Katherina Standhartinger Organische Chemie für Ahnungslose
~AHNUNG ? LOSE ln dieser Reihe sind bisher erschienen: Yara Detert I Christa Söhl, Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung fü r Ahnungslose Yara Detert, Mathematik für Ahnungslose Werner Junker, Physik für Ahnungslose Katherina Standhartmger, Chemie für Ahnungslose Katherina Standhartinger, Organische Chemie für Ahnungslose Antje Galuschka, Biochemie für Ahnungslose Christa Söhl, Biologie für Ahnungslose Michaela Aubele, Genetik für Ahnungslose
Katherina Standhartinger
ORGANISCHE CHEMIE für Ahnungslose Eine Einstiegshilfe für Studierende von Katherina Standhartinger, Memmingen Mit 150 Abbildungen und 35 Tabellen
S. Hirzel Verlag Stuttgart
Katherina Standhartinger Dickenreiser Weg 48 87700 Memmingen
[email protected]
Katherina Standhartinger wurde 1959 im bayerischschwäbischen Memmingen geboren. Dort schloss sie im Jahr 1978 die Schulzeit mit dem Abitur ab. Nach dem Lehramtstudium für Biologie und Chemie an der Ludwig-Maximilian-Universität in München und dem staatlichen Vorbereitungsdienst für das Lehramt am Gymnasium beendete sie ihre Ausbildung im Jahr 1988. Sie unterrichtete seitdem in München, Kaufbeuren, Füssen und Memmingen. Während einer Familienpause verfasste sie die .,Organische Chemie für Ahnungslose".
Bibliografische Information der Deutschen Niitionillbibllothek Die Deutsche Nationalbibliothek ~rzeichnet diese Publikation in der Oeutsc~en Nationalbibliograhe; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet Ober http://dnb.d-nb.de abrurbar. ISBN: 978-3-777~·1640·7
Jede Verwertung des Wertces außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes 1st unzulassig und strafbu. Dies gilt insbesol\dere fUr Über~uung. Nachdruck, Mikro~rfilmung oder vergleichbne Verfilhren so-..ie für die Speicherung in Oatenverarbeitungs.Jnlagen. C 2010 S. Hirzel Vertag, Birken-..aldstraße 44, 70191 Stuttgart
Printed in Germany www.hirzelde Satz: C!audia Wild, Konstanz
Druck: Ojurcic, Schorndorf Umschlaggestaltung: deblik. Bertm
V
Vorwort Kohlenwasserstoffe .. . Alkohole... Ester... Ether. . . Aldehyde... Ketone. .. Carbonsäuren .. . Kohlenhydrate.. . Eiweißstoffe... Fette... ? Stoffgruppen der Organischen Chemie sind das. Das habe ich auch schon gehört. Alle haben Kohlenstoffgerüste, mehr weiß ich nicht! Und diesen ganzen Wust soll man bei entsprechender Betrachtung schrittweise und - mit angemessenem Engagement- nachvollziehbar strukturieren und sogar behalten können? Glaub ich nicht. Kann man nicht. Ich sowieso nicht , denn .,Chemie kapiere ich nicht" oder "Chemie habe ich noch nie kapiert". Das sind häufige Schülerworte, spätere Studentensprilche. Wie oft sind sie zu hören! Tiefe Verstörung tritt wiederholt am Beginn einer Ausbildung ein, wenn an sich wissensdurstige Menschen feststellen, dass sie die ungeliebte Chemie eben nicht am Schultor abstreifen konnten. Dass sie von dieser Disziplin auch in Ausbildungsund Studiengängen, die nicht explizit .,Chemie" heißen, erbarmungslos eingeholt werden. Dass sie, selbst wenn sie die hohe Kunst der Chemie studieren wollen, Grundlagen auffrischen oder nachschauen wollen - oder sogar müssen!? Dass es zwar gewichtige Lehrbücher in Hülle und Fülle gibt, man diesen das grundlegende Wissen jedoch nur mit viel Zeit (hat man nicht) und Mühe (scheut man) abringen könnte. Die "Organische Chemie fü r Ahnungslose" hat sich zum Ziel gesetzt, die aufwärts Strebenden und Lernbereiten - bildhaft betrachtet - an jenem Schultor mit einer "Wanderkarte" bezüglich der Chemie der Kohlenstoffverbindungen auszustatten, die das in der Schule vermittelte, prinzipiell Bekannte übersichtlich aufzeigen und geeignete Ausblicke in die unermessliche Vielfalt des Unbekannten bieten soll: Angefangen mit dem Bau der Kohlenstoffatome werden über die Bindungsbildung, die sich am besten über die Betrachtung der entsprechenden Molekülorbitale erschließt, mehratomige Verbindungen des Kohlenstoffs behandelt. Die Eigenschaften der einfacheren organischen Moleküle, bestehend lediglich aus Kohlenstoff und Wasserstoff, werden besprochen und aus der Struktur ihrer Teilchen verständlich. Die aromatischen Kohlenwasserstoffe mit ihren besonderen Eigenschaften werden dabei den "normalen", aliphatischen Kohlenwasserstoffen gegenübergestellt. Mit dem Einbau von Sauerstoffatomen gelangt ein zusätzliches, wirkungsvolles Element ins Kohlenstoffgefüge. Oie sauerstoffhaltigen organischen Verbindungen zeigen Eigenschaften und eine Form der Reaktionsbereitschaft. die auf die hohe Elektronegativität des Elements Sauerstoff zurückzuführen ist. Auf der zentralen Bedeutung der resultierenden Dipolqualitäten in den Molekülen und den folglich immer ähnlich gelagerten Reaktionsprinzipien dieser umfangreichen Gruppe von Verbindungen liegt ein Hauptaugenmerk des Buches. Die diesbezüglich wiederkehrende Fokussierung soll beim Strukturieren helfen. Im Bereich der Aldehyde und Ketone sind Aspekte beigefügt, die über das Schulwissen hinausreichen und auf die immense Vielfalt der organischen Verbindungen einstimmen können. Oie Behandlung der Kohlenhydrate schließt tiefere stereochemische Einsichten
VI ein. Hier wird versucht. die räumlichen Überlegungen möglichst nachvollziehbar zu präsentieren. Die abschließenden Kapitel zu den Eiweißstoffen und Fetten befassen sich mit deren wichtigsten chemischen Gesichtspunkten, ohne sich in der Biochemie dieser Stoffe zu verlieren. An geeigneten Stellen sind Übungen eingefügt: Die meisten von ihnen sind recht kurz und auch nicht übermäßig schwer. Sie sollen ein Innehalten bewirken und eine Reflexion des gerade Studierten ermöglichen. Das Buch richtet sich an alle, die organisch-chemisches Grundwissen wiederholen oder auch neu erwerben möchten. Die fl.ir das Verständnis unabdingbaren Aspekte aus der Allgemeinen Chemie, z. B. das Erstellen von Redoxgleichungen, werden aufgegriffen und kurz erklärt, können jedoch nicht so grundlegend behandelt werden wie in der ,.Chemie fur Ahnungslose", auf die an dieser Stelle verwiesen sei. Ferner kann ein Buch dieser Straffheit natürlich nur als Einführung dienen und Zusammenhänge nur sehr vereinfacht darstellen. Bei näherer Betrachtung stellen sich diese manchmal etwas anders dar (Beispiel: Orbitalmodell). Daher sollte der Leser fur tiefer gehende Informationen auf ein gutes Lehrbuch der Organischen Chemie zurückgreifen (Literaturliste im Anhang). Autorin und Vertag hoffen, dass dem Leser beim lesen dieses übersichtlichen Buches die (erfreulich wenigen) grundlegenden Prinzipien der Organischen Chemie klar werden, mit Hilfe derer er sich im Dickicht der Millionen organischer Verbindungen zurechtfinden kann. Memmingen, im Frühjahr 2010
Kathenna Standhartinger
VII
Inhaltsverzeichnis Vorwort • . • • . • . • • . . • • • • • • • • • • • • • • • . . • • • • • • • • • • • • • • • • • • • . • • • • • V 1
1.1
1.2 1.3
2
Einll!itung . . . . . . . . . . . . • . . . Der Begriff der Organischen Chemie . Vielfalt organischer Verbindungen . Ordnung in der Vielfalt . . . . . . . . .
. . . .
... ... ... ...
•.. ... ... ...
. . . .
. . . .
.. .•.. ...... ...... ......
.•. . . .. . .. . . . . ... ........... .. . .•.. . .•. . .• ............ ..
1 1 1 2
2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5
Grundlegendes • . . . • . . . . . . . • . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Kohlenstoff hat vier Bindungen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Kohlenstoff im Periodensystem der Elemente . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . Oie Elektronenhülle des Kohlenstoffatoms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • Schalenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orbitalmodell . . . . . . . • . . . . . • . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . DasC-Atom in der Orbitalvorstellung . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . • . . • . . . . Hybridorbitale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . Orbitalformen fUr die Valenzelektronen des C-Atoms . . . . . . . . . . . . . . . . • . .
3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3 3.4 3.4.1 3.4.2
Mehratomige Moleküle . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . • . . . • . • . . . . . . . . . . Moleküle mit Einfachbindungen . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . • . . . . . . . . . . Das Methanmolekül • . . . • . . . . . • . • • . . . . . . . . • • . . . . . • . . . . . . . . . Das Ethanmolekül . • . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . o-Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . • . • . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . t~oleküle mit Doppelbindungen . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . • • . . . . . • . Das Ethenmolekul . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lt-Bindungen . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . • . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Moleküle mit Dreifachbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . • . . . . . . . . Das Ethinmolekül . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bindungsverhältnisse im Ethinmolekül . • . . • . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10 11 12 13 14 14 14 15 15 16 16
4
Kohlenwasserstoffe - Alkane, Alkene, Alkine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
5
Homologe Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.2 6.2.1 6.2.2
Alkane . . • . . . . . . . • . • • . . . . . . . . . Homologe Reihe . . . . . • . • . . . • . • . • . . Allgemeine Summenformel . . . . . . . . . . . Nomenklatur unverzweigter Alkanmoleküle . Strukturformeln . . . . . . . • . . . . . • . . . . Verzweigte Alkan moleküle . . . . . . . . . . . Isomerie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alkytgruppen . . . . . . • • • . . . . . . . . . . .
2.1 2.2
... ••. ... ... ... ... ... ...
•.•. .. . . . . •. ...... . .•. .. •. .. .. ...... ...... •. •...
. . . . . . . .
3 3
3 4 4 5 6 7
7 9 9
. . • • • . . . . . • . • 19 . . . . • . • . . . . . . 19 . . . . . . . . . . • . . 19 . . . . . . • . . . . . . 19 . . • • . . . . . . . . . 19 . . . . . . • . . . . . . 21 . . . . . . • . . . . . . 21 . . . . . . • . • . . . . 23
VIII 6.2.3 6.2.4 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4
6.3.5 6.4 6.4.1 6.4.2 6.5 6.6 6.6.1 6.6.2 1 7.1 7.1.1 7.1.2
lnhaltswruichnis Nomenklatur verzweigter Alkanmolekule ........ . .........•....... Van-der-\Yaals-Kräfte •................... • .........•.•..... Eigenschaften der Alkane ....... • .... . • .... • ........••.•..... Schmelz- und Siedetemperaturen .............................. . Viskosität ................ •. ......... •.......•.•....... Losliehkelt ................•.....•....•.......••........ Brennbarkeit ......... ..... .•..........•.......•......... .Energieträger" . . . . . . • . . . . . . • . . . . • . . • . . • . . . . .•.•......... Reaktionsverhalten der Alkane ... .•....•... . .......•.•......... Halogenalkane ......................................... . Reaktionsmechanismus der Halogenierung- radikalisehe Substitution .•...•.. Konformationen des Ethanmolekilts- Konformationsisomerie .... .....•... Cyctoalkane ........................................... . Homologe Reihe .....................•................... Wichtige Konformere des Cyclohexans ........•...................
23
25 26 26 27 27 28 28 28 28
29 31 33 33
34 36
Alkene ..........•.......•.....•..•.....•.•... · . · · · · · · Homologe Reihe ..........•.......•...................... Eigenschaften der Alkene ................................... . Nomenklatur und Konstitutionsisomerie •.......................... cis-trans-Isomerie- Konfigurationsisomerie ..............•......... Additionsreaktionen ................. •.............. .. •.... Elektrophile Addition an Ethen ............................... . Elektrophile und nucleophile Teilchen .. , ....•..... , ......• • .••...
39 40
8.1 8.1.1 8.1.2 8.2
Alki ne .............•.....•.• • · · • · · · · · · · · · · · · · · • · · · · · · Ethin -ein bedeutsames Alkin ...........•.....•........•....•. Additionsreaktion an die Dreifachbindung ...•.... .. .......... ..... Acetylen als Schweißgas ..............•...................•. Acetylide ..•........•.......•..........................
41 41 41 42 42
9
Aromatische Verbindunge n ................................. .
43
10 10.1 10.2 10.3 10.4 10.4.1 10.5
Benzol .....................................•..... .... Eigenschaften .................•.•.•......•.•••. •... ..... Strukurformeln fiir das Benzolmolekül ............•......•........ Bindungsverhältnisse im Benzolmolekül ................. • ....... . . ..... ·hb'l' Mesomene 1 tSJ.erung . ... ..... . ... ...... ......... . ... ... . Nachweis der Mesomerieenergie durch das Verhalten von Benzol gegenüber Brom . Eleklrophile aromatische Substitution ........................... . Mechanismus der elektrophilen aromatischen Substitutton ...........••.. Nitrobenzol- ein Benzolderivat ............................... . Zusammenfassung ....................................... .
44 44
7.2 7.3 7.3.1 7.3.2 8
10.5.1 105.2 10.5.3
36 36 36
37 38
44
46 47 48 48 48 50 51
IX
Inhal~wruichnis
ll.S
Wichtige Benzolderivate . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phenole . • . • . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . • . . . . • . . . . . . . . . . . . Erst· und Zweitsubstituenten . . • . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . Phenol als Säure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . • . . . . . . . . . . . . . . Mesomeriestabilisierung des Phenolations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Toluol • . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . Benzolsulfonsäure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . • . . . . . . . . . Anilin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . BenzylalkohoL Benzaldehyd und Benzoesäure- Oxidatiomo"'dukte von Toluol . .
S2 52 52 53 53 54 SS 55 56
12 12.1 12.2 12.3
Weitere aromatische Verbindungen • • . . . . . Kondensierte Aromaten . . . . . . . . . . . . . . . . Heteroaromaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oie .Hückei-Regel" für den aromatischen Zustand
. . . .
57 S7 58 59
13
Sauerstoffhaltige organische Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . • . • . . . . .
60
14 14.1 14.2 14.3 14.4 14.5 14.6 14.7 14.8 14.9
Alkohole . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . • . • • . . . . Homologe Reihe . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . • . • • . . . . Methanol . . . . . . . . . • . . . • . . • . . . . • . . . • • • . . . . . . . . . . . . . . . . . Ethanol . • . . . . . . • . • . . • . . . . . • . . • . . . . . . . • • . . • . . . . . . . . • . • Eigenschaften von Alkoholen . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . • • • . . . . . . . . . . Isomerie und Nomenklatur bei Alkoholmolekülen . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . Alkoholate • . . . . . • . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrwertige Alkohole- Ethandiol und Propantrial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reaktion von Alkoholen mit Säuren- Esterbildung . . . . • . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61 61 62 62 63 64 66 68 69 71
15
Ether . • . . . • . . . . . • . • . . . • . . . • . . . . . • . • . • • • . • . . . . . . • . . . .
72
16
Oxidationsprodukte von Alkoholen . . . . . • . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
17 17.1 17.2 17.3 17.4
Grundlegendestu Redoxreaktionen .. .. .. .. .. .. .. .. Begriffe und Definitionen . • . . . • . . . . . . . • . . . . . . . . . . AUgemeine Regeln zur Zuordnung von Oxidationszahlen . . . . . Oxidationszahlen für C-Atome in organischen Molekülen . . . . . Die Erstellung von Redoxgleichungen . . . . • . . . • . . . . . . .
.. .. .. .. • .. . . .. . .. . . .. . . .. . .. . . .. ........... . . .••.. .. . .
75 75 75 76 78
18 18.1 18.2
Redoxvorgänge am Beispiel verschiedener Alkohole . . . • • . . . . . . . . . . . Oxidation eines primären Alkohols zum Aldehyden . • . • . . • . • • . . . . . . . . . Oxidation eines sekundaren Alkohols zum Keton . . . . . . . . • • • . . • . • . . . . .
79 79 81
19 19.1 19.1.1
Carbonylverbfndungen . • . . . . . • . . . . . . . • . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . Nomenklatur und Struktur............................ . . . . . . . Aldehyde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83 83 83
11 11.1
11.1.1 11.1.2 11.1.3
11.2
11.3 11.4
.... .... .... ....
. . .. . • •. .... ....
.•. ... .•. ...
... ... ... .•.
.. .. .. ..
.•. ... ... ...
X
lnhaltswruichnis
19.1.2 19.2 19.2.1 19.2.2 19.3 19.3.1 19.3.2 19.3.3 19.3.4 19.3.5 19.3.6 19.3.7 19.4 19.5 19.5.1 19.5.2
Ketone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . Siedetemperaturen . . . • • . • • . . . . . . . . • . . . . . • . . . . . . . . . . . . • • • . . Löslichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . Nucleophile Additionsreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nucleophile Addition von Methanol an Acetaldehyd- Halbacetale . . . . . . • . . . Nucleophile Addition an Ketone- Halbk!tale . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . Nucleophile Addition von Wasser an Carbonylverbindungen . . . . . . . . . . • . . . . Nudeophile Addition von Ammoniak und Eliminierung von Wasser . . . • . . . . . . Additions·Eiiminierungs· Reaktionen mit Derivaten des Ammoniaks . . . • . . . . . . Zusammenfassung ............................... , . . . . . . . . Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . • • • . . . . . . • . • . . . . . . . • . • . • . . . . . . Der in duktive Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . Nachweisreaktionen rür Aldehyde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . • . . . . . . . . Silberspiegelprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . • . . . . • . . . Fehlingsc~ Probe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . .
20 20.1 20.1.1 20.1.2 20.1.3 20.1.4 20.1.5 20.1.6 20.2 20.2.1
Carbon~uren
20.2.2 20.3 20.3.1 20.3.2 20.3.3 20.3.4 20.4 20.4.1 20.4.2 20.4.3 20.5 20.5.1 20.5.2 20.6
und Cubonsäurederivate . . . . . . . . . . . . . . • . . . . • . . . . Monocarbonsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homologe Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . Eigenschaften . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . • . . . • . . Ameisensaure . . . • . . . . . . • . • . . . . • . • • . . . . . . . . . • . . . . . . . . . • . Essigsäure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . Acidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . • . • . . . . . • . . . . . . . • . . saurestärke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nucleophile Substitutionsreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veresterung von Essigsäure mit Methanol- Beispiel einer nudeophilen Substitutionsreaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verseifung- Esterspaltung in alkalisc~r Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . • . . • Derivate der Carbonsäuren . . . . . . . • . • . . . . . • . . • . . • . • . . . . . . . . . • Carbonsäureester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carbonsäurechloride . . . . • . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . Carbonsäureanhydride . . . • . . . . . . . • . . . . . • . . • . • . • . . . . . . . . • . . . Carbons~ureamide . . . . • . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . DicarbonsliUren . . . . . . . . . . . • . . . • . • . . • • . . . • • . . . . . . • . • . . . . . Gesättigte Dicarbonsäuren . . . . . . . . • . • . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . Ungesättigte Oicarbonsciuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . Aromatische Dicarbonsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carbonsäuren mit zusätzlichen funktionellen Gruppen . . . . . . . • . . . . . . . . . Hydroxycarbonsliuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ketocarbonsäuren . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84 85 86 86 86 87 88 89 90 91 92 93 96 98 99 99 101 101 101 102 103 104 104 106 109 110 112 114 114 115 116 116 118 119 119 120 120 121 122 122
•
21
Arten von Isomerie - eine . standortbestimmung" • . • . . . . . . . . • . . . .
123
22 22.1 22.1.1 22.1.2 22.1.3 22.2 22.3 22.3.1 22.3.2 22.4 22.4.1 22.4.2 22.4.3
Spiegelbildisomerie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . Weitere fachbegriffe zur Spiegelbildisomerie . . . . . . . . • . . . . • . . • . . . . . Molekükhiralitlit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . • . . . . . . . • . Chiralitlitszentrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . • • • . . . . . • . • • . . . . . . . . Enantiomere . . . . . . . . . • . . . • . • . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . Oie .Fischer-Projektion"- einheitliche Darstellung räumlictr Molekülstruktur . Mehrere Chiralitätszentren in einem Molekül . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwei Chiralitlitszentren- Diastereomere • . . . • . . . . • . . . . . . . . • . • . . . . Weinsäure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . Optische Aktivität . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . Polarimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . • . . . . . Drehsinn . . . . . . . . . . . • . . . • . • . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . Racemat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . • . • . . . . . . .
125 126 126 126 126 126 128 129
23 23.1 23.2 23.2.1 23.2.2 23.2.3 23.2.4 23.2.5 23.2.6 23.3 23.3.1 23.3.2 23.3.3 23.3.4 23.3.5 23.4 23.4.1 23.4.2 23.4.3 23.4.4
Kohlenhydrate . . . . . . . • . • . . . . . • • . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . 135 Einteilung der Kohlenhydrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . 135 Monosaccharide . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . 136 Die Familie der Aldosen . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 D(+)·Glucose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . 141 Anomerie und Mutarotation- anomere Glucosemoleküle . . . . . . . . . . . . . . . 143 Darstellung von Monosaccharidmolekillen- Fischer-Projektn, Haworth·Formel, Sesselform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Ausgewahlte Ketosen- Oihydroxyaceton und Fructose . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Pyranosen und Furanosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . 149 Disaccharide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Glycosidbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . • . . . . . . . . • . . . 150 Maltose - ein reduzierendes Disaccharid . • . • . • . . . . . . . . . . . . . . . • . . . 151 Cellobiose- ein weiteres reduzierendes Disaccharid . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Saccharose- ein nicht reduzierendes Disaccharid . . . . . . . . . . . . . . . • . . . 154 Inversion des Roh!4uckers . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . 156 Polysaccharide . . . . . . . . . . . • . • . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . 156 Stärke . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Glykogen . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Cellulose . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . • • • . . . . . 158 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
24 24.1 24.1.1 24.1.2 24.1.3 24.1.4 24.1.5
Peptide und Proteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aminosäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . • • . . . . . . . . Molekulbau der a-Aminocarbonsäuren . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . Optische Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . L·Konfiguration . . . • . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . Zwitterionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
....• ... .. ..... ..... .. •. . ..... .. . . .
130 131 131 133 134
161
161 161
162 162 163
164
Xll 24.1.6 24.1.7
InhJltsveruichnis Säure-Ba~!-Verhalt!n
164 166 167 169 169
24.7
. . .. .. . .. ... . .. .. . . .. . .. . ••••. . . . . . . . Elektrophorese und isoelektrischer Punkt . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . • . Peptidbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . • . . . . . . . . . Strukturen .. . .....•• . ........ . . , • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Primärstruktur ......... . , ........ , . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundärstruktur . . . ....•......• . . , . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . • . Tertiärstruktur . . . . . . . . . • . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . QuartAirstruktur ............................ _ . . . . . . . . . . . . Proteine und ihre biologisc~e Funktion- Beispiele . . . . . . • . . . . . . . . . . . . Nachw!is • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . • . . . • . Denaturierung . ....... . .... , . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . .
25
Fette . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . • . . . . . . . . . . . . . • . . . • . • . • • .
178
25.1 25.2 25.3
Vielfalt der Fettmoleküle .... . . .......... . ...... . _ . . . . . . . . . . Gesättigt! und ungesättigte Fettsäuren . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften . . . . . . . . . . . . • . . . • . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . • . Löslichkeit . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . • Aggregatzustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . • . . Brennbarkeit • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . • . . • . . . . . . . . . Essentielle Fettsäuren . ....• . . ..... .. . . . . . . . . ..• _ . . . . . . . . . . Seife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Margarine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
178
24.2
24.3 24.4 24.4.1
24.4.2 24.4.3 24.4.4
24.5 24.6
25.3.1
25.3.2 25.3.3 25.4
25.5 25.6
Quintessenz ... • .............. . .. _ .... . . ... , ..... , . . . . . . . . . . . Anhang ..•................. , . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister .............................•.......... _ . . • . . . . .
170
171 173 174 175 176 177
179 180 180 181 182
182 182 183 184 185
189
1
1
Einfejtung
Oie Organische Chemie befasst sich mit der enormen Zahl der chemischen Verbin-
dungen des Elementes Kohlenstoff.
1.1
Der Begriff der Organischen Chemie
Ursprünglich verdankt die Organische Chemie ihren Namen der Überzeugung, dass bei der Bildung der Stoffe, aus denen die Organismen der Flora und Fauna auf der Erde bestehen, eine geheimnisvolle ,.vis vitalis" (lat. Lebenskraft) am Werk sein müsse: Diese Kraft glaubte man vor ungefähr 200 Jahren jedoch an den lebenden Organismus gebunden! Und so ging man davon aus, dass die vielfältigen Stoffkomponenten von Lebewesen nicht von Menschenhand auf dem Weg der chemischen Synthese erschaffen werden könnten. Im Jahr 1828 war es der deutsche Chemiker Friedrich Wöhler, dem mit der HerstelLung von Harnstoff, so genanntem Hcyansaurem Ammoniak", die erste Synthese einer organischen Substanz gelang. Der Forscher hatte dazu ausdauernd mit flüssigen Ausscheidungen - also Urin! aller möglichen Lebewesen experimentiert. Man mag die Begeisterung für diese Art von Forschung nicht teilen, doch handelte es sich bei Wöhlers Erkenntnissen um den Auftakt einer Entwicklung, die die Welt umfassend prägen sollte.
1.2
Die Vielfalt organischer Verbindungen
Die Chemie des Kohlenstoffs ist von einer unermesslichen Verbindungszahl geprägt: Bisher wurden ungefahr 19 Millionen organisch-chemische Verbindungen gefunden und dokumentiert. Erforscht sind bei weitem noch nicht alle. Eine Vorstellung von der Bedeutung und der Vielzahl der Kohlenstoffverbindungen vermittelt die Aufzählung einiger Stoffgruppen aus den organisch-chemischen Bereichen: • Stoffwechselverbindungen in allen Lebewesen • Rohstoffe und Produkte der fossilen Bodenschätze wie Kohle, Erdöl und Erdgas • Lebensmittel • Arzneistoffe • Kunststoffe und textile Fasern • Farbstoffe und Waschmittel u. v. a. Seit Friedrich Wöhlers Harnstoffsynthese haben die Lebensgewohnheiten der Menschen grundlegende Veränderungen erfahren: Mobilität, Medizin, Ernährung, Kleidung, Hygiene, Kosmetik und viele andere Lebensbereiche sind von den Errungenschaften der Organischen Chemie geprägt.
2
1.3
Eonleitung
Ordnung in der Vielfalt
19 Millionen Verbindungen! Dem Anfänger mag sich angesichtsdieser gewaltigen Zahl ein Gefühl der Mutlosigkeit aufdrängen. Allerdings ermöglicht eine systematische Annäherung an die Komplexität der Materie gerade in der Organischen Chemie die Bildung einer sinnvollen und folgerichtigen Ordnung, die sich tatsächlich dauerhaft im Gedächtnis verankern lässt: • Die chemische Reaktionsbereitschaft des Elements Kohlenstoff birgt die Möglichkeit. die grundlegenden organischen Verbindungen eindeutig in Stofffamilien mit ähnlichen Eigenschaften einzuordnen. • Aus den Verbindungen einer Stofffamilie ergeben sich durch chemische Reaktionen neue Verbindungen; auf diese Weise entstehen neue Stofffamilien und lassen in der Folge eine Art Stammbaum wachsen.
3
2
Grundlegendes
In dieses Buch können lediglich die für die Belange der Organischen Chemie relevanten Aspekte des Elementes Kohlenstoff und seiner Reaktionsfahigkeit Eingang finden. Für die Wiederholung von allgemeinen Grundlagen, beispielsweise zum Periodensystem der Elemente, zum Aufbau der Elektronenhülle, zur chemischen Bindung oder zum Orbitalmodell, empfiehlt sich das Studium der .,Chemie für Ahnungslose" oder eines anderen Lehrbuches für Einsteiger (siehe Literaturempfehlungen im Anhang).
2.1
"Kohlenstoff hat vier Bindungen"
Diesen griffigen Satz schreiben Sie sich am besten an markanter, häufig frequentierter Stelle auf, denn Anfänger straucheln beim Formelnschreiben regelmäßig wegen dieser .. NebensächlichkeW: Meinen Schülern empfehle ich stets, sich die Worte eintätowieren zu lassen. Gemacht hat das natürlich nie jemand, doch die dauerhafte Platzierung im Gedächtnis funktioniert auf diesem Weg in aller Regel sehr gut! Also: Kohlenstoffatome bilden in aller Regel vier Bindungen zu weiteren (-Atomen oder zu Atomen anderer Elemente aus. Vergessen Siedas bitte nie wieder! Sie ersparen sich eine Menge vermeidbarer Fehler.
2.2
Der Kohlenstoff im Periodensystem der Elemente
Im Periodensystem der Elemente (• PSE) werden die bekannten Elemente in einer charakteristischen Art und Weise angeordnet. welche sich aus ihrem atomaren Aufbau und den daraus resultierenden Eigenschaften herleitet. Jedes Element ist in einem Kästchen platziert, dem wichtige Informationen über die Beschaffenheit seiner Atome zu entnehmen sind.
:c(wie in Abb. 2.1) üblich.
Fürdas Element Kohlenstoffist die Darstellung 1 Massenzahl Nucleonenzahl
•••
hi"f9lH botop
Ordnungszahl • Protonenzahl
c
Kohlenstoff
' Abb. 2.1 Kennzahlen des Kohlenstoffs- Schreibweise im PSE
4
Grundlegendes
• Das Symbol für das Element Kohlenstoff ist C. In den weiteren Ausführungen werden Kohlenstoffatome stets als C-Atome bezeichnet. • Der Kohlenstoff trägt die Ordnungszahl 6. Damit steht das Element an der sechsten Stelle in der Reihe der Elemente. Die Ordnungszahl gibt an, dass C-Atome 6 positiv geladene Protonen in ihrem Kern und 6 negativ geladene Elektronen in ihrer Hülle besitzen. • Im Atomkern gibt es neben den Protonen die elektrisch neutralen Neutronen. Man fasst die Kernbestandteile auch unter dem Begriff Nucleonen zusammen. Die meisten (-Atome besitzen 6 Protonen und 6 Neutronen. • Es gibt C-Atome mit mehr oder weniger als 6 Neutronen im Kern. Das sind Isotope des Elementes Kohlenstoff, die sich nur in der Zahl der Neutronen unterscheiden. C-Atome mit 6 Neutronen findet man am häufigsten. Das drückt die Sprache der Chemiker in dem Begriff "häufigstes Isotop" für diese C-Atome aus. • Die Massenzahl ergibt sich aus der Addition der Protonen- und der Neutronenanzahl. Sie hat für das häufigste Isotop des Elements Kohlenstoff den Wert 12, denn in den Kernen der 12C-Atome befinden 6 Protonen und 6 Neutronen.
2.3
Die Elektronenhülle des Kohlenstoffatoms
Die 6 Elektronen des Kohlenstoffatoms befinden sich in der Elektronenhülle, die den Atomkern umgibt.
2.3.1 Schalenmodell Eine einfache Darstellung der Elektronenhülle verwendet im so genannten Schalenmodell konzentrisch um den Atomkern gepackte Kugeloberflächen, auf denen die Elektronen(- e· ) angeordnet sind. Oie 6 Elektronen des (-Atoms verteilen sich auf die ersten beiden Schalen der Elektronenhülle (Abb. 2.2). Dabei handelt es sich um eine Modellvorstellung, die nichts mit der räumlichen Realität zu tun hat! Wie jedes Modell stellt es jedoch eine gute Hilfe dar.
5
Oot Htlrtrontnhillle dts l
Atomkern enthält 12 Nucleonen K-Schale mit 2 e· voll besetzt L-Schale mit 4 e· besetzt
•••••••••• •• ••• • •••• ...... ••••••••••••
.........
· .......
.. .. .. • • • •. • ...... ... .. •,
.•• . •• ..
M-Schale leer
.....·. :..... ••
•
...
~ ...
..... ·•·····•·•• . ... • ••••••••••••• #
~
•'
•
.
~
Abb. 2.2: Beschreibung des C-Atoms durch das Schalenmodell
• Die Elektronen einer bestimmten Schale bewegen sich mit einem definierten Energieinhalt um den Atomkern. Oie Schalen repräsentieren also unterschiedliche Energieniveaus. • Die auf der äußersten Schale eines Atoms befindlichen e· heißen Valenzelektronen. Beim C-Atom sind das die 4 e· auf der außen liegenden L-Schale. Sie sind für die Reaktions- und Bindungsmöglichkeiten des (-Atoms Ausschlag gebend. Mittels der 4 Valenzelektronen vermag das C-Atom die oben genannten vier Bindungen zu anderen Atomen auszubilden. 2.3.2 Orbitalmodell
Eine weitaus differenziertere und realistischere Betrachtung der Elektronenhüllen und deren energetischer Eigenschaften bietet das komplexe Orbitalmode/1. auf das an dieser Stelle nur mit wesentlichen Aussagen eingegangen wird: • Elektronen bewegen sich mit einer berechenbaren Wahrscheinlichkeit innerhalb bestimmter räumlicher Strukturen um den Atomkern. Diese Räume sind beispielsweise kugel- oder keulenförmig und heißen Orbitale.
6
Grundl*ndes
• Jedes Orbital steht für ein Energieniveau mit charakteristischen Eigenschaften und kann von maximal 2 e- besetzt werden: Das Orbitalmodell untergliedert die Schalen, die filr die e eines Atoms zur Verfügung stehen, also in verschiedene energetische Zustände. • Die K-Schale weist nur ein Orbital auf. Man nennt es 1s-Orbital. Folglich fasst die K-Schale maximal2 e-. • Oie l-Schale kann insgesamt 8 e- tragen und untergliedert sich in ein 2s-Orbital, das 2 e- aufnehmen kann und drei 2p-Orbitale, die insgesamt 6 e- unterbringen können. • Bei den schweren Atomen mit sehr vielen e· sind bis zu vier Orbitaltypen besetzt: s-, p-, d- und f-Orbitale. • Wichtig: Einfach mit e· besetzte Orbitale stehen zur Ausbildung von Bindungen zu anderen Atomen zur Verfügung. 2.3.3
DasC-Atom in der Orbitalvorstellung
Betrachtet man die 6 e in der Elektronenhülle des C-Atoms unter diesen Voraussetzungen, so lassen sich folgende Schlüsse ziehen: • 2 e füllen das ls-Orbital, das der K-Schale entspricht. • 2 e füllen das 2s-Orbital der l-Schale. • 2 e- sind in den 2p-Orbitalen zu finden. Zur Beschreibung und Veranschaulichung solcher Elektronenkonfigurationen hat sich die Darstellung in der Kästchenschreibweise bewährt (Abb. 2.3). • Ein Kästchen steht für ein Orbital. • Ein Pfeil symbolisiert eine· . ls
2s
2p
Abb. 2.3 Oie Elektronenkonfigur~tion des Kohlenstoff.ltoms 10 der Kdstchenschreibweise
Beachte: • Die 2p-Orbitale werden zunachst einzeln besetzt. • In einem doppelt besetzten (- vollen) Orbital rotieren die e mit entgegen gesetztem Spin (• Drehsinn). Das zeigen die nach oben bzw. unten gerichteten Pfeile an.
7
Die ElektronenhOlle des Kohlenstoffatoms
2.3.4
Hybridorbitale
..Kohlenstoff hat vier Bindungen!" (Kap. 2.1) Diese Beobachtung steht im Widerspruch zu den lediglich zwei einfach besetzten Orbitalen in Abb. 2.3, hatten wir doch für die Ausbildung von Atombindungen, wie sie für (-Atome typisch sind, einfach besetzte Orbitale vorausgesetzt (s. Kap. 2.3.2). Im modellhaften Vorgang der Hybridisierung geht man davon aus, dass sich bei der Bindungsbildung die vier Valenzelektronen in den 2s- und 2p-Orbitalen energetisch vorteilhaft angleichen und vier gleichwertige, einfach besetzte 2q·Hybridorbi· taleausbilden (Abb. 2.4). ls
2q (spl)
Abb. 2.4
Elektronenkonfiguration des (-Atoms nach der Hybridisierung
In den Hybridisierungsvorgang werden also das 2s-Orbital und alle drei 2p-Orbitale einbezogen. Aus diesem Grund heißen die vier resultierenden, einfach besetzten 2q-Orbitale auch sp 3-Hybridorbitale. Die auf diese Weise vorstellbaren, einfach besetzten Orbitale bilden die Voraussetzung, dass in den Verbindungen des Kohlenstoffs vier Atombindungen zu anderen Atomen möglich sind.
2.3.5
Orbitalformen f ür die Valenzelektronen des C-Atoms
Aufwändige Berechnungen haben Modellvorstellungen für die dreidimensionalen Formen von Orbitalen ergeben (Abb. 2.5).
s-Orbital
p-Orbital
sp 3-0rbital
Abb. 2.5
Räumliche Formen der Orbitaltypen 2s, 2p, sp 1
8
GnJndlegendes
Der Atomkern befindet sich im Zentrum des 2s-Orbitals bzw. an den Knotenpunkten der 2p- und sp 3-0rbitale (Abb. 2.6).
durch Hybridisierung
+
ein
drei
Vler
2s-Orbital
2p-Orbitale aller drei Raumrichtungen
sp3-Hybridorbitale
Abb. 2.6 Schematische Darstellung des Hybridisierungsvorgangs
Sehr wichtig: Die vier sp3-Hybridorbitale weisen in die Ecken eines Tetraeders.
9
3
Mehratomige Moleküle Organische Moleküle, die Gegenstand dieses Buches sein werden, enthalten neben dem Kohlenstoff vorzugsweise die Elemente Wasserstoff H, Souerstoff 0, Stickstoff N, SchwefelS und die Halogene Fluor F, Chlor Cl, Brom Br, Iod I.
C-Atome zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich in gewaltiger Anzahl untereinander oder mit den Atomen anderer Elemente verbinden können. Andererseits gibt es auch organische Verbindungen, deren Moleküle sehr wenige Atome vereinen. Betrachtet man die Strukturformeln unterschiedlicher organischer Moleküle, so findet man die Beteiligung von (-Atomen an Einfachbindungen, Doppelbindungen und sogar Dreifachbindungen. • Alle diese Bindungen entstehen durch räumliche Überloppung einfach besetzter Orbitale. Man stellt sich vor, dass sich die beteiligten Orbitale bis zu einem gewissen Grad durchdringen. • Die an den Einfach-, Doppel- und Dreifachbindungen beteiligten Orbitale sind s-Orbitale, p-Orbitale oder Hybridisierungsprodukte aus beiden Orbitaltypen. • Die räumliche Ausrichtung der Bindungen bedingt charakteristische geometrische Strukturen in den Molekülgefügen, die sich auf die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Moleküle auswirken.
3.1
MoLeküle mit Einfachbindungen
C-Atome in Molekülen, die ausschließlich Einfachbindungen aufweisen, befinden sich im Zustand der sp 3-Hybridisierung: Sie sind sp3-hybridisiert. Die Bindungen, die von einem solchen C-Atom ausgehen, weisen in die Ecken eines Tetraeders (Abb. 3.1).
Abb. 3.1
Tetraeder mit 4 Ecken, 4 Flächen und 6 Kanten
10
Mehratorni!Je Molekule
3.1.1
Das Methanmolekül
Methan CH 4 ist die einfachste organische Verbindung. In den Methanmolekülen sind ein C-Atom und vier H-Atome miteinander verknüpft. Wasserstoff
Kohlenstoff
1s
i Abb. 3.2
Kärtchenschreibweise für die an Methan CH, beteiligten Atome
Bei der Ausbildung der vier Bindungen im Methanmolekül überlappen sich demnach die einfach besetzten ls-Orbitale der vier H-Atome mit den vier einfach besetzten sp 3-0rbitalen des C-Atoms (Abb. 3.2 und 3.3).
+
Vler
VJer
vier
1s-Orbitale
spl-Hybridorbitale
Molekülorbitale
C-Atom
Methanmolekül
Abb. 3.3 Entstehung des Methanmoleküls
Wählt man zur Darstellung des Methanmoleküls das Kugel-Stäbchen-Modell, so präsentieren sich die Atome als Kugeln (C-Atom im Zentrum, H-Atome peripher) und die Bindungen als verbindende Stäbe (Abb. 3.4).
11
Moltküle mit Emfllchbindungcn
Methan hat die Summenformel CH,. Der Bindungswinkel zwischen jeweils zwei der Bindungen beträgt 109,47 • und heißt Tetraederwinke/.
Abb. 3.4
Das Methanmotekül - Kugel·Stiibchen·Modetl
3.1.2
Das Ethanmolekül
Im Ethanmolekül verbinden sich zwei C-Atome mit sechs H-Atomen , Die Bindung zwischen den C-Atomen kommt durch Überlappenzweier sp3-0rbitale zustande, die Bindungen zwischen (-Atomen und H-Atomen entstehen wie bei CH,. Die Summenformel für das Ethan lautet C2 H6 • Abb. 3.5 zeigt verschiedene Darstel· lungsmöglichkeiten.
a
b
H
H
I I I HI H
H-C- C - H
Kugel-Stäbchen-Modell
H
c
H
\..c-c.,I
H ,,,,,,.,
H
Strukturformel
d
\ ''''11 H
H
räumliche Strukturformel Abb. 3.5
Verschiedene Da~tellungsmöglichkeiten fiir das Ethanmolekül
Halbstrukturformel
12
Mehratom•9'! Moleküle
Auch das vereinfachte Kugel-Stäbchen-Modell (Abb. 3.5 a) macht deutlich, dass sich die von den (-Atomen ausgehenden vier Bindungen jeweils in die Tetraederecken richten. In der Strukturformel (Abb. 3.5 b) repräsentieren die jeweiligen Elementsymbole die Atomsorte. Die reine Strukturformel stellt eine Verbindung zweidimensional dar und berücksichtigt räumliche Aspekte der Moleküle nicht! Mitunter ist es sinnvoll, räumliche Merkmale in die Strukturformel mit einzubeziehen (Abb. 3.5 c): Bindungen, die sich in der Papierebene befinden, sind einfache Limen. Für Bindungen, die hinter der Papierebene liegen, werden schraffierte Keile verwendet. Bindungen, die aus der Papierebene herausragen, werden als ausgefüllte Keile dargestellt. In einer Halbstrukturformel (Abb. 3.5 d) werden die fü r eine aktuelle Betrachtung bedeutenden Molekülteile mit den Valenzstrichen für die Bindungen formuliert, andere wie in der Summenformel abgekürzt.
3.1.3
a-Bjndungen
Die vier Bindungen im Methanmolekül oder die sieben Bindungen im Ethanmolekül sind a·Bindungen. • a-Bindungen sind Atombindungen, deren Molekülorbitale durch Überlappen zweierjeweils einfach besetzter Orbitale der beteiligten Atome gebildet werden. • Bei den a-Bindungen ist die Verbindungsachse zwischen den beteiligten Atomkernen rotationssymmetrisch von den Molekülorbitalen umgeben. • Die Rotationssymmetrie bedingt die freie Orehbarkeit der Molekülteile um eine a-Bindung. Bisher haben wir Moleküle kennen gelernt, an deren a-Bindungen ausschließlich s-Orbitale oder sp 3-0rbitale beteiligt sind: Methan enthält vier a-Bindungen, deren Molekülorbitale aus den ls-Orbitalen der vier H-Atome und den vier sp 3-0rbitalen des C-Atoms bestehen. AUe Bindungen sind gleich. Im Ethanmolekül gibt es sechs a-Bindungen zwischen C und H wie im Methan und eine a·Bindung zwischen den C-Atomen, an der zwei sp3-0rbitale beteiligt sind. An a-Bindungen können weitere Orbitaltypen wie die sp2 -0rbitale (s. Kap. 3.2.1) und die sp-Orbitale (s. Kap. 3.4.1) beteiligt sein .
13
MolekOte mit Doppelbindungen
3.2
Moleküle mjt Doppelbjndungen
Bisher kennen wir die vier Valenzelektronen des C-Atoms in zwei Zuständen (Abb. 3.6). 1s
2s
2p
@] @] [illJ Grundzustand
sp3-Hybridisierung
Abb. 3.6 Elektronenkonfigurationen des (-Atoms
In den Verbindungen des Kohlenstoffs, in deren Molekülen Doppelbindungen vorkommen, sind die daran beteiligten C-Atome sp1-hybridisiert: In den modellhaften Hybridisierungsvorgang werden das 2s-Orbital und Lediglich zwei der 2p-Orbitale einbezogen, ein p-Orbital bleibt unverändert (Abb. 3.7).
Abb. 3.7 Elektronenkonfiguration des ( -Atoms in der sp2-Hybridisierung
Abb. 3.8 Räumliche Darstellung des (-Atoms in der sp2-Hybridisierung
Die drei sp2 -Hybridorbitale befinden sich in einer Ebene und schließen jeweils 120 -Winkel ein. Das 2p-Orbital steht auf dieser Ebene senkrecht (Abb. 3.8).
14
3.2.1
Mehratom ige Motekiile
Das Ethenmolekül
Im Ethenmolekül verbinden sich zwei (-Atome mit vier H-Atomen (Abb. 3.9). Die Summenformel für das Ethen lautet C2H6•
zwei H-Atome
C-Atom
C-Atom
zwei H-Atome
Abb. 3.9 Entstehung des Ethens aus den Atomen
Die u-Bindung zwischen den C-Atomen kommt durch Überlappenzweier sp 2 -0rbitale zustande. Bei den Bindungen zwischen den (-Atomen und den H-Atomen handelt es sich um a-Bindungen, an denen sp2 -0rbitale und ls-Orbitale beteiligt sind.
3.2.2 rt-Bindungen Die zweite Bindung zwischen den (-Atomen entsteht durch Überlappung der beiden einfach besetzten 2p-Orbitale. Das zugehörige Molekülorbital bildet sowohl über als auch unter der Ebene, in die die Atomkerne eingebettet sind, eine "Wolke", in der sich die beiden bindenden e· aufhalten können. Die entstandene Bindung heißt n-Bindung. Da a·Bindungen keine Rotationssymmetrie bezüglich der Kernverbindungsachse zwischen den ( -Atomen besitzen, ist die freie Drehbarkeit in diesem Bereich des Moleküls aufgehoben!
3.2.3 Zusammenfassung u-Einfachbindungen zeichnen sich durch die freie Drehbarkeit der Molekülreste um die Kern-Kern-Verbindungslinie aus. Tritt bei der Ausbildung einer Doppelbindung eine n-Bindung hinzu, so entfallt die freie Drehbarkeit!
15
Mote•ilte mit Dreifachbindungen
Die sechs Atome im Bereich einer Doppelbindung liegen in einer Ebene und schließen Bindungswinkel von 120° ein.
3.3
Moleküle mit Dreifachbindungen
Schließlich gibt es für (-Atome - neben dem Status der sp 3- und der sp 2-Hybridisierung- einen weiteren Hybridisierungszustand: An den Dreifachbindungen in organischen Molekülen sind C-Atome beteiligt, die sp-hybridisiert sind. In die sp-Hybridisierung gehen das 2s-Orbital und nur noch ein 2p-Orbital ein, zwei p-Orbitale bleiben unverändert (Abb. 3.10). ls
sp
2p
Abb. 3.10
Elektronenkonfiguration des (·Atoms in der sp-Hybridisierung
Abb. 3.11
Raumliehe Darstellung des C-Atoms in der sp-Hybridisierung
Die zwei sp-Hybridorbitale liegen auf einer Linie und schließen einen 180 °-Winkel ein. Ein 2p-Orbital befindet sich in einer Ebene mit den sp-Hybridorbitalen, eines steht auf dieser Ebene in einem Winkel von 90 o . Die beiden 2p-Orbitale stehen also aufeinander senkrecht (Abb. 3.11).
3.4
Das Ethinmolekül
Das Ethinmolekül enthält zwei ( -Atome und zwei H-Atome (Abb. 3.12). Seine Summenformellautet C2H2•
16
H-Atom
Mehrnomlge Moiekote
(-Atom
(-Atom
H-Atom
H- C _ C - H
Ethin Abb. 3.12 Entstehung des Ethi ns aus den Atomen
3.4.1
Bindungsverhältnisse im Ethinmolekül
Die Ausrichtung der sp-Hybridorbitale in den C-Atomen führt zu einer linearen Anordnung aller vier am Ethinmolekül beteiligten Atome: Die Verschmelzung der beiden sp-Orbitale zwischen den C-Atomen auf der einen Seite setzt sich auf der anderen Seite mit der Überlappung der sp-Orbitale mit den ls-Orbitalen der beiden H-Atome fort. Diese insgesamt drei Bindungen sind a-Bindungen. Die an den C-Atomen unverändert gebliebenen p-Orbitale bilden demgegenüber zwei rr.-Bindungen aus: Jeweils die beiden parallel ausgerichteten p-Orbitale überlappen und vereinigen sich im Endeffekt zu einer rotationssymmetrischen .,Wolke", die die o--Bindung zwischen den C-Atomen wie ein Tunnel umgibt. 3.4.2
Zusammenfassung
Eine Dreifachbindung besteht aus einer o-Bindung und zwei n-Bindungen! Um Dreifachbindungen herrscht keine freie Drehborkeit! Die Anordnung der vier Atome im Bereich einer Dreifachbindung ist fineor.
17
4
Kohlenwasserstoffe- Alkane, Alkene, Alkine
Methan, Ethan, Ethen und Ethin sind organische Verbindungen, deren Moleküle ausschließlich C-Atome und H-Atome enthalten. Solche Verbindungen heißen Kohlenwasserstoffe. Kettenförmige Kohlenwasserstoffmoleküle gehören zu den so genannten Aliphaten. Sie werden den ringförmigen Aromaten (s. Kap. 9ff.) gegenübergestellt (Tab. 4.1 ). • Meth~n und Eth~n gehören zur Stofffamilie der Alkane. Alk~ne (s. Kap. 6) enthalten nur Einfachbindungen und sind damit gesättigte Kohlenwasserstoffe. • Eth~n gehört zur Stofffamilie der Alkene. Alk~ne (s. Kap. 7) enthalten in ihren Molekülen mindestens eine Doppelbindung. Sie sind ungesättigte Kohlenwasserstoffe. • Ethin gehört zur Stofffamilie der Alkine. Alkine (s. Kap. 8) enthalten in ihren Molekülen mindestens eine Dreifochbindung. Aus diesem Grund werden auch sie den ungesättigten Kohlenwasserstoffen zugeordnet. Tab. 4.1
Kohlenwasserstoffe- Übersicht
Kohlenwasserstoffe (• KW)
Aliphatische KW Gesättigte KW Ungesättigte K\Y Alkene (s. Kap. 6) Alkene (s. Kap. 7) Alkine (s. Kap. 8)
Aromatische KW (s. Kap. 9ff.)
18
5
Homologe Reihen
Die organischen Moleküle Methan CH 4 (s. Kap. 3.1.1) und Ethan C2 H6 (s. Kap. 3.1.2) unterscheiden sich in der Anzahl der (-Atome um den Wert eins und in der Zahl der H-Atome um den Wert zwei. H
I
H -~ -H H
Methan
f - - M~tllylen· gruppe
H H-
I I H C
H
Etllan
Abb. 5.1 Strukturformeln von Methan, Ethan und Methylengruppe
Betrachtet man die Strukturformeln der beiden Moleküle, so ist beim Ethan eine CHrGruppierung hinzugetreten. Diese Gruppe wird als Methylengruppe bezeichnet (Abb. 5.1). Methan und Ethan sind die beiden ersten Glieder der homologen Reihe der Alkane (s. Kap. 6). • Homologe Reihen chemischer Verbindungen zeichnen sich dadurch aus, dass sich die zugehörigen Stoffe durch das fortgesetzte Hinzufügen einer weiteren Methylengruppe -CHr auseinander entwickeln! • Das erste Glied einer homologen Reihe weist mindestens ein charakteristisches Molekülmerkmal auf, das sich in gleicher Weise in den weiteren homologen Verbindungen mit längeren Kohlenstoffketten wieder findet. • Die Verbindungen einer homologen Reihe ähneln sich in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften und können aus diesem Grund als Stofffamilie betrachtet werden. • Die Namen der Verbindungen basieren auf griechischen oder lateinischen Zahlwörtern.
19
6
Alkane
Alkane sind Stoffe, die sich im Erdgas und im Erdöl finden und somit von enormer wirtschaftlicher Bedeutung sind.
6.1
Homologe Reihe
6. 1. 1 Allgemeine Summenformel Beim Abzählen der Atome in den Alkanmolekülen fällt auf. dass H-Atome und ( -Atome in einem bestimmten numerischen Zusammenhang stehen: Zu jedem C-Atom gehören zwei H-Atome. Die Molekülenden bilden zwei zusätzliche H-Atome. Auf diese Weise ergibt sich die allgemeine Summenformel für die Alkane. Sie lautet:
6.1.2 Nomenklatur unverzweigter Alkanmoleküle Alle Alkane tragen in ihrem Namen die Endungssilbe H-an': Trägt eine Verbindung diese Endung. steht fest, dass die zugehörigen Moleküle nur Einfachbindungen aufweisen. Tab. 6.1 Summenformel und Name filr die Alka ne C1 bis C10
Zahl der C-Atome
Summenformel
Name des Alk-ans
1
CH 4 C2H6 CJHa C4 H10 CsH12 4H,, C7HI6 CaHte CgH2o C1oHzz
Methan Ethan Propan Butan Pentan Hexan Heptan Octan Nonan Oecan
2 3
4
5 6 7
8 9
10
6.1.3 Strukturformeln Mit den Strukturformeln der Alkane Methan CH 4 und Ethan C2H6 haben wir uns bereits vertraut gemacht. Abb. 6.1 zeigt die Alkane von ( 3 bis ( 10 mit den zugehörigen Struktur- und Summenformeln oder in anderen gängigen Darstellungsweisen.
20 H
H
H
I I I I HI HI H
Propan Strukturformel
C3 H8
Butan Strukturformel
C,Hto
~nbn
~H 12
H-C-C-C-H
H
H
H
H
I I I I I HI HI HI H
H-C-C-C-C-H
H
H
H
I I I I I I
HJC-C-C-C-CH3
H
H
Strukturformel verkürzt
H
Hexan
CvH14
Halbstrukturformel mit ausformulierter Methylengruppe Heptln Strukturformel mit Tetraederoptik
C7H16
Octan Halbstrukturformel mit gewinkelter Kohlenstoffi<ette
C8H1a
Octan Skelettformel ohne Atomsymbole
CsH•e
Nonan Halbstrukturformel Klammer verweist auf wiederholte Methyleneinheiten
4Hzo
Decan Halbstrukturformel
C1oH22
stark verkürzt Abb. 6.1 Homologe Reihe der Alkane. 3 bis 10 Kohlenstoffatome. Namen und versch iedene Formeln
21
Vem•eigte A~nmolekiile
Die von den C-Atomen ausgehenden Einfachbindungen weisen alle in die Tetraerlerecken (siehe Kap. 3.1.1): Auf diese Weise entsteht bei höheren Homologen zwischen den C-Atomen eine Zick-zack-Kette aus Einfachbindungen, die das .,Rückgrat" der linearen Alkanmoleküle bildet. Die Ketten liegen jedoch aufgrund der freien Drehbarkeit um die C-C-Verbindungsachsen in der Regel nicht in gestreckter Form vor.
6.2
Verzweigte Alkanmoleküle
Mit der allgemeinen Summenformellassen sich sowohl unvemveigte als auch verzweigte Alkanmoleküle beschreiben: Bereits beim Butan mit vier C-Atomen sind zwei unterschiedliche Kohlenstoffgerüste denkbar (Abb. 6.2). Eines davon enthält ein C-Atom, das drei Bindungen zu anderen ( -Atomen unterhält. Auf diese Weise entsteht ein verzweigtes Molekül. H
H3C -
n-Butan
I I CH3
c -CH3
iso-Butan
Abb. 6.2 Zwei Formen des Butans
Seide Moleküle kommen im Erdgas vor und besitzen die Summenformel C,H 10 , doch sind die Atome im n-Butan (früher: "Normal-Butan") anders miteinander verknüpft als im iso-Butan!
6.2.1 Isomerie Moleküle, die bei gleicher Summenformel räumliche oder strukturelle Unterschiede aufweisen, bezeichnet man als Isomere. Bestehen die Unterschiede in der Abfolge der Atome und Bindungen - der Konstitution des Moleküls - so handelt es sich um Konstitutions isomere. Im Fall der beiden Butane liegt der Unterschied in der Anordnung der Atome und Bindungen: n-Butan und iso-Buton sind folglich Konstitutionsisomere. Konstitutionssomere besitzen unterschiedliche chemische und physikalische Eigenschaften und sind aufgrund dessen mit geeigneten Methoden (z. B. Destillation) voneinander trennbar.
22
Alkane
Nimmt die Zahl der ( -Atome in den Alkanmolekülen zu. werden die Ketten länger bzw. es erhöht sich durch die zunehmenden Möglichkeiten, verzweigte Kohlenstoffketten zu bilden, die Anzahl der möglichen Konstitutionsisomere. Übung: Übertegen Sie, wie viele verschiedene Konstitutionsisomere beim Hexan mit der Summenformel C6 H1, existieren! Lösung: Abb. 6.3. n-Hexan 2-Methylpentan
3-Methylpentan
2.2-Dimethylbutan H3C-CH-CH-CH3
I
CH 3
2,3-Dimethylbutan
I
CH 3
Abb. 6.3 Alle Konstitutionsisomere des Hexans C6H1, mit Namen (vgl. Kap. 6.2.3)
Sind beim Butan C4 H10 nur zwei solcher Isomere existent. so findet man beim Hexan C6 H14 bereits fünf verschiedene Möglichkeiten, die sechs C-Atome zu verknüpfen. Zur Darstellung mehrerer Konstitutionsisomere (• Strukturisomere) eines Alkans verwendet man in der Regel die Halbstrukturformeln, da sie übersichtlicher sind als die Strukturformeln und weniger PlaU beanspruchen. Für das Decan C10Hzz kann man ubrigens insgesamt 75 Strukturisomere formulie ren! Schaffen Sie es, alle einmal aufzuzeichnen?
23
6.2.2
Alkylgruppen
In verzweigten Alkanen gibt es eine Hauptkette aus C-Atomen im Kohlenstoffgerlist des Moleküls. Oaran angeschlossen sind die kürzeren Seitenketten mit einer geringeren Zahl von C-Atomen. Schematisch betrachtet ist eine Seitenkette ein Alkanmalekül, von dem ein H-Atom entfernt wurde.
Das Resultat ist ein Molekülrest der als A/Jcylrest oder Alkylgruppe bezeichnet wird. Der Rest behält seinen von der Kohlenstoffanzahl abgeleiteten Stommnamen, erhält jedoch die Endung H-yl" (Tab. 6.2). Tab. 6.2 Alka ne und Alkylgruppen
Alun
Alkylgruppe
Name Methan Ethan Propan Butan
Name MethylEthylPropylButyl·
6.2.3
Halbstrulcturformet H~ H~-CH2 -
H~-CH 2-
CH2-
H~-fcHlrc~-
Nomenklatur verzweigter Alkanmoleküle
Oie Benennung verzweigter Alkanmoleküle folgt den so genannten IUPAC-Regeln. Sie erlauben eine systematische Vorgehensweise bei der Entwicklung der korrekten Verbindungsnamen und weisen chemischen Verbindungen eindeutige, international verständliche Namen zu. Oie konsequente Anwendung der nachstehenden, allgemein gültigen Regeln ergibt folgerichtig den gesuchten Namen des verzweigten Alkanmoleküls: Ermittle die längste Kohlenstoffkette (• Hauptkette) und benenne sie entsprechend der Anzahl der (-Atome. 2. Benenne die Alkylgruppen der Seitenketten und ordne sie nach dem Alphabet. 3. Ermittle die Anzahl der gleichen Seitenketten und kennzeichne diese jeweils mit den entsprechenden griechischen Zahlwörtern (di·, tri-, tetra,
1.
...) 4. Nummeriere die Hauptkette so, dass die Verzweigungsstellen zwischen der Hauptkette und den Seitenketten kleinstmögliche Zahlenwerte erhalten. Oie Summe der Nummern der C-Atome an den Verzweigungen muss den kleinsten Wert annehmen.
24 Übung: Betrachten Sie die fünf Strukturisomere des Hexans C6 Hl4· Versuchen Sie, die Moleküle mittels der IUPAC-Regeln zu benennen! Lösung: Abb. 6.4. 1
2
3
•
s
I
2
}
4
'
e
H3C-CH2-C~-CH2-CH2-CH3
H3C-CH-CH1-CH2-CH3
I I !H,
n-Hexan 2-Methylpentan
Methytgrupp..:
3-Methylpenta n
CH3 I
l2
3
4
H3C-C-CH2-CH3
I
2,2-Dimethylbutan
CH3 '
l
l
..
H3C-CH-CH-CH3
I
CH3 Abb. 6.4
2,3-Dimethylbutan
I
CH3
Konstitutionsisomere des Hexans C.Hu mit nummerierter Hauptkette
• Die Hauptketten der vier verzweigten, isomeren Hexane (• iso-Hexane) können nach der Nummerierung problemlos benannt werden: Es handelt sich um Pentane und Butane. • Oie Pentane enthalten jeweils nur eine Seitenkette - einen Methylrest. Bei korrekter Nummenerung der Hauptketten heißen die Molekille 2-Methylpentan und 3-Methylpentan. 4-Methy/pentan gibt es nicht! Letzteres ergäbe sich durch eine Nummerierung der Hauptkette in der falschen Richtung. • Oie Butane erhalten die Vorsilbe ..-di• und den Vornamen H-methyiH wegen der beiden strukturell übereinstimmenden Methylseitenketten. Beim 2,3-Dimethylbutan ergäbe eine gegenläufige Nummerierung denselben Molekülnamen. Hier kann man also nichts verkehrt machen. Eine fehlerhafte Nummerierung ist nur beim 2,2-Dimethylbutan denkbar: Falsch ist hier der Name 3,3-Dimethy/butan!
VerlWeigte AlkanmolekOle
6.2.4
25
Van-der-Waals-Kräfte
Alkanmoleküle (ebenso Alken- und Alkinmoleküle) sind unpolar. In einem elektrischen Feld richten sie sich nicht räumlich aus wie beispielsweise die polaren Wassermoleküle H20. Oie Wechselwirkungen und wechselseitigen Anziehungskräfte zwischen unpolaren Molekülen sind damit äußerst gering, doch aufgrund der Dynamik der e- in den Elektronenhüllen der beteiligten Atome nicht zu vernachlässigen: Zeitlich betrachtet ist die Verteilungdere- in den Molekülen nämlich nicht symmetrisch, und in der Folge entstehen für winzige Zeitspannen so genannte spontane Dipole. Diese sehr schwachen Dipole wirken auf die e- von benachbarten Molekülen wiederum anziehend beziehungsweise abstoßend. Dadurch werden die Nachbarmoleküle zu induzierten Dipolen. In der Summe bewirken die geringen gegensätzlichen Ladungen in den spontanen und induzierten Dipolen, dass sich die Moleküle anziehen und ein Zusammenholt zwischen ihnen entsteht. Die elektrostatisch wirkenden Anziehungskräfte zwischen unpolaren Molekülen heißen Van-der-Waals-Kräfte (abgekür2t: VdW-Kräfte). Oie spürbaren Auswirkungen der VdW-Kräfte sind abhängig von der Größe der Moleküloberflöche! Bei Verbindungen mit kleinen, eher kugelförmigen Molekülen wie beispielsweise dem Methan, ist die Oberfläche verhältnismäßig klein, die polarisierenden Wirkungen zwischen den Teilchen gering und der Zusammenhalt durch die VdW-Kräfte in der Folge unbedeutend: Methan liegt also bei Normalbedingungen gasförmig vor, da sich die Moleküle gegenseitig kaum beeinflussen! Langgestreckte Moleküle besitzen eine entsprechend große Oberfläche. Die VdWKräfte können wirksam werden und die Teilchen zusammenhalten: n-Hexan ist bei Normalbedingungen flüssig, Alkane mit noch längeren Kohlenstoffketten sind sogar fest! Oie schwachen VdW-Kräfte wirken sich auf die physikalischen Eigenschaften von chemischen Verbindungen wie Siedepunkt und Schmelzpunkt aus. Übung: Betrachten Sie ein weiteres Mal die fünf Strukturisomere des Hexans (s. Abb. 6.3): a) Schätzen Sie für jedes Alkan die Intensität der zwischen den Molkülen auftretenden VdW-Kräfte ab und ordnen Sie die Verbindungen nach deren abnehmender Wirksamkeit! b) Die Siedetemperaturen der isomeren Hexane liegen bei 50 o , 58 o , 60 o . 63 o und 69 oc. Ordnen Sie den jeweiligen Verbindungen diese Temperaturwerte unter Bezug zur Molekülgestalt zu!
26
Alkane
Lösung: a) b)
Hexan 3-Methylpentan 69 · c 63 "(
6.3
2-Methylpentan 60"(
2,3-Dimethylbutan 58 · c
2,2-Dimethylbutan 5o •c
Eigenschaften der Alkane
Um ein Bild von der fundamentalen wirtschaftlichen Bedeutung der Alkane zu gewinnen, ist es sinnvoll, sich einen Überblick über die Eigenschaften der Stoffgruppe zu verschaffen. 6.3.1
Schmelz- und s;edetemperaturen
Die Auswirkungen der VdW-Kräfte sorgen bei den Alkanen dafür, dass uns Verbindungen dieser homologen Reihe bei Raumtemperatur in allen drei Aggregatzuständen- gasförmig, flüssig, fest- begegnen (Tab. 6.3). Tab. 6.3
Physikalische Eigenschaften ausgewählter n·Alkane Summenformel
CH 4 (zH6 ~Hto
4Ht, CaHta C10H22 CtzH26 Ct6Hl, CzoH,2
Name
Methan Ethan Butan Hexan Octan Decan Dodecan Hexadecan Eicosan
Schmelzpunkt ( "C)
-183 -172
-138 -95 - 57 -30 -10 18 36
Siedepunkt ( "C)
- 162 -89 0 69 126 174
216 280 344
Aggregatzustand
bei Raumtemperatur gasförmig gasförmig gasförmig dünnflüssig dünnflüssig flüssig flüssig zähflüssig fest
Die Schmelz- und Siedetemperaturen der n-Alkane nehmen mit der Anzahl der C-Atome bzw. der Kettenlänge kontinuierlich zu. Diese Gesetzmäßigkeit bestimmt die Verwendungsmöglichkeiten der einzelnen Verbindungen und hat zur Einteilung in niedere, mittlere und höhere Alkane geführt (Tab. 6.4 ).
27
Eigenschaften der Alkane
Tab. 6.4 Einteilung der Alkane von C1 bis C?o· Vorkommen und Verwendung
Verbindungen
Vorkommen Verwendungsbelspiele
6.3.2
niedere Alkane Methan Ethan Propan Butan Erdgas Brennstoff zum Heizen und Kochen, früher auch für die Beleuchtung
mittlere Alkane Pentan Hexan Heptan Octan Erdöl Heizmaterial Treibstoff
höhere Alkane Nonan Oecan bis Eicosan Erdöl Schmier- und Motoren öle, Inhaltsstoffe für Haushalts- und Kosmetikprodukte
v;skosität
Oie Viskosität istein Maß für die Leicht- oder Zähflüssigkeit eines flüssigen Stoffes. Dünnflüssige Stoffe besitzen eine geringe Viskosität. Ist das Fließverhalten eines Stoffes schlecht und seine Zähflüssigkeit stark ausgeprägt, so besitzt dieser Stoff eine hohe Viskosität. Bei den flüssigen Alkanen nehmen mit der Kettenlänge die VdW-Kräfte und folglich die Anziehungkräfte zwischen den Molekülen zu. Damit einhergehend steigt auch die Viskosität der Verbindungen. Auf der hohen Viskosität der Alkane ab Oecan beispielsweise beruht deren Anwendung als Schmiermittel.
6.3.3 Löslichkeit .,Ähnliches löst sich in Ähnlichem !" Für die unpolaren Alkanmoleküle bedeutet das eine uneingeschränkte Löslichkeit in anderen flüssigen Alkanen und völlige Unlöslichkeit in polaren Lösungsmitteln wie Wasser. Im ersten Fall können sich die hinsichtlich der Polarität gleichartigen Moleküle miteinander mischen und umgeben, da die VdW-Kräfte zwischen den Teilchen gewissermaßen Hvermitteln". Im zweiten Fall erfolgt keine dauerhafte Durchmischung der polaren und unpolaren Moleküle, da sich die Teilchensorten abstoßen. Oie Dichte aller Alkane liegt unter der von Wasser (Dichte von H20 • lg · cm"3). Deswegen ist nach der zwangsläufigen Auftrennung eines Alkan-Wasser-Gemisches das Alkan stets in der oberen Schicht enthalten. Unpolare Stoffe, die sich wie die Alkane nicht in Wasser zu lösen vermögen, bezeichnet man als hydrophobe Stoffe. Gut wasserlösliche Eigenschaften werden hingegen hydrophilgenannt
28
6.3.4
Brennbarkeit
Alle Alkane sind brennbar. Bei der Verbrennung entstehen bei ausreichender Zufuhr von Sauerstoff (0 2) als Reaktionsprodukte Kohlendioxid (CO~) und Wasser. Niedere Alkane sind sehr leicht entzündlich und brennen mit fast farbloser, russfreier Flamme. Mit zunehmendem Kohlenstoffgehalt der Moleküle bei den mittleren Alkanen werden die Rammen gelber und rußen stärker, da die Kohlenstoffgerüste durch mangelnde 0 2-Verfügbarkeit nicht gänzlich in das farblose C02-Gas überführt werden. Da sich über Alkanflüssigkeiten ein luft-Alkangemisch bildet. ist eine relativ leichte Entzündung möglich. Höhere Alkane müssen über brennende Dochte geschmolzen und fein verteilt auf ihre hohen Entzündungstemperaturen gebracht werden, um eine Flamme erhalten zu können .
6.3.5 " Energieträger " Der Energieinhalt der Alkanmoleküle kann über deren Verbrennung freigesetzt und nutzbar gemacht werden. Diese Eigenschaft hat zu einem beispiellosen Fortschritt in der technologischen Entwicklung der Menschheit geführt. Komplex verflochtene Industriezweige sind vom Erdöl, das die Alkane zum Großteil liefert, abhängig.
6.4
Reaktionsverhalten der Alkane
Oie unpolaren Alkane sind reaktionsträge Verbindungen: Mit aggressiven Agenzien wie beispielsweise Salzsäure (HCl) oder Kaliumpermanganat (KMn0 4) gehen sie keine merkliche Reaktion ein. Das hat ihnen den vom lateinischen Ausdruck ,.par affinis" (sinngemäß: reaktionsträge) abgeleiteten Namen Paraffine eingebracht, der noch heute mitunter Erwähnung findet.
6.4.1
Halogenalkane
Unter Lichteinwirkung hingegen reagieren Alkanmoleküle mit gasförmigen Halogenen wie Chlor CL2 oder Brom Br2• Die Produkte dieser Halogenierungsreaktionen heißen Halogenolkone. Diese Verbindungen enthalten neben C-Atomen und H-Atomen Cl- oder Br-Atome (Abb. 6.5).
Methan
Chlor
Chlormethan
Chlorwasserstoff
Abb. 6.5
Halogenierung von Methan durch Chlor
Eine ganze Reihe von Halogenkohlenwasserstoffen ist in der Vergangenheit durch ihre Umweltschädlichkeit in Verruf geraten: Fluorchlorkohlenwasserstoffe ,.FCKW", Dichlor-diphenyl-trichlorethan ,.DDT", Hexachlorcyclohexan "lindan", das 2,3, 7,8Tetrachlordibenzo-p-dioxin .. Dioxin" und andere.
Reaktionsverhalten d~r Alkane
29
6.4.2 Reaktionsmechanismus der Halogenierungradikalisehe Substitution Der Verlauf der Halogenierungsreaktion lässt sich in einem so genannten Reaktionsmechanismus übersichtlich darstellen: Dabei wird der Gesamtverlauf in Einzelabschnitte aufgegliedert, um die Vorgänge der Auflösung und Neubildung von Bindungen in den reagierenden Molekülen sozusagen in ,.Zeitlupe" betrachten und verstehen zu können. Reaktionsmechanismen werden in der Organischen Chemie häufig formuliert, um den Ablauf komplizierter oder mehrschrittiger Reaktionen aufzuhellen. Bei der Halogenierung von Alkanen - im Beispiel wird Methan chloriert - formuliert man einen Reaktionsmechanismus, der in drei Abschnitte gegliedert ist:
Startreaktion:
Durch die Belichtung des Alkan-Chlor-Gemisches wird in den Chlormolekülen die Bindung zwischen den Chloratomen -in der Mitte - homolytisch gespalten, d. h. jedes Chloratom besitzt anschließend ein einzelnes ungepaartes e·. Ein solches Teilchen heißt Radikal. C l- C l
Ct·
'Cl
Chlorradikale
Chlormolekül
Reaktionskette:
+
Radikale sind außerordentlich reaktive Teilchen und suchen die Beteiligung an neuen Bindungen. Vor allem die aggressiven Chlorradikale sind bestrebt, anderen Molekülen Atome zu entreißen. Dies geschieht beispielsweise mit einem Wasserstoffatom des Methanmoleküls. Letzteres wird in der Folge seinerseits zum Radikal. H
H Ct·
+
I
H-C-H
H-CI
I
H
Methan
Chlorwasserstoff
+
I I H
·e-H
Methylradikal
30
Alkane
Im Reaktionsgemisch ergeben sich Folgereaktionen- sie werden als Kettenfortpflanzungsreaktionen bezeichnet: H
H
I I H
·e-H +
Cl-Cl
I I H
H-C-CI
+
·Cl
Chlormethan und:
H
Cl·
I I H
H-C-H
+
usw.
Abbruchreaktionen: Unterbricht oder beendet man die Belichtung, so kommt die Reaktionskette zum Erliegen, denn die im Gemisch vorhandenen Radikale können ihre einzelnen e- in gemeinsame Elektronenpaarbindungen einbringen: Aus zwei Radikalen entsteht ein Molekül! Cl·
auch:
+
·Cl
H
Cl-Cl
H
H
I I H
I I H
H-e· + ·e-H
H
I I I HI H
H-C-C-H
Ethan
und:
H
H
I I H
H-C·
+
·Cl
H-!-cl
I
H
Konformationen des Ethanmoleküls - Konformationsbomerie
31
Zusammenfassung: • Bei einer Halogenierungsreaktion werden Wasserstoffatome von Alkanmolekülen durch Halogenatome ersetzt. Man spricht von einer Substitutionsreaktion (lat. substituere .. ersetzen). • Da Radikale eine wichtige Rolle bei dieser Reaktion spielen, wird speziell der Name radikalisehe Substitution verwendet. • Schreitet die Reaktion fort, so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Halogenradikale auf bereits halogenierte Alkanmoleküle treffen: Es kommt durch Mehrfach· substitution zur Bildung mehrfach halogenierter Alkanmoleküle, die dann z. B. durch Destillation voneinandergetrennt werden müssen. Im obigen Beispiel wä· rendas die Verbindungen Di·, Tri· oder sogar Tetrachlormethan.
6.5
Konformationen des EthanmolekülsKonformationsisomerie
Das Ethanmolekül C2H6 kennen wir bereits aus Kap. 3.1.2 (Abb. 6.6). C·C·Bindungsachse
Abb. 6.6 Kugel-Stäbchen-Modell des Ethanmoleküls. H-Atome in unterschiedlicher Farbgebung
Dreht man das Modell um 90 o aus der Papierebene heraus, kann man senkrecht auf die C-C·Bindungsachse blicken. Die C-Atome überdecken sich in dieser Perspektive. Die H-Atome - die blauen gehören zum vorne liegenden C·Atom, die weißen zum hinten gelegenen - können aufgrund der freien Orehbarkeit um die C-C·Bin· dungsochse alle Positionen zwischen maximalem Abstand zueinander und vollkommener Überdeckung einnehmen (Tab. 6.5).
32
Alkane
Tab. 6.5
Verschiedene Konformationen des Ethans und ihre Darstellung
Gestaffelte Konformation
dazwischenliegende
Ekliptische Konformation
Konformation
Aufsicht auf das KugelStäbchenModell Newman-
~~~H
Projektion
HH ~Säge
bock·Schreibweise H
H
H
H
H
,.auf Lücke·
Oie Rotation um die o-Bindung (s. Kap. 3.1.3) zwischen den beiden C·Atomen geschieht im Ethanmolekül bei Raumtemperatur fortwährend . Oie räumlichen Strukturen, die das Ethanmolekül dabei durchläuft, heißen Konformationen. Die gestaf· feite und die ekliptische Konformation bilden dabei zwei besonders markante Konformationsisomere (Konformere) des Ethans. Bei der gestaffelten Konformation haben alle H-Atome maximalen Abstand voneinander und stoßen sich minimal ab. Aus diesem Grund ist diese Konformation energetisch bevorzugt. Bei der Konformationsisomerie unterscheiden sich die einzelnen Isomere lediglich in der Position der Molekülteile im Raum. An der Konstitution (s. Kap. 6.2. 1) ändert sich nichts. Diese Isomere sind im Gegensatz zu Konstitutionsisomeren nicht mit den gängigen Trennungsmethoden voneinander isolierbar.
33
Cydoalk.lne
6.6
Cycloalkane
Es gibt neben den kettenförmigen und verzweigten Alkanen ringförmige A/kanmoleküle, die man sich aus dem Wegfallen der beiden endständigen H-Atome eines n-Alkans und einem darauf folgendem Ringschluss entstanden denken kann. 6.6. 1 Homologe Reihe
Da ein Cycloalkan mit einer festgelegten Anzahl von C-Atomen über zwei H-Atome weniger verfügt als das entsprechende n-Alkan, lautet die allgemeine Summenformel:
Sehr häufig verwendet man bei der Abbildung der Strukturformeln von Cycloalkanen (Tab. 6.6) eine vereinfachte, Platz sparende Version, die lediglich die C- C-Bindungen zeigt und auf die H-Atome völlig verzichtet. Um zu betonen, dass die Bindungslängen in den Cycloalkanmolekülen alle gleich lang sind, greift man auf regelmäßige Vielecke zurück. Das erste Glied der homologen Reihe bildet das Cyclopropan C3H6 • Da dessen Bindungswinket zwischen den C-Atomen wesentlich vom Tetraederwinkel abweichen, ist das Molekül gespannt und dementsprechend weniger stabil. Je instabiler eine Verbindung ist desto niedriger ist tendenziell ihr Schmelzpunkt (s. Tab. 6.6). Auch Cyclobutan C4H8 und Cyclopentan C5 H10 weisen aufgrundder geringeren Bindungswinket Spannungen im Molekülgefüge auf. Spannungsfrei ist das Cyclohexan C6 HIZ, da dessen C-C-Bindungen Tetraederwinkel einschließen. Diese Verbindung schmilzt daher knapp über dem Nullpunkt. Tab. 6.6
Cycloall
Name
Summenformel
Cyclopropan
C1H6
Cydobutan
C4H8
Cyclopentan
CsHto
vereinfachte Strukturformel
D
D
0
• Schmelzpunkt
I in "C -127
-80 -93
34
Alkane
Name
Summenformel
Cydohexan
C6Hsz
Cycloheptan
C,Hl,
Cyclooctan
CeHI6
6.6.2
vereinfachte Strukturformel
0 0 0
Schmelzpunkt in C +6,4
-12
+14
Wichtige Konformere des Cyclohexons
Eine andere gebräuchliche Möglichkeit, z. B. das Cyclohexanmolekül C6 H12 abzubilden, bietet die Halbstrukturformel (Abb. 6.7).
Abb. 6.7
Cyclohexan
Jedoch ist das Cyclohexanmolekül aufgrund der von den (-Atomen ausgehenden Bindungen, die alle in die Tetraederecken weisen, nicht eben gebaut, und der freien Drehbarkeit um die a-Bindungen zwischen den C-Atomen ist wegen des Ringschlusses eine Grenze auferlegt. Aus diesen Gründen nimmt das Molekül zwei räumliche Anordnungen - Konformationen- bevorzugt ein: Man bezeichnet sie als Sessel- und Wannenform (Tab. 6.7).
35
Cydoalkant
Tab. 6.7 Cyclohexa n C6 H12 - markante Konformere
Sesselform
Räumliche, vereinfachte Strukturformel Oie keilförmig und fett dargestellten Bindungen weisen vor die Papierebene.
Wannenform H
H
r )(
H
H
H
H
H
~
H "-...
I
H
J _:..\H
H H H
H
H
H H
H H
C- C-Bindungen Oie gestrichelten Linien verdeutlichen die räumliche Form.
~ J \,--'>---L-~-',-J,
Bei der Sesselform haben alle H-Atome den größtmöglichen Abstand voneinander, die Anordnung in Wannenform fü hrt bei den beiden nach innen gerichteten H-Atomen zur Abstoßung. Die Übergangszustände zwischen Sessel- und Wannenform führen zu den so genannten twist-Varianten. letztere sind durch die entstehenden Spannungen im Molekülgefüge energetisch benachteiligt. Übung: Vergleichen Sie die Schmelzpunkte der Cycloalkane in Tab. 6.6. Erklären Sie, warum der Schmelzpunkt des Cye:lohexans vergleichsweise hoch liegt! Denken Sie dabei an die räumlichen Gegebenheiten beim Cyclohexanmolekül. Lösung: Mit steigender Temperatur erhöhen die Teilchen eines Feststoffs ihre Schwingung um ihre definierte Position im Feststoffgefüge. Beim Erreichen der Schmelztemperatur ist die Eigenbewegung der Teilchen so stark geworden, dass die geordnete Struktur zusammenbricht. Beim Cyclohexan geschieht dies erst nach einer vergleichsweise hohen Energiezufuhr. Das erklärt sich aus der Anordnung der Moleküle im festen Zustand: Beim "Gefrieren" des Cyclohexans haben sich die ringformigen Moleküle vorzugsweise in der sehr regelmäßigen Sesselform (vgl. "Stapelstühle") ins Feststoffgitter eingeordnet. Es besteht also ein hoch geordneter Zustand, der sich energetisch als recht stabil erweist. Die Moleküle können ihre Position erst bei höheren Temperaturen verlassen, als dies bei anderen Cycloalkanen der Fall ist. Insgesamt steigen innerhalb der homologen Reihe die Schmelztemperaturen, da sich Größe und Gewicht der Moleküle auswirken.
36
7
Alkene
Eine weitere Gruppe von Kohlenwasserstoffen zeigt sich wesentlich reaktionsfreudiger als die Alkane. Es handelt sich um Verbindungen, die in ihren Molekülen mindestens eine Doppelbindung (s. Kap. 3.2) aufweisen. Man nennt sie Alkene. Da Alkenmoleküle nicht die maximal mögliche Anzahl von H-Atomen enthalten, gehören sie zu den ungesättigten Kohlenwasserstoffen.
7.1
Homologe Reihe
Alkenmoleküle mit einer Doppelbindung haben die Summenformel
Die Namen der Moleküle leiten sich von denen der Alkane ab, enden jedoch mit der Silbe H-en". Das erste Glied der homologen Reihe ist Ethen C2 H, (s. a. Kap. 3.2.1).
7. 1.1 Eigenschaften der Alkene • Niedere Alkene mit bis zu vier C-Atomen - Ethen C2 H4, Propen C3H6, Buten C4 H8 - sind bei Raumtemperatur und normalem Luftdruck gasförmig, farblos und nahezu geruchlos. • Die Schmelz- und Siedetemperaturen sind denen der entsprechenden Alkane insgesamt ähnlich, die VdW-Kräfte (s. Kap. 6.2.4) spielen beim Übergang zwischen den Aggregatszuständen auch bei Alkenmolekülen eine wichtige Rolle. • Alkene lösen sich ineinander, in Wasser ist ihre Löslichkeit unwesentlich. • Oie Verbrennung an der Luft erfolgt mit leuchtender und stark rußender Flamme.
7.1.2 Nomenklatur und Konstitutionsisomerie Die Regeln der IUPAC-Nomenklatur gelten für die Benennung von Alkenmolekülen genauso wie für die der Alkane (s. Kap. 6.2.3). Zusätzliche Berücksichtigung muss bei einer korrekten Bezeichnung allerdings die Position der Doppelbindung finden. für die sich bereits beim Buten C4H8 zwei Möglichkeiten ergeben {Abb. 7.1).
1-Buten Abb. 7.1
Zwei Konstitutionsisomere des Butens
2-Buten
37
cis-tr~ns-lsomerie- Konfig~rationsisomerie
Oie Nummerierung der C-Kette muss so erfolgen, dass die Lage der Doppelbindung die kleinstmögliche Zahl erhält. Sie wird dem Namen vorangesteUt. 1-Buten und 2-Buten sind Konstitutions- bzw. Strukturisomere (s. Kap. 6.2.1). Übung:
Bei genauer Betrachtung erschließt sich ein drittes, verzweigtes Strukturisomer mit derselben Summenformet C4 H8 • Zeichnen Sie dessen Formel! Lösung: Abb. 7.2.
2-Methylpropen Abb. 7.2 2-Methylpropen- drittes, strukturisomeres Buten
Mit den bisher erworbenen Kenntnissen lassen sich demnach bezüglich der Summenformel C4H8 drei isomere Alkenmoleküle unterschiedlicher Konstitution formulieren! Beachten Sie: Cyclobutan besitzt ebenfalls die Summenformet C4H8 und bildet damit ein weiteres Konstitutionsisomeres, allerdings aus der Stoffgruppe der Cycloalkane!
7.2
ds-trans-Isomerie- Konfigurationsisomerie
Um die C·C-Ooppelbindung gibt es aufgrund der rr-Bindung (s. Kap. 3.2.2) keine
freie Orehbarkeit. Diese Tatsache bewirkt beim 2-Buten, dass das Molekül in zwei stabilen, räumlichen Anordnungen existiert (Abb. 7.3). H
H
"-c=c/
/ 2
CH3
1
/~H,
/~=;,
,,
H3C
H' H3C
H
4
cis-2-Buten
trans-2-Buten
Abb. 7.3 Konfigurationsisomere des 2-Butens
Befinden sich die beiden Methylgruppen rechts und links der Doppelbindung auf derselben Seite. so handelt es sich um das cis-2-Buten (Lat. cis • diesseits). Liegen
38
Alk~n~
~ich
die Methylgruppen gegenüber, so liegt das trans-2-Buten (lat. trans .. jenseits) vor. Im Bereich der Doppelbindung ist das Molekül planar - d. h. eben - gebaut, und die Bindungswinkel an den (-Atomen betragen 120 °. Insgesamt gibt es also vier isomere Butenmofeküle! ds-2-Buten und trans-2-Buten, die beiden räumlich unterschiedlichen cis-transIsomere sind nicht wie Konformere (s. Kap. 6.5) durch Drehen von Molekülteilen ineinander zu überführen: Moleküle gleicher Summenformel und übereinstimmender Konstitution, die sich dauerhaft räumlich voneinander unterscheiden lassen, bezeichnet man als Konftgurationsisomere. Diecis-trans-Isomerie ist eine Form der Konfigurationsisomerie (s. a. Kap. 21) Abb. 7.4 zeigt die Konstitutions- und Konfigurationsisomere von ~H 8 . Isomere der Formel C4 H8
4
Konstitutionsisomere: 1-Buten 2-Buten 2-Methylpropen Cyclobutan
2 Konfigurationsisomere: cis-2-Buten trans-2-Buten
Abb. 7. 4 Übersicht Ober die Isomere von ( 4 H1
7.3
Additionsreaktionen
Oie Doppelbindungen in den Alkenmolekülen sind Bereiche erhöhter Reaktionsbereitschaft. Hier setzt der chemische Vorgang an, der unter Anlagerung von neuen Teilchen zur Auflösung der Doppelbindung führt: Aus den Molekülen einer ungesättigten Verbindung - mit einer oder mehreren Mehrfachbindungen - kann so eine gesättigte Verbindung - mit nur Einfachbindungen - entstehen. Der Vorgang der Anlagerung trägt den Namen Additionsreaktion. Additionsreaktionen sind für Alkenmolelüle besonders typisch. Sie gelingen mit verschiedenen Reaktionspartnern.
39
Additionsreaktionen
7.3.1
Elektroph;te Addition an Ethen
Durch die vier an der Doppelbindung beteiligten Elektronen ballt sich im Bereich zwischen den C-Atomen des Ethens die negative Ladung. Ein externes Molekül, das sich der negativen Ladungswolke nähert, erfahrt durch Abstoßung seiner gleichnamigen oder Anziehung seiner entgegen gesetzten Ladungen eine Polarisierung. Letztere ermöglicht im Endeffekt den Auftakt einer Additionsreaktion. Besonders genau kennt man den Mechanismus (zu .,Reaktionsmechanismen" s. a. Kap. 6.4.2) der Additionsreaktion von Brom an Ethen, die als Produkt 1,2-Dibromethan liefert: Bt
H
I I I I
H - C -C- H H
Ethen Annäherung:
Brom
Br
1,2-Dibromethan
Ein Brommolekül nähert sich der Doppelbindung und wird durch deren hohe negative Ladungsdichte und die Abstoßung der eigenen e so polarisiert, dass auf der dem Ethen zugewandten Seite eine positive Teilladung ö• entsteht. In der Folge ziehen sich beide Teilchen an und treten in Wechselwirkung miteinander.
H"-c /H
II
+
/c"-
H
elektrophiles Teilchen, Dipol
IBr-Brl
H
Der induzierte Dipol aus dem Brommolekül ist elektrophil, da er von den Elektronen der Doppelbindung angezogen wird! Spaltung:
Die Verschiebung der e· im Brommolekül fUhrt zu dessen Spaltung, und es entsteht auf der ,.Ethenseite" als Übergangszustand ein positiv geladenes, cyclisches Bromoniumion, auf der anderen Seite ein negativ geladenes Bromidion. +
+
Bromoniumion
IBrl
Bromidion
Rückseitenangriff
Das Bromidion bildet, von der Rückseite des Bromoniumions kommend, seinerseits eine Bindung zu einem der C-Atome aus. H
--
IBrl
\;.._
I I - I
H-C-Brl
lßr-C-H H
1,2-Dibromethan Im Zuge dieser Bindungsbildung verschwindet das Bromoniumion, und das "erste" Br-Atom unterhält letztendlich ebenfalls eine Einfachbindung zum anderen C-Atom.
7.3.2 ElektrophUe und nucleophile TeUchen Additionsreaktionen an die Doppelbindung von Alkenmolekülen weisen viele typische Elemente auf, die in organisch-chemischen Abläufen allgemein eine wichtige Rolle spielen: • Efektrophif (• elektronenliebend) sind Teilchen, die sich zu geballter negativer Ladung hingezogen fühlen: Bei der Addition von Brom bildet das polarisierte Brommolekül das so genannte Elektrophil. • Ein elektrophifer Angriff erfolgt von einem elektrophilen Teilchen auf die negative Ladung eines weiteren Teilchens: Dieser geschieht bei der Bromaddition bei der Annäherung an die Doppelbindung im Zuge der Bildung des Bromoniumions. • Nucleophi/ (• kernliebend) ist ein Teilchen, das sich vorzugsweise zu positiven Ladungen hinbegibt: Betrachten wir die obige Additionsreaktion, handelt es sich beim Bromidion mit seiner negativen Ladung um ein Nucleophil. das zum Bromoniumion hingezogen wird. • Ein nucfeophiler Angriff geschieht auf Zentren positiver Ladung in einem weiteren, an der Reaktion beteiligten Teilchen: Im Fall der Bromaddition ist das der Rückseitenangriff des Bromidions auf das Bromoniumion. • Oie elektrophile Addition erhielt diesen Namen, da die erste Wechselwirkung während des Reaktionsverlaufs auf ein Elektrophil zurückzuführen ist.
41
8
Alkine
Oie dritte homologe Reihe von Kohlenwasserstoffverbindungen zeichnet sich durch das Vorhandensein von mindestens einer Dreifachbindung (s. Kap. 3.3) in ihren Molekülen aus: Es handelt sich um die Stoffgruppe der Alkine, deren Moleküle ebenso wie die Alkenmoleklile ungesättigten Charakter besitzen und aus diesem Grund eine erhöhte Bereitschaft zu Additionsreaktionen (s. Kap. 7.3) aufweisen. Oie Endung für die Alkine ist"-in", die allgemeine Summenformel lautet:
8.1
Ethin -ein bedeutsames Alkin
Ethin C2 H2 bildet das erste Glied in der homologen Reihe der Alkine. Seine Molekülstruktur ist linear, die Bindungswinkel betragen 180" (s. Kap. 3.3). Es ist bei Raumtemperatur gasförmig und riecht schwach süßlich. Ethin heißt auch Acetylen und ist eine wichtige Ausgangsverbindung für weitere organische Stoffe. Die großtechnische Herstellung erfolgt über Pyrolyse oder auch die Oxidation von Methan aus Erdgas (Abb. 8.1). H
I I
4 H-
eH
Methan
H
+
302
2 H - e - e - H + 6 H;P
Ethin Acetylen
Abb. 8.1
Ethinsynthese
8.1.1
Additionsreaktion an die Dreifachbindung
Übung: Betrachtet wird die Addition (vgl. Kap. 7.3) von Brom an Ethin. a) Formulieren Sie die Reaktionsgleichungen (kein Mechanismus erforderlich!), die über erste Produkte mit Doppelbindungen zu einem Endstoff mit Einfachbindungen führen! b) Benennen Sie alle Produkte korrekt nach den IUPAC-Regeln für die Nomenklatur!
42
Alkine
Lösung fur a) und b): Additionsschritt 1: H
H-c==c-H •
IBr - Brl -
Br
"'-c= c/
-
/
Br
"'
H
trans- 1 ,2-Di brometh~n
H
H
"'
oder "'-c=c/ Br
/
Br
cis-1,2-Dibrometh~n
Additionsschritt 2: IBrl
trans-1.2-Dibromethen. cis-1,2-Dibromethen
-
-
+ IBr-!!!l
IBrl
I I I I IBrl IBrl
H-C- C-H 1,1,2,2-Tetrabromethan
8.1.2 Acetylen als Schweißgas Ethin oder - wie es im technischen Umfeld noch immer bezeichnet wird - Acetylen verbrennt an der Luft mit stark rußender Flamme, Ethin-Luft-Gemische sind explosiv. In Schweiß- und Schneidbrennern verbrennt man Acetylen und Sauerstoff - aus Druckflaschen kommend - gezielt gemeinsam: Dadurch erhält man eine kaum rußende, sehr helle und heiße flamme, deren Temperatur bis zu 3000 ° ( beträgt. Unter diesen Flammentemperaturen schmelzen Stahl und andere Metalle wie Eisen, Kupfer, Nickel, Aluminium oder auch Metalllegierungen wie Messing (Kupfer und Zink) und Bronze (Kupfer und Zinn). Mit dieser Methode können Metolle sowohl zerschnitten als auch miteinander verbunden werden.
8.2
Acetylide
Bemerkenswerte Metallsalze des Ethins erhält man, wenn man das Gas durch ammo· niakalische (• alkalische) Metallsalzlösungen leitet: Oie H-Atome werden durch die alkalische Lösung als positiv geladene W-Ionen vom Ethinmolekül abgespalten, und das verbleibende, zweifach negativ geladene Ion (C-C] 2• bildet Ionenbindungen zu den positiv geladenen Metallionen aus. Die Acety/ide, so heißen die Metallsalze des Ethins, sind schwer löslich und fallen aus der reagierenden Lösung als Niederschlag aus. Im trockenen Zustand sind sie höchst explosiv! Diese Eigenschaft begründet den Einsatz von Silberacetylid Ag 2[C=C] und Kupferacetylid Cu 2(C=C] als Initialsprengstoffe!
43
9
Aromatische Verbindungen
Die so genannten Aromaten bilden eine gewaltige, mehrere Millionen verschiedener Verbindungen umfassende Stoffgruppe. Ihre übergeordnete Bezeichnung wurde zu einer Zeit vergeben, in der man chemische Stoffe noch gemäß ihrer sinnlichen Eigenschaften wahrnahm, klassifizierte und auch benannte: Die ersten bekannten Vertreter fielen tatsächlich durch einen intensiven ,.aromatischenH Geruch auf. Verbindungen mit ,.aromatischem Charakter" zeichnen sich durch ein besonderes chemisches Verhalten aus, das sich von dem der Alkane, Alkene und Alkine deutlich unterscheidet. Dessen ungeachtet fanden sich in einer Vielzahl der aromatischen Verbindungen Moleküle, die ausschließlich aus C-Atomen und H-Atomen aufgebaut waren - somit gehörten diese doch eigentlich zu den Kohlenwasserstoffen! lange Zeit rätselte man aus diesen Gründen über den strukturellen Aufbau der aromatischen Moleküle. Im Jahr 1865 schlug der deutsche Chemiker August Kekule von Strodonitz ftir das bereits bekannte und erforschte ,.aromatische" Benzol C6H6 eine sensationelle Variante einer Strukturformel vor: Oie sechs (-Atome sollten ein ringförmiges Molekül bilden, in dem sich Doppel- und Einfachbindungen abwechseln (Abb. 9.1). H
I
H" /C~ /H
c
c
II
H
I
/c,~c'-... C
I
H
H
Benzol Hl ,3,5-Cyclohexatrien" Abb. 9.1 Struktutformel für das Benzolmolekot nach A. Kekule
Verfeinerungen der Kekule-Vorstellungen zur Strukturformel des Benzols bestätigten die Ringform und vermochten auch die mangelnde Bereitschaft der Verbindung zur Additionsreaktion und das spezielle Reaktionsverhalten zu erklären. Der .. BenzolringH findet sich als strukturelles Element in allen aromatischen Verbindungen. Die Aromaten sind wichtige Ausgangsstoffe, beispielsweise für ArzneimitteL Kunststoffe und Farbstoffe.
44
10
Benzol
Die im 19. Jahrhundert aufkommende Straßenbeleuchtung der im Zuge der Industriellen Revolution rasant wachsenden Städte wurde mit so genanntem "Leuchtgas" unterhalten. Dieses wurde in den Gaswerken bereitgestellt indem dort Steinkohle unter Luftabschluss erhitzt wurde. Der Physiker Michael Faraday isolierte die angenehm riechende Flüssigkeit erstmals 1825 bei seinen Experimenten mit dem .. Leuchtgas~ Justus von Liebig benannte die Verbindung 1834 als Benzol. Da die Endung "-olN in der IUPAC-Nomenklatur jedoch für die Stoffklasse der Alkohole (s. Kap. 14) vorgesehen ist, lautet der korrekte Name der Verbindung mit der Summenformel C6H6 Benzen. Im deutschen Sprachgebrauch ist die Bezeichnung Benzol für die "Urmutter der AromatenN jedoch nach wie vor üblich. Das Benzolmolekül beschäftigte die Forscher über viele Jahrzehnte hindurch: Kannte man dank der Arbeiten von Faraday und Eilhard Mitscherlieh die Summenformel C6H6 bereits seit 1835, so dauerten die Forschungen zur Klärung des molekularen Aufbaus und der Strukturformel im Zusammenhang mit der Reaktivität des Benzols bis weit in das 20. Jahrhundert fort.
10.1 Eigenschaften Die wohlriechende, farblose Flüssigkeit ist sehr leicht beweglich und weist demnach eine sehr geringe Viskosität auf. Ihr Fest- oder Schmelzpunkt liegt bei 5,5 ° (, der Siede- oder Kochpunkt bei 80,1 oc. An der Luft verbrennt es mit stark rußender, hell leuchtender Ramme. Aufgrund seiner Dichte von 0,88 g · cm-3 legt es sich auf Wasser, in dem es sich auch nur in geringsten Mengen zu lösen vermag. Mit Benzin mischt es sich hingegen in jedem Verhältnis. Diese Tatsache weist darauf hin, dass die Benzolmoleküle genauso wie die Alkanmoleküle im Benzin unpolar sind, denn "Ähnliches löst sich in Ähnlichem': Seitdem man herausgefunden hat, dass Benzol bei Hautkontakt krebserregende cancerogene- Wirkungen entfalten kann, wurde es als Mittel für die Reinigung und Entfettung von Laborgeräten abgeschafft. Insgesamt empfiehlt sich beim Umgang mit Benzol größte Sorgfalt!
10.2 Strukurformeln für das Benzolmolekül Nach dem Stand der heutigen Forschung ist das ringförmige Benzolmolekül ein ebenes, gleichseitiges Sechseck (s. Kap. 10.3): Die sechs Bindungswinkel sind gleich groß und die Bindungen zwischen den sechs (-Atomen gleich lang! Das Benzolmolekül ist in Abb. 10.1 vereinfacht dargestellt.
Stt\Jkurformeln für das Benzolmolekül
45
0 Abb. 10.1
Vereinfachte Strukturformel des Benzolmoleküls
Die Strukturformel nach Abb. 10.1 ist eine Weiterentwicklung der .. Kekule-Formelu (s. Abb. 9.1), die mit der Forderung nach einer Platzierung der C-Atome in einer Ringstruktur die grundlegenden Vorstellungen von der Beschaffenheit des Benzolmoleküls prägte. Kekule selbst hatte - nachdem lokal festgelegte Doppelbindungen nach dem Alkenprinzip mit dem Reaktionsverhalten des Benzols nicht im Einklang standen, mit seiner Oszillationstheorie (lat. oscillum, Schaukel) einen ständigen Platzwechsel der Einfach- und Doppelbindungen im Benzolring gefordert (Abb. 10.2). H
HC
/c~
~CH
II HC'-.....
c
H
I ~CH
und oder
Abb. 10.2 Möglichkeiten der Darstellung von .1,3,5-Cyclohexatrien· nach der Oszillationstheorie
Alle gezeigten Formeldarstellungen des BenzolmolekOts haben sich im chemischen Gebrauch eingebürgert, zeigen jedoch stets lediglich Teilaspekte auf: Der Reaktiv1tät des Benzols wird am ehesten die Darstellung in Abb. 10.1 gerecht. Übersichtlicher gestalten sich die Darstellungen gerade umfangreicherer aromatischer Molekülgebilde mit mehreren Benzolringen jedoch, wenn die Kekule-Formeln gemäß Abb. 10.2. benutzt werden.
46
Btnzot
10.3 Bindungsverhältnisse im Benzolmolekül Die neuzeitliche Möglichkeit, die Bindungsverhältnisse im Benzolmolekul mittels des Orbital- und Hybridisierungsmodells (vgl Kap. 3.2) zu beschreiben, klarte die geometrischen und energetischen Verhältnisse im rätselhaften Ringsystem nach und nach auf: • Alle sechs C-Atome sind sp2 -hybridisiert. • Jedes der (-Atome bildet drei c1-Bindungen aus, zwei davon zu den jeweils benachbarten C-Atomen, eine zu einem H-Atom. • AUe sechs (-Atome können zusätzlich über die sechs -:r-Eiektronen in den nicht hybridisierten 2p-Orbitalen in Wechselwirkung treten. Dabei bildet sich ein System aus, das alle 2p-Orbitale zu einer ringförmigen Elektronenwolke oberhalb und unterhalb des eigentlichen Kohlenstoffgerüstes verschmelzen lässt. d. h. die negative Ladung verteilt sich gleichmäßig über alle (-Atome des Ringsystems. • Dieses System delokolisierter n-Eiektronen führt dazu, dass die negative Ladung auf alle C-Atome gleichmäßig verteilt ist. Damit erklären sich auch die übereinstimmenden Abstände zwischen den C-Atomen: Die Bindungsqualität liegt damit zwischen der einer Einfach- und der einer Doppelbindung (Abb. 10.3). H
I
H
'--c
c-----c--H
I
H
I
--c---_ ----c C
Gerüst der o-Bindungen
'-..H
I
H
Die nicht hybridisierten Zp-Orbitale stehen auf dem Gerüst der a -Bindungen senkrecht.
delokalisiertes System von :t-Elektronen: Die sechs Elektronen treten in Wechselwirkung zu zwei geschlossenen, _schlauchförmigen" Elektronenwolken. Abb. 10.3 Bmdungsverhaltntsse im Benzolmolekill
47
MesomeriestllbitisieruiKJ
10.4 Mesomeriestabilisierung Die (-(-Bindungen im Benzolmolekül sind also - was die sechs n-Elektronen angeht- nicht lokalisiert, sondern delokalisiert: Man muss sich vorstellen, dass diese e· an jedem Ort der beiden Elektronenwolken mit derselben Wahrscheinlichkeit anzutreffen sind! Diese Elektronenverteilung führt im Vergleich mit dem hypothetischen "1,3,5-CyclohexatrienN, das von drei lokalisierten Doppelbindungen geprägt ist, zu einer Verminderung der Reaktivität. Das heißt, dass man zum Starten einer chemischen Reaktion, an der das Benzolmolekül beteiligt ist, mehr Energie aufwenden muss, als es beim Cyclohexatrien der Fall wäre. Gegenüber dem Cyclohexatrien ist das tatsächliche Benzolmolekül also energieärmer und beständiger. Diesen Umstand bezeichnet man als Mesomeriestabilisierung und die beiden denkbaren Strukturformeln (s. Abb. 10.2) für das Cyclohexatrien als mesomere Grenzstrukturen oder -formeln. Der Differenzbetrag an Energie zwischen dem Benzolmolekül und den Grenzstrukturen heißt Mesomerieenergie (Abb. 10.4) .
..
..
·~ c: UJ
mesomere Grenzformeln
Mesomerieenergie Benzolmolekül
Abb. 10.4 Mesomerieenergie des Benzolmoleküls
48
Benzol
20.4.2 Nachweis der Mesomerieenergie durch das Verhalten von Benzol gegenüber Brom
Tropft man im laborversuch flüssiges braunes Brom Br2 zu Cyclohexen C6 H10, so kann man an der raschen Entfärbung erkennen, dass sofort eine Reaktion stattfindet: Brom bindet sich in einer- für die Alkene typischen- Additionsreaktion (vgl. Kap. 7 .3) an die Doppelbindung und es entsteht 1,2-0ibromcyclohexan C6 H10Br2 • Versetzt man hingegen Benzol mit elementarem Brom, so erhält man eine rotbraune Lösung, die anzeigt, dass kein Brom verbraucht wurde und damit keine Reaktion erfolgt ist. Erst durch die Zugabe von Aluminiumbromid AIBr3 setzt die Umsetzung von Brom mit Benzol ein und führt zu C6H5 Br, einem Produkt. bei dem ein H-Atom am Benzolring gegen ein Sr-Atom ausgetauscht wurde. Das Aluminiumbromid wirkt in diesem Reaktionsbeispiel als Katalysator, um die stabilisierende Mesomerieenergie im System dersechs delokalisierten rr-Elektronen zu überwinden. Das Reaktionsprodukt trägt den Namen Brombenzol und entsteht durch den Reaktionstypus einer Substitution (tat. substituere, austauschen), der charakteristisch für das chemische Verhaften von aromatischen Verbindungen ist.
10.5 Elektrophile aromatische Substitution Bei einer Substitutionsreaktion werden Atome oder auch Atomgruppen eines Mole~ küls gegen andere ein- oder mehratomige Bestandteile ausgetauscht. Bei den Substitutionsreaktionen des Benzols bahnt sich der ,.Platzwechsel" durch e(ektrophife Wechselwirkung (s. Kap. 7.3.2) des eintretenden Teilchens mit den ;t-Elektronen an. Bei der Entstehung des Produktes verlässt ein H-Atom den Benzolring. 20.5.2 Mechanismus der elektrophilen aromatischen Substitution
Bei der Formulierung von Reaktionsmechanismen der Organischen Chemie werden Überlegungen zu Bewegungen und Umverteilungen von e· während eines Reaktionsverlaufs schriftlich fixiert: Es geht in aller Regel um ein ,.Hin- und Herklappen von Elektronenpaaren", dessen Richtung durch Pfeile markiert wird. Dadurch werden Bindungen aufgelöst oder neu geknüpft und es entstehen neue Moleküle. Am Beispiel der Reaktion von Benzol mit Brom unter Katalyse von AlBr3 soll der Mechanismus einer elektrophilen aromatischen Substitution deutlich werden.
49
Elektrophilc aromatische Substitution
IBrl
}t===~ar---0ari~1-Brl - - • I +
IBrl
n-Komplex
Alumimumbromid
Wechselwirkung und heterolytische Spaltung: Die drei an der Reaktion beteiligten Komponenten treten gleichzeitig miteinander in Wechselwirkung: AlBr3 ,.saugt" e· aus Br2 an, dieses wird dadurch polarisiert. Auf der dem Benzol zugewandten Seite führt der Elektronensog zu einer Positivierung. In der Folge kommt es zur Anziehung bzw. elektrophilen Annäherung an das n-Elektronensystem des Benzols und zur Entstehung des so genannten It-Komplexes. Die heterolytische Abspaltung eines Bromidions aus Br2 und dessen Bindung an AlBr3 zeichnet sich ab. IBrl
IBrl
-
I
-
-
I
-
IBr- AI - -Brl
H +
IBrl
o-Komplex
Tetrabromoaluminat-Ion
Übergangszustond: Br ist unter Aufhebung des delokalisierten Systems in den Ring eingetreten und bindet an ein sp3-hybridisiertes C-Atom, das jetzt vier o-Bindungen unterhält. Das positiv geladene Gebilde, in dem die Ladung über das gesamte Molekül verteilt ist, nennt man o-Komplex. Die negative Ladung stabilisiert sich im TetrabromoaluminotIon. IBrl
IBrl
~lBr.-r-AJ--Brl e I -
H~
•
-lV
I
IBrl
-
- - - - t..
50 Produktbildung:
Benzol
Aus dem positiv geladenen o -Komplex tritt formal ein W-Ion und aus dem negativ geladenen Aluminat-Ion ein Bromid-Ion aus: Seide Teilchen vereinen sich zu Bromwasserstoff HBr. Im Brombenzolmolekül stellt sich der aromatische Zustand wieder ein, da sich dasdelokalisierte System aus sechs :n:-Elek· tronen erneut ausbilden kann. AlBr3 geht am Ende unverändert aus der Reaktion hervor und hat damit seine Aufgabe als Katalysator erfüllt. IBrl Brl
0
+
Brombenzol
H-Brl
Bromwasserstoff
+
I -I IBrl
N--Brl
Al8r3 Katalysator
10.5.2 Njtrobenzol- ejn Benzolderivat
Oie elektrophile aromatische Substitutionsreaktion bringt Abkömmlinge des Benzolmoleküls hervor: Oie aus einem grundlegenden Molekül hervorgehenden neuen Verbindungen bezeichnet man als Derivate dieses Stoffes. Mit dem Brombenzol kennen wir bereits ein Derivat des Benzols. Ein weiteres Derivat ist das Produkt der Reaktion von Benzol mit NitJiersäure, einem Gemisch aus konzentrierter Salpetersäure HN01 und Schwefelsäure H2S04 • Oie resultierende Verbindung heißt Nitrobenzol C6 H5 N0 2 • Das elektrophil wirksame Teilchen ist bei dieser Reaktion das Nitrylkotion N0 2•, das sich im Säuregemisch unter Wasserabspaltung bildet:
/o'
II fF==. =>~"
,o/
Nitrylkation n-Komplex
Hydrogensulfat· Ion aus H2S0 4
51
Elektrophile aromatische Substitution
Elektrophile Wechselwirkung - Ausbildung einer a-Bindung: Das Nitrylkation bildet mit dem Benzolmolekül den n-Komplex aus und knüpft unter Auflösung des delokalisierten Systems eine Bindung zu einem C-Atom. H
Nitrogruppe
/;01
@ ~ N
"o'e
""
a-Komplex
..
Hso.-
0
+
H~o •
Nitrobenzol
a-Komplex- Wiederherstellung des aromatischen Zustands: Aus dem instabilen a -Komplex wird ein W-Ion abgespalten, das sich mit dem Hydrogensulfat-Ion zum Schwefelsäure-Molekül vereint. Im Benzolring vermögen die wieder vollständigen Jt-Elektronen das delokalisierte System auszubilden. Innerhalb der Nitrogruppe sind die Bindungselektronen ebenfalls delokalisiert. HzS04 fungiert als Katalysator.
10.5.3 Zusammenfassung • Oie elektrophile aromatische Substitution ist ein wichtiger Reaktionstyp in der Organischen Chemie, da auf diese Weise - ausgehend vom Benzol - eine ganze Reihe von bedeutsamen Derivaten (s. Kap. 11) hergestellt werden kann. • Um die Reaktion in Gang zu setzen, ist ein Katalysator erforderlich. Katalysatoren sind Stoffe, die an einer Reaktion teilnehmen, am Ende jedoch unverändert aus ihr hervorgehen. • Oie neu in den Benzolring eingetretenen Atome oder Atomgruppen heißen Substituenten. • Am Benzolring vorhandene Substituenten wirken sich auf den Austausch weiterer H-Atome gegen neue Atome oder Atomgruppen aus: Oie Erstsubstituenten beeinflussen die Platzierung von Zweitsubstituenten am Ring oder auch die Geschwindigkeit von Reaktionen, die zu einer Zweitsubstitution am Benzol fUhren können.
52
11
Wichtige Benzolderivate
Viele der schon früher bekannten Benzolderivate werden noch heute mit ihren so
genannten ..Trivialnamen" benannt: Das sind die Bezeichnungen, die die Verbindungen von ihren Erforschern zu deren Zeit bekamen, als es noch keine IUPAC-Regeln für die Benennung chemischer Stoffen gab.
11.1 Phenole Tauscht man im Gerüst des Benzolrings ein oder mehrere H-Atome gegen Hydroxyl-Gruppen -OH, wie sie auch für Alkohole (s. Kap. 14) typisch sind, aus, erhält man aromatische Hydroxyverbindungen, die Phenole (Abb. 11.1). lO-
H
lo-H
lO-H OH
OH
Phenol Monohydroxy· benzol
Brenzkatechin 1,2-0ihydroxybenzol ortho-Oihydroxybenzol
Resorcin 1,3-0ihydroxybenzol meta-Oihydroxybenzol
Hydrochinon 1.4-0ihydroxybenzol para-Oihydroxybenzol
Abb. 11.1
Phenole mit einer oder zwei Hydroxylgruppen
Oie schwach sauer reagierende, wässrige Lösung des nach Teer riechenden, kristallinen Phenols ("Karbolwasser") wurde früher zum Desinjizieren benutzt. Von den drei Dihydroxybenzolen wird das Hydrochinon als fotografischer Entwickler eingesetzt.
11.1.1 Erst- und Zweitsubstituenten Der Erstsubstituent- in diesem Fall die Hydroxylgruppe am C1-Atom - bestimmt die Zugehörigkeit zur Stofffomilie, hier zur Gruppe der Phenole oder Hydroxybenzole. Zweitsubstituenten wird entweder mit der Nummer "ihres" C-Atoms eine eindeutige Position zugewiesen, wobei die Platzziffer 4 die höchstmögliche darstellt. oder- sogar gebräuchlicher- sie erhalten" Vomomen" entsprechend ihres Platzes in ortho-, meta- oder para-Ste/lung zum Erstsubstituenten (s. Abb. 11.1).
53
11.1.2 Phenol als Säure Säuren sind Protonendonatoren, Basen sind Pratonenakzeptoren. Säuren sind also Verbindungen, deren Moleküle Protonen H" an andere Moleküle, die als Basen wirken, abzugeben vermögen. Oie Protonenabgabe heißt Protolyse. Phenol gehört zu den schwachen Säuren, d. h. Phenolmoleküle geben Protonen in einem geringen Umfang an Wassermoleküle ab. Es stellt sich demzufolge in der Lösung ein Gleichgewicht zwischen den Edukten und Produkten ein. Dieser Umstand drückt sich im Doppelpfeil in der Reaktionsgleichung aus (Abb. 11.2).
_e
101
H
le I
lO-H
H
Phenol
Wasser
als
als
Säure
Base
Phenolation
Hydroxoniumion
Abb. 11.2
Bildung des Phenolations durch Protolyse
11.1.3 Mesomeriestabilisierung des Phenolations Oie negative Ladung des Phenolations ist nicht am 0-Atom lokalisiert, sondern kann sich über das gesamte Molekülgefüge verteilen. Ohnehin vermag der Benzolring einen gewissen Sog auf Elektronen auszuüben. Das Phänomen dieses so genannten mesomeren Effektes stabilisiert den Zustand des Ions (Abb. 11.3). -El IOI
Ladung in ortho-Stellung
9
Ladung in para-Stellung
Abb. 11.3
Mesomere Grenzstrukturen des Phenolat·Ions
Ladung in Ortho-Stellung
54
Wichtige Benzolderivate
Die Gren2formeln geben den Zustand des Phenolat-Ions jeweils nur in .,Momentaufnahmen" wieder. Die wirkliche Ladungsverteilung - wir haben es auch hier mit einemdelokalisierten System von Elektronen zu tun - muss man sich als Übereinander-Projektion der Grenzstrukturen vorstellen. Die Doppelpfeile (..Mesomeriepfeile") zwischen den Grenzstrukturen sollen auf diesen Sachverhalt hinweisen. Im Ergebnis ist das negativ geladene Gebilde Phenolat-Ion durch die Delokalisation mesomeriestabilisiert: Nur aus diesem Grund ist es möglich, dass aus dem Phenolmolekül überhaupt ein Proton abgespalten werden kann.
11 .2 Toluol Über die elektrophile aromatische Substitutionsreaktion (s. Kap. 10.5) können H-Atome des Benzolrings auch durch Alkylreste ersetzt werden. Man spricht dann von einer Alkylierung am aromatischen Ringsystem. Beim Toluol ist die Substitution eines H-Atoms durch eine Methylgruppe - CH3 erfolgt. Phenylrest
0
1
+ H-~-CI
fAICJJl
H
Chlormethan
Toluol Methylbenzol Phenylmethan
Chlorwasserstoff
Abb. 11.4
Friedet-Crafts-Reaktion von Benzol zum Toluol
Diese auch als Fn'edel-Crofts-Alkylierung (Abb. 11 .4) bezeichnete Reaktion wird vorwiegend dazu verwendet, um Methyl- oder Ethylgruppen einzufUhren und läuft unter der Katalyse von Aluminiumchlorid AlCl3 ab: Durch die Wechselwirkung eines Halogenalkans, im Beispiel Chlormethan, mit diesem Salz wird die Bindung zwischen C und Cl so stark polarisiert, dass in der Folge ein elektrophiler Angriff des C-Atoms mit seiner positiven Teilladung o+ auf das JT-Elektronensystem des Benzolrings möglich wird. Der weitere Reaktionsverlauf entspricht der Bromierungsreaktion (s. Kap. 10.5.1). Alkylbenzole werden beispielsweise zur Kunststofferzeugung gebraucht.
55
11.3 Benzolsulfonsäure Oie schwefelhaltige Verbindung Benzolsulfonsöure C6H5S03H, eine starke, wasserlösliche Säure, und ihre Derivate sind Zwischenprodukte für Farbstoffe, Wasch- und Arzneimittel. In einer als Sulfonierung bezeichneten, elektrophilen Substitutionsreaktion mit rauchender, konzentrierter Schwefelsäure lasst sich die Gruppterung - S03H am Benzolring platzieren (Abb. 11.5).
Benzolsulfonsäure Abb. 11.5 Sulfonierungsrealction- Benzolsulfonsäure
11.4 Anmn Nitrobenzoi 4H 5N02 (s. Kap. 10.5.2) reagiert mit Eisenspänen in salzsaurer Lösung (in einer Reduktionsreaktion) zu Anilin 4H 5NH 2, einem Derivat des Benzols, in dem eine Aminogruppe enthalten ist (Abb. 11.6).
Nitrobenzol
Anilin Aminobenzol
Abb. 11.6 Anilin - Derivat des Benzols bzw. des Ammoniaks
Anilin ist Ausgongsstoff für die Synthese von Farbstoffen und besitzt damit eine fundamentale Bedeutung in allen Bereichen des Einsatzes von synthetischen Farben. Als Abkömmling des Ammoniaks NH 3 gehort Anilin zur Stoffgruppe der Amine: Unter diesem Blickwinkel handelt es sich beim Anilin um ein substituiertes AmmoniakmoleküL bei dem ein H-Atom durch einen Phenylrest (s. Kap. 11.2) ersetzt wurde ("Phenylamin") .
11.5 Benzylalkohol, Benzaldehy d und Benzoesäure Oxidationsprodukte von Toluol Oxidationsreaktionen (s. Kap. 17) an der Seitenkette des Toluols, der Methylgruppe -CH 3, führen zu weiteren aromatischen Verbindungen (Abb. 11.7). 0~
OH I CH 2
CH3
+ [0)
Toluol
~c/
OH
~c/
+ [0)
- 2[H]
Benzylalkohol
0~
H
Benzaldehyd
~ Benzoe· säure
Abb. 11.7
Toluol - stufenweise Oxidation
[0] und [H] in Abb. 11.7 weisen darauf hin, dass so genannte ,.Reaktionsöquivalenteu von den reagierenden Molekülen aufgenommen oder abgegeben werden. Die eckigen Klammern enthalten die Aussage: Einzelatome treten während des Reaktionsverlaufs nicht auf. Eine Faustregel in der Organischen Chemie lautet: Nimmt ein Molekül Sauerstoff auf oder gibt es Wasserstoff ob, so handelt es sich um einen Oxidotionsvorgang. Umgekehrt gilt: Gibt ein Molekül Sauerstoff ob oder nimmt es Wasserstoff auf, so liegt ein Reduktiansvargang vor.
Die durch Oxidation aus dem Toluol hervorgehenden Verbindungen sind Repräsentanten Sauerstoffhaitiger organisch-chemischer Stofffamilien: Alkohole, Aldehyde und Carbansäuren (Einzelheiten s. die entsprechenden Kap. 14, 19.1.1, 20).
57
12
Weitere aromatische Verbindungen
Das Wissen um die organisch-chemischen Verbindungen wuchs vor allem im 20. Jahrhundert ins Unermessliche und man fand zusätzlich zum Benzol und seinen Abkömmlingen eine Vielzahl von Verbindungen, die- bei der näheren Betrachtung ihres Reaktionsverhaltens - "aromatischen Charakter" aufwiesen, obwohl sie sich strukturell deutlich vom Benzol unterschieden: Man hatte die charakteristischen Eigenschaften mittlerweile bei Molekülen gefunden, die beispielsweise mehrere Benzolringe in sich vereinten oder innerhalb der Ringe "Fremdatome" wie Stickstoff, Sauerstoff oder Schwefel enthielten.
12.1 Kondensierte Aromaten Aromatische Systeme, die aus mehreren Ringen bestehen, heißen dann kondensierte oder mehrkernige Aromaten, wenn die einzelnen Ringe mindestens zwei gemeinsame C-Atome besitzen (Tab. 12.1). Tab. 12. 1 Mehrkernige Aromaten
Formel Name
Merkmale
Naphthalin
Anthracen
Phenanthren
• zwei kondensierte Benzolringe • 10 Jt-Eiektronen • kristalline Verbindung • charakteristischer Geruch nach f;lottenkugeln • die Verbindung ist ein kondensiertes System aus zwei Benzolringen • drei kondensierte Benzolringe • 14 1f-Eiektronen • fest bei Raumtemperatur • wichtige Ausgangsstoffe für Farbstoffe • beide Verbindungen sind kondensierte Ringsysteme
58
Wertere aromatische Verbindung~n
12.2 Heteroaromaten Ringförmige Moleküle, die innerhalb des Ringsystems neben Kohlenstoff Atome anderer Elemente enthalten, gehören den so genannten heterocyclischen Verbindungen an. Unter diesen Heterocyclen findet man Verbindungen, deren Moleküle ebenfalls den aromatischen Charakter aufweisen (Tab. 12.2). Tab. 12.2 Heterocyclische Ringsysteme
Formel Name
Merkmale
0 -N
• sechsgliedriger Heteroaromat • Stickstoff Nist Heterootom • 6 :t-Elektronen bilden ein delokalisiertes System
Pyridin
0 0 0
• fünfgliedriger Heteroaromat • Heteroatom: Sauerstoff 0 • 6 1t-Elektronen unter Einbeziehung eines freien e· -Paars des 0-Atoms
Furan
N
• fünfgliedriger aromatischer Ring • Heteroatom: Stickstoff N • 6 1t-Elektronen durch freies e· -Paar am N-Atom
I
H
Pyrrol
0
-s Thiophen
• funfgliedriger aromatischer Ring • Heteroatom: SchwefelS • 6 n-Elektronen durch freies e -Paar am S-Atom
Die .Hückei·Regcl• rur den aromatischen Zustand
12.3
59
Die "Hückel-Reger; für den aromatischen Zustand
Durch quantenmechanische Berechnungen konnte Erich Hückel im Jahr 1931 den Haromatischen Zustand" eines Moleküls in Bezug zur Anzahl der delokalisierten n-Elektronen setzen, die im Gefüge ringförmiger Moleküle vorhanden sind. Hückel stellte fest dass ringförmige, möglichst eben gebaute Moleküle stets dann energetisch besonders stabil (s. Kap. 10.4) sind, wenn die Anzahl der delokalisierten n-Elektronen der nachstehenden Formel entspricht: Summe der n-Elektronen • ( 4n + 2)
(n =Anzahl der Ringe im Molekül) Diese hilfreiche Hilckel-Rege/ ermöglicht eine relativ unproblematische Zuordnung von ringförmigen Molekülen zu den Aromaten (vgl. Tab. 12.1 und Tab. 12.2) oder schließt sie entsprechend vom aromatischen Zustand aus. Benzol C6 H6 zählt zu den Aromaten, da es über 6 x-Elektronen verfügt und aus einem Ring besteht: 6 • 4 · 1 + 2. Übung:
Testen Sie die Moleküle in Tab. 12.1 und Tab. 12.2 auf Aromatizität! Heteroatome tragen in Fünfringen ein Elektronenpaar zur Rechnung bei, in Sechsringen nicht.
60
13
Sauerstoffhaltige organische Verbindungen
Am Beispiel der Aromaten wurde bereits erkennbar, dass in den Molekülen organischer Verbindungen neben C- und H-Atomen auch Atome anderer Elemente vorhanden sein können. Tatsächlich findet man in den organischen Verbindungen in HNatur und Technik" neben Cund H hauptsächlich die folgenden Elemente: • Sauerstoff 0 • Stickstoff N • SchwefelS • Phosphor P • die Halogene Auor F, Chlor Cl, Brom Br, Iod I. Sind in die aliphatischen(= kettenförmigen) oder auch aromatischen (• ringförmigen) Kohlenwasserstoffmoleküle zusätzlich Sauerstoffatome eingebaut, so spricht man dementsprechend von sauerstoffhaltigen organischen Molekülen. Die homologen Reihen, die sich aus solchen Molekülen entwickeln lassen, gehen vorzugsweise durch Redoxvorgänge (vgl. Kap. 16) auseinander hervor.
Souerstoff hat im Vergleich zu C und Heine wesentlich stärkere Neigung, die Elektronen einer Atombindung anzuziehen, verfügt also über eine relativ hohe Elektronegativität EN: Diese Eigenschaft führt im Gefüge der sauerstoffhaltigen Molekille zum Auftreten von Teilladungen (ö• und o· ) und in der Folge zu Polarisierungen. Beide Phänomene beeinflussen entscheidend die Eigenschaften und das Reaktionsverhalten der sauerstoffhaltigen Moleküle.
61
14
Alkohole
Alkohole, gemäß der IUPAC-Nomenklatur als Alkanale bezeichnet, können von den Alkanen dadurch abgeleitet werden, dass mindestens ein H-Atom gegen eine Hydroxylgruppe - OH ausgetauscht wird. Eine oder mehrere Hydroxylgruppen sind das Charakteristikum eines jeden Alkoholmoleküls. Atomgruppen, die die Eigenschaften von Molekülen in typischer Weise prägen, nennt man funktionelle Gruppen. Einen Überblick über die im Folgenden betrachteten Vertreter aus der Stoffgruppe der Alkohole bietet Tab. 14.3.
14.1 Homologe Reihe Betrachtet man Alkohole, deren Moleküle mit einer Hydroxylgruppe -OH ausgestattet sind, so ergibt sich folgende Summenformel:
Die Benennung der jeweils um eine Methylengruppe - (Hz- wachsenden Glieder der Reihe leitet sich von den Namen der Alkane ab, indem an die Zahlwörter die Endung -ol angehängt wird (Tab. 14.1 ). Viele Alkohole sind schon sehr lange bekannt. Deswegen sind gerade für die niedrigen Homologen nach wie vor Trivialnomen wie beispielsweise "Methylalkohol" für Methanol gebräuchlich. Tab. 14.1
Homologe Reihe der Alkanole von ( 1 bis ( 10 Formel H
I -0 IH
8'
Formeltyp
Name
Strukturformel mit Teilladungen
Methanol
Halbstrukturformel mit Teilladungen und nummerierten C-Atomen Halbstrukturformel mit nummerierten C-Atomen
Ethanol
H- C- 0 - H
2
1
0
-
H-CH2-CH 2- 0-
3
H3C-
2 I CH2-CH2-0H
1)+
H
Propanel
62
Allcohole
Formel
Formeltyp
Name
Halbstrukturformel verkürzt
Butanol
0H
HJ<;-tCH2tCH2-0H
Halbstrukturformel verkürzt
Pentanol
Halbstrukturformel verkürzt
Hexanol
H3C-tCH2tCH2-oH
Summenformel Summenformel Summenformel Summenformel
Heptanol Octanol Nonanol Decanol
H3C-tCH2t
CH2-
C1HtsOH CaH110H ~H 190H
CtoHz10H
14.2 Methanol Methanol CHßH, eine leicht bewegliche, farblose Flüssigkeit, wurde schon im 17. Jahrhundert in geringen Mengen durch das trockene Erhitzen von Laubholz unter Luftabschluss (-trockene Destillation) gewonnen. Daher rührt auch der ganz alte Trivialname .. Holzgeist". Eine Möglichkeit der Synthese ist die katalytische Hydrierung (• Anlagerung von Wasserstoff) von Kohlenmonoxid CO. Heute ist Methanol ein wichtiger Ausgangsstoff für Synthesen oder es wird als Lösungsmittel eingesetzt. Methanol ist sehr giftig: In kleinen Mengen aufgenommen, führt es zu Sehstörungen und Erblindung, die tödliche Dosis (• Letaldosis) liegt bei ca. 30 g. Es wir auch zur Vergät/ung von Ethanol eingesetzt um beispielsweise den billigen, wenig besteuerten Brennspiritus ungenießbar zu machen und dem Trinkgebrauch zu entziehen.
14.3 Ethanol Auch bei Ethanol C1 H50H handelt es sich um eine farblose Flüssigkeit geringer Viskosität, die, schon im Altertum bekannt, durch die Gärung zuckerholtiger Lösungen gewonnenen werden kann. Da auf diesem Weg aus Traubensaft Wein entsteht, ergab sich der frühe Trivialname ..Weingeist". Mittels Destillation kann durch Entzug von Wasser durch Verdampfen und anschließendes Kondensieren die Konzentration des Ethanols in einer Lösung dramatisch erhöht werden: Das ..Schnapsbrennen" führt zum Produkt ..Branntwein". Allerdings gelingt auf diesem Weg nicht die Herstellung des reinen, ,.absoluten" Alkohols, da das Alkohol-Wasser-Gemisch ab einer bestimmten Alkoholkonzentration ein azeotropes Gemisch bildet. aus dem durch den Kochvorgang kein weiteres Ethanol verdampft. Restwasser muss mit so genannten Trocknungsmitteln entzogen werden.
63
Eigenschaften von Allcoholen
Oie technische Herstellung des Ethanols gelingt beispielsweise durch Hydrotisierung (• Wasseranlagerung) von Ethen C2H4• Ethanol ist der einzige für den menschlichen Genuss (bedingt) geeignete Alkohol. Allerdings führt chronischer Alkoholmissbrauch zur Abhängigkeit und zu organischen sowie psychischen Schädigungen.
14.4 Eigenschaften von Alkoholen Der Bau von Alkoholmolekülen R-0-H leitet sich formal von dem der Wassermoleküle H-0-H ab, indem ein H-Atom des H20 du rch einen Alkylrest -R ersetzt wird {Abb.14.1). • Oie Dipoleigenschaften des Wassermoleküls finden sich also auch in den Alkoholmolekülen wieder, da sie im Bereich der beiden Einfachbindungen des Sauerstoffs gewinkelt gebaut sind und die Bindungselektronen du rch die starke Elektronegativität des 0-Atoms zu diesem hin tendieren. Dadurch treten Teilladungen ö• und ö- auf. 0
/o' H/'-.._H 0
o' Wassermolekül
0 Dipol
/~ R/'-.._H 0
0
Alkoholmolekül
Abb. 14.1 Teilladungen und Dipoleigenschaften von Wasser- und Alkoholmolekülen
• Die Alkanale Methanol, Ethanol und Propanol sind uneingeschränkt in Wasser löslich, da sich zwischen den Hydroxylgru ppen der Alkoholmoleküle und den Wassermolekülen aufgrund der Teilladungen Wasserstoffbrückenbindungen (- H-Brücken) ausbilden (Abb. 14.2).
Abb. 14.2 Wasserstoffbrilckenbindungen in der wässrigen Lösung von Alkoholen
64
Alkohole
• Mit der Zunahme der Zahl der (-Atome im hydrophoben Alkylrest (s. Kap. 6.3.3) überwiegen immer mehr dessen unpolare Eigenschaften und in der Folge nimmt die Löslichkeit der Alkohole in Wasser ab. Butanol ist bedingt wasserlöslich, höhere Alkohole lösen sich in Wasser nicht. In Benzin (• Alkangemisch) und anderenun polaren Lösungsmitteln sind alle Alkohole löslich. • Die Siedetemperaturen der Alkohole liegen bei den niederen Homologen deutlich über denen der entsprechenden Alkane. Betrachtet man die Siedetemperaturen der höheren Homologen (acht und mehr C-Atome), so nähern sich die Werte zunehmend an. Übung: Sdp. (CH 30H) Sdp. (CH4)
- 6s •c --162 ' (
Sdp. (C8 H11 0H) Sdp. (CaHta)
Benennen Sie die Verbindungen in den Klammern und überlegen Sie, worauf die abnehmende Differenz zwischen den Siedepunkten bei zunehmender Anzahl der C-Atome zu erklären ist! Lösung: Die Namen der Verbindungen lauten: Methanol CH 30 H, Methan CH 4• Octanol C8 H170H, Octan C8 H18• Der relativ starke Zusammenhalt der Alkoholmoleküle untereinander über H-Brücken wirkt sich bei den niederen Homologen mit den kurzen, unpolaren Alkylresten besonders deutlich aus. Darüber hinaus liegt die molare Masse Mder Alkoholmoleküle durch das zusätzlich eingegliederte Sauerstoffatom über der des entsprechenden Alkanmoleküls mit der gleichen Anzahl von (-Atomen. Die schwereren Moleküle bewirken damit eine Erhöhung des Siedepunkts. Nimmt die Kettenlänge der Reste zu, so kommen die - für sich genommen - schwachen zwischenmolekularen Van-der-Waals-Kräfte (s. Kap. 6.2.4) immer stärker zur Wirkung und sorgen für eine Zunahme der oberflächenwirksamen Anziehung zwischen den Molekülen. Die Differenz zwischen den Siedepunkten nimmt ab.
14.5 Isomerie und Nomenklatur be; Alkoholmolekülen Die Anhindung der Hydroxylgruppe -OH ist in längerkettigen Alkoholmolekülen nicht auf das endständige (-Atom beschränkt. Daher ergeben sich bereits für das Propanol C3 H70H zwei Möglichkeiten des Molekülbaus (Abb. 14.3).
65
Isomerie und Nomenkl
~C-C~-CH 2 -0H
l
2
I
Propanol-l wPropylalkohol"
Propanol-2 nlsopropanol"
Abb. 14.3 Isomere des Propanols C)H10H
Oie dem Namen nachgestellte Zahl bestimmt die Position der Hydroxylgruppe. Oie Zahl muss auch hier den kleiostmöglichen Wert annehmen. Vier Möglichkeiten finden sich indes für den Bau des Butanols C~ H 90H , da bei vier C-Atomen zur variablen Position der Hydroxylgrup pe innerhalb des Moleküls die Möglichkeit der Verzweigung des Alkylrestes tritt (Abb. 14.4). H
~
primäres (-Atom
H3C-CH2-C~~OH
H
Butanol-1 ~Butylalkohol"
.
OH
~
OH
. sekundäres C-Atom
I
HzC -
H3C 7 CH2-CH3
I
H
C-
12
CH3 3
CH 3
H
Butanol-2 ,.sekundäres Butanol"
2-Methylpropanol-1 .,Isobutanol"
~
tertiäres C-Atom
H3CYCHJ CH3
2-Methylpropanol-2 wtertiäres Butanol" Abb. 14.4 lsomere des Butanols ~H90H
-
primäre, sekundäre, t ertiäre C-Atome
66
Die Bindungssituation des C-Atoms. an das die Hydroxylgruppe gekoppelt ist, wird mit Begriffen wie primäres, sekundäres oder tertiäres (-Atom beschrieben und entscheidet über die Zuordnung eines Alkoholmoleküls zu den primären, sekundären oder tertiären Alkoholen (Tab. 14.2). Tab. 14.2 Zuordnung von Alkoholmolekülen zu den primären. sekundären, tertiären Alkoholen
BindungssUuation Bezeichnung für des (-Atoms mit das ( -Atom mit der -OH-Gruppe der -OH-Gruppe primär unterhält eine weitere Bindung zu einem C-Atom unterhält zwei sekundär weitere Bindungen zu C-Atomen unterhält drei tertiär weitere Bindungen zu C-Atomen
Zuordnung des Alkoholmoleküls
Butanolderivat
primärer Alkohol
Butanol-1
sekundärer Alkohol
Butanol-2
tertiärer Alkohol
2-Methylpropanol-2
Übung:
Ordnen Sie das Methylpropanol-l "seiner" Alkoholgruppe zu und begründen Sie Ihre Entscheidung! Lösung:
Das Methylpropanol-l gehört zu den pnmaren Alkoholen, da C1 als primäres (-Atom nur eine weitere Bindung zu einem (-Atom unterhält.
14. 6 Alkoholate Brönsted-Säuren sind Verbindungen. die Wasserstoffionen Ir(= Protonen) abgeben können. Brönsted-Basen sind Verbindungen. die Protonen aufnehmen können. Die Verwandtschaft zwischen Alkoholmolekülen und Wassermolekülen zeigt sich auch in ihrer Bereitschaft zur Protonenaufnahme bzw_ -abgabe: Alkohole können also sowohl als Säuren als auch als Basen reagieren, gehören damit wie Wasser zu den Ampholyten. Allerdings sind die sauren bzw. basischen Eigenschaften noch deutlich geringer ausgeprägt als beim Wasser, und man muss sehr starke andere Säuren bzw. sehr starke Basen einsetzen, um eine Protonierung bzw. eine Protonenabspaltung bei Alkoholmolekülen zu erwirken.
67
AlkoholAt~
Durch eine Protonenabspaltung aus einem Alkoholmolekül entsteht das entsprechende Alkoholat-Ion (Abb. 14.5).
-~ ~ + IB
H3C-CH2- 0 - H
_e +
_ _ _.,... H3C-CH2-.QI
Ethanol
HB'
Ethanolat-Ion
sthr schwache Bronsted·S
starb Bronsted Base
Abb. 14.5
Bildung eines Alkoholationsam Beispiel der Reaktion von Ethanol mit einer Base
Wegen der Ballung negativer Ladung am Sauerstoff besitzen Ethanolat-Ionen stark nucleophile Eigenschaften (s. a. Kap. 7.3.2). Eine weitere Möglichkeit, Alkoholate herzustellen, besteht in der Reaktion eines Alkohols mit elementarem Natrium (Abb. 14.6). Dieser Vorgang gehört allerdings zu den Redoxreaktionen (s. Kap. 17).
Ethanol
Natrium elementar
EthanolatIon
Natrium- Wasserstoff Ion elementar
Abb. 14.6
Reaktion von Ethanol mit Natrium zu Natriumethanolat und Wasserstoff
Beim Eindampfen der Reaktionslösung erhält man das salzartige Natriumethanolat
C2H50Na. löst man dieses kristalline Produkt erneut in Wasser auf, so zeigt sich die st.nk basische Wirkung der Alkoholat-Ionen: Wassermoleküle geben Protonen an sie ab, es entstehen daraus wieder Alkoholmoleküle C2H50 H in einer durch das Vorhandensein von Hydroxid-Ionen alkalischen Lösung (Abb. 14. 7).
_e
HJC-CH2 - 0 I
Ethanol.at Ion start-e
e_ + H2 0 _ _ _.,... fi;)C-CH2-0-H
Ethanol
+
10-H
Hydroxid Ion
Bronst~>d·Bist
Abb. 14.7 Basische Eigenschaften von Alkoholat-Ionen am Beispiel des Ethanolat-Ions
68
Alkohol@
14.7 Mehrweröge Alkohole- Ethandiol und Propantriol Finden sich in einem organischen Molekül mehrere Hydroxylgruppen, so gehört die entsprechende Verbindung zu den mehrwertigen Alkoholen oder auch Polyoien (Abb. 14.8). Die so genannte Erlenmeyer-Regel besagt jedoch, dass organische Moleküle nur dann beständig sein können, wenn nicht mehr als eine Hydroxylgruppe an ein C-Atom gebunden ist. Sind beispielsweise zwei Hydroxylgruppen an ein C-Atom gebunden, so zerfallt die Verbindung rasch. H~-CH2
I OH I
OH
Ethandiol-1,2 Glykol
H
H~-C-CH 2
I OH I OHI
OH
Propantriol-1.2.3 Glycerin
Abb. 14.8
Die wkhtigsten Vertreter der mehrwertigen Alkohole
Für die farb- und geruchlose Flüssigkeit Ethandiol C2H4 (0H)z werden meistens die Trivialnamen Glykol oder auch Ethylenglykol verwendet. Glykol ist ein zweiwertiger Alkohol und wird als Mittel zum Korrosions- und Frostschutz oder als Kühl- bzw. Lösungsmittel eingesetzt. Auch bei der Kunststoffherstellung fi ndet es Verwendung. Oie Verbindung ist als gesundheitsschädlich eingestuft und reizt die Schleimhäute. Übung: • Erklären Sie, warum es für das Ethandiol keine stabilen Konstitutionsisomere (s. Kap. 6.2.1) geben kann! • Der Siedepunkt des Glykols liegt bei 197 C, der von Ethanol bei 78 C. Erklären Sie diesen enormen Unterschied! Machen Sie zusätzlich eine Aussage zur Viskosität des Glykols im Vergleich zum Ethanol und begründen Sie sie! Lösung: • Eine weitere, denkbare Konstitutionsformel für C2H,(OHh enthielte ein C-Atom, an das zwei Hydroxylgruppen gebunden sein müssten. Damit ist es nach der ErLenmeyer-Regel nicht beständig. • Jedes Molekül des Ethandiols vermag zwei H-Brückenblndungen auszubilden. Dadurch steigt der Zusammenhalt zwischen den Molekülen und in der Folge die Siedetemperatur. Aus denselben Gründen verschieben sich die Moleküle weniger Leicht gegeneinander. Damit wird die Flüssigkeit zähfließender und die Viskosität nimmt zu.
69
Reaktion von Alkoholen mit S~uren- Este
Das farb- und geruchlose, auffallend zähflüssige Propantrial C3H5(0Hh ist unter seinem Trivialnamen Glycerin sehr bekannt. Letzterer gründet sich auf seinen süßen Geschmack (von griech. glykys- süß), der seinerseits auf dem Vorhandensein mehrerer -DH-Gruppen beruht. Der Siedepunkt liegt mit 290 cc weit über dem des Glykols. Glycerin hat hygroskopische (• wasserbindende) Eigenschaften und wird aufgrund dessen bei der Herstellung von Kosmetika als Zusatz verwendet: Auf diese Weise kann Feuchtigkeit beispielsweise in Cremes und Zahnpasten gehalten werden. Andere Einsatzmöglichkeiten der vielseitigen Verbindung finden sich bei der Produktion von Kunststoffen, Farbstoffen, Schmierstoffen und Frostschutzmitteln. Besondere Aufmerksamkeit kommt dem Glycerin in der Sprengstoffindustrie als Ausgangsstoff für das "Nitroglycerin" (s. Kap. 14.8) und damit dem Dynamit zu. Im Stoffwechselgeschehen findet man Glycerin als Grundbaustein von Fettmolekülen {s. Kap. 25).
14.8 Reaktion von Alkoholen mit Säuren- EsterbiLdung Oie Reaktion von Alkoholmolekülen mit anorganischen oder auch organischen Säuren (s. a. l
H
I
I
R-~-0 -H + H-o-x===~ R-T-o-x
H
Alkohol
Brönsted· Säure
.. H- 0 - H
H
Ester
Wasser
Abb. 14.9 Vereiterung- Reaktion im Überblick
Oie Veresterung ist ein Beispiel einer nucleophilen Substitutionsreaktion (s. a. Kap. 20.2): Die Hydroxylgruppe wird mittels eines nucleaphilen Angriffs auf das reagierende (-Atom mit seiner positiven Teilladung gegen den ,,Säurerest" der Brönsted-Säure ausgetauscht (Abb. 14.10}.
70
Alkohole
R-1-G":\ I - -H +
..-0 v-
X
==~R-0 I -~H ~O-X +
v '\.
H
H
-
H
H
I I H
.;;:::==>R-C -
0 - X + H-0-H
Abb. 14.10 Mec:hanismus der Esterbildung
Die Veresterung ist eine Gleichgewichtsreaktion: Edukte und Produkte liegen im reagierenden Gemisch je nach der Wahl der Reaktionsbedingungen in bestimmten Konzentrationen nebeneinander vor. Um einen Ester ,.mit einem Ruf wie Donnerhalr handelt es sich beim so genannten wNitroglycerin", dessen korrekter Name Trisalpetersäureglycerinester lautet und zu dessen Herstellung Propantrial C3 H5 (0Hh mit Salpetersäure HN0 3 verestert wird (Abb. 14.11). H2C -OH
I
HC -
OH
H - O - N 02 +
I
H2C -OH
Propantriol-1,2,3
H- 0 - N Ü 2 H-0-NÜ2
Salpetersäure
Trisalpetersäureglycerinester
Abb. 14.11 Herstellung von TrisatpeterS<JU reglyceri nester
Oie farblose Flüssigkeit kann bereits durch Stoß zur Explosion gebracht werden und ist ein hochwirksamer Sprengstoff. Zur sicheren Handhabung wird sie in Kieselgur aufgesogen: In dieser Darreichung heißt der Sprengstoff Dynamit und kann gezielt platziert und gezündet werden.
71
Zus•mmenfassung
14.9 Zusammenfassung Eine Übersicht über Alkohole und Ihre Abkömmlinge findet sich in Tab. 14.3. Tab. 14.3 Alkohole- Übersicht
Alkohole einwertige Alkohole primäre Alkohole sekundäre Alkohole tertiäre Alkohole (s. Kap. 14.5)
mehrwertige Alkohole zweiwertige Alkohole dreiwertige Alkohole
Alkohola bkömmlinge Ester
(s. Kap. 14. 7)
(s. Kap. 14.8)
72
15
Ether
Die Betrachtung der Stoffgruppe der Ether schließt sich nicht ohne Grund an die der Alkohole an, kann man doch sowohl die Moleküle der Alkohole als auch die der Ether als vom Wasser abgeleitet verstehen. Ersetzt man in einem Wassermolekül nicht nur ein, sondern beide H-Atome durch Alkylreste -R, so erhält man Moleküle, die man allgemein mit der Formel R-0-R beschreiben kann. Moleküle, die über ein 0-Atom zwei Alkylreste verbinden, gehören zu den Ethem (Abb. 15.1). 0-
/o' H/'-"_H
Ii'
Ii'
Wassermolekül
0 Dipol
8
/o'
/'-"_
R1
R2
Ii'
o'
Ethermolekül
Abb. 15.1
Bau und Dipoleigenschaften von Ethermolekillen im Vergleich mit Wassermolekülen
Ether heißen gemäß der IUPAC-Nomenklatur Alkoxyolkone und ähneln in ihren Eigenschaften denen von Alkanen gleicher Molekülmasse: Die Verbindungen sind allesamt reoktionsträge, die Siedepunkte von Ethern und Alkanen gleicher Molekülmasse liegen nahe beieinander. Die Wasserlöslichkeit der Ethermoleküle liegt höher als bei den Alkanen, denn über die freien Elektronenpaare am 0-Atom ist die Ausbildung von Wasserstoffbrücken möglich. Aufgrund dessen lösen sich Ethermoleküle in geringem Maß in Wasser und umgekehrt. Man unterscheidet zwischen symmetrischen, unsymmetrischen und cyclischen Ethern (Tab. 15.1): • Bei symmetrischen Ethern sind die ALkylreste R1 und R2 identisch. • Bei unsymmetrischen Ethem unterscheidet sich R1 von R2 . • Cyclische Ether sind ringförmige Kohlenstoffgerüste, in die ein Sauerstoffatom eine "Sauerstoffbrücke"- eingegliedert ist.
73
Z-usammenfassung
Tab. 15.1 Verschiedene Ether
Formel
-
H~ -Q-Oi1
-
~C-CH 2 -0-C H2 -CH1
f
"
H2
c
H2c..--- \
o' Co)
I H.c...._ / " c
0 - Q i)
bzw.
Name
Typ
Dirnethylether
symmetrisch, ,.einfach"
Diethylether
symmetrisch
Methylphenylether Anisol
unsymmetrisch, .,gemischt"
Tetrahydrofu ran
cyclisch
H,
H,C-CH2
I
\,
H,C\
l/
bzw.
H,C-CH2
H2c........_
1/o) HC 2
bzw.
0 [)o;
Tetra hydropyran Dioxan
cyclisch
Ethylenoxid
cyclisch
Bemerkung
Verwendung als Lösungsmittel, früher auch als Narkotikum
mit Wasser mischbar, Lösungsmittel mit Wasser mischbar, Lösungsmittel Sauerstoff im Dreiring, reaktiv, "Epoxid"
Oie Synthese von symmetrischen Ethern gelingt durch die Reaktion entsprechender Alkohole in Gegenwartvon Schwefelsäure H2S04. Unsymmetrische Ether müssen über die Williamson-Synthese, eine nudeophile Substitutionsreaktion zwischen Halogenalkanen und Natriumalkoholaten, hergestellt werden.
74
16
Oxidationsprodukte von Alkoholen
Setzt man die Moleküle primärer, sekundärer oder tertiärer Alkohole in Redoxreoktionen mit mittelstarken Oxidationsmitteln um, so beobachtet man zum einen eine mehr oder minder ausgeprägte Reaktionsbereitschaft, zum anderen unterschiedliche Reaktionsprodukte: • Primäre und sekundäre Alkohole reagieren zu neuen Verbindungen, denen das Vorhandensein einer Carbonylgruppe (C·O-Gruppe) gemeinsam ist (Abb. 16.1. Tab. 16.1). H
I
R-C-OH
Oxidation
!
H
primärer Alkohol
Aldehyd
H
I I R,
R2-C -
OH
sekundärer Alkohol
Oxidation
Keton
Abb. 16.1
Oxidationsprodukte primärer und sekundärer Alkohole
• Tertiäre Alkohole reagieren unter diesen Bedingungen nicht. • Aldehyde können in einer weiteren Redoxreaktion zu Carbonsäuren oxidiert werden. Ta b. 16.1
Primare, sekundäre, tertiäre Alkohole - Oxidationsvorgänge und -produkte
primäre Alkohole 1 Oxidation Aldehyde (s. Kap. 19.1.1) J Oxidation Carbonsäuren (s. Kap. 20)
Alkohole sekundäre Alkohole 1Oxidation Ketone (s. Kap. 19.1.2) Oxidation nicht möglich
tertiäre Alkohole Oxidation nicht möglich
75
17
Grundlegendes zu Redoxreaktionen
Chemische Vorgänge, die von Elektronenübergängen gekennzeichnet sind, heißen Redoxreaktionen. Der Ausdruck Redoxreaktion ist eine Verschmelzung aus den Begriffen Reduktion und Oxidation. Dabei spricht man von Oxidation, wenn von einem Atom oder Ion während einer chemischen Reaktion Elektronen abgegeben werden und von Reduktion, wenn von einem Atom oder Ion Elektronen aufgenommen werden. Da beide Vorgänge stöchiometrisch und durch den Reaktionsverlauf gekoppelt sind, ist es außerordentlich wichtig, dass in den Gleichungen die Anzahl der abgegebenen und aufgenommenen e· übereinstimmt! Das Auftreten von Oxoniumionen H3o• bzw. Hydroxidionen OH in Redoxgleichungen weist auf eine pH-Wert-Abhängigkeit (• Abhängigkeit von der Lösungsqualität "sauer" oder .,alkalisch/basisch") des Redoxvorganges hin.
17.1 Begriffe und Definitionen • Reduktion - Elektronenaufnahme Ein Teilchen wird reduziert, indem es e· aufnimmt. • Oxidation • Elektronenabgabe Ein Teilchen wird oxidiert, indem es e· abgibt. • Reduktions- und Oxidationsvorgang sind grundsätzlich gekoppelt, da isolierte Elektronen im ..chemischen Hausgebrauch" nicht vorkommen. • Die Zahl der e· , die der Oxidationsvorgang Liefert, entspricht genau der e· -Anzahl, die im Reduktionsvorgang verbraucht werden: Zahl der abgegebenen e· • Zahl der aufgenommenen e· • Problembegriffe Reduktionsmittel-Oxidationsmittel Ein Reduktionsmittel ist ein Teilchen, das einem anderen Teilchen in einer Redoxreaktion e· vermittelt: Das andere Teilchen bekommt e· vom Reduktionsmittel-das andere Teilchen wird also reduziert, das Reduktionsmittel wird oxidiert! Ein Oxidationsmittel ist ein Teilchen, das einem anderen Teilchen e· in einer Redoxreaktion abnimmt: Das andere Teilchen gibt e· an das Oxidationsmittel ab das andere Teilchen wird also oxidiert, das Oxidationsmittel wird reduziert!
17.2 Allgemeine Regeln zur Zuordnung von Oxidationszahlen Zur Beschreibung der "Elektronensituation" der an einer Redoxreaktion beteiligten Teilchen verwendet man die so genannten Oxidationszah/en. Diese werden als römische Ziffem mit positivem oder negativem Vorzeichen über den Elementsymbolen angebracht.
76
Grundlegendes zu Redoxreak tio~en
Die folgenden Regeln helfen bei der Zuordnung: • Elemente erhalten stets die Oxidationszahl Null. • Bei Ionen ist die Oxidationszahl gleich der Ionenwertigkeit. • Metallionen haben stets positive Oxidationszahlen. • Wasserstoff hat stets die Oxidationszahl +I Sauerstoff hat stets die Oxidationszahl - II (eine Ausnahme bildet Wasserstoffperoxid H202: hier liegt der Sauerstoff in der Oxidationszahl - I vor} • In den Formeln von ungeladenen Molekülen ist die Summe der Oxidationszahlen gleich Null. • In den Formeln mehratomiger Ionen (z. B. das Sulfation so}·) ist die Summe der Oxidationszahlen gleich der Ionengesamtladung.
17.3 Oxidationszahlen für C-Atome in organischen Molekülen Mit der Ermittlung der Oxidationszahlen für die C-Atome der an einem Redoxvorgang beteiligten organischen Verbindungen muss sich der Lernende zusätzlich vertraut machen: Dazu betrachtet man jede der vier Bindungen, die vom betrachteten C-Atom ausgehen und ordnetjeweils einen der nachstehenden Zahlenwerte zu. -1 fUr jede Bindung zu einem wenigerelektronegativen Atom (meist H) bzw. für eine negative Ladung (nicht Teilladung!). "C bekommt eine· zugerechnet!" für jede Bindung zu einem C-Atom. 0 "Die beiden Bindungselektronen werden aufgeteilt!" +1 für jede Bindung zu einem stärker elektronegativen Atom (oft 0 oder ein Halogenatom) bzw. für eine positve Ladung. "Der Bindungspartnervon Cbekommt eine zugerechnet!" Die Addition der vier Zahlen ergibt die Oxidationszahl (= OxZahl). Tab. 17.1 zeigt die Berechnung von Oxidationszahlen der ( -Atome in 2-Propanol. Das zunächst umständlich erscheinende Verfahren wird sehr schnell zur Routine und führt stets zum richtigen Ergebnis.
77
Ol
Tab.17.1
Oxidationstahlen der C·Atome in 2-Propanol
Formelbeispiel mit Oxidationszahlen
... . - III H3C
···r·
Berechnung der OxZahl für C1 und C3
....
fi
i ...
-I II
CH)
C-H C-H C-H
- 1 -1 -1
c-c
0
OH
Berechnung der Oxlahl für c2
--3
c-c c- c
0 0
C-H C- O
-1
+1
-0
Propanol-2 2-Propanol
Im Kapitel 16 ist bereits deutlich geworden, dass - ausgehend von primären und sekundären Alkoholen - durch Redoxvorgänge weitere Kohlenstoffverbindungen mit höher oxidierten C-Atomen entstehen können. Tab. 17.2 gibt einen Überblick über die Oxidationsstufen der C-Atome in organischen Molekülen bzw. Stofffamilien und im anorganischen Kohlendioxid C0 2• Tab. 17.2
Oxidationsstufen des Kohlenstoffs
Oxidationszahl
Verbindung bzw. Stofffamilie
- IV
H
\I
H-C-H
I
H
Methan - III
•
R-
CH,
Alkan - II
•
•
H;,C-OH
R-C~-R
Methanol
Alkan
-I
R
~I
R-CH
t
0
I
R -CH 2 -0H
R
primärer Alkohol
Alkan
·~0
H-C~
'
H
Methanal
R
\I
R-T-OH
R
\I R- T - R
H
R
sekundärer Alkohol
Alkan
-
78 r--
Oxfdltionsuhl
Verbindung bzw. Stofffamilie
+I
R
f,?O R- C H Aldehyd
'
+li
fbO H-C~
'oH
Methansaure
+III
\1 R-C-OH I
R terti.rer Alkohol +,?O R-C
'R
Keton
t-?0
R-C
'oH
Carbons.iure
+IV
t O=C=O Kohlen (stoff)diox1d
17.4 Die Erstellung von Redoxgleichungen Da sehr viele chemische Vorgänge Redoxreaktionen sind, ist es von großer Wichtigkeit, den formalen Umgang mit den entsprechenden Redoxgleichungen zu beherrschen. Das Erstellen von Redoxgesamtgleichungen ist- einmal gelernt- ein immer in der gleichen Weise abzuhandelnder Vorgang: Zunächst werden jeweils die Teilgleichungen für die Oxidation bzw. für die Reduktion erstellt. Die Teilgleichungen geben Aufschluss über die Richtung des Elektronenflusses. In einem zweiten Schritt werden die Teilgleichungen zur Gesamtgleichung vereinigt, die die stöchiometrischen Verhältnisse wiedergibt. Hier wird vor allem die Zahl der abgegebenen e- mit der Zahl der aufgenommenen e- abgeglichen. • Formulierung der Teilvorgänge 1. Anschreiben des Ausgangs- und Endstoffes 2. Ermittlung der Oxidationszahlen und Zuordnung zu Oxidation bzw. Reduktion 3. Anderung der Oxidationszahl durch Elektronen ausgleichen 4. Ladungsvergleich 5. Ladungsausgleich unter Beachtung des sauren oder alkalischen Milieus 6. Stöchiometrische Berichtigung durch H20-Molekule Oie Teilgleichung für den anderen Vorgang gemäß den Regeln 1-6 erstellen! • Teilvorgänge nach Abgleich der Elektronenzahlen zur Gesamtgleichung summieren.
79
18
Redoxvorgänge am Beispiel verschiedener Alkohole
Butanolisomere C4 H90H (s. Kap. 14.5) werden einer Redoxreaktion mit angesäuerter Kaliumdichromatlösung K2Cr207 unterzogen. Die Reaktionsprodukte gehören den Stoffklassen der Aldehyde oder Ketone (s. Kap. 19 und Tab. 16.1) an.
18.1 Oxidation eines primären Alkohols zum Aldehyden Für das Butano/-1 und seine Reaktion zu Butanol wird das Formulieren eines organischen Redoxvorganges Beispiel gebend dargestellt: I. Formulierung der Teilvorgänge
Teilgleichung fü r die Oxidation: 1.
Anschreiben des Ausgangs- und Endstoffes.
2.
Ermittlung der Oxidationszahlen für das reagierende C-Atom
Butanol-1 Butanal I-Butanol Es handelt sich um den Oxidationsvorgang, da die Oxlahl zunimmt, ,.negative Ladungen weniger werden#, also e· abgegeben werden. 3. Änderung der OxZahl durch e· ausgleichen Ol
+1/
- -- H3e-H~-H~-e"'
+
2r
H
4.
Ladungsvergleich H
Ol
1-1
+1/ 2""'
H e-CH -eH -e-OH - -...- H e-H e-H e-e
3
\.
2
3
21
V
Ladung 0
H
J
2
+
2 e-
\..__ _ _---.. ~-H---___"j V Ladung -2
80
5.
RedOJcVOrgangt am Btisp•tl
Ladungsausgleich erfolgt mit Hydroxoniumionen H30•, da die Reaktion im sauren Milieu stattfindet
,_,
H
I
H C-CH -CH - C - O H 3
z
2
-
01
+l,f' + 2 e- + 2 H o• C- C
H C-"'~ C-H 3
' '2
2
"'
3
H
H
6. Stöchiometrische Berichtigung durch H20-Moleküle
Teilgleichung für die Reduktion: Für die Formulierung dieser Teilgleichung wird K2Cr2 07 auf das Dichrarnation CrzOIgekürzt, die K•-Ionen werden - als unbeteiligte Teilchen in der Lösung- vernachlässigt. 1.
Anschreiben des Ausgangs- und Endstoffes,
2.
Ermittlung der Oxidationszahl für das reagierende Ion +II I
2~
Beim Reduktionsvorgang nimmt die OxZahl ab, .. negative Ladungen" Elektronen - werden aufgenommen. 3.
Elektronenausgleich
4.
Ladungsvergleich Achtung: Es muss mit zwei Chromteilchen gerechnet werden! +VI
Crz()~-
Ladung -2 5.
+
+
6 e-
(- 6) = -8
+111 2 Cfl•
Ladung 2·(+3) a +6
Ladungsausgleich mit H3o•-Ionen +VI
Crz()~-
..
+I II
2 er:~-
81
Oxidation eines sekundären Alkohols zum Keton
6.
Berichtigung der Gleichung durch HzO-Moleküle +VI
(;(~~-
+I II
•
Se
2 erl<
14 H~o·
•
11. Teilvorgänge nach Abgleichen der Elektronenzahlen zur Gesamtgleichung
summieren +I II
+VI
Cri)~-
2 Cr3+
+
+
+III
+VI
Cri)~-
+
se
+
14 H3o· -
2er3'
+
2 er'' +
3c.Hs<>
H
3C3 H-,-
1-1
C-OH
I
H
cr2o?· • 3 c.~oH • a H30' Oxidations- Reduktionsmittel mittel
-
+
15 H2o
18.2 Oxidation eines sekundären Alkohols zum Keton Butanol-2 ist mit einem sekundären C-Atom ausgestattet. Eine Reaktion mit Dichromat-lösung führt zu einem weiteren Oxidationsprodukt mit einer Carbonylgruppe: 0
Oxidation
Butanol-2 2-Butanol
II
~C- C -
CH 2 -
Butanon
CH3
82
Übung: Stellen Sie anhand des Beispiels aus Kap. 18.1 die korrekte Teilgleichung für den Oxidationsvorgong auf! Bedenken Sie, dass auch in diesem Beispiel das Reaktionsmilieu saure Eigenschaften besitzt. Lösung: Teilgleichung für den Oxidationsvorgang:
Butanol-2
Butanon
Übung: Überlegen Sie, warum eine Oxidation von 2-Methylpropanol-2 (s. Kap. 14.5} mit Dichromatlösung nicht gelingt! Lösung: Die Oxidation eines Alkoholmoleküls zu einem Molekül mit einer Carbonylgruppe setzt am reagierenden (-Atom das Vorhandensein einer Bindung zu einem H-Atom voraus. Dies ist beim 2-Methylpropanol-2 (• tertiäres Butanol) nicht der Fall! Übung: Notieren Sie die Strukturformel des vierten Butanolisomeren und seines Oxidationsproduktes. Benennen Siebeide MolekOle! Lösung: OH
0
I
H
1
12
H~-C-CH3
l
CH3 2-Methylpropanol-1 2-Methyl-1-propanol
~C-C-CH H 3 /' 12 3
H
CH,
2-Methylpropanal
83
19
Carbonylverbindungen
Die Verbindungen aus den Stoffklassen der Aldehyde und Ketone lassen sich von den entsprechenden primären und sekundären Alkoholmolekülen ableiten und enthalten als funktionelle Gruppe die Carbonyl- oder Ketogruppe mit einer C-O-Doppelbindung:
""c=o)
/
p-Orbitale überlappen sich zur n-Bindung
nicht-bindende, ""doppelt besetzte U _spl.Hybridorbitale a-Bindung
Abb. 19.1
Valenzstrichformel und Orbitalvomellung der Carbonylgruppe
Die Doppelbindung in der Carbonyl-Gruppe kann man sich - wie bei den Alkenen (s. Kap. 3.2) - anhand einer sp 2-Hybridisierung der beteiligten Atome vorstellen und erklären (Abb. 19.1 ): Das C-Atom liegt mit seinen drei direkten Bindungspartnern in einer Ebene und bildet Bindungswinkel von annähernd 120 o aus.
19.1 Nomenklatur und Struktur 19.1.1 Aldehyde Gemäß der IUPAC-Nomenklatur werden aliphatische Aldehyde als Alkanale bezeichnet. Die Glieder der homologen Reihe folgen in der Benennung den Namen der Alkane mit der Endung-al: Methan-aL Ethan-aL Propan-al usw. Viele Aldehyde haben allerdings auch gebräuchliche Trivialnamen: z. B. Acetaldehyd H3C-CHO, Propionaldehyd H3C-CHz-CHO.
In den Aldehydmolekülen ist der .,Carbonyl-Kohlenstoff' mit einem H-Atom und einem Alkylrest verbunden. Die allgemeine Summenformel für die homologe Reihe lautet:
84
Carbony\vetbindungen
Eine Ausnahme bildet das erste Glied der homologen Reihe -Methanol HCHO- mit nur einem C-Atom und zwei H-Atomen.
-ol
R-/1
"'H
Alkanal Aldehyd allgemeine Strukturformel
Methanal Methaldehyd Formaldehyd
Butanal Butyraldehyd
Abb. 19.2
Alkanale - allgemeine Strukturformel und Beispiele
Das Carbonyl-C-Atom erhält bei einer Nummerierung der C-Kette stets die Ziffer 1. Das benachbarte C2 wird als o.-Kohlenstoffotom bezeichnet; a-C-Atome sind mitunter bei chemischen Reaktionen der Moleküle von Bedeutung. Bei der chemischen Betrachtung der kettenförmigen Reste kann eine fortlaufende Bezeichnung der C-Atome mit griechischen Buchstaben sinnvoll sein (Abb. 19.2). Es gibt auch Aldehyde, die Phenylreste (s. Kap. 11.2) als Baustein enthalten und damit aromatische Eigenschaften besitzen (Abb. 19.3).
Benzaldehyd Abb. 19.3
Benzaldehyd - Beispiel eines aromatischen Aldehyds
19.1.2 Ketone
Den Namen für ein Keton gemäß IUPAC-Nomenklatur erhält man durch das Anhängen der Endsilbe -on an den entsprechenden Alkannamen. Ketone sind Alkonone. Da das Carbonyl-C-Atom von zwei organischen Resten (das können sowohl Alkylals auch Phenylreste sein) flankiert wird, ist auf jeden Fall darauf zu achten, dass dieses C-Atom bei der Nummerierung eine möglichst niedrige Ziffer erhält. Einige Alkanone - beispielsweise Propanon CH 3COCH 3 - tragen Trivialnamen. Man kann Alkanone auch dadurch benennen, dass man die Nomen der zugehörigen Alkylreste aneinanderreiht und sie mit der Endung -keton versieht (Abb. 19.4).
85
Alkanon keton allgemeine Strukturformel
Propanon Dimethylketon . Aceton"
2-Butanon Ethyl-Methylketon
Abb. 19.4 Alk.lnone allgemeine Strulcturformel und Beispiele
Auch unter den Ketonen gi bt es Verbindungen mit aromatischen Eigenschaften (Abb. 19.5}.
/o'
II
·} --C-CH)
Methylphenylketon Acetophenon Abb. 19.5 Setspiel etnes aromatischen Ketons
19.2 Eigenschaften Geradezu fundamental sind die Auswirkungen der C·O-Doppelbindung der Carbonylgruppe sowohl auf die physikalischen als auch auf die chemischen Eigenschaften der Carbonylverbindungen.
"""0
0
EN(C) = 2,50 /c=o)
EN(O):: 3,50
:\EN:: 1,00 Abb. 19.6 Elektronegativität und Polarität der C-o-Do ppelbindung
Der Elektronegativitätsunt erschied ~E N (s. a. Kap. 13) zwischen dem C-Atom und dem 0-Atom ist signifikant: Aus der resultierenden Verschiebung der Elektronen erwachst die charakteristische Polarität der Doppelbindung und erklärt sich eine ganze Reihe von Eigenschaften der Carbonylverbindungen {Abb. 19.6).
86
Carbonylverbindungen
Vergessen Sie niemals: Das Carbony/-C-Atom ist durch die positive Teilladung für nucleophile Angriffe geradezu prädestiniert!
19.2.1 Siedetemperaturen Aldehyde und Ketone verfügen nicht liber polar gebundene H-Atome wie Alkohole. Deswegen können sie untereinander keine H-Brücken ausbilden: Ihre Siedepunkte liegen unterdenen von Alkoholen entsprechender Molekülmasse. Aufgrund der Anziehung durch Dipol-Dipol-Wechselwirkungen ist der Zusammenhalt zwischen den Molekülen von Carbonylverbindungen allerdings stärker als bei den entsprechenden Alkanen. Aus diesem Grund sind die Siedepunkte höher als bei den Alkanen.
19.2.2 Löslichkeit Zwischen Wassermolekülen und Molekülen mit Carbonylgruppe sind H-Brücken möglich. Dies bedingt die uneingeschränkte Mischbarkeit niederer Homologer mit Wasser: Methanal, Ethanal und Propanon lassen sich in jedem Verhältnis mit Wasser mischen. Die Lösung des gasfcirmigen Methanals in Wasser heißt Formalin und dient neben anderen Einsatzmöglichkeiten zur Konservierung anatomischer Präparate sowie zur Raumdesinfektion. Mit zunehmender Größe der organischen Reste nimmt die Wasserlöslichkeit der Carbonylverbindungen erwartungsgemäß ab.
19.3 Nucleophile AddiHonsreaktionen Carbonylverbindungen sind aufgrund der ausgeprägten Polarität der C-O-Doppelbindung nur bedingt mit den Alkenen, in deren Molekülen unpolare C-e-Doppelbindungen vorhanden sind, vergleichbar. Trotzdem finden wir bei den Aldehyden und Ketonen ebenfalls die Neigung zur Additionsreoktion, wie wir sie bei den Alkeneo als typisch kennen gelernt haben (s. Kap. 7.3). Allerdings handelt es sich bei den Carbonylverbindungen um Additionsreaktionen, die von einem nucleophilen Angriff auf das Carbonyl-C-Atom mit seiner positiven TeiUadung bestimmt sind. Die Möglichkeiten der nucleophilen Addition an die C-O-Doppelbindung sind nahezu unerschöpflich, sowohl seitens der Vielfalt der Carbonyl-Ausgangsverbindungen als auch der addierten Reaktionspartner. Der Reaktionsmechanismus hingegen folgt stets demselben Muster. Gemeinsam ist all diesen Reaktionen, dass ein Teilchen mit geballter negativer Ladung - in der Regel handelt es sich um nicht bindende, "freieM Elektronenpaare- in die Elektronenlücke am Carbonyl-C-Atom vorstößt.
87
Nud~ophtl~ Addtl•onsruktionen
Da bestimmte Reaktionsprodukte in der Biochemie große Bedeutung besitzen (s. Kap. 23) ist es ratsam, das Prinzip der nucleophilen Addition an die Carbonylgruppe wirklich zu verinnerlichen! Zudem ist der nucteophile Angriff auf ein C-Atom mit positiver Teilladung in vielen weiteren Reaktionsmechanismen der Organischen Chemie ein wesentlicher Vorgang. 19.3.1 Nucleophile Addjtion von Methanol an AcetaldehydHalbacetale
Die Reaktion zwischen Aldehyden R-CHO und Alkoholen R-OH verdient besondere Aufmerksamkeit, kann man doch auf der Basis des zugrunde liegenden Reaktionsmechanismus auch den Ringschluss bei Zuckermolekülen wie Glucose (s. Kap. 23.2.2) und Fructose nachvollziehen. Additionsreaktionen gelingen nahezu alle unter der Katalyse durch Souren, da eine Protonierung der Carbonylgruppe die Elektronenlücke am C-Atom verstärkt und den nucteophilen Angriff fördert. Stortreaktion:
Protonierung des Sauerstoff-Atoms der Carbonylgruppe unter Auftösung der Doppelbindung +
;)J'\W
H3C-C'\..
+
/. -H
l/
H3C-C~
H
H
Acetaldehyd Ethanal
Proton aus einer Säure
reaktives Zwischenprodukt
Nucleophiler Angriff: Mittels eines freien Elektronenpaars des Hydroxyl-SauerstoffAtoms des Methanols wird eine neue Bindung geknüpft, die
das Aldehyd-MolekUl mit dem Alkoholmolekül verbindet. OH
I ~ I HI H
~c-c-o-CH3
Methylalkohol Methanol
88
CarbonylvO!
Halbocetolbildung:
Unter Freisetzen des katalytisch wirksamen Protons W entsteht ein Holbocetol. OH
OH
I
e
H
H
H3C-~ -~-CH 3 ~===- H;,C -
I I
C-O-CH2 +
-
H'
H
Halbacetal
Halbacetale sind dadurch gekennzeichnet, dass sie an einem C-Atom sowohl eine Hydroxylgruppe als auch eine .,Etherbrückeu aufweisen (Abb. 19.7). Die Bildung eines Halbacetals ist zwischen einer Vielzahl von Aldehyden und Alkoholen denkbar. C-Atom der ehemaligen Carbonylgruppe :---.:1-0-R2 H
Halbacetal Abb. 19.7
Allgemeine Strukturformel eines Halbacetals
Die Reste R1 und R2 sind Alkylgruppen, die identisch oder unterschiedlich gebaut sein können.
19.3.2 NucleophUe Addition an Ketone- Halbketale Die nucleophile Addition von Alkoholen an Ketone führt zu Holbketolen. Diese Verbindungen unterscheiden sich von den Halbacetalen lediglich dadurch, dass an das ehemalige Carbonyl-C-Atom statt dem H-Atom ein weiterer Alkylrest RJ gebunden ist (Abb. 19.8). C-Atom der ehemaligen Carbonylgruppe
R3
Halbketal Abb. 19.8
Allgemeine Strukturformel eines Halbketals
89
Nudeophlle Addition$reaktioflen
Für die Bildung eines Halbketals kann der Reaktionsmechanismus entsprechend dem der Halbacetale (s. Kap. 19.3.1) formuliert werden. Probieren Sie es zur Übung aus! 19.3 .3 Nucleophile Addition von Wasser an Corbonylverbindungen
Auch Wassermoleküle verfügen am 0-Atom über freie Elektronenpaare, die bei einem nucleophilen Angriff auf ein Carbonyl-C-Atom wirksam werden können: R" 'li•
"-...6~
/~<jlv-H
I
R2
H
Carbonytverbindung
geminates Diol HHydratu mit 2 Hydroxylgruppen
Abb. 19.9
Verkürzter Reaktionsmechanismus für die nucleophile Addition von Wasser an die C-0-Doppelbin· dung
In Abb. 19.9 wird der Reaktionsablauf. währenddessen sich mehrfach Elektronenverschiebungen ereignen, absichtlich stark verkürzt dargestellt: Zum einen ermöglicht diese Art der Darstellung die Einsicht, dass die Elektronenpaare, die am Geschehen beteiligt sind, nur in einer Richtung aus-, um- oder weiter.,klappenM! Am Ende muss sich ..der Kreis quasi wieder schließen"! Zum anderen können Sie, wenn Sie genau hinschauen, nachvollziehen, wo die Elektronen letztendlich hin ..geklappt" sind. Ausgangspunkt ist jedoch auch hier der nucleophile Angriff auf das CarbonylC-Atom! Beachten Sie bitte, dass sich bei Berücksichtigung eines Katalysators W (s. letztes Kap. 19.3.1) ein wenig andere Elektronenverschiebungen ergeben! Hier passiert beim letzten Schritt, bei der Freisetzung von W, ein Richtungswechsel. Der Ausdruck des ..Elektronenklappensu mag dilettantisch anmuten. In der studentischen und schulischen Sprachpraxis wird jedoch eifrig Gebrauch davon gemacht! Oie bei der Hydratisierung (• Addition von Wasser) der Carbonylgruppe entstehenden geminalen Diole mit 2 Hydroxylgruppen an ein und demselben C-Atom - man spricht auch von Aldehyd· oder Ketonhydraten - sind recht unbeständig. Die meisten von ihnen bilden sich unter Wasserabspaltung leicht in die Carbonytverbindung zurück. Als Endprodukte einer chemischen Reaktion sind sie jedenfalls mit Skepsis zu betrachten oder mit einer entsprechenden Bemerkung zu versehen.
90
Cirbony\V('rbindungen
19.3.4 NucleophUe Addition von Ammonjak und EUmjnjerung von Wasser Das Ammoniakmolekül NH 3 gehört aufgrund seines pyramidalen Baus und seiner Teilladungen zu den polaren Molekülen. Es besitzt am Stickstoff ein nicht bindendes Elektronen paar, das für nucleophile Angriffe geeignet ist.
Abb. 19.10
Räumliche Strukturformel von Ammoniak NHJ
In Abb. 19.10 sind die Bindungen im Ammoniakmolekül unter Berücksichtigung der räumlichen Gegebenheiten - wie sie vor allem bei den stereochemischen Betrachtungen von organischen Molekülen (s. Kap. 22) eine wichtige Rolle einnehmen werden - dargestellt: • durchgezogen: Bindung in der Papierebene • schwarzes Dreieck: Bindung, die vor die Papierebene weist • gestricheltes Dreieck: Bindung, die hinter die Papierebene weist Für den nucleophilen Angriff von NH 3 auf Carbonylverbindungen ergibt sich dementsprechend eine eindeutige Richtung: Das Molekül stößt mit dem freien Elektronenpaar in die Elektronenlücke am Carbonyl-C-Atom und addiert sich in der bekannt en Weise an die Doppelbindung (Abb. 19.11). R2
Aminogruppe
I R,-c-e I OH
Addi tionsprodukt meist
nicht isotierbar Abb. 19.11
Addition von NHl an eine Carbonylverbindung
91
Nudeophile Ackhtionsreaktionen
Im instabilen Zwischenprodukt sind an das ehemalige Carbonyl-C-Atom eine Aminogruppe - NHz und eine Hydroxylgruppe -OH gebunden. In einem zweiten Reaktionsschritt - einer E/iminierung - spaltet sich aus dem Additionsprodukt Wasser H20 ab (Abb. 19.12).
+
Imin
Abb. 19.12
Bildung eines Imins mittels Dehydratisierung
Oie Eliminierung von Wassermolekülen wird oft als Dehydratisierung bezeichnet. der Vorgang, der Moleküle unter Wasserabspaltung vereinigt. heißt Kon-
densation. Die Gesamtreaktion besteht aus einem Additions- und einem Eliminierungs-
schritt. Imine bilden eine eigene, umfangreiche Stoffgruppe, deren Verbindungen auf vielfältige Weise weiterreagieren können.
19.3.5 Additions-EUminierungs-Reaktionen mit Derivaten des Ammoniaks Abkömmlinge des Ammoniaks, die durch Substitution von H-Atomen entstehen, bezeichnet man als Amine. Je nachdem, wie viele H-Atome durch andere Atome oder Atomgruppen ersetzt werden, spricht man von primären, sekundären oder tertiären Aminen. Handelt es sich bei den Substituenten um Alkylreste, liegen Alkylamine vor (Abb. 19.13). H
H
H
Methylami n primär
Anilin Aminobenzol primär
H3C
CI-I.J
\IN- CHJ I H3C
Hydroxylamin Dirnethylamin primär sekundär
Trimethylamin tertiär
\IN-OH I H
\IN-CH \IN 3 I I H H
H3C
Abb. 19.13 Beispiele primärer, sekundärer und tertiärer Amine
\IN -
I
H
92
Carbonyl•erbindungen
Die Derivate des Ammoniaks. die noch mindestens ein H-Atom am Stickstoff tragen, können mit Carbonylverbindungen nucleophile Additionsreaktionen eingehen. Damit scheiden tertiäre Amine für diesen Reaktionstyp aus! Die Additionsreaktionen von Hydroxylamin NH 2-0H und Hydrazin H2N-NH 2 unter anschließender Eliminierung von Wasser führen zu Kondensationsprodukten aus den Stoffgruppen der Oxime (Abb. 19.14) bzw. Hydrazone (Abb. 19.15). Zunächst betrachten wir die Reaktion einer Carbonylverbindung mit Hydroxylamin:
H
R -C-N-OH
I
I
OH
Carbonylverbindung
Hydroxylamin
Additionsprodukt nicht isotierbar
Oxim
Abb. 19.14
Bildung eines Oxims in einer Additions-Eliminierungs·Reaktion
Analog verläuft die Reaktion mit Hydrazin: R2
I
R 1-
, -
H N-
-H,O
NH2
OH
Carbonylverbindung
Hydrazin
Additions pro du kt nicht isotierbar
Hydrazon
Abb. 19.15
Bildung eines Hydrazons in einer Additions-Eiiminierungs· Reaktion
In Oximen und Hydrazonen ist das Vorhandensein einer C·N·Doppelbindung typisch! An deren Stickstoff-Atom sind Substituenten des eingangs reagierenden Amins gebunden.
19.3.6 Zusammenfassung Oie Beispiele (Übersicht in Tab. 19.1) zeigen. dass nucleophile Additionsreaktionen an die C-O-Doppelbindung in stets vergleichbarer Weise ablaufen. • Der nucleophile Angriff auf das Carbonyl·C-Atom mit seiner positiven Teilladung erfolgt mittels eines nicht bindenden Elektronenpaarsam Nucleophil. Aus dem ursprünglich nicht bindenden Elektronenpaar entsteht eine Atombindung.
93
Hud eopllile Additionsreaktionen
• Bei den Reaktionsprodukten gibtestrotz aller Vielfalt Übereinstimmungen. Alle Additionsprodukte- auch im Falle der Instabilität- enthalten am ehemaligen Carbonyi-C-Atom eine Hydroxylgruppe. Deren H-Atom wird meist zunächst von einer katalytisch wirksamen Säure geliefert. Ein H-Atom aus dem nucleophil angreifenden Molekül wird zur Freisetzung des Katalysatorsam Ende wieder abgespalten. • In den verkürzten Reaktionsmechanismen gelangt ein H-Atom aus dem nucleophil angreifenden Teilchen direkt ins Additionsprodukt. Dadurch kann man sich verdeutlichen, dass die Additionsreaktion nur mit Molekülen erfolgreich sein kann, die am nucleophil wirksamen Atom zusätzlich min· destens ein H-Atom besitzen. • In einem der Addition folgenden Eliminierungsschritt ist unter Umständen die Abspaltung von Wassermolekülen (• Dehydratisierung) möglich. Unter Ausbildung einer Doppelbindung zwischen dem ehemaligen CarbonylC-Atom und dem "Angriffsatom" aus dem Nucleophil entstehen dann Verbindungen weiterer Stoffklassen. Die Kondensation ist jedoch nur möglich, wenn am "Angriffsatom" ein weiteres H-Atom vorhanden ist.
19.3.7 Überskht Tab. 19.1 Edukte und Produkte nucleophiler Additions-/Eliminationsreaktionen an die Carbonylgruppe
Nudeophil H-OR Alkohol
Additionsprodukt an Aldehyd: OH
I
-
R, - c - o - R2
I -
H
Eliminationsprodukt
Bemerkung Elimination nicht möglich, biochemische Bedeutung bei den t
Halbacetal H-OR Alkohol
an Keto n: OH
I
-
R 1-~-0-R2
R3
Halbketal
Elimination nicht möglich, biochemische Bedeutung bei den Kohlenhydraten
94 Nucteophll
H-OH Wasser
Carbooylverbindungen
Additionsprodukt R
1 "'
Eliminationsprodukt
Additionsprodukte meist nicht isolierbar, Elimination entspricht einer Rückreaktion
/OH
/c"'-OH
R2
Aldehydhydrat Ketonhydrat H-NH2 Ammoniak
Rz
Rz
I I OH
R1- C - N H2
H- NH-OH Hydroxylamin primäres Amin H- NH-NH 2 Hydrazin primäres Amin
I -
Additionsprodukt instabil
R1- C = N - H
Imin
Rz
Additionsprodukt instabil
Rz
I I OH
R1 - C=
Rz
Rz
H R1 - C -N-OH
I I
Bemerkung
I
N-OH
Oxim
H
R 1- C - N - N H2
Additionsprodukt instabil
I
R1- C=N-NHz
Hydrazon
OH
Übung:
Propanal reagiert in einer nucleophilen Additionsreaktion mit Anilin. a) Formulieren Sie einen säurekatalysierten Reaktionsmechanismus für die Addition! b) Prüfen Sie die Stabilität des Additionsproduktes bzw. die Möglichkeit einer Weiterreaktion und formulieren Sie - falls erforderlich - weitere Reaktionsschritte! Lösung:
a) Protonierung: +
Propionaldehyd Propanal
Proton aus einer Säure
reaktives Zwischenprodukt
95
Nudeophllt Addltlon5reaktlonen
Addition: OH
H
I le I HI H
Ctis- C -
An ihn Aminobenzol
N"'--<
rI -1
~H5 -C - N --'·
H
instabiles Zwischenprodukt b) Das Zwischenprodukt reagiert weiter: Eliminierung - Kondensation
C:zH&-
C= N - - , .,
I -
H
Azomethin Aldimin Schiffsehe Base (Beispiel) Aldehyde reagieren mit primären Alkylaminen in einer Additions-Eliminierungsreaktion zu den so genannten Azomethinen (Aldiminen) oder Schiffsehen Basen (s. a. Übung unten). Die Reste an einem Azomethinmolekül können aliphatisch oder aromatisch sein! Übung: Folgende Verbindungen reagieren in nucleophilen Additions-/ Eliminationsreaktionen miteinander: a) Benzaldehyd und Methanol b) Aceton und Ethylamin c) Acetophenon und Hydroxylamin d) Acetaldehyd und Ammoniak Notieren Sie die Formeln der Ausgangsstoffe und Endprodukte und ordnen Sie letztere einer Stoffklasse zu! Vermerken Sie, welche der Produkte durch eine Kondensation entstehen (Tab. 19.2).
96
Carbonylvtrbindungen
Lösung: Tab. 19.2. Tab. 1 9.2 Formeln und Bezeichnungen zur Übungsaufgabe
Ausgangsstoff I Carbonylverbindung
Ausgangsstoff Il Nucleophil
Produkt Formel Stoffklasse OH
a)
c~
"'
I
f \
#0
f \
C-O-CH3 H
HO-CHl
H
Benzaldehyd b)
HJC-C=N--CH2-CH3
#0 HC-C~ 3
\
I
CH3 H2N-CH2-CH 3
cH3
Aceton c)
f \
Ethylamin
Acetophenon
Schiffsehe Base aus Keton und primärem Amin Kondensation
f \
#0
c~
\ CH3
Halbacetal
Methanol
HzN-OH
Hydroxylamin
-
C=N-OH
I
CH,
Oxim Kondensation
d)
~0 H3C-C" HzN-H
H
Acetaldehyd
Ammoniak
H3C- C = N H H
Imin Kondensation
19.4 Der induktive Effekt In unserer Betrachtung der Carbonylverbindungen ging es bisher vorwiegend darum, die Rolle der polaren C=O-Doppelbindung im Reaktionsverhalten zu verstehen. Die Reste R, die an das Carbonyl-C-Atom geknüpft sind und die - angefangen bei H-Atomen bis hin zu Alkylgruppen oder Phenylresten - sehr unterschiedlich beschaffen sein können, blieben in ihren Auswirkungen auf das Molekülgefüge und die chemischen Eigenschaften bisher unbeachtet.
97
Der indukti'-e Elfelt
Vergleicht man jedoch die Reste R hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Elektronenverteilung in der C-O-Doppelbindung, so stellt sich heraus, dass es Reste gibt, die die Elektronenkonzentrotion - speziell im Bereich des Carbonyl-C-Atoms mit seiner positiven Teilladung o•- verstärken oder verringern können. Oieses Phänomen wird als induktiver Effekt bezeichnet (Abb. 19.16). Als willkürliche Bezugsgröße hat man die Verhältnisse festgesetzt, die vorliegen, wenn von einem H-Atom als .. Rest" ausgegangen wird. Erhöht ein Rest, wie immer er auch beschaffen sein mag, im Vergleich zu Wasserstoff die Elektronendichte an dem C-Atom, an das er gebunden ist, so spricht man von einem +I-Effekt dieses Substituenten. Vermindert ein Rest die Elektronendichteam C-Atom, zu dem er eine Bindung unterhält, so spricht man von seinem -I-Effekt.
..tert. Butylrest" ..Isopropylrest"
Ethylrest
+I-Effekt
Methylrest
Phenylrest - I-Effekt
Abb. 19.16 Induktive Effekte verschiedener Substituenten
Die Beispiele für Alkylreste zeigen, dass mit zunehmendem Umfang bzw. stärkerer Verzweigung der +I-Effekt steigt. Der .,tertiäre Butylrest" übt demgemäß in dieser Reihe die nachhaltigste Elektronen ..schiebende" Wirkung aus. Als Elektronen nziehender" Substituent ist uns bisher der Phenylrest begegnet. Sein Vorhandensein am Carbonyl-C-Atom verursacht durch seinen - I-Effekt eine Betonung der positiven Teilladung &•. Übung: Überlegen Sie, welche der der oben abgebildeten Molekülreste die Bereitschaft einer Carbonylverbindung zur nudeophilen Additionsreaktion fördern bzw. vermindern! Lösung: Oie nucleophile Addition wird durch eine möglichst ausgeprägte positive (Teil-) Ladung b• am Carbonyl-C-Atom gefördert. Aus diesem Grund sind .,Elektronen" ziehende Substituenten, wie beispielsweise der Phenylrest der Reaktionsbereitschaft zuträglich.
98
Carbonylverbindungt~
In den Molekülen der mannigfaltigen organischen Stoffklassen (Halogenalkane, Alkohole, Ether usw.) gibt es viele weitere Substituenten, die induktive Effekte bewirken. Besonders die Reihe der Elektronen ..ziehendenu Atome oder Atomgruppen mit - I-Effekt kann um weitere, wirksame Vertreter erweitert werden (Abb. 19.17). 0~ < HO- < H3C - 0 - < 1 - < Br-
<
~c-
HO/
Phenylrest
Hydroxylgruppe
Methoxygruppe
Carboxylgruppe
Abb. 19.17 Substituenten mit -I-Effekt- elektronenanziehende Wirlcung von links nach rechts zunehmend
Induktive Effekte treten sehr häufig und in den Molekülen fast aller organischen Stoffklassen auf. Eine Ausnahme bilden die reinen Kohlenwasserstoffe- Alkane, Alkene, Alkine. Oie dadurch bewirkten Verschiebungen von (Teil-)Ladungen wirken sich auf die Reaktionseigenschaften bzw. die Reaktionsbereitschaft der Moleküle mitunter äußerst prägnant aus! Als Faustregel für induktive Effekte kann gelten: Alkylreste erhöhen die Elektronendichteam bet rachteten C-Atom im Vergleich zu einer C-H-Bindung, Atome oder Atomgruppen mit ausgeprägter Elektronegativität vermindern sie.
19.5 Nachwe;sreaktionen für Aldehyde Das in der Aldehydgruppe -CHO vorhandene H-Atom macht eine Oxidation der Aldehydmoleküle möglich. Durch diese Redoxreaktion (s. a. Kap. 17) entstehen aus den Aldehydmolekülen die Moleküle so genannter Cerbonsäuren (s. Kap. 20). Oie durch die Oxidation frei gesetzten Elektronen verbrauchen sich in der Reduktion: Bei den typischen Nachweisreaktionen Si/berspiegelprobe und Feh/ingsche Probe werden Metallionen reduziert. Die Aldehydmoleküle wirken als Reduktionsmittel. die Metollionen als Oxidationsmittel. Ketone reagieren unter den gleichen Bedingungen nicht und können auf diese Weise von Aldehyden unterschieden werden.
99
Nach.,elsreaktionen für Aldehyde
19.5.1 Silberspiegelprobe
Bei dieser bekannten Nachweisreaktion werden Silberionen Ag• aus Silbernitratlösung AgN0 3 als oxidierende Teilchen eingesetzt. Deren Reduktion in alkalischer Lösung erzeugt elementares Silber, das fein verteilt die Reaktionslösung dunkel färbt oder sich - im Idealfall- als glänzende Schicht an der Wand des Reaktionsgefäßes niederschlägt und den Namen gebenden Silberspiegel entstehen lässt (Abb. 19.18). 0 +1//
R-C
+I
•
2Ag•
+
20W - - - - ;.... +
"
0 +111//
0
R-C
2Ag
"
H
+
H20
OH
Carbonsäure
Abb. 19.18 Redoxge~amtgleicnung für die Silberspiegelprobe
Übung: Versuchen Sie, anhand der Vorlage aus Kap. 17.4 die Teilgleichungen für den Redoxvorgang der Silberspiegelprobe zu formulieren und den Weg zur Gesamtgleichung nachzuvollziehen. Lösung: Teilgleichung für die Oxidation: 0
0
+1/f
R-C
+
+111
I!
R-C
20H
\,H
"
H
•
2 e·
• H.P
Teilgleichung für die Reduktion: +I Ag' + e ·
0 Ag
Beim Erstellen der Gesamtgleichung aus den Teilgleichungen hilft Ihnen Kap. 17 .4. 19.5.2 Fehlingsche Probe
Die reduzierende Wirkung der Aldehydgruppe -CHO führt in der häufig angewandten Fehling-Probe zur Entstehung von Kupfer(I)-Ionen aus Kupfer(II)-Ionen. Die aus Aldehyden hervorgehenden Oxidationsprodukte sind wie bei der Silberspiegelprobe Carbonsäuren. Als Oxidationsmittel dienen Cu 2• -Ionen aus einer alkalischen Kupfer(II)-sulfatLösung CuSO~. das Produkt Kupfer(I)-oxid CuzO zeigt sich als charakteristischer roter Niederschlag und weist nach, dass die Oxidation eines Aldehyds erfolgte (Abb. 19.19).
100
Ca rbonytverbmdunge•
0
0
+II/
R -C
"'
+
+II
2 Cu2 " + 40W
H
+111/ j
R- C
+
+I
<:41 20 + 2 H20
"-oH
Carbonsäure
Abb. 19.19 Redoxgesamtgleichung fi.Jr die Fehlingsche Probe
Die Fehling-Reaktion dient in der Chemie der Kohlenhydrate sehr häufig zum Nachweis von Aldehyd-Gruppen in Zuckermolekülen (s. Kap. 23.2.2).
101
20
Carbonsäuren und Carbonsäurederivate
Die aus den Aldehyden durch Oxidation hervorgehende Stoffklasse der Cerbonsäuren enthält in ihren Molekülen die Carboxylgruppe -COOH als funktionelle Gruppe (Abb. 20.1).
R
Carboxylgruppe
Abb. 20.1
Allgemeine Strukturformel einer Monocarbonsäure
Formal kann die Carboxylgruppe als Kombinotion einer Carbonyl- mit einer Hydroxylgruppe aufgefasst werden. Die besonderen Eigenschaften von Carbonsäuren resultieren aus der Wechselwirkung dieser beiden Gruppierungen. Betrachtet man die gesamte Stoffklasse der Carbonsäuren und ihrer Abkömmlinge. so erscheint eine Systernatisierung zunächst schwierig. Einen Überblick über die im Folgenden besprochenen Vertreter dieser umfangreichen Gruppe von Verbindungen gibt Tab. 20.6 am Ende des Kapitels, S. 123.
20.1 Monocarbonsäuren Carbonsäuren, die nur eine Carboxylgruppe enthalten, und deren RestRaus einem Alkylrest oder einem H-Atom besteht. gehören zu den Monocorbonsouren. In der IUPAC-Nomenklatur bezeichnet man sie als Alkonsauren. Entsprechend leiten sich die Namen durch das Anhängen der Endung -saure an den jeweiligen Alkannamen ab. Für viele Carbonsäuren werden bevorzugt die traditionellen Trivialnamen verwendet. Monocarbonsäuren (Ausnahme: Methansäure HCOOH) bilden eine homologe Reihe mit folgender allgemeiner Summenformel:
20.1.1 Homologe Reihe Einige Monocarbonsäuren spielen in der Organischen Chemie und der Biochemie eine bedeutende Rolle. Die höheren, longkettigen Homologen werden aufgrund ihres Vorkommens in Fetten (s. Kap. 25) auch Fettsäuren genannt (Tab. 20.1). In den weiteren Ausführungen des Kap. 20.1 werden Monocarbonsauren der Emfachheit halber als Carbonsauren bezeichnet
102 Tab. 20.1
Formeln und Namen ausgewählter Alkansäuren
Anzahl C·Atome 1
1
Summenfonnel HCOOH
' Strukturformel
#0 H-e~
Name
Trivialname
Methansäure
Ameisensäure
Ethansäure
Essigsaure
Propansäure
Propionsäure
Butansäure
Buttersäure
\ OH
2
CH 3COOH
#0 H:!C-C~
\ OH
3
C2HsCOOH
~0
H,C-H2C-C
\ OH
4
C3 H,COOH
#0
H~+HzCtC(
OH 12
C11HuCOOH
#0
H3C+HzC-tC~
Dodecansäure Laurinsäure
10 \
OH
16
C,sH 11COOH
#0
H,C+H2CtC~ 14 \
18
C11H15COOH
HI!Xadecansäure
Palmitinsaure
Octadecansäure
Stearinsäure
OH
#0
H3C+HzC+C~ 1• \
OH
20.1.2 Eigenschaften Niedrige Homologe verfügen über einen ausgeprägten Geruch: Aüssige Carbonsäuren wie Ameisensäure über Essigsäure bis hin zu Buttersäure und Pentansäure ent· senden charakteristisch stechende bis widerwärtig stinkende Aromen. Oie physikalischen und chemischen Eigenschaften der Carbonsäuren werden vom Zusammenspiel der polaren Carboxylgruppe mit dem unpolaren Alkylrest
103
Monocarbons;i uren
bestimmt. Mit zunehmender Kettenlänge des Alkylrestes schwindet die Auswirkung der Carboxylgruppe, und es erhöht sich stattdessen sein +I-Effekt (s. Kap. 19.4). Die Löslichkeit in Wasser orientiert sich bei den niedrigen Homologen am Überwiegen des Einflusses der hydrophilen Carboxylgruppe und deren Fähigkeit. Wasserstoffbrücken auszubilden: Somit sind die ersten vier Glieder der homologen Reihe in jedem Verhältnis mit Wasser misch bar, die Pentansäure hingegen löst sich darin nur mehr wenig. Höhere Säuren lösen sich nicht in Wasser: Die hydrophoben Eigenschaften der Fette gehen folglich auf die Auswirkung der umfangreichen Alkylreste in den Fettmolekülen zurück. In unpolaren Lösungsmitteln wie beispielsweise Benzin lösen sich alle Carbonsäuren. Niedere Homologe neigen zur Dimerisierung. Dabei bilden jeweils zwei Carbonsäuremoleküle über zwei stabile H-Brücken DoppeCmo/eküle aus, in denen die Polarität der Einzelmoleküle quasi aufgehoben ist. H-Brücke
'
QIII UUI IIIIIIIIII H - 0
H3 C -
II \
C
\ II
C-
CH3
O - H IIIIIIIIIIII IIIIIIO
•
H-Brücke Abb. 20.2 Dimere Essigsäure CHJCOOH
Höhere Homologe sind zwar bei Raumtemperatur fest, lösen sich bei gleichzeitiger Erwärmung jedoch in unpolaren Lösungsmitteln. Die Siedetemperaturen der Carbonsäuren steigen mit wachsender Kettenlänge: Liegen sie bei der Ameisensäure HCOOH und der Essigsäure CH 3COOH im Bereich von 100 ° (, erreichen sie bei den höheren Homologen schnell Werte um 200 oc und mehr. Langkettige Fettsäuren zersetzen sich aufgrund der stark wirkenden Van-derWaals-Kräfte, nur unter vermindertem Druck kann man sie zum Sieden bringen. 20.1.3 Ameisensäure
Die Methansäure oder Ameisensäure HCOOH wurde früher tatsächlich durch die grausam anmutende Methode der tJockenen Destillation von Ameisen gewonnen: Durch Erhitzen geht das Ameisengift in die Gasphase über und kann durch einen Kondensationsprozess aufgefangen werden.
104
Carboos.~uren und Carbonsäuttderiv~tr
Die ätzend-schmerzhafte Wirkung der Ameisensäure bei Hautkontakt kennt jeder, der sich schon mit dem Spritzgift der Ameisen oder auch vielen anderen Verteidigungseinrichtungen von Tieren und Pflanzen körperlich konfrontiert sah: Man fin det diese Säure nämlich ebenfalls in den Nesselkapseln der Quallen, im Gift der Bienen und in den Brennhaaren der Brennnesseln. In der Technik wird Ameisensäure aus Kohlenmonoxid CO und geschmolzenem Ätznatron NaOH hergestellt. Aufgrund ihrer besonderen Molekülstruktur (s. Tab. 20.1) kann die Ameisensäure sowohl wie ein Aldehyd als auch wie eine Carbonsäure betrachtet werden. Diese HDoppelnatut'' zeigt sich auch im Reaktionsverhalten: Eine Oxidation -typisch für Aldehyde- mit Kaliumpermanganat KMn04 erzeugt zunächst Kohlensäure H2C0 3, welche dann in Kohlendioxid C0 2 und Wasser zerfallt. Beim Erhitzen mit konzentrierter Schwefelsäure H2SO, hingegen entstehen durch Dehydratisierung Kohlenmonoxid CO und Wasser. Ameisensäure wird beispielsweise als Entkolkungsmittel und zur Konservierung eingesetzt. 20.1 .4 Ess;gsaure
Auch die Essigsäure CH3COOH (s. Tab. 20.1) ist eine ätzende, stechend riechende Flüssigkeit. Reine Essigsäure erstarrt bei 16 ac, präsentiert sich unter diesen Bedingungen als eisartiger Feststoff und heißt deswegen auch Eisessig. Essigsäure entsteht von selbst, wenn Wein für einige Zeit offen stehen gelassen wird: Die Flüssigkeit überzieht sich mit einer grauen Haut bestehend aus Essigsäurebakterien, schmeckt sauer und riecht nach Essig. Die Enzyme der Bakterien sorgen zusammen mit dem Luftsauerstoff für eine Oxidation des Ethanols C2H50H aus dem Wein zur Ethansäure. Auf diesem Weg entsteht lebensmitteltauglicher Weinessig, eine verdünnte Lösung der Ethansäure. Zur Herstellung von Hausholtessig im großen Maßstab wird ethanolhaltige Flüssigkeit wie beispielsweise Fruchtmost über mit Essigbakterien beimpfte Buchenholzspäne geleitet. Der zur Oxidation erforderliche Luftsauerstoff wird über Umwälzpumpen eingeblasen. Großtechnische Verfahren erzeugen Essigsäure über die Oxidation von Ethanal, welches wiederum aus Ethen hergestellt werden kann. Im Hausgebrauch wird Essigsäure zum Würzen und Konservieren von Speisen sowie zum Entkalken eingesetzt. Die konservierende Wirkung beruht auf der Tatsache, dass Mikroorganismen in einer 2- 3 'Yoigen Lösung von Essigsäure nicht mehr lebensfähig sind. In der chemischen Industrie wird Essigsäure zur Herstellung von Lösungsmitteln, Kunstseide und Medikamenten gebraucht. 20. 1.5 Acidjtät
Die Essigsäure bedingt den sauren Geschmack des Speiseessigs: Diese Eigenschaft verweist auf das Vorhandensein einer auch im chemischen Sinn wirksamen Säure im Lösungsmittel Wasser.
105
Moncx:arbonsäuren
Carbonsöuren sind Brönsted-Söuren und damit in der Lage, Protonen an Moleküle eines geeigneten Gegenübers, einer Brönsted-Bose, abzugeben {Abb. 20.3). H
+
H-~
'\.H
Ethansäure Essigsäure
Wasser
Acetat-Ion Beispieleines Carboxylat-Ions
Oxonium-Ion
Abb. 20.3
Protolyse von Essigsäure
Oie Abgabe von Protonen (=Protolyse) aus einer Carbonsäure an Wassermoleküle lässt - neben den positiv geladenen Oxoniumionen H30+ - negativ geladene Carboxylat-Ionen entstehen. Im Fall der Essigsäure heißt das Anion Acetat-Ion oder Ethanoat-Ion. Salze der Essigsäure sind Acetate (s. a. Tab. 20.2, S. 107}. Carbonsäuren sind schwache Söuren. Im Vergleich mit den Alkoholen (s. Kap. 14.6 Alkoholate) neigen sie zwar wesentlich stärker dazu, Protonen abzugeben, im Vergleich mit Mineralsäuren wie beispielsweise der Schwefelsäure H2S04 ist ihre Neigung zur Protolyse allerdings gering. Die Acidität (- Säureeigenschaft) der Carbonsäuren beruht auf zwei Eigenschaften der Carboxylgruppe: • Die Carbonylkomponente übt einen -I-Effekt (s. Kap. 19.4) aus. • Oie Carboxylat-lonen sind mesomen'estabilisiert (s. a. Kap. 10.4). Der -I-Effekt der Carbonylgruppe - ausgehend vom elektronegativen Carbonyl0-Atom - verursacht eine Verschiebung der Bindungselektronen innerhalb der Carboxylgruppe, die die Ablösung des Protons begünstigt (Abb. 20.4).
-1-Effek.~o H3C
.Cf
e- ten d1eren zum"'\·. . Carbonyl-C-Atom '. 0 .. ....... H e- tendieren zum 0-Atom Abb. 20.4
-I-Effekt der Carbonylgruppe im Molekül der Essigsäure
106
Cubonsiiurl!n und u rbllnsäuredenvite
Innerhalb der Säureanionen ist die negative Ladung delokalisiert und es existieren zwei mesomere Grenzstrukturen (Abb. 20.5).
Abb. 20.5 Mesomere Grenzstrukturen des Acetations
Den realen Zustand stellt man sich quasi als ,.Übereinonderprojektion" der Grenzformeln vor, in der die negative Ladung über die beiden 0-Atome und das (-Atom der Carboxylatgruppe verteilt ist. Dieses Phänomen gilt als Mesomeriestabilisierung des Carboxylations und unterstützt die Bildung des Anions (Abb. 20.6).
Abb. 20.6 Carboxylation - allgemeine Summenformel und mesomere Grenzstrukturen
20.1. 6 Säurestärke
Die Stärke einer Säure, bezogen auf ihre Fähigkeit zur Protolyse in Wasser, drückt sich in ihrem so genannten pKs·Wert aus. pKs·Werte organischer und anorganischer Säuren gehören wie Schmelz- und Siedepunkte zu den Kenngrößen dieser Verbindungen. Der Berechnung des pKs·Werts liegt das Massenwirkungsgesetz zugrunde. Merken Sie sich einfach: Je niedriger der pKs·Wert einer Säure ist, desto stärker ist die Neigung der Säuremoleküle zur Protolyse. Für die Essigsäure mit ihrem pKs-Wert von 4, 76 bedeutet das, dass in einer wässrigen Lösung mit der Konzentration c(CH 3COOH) • 0, lmoljl nach Protolyse etwa 1% der Moleküle als Acetat-Ionen vorliegen. Die anderen Moleküle sind undissaziiert. Der Doppelpfeil in der Protolysegleichung (s. Abb. 20.3) symbolisiert das Protolysegleichgewicht.
In Tab. 20.2 finden sich ausgewählte Beispiele unsubstituierter, substituierter, ungesättigter und aromatischer Monocarbonsäuren. Durch Betrachtung und Vergleich
107
Monocarbonsäu,.n
ihrer pK5-Werte können die Einflüsse des Molekülteils jenseits der Carboxylgruppe aufgezeigt und eingeordnet werden. Allgemein gilt: • Alkylreste bewirken einen +I-Effekt (s. Kap. 19.4). Sie drücken Elektronen zur Carboxylgruppe hin und vermögen dadurch die Bindung zum aciden H-Atom zu stärken, welches sich in der Folge schwerer ablöst. Oie Tendenz zur Protolyse vermindert sich. • Ungesättigte Systeme ziehen Elektronen aus der Carboxylgruppe ab. Dies wird auf den Elektronensog, der von den sp 2-hybridisierten C-Atomen ausgeht, zurückgeführt. Oie Bereitschaft zur Protolyse steigt. • Elektronegative Substituenten wie Halogenatome - vor allem an dem der Carboxylgruppe benachbarten a-C-Atom - bedingen einen - I-Effekt und erhöhen die Tendenz zur Protonenabspaltung. Ta b. 20.2
Monocarbonsauren. Namen i hrer Salze und ihre pK.-Werte
Formel
;/
H-C
\ OH
;/
Name der Säure Name der Salze
p!Cs-Wert Bemerkung zur Säurestärke
Methansäure, Ameisensäure Methanoate, Formiate
3,74
Ethansäure, Essigsäure Ethanoate, Acetate
H3C -C\
stärkste, unsubstituierte Alkansäure 4,76
+I-Effekt des Methylrests vermindert Protolyse
OH
!l
H3C-~C-C
\ OH 0
u
II \ OH
c1-- ~c -c
0
o.
II
I
\
CI - H C -C Cl
OH
Propansäure, Propionsäure 4,88 Propanoate, Propionale +I-Effekt nimmt durch Ethylrest weiter zu, mindert Protolyse Monochloressigsäure. Monochlorethansäure Monochloracetate
Dichloressi gsäure, Dichlorethansäure Dichtoracetate
2.86
elektronegativer Substituent am ct-C·Atom bedingt -I-Effekt und fördert Protolyse 1,30
zwei elektronegative Substituenten bedingen verstärkten - I-Effekt bzw. Protolyse
108
CarbonsJufl!'n und Carbonsau~d~rivate
Formel
o
Cl
Iu II I \H
CI-C-C
Name der Säure Name der Salze
pK,-Wert Bemerkung zur Säurestärke
Trichloressigsäure, Trichlorethansäure Trichloracetate
0,70
drei elektronegative Substituenten bedingen starken -I-Effekt und hohen Protolysegrad 4.26 die sp2 -Hybridisierung am n-C-Atom zieht im Vergleich zur gesättigten Propansäure Elektronen an, Protolyse nimmt zu
Cl
Propensäure, Acrylsäure Acrylate
0
a
II
H
\
~c=c-c
OH
;/
4,20
Benzoesäure Benzoate
\\ \\>--CIJ
der Phenylrest ist elektronenanziehend, begünstigt Protolyse
\ OH
Übung: Oie drei ungesättigten, ali phatischen Carbonsäuren Vinylessigsäure, Crotonsäure und Acrylsäure in Abb. 20.7 sollen hinsichtlich ihrer Molekülstruktur betrachtet und die pK5-Werte verglichen werden. 0
0
a
/j
~C=C-HzC-C
H
a H3C-C=
H
\
H
\ OH
OH
But-3-en-säure Vinylessigsäure pK5 • 4,35
/j
C-C
But-2-en-säure Crotonsäure pKs•4,70
Vinylgruppe
o
~~
~\OH Propensäure Acrylsäure pKs • 4,26
Abb. 20.7
Beispiele unges~ttigter Alkansäuren
Ordnen Sie die drei Säuren nach zunehmender Säurestärke und interpretieren Sie die steigende Tendenz, das H-Atom aus der Carboxylgruppe abzugeben! Lösung: Oie Säurestärke nimmt von der Crotonsäure (pKl- 4, 70) über die Vinylessigsäure (pK, = 4,35) zur Acrylsäure (pK, = 4,26) zu.
Nudeophite Substitutionsreaktionen
109
Die Tatsache, dass die meisten Protonen Waus Acrylsäuremolekülen an die Brönsted-Base Wasser abgegeben werden. erklärt sich durch den nicht durch weitere Substituenten beeinträchtigten -I-Effekt der Vinylgruppe -CH- CH 2 (vgl. auch Propionsäure, pKs • 4,88). Betrachten wir daneben die Moleküle der Vinylessigsäure mit einer Vinylgruppe und einer Methylengruppe -CH 2 - und vergleichen sie mit den Crotonsäure-Molekülen, an deren Doppelbindung auf der Gegenseite zur Carboxylgruppe eine Methylgruppe vorhanden ist: Erstaunlicherweise nimmt die Säurestärke - vielleicht entgegen einer ersten Annahme- mit der Entfernung der Doppelbindung von der Carboxylgruppe zu! Damit liegt der Schluss nahe, dass der -I-Effekt der Doppelbindung durch die Methylengruppe und die Distanz zur Carboxylgruppe in der Vinylessigsäure weniger gedämpft wird als in der Crotonsäure, in deren Molekülen der +I-Effekt der Methylgruppe vermehrt Elektronen in den Bereich der Doppelbindung verlagert. Wir halten fest: Die Auswirkungen Elektronen ziehender oder schiebender Effekte unterschiedlicher Substituenten auf die Stärke organischer Säuren können sich wechselseitig verstärken oder vermindern.
20.2 NucleophUe Substitutionsreaktionen DasC-Atom der Carboxylgruppe trägt- wie das Carbonyl-C-Atom der Aldehyde und Ketone- eine positive Teilladung (Abb. 20.8). 0
ö·l! \ OH
R-C
Abb. 20.8 Das (-Atom der Carboxylgruppe als Ziel fur einen nucleophilen Angriff
Damit bietet dieses C-Atom eine ..Elektronenlücke" und in der Folge ein Ziel für den Angriff nucleophiler Agenzien (s. a. Kap. 19.3). Anders als bei den nucteophiten Additionsreaktionen bleibt im Endprodukt die Doppelbindung erhalten! Deswegen bezeichnet man die Reaktion von Carbonsäuren mit Nucteophilen als Substitutionsreoktion, denn im Endeffekt wird die Hydroxylgruppe der Carboxylgruppe unter Wasserabspaltung gegen einen neuen Substituenten ausgetauscht
110
Carbonsäuren und Carbonsauredenvate
(Abb. 20.9). Neue Substituenten (• Nu) können aus einem Atom bestehen oder von einem Molekülrest gebildet werden. 0
Nucleophile Substitution
s~l!
R-C
I Nu
+
\ OH
;l
R-C
\ Nu
I
H
Nucleophiles Teilchen
HP
•
Derivat einer Carbonsäure
Abb. 20.9
Vereinfachtes Reaktionsschema einer nucleophilen Substitution bei Carbonsauren
Die nucleophile Substitution ist einefur Cerbonsäuren typische Reaktion. Viele Derivate der Carbonsäuren (s. Kap. 20.3, Kap. 25) entstehen auf diesem Weg. Nucleophile Substitutionsreaktionen gehören zu den ausführlich erforschten Reaktionswegen in der Organischen Chemie. Ihr tieferes Verständnis setzt einige Vorkenntnisse aus den Bereichen der Reaktionskinetik und der Stereochemie voraus. Oie Vermittlung derselben übersteigt allerdings deutlich den Anspruch der vorliegenden .Einstiegshilfeu: Studierenden der Chemie sei an dieser Stelle das Studium der Lehrbücher für Organische Chemie empfohlen, die sich der Reaktionsmechanismen für die nucleophilen Substitutionen erschöpfend annehmen.
20.2.1 Veresterung von Essigsäure mit MethanolBeispiel einer nucleophilen Substitutionsreaktion Im Kapitel 14.8 wurden die Produkte der Gleichgewichtsreaktion zwischen Säuren und Alkoholen bereits angesprochen: Es entstehen dabei - neben Wasser - Moleküle aus der Stoffgruppe der Ester. Reagiert nun eine Carbonsäure mit einem Alkohol. so entsteht in einer nucleophilen Substitutionsreaktion ganz entsprechend ein Corbonsäureester. Die Hinreaktion heißt Veresterung, die Rückreaktion wird als Esterhydrolyse - eine Hydrolyse ist ein Spaltungsvorgang unter Verbrauch von Wassermolekülen - bezeichnet (Abb. 20.10). 0
s·l!
R-C
\ OH
Carbonsäure
0
Veresterung •
10 -
I
H
Alkohol
I!
R-C
R'
Esterhydrolyse
+
\ 0 - R' Carbonsäureester
Abb. 20.10
Vereinfachtes Reaktionsschema ftir Veresterung und Esterhydrolyse
Wasser
111
Nudeophile Substitutionsreaktionen
Da sich in einem Reaktionsgemisch, in dem sich Carbonsäure und Alkohol bei Raumtemperatur befinden, die Einstellung des .,Estergleichgewichts" über Tage hinzieht, bedient man sich zur Förderung der Reaktionsgeschwindigkeit eines Katalysators in Form einer starken anorganischen Säure. In der Regel verwendet man Schwefelsäure H2S04 , die den Carbonsäuremolekülen als schwache Säuren ihre Protonen aufzunötigen vermag. Am Beispiel der Veresterung von Essigsäure mit Methanol wird der Reaktionsmechanismus deutlich:
Protonierung:
Die Zugabe der starken, anorganischen Säure erzwingt die Protonenaufnahme in die Moleküle der schwachen Essigsäure. Es entstehen mesomeriestabilisierte Teilchen, welche die Merkmale eines Carbenium-Ions - eines Ions mit positiver Ladung am C-Atom- tragen.
1>-H
e/J
H~-c
\, 0-H '
Carbenium-Ion mesomere mesomere Grenzstruktur I Grenzstruktur II
Nuc/eophiler Angriff: Ein freies Elektronenpaar des 0-Atoms aus dem Methanol greift am C-Atom mit dem Elektronenmangel an. Es entsteht eine neue Bindung. Dieser Abschnitt der Reaktion kann als Additionsschritt betrachtet werden.
Carbenium-Ion
Eliminierung:
Methanol
Aus dem instabilen Zwischenprodukt spaltet sich Wasser ob.
lO-H
I
CH
-L
H3C-~-~
IV
J
~
Eliminationsprodukt
112
u rbon<äuren und C
Mesomerie, Rückgewinnung des Kotolysotors, Endprodukt Carbonsäureester.
Bei der Betrachtung der beiden mesomeren Grenzstrukturen des Eliminationsproduktes fällt die Möglichkeit zu einer Protolyse und damit zur Rückgewinnung des Katalysators W ins Auge:
mesomere Grenzstruktur I
mesomere Grenzstruktur li
Essigsäuremethylester Methylacetat
Im Rahmen der lU PAC-Regeln werden die Namen der Carbonsäureester aus dem Namen der Carbonsäure, dem Alkylrestnamen des Alkohols und der Endung-ester gebildet. Obwohl Carbonsäureester keine Salze sind, können sie ihren Namen auch aus dem Restnamen des Alkohols zusammen mit der Bezeichnung für das Salz der eingesetzten Carbonsäure beziehen. Für das Beispiel der Veresterung von Essigsäure mit Methanol ergeben sich so die beiden gleichbedeutenden Namen Essigsäuremethylester oder Methylacetat 20.2.2 Verseijung- Esterspaltung in alkaUseher Lösung
Wir wissen bereits, dass die Veresterung in saurem Milieu eine Gleichgewichtsreaktion und damit umkehrbar ist. Die Rückreaktion nennt sich Esterhydrolyse oder auch Esterspaltung und liefert ein Gemisch, in dem sich anteilig die entsprechende Carbonsäure und der Alkohol finden (Abb. 20.10). Geht man jedoch von einem reinen Carbonsäureester aus und behandelt diesen mit Natronlauge NaOH, so erfahren die Estermoleküle eine irreversible Spaltung bzw. Hydrolyse. Als Produkt entsteht das Natriumsalz des vormaligen Esters. Handelt es sich dabei um die Salze langkettiger Carbonsäuren, wie sie bei der Spaltung von Fettmolekülen (• Triester aus dem dreiwertigen Alkohol Glycerin und langkettigen Fettsäuren, s. Kap. 25) entstehen, so haben wir es mit Seife zu tun. Dem Umstand, dass beim Kochen von Fett mit Natronlauge das Produkt Seife gewonnen werden kann, verdankt diese Variante der Esterhydrolyse den Landläufig verwendeten Namen VerseiJung (s. Kap. 25). Der Mechanismus einer Verseifung folgt ebenfalls dem einer nucleophilen Substitutionsreaktion und vertäuft nach ähnlichen Mustern wie die Veresterung. Nachfolgend soll die Spaltung der Esterbindung im Ethylacetat (Abb. 20.11) durch Natronlauge NaOH betrachtet werden.
Nud~ophil~
113 ----------------------------------------
Substitutionsreaktionen
Essigsäureethylester Ethylacetat Abb. 20.11 Esterbindung im Essigsäureethylester
Übung:
Versuchen Sie, den nucleophilen Angriff des Hydroxid-Ions OW aus der Natronlauge auf das Ethylacetatmolekül und die daran anschließenden Reaktionsschritte zum entsprechenden Carboxylation bzw. Alkohol im Rahmen der bereits bekannten Möglichkeiten zu formulieren! Anregungen können Sie dem Mechanismus für die Veresterung (s. Kap. 20.2.1) entnehmen. Lösung: Nucleophi/er Angriff und Addition: Das storke Nucleophi/ OW stößt mit einem seiner drei freien
Elektronenpaare in den Bereich der positiven Teilladung am C-Atom der Esterbindung und bildet eine neue Bindung aus. -9
101 Ad
I
H3C - - f - - 0 - - H
1o-c2H5
Essigsaureethylester Ethylacetat Eliminierung:
Hydroxid-Ion
Unter Entstehung von Essigsäure wird die Esterbindung aufgespalten.
(.J'e
Ellmlnierung
H3C- C - - 0 - - H
b-
10-~Hs
Essigsäure
Ethanolat-Ion
114
Carboos.lurrn und Carbonsaurederivlte
Protonenübergang:
Das Ethanolat-Ion übernimmt als sehr starke Base Protonen von der Essigsäure und wird zum Ethanol. Im resultierenden Acetat-Ion ist die negative Ladung unter Einbeziehung des Carboxyl-C-Atoms delokalisiert und deshalb bietet es keine Möglichkeit für einen weiteren nucleophilen Angriff. Diese Eigenschaft bedingt seine Stabilität.
/o'
/o'
II -.., e- \J
H3c - c - o - H +
IO-C2Hs
Prololy>e
II
-e
H C - C - 01 • HO-CH2-CH 3 3 -
Acetat-Ion
Ethanol
Beim abschließenden Eindampfen der Lösung vereinigen sich die Na~-Ionen im Reaktionsgemisch mit den Carboxylationen und bilden die entsprechenden Natriumsalze (Abb. 20.12).
/o'
II
_e
H3C - C -OI Na'
Natriumacetat Abb. 20.12
Natriumacetat - Verseifungsprodukt eines Essigsäureesters mit Natron lauge
20.3 Derivate der Carbonsäuren In den Abkömmlingen der Carbonsäuren ist die Hydroxylgruppe -OH durch ein anderes Atom oder einen Molekülrest ersetzt. Auch die Carbonsäurederivate sind nucleophilen Angriffen zugänglich, oft liegt die Reaktionsbereitschaft am C-Atom mit der Doppelbindung sogar noch höher als bei den Carbonsäuren. Die Reaktionen verlaufen ähnlich der Veresterung (s. Kap. 20.2.1) oder der Verseifung (s. Kap. 20.2.2) nach einem Additions-Eliminierungs-Mechanismus ab. Die resultierenden Verbindungen sind neue Substitutionsprodukte. 20.3.1 Carbonsäureester
Mit den Carbonsäureestern haben wir in den Kapiteln 20.2.1 und 20.2.2 bereits eine Gruppe der Carbonsäurederivate kennen gelernt. In den Carbonsäureestermolekülen tritt an die Stelle der - OH-Gruppe ein Alkoholrest - OR. Ester niederer Carbonsäuren zeichnen sich häufig durch einen angenehmen Geruch aus und werden deshalb vielfach als Aromastoffe, auch für Lebensmittel. eingesetzt. Auch als Lösungsmittel haben sie Bedeutung.
115
Derivate der u rbonsliuren
20.3.2 Carbonsäurechloride
Säurechloride der niederen Alkansäuren sind farblos. flüssig bei Raumtemperatur und besitzen einen stechenden Geruch. In den Molekülen ist die Hydroxylgruppe - OH durch ein Chloratom ersetzt. Zur Herstellung werden bevorzugt Phosphorchloride eingesetzt (Abb. 20.13).
J
;/
R -C
+
;/
PCI3
J R-C
\ 0 -H
\ Cl
Phosphortrichlorid
Carbonsäurechlorid
Phosphorige Säure
Abb. 20.13
Herstellung eines Carbonsäurechlorids mittels Phosphortrichlo rid
Die Säurechloride zeichnen sich durch eine hohe Reaktivität aus: Am CarbonylC-Atom ist durch die hohe Elektronegativität des Chloratoms ein deutlicher Elektronenmangel gegeben und damit die Wahrscheinlichkeit für einen nucleophilen Angriffbesonders hoch. Aus diesem Grund werden Carbonsäurechloride bevorzugt als Ausgangsverbindungen für die Synthese einer ganzen Reihe von Säurederivaten eingesetzt. Für die Herstellung von Essigsäureethylester durch nucleophile Substitution bedient man sich demnach -auch mit Blick auf eine optimale Einstellung des Reaktionsgleichgewichts hinsichtlich der Produktausbeute - vorzugsweise des Säurechlorids der Essigsäure mit dem Namen Acetylchlorid (Abb. 20.14).
~0 .::::;::~ H3C - C
\
Cl
Acetylchlorid
Ethanol
+ HCI o-c~-cH3
Essigsäureethylester
Abb. 20.14
Acetylchlorid als Ausgangsstoff für die Synthese von Essigsäureethylester
Die Acetylgruppe H3C-CO- ist im Übrigen ein durchaus häufig auftretender Substituent: Dieser Molekülrest besteht aus einem Essigsäuremolekül ohne OH-Gruppe.
116
C~rbon~ur~n und Carbonsau~erivate
20.3.3 Carbonsäureanhy dride Carbonsäureanhydride entstehen ebenfalls durch nucleophile Substitution, wenn
Säurechloride (Abb. 20.15).
mit
Natriumsalzen
von
e
IOJ Na"
I
H~ - c
~0
Acetylchlorid
Natriumacetat
Carbonsäuren
umgesetzt werden
#0 HC-C~ J
\
I
0
+
NaCI
H ~-c
~0
Essigsäureanhydrid Acetaohydrid
Abb. 20.15 Herstellung von Essigsäureanhydrid aus Acetytchtorid
Der Name ,.Anhydrid" geht darauf zurück, dass man sich die Bildung eines solchen Doppelmoleküls auch als Verschmelzung zweier freier Carbonsäuremoleküle unter Wasserabspaltung vorstellen kann. Essigsäureanhydrid ist eine Verbindung, in der sich quasi zwei gleiche Carbonsäuremoleküle zum Anhydrid verbunden haben. Um hingegen ein gemischtes Anhydrid zu erhalten, wird ein Säurechlorid mit dem Salz einer anderen Carbonsäure umgesetzt. Eingesetzt werden die Säureanhydride in der präparativen Chemie, d. h. sie dienen selbst wieder als Ausgangsstoffe für besondere Synthesen. 20.3.4 Carbonsäureamide
Bringt man Carbonsäurehalogenide, -anhydride oder auch -ester unter entsprechenden Bedingungen mit Ammoniak zur Reaktion, so entstehen in einer nucleophilen Substitutionsreaktion Carbonsäureamide R-CONH 2 (Abb. 20.16).
117
Oenval~ der Carbonsiuren
9
10 1
I I X
@
R-C-NHJ instabiles Zwischenprodukt
Carbonsäurederivat -
Cl
-o-c-R
- II
-X=
0 -0-R
Carbonsäurechlorid Carbonsäureanhydrid Carbonsäureester
- HX
Carbonsäureamid mesomere Grenzstrukturen Abb. 20. 16 Herstellung von Carbonsäureamiden aus anderen Carbonsäurederivaten
Säureamide wie beispielsweise Acetamid H3C-CONH 2 (Abb. 20.17) si nd farblose, kristalline Substanzen.
/j0
Amidbindung
HJc - c / NH 2
Acetamid Abb. 20.17 Amid der Essigsäure- Amidbindung
Neben den oben betrachteten, von Ammoniak abgeleiteten Säureamiden gibt es auch N-substituierte Söureamide, die durch den Eintritt primärer oder sekundärer Amine {s. l
118
Bei entsprechender Betrachtung gehören die Eiweißstoffe mit ihren wiederholten Amidbindungen, den so genannten Peptidbindungen (s. Kap. 24.2), zu den N-substituierten Amiden.
20.4 Dicarbonsäuren Carbonsäuren mit zwei Carboxylgruppen im Molekül heißen nach den IUPAC-Regeln Alkandisauren. Meistens bezeichnet man sie jedoch als Dicarbonsäuren (Tab. 20.3). Viele Alkandisäuren treten als Zwischenprodukte in physiologischen Stoffwechselzyklen auf. Zwischenmolekulare H-Brücken lassen die Dicarbonsäuren bei Raumtemperatur als Feststoffe in Erscheinung treten: Ihre kristalline Gitterstruktur ist dabei umso stabiler, je geordneter sich die Moleküle darin aneinander fügen können. Letzteres gelingt bei gesättigten, unverzweigten Homologen mit einer geraden Zahl von ( -Atomen besser als bei Dicarbonsäuren mit ungerader Kohlenstoffzahl. Verzweigungen oder einer Doppelbindung. In der Folge ist das Molekülgitter der geradzahligen Homologen stabiler, die Schmelztemperaturen liegen höher. Oie Addität von Alkandisäuren ist wegen des - I-Effekts der zweiten Carboxylgruppe größer als bei Monocarbonsäuren. Die Bereitschaft zur Abgabe eines weiteren Protons aus der zweiten Carboxylgruppe ist allerdings weit weniger ausgeprägt, denn die dann bereits vorhandene Carboxylatgruppe übt einen +I-Effekt aus und mindert die Bereitschaft zur Protolyse. Tab. 20.3 Aliphatische und aromatische Dicarbonsäuren - Beispiele und Säurekonstanten für d1e erste Pro-
tolyse
,.--
Strukturformel bzw. Halbstrukturformel 0
gt>brJuchliche Salznamen Ethandisäure Oxabäure Oxa\Jt
0
\ c- cII I \ OH a HOOC-CH 2 -
IUPAC-Name Trivialname
COOH
HOOC-tCH2 tcOOH
Propandisäure Malon>aure Malonat Butandisäure Bernsteinsaure Succinat
pKs 1-Wert 1,25
2,85
4,2
119
DKilrbonsluren
Strukturformel bzw. Halbstrukturformel ~COOH
HOOC" c=
c
~
H
"'
IUPAC-Name Trivialname gebrauchliehe Salznamen ds-Butendisäure Maleinsäure Maleat
pKw Wert
trans-Butendisäure Fumarsäure Fumarat
3,02
Hexandisäure Adipinsäure
4,43
Benzol-1.4-dicarbonsäure Terephthalsäure
3,51
Benzol-1,2-dicarbonsäure Phthalsäure
2,95
1,92
H
HOOC"
H c=
/
H/
"COOH
HOOC -f-cH2 t-cOOH
HOOC
\ I
I
\
COOH
COOH
COOH
20.4.1 Gesättigte Dicarbonsäuren
Oxalsäure, Malonsäure oder auch Bernsteinsäure (s. Tab. 20.3} sind Verbindungen des Stoffwechsels im Tier- und Pflanzenreich. Dort treten sie oft auch in der Form ihrer Satze auf. Calciumoxalat ist bei Stoffwechselstörungen ein Hauptbestandteil von Nieren- und Blasensteinen. Adipinsäure ist ein Ausgangsstoff für die Herstellung textiler Kunststoffe wie beispielsweise Nylon. 20.4.2 Ungesättigte Dicarbonsäuren
Vom ungesättigten Kohlenwasserstoff 2-Buten ~H 8 Leiten sich die cis-trans-isomeren Verbindungen (s. a. Kap. 7.2) Maleinsäure (cis-Butendisäure) und Fumarsäure (trans-Butendisäure) ab (s. Tab. 20.3). Seide kommen ebenfalls im Stoffwechselgeschehen vor. Aufgrund des -I-Effekts der Doppelbindung ist die Säurestärke der cis-trans-Isomere gegenüber der der gesättigten Bernsteinsäure erhöht. Besonders stabil erweist sich das Anion der Maleinsäure, das Hydrogenmaleat-Ion. Dieses ist in der Lage, mittels einer innermolekularen H-Brücke die Abspaltung des zweiten Protons quasi selbst zu verhindern. Für den ersten Protolyseschritt erweist sich diese Ei-
120 genheit hingegen als fördertich und erklärt die außergewöhnlich hohe Acidit ät (Abb. 20.18).
Abb. 20.18
Hydrogenmaleat-Ion mit innermolekularer H-Brucke
20.4.3 Aromatische Dicarbonsäuren Von technischer Bedeutung sind die aromatischen Disäuren Phthalsäure und Terephthalsäure (s. Tab. 20.3). Terephthalsäure ist eine Ausgangsverbindung für die Herstellung von Kunststoff·
fasem. Phthalsäure spaltet beim Erhitzen sehr leicht Wasser ab und reagiert zu Phthalsäureanhydrid, welches einen für die Synthesen von Farbstoffen und Kunstharzen unabdingbaren Grundstoff dar stellt (Abb. 20.19). 0
II
COOH -H~
COOH
c"' /0 c
II
0
Phthalsaure
Phthalsäureanhydrid
Abb. 20.19
Entstehung des Anhyd rids der Phthalsäure
20.5 Carbonsäuren mit zusätzlichen funktionellen Gruppen In vielen Carbonsäuren des biologischen Stoffwechselgeschehens gibt es neben der Carboxylgruppe weitere funktionelle Gruppen wie beispielsweise Hydroxylgruppen - OH oder Carbonylgruppen >CO.
C.-tlons.Yrtn
.,,t zuutziiC~n funkt~len Grupl)fn
121
20.5.1 Hydroxycarbonsäuren
Oie Hydroxylgruppen in den Molekülen von Hydroxycarbonsöuren {Tab. 20.4) verleihen diesen Verbindungen zusätzlich die Eigenschaften von Alkoholen. Tib. 20.4
Hydroxycarbonsauren Strukturformel bzw. Halbstrukturformel
I ;/
~c-c-c
Ia \
OH
Ia \
OH
0
H
HO
H
OH
2,3-Dihydroxybutandisäure Weinsäure
Das Derivat der Butandisäure weist an den (-Atomen zwischen den Carboxylgruppen jeweils eine Hydroxylgruppe auf. Das Derivat der Pentandisäure ist am C3-Atom (ß·Position) mit einer Hydroxylund einer Carboxylgruppe ausgestattet. Oie Säure gehört zu den Tricorbonsäuren.
OH
OH
H
O
H
OH
\ c-c-c-c-c I I I II I I ß Iu \ HO
Bemerkung
Das Derivat der Propansäure trägt eine Hydroxylgruppe in u-Stellung.
OH
I Ic-c~;/
0~ ~c-c I I HO
IUPAC-Name Trivialname 2-Hydroxypropansäure Milchsäure
/c~
~0
2-Hydroxypropan1,2,3-tricarbonsäure Citronensäure
"filchsöure ist Produkt einer Stoffwechselvariante des Zuckerabbous. Der Prozess, der bei der Energiegewinnung durch bestimmte Bakterien oder auch im stark belasteten Muskel abläuft. heißt Milchsäuregärung und geschieht anaerob, also ohne Einwirkung von Sauerstoff. Diese Form der Gärung wird bei der Holtbormochung einiger Lebensmittel genutzt: Silofutter oder Sauerkraut sind durch ihren Gehalt an Milchsäure für andere zersetzende Mikroorganismen weitgehend ungenießbar. Weinsäure findet man in sehr vielen Früchten. Als ein Endprodukt der Herstellung von Wein aus Trauben tritt sie in Form ihrer Salze, der Tartrate auf: Kristalliner Bodensatz im Wein, so genannter Weinstein, besteht aus Kaliumhydrogentartrat und Calciumtartrat. Auch Citronensoure ist häufiger Bestandteil von Früchten. Nicht nur in den Zitronen, sondern auch in Preiselbeeren, Ananas und weiteren Zitrusfruchten ist sie ein
122
Carbonsäuren und CarbonsJuredtrivne
wesentlicher Geschmacksbildner. Synthetisch hergestellte Citronensäure leistet wertvolle Dienste beim Entkalken. 20.5.2 Ketocarbonsäuren
Neben den Hydroxycarbonsäuren gibt es in den Stoffwechselzyklen eine Gruppe wichtiger Verbindungen, die neben den Carboxylgruppen zusätzliche CarbonylGruppen oder Ketogruppen in ihren Molekülen aufweisen. Entsprechend heißen sie Ketocarbonsöuren.
Ist die Ketog ruppe der Carboxylgruppe direkt benachbart, so gehört das Molekül zu den a.-Ketocorbonsöuren (Tab. 20.5). Tab. 20.5
a-Ketocarbonsäuren -Beispiele aus dem Stoffwechselgeschehen
Strukturformel bzw. Halbstrukturformel
~
;l
IUPAC-Name Trivialname 2-0xopropansäure Brenztraubensäure
Bemerkung Namen derSalze Produkt der Glykolyse in Form ihres Salzes Pyruvat
2-0xobutandisäure Oxalessigsäure
Produkt des Citrat· zyklus in Form ihres Salzes Oxalacetat
2-0xopentandisäure a-Ketoglutarsäure
Produkt des Citratzyklus in Form ihres Salzes
H3c - c - c
\ OH 0
0
0
~c - H 2 c -IIc - cII
I
HO
\
OH
~
° 0 II II
I
\
0
C-H 2C-~C-C-C
HO
c~-Ketoglutarat
OH
Die Glykolyse und der Citrat- bzw. Citronensäurezyklus sind Hauptabschnitte beim schrittweisen Abbau von Glucose im Stoffwechsel.
20.6 Zusammenfassung Es ist anfangs nicht leicht, sich in dieser vielfaltigen Stoffgruppe zurechtzufinden: Alle im Kapitel 20 behandelten ,.Abteilungen" der Carbonsäuren und ihrer Ab· kömmlinge sind in Tab. 20.6 nochmals aufgeführt und kurz charakterisiert, um einen Gesamtüberblick zu ermöglichen.
123 Tab. 20.6 Carbonsäuren und Carbonsäurederivate - Übersicht
Monocarbonsäuren
Carbonsäurederivate
Dicarbonsäuren
besitzen eine Carboxylgruppe
Hydroxylrest der Carboxylgruppe ist gegen einen anderen Rest ausgetauscht Carbonsäureester
besitzen zwei Carboxylgruppen
Ameisensäure Essigsäure Propionsäure Buttersäure usw. (s. Kap. 20.1)
21
Carbonsäurechloride Carbonsäureanhydride Carbonsäureamide (s. Kap. 20.3)
Hydroxycarbonsäuren . Keto-carbonsäuren besitzen zusätzliehe Hydroxylode r Carbonylgruppen
gesättigte Oisäuren ungesättigte Oisäuren aromatische Disäuren
Hyd roxyca rbon • säuren Ketocarbonsäuren
(s. Kap. 20.4)
(s. Kap. 20.5)
Arten von Isomerie eine "Standortbestimmung"
Wir erinnern uns: Isomere sind Verbindungen gleicher Summenformel, die sich jedoch in ihrer Struktur oder ihren Eigenschaften unterscheiden. Die umfangreichen Möglichkeiten für die Ausbildung isomerer Moleküle ist ein wesentlicher Grund für die Vielfalt innerhalb der Organischen Chemie. Tabelle 21.1 präsentiert eine Zusammenfassung bereits besprochener und weiterer Isomeriearten, um einen Überblick zu ermöglichen oder Zusammenhänge herzustellen.
124
Arten wn Isomerie - eine .Stando
Isomere werden in die zwei großen Gruppen der Konstitutions- und der Stereoisomere eingeteilt (Tab. 21 .1). Tab. 21.1 Übersicht über Arten der Isomerie
Isomerie
Konstitutionsisomerie Stereoisomerie Die Isomere unterscheiden sich in der Art Die Isomere besitzen übereinsti mmende Konstitution, unterscheiden sich jedoch der Verknüpfung der Atome. räumlich. CH, H,C-CH 2-CH,-CH 3
H,C-
II
/CH,
HC.__
c
H,
Funktionsisomere Beispiel
H~
CH3
/
c=c
/c=c'\, /
H
\.COOH
Konfigurationsisomere sind räumlich dauerhaft voneinander zu unterscheiden. (s. Kap. 7.2, 20.4.2)
H, HC- \_
/OOH
HOOC\.
H
Stellungsisomere (s. Kap. 6.2.1)
c
I CH -
H /c""::::cH2 H2C
\~cH2
H-.
H
t1 H
H~ H
Konformationsisomere können durch Drehung um Einfachbindungenineinander überführt werden. (s. Kap. 6.5)
iOH /c ..,
HO
\ '"{I'H
CH,
Spiegelbildisomere (s. Kap. 22)
COOH
I . c, H'''''l
OH
H,C
125
22
Spiegelbildisomerie
Eine Form der Isomerie, die sich insbesondere auf die Eigenschaften vieler biochemisch relevanter MolekUle auswirkt, ist die Spiegelbildisomerie. Betrachtet man beispielsweise die Moleküle der Milchsäure CH 3 ~HOHCOOH, so fallt auf, dass das zentrale a-C-Atom Bindungen zu vier verschiedenen Substituenten besitzt (Abb. 22.1). H
I
0
I!
H~-c-c
Ia \
OH
OH
Abb. 22.1 Strukturformel der Milchsäure mit Methylgruppe, H-Atom, Carboxylgruppe und Hydroxylgruppe am «-C-Atom
Oie tetraedrische Anordnung der vier Bindungen um das spl-hybridisierte a-C-Atom bedingt diese weitere Form der Isomerie: Vom Milchsäuremolekül existieren nämlich zwei Formen, die sich einzig in der räumlichen Anordnung der Bausteine voneinander unterscheiden. Sie sind nicht deckungsgleich, sondern verhalten sich zueinander wie Bild und Spiegelbild! Dementsprechend bezeichnet man sie als Spiegelbildisomere oder ,.optische AntipodenN (Abb. 22.2).
Abb. 22.2 Spiegelbildisomere der Milchsäure - räumliche Darstellung (s. a. Kap. 19.3.4)
Das Auftreten von Spiegelbildisomerie ist in fast allen Fällen an ( -Atome gebunden, die Bindungen zu vier unterschiedlichen Substituenten unterhalten. Solche C-Atome werden als asymmetrische C-Atome bezeichnet. In den Strukturformeln werden sie oft mittels eines Sternchens- c• - kenntlich gemacht. Neben der Konformations- und Konfigurationsisomerie handelt es sich bei der Spiegelbildisomerie um eine weitere Form der Stereoisomerie (s. Tab. 21.1).
12 6
Spie<;elbildiSCITl@rit
22.1 Weitere Fachbegriffe zur Spiegelbildisomerie Das als solches nicht leicht vorstellbare räumliche Phänomen der Spiegelbildisomerie ist mit einer ganzen Reihe von Fachtermini belegt, die mitunter dieselbe Bedeutung besitzen oder sich lediglich in Nuancen unterscheiden. 22.1.1 Molekülchiralitöt
Ausgehend vom griechischen Wort "cheir" - die Hand - nennt man Objekte mit bestimmten sterischen (=räumlichen) Eigenschaften chira/: Menschliche Hände sind spiegelbildlich geschaffen, die linke Hand kann aufgrund dessen mit der rechten nicht zur Deckung gebracht werden. Versuchen Sie doch einfach einmal, einen Fingerhandschuh auf die verkehrte Hand zu ziehen! Das Gesamtphänomen heißt entsprechend Chiralität. Untersucht man also Moleküle, die sich gleichen wie Bild und Spiegelbild, aber nicht deckungsgleich sind, so beschäftigt man sich eben mit Molekülchiralität. 22.1 .2 Chiralitlitszentrum
(-Atome, die Bindungen zu vier unterschiedlichen Atomen oder Atomgruppen unterhalten, kennen wir bereits als asymmetrische C-Atome. Innerhalb des Gesamtmoleküls bilden solche Atome Chirolitötszentren C*. In ein und demselben Molekül- wie beispielsweise im Glucosemolekül (s. Kap. 23.2.2)- können mehrere Chiralitätszentren vorhanden sein. Im Wesentlichen bedeuten die Begriffe "asymmetrisches (-Atom" und "Chiralitätszentrum" allerdings dasselbe. 22.1.3 Enantiomere
Ein gleichbedeutender Begriff für zwei Spiegelbildisomere lautet Enantiomere. Manchmal spricht man auch -etwas altmodisch -von "optischen Antipoden". Die Spiegelbildisomerie wird in der Folge mitunter auch als Enontiomerie bezeichnet.
22.2 Oie " Fischer-Projektion" - einheitliche Darstellung räumlicher Molekülstruktur Eine echte Herausforderung stellte die Aufgabe dar, die Merkmale von dreidimen· sionalen, chiraten Molekülen mittels eines vertretbaren, einer einheitlichen Prozedur folgenden Aufwands im zweidimensionalen Kosmos der .,Papierebene" so unterzubringen, dass der Betrachter die sterischen Merkmale der Abbildungen eindeutig erfassen kann.
Emil Fischer schlug im Jahr 1891 so genannte Projektionsformeln vor, die bis zum heutigen Tag als "Fischer-Projektion" von organischen Molekülen zum Einsatz kommen (Abb. 22.3).
Die .Fischer-Projektion•- einheitliche Darstellung raumlicher Molekiilsttuktur
COOH
I. I CH3
H -C-
OH
127
COOH HO-
I.
C-
H
I
CH3
Abb. 22.3 Oit Enantiomere dtr Milchsiiure in der Fischtr-Projelction
Oie grundlegende Vorgehensweise, ein Molekül in der Fischer-Projektion darzustellen, ist durch die fo lgenden Schritte festgelegt: • Die längste Kohlenstoffkette des betrachteten Moleküls wird senkrecht angeordnet. • Das C-Atom, das am höchsten oxidiert ist- die höchste Oxidationsstufe +Ill innerhalb organischer Moleküle trägt das C-Atom der Carboxylgruppe -COOH (s. a. Tab. 17 .2) - bildet den ..Kopf' der Kette. • Das asymmetrische C·Atom wird in Gedanken so in die Papierebene gelegt, dass zwei der tetraedrisch ausgerichteten Bindungen vor diese und zwei hinter diese weisen. Fischer legte fest. dass die Bindungen zu den weiteren C-Atomen der C-Kette nach hinten oben bzw. unten zeigen müssen (Abb. 22.4). Damit ist deren senkrechte Anordnung in der Projektionsformel gewährleistet. Oie beiden Bindungen zu den weiteren Substituenten zeigen auf diese Weise automatisch nach vorne rechts bzw. links.
HOOC ~
-
~
H
HO_ , _ H
.::
Hß
...
-
Abb. 22.4 Dk! Enantiomere der Milchsäure: (•-Atom in der Ebene, zwei Bindungen weisen davor, zwei dahinter
Eine senkrechte Beleuchtung dieses tetraedrischen Gebildes - z. B. kann man ein Kugel-Stäbchen-Molekülmodell der Milchsäure mit einem Tageslichtprojektor bestrahlen - bildet den Bereich des asymmetrischen C* -Atoms auf einem Projektionsschirm tatsächlich kreuzförmig ab.
128
S pu~gelb•ld isom~rie
Die Stellung der OH-Gruppen in den beiden enantiomeren Milchsäuremolekülen wird bei der Verwendung von Fischer-Projektionsformeln als Unterscheidungsmerkmal herangezogen und mit einer eigenen Bezeichnung belegt. COOH
'~ I
H -C~
CH3
0-Form
COOH
Grl·-H I
CH3
L-Form
Abb. 22.5 0· und L·form der Milchsäure in der Fischer-Projektion
Befindet sich die Hydroxylgruppe - OH rechts vom Chiralitätszentrum, so handelt es sich um die o-Form (tat. dexter, rechts) der Spiegelbildisomeren, ist sie nach links (lat. laevus, links) gerichtet, so hat man es mit der L-Form zu tun (Abb. 22.5).
22.3 Mehrere CMralitätszentren in einem Molekül Existieren in einem Molekül - wie zum Beispiel der Glucose C6 H1206 (s. Kap. 23.2.2)- mehrere asymmetrische C*-Atome, so wird die in Kap. 22.2 beschriebene Prozedur auf jedes dieser c• -Atome erneut angewendet: Da bei der Festlegung von 0- und l-Ko nfi guration die Bindungen in der (-Kette nach hinten weisen müssen, kann es sein, dass ein solches Molekül dazu immer wieder gedreht werden muss. Ganz deutlich wird diese Vorgehensweise. wenn man das Molekül als Kugel-Stäbchen-Modell nachbaut. Allerdings richtet sich die Zuordnung eines solchen Moleküls zur Gruppe der obzw. L-lsomere nach der Stellung der OH-Gruppe am untersten Chiralitätszentrum! Gibt es in einem Molekül also mehrere asymmetrische ('-Atome, so nehmen auch die Zahl der räumlichen Anordnungsmöglichkeiten und die Anzahl der Stereoisomere zu: Für ein Molekül mit n Chiralitätszentren gibt es prinzipiell 2n Stereoisomere, die in n Enantiomerenpaare aufgeteilt werden können. Die Zuordnung der Enantiomeren zur 0- bzw. L-Reihe folgt der Konfiguration am untersten C-Atom in der Fischer-Projektion.
129
Mehrere Chiralii~Uzcntren in t>nt m Molekül
22.3.1 Zwei Chiralitätszentren- Diastereomere
Das Molekül des 2,3,4-Trihydroxybutana/s C4 H 80~ gehört zu den Tetrasen (s. Kap. 23.2.1}. Es enthält zwei asymmetrische ( •-Atome und kommt in der Folge in 22 = 4 Stereoisomeren vor (Abb. 22 .6). Alle vier Moleküle sind Stereoisomere mit der übereinstimmenden Summenformel C4H 8 0, und heißen: • • • •
D-Threose L-Threose D-Erythrose L-Erythrose
Oie beiden Threosen bilden das eine Paar von Enantiomeren, die Erythrosen das andere. CHO HO-
I
C"-
CHO H
I
H-
C" -
I
H -C"-OH
Ho - c · - H
I
I
CH20H
CH20H
0-Threose Diastereomere
OH
1
Enantiomere
L-Threose
Stereoisomere des 2,3.4-Tri hydroxybutanals
ro
IHO H -C"-OH
I-I
H-C·-OH
HO-C"-H
I I
Enantiomere
HO-C"-
CH20H
o-Erythrose
Diastereomere
H
CHzOH
L-Erythrose
Abb. 22.6 Enantiomere und Diastereomere des 2,3.4· Tri hydroxybutanats
Vergleicht man nun eine der Threosen mit den beiden Erythrosen bzw. eine Erythrose mit den beiden Threosen, so sieht man, dass sich die Moleküle an einem Chiralitätszentrum in der Konfiguration unterscheiden. Am zweiten asymmetrischen
130
Spiegelbildisomerie
C··Atom stimmt die Konfiguration überein. Damit verhalten sich diese Moleküle nicht wie Bild und Spiegelbild. Diese Stereoisomere heißen Diastereomere.
Stereoisomere unterscheiden sich in der räumlichen Anordnung der Atome. Enontiomere sind spiegelbildlich gebaut und können nicht zur Deckung gebracht werden. Diastereomere besitzen mehr als ein Chiralitätszentrum, unterscheiden sich in der Konfiguration an mindestens einem asymmetrischen (-Atom und verhalten sich nicht wie Bild und Spiegelbild. Übung: In Abb. 22.6 sind zwei Paare von Diastereomeren bereits gekennzeichnet. Überlegen Sie, ob weitere Paare von Diastereomeren genannt werden können! Lösung: Weitere Diastereomerenpaare sind 0-Threose und L-Erythrose o-Erythrose und L-Threose. 22.3.2 Weinsäure
Einem Sonderfall sieht man sich bei der 2,3-Dihydroxybutondisäure HOOC(C•HOH)zCOOH gegenüber, die uns im Kap. 20.5.1 bereits als Vertreter der Hydroxycarbonsäuren begegnet ist. Auch bei dieser Verbindung erwartet man das Vorhandensein von vier Stereoisomeren mit zwei Paaren von Enantiomeren. Bei einem ersten Blick auf die Fischer-Projektions-Formeln sieht es auch ganz so aus (Abb. 22. 7). IOOH H-C'-OH
I I
Ho-c--H COOH
L-Weinsäure
COOH
I I I
HO-C'-H H-C'-OH COOH
D-Weinsäure
COOH
COOH
I I -----i· ·---- :Spiegeieb~;,~:-- --i-----· I I
H-C'-OH
HO-C'-H
H-C'-OH
HO-C'-H
COOH
COOH
meso-Weinsäure
Abb. 22.7 Stereoisomere der 2,3-Dihydroll}'butandisäure
Erstaunlicherweise gibt es jedoch nur drei räumlich unterschiedliche Formen der Verbindung 2,3-Dihydroxybutandisäure. Betrachtet man nämlich die beiden Formeln der meso-Weinsäure (s. a. Kap. 22.4.3, Racemat), so lässt sich ein weiteres symmetrisches Element erkennen: Eine Spiegelebene zwischen den beiden Chiralitätszentren führt den oberen Molekülteil in
Optisc!H! Akti-ntat
131
den unteren bzw. umgekehrt über, da sich an beiden asymmetrischen ("-Atomen übereinstimmende Substituenten - H-Atom, Carboxylgruppe und Hydroxylgruppe in gleicher räumlicher Anordnung befinden. Kugel-Stab-Modelle der beiden meso-Weinsäure-Moleküle können in der Folge durch eine Drehung um 180 o miteinander zur Deckung gebracht werden und sind damit identisch! Das zusätzliche Symmetrieelement hebt die Chiralität auf. Lässt sich also ein Molekültrotz zweier Chiralitätszentren in sein Spiegelbild überfuhren, so handelt es sich um eine meso-Verbindung. Die Moleküle der meso-Weinsäure sind zu denen derL-Weinsäure bzw. 0-Weinsäure diastereomer.
22.4 Optische Aktivität Wässrige Lösungen, die nur Moleküle eines Enantiomers enthalten - z. B. eine Lösung der L-Milchsäure oder der o-Erythrose- besitzen in der Regel die Eigenschaft, die Schwingungsebene von linear polarisiertem Licht um einen bestimmten Betrag zu drehen. Solche Substanzen bezeichnet man als optisch aktiv. 22.4.1 Polarimetrie
Diese in allen chemischen Werken unermüdlich beschriebene Eigenschaft der optischen Aktivität separater Spiegelbildisomerer geht auf physikalische Beobachtungen zurück. • Lichtstrahlen besitzen Wellennatur, die Lichtwellen setzen sich - ausgehend von der Lichtquelle- in alle Richtungen geradlinig in die Umgebung fort. Dabei bewegt sich jeder wellenförmige Einzelstrahl entlang einer Schwingungs ebene. • In einem parallelen Lichtbündel oszillieren wellenförmige Lichtstrahlen, deren Schwingungsebenen strohlenförmig um die gemeinsame Ausbreitungsachse gruppiert sind. • Mittels einer besonderen Folie kann nun Licht einer Schwingungsebene aus dem Lichtbündel nentnommen" werden. Diese Folien funktionieren aufgrund der in ihrem Inneren parallel angeordneten Makromoleküle (•lange Kettenmoleküle) im Grunde wie ein Rechen. Man nennt sie Polarisationsfilter. • Durchstrahlt man nun in einer entsprechenden Apparatur - einem Polarimetereine Probe einer optisch aktiven Substanz mit diesem linear polarisierten Licht, so wird dessen Schwingungsebene beim Durchgang durch die Lösung um einen bestimmten Betrag gedreht (Abb. 22.8).
132
Spie<Jelblldi~mMe
Sch~ngu~nen
~~~-- { li'Sr~
"'
90'
'
Schwll\gungsebene des polansJenen Lichtes Analysator
Polarisator
Paralleles Uc:htbUndel
<
MesszeUe mit opbsch aktiver Substanz
Abb. 22.8
Polarimeter schematisch- Wechselwirkung von linear polarisiertem Licht mit eineroptisch aktiven Substanz
• Der ersten Polarisationsfolie, dem Polarisator, steht am Ende des Strahlenganges eine zweite solche Folie, der Analysator, gegenüber. Der Analysator ist drehbar und sobald seine Makromoleküle mit der Schwingungsebene des ankommenden Lichtstrahls einen Winkel von 90" bilden, können die Lichtwellen überhaupt nicht mehr passieren. Der Betrachter auf der Seite des Analysators beobachtet demnach - auch beim Drehen ohne Probe - eine zunehmende Verdunkelung bis zur maximalen Auslöschung. • Bringt man nun eine Messzelle mit optisch aktiver Probenlösung in den Strahlengang des Polarimeters, so beobachtet der Betrachter zunächst eine Aufhellung des Analysators. Will er nun messen, um welchen Betrag sich die Schwingungsebene des Lichtes beim Durchgang durch eine Probelösung geändert hat, so dreht er den Analysator nach links oder rechts bis zur neuerlichen, maximalen Auslöschung. Nun sind die Makromoleküle des Analysators senkrecht zur neuen Schwingungsebene des ankommenden lichtes ausgerichtet und der Unterschied kann als Winkelbetrag abgelesen werden. • Der Drehwinkel Cl ist für jede optisch aktive Verbindung eine spezifische Größe und richtet sich nach physikalischen Voraussetzungen wie beispielsweise der Konzentration c und der Schichtdicke l der durchstrahlten Lösung. Für viele optisch aktive Substanzen sind die Werte tabelliert.
133
OptHo
• Oie Drehrichtung nach links oder rechts wird mit(-) oder(+) angegeben. Auch bei dieser festlegung wähnt man den Beobachter auf der Seite des Analysators mit Blickrichtung zum Polarisator. 22.4.2 Drehsinn
Wir fassen zusammen: Spiegelbildisomere enthalten eines oder mehrere Chiralitätszentren. Das sind so genannte asymmetrische C-Atome, die mit vier unterschiedlichen Substituenten verknüpft sind. Das Vorhandensein mindestens eines Chiralitätszentrums in den Molekülen verleiht einer chemischen Verbindung eine besondere Fähigkeit zur Wechselwirkung mit Lichtwellen: Oie wässrige Lösung einer solchen Substanz ver· mag die Schwingungsebene von linear polarisiertem Licht im Polarimeter nach links oder rechts zu drehen. Mittels dieser polarimetrischen Beobachtung ist die optische Aktivität der Verbindung nachgewiesen. Eine Drehung noch links wird mit dem Zusatz (-) vor dem Namen der Verbindung deutlich gemacht. eine Drehung noch rechts bedingt den Zusatz (+): Wir kennen aus den bisherigen Betrachtungen bereits die o(-)-Milchsäure, die 0(-)-Erythrose, die L( +)-Threose und die L(+)-Weinsäure und ihre jeweiligen Enantiomere als Beispiele für links- bzw. rechtsdrehende organische Verbindungen. Ein Beispiel für ein 0-Enantiomeres, das die Schwingungsebene nach rechts zu drehen vermag ist die 0(+)-Mannose (s. Kap. 23.2.1}. Beachten Sie: 0- bzw. L-Form von Spiegelbildisomeren und der Drehsinn ihrer Lösungen im Polarimeter sind nicht voneinander abhängig! Folglich gibt es vier Möglichkeiten, wie die Konfiguration eines optisch aktiven Moleküls mit dem Drehsinn gekoppelt sein kann (Tab. 22.1). Tab. 22. 1 Enantiomere und ihr Drehsinn
Bezeichnung des Enanttomeren
0(+)-Form
0(-)-Form L(+)-Form L(-)·Form .__,_.
: Anordnung der relevanten ! OH-Gruppe i111 Molekül
OH-Gruppe weist in der Fischer-Projektion nach rechts rechts links links
Drehsinn
Ebene des linear polarisierten Lichts wird nach rechts gedreht links rechts links
134
22.4.3 Racemat
Bringt man Enantiomere einer optisch aktiven Verbindung - beispielsweise o(- )· Weinsäure und L(+)-Weinsäure (s. Kap. 22.3.2) - in gleicher Stoffmenge in eine gemeinsame Lösung ein, so dreht diese die Ebene linear polarisierten lichtes nicht! Das Vorhandensein der beiden optischen Isomere - Bild und Spiegelbild - in gleicher Zahl hebt die Eigenschaft offenbar auf. Eine solche Lösung bezeichnet man als Racemat. Das racemische Gemisch der Weinsäure heißt Traubensäure. Meso-Verbindungen wie beispielsweise die meso-Weinsäure (s. Kap. 22.3.2) - man kann sie sich durch die Spiegelbildqualitäten innerhalb des Molekülbaus quasi als ~innermolekulares Racemat" vorstellen - sind optisch ebenfalls inaktiv, drehen also die Schwingungsebene von linear polarisiertem licht nicht!
135
23
Kohlenhydrate
Der alles bestimmende, das Leben der Tier- und Pflanzenwelt erhaltende Prozess ist die Photosynthese. Dieser Vorgang vermag die Energie des Sonnenlichts mit Unterstützung durch das Chlorophyll(~ Blattgrün) der Pflanzen stofflich festzulegen. Energiearme Stoffe wie Wasser und Kohlenstoffdioxid werden - in von der Sonnenenergie gespeisten Stoffwechselzyklen - in Energie strotzende Verbindungen wie beispielsweise Glucose, Fructose, Stärke oder Cellulose umgesetzt (Abb. 23.1}. Diese Stoffe dienen über kurze oder Längere Zeiträume als biologische Energiespeicher. Durch die Oxidationsvorgänge des Stoffabbaus in den Zellen der höheren Lebewesen (=Atmung) kann diese Energie wieder freigesetzt werden und unterhält auf diese Weise die komplexen Stoffwechselvorgänge in deren Organismen. CHO
I
H-C-OH
Photosynthese 6
o=c=o
F~stli!<Ju~g
von Entrgit
I
H-C-OH
+ 6
Atmung
I
+
s o=o
HO-C-H
Freiseuung von Entrgie
I
H-C-OH
I Kohlendi oxid
Wasser
D( +)-Glucose
Sauerstoff
Abb. 23.1 Zusammenhang zwischen Photosynthese und Atmung - Bruttogleichung
Ein gigantischer Energiefluss durchströmt demnach, von der Sonne kommend, die Biosphäre auf der Erde und erhält über auf- und abbauende organisch-chemische Vorgänge das vielfältige Leben. Betrachtet man die Formel des Glucosemoleküls 4H 120 6 oder anders geschrieben 4(H 20) 6 , so fällt auf, dass den sechs C-Atomenforma1 sechs Wassermoleküle zugeordnet sind. Dieser Zusammenhang -Zahl der C-Atome kombiniert mit der gleichen Anzahl ,.Wassermoleküle"- gilt auch für andere Verbindungen mit mehr oder weniger (-Atomen und führte zum Namen für die gesamte Stoffgruppe: Hydrate des Kohlenstoffs- Kohlenhydrate, kurz KH.
23.1 Einteilung der Kohlenhydrate Kohlenhydrate sind Monosaccharide, Oligosaccharide oder Polysaccharide (Tab. 23.1). Monosaccharide bestehen aus einer KH-Einheit und Oligosaccharide aus 2 bis 10 Einheiten.
136
Polysaccharide sind aus einer Vielzahl von Monosaccharideinheiten aufgebaut und werden damit den kettenförmigen bzw. den verzweigten Makromolekülen zugeordnet. Deren wiederkehrende Einzeleinheiten, die in diesem Fall der Stoffgruppe der Monosaccharide angehören, können als Monomere angesehen werden. T1b. 23. 1 Kohlenhydrate- Einteilung und wichtige Beisp1ele Kohlenhydr~te
Einfache Kohlenhydrate Monosaccharide
(s. Kap. 23.2) Glucose Fructose
Zusammengesetzte Kohlenhydrate Olfgosaccharide Polysaccharide am Beispiel von Disacchariden (s. Kap. 23.3) (s. Kap. 23.4) Saccharose Stärke Maltose Glycogen Lactose Cellulose
23.2 Monosaccharide Sie gehören zu den Zuckern und sind Polyhydroxycorbonylverbindungen: Neben alkoholischen Hydroxylgruppen -OH findet man in den Molekülen eine Aldehydgruppe -CHO oder eine Ketogruppe :co. Monosaccharide mit Aldehydfunktion heißen Aldosen, mit Ketonfunktion Ketosen. Die Zahl der (-Atome im Monosaccharidmolekül zeigt sich in den Namen der Zucker durch die Verwendung lateinischer Vorsilben: drei C-Atome sind in den so genannten Triosen, vier in den Tetrosen, fünf in den Pentosen, sechs in den Hexosen und sieben in den Heptosen enthalten (Tab. 23.2}. Tab. 23.2 Monosaccharide- Einteilung in Aldosen und Ketosen mit 3 bis 7 (-Atomen
,_
Monos.cch1ride - Einflehzucker Aldosen - Aldozucker Ketosen - Ketozucker Aldolriosen Ketotriosen Aldotetrosen Ketotetrosen Aldopentosen Ketopentosen Aldohexosen Ketohexosen Aldoheptosen Ketoheptosen
Durch das Vorhandensein asymmetrischer (-Atome in nahezu allen Monosacchariden ist optische Aktivität (s. Kap. 22.4) ein charakteristisches Merkmal dieser Verbindungen. Allein die wenig bedeutenden Aldobiosen und die Ketotriose Oihydroxyproponon (Abb. 23.2} enthalten kein Chiralitätszentrum und sind damit optisch inaktiv.
137
Monosaccharide
1,3-Dihydroxypropanon Dihydroxyaceton Abb. 23.2
Dihydroxyaceton- optisch inaktive Ketose
Nimmt die Zahl der ( -Atome in den Zuckermolekülen durch schrittweises Eingliedern von Einheiten -CH 20H zu, wächst sowohl die Anzahl der Chiralitätszentren als auch die der Möglichkeiten einer räumlichen Anordnung der Moleküle. Um beispielsweise die Sum rne aller möglichen, offenkettigen Stereoisomere einer Aldose zu berechnen, gilt die wiederum die Formel, die wir bereits im Kap. 22.3 kennen gelernt haben: 2"- Anzahl der Stereoisomeren bei n Chiralitätszentren Die stereoisomeren, ringförmigen Strukturen (s. Kap. 23.2.3) dieser Monosaccharide sind dabei noch gar nicht berücksichtigt!
23.2.1 D;e Fomme der Aldosen Durch die Anwendung der oben genannten Formel auf die offenkettigen Aldosen ergibt sich die jeweilige Summe der Stereoisomere bzw. der Enantiornerenpaare (Tab. 23.3). Tab. 23.3
Aldosen mit 3 bis 7 (-Atomen- Anzahl der Chiralitätszentren, Stereoisomeren und Enantiomerenpaare
Aldosen
Triosen Tetrasen Pentosen Hexosen Heptosen
Anuhl n der Anuhlder Chiralitätszentren Stereoisomeren 2" 1 2
Anuhl der Enantiomerenpaare 1
2
4
2
3
4
4
8 16
5
32
8 16
Von einem Paar enantiomerer Monosaccharidmoleküle - Bild und Spiegelbild - besitzt immer ein Partner o-Konfiguration und der andere L-Konfiguration. Aus Kap. 22.3 wissen wir, dass bei der Zuordnung zur o- bzw. L-Reihe chiraler Verbin-
138
Kohlenhydrate
dungenstets die räumliche Orientierung der Hydroxylgruppe am untersten Chiralitätszentrum in der Fischer-Projektion betrachtet wird. Für ein Enantiomerenpaar gibt es stets einen gemeinsamen Namen. Bei den Triosen C3H60 3 mit dem Namen Glycerinaldehyd und lediglich einem Chiralitätszentrum unterscheiden wir damit zwei Enantiomere, die ein Paar bilden (Abb. 23.3).
o( +)-Giycerinaldehyd Hydroxylgruppe rechts
L(-)-Glycerinaldehyd Hydroxylgruppe links
Abb. 23.3 Spiegelbildisomere des Glycerinaldehyds in der Fischer-Projektion
Glycerinaldehyd ist eine Verbindung, die im biochemischen Stoffwechselgeschehen von Bedeutung ist. Die vier Tetrosen C4 H80 4 tragen die Namen Erythrose und Threose, die beiden Enantiomerenpaare sind D(-)-Erythrose und L(+)-Erythrose, sowie D(- )-Threose und L(+)-Threose (Abb. 23.4). CHO
CHO
I I I I H-C~ ~C-H
HO- C -
H
I
CH20H
0(-)-Erythrose
L(+)-Erythrose
o(-)-Threose
H-
C-
OH
I
CH20H
L(+)-Threose
Abb. 23.4
Die vier Stereoisomere der Telrosen Erythrose bzw. Tnreose - 2 Enantiomerenpaare
In den Fischer-Projektionsformeln der Telrosemoleküle sind die Hydroxylgruppen an C2 und C3 bei den Erythrosen auf der gleichen Seite und bei den Threosen wechselständig angeordnet.
139
Monosaccharide
Bei den Pentosen C5H100 5 mit den Namen Ribose, Arabinose, Xylose und Lyxose teilen sich die acht Stereoisomere in die folgenden Enantiomerenpaare ein: o(-)-Ribose L( +)-Ribose 0(-)-Arabinose L( +)-Arabinose 0(+)-Xylose L(-)-Xylose o(- )-Lyxose l( +)-Lyxose. Die Anordnung der Hydroxylgruppen wird mit steigender Zahl der Stereoisomere unübersichtlicher. Um einer völligen Verwirrung vorzubeugen, zeigt Abb. 23.5 nur die Vertreter der o-Reihe, die allesamt Diastereomere (s. Kap. 22.3.1) zueinander darstellen. CHO
CHO
H---+--OH H--+--
OH
HO---+---H H---+--OH
CHO ---+---OH
CHO HO---+---H
HO--+--H
HO--+--H
CHzOH
CHz()H
H---+--f CHz()H o(-)-Ribose
CHz()H o(-)·Arabinose
o( +)-Xylose
o(-)-Lyxose
Abb. 23.5
Pentosen - vereinfachte Fischer-Projektionsformeln der D· Reihe
In der Molekulargenetik ist die Ribose von zentraler Bedeutung. Aus diesem Grund ist sie die am häufigsten erwähnte Pentose. Übung: Schreiben Sie die Formeln fLir die Moleküle der L-Reihe der Aldopentosen auf. Ordnen Sie den Formeln die korrekten Namen - mit der Bezeichnung des optischen Drehsinns (s. Kap. 22.4.2) - zu und entscheiden Sie, welches die vorherrschende Drehsinnrichtung bei den L-Molekülen ist (Abb. 23.6).
140
Kohlenh~drate
Lösung: Abb. 23.6. CHO HO--+--H
CHO
H- -+-OH
CHO
HO
HO--t--H
H---1--0H
HQ--t--H
H--t---OH
H--4--0H
L( +)-Ribose
L(+)-Arabinose
L(-) -Xylose
L( +)-Lyxose
rechtsdrehend
rechtsdrehend
linksdrehend
rechtsdrehend
HO--t--H
Abb. 23.6 L-Reine der Atdopentosen- Drehsinn
Nur eine von vier L-Aldopentosen dreht das linear polarisierte Licht nach links, d. h. dass deren Drehsinn vorwiegend nach rechts gerichtet ist. Die 16 Aldohexosen C6 H1206 bilden 8 Enantiomerenpaare mit den unten aufgeführten Namen. Zum Archivieren der vielen Hexosenamen im Gehirn existiert ein absolut sinnloser Merksotz, der die Lernbemühung jedoch seit Generationen erstaunlich gut zu unterstützen vermag. Er steht- in blauer Schrift- neben den Hexosepaaren: O(+}-Allose o(+)-Altrose o(+)-Glucose 0(+)-Mannose 0(-)-Gulose o(-)-Idose 0(+)-Galactose 0(+)-Talose
L(-)-Allose L(- )-Altrose L(-)-Glucose L(-)-Mannose l(+)-Gulose l(+)-Idose L(-)-Galactose L(-)-Ta lose
Alle alten Gänse mögen gern im Garten tanzen
Für den Bereich der Stoffwechselvorgänge von allergrößter Bedeutung ist die 0{+)G/ucose C6H1206 (Abb. 23. 7; s. a. Kap. 23.2.2):
141
Monosaccharide
1
CHO
CHO
I
H-C-OH
21
HO-C-H
31
H HO
OH
",Ta"
H
..Tüü"
H-C-OH
H
OH
.,,Ta"
H
H
OH
..Ta"
5
.I c--@ I CH;PH 6
o( +)-Glucose
CH;PH
0(+)-Glucose
Abb. 23.7 FISCHER-Projektionsformeln der Aldohexose D(+)·Glucose mit . Eselsbrücke"
Beschäftigt man sich mit den Aldohexosen, so ist es äußerst schwierig, sich die Orientierung der Hydroxylgruppen an den vier Chiralitätszentren - rechts oder links?- zu merken. Für die unumgängliche 0(+)-Glucose hat ein anonymer, findiger Kopf dankenswerterweise die kindliche Nachahmung einer Polizeisirene zur ,.Eselsbrücke" erhoben. Mit Generationen übergreifendem Erfolg. "Ta" ist rechts, .,Tüü" ist links: .. To-Tüü-To-Ta "!
23.2.2 D(+)-Glucose Oie auch als Traubenzucker bezeichnete Aldohexose ist das wichtigste Monosaccharid. Oie kristalline Verbindung ist neben Sauerstoff primäres Produkt der Photosynthese und damit unter anderem Ausgangsstoff zur Herstellung komplexer Speicherstoffe für Energie, wie beispielsweise Stärke und Fett (s. Kap. 23.4.1 und 25). Oie sensiblen Aldehydnachweise Silberspiegelprobe und Fehlingsche Probe (s. Kap. 19. 5) fallen mit der 0(+)-Glucose erwartungsgemäß positiv aus. Die weniger empfindliche Nachweisreaktion mit fuchsinschwefliger Säure - die Schiffsehe Probe - ergibt allerdings lediglich bei hoher Glucosekonzentration eine schwache Violettfarbung. Dies liegt daran, dass die Gesamtheit der 0{+)-GlucoseMoleküle in wässriger Lösung zu weniger als 0,1 "'o in der offenkettigen Aldehydform vorliegt. Durch eine nucleophile Additionsreaktion (s. Kap. 19.3) schließen sich die kettenförmigen Glucosemoleküle nämlich zu einem cyclischen, intramolekularen Halbacetal (Halbacetal s Additionsprodukt aus einem Aldehyden und einem Alkohol; s. Kap. 19.3.1) und es entsteht ein vergleichsweise stabiles, sechsgliedriges Ring· molekül (Abb. 23.8).
142
KohlenhydratE
H-~ 2 1--
nucleophiler Angriff
H0-~1--H
3
H-~ 4 1--
ö-
H--:-1 ~ 1--.:...,0 - H
6CH~H Abb. 23.8 D(+)·Glucose - nucleoph iler Angriff zum intramolekularen Ringschluss
Ein nucleophiler Angriff eines freien Elektronenpaars aus der Hydroxylgruppe an C5 - sie ,.entspricht dem Alkohol" bei der Bildung des Halbacetals - auf die Aldehydgruppe C1 leitet die Additionsreaktion ein. Aus dem Elektronenpaar entsteht in der Folge die neue Bindung, die den Ring schließt. Das Glucosemolekül wird aus Gründen des räumlichen Verständnisses in den fol· genden Darstellungen um 90° gedreht.
..SauerstoffbrückeH 6CH20H
I
~ /~ !H ' !13
4C ......... O H
H
/
....
-e""i J:' J~-H 1
H /
C"'-.,
12
OH
ehemaliges
Carbonyl·C· Atom Abb. 23.9 D(+)·Glucose - nucleophile Additionsrealction, intramolekulare Halbacetalbildung
143
Monos.Jcchiride
In den Abbildungen wird die Kette der (-Atome- von C1 ausgehend - zunächst mit C2 und ( 3 vor die Papierebene geführt. c, liegt wie ( 1 in der Ebene. C5 und die integrierte ,,Sauerstoffbrücke"liegen damit hinter der Papierebene. Damit kommt der nucleophile Angriff auf C1 quasi ..aus dem HinterhaW (Abb. 23.9). Nach dem Ringschluss zwischen C5 und C1 fallen eine positive Ladung am ehemaligen Hydroxyl-Sauerstoff-Atom und eine negative Ladung am ehemaligen CarbonylSauerstoff-Atom auf. Eine Um/ogerung des H-Atoms aus der ehemaligen Hydroxylgruppe zum CarbonylSauerstoff-Atom stellt die neutralen Verhältnisse wieder her: Ein ringförmiges Molekül aus sechs Gliedern, das zwischen C5 und C1 eine HSouerstoffbrücke" aufweist, ist das Resultat und die Form, in der die altermeisten Glucosemoleküle in Lösung vorliegen.
23.2.3 Anomerie und Mutorotaäon- anomere Glucosemoleküle Die Fischer-Projektion der o( +)-Glucose (s. Abb. 23.8) offenbart für die a -Bindung zwischen C1 und C2 freie Drehbarkeit um die C-C-Bindungsachse. Dieser Sachverhalt sorgt dafür, dass im Augenblick des nucleophiten Angriffs die Bindungspartner von C1 - das 0- bzw. H-Atom der Aldehydgruppe - räumlich unterschiedlich orientiert sein können: Das 0-Atom weist nach oben, das H-Atom nach unten oder umgekehrt. Ist der Ringschluss dann erfolgt, so ist an C1 die freie Drehbarkeil aufgehoben! Die neue Hydroxylgruppe an C1 zeigt nun entweder nach oben oder nach unten. Am besten zeigt sich dies in der Darstellung von Zuckermolekülen als so genannte Howorth-Forme/n (Abb. 23.10; s. a. folgendes Kap. 23.2.4). neu es ChiralitätsH / zentrum
6 CH20H
sb---O
t/ "b
41-........
H OH
OH
13
H
'-""'I
H / . C1
1,-11\
T2 OH
~
a-o-Glucose -OH zeigt ,.abwärts"
ß-o-Glucose -OH weist ,.bergwärts"
Abb. 23.10
Anomere der 0(+) -Giuc~e mit . Eselsbrücke" für die Orientierung an ( 1
Die Folge der starken Einschränkung der freien Drehbarkeit um die a -Bindungen im gesamten Sechserring ist demnach eine eindeutig festgelegte Orientierung der Substituenten an den fünf asymmetrischen C-Atomen innerhalb des Ringmoleküls:
144
Kohlenhydrate
• Das .,neue" Chiralitätszentrum an C1, das erst durch den Ringschluss entsteht, lässt zwei Orientierungen - Konfigurationen - für die Hydroxylgruppe bzw. das H-Atom zu. Diese beiden Stereoisomere sind so genannte Anomere und tragen die Namen cx-D-Glucose und ~-0-Glucose. • Anomere verhalten sich nicht wie Bild und Spiegelbild und besitzen daher unterschiedliche physikalische Eigenschaften, auch abweichende Drehwinkel für linear polarisiertes licht. Die Anomerie bezieht sich nur auf ehemalige CarbonylC-Atome, die durch Ringschluss zu asymmetrischen (-Atomen werden. • Oie Orientierung der Substituenten an den bereits bestehenden Chiralitätszentren Cz, ( 3, 4 und C5 ist durch die Konfiguration im Bereich der C-Kette der o(+)· Glucose (und auchjeder anderen Aldohexose) von vorne herein festgelegt. Oie anomeren 0-Glucosen sind aufgrundihrer unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften voneinander isolierbar. Löst man nun reine, kristalline a-o-Glucose oder ß-0-Glucose in Wasser, kann man anhand einer Beobachtung der Veränderung des Drehwinkels in der jeweiligen Lösung darauf schließen, dass sich in beiden Fällen ein Gleichgewicht zwischen a-0-Glucose, ß-0-Glucose und der offenen Aldehydform einstellt. Oie spontane Umwandlung des einen Anomeren über die Aldehydform in das andere Anomere bezeichnet man als Mutarotation (lat. mutare, ändern; Abb. 23.11).
Aldehydform der o(+)-Glucose H
OH
H
OH
ß-o-Glucose
a-o-Glucose
63%
36"to
Abb. 23.11
Gleichgewicht zwischen den Anomeren und der Aldehydform durch Mutarotation
Der Anteil am Gleichgewicht beträgt bei 20 ° ( für a-0-Glucose ca. 36%, für ß-o-Glucose ca. 6H'o. Der geringe Anteil der offenkettigen Aldehydform bedingt das schwach positive Ergebnis der wenig empfindlichen Schiffsehen Probe auf Aldehyde. Den vergleichsweise hohen Anteil der ß-o-Glucose am Gleichgewicht führt man darauf zurück, dass sich in diesem Molekül die Hydroxylgruppen durch die streng abwechselnde Anordnung sterisch weniger behindern als es bei der a-0-Glucose der Fall ist.
145
Monosacch1ride
23.2.4 Darstellung von MonosaccharidmolekülenFischer-Projektion, Haworth -Formel, Sesselform Mittlerweile haben wir bereits zwei verschiedene Darstellungsarten kennen ge· lernt. mittels derer die kompliziert gebauten, dreidimensionalen Monosaccharidmoleküle in der zweidimensionalen Papierebene so abgebildet werden können, dass ein Betrachter ihre tatsächlichen Eigenschaften rekonstruieren kann. Eine dritte und zusätzliche Beschreibung schließt sich mit der Sesselform an. Wir bleiben beim Beispiel der Glucose: Die Fischer· Projektionsformel (Abb. 23.12; s. a. Kap. 22.2) eignet sich am besten für die Darstellung von offenkettigen Molekülformen: Sie gibt die Konfiguration der einzelnen asymmetrischen C·Atome und der an sie bindenden Substituenten wieder. Dabei ist die Kohlenstoffkette senkrecht ausgerichtet. das am höchsten oxidierte C-Atom steht oben, die Bindungen zu den Substituenten weisen rechtwinklig nach rechts oder links. t<;:HO
HHO H-
I -P, I F, I C•I
1CHO
OH
I
HO-C-H
I H-C-OH ,I J
H OH
H-i.Y-@)
I
.CH:z()H
D(+ )-Glucose
HO-C-H
•I
(§nc-H I
&CH20H
l(-)-Glucose
Abb. 23.12
Fischer-Projektionsformeln der beiden Glucose-Enantiomere
Die Haworth-Formel (Abb. 23.13) bildet die Ringstruktur eines Monosaccharids ab, indem man sich z. B. den Sechserring des Glucosemoleküls als horizontal flach liegendes Sechseck vorstellt, das quasi senkrecht in der Papierebene steckt. Die gemeinhin verwendete Perspektive ergibt sich, indem man das "RingsauerstoffatomM nach ,.rechts-hinten" orientiert, die ,.nach vorne herausragenden" Bindungen keiloder balkenförmig verstärkt und alle vom Ring ausgehenden Substituenten vertikal nach oben oder unten weisen lässt. Die Orientierung der Substituenten dreht sich im Vergleich mit der Fischer-Projektion um 90° im Uhrzeigersinn: wrechts• wird zu "unten", ,.links" wird zu "oben". Die Gruppierung -CH 2 0H befindet sich in der Haworth-Formel in der Regel "links-hinten-oben". Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden im Folgenden einige H- und C-Atome nicht mitgezeichnet Das ist ein übliches Vorgehen in der Organischen Chemie und hilft, den Blick fiir das Wesentliche zu behalten. Ein Kreuzungs· oder Endpunkt von Bindungs·
146
Kohlenhydrate
Linien steht dabei für ein C-Atom. H-Atome werden oft gar nicht mitgezeichnet; wegen der Vierbindigkeit des Kohlenstoffs kann man aber einfach erkennen, wo sie sitzen . • linb-hinten-olx!n" .rechll·h~nten•
,
.•
••
)--------0
OH
OH • • nach vorne· aus der Papierebene
P-o-Glucose Abb. 23.13 Haworth·Formeln der ß·D·Glucose- rechts vereinfacht In der Realität gleicht die räumliche Struktur des Glucosemoleküls der des Cyclohexans (s. Kap. 6.6.2): Seide liegen nämlich in der Sesselform vor, die von der tetraedrischen Ausrichtung der von den (-Atomen ausgehenden u-Bindungen geprägt ist. Oie beiden Bindungen, die die C-Atome des Rings jeweils zu ihren Substituenten unterhalten, weisen hier entweder schräg oder senkrecht vom Ringgebilde weg. ,.Schräge" Substituenten stehen "äqucrtoriat, "senkrechte• stehen ,.axiar zum Gesamtmolekül: .c~OH
aquatoriale 0 Stellung • e
.
HO
0
OH HO
OH HO
axiale··-- Stellung -a
H H
OH
ß-o-Glucose OH·Gruppen d~ R1ngs in e-Stellung
3
H
OH
Abb. 23.14
Sesselform der 13·D·Glucose- axiale und äquatoriale Stellung der Substituenten Die Sesselform der ß-D-Glucose zeigt sehr deutlich, dass die Hydroxylgruppen durch die äquatoriale Stellung den größtmöglichen Abstand voneinander einnehmen und damit die gegenseitige, sterische Hinderung minimiert wird (Abb. 23.14). Die Abkürzung _e· für die äquatoriale Stellung eines Substituenten geht auf das englische ,.equatorial" zurück.
147 23.2.5 Ausgewählte Ketosen - Dihydroxyaceton und Fructose
Ketosen sind die Monosaccharide, die eine Carbonylgruppe im Molekül besitzen. Anders als die Aldehydgruppe -CHO, die vom C1·Atom gebildet wird, befindet sich die Carbonylgruppe >CO inmitten des Moleküls. Das bereits in Abb. 23.2 (S. 137) erwähnte, optisch inaktive 1,3-Dihydroxypropanon gehört zu den Ketotriosen (Abb. 23.15}. 1CHzOH
I
21=0 3CH2 0H
1,3 Oihydroxypropanon Oihydroxyaceton Abb. 23.15 01hydroxyaceton al5 Fischer·formel
Diese Ketose tritt im ersten Abschnitt des abbauenden Stoffwechsels, der so ge· nannten Glykolyse, in Form ihres Phosphorsäureesters Oihydroxyacetonphosphat als Zwischenverbindung in Erscheinung. Eine 2-Ketohexose von ebenfalls hoher biochemischer Bedeutung ist die D(-)· Fructose. Sie kommt als so genannter Fruchtzucker in vielen Früchten und im Honig vor, ihre Summenformel lautet wie bei der Glucose C6H120 6 (Abb. 23.16 ). CH2 0H
fH:zOH
I I.
c =o 2 HO-C-H
l
H-C-OH
"I H-f.~ I fHzOH
o( ) Fructose
0
.Taaaa•
H
.Tüü"
H
OH
•Ta"
H
OH
. Ta"
HO
CH:zOH
o(-)-Fructose
Abb. 23. 16 Fischer-ProJektionsformeln der D{- )·Fructose mit .Eselsbrücke"
Mein schlichtes Gemüt reagierte zur Studienzeit auf die infantile .Eselsbrücke" fiir die D( +)-Glucose so dankbar, dass ich die Merkhilfe freudig auf den recht ahnliehen
148
Koh~nhydr•tf
Ketozucker D(-)-Fructose übertrug, hatte ich doch festgestellt. dass man nur wenige Fakten neu speichern muss: An C2 gibt es statt einer Hydroxylgruppe (..Ta") die Carbonylgruppe (,.Taaan und an C1 fehlt die Aldehydfunktion, stattdessen gibt es eine CH 20H-Gruppierung. Die offenkettige Form besitzt lediglich drei asymmetrische (-Atome. In Lösungen oder Mehrfachzuckern liegt auch die o(-)-Fructose in der Ringform vor. Der Ringschluss geschieht wie bei der Glucose über einen nucleophilen Angriff.
Übung: Überlegen Sie sich anhand der Vorgänge beim analog verlaufenden Ringschluss der D(+)-Glucose (s. Kap. 23.2.2), wie die Anomere der D(-)-Fructose in der Haworth· Projektion aussehen müssen! Lösung: Ein freies Elektronenpaar aus der Hydroxylgruppe an Cs bildet eine neue Bindung zum Carbonyl-C 2 -Atom des Fructosemoleküls aus. Aus dieser Additionsreaktion resultiert einfünfgliedriges Ringmolekül, das ebenfalls in zwei anomeren Formen auftritt (Abb. 23.17).
6 CH~H
OH
3
~-o-Fructose
a·O· Fructose
Abb. 23.17
Anomere der 0-Fructose als Haworth-Formel
Im Gleichgewicht einer Lösung gibt es die D(-)-Fructosemoleküle als anomere Fünferringe, die wie bei der Glucose über die offenkettige Ketoform miteinander in Verbindung stehen (s. a. Abb. 23.11). In kristoUiner o-Fructose liegen die Monosaccharidmoleküle jedoch erstaunlicherweise vorwiegend als Sechserringe der ß-Form vor (Abb. 23.18).
149
Mononccharide
P-o-Fructose Abb. 23.18 ~Form der 0(-)·Fructose - Ringschluss zwischen 4 und ( z zum Sechserring!
Erstaunlicherweise reagiert eine Fructose-lösung auf die Fehlingsche Probe mit einer Rotfärbung. Damit ist jedoch primär das Vorhandensein von Aldehyden nach· gewiesen. Oie Erklärung liegt in der Fähigkeit der offenen fructosemoleküle, sich in Gegenwart von Hydroxidionen - im Fehling-Reagenz reichlich vorhanden - in die Glucosemoleküle mit derselben Summenformel umzulagern. Durch diesen als Keto-Enof· Tautomerie bezeichneten Vorgang wechseln zwei H-Atome gewissermaßen ihren Platz im ZuckermoleküL sie ,.rutschen eine Etage tiefer" (Abb. 23 .19). H
I ']
H
C - 0 -H
c=o'
I
H - C - 0 -H
-
c=o'
21
H
"
R
o-Fructose MKetoform"
11
c - o -H _i I R
"EnolformM
I
11 : H- C - 0 -H
21
-
R
o-Glucose
Abb. 23.19
Umwandlung Fructose-Glucose- keto-Enol·Tautomerie
Betrachtet man die ,,Enof-Form", so erkennt man die Doppelbindung zwischen C1 und C2 , die ein Alk,.en"-Element darstellt, zwischen den beiden Hydroxylgruppen, die das Alkoh..ol"-Element repräsentieren. Genau genommen hat man eine ..Endiol-Form" vor sich, da zwei Hydroxylgruppen auftreten.
23.2.6 Pyranosen und Furanosen Da sich exzellente Bildung in der souveränen Anwendung mannigfacher Fachbegriffe wiederspiegelt, gibt es filr die profanen ..Fünfer- und Sechserringe" bei den Monosacchariden zum Beweis wahren Könnens auch eine entsprechend erlesene Bezeichnung:
150 Fünferringe sind Furanosen. Sechserringe sind Pyronosen. Die Namen Furanase und Pyranose leiten sich von zwei cyclischen, ungesättigten Elhern (s. a. Kap. 15) ab (Abb. 23.20).
0 Furan
Pyran
Abb. 23.20 Furan und Pyran - Namen gebende Ether fUr ringformige Monouccharidmoleltule
• Ringmoleküle der o-Glucose und aller weiterer Aldohexosen sind (sechsgliedrige) Pyranosen. Die D-Glucose kann auch Glucopyranose genannt werden. • Ringmoleküle der o-Fructose kommen in Lösung und in den Mehrfachzuckern in der Regel als (ffinfgliedrige) Furanosen vor. Damit heißt diese Form der D-Fructose auch Fructofuranose. ~-Fructopyronose findet man im kristallinen Zustand des Fruchtzuckers. • Die ringförmigen Monosaccharidmoleküle orientieren sich strukturell zwar an den Ethern, gehören jedoch zu den Halbacetalen, da das C-Atom, das nucleophil angegriffen wurde, eine weitere Bindung zu einem 0-Atom unterhält.
23.3 Disaccharide Viele Zucker, die im Stoffwechsel der Lebewesen eine Rolle spielen, sind keine Monosaccharide, sondern Mehrfachzucker. Disaccharide - Zweifachzucker - sind dabei besonders häufig vertreten. 23.3.1 Glycos;db;tdung
Dem Zusammenschluss zweier Monosaccharide zum Disaccharid liegt wieder ein nucleophiler Angriff eines freien Elektronenpaars aus einer Hydroxylgruppe auf ein ( -Atom mit positiver Teilladung zugrunde. Unter Ausbildung einer ..SauerstD!fbrilcke~ zwischen den ursprünglichen Monosaccharidmolekillen und der Abspaltung von Wasser entsteht aus einem Halbacetal und einem .Alkohol~ ein ( Voll-)Aceta/. In der Chemie der Kohlenhydrate heißen diese Verbindungen Glykoside. An der Vereinigungzweier Monosaccharidmoleküle bei der G/ycosidbildung ist mindestens eines von den beiden anomeren C·Atomen - C1 bzw. C2 - beteiligt. Oieses C-Atom wird aufgrundseiner positiven Teilladung nucleophil angegriffen. Im Beispiel der Abb. 23.21 reagieren u-0-Glucose und fJ· D-Giucose zur Ho/tose.
151
Disaccharide
4
3
OH
ß-0-Glucose + H-
0-H
1l -
glykosidische
H-
0-
H 6 CH:z()H
"T '\
3
glyllosidisches
C-Atom
Maltose Abb. 23.21
Bildung des Disaccha rids Maltose - ein Glykosid entsteht unter Wasseraustritt
Diese schematische Darstellung gibt lediglich die prinzipiellen Vorgänge der Glykosidbildung wieder, es handelt sich nicht um einen Reaktionsmechanismus: Die Gleichgewichtseinstellung wird nämlich durch zugegebenen Chlorwasserstoff HCl katalytisch beschleunigt. Die Fähigkeit des Chlorwasserstoffs zur Wasserbindung erhöht zudem die Ausbeute am Produkt Maltose. Die neue Bindung, die sich zwischen dem glykosidischen C-Atom -dem ehemaligen Carbonyl-C-Atom der tt-0-Glucose - und dem 0-Atom der ehemaligen Hydroxylgruppe befindet, heißt glykosidische Bindung. 23.3.2 Maltose- ein reduzierendes Disaccharid
Maltose oder Malzzucker entsteht, wenn Stärke (s. Kap. 23.4.1) im Mund durch Speichelenzyme zerlegt wird. Das Disaccharid besteht aus zwei Glucoseeinheiten und kann damit auch als Digtucosid bezeichnet werden. Die glykosidische Bindung zwischen C1 des ersten Glucosemoleküls und C4 des zweiten Glucosemoleküls heißt a(1,4)-glykosidische Bindung (Abb. 23.22).
152
IColllrtthydrale
6 CHl<)H
• 1
'4!.:WOIA!loo>
mbghth'
Abb. 23.22 Maltose- Mutarotation am .rreien• anomeren C-Atom C1
Das eine der beiden anomeren Zentren - ( 1 der linken Glucoseeinheit von dem die glycosidische Bindung ausgeht - liegt im Maltosemolekül in der ct-Form vor, das andere anomere (-Atom - C1 der rechten Glucoseeinheit - vorwiegend in der sterisch gefälligen ß-Form. An diesem C-Atom ist Mutarotation (s. Kap. 23.2.3) möglich, d. h. es gibt in einer Maltoselösung zu einem geringen Anteil offene Glucoseeinheiten in den Maltosemolekülen! Damit verläuft die Fehling-Probe mit Maltose positiv und man spricht von einemreduzierenden Disaccharid. Um dieser Eigenheit in der Formeldarstellung Rechnung zu tragen, wird zur .mutarotierenden" Hydroxylgruppe oft eine wellenförmige Bindungslinie gezeichnet.
23.3.3 Cellobjose - e;n wdteres reduzierendes o;saccharid Im Disaccharid Ce/lobiose sind zwei Moleküle der ß-0-Glucose glykosidisch miteinander verbunden. Cellobiose bildet sich neben Glucose beim Abbau von Cellulose (s. Kap. 23.4.3). Auch bei der Cellobiose wird die glykosidische Bindung zwischen C1 des ersten und 4 des zweiten Glucosemoleküls ausgebildet. Für die Formeldarstellungen der Disaccharide ist es üblich, die Ringe vor der Glykosidbildung räumlich so zu drehen, dass die beiden an der Reaktion beteiligten Hydroxylgruppen in dieselbe Richtung weisen- entweder nach oben oder unten: Vor der Bildung des Cellobiosemoleküls wird die rechte Glucoseeinheit also um eine Achse gedreht, die in der Papierebene liegt. Diese Achse "durchbohrt" C1 und C4 • Der Winkelbetrag, um den gedreht wird, beträgt 180", das Molekül ..geht in den Kopfstand". In der Folge gelangen C2 und C3 hinter die Ebene, 4, (6 und die ..Sauerstoffbrücke" davor, die an die (-Atome gebundenen Hydroxylgruppen tauschen die Positionen: .Vorne• wird zu .hinten·, .oben" zu "unten" und umgekehrt (Abb. 23.23).
153 eC~H
•
6C Hz()H
~--······)
4
3
3
OH e CHz()H
Drehung um 180°
OH
CHz()H
Jl·D· Glucose
~-o-Gtucose
Abb. 23.23 Räum liche Ausrichtungzweier Moleküle ß·O-Glucose für die Glykosidbildung
Im Cellobiosemolekül sind die Glucoseeinheiten ß(1 ,4)-glykosidisch miteinander verknüpft (Abb. 23.24).
3
5
Cellobiose
8CH~H
C1• MuUroUtiOII moglich!
Abb. 23.24 CeUobiose - e1n reduzierendes Disaccharid
Wie bei der Maltose existiert auch bei der Cellobiose am .,freien" anomeren C1-Atom der rechten Glucoseeinheit die Möglichkeit zur Mutarotation. Die in einer Lösung vorliegenden, offenkettigen Teilchen mit Aldehydfunktion bedingen auch hier eine Rotfärbung der Fehlingschen Lösung: Cellobiose ist ein reduzierendes Disaccharid.
154 23.3.4 Saccharose- ein nicht reduzierendes Disaccharid
Das im gängigen Haushaltszucker enthaltene Disaccharid ist die Saccharose. die auch Rohrzucker heißt, da sie vorzugsweise aus Zuckerrohrpflanzen hergestellt wird. In einem Saccharosemolekül vereinen sich ein Sechserring a-o-Giucopyranose und ein Fünferring ß-D-Fructajuronose (Abb. 23.25), wobei sich die Glykosidbindung zwischen C1 der Glucose und (z der Fructose ausbildet. 6 CH 20H
3
ß·O- Fructose
u-o-Glucose Abb. 23.25
Bausteine des Disacchllrids Saccharose
Übung: Überlegen Sie, wie eine räumliche Drehung eines Bausteins (s. a. Kap. 23.3.3} stattfinden muss, um eine gefallige Ausbildung der Glykosidbindung zu ermöglichen ! Zeichnen Sie das gedrehte Molekül auf. Lösung: Abb 23.26. CH.pH •, 8
... ', OH
...
. .......... ..
•
OH
l •
.. . uo·(l• • •
•
p-o-Fructo~e
m•t Dreh~'ltse durch C und eine C-0-Bmdung
P· o-Fructose tm .Kop~Ynd"
gedreht um 180"
Abb. 23.26 Drehung des ß-D·fructosemolekuls um eir>e senkrecht zur Papierebene gelagerte Achse
155
Disaccharide
Der ,.Kopfstand" des ß-D-Fructosemoleküls (Abb. 23.26) führt an C2 zu einer Orientierung der Hydroxylgruppe nach ,.unten·: Damit weist sie in dieselbe Raumrichtung wie die Hydroxylgruppe an C1 der a-0-Glucose (Abb. 23.27).
1CH~H
0-----..
+
4
3
u-D-Glucose
•H~ 1l-H
OH
P-D-Fructose
2
0
a(l, 2)·gl~kDsid•sche
Bindung 6 CH~H
4
3
Saccharose a-D·Glucopyranosyl-ß-D-Fructofuranosid Abb. 23.27
Saccharose - Glykosidbildung
Im Saccharosemolekül sind die beiden anomeren C-Atome an der a(1,2)-glykosidischen Bindung beteiligt. Damit entfällt die Möglichkeit zur Ringöffnung und Mutarotation: Saccharose bewirkt mit Fehling-Lösung keine Rotfarbung! Damit ist dieser Zucker ein nicht reduzierendes Disaccharid. Namensungetüme wie "a-D-Glucopyronosyl-ß-D-Fructofuronosid" für Saccharose finden bei der Benennung von Glykosiden dann Verwendung, wenn man auf das Vorliegen von Fünfer- oder Sechserringen in der Struktur besonderes Augenmerk Legen möchte.
156
Kohlenhydr.~te
23.3.5 Inversion des Rohrzuckers
Saccharoselösung dreht die Ebene des linear polarisierten Lichts nach rechts. Gibt man zur Lösung Säure, so spaltet sich das Disaccharid in die Monosaccharide auf: (+}-Saccharose
S•urelUgabe,
0(+)-Glucose
0(-)-Fructose
Hydroly~
Während diese Hydrolyse die Saccharosemoleküle verbraucht, ändert sich der Drehwinkel der Lösung. Schließlich beobachtet man im Hydrolysat mit den Monosacchariden eine Linksdrehung, denn die Fructose ist stärker linksdrehend als die Glucose rechtsdrehend. Damit überwiegt im Endeffekt die Drehwirkung der Fructose. Die Ursprünglich rechtsdrehende Saccharoselösung geht unter Säureeinwirkung also in ein insgesamt linksdrehendes Gemisch aus Monosacchariden über. Die Spaltung der Saccharose in die Monosaccharide wird aufgrunddieser Tatsache als ,,Inversion des Rohrzuckers" bezeichnet. Das entstehende äquimolare Gemisch aus den Monosacchariden - die Zahl der Glucoseeinheiten stimmt mit der der Fructoseeinheiten überein - heißt Invertzucker.
23.4 Polysaccharide Bei den Polysacchariden handelt es sich um biologische Polymere: Polymere sind Makromoleküle, die dadurch entstehen, dass sich gleichartige Bausteine in großer Zahl aneinander binden. Oie Bausteine eines Polymers nennt man Monomere. In den Polysacchariden sind es zahlreiche Glucoseeinheiten, die - glykosidisch miteinander verknüpft- Naturstoffe wie Stärke, Glykogen und Cellulose bilden. 23.4.1 Stärke
Die Photosynthese liefert die energiereiche Glucose, die in Wurzeln, im Spross und in den Samen der Pflanzen in Form von Stärke gelagert wird. Diese Stärke kann dann im pflanzlichen oder tierischen Stoffwechsel wieder zu Glucose abgebaut und in den Energiestoffwechsel eingeschleust werden. Stärke - beispielsweise aus Getreide oder Kartoffeln- ist Hauptlieferant für Kohlenhydrate in der Nahrung. Oie weiße, geruch- und geschmacklose, mehlige Substanz ist nur zum Teil in Wasser löslich. Stärke besteht demnach aus zwei Bestandteilen: Wasserlöslich ist die so genannte Amylose, wasserunlöslich ist das Amylopektin. In 50 ° ( heißem Wasser bildet Stärke durch Quellung so genannten Stärkek/eister.
157
Polywccha ride
Amylose besteht aus nicht verzweigten Glt~coseketten. in denen die Monosaccharide durch a(1.4)-glykosidische Bindun~en verknüpft sind (Abb. 23.28}.
··\ O
0
H0•--.:~.,.,-"".-~~1
glylto5id•schcs C ' tom /.
OH
Ja H0--.:~.,.,-"".-~ . ~-H 0
o.(1,4)-glykosidische Bindung
OH
OHI
o-__"4........_·
0
HO-..:~:""-.-.....- ""~~-H OH I
o -...
Abb. 23.28 Amylose- Ausschnitt aus dem Makromolekül (ohne Berücksichtigung dera-Helix)
Oie Bindungswinkel im Bereich der ..glykosidischen Sauerstoffbrücken" sorgen dafür, dass die Makromoleküle aus 60 bis 300 Glucosemolekülen nicht linear vorliegen, sondern eine Spirale bilden, die sich a-Helix nennt und durch Wasserstoffbrückenbindungen zusammengehalten wird. In ihre Windungen können sich manche anderen Moleküle einlagern. Im Fall des Einschlusses von Iod-Molekülen I2 ergibt sich dabei eine charakteristische Blaufärbung, die als Nochweis für Amylose dient. Die als Iod-Stärke-Reaktion bezeichnete Nachweismethode mit der als Lugalsehe Lösung etablierten Iodlösung spielt in biochemischen Untersuchungen zur Photosynthese eine bedeutende Rolle.
Amylopektin enthält in einem Makromolekül mehr als 300 Glucoseeinheiten und zeichnet sich durch Verzweigungen über zusätzliche a(1,6)-glykosidische Bindungen in den Ketten aus (Abb. 23.29}.
158
Kohlenhydrate
\ 0
H
0
·~~----~~\-H I
OH
-
u( 1,6)-glykosidische Bindung
OH
o-~-·
o
~~~~:::~~\-H
~ ~ ~~~" o-Abb. 23.2 9
Amylopektin - Ausschnitt aus dem verzweigten Makromolekül
Man rechnet mit ungefähr einer Verzweigung auf 25 Glucoseeinheiten. An den Verzweigungsstellen gehen von einem Glucosemolekül drei glykosidische Verbindungen zu weiteren Glucosemoleküle aus. Dadurch entsteht eine innere Vernetzung bei den ohnehin großen Molekülen, und damit erklärt sich auch die Wasserunlöslichkeit. 23.4.2 Glykogen
Im tierischen Organismus wird Glucose in Form des Polysaccharids Glykogen gespeichert. Glykogen findet man beim Menschen in der Leber und in den Muskeln. Auch Glykogen ist ausschließlich aus u-0-Glucoseeinheiten aufgebaut. Es ähnelt im Wesentlichen dem Amylopektin, besitztjedoch deutlich mehr Glucoseeinheiten (5000 - 10000) und einen stärkeren Verzweigungsgrad. 23.4.3 Cellulose
Cellulose ist der Gerüststoff in den Wänden der Pflanzenzellen. Sie ist ein unverzweigtes Polysoccharid, in dem viele ß-D-Glucoseeinheiten über ß(1.4 )-glykosidische Bindungen miteinander verknüpft sind. In einem Cellulosemolekül der Baumwolle beträgt die Anzahl der Glucoseeinheiten ungefähr 3000. Oie Makromoleküle der Cellulose bestehen aus linearen Ketten. Wir betrachten das zugrunde liegende Verknüpfungsprinzip der Glucoseeinheiten am Zusammenschlussdreier Moleküle ~-D-Glucose (Abb. 23.30).
159
Polysaccharid~
Drehung um
~o'w
HOHO; ;·,·\_QOH OH l
Jl-0-Glucose
OH
l
-2 H,O
OH
OH
ß(l,4)-glylcosidische Bindung
Abb. 23.30 Verknüpfungsprlnzip der ß-D-Glucoseeinheiten in der Cellulose
Die Tatsache, dass in der Cellulose jede zweite ß-D-Glucoseeinheit um 180" gedreht vorliegt, verhindert eine Krümmung der Makromoleküle durch die gewinkelten ,.SauerstoffbrückenM, wie sie im Molekülverband der Amyloseketten (s. Kap. 23.4.1) die Ausbildung der a -Helix bedingt. Damit bildet sich die Kettenstruktur bei der CelluLose tatsächlich linear aus und bedingt die hoch geordneten Eigenschaften, die sie als Gerüst- und Fasersubstanz der Pflanzenzellen auszeichnet.
160
23.4.4 Übersicht Die Eigenschaften der Polysaccharide sind in Tab. 23.4 zusammengestellt. Tab. 23.4
Eigenseitaften der Polysaccharide
Amylose Kap. 23.4.1 Summenforme I Monomeres Verkniipfung
Kettenstruktur
Amylopektin Kap. 23.4.1
Glykogen Kap. 23.4.2
Cellulose Kap. 23.4.3
(C6 H1o0s)n a-O-Glucose a(1,4 )· glykosidisch unverzweigt, spiralig • a -Helix
a-0-Glucose a(1,4)- und a(1,6)glykosidisch schwach verzweigt
a-0-Glucose a(1,4)- und a(U)glykosidisch stark
verzweigt
~+Glucose ~(1,4)·
glykosidisch unverzweig t, gestreckt
161
24
Peptide und Proteine
Peptide und Proteine sind Eiweißstoffe. Aufgebaut sind diese Biopolymere (s. a. Kap. 23.4) aus Monomeren, die Aminocorbonsäuren heißen. Im gesamten Tier- und Pflanzenreich besitzen die Eiweißverbindungen fundamen tale Bedeutung, denn sie sind aus dem Körpergefüge und dem Stoffwechselgeschehen der Lebewesen nicht wegzudenken. Hergestellt werden die mannigfachen Proteine in den Zellen der Lebewesen über den hochkomplexen Vorgang der Proteinbiosynthese: Dabei werden die Informationen aus den Genen der DNA (• Desoxyribonucleinsäure) im Zellkern in die tatsächliche Eiweißstruktur umgesetzt.
24.1 Aminosäuren Die Bausteine der Proteine sind Aminocarbonsäuren mit mindestens einer Aminogruppe - NH2 bzw. Carboxylgruppe - COOH. Am Aufbau der Proteine sind im Wesentlichen 20 verschiedene, so genannte a-Aminocarbonsäuren beteiligt. Darüber hinaus kennt man über 150 Aminosäuren, die nicht in Eiweißmolekülen zu finden sind. Im chemischen Sprachgebrauch hat sich im Allgemeinen der gefalliger zu merkende und auszusprechende Name Aminosäuren für die monomeren Einheiten der Eiweißstoffe du rchgesetzt.
24.1.1 Molekülbau der a-Aminocarbonsäuren Die Aminosäuren aus den natürlichen Eiweißstoffen haben in ihrem molekularen Gefüge einige Merkmale gemeinsam (Abb. 24.1) . ..................
(~~ /~~··:-----Carboxylgruppe . "c ·· ... 1_... -··
Aminogruppe
#
., ....... . ..
-- ~--~~--· rR~u -t-H --- -
0-
charakterisierender Rest
Abb. 24.1 Grundstruktur ei ner a -Aminocarbonsäure
In einer AS (im Folgenden: Abkürzung für a-Aminocarbonsäure aus den Proteinen der Lebewesen) gibt es die Carboxylgruppe, die C1 integriert und die Aminogruppe am a -C-Atom, das gleichzeitig C2 darstellt. An C2 sind des Weiteren ein H-Atom und der die AS charakterisierende Rest gebunden. Betrachtet man C2 bei den einzelnen AS-Typen genau, so hat man es bei 19 der 20 einschlägigen AS mit einem asymmetrischen (-Atom zu tun.
162
Peptide und Protein@
Übung:
Überlegen Sie, wie die AS gebaut sein muss, bei der C2 kein Chiralitätszentrum darstellt! Lösung: Abb. 24.2. 0~
/OH
Die AS Glydn besitzt an C2 mit den beiden H-Atomen zwei gleiche Substituenten. Damit ist die Voraussetzung für Chiralität nicht erfüllt und C2 kein asymmetrisches C-Atom.
c
I
r
Hf'J-C-H H
Glycin Abb. 24.2 Glycin - Molekillbau und Chiralität
24.1.2 Optische Aktivität Die Lösung der einfachsten AS Glycin vermag also im Gegensatz zu allen anderen die Ebene linear polarisierten Lichtes nicht zu drehen (s. Kap. 22.4, optische Aktivität) oder anders ausgedrückt:
Alle Aminosäuren außer Glycin sind optisch aktiv!
24.1.3 !-Konfiguration Stellt man Aminosäuren in der Fischer-Projektion (s. Kap. 23.2.4} dar, so besitzen alle aus natürlichen Proteinen isotierbaren AS L-Konfiguration (Abb. 24.3). Carboxylgruppe oben
COOH
8 -c
H
Aminogruppe links Charakterisierende Gruppe unten
R
Abb. 24.3 L· Konfiguration der natürtichen Ami nosäuren
Im Gegensatz zu den Kohlenhydratmolekillen entscheidet bei den AS grundsätzlich die Konfiguration der Aminogruppe am a-C-Atom über ihre Zugehörigkeit zur L·Reihe:
163
Aminosluren
Alle in den natUrliehen Proteinen vorkommenden Aminosäuren sind L-Aminasäuren.
24.1.4 Einteilung Die 20 AS können nach der Beschaffenheit von Rin vier Gruppen eingeteilt werden (Tab. 24.1). Tab. 24. 1 Unpolare, polare. saure und alkalische Aminosäuren
A5-
Der RestR.
Anzahl
Namen
...ist ein
7
Glycin Alanin Valin• Leu ein* lsoleudn* Protin Phenylalanin* Cystein Methionin* Serin Threonin• Tyrosin Asparagin Glutamin Tryptophan • Asparaginsäure Glutaminsäure
Gruppe
unpolar
unpolarer
Kohlenwasserstoffrest.
polar
...enthält eine 8 ungeladene, polare
Gruppe.
sauer
...trägt eine
2
zusätzliche
Carboxylgruppe.
Abkürzungen Gly Ala Val Leu Ile Pro Phe Cys Met Ser Thr Tyr Asn Gln TJY Asp Glu
Beispiel 0~/0H
c
H/<-tI
II
Alanin
o~~OH
ll,tt-!- H
r
Serin
' /OH
I ,N-~-11 [, ~
Asparaginsäure alkalisch
...weist eine weitere Aminogruppe auf.
3
Lysin• Arginin Histidin
Lys Arg His
0'=~
I
H t -M (
\
NH,
Lysin
164
Peptide und Proteine
Die in Tab. 24.1 mit • gekennzeichneten AS sind so genannte essentielle Amino· säuren: Sie können vom menschlichen Organismus nicht hergestellt werden und müssen daher über die Nahrung zugefuhrt werden. 2 4.1.5 Zwitterionen
Reine Aminosäuren besitzen kristalline Struktur, sind also salzartige Feststoffe. In einem Salzkristall erfolgt der Zusammenhalt über gegensätzliche Ladungen in ei· nem Ionengitter. Vermutet man für die kristallinen AS Ähnliches, so muss man vom Vorhandensein von Ladungen im Reinstoff ausgehen. Tatsächlich zeichnen sich AS im festen Zustand dadurch aus. dass sie eine Carboxylatgruppe -coo- und eine Ammoniumgruppe -NH 3' in einem Molekül ver· einen. So, als ob ein Proton W seinen Platz von der Carboxylgruppe zur Aminogruppe verlegt hätte. Wir erkennen ein Molekül, das sowohl eine positive als auch eine negative Ladung trägt- ein Zwitterion (Abb. 24.4 ).
coo- Carboxylatgruppe
Ammoniumgruppe
. I I R
H3N-C-H
Abb. 24.4 Zwitterionenstruktur der l-Aminosäuren
Die Annahme einer Zwitterionenstruktur wird von den Eigenschaften der AS ge· stützt: Sie lösen sich besser in Wasser als in unpolaren Lösungsmitteln, sie schmel· zen bei hohen Temperaturen, oft unter Zersetzung. Glycin besitzt beispielsweise einen Schmelzpunkt von 292 •c, die entsprechende Hydroxyessigsäure, die an der Stelle der Aminogruppe eine Hydroxylgruppe trägt, schmilzt bereits bei ao•c. Auch das starke Dipolmoment der Moleküle ist eine Folge der Zwitterionenstruktur. Obwohl also in den reinen, festen a·Aminocarbonsäuren keine Amino· bzw. Carboxylgruppen am a·C·Atom vorliegen, hat man die Bezeichnung Aminosäuren beibehalten. 2 4.1. 6 Säure-Base-Verhalten
AS sind Ampholyte: Die Zwitterionen sind in der Lage, Protonen W sowohl abzuge· ben als auch aufzunehmen, gehören damit gleichzeitig zu den Brönsted- Säuren und den Brönsted-Basen. Eine Protonenabgabe (• Protolyse) kann dabei aus der Ammoniumgruppe geschehen, eine Protonenaufnahme in die Carboxylatgruppe erfolgen (Abb. 24.5).
165
HJ'j -CHR-COO
• H'"
::;:::::::::::=:::
•
HJ'j -CHR-COO
Anion
Zwitterion
kann H' nur aufnehmen
kann H' aufnehmen und ab9ebtn
•H'
::;:::::::=::::::: -H
•
HJN-CHR-cOOH
Kat1on kann H' nur abgeben
Abb. 24.5
Zwitterion- ~ure und Base in einem Teilchen
Eine Faustregel lautet: Erhöht man in der wässrigen Lösung einerAS die Konzentration der Oxoniumionen H30' durch Zugabe einer Säure, so wird an die Carboxylatgruppe der Zwitterionen ein Proton H' angelagert und es herrscht die Kationenform vor. Steigert man hingegen die Konzentration der Hydroxidionen OH durch Zugabe einer Base, so werden von den Ammoniumgruppen der Zwitterionen Protonenabgezogen und eine Vielzahl der Moleküle liegt in der Anionenform vor. Bemerkenswert ist zudem, dass in den Zwitterionen der 20 AS die Bereitschaft zur Protonenabgabe bzw. - aufnahme unterschiedlich ausgeprägt ist und auch von der Qualität des Lösungsmittels abhängt. Zum Beispiel reagiert eine wässrige Lösung von Glycin schwach sauer, da die Zwitterionen dieser AS vorzugsweise Protonen aus der Ammoniumgruppe an die Wassermoleküle abgeben. Damit erhöht sich die Konzentration an Oxoniumionen H3Q+ in der Lösung, der pH-Wert verringert sich und die Lösungsqualität wird ,.sauer" (Abb. 24.6) . •
H,N -CH2-CCXI +
H~
H~-CHR-Coo- + HP'
Glycin
Glycin
Oxoniu rr ion
ZA'itterion
~nion
Klltion
Abb. 24.6
Glycin Protolyse in wässriger Lösung
Lysin hingegen ist ein Beispiel einer AS, die, in Wasser gelöst, die Konzentration der Hydroxid-Ionen OH und damit zugleich den pH-Wert erhöht. Die Lösungsqualität wird .,alkalisch~ (Abb. 24. 7}.
166
~pbdt und Prote•~t
•
H3N - C H -COO + HP
I I NH
(CH2l. 2
+
H3N-CH-COOH
+
OH"
I
'IH21. NH 2
Lys1n
Lysm
HydroJodion
Zwitterion
Kation
Anion
Abb. 24.7 Lysin - Protonenaufmhme in wassriger Lösung
Der Einfluss der jeweiligen Reste R(s. a. Kap. 24.1.4) der verschiedenen AS-Zwitte· rionen auf die Bereitschaft, an ein Lösungsmittel Protonen abzugeben oder von diesem aufzunehmen, bzw. das Verhalten der gelösten Ionen gegenüber einer Säu· re· oder Basenzugabe von außen bedingt komplexe Säure-Base-Gleichgewichte in den Lösungen der AS. In biochemischen Systemen entfaltet sich die Fähigkeit der Zwitterionen, Pro· tonen sowohl aufzunehmen als auch abzugeben, zur so genannten Puffenvirkung: Oie Zugabe von H30+·Ionen oder OW-Ionen in eine physiologisch gepufferte Lö· sung ruft nur geringfiigige Vercinderungen des pH-Wertes hervor. Damit bleibt die Lösungsqualitättrotz mitunter beträchtlicher Eintrage saurer oder basischer Korn· ponenten ins Reaktionsmilieu weitgehend unverändert. Diese Eigenschaft der AS trägt beispielsweise dazu bei, dass der pH-Wert des menschlichen Blutes konstant gehalten wird.
24.1.7 Elektrophorese und isoelektrischer Punkt Kationen und Anionen bewegen sich im elektrischen Feld, da sich gegensätzliche Ladungen anziehen:
Kationen wandern zur negativ geladenen Kathode. Anionen zieht es zur positiv geladenen Anode. Dies führt beim Anlegen einer Gleichspannung an eine AS·Lösung zur Auftrennung von Kationen und Anionen. Bei der so genannten Elektrophorese macht man sich diesen Effekt zu Nutze: Auf ei· nem mit AS· lösung getränkten Papierstreifen, der zwischen die Pole einer Gleich· spannungsquelle gebracht wird, bewegen sich die Ionen mit unterschiedlicher Wanderungsgeschwindigkeit zur Kathode bzw. Anode hin. Passende Färbemethoden machen die AS, die sich tatsächlich in wBandenN auf dem Papier gesammelt haben, dann sichtbar. Die elektrophoretische Methode zur Auftrennung von AS-Gemischen funktioniert nur, wenn die AS·Teilchen entweder positiv oder negativ geladen vorliegen. Zwit·
167
Peptidbindung
terionen mit ihren beiden Ladungen bewegen sich im elektrischen Feld nicht, da sie von Kathode und Anode gleichermaßen beeinflusst werden. Aus Kap. 24.1.6 wissen wir, dass Schwankungen des pH-Wertes die Ladungssituation von AS-Molekülen abhängig von der Beschaffenheit des Restes R beeinflussen. Es leuchtet deshalb ein, dass es ffir jede AS ein analytisch fassbares ,,Säure-Base-Milieu"- d. h. einen definierten pH-Wert- geben muss, bei dem nahezu alle Moleküle in einer Lösung als Zwitterionen vorliegen und deren Leitfähigkeit dadurch ein Minimum erreicht. Dieser für jede AS charakteristische pH-Wert heißt isoelektrischer Punkt JEP. Sein numerischer Wert wird oft auch als pH(I} bezeichnet. Übung: Die isoelektrischen Punkte IEP der meisten stoffwechselrelevanten Aminocarbonsäuren (s. Kap. 24.1.4) liegen zwischen pH(I)- 5,02 für Cystein und pH(I} = 6,3 bei Prolin. (Ausnahmen sind Lys, Arg und His, deren pH(I) > 7 ist.) Suchen Sie eine Ursache ffir diesen Sachverhalt und erklären Sie ihn! Lösung: Bei den Zwitterionen der betreffenden AS ist das Bestreben der Ammoniumgruppe, ein Proton abzugeben, stärker ausgeprägt, als die Neigung zur Protonenaufnahme in die carboxylatgruppe. Ein Protonenübergang an das Lösungsmittel Wasser ist damit begünstigt: Protolyse
•
H3N-CHR-Coo- + H20
Zwitterion
Protonenaufnahme
H2N-CHR-COO" + H3o•
Anion
Um zu einer Rückbildung der Zwitterionen eine Protonenaufnahme bei den Anionen zu erzwingen, ist im Gleichgewicht der Säure-Base-Reaktion die Zugabe von Säure und damit eine Erhöhung der Oxoniumionenkonzentration erforderlich. Dadurch verschiebt sich der pH-Wert insgesamt in den sauren Bereich. Der pH-Wert, bei dem fast ausschließlich Zwitterionen in der AS-Lösung vorliegen, weist damit einen Wert pH(I) < 7 auf.
24.2 Peptidbindung In den Eiweißstoffen Liegen kurze, mittlere oder auch sehr lange AS-Ketten vor, in denen die monomeren Aminocarbonsäuren über C-N-Bindungen verknüpft sind. Charakteristische und sich wiederholende Atomgruppierung in den mehr oder minder umfangreichen Molekülketten ist die die Einheit H-CO-NH-" (Abb. 24.8).
168
Ptp!1~ und
Prote1nt
Abb. 24.8 Peptidbindung zwischen zwei Ammosauren
Die C-N-Bindungen i n den Peptiden und Proteinen heißen Peptidbindungen. Formal entstehen sie durch ei ne Wasserabspaltung zwischen der Carboxylgruppe der einen AS und der ct-ständigen Aminogruppe einer weiteren AS in der Folge eines nucleophilen Angriffs (s. a. Kap. 20.2). Röntgenstrukturanalytische Befunde zur Peptidbindung ergaben allerdings, dass zum einen die Bindungslänge der C-N-Bindung kürzer ausfällt als es fur eine o-Einfachbindung üblich ist und dass zum anderen die Peptidgruppe -CO-NH- planaren Bau besitzt. Formuliert man ffir die Peptidgruppe mesomere Grenzstrukturen, so ist für die Peptidbindung ein partieller Ooppe/bindungscharak:ter auszumachen (Abb. 24.9).
Abb. 24.9 Mesoniere Grenzformeln der Peptidgruppe
Die Betrachtung der Peptidbindung anhand der Grenzstrukturen lässt Vergleiche mit den Doppelbindungen in den Alkeneo (s. Kap. 3.2) und deren Eigenschaften zu. Die wichtigsten Gemeinsamkeiten können in den folgenden Aussagen zusammenfasst werden: • Die Atome der Peptidgruppe -CO-NH- und die darangebundenen C-Atome liegen in einer Ebene. • Die Bindungswinkel in der Peptidgruppe betragen ziemlich genau 120 . • Um die Achse der C-N-Bindung gibt es keine freie Orehbarkeit. In den natürlich vorkommenden Peptiden haben die Peptidbindungen trans-Konfiguration, d. h. die Kette setzt sich an den gegenüberliegenden Seiten der "DoppelbindungM fort.
169
Bei der Reaktion von n einzelnen AS-Molekülen zu Peptidketten kommt es durch die Ausbildung der Peptidbindungen zu einern-fachen Wiederholung der Sequenz [-CO-NH-CHR-] •• die das so genannte ..Rückgror' der Kette bildet. Letzteres stimmt bei allen Eiweißstoffen überein. Die jeweiligen charakteristischen Eigenschaften basieren auf den zusätzlichen chemischen Effekten der Seitenketten Rder eingebauten AS.
24.3 Klassifizierung T1b. 24.2
Einteilung der Eiweißstoffe
Bezeichnung Dipeptid Tripeptid Tetrapeptid Oligopeptid Polypeptid Protein
AnuhlderAS 2
- 34 <10
·- -10- 100 >100
-
Peptide bestehen aus bis zu 100 AS. Proteine gehören zu den besonders langkettigen Eiweißstoffen {Tab. 24.2) und haben in der Regel eine biologische Funktion. Bekannte Beispiele sind Hämoglobin als Transportprotein für den Blutsauerstoff (s. Kap. 24.4.4) oder auch Insulin. ein Hormon des Zuckerstoffwechsels {s. Kap. 24.4.3). Enthalten Proteine einen Nichtproteinonteil. so bezeichnet man diesen als prosthetische Gruppe.
24.4 Strukturen Bereits bei der Vereinigung der beiden unterschiedlichen AS Glycin und Serin zu einem Dipeptid sind zwei Moglichkeiten der strukturellen Anordnung denkbar {Abb. 24.10).
'f
0
H
OH
II H;"'-c/c'-..N/c~c/o '<.
~
H '
~
H
H
.
H
II
'/
H
.rm~no~n
H"."'-c/c'-.. /c'-..c/0'
/ .._,~
II 0
0
HO
Glycinyl-serin Gly·Ser
Abb. 24.10
Dipeptid aus 2 AS- Möglichkeiten der Anordnung
~
H
Serinyl-glycin Ser-Gly
II 0
170
Bei der Benennung von AS-Ketten beginnt man stets am so genannten N-terminolen Ende. Oie Namen der aufeinanderfolgenden AS versieht man mit der Endung -yl. Oie letzte AS am (-terminalen Ende drückt mit ihrem .. normalen" Namen den Kettenabschluss aus. Allerdings ist es üblich, die Abfolge der AS, die so genannte Aminosouresequenz, mittels des drei Buchstaben umfassenden Kürzels für die Namen (s. Kap. 24.1.4} eindeutig zu bezeichnen. Bildet man Tripeptide aus drei verschiedenen AS, so existieren bereits sechs Möglichkeiten bei der Abfolge in der Aminosäuresequenz. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass bei 20 AS, die in die Ketten natürlicher Eiweißstoffe durchaus mehrfach eingebaut sein können, eine unvorstellbare Anzahl möglicher Peptide und Proteine existiert. 24.4.1 Primärstruktur Durch die Abfolge der AS in einer Peptidkette - der AS-Sequenz - ist gleichzeitig ihre Primärstruktur festgelegt (Abb. 24.11).
•.J )i
ll
ll
HJ-1~ ,~ _lf NB'"-~..8yN'6"'-oH
R1
"H _
0
H _
0
Pentapeptid
Q
sp3·hybridi~es C-Atorn m•t V'tr tetradrisch ll~dntttn B•ndungen
Abb. 24.11
Primarstruktur eints Pentapeptids- schematische Darstellung
Durch die Beschaffenheit der Bindungen und der Bindungswinkel innerhalb der Primärstruktur stellt sich diese normalerweise nicht linear dar, sondern nimmt eine bestimmte räumliche Struktur ein. Der planare Bau der Peptidgruppe CONH- (s. Kap. 24.2} wechselt mit der Tetra ederausrichtung der u-Bindungen in den Gruppen -CHR- mit den spl-hybridisierten C-Atomen ab: Oie freie Drehbarkeil bei a-Bindungen der sp 3-hybridisierten (-Atome bedingt eine signifikante Beweglichkeit der Polypeptid- und Proteinketten und schafft die Grundlage für deren räumliche Vielgestaltigkeit. Oie tetraedrischen Bindungswinkel von ca. 109 im Bereich der o-Bindungen knickt das "Rückgrat" der kettenförmigen Moleküle fortlaufend ab. Zur Ermittlung der Primärstruktur bedient man sich einer ganzen Palette von analytischen Methoden. Eine davon ist der so genannte Edman-Abbau, bei dem, angefangen am N-terminalen Ende der Peptidkette, eine ASnach der anderen abgespalten und ihrer Identifizierung zugeführt wird.
171
Strukturen
Die erste Sequenzanalyse und damit Ermittlung einer Primärstruktur gelang Frederick Sanger im Jahr 1951 bei Insulin.
24.4.2 Sekundärstruktur Bedingt die Primärstruktur durch die Geometrie der einzelnen AS räumliche Gegebenheiten innerhalb einer AS-Sequenz, so ordnet sich die Kette eines Polypeptids oder Proteins durch zusätzliche Kräfte wie Wasserstoffbrücken in einer Sekundärstruktur im Raum an. Dadurch erhält sie eine bestimmte Konformation (s. a. Kap. 6.5), die ihre biologische Funktion und Beschaffenheit verursacht. Die beiden wichtigsten Beispiele von Sekundärstrukturen sind die a-He/ix (Abb. 24.12) und die Faltblattstruktur (Abb. 24.13). Sie wurden im Jahr 1951 von Linus Pauling und Elias James Corey erforscht und beschrieben.
Wasserstoffbrückenbindungen
··.....
H
·. ·.
C-lermonal
Ebene der Peptidbindung
Abb. 24.12 u-Helix
172
N term"""
Peptide und Proteine
C-terml!'1al
N-tonnnot
Abb. 24.13 Antiparallele Faltblattstruktu r
In der a-Helix ist eine Peptidkette schraubenförmig angeordnet. Oie H-Brücken sorgen demnach für eine intromolekulare Stabilisierung. Pro Windung gibt es ungefähr 3,6 AS. Eine von einer (;0-Gruppe ausgehende H-Brücke spannt sich also in der Regel zu einer N-H-Gruppe, die drei bis vier AS ,.weiter hinten" räumlich günstig zur Innenachse der AS-Sequenz weist. Die Seitengruppen Rzeigen nach außen von der Helix weg. In vielen Proteinen wird durch besonders große oder elektrisch geladene Reste R die Helixstruktur unterbrochen. Dann können Abschnitte des Makromoleküls als Zufallsknäuel vorliegen. Innerhalb der antiparallelen Faltblattstruktur (Abb. 24.13) sind zwei Peptidketten so angeordnet, dass sich die Peptidgruppen gegenläufig begegnen. Auf diese Weise können sich die H-Brücken intermolekular und quasi ,.im TaktHzwischen den C·O- und N-H-Gruppen der beiden Kettenmoleküle ausbilden. Die charakteristische Zickzackform der Moleküle entsteht aufgrundder Tetraederwinkel in der Gruppierung -CHR-. Eine Faltblattfläche entspricht damit einer AS, deren Reste R freilich nach oben bzw. nach unten darüber hinaus weisen. In vielen Proteinmolekülen kommen beide Strukturen nebeneinander vor. Außerdem gibt es auch weitere, seltenere Typen von Sekundärstrukturen. Naturseide ist eines der wenigen Proteine, das die antiparallele Faltblattstruktur als alleiniges Strukturelement aufweist. Oie Sekundärstrukturist demnach die regelmäßige, räumliche Anordnungvon Peptidketten, die durch die Wechselwirkung zwischen Atomen mit positiver oder negativer Teilladung - meist sind es H- und 0-Atome der Peptidgruppen- zustande kommt.
173
Stsulcturen
Die Stabilität der Sekundärstrukturen steigt mit der Anzahl der H-Brücken, die sich ausbilden können. In die Sekundärstruktur von Proteinen kann mehr als eine Kette eingebunden sein.
24.4.3 Tertiärstruktur Strukturaufklärungen bei Polypeptiden und Proteinen gestalten sich sehr aufwändig und sind daher bei weitem nicht für alle bekannten Vertreter durchgeführt oder gar abgeschlossen. Das Hormon Insulin ist vergleichsweise gut erforscht: Man kennt die AS-Sequenz der beiden beteiligten Polypeptidketten und weiß, dass Teilbereiche der 51 AS in helicaler Form vorliegen. Der Zusammenhalt der zwei Einzelketten - A-Kette und B-Kette- wiederum erfolgt über Atombindungen zwischen Schwefelatomen der Cystein-Reste, so genannten Disulftdbrücken. Insgesamt entsteht dadurch ein geknäueltes Protein. Diese ,.dritte Stufe" in der räumlichen Ordnung von Eiweißmolelülen, die über die Primär- und Sekundärstruktur hinausgeht, wird als Tertiärstruktur bezeichnet. Am Zustandekommen der dreidimensionalen Konformation der Tertiärstruktur sind vor allem Bindungsarten beteiligt. die über die Reste Rgeknüpft werden. Der übergeordnete Zusammenhalt einer oder verschiedenerAS-Ketten gelingt zwischen geeigneten Resten R über vier Bindungsorten unterschiedlicher Stabilität (Abb. 24.14 ).
..", I
TJT
CH, I
I
/o~c'N-H I
I
H
H
I
I
H-N, ~q,
C"
I
CH;, I
~
W•ntrstolf· ~' b
'r' ~
Abbildung 24.14 Stabilisierung von Tertiärstrukturen- Bindungsarten
174
Peptide u~d Proteine
• Atombindungen wie die Disulfidbrücken, die mittels der Gruppierung CysS-S-Cys zwei Abschnitte von Peptidketten verknüpfen, bilden die stabilsten Bande aus. • Ionenbindungen entstehen aufgrund elektrostatischer Anziehung vorzugsweise zwischen negativ geladenen Carboxylatgruppen saurerAS wie der Asparaginsäure Asp und positiv geladenen Ammoniumgruppen basischerAS wie des Lysins lys. • Zusätzliche Wasserstoffbrückenbindungen entstehen zwischen den Resten polarerAS wie Serin Ser und Asparagin Asn. Sie gehören zu den schwächeren Stabilisierungselementen. • Unpolare Reste wie die von Isoleuein Ile oder Phenylalanin Phe ziehen sich über die schwachen Von·der-Wools-Kräfte an. Die hydrophoben Eigenschaften dieser Reste bewirken zudem ihre Verdrängung aus einem wässrigen Milieu und damit ihre räumliche Orientierung ins Innere des Peptids. Man spricht von hydrophoben Wechselwirkungen, die sich ebenfalls auf die Tertiärstruktur auswirken.
24.4.4 Quartärstruktur lagern sich zwei oder noch mehr Peptidketten zu einer komplexen, nochmals übergeordneten Struktur zusammen, so entsteht die Quartärstruktur eines Eiweißstoffes. Für den Zusammenhalt sorgen im Wesentlichen dieselben Bindungsmöglichkeiten wie in den Tertiärstrukturen (s. Kap. 24.4.3).
Hämoglobin (Abb. 24.15), der für den Sauerstofftransport im Blut unentbehrliche Proteinkomplex, besteht aus vier Peptidketten und den vier farb- und funktionsgebenden Hämeinheiten, die ihrerseits aus einem System kondensierter Aromaten (s. Kap. 12.1) mit 18 n-Elektronen bestehen.
Abbildung 24.15 Hämoglobin- Schema der Quarüirstruktur mit scheibenförmigen Hamgruppen
175
Proteine und ihre biologische Funletion - Beispiele
Die Struktur des Hämoglobins konnte im Jahr 1960 aufgeklärt werden: Zwei a-Ketten mit je 141 AS und zwei ß-Ketten mit 146 AS bilden zusammen mit den vier an die Ketten gebundenen Hämgruppen ein kugelformiges. globuläres Protein. Die Bindung des Sauerstoffs erfolgt an ein komplex eingebundenes Fe2•-Ion im Zentrum der Hämgruppen. Auch Haare oder Wolle bestehen aus Quartärstrukturen. die sich jedoch durch gestreckte Strukturen faserförmig gestalten und die Zuordnung zu den fibrillären Proteinen bedingen. Bei einer "DauerwelleM werden Disulfidbrücken in den Faserproteinen zunächst zerstört und dann im geformten Haar neu fixiert. Ordnet man Proteinmakromoleküle entsprechend ihrer räumlichen Gestalt zu, so kann man die löslichen, globulären Sphäreproteine von den wasserunlöslichen, faserförmigen, fibrillären Skleraproteinen unterscheiden.
24.5 Protefne und fhre bfologische Funktfon - Beispfele Eine weitere Möglichkeit Proteine zu klassifizieren, ist, ihre Funktionen auszumachen und sie dementsprechend einzuordnen {Tab. 24.3). Tab. 24.3 Proteine und ihre Aufgaben
Name Trypsin Erepsin Hämoglobin Myoglobin Albumin Casein Antikörper Fibrinogen Insulin Actin Myosin n-Keratin ß-Keratin Kollagen
Klasse Enzyme Transportproteine
Aufgabe Spaltung (Hydrolyse) von Peptidbindungen Sauerstofftransport
Speicherproteine
Nahrungseiweiß
Schutzproteine
Immunantwort Blutgerinnung Regulierung des Blutzuckerspiegels Muskelfunktion
Hormon kontraktile Muskelproteine Strukturproteine
Bildung von Haut, Haaren, Naturseide, Sehnen, Knochen usw.
176
~ptide und
Proteine
24.6 Nachwe;s Manchmal kommt es darauf an, Peptide bzw. Proteine nachzuweisen. Die Biuret-Reaktion beruht auf einer Komplexbildung der freien Elektronenpaare der N-Atome aus der Peptidbindung (s. Kap. 24.2) mit Kupfer(II)-Ionen Cu 2·: Der wasserlösliche Komplex zeigt in alkalischer Lösung durch eine typische Rot-Violett· färbungdas Vorhandensein der nachzuweisenden Stoffe an. Freie AS hingegen gehen diesen Komplex nicht ein. Die Xanthoprotein-Reaktion kenntjeder chemische Adept. der schon einmal unbe· dacht mit konzentrierter Salpetersäure HN03 hantiert hat: Die Gelbfärbung der Haut weist eine Substitution durch N02-Gruppen an den aromatischen AS·Resten der Hautproteine nach. Die Xanthoprotein-Reaktion kann allerdings auch gezielt im Reaktionsgefäß durchgeführt werden.
24.7 Denaturierung Oie biologische Funktionstüchtigkeit von Eiweißstoffen ist an eine entsprechende räumliche Struktur gebunden. Jede Veränderung im reagierenden Milieu wirkt sich auf die Konformation aus und kann die Wirksamkeit eines Peptids oder Proteins be· einträchtigen. Die Bedingungen in einem reagierenden System oder Organismus müssen demgemäß möglichst konstant gehalten werden, um die räumliche Beständigkeit des Eiweißstoffs nicht zu gefahrden. Gelingt dies nicht, so führen Konformationsänderungen unter Umständen irreversibel zum Verlust der biologischen Funktion. Oieses als Denaturierung bezeichnete Phänomen bringt beispielsweise Stoffwechselschritte, die von bestimmten Proteinen - den so genannten Enzymen- katalysiert werden. prompt zum Ertiegen. Die Denaturierung basiert in der Regel auf einer Störung der Bindungskräfte, die die dreidimensionale Sekundär· oder Tertiärstruktur (s. Kap. 24.4.3) bedingen und stabilisieren. Häufig sind an einer Denaturierung folgende Faktoren beteiligt: • Ein Anstieg der Temperatur auf mehr als 60 °Cführt bei vielen Proteinen zur irreversiblen Denaturierung, das Protein wird fest. Eindrucksvoll veranschaulicht das gekochte Frühstücksei diesen Vorgang. • pH-Wert-Veränderungen beeinflussen durch Protonierung bzw. Deprotonierung geladener Gruppen die Ionenbindungen und damit den Zusammenhalt zwischen den Peptidketten. • Reduktionsmittel können Oisulfidbrücken aufspalten; Bindungen und Halt gehen verloren. • Oie Einwirkung von Solzen fuhrt zu einem Verlust der Hydrathülle des Proteins, vermindert seine Löslichkeit und führt dazu, dass es ausfallt. Schwermetallkationen aus giftigen Salzen besetzen die negativen Reste und stören dadurch die Struktur. Ballt sich ein Eiweißstoff ganz oder teilweise zusammen, dann unterliegt er einer Koagulation.
Oenatunerung
177
• Die Zugabe von Harnstoff CO(NH 2h hebt H-Brücken auf und verändert auf diese Weise die räumlichen Gegebenheiten. Auch hier kann es zur Koagulation kommen. In manchen Fällen ist eine Wiederherstellung der ursprünglichen räumlichen Gestalt und der Funktionsfähigkeit möglich. Dann spricht man von einer Renaturierung.
178
25
Fette
Fette sind ein unerlässlicher Nahrungsbestandteil: • Sie dienen als wertvolle Energiequelle. • Sie schützen als Fettpolster die Organe im Inneren des Körpers und fangen im Unterhautfettgewebe Stöße von außen ab. • Sie werten den Geschmack der Speisen auf, indem sie fettlösliche Aromastoffe auf der Zunge zur besseren Entfaltung bringen. Aus den Kapiteln 14.8 und 20.2.1 kennen wir die Stoffgruppe der Ester als Produkte einer nucleophilen Substitutionsreaktion zwischen Alkoholen und (Carbon-)Säuren. Eine besondere Bedeutung kommt den Estern von Fettsäuren (s. Kap. 20.1.1) mit dem dreiwertigen Alkohol Glycerin (s. Kap. 14.7) zu (Abb. 25.1). 0 H2C-OH
HC-OH
H2C-OH
Glycerin
II
0
~c-o-g-c 11H35
+
HO-C-C17H35
+
0 II HO-C-c,7Hl3
Hr-o-:-CnH3J
+
0 II HO-c-c,5H3,
~c-o-g-c,sH31
Stearinsäure Ölsäure Palmitinsäure
I
0
II
Fett
-
+
3 H20
Wasser
Fettsäureglycerinester
Abb. 25.1
Veresterung von Glycerin mit 3 Fettsäuren Die Fettsäureglycerinester oder auch Acylglycerine bilden die Stoffgruppe der Fette und dienen neben den Kohlenhydraten und Eiweißen als Nähr- und Speicherstoffe im Stoffwechselgeschehen der Lebewesen. Fette stellen eine besonders geholtvolle Energiequelle dar, da bei ihrem Abbau wesentlich mehr Energie freigesetzt wird als bei dem von Kohlenhydraten und Eiweißstoffen. Menschen und Tiere. die Kohlenhydrate und Fette im Überschuss aufnehmen, bilden ReseNefett im Unterhautgewebe in Form von Fettpolstern.
25.1 Vielfalt der Fettmoleküle In den Fettsäureglycerinestern der natürlich vorkommenden Fette sind in der Regel alle drei Hydroxylgruppen mit Fettsäuremolekülen verestert. Dieser umfangreichen Gruppe der Triocylglycerine stehen die Oi- und Monoocylglycerine gegenüber, die in der Nahrungsmittelindustrie aufgrund ihrer technisch günstigen Eigenschaften synthetisch hergestellt und zugesetzt werden.
G~sättigte und
179
ungesättigte Fettsäuren
Natürliche Fette sind keine Reinstoffe: Die an Fettmolekülen beteiligten Fettsäuren verteilen sich mehr oder minder zufällig auf die drei Esterbindungen an das Glycerin. Vereinzelt gibt es Moleküle, in denen drei gleiche Fettsäuren an das Glycerin gebunden sind. Am häufigsten treten jedoch Triacylglycerine auf, die zwei oder drei verschiedene Fettsouren aufweisen. Da auch die Positionierung der Fettsäuren am Glycerinrest keiner erkennbaren Regel folgt, sind die Fettmoleküle oft selbst dann unterschiedlich, wenn sie dieselben Fettsäuren enthalten. Oie Anzahl der insgesamt in Frage kommenden, unterschiedlichen Fettsäuren steigert die Kombinationsmöglichkeiten zusätzlich ins nahezu Unermessliche. Fette sind also Stoffgemische: Jede biologische Art verfügt über spezifische Fette, die in den einzelnen Bereichen ihrer Organismen wiederum charakteristisch beschaffen sind.
25.2 Gesättigte und ungesättigte Fettsäuren Die meisten an Fetten beteiligten Carbonsäuren, die im Stoffwechsel von Lebewesen gebildet werden, basieren auf Ethansäure-Sausteinen mit zwei ( -Atomen. Aus diesem Grund findet man fast nur Fettsäuren mit einer geraden Zahl von ( -Atomen in den Fettmolekülen. Weisen die langen, unpolaren Kohlenstoffketten nur sp 3-hybridisierte (-Atome auf, so spricht man von gesottigten Fettsäuren. Gibt es hingegen Doppelbindungen und damit auch sp 2-hybridisierte C-Atome, so handelt es sich um ungesottigte Fettsäuren (Tab. 25.1). Tab. 25.1 Häufig vorkommende Fettsäuren
Summenformel
gesättigte Fettsäuren
ungesättigte Fettsäuren
C1H1COOH Cu Hz1COOH C0 H21COOH CtsHn COOH C11H1 5COOH C17 H33COOH C17 H31COOH C11Hz9COOH
Name
Vorkommen
Buttersäure Laurinsäure Myristinsäure Palmitinsäure Stearinsäure Ölsäure Linolsäure Linolensäure
in den Molekülen von Butterfett Kokosfett/ Butterfett Kokos fett/ Butterfett Schweinefett/ Olivenöl Schweinefett/Butterfett Olivenöl/Sonnenblumenöl Sonnenblumenöi/Leinöl Lei nöl/Butterfett
180 Übung: Zeichnen Sie die Fettsäure Laurinsäure! Für den Alkylrest - C10H23 verwenden Sie eine entsprechende Zick-Zack-Kette. Die Fettsäuren Stearinsäure, Ölsäure und Linolsäure sollen in der gleichen Weise aufgezeichnet werden. Beachten sie bei der Darstellung der Alkyl- und Alkenylreste, dass die Doppelbindungen in ungesättigten Fettsäuren in aller Regel Cis-Konfiguration (s. Kap. 7.2) besitzen! Lösung: Abb. 25.2.
0
9,
H, ,C~CH 3
La urinsaure
~\
C- OH
c~
Stearinsaure
Ölsaure
Ltnolsaure
Abb. 25.2 Konfiguration einiger Fettsäuren
25.3 Eigenschaften 25.3.1 Löslichkeit Das bekannte Phänomen, das Fettaugen auf der Suppe schwimmen lässt. zeigt. dass sich Fett in Wasser nicht zu lösen vermag. Fette sind hydrophob und trennen sich von polaren Lösungsmitteln ab, wobei sie aufgrund ihrer geringen Dichte in wässrigen Lösungen haufrahmen": Auch der Rahm sammelt sich ja bekanntlich auf der wässrigen Phase der Milch.
181
Durch kräftiges Schütteln lassen sich fett- und wasserhaltige Phasen zur Emulsion vermischen. Allerdings ballen sich die feinverteilten Fetttröpfchen schnell wieder zu größeren Verbänden zusammen - die Mischung fallt wieder auseinander. Zur Stabilisierung von Emulsionen kann man Chemikalien - so genannte Emu/gotoren beimischen, die die Entmischung verzögern oder verhindern. Gut löslich sind Fette in Benzin, das seinerseits unpolare Moleküle aufweist. In früheren Zeiten, in denen wegen des großen Aufwands nur möglichst wenig gewaschen wurde und die Waschmittel noch eine schlechtere Qualität aufwiesen, rannte man nach dem Benzinftäschchen, wenn sich ein unachtsames Familienmitglied wieder einmal mit Fett bekleckert hatte und wputzte das Kleidungsstück ausH. 25.3.2 Aggregatzustände
Fette treten bei Zimmertemperatur haufig in fester, halbfester oder flüssiger Form auf. Aufgrund der beachtlichen Molekülgröße ist es nicht möglich, Fette zu verdampfen. Der dazu erfordertiche gewaltige Energiebetrag lässt die Moleküle eher bersten: Fette zersetzen sich bei hoher Temperatur. Der Fettbelag ubrigens, der sich als Folge heftiger Brutzelei auf Küchenschränken niederschlägt, rührt von Fetttröpfchen her, die vom in der Pfanne verdampften Wasser mitgerissen werden. Typischerweise und folgerichtig gibt es für Fette keine definierten Schmelzpunkte, sondern Ledighch Schmelzbereiche: Die vielfciltig gebauten Fettmoleküle (s. Kap. 25.1) verlassen nicht alle bei einem bestimmten energetischen Zustand -einem Schmelzpunkt- ihren Platz im Feststoffverband, sondern die entsprechend der Konfiguration und Kettenlänge der vorhegenden Triacylglycerine zunehmende Bewegung erweicht und verflüssigt den Fettklumpen nach und nach. Bei Raumtemperatur feste oder halbfeste Fette sind Triester von vorwiegend gesättigten Fettsäuren. Fette, die flüssig vorliegen, heißen fette Oie. Mit dieser Bezeichnung sollen sie von den Mineralölen, in denen Kohlenwasserstoffgemische enthalten sind, abgegrenzt werden. Fette Öle enthalten zu einem hohen Prozentsatz ungescittigte Fettsouren. Übung: Überlegen Sie sich, warum bei Zimmertemperatur feste und halbfeste Fette wohl vorwiegend aus Estern gesättigter Fettsäuren bestehen müssen und fette Öle hauptsächlich Triacylglycerine mit ungesättigten Fettsauren enthalten! Lösung: Gesättigte Fettsäuren sind Moleküle, die sich - da linear gebaut (s. Kap. 25.2) bei Abkühlung in eine regelmäßige, räumliche Ordnung einfügen: Gestreckte geradzahlige Ketten aus (-Atomen legen sich aneinander, die Van-der-Waals-Kräfte sorgen für zwischenmolekulare Anziehung, das Gesamtsystem gelangt in einen sta-
182
Ftttt
bilen, energetisch recht günstigen Zustand. Mit dem Anteil an gesättigten Fettsäuren steigt der Härtegrad eines Fettes. Zum Erweichen und Schmelzen muss ein entsprechender Energiebetrag zugeführt werden. Die in den fetten Ölen enthaltenen ungesattigten Fettsauren mit den dauerhaften .. Knicken" in ihrer Konfiguration (s. Kap. 25.2) vermögen sich bei weitem nicht so strukturiert anzuordnen oder gar aneinander zu legen wie die linearen Moleküle. Die festigende Wirkung der Van-der-Waals-Kräfte entfaltet sich merklich weniger, das Fett bleibt bei Raumtemperatur flüssig. 25.3.3 Brennbarkeit
Wird Fett sehr stark erhitzt, kann es sich entzünden. Allerdings muss es dazu fein verteilt sein. Altertümliche ..Talglichter"- Vorläufer der leichter zu handhabenden Kerzen aus Wachs - weisen bereits einen Docht auf, über den das flüssige Fett, durch die Kapillarkräfte dosiert, der Flamme zugeführt wird. Die stark rußenden Flammen sind allerdings eine schlimme Schmutzquelle. Ein Fettbrond, der früher am offenen Küchenherd entstehen konnte oder heute noch an einem Gasherd möglich ist, wenn die Flammen auf einen hitzigen Pfanneninhalt übergreifen, darf unter keinen Umstonden mit Wasser gelöscht werden! Das im mehrere Hundert Grad heißen Fett schlagartig verdampfende Wasser reißt nämlich siedend heiße, brennende Fetttöpfchen mit Die dadurch aufsteigenden Stichflammen können verheerende Brände entfachen.
25.4 Essentielle Fettsäuren Eine- theoretisch -vollkommen fettfreie Ernährung, mit der manch Obergewichtiger Mitmensch vielleicht zu seiner Traumfigur gelangen möchte, ist der Gesundheit tatsächlich abträglich: Viele vom Körper benötigte Fette können über den Stoffwechsel aus Kohlenhydraten und Proteinen gebildet werden, doch gibt es einige lebensnotwendige Fettsäuren - Linal-. Linalen·, Arachidonsäure - die nur über externe Fette in den Körper gelangen können. Reich an diesen so genannten essentiellen Fettsauren sind die fetten Öle, besonders Leinöl enthält erstaunlich hohe Anteile.
25.5 Seife Unterzieht man Triacylglycerine einer Esterspaltung oder -hydrolyse (s. Kap. 20.2.2) mit Natronlauge NaOH, so entstehen neben Glycerin die NatriumSalze langkettiger Fettsäuren: Diese Natrium-Carboxylate sind Seifen, die sich beim Erhitzen einer Mischung von Fett und Lauge bilden. Dementsprechend heißt der Vorgang auch Verseijung (Abb. 25.3).
183
~C- OH
HrOH
•
~
~Na- o-c-c,~JJ
~C-OH
Triacylglycerin -Fett
Abb. 25.3 Vtrseifungs~alction
Natronlauge
Glycerin
Natrium-Stearat Natrium-Oleat Natrium-Paimitat • Seife
tines Fenes zu Natrium-Car~ttn llngktttigtr Ftttsiiu~n
Die Qualität einer Seife hängt von der Sorgfalt bei der Verarbeitung, vom eingesetzten Fett und den geruchsbildenden Zusätzen ab. Verseift man Fette mit Kalilauge KOH, so entstehen Schmierseifen.
25.6 Margarine Der zu allen Zeiten vorhandene Bedarf an Speisefetten wurde in der Agrargesellschaft der früheren J ahrhunderte hauptsächlich über Schlachtfette wie Speck, Schmalz und Talg, das Schlagen von Butter aus Milchrahm und das Auspressen ölhaltiger Früchte oder Samen gedeckt. Oie mit den Fabriken aufkommende Notwendigkeit der Versorgung von Arbeitern mit Nahrungsfett, das auf Brot gestrichen zur Mahlzeit mitgenommen werden konnte, füh rte zur Zeit der Industriellen Revolution zur Entwicklung der streichfähigen Margarine. Der fra nzösische Chemiker Hippolyte M~ge-Mouries entwickelte im Jahr 1869, einem Auftrag Napoleons 111. folgend , ein Ersatzproduktfür Butter, das kostengünstig und haltbar sein sollte: Er gewann das reine Rinderfett durch das Schmelzen von Rindertalg und vermischte es innig mit Magermilch, die als Emulgator fungiert. Das wohlschmeckende Produkt besaß neben der geforderten Streichfähigkeit und Haltbarkeit einen perlmuttartigen Schimmer. Dieser bescherte ihm den Namen Margarine (griech. margaron, Perte). Heutzutage werden zur Margarineherstellung pflanzliche Öle verwendet, die allerdings erst durch die so genannte Fetthärtung zur geeigneten Grundlage werden: Unter der katalytischen Wirkung von Nickelpulver und einem beachtlichen Druck werden Doppelbindungen der ungesättigten Fettsäuren aus den fetten Ölen hydriert. Damit nimmt der Gehalt an gesättigten Fettsäuren zu und das Fett wird fester (s. Kap. 25.3.2). In der Folge kann es zu Pflanzenmargarine verarbeitet werden.
184
Quintessenz ... Margarine. Punkt. Mit diesem kurzen. sehr pragmatischen Kapitel 25 wollten wir - mein rühriger ..Meister", Dr. Tim Kersebohm vom Hirzel-Verlag, und ich - die Ausführungen zur ,.Organischen Chemie für Ahnungslose" nicht einfach abbrechen und damit den Leser quasi abrupt im Fett stehen lassen. So entstand die Idee, mit ein paar reflektierenden Gedanken einen Ausklang zu schaffen. Wir bleiben absichtlich beim Bild der im Vorwort erwähnten ,.WanderkarteM, wenn wir unsere, jetzt zur Realität gewordene Absicht nochmals umreißen: In der ..Organischen Chemie für Ahnungslose" wurden Routen zur Besichtigung vorrangiger Sehenswürdigkeiten beschrieben und Aussichten markiert, damit dem Betrachter ein erster Blick in und über eine komplexe Landschaft und damit eine grundsätzliche Orientierung möglich werde. New York kann man auch nicht an einem Tag besichtigen, sich aber wohl einen Überblick verschaffen, indem man erst einmal das Empire State BuHding erklimmt. Jetzt steht der Leser am Ende eines Erkundungsgangs durch das umfangreiche Wissensgebiet am Beispiel der wichtigsten, in ollen organisch-chemisch geprägten Ausbildungsrichtungen angesprochenen Stoffgruppen mit ihren Eigenschaften, ihren .. verwandtschaftlichen" Beziehungen und ihrem Reaktionsvermögen. Darin eingeschlossen fanden die Begegnungen des Lesers mit den fünf grundlegenden Reaktionsprinzipien der Organischen Chemie, der radikalischen Substitution, der elektrophilen Addition, der elektrophilen, aromatischen Substitution, der nucleophilen Addition und der nucleophilen Substitution statt. Dabei mag ihm aufgefallen sein, dass die Betrachtung der zugehörigen Reaktionsmechanismen bei einigen Reaktionstypen weniger umfassend ausgefalten ist als bei anderen. Nach reiflicher Überlegung wurde an manchen Stellen auf das Eröffnen umfänglicher .. Nebenschauplätze" chemischen Wissens verzichtet, da dadurch beim lernenden eventuell Gehirnressourcen und mentale Energien beansprucht werden. die er für das nachhaltige Verständnis und das Behalten des Wesentlichen notwendig braucht. Den vertieft Studierenden sei prophezeit, dass ihnen die Beschäftigung mit Erkenntnissen, die über die vorliegende Zusammenstellung hinaus reichen, nicht erspart bleibt. Dieser Klientel möchten wir die am Schluss des Buches vorgeschlagenen lehrbucher der Chemie als weiterführende Literatur ans Herz legen. Die lateinische ,.Quinta essentia" wird übrigens in den Nachschlagewerken als das Wesentliche, das Wichtigste erklärt. Nach der Philosophie der Pythagoräer ist sie zudem eine ungeheure Kraft. die als ..fünftes Seiendes" die vier antiken Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft hervorbringt. Darüber hinaus besitzt sie die einzigartige Fähigkeit, leblosen Dingen leben einzuhauchen. Daraus leitet sich unser abschließender Wunsch für dieses chemische Lehrwerk ab: Möge es das Wesentliche hilfreich transportieren und die Inhalte gut verdaulich präsentieren. Sollte das - zumindest abschnittsweise - auf lebendige (organische!) Art gelingen, ist es umso erfreulicher! Memmingen, im Frühjahr 2010
Kathenna Standhartinger
185
Anhang Literaturempfehlungen Hädener A, Kaufmann H. Grundlagen der organischen Chemie. 360 Seiten. 11. Auflage, Birkhäuser 2006. Sehrader B, Rademacher P. Kurzes Lehrbuch der Organischen Chemie. 386 Seiten. 3. Auflage, de Gruyter 2010. Bräse S, Bulle J, Huttermann A. Organische und bioorganische Chemie. 678 Seiten. 1. Auflage, Wiley-VCH 2008. Beyer H, Walter W. Lehrbuch der Organischen Chemie. 1216 Seiten. 24. Auflage. Hirzel2004. Breitmaier E, Jung G. Organische Chemie. 1041 Seiten. 6. Auflage, Thieme 2009. Wollrab A. Organische Chemie. 1113 Seiten. 3. Auftage. Springer 2009. Hilfreich sind neben den Standardwerken oft auch Schulbuch er der gymnasialen Mittelstufe/ Oberstufe!
186
Anh.ang
Stoffklassen und daraus abgelejtete (funktionelle) Gruppen oder Reste Allgemeine Formel
Stoffklasse
abgeleitete Gruppe oder Rest
-C-C(CnHzn.z)
Alkane
-R, R
-c-c-
Alkene
Alkylrest. Alkylradikal
l~
Vinylrest
- l\
(CnHzn)
H
-C-C(C.,Hzn-2)
Alkine
R-4Hs
aromatische Verbin· dungen
R·N02 R-S03H R-NH 2
Nitroverbindungen
R·NH·R' R-NR'·R~
Sulfonsäuren primäre Amine, carbon säureamide, Aminosauren
-o
Phenylrest ( -Ph)
-N02 -S03H
Nitrogruppe Sulfonsäurerest
-NH 2 -NHj
Aminogruppe Ammonium-Gruppe
-OH
Hydroxylgruppe
sekundäre Amine tertiäre Amine
R-OH
Phenole, Alkohole allgemein
R-CH 2-0H RR'-CH-OH RR'-CR.·OH
primäre Alkohole sekundare Alkohole tertiare Alkohole
R-0-R'
Ether
R-CO-R'
Ketone
- ll\
Carbonylgruppe
R
R-CO-H
Aldehyde
- ll\
H
Aldehydgruppe
187
Anhang
Allgemeine Formel
Stoffklasse
R-CO-OH
carbonsäuren
abgeleitete Gruppe oder Rest Carboxylgruppe
_c'fl
\ OH 0
- cI!
\ CH
R-COO·Na·
Natriumcarboxylate
R-~l
Acetylrest (Derivat der Essigsäure) 3
Carboxylat-Ion
'&
R-CO-X R-CO-CI R-CO-NH 2 R-CO -OR' R-C0-0-CO-R' 0
~\-Jlg
Carbonsäurederivate Carbonsäurechloride Carbonsäureamide Carbonsäureester Carbonsäureanhydride Zwitterionen der Aminosäuren
R
RR'C•NR"
Imine
R-CH·N-OH
Oxime
RR'C•N·NH 2 R-NH-NH 2
Hydrazone Hydrazine
-Cl -NHz -0-CH 3 -0-CO-R -NHi
-coo·
Aminogruppe Methoxygruppe Ammonium-Gruppe Carboxylat-Gruppe
188
Anha"9
Reaktionstypen Radikalische Substitution von Alkanen - Bsp. Halogenierung (Kap. 6.4.2) R- H Alkan
R- CI Chloralkan
Cl-Cl Chlor
+
H-CI
+
Chlorwasse~toff
Elektrophile Addition von Brom an Alkene (Kap. 7.3.1) Br
RHC=CHR
Br-
+
Alken
H
I I I BrI H
Br
R-C-C-R
D1bromalkan
Brom
Elektrophile, aromatische Substitution- Bsp. Bromierung (Kap. 10.5.1)
0
+
Br-Br
u··
+
H-
Br
#
Benzol
Brom
Brombenzol
Bromwilsserstoff
Nucleophile Addition an die Carbonylgruppe- Bsp. Halbacetalbildung (Kap. 19.3) OH
l
R-C
\
+ H
Aldehyd
I
0-
R
Alkohol
R-
I I H
C-
0 -R
Halbacetal
Nucleophile Substitution der Carboxylgruppe (Kap. 20.2)
l
R-C
\
+ H
INu
I
H
rarbonsaure Nucleophil
l
R- /
\
+
INu Corbonsaure-Denvat
~0
189
Sachregister A
AcetallSO Acetaldehyd 83, 87, 96 Acetamid 117 Acetaohydrid 116 Acetat 105, 107 Acetat-Ion 105 f. Aceton 85, 96 Acetophenon 85, 96 Acetylch lorid 115 Acetylen 41 Acetylgruppe 115 Acetylide, Initialsprengstoff 42 Acrytate 108 Acrylsilure 108 Actin 175 Acylglycerine 178 Additions-Eiiminierungs-Reaktion 91, 93 Additionsreaktion 38 ff. Adipinsäure 119 Alanin 163 Albumin 175 Aldehyde 74, 79, 83 - , allgemeine Strukturformel84 -, Nachweisreaktionen 98 - , Nomenklatur 83 - . Summenformet83 Aldehydhydrat 89, 94 Aldimin 95 Aldose 136 - . Enantiomerenpaare 137 -, Stereoisomere 137 Aliphate 17 Alkanale 83 Alkandisäure 118 Alkane 17 -. Abbildungen verschiedener Formelarten 19 - .allgemeine Summenformel19 -. Eigenschaften 26 - . homologe Reihe 19 - , konstitutionsisomere 21 -, Nomenklatur 19 - . Reaktionsverhalten 28 - . Vorkommen und Verwendung 27 -, Zick-zack-Kette (aus EinFachbindungen} 21 Alkanale 61 Alkanone 84 Alkansäuren 101 Alkene 17, 36 ff. Alleine 17, 41 Alkoholate 66 Alkoholation 67 Alkohole 61 -, Dipoleigenschaften 63 -. dreiwertige 71 - . homologe Reihe 61 - , hydrophober Alkylrest 64 -, Isomerie 64
- , Löslichkeit 63 -, mehrwertige 68 -. Nomenklatur 64 - , Oxidationsprodukte 74 -. primäre 66, 74 -, Reaktion mit Säuren 69 - . sekundäre 66, 74 -. Siedetemperaturen 64 - . Summenformel61 -, tertiäre 66, 74 - . Van-der-Waals-Kräfte 64 -. Wasserstoffbrückenbindung 63 - , zweiwertige 68 Alkoxyalkane 72 Alkylbenzole 54 Alkylgruppe 23 Alkylierung 54 Alkylrest 23 Aluminiumbromid 48 Ameisensaure 102 f. Amidbindung 117 Amine 55, 91 Aminobenzol95 Aminocarbonsäuren 161, 167 Aminogruppe 55, 90, 161 Aminosäuren 161 ff. - , Chiralität 162 -. Eigenschaften 164 - , Fischer-Projektion 162 -, optische Aktivität 162 -, Peptidbindung 168 - , Zwitterion 164 Aminosäuresequenz 170 f. Ammoniakmolekül90 Ampholyt 66 Amylopektin 160 -. glykosidische Bindung 158 Amylose 157, 160 -, a-Helix 157 -. Iod-Stärke-Reaktion 157 Analysator 132 Anhydrid, gemischtes 116 Anilin 55. 91, 95 Anisol73 Anomerie 143 Anthracen 57 Antikörper 175 Arabinase 139 Arachidonsäure 182 Arginin 163 Aromaten43 - . kondensierte Ringsysteme 57 -, mehrkernige 57 -, ringförmige 17 Asparagin 163 Asparaginsäure 163 asymmetrisches C-Atom 125 Atmung 135
190 dZeotropes Gemisch 62 Azomethin 9~
8 Benzaldehyd 56, 84, 96 Benzen 4& Benzoate 108 Benzoeüure 56, 108 8enzol4' ff. -. Kekute-Formel 45 -. mesomere Grenzstrukturen 47 Benzol-1,2-dicarbonsäure 119 Benzol-1,4-dicarbonsllure 119 Benzolring &3 Benzolsulfon~ure 55 Benzylalkohol 56 Bernsteinsäure 118 :t·Bmdungen 14 u-Bindungen 12 C-C-Bmdungsachse 31 Biopolymere 161 Biuret-Reaktion 176 Brenzkatechin 52 Brenztraubensciure 122 Brombenzol48, 50 Bromoniumion 39 Brönsted-Base 66 Bronsted-Saure 66 Butan 19, 21 Butanal79, 84 Butandisäure 118 ButolnOI 62 Butanol-! 65, 79 Butanol-2 65, 81 Butinon 81, 85 Butansäure 102 Buten 36 f. Butendisäure 119 Buttersaure 102. 179 Butylalkohol65 Butylrest 23 Butyraldehyd 84 (
Carbenium-lon 111 Carbonsäuren 74, 99 f. -, Aciditllt 104 -. allgemeine Strukturformelt01 • Dimerisierung 103 -. Losliehkelt 103 • - I-Effekt der Carbonylgruppe 105 -, nucleophite Substitution 110 -, piC,·Wert 106 -. Protolyse 105 -, Siedetemperaturen 103 -, ~ubstitutionsprodukte 114 -, Uberslcht 123 Carbonsäureamide 116 Carbonsaureanhydride 116 f. Carbonsaurechloride 115 rf.
Carbonsaurederivate 101, 114 f -. Ubersicht 123 Carbonsaureester 110, 112, 114, 117 Carbonylgruppe 74 -. Bindungswinket 83 Carbonytverbindungen 83 ff. -. nucteophiler Allgriff 86 Carboxylat-Ion 10~ f. Carboxylgruppe 101, 161 -. I-Effekt 98 usein 175 Cellob•ose I ~2 f. -. Fehling-Probe 153 -. Mutarotation 153 Cellulose 1~2. 158, 160 -. Kettenstruktur 159 ChiraUtat 126 Chirililatszentrum 126, 128. 133 Chlormethan 30 Chlorophyl1135 cis-trans-lsomerie 37 Citronensaure 121 Crotonsaure 108 Cyctoatkane 33 ff. Cyclobutan 33 Cyctoheptan 34 Cyclohexan 33 -, Konformere 34 -. Sesselform 3 5 -. twist-Varianten 35 -. Wannenform 35 Cyctohexen 48 Cyclooctan 34 Cyclopentan 33 Cyctopropan 33 Cystem 163 D
Dauerwelle 175 Decan 19 Oecanol62 Dehydratisierung 91 detokalisiertes System 49, S4, 59 von lt Elektronen 46 Denaturierung 176 Derivate 50 Destillation 62 D-form 128 Diacylglycerin 178 Diastereomere 129, 131 1.2-Dibromethan 39 1,2-Dibromethen 42 Dicarbonsauren 118ft -, -I-Effekt 118 Dichtoracetate 107 Dichlor-diphenyl-trichlorethin, DDT 28 Dichtoressigsäure 107 Dichromition 80 Diethylether 73 Oiglucosid 1St Dihydroxyaceton 137, 147
191
Sichregister Dihydroxyacetonphosphat 147 Dihydroxybenzol52 2,3-Dihydroxybutandisäure 121, 130 1,3-Dihydroxypropanon 137, 147 Dirnethylamin 91 Dirnethylbutan 22, 26 Dirnethylether 73 Dioxan 73 Dipeptid 169 Dipole 25 Disaccharide 136, 150 -. reduzierende 152 f. Disulfidbrücke 173, 175 Dodecansäure 102 Doppelbindungen 9, 12 Drehsinn 133 Drehwinkel a 132 Dreifachbindungen 9, 15 dreiwertige Alkohole 71 Dynamit 70 E
Edman-Abbau 170 Eicosan 26 Einfachbindung 9 Eisessig 104 Eiweißstoffe 118, 161 Elektronegativität 60 Elektronenhülle elektropnile aromatische Substitution 48 ff.. 54f. elektropnile Teilchen 39 f. elektropniler Angriff 40 Elektrophorese 166 Eliminierung 91 f. Emulgatoren 181 Emulsion 181 Enantiomer 126, 129 Endioi-Form 149 Entlcalkungsmittel 104 Erdgas 27 Erdöl27 Erepsin 175 Ertenmeyer-Regel68 Erstsubstituent 52 Erytnrose 138 Erythrose 129 essentielle Fettsäuren 182 Essigsäure 102, 104 Essigsäureanhydrid 116 Essigsäureethylester 113, 115 Essigsäuremethylester 112 Ester 178 -. Bildung 69 Esterbindung 113 Estergleichgewicht 111 Esterhydrolyse 110, 112 Esterspaltung 112 Ethan 19 -. Ethanmolekülll -, Kugei-Stäbchen-Modell31
-. verschiedene Formeldarstellungen 11 Ethanal86 f. Ethandiol-1.2 68 Ethandisäure 118 Ethanoate 107 Ethanoat-Ion 105, 113 Ethanol61 f., 67 - . alkoholische Gärung 62 -. Vergallung 62 Ethanolat-Ion 67 Ethansilure 102, 104, 107 Ethen 13 Ether 72 Ethin 41 f. -, Bindungsverhältnisse 16 -. Ethinmolekül 15 -, Metallsalze 42 -, Schweißgas 42 Ethylacetat 113 Ethylamin 96 Ethylenoxid 73 Ethylrest 23 F
Faltblattstruktur 172 Faraday44 Farbstoffsynthese 55 Fehlingsche Probe 99 -. Redoxgesamtgleichung 100 Fett 178 ff. -, Schmelzbereich 181 Fettbrand 182 fette Öle 181 Fetthärtung 183 Fettsäureglycerinester 178 Fettsäuren 101, 178 -, gesattigte 179 -, häufige Vertreter 179 -, Konfiguration 180 -, Natrium-Salze 182 -, ungesättigte 179 fibrilläres Protein 175 Fibrinogen 175 Fischer-Projektion -. 0-Form 128 -. l-Form 128 Fluorchlorkohlenwasserstoffe, K KW 28 Formaldehyd 84 Formalin 86 Formiate 107 freie Drehbarkeit31 Friedei-Crafts-Alkylierung 54 Frucntzucker 147 Fructofuranose 150, 154 Fructopyranose 150 Fructose 147 ff.. 154 -, Keto-Enot-Tautomerie 149 -, Ringform 148 Fumarat 119 Fumarsäure 119 funktionelle Gruppe 61
192 Furan 58, 150 Furanose 150 G
Galactose 140 geminales Oiol89 ges.ttigte Fettsauren 179 globulares Protein 175 Glucopyranose 150, 154 Glucose 151, 154, 157 f. -. Anomere 143 -, aquatoriale Substitution 146 ·, axiale Substituenten 146 -, a-D-Glucose 143 f. -. I~·D·Glucose 143 f. -. Fehlingsche Probe 141 • Fischer-Projektion 141, 145 -. Halbacetalbildung 142 -. Haworth-Formel 143, 145 -. intramolekularer Ringschluss 142 -. Mutarotation 144 -. Sesselform 146 -, Silberspiegelprobe 141 -. Summenformel140 Glutamin 163 Glutaminsäure 163 Glycerin 68, 178 ·, hygroskopische Eigenschaften 69 Glycerinaldehyd 138 Glycin 163 -. Zwitterion 165 Glycinyl-serin 169 Glykogen 158, 160 Glykol68 Glykosid 150 Glykosidbildung 150 glykosidische Bindung 151 H
Halbacetale 93, 96, 141 -. allgemeine Strukturformet 88 -. Reaktionsmechanismus 87 Halbketale 88, 93 -. allgemeine Strukturformet 88 Halbstrukturformelll, 20 Halogenalkane 28 Halogenierung 28 ff. -. Reaktionsmech;mismus 29 Halogenkohlenwasserstoffe 28 Harngruppe 174 H<1moglobin 175 -. Quartärstruktur 174 Harnstoff 1. 177 Hauptkette 23 Haworth·formel l43 «·Helix 157. 171 Heptan 19 Heptanol 62 Heteroaromaten 58 Heteroatom 58
nc:tero..-ydische Verbindung~n 58 H!Xachlorcyclohexan, Lindan 28 Hexadecan 26 Hexadecansaure 102 Hexan 19, 22, 26 Hexandisaure 119 H!Xanol62 Hexose 140 Histidin 163 Holzgeist 62 homologe Reihen, Merkmale 18 Huckel-Reget 59 Hybridisierung 7 sp·Hybridorbitale 15 sp1-Hybridorbitale 13 f. spl-Hybridorbitale 7 f. Hyd ratisierung 89 Hydrazin 92 Hydruon 92, 94 Hydrochi non 52 Hydrogenmall!at-lon 120 Hydrolyse 110 hydrophile Stoffe 27 hydrophobe Stoffe 27 hydrophobe Wechselwirkungen 174 Hydroxycarbonsauren 130 Hydroxylamin 91, 96 Hydroxyl-Gruppe 52, 61 2-Hydroxypropansaure 121 2· Hyd roxypropan-1,2, 3·tricubon • uure 121 Hydroxyverbindungen 52 I
+I-Effekt 97, 103, 107, 109 - I-Effekt 97, 107, 109 Jmm 91, 94, 96 induktiver Effekt 96, 98 induzierter Oipol25 lnsuhn 171, 173. 175 Invertzucker 156 Iod-Starke Reaktion 157 Jsobut.Jmol65 isoelektrischer Punkt 167 Isoleuein 163 Isomerie 21 . l.ibersicht 124 lsopropanol65 Jsopropylrest. +I-Effekt 97 IUPAC- Regeln zur Nomenkt..tur 23 K
Kaliumdichromat 79 KekutU3 Keratin 175
193
Sachreg1ster Ketone 74, 81. 83 -. allgemeine StrukturformeiSS -. Nomenklatur 84 Ketonhydrat 89, 94 Ketosen 136 kctotriose 147 Koagulation 176 Kohlenhydrate 135 ff. Kohlenstoff 3 f. -. haufigstes Isotop 4 -, Oxidationsstufen 77 u-Kohlenstoffatom 84 Kohlenwasserstoffe -, gesättigte 17 -. kettenformige 17 -, ungesättigte 17 kollagen 175 n-Komplex 49 r. o-Komplex 49,51 Kondensation 91 r. Konfigurationsisomerie 37 f. Konformation -. ekliptisch 32 -, gestaffelt 32 Konformationsisomerie 31 Konformere 32 - des Cyclohexans 34 Konstitutionsisomere 21 f., 38 Kugei-Stäbchen-~1odell10 f. L
Laurinsäure 102, 179 f. Leuchtgas 44 Leuein 163 L-form 128 llebig 44 linear polarisiertes licht 131 Li notensäure 179. 182 Linolsäure 179 f., 182 Löslichkeit 27 Lugols
Makromoleküle 156 Maleat 119 Maleinsäure 119 Malonat 118 Malensaure 118 Maltose 151 r. Malzzucker 151 Mannose 140 Margarine 183 mesomere Grenzstrukturen 47 mesomerer Effekt 53 Mesomerieenergie 47 f. Mesomeriepfeile !>4 Mesomeriestabilisierung 47, 53 f.
Meso-Verbindung 131, 134 meta-Stellung 52 Methaldehyd 84 Methan 10 f., 19 Methanal84, 86 Methanoate 107 Methanol öl f., 87 -. trockene Destillation 62 Methansäure 101. 107 Methionin 163 Methoxygruppe, -I-Effekt 98 Methylacetat 112 Methylalkohol87 Methylamin 91 Methylengruppe 18 Methylenphenylketon 85 Methylgruppe 23 2-Methylpent.ln 22. 26 3- Methylpentan 26 Methylphenylether 73 2-Methylpropanal82 2-Methylpropanol-1 82 2-Methylpropanol-2 65 2-Methylpropen 37 Methylradikal29 Milchsäure 121. 125 -. Enantiomere 127 Milchsäuregärung 121 Mitscherlieh 44 Monoacylglycerin 178 Monocarbonsauren 101, 107 Monochloracetate 107 Monochlore$sigsiiure 107 Monohydroxybenzol52 Monomere 156 Monosaccharide 136 Ff. -. Chiralität 136 -. Stereoisomere 137 Mutarotation 144 Myoglobin 175 Myosin 175 Myristinslure 179 N
Naphthalin 57 Natriumacetat 114 Natriumethanetat 67 Naturseide 172 Newman-Projektion 32 Nitriersäure 50 Nitrobenzol 50, 55 Nitroglycerin 70 Nitrogruppe 51 Nitrylkation 50 Nonan 19 Nonanol62 N-sub$tituiertes Säureamid 117 Nudeophil86 ff., 110 nucleophile Additionsreaktion 92 nucleophile Substitutionsreaktion 69, 115 f. nucleophile Teilchen 40
194 nucleophiler Angriff 40, 59, 87 Nyton 119 0 Octadec.ansäure 102 Octan 19 Octanol62 Oleat 183 Oligopeptid 169 Oligosaccharide 136 Olsäure 178 ff. optische Antipoden 125 Orbitale 6 f. -, Orbitalformen 7 Orbitalmodell, wesentliche Aussagen 5 ortho·Stellung 52 Oxalacetat 122 Oxalat 118 Oxalsaure 118 Oxidation 56, 75, 78 Oxidationsmittel 75 Oxidationsstufen des Kohlenstoffs 77 Oxidationsuhlen 75, 77 Oxim 92, 94, 96 2-0xobutandisäure 122 2-0xopentandisäure 122 2-0xopropansäure 122 p
Palmitat 183 Palmitinsäure 102, 178 f. para-Stellung 52 Pentan 19 Pentanol62 Pentapeptid 170 Pentose 139 Peptid 161, 169 Peptidbindung 118, 167, 171 Peptidgruppe 168 Peptidkette 169 f. PRanzenmargarine 183 Phenanthren 57 Phenolation 53 -. Mesomeriestabilisierung 53 Phenol 52 - , Protolyse 53 Phenytalanin 163 Phenytmethan SI. Phenytrest 51. -, - I-Effekt 97 Photosynthese 135. 156 -. Energiefluss 135 Phthalsäure 119 f. Phthalsaureanhydrid 120 pi<,-Wert 106 Polarimeter 131, 133 Polarisationsfilter 131 Polarisator 132 Polarisierung 60 Polarität von KW-Moleki.llen 25
Sachregister Polyhydroxycarbonylverbindung 136 Polymer 156 Polypeptid 169 Polysaccharide 136, 156 -, Summenformelt60 primares (-Atom 65 Primärstruktur 170 Prolin 163 Propan 19 Propanal94 Propandisaure 118 Propanoat 107 Propanol61, 65, 77 Propanon 84, 86 Propansäure 102, 107 Propantriol68, 70 Propensäure 108 Propionaldehyd 83, 94 Propionat 107 Propionsäure 102, 107 Propylalkohol65 Propylrest 23 prosthetische Gruppe 169 Protein 161. 169, 175 f. -, Denaturierung 176 - . Koagulation 176 -, Nachweis 176 Proteinbiosynthese 161 Pyran 150 Pyranose 150 Pyridin 58 Pyrrol 58 Pyruvat 122 Q
Ouartärstruktur, Bindungsarten 174 R
Racemat 134 Radikal29 Redoxgleichung 78 -. Gesamtgleichung 81 -. Teilvorgange 79 Redoxreaktionen 75 -. pH-Wert-Abhängigkeit 75 Reduktion 56, 75, 78 Reduktionsmittel75 reduzierendes Disacharid 152 f. Renaturierung 177 Resorcin 52 Ribose 139 Rohrzucker 154 -, Inversion 156 Rückseitenangriff 40
s
Saccharose 151. ff. Sägebock-Schreibweise 32 Sanger 171 Sauerstoffbrücke 142
195
Sach~ster
Schiffsehe Base 95 f.• 141 Schiffsehe Probe 144 Schmelzbereich 181 Schmierseife 183 Seife 112, 182 Seitenketten 23 sekundäres Butanol6S sekundäres C-Atom 65 Sekundärstruktur -. a -Helix 171 -, Faltblattstruktur 172 Serin 163 Serinyl-glycin 169 Sesselform 35, 146 Silberspiegelprobe, Redoxgesamtgleichung 99 Skelettformel20 Spiegelbildisomerie 125 Spin 6 spontaner Dipol 25 Sprengstoff 70 Stärke 156 Stärkekleister 156 Stearat 183 Stearinsäure 102, 178 ff. Stereoisomerie l 25, 129 Sterische Eigenschaften 126 Strukturformel20 -, räumliche 11 Strukturisomere 22 Substituenten 51 Substitutionsreaktion 31, 48 -. nucleophile 109 -, radikalisehe Substitution 29 Succinat 118 Sulfonierung 55 Summenformelll
T Tartrat 121 Teilladungen 60 Terephthalsäure 119 f. C-/N-terminales Ende 170 tert. Butylrest +I-Effekt 97 tertiäres Butanol65 tertiäres ( -Atom 65 Tertiärstruktur 173 1.1.2.2-Tetrabromethan 42 Tetrabromoatuminat-Ion 49 2,3,7 ,8-Tetrachlordibenzo-p·dioxin, Dioxin 28 Tetraeder 8 f. Tetraederwinkeln Tetrahydrofuran 73 Tetrahydropyran 73 Tetrapeptid 169 Tetrose 129, 138
Thiophen 58 Threonin 163 Threose 138 D-Threose 129 l-Threose 129 Toluol 54 -, Oxidationsprodukte 56 Traubensäure 134 Traubenzucker 141 Triacylglycerin 178, 183 Triose 136 ff. Trichloracetate 108 Trichloressigsäure 108 2,3,4-Trihydroxybutanal129 Trimethylamin 91 Tripeptid 169 Trisalpetersäureglycerinester 70 trockene Destillation 103 Trypsin 175 Tryptophan 163 Tyrosin 163
u ungesättigte Fettsäuren 179 V Valin 163 Van-der-Waals-Kräfte 25 Veresterung 69, 110 - , Gleichgewichtsreaktion 70 - . Reaktionsmechanismus 70,111 Vergällung 62 Verseifung 112. 182 Vinylessigsäure 108 Vinylgruppe 108 Viskosität 27, 68 vis vitalis 1
w
Wannenform 35 Weinessig 104 Weinsäure 121, 130 meso-Weinsäure 130 Wöhler, Harnstoffsynthese 1 X Xanthoprotein-Reaktion 176 Xylose 139
z Zweitsubstituent 52 zweiwertiger Alkohol 68 Zwitterion 164, 167 -, Ampholyteigenschaft 164 - , Pufferwiritung 166