverschluss in Aufsicht. (Nach Duckett 1988)
Distale Urethraplastik 7 Kalibrierung des Meatus urethrae externus mit Hegar-Stiften. 7 Einbringen eines suprapubischen Katheters. 7 Umschneidung eines 6–8 mm breiten Hautstreifens proximal des Meatus externus. Die Länge des Hautstreifens entspricht dem Abstand des Meatus urethrae externus von der Glansspitze. Die parallelen Hautinzisionen werden nach distal entlang der Fossa navicularis bis zur Glansspitze verlängert und hier durch Deepithelisation der medialen Anteile der lateralen »Glansflügel« verbreitert. 7 Der umschnittene Hautlappen proximal des Meatus wird zusammen mit dem Subkutangewebe unter sorgfältiger Schonung seiner Blutversorgung mobilisiert und nach distal umgeschlagen. Die seitlichen Ränder des Hautläppchens werden mit den medialen Rändern der Glansinzision vernäht (8–0 resorbierbar, extraepithelial gestochen). 7 Adaptation der mobilisierten Glansflügel ventral der Neourethra mit Matratzennähten. 7 Hautverschluss proximal der Glans. 7 Einbringen eines perforierten Silikonsplints in die Urethra, der z. B. durch Naht oder durch epikutane Fixierung gesichert wird (. Abb. 13.37a–d). 7 Der suprapubische Katheter wird mit dem sterilen geschlossenen Auffangsystem verbunden.
b a
c
d
. Abb. 13.37 a–d Operation nach Matthieu. a Hautinzision, b Läppchen nach distal einschlagen, c Mobilisierung der Penishaut, d Postoperativer Zustand. (Nach Duckett 1988)
Glansspitze geführten Rinne, die in einer zweiten Sitzung tubulär verschlossen wird. Als Material für die neu zu bildende Harnröhre dient ein gestielter Lappen aus dem inneren Blatt der dorsalen Präputialschürze.
Chordektomie (bei zweizeitigem Vorgehen) kPrinzip
kLagerung und Instrumentarium
Aufrichtung des Penisschaftes (»Orthoplastik«) durch Entfernung des Chordagewebes und Bildung einer bis auf die
Lagerung und Instrumentarium sind bei Hypospadie/ Meatotomie beschrieben (s. oben). Zusätzlich:
13
644
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
4 Vessel-loop, 4 Butterfly-Kanüle, 4 10-ml-Spritze (für artifizielle Erektion). Chordektomie
13
7 Haltenaht in die Glans (monofil 4–0), von dorsal her eingestochen. 7 Die Ausstichstelle markiert die dorsale Zirkumferenz des neu zu bildenden Meatus urethrae externus. Die Glans wird von ventral in der Medianlinie eingespalten, die Inzision nach proximal bis an den Meatus urethrae externus verlängert. Der Meatus wird nach proximal U-förmig umschnitten. 7 Einbringen des Ballonkatheters transurethral, der geblockt wird. Entfernung der Chorda von distal nach proximal so weit, bis man an eine von Corpus spongiosum umgebene Harnröhre gelangt und die Faszie der Corpora cavernosa freiliegt. 7 Die Vollständigkeit der Chordektomie kann mit einer artifiziellen Erektion geprüft werden. 7 Umschneidung eines gestielten Hautläppchens aus dem inneren Blatt des dorsalen Vorhautüberschusses (4 Haltefäden mit 5–0 monofil). Mobilisierung des Läppchens und Verschluss des Vorhautdefektes in Längsrichtung mit Einzelknopfnähten (6–0 resorbierbar). 7 In den durch die Chordektomie entstandenen Hautdefekt wird der gestielte Präputiallappen eingeschlagen und mit seinem peripheren Ende mit der hinteren Zirkumferenz der Harnröhre vernäht (Einzelknopfnähte mit 8–0 resorbierbar). 7 Die seitlichen Wundfäden (Einzelknopfnähte, 6–0 resorbierbar) werden lang gelassen und über dem in diesem Abschnitt mit Fettgaze muffförmig umwickelten Ballonkatheter miteinander verknüpft, sodass die Wundfläche im Bereich der Chordektomie komprimiert wird. 7 Zusätzliche Blutstillung wird durch einen zirkulären, locker komprimierenden Verband des Penisschafts erreicht (sterile elastische Mullbinde, 4 cm breit).
kLagerung und Instrumentarium
Lagerung und Instrumentarium sind bei Hypospadie/ Meatotomie beschrieben (s. oben). Zusätzlich: 4 Set für die Anlage einer suprapubischen Harnableitung, 4 Vessel-loop, 4 Butterfly-Kanüle, 4 10-ml-Spritze (für artifizielle Erektion). Urethraplastik 7 Kalibrierung des Meatus urethrae externus mit Hegar-Stiften. 7 Einbringen eines suprapubischen Katheters. 7 Umschneidung der seitlichen Ränder der bei der Voroperation rinnenförmig angelegten Urethra, im Bereich der Glans durch Deepithelisation eines 2 mm breiten Hautstreifens lateral. Die Inzisionen vereinigen sich proximal des Meatus in der Mittellinie. 7 Asymmetrische Mobilisierung der Wundränder nach medial und lateral. Die medialen Wundränder werden über einem Silikonsplint mit atraumatischer, fortlaufender Naht (monofil resorbierbar, 6–0 extraepithelial gestochen) adaptiert. Die Nahtreihe wird durch Einzelknopfnähte gesichert (resorbierbar, 6–0 atraumatisch). 7 Sorgfältige Blutstillung mit der bipolaren Mikrokoagulationspinzette. 7 In einer zweiten Nahtreihe wird ortsständiges Bindegewebe über der neu gebildeten Harnröhre vereinigt (8–0, resorbierbar, atraumatisch, Einzelknopfnähte oder fortlaufend). 7 Hautverschluss. Durchtrennung des gestielten Vorhautläppchens glansnah. Die Wundränder am Meatus externus und am inneren Vorhautblatt werden mit Einzelknopfnähten (6–0, resorbierbar, atraumatisch) verschlossen. 7 Sicherung des Splints. Verband. 7 Der suprapubische Katheter wird mit einem sterilen geschlossenen Auffangsystem verbunden.
Urethraverlängerungsplastik nach Beck (modifiziert) Urethraplastik (nach Chordektomie)
jVoraussetzungen
jVoraussetzungen
4 Penisschaft gerade, 4 Meatus urethrae externus ausreichend weit.
4 Distale Hypospadie, 4 Penisschaft gerade oder nur distal (Glans gegen Schaft) verkrümmt.
kPrinzip
kPrinzip
Bildung einer auf der Glans mündenden tubulären Neourethra aus ortsständiger Haut.
4 Mobilisierung der distalen Urethra, 4 Ventralspaltung der Glans,
645 13.5 · Urogenitaltrakt
4 Verlagerung des Meatus externus auf die Glansspitze und Einscheiden der distalen Urethra durch die Glansflügel. kLagerung und Instrumentarium
Lagerung und Instrumentarium sind bei Hypospadie/ Meatotomie beschrieben (s. oben). Zusätzlich: 4 Set für die Anlage einer suprapubischen Harnableitung, 4 Vessel-loop, 4 Butterfly-Kanüle, 4 10-ml-Spritze (für artifizielle Erektion). Urethraverlängerungsplastik 7 Legen einer Haltenaht (4–0 monofil, nichtresorbierbar) durch die Glans. 7 Einbringen eines Silikonsplints transurethral. Lupenmikroskopische Präparation. 7 U-förmige Hautinzision, die den Meatus externus proximal umfährt. Legen einer Haltenaht an den proximalen Meatusrand. 7 Darstellung der ventralen Urethra nach proximal, hierbei wird möglichst viel Zwischengewebe auf der Urethra belassen. Die vorhandene Hautinzision wird nach distal verlängert, bis der Meatus ovalär umschnitten ist. Legen einer 2. Haltenaht an den distalen Meatusrand. 7 Die Harnröhre wird dorsal vollständig von den Corpora cavernosa abpräpariert. Hierdurch wird eine Verlängerung der Harnröhre erreicht, die mit dem Meatus spannungsfrei bis über die Glansspitze nach distal reicht. 7 Blutstillung mit der bipolaren Mikrokoagulationspinzette. 7 Die Glans wird ventral in der Medianlinie bis über die Fossa navicularis hinaus eingespalten. Bildung je eines »Glansflügels« zu beiden Seiten der Mittellinie. Deepithelisierung eines gut 1 mm breiten Areals beidseits der Medianinzision der Glans. 7 Vollständige Exzision des Chordagewebe zwischen Glans und Schaft. Nachdem man sich vergewissert hat, dass der Penisschaft gerade ist (ggf. durch artifizielle Erektion), wird die Harnröhre in die Glansinzision hinein verlagert. Die Glansflügel werden ventral der Urethra mit 3 Matratzennähten spannungsfrei adaptiert (4–0, resorbierbar, atraumatisch). 7 Fixierung des Meatus in der Glansspitze mit Einzelknopfnähten (resorbierbar, 6–0, atraumatisch). 7 Sorgfältige Blutstillung. Adaptation ortsständigen Bindegewebes ventral der Uretha proximal der Glans (resorbierbar, 6–0, atraumatisch). 6
7 Hautverschluss mit dem gleichen Nahtmaterial (Einzelknopfnähte). 7 Fixierung des Katheters mit der Glanshaltenaht. 7 Zusätzliche Blutstillung durch zirkuläre, locker komprimierende elastische Mullbinde. 7 Sicherung des Katheters, der mit einem sterilen geschlossenen Auffangsystem verbunden wird.
Hypospadieplastik nach Snodgrass jVoraussetzung
Anteriore und mittlere Hypospadieformen mit geradem Penisschaft. kPrinzip
Tubularisierte inzidierte Urethraplastik (TIP). Tubularisierung der Neourethra über einem liegenden Stent nach tiefer Inzision der Urethralplatte. kLagerung und Instrumentarium
Lagerung und Instrumentarium sind bei Hypospadie/ Meatotomie beschrieben (s. oben). Zusätzlich: 4 Set für die Anlage einer suprapubischen Harnableitung, 4 Vessel-loop, 4 Butterfly-Kanüle, 4 10-ml-Spritze (für artifizielle Erektion). Hypospadieplastik nach Snodgrass 7 Legen eines suprapubischen Katheters. 7 Haltenaht an die Glans. 7 Parallele Umschneidung der Fossa navicularis bis zur Penisspitze. Inzision des so umschnittenen Glansareals in der Medianlinie. 7 Mobilisierung der dabei entstehenden längs verlaufenden Hautläppchen, sodass sie sich spannungsfrei über einem Splint 10 Charr vereinigen lassen (fortlaufende monofile resorbierbare Naht, 6–0). 7 Sicherung der Naht durch Subkutangewebe aus dem Präputium. 7 Rekonstruktion der Glans. 7 Hautverschluss. 7 Splint und suprapubische Harnableitung sollten frühestens nach 10 Tagen entfernt werden.
Urinfistelverschluss jVoraussetzung
Mindestens 6 Monate Abstand zur Voroperation.
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646
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
kLagerung und Instrumentarium
Lagerung und Instrumentarium sind bei Hypospadie/ Meatotomie beschrieben (s. oben). Zusätzlich: 4 Set für die Anlage einer suprapubischen Harnableitung, 4 Vessel-loop, 4 Butterfly-Kanüle, 4 10-ml-Spritze (für artifizielle Erektion).
aszendierender Infektionen über die fast ausnahmslos refluxiven Ureteren. Durch Metaplasie infolge chronisch-entzündlicher Reaktion der Blasenschleimhaut mit Ödem, polypöser Verdickung und Fibrose kommt es schließlich zur Stenose der Ureterenmündungen mit konsekutiven Megaureteren und Hydronephrose. Die erhöhte Inzidenz eines Blasenkarzinoms, typischerweise Adeno-, seltener Plattenepithelkarzinom, besteht unabhängig von einer Therapie fort.
Urinfistelverschluss
Häufigkeit
7 Kalibrierung des Meatus urethrae externus mit Hegar-Stiften. 7 Einbringen eines suprapubischen Katheters. 7 Exzision der Fistel. 7 Mehrschichtiger Verschluss des Defektes, z. B. mit Verschiebelappen oder mit deepithelisiertem Lappen. 7 Wichtig sind die gute Durchblutung des Hautläppchens, ein mehrschichtiger Verschluss und die Vermeidung übereinander liegender Nahtreihen. 7 Splint in die distale Urethra.
4 1 : 37.000–70.000. 4 Geschlechterverteilung männlich : weiblich = 5 : 1.
Pathogenese Die Pathogenese ist weitgehend ungeklärt. Vermutet wird die unzureichende Einsprossung von embryonalem Mesoderm in den abnorm persistierenden vorderen Anteil der Kloakenmembran – etwa zwischen 3./4. und 10. SSW. Dadurch wird die Fusion der am Aufbau der vorderen Bauchwand beteiligten Strukturen in der Mittellinie verhindert. Eher multifaktoriell als genetisch bedingt. Wiederholungsrisiko: 1 : 100–275; wenn ein Elternteil eine Blasenexstrophie hat: 1 : 70.
Blasenexstrophie Die Blasenexstrophie ist die häufigste Anomalie des EECKomplexes (»exstrophy-epispadia-complex«). Dazu zählen die Epispadieformen, die klassische Blasenexstrophie, die Exstrophievarianten und die Kloakenexstrophie. Definition
13
Angeborener Bauchwanddefekt mit Fehlbildung der Harnblase, des Blasenhalses und der Harnröhre.
Pränatale Diagnose Eine pränatale Diagnose ist theoretisch ab ca. der 20. SSW möglich (fehlende Harnblase bei normal aussehenden Nieren, tiefer Nabelschnuransatz, Unterbauchvorwölbung, Diastase der Symphyse). Sie wird aber nur in der Hälfte der Fälle gestellt und führt dann in 80% zu einem Schwangerschaftsabbruch.
Begleitfehlbildungen Bei der klassischen Blasenexstrophie liegt die Harnblase als offen ausgebreitetes Blasenfeld über einem zwischen dem Nabelschnuransatz und der Symphyse gelegenen Bauchwanddefekt (»wie ein aufgeschlagenes Buch«). Das Blasenfeld setzt sich nach kaudal fort in die dorsal gespaltene Urethra, die ventral der bandartigen Struktur verläuft, die die verkürzten Schambeinenden miteinander verbindet – nicht wie im Normalfall dorsal der Symphyse. Der Nabel ist kaudal verlagert, und die Rami superiores ossis pubis liegen ebenso wie die Mm. recti abdominis in der Mittellinie weit auseinander. Das kleine Becken ist flach, die Hüftgelenke sind nach außen rotiert. Der Damm ist verkürzt, der Anus nach ventral verlagert. Bei Jungen besteht gleichzeitig eine komplette Epispadie mit nach kranial gerichtetem kurzem breitem Penis (verkürzte Distanz zwischen Glans und Verumontanum). Bei Mädchen fehlt der Mons pubis, die Klitoris ist gespalten, der Introitus nach ventral verlagert und verengt. Unbehandelt bestehen bei der klassischen Blasenexstrophie eine totale Urininkontinenz und die Gefahr retrograder
4 Leistenhernie (bei bis zu 80% der Jungen, 10% der Mädchen), 4 vesikoureteraler Reflux.
Erstversorgung 4 Abdeckung des Blasenfeldes mit Hydrogel oder mit haushaltsüblicher »Frischhaltefolie«. 4 Nabelschnurrest mit Ligatur statt mit Klemme versorgen 4 Prophylaktische antibiotische Therapie. 4 Konakion i.m.
Diagnostik 4 Sonographie der Nieren. 4 Blutgruppenbestimmung.
Operation Behandlungsziele sind 4 Schutz der Nieren und der oberen Harnwege, 4 Urinkontinenz und 4 Rekonstruktion des äußeren Genitale.
647 13.5 · Urogenitaltrakt
Zur funktionellen Rekonstruktion des äußeren Genitale und zum Schutz der Nieren, sowie der oberen Harnwege bestehen 2 Behandlungsstrategien: 4 Funktionelle Rekonstruktion des unteren Harntraktes, ein- oder mehrzeitig 5 der Verschluss der Blase mit einer Epispadieplastik kombiniert oder
. Abb. 13.38 a Umschneidung des Blasenfeldes und des Nabelschnuransatzes, Schnittverlängerung nach kaudal beidseits der Urethralplatte bis in Höhe des Verumontanum. b Vollständige Mobilisation der Harnblase, die Nabelarterien dienen als Leitstruktur. c Die Beckenbodenmuskulatur wird subperiostal von den Schambeinästen abgelöst. d Verschluss der Harnblase über einem Casper-Katheter und
5 die vollständige Korrektur mit »complete penile disassemby« im Neugeborenenalter vorgenommen, wodurch die Epispadie in eine Hypospadie umgewandelt wird (Mitchell), oder 5 der Verschluss der Blase zusammen mit Ureterneueinpflanzung beidseits, Blasenhalsplastik und Epispadieplastik im Säuglingsalter vorgenommen (OP nach Schrott; . Abb. 13.38).
Tubularisierung der Urethralplatte über einem Silikon-Splint 10 Charr. Ureterkatheter beidseits. e Die Harnblase ist zweireihig verschlossen. Suprapubischer Blasenkatheter und Ureterkatheter sind über den zukünftigen Bauchnabel ausgeleitet. Das intersymphysäre Band ist vor dem Blasenhals adaptiert, die Schambeinäste durch horizontale Matratzennaht vereinigt (f) (Gearhart 1999, Belman et al. 2002)
13
648
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
4 Bei mehrzeitiger Operation wird primär die Exstrophie in eine (inkontinente) Epispadia penopubica umgewandelt mit oder ohne Beckenringosteotomie (»turn-in«). Nach 3 (Kelly 2005) bzw. 6–12 Monaten (Gearhart 2003) Rekonstruktion des äußeren Genitales und Epispadieplastik. Blasenhalsplastik meist kombiniert mit einer Ureterozystoneostomie beidseits im Alter von 3–5 Jahren (abhängig von der bis dahin erreichten Blasenkapazität). Misslingt die funktionelle Rekonstruktion, kann sekundär eine harnableitende Operation notwendig werden. Exzision des Blasenfeldes und primär harnableitende Operation. Die Eltern müssen über die Fehlbildung und ihre Konsequenzen ausführlich informiert und in die Planung der Behandlungsschritte einbezogen werden.
Blasenverschluss (Turn-in-Operation) jPräoperativ
4 Kaudalanästhesie prä- und postoperativ. 4 Erythrozytenkonzentrat muss bereitgehalten werden. kOP-Zeitpunkt
Bei Therapie innerhalb der ersten 2 (–3) Lebenstage kann wegen des noch weichen Beckenrings eine Adaptation der Symphyse ohne Beckenringosteotomie versucht werden.
13
kPrinzip
Umwandlung der Exstrophie in eine inkontinente Epispadie; Verschluss des Bauchwanddefektes. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumente, Kochsalzschale, Sauger mit feinem Ansatz, Miniraspatorium bzw. Dissektor scharf, kleine Einzinker scharf, weiche Ureterkatheter 3 oder 4 Charr bzw. Nabelarterienkatheter 3,5 Charr, Silikondrain 10 Charr, Casper-Katheter 10 Charr, Patch aus biodegradierbarem Material, Markierungsstift, Nahtmaterial: resorbierbar, atraumatisch (0 oder1, 3– 0, 4–0, 5–0 und 6–0).
! Latexfreie Operation.
Blasenverschluss (Turn-in-Operation) 7 Hautdesinfektion vom Thorax bis zu den Knien. Untere Extremitäten einzeln abdecken, damit sie beweglich bleiben für die Femurinnenrotation beim Symphysenverschluss. 7 Durchmesser des Blasenfeldes ermitteln. 7 Diastase der Symphyse bestimmen; Penislänge? Testes im Skrotum? Leistenhernien vorhanden? 7 Ureterkatheter in beiden Ureterostien mit Naht fixieren. 7 Haltenaht in die Glans. 7 Hautinzision markieren, zukünftige Nabelposition markieren (Mitte zwischen Rippenwinkel und Symphysenregion). 7 Umschneidung des Blasenfeldes, erst scharf, dann mit Diathermie (keine Bauchhaut am Blasenfeld belassen, mukokutane Übergangszone exzidieren) – nach kaudal beidseits lateral der Urethralplatte bis distal des Verumontanum. 7 Nabelschnuransatz umschneiden, Gefäße unterbinden. Die Nabelarterien dienen als Leitstruktur für die extraperitoneale Präparation der Blasenhinterwand – dorsal der Rektusmuskulatur und ventral der Ureteren. 7 Mediale Ränder der Rektusmuskulatur darstellen. 7 Das Peritoneum wird von der Blasenhinterwand abgelöst. Vollständige Mobilisation der Harnblase unter Erhaltung ihrer Blutversorgung. Die Harnblase muss sich tief ins kleine Becken verlagern lassen. 7 Beidseits wird die Inzision zwischen Blasenrand und Rektusscheide nach kaudal vertieft über dem hinter der Bauchwand eingeführten Zeigefinger. 7 Die Beckenboden- und Levatormuskulatur wird subperiostal von beiden Schambeinästen abgelöst. 7 Ablösen der Corpora cavernosa vom unteren Schambeinast (Cave: Gefäß-Nerven-Bündel liegt lateral). 7 Vereinigung der Corpora cavernosa mit einigen Nähten in der Medianlinie zur Penisverlängerung, evtl. vorher umschnittene Paraexstrophielappen in der Mittellinie vereinigen und distal des Verumontanum interponieren zur Urethraverlängerung (Cave: Striktur bei unzureichender Durchblutung). 7 Blasenverschluss über einem Casper-Katheter (der am Blasenscheitel eingebracht und am zukünftigen Hautnabel ausgeleitet wird) mit 3–0 atraumatisch, geflochten resorbierbar zweireihig. 7 Uretersplints durch gesonderte Perforation der Blasenwand ebenfalls am Nabel ausleiten. 7 Nähte am Blasenhals mit 5–0 monofil resorbierbar über einem Silikonkatheter 10 Charr, Katheter danach entfernen. 6
649 13.6 · Zentralnervensystem
Komplikationen 7 Ablösung des intersymphysären »Bandes« subperiostal. 7 Das intersymphysäre »Band« wird vor dem Blasenhals durch Einzelknopfnähte (5–0 monofil, resorbierbar) vereinigt. 7 Annäherung der Schambeinenden: Der Assistent hält beide Femura innenrotiert und drückt gleichzeitig die Trochanteren nach medial. 7 Naht der Symphyse mit resorbierbarem (nicht resorbierbar ist ebenfalls möglich) Faden der Stärke 1, der Knoten muss urethrafern, also ventral der Symphyse liegen. Zum Schutz der Naht am Blasenhals kann ein Patch aus biodegradierbarem Material retrosymphysär fixiert werden. 7 Vereinigung der Rektusmuskulatur in kraniokaudaler Richtung: Matratzennähte 3–0 oder 2–0 resorbierbar – rechtwinklig gestochen. 7 Aufbau eines Mons pubis. 7 Subkutannaht, Hautnaht. 7 Sichere (!) Fixierung der Katheter an der Ausleitungsstelle am Bauchnabel. Hier kann zur Verbesserung des kosmetischen Ergebnisses eine Nabelplastik nach Hanna (1984) vorgenommen werden (normale Nabellokalisation in der Mitte zwischen Xiphoid und Symphyse). 7 Evtl. vorhandenen Leistenbruch oder Leistenhoden zum Zeitpunkt des Turn-in versorgen.
Postoperativ 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Overhead-Extension für die Dauer von 4 Wochen. Magensonde offen ablaufend. Schmerztherapie. Reichliche Flüssigkeitszufuhr. Uretersplints müssen durchgängig bleiben (evtl. anspülen). Antibiotika für mindestens 7–10 Tage. Bei zufriedenstellender Wundheilung Uretersplints nach 14 Tagen entfernen. Zystoskopie und Urethrakalibrierung 4–6 Wochen postoperativ. Suprapubischen Katheter nach 4–6 Wochen entfernen, vorher abklemmen (Zystographie o Blasenkapazität? Urethra durchgängig? Restharn?). Sonographie der Nieren vor der Entlassung (mindestens halbjährlich wiederholen). Restharnbestimmung (Urethrastenose ausschließen, ggf. Urethra bougieren). Medikamentöse Harnwegsinfektprophylaxe (vesikoureteraler Reflux!). i.v. Pyelographie im Alter von 3 Monaten.
4 Wundinfektion. 4 Wunddehiszenz: Die Harnblase und Bauchwand öffnen sich erneut. 4 Penisnekrose. 4 Urethrastenose. 4 Blasensteine. 4 Epididymitis.
Prognose Entscheidend für die postoperative Kontinenzrate ist die Blasenkapazität. Bei persistierender Inkontinenz kommen eine operative Harnblasenaugmentation oder die Schaffung einer katheterisierbaren kontinenten Ersatzblase aus einem Ileozäkalsegment (z. B. »Mainz-Pouch«; 7 Kap. 9) in Frage. Die früher angewandte Ureterosigmoidostomie (»Coffey-Operation«) wird wegen des Risikos eines zusätzlichen Dickdarmkarzinoms heute nur selten vorgenommen. In bis zu 80% der Fälle gelingt die Schaffung eines suffizienten Kontinenzorgans. Die laterodorsale Hüftachsenfehlstellung korrigiert sich im zeitlichen Verlauf spontan und bedarf keiner Therapie. Die Sexualfunktion ist bei beiden Geschlechtern in der Regel nicht beeinträchtigt. Angesichts der unterschiedlichen klinischen Ausprägung und der Vielzahl der operativen Verfahren ist die optimale Therapie ein bisher ungelöstes Problem. Mehrere Korrektureingriffe können erforderlich werden, sodass durch latexfreies Arbeiten die Entstehung einer Latexallergie konsequent vermieden werden muss. Wegen der Seltenheit und der erheblichen Konsequenzen für die Betroffenen sollte die Blasenexstrophie ausschließlich in wenigen Zentren mit entsprechender Erfahrung operiert und nachgesorgt werden.
Ergebnisse Urinkontinenz wird bei bis zu >70% der Patienten erreicht.
13.6
Zentralnervensystem
13.6.1
Ventrikuloperitonealer Shunt
Definition Als Hydrozephalus bezeichnet man eine pathologische Vergrößerung der Hirnventrikel auf Kosten der Hirnsubstanz, verursacht durch einen erhöhten Druck des Liquor cerebrospinalis. Ursache hierfür ist ein Missverhältnis zwischen Liquorproduktion und -resorption.
13
650
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
Liquorbeschaffenheit . Abb. 13.39 (s. hierzu auch 7 Kap. 10; Bea).
Etwas mehr als die Hälfte des Liquors umgibt das Rückenmark, der Rest ist in den Ventrikeln, ein kleinerer Teil im Subarachnoidalraum. Die Liquormenge wird innerhalb von 1–2 Tagen erneuert, d. h. es werden normalerweise 0,37–0,8 ml/min/kg KG Liquor gebildet. . Tab. 13.14 stellt Liquormenge, -produktion und -druck in Abhängigkeit zur Altersgruppe dar.
4 eine ungenügende bzw. fehlende Resorption (Hydrocephalus nonresorptivus; Hauptursache), 4 oder durch eine Kombination dieser Ursachen. jBeispiele für Liquorüberproduktion
4 Fieber, 4 Entzündung, 4 tumorartige Vergrößerung der liquorbildenden Strukturen (Plexus chorioideus).
Ursachen des Hydrozephalus
jBeispiele für die Blockierung der Liquorzirkulation
Normalerweise stehen Liquorbildung und Liquorresorption in einem ausgewogenen Verhältnis. Eine Erweiterung der Liquorräume kann verursacht sein durch 4 eine Überproduktion von Liquor (Hydrocephalus hypersecretorius), 4 eine Blockade der Liquorzirkulation (Hydrocephalus occlusus),
4 Kongenitale Aquäduktstenose, also die Verengung der Verbindung zwischen III. und IV. Ventrikel. 4 Kongenitale Verlegung der Öffnungen, über die das Ventrikelsystem mit dem Subarachnoidalraum in Verbindung steht wie z. B. bei der Arnold-ChiariMalformation (benannt nach Arnold, Pathologe, Heidelberg, 1803–1890 und Chiari, Pathologe, Prag, 1851– 1916; . Abb. 13.40) bei Meningomyelozele (7 Abschn. 13.6.2) oder bei entzündlichen Verklebungen nach Hirnhautentzündung. 4 Raumfordernde Prozesse in der hinteren Schädelgrube wie z. B. bei Tumoren und bei der Dandy-WalkerZyste (benannt nach Dandy, Neurochirurg, Baltimore, 1886–1946, und Walker, Neurochirurg, Baltimore, 1942; . Abb. 13.41); eine zystische Erweiterung des IV. Ventrikels, die auf einem angeborenen Verschluss der Foramina Magendii und Luschkae beruht (Magendie, Pathologe, Paris, 1783–1855; Luschka, Anatom, Tübingen, 1820–1875). Selbstständiges Krankheitsbild, das eine Zusatzbehandlung z. B. in Form eines Doppelshunts erfordert.
13
jBeispiel einer fehlenden Resorption
Verlegung der Resorptionsorte durch meningitische Narben oder durch Koagel nach einer Blutung.
Klassifikation
. Abb. 13.39 Hydrozephalus. Rechter und linker Seitenventrikel sind jeweils über ein Foramen interventriculare Monroi mit dem 3. Ventrikel verbunden. Der Aquädukt verbindet den 3. mit dem 4. Ventrikel. Dieser setzt sich in den Rückenmarkkanal fort
4 Anatomisch:
5 Hydrocephalus internus: Erweiterung des Ventrikelsystems.
. Tab. 13.14 Liquormenge, -produktion und -druck in Abhängigkeit zur Altersgruppe Altersgruppe
Liquormenge
Liquorproduktion
Liquordruck
[ml]
[ml/Tag]
[ml/h]
[cmH2O]
Erwachsener
135 (120–200)
500
20
8
Klein- und Schulkind
100 (60–120)
250
10
Säugling
50 (40–60)
100
5
Neugeborenes
20–50
25
1
2–3–4,5
651 13.6 · Zentralnervensystem
. Abb. 13.40 Arnold-Chiari-Malformation
Der Hydrozephalus kann angeboren sein (in ca. 25% der Fälle). In der Regel entwickelt er sich jedoch erst nach der Geburt. Mehr als 80% der Fälle eines Hydrozephalus im Kindesalter sind durch die Arnold-Chiari-Malformation (. Abb. 13.40) in Verbindung mit einer Meningomyelozele bedingt. Dabei handelt es sich um eine Fehlbildung, bei der die hintere Schädelgrube klein ist und ein Teil des fehlgebildeten Hirns und Hirnstammes in den Wirbelkanal der Halswirbelsäule verlagert ist. Die Folge ist, dass der aus den Ventrikeln abfließende Liquor nicht in den Subarachnoidalraum hineingelangen kann. Meist ist diese Anomalie kombiniert mit einer Aquäduktstenose, also einer Liquorzirkulationsbehinderung zwischen dem III. und IV. Ventrikel. Infolge des abnormen Verlaufes der hinteren Hirnnerven kann ein selbständiges Krankheitsbild mit Stridor, Schluckstörungen und Apnoeanfällen resultieren – unabhängig von einer Liquorableitung. Zweithäufigste Ursache für einen Hydrozephalus im Kindesalter ist die Hirnblutung, die insbesondere bei sehr unreifen Frühgeborenen auftreten kann.
Häufigkeit 4 Als isolierte Anomalie: 1:1000. 4 In Kombination mit Spina bifida: 1 : 1000 bis 3 : 1000.
Folgen des Hydrozephalus 4 4 4 4
Vergrößerung des Hirnschädels. Vorwölbung der Stirn (»Balkon-Stirn«). Erweiterte Schädelvenen. »Sonnenuntergangsphänomen« (beide Pupillen sind so weit nach unten gerichtet, dass die Iris teilweise unter dem Unterlid verschwindet.) 4 Klaffende Schädelnähte. . Abb. 13.41 Dandy-Walker-Zyste. Der Wurm des Kleinhirns ist hypoplastisch nach vorn-oben verlagert. Der IV. Ventrikel ist zystisch erweitert, zusätzlich besteht ein Hydrozephalus
5 Hydrocephalus externus: Erweiterung der Subarachnoidalräume. 5 Hydrocephalus e vacuo. Folge hirnatrophischer Prozesse (»Normaldruckhydrozephalus«) – keine Makrozephalie. 4 Funktionell:
4 Kommunizierender Hydrozephalus (Liquorzirkulation intakt, Liquorüberproduktion oder gestörte Resorption). 4 Hydrocephalus occlusus – Verschlusshydrozephalus oder »nichtkommunizierender Hydrozephalus« (Liquorzirkulation behindert oder blockiert).
Klinik jHirndruckzeichen bei Säuglingen (Schädelnähte offen)
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
vorgewölbte Fontanelle, klaffende Schädelnähte, Erweiterung der subkutanen Schädelvenen, progredientes Kopfwachstum, Krampfneigung, Opisthotonus, Bradykardie, Trinkunlust/Spucken/Erbrechen, Unruhezustände, schrilles Schreien, Schläfrigkeit, Apathie, Störungen des Wach-Schlaf-Rhythmus, Augensymptome: 5 Sonnenuntergangsphänom,
13
652
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
5 Protrusio bulbi, 5 Nystagmus, 5 Strabismus, 4 im fortgeschrittenen Stadium unregelmäßige Atmung, Apnoeanfälle, Atemstillstand. jHirndruckzeichen bei Klein- und Schulkindern
13
4 Erbrechen, 4 Kopfschmerzen (häufig morgens, betont in Stirnmitte, im Liegen zunehmend), 4 Änderung der Gemütslage, 4 Konzentrations- oder Koordinationsstörungen, 4 vermehrte Ablenkbarkeit, 4 geistige Verlangsamung, 4 rasche Ermüdbarkeit bei Spiel und Sport, 4 diskrete Verhaltensänderungen, 4 Krampfneigung, 4 Augensymptome: 5 Protrusio bulbi, 5 Nystagmus, 5 Strabismus, 5 Stauungspapille. 4 Sehstörungen: 5 Visusveränderung, 5 Verschwommensehen, 5 Doppelbilder, 5 Gesichtsfeldeinengung. 4 Bewusstlosigkeit nur bei abrupter Hirndrucksteigerung (z. B. bei vollständig shuntabhängigem Hydrozephalus).
Diagnose 4 Großer Kopf im Vergleich zum Körper. Hirnschädel größer als Gesichtsschädel. Kopfumfangdiagramm: Kopfumfang über den altersentsprechenden Normalwerten. 4 Sonographie (bei offener Fontanelle), beim größeren Kind CT oder MRT. 4 Ophtalmoskopisch: Stauungspapille (auch sonographisch messbar). 4 Röntgen: Leistenlückenschädel.
Behandlungsziele 4 Normalisierung der Ventrikelweite und des Schädelwachstums. 4 Verhinderung einer Hirnschädigung. 4 Vermeidung bzw. Aufheben neurologischer Ausfallerscheinungen.
Behandlungsmöglichkeiten Weder medikamentöse noch operative Maßnahmen können die Hydrozephalusursache beseitigen. Man kann nur die Ventrikelerweiterung verhindern (Palliativmaßnah-
men). Medikamentös durch Reduzierung der Liquorproduktion (Diamox, Furosemid, Sorbit; Wirkung unzuverlässig und nicht anhaltend; erhebliche Nebenwirkungen). Payr (Chirurg, Leipzig, 1871–1946) hat bereits 1919 eine ventrikulovenöse Drainage, also eine Verbindung zwischen den Liquorventrikeln im Gehirn und einer Körpervene vorgeschlagen und angewendet. Im Jahr 1914 wies der Chirurg Heile auf die Möglichkeit einer Liquordrainage in die Bauchhöhle hin. Diese Shuntmöglichkeiten wurden jedoch erst realisiert, als es unter Verwendung moderner Werkstoffe gelang, Systeme zu konstruieren, die vom Körper des Patienten vertragen wurden und über längere Zeit zuverlässig funktionierten. Der Durchbruch gelang 1949 dem Techniker John Holter, der für sein eigenes Kind mit Spina bifida und Hydrozephalus ein Ventil konstruiert hatte, das der Neurochirurg Spitz implantierte. Ende der 50er Jahre entwarf Holter das Spitz-Holter-Ventil (Schlitzventil), das bis heute praktisch unverändert gebaut wird. Pudenz hatte unabhängig von Holter ein eigenes Ventil (Membranventil) konstruiert, das 1958 zum ersten Mal veröffentlicht wurde. Heute gibt es auf dem deutschen Markt viele verschiedene Ventilkonstruktionen mit verschiedenen Konfigurationen und Druckstufen. Keine dieser Kombinationen oder Konstruktionen kann Shuntprobleme sicher vermeiden. Das ideale Shuntsystem gibt es nicht.
Operation jVoraussetzungen
Wegen des hohen Infektionsrisikos sollte eine liquorableitende Operation an erster Stelle des OP-Planes stehen. Der Liquor sollte steril sein, nicht blutig, der Eiweißgehalt nicht über 1.000 mg/dl liegen. Zur Operation muss ein aktuelles CT oder eine Sonographie vorliegen. Perioperative Antibiotikaprophylaxe mit Flucloxacillin oder Vancomycin (erste i.v.-Gabe bei Prämedikation). Rasur des OP-Feldes unmittelbar präoperativ. Reinigung der Haut mit BetaisodonaFlüssigseife. ! Latexfreie Operation. kPrinzip
Liquorableitung aus einem Seitenventrikel über ein implantierbares Shuntsystem in die Bauchhöhle oder in den rechten Vorhof. Jedes Liquorableitungssystem besteht aus 4 einem zentralen Katheter, dem Ventrikelkatheter (»Hirnschlauch«), der durch ein Bohrloch im Schädelknochen und durch den Hirnmantel hindurch in einen Seitenventrikel eingeführt wird, und 4 einem peripheren Katheter (»Bauchschlauch«, . Abb. 13.42a oder »Herzschlauch«, . Abb. 13.42b), der entweder in die Bauchhöhle oder in den rechten Vorhof des Herzens eingebracht wird,
653 13.6 · Zentralnervensystem
kLagerung
4 Rückenlage am Kopfende des OP-Tisches. 4 Nackenrolle. 4 Kopf auf einem Gelring endgradig nach links gedreht und leicht abgesenkt. (Bei asymmetrischem Hydrozephalus leitet man aus dem weiteren Ventrikel ab.) 4 Temporalregion – Hals und Oberbauch liegen in einer Ebene. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4
a
Grundinstrumentarium, Borhmaschine mit Trepan oder Kugelfräse, Skalpell Größe 11, Ventrikelpunktionskanüle, Tunnellierungsinstrument, NaCl-Spüllösung mit einem Antibiotikum zum Durchspülen des Ventilsystems, 4 Nahtmaterial: 3–0 geflochten, nicht resorbierbar, 4–0 monofil, nicht resorbierbar, 5–0 für die Hautnaht, 4 Knochenwachs, 4 Ventilsystem in Absprache mit dem Operateur. ! Das Shuntsystem wird erst kurz vor der Implantation aus der sterilen Verpackung entnommen. Das Ventilsystem darf nur mit Instrumenten angefasst werden. Textilien werden ausschließlich feucht angereicht.
Anlage eines ventrikuloperitonealen Shunts
b . Abb. 13.42a, b Liquorableitende Systeme. a Ventrikuloperitonealer Shunt, b Ventrikuloatrialer Shunt
4 einem Einwegventil, das ein Leerlaufen der Ventrikel (Überdrainage) verhindert und dafür sorgt, dass der Liquor nur vom Ventrikel entweder in den Vorhof oder in die Bauchhöhle fließt und nicht umgekehrt. 4 Zusätzlich wird gelegentlich ein Reservoir eingebaut, z. B. das Salmon-Rickham-Reservoir, über das entweder Liquor aus dem System entnommen oder Druckmessungen vorgenommen werden können. 4 Ein Anti-Siphon-Device (ASD) verhindert eine exzessive Liquor-Drainage in aufrechter Position des Patienten durch die Schwerkraft der im System enthaltenen Flüssigkeitsmenge (Heberdrainage-Effekt).
7 Sorgfältige Hautdesinfektion. Standardisierte Abdeckung. 7 Ca. 3 cm langer bogenförmiger Hautschnitt oberhalb und hinter dem Ohr. Haut und Subkutangewebe werden nach frontal mobilisiert. Kreuzförmige Inzision des Periosts und Aufbohren der Kalotte z. B. mit der Kugelfräse je 3 cm kranial und dorsal des Ohres. 7 Darstellung der Dura, die sich in den Knochendefekt vorwölbt und kreuzförmig inzidiert wird. Bilden einer subkutanen Tasche nach kaudal zur späteren Platzierung des Ventils. 7 Quere Hautinzision im rechten Oberbauch oder 2 Querfinger kaudal des Xiphoid. Durchtrennung des Subkutangewebes und quere Inzision der Externusaponeurose unter Schonung der Mm. recti. Darstellung des Peritoneums, das zwischen Klemmen eröffnet wird. Subkutanes Tunnellieren von der Kopf- bis zur Bauchwunde. 6
13
654
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
7 Hindurchziehen des Peritonealkatheters. Ca. 20 cm der Katheterlänge werden für die freie Bauchhöhle belassen. Das proximale Ende des Peritonealkatheters wird mit dem Ventil konnektiert (ggf. unter Zwischenschalten eines ASD). 7 Einritzen der Dura und Eingehen mit der Ventrikelpunktionskanüle in Richtung auf die Glabella. 7 Nach Anschluss an das Ventrikelsystem – kenntlich an pulsierendem Liquoraustritt – wird die Punktionskanüle entfernt und ein bei 4 cm umgebogener Ventrikelkatheter eingebracht. 7 Messung des Liquordruckes und Entnahme einer Probe zur bakteriologischen Untersuchung. 7 Der Ventrikelkatheter wird mit dem Ventil konnektiert, das Ventil in der retroaurikulären Tasche subkutan platziert. 7 Beide Konnektionsstellen werden mit Ligaturen aus geflochtenem nichtresorbierbarem Nahtmaterial gesichert. 7 Einbringen des Peritonealkatheters in die freie Bauchhöhle. 7 Schichtweiser Verschluss sämtlicher Wunden. Hautnaht mit monofilem nichtresorbierbarem Nahtmaterial.
durch Bildung einer intraperitonealen Pseudozyste aus Fibrin (Hinweis auf eine Infektion) verstopfen. Wachstumsbedingt kann entweder der Hirn- oder der Bauchschlauch zu kurz werden. Der Bauchschlauch kann ganz aus der Bauchhöhle herausrutschen, sodass kein Liquor mehr in die Bauchhöhle gelangt. Er kann in sich reißen oder er rutscht von dem Ventil ab. In diesen Fällen ist eine Shuntrevision mit Bauchschlauchwechsel notwendig. jWeitere Shuntkomplikationen
Beim ventrikuloperitonealen Shunt: 4 subdurale Hämatome, 4 Synostose der Schädelnähte, 4 Dislokation des Katheters in die freie Bauchhöhle, 4 Perforation von Hohlorganen, z. B. des Darms oder der Harnblase, 4 Hydrocele testis beim (männlichen) Säugling. Beim ventrikuloatrialen Shunt: 4 subdurale Hämatome, 4 Synostose der Schädelnähte, 4 Thromboembolie, 4 Herzperforation, 4 Abgleiten von Shuntteilen in den kleinen Kreislauf, 4 Shuntnephritis.
Endoskopische Ventrikulostomie Eiweißreicher, nicht steriler oder noch blutiger Liquor wird für die Dauer von 7–10 Tagen passager extern abgeleitet.
13
Bei fast zwei Drittel der Shuntpatienten werden Revisionen notwendig, am häufigsten im 1. Lebensjahr.
Ein alternatives Verfahren zur Behandlung bestimmter Formen des Hydrocephalus occlusus ist die endoskopische Ventrikulostomie zwischen III. Ventrikel und der Cisterna interpeduncularis. Auf diese Weise werden bis zu 70% der älteren Kinder und Erwachsenen shuntunabhängig (7 Kap. 10). Bei Kindern unter 3 Jahren liegt die Erfolgsrate unter 50%.
jShuntinfektion
Nachsorge
Die Bakterien einer Shuntinfektion (8–10%) stammen von der Haut und gelangen während der Operation in das System. Die Infektion tritt meistens schleichend auf mit nur leichtem Fieber, Anämie, Milzvergrößerung und allgemeiner Abgeschlagenheit. Behandlungsalternativen: 4 Belassung des Systems und antibiotische Behandlung. 4 Entfernen des Systems und gleichzeitiger Einbau eines neuen Systems unter antibiotischem Schutz. 4 Entfernen des Systems, vorübergehende externe Ableitung des Liquors unter antibiotischer Behandlung und Einbauen eines neuen Systems, wenn der Liquor wieder steril ist.
Wegen der Komplikationsmöglichkeiten ist es unerlässlich, die mit einem Shuntsystem versorgten Kinder regelmäßig zu überwachen. Die Shuntfunktion kann klinisch durch Messung des Kopfumfangs und Vergleich mit Normwerten überprüft werden. Bei einer offenen Fontanelle kann der Hirndruck entweder indirekt gemessen oder tastend abgeschätzt werden. Durch Kompression der Prüfblase des Ventils kann festgestellt werden, ob das System offen ist. Lässt sich das Ventil leicht eindrücken, ist der Bauchschlauch in der Regel offen. Füllt es sich sofort wieder, kann man davon ausgehen, dass der Ventrikelkatheter offen ist. Über ein zwischen Ventrikelkatheter und Ventil eingebautes Rickham-Reservoir kann entweder Liquor zur Untersuchung entnommen oder der Hirndruck gemessen werden, vorausgesetzt, der Hirnschlauch ist offen. Eine Diskonnektion des Systems kann palpatorisch – gelegentlich erst röntgenologisch – festgestellt werden.
Komplikationen
jBlockierung eines Drainagesystems
Meistens ist nicht das Ventil, sondern das Schlauchsystem (am häufigsten der Hirnschlauch) verstopft (durch Plexusgewebe, Eiweiß, Zelldetritus oder Blutkoagel). Der Bauchschlauch kann durch Einwachsen des Omentum oder
655 13.6 · Zentralnervensystem
Bei jeder Insuffizienz des Shuntsystems werden sich Hirndruckzeichen einstellen. Sie machen zusätzliche Untersuchungen wie Röntgenaufnahmen oder CCT erforderlich.
Prognose Bei guter Überwachung haben mehr als zwei Drittel der Kinder mit isoliertem Hydrozephalus die Chance, sich später körperlich und geistig weitgehend normal zu entwickeln, sofern der Shunt frühzeitig, d. h. innerhalb der ersten 3 Lebensmonate angelegt wurde.
13.6.2
Myelomeningozele
Definition Die Myelomeningozele (MMC) – auch als Meningomyelozele bezeichnet – zählt zu den angeborenen Neuralrohrdefekten (. Abb. 13.43).
Jede Form einer Bogenschlussstörung der Wirbelbögen über dem Rückenmark wird als Spina bifida bezeichnet. Es handelt sich um eine dysraphische Störung (Raphe = Naht), deren schwerste und häufigste Form die Myelomeningozele (Spina bifida aperta, »offener Rücken«) ist. Hier wölben sich durch eine umschriebene Spaltbildung meist mehrerer Wirbelbögen und der Rückenweichteile (Muskulatur, Fettgewebe, Haut) nicht nur Anteile der Rückenmarkhäute vor, sondern auch Anteile des fehlgebildeten Rückenmarks selbst in Form der Neuralplatte. Neurologische Ausfälle sind die Regel. Bei der wesentlich selteneren Meningozele ist das Rückenmark normal ausgebildet, lediglich die Hirnhäute (Dura und Arachnoidea) stülpen sich zystenförmig durch die Spaltbildung der offenen Wirbelbögen. Der Sack ist in der Regel mit normaler Haut bedeckt.
Häufigkeit 4 1 : 1.000, regional unterschiedlich (in Großbritannien und Irland 3- bis 4-mal häufiger). 4 Mädchen sind etwas häufiger betroffen als Jungen (Geschlechterverteilung: männlich : weiblich = 1 : 1,1). Die Myelomeningozele gehört zu den häufigsten angeborenen Anomalien. Aufgrund der Prophylaxe mit Folsäure (s. unten) und der pränatalen Diagnostik, die bei der Diagnose MMC mit Hydrozephalus häufig zu einem Schwangerschaftsabbruch führt, werden zunehmend weniger Kinder mit Myelomeningozele geboren.
Anatomie Die Zele liegt am Rücken, immer in der Mittellinie, unterschiedlich groß, von normaler Haut umgeben (Zona cuta-
. Abb. 13.43 Zystische Myelomeningozele. Plakode (1). Ventrale (2) und dorsale (3) Wurzeln. Arachnoidea, Dura und Epithel verschmelzen am lateralen Rand der Plakode (4)
nea), die sich zum Zentrum hin ausdünnt (Zona epithelioserosa) und in die Neuralplatte (Nervengewebe, graue Substanz) übergeht, die von der durchsichtigen Pia bedeckt ist (Zona medullovasculosa). Liquor tritt aus, entweder aus dem offenen Zentralkanal des Rückenmarks am kranialen Ende der Neuralplatte oder über eine Ruptur der Hirnhäute aus dem Subarachnoidalraum. Die Zelenregion liegt meist lumbosakral (75%) entweder im Niveau der Haut, oder sie wölbt sich infolge der Liquoransammlung ventral der Neuralplatte zystenartig über das Hautniveau vor (zystische Myelomeningozele). An der Ventralseite der Neuralplatte ziehen Nervenstränge, beidseits paramedian die motorischen Bahnen, lateral die sensorischen, durch den liquorgefüllten Subarachnoidalraum.
Embryologie Über der Chorda dorsalis erscheint am 16. Schwangerschaftstag die ektodermale Neuralplatte und schließt sich nach Ausbildung bestimmter Längsfalten zwischen dem 25. und 27. Tag zum Neuralrohr. Am Rückenmark läuft dieser Prozess überwiegend in kraniokaudaler Richtung ab. Um das Neuralrohr herum entstehen aus dem von der Seite her einwachsenden Mesoderm die Urwirbel und die Wirbelsäule sowie die Hirnhäute und die Muskulatur. Wodurch genau dieser Prozess gestört wird, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich sind verschiedene Faktoren beteiligt. Bekannt sind die teratogene Wirkung von Carbamazepin, Valproinsäure (Antiepileptika) und Folsäuremangel.
Assoziierte Anomalien 4 Chiari-II-Fehlbildung (Anteile des unteren Hirnstamms und des Kleinhirns sind nach kaudal in das Foramen magnum und in den oberen Rückenmarkkanal verlagert) >90%. 4 Hydrozephalus (15%).
13
656
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
4 Stammhirnanomalien, Balkenagenesie. 4 Syringomyelie. 4 Zusätzliche Fehlbildungen der Wirbelkörper (Keilwirbel, Halbwirbel, Fusionen). 4 Fehlbildungen der Nieren und der ableitenden Harnwege (4%).
Diagnose Pränatal kann die Diagnose durch die Bestimmung eines erhöhten AFP-Spiegels (AFP = α-Fetoprotein) im mütterlichen Serum zwischen der 15. und 20. SSW gestellt werden. In Zweifelsfällen kann zusätzlich der Amnion-AFP-Spiegel gemessen werden, der mit 98%-iger Sicherheit auf einen offenen Neuralrohrdefekt hinweist. Sonographisch kann ein Neuralrohrdefekt etwa ab der 20. SSW festgestellt werden.
Klinik
13
Ausdehnung und Grad der neurologischen Störungen sind abhängig von der Lokalisation der MMC. Eine tief sakral gelegene MMC hat »nur« Inkontinenz für Stuhl und für Urin zur Folge sowie einen Sensibilitätsverlust der Dammregion, jedoch keine motorischen Ausfälle der unteren Extremitäten. Fast alle Patienten mit MMC leiden an einer neurogenen Blasenentleerungsstörung. Die schlaffe Blasenlähmung (»Durchlaufblase«) ist für den oberen Harntrakt ungefährlich. Dagegen stellt die bei mehr als der Hälfte der Patienten (63%) vorhandene Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie (»Retentionsblase«) mit hyperaktiver Beckenbodenmuskulatur ein hohes Risiko dar für eine frühzeitige Beeinträchtigung der Nierenfunktion. Hier werden hohe Drücke innerhalb der Harnblase aufgebaut, die in Kombination mit Restharn, Harnwegsinfektionen, vesikoureteralem Reflux (in fast 50% der Fälle) und Megaureteren (bei 5% der Fälle) zu einem frühen Verlust von Nierenparenchym führen. Ein Hydrozephalus (7 Abschn. 13.6.1) tritt bei vielen Kindern mit MMC schon pränatal in Erscheinung. Mindestens zwei Drittel der MMC-Patienten entwickeln einen shuntpflichtigen Hydrozephalus. Wiederholte Hirndruckkrisen infolge Shuntblockade oder -infektion haben funktionelle und strukturelle Schädigungen des Hirngewebes zur Folge und können Ursache geistiger Behinderung sein. Sie können aber auch zu umschriebenen neurologischen Störungen führen, z. B. zu einem Visusverlust durch Atrophie des N. opticus. 90% der Kinder mit MMC haben eine Arnold-ChiariII-Fehlbildung, die anatomisch u. a. durch Einklemmung der Kleinhirntonsillen und von Anteilen des Hirnstamms durch das Foramen magnum in den Spinalkanal charakterisiert ist. Klinische Symptome (bei fast jedem dritten Patienten) sind inspiratorischer Stridor, Apnoe, Schluckstörungen, Schwäche oder Spastik der oberen und/oder unteren Extremitäten und Opisthotonus.
Unter »tethered spinal cord« versteht man die Anheftung des kaudalen Endes des Rückenmarks an der Wand des Rückenmarkkanals entweder primär im Sinne einer Fehlbildung oder sekundär durch Narben nach operativen Maßnahmen. Beide Formen kommen bei mindestens 20% der Kinder mit einer Myelomeningozele vor. Die mit dem Wachstum auftretende Aszension des Conus medullaris (= kaudales Ende des Rückenmarks) ist dadurch gestört. Zugkräfte am Conus medullaris haben eine zunehmende Aggravierung neurologischer Ausfälle zur Folge, besonders in Phasen raschen Körperwachstums: Gangstörungen, Rückenschmerzen, Atrophie oder Asymmetrie der Beine, neu auftretende Sensibilitätsstörungen, Verschlechterung der Blasenfunktion u. a. Orthopädische Probleme wie Kyphose, Gibbus, Lordose, Skoliose, angeborene komplette oder inkomplette Lähmungen der unteren Extremitäten mit Fehlstellungen, Muskelungleichgewichten und Beugekontrakturen im Bereich von Hüft-, Knie- und Fußgelenken, Hüftgelenkluxation (bei 80% der Patienten mit Läsion in Höhe von L5, bei 26% der Patienten mit Läsion in Höhe von S1). Beeinträchtigt ist nicht nur die motorische, sondern auch die sensible und autonome Innervation; der Sensibilitätsverlust der Haut begünstigt die Entwicklung von Druckulzera (präsakral, Gesäß, perineal, Füße). Etwa 70% der Patienten sind normal intelligent. 10% leiden an fokalen oder generalisierten Krampfanfällen. 30% zeigen zentrale Bewegungsstörungen (Spastik oder Ataxie). Unbehandelt überleben nur 20% der Patienten das 1. Lebensjahr. Das Wiederholungsrisiko liegt bei etwa 4%.
Prophylaxe Die Anzahl der mit Neuralrohrdefekten geborenen Kinder kann durch prophylaktische Gabe von Folsäure, einem wasserlöslichen B-Vitamin, um 50–70% verringert werden (USA, Schweiz). Deshalb sollten alle Frauen mit Kinderwunsch täglich 0,4 mg Folsäure einnehmen bzw. mit Folsäure angereicherte Lebensmittel nutzen – präkonzeptionell und im 1. Trimenon. Die Dosis sollte auf 4 mg/Tag erhöht werden bei Frauen, bei denen bei früheren Schwangerschaften ein Neuralrohrdefekt aufgetreten ist oder in deren Familien Neuralrohrdefekte bekannt sind.
Erstversorgung Das Neugeborene wird in einen handelsüblichen sterilen transparenten Plastikbeutel gesteckt, sodass nur der Kopf und die Arme frei bleiben. Auf diese Weise werden Austrocknung, Verletzung und bakterielle Kontamination der Zele vermieden. Der Plastikbeutel wird erst bei der Operation geöffnet. Alternativ kann die Zele mit einer folienbeschichteten, nicht haftenden Kompresse oder mit Hirnwatte bedeckt werden.
657 13.6 · Zentralnervensystem
Lagerung in Seitenlage oder Bauchlage. Intravenöser Zugang und Gabe von Antibiotika zur Vermeidung einer aufsteigenden Meningitis und Enzephalitis.
Präoperative Behandlung 4 Dokumentation von Lage, Durchmesser und Ausbuchtungsgrad der Zele. 4 Vollständige körperliche und neurologische Untersuchung mit Dokumentation des Lähmungsausmaßes (untere Extremitäten, Beckenboden: Anus klaffend? Urin ausdrückbar?). Messung des Kopfumfangs. 4 Sonographie des Schädels und des Rückenmarks kranial und kaudal der Zele, evtl. MRT, wenn sonographisch Anomalien festgestellt wurden. 4 Röntgenaufnahme der Wirbelsäule. 4 Sonographie der Nieren und der ableitenden Harnwege. 4 Dokumentation evtl. orthopädischer Anomalien (z. B. Klumpfuß). 4 Konakion i.m. 4 Erythrozytenkonzentrat bereit halten. Die Eltern müssen über die Fehlbildung und ihre Konsequenzen ausführlich informiert und in die Planung der Behandlungsschritte einbezogen werden.
Operation kOP-Zeitpunkt
Kein Notfall. Operation dringlich in den ersten 6 (–24) h. kPrinzip
Verschluss der Neuralplatte zu einem Neuralrohr (wenn spannungsfrei möglich). Wasserdichter Verschluss der Dura und der bedeckenden Weichteile. kLagerung
4 Bauchlage. 4 Der Kopf muss so gelagert werden, dass eine übermäßige Beugung oder Streckung der HWS vermieden wird. 4 Thorax und Becken unterpolstern, sodass der Bauch nicht aufliegt. kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4
Grundinstrumentarium, Mikroinstrumente, Operationsmikroskop (Lupenbrille), bipolare Mikrokoagulationspinzette, Nervenreizgerät, Fibrinkleber, synthetischer Duraersatz, Nahtmaterial: resorbierbar geflochten atraumatisch 5–0, 6–0, 8–0.
! Latexfreie Operation!
Operative Versorgung der Myelomeningozele 7 Die Hautdesinfektion spart die Zelenoberfläche aus; diese kann mit Ringer-Lösung abgespült werden. 7 Abstrich von der Neuralplatte zur bakteriologischen Untersuchung. 7 Die Zele wird in der gesunden Haut nahe dem Übergang zur Zona epithelioserosa umschnitten. Umschneidung der Neuralplatte unter Schonung des Nervengewebes und vollständige Resektion der Zona epithelioserosa. 7 Verschluss der Medullarplatte zu einem Rohr – soweit spannungsfrei möglich – mit 8–0 atraumatischen Einzelknopfnähten, die in die angrenzende Subarachnoidea gelegt werden, von kranial nach kaudal. Es dürfen keine Reste der Zona epithelioserosa an der Neuralplatte belassen werden. 7 Verwachsungen zwischen Neuralplatte bzw. Conus medullaris und dem kaudalen Ende des Duralsackes werden durchtrennt. Ein Nervreizgerät verringert das Risiko, dabei funktionsfähige Bahnen zu durchtrennen. 7 Inzision des Grenze zwischen Haut, paraspinöser Faszie und Dura am kranialen Rand des Defektes. Dabei sollte die Arachnoidea möglichst intakt bleiben. 7 Die Dura wird von den Wirbelbögen an den Rändern des Defektes abgelöst und nach medial so weit dargestellt, dass ein wasserdichter Duraverschluss über dem Rückenmark möglich wird (fortlaufende Naht, 6–0 atraumatisch). Die Naht darf das Rückenmark nicht einengen. Sie kann mit einer dünnen Schicht Fibrinkleber abgedichtet werden. 7 Umschneidung median gestielter, halbkreisförmiger paramedianer Faszienlappen beidseits, die nach Resektion einzelner vorstehender Wirbelbogenhälften türflügelartig über dem Rückenmarkkanal mit Einzelknopfnähten (5–0 atraumatisch) so adaptiert werden, dass das Rückenmark nicht komprimiert wird. 7 Sorgfältige Kontrolle auf Bluttrockenheit. Nach ausgiebiger Mobilisation und lumbalen Entlastungsschnitten beidseits können Haut und Subkutis in Form von Visierlappen nach medial verschoben werden. 7 Falls ein ausgeprägter Gibbus einen spannungsfreien Hautverschluss verhindert, wird eine Kyphektomie erforderlich. 7 Naht der Subkutanfaszie längs in der Mittellinie. Spannungsfreier Hautverschluss (Matratzennaht 5–0). 7 Verband mit Gaze und selbstklebendem Pflaster. Zur Analöffnung hin wird der Verband mit einer wasserdichten transparenten Folie abgedichtet.
13
658
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
Postoperativ 4 4 4 4 4 4
4 4 4
Bauchlage mit angehobenem Gesäß. Antibiotika. Dekubitus- und Kontrakturprophylaxe. Auf Blasen- und Darmentleerung achten. Regelmäßige Verbandwechsel, Hautfäden 10–14 Tage belassen. Auf Hirndruckzeichen achten. In fast allen Fällen wird die Ventrikelweite postoperativ zunehmen. Ein shuntpflichtiger Hydrozephalus entwickelt sich allerdings nicht in allen Fällen. Deshalb – und wegen des deutlich höheren Infektionsrisikos eines gleichzeitig oder früh postoperativ implantierten Shunts – sollte der Liquor, falls notwendig, zunächst extern abgeleitet werden. Mit der Anlage eines ventrikuloperitonealen Shunts sollte mindestens bis zum Abschluss der Wundheilung am Rücken gewartet werden. Redressierende Gipsverbände zur Behandlung von Extremitätenfehlbildungen (Klumpfuß, Spitzfuß, Hackenfuß). Miktionszysturethrographie (MCU): vesikoureteraler Reflux? Restharn? Bei Blasenentleerungsstörung frühzeitig mit intermittierendem Katheterisieren der Harnblase beginnen.
Komplikationen
13
4 4 4 4
Wundheilungsstörung. Liquorfistel. Meningitis, Ventrikulitis. »Tethered spinal cord« (s. oben).
Ergebnisse Mit der operativen Behandlung im Neugeborenen- und Säuglingsalter haben sich die Überlebenschancen von Patienten mit MMC wesentlich verbessert. Allerdings sterben immer noch 20–50% innerhalb der ersten 5 Lebensjahre (Todesursache: Niereninsuffizienz, Hydrozephalus, Ventrikulitis, Aspiration). Das Überleben ist mit z. T. erheblichen Gesundheitsrisiken und Behinderungen belastet. Entscheidend für die weitere Entwicklung des Kindes ist die langfristige kontinuierliche, koordinierte und kooperative Überwachung und Behandlung durch ein interdisziplinäres Behandlungsteam aus Kinderärzten, (Kinder-) Neurochirurgen, Neurologen, Chirurgen, Urologen, Orthopäden, Psychotherapeuten, Physiotherapeuten u. a., die eng mit dem Kind, den Eltern und Betreuern zusammenarbeiten. Eine frühzeitige aggressive Behandlung v. a. der urologischen und orthopädischen Handicaps ist technisch einfacher und erfolgreicher. Risikoreichere Eingriffe im Erwachsenalter können so vermieden werden. Der Aufwand für die Eltern und Betreuer ist allerdings erheblich.
Im Langzeitverlauf (10–30 Jahre) haben 86% der Patienten einen Liquorshunt, der bei fast allen (95%) mindestens einmal revidiert wurde. 23% erlitten mindestens einen Krampfanfall. Fast jeder Dritte wurde wegen eines »tethered cord« operiert; der Eingriff führte nicht immer zu einer Besserung der Symptomatik. Bis zu >70% der 30-Jährigen nutzen einen Rollstuhl, mehr als 10% können sich nicht ohne Rollstuhl fortbewegen. Der Verlust an Mobilität begünstigt Adipositas, Arteriosklerose, Einschränkung der Lungenfunktion und Inaktivitätsosteoporose (erhöhtes Frakturrisiko nach Bagatelltrauma). Jeder zweite Betroffene hat eine Skoliose, die in knapp der Hälfte der Fälle operativ korrigiert wurde. 85% entleeren ihre Blase durch intermittierende Katheterisierung und erreichen damit mindestens eine soziale Kontinenz für Urin (mindestens 4 h trocken). Jeder Dritte hat sich dazu Eingriffen am unteren Harntrakt unterziehen müssen (z. B. Appendikovesikostomie, Blasenaugmentation). Eine Einschränkung der Nierenfunktion besteht bei bis zu 30% der jungen Erwachsenen. Kontinenz für Stuhl wird ebenfalls von über 80% der Patienten erreicht, allerdings sind 30–60% auf regelmäßige Einläufe angewiesen. Nicht wenige Patienten müssen wegen Druckulzera stationär behandelt werden, die auch Anlass einer Sepsis werden können. Weitere Probleme können Diabetes mellitus und Pubertas praecox sein. Bei 60% der MMC-Patienten ist eine Latexallergie bekannt, die in Einzelfällen zu lebensbedrohlichen Situationen führen kann (Bronchospasmus, anaphylaktischer Schock). Obwohl mehr als 80% eine abgeschlossene Schulbildung haben, ist die Mehrheit ohne festes Arbeitsverhältnis. Etwa 2% sind körperlich und geistig so schwer behindert, dass sie nicht schulfähig sind. Nur 40% der erwachsenen MMC-Patienten leben selbstständig und sind nicht auf fremde Hilfe angewiesen. Die Prognose wird bestimmt im Wesentlichen vom Lähmungsniveau und vom Vorhandensein eines Hydrozephalus. Voraussagen sind dennoch kaum möglich, u. a. weil sich das Lähmungsmuster im Langzeitverlauf ändern kann sowie Häufigkeit und Dauer von Shuntinfektionen sich nachteilig auf die Hirnfunktion auswirken. Die zunehmende Anzahl von Menschen, die mit Behinderungen infolge einer Myelomeningozele leben, führt nicht nur zu medizinischen, sondern mehr noch zu sozialen Problemen. Dabei fallen nach Aussage der Betroffenen selbst die physischen Behinderungen weniger ins Gewicht als die Behinderungen durch Diskriminierung innerhalb der Gesellschaft.
659 13.7 · Tumoren
13.7 13.7.1
Tumoren Wilms-Tumor
. Tab. 13.15 Stadieneinteilung des Wilms-Tumors nach der Societé Internationale d’Oncologie Pédiatrique (SIOP) Stadium
Definition Embryonaler Tumor renalen Ursprungs, vom primitiven metanephrogenen Blastem ausgehend. Benannt nach dem deutschen Pathologen und Chirurgen Max Wilms, Köln 1867–1918, der 1899 eine Monographie über Mischgeschwülste der Niere schrieb.
I
Der Tumor ist auf die Niere beschränkt und kann vollständig entfernt werden
II
Tumorausdehnung über die Niere hinaus, jedoch vollständig entfernt Zusätzlich histologisch bestätigte Lymphknotenmetastasen am Nierenhilus oder paraaortal
III
Unvollständige Tumorentfernung bei Fehlen hämatogener Metastasen Tumorruptur Infiltration abdomineller Lymphknoten jenseits der regionalen Lymphknoten
IV
Fernmetastasen (insbesondere Lunge, Leber, Knochen und Gehirn)
V
Bilaterales Nephroblastom (gleichzeitig oder nacheinander: 2–7%)
Häufigkeit 4 4 4 4
6–7 : 1 Mio. Kinder <15 Jahren. In der BRD jährlich mehr als 100 Neuerkrankungen. 6% aller kindlichen Tumoren sind Wilms-Tumoren. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 3 Jahren (3 Monate bis 8 Jahre). 75% der Wilms-Tumoren werden vor dem 5. Geburtstag diagnostiziert. 4 Familiäres Vorkommen findet sich in 1–2% der Fälle.
Pathogenese Die Pathogenese ist unklar. Morphologisch spielen sog. nephrogene Reste (über die 36. SSW persistierendes embryonales Nierengewebe) eine Rolle. Sowohl den hereditären als auch den sporadischen Wilms-Tumoren liegen genetische Veränderungen eines oder mehrerer Gene zugrunde (z. B. Deletion am kurzen Arm von Chromosom 11).
. Tab. 13.16 Einteilung des Wilms-Tumors nach Tumorhistologie Histologie
Anteil
Niedrig-maligne
ca. 10%
Intermediär-maligne
75–80%
Hoch-maligne
10–15%
Assoziierte Anomalien Wilms-Tumoren können gehäuft in Kombination mit folgenden Anomalien auftreten: 4 Aniridie, 4 WAGR-Syndrom (Wilms-Tumor, Aniridie, urogenitale Fehlbildungen, geistige Retardierung), 4 Hemihypertrophie, 4 urogenitale Anomalien wie Kryptorchismus und Hypospadie, 4 Wiedemann-Beckwith-Syndrom, 4 Drash-Syndrom (Pseudohermaphroditismus masculinus, Wilms-Tumor und Glomerulopathie).
Symptome 4 Meist zufällig entdeckter, sichtbarer und tastbarer, großer, rundlicher, nichtschmerzhafter Bauchtumor mit glatter Oberfläche und von fester Konsistenz (62%). 4 Makrohämaturie in 10–15% der Fälle. 4 Mikrohämaturie in ca. 20%. 4 Appetitlosigkeit, Fieber und Gewichtsverlust nur in 10–15%. 4 Erhöhter Blutdruck in bis zu 20%.
Stadien Die Stadieneinteilung der Societé Internationale d’Oncologie Pédiatrique (SIOP; Beckwith 2002) berücksichtigt Größe und Ausdehnung des Tumors, seine Operabilität, den Befall regionärer Lymphknoten, das Einwachsen in Nachbarstrukturen (Leber, Zwerchfell, Mesenterium), Fernmetastasen (Lunge) und die Beteiligung der kontralateralen Niere (. Tab. 13.15). Nach der Tumorhistologie unterscheidet man WilmsTumoren gemäß . Tab. 13.16.
Diagnose Folgende Fragen sind zu beantworten: 4 Konsistenz des Tumors (solide/zystisch)? 4 Ausgangsorgan des Tumors (Niere, Nebenniere, Leber)? 4 Funktionsfähiges Nierenparenchym auf der Gegenseite? 4 Tumorthromben in der V. cava inferior oder in der Nierenvene? 4 Fernmetastasen?
13
660
13
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
jUntersuchungen
Operation
4 Sonographie Solider Tumor; Tumorvolumenbestimmung; Einwachsen in V. renalis oder V. cava inferior. 4 Röntgen 5 Abdomenübersicht o Verdrängung der Baucheingeweide; selten schalige Tumorverkalkungen peripher <10%. 5 Thorax o Fernmetastasen; ggf. CT. 4 Laboruntersuchungen Blutbild (Anämie/Polyglobulie), Leberwerte, Nierenretentionswerte, Urinstatus, evtl. Bestimmung von Katecholamin-Metaboliten im 24-h-Sammelurin und im Serum zum Ausschluss eines Neuroblastoms. 4 MRT mit Kontrastmittel Tumorzuordnung zur Niere, Verdrängung der Niere, Deformierung des Hohlsystems, vergrößerte Lymphknoten pararenal und/oder paraaortal. Bilaterales Tumorwachstum?
jPräoperativ
Differenzialdiagnose
kLagerung
4 4 4 4
4 Rückenlage. 4 Thorakolumbalen Übergang unterpolstern. 4 Neutrale Elektrode am Oberschenkel.
4 4 4 4 4 4
Neuroblastom, Klarzelltumor, Rhabdoidtumor, andere Nierentumoren (Lymphom, Nephroblastomatose, zystisches Adenom), Teratom, Hamartom, Nierenkarbunkel, xanthogranulomatöse Pyelonephritis, Hydronephrose, Hepatoblastom.
Therapie Ohne Behandlung ist die Prognose infaust. »Standardtherapieelemente sind Tumornephrektomie, systemische Chemotherapie und Radiotherapie. Durch eine Kombination dieser Therapieelemente sind die höchsten Heilungsraten zu erreichen. Im Rahmen der SIOP und der GPOH (Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie) wird das Prinzip einer 4- bis 6-wöchigen präoperativen Chemotherapie bei Kindern, die älter als 6 Monate und jünger als 16 Jahre sind, verfolgt. Eine präoperative Chemotherapie erhöht den Anteil der Patienten mit einem postoperativen Tumorstadium I und verringert die Rate der Tumorrupturen.« (Leitlinien der Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie GPOH, 2010). Die Behandlung erfolgt interdisziplinär im Rahmen prospektiver randomisierter Multizenterstudien (GPOH, SIOP, s. oben; National Wilms’ Tumor Study – NWTS) in entsprechend spezialisierten Zentren.
Präoperative Chemotherapie bei Kindern über 6 Monaten mit Zytostatikakombination (Vincristin und Aktomycin D, evtl. Doxorubicin) zur Verkleinerung des Tumors (Tumorreduktion), Verbesserung der Operabilität, Verringerung des Risikos der unbeabsichtigten Tumoraussaat durch intraoperative Tumorruptur und damit der Notwendigkeit einer postoperativen Strahlentherapie. Nachteil: Bei falschpositiver Diagnostik werden einzelne Kinder unnötigerweise zytostatisch behandelt, die präoperative Stadieneinteilung wird unscharf. kPrinzip
Sorgfältig geplante, ausreichend vorbereitete und gut dokumentierte Tumornephrektomie transperitoneal. Ziel der Operation ist sowohl die vollständige Entfernung des vitalen Tumorgewebes als auch eine präzise Dokumentation des Tumorstadiums als Voraussetzung für eine angemessene adjuvante Therapie.
kInstrumentarium
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Grund- und Laparotomieinstrumentarium, Kochsalzschale, Rahmen, diverse Langenbeck-Haken, Spatel, Nierenstielklemme, diverse Overholts, Gefäßklemmen, Vessel-Loops, Robinson-Drainage 12 Charr, Nahtmaterial: 3–0, 4–0, 5–0 resorbierbar; Gefäßnähte bereithalten. Wilms-Tumor 7 Großzügige quere Oberbauchlaparotomie supraumbilikal. Die Inzision muss groß genug sein, um eine Entfernung des Tumors ohne Ruptur und ohne Verschleppung von Tumorzellen sowie eine vollständige Revision der kontralateralen Niere zu erlauben. 7 Primäre Darstellung und Unterbindung der Hilusgefäße, beginnend mit der Arterie. 7 Entfernung regionärer Lymphknoten. 6
661 13.7 · Tumoren
13.7.2 7 Subtotale Resektion des zugehörigen Harnleiters zur Vermeidung einer urothelialen Metastasierung. 7 Wächst der Tumor in die Leber ein, wird er auch hier en bloc reseziert. 7 Ist der Tumor nahe der Nebenniere lokalisiert, wird diese en bloc mitentfernt. 7 Bei Stadium V ist ein individuelles Vorgehen erforderlich, z. B. Tumornephrektomie auf der Seite des größeren Tumors und Nierenteilresektion auf der Gegenseite. 7 Eventuell Second-look-Operation nach Polychemotherapie primär nicht oder nicht vollständig resezierbarer Tumoren. 7 Eine Tumorbiopsie ist bei resezierbaren Tumoren wegen des Risikos der Aussaat von Tumorzellen nicht indiziert.
Steißbeinteratom
Definition Extragonadaler Keimzelltumor, der nicht unbedingt Komponenten aller 3 Keimblätter enthält, von der Steißbeinvorderfläche (Hensen-Knoten; benannt nach Hensen, Physiologe, Kiel, 1835–1924) ausgeht, überwiegend exophytisch zwischen Analöffnung und Steißbein wachsend. Klinisch bedeutsam ist das Steißbeinteratom deshalb, weil es – nicht rechtzeitig oder nicht vollständig reseziert – zu einem bösartigen Tumor werden kann.
Häufigkeit 4 1 : 35.000 bis 1 : 40.000 Lebendgeburten. 4 Geschlechterverhältnis männlich : weiblich = 1 : 3.
Wachstumsformen Postoperativ Die Art und Dauer der postoperativen Behandlung (multimodale Chemotherapie, Bestrahlung) hängen ab vom Stadium des Tumors, seinem Malignitätsgrad in der Histologie, der Größe des Tumors, seinem Ansprechen (»response«) auf die präoperative Chemotherapie, von molekulargenetischen Faktoren und dem Alter des Kindes.
Einteilung nach Altman et al. (1974); . Abb. 13.44 und . Tab. 13.17. Sehr große Steißbeinteratome prädisponieren zur Frühgeburtlichkeit und zur Tumorruptur (o Blutung).
Dignität Über 90% der im Neugeborenenalter operierten Steißbeinteratome sind benigne. Von den nach dem 2. Lebensmonat entfernten Tumoren sind über 50% maligne, nach dem 5. Monat bis zu 90%.
Komplikationen 4 Blutung (intraoperativ und/oder postoperativ), 4 postoperative Darmparalyse, insbesondere unter zytostatischer Behandlung, 4 Lebervenenverschlusserkrankung, 4 andere toxische Nebenwirkungen der Chemotherapie auf Herz, Nieren und Lungen.
Prognose Die Prognose ist relativ gut. Sie hängt vom Tumorstadium und von der Tumorhistologie, vom Alter des Kindes, von der Größe des Tumors und von der Art der Behandlung ab. Ohne Berücksichtigung der Prognosefaktoren werden ca. 90% der Patienten langfristig geheilt.
Spätfolgen Zur Erkennung und Behandlung von Rezidiven und Spätfolgen ist eine mehrjährige Nachsorge erforderlich. Sie sollte, wie die Behandlung selbst, in Zentren erfolgen, die über ausreichende Erfahrung mit malignen Erkrankungen im Kindesalter verfügen. Die meisten Tumorrezidive treten in den ersten beiden Jahren nach Abschluss der Behandlung auf. Zweittumoren können nach 5–10 Jahren auftreten.
. Abb. 13.44 Wachstumsformen des Steißbeinteratoms. (Nach Altman et al. 1974)
13
662
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
. Tab. 13.17 Steißbeinteratom – Einteilung der Wachstumsformen nach Altman et al. (1974) Typ
Anteil
Kennzeichen
1
47%
Überwiegend postsakral mit nur minimalem präsakralem Anteil
2
34%
Postsakral mit erheblichem intrapelvinem Anteil
3
9%
Äußerlich sichtbar, jedoch überwiegend präsakral gelegen und bis in die Bauchhöhle reichend
4
10%
Vollständig präsakral ohne erkennbaren postsakralen Anteil
. Tab. 13.18 Steißbeinteratom – histologisches Grading Grad
Kennzeichen
0
Ausschließlich reifes, ausdifferenziertes Gewebe In der Regel gutartig Keine Metastasierung
1
Unreif Vereinzelt atypische Neuroblasten
2
Unreif Mäßig viel embryonales Gewebe Vorwiegend Neuroektoderm
3
»Malignes Teratom« (Meist Dottersacktumor)
13
Histologisches Grading Am häufigsten ist das reife Teratom: Grad 0 (60%; . Tab. 13.18; Gonzales-Crussi et al. 1978).
Klinik Der Tumor tritt sporadisch auf. Er entwickelt sich in der Regel pränatal und ist fast immer bei Geburt vorhanden, im Neugeborenenalter in 90% der Fälle äußerlich sichtbar. Er ist von sehr variabler Größe (bis über kindskopfgroß), teils solide, teils zystisch und von Haut bedeckt, die manchmal hämangiomatös verändert ist. Der Tumor enthält heterotopes Gewebe (= Gewebe, das üblicherweise in dieser Lokalisation nicht vorkommt), z. B. Pankreas, Nierengewebe, Knochen, Zähne. Er kann symptomlos sein oder bereits pränatal klinisch in Erscheinung treten: 4 Durch seine Größe: Vergrößerung des Uterus, Plazentomegalie, Geburtshindernis (Dystokie), Frühgeburtsbestrebungen. 4 Nicht immunologisch bedingter Hydrops fetalis. 4 Mirror-Syndrom der Mutter: Präklampsie mit Erbrechen, peripheren Ödemen, Bluthochdruck, Albu-
minurie – »mirror« deshalb, weil die Symptome der Mutter denen des Kindes ähneln. 4 Herzversagen (»high output cardiac failure«) wegen der erhöhten Tumordurchblutung. 4 Harntransportstörung infolge Drucknekrose der Harnleitermündungen bzw. des Blasenhalses bei Tumorwachstum im kleinen Becken. Diese Symptome können eine pränatale endoskopische Intervention erforderlich machen. Die Mortalität pränatal vor der 33. SSW diagnostizierter Steißbeinteratome ist mit nahezu 50% 10-mal höher als die postnataler. Bei Tumoren von >5 cm Durchmesser wird eine Entbindung durch Kaiserschnitt empfohlen wegen des Risikos von Tumorruptur und Blutung. Postnatale Symptome sind Blutung, Herzinsuffizienz, Hyperkaliämie.
Assoziierte Anomalien Begleitfehlbildungen kommen in 10–20% der Fälle vor: Zwillingsschwangerschaft in der Familienanamnese, tracheoösophageale Fistel, anorektale Anomalien, Spina bifida und urogenitale Fehlbildungen bzw. Funktionsstörungen.
Diagnose 4 Klinische Untersuchung: exophytisches Wachstum; Analöffnung nach ventral verdrängt. 4 Digitorektale Untersuchung: mit dem zum Kreuzbein hin gewendeten Finger (präsakrale Tumorausdehnung?). 4 Labor: α-Fetoprotein (AFP), β-HCG, Blutgerinnung. 4 Bei Verdacht auf intraabdominales Tumorwachstum zusätzlich: 5 Sonographie (Nieren und ableitende Harnwege): Harnabflussstörung? 4 MRT. 4 Bei Verdacht auf primär malignes Steißbeinteratom: nach dem Studienprotokoll für maligne, nichttestikuläre Keimzelltumoren (MAKEI-Studie; Göbel et al. 1998) der GPOH: 5 Sonographie, 5 i.v.-Pyelogramm, 5 Miktionszystourethrogramm, 5 Computertomographie, 5 Kolonkontrasteinlauf, 5 Thoraxröntgen, 5 Dokumentation der Blasen- und Mastdarmfunktion.
Differenzialdiagnose 4 Überhäutete Myelomeningozele (MMC) oder Lipomeningozele, 4 Lipom,
663 13.7 · Tumoren
4 4 4 4 4
zystische Rektumduplikatur, Hämangiom, Lymphangiom, Chordom, schwanzähnliche Hautanhängsel.
Operation kPrinzip
4 Frühzeitige und vollständige Tumorentfernung im Neugeborenenalter en bloc zusammen mit dem Steißbein und den unteren Sakralwirbeln. Ohne Steißbeinresektion lokale Rezidivrate von über 30%! Levatormuskulatur in der Mittellinie vereinigen und am kaudalsten Sakralwirbel bzw. an der präsakralen Faszie fixieren. 4 Kein Notfalleingriff, außer bei Blutungen (die jedoch auch mit einem Tourniquet versorgt werden können). 4 Eine zusätzliche Laparotomie ist nur bei Typ 3 und 4 (und bei primär malignem Teratom) erforderlich. 4 Pränatale intrauterine Eingriffe erscheinen derzeit aus mehreren Gründen nur in Ausnahmefällen ratsam: Blutungsrisiko, unvollständige Resektion (insbesondere bei präsakraler Lokalisation). Steißbeinresektion nicht möglich (erhöhtes Malignitätsrisiko), Levatorrekonstruktion nicht möglich.
7 Ablösung des Tumors von der Rektumhinterwand, von der Sphinktermuskulatur und vom M. levator ani. Die rekonstruierte Levatormuskulatur wird mit atraumatischem resorbierbarem Nahtmaterial (5–0) an der Fascia präsacralis fixiert, die Glutaeusmuskulatur in der Mittellinie adaptiert. 7 Sorgfältige Kontrolle auf Bluttrockenheit. 7 Zählkontrolle und Dokumentation. 7 Resektion überschüssiger Haut. Subkutannaht, Hautnaht (jeweils atraumatisch resorbierbar, 5–0; . Abb. 13.45 und . Abb. 13.46).
Komplikationen 4 Intraoperativ: Blutung, Verletzung des Rektums. 4 Postoperativ: Nachblutung, Wundinfektion, Fistelbildung (zusammen ca. 20%). 5 Funktionsstörungen der Harnblase und des Enddarms (in bis zu 40–70%; neurogen?).
kLagerung
4 Präoperativ wird ein transurethraler Ballonkatheter gelegt. 4 Operation in Bauchlage mit angehobenem Gesäß, Hüftgelenke rechtwinklig gebeugt. 4 Neutrale Elektrode am Oberschenkel. 4 Anorektalkanal mit Polyvidon-Jod-getränkten Kompressen reinigen und tamponieren. 4 Schutz vor Wärmeverlusten (7 Abschn. 13.1.1). kInstrumentarium
. Abb. 13.45 Resektion des Steißbeinteratoms: Resektion des Steißbeins in Kontinuität mit dem Tumor. (Nach Doody u. Kim 1995)
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium, 4 Kochsalzschale, 4 Nahtmaterial: 5–0, resorbierbar, atraumatisch. Steißbeinteratom 7 Hautinzision in Form eines umgekehrten »V« mit Spitze über dem Kreuzbein. 7 Darstellung und Durchtrennung des sakrokokzygealen Übergangs (Vorsicht: paarige mediane Sakralgefäße sicher ligieren). 7 Der meist gut abgekapselte Tumor lässt sich leicht von der Muskulatur der Mm. glutaei maximi abpräparieren; Kollateralgefäße werden zwischen Ligaturen durchtrennt. 6
. Abb. 13.46 Rekonstruktion des Beckenbodens nach Resektion des Steißbeinteratoms. (Nach Doody u. Kim 1995)
13
664
Kapitel 13 · Kinderchirurgie
. Tab. 13.19 Steißbeinteratom – Nachsorgeschema nach MAKEI-Protokoll (1985) Untersuchungen
1. Jahr nach Therapie
2. Jahr nach Therapie
3.–5. Jahr nach Therapie
AFP, β-HCG, LDH
Monatlich
Alle 2 Monate
Alle 6 Monate
Abdomensonographie
Monatlich
Alle 2 Monate
Alle 6 Monate
Thoraxröntgen
Monatlich
Alle 2 Monate
Alle 6 Monate
CT des Primärtumorsitzes (außer bei maturem Steißbeinteratom)
Alle 3 Monate
Rektale Untersuchung
Monatlich
Alle 2 Monate
Alle 6 Monate
AFP = α-Fetoprotein, β-HCG = humanes Choriongonadotropin, LDH = Laktatdehydrogenase.
5 Stuhlinkontinenz. 5 Hartnäckige, über Jahre anhaltende Obstipation (in ca. 25% der Fälle).
Nachsorge Lokales Rezidiv – auch nach vollständiger Tumorentfernung mit Steißbeinresektion – in ca. 4% (kann histologisch maligne sein). Die Prognose bleibt günstig nach operativer Entfernung und ggf. Chemotherapie des Rezidivs. AFP und β-HCG kontrollieren (Tumormarker).
Malignes Steißbeinteratom
13
Etwa 20% der Steißbeinteratome sind primär maligne. Das Malignitätsrisiko ist umso höher, 4 je älter der Säugling ist, 4 je größer der präsakrale Tumoranteil ist, 4 je solider der Tumor ist, 4 bei unvollständig oder mehrfach operierten Tumoren, 4 wenn das Steißbein nicht mitreseziert wurde. Etwa 5% der Patienten haben zu Therapiebeginn Metastasen (in der Bauchhöhle, in Leber, Lunge, Gehirn oder Skelett). 4 Diagnose: nach MAKEI-Protokoll (s. oben). 4 Therapie: nach Sicherung der Diagnose durch Biopsie sollte primär chemotherapiert werden, um eine vollständige (abdominosakrale) Tumorresektion en bloc zu ermöglichen. 4 Nachsorge: nach MAKEI-Protokoll (. Tab. 13.19). 4 Prognose: 5-Jahres-Überlebensrate etwa 50%.
14
Ophthalmologie I. Welk, A. Bunse, F. Rüfer
14.1 Anatomie des Auges
– 666
14.2 Besonderheiten bei Operationen am Auge 14.3 Aufgaben der Operationspflegekraft
– 667
– 669
14.4 Beispiele für die häufigsten Eingriffe am Auge
– 670
M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_14, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
666
Kapitel 14 · Ophthalmologie
14.1
Anatomie des Auges
14.1.1
Wie funktioniert das Sehen?
Das von außen einfallende und von der Linse gebündelte Licht trifft auf lichtempfindliche Rezeptoren auf der Netzhaut. Dort werden die Lichtreize durch Nervenimpulse und Sehnerv an das Gehirn weiter geleitet und zu einem Bild verarbeitet (s. Netzhaut).
Augenlinse Schutz und Begrenzung. Die Aderhaut (Choroidea) ist von zahlreichen Blutgefäßen durchzogen. Ihr vorderer Anteil wird als Regenbogenhaut (Iris) bezeichnet und liegt zwischen Hornhaut und Linse. Über Muskelstränge kann die Iris, je nach Lichteinfall, die Pupillenöffnung verkleinern oder vergrößern. Die Irisfarbe ist unterschiedlich und definiert die Augenfarbe.
14.1.3 14.1.2
Augapfel
Die Augen liegen geschützt in einer von den Schädelknochen gebildeten Höhle (Orbita; . Abb. 14.1). Der Augapfel (Bulbus oculi) ist von runder Form und ca. 22 mm im Durchmesser. Die äußere Haut bezeichnet man als Lederhaut (Sklera). Sie ist von derber Konsistenz und bietet zusätzlichen Schutz. Im vorderen Anteil geht die Sklera in die Hornhaut (Kornea) über. Die Hornhaut bietet der darunter liegenden
Tränenapparat
Die Augen werden durch Ober- und Unterlider geschützt. Im Oberlid befindet sich die Tränendrüse, die eine wässrige Flüssigkeit produziert. Durch den Lidschlag wird die Tränenflüssigkeit verteilt und die Oberfläche kontinuierlich benetzt. Bei Fremdkörpern auf der Oberfläche wird reflektorisch mehr Tränenflüssigkeit produziert, um den Fremdkörper auszuwaschen. Beim Weinen wird ebenfalls über die Tränendrüse die Tränenflüssigkeit produziert. Ein Fehlen des Lidschlusses führt zu einer gestörten kontinuierlichen Befeuchtung und damit zum Austrocknen der Hornhaut.
14
. Abb. 14.1 Anatomischer Aufbau des Auges. Der Schnitt führt durch die Region des blinden Flecks (Austritt der Fasern des N. opticus). Im vorderen Teil des Augapfels ist die Linse durch die Zonulafa-
sern in ihrer Lage befestigt. Die Iris unterteilt den Raum vor der Linse in eine vordere und eine hintere Augenkammer. (Nach Spornitz 2004)
667 14.2 · Besonderheiten bei Operationen am Auge
14.1.4
Linse
Die Linse liegt hinter der Pupillenöffnung. Durch Muskelfasern, die Linse und Sklera verbinden, kann die Form der Linse verändert werden und dient der besseren Anpassung an das Scharfsehen von Gegenständen in der Ferne (Akkomodation).
14.1.5
Netzhaut
Die innere Auskleidung des Bulbus ist die Netzhaut (Retina). Sie besteht aus lichtempfindlichen Sinneszellen (Photorezeptoren) und Nervenzellen, die die eintreffenden Lichtreize verarbeiten.
14.1.6
Glaskörper
Der Glaskörper im Inneren ist eine gallertige Masse, die den Lichteinfall ebenfalls bündelt und die prallelastische Formgebung der Bulbi vorgibt.
14.2
Besonderheiten bei Operationen am Auge
14.2.1
Arbeitsbedingungen im Augen-OP
4 Aus Sicherheitsgründen und bei Eingriffen in Lokalanästhesie werden EKG-Überwachung, Anlage eines venösen Zugangs und Messung der Sauerstoffsättigung empfohlen. Gegebenenfalls wird eine kontinuierliche Blutdruckmessung durchgeführt. Nur in Ausnahmefällen wird dem Patienten bei Bedarf per Nasensonde Sauerstoff insuffliert (Cave: Gefahr einer Knallgasexplosion bei O2-Gabe und Einsatz von Elektrokautern!). 4 Ab Eintreffen des Patienten in den Verantwortungsbereich »OP« gelten die besondere Aufsichtspflicht und die Prävention gegen Herunterfallen vom fahrbaren OP-Tisch oder Bett.
Desinfektion des OP-Bereiches 4 Vor der Lokalanästhesie wird die Umgebungshaut des OP-Feldes desinfiziert. Folgende Reihenfolge bei der Hautdesinfektion ist zu beachten: Oberlid, Unterlid, Nasenwand, Augenbraue. 4 Die Wimpern werden intraoperativ durch eine Inzisionsfolie und/oder Lidsperrer zurückgehalten. Kein Abschneiden der Wimpern!
14.2.2
OP-Vorbereitung
Pupillenvorbereitung Vorbereitung des Patienten Nach dem Einschleusen in den OP-Bereich wird wiederholt die Operationsseite überprüft. Häufig wird die zu operierende Seite bereits auf der Station durch Kennzeichnung R/L auf der Stirn durch den Operateur markiert. Die alleinige mündliche Befragung des Patienten ist nicht ausreichend. Da die meisten Patienten aufgrund ihrer Operationsindikation, der fehlenden Sehhilfen oder der medikamentösen Vorbereitung der Pupille (Weitstellung) in der Sehfähigkeit eingeschränkt sind, ist es wichtig, alle Manipulationen zu erklären.
4 Eine maximale Weitstellung (Mydriasis) ist notwendig für z. B. Operationen an der Netzhaut. Zu beachten ist die erhöhte Blendempfindlichkeit bei weit gestellten Pupillen und die eingeschränkte Fahrtüchtigkeit (bei ambulanten Eingriffen). Vor Einbringen der Tropfen ist eine Anamnese in Bezug auf Allergien und ein bestehendes Glaukom zu erheben, da z. B. die Weitstellung der Pupille einen akuten Glaukomanfall auslösen kann. Die Entlassung erfolgt in Begleitung. 4 Eine Engstellung (Miosis) durch kurz wirkende Tropfen ist in einigen Fällen nötig, bei z. B. fistelbildenden Operationen und perforierenden Keratoplastiken.
Abdeckung Lagerung 4 Lagerung des Patienten (Hilfsmittel zur Lagerung einsetzen!) und Überprüfung der Kopfpositionierung. Eine für den Patienten angenehme Lagerung erhöht den Patientenkomfort und unterstützt das Stillliegen bei Eingriffen in Lokalanästhesie. 4 Der Kopf liegt in einer gepolsterten Kopfschale die verstellbarer Bestandteil des OP-Tisches ist. 4 Eine Knierolle dient zur Entlastung der Kniegelenke in Rückenlage. 4 Die Arme werden seitlich vom Körper gelagert und gegen Spontanbewegungen leicht fixiert.
Ein selbstklebendes Lochtuch und eine Inzisionsfolie werden für die Abdeckung des Auges verwendet (. Abb. 14.2). Die Folie wird aufgeschnitten, hält nach Einsetzen eines Lidsperrers die Lider zurück und verhindert somit ein Vorstehen der nicht desinfizierbaren Wimpern in das Operationsfeld. Bevorzugt wird meist die sterile Ganzkörperabdeckung, da für einige Operationen der Patient in Privatkleidung in den OP-Bereich gebracht wird. Für den Kopfbereich finden auch Lochtücher Anwendung. Zum Einsatz kommt zumeist eine Einmalabdeckung mit integrierter Inzisionsfolie.
14
668
Kapitel 14 · Ophthalmologie
Durch das begrenzte Operationsfeld kann der Operationsablauf oftmals nur über eine zusätzliche Optik am Mikroskop oder über ein Monitorsystem von der instrumentierenden Pflegekraft beobachtet werden. Da der Operateur mit Blick durch das Mikroskop arbeitet und die Raumbeleuchtung bei zahlreichen Eingriffen abgedunkelt ist, liegt die Herausforderung in der zeitnahen und abfolgeorientierten Instrumentierung.
14.2.4
. Abb. 14.2 Abkleben des Operationsbereiches mit einer Inzisionsfolie. (Fa. Lohmann & Rauscher)
Anschließen der medizintechnischen Geräte Das Anschließen der medizintechnischen Geräte erfolgt unter sterilen Kautelen. Dazu gehören auch Verbindungskabel und Schlauchsysteme, das Einstellen und Bestücken des Mikroskops mit sterilen Handgriffen.
Implantate Verpackungen der Kunst- und Intraokularlinsen (IOL) zur Implantation werden erst unmittelbar vor dem Einsatz geöffnet und angereicht. Vor dem Einsetzen erfolgt eine Inspektion auf Verunreinigungen oder Materialdefekte. Das implantierte Modell wird dokumentiert und eine Karte mit den IOL-Daten dem Patienten mit gegeben.
14 14.2.3
Instrumente
Bei den benötigten Instrumenten handelt es sich überwiegend um Mikroinstrumentarium (7 Kap. 10). In der Regel werden die Instrumente für eine Operation in Containern aufbewahrt. Silikoneinlagen in den Containern fixieren die feinen Instrumente und schützen sie vor Beschädigungen beim Reinigungs- und Aufbereitungsprozess. Die inhaltliche Zusammenstellung variiert je nach Haus und Operateur. Ergänzend dazu werden Einwegartikel, z. B. Saugkeile, Kanülen, Spritzen, eingesetzt. Zur Vorbereitung gehören neben der Kontrolle des Sterilisationsergebnisses (Indikatorumschlag), der Vollständigkeit und Unversehrtheit der Verpackung auch die Überprüfung der Funktionstüchtigkeit und (Leicht-)Gängigkeit der Instrumente. Endoskopische Zuleitungen und Schlauchverbindungen werden überprüft, so muss z. B. die Spülzuleitung für Eingriffe am Glaskörper zwingend luftblasenfrei sein, um Artefakte zu vermeiden.
Wundverband am Auge
Postoperativ wird bei intraokularen Eingriffen subkonjunktival ein Kortisonpräparat und ein Antibiotikum injiziert. Nach Säuberung des OP-Gebietes erhalten die Patienten eine antibiotische/steroidhaltige Salbe und einen sterilen Augenverband. Je nach Operation kann zusätzlich ein Hartschalenverband zum Schutz aufgelegt werden. Bei einer Enucleatio bulbi wird ein Kompressionsverband angelegt.
14.2.5
Anästhesie
Ein ruhiges Operationsfeld ist Voraussetzung für Eingriffe am Auge. Besonders unter dem Operationsmikroskop können Bewegungsartefakte den Operationserfolg gefährden und zu Schädigungen führen. Daher gilt auch die besondere Beachtung, dass sich jegliches Anstoßen an den Patienten bzw. OP-Tisch negativ auswirken können. Die Ruhigstellung des Bulbus wird durch verschiedene Formen der Lokalanästhesie oder Allgemeinanästhesie mit Intubation erreicht.
Lokalanästhesie Vor der Leitungsanästhesie (LA) erfolgt eine Oberflächenbetäubung durch Einbringen eines Oberflächenanästhetikums (z. B. Novesine-Tropfen). Idealerweise erfolgt das Einbringen der Anästhesielösung unter Retraktion des Unterlides mit Blickwendung nach oben und umgekehrt durch Hochziehen des Oberlides mit Blickwendung nach unten. Bei der Leitungsanästhesie wird das Lokalanästhetikum in das Ganglion ciliare hinter den Augapfel (Bulbus) injiziert, die sog. Retrobulbäranästhesie. Die LA kommt auch bei ambulanten Eingriffen zum Einsatz.
Intubationsnarkose Vorteile: Im Gegensatz zur Lokalanästhesie liegt der Pati-
ent völlig entspannt, und der Operateur hat ein ruhiges OP-Gebiet. Auch kann durch eine Allgemeinanästhesie der intraokulare Druck optimal kontrolliert werden (Senkungseffekt durch Narkose). Weitere Vorteile sind die Sicherung der Atemwege, eine adäquate Oxygenierung und Überwachung von Risikopatienten.
669 14.3 · Aufgaben der Operationspflegekraft
Nachteile: Die Operationen in Intubationsnarkose beanspruchen durch Vor- und Nachbereitungszeit einen höheren Material- und Zeitaufwand. Für die Anästhesie sind die räumlichen Rahmenbedingungen nicht unwesentlich, da das Operationsgebiet in unmittelbarer Nähe zu den Atemwegen liegt. Perforierende Augenverletzungen sind immer ophthalmologische Notfälle, die zeitnah operativ versorgt werden müssen. Da diese Patienten oftmals nicht nüchtern und das Ausmaß der Verletzung nicht klar definiert ist, wird die Versorgung meist in Narkose durchgeführt. ! Um den Operationserfolg nicht zu gefährden ist es wichtig, Erbrechen und Hustenattacken zu vermeiden, da sich hierdurch der intraokulare Druck erhöhen kann, mit Austritt von Glaskörper und expulsiven Aderhautblutungen.
14.2.6
Okulokardialer Reflex
Durch Druck auf den Bulbus und Zug an den Augenmuskeln (z. B. bei Netzhaut- und Schieloperationen, Enukleation), aber auch bei der Retrobulbärinjektion kann es durch den sog. okulokardialen Reflex (OCR) zu ausgeprägten Bradykardien und Rhythmusstörungen kommen (vagale Reflexreaktion). Therapie: Manipulation abbrechen, ggf. Gabe von Atropin i.v. (venöser Zugang!).
14.2.7
Verschiebung des Kaliumhaushaltes begleitet werden. Bei längerer Gabe besteht die Gefahr der Bildung von Nierensteinen und Auftreten von gastrointestinalen Beschwerden. Hinweis der Medikation wichtig für Anästhesisten!
14.3
Aufgaben der Operationspflegekraft
Die Aufgaben des Pflegepersonals im Augen-OP-Saal sind ähnlich komplex wie in anderen operativen Bereichen. Wichtig ist die sorgfältige und fachkundige Vor- und Nachbereitung der mikrochirurgischen Instrumente (. Abb. 14.3 und 14.4), sofern dies nicht in der zentralen Sterilgutversorgung stattfindet. Ein besonderes Augenmerk gilt der Platzierung der Oberarmelektrode bei Elektrolysepunktionen in der Netzhautchirurgie (Cave: Patienten mit Herzschrittmacher!). Für die Aufbereitung von chirurgischen Instrumenten und damit auch für augenärztliche Instrumente existieren definierte Aufbereitungsschritte (s. a. RKI-Richtlinie). In Anbetracht der Infektionsthematik mit Prionen (z. B. Creutzfeld-Jakob-Erkrankung) sollen Instrumente in
Systemische Reaktionen auf Ophthalmika
Auch durch lokal applizierte Medikamente kann durch Resorption über Schleimhäute und Konjunktiven eine systemische Reaktion induziert werden. Auch intraoperativ werden die Wirkstoffe schnell resorbiert, v. a. bei Spüllösungen mit Zusätzen, z. B.: 4 Neosynephrine: Augentropfen zur Weitstellung der Pupille, können zu Blutdruckanstieg führen. 4 Suprarenin: Kann ebenfalls zu Blutdruckanstieg und Erweiterung der Pupillen führen, es können ggf. Übelkeit und Erbrechen auftreten (Cave: Extreme Unruhe der Patienten bei Nebenwirkungen möglich!). 4 Atropin: Kann v. a. bei Kindern zu Erregungszuständen und Tachykardien führen. 4 Azetylcholin: Zur Engstellung der Pupille, kann zu Bradykardien, Blutdruckabfällen und selten Bronchospasmus führen. 4 Acetazolamid (Diamox): Zur Senkung der Kammerwasserproduktion; wird oftmals als Dauermedikation eingesetzt und kann ggf. von einer Dehydratation mit
. Abb. 14.3 Vorbereitung der chirurgischen Instrumente
. Abb. 14.4 Sterile Instrumentation
14
670
Kapitel 14 · Ophthalmologie
der Ophthalmologie grundsätzlich einer maschinellen alkalischen Reinigung unterzogen werden, da Augengewebe und Tränenflüssigkeit als Risikomaterial zählen. Da aber evtl. alkalische Rückstände an und insbesondere in Instrumenten verbleiben, die zu Reizungen und damit zu einer Patientengefährdung beitragen können, kann alternativ eine pH-neutrale maschinelle oder standardisierte manuelle Aufbereitung erfolgen. Vor jedem Einsatz von Sterilgut sind der Indikator und die Unversehrtheit der Verpackung zu prüfen. Die operativen Eingriffe am Auge stellen besondere Anforderungen an das Nahtmaterial. Verträglichkeit und atraumatische Handhabung sollen das Operationsergebnis unterstützen. Selbst bei kleinsten Nadelgrößen und Fadenstärken sind die Spitzen detailliert ausgeprägt, um bei den jeweiligen Indikationen das bestmögliche Stichverhalten durch unterschiedlichste Gewebestrukturen zu realisieren. Um Flüssigkeiten im OP-Feld absaugen zu können, werden sog. Saugkeile (z. B. Keilethik aus Zellulose) eingesetzt. Durch die extreme Saugfähigkeit nimmt der Keil das 10- bis 15-fache seines Eigengewichtes an Flüssigkeit mit hoher Sauggeschwindigkeit auf. Das Material ist formbeständig und fusselfrei.
Hordeolum (Gerstenkorn) Das Hordeolum ist eine eitrige Entzündung der Schweißund Talgdrüsen an den Augenlidrändern (Moll-Drüsen, Zeiss-Drüsen). Tritt als Hordeolum internum oder externum auf. Inzision eines Hordeolums 7 Inzision des Hordeolum mit einem spitzen Skalpell wodurch sich der Eiter entleeren kann. 7 Verband.
14.4.2
Operationen an den Tränenwegen
. Abb. 14.5.
Die Entwicklung der Durchgängigkeit des Tränennasenganges (Ductus nasolacrimalis) ist erst gegen Ende der Schwangerschaft abgeschlossen. Oftmals ist der Abflussgang nach der Geburt noch durch eine Membran verschlossen (Hasner-Membran), die sich im Laufe des ersten Lebensjahres spontan öffnet.
Tränenwegspülung (TWS) 14.4
Beispiele für die häufigsten Eingriffe am Auge
14.4.1
Operationen am Augenlid
Fehlende Durchgängigkeit der Tränenwege bei persistierender Membran mit Retention der Tränenflüssigkeit. kAnästhesie
14
Chalazion (Hagelkorn) Definition
4 Bei Kindern Sondierung in Maskennarkose, bei Spülung der Tränenwege mit Intubation, da Spülflüssigkeit in den Nasen-Rachen-Raum gelangt. Cave: Aspiration und Laryngospasmus. 4 Bei Erwachsenen Oberflächenanästhesie möglich.
Chronische Entzündung der sog. Meibom-Drüsen mit Verstopfung des Ausführungsgangs unterhalb der Lidkante.
Entfernung eines Chalazions 7 Anlage einer Chalazionklemme. 7 Eröffnung mit Skalpell und Ausräumung mit Chalazionlöffel. 7 Entfernung der Chalazionwand mitttels Pinzette und Schere. 7 Verband. 7 Histologische Untersuchung des entfernten Gewebes (Ausschluss Meibom-Karzinom).
Besonderheiten 4 Evtl. Lupenbrille.
. Abb. 14.5 Tränenwegsystem des Auges
671 14.4 · Beispiele für die häufigsten Eingriffe am Auge
Abrasio der Hornhaut Tränenwegspülung
kIndikation
7 Zunächst Erweiterung der oberen und unteren Tränenpünktchen mit einer Tränenwegssonde (Sonde nach Wilder). 7 Einführung einer Tränenwegskanüle und Spülung mit NaCl 0,9%. 7 Die Flüssigkeit läuft über Nase und Rachen ab.
4 Keratitis, 4 rezidivierende Erosio corneae, 4 Fremdkörpereinsprengungen u. a. kAnästhesie
4 Oberflächentropfanästhesie. Abrasio der Hornhaut
Tränenwegrekonstruktion (Dakryozystorhinostomie nach Toti)
7 Einsetzen Lidsperrer. 7 Abschaben (Abrasio) des Hornhautepithels mit Hockeymesser. 7 Ggf. therapeutische Kontaktlinse zur Schmerzlinderung. 7 Verband.
Diese Operation wird zunehmend auf endonasalem Weg von HNO-Ärzten durchgeführt. kIndikation
Persistierender Verschluss des Tränennasengangs (Ductus nasolacrimalis). Dakryozystorhinostomie nach Toti 7 Externer Zugang mittels Hautschnitt. 7 Blutstillung und Unterminierung der Haut mit Präparierschere. 7 Spreizen der Wunde mittels stumpfen und scharfen Haken. 7 Abschieben des Periost. 7 Trepanation der Knochenstruktur mit Bohrtrepan oder Meißel und Erweiterung des Zugangs durch Knochenzangen. 7 Schlitzung der Nasenschleimhaut und kontinuierliche Blutsstillung. 7 Inzision des Tränensackes. 7 Naht der Tränensackwand mit der Nasenschleimhaut. 7 Schichtweiser Wundverschluss. 7 Kompressionsverband.
kBesonderheiten
4 4 4 4
Lupenbrille, feiner Sauger, Bipolarkauter, Bohrtrepan.
14.4.3
Operationen an der Hornhaut
Eine intakte Hornhaut (Kornea) ist Bedingung für scharfes Sehen, da sie als Hauptfunktion die Lichtbrechung zur Bildfokussierung innehat.
kBesonderheiten
4 Gegebenenfalls Operation unter Einsatz des Operationsmikroskops.
Keratoplastik Eine Keratoplastik ist eine Operation der Hornhaut (Kornea), bei der erkranktes Gewebe durch Spendermaterial ersetzt wird (Hornhauttransplantation). Man unterscheidet folgende Formen der Keratoplastik: 4 Perforierende Keratoplastik (mittels Trepan Entfernen erkrankter Hornhaut und Transplantation von Spenderhornhaut), 4 Lamelläre Keratoplastik (isolierte Transplantation von einzelnen Hornhautschichten). kIndikation
4 4 4 4
Trübungen der Hornhaut, Keratokonus, perforiertes Hornhautulkus, Herpes u.a.
kPupillenvorbereitung
4 Neutralstellung der Pupille. Keratoplastik 7 Entnahme der ausgemessenen Spenderhornhaut mittels Trepan oder Stanze. 7 Okulopression des Empfängerauges. 7 Einsetzen eines Lidsperrers. 7 Gegebenenfalls Anschlingen des M. rectus superior, M. rectus inferior. 6
14
672
Kapitel 14 · Ophthalmologie
7 Punktion der Vorderkammer am Limbus mit der sog. Parazenteselanze. 7 Auffüllen der Vorderkammer mittels einer viskoelastischen Substanz (z. B. Healon). 7 Entnahme der ausgemessenen Empfängerhornhaut mittels Trepan und Keratoplastikschere. 7 Auflegen der Spenderhornhaut und Legen von Fixierungsnähten (Einzelknopfnähte). Fortlaufende Hornhautnaht. 7 Entfernung der viskoelastischen Substanz und Ergänzung durch BSS (Balanced Salt Solution). 7 Abschließend subkonjunktivale Applikation von Kortison und Antibiotikum. 7 Verband.
kBesonderheiten
4 Einsatz Operationsmikroskop, 4 Trepansysteme.
14.4.4
Kataraktoperationen
zustellen. Medikamente sind bei der Therapie der Katarakt nicht wirksam. Um die Linsenfunktion zu ersetzen, werden Kunstlinsen implantiert. Dabei werden unterschiedliche Techniken angewandt.
Intrakapsuläre Kataraktextraktion mit von-Graefe-Schnitt (ICCE) kIndikation
4 Mature (ausgereifte) Katarakt. kPupillenvorbereitung
4 Weitstellung. Intrakapsuläre Kataraktextraktion 7 7 7 7 7 7 7
Definition Die Katarakt (grauer Star) bezeichnet eine zunehmende Trübung der Augenlinse mit Verschlechterung der Sehschärfe, Abblassen des Farbsehens und Verminderung des Kontrastes sowie erhöhte Blendempfindlichkeit.
14
Die häufigste Störung ist die altersbedingte Katarakt durch das natürliche lebenslange Weiterwachsen der Linse. Im ausgeprägten Stadium ist die Trübung in der Pupille von außen zu erkennen.
7 7 7 7 7 7
Okulopression. Einsetzen Lidsperrer. Eröffnung der Bindehaut. Eröffnen der Vorderkammer. Anlage Sicherungsnähte. Basale Iridektomie mit Irispinzette und Iridektomieschere (z. B. nach Wecker). Zur Extraktion wird mit einer Kolibripinzette die Hornhaut gefasst und mit einem Keiltupfer das Kammerwasser aufgesogen, um das Anfrieren der Linse (Kryokoagulation) zu ermöglichen. Die Iris wird mit einem Retraktor zurückgehalten. Extraktion der Linse mit einem Kryoextraktor. Knüpfen der vorgelegten Fäden. Fortlaufende Kornealnaht. Auffüllen der Vorderkammer mit BSS. Wundverband.
kBesonderheiten
Ursachen 4 Altersbedingt (Cataracta senilis), 4 Verletzungen (Cataracta traumatica), 4 Stoffwechselstörungen, z. B. Diabetes mellitus (Cataracta diabetica), 4 Entzündungen (Cataracta complicata), 4 Schädigungen durch UV-Licht.
4 Operationsmikroskop, 4 Kauter, 4 Kryochirurgieeinheit.
Extrakapsuläre Kataraktextraktion mit Kornealschnitt (ECCE), Phakoemulsifikation, Clear-cornea-Technik kIndikation
Untersuchung
4 Grauer Star.
Am Untersuchungsmikroskop (Spaltlampe) wird die Ausbreitung der Trübung in den einzelnen Schichten betrachtet.
kPupillenvorbereitung
Therapie Die Katarakt-OP gehört zu den am häufigsten durchgeführten Operationen am Auge um die Sehkraft wieder her-
4 Weitstellung.
673 14.4 · Beispiele für die häufigsten Eingriffe am Auge
Extrakapsuläre Kataraktextraktion mit Kornealschnitt 7 Okulopression. 7 Einsetzen Lidsperrer. 7 Präparation des Tunnels mit Phakolanze/Diamantmesser. 7 Eröffnen der Linsenkapsel (Kapsulorrhexis) mit gebogener Kanüle oder Rhexispinzette. 7 Hydrodissektion und Expression des Linsenkerns oder Phakoemulsifikation. 7 Anlage von Sicherungsnähten. 7 Absaugen und Spülen von Rindenteilchen. 7 Applikation von viskoelastischer Substanz. 7 Implantation der IOL in den Kapselsack (ShooterFaltlinsen). 7 Absaugen des Viskoelastikums. 7 Hornhautnaht. 7 Kortison/Antibiotikum Salbenverband.
kBesonderheiten
4 Operationsmikroskop, 4 Gerät für die Phakoemulsifikation (mittels Ultraschall wird das Linsenmaterial zerkleinert, gespült und abgesaugt).
4 Goniotomie/Trabekulektomie/Trabekulotomie/Viskokanalostomie:
Anlage einer Abflussfistel aus der vorderen Augenkammer unter die Bindehaut. Eröffnung des Trabekelwerkes und Verbindung des Schlemm-Kanals mit der Vorderkammer, um das Abfließen des Augenwassers zu ermöglichen. Zum Einsatz kommen auch Glaukomimplantate zur Drainage. 4 Iridektomie/Iridotomie:
Anlage eines peripheren Irisdefektes bei Engwinkelglaukom. 4 Laserzyklo- und Kryodestruktion:
Verödung des Ziliarkörpers der das Kammerwasser bildet. 4 Lasertrabekuloplastik:
Verbesserung des Abflusses durch Lasereinsatz am Kammerwinkel (Nachteil: wirkt nur zeitlich begrenzt). Die angeborene Form der Augeninnendruckerhöhung wird verursacht durch eine Störung in der Embryonalentwicklung mit Abflussstörung des Kammerwassers. Die Symptome zeigen sich in einer Vergrößerung des Bulbus (Buphthalmus). Die Behandlung, meist operativ, muss frühzeitig erfolgen, um dauerhafte Sehschädigungen zu minimieren.
Iridektomie 14.4.5
Glaukomoperationen
Beim Glaukom (grüner Star) findet sich ein erhöhter Augeninnendruck. Die Ursachen können angeboren oder erworben sein. Der normale Augeninnendruck liegt zwischen 10 und 21 mmHg und ist tageszeitlichen Schwankungen unterlegen. Ein Glaukom entsteht durch eine Störung des Abflusses von Kammerwasser. Eine Durchblutungsstörung im Sehnerv (N. opticus) kann zusätzlich negative Auswirkungen haben. Im Ziliarkörper (Corpus ciliare) wird das Kammerwasser produziert und an die hintere Augenkammer abgegeben. Durch die Pupille gelangt es in die vordere Augenkammer und fließt durch das Trabekelwerk im Kammerwinkel über den Schlemm-Kanal ab. Werden Schädigungen festgestellt, muss der Augendruck dauerhaft gesenkt und engmaschig kontrolliert werden. Zunächst erfolgt eine medikamentöse Augendrucksenkung mit Augentropfen und gelegentlich durch orale oder intravenöse Gabe von Azetazolamid (Diamox). Reichen konservative Maßnahmen nicht mehr aus, können augendrucksenkende Operationen durchgeführt werden, wobei zunehmend die operativen Laserverfahren eingesetzt werden:
kIndikation
4 Chronisches Engwinkelglaukom. 4 Glaukomanfall mit extremen Druckwerten. kPupillenvorbereitung
4 Engstellung. Iridektomie 7 7 7 7
Einsetzen Lidsperrer. Mittels Luftlanze Anlegen einer Parazentese. Greifen der Iris mit Irispinzette. Anlage Iridektomie mittels Schere nach Wecker oder nach Vannas. 7 Verband.
14.4.6
Fistulierende Operationen
Drainageimplantate werden zur Senkung des Augeninnendrucks eingesetzt. Ein kleines »Schläuchlein« wird in die Vorderkammer des Auges eingesetzt; dieses Schläuchlein ist mit einem Hohlraum verbunden, in den die Flüssigkeit
14
674
Kapitel 14 · Ophthalmologie
abfließt. Von dort gelangt die Flüssigkeit unter die Bindehaut, wo sie resorbiert wird. Um Verklebungen/Vernarbungen zu vermeiden, wird Mitomycin C eingesetzt. Selten erfolgt die Trabekulotomie/Goniotrepanation (nach Fronimopoulus oder nach Elliott), in der Regel werden Glaukomimplantate zur Drainage verwendet. kIndikation
4 Chronisches Glaukom. kPupillenvorbereitung
4 Engstellung. Trabekulotomie/Goniotrepanation 7 7 7 7 7
7 7 7
14
7 7 7 7
Einsetzen Lidsperrer. Anschlingen des M. rectus sup. Bindehauteröffnung. Freilegen und Koagulation des chirurgischen Limbus. Einbringen eines Schwämmchens mit Mitomycin C, das die Narbenbildung und damit den Wiederverschluss der Abflussöffnung verhindern soll. Präparation eines Skleralappens mit Kolibripinzette und Messer. Eröffnung der Vorderkammer mit Messer. Ausschneidung eines Fensters im Trabekelwerk mit Kolibri und Schere nach Vannas (durch diese Methode kann das Kammerwasser über episklerale Venen und Lymphgefäße aus dem Intraskleralspalt abfließen). Periphere Iridektomie. Die Fistelstelle wird mit der Skleralamelle bedeckt. Wundverschluss. Verband.
kBesonderheiten
4 Operationsmikroskop, 4 bipolarer Kauter, 4 Mitomycin C (Zellgift).
14.4.7
Operationen an der Netzhaut
Die Netzhaut (Retina) ist eine lichtempfindliche Schicht, die dem Pigmentepithel an der hinteren Innenseite des Auges aufliegt. Hier wird das einfallende Licht (Weg von außen nach innen: Hornhaut, Linse, Glaskörper) in Nervenimpulse umgewandelt. Der Glaskörper (Corpus vitreum) liegt der hinteren Glaskörpermembran der Netzhaut auf.
Eine feste Verbindung der Netzhaut mit der Unterlage (retinales Pigmentepithel, RPE) gibt es nur im Bereich des Sehnervs (Papille) und an der Ora serrata, dem peripheren Übergang der Netzhaut am Ziliarkörper. Hieraus erklärt sich die rasche Progredienz einer beginnenden Netzhautablösung. Die Stelle des schärfsten Sehens bezeichnet man als Makula oder Sehgrube mit einem Zentrum (Fovea). Als Netzhautablösung (Amotio oder Ablatio retinae) wird die Abhebung der Netzhaut (Retina) des Auges von ihrer Versorgungsschicht (RPE) bezeichnet. In der Regel entstehen Netzhautablösungen durch Löcher/Risse in den peripheren Anteilen der Retina. Sie können ebenfalls durch Zug bedingt sein (sog. Traktionsamotio), bei Diabetes mellitus auftreten oder bei Tumoren serös sein. Symptome sind das Sehen von Blitzen (Photopsien) und schwarzen »Mücken« (»mouches volantes«) oder auch Rußregen, sowie vorhangartige Gesichtsfeldeinschränkung, in Form von grauem Schatten.
Laseroperation Die Laserbehandlung kann das Entstehen einer Netzhautablösung aus einem Loch zwar aufhalten, aber nicht die abgehobene Netzhaut wieder an die Versorgungsschicht anheften. Dies ist nur z. B. mit speziellen Plomben und Ringbändern (Cerclagen) möglich, die von außen den Augapfel eindellen und u. U. mit Punktion der subretinalen Flüssigkeit den Kontakt wieder herstellen. Ggf. ist eine Glaskörperoperation (Vitrektomie) zusätzlich erforderlich. kPupillenvorbereitung
4 Weitstellung. Laserbehandlung 7 Einsetzen Lidsperrer. 7 Aufsetzen Spiegelkontaktglas/Weitwinkelglas. 7 Setzen der Laserherde.
kBesonderheiten
4 Lasergerät unter Beachtung der Schutzvorschriften für den Umgang mit Lasergeräten (z. B. Schutzbrille).
Kryokoagulation Indikation zur Kryokoagulation sind kleine Netzhautlöcher in der äußeren Peripherie der Netzhaut, die mit Laserstrahlen nicht mehr erreicht werden können. kPupillenvorbereitung
4 Weitstellung.
675 14.4 · Beispiele für die häufigsten Eingriffe am Auge
Kryokoagulation
Cerclage
7 Einsetzen Lidsperrer. 7 Setzen der Kryoherde unter Kontrolle mittels Lupe und Augenspiegel. 7 Cave: Lösen des Kryostiftes mit Spülflüssigkeit notwendig, um durch die Kälteadhäsion keine Zerreißung zu provozieren.
7 7 7 7
kBesonderheiten
4 4 4 4
Kryochirurgiegerät, Kopfophthalmoskop, Lupe, Spüllösung.
Netzhautplombe kIndikation
4 Netzhautablösung mit Lochbildung/Rissbildung. kPupillenvorbereitung
4 Maximale Weitstellung. Netzhautplombe 7 Einsetzen Lidsperrer. 7 Eröffnen der Bindehaut. 7 Anschlingen der geraden Augenmuskeln mit Haltefäden. 7 Kontinuierliche Befeuchtung der Hornhaut mit Spüllösung. 7 Lokalisation des Netzhautloches mittels Kopfophthalmoskop. 7 Kryokoagulation des Netzhautdefektes durch die Sklera unter Augenspiegelsicht. 7 Vorlegen von Nähten zur Plombenfixierung. 7 Positionieren der ausgemessenen Plombe und Lagekontrolle. 7 Gegebenenfalls Ablassen der subretinalen Flüssigkeit durch Mikroinzision und Diathermie. 7 Bindehautverschluss. 7 Verband.
7 7 7 7 7 7 7 7 7 7
14.4.8
Einsetzen Lidsperrer. Eröffnung der Bindehaut. Befeuchten der Hornhaut mit BSS. Anlegen von Haltefäden an den 4 geraden Augenmuskeln (Zügelfäden). Lokalisation des Netzhautdefektes mittels Kopfophthalmoskop. Kryokoagulation punktuell. Einzug eines Silikonbandes unter den Augenmuskeln hindurch. Annähen des Bandes an der Sklera (u. U. vor Einzug des Silikonbandes). Verbindung der beiden Enden des Silikonbandes. Ablassen der subretinalen Flüssigkeit durch Punktion und Diathermie. Netzhautkontrolle mit Kopfophthalmoskop. Verschluss der Bindehaut. Evtl. Gabe von Luft/Gas als innere Tamponade. Verband.
Pars-plana-Vitrektomie (ppV)
Der operative Zugangsweg zum Glaskörper erfolgt durch die Sklera auf Höhe der sog. Pars plana, einem flachen Teil des Ziliarkörpers. Das Operationsinstrumentarium besteht aus einem geschlossenen Spül-Saug-System mit Lichtquelle, Infusionszuleitung und chirurgischen Mikroinstrumenten. Für jeden der drei Arbeitskanäle wird eine Inzision benötigt. Die Infusion erhält den Druck im Auge, damit die Strukturen nicht kollabieren. Um die abgelöste Netzhaut wieder anzulegen, kann der Glaskörperraum am Ende der Operation mit Gas, Luft oder Silikon aufgefüllt werden. kIndikation
4 Netzhautablösung.
4 Proliferative diabetische Retinopathie: Hier kommt es zu Blutungen aus fragilen Blutgefäßen die den Glaskörper trüben. An der Grenze zur Netzhaut entstehen fibrotische Traktionsmembranen, die unter Zug eine Ablösung der Netzhaut bewirken. 4 Komplizierte Netzhautablösungen. 4 Traumatische Netzhautablösung, z. B bei perforierenden Verletzungen, Bulbusruptur.
kPupillenvorbereitung
kPupillenvorbereitung
4 Maximale Weitstellung.
4 Maximale Weitstellung.
Ringbandeinlage (Cerclage) kIndikation
14
676
Kapitel 14 · Ophthalmologie
14.4.9 Pars-plana-Vitrektomie 7 Bindehauteröffnung. 7 Ggf. Anschlingen der 4 geraden Augenmuskeln zum Legen der Silikoncerclage (s. oben). 7 Präparieren der Zugangswege (3 Sklerotomien) für die Saug-Spül-Einheit (Infusion, Licht, Instrumente). Durch die Höhe der Infusion kann intraoperativ der Augendruck beeinflusst werden. 7 Inspektion der Netzhaut und des Glaskörpers mittels Operationsmikroskop. 7 Entfernung von getrübtem Glaskörpergewebe und Traktionsmembranen. 7 Injektion von schweren Flüssigkeiten in den Glaskörper (z. B. Perfluorcarbon) zur Entfaltung der Netzhaut. 7 Entfernung des Perfluorcarbon. 7 Gas- oder Silikonölinjektion als innere Tamponade. 7 Kontrolle des Augeninnendruckes. 7 Wundverschluss. 7 Verband mit Mydriatikum/Antibiotikum und Kortison.
14
. Abb. 14.6 Äußere Augenmuskeln. (Nach Spornitz 2004)
Augenmuskeloperationen beim Schielen (Strabismus)
Definition Unter Schielen versteht man das Abweichen eines Augapfels bei Bewegung, sodass es u. U. zu Doppelbildern kommt. Es gibt unterschiedliche Formen des Schielens, z. B.: 4 Strabismus convergens: Einwärtsschielen, 4 Strabismus divergens: Auswärtsschielen.
Sind konservative Korrekturmaßnahmen (z. B. Prismenbrille, Okklusionsverband) nicht erfolgreich, wird eine operative Korrektur vorgenommen. Bei der Schieloperation wird der Schielwinkel des erkrankten Auges korrigiert, bis die Augenachse parallel zum gesunden Auge gerichtet ist. Zu stark ziehende Augenmuskeln werden am Augapfel zurückgelagert, zu schwache Muskeln gestrafft.
677 14.4 · Beispiele für die häufigsten Eingriffe am Auge
Schieloperation
Enukleation
7 Eröffnung der Bindehaut. 7 Freilegen der Muskeln mit anatomischer Pinzette und Schielhäkchen. 7 Vorlage von Muskelfäden. 7 Je nach Indikation erfolgt eine Rück- oder Vorlagerung des Muskels mit/ohne Resektion von Muskelanteilen. 7 Verband.
7 Gewissenhafte Überprüfung der zu operierenden Seite. 7 Eröffnung der Bindehaut parallel zum Limbus. 7 Anheben der 4 geraden Augenmuskeln mit Schielhaken. 7 Naht an alle 4 geraden Augenmuskeln. 7 Durchtrennen der Muskelstränge. 7 Fassen des Bulbus mit einer Fixierpinzette (nach Jess). 7 Durchtrennung des N. opticus mit der Enukleationsschere. 7 Bulbusextraktion. 7 Ggf. Einsetzen einer Guthoff-Plombe (später bessere kosmetische Ergebnisse bei der prothetischen Versorgung). 7 Kreuzweises Verknoten der Augenmuskelnähte über der Plombe. 7 Schichtweiser Wundverschluss. 7 Ggf. Einlage eines Hämostyptikums. 7 Kompressionsverband.
kBesonderheiten
4 Kauter, 4 ggf. Lupenbrille. 4 Cave: Durch Zug am Muskel Auslösen des okulokardialen Reflex möglich!
14.4.10
Entfernung des Augapfels (Enucleatio bulbi, Enukleation)
kIndikation
4 Intraokulare Tumoren. 4 Augapfelschrumpfung (Phtisis). 4 Nicht beherrschbare Glaukomschmerzen.
14
15
Verbrennungen Chr. Westphal, M. Liehn
15.1 Verbrennungen und Versorgungsbedarf 15.2 Erstversorgung Brandverletzter 15.3 Infektionsrisiko 15.4 Hautersatz
– 680
– 680
– 681
– 681
15.5 Operative Versorgung Schwerstbrandverletzter 15.6 Elektrotrauma
– 685
15.7 Postakutphase
– 685
M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_15, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
– 682
680
Kapitel 15 · Verbrennungen
15.1
Verbrennungen und Versorgungsbedarf
Wird bei einer Verbrennung durch Feuer oder Flüssigkeiten Körpergewebe zerstört, entsteht eine toxisch entzündliche Reaktion, die zum Kreislaufversagen, zur Sepsis und bei mehr als 25% zerstörter Körperoberfläche (KOF) zum Versagen lebenswichtiger Organe führen kann. Durch den Verlust größere Hautareale kommt es zu Störungen der Temperaturregulation. Um das Ausmaß einer Verbrennung zu beurteilen, kann die einfache und sichere Handflächenregel zur Anwendung kommen: Die Handinnenfläche inkl. der Finger eines Verletzten, gleichgültig ob Erwachsener oder Kind, entspricht ungefähr 1% seiner Körperoberfläche. Diese Faustregel erleichtert schon am Unfallort die Einschätzung des Verbrennungstraumas. Die Verbrennungstiefe wird in 4 Grade eingeteilt (. Tab. 15.1). Die endgültige Diagnose der Verbrennungstiefe kann erst nach 3–5 Tagen gestellt werden, dann hat sich die Schädigung manifestiert. Die Diagnostik erfolgt durch den Spatel- und Nadelstichtest, um die Durchblutung der zweitgradig verbrannten Haut festzustellen. Patienten mit Verbrennungen ab 10% KOF sollten in Spezialkliniken versorgt werden. Neben der speziellen räumlichen und apparativen Ausstattung (s. unten) stehen hier hochspezialisierte Behandlungsteams bereit. Brandverletzte Patienten benötigen u. U. jahrelang medizinische und psychologische Betreuung, die ebenfalls in diesen Spezialkliniken zur Verfügung stehen.
15
15.2
Erstversorgung Brandverletzter
Nach dem Entfernen der Hitzequelle kann eine Brandverletzung bis zu 30% KOF mit kühlem Leitungswasser (20°) behandelt werden. Diese Maßnahme dient v. a. der Schmerzlinderung und sollte nicht länger als 5 min dauern, um eine Unterkühlung zu vermeiden. Nach der Kühlung werden die Wunden steril abgedeckt. Gegebenenfalls erfolgt die Sicherung der Atmungs- und Kreislaufsituation noch am Unfallort. In der Klinik wird ein Erstversorgungsbad durchgeführt, um den Verletzten mit milden Seifen zu säubern. Außerdem werden alle Blasen und losen Nekrosen mit Bürsten, Schere und Pinzette abgetragen. Falls nötig, werden die verbliebenen Haare abrasiert. Das Bad dient der genauen Diagnosestellung und der Planung der weiteren Therapie. Bei Bedarf müssen bei einem ausgedehnten Verbrennungsödem Entlastungsschnitte (sog. Escharotomie) der Haut durchgeführt werden. An den Extremitäten wird dadurch die Durchblutung sichergestellt. Am Thorax erfolgen die Entlastungsschnitte, um die Beatmung zu erleichtern. Bei einer starken Schwellung der oberen Luftwege ist eine Tracheotomie indiziert. Begleitverletzungen müssen versorgt werden, dabei hat die sofortige Versorgung von Schädel-Hirn-Verletzungen sowie die lagerungsstabile Versorgung der Frakturen, z. B. mit Fixateur externe, Vorrang. Durch die großflächigen Verletzungen verliert der Patient sehr viel Volumen. Dadurch kommt es zu Störungen der Kreislauffunktion, dem sog. Verbrennungsschock.
. Tab. 15.1 Die verschiedenen Verbrennungsgrade Verbrennungstiefe
Symptome
Prognose
Operation
Verbrennung Grad 1
Verbrennung der Epidermis mit Rötung und Schwellung, Schmerzen
Heilt ohne Narben aus
Keine
Verbrennung Grad 2a
Verbrennung der Epidermis und der oberflächlichen Dermis. Blasenbildung und Rötung, starke Schmerzen
Spontanheilung innerhalb von 14 Tagen ohne Narben
Keine
Verbrennung Grad 2b
Verbrennung von Epidermis und tiefer Dermis. Blasenbildung ohne Rötung, starke Schmerzen
Verzögerte Wundheilung mit Bildung von Granulationsgewebe und starken Narben
Tangentiale Nekrektomie und Spalthautdeckung
Verbrennung Grad 3
Vollständige Verbrennung von Epidermis und Dermis inklusive der Hautanhangsgebilde. Aussehen weißlich und schmerzunempfindlich
Eine spontane Abheilung ist nicht möglich
Frühzeitige Spalthautdeckung oder zweizeitiges Vorgehen: temporäre Wundversorgung und spätere Spalthautdeckung
Verbrennung Grad 4
Verbrennung der Epidermis und Dermis sowie tieferer Strukturen wie Muskeln und Knochen – sog. Verkohlung
Keine Spontanheilung möglich
Bei Bedarf Nekrektomie oder Amputation
681 15.4 · Hautersatz
Schwerstbrandverletzte Patienten werden auf der Intensivstation nach einem speziellen Schema zur Kreislaufstabilisierung mit Plasmaersatzlösungen in Anlehnung an die Parkland-Formel therapiert: 4 4 ml Ringer-Laktat-Lösung × verbrannter Körperoberfläche × kg Körpergewicht in 24 h.
Ziele des Débridements 4 Eine Infektion zu vermeiden. 4 Ein gutes funktionelles und ästhetisches Ergebnis zu erzielen. 4 Die Dauer und die Kosten der Behandlung zu senken.
Ein zusätzlich erlittenes Inhalationstrauma wird ebenfalls intensivmedizinisch therapiert. 15.4 15.3
Hautersatz
Infektionsrisiko
Das Risiko der Wundinfektion ist abhängig von der Verbrennungstiefe, der prozentualen Ausdehnung der Verbrennung zur KOF sowie dem Lebensalter des Patienten und seinen Vorerkrankungen und Begleitverletzungen. 4 Die verbrannte Haut kann keine Schutzfunktion mehr übernehmen! 4 Die Immunabwehr des Patienten ist herabgesetzt durch freiwerdende Toxine. 4 Nekrotisches Gewebe und Wundschorf sind ideale Nährböden für Wundinfektionen. 4 Aufgrund der gestörten Durchblutung der verbrannten Haut können i.v. verabreichte Antibiotika nicht ausreichend wirken.
Um die verbrannten Areale abzudecken, muss die Haut ersetzt werden. Die Aufgabe des frühzeitigen Hautersatzes ist es, 4 eine Infektion zu vermeiden, 4 den Flüssigkeitsverlust über die Wunde zu vermeiden, 4 ein gutes funktionelles und ästhetisches Ergebnis zu erreichen. Zur Abdeckung der von Nekrosen befreiten Verbrennungswunde bis zur Abheilung oder endgültigen Versorgung kann unterschiedlicher Hautersatz zum Einsatz kommen.
15.4.1
Das Infektionsrisiko wird durch eine gezielte mikrobielle Diagnostik (Abstrichdiagnostik und Erstellung eines Antibiogramms) und Antibiotikagabe herabgesetzt. Gleichzeitig minimiert eine möglichst frühzeitig durchgeführte operative Versorgung der Verbrennungswunden mit Entfernung der Nekrosen die Gefahr der Keimbesiedelung. Die Verbandwechsel erfolgen auf der Intensivstation unter sterilen Bedingungen. jKeime auf Verbrennungswunden
In der Frühphase der Verbrennung treten zumeist grampositive Keime auf, z. B. Staphylococcus aureus und Staphylococcus epidermidis (7 Kap. 1), es besteht eine erhöhte Gefahr einer MRSA-Infektion. 1–2 Wochen nach der Verbrennung treten besonders gramnegative Keime auf, z. B. Pseudomonas aeroginosa. Aufgrund der sehr großen Infektionsgefahr wird abgestorbenes Gewebe chirurgisch entfernt (Débridement); die nekrotische, verbrannte Haut gilt als Ursache für eine auftretende Sepsis und ein mögliches Organversagen. In den Leitlinien zur Behandlung Brandverletzter der Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungen wird das frühzeitige Débridement der Verbrennungswunde ab dem 3. Tag nach dem Unfall empfohlen.
Temporärer Hautersatz
Verwendet wird glyzerolkonservierte Haut (Leichenhaut), aber auch allogene, d. h. von einem anderen Menschen stammende Haut, die Spalthaut genannt wird. 4 Verbleibt bis zu 14 Tage auf der Verbrennungswunde. 4 Vermindert als Hautbarriere das Infektionsrisiko für die Verbrennungswunde. 4 Die Konservierung mit Glyzerol (ein Abbauprodukt alkoholischer Gärung) minimiert das vom Spender drohende Infektionsrisiko (HIV, Hepatitis). 4 Nachteil sind die hohen Kosten. 4 Cave: Die Haut muss vor der Anwendung sorgfältig gewässert werden, da das Glyzerol die Verbrennungswunde austrocknet.
15.4.2
Synthetischer Hautersatz
Zur Abdeckung großflächiger Verbrennungen eignet sich synthetischer Ersatz, der steril in verschiedenen, zuschneidbaren Größen im Handel ist. Epigard (ein zweischichtiges Material aus Teflon und Polyuretran: Teflon als luftundurchlässige Schicht nach außen, und Polyuretran als weiche Bedeckung der Wunde) reinigt die Wunde und erhält das feuchte Milieu für eine spätere Hauttransplantation aufrecht.
15
682
Kapitel 15 · Verbrennungen
Hydrokolloidverbände nehmen das Wundsekret auf und sorgen für ein ideales Wundmilieu. Sie können bis zu ca. 7 Tage auf den Wunden belassen werden und eignen sich für kleinere Verbrennungswunden und Hautentnahmestellen.
15.4.3
Permanenter Hautersatz
Autologe Spalthauttransplantate Autologe Spalthauttransplantate sind vom Patienten entnommene Hautareale von gesunden Körperregionen. Die Haut wird mit einem Dermatom unter sterilen Kautelen entnommen und über ein Mesh-Instrument zu einem gitterförmigen Transplantat aufbereitet und auf die Verbrennungswunde aufgelegt. Durch das Gitter der Spalthauttransplantate können die Wundsekrete abfließen. Vorteile: Die autologe Spalthauttransplantation ist kostengünstig und für den Patienten biologisch sicher (keine Abstoßungsreaktion). Es können schnell große Wundbereiche versorgt werden. Nachteile: Spalthaut neigt zur Schrumpfung. Dadurch können komplexe Narbenwucherungen und Kontrakturen entstehen. Durch die Entnahme der Spalthaut entstehen neue Wunden, die sich infizieren können.
Vollhauttransplantate
15
Vollhauttransplantate werden wegen ihrer geringen Schrumpfungsneigung besonders nach plastisch-chirurgischen Gesichtspunkten zur Versorgung von Gesichtsverbrennungen eingesetzt. Vollhaut besteht aus Epidermis und Dermis ohne Unterhautfettgewebe, sie wird mit dem Skalpell entnommen und nur leicht gestichelt, um den Sekretabfluss sicher zu stellen. Um die perfekte Einheilung zu unterstützen, wird die Vollhaut durch Überknüpfung auf die Wunde gepresst. Weil die Haut nicht gemesht wird, neigt sie im Gegensatz zur Spalthaut nicht zum Schrumpfen, und die Gesichtsstrukturen wie Lider und Mundöffnungen behalten ihre normale Größe.
15.4.4
Beide Anzuchtformen können in frischer oder kryokonservierter (mit Hilfe von Stickstoff tiefgefrorener) Form vorliegen. Die Züchtung der Haut ist immer noch ein sehr kostenintensives Verfahren. Sie dauert 3–4 Wochen, in denen auf einer Trägergaze eine mehrlagige Epithelschicht entsteht. Eine ausschließliche Deckung mit KET erfolgt auf Wunden, die keinen hohen Belastungen ausgesetzt sind. Die KET eignen sich besonders zur Anwendung in Kombination mit großflächig transplantierter Spalthaut, um einen raschen Wundverschluss zwischen den Gittermaschen zu erzielen. Das kosmetische Ergebnis dieser Anwendung ist wesentlich erfolgreicher als die alleinige Anwendung von großflächig transplantierter Spalthaut, die häufig zu Narbenwucherungen und Keloidbildungen führt.
15.4.5
Versorgung der Hautentnahmestelle
Ziele der Versorgung 4 Verringerung der Schmerzen für den Patienten 4 Vermeidung einer Wundinfektion durch so wenig Manipulation wie möglich 4 Sicherstellung von idealen Wundverhältnissen durch die Verwendung von Hydrokolloidverbänden, biosynthetischen Folien und anderen Wundauflagen
Eine rasche komplikationslose Abheilung ermöglicht eine 2. oder 3. Spalthautentnahme. Diese erfolgt nach Abheilung an der gleichen Entnahmestelle. Darum besteht das Ziel, dass diese Entnahmestellen ohne Infekt abheilen, da Schwerstbrandverletzte über zu wenig intakte Haut für die Spalthautentnahme verfügen. Eine hypertrophe Narbenbildung kann durch eine entsprechend dünne Entnahmetechnik vermieden werden.
15.5
Operative Versorgung Schwerstbrandverletzter
15.5.1
Spalthautentnahme
Hautzüchtungen
Kultivierte epitheliale Transplantate (KET) stellen den Oberbegriff für gezüchtete Haut dar. Dabei werden dem Patienten oder einem Spender ca. 5–10 cm Spalt- oder Vollhaut entnommen, die Keratinozyten separiert und im Labor kultiviert. 4 Autologe Keratinozytentransplantate:
Spender ist der Patient, seine entnommene Haut wird weiter gezüchtet. 4 Allogene Keratinozytentransplantate:
Die Anzuchthaut kommt von einem Fremdspender.
kVorbereitung des OP-Saals
Die Versorgung eines brandverletzten Patienten gehört in die Kategorie der septischen Eingriffe. Die räumliche Ausstattung der Eingriffssäle ist in den Richtlinien des RobertKoch-Institutes vorgegeben. Die raumlufttechnische Ausstattung wird durch die DIN Norm 1946 zur Betreibung dieser Anlagen bestimmt. Besonders praktisch ist die direkte Anbindung des Brandverletzten-OP-Saals an die Intensivstation, um lange Patiententransporte zu vermeiden.
683 15.5 · Operative Versorgung Schwerstbrandverletzter
Durch die großflächige Verbrennung ist die Temperaturregulation als Schutzfunktion der Haut aufgehoben, wodurch der Patient nicht in der Lage ist, seine normale Körpertemperatur selbstständig zu halten. Deshalb muss die Raumtemperatur im OP-Saal nach Rücksprache mit der Intensivstation erhöht werden, um eine Hypothermie des Patienten zu vermeiden. Der OP-Saal wird auf die gleiche Temperatur aufgeheizt, die in der patienteneigenen Brandverletzten-Einheit herrscht. In der Einheit kann die individuelle Temperaturregulation der Patienten beobachtet werden, die Umgebungstemperatur wird diesem Verhalten angepasst. Somit kann die Raumtemperatur im OP-Saal durchaus über 30°C betragen. Es gelten die hauseigenen Hygienevorschriften, die auf den Regeln des RKI basieren und von der KrankenhausHygienekommission erstellt wurden; sie müssen jedem Mitarbeiter bekannt sein.
. Abb. 15.1 Akku-Dermatom zur Spalthautentnahme. (Beispiel: Fa. Aesculap)
kLagerung
4 Schwer brandverletzte Patienten gelten aufgrund der schlechten Gewebedurchblutung als stark Dekubitus gefährdet. Deshalb ist der OP-Tisch grundsätzlich mit Gelauflagen zu versehen (7 Kap. 1). 4 Durch die häufig stark unterschiedliche Lokalisation von Verbrennungswunden und Spenderarealen wird evtl. intraoperativ eine Umlagerung notwendig. Dazu müssen ausreichend Lagerungshilfsmittel bereit liegen. 4 Vorrangig finden Schaumstoffauflagen Anwendung, mit denen die Lagerung individuell angepasst werden kann. kAbdeckung
4 Die Abdeckung ist durch die individuellen Verbrennungsareale und Entnahmestellen nicht standardisierbar. Deshalb wird die sterile OP-Abdeckung des Patienten in Absprache mit dem Operateur erfolgen. Eventuell kann intraoperativ eine 2. Abdeckung notwendig werden, falls eine Umlagerung des Patienten geplant ist. 4 Zur Schaffung sauberer und trockener Arbeitsflächen kann intraoperativ eine Ergänzung der Abdeckung durch neue Materialien erforderlich werden. kInstrumentarium
4 Grund- und Weichteilinstrumentarium, 4 HF-Chirurgiegerät, bestenfalls mit bipolarer Koagulation, da die Platzierung der neutralen Elektrode Probleme bereiten kann, 4 Dermatom zur Entnahme von Haut (. Abb. 15.1), 4 Mesh-Gerät zur Herstellung eines Gitternetzes der Haut mit unterschiedlichen Trägerplatten, 4 Humby-Messer, Weck-Messer und Klingen (. Abb. 15.2),
. Abb. 15.2 Humby-Messer, rechts und links schneidend. (Beispiel: Fa. Link).
4 Schüssel mit heißer (45–50°C) Ringer-Lösung, 4 sterile Blutleeremanschette, 4 Nahtmaterial zur Gefäßumstechung, zum Einnähen der Transplantate, zumeist monofiles Material der Stärke 4–0, 4 Hautklammmergeräte zur Fixation der Spalthaut, 4 Fettgaze und antimikrobielle Salben für die Transplantate, 4 Wundauflagen für die Entnahmestellen, 4 Verbandmaterial. Spalthautentnahme 7 Die Operation erfolgt nach genauer Absprache mit dem Operateur, evtl. muss vorher ein Verbandwechsel der schon transplantierten Haut unter sterilen Bedingungen erfolgen. So bleibt dem Patienten eine weitere Narkose zum Verbandwechsel erspart. 7 Aus hygienischen Gründen erfolgt die Spalthautentnahme vor der Entfernung der Nekrosen, um eine Keimverschleppung zu vermeiden. 6
15
684
Kapitel 15 · Verbrennungen
7 Die Entnahmestelle wird vor der Spalthautgewinnung eingefettet, eine weitere Möglichkeit ist die Nutzung des Abdeckpapiers der Fettgaze (. Abb. 15.3). 7 Zur Entnahme muss die Haut unter Spannung gehalten werden. 7 Die Blutstillung der Entnahmestelle erfolgt durch Auflage von heißen Kompressen und das Anlegen von Kompressionsverbänden. 7 Der endgültige Verband mit Wundauflagen, Kompressen und elastischen Binden wird zum Ende der Operation vorgenommen. 7 Die Spenderhaut wird unter Assistenz der instrumentierenden Pflegekraft vom Chirurgen gemesht (zum Gitter geschnitten) und nach ihrer Qualität sortiert. Wichtigstes Kriterium ist die Länge der entnommenen Hautstreifen (. Abb. 15.4). 7 Die Haut muss immer feucht gehalten werden, damit ein guter Kontakt zwischen der Spalthaut und dem zu deckenden Bereich entsteht. Angetrocknete Spalthaut lässt sich schlechter anmodellieren, und die Chance der Einheilung ist herabgesetzt. Durch die hohe Raumtemperatur trocknet die Spalthaut schnell aus. 7 Sollte versehentlich zuviel Spalthaut entnommen worden sein, wird diese steril und feucht verpackt, mit Namen und Entnahmedatum versehen. Sie kann bis zu 10 Tagen im Kühlschrank bei ca. 3°C gelagert werden.
. Abb. 15.3 Spalthautentnahme am Thorax
. Abb. 15.4 Die entnommene Spalthaut wird gemesht
15
15.5.2
Tangentiale Nekrektomie
15.5.3
Spalthauttransplantation
Definition Das schichtweise Abtragen der Nekrosen, bis auf der Wunde kapillare Blutungen auftreten.
Vorteil: Die Abtragung kann sehr differenziert durchgeführt werden – je tiefer die Verbrennung, desto tiefer die Nekrektomie. Nachteil: Ein höherer Blutverlust, da die diffusen Blutungen nur schwer zu stillen sind; in Ausnahmefällen wird mit einer (sterilen) Blutsperre gearbeitet. Mit Humby-Messer und Weckmesser werden die Nekrosen bis zur Faszie abgetragen. Wichtig ist eine sorgfältige Blutstillung, um die Kreislaufsituation des Patienten nicht zu verschlechtern und die Einheilung der Spalthaut nicht zu gefährden (. Abb. 15.5).
Spalthauttransplantation 7 Nach dem Entfernen der Kompression wird die Blutstillung noch einmal kontrolliert. 7 Die Spalthaut wird auf die Wunde aufgelegt und mit Hautklammern befestigt (. Abb. 15.6). 7 Damit es nicht zu Verklebungen zwischen Verband und Spalthaut kommt, werden Fettgaze aufgelegt und antimikrobielle Salben aufgebracht. 7 Der endgültige Verband muss jegliche Scherkräfte vermeiden, um ein Verschieben des Transplantates zu verhindern. 7 Nicht transplantierte, nekrektomierte Areale werden mit einem temporären Hautersatz (z. B. Epigard) versorgt. 6
685 15.7 · Postakutphase
. Abb. 15.5 Tangentiale Nekrosenabtragung am Unterschenkel
. Abb. 15.6 Transplantation und Fixation der gemeshten Spalthaut
15.7 7 Interoperativer Blutverlust verstärkt die intensivmedizinische Problematik. 7 Erfahrungen haben gezeigt, dass die Operationszeit auf ca. 4 h begrenzt werden sollte, um intensivmedizinische Komplikationen zu vermeiden. Bei Bedarf erfolgt die Transplantation in mehreren aufeinander folgenden Eingriffen.
15.6
Elektrotrauma
Das Elektrotrauma ist eine besondere Art der Schädigung in der Verbrennungsmedizin. Durch den Kontakt mit einer hohen Stromleistung kommt es zu einer thermischen Gewebeschädigung und Nekrosenbildung, da der Strom durch den Körper wandert und es entlang dieses Weges zu Nekrosenbildung kommt. Betroffen sind alle Strukturen wie Haut, Muskulatur, Sehnen, Nerven, Gefäße und Knochen. Zur umfassenden Erstversorgung einer Starkstromverletzung wird der Verletzte in ein Brandverletztenzentrum verlegt. Dort sind eine zielgerichtete intensivmedizinische Versorgung, sowie eine sofortige chirurgische Behandlung mit folgenden Schwerpunkten möglich: 4 Im Vordergrund steht die Muskelschädigung, dadurch kommt es zur Ausschüttung von Hämoglobin und Myoglobin, was die Nierenfunktion gefährdet. 4 Um dieses Risiko zu vermindern, sind u. U. eine frühzeitige offene Amputation der betroffenen Extremität und ein umfassendes Débridement notwendig. 4 An den Extremitäten besteht durch Schwellung ein hohes Risiko der Kompartementausbildung, was eine Fasziotomie nach sich zieht. 4 Begleitverletzungen wie Knochenbrüche und Schädel-Hirn-Traumata werden adäquat versorgt.
Postakutphase
Im weiteren Verlauf der Therapie werden Second-lookOperationen durchgeführt, um ein weiteres Débridement durchzuführen. Hier besteht eine besondere Schwierigkeit darin, dass sich die Nekrosen in tiefen, äußerlich gesunden Muskelschichten befinden können. Rekonstruktive Eingriffe sowie eine gute ästhetische und prothetische Versorgung erfolgen nach Ausheilung der Verletzungen. Zur Behandlung brandverletzter Patienten gehört die psychologische Betreuung, die auch das Pflegepersonal betrifft. Der geschulte Umgang mit Entstellungen und Behinderungen durch Verbrennungsnarben kann den Patienten den Zugang zu ihrem veränderten Aussehen erleichtern, um sie zur aktiven Mitarbeit bei der Behandlung zu motivieren.
15
16
Organexplantation – Multiorganentnahme M. Liehn
16.1 Ablauf
– 688
16.2 Multiorganentnahme 16.3 Hornhautspende
– 689
– 690
M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_16, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
688
Kapitel 16 · Organexplantation – Multiorganentnahme
Im deutschen Transplantationsgesetz wird erklärt, dass es zur Aufgabe aller Krankenhäuser gehört, mit der Koordinierungsstelle Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) zusammenzuarbeiten. Deshalb kann es in allen Operationseinheiten zu einer Explantation von Spenderorganen kommen. Die pflegerische Assistenz bei einer Multiorganentnahme konfrontiert uns immer wieder mit dem Aspekt der Operation an Hirntoten und allen ethischen und moralischen Überlegungen, auf die in diesem Rahmen nicht eingegangen werden kann. Es sei nur darauf hingewiesen, dass die Teilnahme an solch einer Operation freiwillig sein sollte. Der Umgang mit einem Organspender muss genau so die Würde des Menschen respektieren, wie es bei einem Patienten, der im Anschluss an die Operation den OP wach verlässt, die Regel ist. Wenn ein Mensch zu Lebzeiten mittels eines Organspendeausweises einer Organentnahme zugestimmt hat oder wenn die Angehörigen gemäß des vermuteten Willens des Patienten einer Organentnahme zustimmen, wird nach der Feststellung des Hirntodes der Patient auf der Intensivstation so weit betreut, dass die Organe weiter funktionieren, bis die Multiorganentnahme beginnen kann. Definition Hirntod bedeutet einen endgültigen Ausfall aller Hirnfunktionen. Zwei voneinander unabhängige Ärzte, die am Prozess der Organspende und der Transplantation nicht beteiligt sind, müssen den Hirntod festgestellt haben. Zumeist sind diese Ärzte Neurologen, Internisten oder Intensivmediziner und damit erfahren in der Hirntoddiagnostik (. Abb. 16.1).
16
16.1
Ablauf
Die Gesamtorganisation einer Organexplantation bezüglich des Spenders und des Explantationsteams sowie des Transportes der Organe obliegt dem DSO-Koordinator. Der Zeitpunkt der Entnahme wird mit dem OP-Manager und/oder dem Anästhesisten vereinbart. Die Zuteilung des Spenderorgans obliegt Eurotransplant (ET) in Leiden. Während des operativen Eingriffes ist eine Narkose nicht nötig, da das Gehirn keine Schmerzreize mehr empfangen kann. Um unwillkürliche Spontanbewegungen auf Rückenmarkebene (»Lazarusphänomen«) auszuschließen, wird ein Relaxans verabreicht. Das Team der Anästhesie sorgt während der Operation für eine Beatmung, eine ausreichende Versorgung der Organe mit sauerstoffangereichertem Blut sowie eine optimale Kreislaufsituation, damit die benötigten Organe keinen Schaden nehmen.
. Abb. 16.1 Hirntodalgorithmus. Algorithmus zum Vorgehen bei schweren Hirnschädigungen, bei denen ein Erlöschen der Hirnfunktionen vermutet wird. (Nach Bein 2011)
Intraoperativ wird die Gabe von Heparin nötig, wenn die Vorbereitung der Organe für die Perfusion beginnt. Nach Beendigung der Organentnahme wird der Patient extubiert, und alle Zugänge werden entfernt. (Ausnahme: Wenn ein staatsanwaltliches Verfahren ansteht, werden alle Zugänge belassen.) jEntnehmende Operateure
Die Operateure, die die abdominalen Organe (Leber, Nieren, Pankreas, Dünndarm) entnehmen, werden von der DSO entsandt und sind in der Regel Chirurgen des nächstgelegenen Zentrums für Transplantationschirurgie. Für die Entnahme von Lunge und Herz kommen die Chirurgen des Empfängerzentrums. Für jedes Organ kann ein eigenes Explantationsteam zur Verfügung stehen, dadurch kann es sein, dass bis zu 3 Explantationsteams nacheinander zur Entnahme kommen. Immer jedoch ist ein Koordinator der DSO anwesend, der die Abläufe begleitet (. Abb. 16.2). jMaterialien
Das DSO-Team bringt spezielle Materialien mit, so die benötigten Spezialinstrumente zur Sternotomie, Thorax- wie auch abdominale Sperrer, das Eis für die Kühlung der Organe und ggf. gekühlte Perfusionslösung zum Durchspülen der Organe, sowie die Perfusionssysteme für die intraoperative Konservierung. Die sterilen Beutel für den Organtransport werden ebenfalls vom DSO-Team gestellt. Für jedes Organ werden 3 Beutel benötigt, in diesen Beuteln
689 16.2 · Multiorganentnahme
. Abb. 16.2 Multidisziplinarität der Transplantationsmedizin. (Nach Lichtenstern et al. 2011)
werden die Organe in den Transportboxen verpackt und weitergeleitet. jOrgantransport
Die schnellstmögliche Weiterleitung obliegt dem DSOKoordinator.
kLagerung
Rückenlagerung mit ausgelagerten Armen, die Hautdesinfektion und Abdeckung resultiert aus dem Umfang der zu entnehmenden Organe, in der Regel vom Jugulum bis zur Symphyse. kInstrumentarium
jIschämiezeiten
Die Organe ertragen unterschiedlich lange Ischämiezeiten: 4 Herz und Lunge müssen innerhalb von 4–6 h transplantiert werden, 4 Leber und Pankreas innerhalb von ca. 12 h, 4 nur die Nieren tolerieren eine Ischämiezeit von über 24 h.
16.2
Multiorganentnahme
kPrinzip
Entnahme der Spenderorgane mit deren versorgenden Gefäßen. Konservierung der Organe und Vorbereitung zum Transport mit dem Ziel der schnellstmöglichen Transplantation.
4 Grund- und Laparotomieinstrumente, 4 selbsthaltende Rahmensysteme (werden vom Explantationsteam mitgebracht), 4 Gefäßinstrumente mit ausreichenden Gefäßklemmen, v. a. mehrere Aortenklemmen, 4 Thoraxsperrer und Sternummeißel (nach Lepp; 7 Kap. 6, Thoraxchirurgie) (werden vom DSO-Team mitgebracht), 4 große Metallschüsseln, je eine pro entnommenem Organ; diese werden mit zerstoßenem Eis und gekühltem NaCl gefüllt, 4 lineare Klammernahtinstrumente (werden vom DSOTeam mitgebracht), 4 Gummizügel/Vesselloops oder kräftiges nicht resorbierbares Nahtmaterial.
16
690
Kapitel 16 · Organexplantation – Multiorganentnahme
kMaterialien
4 10–12 l gekühlte Ringer-Lösung, 4 steriles Eis, 4 2 Saugsysteme, mit genügend Möglichkeiten zum Wechseln der Auffangsysteme. Multiorganentnahme
16
7 Der Zugangsweg richtet sich nach dem zu entnehmenden Organ. Für die Entnahme von Leber, Pankreas oder Herz und Lunge wird in der Regel eine mediane Laparotomie und eine mediane Sternotomie gewählt. Eine Ausnahme bildet die isolierte Nierenentnahme, für die ausschließlich die Laparotomie benötigt wird. 7 Die Reihenfolge der Entnahme ist standardisiert. 7 Es wird mit der Entnahme des Herzens begonnen, danach erfolgt die Entnahme der Lunge, anschließend die der Leber, des Pankreas und der Nieren, ggf. des Dünndarms. 7 Wenn die Leber aufgeteilt werden soll, ist dies sowohl im Körper des Spenders (in situ) machbar wie auch außerhalb (ex situ) am Beistelltisch. Entsprechend ihrer Segmentierung (7 Kap. 2) wird die Leber in 2 Anteile aufgeteilt (Lebersplitting), um an 2 Empfänger verteilt werden zu können, in der Regel an einen Erwachsenen und an ein Kind. 7 Um eine gute Perfusion der Organe vornehmen zu können, wird zuerst die Aorta abdominalis distal und unterhalb des Zwerchfells dargestellt und angeschlungen, ebenso die Aa. iliaca interna und externa. 7 Der Darstellung und Anzügelung der V. cava inferior folgt eine Stichinzision, aus der das Perfusat ablaufen kann und dann abgesaugt wird. 7 Alle Organe, die entnommen werden sollen, müssen mit 2–3°C kalter Lösung durchgespült werden, um alle Blutbestandteile des Spenders zu entfernen. Dazu wird das arterielle Gefäßsystem kanüliert und mit einer gekühlten Lösung perfundiert, die die Aufgabe der Konservierung des Organs bis zur Transplantation übernimmt. 7 Die Perfusionslösung wird mit 2 Saugsystemen abgesaugt. Der »Springer« muss die bereitgestellten Auffangbehältnisse nutzen und die vollen Behälter zügig wechseln. 7 Durch die Oberflächenabkühlung mit Eis und die Perfusion mit gekühlter Lösung wird der Sauerstoffverbrauch der Organe minimiert und die Funktionserhaltung bis zur Transplantation möglich gemacht. 6
7 Nach der Perfusion der Organe ist eine Unterstützung der Kreislaufsituation nicht mehr nötig, und Beatmung und Infusion werden abgestellt. 7 Nach Präparation und Entnahme der Organe werden diese in die vorgesehenen Beutel und dann in die mit Crusheis gefüllten Transportboxen gelegt und weitergeleitet. 7 Die Beschriftung mit der Adresse des Empfängerzentrums und dem Inhalt übernimmt der DSO-Koordinator, der auch für den Transport an die vorgesehenen Empfänger sorgt. 7 Beigelegt wird ebenfalls vom Koordinator der sog. Organ-Report mit allen relevanten Daten. 7 Um das Gewebe des Spenders mit dem des Empfängers vergleichen zu können, wird die Milz entnommen und separat verpackt um den »CrossMatch-Test« durchführen zu können. 7 Nach der Entnahme erfolgt der Sternumverschluss und nach dem Wundverschluss die Anlage eines Verbandes. 7 Der Leichnam wird gesäubert und kann den Angehörigen übergeben werden.
jDokumentation
Die Dokumentation dieses Eingriffes wird häufig nicht über die OP-EDV geleistet, sondern über eine handschriftliche Dokumentation. Hier ist zu bedenken, dass die Chirurgen aus fremden Abteilungen kommen und nach ihren vollen Namen gefragt werden müssen. Hilfreich ist hier ein entsprechend vom DSO-Koordinator ausgefülltes Formular mit relevanten Daten, das vor Ort verbleibt. ! Der Spender bleibt für den Empfänger anonym.
16.3
Hornhautspende
Da die Entfernung der Kornea durch einen Augenarzt erfolgen muss, wird die Entnahme in der Pathologie durchgeführt, wenn eine Einwilligung in die Gewebespende vorliegt. Danach bekommt der Leichnam spezielle Prothesen, um eine Entstellung des Gesichtes zu vermeiden.
Glossar und Abkürzungsverzeichnis
M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
692
Glossar und Abkürzungsverzeichnis
ABBA (engl.) »axillo bilateral breast approach«, Zugang
Adrenalektomie Entfernung der Nebenniere
bei einer Schilddrüsenoperation AEP akustisch evozierte Potenziale Ablatio Ablösung, Abtrennung; (operative) Entfernung,
Abtragung, Amputation
aerobe Bakterien; auch Aerobier Bakterien, die Sauerstoff
benötigen, s. a. anaerobe Bakterien Ablatio mammae s. Mastektomie Ablatio testis Entfernung eines Hodens Abrasio (uteri) auch Kürettage; Gebärmutterausschabung;
Ausschabung der nicht schwangeren Gebärmutter zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken; fraktionierte A.: zur Differenzierung von Zervix- und Korpusschleimhaut, getrennte Gewebeentnahmen aus beiden Bereichen; zur Entfernung von Schwangerschaftsmaterial erfolgt die Ausschabung der Gebärmutter mit stumpfem Instrumentarium abszedieren (lat.) weggehen, sich absondern; med.: eitern,
AFC A. femoralis communis AFP α-Fetoprotein; Glykoproteid, das v. a. in fetalem Ge-
webe gebildet wird; erhöhte Blutspiegel finden sich u. a. bei Leberzirrhose und Tumoren AFS A. femoralis superficialis Agenesie vollständiges Fehlen eines Organs alloplastisch körperfremdes Gewebe
einen Abszess bilden
Amaurosis Blindheit
ACC A. carotis interna
AMIC Österreichische Arbeitsgemeinschaft minimal invasiver Chirurgie (s. a. CAMIC)
ACE A. carotis externa Anabolie Aufbaustoffwechsel ACG Akromioklavikulargelenk anaerobe Bakterien; auch Anaerobier Bakterien, die nur Achondroplasie häufigste angeborene Ursache für dispro-
ohne Sauerstoff überleben können
portionierten Minderwuchs, 3 Fälle auf 100.000 Geburten; die unübliche Knorpelbildung verhindert eine regelgerechte Entwicklung der Röhrenknochen und führt zu verkürzten und plumpen Extremitäten
Analatresie angeborene Fehlbildung; die Öffnung des
ACI A. carotis interna Actilyse Medikament zur Fibrinolyse ACVB Aorto-Coronarer-Venen-Bypass; operativ angelegter Umgehungskreislauf zwischen der aufsteigenden Hauptschlagader und einem Koronargefäß mit einem Veneninterponat (meistens aus dem Unterschenkel entnommen) Adenotomie Entfernung der Rachenmandeln, s. a. Ton-
sillektomie
Rektums bzw. Anus ist nicht vorhanden Analfistel vom Anus ausgehende Fistel, die in andere Darmteile oder Organe mündet (innere A.) oder nach außen führt (äußere A.); entwickelt sich fast immer aus einem vorangegangenen Abszess Aneurysma (griech.) Wanderweiterung; Aussackung einer
Arterie antekolisch (lat.) ante = vor; vor dem Kolon liegend Anus praeter Kunstafter, Stoma; künstlich angelegte Aus-
leitung eines Darmabschnittes aus der Bauchwand Adhäsiolyse Lösung, Durchtrennung von Verwachsungen,
v. a. im Bauchraum
AO Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen
adjuvant (lat.) verstärkend, unterstützend
AP hier: Anus praeter naturalis (s. Anus praeter)
Adnexe Anhängsel; bei der Frau Eileiter, Eierstöcke, Epoophoron, Bänder; beim Mann Prostata, Samenblase, Hoden, Nebenhoden und Samenleiter
Apex (lat.) Spitze APF A. profunda femoris
693 Glossar und Abkürzungsverzeichnis
apical chest Tumor »apical« = Spitze, »chest« = Brust; Tumor im Apexbereich
Barrett, Norman Rupert engl. Chirurg, beschrieb 1957 den
Arachnoidea Spinngewebshaut; mittlere Hirnhaut; bildet
Bartholin-Abszess durch den Verschluss des Ausführungs-
zusammen mit der Pia mater die weiche Hirn- und Rückenmarkshaut
ganges einer Bartholin-Drüse (Mündung in der kleinen Labie) kann es zu einer Retentionszyste, bei Infektion zu einem Abszess kommen
Endobrachyösophagus (= Barrett-Ösophagus, s. dort)
Argon Edelgas; wird als reaktionsträges Schutzgas eingesetzt BC hier: Bronchialkarzinom ARM hier: anorektale Malformation; After und Mastdarm
betreffende Fehlbildung
BDA Berufsverband Deutscher Anästhesisten
Arrosion Annagen/Anfressen von Gewebe durch Entzün-
BDC Berufsverband Deutscher Chirurgen
dungen, Geschwüre Arrosionsblutung Blutung, die aufgrund einer Arrosion
BGA Blutgasanalyse
entsteht
BH hier: Bindehaut
arteriovenös Verbindung von Arterie zur Vene
biliodigestiv die Gallenblase und den Verdauungskanal
Arthrodese Operation zur Versteifung eines Gelenkes;
meistens Knochen auf Knochen (Finger, Hand- und Sprunggelenk), am Knie auch ohne Knochenkontakt mit Verriegelungsschäften Arthroskopie Gelenkspiegelung; Untersuchung von Ge-
lenken mit einem Spezialendoskop, dem Arthroskop. ASD hier: Atriumseptumdefekt; Loch in der Herzscheide-
wand zwischen den Herzvorhöfen ASD arthroskopische subakromiale Dekompression ASS Azetylsalizylsäure, z. B. Aspirin AT hier: Adenotomie, s. dort Atelektase Lungenabschnitt, der durch fehlenden oder
mangelnden Luftgehalt zusammengefallen ist Atresie (griech.) ohne Öffnung; angeborenes Fehlen oder Verschluss einer natürlichen Körperöffnung oder eines Hohlorgans ASD Hier: Anti Siphon Device; Hydrocephalus Shunt
betreffend oder verbindend bipolarer Strom hochfrequenter Strom; fließt zwischen
beiden Polen der sterilen Handelektrode und muss nicht über eine Klebeelektrode abgeleitet werden Blasenekstrophie Spaltblase; angeborener Defekt der Bla-
se mit fehlendem Verschluss der Blasenvorderwand BPH benigne Prostatahyperplasie BPS benignes Prostatasyndrom BRCA-1/BRCA-2 (engl.) »breast cancer-1/2-gene« BSG Blutsenkungsgeschwindigkeit, auch BSR = B.reakti-
on; Labortest bei Verdacht auf entzündliche Erkrankungen BSS hier: (engl.) »balanced salt solution«; sterile physiologische ausgeglichene Salzlösung Bulla (lat.) Bläschen BV-Einheit Bildverstärkungseinheit, Röntgeneinheit mit
C-Bogen Autolog von derselben Person stammend; betrifft meist körpereigenes Gewebe
BWS hier: Brustwirbelsäule
AVK arterielle Verschlusskrankheit
Bypass Umgehungsplastik; operativ angelegte Umgehung
von Gefäßen β-Blocker β-Rezeptoren blockierendes Arzneimittel; redu-
ziert u. a. Herzfrequenz, -kontraktilität und Erregungsleitungsgeschwindigkeit
CAMIC Chirurgische Arbeitsgemeinschaft minimal-inva-
sive Chirurgie
694
Glossar und Abkürzungsverzeichnis
CAPD kontinuierliche ambulante Peritonealdialyse
CRP Capsel-reaktives Protein; unspezifischer Entzün-
Carina keilförmiges Knorpelstück
dungsparameter u. a. zur Beurteilung des Schweregrades entzündlicher Erkrankungen
carnifizierend auch karnifizierend; tumorbedingter Ge-
CT Computertomographie
webeumbau, der wie Muskelgewebe erscheint CUP Carcinoma of unknown primary, Primärtumor unCavum Retzii veraltet: Spatium praevesikale; bindegewe-
biger Spalt zwischen vorderer Bauchwand und Oberkante des Schambeins, in welchen sich die gefüllte Harnblase drängt; dies ermöglicht die suprapubische Harnableitung ohne Peritonealeröffnung
bekannt CVI chronisch venöse Insuffizienz CW hier: Cervicalwirbel
CCT Craniale Computer Tomographie
Dartos-Faszie Muskelhaut des Hodensackes
CF hier: zystische Fibrose, Mukoviszidose
DCP (engl.) »dynamic compression plate«, Osteosyntheseplatte
CHE hier: Cholestinerase; im Pankreas gebildetes Enzym, das Cholesterinester in Cholesterin und Fettsäuren spaltet und damit resorbierbar macht CHE hier: Cholezystektomie Cholesteatom Perlgeschwulst; Einwucherung von verhornendem Plattenepithel in das Mittelohr; die fortschreitende Knochenzerstörung und Entzündung führt zu einer Vielzahl von Komplikationen Circulus arteriosus Willisi zusammenhängendes System
aller zum Gehirn führenden Arterien an der Hirnbasis CIRS (engl.) Critical Incident Reporting System, das dem
Fehlermanagement dient CIS Carcinoma in situ = »Krebs an Ort und Stelle«; Früh-
stadium eines epithelialen Tumors ohne invasives Tumorwachstum clotting (engl.) gerinnen; mit körpereigenem Fibrin ab-
dichten CM-Gelenk 1 Daumensattelgelenk Coblator Instrument zur Entfernung von Gewebe mittels hochenergetischer elektrischer Plasmafelder, der Gewebeabbau erfolgt über den molekularen Zerfall
Debridement Ausschneiden von entzündetem oder abge-
storbenem Weichgewebe in Wunden oder Gelenken Defibrillation elektrische Stimulation des Herzens bei Kammerflimmern und -flattern Dekortikation operative Entfernung einer (Organ-) Rinde; hier: Resektion der viszeralen Pleura Denonvillier Faszie Bindegewebe, das die Blase vom Rek-
tum abgrenzt Dens Zahn, zahnähnlicher Fortsatz; hier: Zahn am 2. Halswirbel DEPKR Duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion Descensus uteri auch Gebärmuttersenkung; Erschlaffung oder Defekt des bindegewebigen Halteapparates mit Absenken der Gebärmutter, meist mit einer Zystozele (s. dort), seltener mit einer Rektozele (s. dort) durch Erschlaffung der vorderen, bzw. hinteren Scheidenwand Device (engl.) Gerät, Vorrichtung; hier: Entladesystem für
Stent Diaphyse langes schlankes Mittelstück eines Röhren-
knochens Columna vertebralis Wirbelsäule Dignität Gut- oder Bösartigkeit eines z. B. Tumors Conduit hier: schlauchförmiger Ersatz eines Hohlorgans Dilatation (lat.) ausbreiten, dehnen; Aufdehnung CPAP Contineous Positive Airway Pressure; Beatmungs-
form unter kontinuierlichem positiven Beatmungsdruck
DIP-Gelenk distales Interphalangealgelenk
695 Glossar und Abkürzungsverzeichnis
Discus intervertebralis Bandscheibe
EERPE endoskopisch extraperitoneale radikale Prosta-
tektomie Distraktor Repositionshilfe bei Femurfrakturen über zwei
mit einer Gewindestange verbundenen Pins; wird über der Fraktur auseinandergezogen, bis sie sich anatomiegerecht reponieren lässt
EI-Transposition Umlagerung des M. extensor indicis EKZ hier: extrakorporaler Kreislauf; Blutumleitung außer-
DK hier: Dauerkatheter
halb des Körpers zur zeitweiligen Ausschaltung des Herzens oder eines Kreislauf-, Gefäßabschnittes
DKG Deutsche Krankenhausgesellschaft
EMG Elektromyelographie; Aufzeichnung der Aktions-
potenziale von Muskeln DLCO Diffusionskapazität Endemie Ausbruch einer Krankheit in einem begrenzten DPE Duodenopankreatektomie; operative Entfernung von
Gebiet
Duodenum, Teilen des Magens und des Pankreas bei Tumoren des Duodenums oder des Pankreas
Endobrachyösophagus auch Barrett-Ösophagus; durch
DRU digitale rektale Untersuchung
Narben oder Stenosen verursachte Schleimhautschrumpfung im unteren Ösophagus
DSA hier: digitale Subtraktionsangiographie; Röntgen-
Endokarditis Entzündung der Herzinnenhaut, des Endo-
technik DSO Deutsche Stiftung Organtransplantation, koordiniert Post-mortem-Transplantatspende und -empfang Ductus arteriosus Botalli im fetalen Blutkreislauf eine Ver-
bindung zwischen Aorta descendens und Arteria pulmonalis (Lungenschlagader); schließt sich in den ersten 3 Lebensmonaten Ductus deferens Samenleiter Duodenum Zwölffingerdarm Dura mater harte, äußerste Hirnhaut e.c. hier: extrakapsulär EBUS (engl.) »endobronchial ultrasound«
kards ENS hier: Elektroneurographie; Messung der Nervenlei-
tungsgeschwindigkeit Entry (engl.) Eingang; hier: Einriss der Intima eines Gefäßes, in das es einblutet EP evozierte Potenziale EPH-Gestose schwangerschaftsspezifische Erkrankung mit den folgenden Symptomen: (engl.) »edema« = Ödem (Wassereinlagerung im Gewebe), Proteinurie = Eiweißausscheidung im Urin, Hypertonie = Bluthochdruck Epidermis oberste Hautschicht Epidurales Hämatom Bluterguss zwischen Dura mater
ECMO extrakorporale Membranoxygenierung; intensiv-
(s. dort) und Schädelknochen
medizinische Technik, zur Oxygenierung von Patienten mit schwersten Lungenschädigungen; die Lunge hat Zeit zu heilen, da eine aggressive Beatmung vermieden wird
Epiglottis Kehldeckel
ECR M. extensor carpi radialis
neue Zellverbände, die die Wunde verschließen
EEC-Komplex (engl.) »exstrophy-epispadia-complex«; dazu
EPL M. extensor pollicis longus
zählen die Epispadieformen, die klassische Blasenekstrophie, die Ekstrophievarianten und die Kloakenekstrophie EEG Elektroenzephalographie; Messung der elektrischen
Aktivität des Gehirns
Epithelisierung im Bereich der Wundränder sich bildende
ERCP endoskopisch retrograde Cholangio- und Pankreatikographie; kombinierte endoskopische und Röntgenuntersuchung der Gallenwege und der Bauchspeicheldrüse
696
Glossar und Abkürzungsverzeichnis
Escharotomie Anbringen von Entlastungsschnitten mit-
geköpert s. Köper
tels Durchtrennung oberflächlicher Hautschichten; vor allem bei Brandverletzten angewendet, zur Vorbeugung eines Kompartmentsyndroms (s. dort)
GERD gastroösophageale Refluxkrankheit Gerota-Faszie auch Nierenfaszie; aus Fasern und Fettge-
ESWL Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie; Zertrüm-
mern von Harnsteinen durch Stoßwellen ET Eurotransplant, Sitz in Leiden, Niederlande EUG Extrauteringravidität
webe bestehende Hülle, die die Niere und das Retroperitoneum bedeckt GFR glomeruläre Filtrationsrate; Gesamtvolumen des Primärharns, das von beiden Nieren in einer definierten Zeiteinheit gefiltert wird; bei normalen Blutdruckwerten sind dies ca. 0,12 Liter pro Minute bzw. ca.170 Liter pro Tag
Exenteratio Herausnehmen von Eingeweiden GK Glaskörper; liegt zwischen Linse und Netzhaut Extrauteringravidität Einnistung der befruchteten Eizelle
außerhalb der Gebärmutterhöhle
Glans (penis) Eichel; vorderes Ende des Harnröhren-
schwellkörpers Fast track-Behandlung (engl.) schnelle Spur, beschleunigt;
Methode, die Therapie und Nachsorge so schnell und unbelastend wie möglich für den Patienten gestaltet
Glaukom Gruppe von Augenkrankheiten mit Schädigung der Papille und des Gesichtsfeldes mit Augeninnendruckerhöhung
Faszie gering dehnbare Hülle um Organe und Muskeln FCR M. flexor carpi radialis
Glycerol (auch Glycerin) 3-wertiger Alkohol; vielseitig verwendbare Substanz, u. a. als Feuchtigkeitsspender in Kosmetika
FCU M. flexor carpi ulnaris GPOH Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und HämaFibrin Endprodukt der Blutgerinnung; nicht wasserlös-
tologie
liches Protein gramnegativ Gram, dänischer Pharmakologe (1853– Fibrinolyse Fibrinspaltung; Auflösung eines Thrombus FNH fokale noduläre Hyperplasie; gutartige Raumforderung in der Leber
1938), erfand eine Methode, bestimmte Bakterien durch Färbung zu identifizieren; Färbung erscheint rot und weist auf E. coli hin grampositiv s. a. gramnegativ; Färbung erscheint blau und
follikulär hier: knötchenförmig
weist auf Staphylokokken hin
foudroyant plötzlich einsetzend
Hämangiom Blutschwamm; gutartiger Gefäßtumor
Fundoplicatio Methode zur Behandlung der Refluxkrankheit; dabei wird der Magenfundus als Manschette um den Mageneingang gelegt und mit einzelnen Nähten fixiert; dient der Refluxverhinderung
Hämodialyse auch »Blutwäsche«; künstliche Entfernung
Galea aponeurotica derbe Sehnenplatte, die mit der Kopf-
haut fest verwachsen ist und dem mimischen Ausdruck hilft (Hebung der Brauen etc.)
harnpflichtiger Substanzen aus dem Blut bei Nierenfunktionsstörung Hämorrhoiden krampfaderähnliche Erweiterung einzelner Abschnitte des Schwellkörpers im Übergang vom Rektum zum Anus Hämostase, hämostatisch Blutstillung, blutungsstillend
Gastrin in der Antrumschleimhaut gebildetes Hormon;
reguliert die Salzsäureausschüttung im Magen
Hämostyptikum Mittel zur Blutstillung (lokale Applikation)
GE hier: Gastroenterostomie; Anastomosierung zwischen Magen und Dünndarm unter Umgehung des Duodenums
HCG humanes Choriongonadotropin; auch Schwangerschaftshormon; in der Plazenta gebildetes Hormon, das
697 Glossar und Abkürzungsverzeichnis
die Umbildung des Gelbkörpers in den Schwangerschaftsgelbkörper bewirkt HD (engl.) »high definition«; hochauflösende Bildver-
I(O)TA hier: intraoperative transluminale Angioplastie;
Verfahren zur Erweiterung oder Wiedereröffnung von verengten oder verschlossenen Blutgefäßen mittels Ballondilatation oder anderer Verfahren
arbeitung i.c. hier: intrakapsulär HDI hier: Harnleiter-Darm-Implantation
ICR Interkostalraum, Zwischenrippenraum heterolog biologisch artfremdes Gewebe; s. a. homolog
ICS International Continence Society HF hier: Hochfrequenz
ID hier: Innendurchmesser HH hier: Hornhaut
Ileum Krummdarm, zwischen Jejunum und Caecum Hilum renale auch Nierenpforte; Ein- und Austrittspforte
für Nierengefäße und Harnleiter
IMF hier: intermaxilläre Fixation
HIT Heparin-induzierte Thrombopenie Typ II
Incus auch Amboss; Gehörknöchelchen
HLA (engl.) »human leukocyte antigen«
ING hier: Isotopennephrogramm; bei der Nierensequenzszintigraphie erhaltene Aufnahme
HLM hier: Herz-Lungen-Maschine
homolog biologisch artgleiches Gewebe; s. a. heterolog Homunkulus (lat.) »Menschlein«, künstlich geschaffener
Mensch HR-Arrosion Harnröhrenarrosion HTX Herztransplantation HWI Harnwegsinfekt HWS Halswirbelsäule hydrophil (griech.) wasserliebend Hydrozele Wasser-/Exsudatansammlung in einer se-
rösen, d. h. mit Serosa ausgekleideten Körperhöhle, z. B. H. testis Hyperämie besonders starke Durchblutung eines Organs
inguinal Leiste oder Leistengegend betreffend Inkarzeration Einklemmung eines Organs oder Körperteils Insufflation Einbringen, Einblasen von Gas oder pulver-
förmigen Stoffen in Körperhöhlen, Gewebespalten etc., z. B. Durchblasen der Eileiter zur Überprüfung der Durchgängigkeit Interponat interponieren = eingeschoben, zwischengesetzt; Brücke intraokular im Augapfel liegend IOL (engl.) »intraocular lens«; intraokulare Linse IOP (engl.) »intraocular pressure«; intraokularer Druck ITN Intubationsnarkose IVP intravenöses Pyelogramm; Röntgenaufnahmen von
oder Gewebes
Nieren, Ureter und Harnblase nach Injektion eines Kontrastmittels
hyperbar unter/mit Überdruck
Jejunum Leerdarm, zwischen Duodenum und Ileum
Hypopharynx unterste Schlundgegend über und hinter
Jet hier: schneller Luftstrahl zur Beatmung eines Pati-
dem Kehlkopf
enten
Hysterektomie (griech.) hystera = Gebärmutter; Uterusexstirpation; Entfernung der Gebärmutter
Jugulum auch Drosselgrube; Grube zwischen beiden
Schlüsselbeinen
698
Glossar und Abkürzungsverzeichnis
kalzifizieren verkalken, Kalke ablagern
Korium Lederhaut
Katabolie Abbaustoffwechsel in der Zelle, insbesondere des Eiweißes
krural (lat.) am Oberschenkel, den Oberschenkel betreffend
Katarakt auch »grauer Star«; angeborene oder erworbene
kryokonserviert Konservierung von biologischem Material durch Tieffrieren, meist mit Hilfe von Stickstoff
Linsentrübung KTS Karpaltunnelsyndrom K-Draht Kirschner-Draht Kugelspieß auch »gebremste Ahle«; Repositionshilfe mit KET hier: kultivierte epitheliale Transplantation; einem
Kugel dicht oberhalb der Spitze
Spender oder dem Patienten entnommene Spalthaut, die im Labor präpariert wird; separierte Hautzellen werden gezüchtet, um als Transplantat zu dienen
LA hier: Lokalanästhesie, auch Leitungsanästhesie
KG hier: Körpergewicht KHK koronare Herzkrankheit
LAD hier: left anterior descending artery, vordere absteigende Koronararterie Laminektomie operative Entfernung eines Wirbelbogens samt Dornfortsatz.
Kocher Emil Theoder K. (1841–1917); Schweizer Chirurg,
Nobelpreis für Medizin (Pathologie und Chirurgie der Schilddrüse)
Laparoskopie Bauchspiegelung; minimal invasives Ver-
fahren, bei dem mit Hilfe eines optischen Instruments Eingriffe innerhalb der Bauchhöhle vorgenommen werden
KOF hier: Körperoberfläche Laparotomie Eröffnung der Bauchhöhle Kollagen Strukturprotein des Bindegewebes, dient als
Stützgewebe
Laryngektomie Kehlkopfentfernung
Kolpokleisis operativer Scheidenverschluss, bei älteren, sexuell nicht mehr aktiven Frauen mit Descensus genitalis (Descensus uteri und Descensus vaginae; s. dort)
Laserkarbonisation Umbau von Eiweiß zu Kohlenstoff durch Hitze des Lasers
Kompartmentsyndrom Überdrucksyndrom in vorge-
formten Muskellogen, die von unnachgiebigen Faszien umhüllt sind; geschlossene und offene Frakturen können bei besonderer Gewalteinwirkung zu einem drohenden oder manifesten K. führen; durch örtlichen Gewebedruck und Störungen in der Blutzirkulation können Nerven und Muskeln rasch geschädigt werden; am häufigsten ist der Unterschenkel betroffen. Haut und Faszien müssen unverzüglich eröffnet werden Konchotomie Nasenmuschelkappung; Teilentfernung Na-
LASH hier: laparoskopisch assistierte suprazervikale Hysterektomie, bei der die Zervix belassen wird LAVH hier: laparoskopisch assistierte vaginale Hysterek-
tomie LC-DCP (engl.) »low contact dynamic compression plate«, eine Form der Osteosyntheseplatte LDH Laktatdehydrogenase; der Serumspiegel steigt in den ersten 24 h nach Myokardinfarkt stark an und fällt dann wieder ab
senmuschel kongenital angeboren, bei der Geburt vorhanden
LESS (engl.) »laparo-endoscopic single-site surgery«, laparoskopischer Zugang über einen einzigen Trokar mit zumeist 3 Ports
Konisation Entnahme eines Gewebekegels aus der Portio uteri zur histologischen Untersuchung oder zur Therapie von nichtinvasiven Neoplasien
LHRH (engl.) »luteinizing hormone-releasing hormone«
Köper spezielle Webtechnik
Ligamentum Band aus straffem Bindegewebe
(Gonadotropin freisetzendes Hormon)
699 Glossar und Abkürzungsverzeichnis
Ligamentum gastrocolicum Aufhängeband zwischen Ma-
MAKEI hier: MAligne KEImzelltumoren
gen und Kolon Malleus Hammer, mit dem Trommelfell verbundenes GeLigamentum gastrosplenicum Aufhängeband zwischen
hörknöchelchen
Magen und Milz Marfan-Syndrom genetisch bedingtes Syndrom mit ske-
Magen und Leber
lettalen, okulären und kardiovaskulären Fehlbildungen, u. a. auffällig lange schlanke Gliedmaßen, Bindegewebsschwäche
Ligamentum latum eine Bauchfellduplikatur, die von den Gebärmutterseitenbereichen zur seitlichen Beckenwand zieht
Marisken auch Analfalten; Hautzipfel der Perianalhaut,
Ligamentum hepatogastricum Aufhängeband zwischen
LIMA hier: linke innere Brustbeinschlagader, A. mammaria interna (engl. left internal Mammary Artery) LINAC hier: Linear accelerator, Linearbeschleuniger in der Radiotherapie Linea alba (lat.) weiße Linie; verläuft vom Xiphoid bis zur Symphyse, durch Verflechtung der Muskelaponeurosen
entsteht durch chronische Reizzustände Marsupialisation operative Technik zur Behandlung
von Zysten, die schlecht entfernt werden können, z. B. bei Bartholin-Abszess oder -Zyste; nach Eröffnung werden die Zysteninnen- bzw. Hohlraumränder an die Scheidenhaut genäht; es entsteht ein neuer Drüsenausführungsgang Mastektomie operative Entfernung der Brustdrüse und
angrenzender Gewebe Liquor cerebrospinalis Gehirn- und Rückenmarkflüssig-
keit
MCG Metakarpalgelenk, Handwurzelgelenk
LISS (engl.) »less invasive stabilisation system«, eine Form
MCP-Gelenk Metakarpophalangealgelenk
der Osteosynthese MCU Miktionszysturethrographie Lithotripsie medizinisches Verfahren zur Steinzertrüm-
merung LKG hier: Lippen Kiefer Gaumen
MCV hier: Miktionscystourethrogramm; Röntgenkontrastdarstellung der ableitenden Harnwege nach intravenöser Kontrastmittelgabe
Lobektomie Entfernung eines (Lungen-)Lappens
MDP hier: Magen-Darm Passage
LRLTX »living related« Lebertransplantation; ein kleiner Teil der Leber eines lebenden Spenders wird entnommen und sogleich transplantiert
Meckel Johann Friedrich Meckel von Helmsbach, Anatom
aus Halle (1781–1833), beschrieb die Ausstülpung am Dünndarm, ein Überbleibsel aus der Embryonalzeit, das M. Divertikel
LTX Lebertransplantation Mediastinum vorderer Brustraum, Mittelfellraum Lumpektomie (s. »wide excision«) Medulla spinalis Rückenmark, Teil des zentralen NervenLW hier: Lumbalwirbel LWK Lendenwirbelkörper
systems Mekonium auch »Kindspech«; erster Stuhlgang des Neu-
geborenen LWS Lendenwirbelsäule MEN hier: multiple endokrine Neoplasie; seltene, angeboLymphadenitis Entzündung/Schwellung der Lymphknoten
rene Erkrankungen mit Überfunktion mehrerer endokriner Organe
Lymphangitis Entzündung der Lymphbahnen, meist
durch Bakterien hervorgerufen
Meningen Hirnhäute
700
Glossar und Abkürzungsverzeichnis
und der Wirbelsäule, bei der das Rückenmark in die Meningen eingehüllt aus der Haut ragt
MRT Magnetresonanztomografie; bildgebendes Verfahren zur Darstellung von Strukturen im Inneren des Körpers durch magnetische Felder
MEP muskulär evozierte Potenziale
MS multiple Sklerose
Mesokolon Gekröse, mit dem der Dickdarm an der hin-
MTP-Gelenk Metatarsophalangealgelenk
Meningomyelozele angeborener Defekt des Neuralrohrs
teren Bauchwand befestigt ist Mukosa (lat.) Schleimhaut; Schutzschicht, die das Innere Metaphyse Übergang eines Röhrenkochens von der Dia-
von Hohlorganen auskleidet
physe zur gelenkbildenden Epiphyse Mydriasis Weitstellung der Pupille, z. B. in der DämmeMHK hier: Mittelhandknochen
rung, bei seelischer Erregung oder Schmerzen
MIC hier: Minimal Invasive Chirurgie
Myom hier: gutartige Geschwulst der glatten Gebärmut-
termuskulatur Miktion (lat.) das Wasserlassen
NANB Non-A-non-B-Hepatitis Miosis Verengung der Pupille Mitralklappe Klappe (Ventil) zwischen Vorhof und Herz-
Nasopharynx Nasenrachenraum; oberer Teil der Rachenhöhle hinter der Nasenhöhle
kammer links Nates beide Gesäßhälften MIVAT minimal-invasive videoassistierte Thyreoidektomie
Nd:YAG-Laser Neodym-dotierter Yttrium-AluminiumMKG hier: Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie
Granat-Laser
MMC Myelomeningozele, s. a. Meningomyelozele
Nd-Yag Neodym-Yttrium-Aluminium-Granat; Kristall, das
als aktives Medium in einem Nd:YAG-Laser verwendet wird monopolarer Strom hochfrequenter Strom; wird über
eine sterile Handelektrode angewendet und über eine unsterile Dispersionselektrode abgeleitet Morbus Ollier auch Ollier Erkrankung; angeborene Ske-
letterkrankung mit zahlreichen Enchondromen (vom Knorpel ausgehende Tumoren); befallen die Enden langer Röhrenknochen und zerstören die Wachstumsfugen, daraus resultieren große Längendifferenzen der betroffenen Extremitäten
NEC nekrotisierende Enterokolitis; entzündliche Erkrankung des Gastrointestinaltraktes von Frühgeborenen (meist mit einem Geburtsgewicht unter 1500 Gramm), betrifft typischerweise das Ileum, das Coecum und das Colon; Ursache evtl. aerobe, anaerobe Bakterien sowie Viren Neck dissection Ausräumung der Halslymphknoten und Entfernung von Muskel- und Gefäßstrukturen nEERPE nerverhaltende endoskopisch extraperitoneale ra-
Morcellement operatives Zerstückeln von Gewebe oder
eines Organs, z. B. Gebärmutter, das zum Entfernen als Ganzes zu groß ist
dikale Prostatektomie
morphologisch (griech.) die Gestalt betreffend
Nekrotomie Entfernung von abgestorbenem Gewebe, eigentlich: Ausscheidung eines abgestorbenen Knochenstücks
MPG Medizinproduktegesetz
Neoplasie Neubildung von Körpergewebe
MRCP Magnetresonanzcholangio- und pankreatikographie; nichtinvasive Methode zur Darstellung des Gallengangsystems und des Ductus pankreaticus, überlagerungsfrei und ohne Anwendung von Röntgenstrahlen
Neurocranium; Neurokranium Gehirnschädel; Teil des Schädels, der das Gehirn bedeckt Neurotoxin Gift, das speziell auf Nervenzellen bzw. Nervengewebe einwirkt
701 Glossar und Abkürzungsverzeichnis
NH hier: Netzhaut
Ösophagojejunostomie Anastomose, d. h. operativ herge-
stellte Verbindung, zwischen Ösophagus und Jejunum NID auch IND, hier: neuronale intestinale Dysplasie; Stö-
rung der neuronalen Strukturen der Darmwand
Osteomalazie Knochenerweichung, unzureichende Mi-
NMR nuclear magnetic resonance = kernmagnetische Re-
neralisierung der Knochengrundsubstanz; ist als Stoffwechselstörung im Erwachsenenalter das Gegenstück zur kindlichen Rachitis
sonanz; Kernresonanzspektroskopie; findet medizinisch Verwendung in der Kernspintomografie NOTES (engl.) »natural orifice translumenal endoscopic
Osteopenie Minderung der Knochendichte, Vorstufe der Osteoporose
surgery«; endoskopischer Zugang zum Erfolgsorgan über natürliche Körperöffnungen
Ostium (lat.) Öffnung, Mündung
NPL Neoplasma; Neubildung, Tumor; können jede Art
OTA Operationstechnischer Assistent
von Gewebe betreffen, benigne oder maligne sein Oxygenator medizinisches Gerät, um Blut mit Sauerstoff NWTS National Wilms Tumor Study; nordamerikanische
Studie zum Wilms-Tumor bzw. Nephroblastom
anzureichern und Kohlendioxid aus dem Blut zu entfernen; in der Herzchirurgie Teil der Herz-Lungen-Maschine
OAT-Syndrom Oligo-Astheno-Teratozoospermie-Syndrom; verminderte Spermienzahl, mit verändertem Aussehen und verlangsamt; häufigste Fertilitätsstörung beim Mann
palliativ (lat.) mildernd, lindernd; therapeutische Maß-
OCR hier: okulokardialer Reflex; Vagusreaktion auf Bulbusdruck oder Zug am Muskel mit Bradykardie und/oder Rhythmusstörungen
Pankreatitis Entzündung der Bauchspeicheldrüse, akut
nahmen, die nicht der Heilung der Krankheit dienen, sondern lindernd wirken
oder chronisch Papille kleine Erhebung; auch: Austrittstelle des Seh-
Okklusion (lat.) Verschluss; hier: das Verhältnis der Zähne
nerven aus dem Augapfel
zueinander bei geschlossenem Kiefer Parametrium unterhalb des Peritoneum gelegenes BeOLTX orthotope Lebertransplantation Omentum majus auch: großes Netz; Bauchfellfalte, die wie eine Schürze den Darm schützt
ckenbindegewebe, welches von der Beckenwand zur Zervix zieht und diese seitlich umschließt; in ihm verlaufen u. a. die Harnleiter, Blut- und Lymphgefäße Parazentese auch: Myringotomie; Inzision des Trommel-
Omentum minus auch: kleines Netz; schützt die kleine
fells
Kurvatur des Magens und die Leber PASA proximaler Artikulations-Set-Angle OMIT offen minimal-invasive Thyreoidektomie Patch (engl.) Flicken OPSI (engl.) »overwhelming postsplenectomy infection
syndrome«
pAVK periphere arterielle Verschlusskrankheit
Oropharynx Mundrachenraum; Rachenraum direkt hinter dem Schlund
PCN hier: perkutane Katheter-Nephrostomie, auch:
orthograd in physiologischer Richtung verlaufend durch-
perkutane Nephrostomie; perkutane Ableitung des Urins aus dem Nierenbecken durch einen NephrostomieKatheter
geführt PDA hier: persistierender Ductus arteriosus; postpartale OSG oberes Sprunggelenk Ösophagogastrostomie Anastomose, d. h. operativ hergestellte Verbindung, zwischen Ösophagus und Magen
fehlerhafte Verbindung von Hauptschlagader mit Lungenschlagader PDS Polydioxanon
702
Glossar und Abkürzungsverzeichnis
PE hier: Prostatektomie; Entfernung der Prostata; auch Probeexzision; Ausschneiden einer Gewebeprobe zu diagnostischen Zwecken Pedikel anatomisch: Füßchen, Stiel, stielartige Struktur, gestielter Anhang PEEP Positive Endexpiratory Pressure; positiver Ausatmungsdruck, u. a. zur Beseitigung von Sekretstau bei Patienten
PPHN persistierende pulmonale Hypertonie des Neugeborenen; Lungenhochdruck bei Neugeborenen aufgrund einer starken Verengung der pulmonalen Blutgefäße PPPD (engl.) »pylorus preserving pancreaticoduodenectomy«; partielle Duodenopankreatektomie ppV pars-plana-Vitrektomie; operative Entfernung des Glaskörpers aus dem Augeninneren
PEG perkutane endoskopische Gastrostomie; endoskopisch angelegter direkter Zugang zum Magen durch die Bauchwand
Präputium Vorhaut
Perforation Einriss oder Durchbruch eines Organs
Prodromalstadium Vorläuferstadium, in dem die ersten Frühsymptome einer Erkrankung auftreten
PRIND prolongiertes reversibles ischämisches Defizit
Perikard Herzbeutel PFN proximaler Femurnagel
Prolaps Vorfall eines Organs oder Gewebes durch eine natürliche Körperöffnung
Phagozyten Fresszellen; nehmen belebte oder unbelebte
Protrusion Vorstehen, Vortreten, Herausragen
Gewebs- oder andere Teile auf und verdauen sie PRT periradikuläre Therapie Phakoemulsifikation Ultraschallzertrümmerung und Ab-
saugung des Linsenkerns
PSA prostataspezifisches Antigen; Tumormarker für die Diagnose des Prostatakarzinoms
Phlebitis Venenentzündung Phlegmone sich diffus ausbreitende eitrige Entzündung
PSARP posteriore sagittale Anorektoplastik; operative Behandlungsmöglichkeit bei Analatresie (s. dort)
des interstitiellen Bindegewebes Pseudarthrose Scheingelenk; wenn die Fraktur oder OstePia mater weiche Hirnhaut; innerste Schicht, bedeckt Ge-
otomie nach sechs Monaten nicht verheilt ist
hirn und Rückenmark Pseudozyste sog. Scheinzyste, nicht mit Epithel ausgekleiPIP-Gelenk proximales Interphalangealgelenk
dete Zyste
Platysma (lat.) Hautmuskel des Halses
PTA perkutane transluminale Angioplastie; Verfahren zur Erweiterung oder Wiedereröffnung verengter oder verschlossener Blutgefäße mittels Ballondilatation oder anderer Verfahren:
Pleura Brustfell PNET primitiv neuroektodermale Tumoren
PTC perkutane transhepatische Cholangiographie; bildgePneumonektomie operative Entfernung eines Lungen-
flügels
bendes Verfahren, bei dem durch Punktion der Leber Röntgenkontrastmittel in das Gallenwegsystem eingebracht wird
Pneumoperitoneum Luft-/Gasansammlung in der Bauchhöhle; pathologisch nach Perforation im Magen-DarmTrakt; diagnostisch im Rahmen einer Laparoskopie
PTCA perkutane transluminale koronare Angioplastie; Verfahren zur Erweiterung verengter Koronararterien:
PNS hier: peripheres Nervensystem
PTFE Polytetrafluorethylen (Teflon)
Port Reservoir aus Kunststoff oder Titan
PVC Polyvinylchlorid
703 Glossar und Abkürzungsverzeichnis
Pyloroplastik operative Erweiterung des Magenausganges
RRP radikale retropubische Prostatektomie
Pylorus Magenausgang
s.c. hier: subkonjunktival; auch; subkutan
Radialkraft auch: Fliehkraft; physikalische Kraft, die an
SAB Subarachnoidalblutung
einem Körper angreift, der sich auf einer kreisförmigen Bahn bewegt
Schleuse hier: Kunststoffkanüle mit hämostatischem Ventil
Raphe Naht, Verwachsungsnaht; entwicklungsbedingte Naht am Skrotum
Sectio caesarea Schnittentbindung, Kaiserschnitt Sentinel-Node-Biopsie (SNB) auch: Wächterlymphknoten-
RDG Reinigungs- und Desinfektionsgerät Reflux Rückfluss Rektozele Absenken des Enddarms in die Scheide durch
Erschlaffung der hinteren Scheidenwand REO-Virus respiratory enteric orphan virus; verursacht
v. a. Infektionen des Respirations- und Intestinaltrakts RET (engl.) »rearranged during transfection«; ein Gen, das
für die Entstehung des M. Hirschsprung mit verantwortlich ist retrograd von hinten her, örtlich/zeitlich zurückliegend,
rückläufig retrokolisch hinter dem Kolon gelegen RF Radiofrequenz RIMA right internal mammary artery, rechte innere Brust-
beinschlagader Ringstripper ringförmiges Metallinstrument zum Entfer-
nen der Vena saphena magna und zur TEA (s. dort) RKI Robert Koch Institut
biopsie; Biopsie des ersten Lymphknoten im Lymphabfluss eines Mammakarzinoms; wird er selektiv entfernt und ist er tumorfrei, kann ggf. auf die axilläre Lymphonodektomie verzichtet werden SEP somatisch evozierte Potenziale, auch: sensibel evo-
zierte Potenziale Serom Ansammlung von Blutserum oder Lymphflüssig-
keit im Gewebe Shaver hier: arthroskopisches Fräsgerät zur Glättung un-
ebener Knorpel und Knochen SHT Schädel-Hirn-Trauma Shunt Verbindung zwischen zwei üblicherweise ge-
trennten Hohlräumen SIAS Spina iliaca anterior superior SILS (engl.) »single incision laparoscopic surgery«; laparo-
skopischer Zugang über einen einzelnen Trokar, der mindestens 3 Ports enthält Sinus paranasales Nasennebenhöhlen
RLA radikale Lymphadenektomie
Sinus pilonidalis auch: Steißbeinfistel; durch eingewachsene Haare verursachte Entzündung in der Gesäßfalte
RLTA Raumluft Technische Anlagen; Klimaanlage
SL-Band Band zwischen Mondbein (Os lunatum) und
Kahnbein (Os scaphoideum) RM Risikomanagement SLTX Split- oder Segmenttransplantation, TeiltransplantaROM (engl.) »range of motion«; eine Schiene, bei der die
tion einer Leber
Grenzen der Beweglichkeit eines Gelenkes eingestellt werden. Passives Training nach einer Gelenkoperation.
SOP (engl.) »standard operating procedure«; eine schrift-
liche Arbeitsanweisung, die einen Arbeitsablauf definiert RöV Röntgenverordnung SOX (engl.) »sex determining region box«; ein Gen, das RPE retinales Pigmentepithel; enthält Melanosomen, die
als Lichtfilter wirken
mit für die Geschlechtsbestimmung eines Embryos verantwortlich ist
704
Glossar und Abkürzungsverzeichnis
SPV Selektive proximale Vagotomie; operative Maßnahme
bei chronischen Zwölffingerdarmgeschwüren; Nervenfasern werden so durchtrennt, dass Magenfundus und Magenkorpus denerviert sind
TEP totale extraperitoneale Patchplastik; Einbringen eines Kunststoffnetzes über minimalinvasive Zugänge ohne Eröffnung des Peritoneums zur Hernienreparatur TEP totale extraperitoneale Plastik bzw. Totalendoprthese
SSEP somatosensorisch evozierte Potenziale
(je nach Zusammenhang)
SSL Steinschnittlage
TEPT »transanal endorectal pull through«
SSW Schwangerschaftswoche
Testis Hoden
Stapes Steigbügel; ein Gehörknöchelchen
TFCC (engl.) »triangular fibro cartilage complex«
Stent (engl.) ursprünglich Abstützung im Bergbau; hier
Thorakotomie Eröffnung des Brustraumes
medizinisches Implantat, um Gefäße abzustützen; Gefäßstütze
THP Tonsillenhyperplasie
Sternotomie Durchtrennung des Brustbeines
Thrombozytenaggregation Zusammenballung der Throm-
bozyten Strabismus Schielen
Thyreostatika Substanzen, die die Sekretion der Schild-
STT Os scaphoid, Os trapezium, Os trapezoideum
drüsenhormone hemmen
Subdurales Hämatom Bluterguss unter der harten Hirn-
TIA transitorisch ischämische Attacke
haut zwischen Dura mater und Arachnoidea Superinfektion bakterielle Infektion auf dem Boden eines
viralen Infekts SW hier: Sakralwirbel T3 Trijodthyronin T4 Thyroxin TAAA thorakoabdominales Aortenaneurysma TAPP transabdominale präperitioneale Patchimplantation
zur Versorgung einer Leistenhernie TAVI (engl.) »transcatheter aortic valve implantation«
TIN testikuläre intraepitheliale Neoplasie TIP Tubularisierte (median) inzidierte Urethraplastik TLH totale laparoskopische Hysterektomie; Entfernung der Gebärmutter mittels Laparoskop TMT-Gelenk Tarsometatarsalgelenk TNM Stadiumeinteilung maligner Tumoren; T= Tumor,
N= Nodus (Lymphknoten), M=Metastase Tonsillektomie Entfernung der Gaumenmandeln; s. a.
Adenotomie Tracheotomie Eröffnung der Luftröhre zur Beatmung
(transapikaler Aortenklappenersatz)
TRBA 250 eine Verordnung der Berufsgenossenschaft für
TBNA (engl.) »transbronchial needle aspiration«
Gesundheitswesen und Wohlfahrtspflege bezüglich biologischer Arbeitsstoffe
TCT Thorax-CT TE hier: Tonsillektomie; s. dort
Treitz-Band bindegewebiges Halteband, das die Flexura duodenojejunalis in ihrer Form hält Trepanation Eröffnung des knöchernen Schädels mittels
TEA hier: Thrombendarteriektomie; operative Entfernung
Schädelbohrer (Trepan)
eines arteriellen Thrombus mit Ausschälung der Gefäßinnenwand
Trigonum Dreieck
705 Glossar und Abkürzungsverzeichnis
Trikuspidalklappe aus drei Segelklappen bestehende Herzklappe zwischen rechtem Vorhof und rechter Kammer Trokar Instrument zum Punktieren oder Perforieren eines Körpers; ein dreikantiger scharfer oder rund-spitzer Mandrin in einer passenden runden Hülle; nach Einstechen in den Körper wird der Mandrin entfernt
Varisierung operative Verkleinerung eines zu großen Schenkelhalswinkels (CCD) oder Korrektur einer schrägen (valgischen) Kniebasislinie im suprakondylären Femur VATS video assisted thoracoscopic surgery, Video-assi-
stierte thorakoskopische Sympathektomie, d. h. der operativen Durchtrennung einzelner Ganglien des sympathischen Nervensystems
TSH thyreoideastimulierendes Hormon VCI Vena cava inferior TUMT transurethrale Mikrowellenthermie VCS Vena cava superior TUNA transurethrale Nadelablation Ventrikel Hohlraum; hier: im Gehirn zur Sammlung des Tunica albuginea derbe weiße Haut, die dem Hodenpar-
Liquor
enchym direkt aufliegt VEP visuell evozierte Potenziale TUR–B Transurethrale Resektion der Blase Vertex Scheitel, der höchste Punkt des Schädels TUR–P Transurethrale Resektion der Prostata Vibrissae Schutzhärchen im Nasenvorhof TVO totale vaskuläre Okklusion Visus Sehschärfe TVT (engl.) »tension free vaginal tape«; operative Möglich-
keit bei Inkontinenz mit einem locker eingelegten Netzband den Harnblasenhals anzuheben, um so den Verschlussmechanismus der Harnröhre wiederherzustellen; eine weitere Methode ist die TVTO, bei der das Netzband durch das Foramen obturatum geführt wird
Viszerokranium Gesichtsschädel VSD Ventrikel-Septum Defekt; Loch in der Herzscheide-
wand WAGR-Syndrom
Tympanoplastik Deckung eines Trommelfelldefektes UFN ungebohrter Femurnagel Ultraschall für den Menschen nicht hörbare Schallwellen im Bereich zwischen 20KHz und 1GHz URS Ulnarisrinnensyndrom
Wilms-Tumor, Aniridie, urogenitale Fehlbildungen, geistige Retardierung Wertheim-Meigs-Operation Radikaloperation bei operablem
Zervixkarzinom; Entfernung des Uterus und der Adnexe mit dem parametranen Bindegewebe, dem oberen Scheidenanteil und des regionären Lymphknotenfettgewebes
USG unteres Sprunggelenk wide excision auch Lumpektomie; brusterhaltende OperaUSP United States Pharmacopeia VACTERL V. fasst die möglichen Fehlbildungen eines Symp-
toms zusammen: »vertebral, anal, cardial, tracheal, esophageal, renal, limb« Anomalien; weist ein Kind mindestens 3 dieser Fehlbildungen auf, zählt es zur Gruppe der Kinder mit V.-Assoziation
tion beim Mammakarzinom; Entfernung des Tumors, des umgebenden Fettgewebes sowie der darüber liegenden Haut Xiphoid, Processus xiphoideus Schwertfortsatz des Ster-
nums (Brustbein) zervikofazial vom Hals bis zum Bereich des vom N. facia-
Valgisierung operative Korrektur eines zu kleinen Schenkel-
lis innervierten Areals
halswinkels (CCD) oder eines O-Knies im Schienbeinkopf Zisterne Flüssigkeitsreservoir; im Zentralnervensystem Varikozele krankhafte Erweiterung einer Vene, Varize
eine lokale Erweiterung, die mit Liquor gefüllt ist
706
Glossar und Abkürzungsverzeichnis
ZNS zentrales Nervensystem ZSVA zentrale Sterilgutversorgungsabteilung ZVK zentraler Venenkatheter; wird in das Venensystem eingeführt und liegt in der oberen oder unteren Hohlvene vor dem rechten Vorhof Zystozele durch Erschlaffung der vorderen Scheidenwand kommt es zum Absenken der Harnblase in die Scheide
Literatur
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Herstellerverzeichnis
M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
714
Herstellerverzeichnis
Aesculap AG
Ethicon GmbH
Am Aesculap-Platz 78532 Tuttlingen
Endo Surgery Deutschland Hummelsbütteler Steindamm 71 22851 Norderstedt
Pharm Allergan GmbH
Pforzheimer Str. 160 76275 Ettlingen AMS – American Medical Systems
10700 Bren Road West Minnetonka, MN. 55343, USA CalMed
California Medical Laboratories 1570 Sunland Lane Costa Mesa, CA 92626, USA
Ethicon GmbH
Abt. Codman Oststr. 1 22844 Norderstedt Ethicon GmbH
Gynecare Division Oststr. 1 22844 Norderstedt Fa. Geister Medizintechnik GmbH
Cardiomedical GmbH
Föhrenstr. 2 78532 Tuttlingen
Industriestr. 3 30855 Langenhagen
Genzyme GmbH
Covidien Deutschland GmbH
Siemensstr. 5b 63263 Neu-Isenburg
Gewerbepark 1 93333 Neustadt
Impella Cardiotechnik AG
Cordis Johnson & Johnson
Neuenhoferweg 3 52074 Aachen
Endovascular Elisabeth-Selbert-Str. 4a 40244 Langenfeld
Intromed Medizintechnik GmbH
Bahnhofstr. 1 15745 Wildau
CryoLife Europa Ltd
Standard Way Fareham Hampshire PO16 8XT United Kingdom
Intuitive Surgical, Inc.
1266 Kifer Road, Building 101 Sunnyvale, CA 94086-5304, USA Jostra AG
DePuy Orthopädie GmbH
Konrad-Zuse-Str. 19 66459 Kirkel-Limbach
Hechinger Str. 38 72145 Hirrlingen Krauth medical KG
DePuy spine
Konrad-Zuse-Str. 19 66459 Kirkel-Limbach
Wandsbeker Königstr. 27–29 22041 Hamburg LeMaitre Vascular GmbH
Edwards Lifesciences Germany
Otto-Volger-Str. 5 65843 Sulzbach
GmbH Edisonstr. 3–4 85716 Unterschleißheim
Waldemar Link GmbH & Co
Ethicon GmbH
Postfach 630552 22315 Hamburg
Robert-Koch-Str. 1 22851 Norderstedt
715 Herstellerverzeichnis
Linvatec Deutschland GmbH
Pilling Weck GmbH
Frankfurter Str. 74 64521 Groß-Gerau
Oberer Röderweg 13 63791 Karlstein
Lohmann & Rauscher GmbH & Co. KG
Plus Orthopedics GmbH
Irlicher Str. 55 56567 Neuwied
s. Smith & Nephew
Gebr. Martin GmbH
Willy-Rüsch-Str. 4–10 71835 Kernen-Rommelshausen
Rüsch GmbH
Ludwigstaler Str. 132 78532 Tuttlingen
Smith & Nephew Mathys Osteosynthese GmbH
Am Bergbaumuseum 31 44791 Bochum
Mainstr. 2 45768 Marl St. Jude Medical GmbH
MedArtis GmbH
Im Gansacker 10 79224 Umkrich
Marienbergstr. 82 90411 Nürnberg Stöckert
Medtronic GmbH
Am Seestern 3 40547 Düsseldorf
Lindberghstr. 25 80939 München Karl Storz GmbH & Co. KG
Mondeal Medical Systems GmbH
Molkestr. 39 78532 Tuttlingen
Mittelstr. 8 78532 Tuttlingen Stryker Howmedica GmbH
oeka medizintechnik GmbH & Co. KG
Dellwendung 3 28844 Weyhe
Gewerbe-Allee 17 45478 Mülheim Stryker GmbH & Co. KG
Olympus Deutschland GmbH
Kühnstr. 61 22045 Hamburg
Dr.-Homer-Stryker-Platz 1 47228 Duisburg Synthes GmbH & Co. KG
Ohmeda
Im Kirchenhürstle 4–6 79224 Umkirch
GE Healthcare Oskar-Schlemmer-Str. 11 80807 München
Teleflex Medical Tuttlingen GmbH
Ortho-Aktiv
Gänsäcker 36 78532 Tuttlingen
s. Smith & Nephew Terumo Europe Panoview
Siemensstr. 1 46325 Borken
Postbus 297 2700 AG Zoetermeer Niederlande
Ulrich GmbH & Co. KG
Dr. Osypka GmbH Medizintechnik
Buchbrunnenweg 12 89081 Ulm
Gottlieb-Daimler-Str. 5 79618 Rheinfelden-Herten
716
Herstellerverzeichnis
WISAP GmbH
Rudolf Diesel Ring 20 82054 Sauerland Richard Wolf GmbH
Pforzheimer Str. 32 75438 Knittlingen Zeppelin Medical Instruments Ltd.
Gartenstr. 17 82049 Pullach
Stichwortverzeichnis
M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
720
Stichwortverzeichnis
A Abdeckung – Brandverletzung 683 – Material 7 – Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie 550 – Neurochirurgie 508 – Ophthalmologie 667 Abkürzungen 692 Ablatio testis 453 Abortkürettage 392 Abrasio 392 – fraktionierte 392 Abszess – epiduraler 529, 538 – Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie 561 Abziehnadel 19 ACG (Akromioklavikulargelenk) 205 ACVB (aortokoronarer Venenbypass) 342 Adenotomie 566, 572 Adhäsiolyse, laparoskopische 147 Adipositaschirurgie 152 Adnexe 407 Adnexexstirpation 418 Adrenalektomie – laparoskopische 149 – retroperitoneale 150 – transperitoneale 149 AdVance-Band 484 Adventitia 282 Aganglionose 606, 614 Agenesie, anorektale 611 Akromioklavikulargelenk (ACG) 205 Akustikusneurinom 519 Alveolarfortsatz 553 Amnion – Amnionflüssigkeit 625 – Omphalozele 623 Amputation 305 Analfissur 129 Analkarzinom 121 Anastomose – Anlage, laparoskopische 152 – biliodigestive 98, 619 – Instrumentarium 43 – Insuffizienz 121 – Krückstockanastomose 76 – Stapler 118 Aneurysma 268 – Clipping 510, 526 – Coiling 526 – dissecans 283 – infrarenales 301 – intrakranielles 516, 525 – pararenales 301 – spurium 283 – suprarenales 301 – verum 283 Aneurysmablutung, intrakranielle 525 Aneurysmawand 302 Aneurysmektomie 347 Angina pectoris 281 Angiographie 278
– Neurochirurgie 516, 528 – retrograde 288 Angiom, zerebrales 525, 527 Anomalie – angeborene (Kinderchirurgie) 585 – anorektale 610 Anorektoplastik 613 Anti-Trendelenburg-Lagerung 6, 141, 156, 280, 310, 451 Antirefluxplastik – extravesikale 472 – transvesikale 472 Anuloplastiering 359 Anus praeternaturalis – doppelläufiger 114 – endständiger 115 – Rückverlagerung 115 AO (Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen) 164 Aorta – abdominalis 301 – ascendens 302, 339, 350, 361 – descendens 302, 361, 363 – thorakale 289 Aortenaneurysma 361 Aortenbogen 302, 363 Aortenisthmusstenose 368 Aortenklappe 348 – gestentete 349 – Homograft 349 – Materialien 349 – Rekonstruktion 350 Aortenklappenersatz 352 Aortenklappenstenose 349 Aortenklemme 302 Aortenrohrprothese 351 Aortenwurzelkatheter 339 Aortotomie 354 Apex prostatae 460 Aphasie – Hirntumor 518 – motorische 503 – sensorische 502 Apoplex 281, 525, 529 Appendektomie 103 – laparoskopische 143 Appendix 102 Appendizitis 102 Approximator 253 Arachnitis spinalis 538 Arachnoidea 503 Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO) 164 ARM (Malformation, anorektale) 612 Arnold-Chiari-Malformation 650 Arterie 266 – A. carotis 285 – A. cerebri media. 527 – A. femoralis 280, 354 – A. femoralis communis 287 – A. femoralis superficialis 281, 295 – A. gastrica dextra 66 – A. gastrica sinistra 66
– A. hepatica communis 619 – A. iliaca 279 – A. iliaca externa 295 – A. iliaca interna 105 – A. mammaria 344 – A. mesenterica inferior 105, 302 – A. mesenterica superior 105 – A. ovarica 383, 385 – A. poplitea 296 – A. profunda femoris 295 – A. pulmonalis 354, 377 – A. thyreoidea inferior 46 – A. thyreoidea superior 46 Arteriosklerose 266 Arteriotomie 281, 291 Arthrodese – Handgelenk 262 – OSG (oberes Sprunggelenk) 236, 237 – PIP-Gelenk (proximales Interphalangealgelenk) 242 Arthrose, Handgelenk 261 Arthroskopie – Handgelenk 258, 260 – Knie 225, 226 Aryknorpel 573 Astrozytom 518 Atresie 603 Augapfel 666 Auge (7 auch Ophthalmologie) – Anatomie 666 – Hornhautspende 690 – Jochbeinfraktur 558 – Operationen 667, 670 Augeninnendruck 673 Augentropfen 669 AV-Block 374 AV-Fistel 315 AV-Shunt 312
B Ballonkyphoplastie 544 Ballonpumpe, intraaortale 376 Bänderausriss 254 Bandruptur 253 Bandscheibe 199 – Anatomie 505 – Erkrankungen 538 – Instrumentarium 510 – Vorfall 538, 540 Barrett-Ösophagus 62 Bartholin-Abszess 391 Bauchaorta 290 Bauchdeckenrahmen, Kirschner 41 Bauchspeicheldrüse 7 Pankreas Bauchwanddefekt 625, 646 Bauhin-Klappe 100 Beach-Chair-Lagerung 386 Beckenboden 127 Beckenbodenchirurgie 388 Beckenfraktur 203 Beckenkammspan 555 Beckenvenenthrombose 373
721 Stichwortverzeichnis
Beinahe-Ereignis 13 Belastungsinkontinenz 402, 478 Bergesack 144 Beschneidung 639 β-HCG 414 Beugesehnentrauma 252 Billroth I 70 Billroth II 72, 100 Bilobektomie 327 Bissanomalie 561 Bizepssehne 231 Blase 435, 467 – Reizblase 388, 404 – Schrittmacher 405 – Tumor 434 Blasen-Scheiden-Fistel 480 Blasenekstrophie 646 Blasenersatzplastik 477 Blasenhals 467 Blasenkarzinom 468 Blasenkatheter, suprapubischer 425 Blasenperitoneum 408 Blasensteine 456, 468 Blasenverschluss 648 Bleischürze 168 Blinddarm 7 Appendix Blow-out-fracture 579 Blutleere 168, 246 Blutsperre 168 Blutvolumen, Kind 584 Boari-Plastik 471, 473 Bochdalek-Hernie 593 Bohrbüchse 177 Bohrer 175 Bohrlochtrepanation 535, 536 Bohrmaschine 173 Botox 405 – Harnblase 388 BPH (benigne Prostatahyperplasie) 428, 431, 456 Brachialgie 541 Brandverletzung 680 – Operationen 683 – Schweregrade 680 – Verlauf 685 Braun-Fußpunktanastomose 72, 100 Bronchialsystem 326 Bronchoskopie 323, 329 Bronchus 326 Bronchusstumpf 327 Bruchinhalt 627 Bruchpforte 627 Bruchpfortenverschluss 52 – Bassini, Verfahren nach 53 – Lichtenstein, Verfahren nach 54 – Shouldice, Verfahren nach 53 Bruchsack 627 Brustdrüse 7 Mamma 419 Bülau-Drainage 26 – Wasserschloss 27 Bulbusextraktion 677 Bulkamid 404 Burch-Operation 403
Bypass 275, 282 – axillofemoraler 299 – Bypassoperation 372 – in situ 298
C Carbontisch 279 Cardiac Index 586 Carotisshunt 294 Cauda equina 499 Cavum Retzii 404, 458 Cerclage 394 Cerclagedraht 173, 209, 222 Charrière 24, 430 Chemotherapie, Shuntchirurgie 313 Chipkamera 135 Cholangiographie 83, 619 Choledochusrevision 83 Cholelithiasis 81 Cholesteatom 580 Cholezystektomie – klassische 81 – laparoskopische 81, 141 Chordektomie 642, 644 Circulus arteriosus Willisii 294, 505, 525 CIRS (Critical Incident Reporting System) 13 Clipapplikator 138 Clipzange 137 CO2 7 Kohlendioxid Colitis ulcerosa 114, 123 Colon transversum, Resektion 110 Computertomographie, Neurochirurgie 516 Contour-Stapler 45 Critical Incident Reporting System (CIRS) 13 Cross-Match-Test 690 CT, Neurochirurgie 516
D Dakryozystorhinostomie 671 Darmklemme 41 Darmwandnekrose 616 Datenschutzgesetz 10 Dauerspülkatheter 435, 458 Daumendistorsion 250 Da Vinci-System 463 Da Vinci-Trokar 465 DCP (dynamic compression plate) 177, 179 Debranching 305 Débridement, Brandverletzung 681, 685 Defibrillator 375 Dekortikation 330 Dekubitusprophylaxe 5 Demers-Katheter 312 Denonvillier-Faszie 460 de Quervain, Tendovaginitis 257 Dermatom 682, 683 Dermoid 520 Desobliteration 281
Descensus genitalis 397 Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) 688 DHS (dynamische Hüftschraube) 186, 210 Diagnoseschlüssel 11 Dialyse 312 Diamantmesser 554 Diaphanoskopie 101, 630 Diaphyse 162 Diastole 376 Dickdarm 105 Dickdarmpassagestörung 606 Dilatation 283, 285 Dilatationskatheter 286 Discus intervertebralis – Anatomie 505 – Erkrankungen 538 – Instrumentarium 510 – Vorfall 538, 540 Dissektion 277 Dissektionszange 139 Dissektor 281 Divertikel 121 Divertikulitis 121 Divertikulose 121 DJ-Schiene 438, 439 Dokumentation – ärztliche 10 – elektronische 9 – Grundlagen 8 – Lagerung 5 – Organentnahme zur Transplantation 690 – Systeme 9 Doppel-J-Schiene 430, 438, 439 Dopplersonographie 513 Douglas-Raum 395, 417 Drahtextension 165 Drainage 24 – Formen 24 – Komplikationen 28 – Kurzzeitdrainage 24 – Materialien 24 Dranginkontinenz 405 Drehschwindel 541 Drittelrohrplatte 180 DSO (Deutsche Stiftung Organtransplantation) 688 Ductus arteriosus Botalli 368, 591 Ductus choledochus 81, 621 Ductus cysticus 80 Ductus deferens 425, 448, 636 Ductus hepaticus communis 81 Ductus nasolacrimalis 671 Ductus Wirsungianus 94 Dünndarmresektion 101 Duodenalblindverschluss 72 Duodenalstumpf 71 Duodeno-Duodenostomie 604 Duodeno-Pankreatektomie 96 Duodenotomie 603 Duokopfendoprothese 187, 217 Dupuytren-Erkrankung 254
A–D
722
Stichwortverzeichnis
Dura 513 – Eröffnung 515 – Ersatz 523 – Erweiterungsplastik 535 – Verletzung 532 Durahäkchen 508 Durchleuchtungstisch 277 dynamic compression plate (DCP) 177, 179 Dynamisierung 198
E Easy-flow-Drainage 27 Echinococcus granulosus 87 Echinococcus multilocularis 87 ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung) 595 EEG 517 Eichel 428 Eierstöcke 382 Eileiter 383 Eileiterschwangerschaft 383, 414 Einzelclipstapler 45 Eisenmenger-Reaktion 365 EKZ (extrakorporale Zirkulation) 338 Elektroenzephalographie 517 Elektromyographie 517 Elektroneurographie 517 Elektrotrauma 685 Elevatorium 170 Elle 243 Embolektomie 292 Embolektomiekatheter 292 Embolie 284 EMG 517 Endokarditis 349 Endometriose 407 Endometrium 384 Endoprothetik 187 Endostapler 139 ENS (Elektroneurographie) 517 Enteritis regionalis Crohn 122 Enterokolitis, nekrotisierende (NEC) Früh-/ Neugeborenes 615 Enterotomie 100, 605 Enthaarung, präoperative 7 Enucleatio bulbi 668 Enzephalitis, SHT 532 Ependymom 519 Epidermoid 520 Epiduralabszess 529 Epiglottis 564 Epilepsie 518 Epiphyse 162 Epithelkörperchen 46 Ersatzmagenbildung 76 Etappenlavage 125, 133 EUG (Extrauteringravidität) 411, 414 Extension 165 Extensionstisch 167, 210, 232 Externusaponeurose 52 extrapyramidal motorisches System 501 Extrauteringravidität 411, 414
F Faden 7 Nahtmaterial Fadenanker 207 Fascia transversalis 52 Fast-track-Therapie, Darmoperation 108 Femoralhernie 55 Femoralisgabel 288 Femurraspel 216 Fersenbein 237 Fibrinkleber 511 Fibroadenom 420 Fimbrie 407 Fingerglieder 243 Fistel – arteriovenöse 314 – bronchopleurale 322 – perianale 131 Fixateur – externe 166, 182, 189 – Hybridfixateur 191 – intelligenter 198 – interne 182, 202 Fixation, intermaxilläre 556 Flachmeißel 171 Flachzange 172 Flankenlagerung 487 Flankenschnitt 488 Foramen jugulare 578 Foramen ovale 365 Foramen Winslowii 82 Foraminotomie 542 Formalin 4 Fraktur 163 – Ermüdungsfraktur 164 – Jochbein 558 – kindliche 164 – Mittelgesicht 557 – Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG) 555 – pathologische 164 – traumatische 164 Frenulum 428, 640 Frenulumplastik 640 Frühgeborenes 584 – Gastroschisis 625 Fundoplicatio 62 – laparoskopische 153 Funikulozele 627 Fußdeformität 238
G Gallenblasenfasszange 42 Gallengangatresie 618 Gallenstein 81 Gammanagel 186 Ganglion 258 Gasinsufflation 136 Gastrektomie 74 gastric banding 152 Gastroenterostomie 73 Gastroschisis 625
Gastroskop 601 Gastrostoma 590 Gaumenmandel 572 Gebärmutter 7 Uterus Gefäßchirurgie 266 – Aneurysma 525 – Arterien 280 – Dilatation, intraluminale 285 – Instrumentarium 269 – Lagerung 277 – Missbildung, intrakranielle 525 – Venen 307 – Zugangsweg 277 Gefäßerkrankung 266 Gefäßprothese 276, 362 Gegenpulsation, intraaortale 376 Gehirn (7 auch Hirn) – Apoplex 281, 529 – Anatomie 498 – Neurochirurgie 507 – OP-Instrumentarium 508 – Ventrikelsystem 529 Gehirnschlag 281, 525, 529 Gehörknöchelchen 565 Gelmatte 4 Genitaldeszensus 396 Genitale – Frau 382 – Mann 427 Gerota-Kapsel 633 Gerstenkorn 670 Geschlechtsorgane 7 Genitale Gesicht – Orbitabodenfraktur 579 – Weichteiltrauma 560 Gesichtschirurgie 550 Gesichtsschädel 557 Gewebefasszange 139 Gewebespende 690 Gewindeschneider 175 Gilchrist-Bandage 207 Glandula submandibularis 561 Glans penis 639 Glaskörper 675 Glaukom 673 – Anfall 673 – Implantat 674 Gleithernie 51 Glioblastoma multiforme 518 Gliom 518, 521 – Exstirpation 523 Glisson-Kapsel 91 grauer Star 672 Großhirnrinde 498 Großzehengrundgelenk 239 Grundinstrumentarium 21 grüner Star 673 Grünholzfraktur 209 Gynäkologie 382 – Mammachirurgie 418
723 Stichwortverzeichnis
H Haarentfernung, präoperative 7 Haken 23 Hakenelektrode 138 Hallux rigidus 241 Hallux valgus 238 Hals – Anatomie 564 – Neck-Dissection 577 – OP-Instrumentarium 566 – Operationen 568 – Untersuchung 566 Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie 564, 572 Halslymphknotenausräumung 577 Halswirbelsäule 507, 542 Hämangiom 86 Hämatom – epidurales 533 – subdurales 534 Hämodialyse 312 Hämorrhoidektomie – Ferguson, Verfahren nach 128 – Milligan-Morgan, Verfahren nach 128 – Parks, Verfahren nach 128 Hämorrhoiden 128 Hämostyptikum 80 – resorbierbares 511 Handchirurgie 242 Handflächenregel 680 Handtisch 246 Handwurzel 243 Harnableitung 442, 468 – kontinente 477 – suprapubische 438 – supravesikale 476 Harnblasenkatheter 442 Harnblasensteine 456, 468 Harninkontinenz 402, 405, 467 – Frau 402, 478 – Mann 481 – Sphinkter, artifizieller 483 Harnleiter 425, 436, 470 – Antirefluxplastik 471 – Freilegung 474 – Ruptur 475 Harnleiterenge 488 Harnleitersteine 474 Harnröhre 426, 441 Harnröhrenplastik 484 Harnwegsinfekt 468 Hartgaumenverschluss 555 Hartmann, Verfahren nach 116 – laparoskopisch 159 Haut, Sensibilitätsstörung 501 Hautdefekt 262 Hautersatz 684 – Verbrennung 681 Hebedefekt (Spalthautentnahme) 682 Hegar-Uterusdilatator 390 Helicobacter pylori 67 Hemihepatektomie, rechts 89
Hemikolektomie – laparoskopische 155 – links 112 – rechts 108 Heparin 275 Hepato-Jejunostomie 621 Hepato-Porto-Jejunostomie 619 Hernie 51 – epigastrische 57 – Femoralhernie 55 – Hiatushernie 61, 152 – Narbenhernie 57 – Zwerchfell 592 Hernienchirurgie 52 – Hernioplastik, laparoskopische 144 – Herniotomie, Kind 629 Herz (7 auch Kardiochirurgie) – Ischämiezeit 689 – Reflex, okulokardialer 669 – Spenderorgan (Ablauf der Entnahme) 688 – Transplantation 378 Herz-Lungen-Maschine (HLM) 338 – Aortenbogen 302 Herzchirurgie 338 Herzkammer 356 Herzklappe 349 – alloplastische 351 – biologische 351 – Materialien 349 Herzklappeninsuffizienz 348 Herzklappenprothese 350 Herzklappenstenose 348 Herzrhythmusstörung 374 Herzschrittmacher 374, 375 Herztransplantation 378 – Organentnahme 688 – Spenderorgan (Ablauf der Entnahme) 688 HF-Chirurgie, monopolare/bipolare Anwendung 8 Hiatushernie 61, 152, 593 Hilus renalis 424 Hirn (7 auch Gehirn) Hirnblutung 651 Hirninfarkt 525 Hirnkompression 535 Hirnnerven 499 – Trigeminusneuralgie 528 Hirnödem 533 Hirnschlag 281 Hirnschlauch 652 Hirnschwellung 532 Hirnspatel 510 Hirntod 688 Hirntumor 516 Hirnventrikel 499 Hirnwatte 513 HLM (Herz-Lungen-Maschine) 228 – Aortenbogen 302 HNO-Chirurgie 564, 572 Hochfrequenzchirurgie (HF-Chirurgie) 8 Hoden 427, 450, 634 – Biopsie 454 – Freilegung 450
– Torsion 638 – Tumor 453, 454, 455, 635 Hohlmeißel 170 Hohlschaftinstrument 140 Homunkulus 501 Hornhaut – Abrasio 671 – Organspende 690 – Transplantation 671 HTX (Herztransplantation) 378 Hüftschraube, dynamische (DHS) 186, 210 Humerusfraktur 208 Humeruskopf 207 Hybrid-Aneurysmektomie 364 Hybridfixateur 191 Hybridoperation 284, 304 Hybridprothese 189 Hydramnion 603 Hydrozele 450, 627 Hydrozephalus 503, 514, 519, 649, 656 Hygienerichtlinien 2 Hyperplasie, fokal noduläre 86 Hyperthyreose 47 Hypopharynx 564 Hypophysektomie, transnasale 521 Hypophysenadenom 520, 521 Hypospadie 639, 641 – Hypospadieplastik 645 Hypothalamus 499 Hypothermie 338, 363 – Brandverletzung 683 Hysterektomie 398 – abdominale 407 – laparoskopische 413 – suprazervikale 414 – vaginale 394, 398 Hysterektomieklemme 388 Hysteroskopie 392
I Ileoaszendopexie 600 Ileostoma, laparoskopische Anlage 154 Ileozäkalklappe 100 Ileozäkalresektion 123 Ileumkonduit 476 Ileus 125, 600 Implantate 173 Infektion – Brandverletzung 681 – lokale 31 – Neurochirurgie 529 – nosokomiale 31 – systemische 34 Inkarzeration 51, 627 Inkontinenz – Fehlbildung, anoraktale 605, 615 – Urin (7 auch Harninkontinenz) 402, 405, 467, 478, 481 Innenohr 565 Instrumentarium – Kinderchirurgie 587 – Werkstoffe 21
D–I
724
Stichwortverzeichnis
Instrumentenkopffasszange 45 Instrumentiertisch 515 Insult, zerebraler 7 Apoplex Interkostalschnitt 488 Interponat 275, 282 Intima 266, 361 Intraokularlinse 668 Iridektomie 673 Ischämiezeit (Organspende) 689 Ischialgie 538 Isthmus 48
J Jackson-Pratt-Drainage 27 Jammerecke 72 Jejunumtransplantat 559 Jochbein 558 Jugulum 321
K Kahnbein, Fraktur 248 Kaiserschnitt 409 Kalottendefekt 536 Kaltlichtkabel 135 Kalzitonin 162 Kardiochirurgie 338 – Zugangsweg 340 Kardioplegie 351 Karotisdesobliteration 278 Karpaltunnelsyndrom 255, 546 Karzinom, intraorales 559 Kastration 453 Katarakt 672 Kataraktextraktion 673 Kaudasyndrom 539 Kehlkopf – Anatomie 564 – Laryngoskopie, Stützautoskopie 573 – Untersuchung 566 Keimzelltumor 661 Keratoplastik 671 Kernspintomographie 516 Kieferdefekt 555 Kieferhöhle 557 Kieferorthopädie 552, 561 Kind(erchirurgie) 585 – Blutvolumen 584 – Instrumentarium 587 – Kieferorthopädie 552, 561 – Kleinkind 584 – Körpertemperatur 584, 586 – Lagerung 585 – Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte 552 – Liquor 650 – pädiatrische Chirurgie 584 – physiologische Grundlagen 584, 586 – Zugang 585 Kirschner-Draht 172, 197 Klammernahtinstrument 7 Stapler Klappenprothese 356 Klavikulaplatte 180
Kleinhirn 499 Kleinkind 584 Klemme 23 Kloakenfehlbildung 612 Knieendoprothese 227 Kniegelenk 221 Kniescheibe 222 Knochenanker 253 Knochenbruch 7 Fraktur Knochenmetastase 544 Knochenwachs 534 Knochenzement 168, 201, 217 – Schädeldachplastik 536 Koagulation, monopolare 135 Kocher-Kragenschnitt 38, 49 Kocher-Manöver 69, 77 Kohlendioxid 134 – CO2-Insufflator 134 Kolon 105 – Resektion, laparoskopische 155 Kolonkarzinom 107 Kolonkonduit 476 Koloskopie 107 Kolostoma, laparoskopische Anlage 154 Kolpoperineorrhaphie 399 Kolporrhaphie 398 Kolposakropexie 400 Kolposuspensionsoperation, Technik nach Burch 403, 480 Kolpotomie, hintere/vordere 395 Kompartmentsyndrom 164 Kompression (Frakturversorgung) 178 – dynamische 165 – interfragmentäre 165, 166 – statische 165 Konduit 476 Koniotomie 568, 576 Konisation 393 Kontrastmittel 275 Kopfraumfräser 174 Kopfschwarte 529 Kornea 7 Hornhaut Kornzange 23 Koronarchirurgie 342 Körperkreislauf 266 Körpertemperatur – Kind 584, 586 – Wärmeverlust 584 Korpuskarzinom 408 Kortikalis 163 Kortikalisschraube 173 Kraftträger – extramedullär 165 – intramedullär 165 Krampfadern 307 Kraniotom 508, 509, 523 Kraniotomieinstrumentarium 508 Krebs 7 Tumorchirurgie Kreuzband 226, 228 – Ruptur 223 Krückstockanastomose 76 Kryokoagulation 674 Kryptorchismus 634
Küntscher-Nagel 185 Kürettage 392 Kürette 392 Kurzzeitdrainage 24 Kyphoskoliose 596
L Lagerung 4 – Beach-Chair-Lagerung 386 – Brandverletzung 683 – Dokumentation 5 – Flankenlagerung 487 – Gefäßchirurgie 277 – Gynäkologie 386 – Kind 585 – Lagerungshilfen 5 – minimal-invasive Chirurgie (MIC) 6, 140 – Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie 550 – Neurochirurgie 508 – Organentnahme zur Transplantation 689 – Rückenlage 386 – Steinschnittlagerung 387 – Traumachirurgie 167 – Wärmeverlust 584 Lagerungshilfsmittel 140 Lagerungsschäden 4 Lähmung – schlaffe 545 – spastische 545 Laminektomie 200, 541, 542 – Instrumentarium 508, 510 Langer-Linien 421 Langerhans-Inselzellen 94 Längslaparotomie, mediane 39 Laparoschisis 625 Laparoskopie 134 Lappenplastik 262 Laryngektomie 574, 578 Laryngoskop 567, 573 Larynx 578 Latex, Drainage 24 latexfrei 585 Leber – Ischämiezeit 689 – Resektion 86, 89 – Revision 88 – Spenderorgan (Ablauf der Entnahme) 688 – Spenderorgan (Präparation) 92 – Transplantation 91 – Verletzung 88 Leberhilus 86 Lebermetastase 87 Lebersegmentspende 91 Lebertransplantation 91 – Organentnahme 688 – orthotope 91 – Spenderorgan (Präparation) 92 Leberzelladenom 86 Leberzellkarzinom 87 Le Fort 557 Leistenbruch 627
725 Stichwortverzeichnis
Leistenhernie 52 Leistenhoden 634 – Hodentorsion 638 Leistenkanal 52, 627 LESS (laparo-endoscopic single-site surgery) 134 less invasive stabilisation system (LISS) 182 Leukoplakie 573 Lidsperrer 667 Ligament – Lig. cardinale 383, 396 – Lig. conicum 577 – Lig. infundibulopelvicum 383 – Lig. latum 384 – Lig. ovarii proprium 383 – Lig. patellae 222 – Lig. rotundum 383 – Lig. sacrouterina 383, 395, 396 – Lig. teres uteri 396 Linea alba 386 Linea dentata 126 Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte 552 Lippenspalte 554 Liquor 650, 652 – cerebrospinalis 503 – Druck 650, 654 – Produktion 650 – Untersuchung 517 Liquorfistel 522, 532 Liquorrhö 557 LISS (less invasive stabilisation system) 182 LKG-Spalte 552 Lobektomie 326, 327 Lobus pyramidalis 46 Loge de Guyon 256 LTX (Lebertransplantation) 91 Luer 170 Luftröhrenschnitt 568, 573 Lumbago 538 Lunge 324 – Ischämiezeit 689 Lungenembolie 269, 285, 373, 374 Lungenemphysem 329 Lungenfasszange 41 Lungenflügel 318 Lungenkeilresektion 324 Lungenkreislauf 266 Lungenlappen 327 Lungenparenchym 319, 323 Lungenstrombahn 592 Lungenvenen 367 Lupenbrille 587 Lymphadenektomie – axilläre 422 – Blasenkarzinom 469 – Hodentumor 455 – Prostatakarzinom 459 Lymphgefäß 266 Lymphknoten 106 – axilläre 419 – Sentinel 420
M Magenausgang 597 Magenausgangsstenose 68 Magenkarzinom 74 Magenklemme 41 Magenresektion 69 – laparoskopische 151 Magnetresonanztomographie 516 Mainz-Pouch 649 Maldeszensus 635 Malformation, anorektale 612 Malleolarschraube 176 Mammachirurgie 418 – ablative 421 – brusterhaltende 421 – Lagerung 387 Mammakarzinom 419, 421 Mammographie 420 Marknagel(ung) 184, 212, 218, 220 – aufgebohrter 185 – unaufgebohrter 185 Markraumbohrer 219 Marsupialisation 391 Mastektomie 422 Materialentfernung (Frakturversorgung) 184 McBurney 102 Meatotomie 643 Meatusstenose 642 Meckel-Divertikel 100, 104, 600 Media 266 Mediastinoskopie 332 Mediastinotomie – anteriore 333 – kollare 333 – posteriore 333 – superiore 333 Mediastinum 318, 321, 332 Medizin Produkte Gesetz (MPG) 134, 276 – EKG-Gerät 8 Medulla oblongata 499 Medulloblastom 519 Megakolon 607 Mekonium 604 – Abgang 603, 607 Membranoxygenisation, extrakorporale (ECMO) 595 Meningen 505 Meningeom 519 Meningitis 529 – Schädel-Hirn-Trauma (SHT) 532 Meningomyelozele 655 Meningozele 655 Meniskusrefixation 225 Metaphyse 162 Metastase, Neurochirurgie 520 Metatarsale 238 Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) 35 Methicillin-resistenter Staphylococcus epidermis (MRSE) 36 Metric (Nahtmaterial) 15
I–M
MIC 7 minimal-invasive Chirurgie MIC-Turm 492 Mikroinstrumentarium 507, 511 Mikroskop 514 – Ophthalmologie 668 Miktion (7 auch Harnblase) – Blasenersatzplastik 477 – Hypospadie 642 – Inkontinenz Frau 402, 467, 478 – Inkontinenz Mann 467, 481 – Mann 447 Milligan-Morgan 128 Milz – Erhalt 79 – Resektion, partielle 80 – Ruptur 148 minimal-invasive Chirurgie (MIC) 134 – Adhäsiolyse 147 – Adnexe 414 – Adrenalektomie 149 – Anus praeter/Ileostoma 154 – Appendektomie 143 – Cholezystektomie 141 – Gynäkologie 388, 411, 414 – Handgelenk 260 – Hernioplastik 144 – Instrumentarium 134 – Kinderchirurgie 585 – Knie 224, 225 – Kolonchirurgie 155 – Lagerung 6, 140 – Magenchirurgie 150 – Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG) 560 – Nahtmaterial, laparoskopisches 20 – Nierenoperation 492 – Ovarien 417 – Prostatektomie 461 – Rektumchirurgie 158 – Schulter 206 – Splenektomie 148 – Uterus 400, 412 – video-assisted thoracoscopic surgery (VATS) 331 – Zugang 134 Miosis 667 Mitralklappe 357 Mitralklappeninsuffizienz 357 Mitralklappenstenose 357 Mittelgesicht 550, 555 Mittelhand 243 Mittelhandfraktur 250 Mittelhandknochen 243 Mittelohr 565, 580 MKG 7 Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie Morbus Basedow 47 Morcellement 394, 414 Morgagni-Hernie 593 MPG (Medizin Produkte Gesetz) 134, 276 – EKG-Gerät 8 MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) 35 MRSE (Methicillin-resistenter Staphylococcus epidermis) 36
726
Stichwortverzeichnis
MRT 516 Mukoviszidose 604 Multiorganentnahme 688 Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie (MKG) 550 – Fraktur 555 – Kieferorthopädie 552, 561 – Nervenläsion 561 – Spaltbildung 552 – Weichteiltrauma 560 Mundschleimhaut, Ersatz bei Harnröhrenplastik 486 Mundsperrer 550, 567 Musikantenknochen 546 Muskel – M. obliquus internus 629 – M. pectoralis 559 – M. puborectalis 610 – M. sphincter ani externus 127 – M. sphincter ani internus 126, 607 Muskelstimulationsgerät 587 Mydriasis 667 Myelo-CT 516 Myelomeningozele 655 Myokutanlappen 559 Myom 412 Myombohrer 391 Myometrium 412 Myotomie 599 – anteriore 59 Myringoplastik 580 Myxom 372
N Nabelbruch 623 Nabelgefäße 624 Nabelhernie 56 Nadel – atraumatische 19 – Beschaffenheit 18 – Formen 19 Nadelhalter 24 – laparoskopischer 139 Nadel-Code 19 Nahtmaterial 14 – Fäden 16 – Fadenreißkraft 15 – Fadenstärke 15 – Kinderchirurgie 585 – laparoskopisches 20 – Nadelhalter 24 – Nadel-Code 19 – Nadeln 18 – Resorbierbarkeit 17 – Verpackungskennzeichen 16 Narbenhernie 57 Narkoseuntersuchung 392 Nase – Anatomie 565 – Gips 579 – Operationen 568 – Septumkorrektur 578 – Untersuchung 566
Nasenbeinfraktur 579 Nasenmuschel 579 Nasennebenhöhle 565 Nasenscheidewand 578 Nasenspekulum 521, 568 Nasopharynx 564 Nassrasur 7 Nebenhoden 427, 634, 636 Nebenniere 149, 490 NEC (Enterokolitis, nekrotisierende), Früh-/ Neugeborenes 615 Neck-Dissection 577, 578 – Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie (MKG) 559 – radikale/funktionelle/selektive modifzierte 577 Nekrose 305 – Abtragung 685 Nélaton-Katheter 429 Neoblase 478 Neourethra 644 Nephrektomie – laparoskopische 492 – Technik 490 Nephrolithoplaxie 443 Nephroskop 444 Nephrostomie, perkutane 442 Nephrostomiekatheter 445, 487 Nerv (7 auch Neurochirurgie) 498 – N. alveolaris inferior 557 – N. auricularis magnus 561 – N. infraorbitalis 558 – N. medianus 243 – N. peronaeus 387 – N. radialis 245 – N. recurrens 46, 564 – N. suralis 561 – N. sympathicus 301 – N. trigeminus 528 – N. ulnaris 243, 256 – N. vagus 499 – Hirnnerven 499 – Naht 253, 546, 547, 561 – peripherer 545 – Schädigung 545 – Spendernerv 253 – Transplantation, autologe 353, 547 – Trauma 252, 545 – Trigeminusneuralgie 528 Nervenkompressionssyndrom 255 Nervennaht 253, 546, 547 – Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG) 561 Nervensystem – peripheres 498 – vegetatives 507 – zentrales 498 Nerventransplantation 253, 547 Nervenwurzelhaken 512 Nervenzelle 498 Netzhaut – Ablösung 674, 675 – Anatomie 666 – Operationen 669, 674
Netzimplantation – totale extraperitoneale 145 – transabdominale präperitoneale 145 Neugeborenenileus 604 Neugeborenes – Liquor 650 – Spina bifida 655 Neurinom 519, 546 Neuroblast 606 Neurochirurgie 507 – Aneurysma 525 – Diagnostik 516 – Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG) 561 Neurolyse 546, 547 Neuromodulation, sakrale 405 Neuromonitoring 49 Neuronavigation 514 Neutralelektrode 8 Neutralisationsplatte 236 Niere 424 – Spenderorgan 493, 494, 688 – Transplantation 493 – Tumorniere 491 Nierenbecken 425, 442, 470, 487 Nierenbecken-Kelch-System 631 Nierenbeckenabgangsstenose 487 Nierenbeckenkarzinom 490 Nierenbeckenplastik 487, 633 Nierenersatzverfahren, Shuntchirurgie 312 Nierenfistel 431, 443 Niereninsuffizienz 471, 493 Nierenparenchym 444 Nierenpolresektion 489 Nierenruptur 490 Nierenstielklemme 490 Nierentransplantation – Spenderorgan 493, 494, 688 – Organentnahme 688 – Transplantation 493 Nierentumor 488 Nierenversagen 314 NOTES (natural orifice translumenal endoscopic surgery) 134 no touch isolation 108 NTX (Nierentransplantation) 493 Nuck-Zyste 629
O Oberbauchquerschnitt 38 Ohr – Anatomie 565 – Operationen 568 – Parazentese 580 – Paukenerguss, chronischer 580 – Trommelfellperforation 580 – Untersuchung 566 Ohrmuschel 565 Ohrtrichter 568 Okklusion 552, 555 Okklusionskatheter 444 Operationsindikation, absolute/relative 28
727 Stichwortverzeichnis
Operationsmikroskop 507 – Ophthalmologie 668 operationstechnischer Assistent (OTA) 3 Ophthalmologie 666 OPSI-Syndrom 78 Optik 137 Orbitaboden 558, 580 – Fraktur 579 Orchidopexie 628 Orchiektomie 453, 459 Organ-Report (Organspende) 690 Organfasszangen 41 Organspende 688 – Haut 681 – Ischämiezeit 689 Organtransport 688 Oropharynx 564 OSG (oberes Sprunggelenk) 234 Ösophago-Jejunostomie 76 Ösophagus 58 – Speiseröhrenersatz 64 Ösophagusatresie 587 – Formen 588 – OP 590 Ösophagusblindsack 589 Ösophagusexstirpation 63 – transmediastinale 63 Ösophaguskarzinom 63 – inoperables 65 – Speiseröhrenersatz 64 Osteitis 198 Osteoklasten 162 Osteomyelitis 192 Osteomyokutanlappen 560 Osteoporose 167 Osteosynthese(system) 165, 181, 252 Osteotom 239 Osteotomie 231, 240 Osteozyten 162 Ostium 436, 471 Östrogen 418 OTA (operationstechnischer Assistent) 3 Ovar 382, 383 Ovarialkarzinom 417 Ovarialtumor 417 Ovarialzyste, stielgedrehte 418 Ovarienfasszange 388 Overholt-Klemme 23 Oxytozin 384 – Schwangerschaftsabbruch 393
P Pädiatrie 7 Kind(erchirurgie) Pancreas anulare 604 Pankreas 94 – Ischämiezeit 689 – Organentnahme zur Transplantation 689 Pankreaskopfkarzinom 95 Pankreaspseudozyste 95 Pankreasresektion 97 Pankreasschwanz 96 Pankreatitis 95
Panzerherz 372 Papilla Vateri 94 Paragliom 519 Paramedianschnitt 39 Parametrium 383 Paraphimose 640 Parasympathikus 507 Parathormon 162 Parazentese 580 Parazentesenadel 568 Parese 545 Pars-plana-Vitrektomie 676 Patch, Gefäßchirurgie 275 Patientensicherheit 12 Paukenerguss, chronischer 580 Paukenhöhle 580 Paukenröhrchen 580 pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit) 266, 281 Peelpackung 15 Penis – Amputation 447 – Anatomie 426, 428 – Anomalie 641 – Schwellkörper 428 Peniskarzinom 446 Perforation 361 Perikard 328, 371 Perikarditis 371 periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) 266, 281 peripheres Nervensystem 498 Peritonealdialyse 315 Peritonealdrainage 617 Peritonealkatheter 654 Pfannenstiel-Schnitt 385, 458, 468, 473 – Prostatektomie 458 Pfortader 85 Pfriem 220 Pharynxplastik 578 Phimose 445 Phlebographie 310 Phlebothrombose 309 Pigtail-Katheter 290, 442 Pinzette 21 Placenta praevia 409 Plattenspanner 177 Platysma 564, 575 Pleura – parietalis 318 – visceralis 318 Pleurakuppe 594 Pleurektomie 330–332 Pleuropneumektomie 328 Plexusanästhesie 248 Plexus – brachialis 245, 546 – myentericus Auerbach 606 – Santorini 466 Plexuspapillom 519 Pneumonektomie 327 Pneumonie 327 Pneumoperitoneum 6, 135, 157, 586
Pneumothorax 324, 329 Polyamidfaden 17 Polyesterfaden 17 Polypropylenfaden 17 Polytetrafluorethylen 276 Polytrauma 192 Polyvinylchlorid 24, 429 Portio 393 Portsystem 313 Porzellanaorta 356 Potenziale, evozierte 517 Pränataldiagnose 588 – Bauchwanddefekt 625 Präparation, laparoskopische 158 Präparierschere 23 Primärheilung 30 Pringle-Manöver 89 Processus vaginalis 627 Profundaplastik 295, 297 Progesteron 418 Proktoskopie 107, 127 Promontorium 400 Prostata 427, 456 Prostataadenom 456 Prostatahyperplasie, benigne (BPH) 428, 431, 456 Prostatakapsel 458, 460 Prostatakarzinom 459, 464 Prostataloge 435, 461 Prostatektomie 457, 460 – laparoskopische 461 – radikale 459 – roboterassistierte 464 Pseudarthrose 250 PTFE (Teflon) 276 Pupille 667 – Erweiterung 533 PVC (Polyvinylchlorid) 24, 429 Pyelographie 632 Pyelonephritis 471 Pyloromyotomie 597 – laparoskopische 599 – Weber-Ramstedt 598 Pyloroplastik 69 – laparoskopische 151 Pylorus 100 Pylorusstenose, hypertrophe 597 Pylorustumor 597 Pyramidenbahn 501
Q Qualitätsmanagement – Qualitätssicherung 9 – Risikomanagement 13 Querschnittlähmung 537 Querschnittsyndrom 200, 501
R Rachen – Anatomie 564 – Mandeln 572
M–R
728
Stichwortverzeichnis
Radiusfraktur 209 Raspatorium 170 Rasur, präoperative 7 Redon-Drainage 27 Reduzierkappe 138 Reflux, gastroösophagealer 586 Refluxkrankheit 61 Refluxösophagitis 61 Reiternaht 115 Reizblase 388, 404 Rekonstruktionsplatte 180 Rektosigmoidektomie 608 Rektoskopie 127 Rektozele 399 Rektum 105, 116 Rektumamputation 115, 118 – laparoskopisch assistierte 160 Rektumblindsack 613 Rektumkarzinom 116 Rektumresektion 117 – laparoskopische 159 Rektumschleimhautsaugbiopsie 607 Reperfusion 93 – geschlossene 247 Repositionszange 169 Resektoskop – doppelläufiges 431 – einläufiges 431 Restharnbildung 484 Rete testis 454 Retinopathie 675 Ringfixateur 189 Ringknorpel 577 Ringstripper 281, 295 Rippenbogenrandschnitt 38, 79, 81, 90 Rippenretraktor 322 Rippensperrer 318 Risikomanagement 12, 13 Robinson-Drainage 26 Roboterarme 464 Roboterinstrumente 465 Rochard 41 Rochard-Bügel 279 Röder-Schlinge 144 Röhrenknochen 162 Rohrfixateur 166 Röntgenverordnung 167 Rotatorenmanschette 206 Rückenlage 386 Rückenmark 200, 499, 537
S Saalassistenz 3 SAB (Subarachnoidalblutung) 525 Salpingektomie 415 Salpingotomie 417 Samenblasen 461 Samenleiter 425, 449 Samenstrang 427, 629, 636 Saugkürettage 392 Säugling – Liquor 650
– physiologische Grundlagen 586 Schädel 503 Schädel-Hirn-Trauma 530 Schädelbasis 503 Schädeldachplastik 536 Schädeleröffnung 534 Schädelosteomyelitis 529 Schanz-Schraube 189, 198 Scheidenplastik – hintere 397 – vordere 397 Scheidenspekulum 388 Scheidenverschluss 397 Schenkelhalsfraktur 209 Schenkelhalsschraube 186 Schenkelhernie 55 Schere – bipolare 138 – laparoskopische 138 – Präparierschere 23 Schilddrüse 46 Schilddrüsenkarzinom 48 Schildknorpel 577 Schlaganfall 281, 525, 529 Schleudertrauma 541 Schleuse 287 Schlitzhammer 181 Schnellschnittdiagnostik 3, 418 Schnittführung – Allgemeinchirurgie 38 – Viszeralchirurgie 38 Schraube, exzentrische 178 Schraubendreher 175 Schraubenmessgerät 175 Schulterluxation 207 Schwangerschaft – Abbruch 392 – Extrauteringravidität 414 – Sectio caesarea 409 – Zervixinsuffizienz 394 Schwellkörper (Penis) 447 Schwindel, vertebragener 541 Sectio caesarea 409 Seed-Implantation 464 Segmentresektion 325 Sehfähigkeit 667 Sehnenscheide, Trauma 252 Sehnerv 502 Seitenband 223 Seitenschneider 172 Sekundärheilung 30 Seldinger, Technik nach 287 Semikastration 453 Sensibilitätsstörung 501 Sesambein 241 Shaldon-Katheter 312 SHT (Schädel-Hirn-Trauma) 530 Shunt 293 – Nierenersatzverfahren 312 – peritoneovenöser 315 – ventrikuloatrialer 653 – ventrikuloperitonealer 519, 524, 653 Shuntinfektion 654
Sick-Sinus-Syndrom 374 Sigmadivertikulitis 122 Sigmakarzinom 112 Sigmaresektion 113 – laparoskopisch assistierte 157 Sigmoidorektostomie 116 Silikon 24, 429 SILS (single incision laparoskopic surgery) 134 single port 134 Skalenussyndrom 546 Skalpell 21 Sklera 666 Sklerose 266 Skrotum 427, 449, 450 – Hodenbiopsie 454 – Hodentumor 454 Sonnenuntergangsphänomen 651 Sonographie 513 Spaltbildung 552 Spalthaut 263, 681 – Entnahme 683 – Transplantation 682, 684 Speiche 243 Speiseröhre 7 Ösophagus Spendernerv 253 Spenderorgan – Herz 379, 688 – Leber 91, 688 – Multiorganentnahme 688, 689 – Niere 493, 494, 688 Spermatozele 450 Spermien 427 Sphinkter, artifizieller (Harninkontinenz) 483 Sphinkterotomie 131 Sphinkterspasmus 611 Spina bifida 655 Spinalkanal 507, 536 Spinalnervenwurzeln 499 Spinalstenose 543 Spiralbohrer 174 Spitzzange 172 Splenektomie 78 – laparoskopische 148 Spongiosa 163 – Entnahme 203, 204 Spongiosaschraube 175 Sprachstörung 502 Sprechentwicklung 555 Sprechkanüle 575 Sprungbein 237 Sprunggelenk, oberes (OSG) 234 Spüldrainage 26 Stapler 41, 118 – Contour-Stapler 45 – Einzelclipstapler 45 – intraluminaler 43 – Krückstockanastomose 76 – linearer 41 Staplerhämorrhoidopexie 128 – Longo, Verfahren nach 130 Star – grauer 672 – grüner 673
729 Stichwortverzeichnis
Starkstromverletzung 685 Steinmann-Nagel 189 Steinschnittlage(rung) 116, 387, 434 Steißbeinresektion 663 Steißbeinteratom 661 Stenose 603 Stent 285, 288, 431 Stentprothese 284, 289 Sterilisierung, post partum 416 Sternotomie 39, 305, 344, 351 – mediane 321, 340 – partielle 342 – superiore 340 Sternumsäge 303 Stimmband 564 – Polyp 573 Stimmgabel 566 Stirnhirnsyndrom 501 Strangulationsileus 600 Strecksehnentrauma 251, 252 Struma 46 – endothoracica vera 50 – euthyreote 47 – hyperthyreote 47 – hypothyreote 47 – retrosternale 50 Stuhlinkontinenz, Fehlbildung, anoraktale 605, 615 Subarachnoidalblutung (SAB) 525 Subarachnoidalraum 517 Subduralraum 535 Supinatortunnelsyndrom 546 Suspensorium 452 Sympathektomie – lumbale 300 – thorakale 301 Sympathikus 507 Syndesmose 234 Systole 376 Szintigraphie 47
T T-Drainage 25, 83 Tabakbeutelklemme 45 TAPP (transabdominale präperitoneale Netzimplantation) 145 Tarsaltunnelsyndrom 546 Taststab 138 TEA (Thrombendarteriektomie) 281 Teflon 276 Teleskopanastomose 99 Temperaturregulation, nach Verbrennungsverletzung 680 TEN (totale extraperitoneale Netzimplantation) 145 Tendinitis 257 Tendovaginitis 257 – de Quervain 257 Tennisellbogen 256 tension free vaginal tape (TVT) 402, 478 TEP (Totalendoprothese) Hüfte 188 – zementierte 188
Teratom 662 Testosteron 427 Tetanus 34 Thalamus 499 Thorakotomie 320 – anterolaterale 320 – linksanteriore 342 – linksanterolaterale 342 – Ösophagusatresie 589 – posterolaterale 320 – rechtsanteriore 342 Thoraskopie, videoassistierte (VATS) 324, 330, 331 Thorax 318 Thoraxchirurgie 318 – Herz 7 Kardiochirurgie – Instrumentarium 318 – Kind 587 – Lunge 324 – Mediastinum 332 – Ösophagusatresie 587 – Pleura 329 – Thoraxdrainage 25, 322, 367 – Thoraxwand 334 – Trachea 329 – Zugangsweg 320 Thoraxdrainage 25, 322, 367 – Ösophagusatresie 590 Thoraxsperrer 320 Thrombarteriektomie 374 Thrombektomie 284, 292 – pulmonale 373 Thrombendarteriektomie (TEA) 281 Thrombophlebitis 309 Thrombose 268, 284 Thymektomie 334 Thyreoidealappen 578 Thyreoidektomie 48, 51 – minimal invasive 51 TIA (transitorisch ischämische Attacke) 281 Tibiakopf 228 – Fraktur 230 Tibiamarknagelung 232 Tibiaplateau 228 Tibiaplatte 180 Tiemann-Katheter 430 Titan 21 TNM-(Tumor-Nodulus-Metastase-)Klassifikation 107 Tonsillektomie 566, 572 Tonsillen 573 Tonsillenraspatorium 567 Tonsillitis 572 Tossy 205 Totalendoprothese (TEP), zementierte (Hüfte) 188 Trachea 329 Trachealkanüle 568, 575, 576 Trachealstenose 576 Tracheostoma 573 Tracheotomie 568, 573 Tränenflüssigkeit 666, 670 Tränenwegspülung 670
R–T
Tränenwegsystem 670 transitorische ischämische Attacke (TIA) 281 Transplantation – Haut 262 – Herz 378 – Hornhaut 671 – Hornhautspende 690 – Ischämiezeit 689 – Leber 91, 92, 688 – Multiorganentnahme 689 – Niere 493 – Organtransport 688 – Spalthaut 684 – Transplantationsgesetz 688 Transrektalschnitt 39 transurethrale Resektion – Blase 435 – Prostata 431 Transversumresektion, laparoskopische 156 Traumachirurgie – Arm 207 – Becken 203 – Bein 209 – Fraktur 164 – Fuß 234 – Gesicht 560 – Instrumentarium 169 – Materialentfernung 198 – Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG) 550, 555 – Nerv, peripherer 545 – Schädel-Hirn-Trauma 530 – Schulter 205 – Verbrennung 680 – Wirbelsäule 199, 544 Treitz-Band 76 Trendelenburg-Lagerung 6, 116, 141 Trepanation 522 – osteoklastische 536 – osteoplastische 536 Trichterbrust 334 Trigeminusneuralgie 528 Trigonum vesicae 470 Trikuspidalklappe 360, 368 Trockenrasur 7 Trokar 136, 586 Trommelfell 568 – Perforation 580 – Tympanoplastik 580 Tubargravidität 414 Tuben 383 Tumor, spinaler 537 Tumorchirurgie – Augapfelentfernung 677 – Blase(nkarzinom) 434, 468 – Ganglion 258 – Herz 372 – Hirntumor 516, 522 – Hodentumor 453, 454 – Knochenmetastase 544 – Korpuskarzinom 408 – Mammakarzinom 421 – Mediastinum 333
730
Stichwortverzeichnis
Tumorchirurgie – Metastase 520 – Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG) 559 – Neck-Dissection 559, 577 – Niere 489 – Nierenbeckenkarzinom 490 – Ovarialkarzinom 417 – Prostatakarzinom 459, 464 – Thoraxwand 334 – Tumor, spinaler 537 – Urethrakarzinom 447 – Vulvakarzinom 410 – Wirbelsäule 200 – Zervixkarzinom 407 Tunica albuginea 454 Tunica vaginalis 452, 453 Tupferzange 23 TUR (transurethrale Resektion) – Blase 435 – Prostata 431 TUR-Syndrom 432, 436 TVT (tension free vaginal tape) 402, 478 Tympanoplastik 580, 581
U UK (Ureterkatheter) 430, 440, 634 Ulkuskrankheit 67 Ulkusperforation 68 Ulnarisrinnensyndrom 546 Ultraschall 513 Ultraschalldissektion, Thyreoidektomie 49 Ultraschallzertrümmerer 523 Umkehrbypass 283 Umstellungsosteotomie 231 Unfallverhütungsvorschriften 2 United States Pharmacopeia (USP), Nahtmaterial 15 Unterarmgipsschiene 246 Unterbauchlängsschnitt, medianer 386 Unterkieferfraktur 556 Unterkieferplatte 550 Unterlegscheibe 176 upside-down stomach 62 Ureter 425, 436, 470 – Antirefluxplastik 471 – Freilegung 474 – Harnleiterenge 488 – Ruptur 475 Ureterkatheter 430, 440, 634 Ureterokutaneostomie 475 Ureterorenoskop/Ureterorenoskopie 436 Ureterschiene 475 Urethra 426, 441 – Harnröhrenplastik 484 Urethrakarzinom 447 Urethraplastik 643, 644 Urethraverlängerungsplastik 645 Urethrotom – Otis 433 – Sachse 433, 441
Urethrotomie 441, 484 Urethrozystoskopie 435 Urge-Inkontinenz 402 Urininkontinenz (7 Harninkontinenz, 7 Miktion) Urologie 424 Urothelkarzinom 471 URS (Ulnarisrinnensyndrom) 436, 437 USP (United States Pharmacopeia), Nahtmaterial 15 Uterosakropexie 400 Uterus 382, 383 – Abrasio 392 – Hysterektomie, vaginale 395 – Hysteroskopie 392 – myomatosus 394, 407 – Sectio caesarea 409 – Wertheim-Meigs-Operation 408
V VACTERL-Assoziation 588, 611 Vagina 382 – Scheidenplastik 397 Vagotomie 68 – laparoskopische 150 Vakuummatratze 4 Vakuumverband 27 Valvulotom 283 Varikosis 269, 307 Varizen 307 Vasektomie 448, 449 Vaso-Vasostomie 449 Vasokonstriktion 300 Vasoteilresektion 448 VATS (videoassistierte Thorakoskopie) 324, 330, 331 Vene 266 – V.-cava-Syndrom 409 – V. cephalica 314 – V. portae 66, 85, 619 – V. saphena magna 268, 297 – V. spermatica 451 – V. subclavia 313 – Entnahme, endoskopische 296 Venenbypass 296 – aortokoronarer 342 Venenklappe 266 Venenpatch 295 Venotomie 310 Ventrikel 503 Ventrikelkatheter 652 Ventrikelseptumdefekt (VSD) 367 Ventrikulostomie 524 – endoskopische 524, 654 Verband/Vakuumverband 27 Verbrennung 680 – Operationen 683 – Schweregrade 680 – Verlauf 685 Verbrennungsschock 680 Verbrennungstiefe 680, 681 Veress-Nadel 136, 401, 465
Verriegelung 234 – dynamische 185 – statische 185 Verriegelungsnagel 166 Verschlusshydrozephalus 519 Verschlusskrankheit, periphere arterielle (pAVK) 266, 281 Volkmann-Dreieck 234 Vollhauttransplantat 682 Vorfuß 238 Vorhaut 428, 445 Vorhofflimmern 357, 374 Vorhofkatheter, Demers-Katheter 312 Vorhofseptumdefekt (VSD) 365, 367 Vulvakarzinom 410 Vulvektomie 410
W Wächterlymphknoten 420 Wahrnehmungsstörung 502 Wärmeverlust 4, 508, 584 Wechselschnitt 39, 103 Weichgaumenverschluss 555 Wertheim-Meigs, Operation nach 408 Whipple, Operation nach 96 Wilms-Tumor 659 Winkelplatte 180 Winkelstabilität 182 Wirbelkörper 505 – Fraktur 544, 545 Wirbelluxation 545 Wirbelsäule 162, 199, 505 – Wirbelkörperfraktur 545 – Wirbelluxation 545 Witzel-Fistel 601 Wundarten 29 Wundheilung 30 Wundversorgung 30 Wurmfortsatz 7 Appendix Wurzelkompressionssyndrom 539
X Xiphoid 321
Y Y-Prothese 302 Y-Roux, Operation nach 73, 76, 99
Z Zahnstatus 556 Zehendeformität 238 Zenker-Divertikel 60 – Resektion 60 Zentralfurche 498 Zentralnervensystem 498 Zervixabrasio 392 Zervixinsuffizienz 394 Zervixkarzinom 407 Zielgerät 188
731 Stichwortverzeichnis
Zirkulation, extrakorporale (EKZ) 338 Zirkumzision 639 ZNS 498 Zugangsweg – Allgemeinchirurgie 38 – Flankenschnitt 488 – Gefäßchirurgie 277 – Gynäkologie 385 – Interkostalschnitt 488 – Kardiochirurgie 340 – Kinderchirurgie 585 – Langer-Linien 421 – Mammachirurgie 421 – Pfannenstiel-Schnitt 385 – Thoraxchirurgie 320, 332 – Unterbauchlängsschnitt, medianer 386 – Urologie 488 – Viszeralchirurgie 38 Zuggurtung(sosteosynthese) 166, 169, 205 Zugschraube(nosteosynthese) 166, 175 – Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie 557 Zungenfasszange 551 Zungenspatel 550 Zwerchfelllücke, angeborene 592 Zwerchfellplastik 594 Zystektomie 468 – radikale 469 Zystitis 468 Zystoskop 438 Zystoskopie 480 Zystourethrozele 398 Zytostatika 313, 524
T–Z