Stefan Seyffert Optimierungspotenziale im Lebenszyklus eines Gebäudes
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Stefan Seyffert Optimierungspotenziale im Lebenszyklus eines Gebäudes
VIEWEG+TEUBNER RESEARCH Schriften zur Bauverfahrenstechnik Herausgeber: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Peter Jehle, Technische Universität Dresden
Die permanente und in einzelnen Facetten rasante Entwicklung und Weiterentwicklung der Baustoffe, der Maschinen und Geräte im Bauwesen, aber auch die Zusammenführung normativer oder internationaler technischer Standards erfordert Anpassungen und Innovationen bei den Bauverfahren und der Bautechnik. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund der Forderungen beispielsweise nach mehr Effizienz, Umweltbewusstsein, Ökonomie oder Dauerhaftigkeit, kurz: Nachhaltigkeit. Die Schriftenreihe liefert einen Beitrag zur Verbreitung dieser praxisrelevanten Entwicklungen und Anwendungen und gibt damit wichtige Anstöße auch für eng an die Verfahrenstechnik gekoppelte Wissensgebiete. Es werden Ergebnisse aus der eigenen Forschung, Beiträge zu Marktveränderungen sowie Berichte über aktuelle Branchenentwicklungen veröffentlicht. Darüber hinaus werden auch Werke externer Autoren aufgenommen, sofern diese das Profil der Reihe ergänzen.
Stefan Seyffert
Optimierungspotenziale im Lebenszyklus eines Gebäudes Entwicklung und Nachweis eines Modells zur Anwendung der Radio-Frequenz-Identifikation im Bauwesen Mit einem Geleitwort von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Peter Jehle
VIEWEG+TEUBNER RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Technische Universität Dresden, 2011
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Ute Wrasmann | Sabine Schöller Vieweg+Teubner Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8348-1639-9
Geleitwort
Die zunehmende technische und organisatorische Komplexität im Bauwesen und der Immobilienwirtschaft stellt hohe Anforderungen an Planer, Ausführende, Eigentümer und Nutzer oder Betreiber der baulichen Anlagen. Ein integriertes, durchgängig dokumentiertes und ständig aktualisiertes Planen, Ausführen und Betreiben der baulichen Anlagen liefert dazu einen nachhaltigen Lösungsansatz. Im Gegensatz zu den Entwicklungen in der stationären Produktion ist das Bauen häufig gekennzeichnet durch eine fehlerbehaftete Kommunikation und Dokumentation bei der Produktion und der Herstellung der oft sehr individuellen Bauwerke. Ein wesentlicher Grund ist die häufig unterlassene Fortschreibung der Planung bis hin zur vollständigen Dokumentation der ausgeführten Leistungen, also die Nennung und Beschreibung des in der Planung geforderten meist neutralen Artikels, nämlich Angaben und Eigenschaften zum tatsächlich verbauten Produkt. In der Fertigungsphase sind optimierte Kommunikationswege und Materialflüsse von großer Bedeutung, wie dies die Entwicklungen und Erfahrungen in der stationären Industrie belegen. Eine Weiterentwicklung bei der Mechanisierung und Automatisierung des Bauens ist nur über eine möglichst medienbruchfreie Kommunikation der am Bau Beteiligten realisierbar. Mit der vorgelegten Arbeit wird durch den Einsatz der RFID-Technik in den Phasen der Herstellung, aber auch in der Betriebs- bzw. Nutzungsphase der baulichen Anlagen eine medienbruchfreie Prozessverfolgung und -steuerung ermöglicht. Dabei spielt auch die Datenhaltung am Bauwerk durch das Speichern der Baustoff- und Bauteilinformationen direkt am Objekt, die Erzeugung „Intelligenter Bauteile“, eine bedeutende Rolle. Durch die medienbruchfreie Kommunikation, der direkten Kopplung der Informationswelt mit der realen Welt in Echtzeit sind Reaktionen auf Veränderungen in der Bau- und Nutzungsphase sehr einfach möglich. Im Ergebnis erlaubt der Einsatz der RFID-Technik am Bau eine deutliche Steigerung der Transparenz bei den Fertigungsprozessen in der Herstellphase aber auch in der Nutzungsphase beim Betrieb der baulichen Anlage und fördert nachhaltig die Prozessqualitäten über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes. Die möglichen Nutzenpotenziale des „Intelligenten Bauteils“ sind neben den in der Dissertationsschrift diskutierten Beispielen noch lange nicht erschöpfend erfasst.
Univ.-Prof. Dr.-ing. Peter Jehle
Vorwort des Verfassers
„Wir bauen Einzelstücke und Prototypen – keine Serienprodukte.“ Diesem Satz begegnet man in der Bauindustrie immer dann, wenn nach neuen Methoden und Verfahren gesucht wird. Dieser Satz, der global sicherlich nicht falsch ist, blockiert jedoch jegliche Ansätze bewährte Methoden aus anderen Industriezweigen zu analysieren und gegebenenfalls auf das Bauwesen zu übertragen. Ansätze, um Geschäftsprozesse durch Veränderungen oder Einsatz neuer Hilfsmittel zu optimieren, was nicht selten auch zur Kostensenkung führt. Kostensenkungen, die nicht nur durch den preiswerten Einkauf von Dienstleistungen, welche vorher auslagert wurden, oder immer billigeren Materialien kurzfristig erzielt werden. Langfristige Einsparungen bei gleichzeitig konstanten oder besseren Qualitäten nutzen dem Unternehmen sich am Markt zu behaupten und führen auch zum Imagegewinn bei potentiellen Auftraggebern. Diese Erkenntnis reifte während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Baubetriebswesen an der Technischen Universität Dresden und führte dazu, Methoden und Ansätze anderer Industriezweige zu analysieren. Erste Berührungspunkte mit den Methoden der automatischen Identifikation waren 2005. Erste Untersuchungen eröffneten ein weites Feld von Einsatzmöglichkeiten dieser Technologie im Bauwesen. Spezifizierte Analysen konnten dann im Rahmen von Forschungsvorhaben zum „Intelligenten Bauteil“ von 2006 bis 2010 erfolgen. In dieser Zeit ist auch die hier vorliegende Arbeit entstanden. Für die aktive Unterstützung während der gesamten Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter und speziell bei der Bearbeitung dieser Aufgabe gilt mein Dank an dieser Stelle zu allererst meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr.-Ing. Peter Jehle. Die konstruktiven Diskussionen mit ihm über fachliche Themen und methodische Herangehensweisen, welche ich sehr zu schätzen gelernt habe, beeinflussten meine Arbeit immer positiv. Mein Dank gilt ebenso Herrn Prof. Dr.-Ing. Manfred Helmus für die Begutachtung dieser Arbeit. Herzlich danken möchte ich außerdem allen Mitarbeitern des Instituts für Baubetriebswesen, für die offenen Gespräche und Diskussionen und die angenehme sowie unvergessliche Zeit an der Technischen Universität Dresden. Überdies gilt mein Dank meinen Freunden und meiner Familie sowie ganz besonders meiner Frau und meinen beiden Söhnen, die mir immer Rückhalt gaben und mich ohne Pause persönlich wie moralisch gestützt und unterstützt haben.
Stefan Seyffert
Inhaltsverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ............................................................................................. XIII TABELLENVERZEICHNIS ................................................................................................. XVII ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ............................................................................................ XIX 1
EINLEITUNG ............................................................................................................. 1
1.1
Aufbau der Arbeit und Forschungskonzeption ........................................................... 1
1.2
Abgrenzung der Forschungsaufgabe......................................................................... 2
1.3
Daten, Informationen und Wissen.............................................................................. 2
2
ANALYSE UND PROBLEMSTELLUNG ................................................................... 5
2.1
Zahlen, Unternehmensstrukturen und Softwareausstattung ...................................... 5
2.2
Die Bauindustrie und die stationäre Industrie ............................................................ 7
2.2.1
Die Bauindustrie und deren Produktion ................................................................................... 7
2.2.2
Die stationäre Industrie und deren Produktion ........................................................................ 8
2.3
Die Produktionsbeteiligten ....................................................................................... 11
2.3.3
Die Beteiligten am Produktionsprozess im Bauwesen .......................................................... 12
2.3.4
Die Beteiligten am Produktionsprozess des Maschinenbaues ............................................. 13
2.4
Die Produktionsphasen ............................................................................................ 14
2.4.1
Die Bauproduktion ................................................................................................................. 14
2.4.2
Die stationäre Produktion ...................................................................................................... 15
2.5
Die Kommunikationsflüsse....................................................................................... 18
2.5.3
Die Kommunikationsflüsse in der Bauindustrie ..................................................................... 18
2.5.4
Die Kommunikationsflüsse in der stationären Industrie ........................................................ 20
2.6
Zusammenführung und Analyse .............................................................................. 21
2.7
Problemdarstellung .................................................................................................. 25
3
LÖSUNGSANSATZ UND MODELLBESCHREIBUNG .......................................... 29
3.1
Idee .......................................................................................................................... 29
3.2
Die globalen Randbedingungen............................................................................... 30
3.2.1
Die Objektebene und das Bauteil .......................................................................................... 30
3.2.2
Die Datenebene ..................................................................................................................... 32
3.2.3
Die Schnittstelle – Vorauswahl der notwendigen Technologie ............................................. 34
3.2.4
Abgrenzung der Kennzeichnungsvarianten .......................................................................... 37
X
Inhaltsverzeichnis
3.3
Das Modell ............................................................................................................... 40
4
MODELLANWENDUNG .......................................................................................... 43
4.1
Technische Beschreibungen und Anforderungen .................................................... 44
4.1.1
Beschreibung der RFID Technologie .................................................................................... 45
4.1.1.1 4.1.1.2 4.1.1.3 4.1.1.4 4.1.1.5
Transponder .......................................................................................................................... 45 Lesegerät ............................................................................................................................... 47 Arbeitsfrequenz...................................................................................................................... 48 Kopplung zwischen Lesegerät und Transponder .................................................................. 50 Hintergrundsysteme .............................................................................................................. 53
4.1.2
Standards der RFID-Technologie .......................................................................................... 53
4.1.2.1 4.1.2.2 4.1.2.3 4.1.2.4
ISO-Normen........................................................................................................................... 53 EPC-Standards ...................................................................................................................... 54 Standards in der Luftfahrt ...................................................................................................... 55 Standards der Pharmaindustrie ............................................................................................. 55
4.1.3
Anforderungen an die RFID-Technologie .............................................................................. 56
4.1.3.1 4.1.3.2 4.1.3.3 4.1.3.4 4.1.3.5 4.1.3.6
Schutzklasse.......................................................................................................................... 56 Temperatur ............................................................................................................................ 58 Leseentfernung ...................................................................................................................... 58 Arbeitsfrequenz...................................................................................................................... 59 Einbauort ............................................................................................................................... 59 Standardisierung ................................................................................................................... 60
4.2
Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung .............................. 61
4.2.1
Auswahl der Geschäftsprozesse ........................................................................................... 61
4.2.2
Besprechungswesen ............................................................................................................. 65
4.2.2.1 4.2.2.2 4.2.2.3
Ist-Situation ............................................................................................................................ 66 Mögliche Störstellen im Informationsfluss ............................................................................. 69 Prozessmodell mit RFID-Technologie ................................................................................... 70
4.2.3
Kostencontrolling ................................................................................................................... 72
4.2.3.1 4.2.3.2 4.2.3.3
Ist-Situation ............................................................................................................................ 72 Mögliche Störstellen im Informationsfluss ............................................................................. 75 Prozessmodell mit RFID-Technologie ................................................................................... 76
4.2.4
Termincontrolling ................................................................................................................... 79
4.2.4.1 4.2.4.2 4.2.4.3
Ist-Situation ............................................................................................................................ 79 Mögliche Störstellen im Informationsfluss ............................................................................. 82 Prozessmodell mit RFID-Technologie ................................................................................... 82
4.2.5
Qualitätscontrolling ................................................................................................................ 84
4.2.5.1 4.2.5.2 4.2.5.3
Ist-Situation ............................................................................................................................ 84 Mögliche Störstellen im Informationsfluss ............................................................................. 87 Prozessmodell mit RFID-Technologie ................................................................................... 88
4.2.6
Abnahme ............................................................................................................................... 89
4.2.6.1 4.2.6.2
Ist-Situation ............................................................................................................................ 91 Mögliche Störstellen im Informationsfluss ............................................................................. 94
Inhaltsverzeichnis
XI
4.2.6.3
Prozessmodell mit RFID-Technologie ................................................................................... 94
4.2.7
Nutzungsphase ...................................................................................................................... 97
4.2.7.1 4.2.7.2 4.2.7.3
Ist-Situation .......................................................................................................................... 101 Mögliche Störstellen im Informationsfluss ........................................................................... 105 Prozessmodelle mit RFID-Technologie ............................................................................... 105
4.2.8
Abbruchphase...................................................................................................................... 109
4.2.8.1 4.2.8.2 4.2.8.3
Ist-Situation .......................................................................................................................... 110 Mögliche Störstellen im Informationsfluss ........................................................................... 112 Prozessmodell mit RFID-Technologie ................................................................................. 113
4.3
Sonstige Bewertungskriterien ................................................................................ 115
4.3.1
Anthropogene Kriterien........................................................................................................ 115
4.3.2
Politische und rechtliche Kriterien ....................................................................................... 116
4.3.3
Ökologische Kriterien .......................................................................................................... 118
4.3.4
Soziale Kriterien................................................................................................................... 119
4.3.5
Naturwissenschaftliche Kriterien ......................................................................................... 121
4.3.6
Gesellschaftliche und kulturelle Kriterien ............................................................................ 122
4.3.7
Ethische Kriterien ................................................................................................................ 122
5
NACHWEIS DER TECHNISCHEN EIGNUNG ...................................................... 125
5.1
Ziel des Nachweises .............................................................................................. 125
5.1.1
Versuchskriterium Arbeitsfrequenz ..................................................................................... 126
5.1.2
Randbedingungen Baustoff und Produktionsumgebung ..................................................... 126
5.2
Versuche zum Nachweis ....................................................................................... 128
5.2.1
Hardware- und Softwarekomponenten der Untersuchungen .............................................. 129
5.2.2
Prinzipieller Versuchsaufbau ............................................................................................... 131
5.2.3
Versuchsreihe 1 – Frischbeton ............................................................................................ 132
5.2.4
Versuchsreihe 2 – Wasserlagerung .................................................................................... 133
5.2.5
Versuchsreihe 3 – Fertigteilherstellung in einer Umlaufanlage ........................................... 134
5.3
Ergebnisse und Auswertung .................................................................................. 136
5.3.1
Versuchsreihe 1 – Frischbeton ............................................................................................ 136
5.3.2
Versuchsreihe 2 – Wasserlagerung .................................................................................... 140
5.3.3
Versuchsreihe 3 – Fertigteilherstellung in einer Umlaufanlage ........................................... 141
6
ZUSAMMENFASSUNG, THESEN UND AUSBLICK ............................................ 143
6.1
Zusammenfassung und Thesen ............................................................................ 143
6.2
Ausblick.................................................................................................................. 145
LITERATURVERZEICHNIS UND INTERNETQUELLEN .................................................... 147 ZITIERTE NORMEN, GESETZE UND VERORDNUNGEN ................................................. 159
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Aufbau der Arbeit ......................................................................................................... 1 Abb. 2: Wissenspyramide......................................................................................................... 3 Abb. 3: Unternehmensstrukturen 2007, .................................................................................... 6 Abb. 4: Wertschöpfungspyramide ............................................................................................ 9 Abb. 5: Auslagerung beim Automobilbau, am Beispiel der Wertschöpfungspyramide .......... 10 Abb. 6. Beteiligte am Bauprozess und deren Beziehungen ................................................... 12 Abb. 7: Beteiligte bei der Produktentwicklung ........................................................................ 13 Abb. 8: Beispiel eines qualitativen Verlaufes der Produktionsphasen im Bauwesen ............. 14 Abb. 9: qualitativer Verlauf der Produktionsphasen der Automobilherstellung ...................... 17 Abb. 10: unterschiedliche Kommunikationsmodelle ............................................................... 19 Abb. 11: Projektmanagement und Produktmanagement ...................................................... 24 Abb. 12: klassischer Datenfluss mit den unterschiedlichen Medienbrüchen .......................... 26 Abb. 13: klassischer Datenfluss unter Verwendung eines PKMS .......................................... 27 Abb. 14: vereinfachter Datenfluss ohne Medienbrüche im Bauwesen ................................... 30 Abb. 15: Beispiel für die Bauteil-Raumbeziehung .................................................................. 31 Abb. 16: Definition „Bauteil“.................................................................................................... 32 Abb. 17: zu verarbeitende Daten............................................................................................ 32 Abb. 18: Schnittstellen zwischen der realen und virtuellen Welt ............................................ 34 Abb. 19: Zusammenfassung der wichtigsten AutoID-Verfahren ............................................ 35 Abb. 20: vereinfachter Datenfluss mit der RFID-Technologie als Schnittstellenlösung ......... 36 Abb. 21: Kennzeichnungsvarianten und deren Abhängigkeiten............................................. 38 Abb. 22: Datenflussmodell „Intelligentes Bauteil“ ................................................................... 41 Abb. 23: Komponentenmodell der Technikbewertung ........................................................... 44 Abb. 24: Komponenten der RFID-Technologie ...................................................................... 45 Abb. 25: möglicher Aufbau und Antennenausbildung von Transpondern .............................. 46 Abb. 26: Ausbreitung und exemplarischer Reichweitenvergleich der Kopplungskurven ....... 51 Abb. 27: induktive Kopplung................................................................................................... 51 Abb. 28: kapazitive Kopplung ................................................................................................. 52 Abb. 29: Installationszonen für Elektroleitungen .................................................................... 60
XIV
Abbildungsverzeichnis
Abb. 30: Informationsmanagementsystem für die Modellbeschreibung................................. 61 Abb. 31: Aufbauorganisation des Beispielprojektes ............................................................... 64 Abb. 32: Beispiel eines Prozessmodells für die Baubesprechungen ..................................... 67 Abb. 33: Beispiel eines Prozessmodells für die Baubesprechungen mit RFID-Technologie . 71 Abb. 34: Beispiel eines Prozessmodells für das Kostencontrolling ........................................ 74 Abb. 35: Beispiel eines Prozessmodells für das Kostencontrolling mit der RFID-Technologie ................................................................................................................................. 77 Abb. 36: zeitliche Einordnung der unterschiedlichen Terminplanungen ................................ 79 Abb. 37: Beispiel eines Prozessmodells für das Termincontrolling ........................................ 81 Abb. 38: Beispiel eines Prozessmodells für das Termincontrolling mit der RFID-Technologie ................................................................................................................................. 83 Abb. 39: Beispiel eines Prozessmodells für das Qualitätscontrolling ..................................... 86 Abb. 40: Beispiel eines Prozessmodells für das Qualitätscontrolling mit der RFIDTechnologie .............................................................................................................. 88 Abb. 41: Formen der Abnahme .............................................................................................. 89 Abb. 42: Abnahmepartner ...................................................................................................... 90 Abb. 43: Beispiel eines Prozessmodells einer Abnahme ....................................................... 92 Abb. 44: Beispiel eines Prozessmodells für die Abnahme mit der RFID-Technologie ........... 95 Abb. 45: Bereiche des Facility Managements ........................................................................ 99 Abb. 46: Betreiber als Leistungsintegrator und Ziele der Eigentümer, Nutzer und Benutzer ............................................................................................................................... 100 Abb. 47: Zyklen der Unternehmensveränderungen ............................................................. 100 Abb. 48: Beispiel eines Prozessmodells einer Instandhaltung durch den Eigentümer oder Betreiber ................................................................................................................. 102 Abb. 49: Datenverlust bei der Gebäudeübergabe ................................................................ 103 Abb. 50: Methoden der Bestandsaufnahme ......................................................................... 103 Abb. 51: Beispiel eines Prozessmodells einer Instandhaltung durch den Nutzer ................ 104 Abb. 52: Beispiel eines Prozessmodells einer Instandhaltung durch den Eigentümer oder Betreiber mit der RFID-Technologie ....................................................................... 106 Abb. 53: Beispiel eines Prozessmodells Instandhaltung durch den Nutzer mit der RFIDTechnologie ............................................................................................................ 107 Abb. 54: geltende Rechtsnormen bei Abbrucharbeiten........................................................ 109 Abb. 55: Beispiel eines Prozessmodells für die Vorbereitung von Abbrucharbeiten ............ 111
Abbildungsverzeichnis
XV
Abb. 56: Beispiel eines Prozessmodells für die Vorbereitung von Abbrucharbeiten mit der RFID-Technologie .................................................................................................. 114 Abb. 57: Planung der Versuche ........................................................................................... 128 Abb. 58: verwendeter HF-Reader ........................................................................................ 129 Abb. 59: verwendete HF-Transponder ................................................................................. 130 Abb. 60: verwendeter UHF-Reader mit Antenne.................................................................. 130 Abb. 61: verwendete UHF-Transponder .............................................................................. 131 Abb. 62: Prinzipieller Versuchsaufbau ................................................................................. 131 Abb. 63: Übersicht der Versuchsreihe 1 – Frischbeton ........................................................ 132 Abb. 64: Übersicht der Versuchsreihe 2 – Wasserlagerung ................................................ 134 Abb. 65: Übersicht der Versuchsreihe 3 – Fertigteilherstellung in einer Umlaufanlage ....... 135 Abb. 66: Ergebnisse Versuch D2 – Deister, HF ................................................................... 137 Abb. 67: Ergebnisse Versuch M2 – Microsensys, HF .......................................................... 137 Abb. 68: Ergebnisse Versuch D4 – Deister, HF ................................................................... 137 Abb. 69: Ergebnisse Versuch M4 – Microsensys, HF .......................................................... 137 Abb. 70: Ergebnisse Versuch D1 – Deister, UHF ................................................................ 138 Abb. 71: Ergebnisse Versuch H1 – Harting, UHF ................................................................ 138 Abb. 72: Ergebnisse Versuch D3 – Deister, UHF ................................................................ 138 Abb. 73: Ergebnisse Versuch H3 – Harting, UHF ................................................................ 138 Abb. 74: Ergebnisse Versuchsreihe 2 – Wasserlagerung .................................................... 140 Abb. 75: Ergebnisse Versuchsreihe 3 – Fertigteilherstellung in einer Umlaufanlage ........... 141
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Wirtschaftsdaten des Bauhauptgewerbes im Vergleich zum Maschinenbau .......... 5 Tabelle 2: Gegenüberstellung der Bau- und Industrieproduktion ........................................... 21 Tabelle 3: ausgewählte Eigenschaften der infrage kommenden AutoID-Verfahren ............... 35 Tabelle 4: RFID Frequenzen und wichtige Parameter .......................................................... 49 Tabelle 5: EPC-Standards...................................................................................................... 54 Tabelle 6: Schutzklassen gegen Berührung und Fremdkörpereinwirkung ............................. 57 Tabelle 7: Schutzklassen gegen Wassereinwirkungen .......................................................... 57 Tabelle 8: Arten der Projektbesprechungen ........................................................................... 65 Tabelle 9: Prozesse der verschiedenen FM-Definitionen....................................................... 98 Tabelle 10: Einflusskriterien der Stahlbetonbestandteile auf RFID-Stahlbetonanwendung . 127
Abkürzungsverzeichnis
ATA
Air Transport Association
ATV
Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen
AVV
Abfallverzeichnis-Verordnung
BDSG
Bundesdatenschutzgesetz
BetrVG
Betriebsverfassungsgesetz
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BIP
Bruttoinlandsprodukt
CAD
Computer Aided Design
CAM
Computer Aided Manufacturing
CAP
Computer Aided Planning
DIN
Deutsches Institut für Normung
ebd.
ebenda
EDI
Electronic Data Interchange
ElektroG
Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten
EPC
Electronic Product Code
ERP
Enterprise-Resource-Planning
ERP
Equivalent Radiated Power
FMCG
Fast Moving Consumer Goods
FreqNP
Frequenznutzungsplan
GEFMA
German Facility Management Association
GS1
Global Standards One
HF
high frequency, Hochfrequenz
HKLS
Heizungs-, Klima-, Lüftungs- und Sanitärtechnik - kurz Haustechnik
HOAI
Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure )
Hrsg.
Herausgeber
IATA
International Air Transport Association
ID
Identifikation (engl. Identification)
XX
Abkürzungsverzeichnis
idF
in der Fassung
IEC
International Electrotechnical Commission
IFA
Informationsstelle für Arzneimittelspezialitäten
IFC
Industry Foundation Classes
ISO
Internationale Organisation für Normung
ITAS
Institut für Technikfolgeabschätzung und Systemanalyse
KMU
Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen
KrW-/AbfG
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz
LAN
local area network, lokales Netzwerk
LF
low frequency, Niederfrequenz
PKMS
Projekt-Kommunikations-Management-Systeme
PZN
Pharmazentralnummer
RFID
Radio Frequenz Identifikation (engl. Radio Frequency Identification)
RoHS
Restriction of the use of certain hazardous substances
SCM
Supply Chain Management
TAB
Büro für Technikfolgeabschätzung beim Deutschen Bundestag
TGA
Technische Gebäudeausrüstung
UHF
ultra high frequency, Ultrahochfrequenz
VOB
Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen
WEEE
Waste Electrical and Electronic Equipment
WLAN
wireless local area network, drahtloses lokales Netzwerk
WORM
Write Once Read Many
1 Einleitung 1.1
Aufbau der Arbeit und Forschungskonzeption
Die Arbeit ist, wie in Abb. 1 zusammenfassend dargestellt, in sechs Kapitel unterteilt. Nach einer kurzen Einleitung erfolgt im Kapitel zwei die Analyse und Ausarbeitung der Problemstellung. Dazu ist die Automobilindustrie, als Vertreter der Maschinenbauindustrie, der Bauindustrie gegenübergestellt. Um die sich daraus ergebenden, offenen Potenziale in der Bauindustrie zu erschließen, ist im Kapitel vier ein Lösungsansatz vorgestellt. Dieser Lösungsansatz ist durch ein Modell gekennzeichnet.
Abb. 1: Aufbau der Arbeit
S. Seyffert, Optimierungspotenziale im Lebenszyklus eines Gebäudes, DOI 10.1007/978-3-8348-8185-4_1, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2
1 Einleitung
Im vierten Hauptkapitel wird dieses Modell anhand der für die Technik und die Technologien üblichen Methoden bewertet und durch die Versuche, beschrieben in Kapitel fünf, nachgewiesen. Eine Zusammenfassung und ein Ausblick in Kapitel sechs schließen die Arbeit ab.
1.2
Abgrenzung der Forschungsaufgabe
In dieser Forschungsarbeit stehen die Datenflüsse, welche in allen Bereichen des Lebenszyklus eines Gebäudes vorhanden sind, im Mittelpunkt. Da die Teile der Planung oft auch parallel zur Bauphase verlaufen und die Kommunikation zwischen den am Bau Beteiligten ein deutliches Optimierungspotenzial aufweist, werden diese Planungsprozesse in die Untersuchung einbezogen. Ähnlich wie in anderen Industriezweigen sind auch in der Bauindustrie viele unterschiedliche Unternehmen am Lebenszyklus eines Bauwerks beteiligt. Dabei handelt es sich nicht nur um Fertigungsunternehmen, sondern auch Ingenieure, Logistikdienstleister und Facility Manager sind in die einzelnen Phasen eingebunden. Jedes dieser Unternehmen verfügt heute über eigene Informationssysteme, die nur in den seltensten Fällen miteinander harmonisieren.1 In vielen Forschungen, beispielsweise zum Informationsmanagement und zum Wissensmanagement, wird intensiv nach Lösungen gesucht, die entsprechenden Ressourcen sicher, optimal und nachhaltig weiterzuleiten und zu verteilen. In Bezug auf die Bauausführung ist die Betrachtung aber eher grob gehalten. Keine der recherchierten Untersuchungen geht in die einzelnen Prozesse der Ausführungsphase hinein. Die Fragen, wie die notwendigen Daten und Informationen an den Mitarbeiter vor Ort gelangen, bleiben bis dato unbeantwortet. Dabei ist gerade hier die Vollständigkeit der Daten, die Datenschärfe oder Eindeutigkeit sowie die zeitgenaue Datenbereitstellung unumgänglich. Die Analyse und die Antwort auf diese offene Frage ist Gegenstand dieser Forschungsarbeit.
1.3
Daten, Informationen und Wissen
In der Arbeit werden Optimierungsbeispiele für die Kommunikation auf der Baustelle untersucht und entwickelt. Dazu ist die Klärung der Begriffe „Daten“ und „Information“ unumgänglich. Mit diesen sind auch Begriffe wie „Zeichen“ und „Wissen“ eng verbunden, was in der Praxis oft nicht gesehen wird. Dies und die Gleichsetzung der Termini führen nicht selten zu Missverständnissen und somit zu Problemen.
1
vgl. Meinberg (2005) S. 87f.
1.3 Daten, Informationen und Wissen
3
Die Begriffe und deren Verbindungen sind in der folgenden Abb. 2 dargestellt. Die Grundlage bildet die Wissenschaft von Ausdruck und der Bedeutungslehre, die sogenannte Semiotik. Durch deren drei Dimensionen: Syntax, Semantik und Pragmatik können die Begriffe in Zusammenhang gebracht werden.
Abb. 2: Wissenspyramide2
Aus den einzelnen Zeichen entstehen durch die Syntax die Daten. Über die Lehre von der Bedeutung sprachlicher Zeichen, der Semantik, können dann die Informationen interpretiert werden. Die Verbindung der Informationen über die Pragmatik führt dann zu dem Wissen. Dieses Wissen befähigt Menschen Entscheidungen zu treffen und Aktionen auszuführen.3
2
in Anlehnung an Aamodt u. Nygård 1995. S.197 ff.
3
vgl. Aamodt u. Nygård 1995. S. 197 ff.
2 Analyse und Problemstellung Die aktuellen Zahlen des Maschinen- und des Automobilbaus im Vergleich zur Bauindustrie, zusammengefasst in Abschnitt 2.1, spiegelt eine hohe Produktivität dieser stationären Industriezweige wider. Die Gründe sind unter anderem die Optimierung der Fertigungsverfahren sowie der Organisationsstrukturen. Um daraus zu lernen und Potenziale für die Bauindustrie ableiten zu können, müssen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Industrien analysiert werden. Für Beispiele und spezielle Vergleiche soll die Automobilindustrie als Vertreter der stationären Industrie in die Betrachtung einfließen. Nach der Gegenüberstellung der aktuellen Wirtschaftszahlen, Unternehmensstrukturen und Softwareausstattungen der Bauindustrie und der stationären Industrie folgen die Gegenüberstellung der beiden Industrien sowie die detaillierteren Vergleiche in den Bereichen:
2.1
-
Produktionsbeteiligte,
-
Produktionsphasen und
-
Kommunikationsflüsse.
Zahlen, Unternehmensstrukturen und Softwareausstattung
In der Tabelle 1 sind die Wirtschaftszahlen des Bauhauptgewerbes sowie des Maschinenbaus und des Fahrzeugbaus, wozu die Hersteller der Kraftwagen und der Kraftwagenteile zählen, für das Jahr 2009 aufgelistet. Die berechneten Umsatzzahlen pro Beschäftigten sind beim Bauhauptgewerbe nur halb so hoch wie beim Maschinen- und Fahrzeugbau, was auf eine geringere Produktivität hinweist. Bauhauptgewerbe4
Maschinen- und Fahrzeugbau5
Beschäftigte
705.000
1.636.000
Umsatz
82,2 Mrd. Euro
364,0 Mrd. Euro
Umsatz/Beschäftigter
116.617 Euro
222.494 Euro
Tabelle 1: Wirtschaftsdaten des Bauhauptgewerbes im Vergleich zum Maschinenbau
Die Unternehmensstrukturen im Bauhauptgewerbe und im Maschinenbau sind in Abb. 3 zusammengefasst. Dabei ist festzustellen, dass in beiden Bereichen die meisten Unternehmen
4
vgl. Baugewerbe 2009
5
vgl. VDMA 2010. S. 4
S. Seyffert, Optimierungspotenziale im Lebenszyklus eines Gebäudes, DOI 10.1007/978-3-8348-8185-4_2, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
6
2 Analyse und Problemstellung
zu den sogenannten KMU6 zählen. Die Unterschiede sind bei der Verteilung nach der Anzahl der Beschäftigten und nach dem Umsatz zu erkennen. Im Bauhauptgewerbe dominieren in diesen beiden Fällen ebenfalls die KMU. Dem gegenüber sind im Maschinenbau die meisten Beschäftigten bei Großunternehmen angestellt. Bei diesen wird auch ein doppelt so hoher Umsatz, bezogen auf den Gesamtumsatz der Branche, erwirtschaftet, was auf optimierte Organisationsstrukturen und eine hohe Qualität bei den Fertigungsverfahren schließen lässt.
Abb. 3: Unternehmensstrukturen 20077, 8
6
KMU steht für Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen. Die Europäische Kommission definierte mit der Empfehlung 2003/361/EG (EU [Hrsg.] 2003) die Kriterien, nach welchen die Einteilung der Unternehmen erfolgt. Maßgebend sind dabei die Mitarbeiterzahl und die Bilanzsumme oder der Jahresumsatz. Weitere Informationen sind in EU [Hrsg.] 2006 zusammengefasst.
7
Zahlen für das Bauhauptgewerbe aus: Baudaten 2009
8
Zahlen für den Maschinenbau aus: Krebs u. Schneider 2010
2.2 Die Bauindustrie und die stationäre Industrie
7
Die Softwareausstattung in den Unternehmen ist, branchenübergreifend, abhängig von der Größe der Unternehmen. Aktuelle Marktanalysen9 zeigen, dass 72,6 % der mittelständischen und großen Unternehmen kurz- bis mittelfristig in sogenannte ERP-Software10 investieren wollen. Die Kleinstunternehmen und Kleinen Unternehmen setzen auch Software zur Unterstützung ihrer Geschäftsprozesse ein. Dabei ist aber festzustellen, dass nur selten durchgängige und anpassungsfähige Applikationen für die Kernprozesse eingesetzt werden. Vor allem in Bauunternehmen werden viele verschiedene Softwareapplikationen verwendet. Je nach Geschäftsbereich kommen unterschiedliche Programme zur Anwendung, die keinen oder nur einen beschränkten Datenaustausch zulassen11. Als Beispiele sind hier die Office-, CAD- oder Ausschreibungsapplikationen zu nennen. Die Kommunikation, zum Zweck des aufgabenbezogenen Informationsaustausches, erfolgt durch verbale Nachrichten, wie beispielsweise Besprechungen oder Telefongespräche. Außerdem kommen nonverbale Kommunikationsformen zum Einsatz. Zu diesen zählen im Bauwesen in erster Linie die Planungsunterlagen, beschreibende Dokumente, wie zum Beispiel die Leistungsverzeichnisse, Leistungsbeschreibungen, Terminpläne sowie Schriftverkehr per Post, Fax oder Internet. All diese Kommunikationsmedien enthalten Daten, die durch kausale Zusammenhänge zu Informationen werden12.
2.2 2.2.1
Die Bauindustrie und die stationäre Industrie Die Bauindustrie und deren Produktion
Noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Bauindustrie durch Handwerksbetriebe gekennzeichnet. Der Bauhandwerksmeister verrichtete seine Arbeiten als Lohnwerk und beschränkte sich dabei auf sein Fachgebiet. Das Material wurde üblicherweise vom Bauherrn gestellt. Bauunternehmen entstanden erst als Kapital zum Vorfinanzieren des Baumaterials erforderlich war. Als Zeitpunkt kann die Änderung der Gewerbeordnung von 1869 gesehen werden, wobei erst in den 1880er und 1890er Jahren größere Unternehmen, wie die Philipp Holzmann AG (1873), Wayss und Freytag AG (1893) oder Züblin-Bau AG (1898)
9
vgl. Gottwald 2008. S. 19
10
ERP: Enterprise-Resource-Planning – Software zur Planung und Verwaltung der Unternehmensressourcen, „…integrierte Software-Lösung für die Steuerung der Auftragsabwicklung, des Vertriebs und der Abrechnung in einem Unternehmen…“ vgl. Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG [Hrsg.] 2009. ERP
11
vgl. Rösch 2004. S. 39
12
vgl. Greiner, Mayer et al. 2005. S.120
8
2 Analyse und Problemstellung
entstanden. Bis heute ist die Bauindustrie ein sehr personalintensiver und kapitalintensiver Industriezweig, der nach wie vor von KMU dominiert ist.13 Die Vergabe der einzelnen Gewerke an unterschiedliche Unternehmen oder Handwerksbetriebe durch den Bauherrn, die sogenannte Einzelvergabe, ist auch heute bei kleinen Bauvorhaben üblich. Bei größeren Vorhaben, bei schlüsselfertigen Vorhaben und bei öffentlichen Bauvorhaben hat sich die Vergabe an einen Generalunternehmer, Generalübernehmer, Totalunternehmer oder Totalübernehmer weitestgehend durchgesetzt. Auch die Vergabe an einen Systemanbieter oder Bauträger ist eine gängige Praxis. Für umfassende Definitionen der einzelnen Unternehmertypen wird an dieser Stelle auf die entsprechende Literatur verwiesen.14 Allgemein unterscheiden sich die vier Unternehmenstypen darin, ob die Planungsleistung Bestandteil des Auftrages ist und ob die Bauaufgaben durch das eigene Unternehmen oder durch Nachunternehmer ausgeführt werden. Die Produktion im Bauwesen ist heute unterteilt in die Vorfertigung und die Baustellenfertigung, wobei unter der Vorfertigung die Herstellung von Bauelementen oder Bauteilen unter stationären Produktionsbedingungen verstanden wird. Diese Fertigung ist durch klare und stringente Produktions- und Organisationsstrukturen gekennzeichnet. Anders ist dies bei der Baustellenfertigung. Neben den unterschiedlichen Fertigungsdauern von Baustelle zu Baustelle, führen die Standortwechsel zwangsläufig zu den folgenden Randbedingungen: -
wechselnde Beteiligte,
-
wechselnde Projektstrukturen mit unterschiedlichen Kommunikationsformen und Kommunikationsmodellen,
-
unterschiedliche Bestandteile und Anordnungen bei der Infrastruktur und Baustelleneinrichtung,
-
keine festen Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen,
-
wechselnde und begrenzte Lagerhaltung,
-
unterschiedlicher Vorfertigungsgrad und
-
Einfluss der Witterung.
2.2.2
Die stationäre Industrie und deren Produktion
Die Produktion in der stationären Industrie ist sehr vielfältig. Je nach Produkt und Unternehmensstrategie werden wichtige Prozesse im Unternehmen selbst oder durch andere über-
13
vgl. Bolenz 1991. S.24 ff.
14
vgl. Schach u. Sperling 2001. S.26 ff.
9
2.2 Die Bauindustrie und die stationäre Industrie
nommen. Dieses Outsourcing ist in einigen Industriezweigen stark ausgeprägt. Als Beispiel sei hier die Automobilindustrie aufgeführt. Die Wertschöpfungsprozesse können wie in Abb. 4 als Pyramide veranschaulicht werden. Ende des 19. Jahrhunderts konzentrierten sich die damaligen Automobilhersteller, wie zum Beispiel Daimler, hauptsächlich auf die Entwicklung und Fahrzeugintegration15 sowie den Vertrieb. Teilweise übernahmen die Hersteller auch die Fertigung. Dabei waren die einzelnen Teile noch solange zu bearbeiten, bis diese zusammenpassten. Eine Massenproduktion konnte so nicht entstehen.
Entwicklung Integration, Markenmanagement, Vertrieb
z. B. Produktentwicklung, Werbekampagne
Produktfertigung Systeme, Module Komponenten, Teile, Technologien
z. B. Montage z. B. Antriebe, Steuereinheiten z. B. Schrauben, Pressen
Abb. 4: Wertschöpfungspyramide16
Erst Henry Ford konnte mit seiner Produktion des T-Modells diese Massenproduktion erreichen. Von diesem Modell konnten etwa 2 Millionen identische Fahrzeuge pro Jahr produziert werden. Grund waren Weiterentwicklungen der Produktionstechniken, Standardisierungen bei den Teilen und Komponenten sowie die Aufteilung der Arbeitsschritte entlang eines Arbeitsbandes (Förderbandes). Die Zulieferer übernahmen die aufgeführten Neuerungen und es entstanden immer mehr Spezialisierungen. Diese und der Kostendruck führten Schritt für Schritt zur Reduzierung der Wertschöpfungstiefe innerhalb der einzelnen Unternehmen, was in der Abb. 5 aufgezeigt ist.
15
Nach Baumann 2007. S. 21 versteht man unter der Fahrzeugintegration das Planen und Entwickeln des Gesamtfahrzeuges unter der Verwendung von Systemen und Modulen mit Blick auf die Kundenanforderungen.
16
nach Pointner 2004. S. 66
10
2 Analyse und Problemstellung
Seit den 90iger Jahren ist die Automobilindustrie in einem starken Wandel. Hauptsächlich sind es die folgenden 5 Trends, denen dieser Industriezweig unterliegt: -
eine geringe Wertschöpfungstiefe,
-
Konsolidierung des Marktes,
-
Globalisierung des Marktes,
-
erhöhte Modellvielfalt und verkürzte Innovationszyklen sowie
-
gestiegenes Umweltbewusstsein und Rohstoffkosten. Leistung des Automobilherstellers
2010? 1990 1910
1890
Erzeugen von Prototypen nach Kundenwünschen
Einführung von Massenproduktion vertikale Integration von nahezu 100% Modell T von Ford
taktisches Outsourcing „Lean Production“ Beginn einer Konsolidierungswelle
Auslagerung der Fertigung Konzentration auf das Management der Marke und die Integration des Gesamtfahrzeuges Erzeugung von individualisierten Autos
Abb. 5: Auslagerung beim Automobilbau, am Beispiel der Wertschöpfungspyramide17
Die Automobilhersteller konzentrieren sich wieder ausschließlich auf die Fahrzeugkonzeption und Fahrzeugintegration sowie das Markenmanagement und den Vertrieb. Die Hauptlieferanten mit einer großen Anzahl an Unterlieferanten sind mittlerweile Technologieführer und übernehmen in zunehmendem Maße Entwicklungsleistungen. Fachleute gehen davon aus, dass bis 2015 etwa 63 % der gesamten Entwicklungskosten durch die Zulieferer übernommen werden.18 Die zunehmende Globalisierung und der hohe Kostendruck führen auch bei den Automobilherstellern zu einer Konsolidierung des Marktes und neuen Produktionsstandorten. Dabei sind nicht nur die Hersteller, sondern auch die Zulieferer betroffen. Die Globalisierung öffnet aber auch neue Absatzmärkte.
17
nach Pointner 2004. Abbildung 1-16
18
vgl. Legner, Pelli et al. 2008. S. 3
2.3 Die Produktionsbeteiligten
11
Die Individualisierungswünsche der Verbraucher und die Innovationen beim Design führten zu einer Steigerung der Modellvielfalt und zu einer enormen Varianz innerhalb eines Modells. Die vielen Ausstattungsmöglichkeiten eines Fahrzeuges ermöglichen jedem Kunden sein eigenes „individualisiertes“ Fahrzeug. Beispielsweise waren 2002 beim 7er BMW rechnerisch 1017 Variationen möglich.19 Außerdem verkürzt sich der Lebenszyklus, der mit der Markteinführung beginnt und mit der Produktionseinstellung endet, durch innovative Technologien und dem Wunsch nach mehr Individualität von etwa acht auf vier Jahre. Auch das gestiegene Umweltbewusstsein und die erhöhten Rohstoffpreise haben Auswirkungen auf die Automobilindustrie. So fließen große Investitionen in die Entwicklungen neuer Antriebstechnologien und in Innovationen zur Ressourcenschonung.20 Prinzipiell ist die stationäre Fertigung im Gegensatz zur Bauproduktion auf der Baustelle durch die folgenden Eigenschaften gekennzeichnet:
2.3
-
wechselnde Beteiligte,
-
ähnliche Projektstrukturen mit einheitlichen Kommunikationsformen und Kommunikationsmodellen,
-
gleiche Bestandteile und Anordnungen bei der Infrastruktur,
-
feste Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen,
-
geplante, abgestimmte und gesteuerte Lagerhaltung,
-
starke Systematisierung und Modularisierung sowie
-
kein Einfluss der Witterung.
Die Produktionsbeteiligten
An den Prozessen bei der Herstellung eines Bauwerkes sind ebenso viele Personen beteiligt wie bei der Herstellung eines Produktes, wie einem Kraftfahrzeuge. Dabei ist eine genaue Anzahl der Beteiligten nicht eindeutig zu verifizieren und für diese Untersuchung auch nicht entscheidend. Um welche Personen und Gruppen es sich handelt, ist in diesem Abschnitt näher erläutert.
19
vgl. Köth 2002. S. 35
20
vgl. Legner, Pelli et al. 2008. S. 3 ff.
12
2 Analyse und Problemstellung
2.3.3
Die Beteiligten am Produktionsprozess im Bauwesen
In die Prozesse bis zur Fertigstellung eines Bauwerkes ist eine Vielzahl von Beteiligten eingebunden. Dazu zählen im Wesentlichen die folgenden Personen/-gruppen: -
der Auftraggeber/Bauherr,
-
die Planer,
-
die Bauunternehmen,
-
die Behörden und oft auch
-
die Finanzdienstleister.
Abb. 6. Beteiligte am Bauprozess und deren Beziehungen21
In vielen Fällen ist heute bereits der spätere Nutzer oder Betreiber, falls es nicht der Auftraggeber selbst ist, in die Planung involviert. Alle Beteiligten habe eine Vertragsbeziehung mit dem Auftraggeber. Weiterhin müssen die einzelnen Beteiligten und deren Prozesse koordiniert werden. Die Abb. 6 verdeutlicht diese Vertragsbeziehungen und den damit verbundenen Koordinationsaufwand zwischen den Beteiligten.
21
in Anlehnung an Berner, Kochendörfer et al. 2007. Abb. 28
2.3 Die Produktionsbeteiligten
13
Mit zunehmender Größer der Bauprojekte erhöht sich die Anzahl der einzelnen Beteiligten. Zum einen werden eine Reihe unterschiedlicher Fachplaner für die verschiedenen Bereiche, wie beispielsweise Tragwerk, Brandschutz, Schallschutz oder Haustechnik einbezogen. Zum anderen vergrößert sich die Anzahl der ausführenden Unternehmen, um die Bauaufgabe in angemessener Zeit auszuführen oder um besondere Bauleistungen, wie zum Beispiel die Installation von Sicherheitstechnik, zu erbringen.
2.3.4
Die Beteiligten am Produktionsprozess des Maschinenbaues
Beginnend bei der Planung über die Herstellung bis zur Auslieferung an den Kunden sind verschiedene Prozesse erforderlich, an denen die in Abb. 7 dargestellten Beteiligten mitwirken.
Abb. 7: Beteiligte bei der Produktentwicklung22
Die Beziehungen zwischen den Beteiligten sind abhängig vom Unternehmen beziehungsweise dessen Strategie. In einigen Fällen gehören die Produktion oder die Lieferanten ebenfalls zum Unternehmen. Außerdem sind die Genehmigungsbehörden oder Finanzdienstleister nicht in jedem Fall beteiligt. Wiederum ist hier das Beispiel der Automobilindustrie sehr gut geeignet, um die Anzahl der Beteiligten anschaulich zu verdeutlichen. In diesem Industriebereich wird in Lieferanten der ersten Reihe (Hauptlieferanten), Lieferanten der zweiten Reihe und die Unterlieferanten unterschieden. Am Beispiel der japanischen Automobilindustrie sind das circa 400 Lieferanten der ersten Reihe, etwa 5.000 Lieferanten der zweiten Reihe und über 40.000 Unterlieferanten.
22
in Anlehnung an Corsten 2007. Abb. 2.1-6
14
2 Analyse und Problemstellung
Die Automobilhersteller entwickeln gemeinsam mit den Lieferanten der ersten Reihe die Systeme und Komponenten. Die Lieferanten der ersten Reihe wiederum entwickeln Komponenten gemeinsam mit den Lieferanten der zweiten Reihe. Die Unterlieferanten, die keine eigene Entwicklungsleistung durchführen, erbringen arbeitsintensive Tätigkeiten für die Lieferanten der ersten und zweiten Reihe. Die Automobilhersteller beziehen 85 % der benötigten Teile von den Hauptlieferanten und 15 % von den Lieferanten der zweiten Reihe.23
2.4
Die Produktionsphasen
2.4.1
Die Bauproduktion
Die Produktion im Bauwesen ist in die Phasen: -
Planung,
-
Ausschreibung/Vergabe und
-
Fertigung, auch Herstellung genannt, gegliedert.
Die Planungsphase beginnt mit einer Idee über ein bestimmtes Objekt oder Vorhaben. In die Prozesse des Planens fließen Ideen des Bauherren, des Architekten, des Nutzers oder Betreibers und anderer Beteiligter ein. Beachtet werden müssen dabei die nationalen oder auch internationalen Gesetze, Vorschriften, Richtlinien und Normen. Nach der Erteilung der Baugenehmigung erfolgt dann die Ausführungsplanung, anschließend werden die Leistungen ausgeschrieben und vergeben sowie das Bauwerk hergestellt.
Abb. 8: Beispiel eines qualitativen Verlaufes der Produktionsphasen im Bauwesen24
Bei der Betrachtung der gesamten Bauproduktion ist diese ideale Abfolge der einzelnen Phasen in Deutschland selten anzutreffen. Üblicherweise wird parallel zur Ausführungsplanung schon gebaut, was in Abb. 8 qualitativ abgebildet ist. Beim Splitten der Vorgänge in
23
vgl. Voegele 1999. S. 77
24
nach Berner, Kochendörfer et al. 2007. S. 47
2.4 Die Produktionsphasen
15
Teilvorgänge und beim Betrachten eines einzelnen Bauteils, verlaufen diese einzelnen Phasen durchaus nacheinander. Trotzdem kommt es ab und zu vor, dass ein Bauteil kurz vor der Herstellung steht oder bereits fertiggestellt ist und der Auftraggeber doch noch einen Änderungswunsch hat. Der parallele Ablauf einzelner Phasen führt zu verkürzten Planvorlaufzeiten für die Fertigung, was zu Störungen im Planungs- und Bauablauf führen kann. Nicht selten kommt es dadurch zu Auseinandersetzungen über Termine sowie Leistungssoll und Vergütung. Dabei entsteht ein großer zusätzlicher Datenfluss und Informationsaustausch zwischen den Beteiligten.25
2.4.2
Die stationäre Produktion
Die Aufteilung der Produktion wird in der Literatur unterschiedlich angegeben. Zusammenfassend stellen die folgenden Phasen die Herstellung eines Industrieproduktes dar.26 -
die Produktplanung
-
die Entwicklung/Konstruktion
-
die Fertigung/Montage
-
der Vertrieb
Die Phasen Produktplanung und Entwicklung/Konstruktion sind in der Richtlinie VDI 2243:2002-07 sehr allgemein und eher einfach beschrieben. Andere Literaturquellen detaillieren genauer, wobei die folgende Auflistung grundsätzlich die Prozesse widerspiegelt.27 Zu der Phase Planung gehören: -
die Zieldefinition,
-
die Produktplanung,
und zur Entwicklungsphase zählt man: -
die Produktentwicklung,
-
die Prozessentwicklung
25
vgl. ebd. S. 48
26
vgl. Schwarze 2003. S. 81 ff., Bader 2007. S. 7, Clark u. Fujimoto 1992. S. 32 ff.
27
nach VDI 2243:07-2002. S. 4, Schwarzer 2003. S. 81, Corsten 2007. S. 159 ff., Günther u. Tempelmeier 2007. S. 50 ff.
16
2 Analyse und Problemstellung
-
die Serienentwicklung und
-
der Serienanlauf.
Die einzelnen Phasen: Planung und Entwicklung sind nacheinander angeordnet. Innerhalb der Phasen laufen die einzelnen Prozesse auch oft parallel. Die Fertigung und der Vertrieb sind leicht zeitversetzt, wobei sich diese Darstellung, veranschaulicht in der Abb. 9, auf eine ganze Modellreihe bezieht. Wird nur ein einzelnes Produkt, beispielsweise ein Fahrzeug betrachtet, laufen diese beiden Phasen ebenfalls nacheinander. Wie bereits ausgeführt gehören zur Entwicklungsphase nicht nur die Produktentwicklungen, sondern auch die Planung der Produktion. In der Automobilindustrie sind diese Schritte bei jedem Zulieferer erforderlich. Die dazu notwendige Netzwerkfähigkeit wird zum Wettbewerbsfaktor.28 Die Planung und Entwicklung erfolgt überwiegend unter Zuhilfenahme komplexer Softwareapplikationen. Dabei unterscheidet man je nach Prozessschritt in CAD29-, CAP30- und CAM31-Systeme. Die Fertigung und Montage kann anhand der organisatorischen Anordnung der Arbeitssysteme32 in die folgenden Organisationstypen unterschieden werden: -
die Werkstattproduktion,
-
die Reihenproduktion,
-
die Transferstraße,
-
die Fließproduktionslinie,
-
das Flexible Fertigungssystem und
-
die Produktionsinsel.
28
vgl. Legner, Pelli et al. 2008. S. 1
29
CAD: (engl. Computer Aided Design), Softwareapplikation zur Planung jedes Einzelteils oder Produktes (vgl. Corsten u. Gössinger 2008. S. 138)
30
CAP: (engl. Computer Aided Planning), Softwareapplikation zur Planung der einzelnen Arbeitsgänge (vgl. Corsten u. Gössinger 2008. S. 140 f.)
31
CAM: (engl. Computer Aided Manufacturing), Softwareapplikation zur „…Erzeugung von Computerprogrammen zur Steuerung und Überwachung von automatischen Fertigungs-, Montage-, Transport- und Lagerungssystemen.“ (Günther u. Tempelmeier 2007. S. 52) (vgl. Corsten u. Gössinger 2008. S. 140)
32
Arbeitssystem ist die kleinste arbeitsfähige Einheit, der Arbeitskräfte und Betriebsmittel zugeordnet sind. (vgl. Günther u. Tempelmeier 2007. S. 13)
2.4 Die Produktionsphasen
17
Abb. 9: qualitativer Verlauf der Produktionsphasen der Automobilherstellung33
Bei der Werkstattproduktion sind Arbeitssysteme mit gleichen Funktionen räumlich zusammengefasst. Ein Werkstück durchläuft dann mehrere Werkstätten. Dieser Fertigungstyp ist charakteristisch in der Teileproduktion im Maschinenbau. Folgt die räumliche Anordnung der Arbeitssysteme den Arbeitsplänen des zu produzierenden Erzeugnisses entspricht das den restlichen aufgelisteten Organisationstypen. Hier erfolgt die Unterscheidung anhand des Materialflusses sowie einer zeitlichen Bindung. Die Reihenproduktion ist durch einen einheitlichen Materialfluss ohne zeitliche Bindung gekennzeichnet. Diese Form der Produktion kommt beispielsweise bei der Herstellung von Skiern oder Snowboards zur Anwendung. Anders als bei der Reihenproduktion ist bei der Transferstraße und Fließproduktionslinie eine zeitliche Bindung zwischen den Arbeitsgängen vorhanden. Bei beiden sind die Erzeugnisse fest mit dem Transportsystem verbunden, wobei bei der Transferstraße nur ein synchroner und bei der Fließproduktionslinie auch ein asynchroner Materialfluss möglich ist. Beispiel für die Anwendung der Transferstraße ist die Motorenproduktion und für die Fließproduktionslinie der Karosserierohbau. Die Organisationstypen Flexibles Fertigungssystem und Produktionsinseln werden auch als Zentrenproduktion bezeichnet. Die räumliche Anordnung folgt ebenfalls den Arbeitsplänen des zu produzierenden Erzeugnisses. Der Materialfluss ist aber nicht einheitlich. Der Unterschied beider Typen ist der Automationsgrad. Bei dem Flexiblen Fertigungssystem erfolgt die Produktion fast ausschließlich automatisch in einer Menge numerisch gesteuerter Maschinen, die durch ein Materialflusssystem verbunden sind. Bei den Produktionsinseln ist dieser hohe Automationsgrad nicht vorhanden. Die Zentrenproduktion kommt zur Anwendung, wenn für verschiedene Endprodukte ähnliche Einzelelemente benötigt werden, wie beispielsweise bei der Produktion von Hinterachsteilen.34
33
nach Schwarze 2003. S. 81
34
vgl. Günther u. Tempelmeier 2007. S. 13 ff.
18
2 Analyse und Problemstellung
Für die Fertigungsverfahren sind optimierte Materialflüsse von großer Bedeutung. Ein typisches Verfahren dazu ist das Kanban-System. Dieses, in den 1950er Jahren bei Toyota in Japan entwickelte System, ist durch eine dezentrale Materialflussplanung und Materialflusssteuerung gekennzeichnet. Teile werden erst produziert, wenn der Bestand am nachfolgenden Arbeitsprozess durch Verbrauch auf ein festgelegtes Niveau sinkt. Zwischen zwei Arbeitsstationen besteht somit ein selbststeuernder Regelkreis. Die Vorteile sind geringe Lagerbestände und damit geringe Kapitalbindung.35
2.5 2.5.3
Die Kommunikationsflüsse Die Kommunikationsflüsse in der Bauindustrie
Um die Kommunikationswege der Vielzahl an Beteiligten untereinander zu organisieren, kommen verschiedene Modelle zum Einsatz, von denen eine Auswahl in Abb. 10 dargestellt ist. Dabei müssen Hierarchien, Zuständigkeiten und Vertragsverhältnisse berücksichtigt werden. Vor allem ab der Ausführungsplanung werden heute im zunehmenden Maße digitale Hilfsmittel eingesetzt. Dabei kommen komplexe Softwareapplikationen zum Einsatz.36 Die Vielzahl der beteiligten Architekten und Planer, wie beispielsweise der Tragwerk-, der Haustechnik-, der Fassaden-, der Brandschutzplaner sowie der begrenzte Zeitrahmen, der zur Erstellung der Planung zur Verfügung steht, führen zur parallelen Bearbeitung der Dokumente. Damit jeder auf dem aktuellen Planungsstand aufbauen kann, werden die Dateien zwischen den Beteiligten ständig ausgetauscht. Dabei wird oft der einheitliche Austauschstandard IFC37 genutzt.38 Weiterhin kommen virtuelle Projekträume, die sogenannten PKMS39, zum Einsatz.
35
vgl. Corsten 2007. S. 567 ff.
36
vgl. Kappelt 2007
37
IFC steht für Industry Foundation Classes und ist ein objektorientierter Standard bei der Planung von Bauobjekten, wie beispielsweise Bauelementen, Räumen, Ausstattungen oder HKLS Objekten, zum Austausch der Informationen zwischen den Softwareapplikationen der Beteiligten. Er fasst alle Informationen, wie zum Beispiel die Geometrie, die Kosten oder Dokumente für ein Planungsobjekt zusammen. vgl. IAI [Hrsg.] 2006
38
vgl. Degen u. Liebich 2006 / 2007, S. 175
39
PKMS steht für Projekt-Kommunikations-Management-Systeme. Auf diese Internetportale, wo alle Daten und Informationen eines Projektes gespeichert sind, können alle Beteiligten direkt zugreifen.
2.5 Die Kommunikationsflüsse
19
Abb. 10: unterschiedliche Kommunikationsmodelle40
In diese Systeme werden die Generalunternehmer, üblicherweise Großunternehmen und einige mittlere Unternehmen (KMU), mit eingebunden. Somit erfolgt der Austausch der Informationen zwischen den Beteiligten heute weitgehend digital. Um das zu erreichen, werden die dargestellten Modelle in Kommunikationsplattformen übertragen und angewendet. So ist es möglich, den Datenaustausch zwischen den einzelnen Planern und Bauunternehmen zeitnah und nachvollziehbar zu gestalten. Wie in den Modellen dargestellt enden diese Projekträume aber üblicherweise beim Generalunternehmer in der Bauleitung. Weitere Beteiligte, wie zum Beispiel die Nachunternehmer, haben oft keinen oder nur einen beschränkten Zugriff. Vor allem die Ausbaugewerke, bei denen es sich nicht selten um kleine Handwerksbetriebe handelt, haben in der Regel keinen Zugang zum PKMS.
40
nach Greiner 2005. S. 282, Bild 12.2
20
2.5.4
2 Analyse und Problemstellung
Die Kommunikationsflüsse in der stationären Industrie
Wie im Abschnitt 2.3.4 erwähnt, sind oft viele unterschiedliche Beteiligte in die einzelnen Produktionsphasen eingebunden. Dazu ist eine entsprechende Kommunikation notwendig. Am Beispiel der Automobilindustrie wird deutlich, dass die Kommunikationsmodelle aus Abb. 10 in angepasster Form auch hier zur Anwendung kommen. Frühzeitig hat die Branche den Nutzen der elektronischen Integration von Prozessen erkannt und durch den Einsatz von EDI41 teilweise umgesetzt. Untersuchungen ergaben allerdings, dass der Austausch der Daten vor allem bei den Transaktionssystemen (ERP42- und SCM43-Systemen) aber noch nicht bei den Dokumenten und Managementinformationen realisiert ist.44
41
EDI: (engl. Electronic Data Interchange) steht für den automatischen Austausch genormter und formatierter Daten zwischen Geschäftspartnern. Die Daten werden ohne Medienbruch von Anwendersystem zu Anwendersystem übertragen (vgl. Schneider [Hrsg.] 1998. S. 276)
42
ERP: (engl. Enterprise-Resource-Planning) Software zur Planung und Verwaltung der Unternehmensressourcen, „…integrierte Software-Lösung für die Steuerung der Auftragsabwicklung, des Vertriebs und der Abrechnung in einem Unternehmen…“ vgl. Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG [Hrsg.] 2009. ERP
43
SCM: (engl. Supply Chain Management) “Obwohl SCM seit längerer Zeit in der wissenschaftlichen Literatur thematisiert wird, mangelt es an einer allgemein anerkannten Definition.“ (Corsten u. Gössinger 2008. S. 809 ff.) Der Ursprung kommt aus der Logistik und soll auch in dieser Arbeit als Logistikmanagement verstanden werden.
44
vgl. Legner, Pelli et al. 2008. S. 16
21
2.6 Zusammenführung und Analyse
2.6
Zusammenführung und Analyse
Beim Vergleich der oben beschriebenen Bau- und Industrieproduktion sind Gemeinsamkeiten und Unterschiede festzustellen. Eine Zusammenstellung ist in der folgenden Tabelle 2 aufgeführt. Beschreibung
Bauproduktion
Industrieproduktion
Beteiligte
Viele unterschiedliche Beteiligte, z. B. Bauherr, verschiedene Planer, Bauunternehmen und Nachunternehmen.
Viele unterschiedliche Beteiligte, z. B. Hersteller, verschiedene Zulieferer, Kunden.
Produktionsphasen
Bezogen auf die gesamte Bauaufgabe laufen die einzelnen Phasen stark parallel (Abb. 8).
Die einzelnen Phasen laufen nacheinander (Abb. 9). Selbst die Fertigung und der Vertrieb laufen, bezogen auf ein einzelnes Produkt, nacheinander.
Bei der Betrachtung eines einzelnen Bauteils verlaufen sie üblicherweise nacheinander. Kommunikation in der Planung
Fertigung:
wechselnde Beteiligte
wechselnde Beteiligte
wechselnde Strukturen
wechselnde Strukturen
Einsatz von Internetplattformen
Einsatz von Internetplattformen
wechselnde Beteiligte
wechselnde Beteiligte
wechselnde Projektstrukturen mit unterschiedlichen Kommunikationsformen und -modellen
ähnliche Projektstrukturen mit einheitlichen Kommunikationsformen und -modellen
unterschiedliche Bestandteile und Anordnungen bei der Infrastruktur und Baustelleneinrichtung
gleiche Bestandteile und Anordnungen bei der Infrastruktur
wechselnde Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen
feste Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen
wechselnde und begrenzte Lagerhaltung
geplante, abgestimmte und gesteuerte Lagerhaltung
unterschiedliche Vorfertigungsgrade
starke Systematisierung und Modularisierung
Einfluss der Witterung
kein Einfluss der Witterung
Tabelle 2: Gegenüberstellung der Bau- und Industrieproduktion
22
2 Analyse und Problemstellung
Besonders auffällig im Vergleich sind die parallel verlaufenden Phasen in der Bauindustrie und die nacheinander angeordneten Phasen der industriellen Produktion. Auch die Unterschiede in der Fertigung sind für die weitere Betrachtung von Bedeutung. Die industrielle Fertigung ist detailliert geplant und durch entsprechende Überwachungs- und Steuermechanismen geregelt. Die Kommunikation ist durch einheitliche Kommunikationsformen und Kommunikationsmodelle, trotz der wechselnden Beteiligten, streng vorgegeben. Die im Verhältnis zur stationären Industrie schlechte Produktivität im Bauwesen lässt sich mit den folgenden Feststellungen begründen: a) Die parallele Planung und Fertigung führt zu nicht ausreichenden Planvorlaufzeiten. b) Die parallele Planung führt zu einem großen zusätzlichen Datenfluss auf der Baustelle. c) Die wechselnden Beteiligten, die wechselnden Kommunikationsformen und die große Informationsfülle führen zu Informationsverlusten. d) Die Informationsverluste führen zu Doppelarbeiten, Mängeln, Nacharbeiten und Störungen. e) Die Produktivität im Bauwesen sinkt. Forschungsarbeiten am Institut für Technologie und Management im Baubetrieb der Universität Karlsruhe in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung proLean Consulting AG aus Düsseldorf45 bekräftigen diese Thesen ebenso wie frühere Verlustquellenforschungen im Ingenieurbau46. Alle diese Arbeiten zeigen, dass sehr viele Ressourcen bei der Herstellung eines Bauwerkes heute noch förmlich verschwendet werden. Dazu zählen unter anderem: -
hohe Lagerbestände,
-
unnötige Transporte,
-
nicht sachgerechte Verfahren oder Prozesse sowie
-
hohe Warte- und Liegezeiten.
Die hohen Lagerbestände verstellen Flächen, die für Bewegungen und Bauarbeiten benötigt werden. Behinderungen der Arbeiten, zusätzliche Materialbewegungen, eine erhöhte Gefahr der Beschädigung und zusätzliche Kosten durch frühzeitige Bezahlung sind die Folgen. Die Lagerung von Materialien erfolgt nicht direkt an der Einbaustelle, sondern in Zwischenlägern und es sind zusätzliche, unnötige Transporte erforderlich. Durch ungenaue Arbeitsvorbereitungen, Planänderungen und die schnellen Reaktionszeiten kommt es zu Improvisationen
45
vgl. Ott 2005
46
vgl. Berner 1983
2.6 Zusammenführung und Analyse
23
auf der Baustelle. Dabei werden oft falsche oder defekte Hilfsmittel und Werkzeuge eingesetzt, was zu Beschädigungen der Materialien oder zu Unfällen führen kann. Die hohen Warte- und Liegezeiten entstehen vor allem durch fehlende Informationen und Materialien.
Die Produktionsprozesse haben sich in den letzten Jahren in der Baubranche nur unwesentlich oder gar nicht verändert. So ist beispielsweise die Aussage: „Das machen wir schon immer so und es hat bis jetzt immer geklappt!“ sehr verbreitet. Im Gegensatz dazu wurden bei der industriellen Produktion und hier speziell im Maschinenbau, die Geschäftsprozesse analysiert und neue Managementphilosophien entwickelt sowie eingeführt. Eine dieser Philosophien ist das Lean Production47. Diese Ansätze, angepasst an die Bauindustrie und unter dem Begriff Lean Construction zusammengefasst, können als eine Lösung zur Erhöhung der Produktivität gesehen werden.48 Das Konzept des Lean Construction lässt sich durchaus erfolgreich in der Bauindustrie anwenden. Das haben Untersuchungen am Institut für Technologie und Management im Baubetrieb49 und Projekte, wie beispielsweise der Hohenzollernpark II in Holzgerlingen50, bereits bestätigt. Dabei steht der sogenannte Workflow51, welcher über den gesamten Bauprozess hinweg und zwischen den am Bau Beteiligten vorhanden ist, im Mittelpunkt der Betrachtung. Um hier Einsparpotenziale zu generieren und somit optimale Erfolge zu erzielen, ist ein Umdenken in der Bauwirtschaft notwendig. Der Fokus richtet sich auf das Produkt, also das Bauteil oder Bauwerk. Die Ausführungsplanung und die monatliche oder wöchentliche Planung für Personal, Gerät und Material, wie sie normalerweise gemacht werden, sind nicht ausreichend. Nur eine tagesgenaue Festlegung ist zuverlässig genug, um den Wertschöpfungsprozess zu optimieren und Prozessaktivitäten zu minimieren. Die Philosophie des Projektmanagements, welche heute zur Anwendung kommt, wird sich, wie die Abb. 11 zeigt, in Richtung eines Produktmanagements verschieben.52
47
Lean Construction: (engl. Schlank Ausführung) basiert auf der Lean-production-Philosophie, welche von dem japanischen Ingenieur Taichi Ohno, der bei Toyota beschäftigt war, entwickelt wurde. Hauptmerkmal ist die Unterteilung des Produktionsprozesses in Prozess- und Wertschöpfungsaktivitäten, wobei die Prozessaktivitäten (zum Beispiel Logistikprozesse) minimiert und die Wertschöpfungsaktivitäten (beispielsweise das Setzen einer Mauerwerkswand) optimiert werden sollen.
48
vgl. Main u. Karnani 2000. S. 28
49
vgl. Ott 2005
50
vgl. Schmitt 2008a und Schmitt 2008b
51
Workflow fasst die Bewegung von Material und/oder Informationen durch die einzelnen Produktionsstufen zusammen.
52
vgl. Kirsch 2007
24
2 Analyse und Problemstellung
Das Informationsmanagement bis zur Baustellenleitung ist dabei bereits sehr gut untersucht53 und größtenteils durch entsprechende Werkzeuge54 (Internetplattformen und Softwareapplikationen) nachhaltig gestaltet. Defizite in der Forschung und Entwicklung bestehen beim Datenfluss zum Produktionsort.55 Der Material- und Informationsaustausch endet schließlich erst beim gewerblichen Arbeitnehmer, welcher das Produkt (ein Bauteil) herstellt. Eine entsprechend aufgearbeitete Information führt unter anderem zur Steigerung der Qualität und der Produktivität.56 Fehlende Kommunikation zwischen den am Bau Beteiligten führt zu Fehlern und damit zu erhöhten Kosten, wie eine weitere aktuelle Studie von BauInfoConsult bestätigt.57
Abb. 11: Projektmanagement und Produktmanagement 58
Die Qualität des Workflow kann durch ganz oder zumindest teilweise automatisierte Geschäftsprozesse deutlich verbessert werden.59 Automatismen fehlen im Bauwesen, da die meisten Geschäftsprozesse einen menschlichen, willentlichen Akt als Auslöser benötigen.
53
vgl. Borner 2005
54
vgl. Frank 2005a und Frank 2005b
55
vgl. Kirsch 2007. S. 52
56
vgl. Ott 2005. S. 28
57
vgl. Bau-InfoConsult 2007
58
nach Kirsch 2007. Abb. S. 50
59
vgl. Gadatsch 2005. S.53
2.7 Problemdarstellung
2.7
25
Problemdarstellung
Die Feststellungen im Abschnitt 2.6 zeigen, dass Informationen einerseits für den Bau eines Gebäudes und andererseits aber auch für die anderen Hauptphasen des gesamten Lebenszyklus wichtig sind. In allen Phasen des Lebenszyklus eines Gebäudes werden Informationen erzeugt, für weitere Prozesse zusammengefasst, dokumentiert oder abgespeichert. Dabei entstehen viele Informationen durch Daten aus digitalen Anwendungen, wie beispielsweise die CAD-Planung in der Planungsphase und bei Umbauarbeiten in der Nutzungsphase oder die Besprechungsprotokolle in der Bauphase. Ausnahmen bilden die Prozesse, bei denen eine Person Informationen durch Abschätzen von Ist-Situationen erzeugt, wie beispielsweise beim Ermitteln des Fertigungsgrades. Bei genauer Analyse des Datenflusses lassen sich 4 wesentliche Hauptaussagen formulieren. a) Informationen sind vorhanden aber nicht eindeutig einem Bauteil zuordenbar. b) Informationen für die Herstellung und Wartung fehlen vor Ort an den einzelnen Bauteilen. c) Informationen über die Herstellung und Wartung kommen teilweise ungenau und in der Regel zeitlich versetzt bei den steuernden Stellen an. d) Das Leistungssoll wird mit dem „Ist-Stand“ häufig nicht abgeglichen, die Dokumentation nicht fortgeschrieben. Der Datenfluss bis in die Ebene der Bauleitung in der Bauphase und bis in die Ebene der Eigentümer und Betreiber in der Nutzungsphase ist, vor allem bei großen Immobilien, durchaus als durchgängig zu bezeichnen. Die PKMS-Plattformen, welche bei großen Bauunternehmen und Betreibern häufig zum Einsatz kommen, sind dabei sehr hilfreich. Interessant sind kleinere Gebäude, bei denen überwiegend KMU beschäftigt sind. Hier können Störstellen, auch als Medienbrüche60 bezeichnet, zwischen den einzelnen Phasen analysiert werden. Bei der Diskussion der tatsächlichen Datenflüsse wurden zwei unterschiedliche Ebenen identifiziert, die im Modell abzubilden sind. Dabei spiegelt die Objektebene die Bauteile und später das Gebäude sowie alle handwerklichen Tätigkeiten, die mit der Erstellung und dem Betreiben oder der Wartung und Instandhaltung in Verbindung stehen, wider. In der Daten-
60
Medienbruch: Zum Austausch von Daten sind verschiedene Medien, wie zum Beispiel Papier, erforderlich. Wird das Medium zwischen oder innerhalb eines Geschäftsprozesses gewechselt entsteht ein Bruch, der als Medienbruch bezeichnet wird. Medienbrüche entstehen beispielsweise beim Übergang der Daten: von Papier zur Sprache, von Sprache zu Papier, von digitaler Form zu Papier, von Papier zur digitalen Form.
26
2 Analyse und Problemstellung
ebene sind alle zur Erstellung eines Gebäudes notwendigen Leistungen der Planer und Architekten, alle Bauleitungstätigkeiten sowie die Verwaltungstätigkeiten in der Nutzungsphase zusammengefasst. Die Ursachen für die Störungen im Datenfluss sind, wie in Abb. 12 dargestellt, eine Vielzahl von Medienbrüchen zwischen der Datenebene und der Objektebene. Dabei handelt es sich sehr häufig um den Wechsel von digitalen Daten zu analogen Daten, aus denen die Informationen gewonnen werden. Diese Wechsel sind fehleranfällig und häufig mit Datenverlusten verbunden. Die Fehlerbehebung, die aufwändige Wiederaufnahme oder die Wiederbeschaffung der verlorenen Daten und somit der Informationen sind mit erhöhtem zeitlichen Aufwand und erheblichen zusätzlichen Kosten verbunden.
Abb. 12: klassischer Datenfluss mit den unterschiedlichen Medienbrüchen
Die Medienbrüche in der Datenebene, die zwischen den Phasen auftreten, sind wie bereits erwähnt, heute in vielen Fällen durch den Einsatz von PKMS behoben. Deren konsequente Nutzung führt zur Lösung der Probleme in der Datenebene und bindet auch die Nachunternehmer mit ein. Der klassische Datenfluss ist dann in der folgenden Abb. 13 entsprechend verändert. Die Medienbrüche zwischen den Planern, den Bauunternehmen und dem Eigentümer sind eliminiert. Eine Bauwerksaufnahme für Umbauarbeiten oder für den Abbruch ist in der Nutzungsphase trotzdem unumgänglich, da die Daten und Informationen nur schwer den einzelnen Bauteilen zuordenbar sind. Für die Planung eines Umbaus oder einer Sanierung sind diese Informationen aber sehr wichtig.
2.7 Problemdarstellung
27
Abb. 13: klassischer Datenfluss unter Verwendung eines PKMS
Die Medienbrüche zwischen der Datenebene und der Objektebene lassen sich durch diese Kommunikationsplattformen jedoch nicht beheben. Es fehlt eine Schnittstelle, die beide Ebenen miteinander verbindet und den Datenaustausch sicher, einfach, dauerhaft und in Echtzeit ermöglicht.
3 Lösungsansatz und Modellbeschreibung Ein Ansatz für die Lösung der analysierten Probleme stellt die folgende Idee dar. Die Ausarbeitung und Umsetzung dieser Idee führt zum Datenflussmodell des „Intelligenten Bauteils“. Zur Entwicklung des Modells sind verschiedene Vorüberlegungen und Beschreibungen zur Objektebene sowie zur Datenebene erforderlich. Ein weiterer Schwerpunkt sind die Untersuchungen der Schnittstelle zwischen den beiden Ebenen. Dazu werden Ansätze aus anderen Industriezweigen analysiert und es folgt eine Vorauswahl der infrage kommenden Technologie.
3.1
Idee
Wie im vorherigen Kapitel gezeigt, ist die Verfügbarkeit der Informationen in Echtzeit ohne Medienbrüche am Produktionsort unumgänglich. Die digitale Verbindung der Daten mit den Objekten, den Bauteilen, muss die Zielsetzung sein. Der Datenfluss, welcher sich aus dieser Forderung heraus ergibt, ist in Abb. 14 dargestellt. Um die Informationen jederzeit am Ausführungsort zur Verfügung zu stellen, sind entweder Netzwerkverbindungen zu Datenbanken oder die Speicherung ausgewählter Daten vor Ort notwendig. Bei Betrachtung der Szenarien in Abschnitt 4.2 wird schnell erkennbar, dass die richtigen Informationen in Echtzeit mit einer starken Granularität61 bei Katastrophen lebensentscheidend sein können. Demnach ist es von größter Bedeutung, dass Informationen vor Ort ohne zusätzlichen Aufwand und ohne Abhängigkeiten von Datennetzen zur Verfügung stehen. Neben der Schnittstelle gehört somit die Vorhaltung ausgewählter, wichtiger Daten vor Ort zum Datenflussmodell. Es entsteht ein Bauteil mit Informationen über sich selbst. Dieses „Intelligente62 Bauteil“ kann Auskunft über seine Herstellung, seine Materialien, seine Nutzung und beim Einsatz von Sensoren über seinen Zustand geben.
61
Datengranularität: die Granularität - die Körnung, “… in der Informatik ein Merkmal für die Anzahl von Untergliederungen eines Elements. Die Unterteilung liegt im Bereich von grob bis fein. Ein Text gilt als stark granularisiert, wenn er aus zahlreichen einzelnen Bausteinen besteht. Eine Datenübertragung nennt man stark granularisiert, wenn viele einzelne Datenpakete gesendet werden müssen. Ein Speicher ist stark granularisiert, wenn er in viele kleine Segmente untergliedert ist. …“, vgl. Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG [Hrsg.] 2009. Granularität
62
Der Begriff „Intelligenz“ ist als ein Synonym zu verstehen. Unter Intelligenz versteht das „Lexikon Informatik und Datenverarbeitung“ (Schneider [Hrsg.] 1998. S. 431 f.) unter anderem die Fähigkeit der Menschen „Wissen zu erwerben, zu behalten und anzuwenden“. Der Begriff wird aber auch im Wissenschaftsbereich der Künstlichen Intelligenz verwendet. Dabei geht es um die Simulation der menschlichen Intelligenz auf Computern oder um das Bauen von Computern, „die Aufgaben lösen,
S. Seyffert, Optimierungspotenziale im Lebenszyklus eines Gebäudes, DOI 10.1007/978-3-8348-8185-4_3, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
30
3 Lösungsansatz und Modellbeschreibung
Abb. 14: vereinfachter Datenfluss ohne Medienbrüche im Bauwesen
3.2
Die globalen Randbedingungen
3.2.1
Die Objektebene und das Bauteil
Der Begriff „Bauteil“ ist im Bauwesen nicht eindeutig definiert. Oft beschreibt er: a) Die Einzelteile, aus denen ein Bauwerk besteht. Bei einem Gebäude sind das zum Beispiel Wände, Stützen oder Decken. b) Ganze Gebäudeteile, wie beispielsweise die Geschosse oder unterschiedliche Abschnitte bei Gebäudekomplexen. Die Definition ist kompliziert und situationsabhängig, wie die Erklärung des Begriffes „Gegenstand“, was auch ein Bauteil ist, im Teil 2 der Norm für Dokumentationssystematik63 eindrucksvoll zeigt. Ein Gegenstand kann materiell oder immateriell sein. Beide können auch als Produkt oder Erzeugnis bezeichnet werden. Der materielle Gegenstand ist wiederum aus
zu denen der Mensch Intelligenz benutzt“ (Schneider [Hrsg.]. S. 432). Die Untersuchungen haben gezeigt, dass der Einsatz von Speichern zur dezentralen Datenhaltung erst der Anfang der Entwicklung sein wird. Die Entwicklung im Bereich der Transponder geht zunehmend zu den sogenannten Embedded Systems (eingebettete Systeme), bei denen Komponenten wie zum Beispiel kleine Computerchips, Sensoren, Speichereinheiten und Kommunikationseinheiten in einem System zusammengefasst werden. Diese kleinen Module kommunizieren untereinander und können Prozesse eigenständig auslösen und steuern. Das Bauteil wird intelligent. 63
vgl. DIN 6789-2:09-1990. S. 4
3.2 Die globalen Randbedingungen
31
Einzelteilen oder aus Gruppen von Einzelteilen zusammengesetzt. Dabei gilt auch bereits ein Einzelteil als Gegenstand oder Erzeugnis. Da keine eindeutige Festlegung für den Begriff „Bauteil“ vorhanden oder ableitbar ist, wird für den weiteren Verlauf der Ausarbeitung „ein Bauteil“ wie folgt definiert: Ein Bauteil bezeichnet ein tragendes und nichttragendes, raumumschließendes oder einzelnstehendes Element eines Bauwerkes im Bezug zu einem Raum. Im Falle eines Gebäudes sind dies zum Beispiel jede Art von Wänden, Stützen, Bodenplatten und Decken. Eine Geschossdecke besteht somit aus einer Vielzahl von Bauteilen. Über jeden Raum des Geschosses befindet sich jeweils eins. Zum Bauteil gehören alle Materialien und Elemente, die fest mit diesem verbunden sind. Dazu zählen die Materialien für den Rohbau und die Wandbekleidung wie auch die Einbauteile oder Fenster und Türen. Die Eindeutigkeit besteht somit bei einer Stütze, die sich innerhalb eines Raumes befindet, wie in Abb. 15 im Raum 1 dargestellt. Dagegen ist eine Wand, wie sie zwischen den Räumen 1 und 2 abgebildet ist, nicht eindeutig einem Raum zuordenbar. Zur Lösung dieses Problems soll das Bauteil „A“ in der Mittelachse geteilt und je zur Hälfte dem entsprechenden Raum zugeordnet werden. Dieses sogenannte „Halbwandverfahren“ bezieht sich auf Wände wie auch auf Decken.
Abb. 15: Beispiel für die Bauteil-Raumbeziehung
Die Abb. 16 fasst die Definition strukturiert als Überblick zusammen. Ein Bauteil ist somit, gleich ob gesamter oder halber Querschnitt, immer aus mehreren Einzelteilen/Materialien aufgebaut.
32
3 Lösungsansatz und Modellbeschreibung
Abb. 16: Definition „Bauteil“
3.2.2
Die Datenebene
In Abschnitt 2.5 ist beschrieben, dass in der Bauphase heute bereits der durchgängige Datenfluss fast möglich ist. Dies gilt auch für die Nutzungsphase. Vor allem die mittleren und Großunternehmen, sei es beim Bauen oder Verwalten der Immobilien, setzen auf die elektronischen Hilfsmittel. Leider haben aber immer noch einige Unternehmen nicht erkannt, dass durch den Einsatz modernster Softwareapplikationen Bauabläufe sicherer und wirtschaftlicher gestaltet werden können.64 Auch für diese Fälle, bei denen der Datenfluss noch durch Medienbrüche gekennzeichnet ist, sichert die Nutzung des Modells des „Intelligenten Bauteils“ die Durchgängigkeit. Dazu muss geklärt sein, welche Daten für die Errichtung und die Nutzung des Bauteils wichtig sind und somit erfasst, verwaltet und weitergegeben werden müssen. Die Daten, die aus der Datenebene kommen, unterscheiden sich in Ereignisdaten und gespeicherte Daten. Diese Kategorisierung ist in der Abb. 17 dargestellt.
Daten vom / zum Lesegerät (auch gespeichert auf Transponder)
Stammdaten Abb. 17: zu verarbeitende Daten
64
vgl. Oettl 2008. S. 20
Materialdaten
Prozessdaten
3.2 Die globalen Randbedingungen
33
Die Daten, welche in die Datenebene übertragen werden, sind bereits im Bauteil gespeichert. In entgegengesetzter Richtung erfolgt die Synchronisation der gleichen Daten, um sie parallel zur Datenebene in der Objektebene vorzuhalten und fortzuschreiben. Die einzelnen Datengruppen sind wie folgt definiert: Stammdaten
sind allgemeine Daten des Bauteils. Dazu gehören beispielsweise die Bauteilkennung, die Abmessungen oder die Daten zum Bauherrn.
Materialdaten
schließen alle Daten zu den geplanten und letztendlich verbauten Baustoffen und Baumaterialien für das entsprechende Bauteil ein. Hierzu zählen die Produktionsdaten (Datum der Herstellung oder die Chargennummer) ebenso wie die Qualitätsnachweise (Zulassungen oder Prüfungen).
Prozessdaten
sind langfristig veränderbare (nach Ablauf der Gewährleistung oder nach 30 Jahren) Daten, wie beispielsweise Teilabnahme- oder Abnahmedatum, abnehmende Person, Fertigstellungszeitpunkt oder Daten über Mängel. Dazu gehören auch Zeitpunkte für Lese- und Schreibvorgänge, die mit einem Ereignis, wie der Abnahme, verknüpft sind.
Die Stammdaten und Materialdaten kommen zuerst aus der Planung und beschreiben somit ein artikelneutrales „Leistungs-Soll“. Später, während des Bauprozesses, erfolgt die Ergänzung dieser Stammdaten und Materialdaten durch die „Bestandsdaten“. Diese Daten beschreiben die tatsächlich gebauten Abmessungen und verbauten Materialien. Alle Daten müssen durch Softwareapplikationen in der Datenebene verarbeitbar sein. Die Einbindung entsprechender Hardware beziehungsweise das Importieren der Daten in bestehende Softwareapplikationen ist mit überschaubarem Aufwand durchzuführen, was Versuche gezeigt haben.65 Die heute üblichen Softwareapplikationen sind nur bedingt geeignet für das Modell des „Intelligenten Bauteils“. Die Daten im Modell sind bauteilbezogen. Die Softwareapplikationen, abgesehen von einigen Ausnahmen, wie ALLbudget® der BIB GmbH aus Offenburg, sind es nicht. Somit geht ein Vorteil, die Zuordnung der Materialien zu den Bauteilen, in der Datenebene verloren.
65
Im Rahmen von Pilotprojekten am Institut für Baubetriebswesen der Technischen Universität Dresden wurde Hardware zum einen in die Kostenplanung- und Projektüberwachungssoftware ALLbudget® der BIB GmbH aus Offenburg und zum anderen in die allumfassende Betriebsführungssoftware für Fertigteilwerke Priamos der GTSdata GmbH aus Hameln eingebunden.
34
3.2.3
3 Lösungsansatz und Modellbeschreibung
Die Schnittstelle – Vorauswahl der notwendigen Technologie
Abgesehen von der Datenvorhaltung vor Ort sind vergleichbare Modelle bereits in anderen Industriezweigen im Einsatz. Vor allem die Logistik- und Warenwirtschaft setzt seit Jahren erfolgreich Modelle in ähnlicher Art ein. Die Abb. 18 stellt die Schnittstelle zwischen der realen Welt und der virtuellen Welt in verschiedenen Abhängigkeiten dar. Es wird deutlich, dass zum Beispiel die Folgekosten durch Dateneingaben umso geringer werden, je automatisierter und somit personenunabhängiger die Schnittstellen ausgeführt sind.
Abb. 18: Schnittstellen zwischen der realen und virtuellen Welt66
Für die Automatisierung der Schnittstellen werden in anderen Industriezweigen bereits Verfahren, sogenannte AutoID67 Verfahren genutzt. Durch diese werden die Produkte mit eindeutigen, zum Teil weltweit einmaligen, Identifikationsnummern gekennzeichnet. Über diese Identifikationsnummer können Daten aus unternehmensinternen oder weltweit verfügbaren Datenbanken zugeordnet und abgerufen werden. Die wichtigsten Auto-ID Verfahren sind in Abb. 19 zusammenfassend dargestellt, wobei die dunkel hervorgehobenen Verfahren, Barcode- und RFID-System, für den geplanten Einsatz
66
vgl. Fleisch u. Mattern 2005. S. 8
67
AutoID steht für automatische Identifikation
35
3.2 Die globalen Randbedingungen
in Frage kommen könnten. Informationen über die Entwicklung der Systeme sind in der Literatur68 nachzulesen und werden an dieser Stelle nicht weiter vertieft.
Abb. 19: Zusammenfassung der wichtigsten AutoID-Verfahren69
In der Tabelle 3 sind einige wichtige Eigenschaften der infrage kommenden AutoIDVerfahren Barcode und RFID70 zusammengefasst. Einige dieser Eigenschaften sind je nach Ausführung der Technik veränderbar, was im Abschnitt 4.1.1 näher erläutert ist.
Identität
Maschinenlesbarkeit
Zusatzdaten
Veränderung der Daten
Sichtverbindung
Fälschungssicherheit
Barcode
&
&
&
RFID
&
- vorhanden / funktioniert / erforderlich & - nicht vorhanden / nicht möglich / nicht erforderlich Tabelle 3: ausgewählte Eigenschaften der infrage kommenden AutoID-Verfahren71
Unter Beachtung eines wesentlichen Bestandteils des entwickelten, dargestellten Datenflusses in Abb. 14 und der Anforderung der Datenvorhaltung ist der Barcode von vornherein zur technischen Realisierung der Schnittstelle unbrauchbar. Dagegen spricht auch die erforderliche Sichtverbindung. Von den dargestellten AutoID-Verfahren bleibt nur die Radio Frequenz
68
siehe Finkenzeller 2006, Kern 2007 und Sweeney 2006
69
nach Finkenzeller 2006. S. 2, Abb. 1.2
70
RFID steht für Radio Frequenz Identifikation
71
nach Kern 2007. S. 14
36
3 Lösungsansatz und Modellbeschreibung
Identifikation (RFID) als technologisch mögliches Verfahren. Der Datenfluss kann, wie in Abb. 20 dargestellt, durch die Schnittstelle-Technologie erweitert werden.
Abb. 20: vereinfachter Datenfluss mit der RFID-Technologie als Schnittstellenlösung
In der ersten und einfachsten Ausbaustufe können die Bauteile vor Ort gekennzeichnet und über eine eindeutige Identifikationsnummer beschrieben werden. Somit stehen dem Mitarbeiter, der ein Lesegerät hat, am Bauteil alle Daten zur Verfügung, sofern diese digital in einer Datenbank vorhanden und mit diesem Bauteil verbunden sind. Verarbeitet dieser Mitarbeiter Materialien, wie beispielsweise Putz, dann kann er die Materialdaten durch das Auslesen am gekennzeichneten Putzgebinde72 auch digital mit dem Bauteil verbinden. Dabei werden automatisch die Kennung des Lesegeräts, was der Mitarbeiterkennung entspricht, und der Zeitpunkt des Beschreibens, was in etwa mit dem Zeitpunkt des Putzapplizierens gleichzusetzen ist, erfasst und gespeichert. Ist auf dem Transponder ausreichend Speicherplatz vorhanden, können die Daten direkt am Bauteil gespeichert, vorgehalten und fortgeschrieben werden. Die Anbindung zur Datenebene ist dann nur noch zur Synchronisation erforderlich, welche teilautomatisch oder vollautomatisch denkbar ist. Beim Einsatz von Sensoren, in Verbindung mit den Transpondern, sind zusätzliche Automatismen möglich. Zum Beispiel könnte der Erhärtungsverlauf bei einem Stahlbeton überwacht und dokumentiert werden. Vom Erhärtungsgrad eines solchen Bauteils ist der Ausschalzeit-
72
Die meisten Materialen verfügen heute bereits über eine Kennzeichnung mit Barcode. Ein Abruf der entsprechenden Materialdaten, über die Barcodekennung und das Internet, aus den Herstellerdatenbanken ist aber noch nicht möglich.
3.2 Die globalen Randbedingungen
37
punkt direkt abhängig. Ist dieser Zeitpunkt automatisch an die Bauleitung übermittelt, kann diese das Bauteil, schneller als heute üblich, zum Ausschalen freigeben. Der Bauablauf wird kürzer und die Vorhaltemenge der Schalung geringer, was zur Kosteneinsparung führt. Das Lösen des Schnittstellenproblems durch den Einsatz der RFID Technologie führt zu den folgenden Verbesserungen: -
Die Verbindung der Datenebene mit der Objektebene verknüpft automatisch alle Daten und damit Informationen, die zum Bauteil gehören.
-
Daten, die am Bauteil entstehen (zum Beispiel Abnahmen), werden direkt dem Entstehungsort zugeordnet.
-
Der Speicher auf einem Transponder ermöglicht die dezentrale Datenvorhaltung am Bauteil, welche ohne jegliche Verbindungen zu einem Datennetz zu nutzen sind.
-
Die Verbindung der Produktion in der Objektebene mit den Instrumenten der Datenebene (Planungs- und Steuerungsapplikationen) ermöglicht eine transparente Produktionsverfolgung in Echtzeit.
-
Durch die Verbindung der beiden Ebenen lässt sich eine Reihe von Geschäftsprozessen halb und voll automatisieren.
-
Durch den zusätzlichen Einsatz von Sensoren können Überwachungsfunktionen generiert werden, welche zur Verkürzung der Bauzeit und zur Sicherheit beitragen.
3.2.4
Abgrenzung der Kennzeichnungsvarianten
Beim Einsatz der AutoID Technologie in der Industrie und der Warenwirtschaft werden verschiedene Kennzeichnungsebenen genutzt. Die erste Ebene ist die Kennzeichnung der Container oder LKWs. Die zweite Ebene ist der Einsatz der Transponder an der Palette oder der Transportbox. Die höchste Ebene ist die Produktebene. Diese Anwendung, bei der jedes einzelne Produkt gekennzeichnet ist, erfolgt zurzeit nur selten mit Transpondern. Der Preis für einen Transponder und die physikalischen Grenzen der Technologie verhindern den Einsatz.73 Üblicherweise wird dazu der Barcode verwendet. Der Einsatz der RFID Technologie am Gebäude, innerhalb der Objektebene, ist ebenfalls in unterschiedlichen Varianten möglich. Dabei sind die Anzahl der Transponder sowie die Menge der Daten pro Transponder voneinander abhängig. Je mehr Objekte mit einem Transpon-
73
vgl. Kern 2007. S. 11
38
3 Lösungsansatz und Modellbeschreibung
der gekennzeichnet werden, umso mehr Daten muss er enthalten. Eine quantitative Abhängigkeit ist in der Abb. 21 aufgezeigt.
Abb. 21: Kennzeichnungsvarianten und deren Abhängigkeiten
Variante 1:
ein Transponder für das gesamte Gebäude Die Daten, auch die eines Bauteils, sind nur einem Gebäude zuzuordnen, was dem derzeitigen Stand in der Praxis entspricht und zu keiner relevanten Verbesserung führt.
Variante 2:
ein Transponder für eine Geschossebene Die Daten sind nach Ebenen/Geschossen aufgeteilt. Die Zuordnungen zu einem Raum oder gar zu einem Bauteil sind weiterhin unmöglich.
Variante 3:
ein Transponder für einen Raum Die Anzahl der Transponder entspricht der Anzahl der Räume. Die Zuordnungen der Daten zu einem Raum sind möglich. Um die Daten mit einem Bauteil zu verbinden sind zusätzliche Beschreibungen notwendig. Der Aufwand steigt mit der Größe und der Kompliziertheit der Räume. Besteht zum Beispiel jede Wand aus einem anderen Material wird die Zuordnung einer Information schwer und für einen Laien, der in der Nutzungsphase davon profitieren soll, unmöglich.
3.2 Die globalen Randbedingungen
Variante 4:
39
ein Transponder für jedes Bauteil Die Daten lassen sich eindeutig zuordnen. Selbst für den Nutzer/Eigentümer, meist Laien, ist dies möglich, da er beispielsweise die Wand, über die er etwas wissen möchte, direkt ansieht. Die Anzahl der Transponder ist handhabbar. Für einen normalen Raum mit vier Wandseiten, einer Decke und einem Boden werden 6 Transponder verwendet.
Variante 5:
ein Transponder für jeden Baustoff eines Bauteils Dabei werden pro Transponder nur wenige Daten abgelegt. Dem gegenüber ist die Anzahl der Transponder sehr hoch. Die genaue Zuordnung der Transponder zu den Baustoffen, welche übereinander geschichtet sind (zum Beispiel Wandbaustoff, Putzsystem, Wandbekleidung und Farbe) ist teilweise nicht mehr möglich.
Unter Berücksichtigung einer handhabbaren Anzahl von Transpondern und einer überschaubaren Menge an Daten auf dem Transponder erscheinen nur Varianten 3 und 4 als sinnvoll. Die Variante 3 ist für die Bauunternehmung und Facility Manager eine durchaus hilfreiche Lösung, da heute bereits viele Unternehmen die Daten und Informationen nach Räumen, dem sogenannten Raumbuch strukturieren. Die Anwendungsbereiche eines Raumbuches sind beispielsweise die Bedarfsplanung, die Leistungsbeschreibung, die Dokumentation, die Mängelverfolgung, das Mietvertragsmanagement, das Reinigungsmanagement und vieles mehr.74 Für die genannten und weiteren administrativen Prozesse beim Bau und während der Nutzung scheint diese Variante ausreichend. Bei genauer Analyse verschiedener Prozesse sind genaue Positionsangaben, wie beispielsweise beim Mängelmanagement die Position des Mangels, für das ausführende Unternehmen und den Mitarbeiter vor Ort von großer Bedeutung. Die Positionsbeschreibung auf einem Raum-Transponder ist kompliziert und zeitaufwändig. Ähnlich ist es bei der Datenbereitstellung in der Nutzungsphase. Ein Nutzer möchte zum Beispiel Informationen über die Wand vor der er steht erfahren. Dazu ist es sehr umständlich die Daten von dem Transponder am Eingang des Raumes zu holen. Ein weiteres Beispiel ist der Datenabruf, den Rettungskräfte vornehmen können. Diese stehen vor einer Wand und brauchen dazu Informationen. Ein schneller und unkomplizierter Datenabruf direkt vor Ort, und nicht am Eingang des Raumes mit komplizierter Ortsbeschreibung, kann Leben retten. Um alle Prozesse im Detail abzubilden, erscheint Variante 4 als einzig möglich und sinnvoll. Darüber hinaus sind die wichtigsten Daten, die einen Raum betreffen, unter der Rubrik „Stammdaten“ auf allen Transpondern eines Raumes vorhanden. Somit besteht die Möglich-
74
vgl. Schwarte 2002. S. 109 ff.
40
3 Lösungsansatz und Modellbeschreibung
keit für die administrativen Prozesse einen Transponder als sogenannten Haupt- oder Raumtransponder zu definieren, was aber nicht notwendig ist. Da in dieser Arbeit vor allem der Datenfluss zwischen der Datenebene und der Objektebene im Mittelpunkt steht und dabei nicht nur die Administration des Baues oder der Nutzung Berücksichtigung findet, wird im weiteren Verlauf die Variante 4 als Modellgrundlage festgeschrieben.
3.3
Das Modell
Aus dem Lösungsansatz und der Definition der globalen Randbedingungen ergibt sich das in Abb. 22 dargestellte Modell eines Datenflusses über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes. Der Datenfluss beginnt mit einer Idee über ein Gebäude. Durch die Planung erfolgen eine Konkretisierung der Idee und die Festlegung eines „Leistungs-Solls“. Dazu zählen alle Planungsunterlagen und weitere für die Bauausführung erforderlichen Unterlagen. Diese Daten des Leistungs-Solls erhält die Bauunternehmung digital und speichert diese in ihrer Datenbank der Bauleitung. Der Rohbauunternehmer verbaut unbeschriebene Transponder nach vorgegebenen Einbauanleitungen. Mit der ersten Teilabnahme eines Bauteils, zum Beispiel der Bewehrungsabnahme beim Stahlbetonbau, erfolgt das erste Beschreiben des Transponders. Dabei werden die Stammdaten sowie die ersten Prozess- und Materialdaten übertragen. Im weiteren Verlauf kommen dann weitere Daten hinzu. Dieses Modell schafft der Bauleitung die Möglichkeit, beim Rundgang über die Baustelle, Teilleistungen zu erfassen, zu kontrollieren und/oder abzunehmen. Diese schnellen Echtzeitaufnahmen sowie die automatische Synchronisation mit der Datenbank der Bauleitung führt dazu, dass die Dokumentation sofort lückenlos ist und alle Beteiligten, wie Arbeitsvorbereiter oder Abrechner, Zugriff auf aktuelle Daten haben. Spätestens nach der Fertigstellung und der Übergabe des Bauwerkes an den Auftraggeber erfolgt die Übergabe der gesamten Daten an diesen digital. Neben der Speicherung der Daten in den Bauteilen existiert dann auch eine Redundanz in der Datenbank des Auftraggebers und/oder Facility Managements. Während der Nutzungsphase lässt sich das System leicht und sicher zur Datenfortschreibung nutzen, was heute eher nicht konsequent stattfindet. Hinzu kommen vor allem Nutzungs-, Instandhaltungs- und Betriebsdaten. Bei eventuellen Umbaumaßnahmen müssen auch diese Daten in den Bauteilen und der Datenbank des Facility Managements ergänzt beziehungsweise synchronisiert werden. Im Falle eines Datenverlustes in der Datenbank der Bauleitung und/oder des Facility Managements und/oder bei der Datenübertragung zwischen den Phasen sind die Daten weiterhin sicher in den Bauteilen vorhanden. Der erneute Aufbau einer Datenbank kann somit während der Begehung des Gebäudes schnell und effizient erfolgen.
3.3 Das Modell
41
Abb. 22: Datenflussmodell „Intelligentes Bauteil“
Für die Abbruchplanung, die Ausschreibung und letztendlich für die Arbeitsvorbereitung sind die gesamten Daten ebenfalls wichtig. Da der Abbruch eines Gebäudes üblicherweise erst nach 80 Jahren und mehr vorgenommen wird, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass noch digitale Daten in einer Datenbank vorhanden sind. Die Wahrscheinlichkeit sinkt weiterhin, je häufiger der Besitzer einer Immobilie wechselt. Die Daten im Bauteil-Transponder bleiben erhalten. Eine Aufnahme der Bestandsdaten ist also im Durchmarsch möglich.
42
3 Lösungsansatz und Modellbeschreibung
Anhand der nachstehenden Thesen soll das Datenflussmodell in den folgenden Kapiteln nachgewiesen werden. (1) Die Technologie ist in den üblichen Baustoffen einsetzbar. (2) Das Modell ist in allen Phasen des Lebenszyklus eines Gebäudes anwendbar und nutzbringend. (3) Die Umsetzung des Modells führt zur Optimierung des Controllings und des Qualitätsmanagements. (4) Informationen sind immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort. (5) Die Sicherheit vor dem Datenverlust erhöht sich. (6) Das „Intelligente Bauteil“ ist zukunftssicher.
4 Modellanwendung Um die RFID-Technologie für den Einsatz im „Intelligenten Bauteil“ zu verifizieren, ist es erforderlich, die Technologie mit Blick auf unterschiedliche Schwerpunkte zu analysieren und zu bewerten. Falls die RFID-Technologie in Zukunft in allen Gebäuden und Bauteilen zur Anwendung kommt, wird sie ein Bestandteil des täglichen Lebens. Zur Auswahl des richtigen Systems sind neben der technischen Umsetzbarkeit und der Wirtschaftlichkeit eine Vielzahl weiterer Bewertungskriterien erforderlich. Die Auswahl der richtigen Kriterien zur Bewertung soll anhand des Wissenschaftsbereiches der Technikbewertung und Folgeabschätzung erfolgen. Die Diskussion über den Einsatz von Technologien und deren Folgen geht bis in die Antike zurück.75 Die Entscheidungen für oder gegen eine Technologie beeinflussen ganze Nationen, was für eine Institutionalisierung der Folgeabschätzung und Technikbewertung sprach. Im deutschsprachigen Raum begann diese aber erst etwa 1926.76 Die immer rasantere Entwicklung in der Forschung sowie der Industrie in allen Bereichen und die massiven Veränderungen der Lebensstile der Menschen im 20. Jahrhundert führten unweigerlich zu Veränderungen bei der Technikbewertung und der Folgeabschätzung.77 Zur Unterstützung des Deutschen Bundestages wurde 1990, nach einer öffentlichen Ausschreibung, das Büro für Technikfolgeabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) durch das Institut für Technikfolgeabschätzung und Systemanalyse (ITAS) eingerichtet.78 Weitere Zusammenhänge zwischen Regierung und der Technikbewertung sowie die geschichtlichen Entwicklungen dieses Wissenschaftsbereiches sind in der Literatur79 sehr ausführlich zusammengetragen. Daneben sind alle Ingenieure, Wissenschaftler, Planer, Manager und Politiker, die die technische Entwicklung mitgestalten, angehalten diese entsprechend zu werten. Hilfestellung gibt dabei die VDI-Richtlinie 3780 vom September 2000. Die folgende Abb. 23 zeigt eine Auswahl typischer Kriterien für die Technikbewertung. Diese Kriterien können weiter unterteilt und differenziert werden. Dabei sind diese nicht nebeneinander und unabhängig voneinander zu betrachten, sondern überschneiden sich oft. In den folgenden Abschnitten dienen diese Kriterien als Grundlage für Anforderungen und Beschreibungen. Dabei sind speziell die technischen Anforderungen untersucht und die Ökonomischen Randbedingungen dargestellt. Die restlichen Bewertungskriterien sind zusammengefasst und können im Rahmen dieser Arbeit nur mit einigen Schwerpunkten unterlegt werden.
75
vgl. Scheffczik 2003. S. 7
76
vgl. Dierkes 1986. S. 130
77
vgl. Scheffczik 2003. S. 14 ff.
78
Weitere Informationen unter www.tab.fzk.de und www.itas.fzk.de.
79
vgl. Scheffczik 2003
S. Seyffert, Optimierungspotenziale im Lebenszyklus eines Gebäudes, DOI 10.1007/978-3-8348-8185-4_4, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
44
4 Modellanwendung
Abb. 23: Komponentenmodell der Technikbewertung80
4.1
Technische Beschreibungen und Anforderungen
In diesem Abschnitt geht es vor allem darum, dass mit dieser Technik eine bestimmte Wirkung erzielt werden soll. Dazu gehören die technische Brauchbarkeit und Effizienz. Unter der technischen Brauchbarkeit sind die Eigenschaften wie die Robustheit, die Wartungsfreundlichkeit, die Lebensdauer oder die Recyclingfähigkeit zusammengefasst. Die technische Effizienz beinhaltet beispielsweise die energetischen Wirkungsgrade. Nachfolgend werden zuerst die Technik im Detail vorgestellt und anschließend einige Randbedingungen, welche beim Einsatz in Bauteilen auf die RFID-Technologie wirken, zusammengetragen. Weiterhin sind für die Umsetzung des Modells aus Abschnitt 3.3 die Einhaltung einiger Voraussetzungen notwendig, die hier ebenfalls aufgeführt sind. Die Transponder sollen in die Bauteile eingebaut werden. Dazu müssen sie den unterschiedlichen Umgebungsbedingungen standhalten. Bei der Betrachtung von Rohbau-Baustoffen, wie Stahlbeton oder Ziegelmauerwerk, sind diese Bedingungen vor allem:
80
-
temporäre Feuchtigkeit,
-
Staub,
-
mechanische Belastung und
-
Temperaturbelastung.
nach Scheffczik 2003. S. 86
4.1 Technische Beschreibungen und Anforderungen
4.1.1
45
Beschreibung der RFID Technologie
In der folgenden Abb. 24 sind die Komponenten einer üblichen RFID-Systems visualisiert. Es besteht aus den Hauptkomponenten RFID-Transponder, der Antenne und dem Lese/Schreibgerät, welches oft als Lesegerät bezeichnet wird. Die Middleware und die Applikationsserver ergänzen diese Konfiguration. Die einzelnen Komponenten, ausgenommen der Transponder, sind durch herkömmliche Schnittstellen, wie einem Netzwerkanschluss, einem USB oder serieller Anschluss miteinander verbunden.
Abb. 24: Komponenten der RFID-Technologie
Die Kopplung des Lesegerätes mit dem Transponder erfolgt über magnetische oder elektromagnetische Felder, was im Abschnitt 4.1.1.4 detaillierter erklärt ist. Die Übertragungsweiten, die mit diesen physikalischen Kopplungsverfahren erreicht werden können, reichen von wenigen Millimetern bis zu 3 m mit passiven Transpondern und bis zu 15 m und teilweise darüber hinaus mit aktiven (batteriegestützten) Transpondern. Dabei sind Leistungssteigerungen bei den Reichweiten in Zukunft zu erwarten. Welches der Kopplungsverfahren zum Einsatz kommt ist von der Arbeitsfrequenz des Systems abhängig. 81, 82
4.1.1.1 Transponder Transponder, auch als Tags83 bezeichnet, sind eine Hauptkomponente eines RFID-Systems. Er besteht mindestens aus einem Chip84 und einer Antenne, was schematisch in Abb. 25
81
vgl. Finkenzeller 2006. S. 22
82
vgl.Lampe, Flörkemeier et al. 2005. S. 73 ff.
83
Tag [tæg] englisch für Etikett
84
Chip steht hier für alle elektrotechnischen Elemente, die zum Betrieb nötig sind oder für die Anwendung verwendet werden. Dies kann z. B. ein Speicher oder ein Prozessor sein.
46
4 Modellanwendung
dargestellt ist. Je nach Typ, Bauart und Anforderungen an den Transponder können weitere Bestandteile, wie Batterie, Speicher oder Logikbausteine verbaut sein. Ein wesentlicher Unterschied existiert bei der Stromversorgung. Bei den passiven Transpondern wird die Energie für den Betrieb des Chips und für die Kommunikation über die Luftschnittstelle übertragen, was in Abschnitt 4.1.1.4 näher erläutert ist. Die aktiven Systeme werden direkt mit Strom versorgt. Hierzu sind sie mit einer Batterie ausgestattet oder an eine externe Batterie angeschlossen. Diese Stromversorgung dient ausschließlich zum Betreiben des Chips und nicht zur Kommunikation. Bei Transpondern mit eingebauten Sensoren wird sie zum Betreiben der Sensoren und zum Speichern der Daten verwendet. Der Betrieb des Transponderchips und die Datenübertragung erfolgt wie bei den passiven Systemen. Diese Arten von Transpondern werden auch als semi-aktiv bezeichnet. Die Ausbildung der Antenne als Spule oder als Dipol, dargestellt in der folgenden Abb. 25, ist unter anderem von der Frequenz abhängig. Niederfrequente (LF) und hochfrequente Systeme (HF) nutzen die Spule und die ultrahochfrequenten (UHF) Systeme sowie Systeme auf Basis der Mikrowellen verwenden den Dipol. Der Speicher eines einfachen Transponders weist lediglich eine Größe von 1 Bit auf und wird für einfache Diebstahlsicherungen in der Konsumwarenindustrie verwendet. Aktuelle Speichergrößen für eine komplexe dezentrale Datenverwaltung reichen bei aktiven Transpondern bis zu 256 kbit. 85
Abb. 25: möglicher Aufbau und Antennenausbildung von Transpondern
85
vgl. Schneider, J. 2005. Folie 12
4.1 Technische Beschreibungen und Anforderungen
47
Bei aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen in der Medizintechnik86 kommen bereits passive Transponder mit Speicheraufteilungen und Speichergrößen von bis zu 8 kByte als Programmspeicher (Flash87), 8 kByte als Datenspeicher (RAM88) und 512 Byte als Speicher (E²PROM89) zum Einsatz. Eine weitere Klassifizierung erfolgt über den Zeitpunkt und die Anzahl der möglichen Schreibvorgänge. Speichermodule, welche nur während der Produktion eine definierte Datenmenge erhalten und dann nur noch zum Auslesen zu gebrauchen sind, bezeichnet man als Read-Only-Tags. Erfolgt dieser einmalige Schreibvorgang nicht während der Produktion, sondern zu einem späteren Zeitpunkt während der eigentlichen Anwendung, kommen WORM90-Tags zum Einsatz. Sollen die Datensätze immer wieder überschrieben werden, müssen sogenannte Write/Read-Tags zur Anwendung kommen.91 Die Transponder sollen über alle Lebenszyklen eines Gebäudes genutzt werden. Somit ist die Haltbarkeit der Technik ein wichtiges Kriterium. Aktive und semi-aktive Transponder haben eine geringere Lebensdauer als passive Systeme, was durch den Einsatz einer Batterie begründet ist. Die Einsatzzeit batteriebetriebener Tags wird in Datenblättern mit über 6 Jahren angegeben.92 Demgegenüber ist die Haltbarkeit passiver Systeme maßgebend vom Speicher und der Anzahl der Lese- und Schreibvorgänge abhängig. Durch den Einsatz der EEPROM können derzeit bereits 40 Jahre garantiert werden.93 Da die Entwicklungen auf diesem Gebiet in den letzten Jahren rasant vorangeschritten sind und weiterhin geforscht wird, stellt die Haltbarkeit der Transponder zukünftig kein Ausschlusskriterium dar.
4.1.1.2 Lesegerät Ein Lese-/Schreibgerät ist zur Kommunikation mit einem Transponder erforderlich. Die meisten dieser Geräte beherrschen das Auslesen der Daten von einem Transponder sowie das
86
vgl. Fischer, W.-J. 2007. Folie 15
87
Flash-Speicher, auch Flash-EEPROM genannt sind digitale, nichtlöschbare Speicherchips
88
RAM-Speicher, steht für Random Access Memory, also ein Speicher mit „wahlfreiem Zugriff“. Jede kleinste Speicherzelle ist adressiert und kann somit direkt beschrieben und ausgelesen werden.
89
E²PROM, auch EEPROM, steht für Electrically Erasable Programmable Read-Only Memory (elektrisch löschbarer, programmierbarer Nur-Lese-Speicher)
90
WORM steht für „Write Once Read Many“
91
vgl. VDI 4472 Blatt 1/Part 1 : 2006-04. S. 8 f.
92
vgl. IDENTEC SOLUTIONS AG [Hrsg.] 2005. S. 1
93
vgl. Schenk 2005
48
4 Modellanwendung
Schreiben von Daten auf einen Transponder. Trotzdem werden sie oft nur als Lesegerät oder Reader (auch im deutschen Sprachgebrauch) bezeichnet. Das Lesegerät dient als Schnittstelle zwischen den auf dem Transponder gespeicherten Daten und der unternehmenseigenen Datenhaltung. Bei der dezentralen Datenhaltung, alle notwendigen Daten befinden sich auf dem Transponder, wird das Lesegerät für deren Darstellung, ohne einen Anschluss an ein Hintergrundsystem genutzt. Dies wird zum Beispiel in der dezentralen Produktionssteuerung bei BMW im Werk I in München verwendet.94 Die Lesegeräte werden in stationäre oder mobile Lesegeräte unterteilt. Bei den stationären ist die Antenne oft vom Reader räumlich getrennt, wie es beispielsweise bei den Durchgangsantennen eines Diebstahlsicherungssystems ist. Dabei ist es je nach Hersteller möglich, dass mehrere Antennen mit einem Reader gekoppelt sind. Vom Reader gelangen die Daten meist über LAN95 oder WLAN96 zu den Applikationsservern, wo die Daten verarbeitet und ausgegeben werden. Sind mehrere Antennen in einem begrenzten Bereich vorhanden, wie es beispielsweise bei einem Gate97 der Fall ist, sind komplexe Steuerungsmechanismen erforderlich, um das Mehrfachlesen eines Transponders oder das gegenseitige Stören der einzelnen Antennenfelder zu verhindern. Bei den mobilen Lesegeräten sind die Antenne und der Reader als Einheit üblicherweise mit einem Ausgabegerät gekoppelt. Dabei werden kompakte Komplettlösungen in unterschiedlichen Größen oder die Antennen-Reader-Einheit als Erweiterung der handelsüblichen PDAs von unterschiedlichen Unternehmen angeboten.98
4.1.1.3 Arbeitsfrequenz Für die Übertragung der Energie und der Daten werden unterschiedliche Frequenzen verwendet. Dabei zeichnen sich die vier Frequenzbänder Nieder-, Hoch- sowie Ultra Hochfre-
94
vgl. BITKOM [Hrsg.] 2005. S. 42 f.
95
LAN: „Abkürzung für englisch local area network, lokales Netz, lokal begrenzte Vernetzung von Computern…“, vgl. Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG [Hrsg.] 2009. LAN
96
WLAN: „welan; Abkürzung für englisch wireless local area network, drahtloses lokales Netz…“, vgl. Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG [Hrsg.] 2009. WLAN
97
Gate englisch für Tor; bezeichnet eine Konstruktion, durch welche das gekennzeichnete Produkt (als einzelne Ware, auf Paletten oder auf LKWs) hindurch bewegt wird und der / die Transponder ausgelesen werden. Dazu sind an der Konstruktion an unterschiedlichen Positionen Antennen befestigt, um das Produkt von möglichst allen Seiten abzutasten und jeden Transponder auszulesen.
98
vgl. Kern 2007. S. 82 ff.
49
4.1 Technische Beschreibungen und Anforderungen
quenz und die Mikrowelle durch unterschiedliche Parameter aus. Eine Auswahl wichtiger Parameter und Kenngrößen ist in der Tabelle 4 zusammengestellt. Frequenz
Niederfrequenz (LF)
Hochfrequenz (HF)
Ultra Hochfrequenz (UHF)
Mikrowelle
Arbeitsfrequenz
< 135 kHz
13,56 MHz 27,125 MHz
868 MHz 915 MHz
2,5 GHz 5,8 GHz
Kopplung
induktiv
induktiv
kapazitiv
kapazitiv
zulässige magnetische Feldstärke
d 66 dBPA/m in 10 m Abstand
d 60 dBPA/m in 10 m Abstand (13,56 MHz) d 2 W ERP99
d 4 W ERP (geschlossene Räume) d 500 mW ERP (nicht geschlossene Räume)
Parameter
zulässige Sendeleistung
System
Nahfeld (Close-Coupling- oder Remote-Coupling-Systeme)
Fernfeld (Long-Range-Systeme)
übliche Lesereichweiten
Kontakt bis wenige cm
bis 0,5 m, max. bis 1,5 m
bis 3 m, max. bis 15 m
bis 15 m und darüber
übliche Schreibreichweiten
Kontakt bis < 1 cm
bis ca. 0,7 m
wenige Meter
wenige Meter
Lesegeschwindigkeiten
langsam
schnell
sehr schnell
sehr schnell
Einfluss von Metall Einfluss von Flüssigkeiten Ausrichtung der Transponder
hoch
niedrig
nicht erforderlich
niedrig
hoch
sehr hoch
teilweise erforderlich
immer erforderlich
Tabelle 4: RFID Frequenzen und wichtige Parameter 100
99
ERP (equivalent radiated power): Leistungsangabe einer Dipolantenne
50
4 Modellanwendung
Die angegebenen Lese- und Schreibreichweiten sind Richtwerte und weichen in Abhängigkeit von: -
Bauform der Transponder,
-
Größe und Ausbildung der Antenne des Readers,
-
passiver oder aktiver Transponder oder
-
Umgebung ab.
Die aufgeführten Einflüsse von Metall und Flüssigkeiten können nur qualitativ beschrieben werden. Diese sind ebenfalls von den oben genannten Randbedingungen abhängig. Außerdem sind für besondere Anwendungen auch speziell entwickelte Transponder am Markt verfügbar. Nach den durchgeführten Studien sind für die Umsetzung des in Abschnitt 3.3 dargestellten Modells Lese- und Schreibentfernungen von bis zu zwei Metern erforderlich. Damit lassen sich die Transponder im Erfassungsbereich leichter und eindeutig zuordnen. Unter Berücksichtigung der Randbedingungen aus Tabelle 4 werden deshalb in der weiteren Abhandlung nur die Frequenzbereiche HF und UHF betrachtet. Dieses Vorgehen wird durch weitere Untersuchungen gestützt.101
4.1.1.4 Kopplung zwischen Lesegerät und Transponder Die Kopplung zwischen der Antenne des Lesegerätes und der des Transponders erfolgt kapazitiv durch elektrische oder induktiv durch magnetische Felder. Diese sogenannten Kopplungskurven sind gerichtet oder ungerichtet unterschiedlich groß. Ein Beispiel der Ausrichtungen und der Größenverhältnisse zeigt die Abb. 26. Das magnetische Feld beginnt unmittelbar an der Antenne und breitet sich in den Raum aus. Durch Induktion entsteht mit fortschreitender Entfernung aus dem magnetischen Feld zusätzlich ein elektrisches Feld. Diese Umwandlung vom magnetischen zum elektromagnetischen Feld ist kontinuierlich. Bei der Entfernung von etwa [O/23]102 löst sich das elektromagnetische Feld von der Antenne. Der Bereich von der Antenne bis zum Lösen des elektromagnetischen Feldes wird als Nahfeld und ab da als Fernfeld bezeichnet.
100
nach Finkenzeller 2006. S. 22 ff.; Sweeney 2006. S. 65; BSI [Hrsg.] 2004. S. 29; Jansen 2004. Folie 23 und BMWi [Hrsg.] 2007. S. 5
101
vgl. Deckarm 2006
102
O ist die Wellenlänge der elektromagnetischen Welle
4.1 Technische Beschreibungen und Anforderungen
51
Abb. 26: Ausbreitung und exemplarischer Reichweitenvergleich der Kopplungskurven103
Diese Ablösung der elektromagnetischen Welle stellt gleichzeitig auch die Reichweitenbegrenzung für die induktiv gekoppelten Systeme dar, da sie nicht mehr auf ihre Erzeugungsantenne zurückwirken kann.104
Datenübertragung im Nahfeld Die Kopplung im Nahfeld erfolgt kapazitiv durch elektrische oder induktiv durch magnetische Felder. Bei der induktiven Kopplung erzeugt die Antennenspule des Lesegerätes ein magnetisches Feld, wie es in Abb. 27 dargestellt ist. Durch Induktion wird in der Antennenspule des im Feld befindlichen Transponders eine Spannung erzeugt. Diese dient nach dem Gleichrichten zur Energieversorgung des Datenträgers.105
Abb. 27: induktive Kopplung106
Die Datenkommunikation zwischen Transpondern und Lesegeräten findet über eine Lastmodulation statt. Die vom Transponder zu übertragenden Daten werden in ein digitales Signal
103
nach Finkenzeller 2006. S. 29. Abb. 2.19
104
vgl. Finkenzeller 2006. S. 121
105
vgl. Finkenzeller 2006. S. 42 ff.
106
nach Lampe, Flörkemeier et al. 2005. S. 74. Abb. 5
52
4 Modellanwendung
umgewandelt, womit ein Lastwiderstand ein- und ausgeschaltet wird. Die daraus resultierenden Änderungen in der Gegeninduktivität führen zu Spannungsänderungen an der Antenne des Lesegerätes, welche durch Demodulationsverfahren in die ursprünglichen Daten überführt werden.107 Die verschiedenen Varianten der Lastmodulation sind abhängig von der Bauart der Transponder. Ausführliche Beschreibungen zu den technischen Umsetzungen der elektrischen und kapazitiven Lastmodulation sind in der Literatur enthalten und sind hier nicht weiter dokumentiert.108
Datenübertragung im Fernfeld Die Kopplung und Datenübertragung im Fernfeld erfolgt durch elektromagnetische Wellen, dargestellt in Abb. 28, unter Anwendung des modulierten Rückstrahlquerschnitts (englisch Backscatter). Zu beachten ist, dass die in den freien Raum gesendeten Wellen nur zum Teil an der Antenne des Transponders zu Verfügung stehen. Die abgestrahlte Leistung der Antenne des Lesegerätes steht an der Antenne des Transponders wiederum teilweise als Spannung zur Verfügung und dient, nachdem sie gleichgerichtet ist, bei aktiven Transpondern als Schaltspannung und bei passiven Datenträgern zur Energieversorgung. Andere Teile der ankommenden Leistung werden von der Antenne des Transponders moduliert und reflektiert. Die Modulation der Amplitude entsteht durch einen der Antenne parallel geschalteten Lastwiderstand, welcher durch den zu übertragenden Datenstrom ein- und ausgeschaltet wird. Die reflektierte Leistung wird von der Antenne des Lesegerätes aufgenommen. Die Dateninterpretation des amplitudenmodulierten Signals erfolgt durch die Demodulation.109
Abb. 28: kapazitive Kopplung110
107
vgl. Lampe, Flörkemeier et al. 2005. S. 73 ff.
108
vgl. Finkenzeller 2006. S. 103 ff.
109
vgl. Finkenzeller 2006. S. 50 ff.
110
nach Lampe, Flörkemeier et al. 2005. S. 75 Abb. 6 und Finkenzeller 2006. S. 128. Abb. 4.64
4.1 Technische Beschreibungen und Anforderungen
53
4.1.1.5 Hintergrundsysteme Die Hintergrundsysteme sind Softwareanwendungen, die für die Datenhaltung sowie die Datenverarbeitung zuständig sind. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um Softwareapplikationen, welche bereits im Unternehmen zum Einsatz kommen. Um mit den Daten, die vom Reader gesendet werden, sinnvoll arbeiten zu können, müssen die Daten vorsortiert und gefiltert werden. Diese Aufgabe übernimmt die sogenannte Middleware.111
4.1.2
Standards der RFID-Technologie
Das Hauptanwendungsgebiet der RFID-Technologie ist seit langem die Logistikbranche. Aus diesem Grund ist hier die Entwicklung der Standards bereits sehr weit fortgeschritten.112 Außerdem beeinflussen diese Standards auch die Entwicklung der ISO-Normen. Grundsätzlich sind in diesen die Arten des Datenübertragens bei den unterschiedlichen Frequenzen und Formen der Datenprotokolle festgeschrieben.
4.1.2.1 ISO-Normen Um den Einsatz der RFID-Technik für andere Bereiche als die Herstellung und Logistik von Konsumgütern voranzutreiben und zu standardisieren, wurden und werden ISO-Normen entwickelt. Beispielsweise sind die verschiedenen Varianten kontaktloser Chipkarten durch die ISO/IEC 10536 (Teile 1 bis 3), die ISO/IEC 14443 (Teile 1-4) und die ISO/IEC 15693 (Teile 1-3) geregelt. Dabei werden unter anderem physikalische Eigenschaften, Abmessungen, Energieübertragungen und Protokolle standardisiert. Die Identifizierung von Waren mittels RFID-Technologie, um den Warenfluss zu managen, ist in der ISO 18000 mit den Teilen 1 bis 4, 6 und 7 sowie in der ISO/IEC 15961:2004 und in der ISO/IEC 15962:2004 definiert. Die ISO 18000-1:2008 regelt dabei die allgemeinen Spezifikationen für die Schnittstelle für global akzeptierte Frequenzen. In den Teilen 2 bis 4 sowie 6 und 7 der ISO/IEC 18000 sind die einzelnen oben genannten Frequenzbereiche der RFIDTechnologie parametrisiert. Das Datenprotokoll ist Inhalt der ISO/IEC 15961:2004 und der ISO/IEC 15962:2004. Die Konformität der RFID-Geräte kann durch Tests nachgewiesen werden. Diese Testverfahren sind nach Frequenzen in der ISO/IEC TR 18047 mit den Teilen 2 bis 4, 6 und 7 beschrieben und standardisiert.
111
vgl. Kern 2007. S. 183 f.
112
weitere und genauere Angaben zu allen Punkten dieses Abschnittes sind nachzulesen im Finkenzeller 2006. S. 259 ff oder Gillert u. Hansen 2007. S. 92 ff
54
4 Modellanwendung
4.1.2.2 EPC-Standards Die EPC-Standards werden durch die GS1113 erstellt und sind branchenunabhängige Standards für die Nutzung der RFID-Technik entlang der Wertschöpfungskette. Grundlage ist der Elektronische Produkt-Code, welcher für die weltweite Identifikation von Konsumgütern und Produkten genutzt wird. Für die Entwicklung und Weiterentwicklung der Standards sind innerhalb des GS1 Fachleute für die Bereiche FMCG114, Transport und Logistik sowie Gesundheitswesen und Pharma tätig.115 Die Standards sind in unterschiedliche Klassen, welche in der Tabelle 5 zusammenfassend dargestellt sind, unterteilt. Klassen
Beschreibung
Frequenzen
Class 0
Read-only, passiv, 64 Bit oder 96 Bit EPC (EPC-ID während der Produktion auf Transponder)
900 MHz
Class 0+
WORM-Tags, passiv Transponder sind mit dem Class 0-Protokoll lesbar
900 MHZ
Class 1
WORM-Tags, passiv, 64 Bit oder 96 Bit EPC
860–960 u. 13,56 MHz
Class 2
WORM-Tags, passiv, mit zusätzlichen Funktionen
860–930 MHz
Class 3
Write/Read-Tags, aktiv
860–930 MHz
Class 4
Write/Read-Tags, aktiv, mit zusätzlichen Funktionen
860–930 MHz
Class 5
Write/Read-Tags, aktiv, die mit allen Klassen (auch 1, 2 und 3) aktiv kommunizieren können
860–930 MHz
Gen 2
WORM-Tags, passiv, mit mind. 224Bit (96 Bit EPC und 32 Bit für Fehlerkorrektur) zuzüglich Anwenderspeicher, lösen Class 0 und 1 Transponder ab
860–960 MHz
Tabelle 5: EPC-Standards116
113
GS1 steht für „Global Standards One“ und ist ein Netzwerk aus über 100 Länderorganisationen, die sich mit der weltweiten Standardisierung in verschiedenen Bereichen beschäftigen. In Deutschland ist GS1-Germany, welche aus der CCG (Centrale für Coorganisation) hervorgegangen ist, für die Standardisierung zuständig. Weitere Informationen unter http://www.gs1-germany.de oder http://www.gs1.org
114
FMCG steht für „Fast Moving Consumer Goods“ und bezeichnet in der Warenwirtschaft Produkte, die schnell verkauft werden (zum Beispiel: Waren des täglichen Bedarfs).
115
vgl. Gillert u. Hansen 2007. S.96
116
nach Gillert u. Hansen 2007. S. 99 und Finkenzeller 2006. S. 314
4.1 Technische Beschreibungen und Anforderungen
55
4.1.2.3 Standards in der Luftfahrt Unter der Leitung der Air Transport Association (ATA) und der International Air Transport Association (IATA) entwickeln 12 internationale Industrievereinigungen aus dem Bereich der Luftfahrt branchentypische Standards, die sogenannten „Spec 2000“, welche nicht mit dem EPC-Standards kompatibel sind. Auch Behörden, wie das Luftfahrtbundesamt (LBA) aus Deutschland oder die Federal Aviation Administration (FAA) aus den USA, sind an der Entwicklung beteiligt.117 Bei dieser Standardisierung geht es vor allem um die Kennzeichnung und Überwachung von Maschinen, von Einzelteilen und von Komponenten sowie Ersatzteilen eines Flugzeuges. Flugzeuge sind weltweit im Einsatz und müssen hohen Sicherheitsstandards genügen. Ersatzteile werden ebenfalls weltweit transportiert. Die RFID-Technologie soll die Standzeiten der Flugzeuge verkürzen und den Dokumentationsaufwand verringern. Dabei werden an die Technik sehr hohe Anforderungen gestellt, welche die Luftfahrtbehörden prüfen und die Komponenten dann zulassen.118 Aber auch die Überwachung der Betriebszustände einzelner Komponenten eines Flugzeuges kann, wie Boeing es beweist, nützlich sein. Die Aufzeichnung von Betriebsdaten der Triebwerke ermöglicht eine schnellere Kontrolle und Wartung am Boden. Außerdem werden im „Dreamliner“ 2000 Teile mit passiven Tags ausgestattet.119
4.1.2.4 Standards der Pharmaindustrie Kopien von Medikamenten, die zu Umsatzausfällen aber auch zu Gesundheitsgefährdungen führen, sind der Grund für den Einsatz der RFID-Technologie bei der Verfolgung der Medikamente. Einheitliche internationale Standards wie die EPC-Standards oder die ISOStandards fehlen hier. Es werden unterschiedliche Nummerncodes verwendet. Lediglich die Gesetzgebung hat sich in einigen Ländern bereits darauf eingestellt. Die US-Gesundheitsbehörde verlangt beispielsweise bereits die Nachweise über Herkunft und Transport anhand eines elektronischen Lebenslaufes in Verbindung mit einer Seriennummer. Ähnlich ist es in Italien. In Deutschland wird die sogenannte Pharmazentralnummer (PZN), die von der Informationsstelle für Arzneimittelspezialitäten (IFA GmbH) vergeben wird, zur eindeutigen Kennzeichnung verwendet. Sie hat etwa den Stellenwert wie GS1 im Handel, sie wird für die Logistik
117
weitere Informationen unter: http://www.spec2000.com
118
vgl. Gillert u. Hansen 2007. S.101
119
vgl. O’Conner 2006
56
4 Modellanwendung
bis hin zur Abrechnung bei den Krankenkassen verwendet, womit es undenkbar ist, die PZN durch einen anderen Nummerncode zu ersetzen.120
4.1.3
Anforderungen an die RFID-Technologie
Um das Datenflussmodell umzusetzen, müssen einige Anforderungen an die Technik gestellt und Voraussetzungen in Bezug auf Standards sowie den Einbau geschaffen werden. Die Wichtigsten sind nach den vorangegangenen Beschreibungen der RFID-Technik und der vorhandenen RFID-Standards im Folgenden zusammengefasst. Dabei sind vor allem vorhandene Entwicklungen und Vorschriften berücksichtigt und auf das Modell angewendet.
4.1.3.1 Schutzklasse Die temporäre Feuchtigkeit entsteht bei Beton durch das Anmachwasser im Frischbeton und beim Ziegelmauerwerk durch das Anfeuchten der Steine, um den schnellen Entzug der Feuchtigkeit aus dem Mörtel zu verhindern. Die Staubbelastung ist bei vielen Materialien gegeben. Das Sägen von Passelementen oder das Verarbeiten von trockenen Materialien, wie Putzen, vor Ort führt zu dieser Belastung. Die mechanische Belastung entsteht zum Beispiel beim Stahlbeton durch das Einfüllen des Frischbetons in die Schalung. Hier müssen der Transponder und dessen Befestigung dieser Belastung standhalten. Die DIN EN 60529:1991 und die erste Änderung A1:2000 regelt die Schutzklassen elektrischer Komponenten durch deren Gehäuse. Die sogenannte IP-Schutzart wird als „IP xy“ angegeben. Dabei gibt das „x“ den Schutz gegen Berührung und gegen Fremdkörper an. Das „y“ steht für den entsprechenden Schutz gegen Wasser. Die verschiedenen Schutzarten sind in der Tabelle 6 und der Tabelle 7 zusammengefasst dargestellt.121 Die genannten Anforderungen an die Transponder führen dazu, dass ein Kunststoffgehäuse mit einer IP-Schutzart von mindestens IP 67 eingesetzt werden muss.
120
vgl. Gillert u. Hansen 2007. S.102 f.
121
vgl. DIN EN 60529:1999 + A1:2000
4.1 Technische Beschreibungen und Anforderungen
x
Schutz gegen Berührung
Schutz gegen Fremdkörpereinwirkung
0
kein Schutz
kein Schutz
1
Schutz gegen großflächige Körperteile, Durchmesser 50 mm
große Fremdkörper (Durchmesser ab 50 mm)
2
Fingerschutz (Durchmesser 12 mm)
mittelgroße Fremdkörper (Durchmesser ab 12,5 mm, Länge bis 80 mm)
3
Werkzeuge und Drähte (Durchmesser ab 2,5 mm)
kleine Fremdkörper (Durchmesser ab 2,5 mm)
4
Werkzeuge und Drähte (Durchmesser ab 1 mm)
kornförmige Fremdkörper (Durchmesser ab 1 mm)
5
vollständiger Berührungsschutz
Staubablagerung
6
vollständiger Berührungsschutz
Staubeintritt
57
Tabelle 6: Schutzklassen gegen Berührung und Fremdkörpereinwirkung y
Schutz gegen Wassereinwirkung
0
kein Schutz
1
Schutz gegen senkrecht fallendes Tropfwasser
2
Schutz gegen schräg fallendes Tropfwasser (bis 15°)
3
Schutz gegen Sprühwasser bis 60° gegen die Senkrechte
4
Schutz gegen allseitiges Sprühwasser
4k
Schutz gegen allseitiges Sprühwasser unter erhöhtem Druck, gilt nur für Straßenfahrzeuge
5
Schutz gegen Strahlwasser
6
Schutz gegen starkes Strahlwasser (Überflutung)
6k
Schutz gegen starkes Strahlwasser unter erhöhtem Druck (Überflutung), gilt nur für Straßenfahrzeuge
7
Schutz gegen zeitweiliges Untertauchen
8
Schutz gegen dauerndes Untertauchen
9k
Schutz gegen Wasser bei Hochdruck-/Dampfstrahlreinigung, gilt nur für Straßenfahrzeuge
Tabelle 7: Schutzklassen gegen Wassereinwirkungen
58
4 Modellanwendung
4.1.3.2 Temperatur Die Temperatur spielt während der Bauphase und der Nutzungsphase eine besondere Rolle. Die Hydratation von Stahlbeton ist eine exotherme Reaktion. Je nachdem, wie diese Energie aus dem Beton entweichen kann, entstehen unterschiedlich hohe Temperaturen. Bei Bauteildicken über 50 cm sind Temperaturen von 60 °C bis 80 °C im Inneren durchaus erreichbar. Bei direkter Sonneneinstrahlung, was beim Rohbau in den Sommermonaten häufig auftritt, sind ähnlich hohe Temperaturen auch im Randbereich möglich. Da die Bautätigkeiten auch in den Wintermonaten bei tiefen Temperaturen selten still stehen, sollten auch Temperaturen bis -20 °C Beachtung finden. Größere Temperaturen können bei einem Brand auftreten. Hier sind bis zu 1.000 °C an der Betonoberfläche möglich. Da Beton eine schlechte Wärmeleitung besitzt, werden die Transponder im Randbereich nicht sofort mit der vollen Temperatur belastet. Jedoch bei langer Branddauer können im Randbereich 600 °C und mehr erreicht werden.122 Tritt dieser Fall ein, ist eine Instandsetzung der Bauteile notwendig, bei der ein neuer Transponder verbaut werden kann. Diese hohen Temperaturen eines Brandfalls stellen demzufolge kein technisches Kriterium dar. Der Transponder sollte somit einer Temperatur von -20 °C bis +100 °C standhalten.
4.1.3.3 Leseentfernung Für eine Reihe von Prozessen, wie beispielsweise der Abnahme, ist der Sichtkontakt auf das jeweilige Bauteil unumgänglich. Deshalb darf das Lesen und Beschreiben der Transponder nur mit Sichtkontakt zu den Bauteilen möglich sein. Die Lese- und Schreibentfernung sollte somit zwischen ein und zwei Metern betragen. Des Weiteren wird durch diese Einschränkung der Entfernungen das gleichzeitige Auslesen von mehreren Transpondern, also das Erfassen von anderen Bauteilen, verhindert. Technisch ist die Erfassung von vielen Transpondern mit den meisten Lesegeräten möglich und unter dem Begriff Antikollisionsverhalten definiert. Praktisch führt das Erfassen mehrerer Bauteile aber zur Informationsüberflutung des Benutzers, der ohne genaue Kenntnisse über das Objekt die Inhalte der Transponder nur schwer einem bestimmten Bauteil zuordnen kann. Da die Leseentfernungen von einigen nicht direkt beinflussbaren und von einigen direkt beeinflussbaren Faktoren abhängen, sind die geforderten ein bis zwei Meter umsetzbar. Direkt
122
vgl. Kordina u. Meyer-Ottens 1999. S. 66 ff.
4.1 Technische Beschreibungen und Anforderungen
59
beeinflussbar sind die Antennenarten, -größen und andere Antennenspezifikationen, sowie die Sendeleistungen in dem gesetzlich vorgegebenen Rahmen. Sollten die Leseentfernungen größer als die geforderten sein, können kleinere Antennen oder/und geringere Sendeleistungen zum Einsatz kommen. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Ausbildung und Ausrichtung des Antennenfeldes.
4.1.3.4 Arbeitsfrequenz Aus der geforderten Leseentfernung folgt die Festlegung der Arbeitsfrequenz. Die Ergebnisse der Versuche im Rahmen dieser Arbeit und paralleler Forschungen123, zusammengefasst im Abschnitt 5.3, bestätigen, dass diese Leseentfernungen von ein bis zwei Metern nur mit der Ultrahochfrequenten RFID-Technologie erreicht werden.
4.1.3.5 Einbauort Untersuchungen124 haben gezeigt, dass das Leseverhalten durch Wasserleitungen und Elektroleitungen nur beeinträchtigt wird, wenn der Transponder direkt hinter diesen angeordnet ist. Deshalb sind die Installationszonen der Elektro- und Wasserleitungen zu beachten. Für das Verlegen von Wasserleitungen sind keine Vorschriften vorhanden. Üblicherweise verlaufen die Rohre für Heizung und Sanitär im unteren Bereich einer Wand. Im Gegensatz dazu schreibt die DIN 18015-3:2007-09 und die Berichtigung 1:2008-01 sogenannte Installationszonen für Elektroleitungen vor. Ein Überblick ist in der folgenden Abb. 29 dargestellt. Darin enthalten sind auch die Vorgaben der mittleren Installationszone, die bis in eine Höhe von 1,30 m verläuft. Um eine Nutzung der Transponder im Stehen zu erleichtern, ist der Einbau oberhalb dieser mittleren Installationszone sinnvoll. In der Nutzungsphase ist das Zustellen der Wand nicht zu verhindern. Deshalb ist ein Raum zu finden, der häufig frei ist. Dieser befindet sich oberhalb der 1,30 m der mittleren Installationszone bis zu 1,50 m, wo Hängeschränke, Regale oder Bilder befestigt werden. Sollte trotzdem ein Schrank diesen Bereich zustellen, stellt das Lesen und Schreiben des Transponders durch einen normalen Holzschrank hindurch kein Problem dar, sofern dieser nicht mit abschirmenden Gegenständen gefüllt ist. Außerdem ist die Nutzung der Transponder auf wenige Situationen, wie beispielsweise vor einer Instandhaltungsmaßnahme, begrenzt, bei denen die Gegenstände aus dem Schrank entfernt werden können.
123
vgl. Jehle, Seyffert et al. 2008. S. 49 f.
124
vgl. ebd. S. 84 ff.
60
4 Modellanwendung
Abb. 29: Installationszonen für Elektroleitungen125
4.1.3.6 Standardisierung Grundsätzlich kann mit dieser Arbeit keine Standardisierung erfolgen, sondern es können nur Hinweise auf notwendige Entwicklungen gegeben werden. Die Energie- und Datenübertragung sind ausreichend in den bereits genannten ISO-Normen geregelt. Auf Grund der geringen Speicherkapazität der Transponder, die bei den heutigen Hauptanwendungen ausreichend sind, können die Standards für die Speicherbelegung nur als Ausgangspunkt für Fortschreibungen oder neue Entwicklungen angesehen werden. Da die abzulegenden Stamm-, Material- und Prozessdaten im Inhalt und in der Menge sehr unterschiedlich sein können, sollte die Bauindustrie keine statischen Speicherbereiche für die einzelnen Daten
125
nach DIN 18015-3:2007-09, Bild 1 und 2
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
61
festlegen, sondern auf eine dynamische Verteilung setzen. Dazu müssen die Anwendergruppen gemeinsam einen einheitlichen Schlüssel festschreiben, der die einzelnen Daten kennzeichnet.
4.2
Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
Als Bewertungsmethode einer Technologie kann die Kosten-Nutzen-Analyse angewendet werden, da diese über technisch-wirtschaftliche Kriterien hinausgeht und auch metaökonomische Gesichtspunkte, wie zum Beispiel der Qualität oder Nutzerfreundlichkeit, in die Urteilsbildung einbezieht.126 Im Folgenden sollen aus diesem Grund der Nutzen an ausgewählten Geschäftsprozessen in den einzelnen Phasen des Lebenszyklus aufgezeigt werden. Dazu sind die Geschäftsprozesse, wie sie derzeit ohne den Einsatz der RFID-Technologie ablaufen, analysiert und graphisch aufgearbeitet. Die Veränderungen und Potenziale, die sich aus dem Einsatz der RFID-Technologie ergeben sind vergleichend hinten angestellt. Zur vereinfachten Darstellung in den Beschreibungen besteht das Informationsmanagementsystem, wie in Abb. 30 zu sehen, aus dem Bauteiltransponder und einer Datenbank. In der Bauphase ist das eine Datenbank der Bauleitung, welche unter anderem ein digitales Bautagebuch enthalten kann. Die Verbindung der beiden Datenbanken erfolgt über die Luftschnittstelle der RFID-Technologie. Beim Rundgang des Bauleiters oder des Poliers über die Baustelle synchronisieren sich die beiden Datenbanken automatisch. In den anschließenden Phasen: Nutzung und Abbruch wird davon ausgegangen, dass nur noch das „Intelligente Bauteil“ vorhanden ist.
Abb. 30: Informationsmanagementsystem für die Modellbeschreibung
4.2.1
Auswahl der Geschäftsprozesse
Der Lebenszyklus eines Gebäudes wird maßgebend durch Unternehmen, wie Planungsunternehmen, Bauunternehmen, Serviceunternehmen sowie durch Einzelpersonen, wie Bau-
126
vgl. Ropohl 2001. S. 448
62
4 Modellanwendung
herren, Besitzer oder Nutzer beeinflusst. Die Beteiligten bedienen sich dabei verschiedener Geschäftsprozesse, welche unternehmensintern und unternehmensübergreifend sein können. Der Begriff „Geschäftsprozess“ wird von verschiedenen Autoren127 unterschiedlich definiert. Eine Definition mit Bezug zur technischen Welt wird durch Berkau128 vorgenommen. Er gliedert die Geschäftsprozesse in betriebswirtschaftliche und technische Prozesse. Dabei beziehen sich die betriebswirtschaftlichen Geschäftsprozesse vorrangig auf die kaufmännischen Tätigkeiten, wie beispielsweise die Prüfung von Rechnungen. Die Tätigkeiten, welche die Herstellung des Produktes beschreiben, werden als technische Prozesse deklariert. Diese Aufteilung der Geschäftsprozesse erscheint sinnvoll und wird als eine Grundlage für die weiteren Untersuchungen verwendet. Ungeachtet der aufgeführten Unterteilung bezeichnet ein Geschäftsprozess eine zielgerichtete, zeitlich-logische Abfolge von Aufgaben. Die Aufgaben können von mehreren Organisationen oder Organisationseinheiten ausgeführt werden. Dabei kommen Informations- und Kommunikationstechnologien als Arbeitsmittel zum Einsatz. Ein Geschäftsprozess dient der Erstellung von Leistungen.129 Zur Beschreibung eines Geschäftsprozesses werden unterschiedliche Detaillierungsebenen und Schichten genutzt. Der größte Detaillierungsgrad einer Beschreibung ist dann erreicht, wenn eine Aufgabe von einem Mitarbeiter in einem Zug ohne Arbeitsplatzwechsel ausgeführt werden kann.130 Wie bereits in Abschnitt 2.6 erwähnt, werden in der Bauindustrie mit zunehmendem Maß die Forschungen auf dem Gebiet des Lean Construction vorangetrieben. Ein wesentliches Merkmal des Lean Construction ist die Unterteilung der Geschäftsprozesse in die Wertschöpfungs- und die Prozessaktivitäten. Zu den Wertschöpfungsaktivitäten gehören alle Arbeiten, die am Produkt durchgeführt werden und eine Wertschöpfung erzeugen. Im Bauwesen ist dieser Prozess eindeutig mit der Erstellung des Bauwerkes zu identifizieren. Die Aktivitäten, welche nicht in das Produkt einfließen und somit keine Wertschöpfung erzeugen aber notwendig für diese sind (beispielsweise Materiallogistik oder Projektmanagement) werden als Prozessaktivität im Sinne des Lean Construction bezeichnet. Beide Elemente, die Wertschöpfungsaktivität und die Prozessaktivität, sind notwendig für die Umsetzung einer Bauaufgabe. Die Dauer der Wertschöpfung in einem Bauunternehmen ist
127
vgl. Gadatsch 2005. S. 45
128
vgl. Berkau 1998. S. 27
129
vgl. Gadasch 2005. S. 46
130
vgl. Gehring 2007. S.17
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
63
projektbezogen und beschränkt sich somit auf ein bis drei Jahre, was den Zeitraum der Errichtung eines Bauwerks bis hin zur Übergabe darstellt. Ziel sollte es daher sein, dass diese Wertschöpfungsaktivitäten optimiert werden, ohne die geforderte Qualität der zu erbringenden Leistung zu mindern. Gleichzeitig sind die Prozessaktivitäten, die nicht direkt wertschöpfend aber zwingend notwendig sind, effizienter, sicherer und nachhaltiger zu gestalten oder gar zu eliminieren. Zusätzlich gibt es in einem Bauunternehmen Geschäftsprozesse, die nicht direkt einem Projekt zugeordnet sind. Diese sogenannten tertiären Prozesse sind übergeordnete Unternehmensprozesse, welche langfristig den „Kurs“ des Bauunternehmens vorgeben. Sie werden auch als Strategieprozesse bezeichnet. Zwangsläufig kommt es in einem Unternehmen zu Überschneidungen der langfristigen Unternehmensprozesse mit den projektbezogenen Geschäftsprozessen. Hier sind Schnittstellen zu identifizieren oder zu definieren. Weiterhin müssen diese Schnittstellen allen am Projekt beteiligten Mitarbeitern bekannt sein. Die Bekanntgabe der Schnittstellen kann in einem Baustellenübergabegespräch erfolgen. Um die Potentiale der RFID-Technologie darzustellen, sind die Geschäftsprozesse des Besprechungswesens, des Projektcontrollings und der Abnahme stellvertretend für die Bauphase ausgewählt. Der herausgestellte Geschäftsprozess der Nutzungsphase ist der Gebäudeumbau mit dem Fokus auf die Planung und Vorbereitung. Die Potentiale in der Abbruchphase werden an der Planung und Arbeitsvorbereitung herausgearbeitet. Bei den folgenden Beschreibungen der Geschäftsprozesse der Bauphase wird davon ausgegangen, dass der Bauherr einen Planer, einen Projektsteuerer und einen Generalunternehmer beauftragt hat. Die dazugehörige Aufbauorganisation ist in Abb. 31 dargestellt. Die Darstellung und die Beschreibung der Geschäftsprozesse mit der RFID-Technologie setzen voraus, dass die Transponder in jedem Bauteil verbaut sind. Außerdem beschreibt das folgende Szenario einen realen Ablauf auf der Baustelle der als Grundlage für die weiteren Beschreibungen dient. Die Arbeiten an einer Stahlbetonwand haben mit der Errichtung der Stellschalung und der anschließenden Bewehrungsarbeit begonnen. Bevor die Schalung geschlossen wird, erfolgt eine Bewehrungskontrolle durch die Bauleitung. Der Transponder wird durch einen gewerblichen Arbeitnehmer, im Zuge der Montage der Abstandhalter, an der Bewehrung befestigt. Er enthält in diesem Moment noch keine Daten. Die Stammdaten und geplanten Materialdaten schreibt der kontrollierende Bauleiter gleichzeitig mit den ersten Prozessdaten der Abnahme oder Kontrolle auf den Transponder des Bauteils. Ab diesem Zeitpunkt ist die Verbindung der realen Welt mit der digitalen Welt hergestellt.
64
4 Modellanwendung
Abb. 31: Aufbauorganisation des Beispielprojektes131
Jeder am direkten Bauen Beteiligte (gewerbliche Arbeitnehmer und Aufsichtspersonal) hat entweder durch sein Mobiltelefon oder durch einen kleinen Reader vom Unternehmen die Möglichkeit Daten am Stahlbetonbauteil, in Abhängigkeit seiner Zugriffsrechte, zu lesen oder auch zu schreiben. Dadurch kann sich der gewerbliche Arbeitnehmer bei Beginn seiner Tätigkeit am Bauteil anmelden, was eine schnelle, genaue und tätigkeitsbezogene Zeiterfassung zulässt. Die derzeit eher ungenaue Zeiterfassung durch den Polier entfällt und eine sehr genaue Nachkalkulation kann automatisch oder per „Knopfdruck“ erfolgen. Die Materialdaten der einzelnen Komponenten des Bauteils gelangen entweder über den elektronischen Lieferschein, die Datenbank der Bauleitung und die anschließende Synchronisation oder direkt beim Einbau der Komponenten vor Ort auf den Transponder. Dabei scannt der Vorarbeiter oder Polier mit seinem Reader die AutoID-Komponente der Materialien und empfängt die dazugehörigen Informationen über WLAN von der Datenbank der Bauleitung oder des Herstellers und überträgt diese direkt auf den Transponder. Somit ist ein Überblick über die verbauten Materialen in Echtzeit möglich.
131
nach Feuerabend 2008. S. 47 sowie Helbig u. Bauch 2005/2007. Kap. 2.1, S. 13
65
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
4.2.2
Besprechungswesen
Ein wesentlicher Teil des Managements einer Baustelle ist das Besprechungswesen. Dieses findet in unterschiedlicher Form, beispielsweise als Jour Fix, regelmäßig statt. Besprechungen beschränken sich nicht nur auf eine Ebene der Projektorganisation, sondern sind, wie in Tabelle 8 aufgelistet, in jeder Ebene sowie projektebenenübergreifend an der Tagesordnung. Dabei werden Informationen auf kürzestem Weg ausgetauscht, Problemstellungen herausgearbeitet und gegebenenfalls Lösungen zusammengetragen. Die gezielte Auswahl von Teilnehmern hat einen wesentlichen Einfluss auf einen erfolgreichen Verlauf einer Besprechung. Art der Besprechung
Aufgaben
Bauherrenbesprechung
Verantwortlicher
Teilnehmer
Rhythmus
PM des BH Statusberichte, Bauherrenentscheidungen und Festlegungen in die Wege leiten
BH und PM
aller 14 Tage
Projektbesprechung
Projektkoordination, Projektorganisation, Projektcontrolling
PM des BH
BH, PM und Planer
wöchentlich bis aller 14 Tage
Planungsbesprechung
Planungskoordination
Planer
Planer, Fachplaner und Architekt
wöchentlich bis aller 14 Tage
Bauleitungsbesprechung
Koordination und Information der am Bau beteiligten Unternehmen
Objektüberwachung des BH
Architekt, wöchentlich BL des GU, eventuell Planer
Baubesprechung
Koordination Bauausführung, NU-Management
GU
BL des GU, alle wöchentlich NU
Behördenabstimmung
Abstimmung von Genehmigungsfragen oder Zulassungen im Einzelfall
BL Objektüberwacher oder GU
nach Bedarf
Tabelle 8: Arten der Projektbesprechungen132
Besprechungen werden grundsätzlich nach ihrem Inhalt in fachtechnische und projektübergreifende Projektbesprechungen unterteilt133. Die Klärung von Planungs- und Ausführungs-
132
vgl. Ahrens, Bastian et al. 2006. S. 475
133
vgl. Kochendörfer, Liebchen et al. 2007. S.82
66
4 Modellanwendung
details mit den Fachplanern sind Inhalt einer fachtechnischen und die Terminabstimmungen und Kostenklärungen einer projektübergreifenden Besprechung. Die hier analysierten Besprechungsarten während der Bauausführung sind die Bauleitungsbesprechung und die Baubesprechung. Sie werden regelmäßig durchgeführt und bieten den Vorteil, dass sofort Lösungen erarbeitet und Entscheidungen herbeigeführt werden. Schwerpunkte, die in beiden Besprechungsarten diskutiert und abgesprochen werden, sind unter anderem: -
die Koordination der Arbeiten,
-
die Koordination der Beteiligten,
-
Absprachen und Definition technischer und bauablaufbezogener Schnittstellen,
-
Absprachen zu Behinderungen und zu Störungen,
-
Präzisieren der anstehenden Bauaufgaben und
-
Absprachen zu Vertragsänderungen.
4.2.2.1 Ist-Situation Das Prozessmodell, beispielhaft in Abb. 32 anhand der Bauleitungs- und Baubesprechung dargestellt, verdeutlicht die Vielzahl an Schwerpunkten und Aufgaben, die diskutiert und gegebenenfalls gelöst werden. An der Bauleitungsbesprechung nehmen die Vertreter des Bauherren, zum Beispiel der Architekt und der Projektmanager sowie die Vertreter der Bauunternehmung, in diesem Fall des Generalunternehmens, der Projektleiter und der/die Bauleiter teil. Zu Beginn wird die Tagesordnung abgestimmt. Dann werden der aktuelle Baufortschritt und Planungsstand besprochen und Planänderungen bekannt gegeben. Mögliche Terminkonflikte sind so frühzeitig erkennbar und vermeidbar. Anschließend werden die nächsten anstehenden Bauaufgaben, Termine, Fristen und Zuständigkeiten besprochen und festgelegt. Außerdem sind in dieser Runde zum Beispiel Nachträge, Störungen, Behinderungen oder Fragen der Abrechnung zu klären. Alle besprochenen Punkte hält üblicherweise der Projektmanager in einem Besprechungsprotokoll zeitnah, also noch am selben oder spätestens am folgenden Arbeitstag, fest. Das Protokoll wird an alle Anwesenden verteilt. Mitschriften und Anmerkungen des Generalunternehmers sind zur Ergänzung und Überprüfung des Protokolls zu nutzen.134 Auch Meinungsverschiedenheiten sollten exakt im Protokoll wiedergegeben sein.
134
vgl. Biermann 2005. S. 269
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
Abb. 32: Beispiel eines Prozessmodells für die Baubesprechungen
67
68
4 Modellanwendung
Die Bauleitung des Generalunternehmers überprüft als nächstes die Dringlichkeit und die Zuständigkeiten. So müssen beispielsweise Planänderungen, die zur Ausführung anstehen, unverzüglich weitergeleitet werden. Es ist abzuwägen, ob die Informationen in der nächsten Baubesprechung an die jeweiligen Nachunternehmer weitergegeben oder diese vorher informiert werden müssen. Als Informationsmedium dienen üblicherweise Fax, E-Mail, Post oder Telefon. Aber auch die direkte Weitergabe auf der Baustelle wird in der Praxis angewendet, wobei darauf zu achten ist, die Übergabe von Informationen zu dokumentieren, um spätere Auseinandersetzungen abzuwenden. Die am Bau beschäftigten Nachunternehmen sind in zwei Kategorien zu unterscheiden. Nachunternehmen mit einer Bauleitung oder Vertretung auf der Baustelle und kleinere Unternehmen ohne Baustellenbüro, deren Führungskräfte mehrere Baustellen betreuen und somit nur begrenzte Zeit auf der Baustelle verfügbar sind. Wichtige Informationen, die unverzüglich zu beachten und zu bearbeiten sind, werden bei den Nachunternehmern mit Baustellenbüro üblicherweise sofort an die entsprechenden Personen weitergeleitet. Informationen zur Bauausführung, wie beispielsweise Planänderungen, gehen direkt an den Polier, der diese dann an die Arbeitnehmer weiterleitet. Dabei werden die Dokumente direkt oder die Informationen mündlich weitergegeben, was zu Fehlern oder auch zu Verzögerungen führen kann, wie es durch verschiedene Untersuchungen bestätigt wird.135 Etwas diffiziler ist die Situation bei den Nachunternehmern ohne Baustellenbüro. Diese meist Kleinst- bis Kleinunternehmen werden vor allem beim Ausbau vertraglich gebunden. In diesen Betrieben übernimmt der Meister, oft auch der Unternehmensinhaber, die Funktion des Bauleiters, Einkäufers, Abrechners und zum Teil Poliers. Er betreut mehrere Baustellen und beschäftigt hier seine Arbeitskolonnen mit einem Vorarbeiter. Ein Baustellenbüro wird von diesem Unternehmen nicht vorgehalten. Informationen zeitnah an diese Arbeitskolonnen zu übermitteln kann Probleme bereiten. Die Anwesenheit des Verantwortlichen im Büro seines Unternehmens beschränkt sich auf wenige Stunden am Tag. Informationen, die per Fax, per Post oder per E-Mail im Unternehmen eingehen, sind dann meist erst einen Tag später bei den Arbeitskolonnen. Die Informationen aus der Bauleitungsbesprechung werden dann teilweise in der Baubesprechung thematisiert. Dazu lädt der Generalunternehmer seine Nachunternehmer ein und nutzt diese Baubesprechung zum Dialog über die Inhalte und Ergebnisse der Bauleiterbesprechung. Weiterhin werden hier die anstehenden Bauaufgaben für die nächste Woche konkretisiert und detailliert beraten. Planunterlagen werden verteilt und Planänderungen gezielt angesprochen. Die terminliche und räumliche Koordination der einzelnen Nachunternehmer erfolgt in dieser Besprechung ebenso wie die Regelung vertraglicher Angelegenheiten. Die Ergebnisse dieser Baubesprechung werden in einem Protokoll festgehalten. Dieses
135
vgl. Ott 2005. S. 26
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
69
erstellt der Bauleiter des Generalunternehmers noch am selben oder spätestens nachfolgenden Arbeitstag und verteilt es an alle betreffenden Personen. Bei den Nachunternehmen mit Baustellenbüro werden die Unterlagen, welche die Bauleitung in der Baubesprechung verteilt hat, das Baubesprechungsprotokoll und die eigenen Mitschriften durch den Bauleiter des Nachunternehmers nach Zuständigkeiten und dann direkt oder in aufgearbeiteter Form an die entsprechenden Personen weitergegeben. Diese können beispielsweise der Abrechner, der Einkauf oder die Geschäftsleitung sein. Alle Informationen über die Bauausführung werden an den Polier übermittelt, der diese dann direkt mit den Arbeitskolonnen bespricht. Ähnlich laufen die Prozesse bei den Nachunternehmern ohne Baustellenbüro. Verlässt der Meister die Baubesprechung werden die wichtigsten Informationen, welche die Bauausführung betreffen, häufig sofort an die Arbeitnehmer weitergeleitet. Wie bereits erwähnt, erfolgt die Kommunikation bei größeren Bauvorhaben heute häufig über Projekt-Kommunikations-Management-Systeme. Dabei unterstützt das System auch die Besprechungen. So können Standardeinladungen für die Besprechungen verwendet werden, welche bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu bestätigen oder abzulehnen sind. Außerdem erfolgt die Verteilung der Dokumente über das System. Das Protokoll wird in den Projektraum eingestellt und muss von den betreffenden Personen innerhalb einer bestimmten Zeit bestätigt werden. Die Kommunikation der Nachunternehmer mit dem Generalunternehmer verläuft aber in den meisten Fällen nur beschränkt über die PKM-Systeme. Somit verliert die Baubesprechung nicht an Bedeutung. Außerdem ist eine Kommunikation unter den Nachunternehmern eher selten vorhanden, da diese kein Vertragsverhältnis zueinander haben. Diese Kommunikation verläuft auch hier nur über den Generalunternehmer.
4.2.2.2 Mögliche Störstellen im Informationsfluss Es kann festgehalten werden, dass wichtige Informationen, wie beispielsweise Planänderungen für Bauteile, die bereits in der Ausführung sind, im ungünstigsten Falle nach Ausführung der Leistung beim betreffenden Arbeitnehmer eingehen. Dies führt zu Nacharbeiten, Mehrarbeiten und somit zu nicht kalkulierten Kosten. Die aktuellen Fertigungsstände, welche in den Besprechungen zur Abstimmung der Arbeiten herangezogen werden, sind üblicherweise prozentual geschätzte Werte. Diese sind weder bezogen auf Gewerke oder Bauteile, sondern bezieht sich auf ganze Abschnitte oder gesamte Stockwerke. Die Genauigkeit ist vom jeweiligen Betrachter abhängig. Schnittstellen oder gegenseitige Behinderungen werden nicht erkannt und eine Koordination auf dieser Basis ist nicht möglich.
70
4 Modellanwendung
Die manuelle Übermittlung der Informationen an die Arbeitskolonnen ist mit dem Risiko behaftet, dass eine Verzerrung des Informationsgehaltes durch den sogenannten Stille-PostEffekt auftreten kann.
4.2.2.3 Prozessmodell mit RFID-Technologie Für die Bauleitungsbesprechung und die Baubesprechung, deren Prozesse in Abb. 33 dargestellt sind, werden Dokumente und Informationen, wie beispielsweise die aktuellen Fertigungsstände benötigt. Diese können durch die direkte Kopplung der Bauteile mit der Bauleitungsdatenbank schnell und genau aus der Datenbank herausgelesen und für die Besprechung bereitgestellt werden. Die Erfassung der Informationen, die in der Besprechung festgelegt werden und speziell Bauteile und die Arbeit an diesen betreffen, übernimmt der Bauleiter schon während der Besprechung. Die Protokolle erstellt er an einem Tablet-PC oder Notebook, wobei er die entsprechenden Informationen dem spezifischen Bauteil zuordnet. Beim nächsten Rundgang erfolgt automatisch eine Synchronisation mit den Transpondern im Bauteil. Wichtige Informationen stehen dann direkt am Ausführungsort zur Verfügung. Die Arbeiten können somit weitergehen, obwohl noch kein Protokoll der Besprechung vorliegt, beim zuständigen Nachunternehmer eingegangen ist oder die Informationen noch nicht per E-Mail oder SMS verteilt sind. Außerdem werden Planänderungen so unmittelbar weitergegeben, was Mehrarbeit und somit zusätzliche Kosten verhindert.
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
Abb. 33: Beispiel eines Prozessmodells für die Baubesprechungen mit RFID-Technologie
71
72
4 Modellanwendung
4.2.3
Kostencontrolling
Das Kostencontrolling ist ein Teil des Geschäftsprozesses „Projektcontrolling“. Dieses Projektcontrolling ist ein wichtiger Bestandteil der Bauausführung und stellt eine Abweichungsanalyse dar. In regelmäßigen Abständen werden Soll-Werte, auch Planwerte genannt, und Ist-Werte in Bezug auf die Termine, die Kosten und die Qualität gegenübergestellt. Diese Prozesse ermöglichen der Bauleitung ein frühes Nachsteuern bei den Wertschöpfungs- und Prozessaktivitäten. Die Voraussetzungen dafür sind aufgearbeitete Plandaten, die den Vergleich schnell und effizient ermöglichen. Für die erfolgreiche Steuerung der Prozesse ist das Controlling in sehr regelmäßigen Abständen durchzuführen, was wiederum eine gewisse Einfachheit oder besser einen Automatismus voraussetzt. Komplizierte Analyseprozesse, die mit hohem zeitlichem und personellem Aufwand einhergehen, werden beim Ausführungsprozess nur selten oder im schlimmsten Fall gar nicht angewendet. Das Projektcontrolling wird in unterschiedlichen Detaillierungen und Spezifizierungen von allen am Bau Beteiligten durchgeführt. Jedes Unternehmen, so auch der Generalunternehmer, nutzt diese Kontrollmechanismen zur Überwachung der eigenen Leistungen. Der Projektsteuerer ist für den gesamten Ablauf verantwortlich. In den folgenden Beispielen des Kosten-, Termin- und Qualitätscontrolling sind stellvertretend für alle beteiligten Unternehmen die Prozesse beim Projektsteuerer und beim Generalunternehmer analysiert und detailliert dargestellt.
4.2.3.1 Ist-Situation Kostencontrolling durch den Projektsteuerer Der Projektsteuerer ist, wie bereits erwähnt, auf Seiten des Bauherrn unter anderem übergreifend für die gesamte Ausführungsphase verantwortlich. Zu den grundlegenden Aufgaben des Projektsteuerers gehören beim Kostencontrolling in der Bauphase: 136, 137 -
die Kontrollen der Aufmaße,
-
das Erkennen von kostenwirksamen Abweichungen (zum Beispiel Nachträge, neue oder weggefallene Positionen),
-
das Kostenmanagement, einschließlich der Erfassung von Rechnungen und Zahlungen (alle geprüften Rechnungen und angewiesenen Zahlungen),
-
Kontrolle und Fortschreibung der Zahlungspläne, Mittelbedarfs- und Mittelabflusspläne sowie
-
die kontinuierliche und zeitnahe Benachrichtigung des Auftraggebers (Bauherr).
136
vgl. Ahrens, Bastian et al. 2006. S. 347
137
vgl. Helbig u. Bauch 2005/2007. Kap. 2.7, S. 8 f.
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
73
Die Kostenkontrolle und Kostensteuerung setzt eine optimale Kostenplanung, zu der die Kostenschätzung, die -berechnung und der -anschlag gehören, voraus. Das Controlling beschränkt sich nicht allein auf die Dokumentation des Ist-Standes und die Überwachung des Mittelabflusses, sondern beinhaltet auch eine vorausschauende Kostenanalyse. Dazu ist ein umfassender Überblick über den Gesamtkostenrahmen, die Tendenzen, den aktuellen Rechnungsstand, die offenen Leistungen und die fehlenden Vergaben sowie über die Mehrund Minderkosten notwendig. Für eine präzise Kontrolle sind aufgearbeitete Soll-Werte erforderlich. Dies sind beispielsweise: -
Kosten der einzelnen Kostengruppen der noch nicht vergebenen Leistungen,
-
nach den Vergabeeinheiten aufgegliederte Kosten und
-
Terminpläne zur Ableitung monatlicher Soll-Werte.
Diesen Soll-Werten stehen die Unternehmens-, die Auftrags- und Zahlungsdaten als IstWerte gegenüber. Die Informationen über das Unternehmen und den dazugehörigen Auftrag sind unter anderem die Auftragssumme oder die Zuordnung der Kosten zu den Vergabeeinheiten. Diese bleiben im Wesentlichen nach der Auftragsvergabe unverändert. Im Gegensatz dazu unterliegen die Informationen zu den Zahlungen, wie zum Beispiel die Zahlungssummen oder Rechnungslegungen, ständigen Veränderungen.138 In Abb. 34 werden die Prozessabläufe und Auswirkungen des Kostencontrollings in der Zusammenarbeit der Unternehmen mit dem Bauherren und dem Projektsteuerer dargestellt. Neben Zahlungsplänen, die in Generalunternehmerverträgen vereinbart sein können, ist hier ein weiterer üblicher Fall skizziert, bei dem Rechnungen mit vorausgegangenen Aufmaßen für Zahlungen notwendig sind. Voraussetzung für ein Aufmaß sind die erbrachten Leistungen. Das Aufmaß des Generalunternehmers muss durch den Projektsteuerer geprüft und bestätigt werden. Erst nach der Bestätigung kann das Unternehmen die Rechnung legen, welche wiederum geprüft und mit einer Zahlungsfreigabe an den Bauherren weitergegeben wird. Der in Abb. 34 dargestellte Kostenbericht oder auch die Projektbuchhaltung genannt, wird in den meisten Fällen periodisch an den Bauherren übergeben. Der Inhalt sollte die tatsächliche Kostensituation enthalten, um dem Bauherren mögliche Kostenabweichungen zeitnah aufzuzeigen.139
138
vgl. Ahrens, Bastian et al. 2006. S. 371 ff.
139
vgl. Helbig u. Bauch 2005. S. 12 ff.
74
Abb. 34: Beispiel eines Prozessmodells für das Kostencontrolling
4 Modellanwendung
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
75
Kostencontrolling durch den Generalunternehmer Das Kostencontrolling ist für den Generalunternehmer, wie für jeden weiteren Unternehmer gleichermaßen wichtig. Hier dient es neben den anderen Arten des Controllings zur Steuerung der Bauausführung. Die Bauleiter und Poliere haben nicht nur großen Einfluss auf die Arbeitsstunden, sondern auch auf viele andere kostenrelevante Positionen. Zur Durchführung der Soll-Ist-Analyse sind eine Reihe von Informationen notwendig, welche durch die Bauleitung selbst oder durch das betriebliche Rechnungswesen bereitgestellt werden140. Die Soll-Werte beim Kostencontrolling des Generalunternehmers sind die Kostenansätze aus der Arbeitskalkulation. Diesen stehen die folgenden, stichtagsbezogenen Ist-Werte gegenüber: -
Abrechnungsstand,
-
Stand des Personaleinsatzes,
-
Stand des Materialeinsatzes oder Fertigstellungsgrades,
-
Stand des Geräteeinsatzes sowie
-
Stand der Fremdleistungen.
Diese Ist-Werte sind zum einen über das Bautagebuch bestimmbar oder können zum anderen über die unternehmensinterne Buchhaltung zusammengetragen und für das Controlling bereitgestellt werden. Die Aufbereitung der Ist-Werte wird in vielen, vor allem kleineren Unternehmen häufig nur einmal monatlich durchgeführt.141 Mit modernen und komplexen Softwareapplikationen sind die größeren Unternehmen bereits in der Lage, die entstandenen Kosten zusammenzustellen und tabellarisch oder grafisch aufzuarbeiten. Die Kostenverfolgung wird dadurch wesentlich vereinfacht. Die Erfassung der Kennzahlen, durch welche die Ist-Werte entstehen, ist mühsam und kann zu Fehlern führen.
4.2.3.2 Mögliche Störstellen im Informationsfluss Die Aufbereitung der Ist-Werte, wie beispielsweise die Erfassung des Personaleinsatzes, erfolgt manuell und oft zeitversetzt. Dies führt zu Ungenauigkeiten bei der Zuordnung der Arbeitsstunden zu einer bestimmten Tätigkeit. Eine mögliche detaillierte Nachkalkulation der Einzelkosten ist somit nur bedingt belastbar.
140
vgl. Brunner 1997. S. 129 ff.
141
vgl. ebd. S. 134
76
4 Modellanwendung
Ähnliches gilt für die Festlegung des aktuellen Fertigungsgrades, dessen fortlaufende Aufnahme zu aufwendig ist und somit durch stichtagsbezogene Leistungsabschätzungen erfolgt. Für die Kostenkontrolle sind belastbare Informationen, die sogenannten Ist-Werte, zur richtigen Zeit unumgänglich. Dabei ist der Aufwand für deren Beschaffung zu minimieren. Andernfalls wird die Kostenkontrolle nur selten und ungenau durchgeführt.
4.2.3.3 Prozessmodell mit RFID-Technologie Durch den Einsatz der RFID-Technologie wird die Möglichkeit der Erfassung und Sammlung der Ist-Werte automatisch in Echtzeit ermöglicht. In einer ersten Ausbaustufe können diese Daten erfasst und den Bauteilen zugeordnet werden, um die Dokumentation lückenlos und nachvollziehbar zu gestalten. Diese Daten bilden auch die Grundlage für eine Reihe weiterer teil- oder vollautomatisch ablaufender Prozesse, welche in Abb. 35 dargestellt und im Folgenden näher erläutert sind. Dabei ist der Übergang zu den rein digitalen Geschäftsprozessen berücksichtigt, wobei wichtige Dokumente, wie beispielsweise Rechnungen, noch analog vorhanden aber indiziert sind.
Arbeit am Bauteil Ein wichtiger Faktor ist dabei die Arbeitszeiterfassung. Diese erfolgt tätigkeitsbezogen durch das Anmelden des Arbeitnehmers am Bauteil bei Beginn und durch das Abmelden am Ende der Arbeiten wiederum direkt am Bauteil. Bei diesem Vorgang liest der Arbeitnehmer willentlich mit seinem einfachen mobilen Lesegerät die Bauteilkennung und wählt aus einem Menü im Lesegerät die Tätigkeit, die er verrichten soll, aus. Automatisch können bei diesem Anmeldevorgang Informationen über Freigaben für seine Tätigkeit, Planänderungen oder andere, seine Tätigkeit betreffende Informationen angezeigt werden. Die Abmeldung vom Bauteil erfolgt auf gleichem Wege. Hier muss der Arbeitnehmer nur noch auswählen, ob er mit der Tätigkeit fertig ist. Automatisch wird eine Information an den Polier oder Bauleiter gesendet, dass die Kontrolle durchgeführt werden kann. Diese Art der Zeiterfassung ermöglicht eine genaue Zuordnung der Tätigkeiten. Daraus ergeben sich die folgenden Optimierungspotenziale: -
Zeiteinsparung, da keine Stundenzettel mehr per Hand ausgefüllt werden müssen,
-
belastbare Nachkalkulation und
-
Einführung eines leistungsabhängigen Entlohnungssystems (Leistungslohn).
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
Abb. 35: Beispiel eines Prozessmodells für das Kostencontrolling mit der RFID-Technologie
77
78
4 Modellanwendung
Lieferung von Geräten und Lieferung von Materialien Weitere Verbesserungsmöglichkeiten durch den Einsatz der RFID-Technologie beim Kostencontrolling entstehen bei den bauausführenden Unternehmen dadurch, dass ein genauer und schneller Überblick über die verbauten Materialien möglich ist. Die Erfassung erfolgt automatisch beim Übergeben der Materialinformationen an den Transponder im Bauteil. Sind die Materialien mit AutoID-Systemen gekennzeichnet, ist auch eine Erfassung derer, die noch nicht verbaut sind, möglich. Das Unternehmen hat somit einen Überblick in Echtzeit und kann Lieferantenrechnungen besser kontrollieren. Auf der Baustelle eingesetzte Geräte werden über die elektronischen Lieferscheine erfasst, ins System eingebucht und wieder ausgebucht. Sind die Geräte mit AutoID-Technik ausgestattet ist es möglich, die Geräte über die gewerblichen Arbeitnehmer, welche sich am Bauteil anmelden, den entsprechenden Tätigkeiten zuzuordnen. Sind diese Geräte zusätzlich mit Sensoren für die Betriebszeiterfassung ausgestattet, können einsatzbezogene Abrechnungsmodelle eingeführt werden.
Erstellung vom Aufmaß nach Teilabnahme Für die Rechnungslegung ist normalerweise ein Aufmaß erforderlich. Dieses wird nach der Abnahme oder Teilabnahme automatisch erstellt, da alle Kennwerte, wie zum Beispiel die Abmessungen, digital vorliegen. In Abb. 35 ist dieser Beginn mit einem unterbrochenen Pfeil dargestellt. Parallel zum digitalen kann ein analoges, ausgedrucktes Aufmaß an das Projektmanagement übermittelt werden. Dieses ist mit einem Barcode versehen und somit eindeutig der digitalen Variante zuzuordnen. Nach der Bestätigung des Aufmaßes durch den Projektsteuerer wird automatisch die Rechnung erstellt. Auch diese ist in digitaler und analoger Form zu übergeben. Dabei ist der Barcode auf dem Ausdruck wieder die Verbindung zu den digitalen Daten. Kommt die Rechnung geprüft als Rücklaufexemplar an den Generalunternehmer zurück, kann er diese Rechnung anhand des Barcodes sofort im System finden und als „geprüft“ markieren. Nun ist nur noch der Zahlungseingang zu überprüfen und ins Informationssystem einzutragen.
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
4.2.4
79
Termincontrolling
4.2.4.1 Ist-Situation Der wichtigste Soll-Wert oder auch das Planziel für das Termincontrolling ist der meist vertraglich gebundene Endtermin. Neben diesem werden oft eine Vielzahl Zwischentermine (Meilensteine) vereinbart, wie zum Beispiel die Fertigstellungen des Rohbaus oder der Fassade. In Abb. 36 sind die unterschiedlichen Terminpläne in Abhängigkeit des Detaillierungsgrades, der zeitlichen Einordnung sowie der Verantwortung dargestellt. Die vertraglich gebundenen Soll-Werte entstehen in der Regel durch die Ablauf- und Terminplanung des Projektsteuerers. Dieser erstellt Meilensteinpläne und Rahmenterminpläne für die langfristige Terminplanung. Die dabei genutzte Detaillierung reicht für das Controlling der Bauausführung durch die Projektsteuerung nicht. Nach der Verhandlung erfolgt dann eine detaillierte Planung in Form von Generalnetzen oder Generalterminplänen142 für die mittelfristige Terminplanung. Die kurzfristige Terminplanung, welche für die Steuerung und das Controlling unumgänglich ist, wird in Form von Steuerungsnetzen, Steuerungsterminplänen oder Detailterminplänen durchgeführt.143, 144
Abb. 36: zeitliche Einordnung der unterschiedlichen Terminplanungen145
142
Generalnetz und Generalterminplan: Bei der Planung der Termine werden im Wesentlichen zwei Methoden unterschieden. Die heuristische Methode als traditionelle Form meist als Balkenplan – z. B. der Generalterminplan und die mathematisch-analytische Methode in Form von Netzplänen – z. B. Generalnetz (Berner, Kochendörfer et al. 2008. S. 27 ff.)
143
vgl. Ahrens, Bastian et al. 2006. S. 241
144
vgl. Berner, Kochendörfer et al. 2008. S. 24 ff.
145
nach ebd. S. 26
80
4 Modellanwendung
Auch der Auftragnehmer, zum Beispiel der Generalunternehmer, erstellt Terminpläne, um alle seine Arbeiten zeitlich einzuordnen, dass die Zwischentermine und letztlich der Endtermin zielsicher erreicht werden. Diese Planung beginnt mit der Grobterminplanung in der Angebotsphase über die Koordinationsterminplanung bis hin zur Feinterminplanung. Zum Termincontrolling kommen neben den herkömmlichen Darstellungsformen wie dem Balkenplan, dem Netzplan oder dem Liniendiagramm auch verstärkt Terminlisten zum Einsatz.146
Termincontrolling durch den Generalunternehmer Den Soll-Werten aus der Detailterminplanung und der Feinterminplanung stehen am Kontrolltag die abgeschlossenen Vorgänge sowie die begonnen Vorgänge gegenüber. Dabei werden die noch laufenden Vorgänge mit Fertigstellungsangaben in Prozent versehen. Der in Abb. 37 beispielhaft dargestellte Prozessablauf für das Termincontrolling des Projektsteuerers und des Generalunternehmers macht deutlich, dass die Angaben über den Baufortschritt oder den Grad der Fertigstellung durch Mitarbeiter abgeschätzt und festgelegt werden. Die Qualität der Ausführung bleibt in diesem Moment vollständig unberücksichtigt. Bei der Durchführung des Termincontrollings werden die Anfangstermine, der Fortschritt der laufenden Vorgänge und die Endtermine kontrolliert. Sind Anfangstermine nicht eingehalten muss analysiert werden, ob der Endtermin oder der Beginn der Folgevorgänge gefährdet sind. Die Zeitabstände für das Termincontrolling richten sich derzeit sehr stark nach der Dauer, der Größe und der Komplexität oder Schwierigkeit einer Bauaufgabe. Zur Auswertung stehen den Unternehmen in der Praxis leistungsstarke Softwareapplikationen zur Verfügung.
Termincontrolling durch den Projektsteuerer In der Regel erfolgt das Termincontrolling des Projektsteuerers in Vorbereitung von Baubesprechungen oder in regelmäßigen Abständen. Dabei nutzt dieser die Daten des Generalunternehmers in Form des Bautagebuches oder des tagesaktuellen Fertigungsgrades.
146
vgl. ebd. S. 29 f.
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
Abb. 37: Beispiel eines Prozessmodells für das Termincontrolling
81
82
4 Modellanwendung
4.2.4.2 Mögliche Störstellen im Informationsfluss Wie schon im Kapitel 4.2.3 Kostencontrolling aufgeführt, ist der Fertigungsgrad auch für das Termincontrolling von größter Wichtigkeit. Fehleinschätzungen führen zu Terminkonflikten und somit zu zusätzlichen Kosten. Dieser Aspekt trifft auch für die Angaben des Nachunternehmers zu. Der Fertigungsgrad der Arbeiten eines Nachunternehmers ist ebenfalls ein prozentualer Schätzwert.
4.2.4.3 Prozessmodell mit RFID-Technologie Wie bereits beschrieben, ist die einfache sowie genaue Erfassung der Ist-Werte, welche beim Controlling den Soll-Werten gegenübergestellt werden, von großer Bedeutung. Von diesen Daten hängen die Ergebnisse des Controllings direkt ab. Der Auftraggeber sowie der Projektsteuerer haben neben dem Generalunternehmer und seinen Nachunternehmern jeder Zeit einen schnellen und genauen Überblick über den tatsächlichen Fertigungsstand. An Hand des Prozessmodells in Abb. 38 ist erkennbar, dass die RFID-Technologie auch beim Termincontrolling zu Automatismen und somit zu Verbesserungen führt. Zu nennen sind unter anderem: -
die in Abschnitt 4.2.3.3 beschriebene Arbeitszeiterfassung, durch das An- und Abmelden der gewerblichen Arbeitnehmer am Bauteil,
-
die genaue Kenntnis über die gelieferten und verbauten Materialien,
-
der genaue Überblick über Geräte, die sich auf der Baustelle befinden und
-
der belastbare Fertigungsstand, der nicht mehr geschätzt, sondern durch die digitale Fertigungsdokumentation automatisiert zur Verfügung steht.
Sind die Ist-Werte digital in Echtzeit vorhanden, kann der Abgleich mit der Terminplanung und der Kalkulation automatisch erfolgen. Abweichungen sind somit sehr frühzeitig erkennbar. Die Kosten für eventuelle Nachregelungen können minimiert werden.
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
Abb. 38: Beispiel eines Prozessmodells für das Termincontrolling mit der RFID-Technologie
83
84
4 Modellanwendung
4.2.5
Qualitätscontrolling
Für die Errichtung eines Bauwerkes spielt die Qualität eine bedeutende Rolle. In der DIN EN ISO 9000:2005-12 ist die Qualität als Grad, der einen Satz inhärenter Merkmale und Anforderungen beinhaltet, definiert:147 Die Qualität beschreibt somit die Merkmale eines Produktes – die sogenannte Objektqualität oder die Merkmale einer Dienstleistung – die sogenannte Projektqualität. An anderer Stelle wird die Projektqualität als die „Qualität der Leistung und des Einsatzes aller an der Planung und Realisierung Beteiligten“ definiert.148 Dies umfasst beispielsweise neben der Kontrolle und Steuerung von Prozessen, die Einhaltung des Projektzieles oder die Ablauforganisation sowie die Organisation des Informationsflusses. Ein bauausführendes Unternehmen muss somit darstellen, welche Maßnahmen zur Qualitätssicherung durchgeführt werden.149 Dem gegenüber beschreibt die Objektqualität die Merkmale eines Objektes oder Produktes. Diese Merkmale können in die Gebrauchstauglichkeit, die Dauerhaftigkeit, die Sicherheit und die Umweltverträglichkeit eingeteilt werden. Die Definition der Objektqualität kann beschreibend, vergleichend oder rechnerisch erfolgen. Die Beschreibung ist gerade bei individuellen Wünschen und Anforderungen oft schwierig, da diese sich kaum systematisch erfassen lassen. Einfacher ist es, wenn gültige DIN-Normen, Merkblätter oder Richtlinien als Definition herangezogen werden können.150 Das Qualitätscontrolling dient zur Überprüfung und Steuerung sowohl der Projektqualität als auch der Objektqualität. Nachfolgend soll das Controlling des Objektes im Mittelpunkt stehen.
4.2.5.1 Ist-Situation Qualitätscontrolling durch den Projektsteuerer Für den Projektsteuerer ist die Überprüfung der Qualität während der Ausführungsphase in der HOAI Leistungsphase 8 – Objektüberwachung verankert. Dazu gehört das:
147
vgl. DIN EN ISO 9000:2005-12
148
vgl. Ahrens, Bastian et al. 2006. S. 278
149
vgl. Fleischmann 1997. S.197
150
vgl. Ahrens, Bastian et al. 2006. S. 281 ff.
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
85
„Überwachen der Ausführung des Objekts auf Übereinstimmung mit der Baugenehmigung oder Zustimmung, den Ausführungsplänen und den Leistungsbeschreibungen sowie mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik und den einschlägigen Vorschriften“151 Im Einzelnen sind das zum Beispiel das Überwachen der auszuführenden Leistungen gemäß der Leistungsbeschreibung, der Zeichnungen und der Regelwerke sowie die Kontrolle der material- und baustoffspezifischen Eigenschaften.
Qualitätscontrolling durch den Generalunternehmer Die notwendigen Geschäftsprozesse für eine lückenlose Dokumentation der Bauausführung und das Qualitätscontrolling durch den Generalunternehmer und seine Nachunternehmer sollen im Weiteren an dem Beispiel des Betonierens eines Stahlbetonbauteils aufgezeigt werden. In Abb. 39 sind die Prozesse grafisch dargestellt. Die Dokumentation für den Stahlbetonbau ist in der DIN 1045-3:2008-08 ab Kapitel 4 und speziell für das Betonieren ab Abschnitt 11.5 geregelt. Prinzipiell sind während des Einbaues von Beton: -
Frischbetoneigenschaften (wie das Ausbreitmaß oder die Frischbetontemperatur),
-
Festbetoneigenschaften (zum Beispiel die Würfeldruckfestigkeit),
-
das Minimum und das Maximum der Lufttemperatur,
-
die Witterungsverhältnisse,
-
die Bezeichnung des Bauabschnittes und des Bauteiles sowie
-
die Art und die Dauer der Nachbehandlung
zu ermitteln und festzuhalten. Diese Informationen werden im Bautagebuch und zusätzlich oft in einem sogenannten Betoniertagebuch152 dokumentiert. Alle Lieferscheine sind zu kontrollieren, zu vervollständigen (zum Beispiel die Ankunftszeit des Fahrzeuges auf der Baustelle, der Beginn und das Ende der Entladung), zu sammeln und zu archivieren. Für die verwendete Betonrezeptur sind die Zusammensetzung und Prüfergebnisse des Herstellwerkes sowie die Zulassungen aller verwendeter Betonbestandteile (Gesteinskörnungen, Zement, Zusatzmittel und Zusatzstoffe)
151
vgl. HOAI 2009. Anlage 11, Leistungsphase 8, Punkt a)
152
Betoniertagebuch: Für jede Betonherstellung werden alle Lieferscheine mit ihren Nummern, den dazugehörigen Mengen, den durchgeführten Prüfungen (inklusive der Ergebnisse) und eventuelle besondere Vorkommnisse sortiert erfasst.
86
4 Modellanwendung
auf der Baustelle abzulegen. Die Anzahl der Prüfungen für die Frischbeton- und Festbetoneigenschaften sind ebenfalls in der DIN 1045-3:2001-07 geregelt und hängen von Überwachungsklassen153 ab.
Abb. 39: Beispiel eines Prozessmodells für das Qualitätscontrolling
153
Überwachungsklassen: Einteilung der Betone in drei Klassen, in Abhängigkeit der Festigkeits- und Expositionsklassen (DIN 1045-3:2008-08, Tabelle 3)
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
87
Bevor der Beton in das Bauteil eingebracht werden kann, ist durch die Bauleitung oder den Tragwerksplaner der Einbau der Bewehrung zu überprüfen154. Diese Prüfung beinhaltet die Kontrolle: -
der eingebauten Stahlsorten und Stahldurchmesser,
-
der Anzahl, Lage und Lagesicherheit der Bewehrung,
-
der fachgerechten Ausführung der Übergreifungsstöße,
-
der fachgerechten und lagesicheren Ausführung der Unterstützung und den Einbau der richtigen Abstandhalter,
-
der Sauberkeit der Bewehrung (zum Beispiel keine Trennmittel auf der Bewehrung),
-
des Korrosionszustand der Bewehrung (kein loser Rost) sowie
-
ob die Möglichkeiten für das sichere Einbringen und Verdichten des Betons (Einbringöffnungen und Verdichtungsöffnungen) gegeben sind.
Die Dokumentation aller Kontrollen erfolgt im Bautagebuch oder durch ein Abnahmeprotokoll, falls die Bewehrung vom Tragwerksplaner abgenommen wird. Als ein wichtiges Hilfsmittel zur Protokollierung der Qualität dienen Formblätter und Checklisten. Diese haben sich auch in anderen Gewerken als positiv erwiesen155.
4.2.5.2 Mögliche Störstellen im Informationsfluss Konfliktpotenziale sind an einigen Schnittstellen zu erkennen. So werden beispielsweise die Zulassungen der Baustoffe, das Betoniertagebuch und die archivierten Lieferscheine oft erst mit der Übergabedokumentation an den Auftraggeber gegeben. Zu diesem Zeitpunkt ist die Zuordnung zu den Bauteilen nur noch bedingt möglich. Außerdem ist, in Anbetracht der Fülle an Lieferscheinen und anderen Dokumenten, welche als Baudokumentation übergeben werden, die Suche nach einem speziellen Lieferschein für ein bestimmtes Bauteil meist mit einem zeitlich inakzeptablen Aufwand verbunden. Eine weitere Störstelle ist die Dokumentation der Betonarbeiten. Zusätzlich zur Erfassung der Lieferscheine und der dazugehörigen Mengen müssen Außentemperaturen, Witterung, der Ausschalzeitpunkt sowie die Art und die Dauer der Nachbehandlung dokumentiert werden. Erfolgt dies nicht zeitnah, leidet die Qualität oder Richtigkeit der Dokumentation beträchtlich.
154
vgl. DIN 1045-3:2008-08. Kapitel 11.3
155
vgl. Nagel, 2004, S. 212
88
4 Modellanwendung
4.2.5.3 Prozessmodell mit RFID-Technologie Die digitale Dokumentation des Fertigungsprozesses in Echtzeit, die die Fertigstellung, die internen und externen Teilabnahmen sowie Abnahmen und andere bereits beschriebene Ereignisse beinhaltet, eröffnet die Möglichkeit Fehler frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Die Anzahl der Mängel wird geringer, dies führt zu weniger Nacharbeit und somit zu geringeren oder keinen Mehrkosten.
Abb. 40: Beispiel eines Prozessmodells für das Qualitätscontrolling mit der RFID-Technologie
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
89
Das in Abb. 40 dargestellte Beispiel des Prozessablaufes beim Stahlbetonbau verdeutlicht, dass auch die einzubauenden Materialien direkt am Bauteil und in der Datenbank automatisch dokumentiert sind. Dies beinhaltet auch Zertifikate, Zulassungen, Nachweise und insbesondere die Lieferscheine. Kommen zusätzlich Sensoren auf der Baustelle und im Bauteil zum Einsatz, können weitere Herstellungsprozesse erfasst, überwacht, dokumentiert und für den Qualitätsnachweis genutzt werden. Zu den relevanten Daten zählen zum Beispiel die Wetterdaten auf der Baustelle beim Betonieren, die Temperaturentwicklung im Stahlbetonbauteil bei der Hydratation oder die Verdichtungswirkung beim Verdichten des Frischbetons im Bauteil. Außerdem können Sensordaten des Frischbetons die Kontrolle bei der Anlieferung deutlich vereinfachen und damit sicherer gestalten. Die Frischbetontemperatur oder chemische Daten, welche Rückschlüsse auf die Zusammensetzungen zulassen, sind hier denkbar.
4.2.6
Abnahme
Im folgenden Abschnitt soll der Geschäftsprozess der zivilrechtlichen Abnahme und im speziellen die förmliche Abnahme beschrieben werden. Die baurechtliche Abnahme durch die Bauaufsichtsbehörde ist nicht berührt. Die Abnahme ist geregelt nach dem § 640 BGB156 oder der VOB/B § 12157. Die verschiedenen Formen der Abnahme nach den genannten Paragraphen sind in der Abb. 41 dargestellt.
Abb. 41: Formen der Abnahme158
156
BGB 2008
157
VOB/B 2009
158
nach Steiger 2007. S. 297
90
4 Modellanwendung
Die einzelnen Abnahmeformen sind an unterschiedliche Bedingungen geknüpft und können von den verschiedenen am Bau Beteiligten in Anspruch genommen werden. Ein Beispiel für die Abnahmeformen im Kontext mit den Abnahmepartnern ist in Abb. 42 grafisch zusammengestellt. Eine fiktive Abnahme nach Fertigstellung liegt dann vor, wenn zum einen der Auftraggeber der schriftlichen Aufforderung des Auftragnehmers zur Abnahme nicht innerhalb einer festgelegten Frist nachkommt. Zum anderen gilt eine Bauleistung als fiktiv abgenommen, nachdem der Auftraggeber das erstellte Bauwerk nutzt oder in Betrieb setzt und sechs Tage verstrichen sind. Eine weitere fiktive Abnahme resultiert, wenn der Auftragnehmer die Fertigstellungsmeldung an den Auftraggeber verschickt und nach deren Eingang 12 Werktage ohne Reaktion folgen. Die tatsächliche Abnahme erfolgt üblicherweise direkt vor Ort oder in einigen Fällen durch das schlüssige (konkludente) Handeln des Auftraggebers, wie etwa durch das Zahlen einer Schlussrechnung. Diese Form der Abnahme, die tatsächliche Abnahme, wird in der Praxis durch die technische Abnahme und die Teilabnahme unterstützt. Die technische Abnahme, was zum Beispiel die Bewehrungsabnahme sein kann, darf vom Architekten/Bauleiter oder im Fall der Bewehrung vom Tragwerksplaner durchgeführt werden. Sie entspricht einer Zustandsfeststellung159 und hat somit keine abnehmende Wirkung im Sinne der VOB/B § 12 oder des BGB § 640.
Abb. 42: Abnahmepartner160
159
vgl. Biermann 2005. S. 304
160
vgl. Helbig u. Bauch 2005/2007. Kap. 2.8, Abb. 2.8.1
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
91
Die Teilabnahme einer Leistung liegt im Verantwortungsbereich des Auftraggebers. Der beauftragte Architekt nimmt zwar in den meisten Fällen diese Aufgabe wahr, kann aber dem Auftraggeber nur einen Vorschlag unterbreiten, dem dieser in den meisten Fällen folgt. Die förmliche Abnahme stellt somit die eindeutigste und damit sicherste Form der Abnahme dar. Ähnlich verhält es sich mit der technischen Abnahme oder der Teilabnahme. Die Durchführung einer solchen Abnahme wird von einem Vertragspartner, häufig dem Auftragnehmer, mit Festsetzung einer angemessenen Frist gefordert. 4.2.6.1 Ist-Situation Das Prozessmodell „Abnahme“, dargestellt in Abb. 43, beschreibt eine Ist-Situation des Abnahmeprozesses. Als sinnvoll hat sich eine Begehung im Vorfeld der Abnahme erwiesen. Dazu führt der Auftragnehmer, hier beispielsweise ein Generalunternehmer, mit den verantwortlichen Nachunternehmern eine Vorbegehung der abzunehmenden Bauleistungen durch. Mängel können so frühzeitig erkannt und zeitnah behoben werden. Ist die vertragsgemäße Leistung erbracht verlangt der Auftragnehmer, in diesem Fall der Generalunternehmer, die Abnahme beim Bauherrn. Von Seiten des Auftraggebers besteht natürlich auch das Interesse, ein mangelfreies Bauwerk zu erhalten. Deshalb führen der Architekt als Vertreter des Auftraggebers und der Bauleiter des Generalunternehmers häufig Vorbegehungen durch. Hier können bereits eine Vielzahl der Schwachpunkte erkannt, diskutiert und gegebenenfalls als Mangel festgehalten werden. Als Ergebnis wird ein Protokoll erstellt, in welchem die Mängel sowie offene Punkte dokumentiert sind. Beiden Parteien bleibt dann die Möglichkeit, diese bis zur Abnahme zu beheben oder die Vorwürfe durch entsprechende Regelwerke und Gesetze zu entkräften. Aus dem Protokoll leitet der Bauleiter des Generalunternehmers meist eine Liste mit zu erledigenden Tätigkeiten ab und fordert die Beseitigung der Mängel von seinen Nachunternehmern unter Einhaltung einer festgesetzten Frist. Der Nachunternehmer zeigt die Mängelbeseitigung an. Die Kontrolle der Mängelbeseitigung und die Zusammenstellung aller erforderlichen Unterlagen ist Voraussetzung für eine reibungslose Abnahme der Bauleistung.
92
4 Modellanwendung
Abb. 43: Beispiel eines Prozessmodells einer Abnahme
Zur förmlichen Abnahme werden oft nur noch die strittigen Punkte begutachtet und diskutiert. Hierzu ist es zulässig, dass Sachverständige hinzugezogen werden können, wobei jeder die Kosten161 selbst zu tragen hat. Der Abnahmebefund ist bei einer förmlichen Abnahme als
161
vgl. Nagel 1998. S.226
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
93
Abnahmeprotokoll162 schriftlich niederzulegen. Darin sollten die folgenden Inhalte festgeschrieben sein: -
Art der Abnahme (z. B. Teilabnahme oder Abnahme nach VOB/B § 12),
-
Baumaßnahme sowie Ort, Datum und Uhrzeit (eventuell Beginn und Ende der Begehung),
-
Anwesende zur Abnahme und deren Funktionen (gegebenenfalls deren Anwesenheitsdauer),
-
gerügte, aber noch nicht beseitigte Mängel,
-
Abnahmevorbehalt bei festgestellten Mängeln,
-
Vorbehalte wegen fehlender Eigen- und/oder Fremdüberwachungsprotokolle,
-
Vorbehalte wegen fehlender Eignungs- und Gütenachweise,
-
Vorbehalte wegen noch fehlender Leistungen (Restleistungen),
-
Vorbehalte wegen Geltendmachung einer vereinbarten Vertragsstrafe,
-
eindeutige Festlegung, ob die Abnahme erfolgte oder verweigert wurde,
-
Frist zur Mängelbeseitigung,
-
Unterschriften des AG und AN.
Weiterhin sind zur förmlichen Abnahme dem Auftraggeber entsprechend der vertraglichen Vereinbarung die folgenden Unterlagen163 zu übergeben: -
Prüfzeugnisse und Prüfprotokolle,
-
Zulassungen und Überwachungszertifikate,
-
Bestandsunterlagen (sogenannte Revisionspläne),
-
Pflege-, Wartungs-, Reinigungs- und Gebrauchsanweisungen,
-
Dokumente zur Beweissicherung (z.B. Bautagebuch, Planeingangsliste, Lieferscheine und Fotos).
Die im Abnahmeprotokoll fixierten Mängel sind anschließend zu beseitigen. Die fachgerechte Ausführung ist generell zu dokumentieren. Über die Behebung ist der Auftraggeber zeitnah in Kenntnis zu setzen. In den meisten Fällen kontrolliert der Architekt die Mängelabstellung, bevor der Auftraggeber die Abnahme rechtswirksam unterschreibt.
162
vgl. Biermann, 2005. S.307
163
vgl. Ahrens, Bastian et al. 2006. S.247
94
4 Modellanwendung
4.2.6.2 Mögliche Störstellen im Informationsfluss Der Geschäftsprozess der Abnahme ist in mehreren Punkten kritisch zu hinterfragen. Beispielsweise führt die Unkenntnis über Teilabnahmen vor allem beim Nachunternehmer zu Irritationen, zu Stillstand oder Mehrarbeit. Bekommt der Generalunternehmer die Mängellisten zum Abarbeiten, muss er die Zuständigkeiten klären und die Mängel den einzelnen Nachunternehmern zuordnen. Dabei stellt sich sofort die Frage: „Welcher Nachunternehmer hat welche Teilleistungen an einem Bauteil erbracht?“. Diese ist dann von großer Bedeutung, wenn mehrere gleichartige Nachunternehmer, zum Beispiel mehrere Trockenbauer, auf der Baustelle arbeiten. Um die Abnahme vollständig durchzuführen, ist der Generalunternehmer angehalten, entsprechende Unterlagen, wie zum Beispiel Prüfergebnisse, Gütenachweise oder Zulassungen vorzulegen und an den Auftraggeber zu übergeben. Diese Zuordnung der Informationen zu einem ganz speziellen Bauteil ist heute mit einem sehr hohen Aufwand verbunden. Als Beispiel ist dabei die Herstellung eines Betonbauteils zu nennen. Zwei Transportbetonwerke beliefern eine Baustelle und liefern gemeinsam den Beton für ein Bauteil. Fragen wie: „Wer hat welchen Beton geliefert?“ oder „Welche Zusatzmittel und Zusatzstoffe sind im Beton enthalten?“ treten unweigerlich auf und sind nicht eindeutig zu beantworten.
4.2.6.3 Prozessmodell mit RFID-Technologie Falls das „Intelligente Bauteil“ und die zuvor beschriebenen Szenarien des Besprechungswesens und des Controllings zur Anwendung kommen, sind die notwendigen Mängelbeseitigungen, Nachweise und Teilabnahmen bereits abgeschlossen und dokumentiert. Der förmlichen Abnahme steht also nichts mehr im Weg. Nachfolgend soll trotzdem der Einsatz der RFID-Technologie zur Unterstützung der Abnahme, losgelöst von den bisherigen Szenarien und mit Blick auf die vorgenannte Ist-Situation, beschrieben werden. Wie bereits im Abschnitt 4.2.6.1 erläutert beginnt die Abnahme mit der Kontrolle durch die Bauleitung. Diese wird nicht auf einem Protokoll dokumentiert, sondern der Kontrollierende arbeitet auf seinem mobilen Reader in einer Applikation. Die Daten werden dann direkt an den Bauteil-Transponder übermittelt und bei Rückkehr ins Büro mit der Bauleitungsdatenbank abgeglichen. Ein möglicher Prozessablauf ist in Abb. 44 dargestellt. Bei den Prozessdaten kann es sich auch um Angaben über Mängel handeln, welche beseitigt werden müssen. Dies sind die Art und der Ort des Mangels sowie der Verantwortliche und eine Terminsetzung. Die Meldung der Mängelbeseitigung erfolgt ebenfalls über das Informationssystem. Der gewerbliche Arbeitnehmer kennzeichnet den Mangel im BauteilTransponder als „behoben“. Nach dem nächsten Rundgang des Poliers oder des Bauleiters wird über die Synchronisation eine Meldung an den Bauleiter übermittelt, dass die Mängel beseitigt sind, was noch einmal zu kontrollieren ist.
95
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
Abnahme Nachunternehmer
Generalunternehmer
Auftraggeber Legende:
BL Vorbegehung BL Informationsmanagementsystem Bauteiltransponder
Mängelbeseitigung
Mängelmanagement
Datenbank Bauleitung
Mängelmanagement
Beteiligte
BL
Bauleiter
Prozess
PL
Projektleiter
Dokument
BH
Bauherr
Hauptpfad
G
Gutachter
Bedarfspfad
PM
Projektmanager
Schnittstelle
A
Architekt
Kontrolle automatisch
Informationsmanagementsystem Bauteiltransponder
Mängelmanagement
Datenbank Bauleitung
Mängelmanagement
Abnahme verlangen
Terminvereinbarung
PL
PM Vorbegehung
BL
A /BL automatisch
Aufforderung zur Mängelbeseitigung
Mängelbeseitigung
Informationsmanagementsystem Bauteiltransponder
Mängelmanagement
Datenbank Bauleitung
Mängelmanagement
Kontrolle Informationsmanagementsystem Bauteiltransponder
Mängelmanagement
Datenbank Bauleitung
Mängelmanagement
automatisch
... Nachweise Prüfberichte
PM BH
PL BL
Abnahme
A /BL
G G
automatisch
Aufforderung zur Mängelbeseitigung
Informationsmanagementsystem Bauteiltransponder
Mängelmanagement
Datenbank Bauleitung
Mängelmanagement
Mängelbeseitigung Kontrolle automatisch
Informationsmanagementsystem Bauteiltransponder
Mängelmanagement
Datenbank Bauleitung
Mängelmanagement
BL
Anzeige Mängelbeseitigung
Kontrolle
A /BL
förmliche Abnahme
BH
Informationsmanagementsystem Bauteiltransponder
Abnahme
Datenbank Bauleitung
Abnahme
Abb. 44: Beispiel eines Prozessmodells für die Abnahme mit der RFID-Technologie
96
4 Modellanwendung
Ist das Bauteil in Ordnung, kann es intern als „fertig“ gekennzeichnet werden. Daraus wird automatisch eine Nachricht an den Bauherrenvertreter mit der Forderung der Abnahme gesendet. Telefonisch oder per Mail kommt es zur Terminfestlegung für die gemeinsame Vorbegehung. Bei dieser werden wiederum keine Protokolle ausgefüllt, sondern die Daten direkt in eine Applikation auf dem Reader eingegeben. Nach dem Abgleich mit der Bauleitungsdatenbank werden automatisch Nachrichten an die Nachunternehmer generiert, in denen zur Mängelbeseitigung aufgefordert wird. Das Mängelmanagement erfolgt analog, wie bereits in diesem Abschnitt beschrieben wurde. Ist das Bauteil für die Abnahme bereit, kennzeichnet der Bauleiter dies im BauteilTransponder. Nach dem Abgleich werden alle erforderlichen Unterlagen automatisch in einem digitalen Paket zusammengefasst, welche dem Bauherren bei der Abnahme elektronisch übergeben werden. Sollte wider Erwarten doch ein Mangel auftreten, erfolgt das Mangelmanagement wie bereits beschrieben. Der automatische Prozess, der nach der Beseitigung ausgelöst wird, ist die Anzeige zur Mängelbeseitigung. Der förmlichen Abnahme steht nichts mehr im Weg. Die Prozessdaten dafür gehören ebenfalls auf den Bauteil-Transponder.
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
4.2.7
97
Nutzungsphase
Facility Management Bei den meisten Gebäuden wird die Nutzungsphase durch das Facility Management maßgebend geregelt und organisiert. Das Facility Management ist unterschiedlich definiert. Nävy beschreibt es als „… ein strategisches Konzept zur Bewirtschaftung, Verwaltung und Organisation aller Sachressourcen innerhalb eines Unternehmens. Unter Sachressourcen (Facilities) werden alle Grundstücke, Gebäude, Räume, Infrastrukturen, Anlagen, Maschinen und Versorgungseinrichtungen innerhalb eines Unternehmens verstanden.“164 Der Deutsche Verband für Facility Management e.V., kurz GEFMA e.V.165 definiert das Facility Management in der GEFMA 100-1 wie folgt: „Facility Management ist eine Managementdisziplin, die durch ergebnisorientierte Handhabung von Facilities und Services im Rahmen, geplanter, gesteuerter und beherrschter Facility Prozesse eine Befriedigung der Grundbedürfnisse von Menschen und Arbeitsplatz, Unterstützung der Unternehmenskernprozesse und Erhöhung der Kapitalrentabilität bewirkt. Hierzu dient die permanente Analyse und Optimierung der kostenwirksamen Vorgänge rund um bauliche und technische Anlagen, Einrichtungen und im Unternehmen erbrachte (Dienst-) Leistungen, die nicht zum Kerngeschäft gehören.“166 Die beiden, wie auch weitere Definitionen167, stimmen darin überein, dass Geschäftsprozesse zum Betreiben, Organisieren und Verwalten von Gebäuden und für die Dienstleistungen notwendig sind. Eine Zusammenstellung, welche Prozesse von einzelnen Autoren zum Facility Management gezählt werden, ist in Tabelle 9 enthalten.
164
vgl. Nävy 2006. S. 3
165
GEFMA steht für „German Facility Management Association“
166
vgl. GEFMA 2004a. S. 3
167
Weitere Definitionen bei: IFMA 2008 oder Rondeau, Brown et al. 2006. S. 3
98
4 Modellanwendung
Reinecke171
Booty172
Pierschke173
Staub174
Voß175
Braun169
Prozesse
GEFMA168
Nävy170
Autoren
Instandhaltung
Störfallmanagement
Betriebsführung technischer Anlagen
Materialwirtschaft
Reinigung
Energiemanagement
Sicherheits- und Schließmanagement
Abfallmanagement
Vertrags- und Gewährleistungsmanagement
Einrichtungs- und Ausstattungsplanung
Bestandsdokumentation
Belegungsplanung
Umzugsmanagement
Mietmanagement
Dienste
Rechnungswesen und Controlling
Tabelle 9: Prozesse der verschiedenen FM-Definitionen
168
vgl. GEFMA 2004b.
169
vgl. Braun 2007. S. 3 ff.
170
vgl. Nävy 2006. S. 265 ff.
171
vgl. Reinecke u. Schauer 2006. S. 19 ff.
172
vgl. Booty 2006. S. 311 ff.
173
vgl. Pierschke u. Pelzeter 2005. S. 374 ff.
174
vgl. Staub 2004. S. 69 ff.
175
vgl. Voß 2000. S. 133 ff.
176
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
99
Wichtig beim Facility Management ist der „Ganzheitliche Ansatz“, welcher den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes widerspiegeln soll. Im Speziellen werden die Geschäftsbereiche unter dem Begriff Facility Management zusammengefasst, die in der folgenden Abb. 45 beispielhaft dargestellt sind.
Abb. 45: Bereiche des Facility Managements177
Die beteiligten Gruppen Die Akteure, die mit einer Immobilie im Zusammenhang stehen, sind in Abb. 46 zusammengefasst. Dabei ist hier der Eigentümer als Investor anzusehen. Dessen primäres Ziel ist der wirtschaftliche Erfolg der Immobilie, in Form einer langfristigen positiven Wertentwicklung und somit einer hohen Rendite. Er ist bestrebt, durch ein optimales Facility Management die Kosten zu senken und gleichzeitig die Immobilie attraktiv zu gestalten, damit er schnell Mieter findet und diese mit einem hohen Mietzins binden kann.178 Der Nutzer, meist ein Unternehmen, möchte sein Kerngeschäft in der Immobilie effektiv ausführen. Dies bedingt eine hohe Funktionalität, eine große Nutzungsflexibilität sowie eine dauerhaft verfügbare und funktionstüchtige Gebäudeinfrastruktur zu möglichst geringen Kosten.179
176
nach Hanhart 2008. S. 71
177
nach Nävy 2006. S. 4, Abb. 1-2
178
vgl. Staub 2004. S. 17 f.
179
vgl. Staub 2004. S. 64
100
4 Modellanwendung
Abb. 46: Betreiber als Leistungsintegrator und Ziele der Eigentümer, Nutzer und Benutzer180
Die Nutzungsflexibilität ist notwendig, da die Nutzer heute ständigen Veränderungen unterliegen. Dazu gehören Veränderungen in den Organisationsstrukturen, Unternehmensvergrößerungen, die Einführung neuer Produkte mit entsprechenden Produktionslinien oder die kundenorientierte Anpassung von Verkaufsräumen durch Umgestaltung oder Erweiterung. Die ständig zunehmende Konkurrenz durch den permanent wachsenden, weltweiten Markt zwingt Unternehmen fortwährend zum Handeln. Die Zyklen solcher Unternehmensveränderungen sind beispielhaft in der folgenden Abb. 47 dargestellt. Diese Umgestaltungen der Unternehmen führen dazu, dass Gebäude mit einer Gesamtnutzungsdauer von 80 bis 100 Jahren schon nach kurzer Zeit wieder umgestaltet oder sogar umgebaut werden müssen.
Abb. 47: Zyklen der Unternehmensveränderungen181
180
vgl. Hanhart 2008. S. 24 Abb. 2-4
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
101
Für den Benutzer, der den Nutzer besucht oder die Immobilie für andere Tätigkeiten (zum Beispiel Einkaufen) nutzt, stehen subjektiv wahrgenommene Qualitäten einer Immobilie, unter anderem die Raumtemperatur, die Beleuchtung, die Sauberkeit oder die Sicherheit im Mittelpunkt.182 Der Betreiber, als sogenannter Leistungsintegrator, führt selbst erbrachte und zugekaufte Leistungen zusammen und richtet sich dabei ausschließlich nach den Wünschen und Prozessen des Eigentümers, Nutzers und Benutzers.183 Bei den Dienstleistern handelt es sich im Regelfall um Unternehmen, die ihre Leistungen wie beispielsweise die Reinigung, das Catering oder den Sicherheitsdienst mit möglichst hoher Qualität und zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten.184
4.2.7.1 Ist-Situation Die genannten Veränderungen bei den Nutzern sowie die rasanten Entwicklungen auf dem Gebiet der Haustechnik, der Fassadentechnik und der Informationstechnik und der wachsende Druck durch Gesetze (zum Beispiel die Energieeinsparverordnung) führen in unterschiedlichem Maße zu Veränderungen der Gebäude. Diese Veränderungen können sich von Instandhaltungsmaßnahmen, wie Malerarbeiten, bis hin zu großen Umbaumaßnahmen mit Eingriff in die Tragstruktur erstrecken. Bei den Instandhaltungsmaßnahmen ist zu unterscheiden, wer diese Maßnahmen plant und durchführt. Zum einen lässt der Eigentümer oder Betreiber regelmäßig Instandhaltungsmaßnahmen durchführen, um den Wert der Immobilie zu erhalten oder gar zu steigern. Beispielhaft für derartige Instandhaltungen sind die Erneuerung der Teppichböden in einem Bürogebäude oder die Installation neuer Haustechnik oder Haustechnikkomponenten. Zum anderen führt der Nutzer bei Wohnimmobilien kleine Instandhaltungsmaßnahmen, wie zum Beispiel das Tapezieren oder Streichen der Wände und Decken durch. Im ersten Fall benötigt der fachkundige Dienstleister und im zweiten Fall der fachunkundige Nutzer Informationen vom Eigentümer oder Betreiber. Der sich daraus ergebende Unterschied wird in den folgenden Prozessmodellen beschrieben.
181
nach Bertzky 1995. S.121
182
vgl. Krimmling 2008. S. 57 ff.
183
vgl. Alt 2004. S. 175f
184
vgl. Nävy 2006. S. 4
102
4 Modellanwendung
Instandhaltungsmaßnahmen durch den Eigentümer/Betreiber Die Hauptprozesse bei der Vorbereitung und Umsetzung derartiger Maßnahmen sind in der folgenden Abb. 48 dargestellt. Der Eigentümer/Betreiber formuliert dazu die Aufgabenstellung sowie die Zielvorgaben und lässt die Leistung dann von einem Dienstleister ausführen. Dieser braucht zusätzlich zum Soll-Zustand auch den Ist-Zustand, den er normalerweise über die Bauwerksdokumentation vom Eigentümer/Betreiber erfährt.
Abb. 48: Beispiel eines Prozessmodells einer Instandhaltung durch den Eigentümer oder Betreiber
Eigene Analysen, welche von unterschiedlichen Autoren185 bestätigt werden, zeigen aber, dass diese Baudokumentationen üblicherweise fehlen oder nur mit einem erhöhten Aufwand beschafft werden können. Ein Grund dafür ist der immense Informationsverlust von der Bauzur Nutzungsphase, der in der Abb. 49 anschaulich dargestellt ist.
185
verwiesen wird auf Reinhardt, Bahr et al. 2005, Nävy 2006 oder Hanhart 2008
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
103
Abb. 49: Datenverlust bei der Gebäudeübergabe186
Sind Unterlagen vorhanden, welche oft unstrukturiert und unübersichtlich sind, zählt deren Sichtung, Analyse und Auswertung zu den sogenannten sekundären Methoden einer Bestandsaufnahme, dargestellt in Abb. 50. Diese Methoden können, je nach Umfang der zu planenden Instandhaltungsmaßnahme sehr zeitaufwendig sein. Reichen diese Analysen der Bestandsdokumentationen nicht aus, müssen die originären Methoden zur Anwendung kommen. Diese sind ebenfalls zeitaufwändig und zusätzlich kostenintensiv, da zum Beispiel die Materialuntersuchungen oder die Aufnahme der geometrischen Abmessungen dazu zählen.
Abb. 50: Methoden der Bestandsaufnahme187
186
nach Hanhart 2008. S. 21
187
nach Pfeiffer, Zapke et al. 2001. S. 23, Abb. 3.2.1.1.1
104
4 Modellanwendung
Instandhaltungsmaßnahmen durch den Nutzer Ein weiterer Personenkreis, der Instandhaltungsmaßnahmen durchführt oder durchführen lässt ist der Nutzer bei Wohnimmobilien. Die Hauptprozesse dieser Instandhaltungsmaßnahmen fasst die Abb. 51 beispielhaft zusammen. Für diese Arbeiten, die nicht selten in Eigenleistung erbracht werden, benötigt der Nutzer beispielsweise die Abmessungen, Informationen über Untergrundmaterialien oder über das vorhandene Anstrichsystem. Diese Informationen sollte er von seinem Vermieter, also dem Eigentümer oder Betreiber, erhalten. Wie schon bei der regelmäßigen Instandhaltung durch den Eigentümer/Betreiber ist auch die Bestandsaufnahme des Nutzers oft nicht so einfach, da wenige bis keine Informationen vom Vermieter bereitgestellt werden und somit die Bestandsaufnahme durch die sekundären Methoden nicht oder nur eingeschränkt möglich sind. Für die Durchführung der originären Methoden fehlen dem Nutzer meistens die fachlichen Kompetenzen, so dass diese ebenfalls nicht oder nur in einem einfachen Umfang, wie beispielsweise die geometrische Erfassung des Grundrisses, stattfinden.
Abb. 51: Beispiel eines Prozessmodells einer Instandhaltung durch den Nutzer
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
105
4.2.7.2 Mögliche Störstellen im Informationsfluss Wie bereits oben erwähnt, sind spezifische Informationen aus der Bauwerksdokumentation, falls diese vorhanden ist, den Bauteilen nur schwer zuordenbar. Dieser Zustand führt dazu, dass der Eigentümer oder der Betreiber und somit auch der Dienstleister keine genauen Kenntnisse über die Bauteilmaterialien besitzen. Der fachkundige Dienstleister kann dann über die originären Methoden die fehlenden Informationen durch kosten- und zeitintensive Verfahren wiederbeschaffen. Die Gruppe der Nutzer, die üblicherweise fachunkundig ist, wendet die Möglichkeiten der originären Methoden nur im eingeschränkten Maße an, da sie keine Notwendigkeit der Informationsbeschaffung sieht. Herabfallende Decken durch falsche Wahl der Dübel188, falsche Tapeten189 oder unsachgemäße Untergrundvorbehandlung bei Wandbekleidungen190 sind dann nur eine kleine Auswahl einer Vielzahl von falschen Umgängen mit der Bausubstanz. Hinzu kommt der Informationsverlust nach der Durchführung der Instandhaltungsmaßnahme. Die Fortschreibung der Bauwerksdokumentation durch den Eigentümer oder Betreiber erfolgt nur vereinzelt im Fall der Instandhaltungsmaßnahmen durch den Eigentümer/Betreiber. Ein Informationsfluss vom Nutzer zum Eigentümer oder Betreiber ist nicht vorhanden. Weiterhin kann das Informationsdefizit auch Rettungseinsätze bei Havarien erschweren. Diese müssen zum Beispiel im Brandfall Menschenleben retten. Informationen über die Feuerwiderstandsklassen der einzelnen Materialien, vor allem der Türen, sind nicht vorhanden und können, da die Zeit drängt, nicht erst aus Datenblättern oder Plänen herausgesucht werden.
4.2.7.3 Prozessmodelle mit RFID-Technologie Ist die RFID-Technologie im Gebäude verbaut, ist bei Instandhaltungsmaßnahmen in der Nutzungsphase eine stark vereinfachte Bestandsaufnahme möglich. Diese Vereinfachung betrifft den Dienstleister ebenso wie den Nutzer, was im Folgenden anhand der Prozessmodelle näher erläutert ist.
188
vgl. Satzger 1998. S. 19 f. zitiert nach Pielke 1987. S. 24 f
189
vgl. Bresch 2000. S. 453 f.
190
vgl. Zimmermann 2001. S.35 ff.
106
4 Modellanwendung
Instandhaltungsmaßnahme durch den Eigentümer/Betreiber Plant der Eigentümer oder Betreiber eine Instandhaltungsmaßnahme, so kann er mit Hilfe der RFID-Technologie und einem Rundgang durch das Gebäude seine Bauwerksdokumentation in Form einer Facility-Management-Datenbank vervollständigen. Als weiterer Vorteil sind gleichermaßen die Beziehungen der Materialinformationen zu den Bauteilen anzusehen. Die Analyse und Zuordnung der Informationen zu den Bauteilen entfällt. Somit kann der Eigentümer/Betreiber dem Dienstleister eine strukturierte und vollständige Dokumentation für deren Kalkulation und Planung in digitaler Form übermitteln, was in der folgenden Abb. 52 dargestellt ist.
Abb. 52: Beispiel eines Prozessmodells einer Instandhaltung durch den Eigentümer oder Betreiber mit der RFID-Technologie
Bei der Realisierung kann der Ausführende diese Informationen noch einmal direkt am Bauteil kontrollieren und mit seinem mobilen Lesegerät die neuen Materialdaten und Prozessdaten gleichzeitig abspeichern. Der Betreiber erhält diese Daten dann bei der Abnahme oder beim nächsten Rundgang automatisch durch die Synchronisation mit seinem Lesegerät und seiner Datenbank.
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
107
Instandhaltungsmaßnahmen durch den Nutzer Eine weitere Vereinfachung und die Sicherung der Geschäftsprozesse ergeben sich bei der Bereitstellung von Materialdaten an den Nutzer. Dieser kann in Vorbereitung seiner Maßnahmen die Bauteiltransponder teilweise mit einem Lesegerät auslesen und erhält damit alle erforderlichen Informationen, ohne den Eigentümer oder Betreiber kontaktieren zu müssen, was in der folgenden Abb. 53 zusammengefasst ist. Seine Lese- und Schreibrechte sind dabei natürlich auf die notwendigen Inhalte, wie beispielsweise Materialdaten, beschränkt. Dem Nutzer wird durch das „Intelligente Bauteil“ die Möglichkeit gegeben, zum Beispiel eine richtige Auswahl der Dübel oder der Tapeten zu treffen. Der Dokumentationsaufwand für den Besitzer verringert sich, da die Informationen für den Nutzer direkt am Bauteil zur Verfügung stehen. Fehler bei kleinen Reparaturen durch die Wahl falscher Materialien gehören der Vergangenheit an und die Bausubstanz wird nachhaltig geschützt.
Abb. 53: Beispiel eines Prozessmodells Instandhaltung durch den Nutzer mit der RFID-Technologie
Außerdem besteht die Möglichkeit, wenn es vertraglich geregelt ist, dass der Nutzer die Materialdaten nach seiner Instandhaltungsmaßnahme auf dem Transponder des „Intelligenten Bauteiles“ aktualisiert. Dazu liest der Nutzer die Daten der Materialtransponder mit seinem Lesegerät, was eventuell das Mobiltelefon sein kann, und speichert diese auf dem entsprechenden Bauteiltransponder. Somit wird die Bauwerksdokumentation ständig fortgeschrieben.
108
4 Modellanwendung
Weitere Nutzenmöglichkeiten der RFID-Technologie in der Nutzungsphase Die zuvor beschriebene vereinfachte Bestandsaufnahme durch das Auslesen der Transponder im Bauteil ist zusätzlich zu den Instandhaltungen auch für weitere Maßnahmen nützlich. Die Daten über verbaute Materialien, Abmessungen und Mengen sind für alle Umbau-, Modernisierungs- und Teilabbrucharbeiten unabdingbar. Deren Erfassung ist im folgenden Abschnitt zur Abbruchphase näher erläutert. Weitere Nutzenpotentiale betreffen Dienstleistungen, die im Gebäude erbracht werden. Dazu gehören zum Beispiel Reinigungs- und Sicherheitsdienste. Diese können, unter Zuhilfenahme eines Lesegerätes und der Kommunikation mit dem entsprechenden Transponder, die Anwesenheit in einem Raum protokollieren. Somit kann beispielsweise der Wachdienst beweisen, dass er regelmäßige Rundgänge tatsächlich gemacht hat. Da der Dienstleister mit seinem Lesegerät die Transponder willentlich ausliest, ist diese Form des Nachweises keine unbemerkte Überwachung. Bei der Reinigungsdienstleistung ergeben sich weitere Vorteile durch die Nutzung der „Intelligenten Bauteile“. Pflegehinweise für die unterschiedlichsten Bodenbeläge sind heute meist nicht vorhanden, da diese nur selten von den Handwerksbetrieben mitgeliefert werden. Diese können dann direkt beim Verlegen der Bodenbeläge auf die Transponder gespeichert werden und sind somit jederzeit direkt vor Ort an den entsprechenden Bauteilen verfügbar. Dazu nutzt der Handwerker sein mobiles Lesegerät und überträgt die vom Hersteller mitgelieferten Daten191 direkt auf den Bauteiltransponder im Boden. Durch das „Intelligente Bauteil“ kann auch der Nutzer eines Gebäudes seinen Kunden, also den Benutzern, einen zusätzlichen Mehrwert anbieten. Zum Beispiel können Besucher eines Bürogebäudes an der Rezeption ein kleines Lesegerät mit einer Navigationssoftware bekommen und dann über sogenannte Indoornavigationssysteme, welche die Transponder der einzelnen Bauteile zur Orientierung nutzen, den Weg zum richtigen Sachbearbeiter einfach finden. Dieses System kann auch im Falle einer Havarie den Rettungskräften den schnellsten und sichersten Weg weisen. Zusätzlich kann der Feuerwehrmann nützliche Informationen über das Brandverhalten einzelner Bauteile sofort vor Ort erfahren.
191
vgl. heise online 2006. Meldung 70782, Vorwerk stellte bereits 2006 Teppichböden mit Transpondern auf der CeBIT aus. Das Speichern von Produktdaten war zwar noch nicht vorgesehen, ist aber technisch durchaus möglich.
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
4.2.8
109
Abbruchphase
Die Abbruchphase ist die letzte Phase im Leben eines Gebäudes. Die nachfolgend genannten Vorschriften und beschriebenen Prozesse gelten aber auch innerhalb der Nutzungsphase bei Umbau-, Modernisierungs- oder Teilabbrucharbeiten, was explizit nicht weiter betrachtet wird. Vor dem Abbruch stehen eine Reihe von Vorarbeiten und Planungen. Außerdem muss der Auftraggeber einigen Pflichten nachkommen. So bestehen, auf Grundlage unterschiedlicher Umweltgesetze, verschiedene Anzeige-, Genehmigungs- und Nachsorgepflichten192. Die Abb. 54 zeigt die wichtigsten, geltenden Rechtsnormen, welche beim Abbruch zu beachten sind. Von den genannten Rechtsnormen soll in dieser Untersuchung nur das Abfallrecht etwas tiefer analysiert werden. Zum Abfallrecht gehört das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG). In diesem Gesetz werden die grundlegenden Anforderungen in Bezug auf den Umgang mit Abfällen formuliert. Unter anderem wird im § 4 KrW-/AbfG gefordert, dass in erster Linie Abfälle zu vermeiden sind. Ist dies nicht möglich, sind Abfälle stofflich zu verwerten oder zur Energiegewinnung einzusetzen. Erst wenn die Beseitigung der Abfälle die umweltverträglichste Lösung darstellt, ist sie der Verwertung vorzuziehen (§ 5 Abs. 5 KrW-/AbfG).
Abb. 54: geltende Rechtsnormen bei Abbrucharbeiten193
Des Weiteren gehört die Verordnung über Verwertungs- und Beseitigungsnachweise (Nachweisverordnung – NachwV) zum Abfallrecht und ist bei Abbrucharbeiten, bei denen Schadstoffe zu erwarten sind, vor allem durch den Bauherrn zu beachten. Neben den Nachweispflichten hat der Bauherr weitere Erkundungs-, Planungs-, Informations- und Organisationspflichten zu beachten, welche er an Dritte delegieren muss, wenn er
192
vgl. Steiner 2001. S . 207
193
nach Steiner 2001. S. 208
110
4 Modellanwendung
nicht über die notwendige Sachkunde verfügt.194 Zu den Aufgaben des Planers sollten eine Mengenermittlung, ein Abbruch- und Entsorgungskonzept195 und eine fachgerechte Ausschreibung gehören. Um die jeweiligen Gesetze und Verordnungen einhalten zu können und das Abbruch- und Entsorgungskonzept zu erstellen, ist die Kenntnis über die verbauten Stoffe und deren Gefährdungspotenziale auf Menschen und Umwelt unerlässlich. Zur Klassifizierung ist der Abfallschlüssel der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) maßgebend196. Die detaillierten Kenntnisse über Mengen und die Arten der verbauten Materialien ermöglichen gegebenenfalls deren Wieder- oder Weiterverwendung, wodurch möglicherweise geringere Entsorgungskosten oder gar Einnahmen statt Ausgaben für die Entsorgung zu erzielen sind.197.
4.2.8.1 Ist-Situation Die gesamten Abbrucharbeiten und deren vorbereitende Prozesse sind durch eine genaue Bestandsaufnahme geprägt. Kenntnisse über die Bauweise, das verbaute Material und die möglichen Gefahren beeinflussen das Genehmigungsverfahren, die Ausschreibung und Vergabe, die Auswahl des Abbruchverfahrens und die Nachweisverpflichtungen sowie letztendlich die Gesamtkosten. Die Abb. 55 zeigt einen möglichen Prozessablauf, bei welchem der Auftraggeber/Bauherr einen Planer mit der Bestandsaufnahme und der weiteren Planung beauftragt hat. Die Genehmigung ist dabei nicht mit aufgeführt, da diese vom Umfang der Maßnahme, von der Art der Maßnahme und vom Bundesland abhängt.
194
vgl. Osberghaus 2008. S. 13
195
Abbruch- und Entsorgungskonzept: „Der Begriff wird sehr weitläufig verstanden. Es gibt keine gesetzliche Pflicht für Abbruch- oder Entsorgungskonzepte. Im Rahmen der gesetzlichen und standortspezifischen Vorgaben obliegen Rückbau und Entsorgung dem Wettbewerb, d. h. den beauftragten Unternehmen. Abbruch und Entsorgung müssen in der Planungsphase jedoch soweit durchdacht werden, dass die Gesamtmaßnahme möglichst wirtschaftlich wird. Bei einfachen Abbrüchen mit geringen funktionalen Anforderungen kann auf derartige Konzepte verzichtet werden. Wenn aber z. B. komplexe bauliche Verhältnisse bestehen, Kostenschätzungen zu erstellen oder Leistungsverzeichnisse für Einheitspreisverträge auszuarbeiten sind, wird ein Abbruch- und Entsorgungskonzept als Planungsgrundlage benötigt.“ Osberghaus 2008. S. 15
196
DIN 18459:2006-10. Pkt. 2.2
197
vgl. Rentz 1998. S. 124 ff.
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
111
Abb. 55: Beispiel eines Prozessmodells für die Vorbereitung von Abbrucharbeiten
Für das Abbruch- und Entsorgungskonzept sind eine genaue Mengen- und Materialermittlung ebenso wichtig wie für eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung. Oft sind keine Unterlagen vorhanden oder das Studium der Unterlagen reicht nicht zur Ermittlung und Beurteilung der Gefahren aus. Dann müssen weitere Beschaffungsaktivitäten fol-
112
4 Modellanwendung
gen. Dazu zählen kostenintensive Bauwerksaufnahmen und Materialanalysen ebenso wie die Recherche in alten Dokumenten des Eigentümers oder öffentlicher Behörden, was bereits in Abb. 50 im Abschnitt 4.2.7.1 näher erläutert ist. Diese Recherchen der Bestandsaufnahme fließen direkt in das Abbruch- und Entsorgungskonzept, in welchem unter anderem die Nutzungen im Umfeld des Abbruchobjektes als Basis für das Umgebungsschutzkonzept, maßgebliche Abfallfraktionen und Mengen oder Prüfungen möglicher Umweltgefahren bei Altlasten oder Altlastenverdacht enthalten sind. Nach der Vergabe des Auftrages müssen weitere Informationen an die Genehmigungsbehörde übermittelt werden. Dieser Prozess ist ebenfalls nicht im Ablauf enthalten, da dieser wiederum von der Art und dem Umfang der Maßnahme und dem jeweiligen Bundesland abhängig ist. Eine eindeutige Regelung über diesen Informationsfluss ist nicht vorhanden. In Anlehnung an § 16 KrW-/AbfG, der die Vergabe der Entsorgung an Dritte regelt, sollten Informationen über das beauftragte Abbruchunternehmen an die Behörde gesendet werden. Dazu gehört unter anderem eine Bestätigung, dass das Unternehmen über die notwendige Befähigung zur Durchführung der Abbrucharbeiten verfügt. Hierzu gehören auch Nachweise über ausreichende Kenntnisse in Standsicherheitsfragen und Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowie über ausreichende praktische Erfahrungen beim Abbruch baulicher Anlagen. Außerdem muss das Abbruchunternehmen über die notwendigen Einrichtungen und Geräte verfügen, um die gestellten Aufgaben zu erledigen. Auch der Auftragnehmer profitiert von einer genauen Bestandsaufnahme sowie einem Abbruch- und Entsorgungskonzept. Er wählt an Hand der Daten in einem iterativen Prozess das Abbruchverfahren aus, was eine wichtige Grundlage für eine belastbare Kalkulation darstellt.
4.2.8.2 Mögliche Störstellen im Informationsfluss Ungenügende Bestandsaufnahmen führen oft erst bei der Ausführung der Abbrucharbeiten zu unerwarteten Situationen. Zum Beispiel sind Altlasten, die durch Nutzungen der Gebäude in der Vergangenheit eingetragen worden, Gründe für Änderungen des Entsorgungskonzeptes, Überarbeitung der Gefährdungsanalyse sowie des Arbeits- und Sicherheitsplanes. Diese Gefahren können aber auch die Umwelt und die Arbeitnehmer gesundheitlich beeinflussen, da die Gefahren zu spät erkannt werden und das verwendete Abbruchverfahren ungeeignet ist. Auch wenn der Auftragnehmer die übermittelten Informationen überprüfen soll, kann er nicht alle und vor allem diese nicht im Detail überprüfen. Bei Begehungen des Objektes kann er nur stichprobenartige Kontrollen durchführen und auf die Erfahrung aus anderen, ähnlichen Projekten setzen. Für die Kalkulation und die Planung seiner Arbeiten ist er auf die Informationen vom Planer angewiesen.
4.2 Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung
113
4.2.8.3 Prozessmodell mit RFID-Technologie Die Verwendung des Informationsmanagementsystems, bestehend aus der FacilityManagement-Datenbank und dem „Intelligenten Bauteil“, ermöglicht dem Planer eine schnelle, sichere und vollständige Bestandsaufnahme, wie es in Abb. 56 dargestellt ist. Damit einhergehend sind eine automatische Aufschlüsselung der unterschiedlichen Materialien sowie eine automatische Mengenermittlung. Diese Automatismen erleichtern die Erstellung des Abbruch- und Entsorgungskonzeptes sowie der Ausschreibung. Durch die ständige Fortschreibung und Synchronisierung der beiden Bestandteile des Informationsmanagementsystems im Lebenszyklus des Gebäudes sind auch die unterschiedlichen Nutzungen des Objektes aus der Vergangenheit ersichtlich. Eine Recherche, welche schädlichen Stoffe durch diese Nutzungen in die Bausubstanz eingetragen worden sind, muss der Planer weiterhin erstellen. Der Einsatz von Sensoren im „Intelligenten Bauteil“ kann diese Arbeit allerdings erleichtern. Neben den Materialdaten sind im „Intelligenten Bauteil“ auch Daten über das statische System der einzelnen Elemente hinterlegt. Eine zeitintensive Analyse der meist unvollständigen Dokumentationen, falls sie vorhanden sind, fällt weg. Eine zeit- und vor allem kostenintensive Bauwerksaufnahme minimiert sich auf das Durchgehen und Scannen der Bauteile. Die vollständigen Daten vereinfachen auch die Geschäftsprozesse auf Seiten der anbietenden Unternehmen. Die Sichtung der Unterlagen beschränkt sich darauf, sich mit dem Objekt und der Aufgabe vertraut zu machen. Die Vollständigkeit braucht nicht mehr kontrolliert werden. Bei einer Objektbegehung kann der Unternehmer mit seinem mobilen Lesegerät stichprobenhaft die „Intelligenten Bauteile“ auslesen und so die Daten kontrollieren, oder er kann sich Daten direkt vor Ort für Sondervorschläge beschaffen. Die Möglichkeiten des „Intelligenten Bauteils“ geben nicht nur dem Auftraggeber Sicherheit seinen Erkundungs-, Planungs-, Informations- und Organisationspflichten nachzukommen, sondern befähigen auch den Auftragnehmer seine Planung vollständig und den Abbruch risikoarm bis risikolos durchzuführen. Außerdem ermöglichen die Daten aus dem „Intelligenten Bauteilen“ eine einfachere Wiederverwendung der Materialen. Zum Beispiel könnten bei der Fertigteilbauweise komplette Bauteile bei neuen Bauwerken eingesetzt werden, da die Statik, die Materialien und die Historie der Bauteile bekannt ist. Aber auch die Verwendung anderer Betonbauteile als Recyclingbeton ist denkbar, da hier oft die nicht bekannte Zusammensetzung des alten Beton einer derartigen Verwendung im Weg steht, was beim „Intelligenten Bauteil“ nicht der Fall ist.
114
4 Modellanwendung
Abb. 56: Beispiel eines Prozessmodells für die Vorbereitung von Abbrucharbeiten mit der RFID-Technologie
4.3 Sonstige Bewertungskriterien
4.3
115
Sonstige Bewertungskriterien
Der Schwerpunkt dieser Untersuchung liegt auf den beiden vorangegangenen Abschnitten 4.1 mit den Technischen Beschreibungen und Anforderungen sowie 4.2 mit dem Nutzenpotenzial als Bestandteil der ökonomischen Bewertung. Diese zwei, für Techniker und Ingenieure oft sehr zentralen Punkte, gehören bei der Technikbewertung und Folgeabschätzung zu einer Vielzahl anderer wichtiger Kriterien, die im Folgenden zusammengefasst und im Rahmen dieser Arbeit nur mit einigen Fakten unterlegt werden.
4.3.1
Anthropogene Kriterien
Die anthropogenen Kriterien beinhalten die Auswirkungen auf den Menschen.198 Dazu zählen die Strahlung, welche von der Technologie ausgeht, ebenso wie eventuell verbaute und gefährliche Stoffe oder die notwendigen Bewegungsabläufe, um die Technologie zu nutzen. Gefährliche Stoffe Wie im Abschnitt 4.3.3 erläutert, untersagt das Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (ElektroG) den Einsatz von gefährlichen Stoffen in den Transpondern und elektronischen Geräten, wie den Lesegeräten. Bewegungsabläufe Bei Beachtung der Einbauhöhen an vertikalen Bauteilen, beschrieben im Abschnitt 4.1.3.5, zwischen 1,20 m bis 1,50 m kann der Nutzer die Transponder in aufrechter Körperhaltung beschreiben und auslesen. Die Bewegungsabläufe sind für die Menschen also nicht schädigend. Der Einbau bei vertikalen Bauteilen durch Befestigen an der Bewehrung ist ebenfalls schnell und einfach. Auch diese Arbeiten können als unbedenklich angesehen werden. Dies gilt auch für das Auslesen und Beschreiben der Transponder. Strahlung Die Kopplungsarten zwischen Lesegerät und Transponder sind im Abschnitt 4.1.1 beschrieben. Zur Anwendung kommen magnetische Felder im Nahfeld und elektromagnetische Felder im Fernfeld. Die maximal zulässigen magnetischen Feldstärken und die maximal zulässigen Sendeleistungen bei elektromagnetischen Feldern, welche in Tabelle 4 exemplarisch zusammengefasst sind, werden durch Gesetze reguliert. Dies ist in Deutschland die Aufgabe der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbah-
198
vgl. Scheffczik 2003. S. 87
116
4 Modellanwendung
nen (BNetzA). Sie gibt einen Frequenznutzungsplan (FreqNP) auf Basis der geltenden nationalen und internationalen gesetzlichen Regelungen heraus. Die International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection e. V. (ICNIRP199) veröffentlichte ein Statement zu Belastungen durch elektromagnetische Felder bei neuen Technologien. Darin weist sie darauf hin, dass die Belastung auf den menschlichen Körper einzelner Geräte sehr klein ist aber eine Belastung aus mehreren Lesegeräten zusammen sehr hoch sein kann.200 Das hier untersuchte Szenario des „Intelligenten Bauteils“ geht vom Einsatz passiver Transponder aus. Diese Transponder besitzen keine eigenen Energiequellen und senden somit keinerlei Strahlung aus. Sie sind die meiste Zeit inaktiv und können weder Daten erfassen noch abgeben. Erst wenn ein Lesegerät gezielt in die Nähe des Transponders gebracht (1 bis 2 m) und der Lesevorgang manuell ausgelöst wird, aktiviert sich der Transponder und antwortet. Dies nennt man „Listen before talk“. Eine Belastung des menschlichen Körpers ist somit relativ gering, zumal die Kopplungskurve gerichtet ist und beim „Intelligenten Bauteil“ davon auszugehen ist, dass die jeweilige Person bei den Lese- und Schreibvorgängen auf das Bauteil blickt und dadurch die Kopplungskurve vom Körper weg strahlt.
4.3.2
Politische und rechtliche Kriterien
Bei diesem Bewertungskriterium geht es um die Einhaltung geltender Gesetze und Verordnungen. Gleichzeitig ist der Staat aber auch gehalten, technologische Entwicklungen zu fördern, welche das Wirtschaftswachstum steigern oder den Umweltschutz fördern.201 Einige der geltenden Gesetze und Verordnungen sind bereits genannt und deren Einhaltung beschrieben. Dazu zählen beispielsweise: -
das Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (ElektroG),
-
Frequenznutzungsplan gemäß TKG über die Aufteilung des Frequenzbereichs von 9 kHz bis 275 GHz auf die Frequenznutzungen sowie über die Festlegungen für diese Frequenznutzungen (FreqNP),
-
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG).
199
ICNIRP: unabhängige, neutrale wissenschaftliche Kommission, gegründet von der Generalversammlung der International Radiation Protection Association (IRPA) mit Sitz in OberschleißheimNeuherberg bei München (Bundesamt für Strahlenschutz). Die Kommission begründet „…ihre Schlussfolgerungen und Empfehlungen ausschließlich auf etablierten wissenschaftlichen Prinzipien…“ (ICNIRP [Hrsg.] 2003). Weitere Informationen unter http://www.icnirp.net
200
vgl. ICNIRP [Hrsg.] 2008. S. 383 f.
201
vgl. Scheffczik 2003. S. 101
4.3 Sonstige Bewertungskriterien
117
Eine Fragestellung, die im Zusammenhang mit der RFID-Technologie noch offen ist, betrifft den Umgang mit den Daten und deren Sicherheit. Generell gelten hier die Datenschutzgesetze des Bundes und der Länder. Bei öffentlichen Stellen müssen zusätzlich bereichsspezifische Bestimmungen beachtet werden. Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) schützt die Persönlichkeitsrechte beim Umgang mit personenbezogenen Daten.202 Welche Daten auf dem Transponder gespeichert werden sollen, ist im Abschnitt 3.3 kurz beschrieben. Mit Blick auf die einzelnen Modellbeschreibungen im Abschnitt 4.2 sind die folgenden Daten im Zusammenhang mit persönlichen Daten zu betrachten: -
Zu den Stammdaten gehören neben der Bauteilkennung oder den Abmessungen auch die Daten über den Bauherrn.
-
Die Prozessdaten beinhalten alle Daten zu den geplanten und durchgeführten Prozessen. Dazu zählen unter anderem Daten über die Personen, welche bestimmte Tätigkeiten durchgeführt haben. Außerdem gehören das Datum und die Art der Tätigkeit (Fertigstellungsmeldung, Teilabnahmen und Abnahmen) zu den Prozessdaten.
Die größte Anzahl der Daten, welche auf den Transponder gespeichert werden sollen, sind Informationen über die Prozesse und Materialien. Aber auch vereinzelte personenbezogene Daten sollen vorgehalten werden. Hauptsächlich betreffen diese Informationen die durchgeführten Prozesse. Das sind zum einen die Dauer der Tätigkeiten zur Arbeitszeiterfassung und zum anderen Daten über Personen, die vertragsrechtliche Aktivitäten, wie beispielsweise die Abnahme, ausführen. Die erfassten Tätigkeitszeiten entsprechen nicht der Gesamtarbeitszeit, sondern beziehen sich auf ein Bauteil und auf eine Tätigkeit am Bauteil. Sie dienen in erster Linie zur Kontrolle der kalkulierten Arbeitszeiten und als eine Eingangsgröße für die Nachkalkulation. Diese Zeiterfassung erfolgt nicht automatisch, sondern wird durch die aktiven Handlungen der Arbeitnehmer ausgelöst. Genaue Beschreibungen des Ablaufes sind im Abschnitt 4.2.1 enthalten. Der § 87 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates ist dabei zu beachten. Aus den dokumentierten, vertragsrechtlichen Prozessen, wozu die Daten über die Personen unumgänglich sind, lassen sich lediglich die folgenden Informationen ableiten:
202
-
die Person war zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Ort und
-
die Person führte zu diesem bestimmten Zeitpunkt einen vertragsrechtlichen Prozess (zum Beispiel die Abnahme) durch.
vgl. Bungard, Glage et al. 2006. S. 8
118
4 Modellanwendung
Es ist nicht zu erwarten, dass diese Informationen für andere interessant sind und zu einem Schaden dieser betreffenden Person führen. Da diese Informationen vor allem für die Vertragspartner wichtig sind, in diesem Fall Auftraggeber und Auftragnehmer, ist es möglich, diese personenbezogenen Daten nach § 3 Abs. 6 des BDSG zu anonymisieren. Außerdem ist es möglich von den entsprechenden Personen eine sogenannte „informierte Einwilligung“ einzuholen.203
4.3.3
Ökologische Kriterien
Das Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (ElektroG) von 2005 setzt die EURichtlinie 2002/95/EG zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten (RoHS204) sowie die EU-Richtlinie 2002/95/EG zur Reduktion und Entsorgung von Elektronikschrott (WEEE205), beide von Januar 2003, in nationales Recht um. Im § 2 Abs. 1 des ElektroG sind die Geräteklassen beschrieben, welche in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen. Die Transponder, welche nicht explizit genannt sind, könnten zu der Kategorie "Gerät der Informations- und Telekommunikationstechnik" (Nr. 3)206 gezählt werden. Falls der Transponder zur Erfüllung der Hauptaufgabe eines Gerätes genutzt wird, können andere Gesetze gelten.207 Der Transponder im „Intelligenten Bauteil“ übernimmt keine Primäraufgabe, sondern dient zur Information, Dokumentation und Überwachung. Das ElektroG ist somit zu beachten und untersagt im § 5 Abs. 1 die Verwendung der Stoffe, wie Blei, Quecksilber, Cadmium, sechswertiges Chrom, polybromiertes Biphenyl (PBB) und polybromiertes Diphenylether. Weiterhin sind im Standard ISO/IEC TR 24729-2:2008, der noch in der Entwicklung ist, Hinweise zum Recycling und zur Wiederverwendbarkeit der Transponder enthalten. Nach einer Studie über die Auswirkung eines RFID-Masseneinsatzes auf die Entsorgungsund Recyclingsysteme208 sind vor allem die Transponderanwendungen im Einzelhandel und Automotivbereich die maßgebenden Einsatzfelder. Anhand unterschiedlicher Szenarien werden die Massenentwicklungen und die Notwendigkeit des Recyclings der Transponder dar-
203
vgl. Bungard, Glage et al. 2006. S. 11 f.
204
RoHS – Restriction of the use of certain hazardous substances
205
WEEE – Waste Electrical and Electronic Equipment
206
vgl. Ahlhaus, Höfler et al. 2007. S. 18
207
vgl. Jansen 2007. S. 8 f.
208
vgl. Jansen 2007
4.3 Sonstige Bewertungskriterien
119
gelegt. Bei der konservativen Prognose gehen die Verfasser der Studie von 4,5 Mrd. Transpondern pro Jahr aus. Da das „Intelligente Bauteil“ über die gesamten Lebenszyklen eines Bauwerks genutzt werden soll, sind für diese Betrachtung die Transponder, welche sich beim Abbruch eines Bauwerks ergeben, interessant. Bei einer Nutzungsdauer von 50 bis 80 Jahren betrifft das den Zeitraum ab 2060 und später. Außerdem kann nicht von einem 100%igem Einsatz der Technologie in jedem Neubau ausgegangen werden. Die Anzahl der Transponder, welche beim Abbruch anfallen, können mit einigen 100.000 bis 1 Mio. Transpondern pro Jahr geschätzt werden. Bei der Annahme, dass pro Transponder etwa 125,87 mg Kupfer für die Antenne und circa 3 mg Silizium für den Chip verbraucht werden209, sind das bei 1 Mio. Transponder eine Gesamtmasse von 125,87 kg Kupfer und 3,0 kg Silizium. Da die Transponder fest in das Bauteil eingebaut sind, handelt es sich beispielsweise bei einer Stahlbetonstütze mit den Abmessungen von 30 cm x 30 cm x 330 cm (Breite x Länge x Höhe) und einer Dichte von 2,5 t/m³ um eine Gesamtmasse der Stütze von 742,5 kg. Die Kupfermenge von 125,87 mg entspricht dabei nur ca. 0,0002 ‰ der gesamten Stahlbetonstütze. Der Aufwand für die Rückgewinnung dieser sehr geringen Menge ist bei den derzeitigen Rohstoffpreisen viel zu hoch. Ob in Zukunft, nach 2060, die Rohstoffentwicklung mit der Knappheit von Kupfer und dem damit verbundenen starken Ansteigen der Rohstoffpreise, den Aufwand für die Rückgewinnung des Kupfers und des Siliziums rechtfertigen, bleibt zu bezweifeln. Möglicherweise besteht die Antenne dann nicht mehr aus Kupfer, da auf dem Gebiet der Materialforschung intensiv nach neuen Materialen für elektronische Komponenten gesucht wird. Der Rohstoffentwicklung beim Transponder steht der Nutzen der RFID-Technologie beim „Intelligenten Bauteil“ gegenüber. Die eingesetzten Baumaterialien sind bis ins Detail dokumentiert, was die stoffliche Verwertung nach § 4 KrW-/AbfG positiv fördert. Außerdem ist es möglich, vor allem bei Fertigteilen, diese durch die vorhandene Dokumentation erneut einzusetzen.
4.3.4
Soziale Kriterien
Das soziale Kriterium kann auch als Sozialverträglichkeit verstanden werden. Die Definitionen des Begriffs sind unterschiedlich. Oft wird er verwendet, wenn eine Technik oder eine Regelung die Interessen aller oder der größten Gruppen berücksichtigt.210
209
vgl. Jansen 2007. S. 29 f.
210
vgl. Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG [Hrsg.] 2009. Sozialverträglichkeit
120
4 Modellanwendung
Die Frage: „Wie eine Technik oder Technologie sozialverträglich gestaltet werden kann?“ ist bereits hinreichend geklärt211. Die folgenden vier Prinzipien fassen die wichtigsten Aussagen zusammen: „… -
Übereinstimmung mit der Verfassung, d.h. die verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechte und Prinzipien (z.B. Rechtsstaatlichkeit, Revidierbarkeit politischer Entscheidungen im Mehrparteiensystem, Datenschutz, Informations- und Meinungsfreiheit) dürfen nicht eingeschränkt oder gefährdet werden.
-
Die persönlichen Freiheitsgrade in der Lebensführung des Einzelnen dürfen nicht eingeschränkt werden.
-
Zukunftsoffenheit, d.h. Optionen offenhalten, sich einer Technik entziehen zu können. Dazu zählt auch, daß wirtschaftliche und technische Strukturen nicht so weit festgeschrieben werden, daß dadurch zukünftige Generationen in ihrer Flexibilität (z.B. Lebensführung, Lebensqualität) eingeschränkt werden.
-
Technologische Entscheidungen müssen auf breitem politischen Konsens beruhen und eine Zustimmung betroffener gesellschaftlicher Gruppen erfahren. …“212
Bezogen auf das „Intelligente Bauteil“ sind diese vier Prinzipien eingehalten. Die Technik widerspricht nicht der Verfassung. Der Datenschutz ist berücksichtigt. Die persönlichen Freiheitsgrade in der Lebensführung sind nicht eingeschränkt. Im Gegenteil, die Lebensqualität kann durch bestimmte Dienstleistungen, die das „Intelligente Bauteil“ nutzen, erhöht werden. Auch wenn das „Intelligente Bauteil“ eventuell in Zukunft vom Gesetzgeber zur Kennzeichnung im Sinne von § 23 Pkt. 4 KrW-/AbfG vorgeschrieben sein kann, so bleibt es jedem offen, andere Potenziale des „Intelligenten Bauteils“ zu nutzen. Die Kennzeichnung bezieht sich in erster Linie auf die verbauten Materialien. Dass die Technologie des „Intelligenten Bauteils“ Zustimmung in der Politik und in den betroffenen gesellschaftlichen Gruppen, wie Bauunternehmen, Fertigteilhersteller oder Facility Manager hervorruft, zeigen die Forschungsarbeiten der ARGE RFIDimBau sowie die durchgeführten Kongresse und Workshops.
211
vgl. Scheffczik 2003. S. 94 ff.
212
vgl. ebd. S. 94
4.3 Sonstige Bewertungskriterien
4.3.5
121
Naturwissenschaftliche Kriterien
Bestandteil dieses Bewertungskriteriums sind die physikalischen Grenzen eines Systems.213 Beim „Intelligenten Bauteil“ handelt es sich also um die Grenzen der RFID-Technologie. Es ist aber zu beachten, dass offensichtliche physikalische Grenzen durch neue Technologien oder die Kombination unterschiedlicher Techniken immer wieder verschoben oder gar aufgehoben werden. Ein Beispiel sind die HF-Transponder, welche induktiv gekoppelt sind. Das Problem des Metalleinflusses, was auch in der Tabelle 4 genannt ist, führte zur Auslöschung und Verstimmung des induktiven Feldes. Die Folge: die Transponder mit direktem Kontakt auf Metall sind nicht lesbar. Durch entsprechende Materialien, welche zwischen den Transponder und das Metall gelegt werden, können diese Effekte weitestgehend umgangen werden. Der Transponder ist auslesbar. Heute sind HF-Transponder speziell für die Anbringung auf Stahl im Handel vorhanden und bereits oft im Einsatz. Eine wichtige Grenze ist im Abschnitt 4.1.1.4 genannt und erläutert. Es handelt sich um die Reichweitenbegrenzung der induktiv gekoppelten Systeme. Sind größere Lesereichweiten erforderlich, müssen elektromagnetisch gekoppelte Systeme zur Anwendung kommen. Die ersten Multifrequenz-Lesegeräte sind 2007 auf dem Markt gekommen.214 An den Serienreifen der ersten Multifrequenz-Transponder wird bereits gearbeitet. Eine weitere Grenze ist der stark dämpfende Einfluss von Wasser auf die elektromagnetischen Felder (UHF und Mikrowelle). Wasser ist vor allem beim Frischbeton vorhanden. Dieses wird chemisch gebunden und hat dann keinen Einfluss mehr. Weiterhin zeigen die Ergebnisse aus den Versuchen in Kapitel 5, dass einbetonierte Transponder nach zwei bis drei Stunden mit einer geringen Lesereichweite ausgelesen werden können. Dazu ist zu bemerken, dass es technologisch nicht erforderlich ist, den Transponder vor dieser Zeit zu lesen oder zu beschreiben. Da auf dem Transponder eine große Anzahl an Daten abgelegt und vorgehalten werden sollen, sind größere Speicher als bisher notwendig. Untersuchungen auf diesem Gebiet haben einen Speicherbedarf von ca. 400 kByte ergeben.215 Durch den großen Energiebedarf, der zum Lesen oder Beschreiben erforderlich wäre und die begrenzte Schreib- und Lesegeschwindigkeit, sind die Speichergrößen derzeit begrenzt. Die Lösung könnte die Aufteilung der Daten auf unterschiedliche Speichermodule sein. Damit reduziert sich der Energiebedarf und die Dauer zum Beschreiben oder Lesen ist in einem vertretbaren Rahmen.
213
vgl. Scheffczik 2003. S. 96
214
vgl. rfid ready 07.09.2007
215
vgl. Jehle, Seyffert et al. 2008. S. 47 ff.
122
4 Modellanwendung
Andere Lösungen könnten neue Materialien bei den Speichermodulen sein. Beispielsweise ist die Forschung auf dem Gebiet der Memristoren216 einen wesentlichen Schritt vorangegangen. Mit dieser Speicherart könnte man energiesparender arbeiten.217 Auch größere Funkchips mit bis zu 512 Kilobyte sind bereits im Labor realisiert, wobei die Forscher mit den Memory-Spots auch bis zu vier Megabyte Speicher für realistische Größen ansehen.218
4.3.6
Gesellschaftliche und kulturelle Kriterien
Schwerpunkt dieses Kriteriums sind Aussagen über den Einfluss der Technologien auf das gesellschaftliche und kulturelle Leben. 219 In erster Linie dient das „Intelligente Bauteil“ mit der RFID-Technologie zur Dokumentation der Herstellung und Materialien, Überwachung der Prozesse und Nachweise der Qualitäten. Es scheint also keinen Einfluss auf dieses Kriterium zu besitzen. Da dieser Speicher des Transponders auch zur Information dienen soll, ist es ein weiterer Schritt zur Kommunikation Mensch-Maschine und weg von der Mensch-Mensch Kommunikation. Diese Kommunikationsform mit der Maschine wird in Zukunft immer stärker verschiedene Lebensbereiche, wie Büro, zu Hause oder beim Einkaufen durchdringen.220 4.3.7
Ethische Kriterien
Die Verbindung zwischen Ethik und Technik kann in der Wissenschaft wie folgt beschrieben werden: „Ethisch fragwürdig wird der technische Fortschritt dort, wo durch ihn nur wirtschaftliche Vorteile und äußerliche Lebensqualität in materieller
216
Memristor: „Kunstwort aus Memory (Speicher) und Resistor (Widerstand)], passives elektronisches Bauteil, dessen ohmscher Widerstand sich bei anliegendem Wechselstrom periodisch verändert und das beim Abschalten der Spannung den letzten Widerstandswert beibehält. Physikalische Basis ist die Verknüpfung von Ladung und magnetischem Fluss. Postuliert wurde der Memristor 1971 von Leon Chua (Universität von Kalifornien, Berkeley), die erste Verwirklichung gelang 2008 Wissenschaftlern der Hewlett-Packard-Laboratorien in Palo-Alto (Kalifornien) … Eine Anwendung wäre ein Computer-Arbeitsspeicher aus Memristoren, der gegenüber herkömmlichen Arbeitsspeichern den Vorteil hätte, den Zustand vor dem Abschalten des Geräts gespeichert zu haben, so dass der Computer nach dem Einschalten sofort einsatzbereit wäre.“ vgl. Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG [Hrsg.] 2009. MEMRISTOR
217
vgl. Billerbeck 2008
218
vgl. Pößneck 2006
219
vgl. Scheffczik 2003. S. 97 ff.
220
vgl. heise online 2008. Meldung 109203
4.3 Sonstige Bewertungskriterien
123
Hinsicht gewonnen werden, durch seine Folgen aber Leben und Gesundheit – auch nichtmenschliches Leben – bedroht und geschädigt werden“221 Nach dieser Auslegung ist das „Intelligente Bauteil“ mit der RFID-Technologie ethisch nicht fragwürdig, da die Kenntnis über verbaute Materialien in allen Lebenszyklen eines Bauwerkes nicht nur von monetärer, sondern vielmehr von ökologischer sowie politischer und rechtlicher Bedeutung sind. Die Kenntnis in der Herstellungsphase, ob zugelassene Materialien eingebaut sind und somit den geltenden Normen und Gesetzen entsprechen, ist gleichermaßen rechtlich wie ökologisch wichtig. Ähnlich verhält es sich in der Nutzungs- sowie der Abbruchphase.
221
vgl. Daecke 1993. S. 30 f.
5 Nachweis der technischen Eignung In der bisherigen Untersuchung sind die Potenziale im Informationsfluss in allen Lebenszyklen eines Bauwerkes analysiert und ein Lösungsvorschlag herausgearbeitet. Der Einsatz der RFID-Technologie als Schnittstelle zwischen dem Bauteil und den dazugehörigen Daten erscheint selbst nach der Diskussion der Technikbewertung und Folgeabschätzung als sinnvoll und richtig. Die bisherigen Betrachtungen beruhen alle auf theoretischen Analysen und deren Auswertung. Ein praktischer Nachweis für den Einsatz dieser Technik erfolgt im Rahmen dieser Arbeit und ergänzend in einer weiteren Forschungsarbeit222. Wichtige Ergebnisse der praktischen Versuche stehen im Mittelpunkt des folgenden Kapitels. Die RFID-Technologie kommt im Bauwesen bisher kaum zur Anwendung. Speziell in dieser hier vorgeschlagenen Form, die Transponder in den Bauteilen zu verbauen, ist bisher nicht praktiziert. Die derzeitigen Einsatzgebiete sind vor allem die Warenindustrie und Logistik. Für diese Einsatzszenarien sind die Technik, die Transponder und die Lesegeräte entwickelt und spezifiziert. Andere technische Lösungen sind momentan nicht am Markt verfügbar. Die praktische Eignung der RFID-Technik muss folglich mit dieser, nicht auf diese Anwendung abgestimmten Technik, durchgeführt werden.
5.1
Ziel des Nachweises
Wie in den vorangegangenen Kapiteln erläutert, müssen an die Technologie eine Reihe von Anforderungen gestellt sowie Einsatzbedingungen beachtet werden. Nur so ist sie nutzbringend einzusetzen. Unter anderem stehen die folgenden Anforderungen zur Diskussion: -
Wo muss der Transponder angebracht werden?
-
Ist die Einbaurichtung dabei entscheidend?
-
Welche Daten sollen konkret auf dem Transponder abgespeichert werden?
Diese und weitere Schwerpunkte sind Gegenstand der parallelen Forschungsarbeiten am Institut für Baubetriebswesen der Technischen Universität Dresden und sollen hier nicht weiter untersucht werden.223 Das Ziel dieses Nachweises sind die grundlegenden Untersuchungen zur Frequenz und zur Funktionstauglichkeit in den Baustoffen sowie innerhalb der Produktionsumgebung.
222
vgl. Jehle, Seyffert et al. 2008. S. 49 ff.
223
vgl. ebd.
S. Seyffert, Optimierungspotenziale im Lebenszyklus eines Gebäudes, DOI 10.1007/978-3-8348-8185-4_5, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
126
5.1.1
5 Nachweis der technischen Eignung
Versuchskriterium Arbeitsfrequenz
In Abschnitt 3.2.3 ist die Vorauswahl der Technologie für die Realisierung der Schnittstelle Datenebene und Objektebene aufgeführt. Die Schnittstellenanforderungen lassen nur die RFID-Technologie als Lösung zu. Anschließend sind im Abschnitt 4.1.1 die wichtigsten Komponenten und Eigenschaften der Technologie zusammengestellt, wobei da bereits der Fokus auf den Arbeitsfrequenzen HF und UHF liegt. In Tabelle 4 sind die Einflüsse von Metall und Feuchtigkeit auf die Lese- und Schreibeigenschaften der unterschiedlichen Frequenzbereiche aufgelistet. Für die zu untersuchenden Frequenzen HF stellt der Stahl und für UHF die Feuchtigkeit eine physikalische Herausforderung dar.
5.1.2
Randbedingungen Baustoff und Produktionsumgebung
Bei den grundlegenden Nachweisen dieser Arbeit ist der Baustoff einbezogen, der mit hohen Anforderungen an die Hardware und die Datenübertragung aufwartet. Typische Vertreter, wie Ziegelmauerwerk, Kalksandstein oder Holz scheiden aus, da diese relativ trocken und ohne Stahl verbaut werden. Ein sehr oft genutzter Baustoff mit beiden Eigenschaften, Feuchtigkeit und Metall, ist der Stahlbeton. Dieser ist in der Phase des Einbaues feucht und mit einem Geflecht aus Rundstahl, der Bewehrung, im Inneren versehen. Die Bestandteile des Frischbetons im Einzelnen und deren Einfluss auf die Technologie sind untersucht224 und in der Tabelle 10 zusammenfassend aufgelistet. Beeinflussende Größen sind bei der HF-Technologie die Permeabilität der Baustoffe und die Verstimmung der Transponder. Die Lese- und Schreibqualität der UHF-Technologie hängt von der Interferenz und der Dämpfung ab. Die Einflüsse einiger genannter Kriterien sind durch spezielle Formen der Gehäuse sowie der Antennen oder durch die Beachtung einiger Einbaubedingungen minimiert. Zum Beispiel können Transponder auf Stahl oder in Stahlumgebung verwendet werden. Dazu ist bei induktiven Systemen eine spezielle Ferrit-Schicht zwischen Stahl und Antenne vorhanden und bei elektromagnetischen Systemen ist die Antenne mit einem geringen Abstand zum Stahl ausgebildet sowie speziell auf die Umgebung eingestellt. Vor allem beim Einbau im Stahlbeton ist trotzdem darauf zu achten, dass zwischen Transponder und Antenne des Lesegerätes kein Bewehrungsstahl vorhanden ist. Für reine Stahlumgebungen können spezielle Transponder, die sogenannten Schlitztransponder, eingesetzt werden. Diese sind aber für den Einsatz im Stahlbeton nicht geeignet, da wiederum zu wenig Stahl vorhanden ist, um die Funktionsfähigkeit der Antenne zu gewährleisten.
224
vgl. Deckarm 2006. S. 49 ff.
127
5.1 Ziel des Nachweises
Einfluss: + positiv 0 keiner - negativ ± je nach Ursache + oder ( ) nur bedingt gültig
HF – 13,56 MHz
UHF – 868 MHz
Permeabilität
Verstimmung Transponder
Interferenz
Dämpfung (innen)
Gesteinskörnungen
(0)
(0)
(0)
(0)
Zement
(0)
(0)
0
0
Wasser
-
0
±
(-)
Zusatzmittel
0
0
0
(+)
Zusatzstoffe
(-)
(-)
0
±
W/Z-Wert225
0
0
±
±
Betonklassen
±
(-)
0
±
Bewehrung
-
-
±
-
Betondeckung
0
0
0
0
Schalung
-
0
±
-
Oberflächenbeschaffenheit
0
0
±
0
Bauhilfsstoffe
0
0
0
Tabelle 10: Einflusskriterien der Stahlbetonbestandteile auf RFID-Stahlbetonanwendung
0 226
Auch Witterungseinflüsse während der Herstellungsphase, wie beispielsweise Regenwasser auf einer Bodenplatte oder einer Stahlbetondecke, sind von untergeordneter Bedeutung, was mit den Versuchen nachgewiesen werden konnte. Bei den Versuchen mit den Arbeitsfrequenzen HF und UHF sind die folgenden Einflüsse praktisch zu untersuchen: -
der Einfluss des Frischbeton,
-
der Einfluss des Wassers und
-
der Einfluss des Stahls.
225
W/Z-Wert: der Wasserzementwert ist das Verhältnis der verwendeten Wassermenge, dem sogenannten Anmachwasser, und dem Zement, der in dieser Betonmischung enthalten ist.
226
nach Deckarm 2006. S. 78
128
5.2
5 Nachweis der technischen Eignung
Versuche zum Nachweis
In Abb. 57 ist die Planung der Versuche grafisch dargestellt. Dabei verfolgt die Einteilung in drei Versuchsreihen das Ziel, nach jeder Reihe das Ausschlusskriterium anzuwenden. Dieses Kriterium ist die Auslesemöglichkeit der Transponder und die gemessenen Entfernungen. Die Reihenfolge der Versuche orientiert sich an den zu erwartenden Ergebnissen.
Abb. 57: Planung der Versuche
Wie in Tabelle 10 aufgeführt, wirkt das Wasser bei beiden Arbeitsfrequenzen negativ. Der Beton beinhaltet bei der Herstellung, als Frischbeton bezeichnet, je nach Zusammensetzung
5.2 Versuche zum Nachweis
129
einen Wassergehalt von circa 5 % bis zu circa 10 % der Gesamtmenge. Ziel dieser ersten Versuchsreihe sind die Auslesereichweiten unterschiedlicher Transponder aus dem HF- und UHF-Bereich nach dem Verbauen im frischen Beton. Bei den Bauteilen, in denen die Transponder verbaut werden sollen, handelt es sich auch um sogenannte Außenbauteile. Diese sind der Witterung und somit der Feuchtigkeit ausgesetzt. Diese Anforderung ist die Grundlage für die Simulation in der Versuchsreihe 2. Eine weitere wesentliche Beeinträchtigung der Lese- und Schreibeigenschaften der Transponder ist der Einfluss von Stahl. In Versuchsreihe 3 wird dieses Kriterium untersucht. Dazu sind zusätzlich die realistischen Bedingungen einer Fertigteilherstellung in einer Umlaufanlage, bei der fast ausschließlich mit Geräten aus Stahl gearbeitet wird, berücksichtigt.
5.2.1
Hardware- und Softwarekomponenten der Untersuchungen
Bei den Untersuchungen im Labor und in der Produktion der Fertigteile kommt ausschließlich Hardware und Software zum Einsatz, welche am Markt verfügbar ist. Die Kommunikation mit den Readern und die Verarbeitung der Daten erfolgt mit der Software „RDemo“ in der Version 1.78 des Unternehmens deister electronic GmbH und einem Hewlett-Packard Omnibook XE3.
Abb. 58: verwendeter HF-Reader
Die Komponenten bei den Versuchen mit der HF-Technologie sind:
227
-
die Reader-Antennen-Einheit RDL 160227 der deister electronic GmbH, dargestellt in Abb. 58 und
-
die Transponder RDC 50 sli disk des Unternehmens deister electronic GmbH, sowie der Q43, Typ 13.61.550228 der MICROSENSYS GmbH, abgebildet in Abb. 59.
vgl. deister [Hrsg.] 2005
130
5 Nachweis der technischen Eignung
Abb. 59: verwendete HF-Transponder
Die Komponenten bei den Versuchen mit der UHF-Technologie sind: -
der Reader HARfid RF800R und die Antenne HARfid RF800A229 des Unternehmens Harting Electric GmbH & Co KG, dargestellt in Abb. 60, sowie
-
die Transponder UDC 160230 der deister electronic GmbH und der HARfid LT 86 (NT)-G2IMZ2231 der Harting AG Mitronics, abgebildet in Abb. 61.
Abb. 60: verwendeter UHF-Reader mit Antenne
Der HF-Reader ist nur mit einer Sendeleistung von bis zu 0,25 Watt zu betreiben. Aus diesem Grund sind die Untersuchungen der einzelnen Versuchsreihen mit dieser Sendeleistung geplant. Der verwendete UHF-Reader lässt Sendeleistungen bis 4,00 Watt zu. Somit sind die Untersuchungen in UHF-Bereich mit unterschiedlichen Sendeleistungen vorgesehen.
228
vgl. MICROSENSYS [Hrsg.] 2008
229
vgl. Harting [Hrsg.] 2007
230
vgl. deister [Hrsg.] 2008
231
vgl. Harting [Hrsg.] 2008
5.2 Versuche zum Nachweis
131
Abb. 61: verwendete UHF-Transponder
5.2.2
Prinzipieller Versuchsaufbau
Bei allen aufgeführten Versuchsreihen kommt der in Abb. 62 dargestellte Versuchsaufbau zur Anwendung. Einzig die Probekörper sind unterschiedlich. Die Messungen der Leseabstände erfolgen von Hand mit einem Gliedermaßstab. Der Ablauf der Messungen ist ebenfalls bei allen drei Versuchsreihen identisch. Die Software ermöglicht eine schnelle und wiederholbare Kommunikation mit dem Transponder im Antennenfeld. Ein Lesevorgang dauert nur wenige Millisekunden und wird optisch und akustisch wiedergegeben. Der Abstand zwischen den einzelnen Lesungen geht gegen Null.
Abb. 62: Prinzipieller Versuchsaufbau
Zuerst wird die optimale Richtung der Antenne zum Versuchskörper gesucht. Mit unterschiedlichen horizontalen Winkeln erfolgt ein langsames und senkrechtes Anheben der Antenne vom Probekörper weg bis keine Lesungen mehr stattfinden. Die Antennenrichtung mit dem größten Leseabstand ist für die Versuchsmessungen entscheidend. Anschließend er-
132
5 Nachweis der technischen Eignung
folgen die eigentlichen Messungen. Dazu werden je drei Abstände protokolliert, aus denen sich dann ein Mittelwert bildet.
5.2.3
Versuchsreihe 1 – Frischbeton
In der Abb. 63 ist eine Übersicht zu Versuchsreihe 1 aufgeführt. Das Ziel dieser Versuchsreihe ist die Ermittlung der unterschiedlichen Leseabstände unter den aufgeführten Kriterien. Die Versuche fanden im Otto-Mohr-Laboratorium der Technischen Universität Dresden statt.
Abb. 63: Übersicht der Versuchsreihe 1 – Frischbeton
5.2 Versuche zum Nachweis
133
Zur Herstellung der Betonwürfel kam eine Rezeptur mit den folgenden Kennwerten zum Einsatz: -
Festigkeitsklasse C20/25,
-
W/Z-Wert 0,71 und
-
Zementgehalt: 309 kg/m³ CEM I 32.5R.
Bei den Versuchen werden Probekörper mit zwei unterschiedlichen Überdeckungen der Transponder mit Beton verwendet. Für die Versuche mit den Nummern 1 bis 3 werden je neun Probekörper und mit der Nummer 4 je sechs Probekörper hergestellt. Die Messung der Leseabstände erfolgt dann zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit den vorgegebenen Sendeleistungen. Dabei werden immer je drei Werte ermittelt. Aus diesen drei Messwerten der neuen Probekörper errechnen sich die Mittelwerte, die in den Diagrammen im Abschnitt 5.3.1 abgebildet sind. Die Zeitabstände der Leseversuche variieren aufgrund von vorgegebenen Laborzeiten. Die Messungen erfolgten innerhalb der folgenden vier Zeitfenster: -
1 bis 3 Stunden,
-
20 bis 24 Stunden,
-
46 bis 50 Stunden,
-
70 bis 72 oder 139 bis 149 Stunden.
Die Auswertung der Ergebnisse der Versuchsreihe 1 in Abschnitt 5.3.1 bestätigt die Annahme, dass der Einfluss von Feuchtigkeit auf das Leseverhalten der HF-Transponder nur gering ist. Die Leseabstände sind zwar annähernd konstant aber mit kleiner als 20 cm sehr gering. Eine Steigerung der Abstände ist auch mit zunehmendem Alter des Betons nicht zu erwarten. Unter Beachtung der Anforderungen zu den Leseentfernungen, Abschnitt 4.1.3.3, ist dieser Frequenzbereich für die Umsetzung der Idee des „Intelligenten Bauteils“ nicht geeignet. Die weiteren Untersuchungen beschränken sich daher auf den UHF-Frequenzbereich.
5.2.4
Versuchsreihe 2 – Wasserlagerung
Bei der Planung und Auswahl der Transponder für die folgenden Untersuchungen sind die Ergebnisse aus Versuchsreihe 1 maßgebend. Die größten Leseabstände werden mit dem UDC106 der deister electronic GmbH erreicht. Aus diesem Grund wird für den Versuch zur Wasserlagerung und zur Überdeckung mit Wasser, dessen Versuchsaufbau in Abb. 64 dargestellt ist, ein Betonwürfel mit diesem UHF-Transponder ausgestattet.
134
5 Nachweis der technischen Eignung
Die Betonüberdeckung des Transponders beträgt 2 cm. Um einen möglichst hohen Hydratationsgrad zu erhalten, sollte das Alter des Würfels größer als 28 Tage sein. Mit fortschreitender Hydratation verringert sich das freie Wasser im Beton. Das Wasser liegt dann hauptsächlich in gebundener Form vor. Der hier verwendete Betonwürfel besitzt zum Zeitpunkt der Untersuchung ein Alter von 268 Tagen. Der verwendete Beton ist durch die folgenden Parameter gekennzeichnet: -
Festigkeitsklasse C34/45,
-
W/Z-Wert 0,45 und
-
Zementgehalt: 370 kg/m³ CEM I 42.5R.
Abb. 64: Übersicht der Versuchsreihe 2 – Wasserlagerung
Nachdem der Betonwürfel mit dem Transponder im Wasser gelagert ist, läuft der Versuch über 24 Stunden. Innerhalb dieser Zeit erfolgen die Messungen der Leseabstände nach 1, 3, 12 und 24 Stunden. Auch hier werden je drei Messungen durchgeführt, aus denen dann der Mittelwert gebildet wird.
5.2.5
Versuchsreihe 3 – Fertigteilherstellung in einer Umlaufanlage
Das Ziel dieser Versuchsreihe ist es, die Lesereichweiten der UHF-Technologie unter Einwirkung von Stahl zu ermitteln. Dabei handelt es sich nicht zwangsläufig nur um den Bewehrungsstahl im Stahlbeton, sondern es betrifft auch Geräte und Maschinen aus Stahl in der näheren Umgebung. Ein Beispiel aus der Praxis, bei der das entstehende Bauteil von einer großen Anzahl an Geräten und Maschinen aus Stahl umgeben ist, ist die Herstellung von Stahlbetonfertigteilen im Umlaufverfahren. Bei diesem Fertigungsverfahren kommt eine sogenannte Umlaufanlage zum Einsatz.
5.2 Versuche zum Nachweis
Abb. 65: Übersicht der Versuchsreihe 3 – Fertigteilherstellung in einer Umlaufanlage
135
136
5 Nachweis der technischen Eignung
Bei diesem Verfahren, was hauptsächlich bei flächigen Bauteilen wie Decken- und Wandelementen Verwendung findet, ist der Automatisierungsgrad sehr hoch. Fahrbare Stahlpaletten, auf denen die Bauteile entstehen, werden auf Rollen oder Schienen durch das Werk von Arbeitsgang zu Arbeitsgang transportiert. An jeder Fertigungsstation sind Maschinen für die einzelnen Arbeitsgänge vorhanden. Dazu zählen beispielsweise Schalungsroboter, Hebezeuge oder Betonierkübel, die teilautomatisiert oder automatisiert sind. Bestandteil dieser Herstellung ist auch eine Trocknungs- oder Härtekammer zur Wärmebehandlung der frisch betonierten Bauteile. Durch diese Behandlung wird die Hydratation des Betons deutlich beschleunigt. In dieser Kammer verbleiben die Bauteile zwischen 8 und 24 Stunden und besitzen nach Verlassen der Trocknungskammer eine ausreichende Festigkeit, um ausgeschalt und zum Lager gefördert zu werden. Die einzelnen Fertigungsstationen sind in Abb. 65 chronologisch dargestellt. An Hand von drei Probeplatten, die in der Dicke und dem Aufbau den Gitterträgerplatten entsprechen, werden die Lesereichweiten an den wichtigsten Fertigungsstationen ermittelt. Die Messungen beginnen an der Bewehrungsstation und enden nach dem Ausschalen auf dem Lager. Durch die liegende Fertigung der Bauteile können die Transponder bis zum Versuch ST-L01 nur von hinten gelesen werden. Hinzu kommt, dass Bewehrungsstäbe, an denen die Transponder befestigt sind, oben auf liegen. Erst nach dem Ausschalen und Drehen der Probekörber bei Versuch ST-L02 ist das Auslesen der Transponder von vorn möglich. Der verwendete Beton bei der Versuchsreihe 3 ist durch die folgenden Kennwerte klassifiziert: -
Festigkeitsklasse C34/45,
-
W/Z-Wert 0,25 und
-
Zementgehalt: 380 kg/m³ CEM I 52.5R.
5.3 5.3.1
Ergebnisse und Auswertung Versuchsreihe 1 – Frischbeton
Bei der Auswertung der Versuche können verschiedene Kriterien miteinander verglichen werden. Der Schwerpunkt liegt aber auf dem Vergleich der HF- und der UHF-Technologie. Zusätzlich sind Aussagen über die Leistungsfähigkeit der Transponder innerhalb eines Frequenzbereiches und über die Einflüsse der Überdeckungen des Transponders mit Beton möglich. Vergleich HF- und UHF Technologie Da die Hardware bei den Versuchen mit der HF-Technologie nur Messungen mit 0,25 Watt Sendeleistung zulässt, soll bei diesem Vergleich auch nur die entsprechende Sendeleistung
5.3 Ergebnisse und Auswertung
137
der UHF-Technologie gegenübergestellt werden. Die Diagramme in Abb. 66 und Abb. 67 beweisen, dass die Lesevorgänge bei der HF-Technologie weniger von Feuchtigkeit beeinflusst werden. Schon bei den ersten Messungen sind die Transponder auslesbar.
Abb. 66: Ergebnisse Versuch D2 – Deister, HF
Abb. 67: Ergebnisse Versuch M2 – Microsensys, HF
Bestätigt wird das auch durch die Versuche D4 und M4, Abb. 68 und Abb. 69, auch wenn bei diesen die Transponder nach 2 Stunden nicht auszulesen waren. Diese Messungen fanden laborbedingt an einem anderen Ort statt. In diesem kleinen Labor befand sich eine Vielzahl weiterer elektronischer Messgeräte. Es ist nicht auszuschließen, dass Störfelder vorhanden waren. Eine Störfeldmessung konnte nicht erfolgen, da die Hardware dafür nicht zur Verfügung stand. Alle weiteren Messungen erfolgten am ursprünglichen Ort im Laboratorium.
Abb. 68: Ergebnisse Versuch D4 – Deister, HF
Abb. 69: Ergebnisse Versuch M4 – Microsensys, HF
Bei allen vier Versuchen, D2, M2, D4 und M4 sind die Leseabstände über die Zeit relativ konstant, was ebenfalls den geringen Einfluss von Wasser auf die Funktionalität der HFTechnologie verdeutlicht.
138
5 Nachweis der technischen Eignung
Anders ist es bei den Messungen mit der UHF-Technik, die in den Diagrammen, Abb. 70, Abb. 71, Abb. 72 und Abb. 73, zusammengefasst sind. In diesem Frequenzbereich sind die Transponder kurz nach der Herstellung zwar ebenfalls auszulesen aber, abgesehen vom Versuch D1, mit deutlich geringeren Leseabständen. Mit zunehmendem Alter des Betons und der damit verbundenen Verringerung des Wasseranteils im Beton nehmen die Leseabstände merklich zu. Der Einfluss von Wasser auf die Funktionalität der UHF-Technologie ist somit deutlich größer. Versuchsreihe 1 – Frischbeton / Versuch D1 Deister UDC 160, UHF Transponderüberdeckung: 1,0 cm
Abb. 70: Ergebnisse Versuch D1 – Deister, UHF
Abb. 71: Ergebnisse Versuch H1 – Harting, UHF
Abb. 72: Ergebnisse Versuch D3 – Deister, UHF
Abb. 73: Ergebnisse Versuch H3 – Harting, UHF
Nach 24 Stunden sind die Leseabstände bei den UHF-Transpondern UDC 160, Versuche D1 und D3, bereits größer als bei beiden HF-Transpondern. Eine kontinuierliche Erhöhung der Leseabstände ist bei dem LT86(NT), Versuche H1 und H3, ebenfalls vorhanden aber deutlich geringer. Es ist daher zu erwarten, dass sich auch bei diesen Transpondern größere Leseabstände mit 0,25 Watt Sendeleistung entwickeln, als bei den HF-Transpondern.
5.3 Ergebnisse und Auswertung
139
Die Zunahme der Leseabstände bei den beiden UHF-Systemen hängt in erster Linie von den chemischen Prozessen im Frischbeton ab. Die elektromagnetischen Wellen hoher Frequenzen, wie sie bei der UHF-Technologie vorhanden sind, werden durch Wasser stark gedämpft. Bei den Hydratationsprozessen reagiert das Anmachwasser mit dem Zement zum Zementgel und im weiteren Erhärtungsverlauf zum Zementstein. Das Wasser wird, bezogen auf den Zementanteil, zu circa 25 % chemisch und zu circa 15 % physikalisch gebunden. Bei einem W/Z-Wert von 0,4 und einem Hydratationsgrad von 100 % ist somit kein ungebundenes Wasser mehr vorhanden.232 In der Praxis kommt ein 100%iger Hydratationsgrad aber nicht vor. Weiterhin liegen die W/Z-Werte üblicherweise zwischen 0,5 und 0,7. Ungebundenes Wasser ist aber durch Trocknungsvorgänge trotzdem kaum vorhanden. Dieser Vergleich der beiden Technologien bestätigt die Aussage, wie sie bereits in Tabelle 4 dargelegt ist, dass die üblichen Leseabstände der HF-Systeme mit bis zu 70 cm geringer ausfallen als bei den UHF-Systemen. Um die Anforderungen aus dem hier entwickelten Modell zu erfüllen, ist die HF-Technologie nicht geeignet, auch wenn sie in den Frischbetonphasen sofort genutzt werden kann. Die letztendlich erreichbaren Leseabstände sind zu gering. Die weiteren Untersuchungen sind folglich mit der UHF-Technologie zu erbringen.
Vergleich der Leistungsfähigkeit der UHF-Transponder untereinander Die Versuchsreihe 1 lässt auch Rückschlüsse über die Leistungsfähigkeit der eingesetzten Systeme zu, was wichtig für die weiteren Untersuchungen ist. Bei den beiden verwendeten UHF-Systemen sind merklich Unterschiede bei den Leseabständen sichtbar. Die Transponder LT86(NT), Versuche H1 und H3, erreichen im frischen und jungen Beton nur bis maximal 57 % der Leseabstände der UDC 160, Versuche D1 und D3. Es ist zu vermuten, dass der UDC 160 mehr für den Einsatz in feuchterer Umgebung geeignet ist. Diese Vermutung wird auch durch andere Arbeiten gestützt.233, 234
Vergleich der Überdeckung der Transponder mit Beton Die Überdeckung der Transponder mit Beton variiert zwischen den Versuchen um 2 cm bis 3 cm. Merkliche Unterschiede bei den Leseabständen sind nur in den ersten Stunden sichtbar. Bei den Messungen im vierten Zeitfenster, nach circa 70 Stunden, sind die Leseabstände vergleichbar. Das lässt den Schluss zu, dass von den Betonbestandteilen nur das Wasser
232
vgl. Schwenk [Hrsg.] 2009, S. 37 f.
233
vgl. Jehle, Seyffert et al. 2008, S. 89
234
vgl. Fiedler 2008, S. 81
140
5 Nachweis der technischen Eignung
maßgebend ist. Die Einflüsse der anderen Hauptbestandteile, wie Zement und Gesteinskörnung, sind eher gering, was die Aussagen der Tabelle 10 bestätigen.
5.3.2
Versuchsreihe 2 – Wasserlagerung
Die Auswertung der Versuchsreihe 2, welche in Abb. 74 grafisch dargestellt ist, beweist, dass die UHF-Technologie auch bei Feuchtigkeit eingesetzt werden kann. Selbst nach 24 Stunden Wasserlagerung des Betonwürfels sind keine wesentlichen Veränderungen beim Leseabstand zu verzeichnen. So können zum Beispiel die Transponder von Deckenbauteilen in der Rohbauphase, auf denen sich Ansammlungen von Niederschlagswasser gebildet haben, ausgelesen und beschrieben werden.
Abb. 74: Ergebnisse Versuchsreihe 2 – Wasserlagerung
Auffällig sind die annähernd gleichen Leseabstände bei 0,25 Watt und 0,50 Watt. Unter Berücksichtigung des Gesamtvorganges: Leistungsabnahme beim Wasserdurchgang, Aufteilung der Leistung im Betreiben des Transponders und Senden der Daten an die ReaderAntenne und erneute Leistungsabnahme beim Wasserdurchtritt, erscheinen die beiden Sendeleistungen zum einen sehr gering. Zum anderen ist der Abstand von 0,25 Watt zueinander ebenfalls eher klein. Es ist wahrscheinlich, dass es sich bei der Abhängigkeit von Sendeleistung und Leseabstand nicht um eine lineare Funktion handelt. Um genauere Aussagen darüber treffen zu können, sind weitere Untersuchungen mit einer höheren Auflösung der Sendeleistung notwendig. Möglicherweise wären Messungen der Feldstärken statt des reinen Leseabstandes dabei noch genauer und aussagekräftiger.
5.3 Ergebnisse und Auswertung
5.3.3
141
Versuchsreihe 3 – Fertigteilherstellung in einer Umlaufanlage
Der Schwerpunkt bei der Versuchsreihe 3 ist der Einsatz der UHF-Technologie in der Produktion von Stahlbetonfertigteilen mittels der Umlauffertigung. Da die Versuche im laufenden Betrieb stattfinden, sind die Versuchsdurchführungen an die Produktionszeiten gebunden. Um die Dauer der Messungen zu verringern, ist die Messreihe mit 0,25 Watt Sendeleistung nicht mehr Bestandteil dieser Versuchsreihe. Bei den Versuchen an der Bewehrungsstation konnten die Leseabstände mit 2,00 Watt auf Grund der Größe nicht erfasst werden und fehlen in der Ergebniszusammenstellung. Die Versuchsergebnisse sind in Abb. 75 zusammenfassend dargestellt. Die Versuchspunkte befinden sich an der Fertigung und Komplettierung der Bewehrung, nach dem Einbringen und Verdichten des Betons an der Betonierstation, vor beziehungsweise nach dem Ausschalen an der Ausschalstation und auf dem Lager. Trotz der Leserichtung von hinten (Transponder ist von der Antenne weggerichtet) und der Bewehrungsstäbe, welche die Transponder teilweise überdecken, sind die Leseabstände mit 110 cm bis 150 cm gut. Wie erwartet verringern sich diese aber mit dem Einbringen des Frischbetons in die Schalung. Beim Vergleich der ersten Messungen der Versuche D1 und D3 der Versuchsreihe 1 sind keine erheblichen Differenzen festzustellen. Die Beeinträchtigungen durch vorhandene Bewehrung und die entgegengesetzte Leserichtung kann vermutlich durch die Stahlpalette, auf der sich die Probeplatte befindet und welche die elektromagnetischen Wellen reflektiert, kompensiert werden. Dies bestätigen parallele Messungen neben der Produktionslinie, bei der die Leseabstände um 50 % und mehr kleiner sind.
Abb. 75: Ergebnisse Versuchsreihe 3 – Fertigteilherstellung in einer Umlaufanlage
142
5 Nachweis der technischen Eignung
Unerwartet niedrig sind die Leseabstände, nachdem die Probeplatten 20 Stunden in der Trockenkammer waren. Die Hydratation wird in Folge der Wärmeeinwirkung von etwa 40 °C beschleunigt. Das Anmachwasser wird schneller chemisch und physikalisch gebunden. Trotzdem gleichen sich die Werte der Messung ST-L01 und D3 aus der Versuchsreihe 1, bei der die Probewürfel nicht mit Wärme behandelt sind. Die vorhandene Bewehrung, welche sich bei den Messungen ST-L01 und ST-L02 hinter den Transpondern befindet, hat einen kleinen negativen Einfluss auf die Leseabstände. Wie schon bei der Versuchsreihe 1 vergrößern sich die Abstände auch bei diesem Versuch mit zunehmendem Betonalter. Die Leseabstände, die in Abschnitt 4.1.3.3 gefordert sind, können bei diesen Versuchen noch nicht erreicht werden. Die Forderungen beziehen sich allerdings auf das „Intelligente Bauteil“ im Bauwerk. In der Produktion der Fertigteile sind diese Leseabstände nicht erforderlich. Die fertigen Bauteile müssen von den Bearbeitern kontrolliert und abgenommen werden. Dazu ist die visuelle Kontrolle unumgänglich, wozu das Lesen und Beschreiben der Transponder mit geringen Leseabständen von 25 cm bis 50 cm dienlich ist.
6 Zusammenfassung, Thesen und Ausblick 6.1
Zusammenfassung und Thesen
In Abschnitt 3.3 sind die Thesen zusammengestellt, welche im Kapitel 4 durch die Modellanwendungen und Kapitel 5 durch den Nachweis der technischen Eignung bestätigt sind.
(1)
Die Technologie ist in den üblichen Baustoffen einsetzbar. Eine Schlüsseltechnologie bei der Umsetzung des Modells ist die Radio-FrequenzIdentifikation. Mit dem Kapitel 5 gelingt die Spezifizierung und Festlegung des Frequenzbandes. Der Einsatz der UHF-Technologie im Stahlbeton unter realistischen Bedingungen verdeutlicht, dass bereits vorhandene Hardware, die nicht speziell dafür entwickelt ist, die Verbindung der digitalen Planung mit dem realen Bauteil ermöglicht. Bei den Untersuchungen in der Produktion von Stahlbetonfertigteilen sind Leseabstände vorhanden, die ausreichend für die Geschäftsprozesse während der Herstellung sind.
(2)
Das Modell ist in allen Phasen des Lebenszyklus eines Gebäudes anwendbar und nutzbringend. Im Abschnitt 4.2, der ökonomischen Bewertung, ist an Hand von drei Geschäftsprozessen aus der Bauphase sowie je einem Geschäftsprozess aus der Nutzungs- und der Abbruchphase der Einsatz des Modells dargelegt. Der Vergleich zu den herkömmlichen Abläufen dieser Prozesse spiegelt den Nutzen und die Einsparpotentiale wider. Der Daten- und Informationsfluss wird mit Hilfe des Modells vollständig digitalisiert und frei von Medienbrüchen. Dies fördert neben der Datensicherheit auch die Transparenz der Prozesse.
(3)
Die Umsetzung des Modells führt zur Optimierung des Controllings und des Qualitätsmanagements. Beispielhaft für die Optimierung des Controllings und des Qualitätsmanagements sind im Abschnitt 4.2.3 die Geschäftsprozesse des Kosten-, des Termin- und des Qualitätscontrolling während der Bauphase den derzeitigen Geschäftsabläufen gegenübergestellt. Diese Prozesse sind in der Nutzungsphase und der Abbruchphase in ähnlicher Weise vorhanden und das Modell ist direkt übertragbar. Der Einsatz des „Intelligenten Bauteils“ führt zu Zeiteinsparungen im Controlling. Die Datenverfügbarkeit in Echtzeit ermöglicht ein schnelles Handeln und somit eine Verbesserung beim Qualitätsmanagement. Außerdem ermöglicht die konsequente Umsetzung des Modells eine vollständige, digitale Dokumentation der Prozesse und der verbauten Materialien, was einem lückenlosen Nachweis der Qualität entspricht.
S. Seyffert, Optimierungspotenziale im Lebenszyklus eines Gebäudes, DOI 10.1007/978-3-8348-8185-4_6, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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(4)
6 Zusammenfassung, Thesen und Ausblick
Informationen sind immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Die Daten, bestehend aus Stamm-, Prozess- und Materialdaten, stehen in einer hohen Datengranularität am Bauteil zur Verfügung. Fehlen diese Daten und die daraus folgenden Informationen können Leib und Leben gefährdet sein, wie im Abschnitt 4.2.7.2 aufgeführt. Brauchen beispielsweise Rettungskräfte im Falle einer Havarie Informationen über die Wand, hinter der sich noch Menschen befinden, dann sind diese Informationen auf dem Bauteiltransponder vorhanden.
(5)
Die Sicherheit vor dem Datenverlust erhöht sich. Ein wesentlicher Bestandteil des Modells ist die Datenvorhaltung direkt am Bauteil. Gehen die Dokumente oder digitalen Daten auf den Datenträgern verloren, sind die Transponder im Bauteil noch vorhanden. Außerdem ist die Aktualität der Daten sehr wichtig. Dies kann nur durch die ständige Pflege erfolgen. Die manuelle Datenpflege scheitert üblicherweise an der Zeit oder der personellen Unterbesetzung. Das Modell geht, wie in Abschnitt 4.2 beschrieben, von der teilautomatischen oder automatischen Datenpflege aus. Die Bauteiltransponder sind mit der Datenbank der Bauleitung und des Facility Managers über die RFIDSchnittstelle verbunden. Sind Änderungen vorhanden, werden diese beim nächsten Vorbeilaufen des Bauleiters, Poliers oder Hausmeisters automatisch synchronisiert. Führt beispielsweise ein Arbeitnehmer eine Reparatur an einem Bauteil aus, meldet er sich über sein Mobiltelefon mit Reader am Bauteil an. Die verwendeten Materialien scannt er ebenfalls mit seinem Mobiltelefon. Beim Abmelden erfolgt dann das automatische Ergänzen der Prozess- und Materialdaten auf dem Transponder.
(6)
Das „Intelligente Bauteil“ ist zukunftssicher. Zusätzlich zu der ökonomischen Bewertung des Modells sind im Abschnitt 4.3 weitere Bewertungskriterien, nach dem Vorbild der Technikbewertung und der Folgeabschätzung, zusammengestellt und mit Aussagen unterlegt. Eine vollständige Bewertung jedes einzelnen Schwerpunkts findet im Rahmen dieser Arbeit nicht statt. Die zusammengetragenen Punkte reichen für eine endgültige Bewertung nicht aus. Sie lassen aber eine Tendenz erkennen, dass das Modell und im speziellen das „Intelligente Bauteil“ einer fachgerechten Technikbewertung und Folgeabschätzung stand hält.
Durch die Anwendung des entwickelten Modells und die Schaffung „Intelligenter Bauteile“ sowie die damit verbundene dezentrale Datenhaltung direkt am Bauteil werden die realen Objekte mit der digitalen Welt verknüpft. Dies ermöglicht die Automatisierung von Geschäftsprozessen im Bauablauf, eine medienbruchfreie Prozesssteuerung und die durchgängige Qualitätssicherung.
6.2 Ausblick
145
Ein lückenloser Informationsfluss in der Bauphase reduziert Risiken und vereinfacht das Qualitätsmanagement sowie das Mängelmanagement, was die Transparenz der Geschäftsprozesse und nicht zuletzt die Bauqualität steigert. Dies führt zu einer höheren Kostensicherheit für den Auftraggeber und prägt die Zusammenarbeit zwischen den am Bau Beteiligten positiv. In der Nutzungsphase bedeutet die konsequente Anwendung des Modells unter anderem eine nachhaltige Fortschreibung der Daten und die Steigerung der Nutzungsqualität, was die Wertbeständigkeit einer Immobilie vorteilhaft beeinflusst. Auch in der letzten Phase des Lebenszyklus eines Bauwerkes, dem Abbruch, zeigt sich der große Nutzen dieses Modells. Zeit- und kostenintensive sowie risikobehaftete Analysen der Gebäudestruktur, der Materialien, der Nutzungshistorie und möglicher Gefährdungen sind überflüssig. Die fortgeschriebenen Daten der „Intelligenten Bauteile“ erhöhen die Planungs-, die Kosten- und gleichzeitig die Arbeitssicherheit. 6.2
Ausblick
Die zunehmende technische und organisatorische Komplexität im Bauwesen und der Immobilienwirtschaft erfordert immer häufiger ein integriertes, durchgängig dokumentiertes und ständig aktualisiertes Planen, Ausführen und Betreiben. Durch die direkte Verknüpfung der Informationswelt mit der realen Welt in Echtzeit sind Reaktionen auf Veränderungen in der Bau- und Nutzungsphase sehr einfach möglich. Dies erlaubt eine Erhöhung der Transparenz in den Fertigungsprozessen im Bauwesen sowie in der Nutzungsphase und fördert nachhaltig die Prozessqualitäten über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes. Die möglichen Nutzenpotenziale des „Intelligenten Bauteils“, neben den hier aufgeführten, sind noch lange nicht erschöpfend betrachtet. Je nach Sichtweise und Fragestellung lassen sich noch viele weitere Einsatzbereiche herausarbeiten. Weitere Entwicklungspotenziale liegen beim Einsatz von Sensoren in Verbindung mit der RFID-Technologie. Das Verdichten oder das Hydratisieren des Betons in der Bauphase könnte zukünftig kontrolliert, optimiert und vor allem dokumentiert werden. Während der Nutzungsphase könnte die Erfassung und Aufzeichnung sowie die Auswertung in Echtzeit der Umgebungstemperaturen, der Feuchtigkeit und der Spannungen mögliche Havarien oder tragische Unfälle verhindern helfen. Ein wesentliches Kriterium für den Einsatz einer neuen Technologie ist neben den hier bearbeiteten der Nachweis der Wirtschaftlichkeit. Diese monetäre Betrachtung kann zum derzeitigen Stand der Forschung nicht eindeutig behandelt werden. Die Forderung der Industrie nach automatisierten und transparenten Geschäftsprozessen nimmt zu. Die notwendige Hardware entwickelt sich dadurch technologisch zwar immer schneller aber die Speicherkapazitäten der UHF-Transponder, um das Modell vollständig umzusetzen, sind am Markt noch nicht verfügbar. Somit sind für eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung neben den monetär nicht eindeutig bewertbaren Einsparpotentialen auch die Kosten nicht quantifizierbar.
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