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PARKER löscht den Feuermelder Ein Roman von Edmund Diedrichs Lady Agatha wurde hellhörig, als der Schalterbeamte fragte, ob eventuell Sondermarken gewünscht würden. Die ältere Dame stand neben ihrem Butler und studierte den Aushang, der attraktive Zinsen für eine langfristige Geldanlage versprach. »Um wieviel sind die Sondermarken denn billiger, junger Mann?« wollte Agatha Simpson wissen. »Wie bitte?« Der Mann hinter dem Schalter sah sie verwirrt an. »Die Sondermarken, junger Mann, ich möchte wissen, was ich dabei spare.« Der Beamte war ein in vielen Dienstjahren ergrauter Veteran, den schon lange nichts mehr erschütterte. Er zeigte ein verständnisvolles Lächeln. »Aber nein, Madam, da haben Sie sicher etwas falsch verstanden. Sondermarken sind nicht billiger, im Gegenteil, sie kosten etwas mehr, weil ein Teil davon für einen bestimmten Zweck abgeführt wird.« »Das ist ja wohl der Gipfel!« Lady Agatha sah den Mann empört an. »Ein Sonderangebot im Supermarkt ist schließlich auch nicht teurer als normale Ware, sondern billiger. Ich werde dem Minister einen geharnischten Brief schreiben. Mister Parker, kaufen Sie nur das Nötigste!« Die Hauptpersonen: Joseph Ferris ist ein kleiner grauer Mann, der gerne Feueralarm gibt. Frank Belter und Tom Finnegan stellen sich als smarte Jungmanager vor, haben es aber faustdick hinter den Ohren. Adam Warner spielt den starken Mann und muß klein beigeben. Emma Hopkins kontrolliert den »Feuermelder«, bis Mylady ihn »befreit.« Philip Lancerdirigiert die sogenannten Feuermelder, doch Parker löscht gern. Lady Agatha erzielt mit ihrer bewährten Hutnadel beachtliche Erfolge beim Verhör. Josuah Parker verwirrt bei »Feueralarm« auch die routiniertesten Ganoven.
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»Wie Mylady zu wünschen geruhen.« Josuah Parker ließ sich nichts anmerken. Als hochherrschaftlicher englischer Butler zeigte er keine Gefühlsregungen. Er nickte dem Schalterbeamten zu und gab höflich seine Wünsche bekannt. Er steckte gerade wieder seine Brieftasche ein, als laute Schreie im Hintergrund ertönten. »Feuer! Hilfe, es brennt!« rief ein kleiner, grauhaariger Mann und wedelte aufgeregt mit den Armen durch die Luft. Tatsächlich stieg eine Rauchwolke hoch und verdeckte bereits die dort sich befindenen Schalter. Die Postkunden vergaßen ihre Anliegen, warfen sich herum und stürzten zu der breiten, doppelflügeligen Tür, wo es umgehend zu einem mittleren Chaos kam. Von draußen wollten neue Kunden herein, von drinnen drängte ein gutes Dutzend hinaus. Irgendwie gelang es den Leuten aber doch ins Freie zu gelangen und die Neuankömmlinge soweit zu informieren, daß sie gleichfalls auf einen Besuch im Postamt verzichteten. Josuah Parker verließ die Schalterhalle und führte seine Herrin zum hochbeinigen Monstrum, das nur wenige Meter entfernt parkte. Selbstverständlich fuhr der Butler nicht davon, denn er sah nicht tatenlos zu, wenn andere in Not waren. Er dachte an die Postbediensteten, die sich noch in dem brennenden Gebäude aufhielten, riß den Feuerlöscher aus der Halterung unter dem Sitz und kehrte zurück. Einige Männer in Uniform rannten aus einer Hofeinfahrt, und Parker beschloß, von dort her das Amt zu betreten. Geschickt wich er den Vorbeihastenden aus und erreichte über eine Rampe eine Halle, in der zahlreiche Rollcontainer standen, die bis obenhin mit Paketen bepackt waren. Diesem Raum war die Schalterhalle vorgelagert. Parker erkannte rechts eine kleine abgeteilte Kabine mit einem Packtisch und einer großen Waage. An beiden Wänden zogen sich Regale hin, in der weitere Pakete und Päckchen lagerten. Da der Raum rundum verglast war, konnte der Butler bis in die rauchgeschwängerte Schalterhalle sehen, wenngleich dort wenig zu erkennen war. Ob sich dort noch Menschen aufhielten? Das war von seinem Standort aus nicht festzustellen. Parker befand sich gerade auf dem Weg zu einer schmalen Metalltür, die er
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in der Wand neben der Paketannahme entdeckt hatte, als er hinter sich ein Geräusch hörte. Als er sich umdrehte, sah er einen hochgewachsenen Mann auf sich zukommen, der einen grauen Overall trug und eine Pudelmütze über den Kopf gezogen hatte. Drei kreisrunde Löcher ließen Nase und Augen frei, die den Butler überrascht anstarrten. Urplötzlich reagierte der Mann, griff in seinen Overall und hielt eine Pistole in der Hand. »Komm her, Alterchen, aber ‘n bißchen plötzlich«, sagte er mit dumpf klingender Stimme. »Haben Sie möglicherweise noch nicht bemerkt, daß hier ein Brand ausgebrochen ist, Sir?« zeigte sich der Butler betont unbedarft. »Hat sich was mit Brand.« Der Mann ließ ein glucksendes Lachen hören. Parker hatte den Unbekannten fast erreicht, war nur noch drei Schritte von ihm entfernt, als er den Augen des Mannes entnahm, daß sie Unangenehmes planten. Im nächsten Augenblick passierte es. Der Maskierte sprang vor, riß die Waffe hoch und wollte Parker die Pistole an die Schläfe schmettern. Doch der Butler stand schon längst nicht mehr an der alten Stelle. Bevor aber der Bewaffnete die veränderte Situation erfaßte, warf Parker seine Universalschirm in die Luft, ergriff ihn an der Spitze und ließ den bleigefüllten Bambusgriff auf die Stirn des Angreifers fallen. »Pardon, Sir, aber Sie lassen meiner bescheidenen Wenigkeit bedauerlicherweise keine andere Wahl«, entschuldigte er sich, während er den Mann auffing und vorsichtig hinlegte. »Man kann Sie aber auch keinen Augenblick allein lassen, Mister Parker.« Lady Agatha betrat erneut die Halle, übersah die Situation sofort und lächelte animiert. »Hier findet wohl ein Überfall statt, nicht wahr?« vergewisserte sie sich. * »Ich habe mich gelangweilt, da bin ich Ihnen nachgegangen, Mister Parker«, erklärte die ältere Dame. »Ich wußte ja, daß hier etwas nicht stimmt.« »Myladys Intuition ist nicht hoch genug einzuschätzen«, lobte der Butler. Dann allerdings mußte er seine Aufmerksamkeit auf einen
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weiteren Maskierten lenken, der gerade eine schwere Tasche aus der Schalterhalle herein schleppte und wie angewurzelt stehenblieb, als er das skurrile Paar erblickte. Durch die Tür, die er offengelassen hatte, zogen Rauchschwaden herein und begannen, auch die Pakethalle zu verdunkeln. Der Maskierte ließ die Tasche fallen und griff in seinen Overall, vergaß aber die Absicht, seine Waffe zu ziehen, sofort wieder. Josuah Parker hatte seinen Universal-Regenschirm in Position gebracht, einen durch komprimierte Kohlensäure angetriebenen, stricknadeldünnen Pfeil verschossen und dem Maskierten in den linken Oberschenkel gejagt. Der Unglückliche knickte in den Knien ein, schlug zu Boden und streckte sich seufzend aus. Natürlich war der Pfeil nicht vergiftet. »Meine Güte, der Lümmel wird ja ohnmächtig.« Lady Agatha staunte und schüttelte verweisend den Kopf. Dann schritt sie energisch zu einem Container, packte den Rahmen links und rechts und katapultierte das Gerät auf einen Mann, der an der Rampe auftauchte und versuchte, sich im dichten Rauch zu orientieren. Er hatte das Pech, mit dem Rücken zum offenen Hoftor zu stehen, so daß er gut auszumachen war, während er selbst nicht allzuviel sah. Der Container stieß auf ihn und schleuderte ihn auf die Rampe zurück. Er stolperte haltlos nach hinten, ruderte mit den Armen durch die Luft und konnte sich im letzten Augenblick fallen lassen, bevor er die Kante der Laderampe erreichte. Dort blieb er keuchend liegen, tastete sich ab und schluchzte erleichtert, als er keine gebrochene Stelle fand. Der Mann, den Parker ausgeschaltet hatte, kam wieder zu sich und schien ein wenig desorientiert. Dann klärte sich sein Blick, und er fand seine Pistole wenige Schritte entfernt auf dem staubigen Betonboden. Langsam schob er sich darauf zu. Er glaubte wirklich, daß es unbemerkt blieb und triumphierte innerlich, als es plötzlich passierte. Ein dunkler Schatten fegte die Pistole beiseite und prellte im Vorbeizischen die ausgestreckten Finger. Entsetzt zog der Getroffene sie zurück und heulte dazu wie ein Indianerstamm auf dem Kriegspfad.
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»Was hat er denn nur, Mister Parker?« Lady Agatha schüttelte den Kopf und machte sich auf den Weg, um ihren Pompadour zu bergen. Ein solches Täschchen trugen die Damen um die Jahrhundertwende, enthielt aber in diesem Fall aber das Hufeisen eines stämmigen Brauereipferdes und diente Mylady als sogenannter Glücksbringer. Ganoven, die damit schon Bekanntschaft gemacht hatten, sahen das allerdings anders. Schon so mancher Kriminelle hatte da seinen persönlichen K.O. erlebt. »Darf man sich erkühnen, Mylady zu diesem ausgezeichneten Wurf zu gratulieren?« bemerkte Josuah Parker und lüftete höflich die Melone. »Vielen Dank, Mister Parker.« Lady Agatha setzte ihren Weg fort und sah deshalb nicht, was hinter ihrem Rücken vorging. Dafür war der Butler um so aufmerksamer. Ein weiterer Overallträger erschien aus der Tiefe des Raumes. Auch er trug eine schwere Tasche, blieb ebenso wie sein Kollege in der Tür zum Paketraum stehen und blinzelte in den Rauch. Dann erkannte er die Situation, griff nach einer Waffe und taumelte im nächsten Augenblick zurück. Josuah Parker hatte die Melone nicht gleich wieder aufgesetzt und die Kopfbedeckung wie eine Frisbeescheibe durch den Raum geschleudert. Er war ein Meister in der Handhabung dieser ungewöhnlichen Waffe. Die durch Stahlblech verstärkte Krempe der Melone landete an der Halsbeuge des Overallträgers und fällte ihn wie einen Baum. Der Mann taumelte einige Schritte zurück, knickte dann in den Knien ein und sackte im Flur, aus dem er gerade gekommen war, zusammen. Josuah Parker setzte die Melone wieder auf und richtete dann den Blick auf jenen Mann, der nach seiner Waffe hatte greifen wollen. Der war inzwischen dazu übergegangen, an seinen verletzten Fingern zu saugen und nahm von der Umwelt nichts mehr wahr. Ein Blick auf die Rampe zeigte Parker, daß sie leer war. Als er nach draußen ging, war der Mann, der von Myladys Container angefahren worden war, verschwunden. Der vom Pfeil Getroffene war zu seiner eigenen Verwunderung wieder erwacht, wähnte sich aber dennoch in akuter Lebensgefahr. Er kroch auf allen vieren durch die Pakethalle zum Schalterraum und wollte von dort wohl flüchten.
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Josuah Parker sah sich gezwungen, den Mann aufzuhalten. Er stellte sich ihm in den Weg und wartete, bis der Kriecher, der den Blick kaum vom Boden hob, an seine Beine stieß. »Kann man Ihnen möglicherweise behilflich sein, Mister?« erkundigte sich der Butler höflich, während der Mann müde die Augen hob und dann den Kopf schüttelte. »Na schön. Einer ist entkommen, aber den erwische ich auch noch, Mister Parker«, zog Mylady zufrieden Bilanz. »Gut, daß ich gerade hier Briefmarken kaufen wollte. Mein untrüglicher Instinkt hat sich wieder mal ausgezahlt.« »Auf den sich Mylady stets verlassen können.« Josuah Parker hatte die verbliebenen Ganoven mit Bindfäden gefesselt, die er im Paketraum gefunden hatte. An und für sich verwendete er Plastikfesseln, die er stets mit sich führte, da er aber die Polizei rufen mußte, um die Kerle abtransportieren zu lassen, hatte er sich für unverfängliche Hemmnisse entschieden. Der Butler öffnete einige Fenster und ließ frische Luft herein. Lady Agatha saß auf dem Sessel des Paketannehmers und genoß ihren gewohnten Kreislaufbeschleuniger, den Parker aus seiner lederumhüllten Taschenflasche kredenzt hatte. Zu ihren Füßen lagen die schweren Taschen, mit denen sich die gescheiterten Posträuber bedient hatten. Eine erste flüchtige Inspektion durch den Butler hatte ergeben, daß sie gut und gern fünfzigtausend Pfund sowie diverse Wertpapiere enthielten. »Die Königliche Postverwaltung ist mir zu Dank verpflichtet, Mister Parker«, erklärte Mylady. »Sie wird mir eine ordentliche Belohnung zahlen müssen.« »Die Gentlemen der Verwaltung dürften sich mit Sicherheit zu einer solchen Geste durchringen«, glaubte der Butler, der inzwischen telefonisch die Polizei verständigt hatte. »Was meinen Sie, Mister Parker, wieviel soll ich verlangen?« wollte sie wissen und blickte einen Augenblick später empört auf die Scheibe, an der plötzlich ein Wasserfall niederzugehen schien. Irgend jemand hatte die Feuerwehr benachrichtigt, die in diesem Augenblick eintraf. Ein besonders eifriger Brandbekämpfer stürmte in den Schalterraum, öffnete das Druckventil an seinem Schlauch und ließ einen armdicken Strahl prasseln. *
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Lady Agatha war guter Laune. Sie hatte sogar jenem übereifrigen Feuerwehrmann verziehen, der die Paketannahme versehentlich bespritzt hatte. Die ältere Dame stand in einem Rudel von Reportern und gab nur zu gern Auskunft, wie sie die dreisten Posträuber überwältigt hatte. Ihre Schilderung war außerordentlich farbig und anschaulich. Die Medienvertreter schienen begeistert zu sein. Endlich mal gab es eine Zeugin, die sich klar und deutlich ausdrückte und in der Lage war, ihre Erlebnisse plastisch zu schildern. »Eines verstehe ich nicht, Mylady«, meldete sich der rothaarige Vertreter eines Privatsenders zu Wort. »Wie kamen Sie nur darauf, daß der Feueralarm nicht echt ist?« Agatha Simpson wandte ihm ihr strahlendes Gesicht zu und vergewisserte sich, daß sie auch gut von der Videokamera des Mannes eingefangen wurde. »Intuition, mein Lieber! Entweder man hat sie, oder man hat sie nicht.« Lady Agatha nickte bestätigend zu dieser elementaren Erkenntnis. »Wissen Sie, wer – wie ich – seit Jahren dem Verbrechen erfolgreich Paroli bietet, läßt sich nicht so leicht hinters Licht führen.« Unter den umstehenden Zuschauern brandete Beifall auf. Sogar einige der sonst zynischen und ganz abgebrühten Pressevertreter stimmten in den Applaus mit ein, und Mylady dankte mit huldvollem Lächeln. Josuah Parker stand ein wenig abseits und beobachtete die Menschen. Besonders ein kleiner, grauhaariger Mann mit ausgemergelter Figur interessierte ihn. Er hielt sich zwar etwas zurück, war aber von seinem Standpunkt durchaus noch in der Lage, alles zu registrieren, was in der Menschentraube vorging. Dem Butler indes war der Mann nicht fremd. Es handelte sich um den »Feuermelder«, um jenen Typ also, der zuerst lauthals Feueralarm gegeben hatte. Parker warf noch einen Blick auf seine Herrin, die sich gerade kokett das graue Haar zurechtstrich, als ein weiteres Team, diesmal von der BBC, anrückte und die Kameras auf sie richtete. Der unauffällige Graue beachtete den Butler nicht. Seine Aufmerksamkeit galt dem Interview der älteren Dame. So merkte er gar nicht, daß sich der Butler neben ihn schob. Dann aber mußte er doch Notiz nehmen. Jemand rempelte ihn an und entschuldigte sich auch schon mit einer höflichen und kulti-
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viert klingenden Stimme. »Man hofft, Sie können einem müden, alten und relativ verbrauchten Mann verzeihen, Sir«, beschwor ihn der Mann, der wie ein Butler aussah und schwache Resonanz in seinem Gedächtnis auslöste, ohne daß diese letztlich zu einem greifbaren Resultat führte. Er hatte auch gar keine Gelegenheit, weiter darüber nachzudenken. Der Butler hielt auf einmal eine kleine Bürste in der Hand und fuhr damit über das fadenscheinige Revers seines abgetragenen grauen Anzugs. »Nur ein kleiner Fleck, Sir, aber das gibt sich gleich«, murmelte der Butler und bürstete, als ginge es um sein Leben. Der graue Mann indes fragte sich nicht, wieso ein harmloser Rempler einen Fleck produziert haben sollte. Die Szene war ihm irgendwie peinlich, einige Leute in der Nähe blickten schon herüber. »Lassen Sie das’ doch, ist ja schon gut«, wehrte der Ausgemergelte ab und schob die Hand mit der Bürste beiseite. »Wie Sie meinen, Sir. Darf meine Wenigkeit Ihnen noch einen angenehmen Tag wünschen?« Der Mann in Grau atmete erleichtert auf und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Geschehen um die ältere Dame zu. * Er konnte kein achtbarer Profi sein, fand der Butler, der nur wenige Schritte gegangen war und im Schutz des Sendewagens einer privaten TV-Anstalt den Inhalt einer Brieftasche inspizierte, die er dem grauen Mann beim Bürsten abgenommen hatte. Sie enthielt nicht nur Führerschein, Fahrzeugpapiere und eine Impfbescheinigung, sondern auch einen gültigen Ausweis sowie die Mitarbeiterkarte eines Zeitschriften-Verteildienstes. Der Mann hieß Joseph Ferris, war einundfünfzig und wohnte in Finsbury. Ein Blick zu dem Menschenauflauf zeigte Parker, daß Mylady noch immer beschäftigt war. Er hatte also Zeit, sich noch in der Gegend umzusehen und zum Beispiel Ferris’ Wagen zu suchen. Parker brauchte nicht lange, bis er ihn entdeckte. Er hatte sich die Zulassungsnummer und den Typ aus den Wagenpapieren eingeprägt und stand nur fünf Minuten später vor einem kleinen
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Ford, der mal grün gewesen war, dessen stumpfer Lack jetzt aber eher eine schlammfarbene, graugrünbraune Mischung zeigte. Die Tür war offen, und niemand in der Nähe nahm Notiz von dem Butler, als er den vergammelt wirkenden Wagen bestieg. Er brauchte nicht lange, um ihn zu durchsuchen. Doch bei der Rückkehr passierte ihm ein neuerliches Mißgeschick. Als er wieder an dem kleinen grauen Mann vorbeikam, streifte er ihn erneut. Offensichtlich übte der Typ einen unwiderstehlichen Reiz auf ihn aus. »Es ist meiner Wenigkeit ausgesprochen peinlich«, versicherte Parker, während er dem Mann geschickt die Brieftasche wieder zusteckte. »Schon gut, schon gut, lassen Sie mich nur endlich in Ruhe«, knurrte der Mann, der deutlich genervt schien. Aufatmend sah er zu, wie der Butler sich entfernte, und wandte sich wieder der älteren Dame zu, um jedes Wort aufzuschnappen, das sie von sich gab. »… natürlich ein wenig zur Hand gegangen«, sagte die passionierte Detektivin gerade und sah sich suchend um. Ihr Blick traf den Butler, und sie winkte munter. Ein vorwitziger TV-Vertreter hatte die Idee, Parker neben seiner Herrin abzulichten und griff nach seinem Ärmel. »Sie sind doch dieser Butler, nicht wahr?« sagte er und wollte ihn vor die Kamera dirigieren. »Stellen Sie sich doch mal neben Ihre Chefin und lächeln Sie, das gibt ‘ne Bombenaufnahme.« »Millionärin und ihr Butler halten Posträuber auf«, murmelte ein anderer Medienmann und kritzelte eifrig in seinem Block. »Oh, Mann, was für ‘ne, Story!« »Kommen Sie nur, Mister Parker, schließlich haben Sie mir ja geholfen.« forderte Lady Agatha ihren Butler freundlich auf und winkte erneut. Parker verzog keine Miene. Schließlich stand einem hochherrschaftlichen Butler nicht zu, Gefühlsregungen zu zeigen. Tief in seinem Innersten gab er allerdings zu, peinlich berührt zu sein. Er wehrte den Mann ab, der ihn so nachdrücklich am Ärmel zupfte, und lüftete in Richtung seiner Herrin grüßend die Melone. »Es eignet sich für einen Butler nicht, mit seiner Herrschaft auf einer Stufe zu stehen«, teilte er den Medienvertretern mit. »Meine Wenigkeit muß deshalb Ihre Bitte um das gewünschte Bild abschlägig bescheiden.«
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Die Journalisten waren begeistert. Die Story wurde immer besser… ein waschechter Butler, der selbst jetzt, nachdem er einen Raubüberfall vereitelt hatte, kühl und unnahbar blieb…wunderbar! In einigen Presseleuten kam sogar so etwas wie Stolz auf: Wo sonst – außer in England – gab es noch so typische Butler? Der graue Mann, mit dem Parker zweimal zusammengestoßen war, zuckte unangenehm berührt zusammen. Auf einmal wußte er wieder, wo er seinen Kontrahenten gesehen hatte. War es Zufall, daß der Butler mit ihm zusammenstieß? Wie auch immer, der graue Mann beschloß, sich vorsichtshalber abzusetzen. Er drängte sich durch die umstehenden Menschen, warf einen letzten Blick auf die Interview-Szene und eilte zu seinem Wagen. Gleich darauf fuhr er an, hielt aber bereits zwei Straßen weiter an einer Telefonzelle. Es wurde höchste Zeit, daß er Bericht erstattete. * »Ihr Name ist wieder mal in aller Munde, Mylady«, stellte am späten Nachmittag Mike Rander fest. Der Anwalt und ehemalige Arbeitgeber Parkers war um die vierzig und ähnelte einem bekannten James Bond-Darsteller. Er war groß, schlank und durchtrainiert und demonstrierte die selbstverständliche Lässigkeit desjenigen, der um seine geistige und körperliche Fitneß wußte. Neben ihm saß Kathy Porter, offiziell noch immer Myladys Sekretärin und Gesellschafterin, die aber schon seit geraumer Zeit in der Kanzlei des Anwalts arbeitete und auch in dessen Haus in der Curzon Street wohnte. Kathy war rund zehn Jahre jünger als Mike Rander, ausgesprochen attraktiv, groß und schlank und scheinbar sehr zurückhaltend. Bei der geringsten Gefahr konnte sie sich jedoch in eine Pantherkatze verwandeln und beweisen, daß ihr fernöstliche Verteidigungskünste vertraut waren. »Ich staune immer wieder, wie Sie es fertigbringen, ständig in einen Kriminalfall verwickelt zu werden, Mylady«, bemerkte Kathy Porter und lächelte freundlich. Agatha Simpson war erst lange nach der gewohnten Lunchzeit nach Hause gekommen. Die Interviews hatten viel Zeit bean-
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sprucht, und entgegen ihrer sonstigen Art war sie nie ungeduldig geworden. Den Vorwurf, eitel zu sein, hätte sie natürlich, wäre sie damit konfrontiert worden, weit von sich gewiesen. Andererseits fand sie, hatte die Öffentlichkeit ein Recht darauf zu erfahren, wie beherzt sie sich für Recht und Ordnung einsetzte. Nach kurzer Meditation hatte sie die »Kinder«, wie sie Kathy Porter und den Anwalt nannte, angerufen und zum Tee geladen. »Nun ja, Kindchen, Sie kennen meine Intuition«, führte die Hausherrin zum wiederholten Mal an diesem Tag ihre erstaunliche Begabung ins Feld. »Ich kann gar nicht anders. Ich wittere sozusagen das Verbrechen, wie gut es sich auch immer getarnt hat.« »Sogar im dicksten Rauch«, warf Mike Rander ein und zwinkerte seiner Begleiterin ironisch zu. »Richtig, mein lieber Junge, auch Rauch verwirrt meinen kriminalistischen Spürsinn nicht.« Mylady entging der Spott in Mike Randers Stimme, der natürlich freundschaftlich und gutmütig gemeint war. Sie ließ ihre Blicke über die Tafel schweifen und entschied sich dann für einen Rumfrüchtekuchen, den Parker erst eine Stunde zuvor aus einer Spezialbäckerei hatte liefern lassen. »Schade, daß das Fernsehen erst am Abend etwas darüber bringen wird«, meinte Mylady, während sie einen Klecks Sahne auf den Kuchen häufte. »Ich denke, ich habe einen ganz guten Eindruck hinterlassen.« »Das steht außer Frage, Mylady«, war sich Mike Rander sicher. »Aber im Radio habe ich schon von der Sache gehört, Heute nachmittag kamen ja auch Extrablätter heraus. Hier, sehen Sie mal.« Er griff hinter sich und reichte der Hausherrin einige davon über den Tisch zu. Mylady vergaß erstaunlicherweise ihren Kuchen und widmete sich den Schlagzeilen. »Etwas mehr Mühe hätte sich der Fotograf schon geben können«, monierte sie, während sie ihr Bild betrachtete. »Ich hatte schließlich kurz vorher mein Haar gerichtet.« Dann vertiefte sie sich in den Text und gab mehrfach bei der Lektüre zustimmende Laute von sich. »Alles in allem recht ordentlich«, fand sie schließlich. »Sie werden übrigens auch erwähnt, Mister Parker.« »Verbindlichen Dank, Mylady.« Parker deutete eine Verbeugung an.«
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»Ja, man schreibt, Sie hätten anschließend die Ganoven gefesselt«, konnte sich der Anwalt die kleine Spritze nicht verkneifen. Er konnte sich Parker gegenüber diesen vertraulichen Ton allerdings auch leisten. Das Verhältnis der beiden Männer war seit ihrer gemeinsam in den USA verbrachten Zeit außerordentlich gut und von gegenseitigem Vertrauen und Respekt getragen. »Das ist in der Tat richtig, Sir«, gab der Butler gemessen und würdevoll zurück. Agatha Simpson, auf die die kleine Spritze eigentlich gemünzt war, reagierte nicht darauf. Selbstverständlich wußten sowohl der Anwalt als auch Kathy Porter, daß Josuah Parker Myladys Fälle löste und oft genug seine schützende Hand über sie hielt, wenn sie wieder mal allzu ungestüm vorpreschte. »Sie können die Zeitungen hier lassen. Ich werde sie später eingehend studieren«, bemerkte die passionierte Detektivin. »Vielleicht schneide ich die Artikel sogar aus und lege sie ab.« »Als Materialsammlung, Mylady?« tippte Mike Rander an. »Natürlich, mein Junge, was denn sonst?« wunderte sie sich. »Haben Sie eigentlich schon mit dem Drehbuch angefangen, Mylady?« setzte Kathy Porter das Thema fort. »Wie denn, Kindchen, wenn ich dauernd in neue Fälle verwickelt werde?« Die ältere Dame seufzte und breitete ihre Arme in einer Geste gespielter Hilflosigkeit aus. Lady Agatha plante seit langem, einen Bestseller zu schreiben, der eine gewisse Agatha Christie auf Anhieb auf den literarischen Rang hinter ihr verwies. Josuah Parker hatte seiner Herrin zu diesem Zweck ein Studio eingerichtet, in dem es an nichts fehlte. Leider war Mylady noch nicht dazu gekommen, eines der High-Tech-Geräte in Gebrauch zu nehmen oder auch nur einen Bogen Papier einzuspannen. Lady Agatha räusperte sich explosionsartig und kam wieder auf den aktuellen Fall zurück. »Es ist natürlich ein bodenloser Leichtsinn von den Postleuten, soviel Geld in einem kleinen Amt aufzuwahren«, tadelte sie. »Ich verstehe gar nicht, was die mit soviel Geld wollten«, wunderte sich Kathy Porter. »Es war doch nur ein kleines Postamt in einer Nebenstraße, nicht wahr?« »Das Geld war für die Rentenzahlungen bestimmt, wie der Chef des Hauses erklärte«, erinnerte sich Josuah Parker.
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»Ach ja, heute ist es ja wieder mal soweit«, fiel Mike Rander ein. »Dann ist es bestimmt kein Zufall, daß die Ganoven zuschlugen.« »Drei Leute hat man dank Ihnen verhaften können, nicht wahr, Mylady?« Kathy Porter sah die Hausherrin fragend an. »Stimmt, Kindchen, nur einer ist entkommen.« Die ältere Dame richtete den Blick auf den Butler. »Ich kann mich wirklich nicht um alles kümmern, Mister Parker. Sie hätten den Mann im Augen behalten müssen.« »Meine Wenigkeit ist untröstlich, Mylady«, versicherte der Butler. »Aber man gibt sich der Hoffnung hin, daß der flüchtige Räuber früher oder später gefaßt wird.« »Und zwar von mir«, stellte sie selbstbewußt fest. »Außer dem Räuber fehlt ein weiterer Mann«, fügte der Butler hinzu. »Mylady erinnern sich an jenen Gentleman, der den Feueralarm auslöste.« »Was hat der denn damit zu tun?« wunderte sie sich. »Der hat doch nur gesehen, wie aus einer Ecke Rauch aufstieg, und ist in Panik geraten.« »Mylady lassen sich auch in diesem Fall nicht täuschen«, schickte der Butler voraus. »Der Feuermelder, wenn man den Herrn mal so titulieren darf, dürfte ein Komplice der Räuber sein.« »Das ist mir von Anfang an klar«, behauptete die Detektivin umgehend. »Ich wollte nur mal sehen, ob Sie auch so denken.« »Man hofft, den Test bestanden zu haben, Mylady.« »Haben Sie, Mister Parker! Aber hätten Sie nicht wenigstens den Mann festhalten können?« »Man verfügt über ein Bild, sowie über alle wichtigen Daten«, gab Parker zurück. »Man kann den Herrn jederzeit besuchen, sowohl zu Hause als auch am Arbeitsplatz.« »Man merkt, daß Sie von mir gelernt haben, Mister Parker«, stellte die ältere Dame zufrieden fest. »Verbindlichsten Dank, Mylady. Haben Mylady schon Pläne, was den weiteren Verlauf des neuen Falles betrifft?« »Und ob, Mister Parker.« Lady Agatha lächelte ausgesprochen glücklich. »Ich werde mit der königlichen Postverwaltung Verbindung aufnehmen und meine Belohnung aushandeln. Die habe ich mir schließlich redlich verdient.« *
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Josuah Parker schritt zum Telefon, meldete sich formvollendet und mußte mit Befremden registrieren, daß der Anrufer nicht daran dachte, seinen Namen zu nennen. »Hören Sie gut zu, Mann«, kam er gleich zu Sache. »Was ich zu sagen habe, sage ich nur einmal. Also passen Sie auf! Sie haben mir heute die Tour vermasselt, das heißt, um genau zu sein, Ihre Chefin. Ich bin sauer auf Sie!« »Sie gehören zu den Feuermeldern, Sir?« »Feuermelder? Wer soll das denn sein?« reagierte der anonyme Anrufer verdutzt. »Meine Wenigkeit vergab diesen Namen intern, Sir«, erläuterte der Butler gemessen und würdevoll. Er hatte einen Kassettenrecorder zum Mitschneiden eingeschaltet. »Aha, na gut, meinetwegen können Sie uns so nennen. Sie haben uns heute um viel Geld gebracht, Parker, und das finde ich sehr schlimm. Ich nehme das auch nicht so einfach hin. Ihre Chefin hat da mächtig vor Presse, Funk und Fernsehen getönt. Ich werde kein großes Aufheben um die Sache machen, aber sie schuldet uns natürlich Schadenersatz. Es war von fünfzigtausend Pfund die Rede, die meine Leute zurücklassen mußten. Die will ich komplett wiederhaben.« »Die Ihnen aber keineswegs und mitnichten gehörten«, ließ sich Parker nicht beeindrucken. »Keine Haarspaltereien, Mann! Ohne Sie und Ihre Chefin wäre das jetzt mein Geld! Außerdem sitzen jetzt drei meiner Leute fest. Das kostet viel Geld für den Anwalt. Ich denke, mit sechzigtausend sind Sie dabei.« »Meine Wenigkeit hat Sie möglicherweise nicht recht verstanden, Mister.« Josuah Parker zeigte sich nach wie vor unerschütterlich. »Sie fordern von Mylady sechzigtausend Pfund?« »Als Verdienstausfall und Schadenersatz. Dabei kommen Sie noch glimpflich weg, normalerweise reagiere ich nämlich härter, wenn man mir an die Karre fährt.« »Womit Sie ausdrücken wollen, daß jemand, der sich zu einer solchen Handlungsweise hinreißen läßt, mit körperlichen Schäden zu rechnen hat?« »Menschenskind, haben Sie ‘ne Ausdrucksweise, einfach köstlich! Aber stimmt, es soll Leute geben, die so was nicht überlebt haben.«
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»Soll und muß man diesen Hinweis als Drohung auffassen?« »Das liegt ganz bei Ihnen. Also, sagen Sie der alten Tante Bescheid, ich melde mich morgen wieder, um Ihnen zu sagen, wann und wo Sie das Geld abliefern. Und noch etwas, Parker: Lassen Sie die Polizei aus dem Spiel, sie würden die Sache nur noch teurer machen!« Bevor der Butler antworten konnte, legte der Anrufer auf. Josuah Parker zog den Stecker des Rekorders aus der Steckdose, stellte das Gerät auf ein Silbertablett und trug es in den kleinen Salon, wo Mylady gerade wieder sehr anschaulich von ihrem Abenteuer im Postamt erzählte. »Was hat das zu bedeuten, Mister Parker? Möchten Sie mir ein Musikprogramm anbieten?« »Nicht ganz, wie Mylady meinen, es dürfte eher ein Hörspiel sein.« »Später, Mister Parker. Ich werde es mir anhören, wenn ich Zeit habe.« »Pardon, Mylady, es handelt sich um die Aufzeichnung eines Gespräches, das meine Wenigkeit soeben führte. Ein unbekannter Anrufer verlangt von Mylady die Summe von sechzigtausend Pfund.« »Nanu, was haben Sie denn da eingekauft?« lästerte der Anwalt, der die Zusammenhänge ahnte. »Ich muß doch sehr bitten, Mister Parker, wenn es um Geld geht, scherzt man nicht.« antwortete die ältere Dame. »Der Anrufer fordert von Mylady die Summe als Verdienstausfall und Schadenersatz. Er macht Mylady für einen entsprechenden Verlust verantwortlich.« »Das ist ja unerhört! Also schön, Mister Parker, spielen Sie das Band vor.« »Jetzt kommt Schwung in den Fall.« konstatierte die Detektivin, nachdem sie die Aufzeichnung gehört hatte. »Der Lümmel wird seine Frechheit noch bereuen, aber das nur nebenbei. Leider ist der Fall damit praktisch schon wieder gelöst, eigentlich schade.« »Wieso denn, Mylady?« wollte Kathy Porter wissen. »Ich werde natürlich für die Geldübergabe eine Falle stellen«, kündigte sie an. »Mister Parker wird sich dazu etwas einfallen lassen. Und dann schnappe ich mir den Strolch.« »Meinen Sie, daß das so einfach ist, wie es klingt?« zweifelte der Anwalt.
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»Wenn Mister Parker richtig plant, geht alles gut«, gab sie die Verantwortung weiter und erhob sich. »Ich ziehe mich zurück und meditiere, vielleicht schreibe ich sogar einige Zeilen.« »Die ich anschließend lesen darf, Mylady?« fragte Kathy Porter. »Es bringt Unglück, ein unfertiges Manuskript aus der Hand zu geben, Kindchen«, lehnte sie schlagfertig ab. »Künstler sind da richtig abergläubisch, glauben Sie mir.« * Josuah Parker befand sich in der Küche, um die Vorbereitungen für das Dinner zu treffen, als sich die Haustürklingel meldete. Er begab sich gemessen und würdevoll in die große Wohnhalle und blieb im verglasten Vorflur stehen. Dort öffnete er eine Klappe an der Wand und schaltete einen installierten Monitor ein. Rings um Haus und Vorplatz waren Kameras angebracht, die eine perfekte Überwachung von Myladys Besitz gewährleisteten. Die Kamera über dem Vordach zeigte das nach oben geneigte Gesicht eines Mannes, der Mitte fünfzig sein mochte und mit ein wenig vorstehenden Basedowaugen den Eindruck einer leicht gereizten Bulldogge vermittelte. »Guten Tag, Mister Parker«, grüßte der Besucher. »Wenn Sie mir bitte öffnen würden?« »Sofort, Sir.« Der Mann vor der Tür war der gute Bekannte des Hauses Simpson. Chief-Superintendent McWarden kannte natürlich die Sicherheitsvorkehrungen, die der Butler, als er in Myladys Dienste trat, hatte einbauen lassen. Parker schaltete die Überwachungsanlage ab und öffnete die Tür. Dann trat er beiseite, ließ den Besucher ein und deutete eine höfliche Verbeugung an. »Man freut sich außerordentlich, Sie wieder im Hause Myladys begrüßen zu dürfen«, sagte er, während der Mann von Scotland Yard an ihm vorbei die Wohnhalle betrat und sich suchend umblickte. »Mylady meditiert wohl nach dem Tee?« zeigte er umfassende Kenntnisse von den Gepflogenheiten der Hausherrin. »In der Tat, Sir, soll meine Wenigkeit nachfragen, ob Mylady Zeit für Sie hat?«
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»Das ist nicht unbedingt nötig, Mister Parker. Eigentlich wollte ich mich mehr mit Ihnen unterhalten.« Der Chief-Superintendent nahm in einem breiten Ledersessel Platz und nickte dankend, als der Butler ihm unaufgefordert einen Sherry servierte. McWarden leitete im Yard ein Sonderdezernat zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens und unterstand direkt dem Innenminister. Er galt als einer der fähigsten Kriminalisten der Insel und konnte auf beachtliche Erfolge zurückblicken. Dennoch suchte er immer wieder gern den Kontakt zum Hause Simpson. Er schätze Myladys ungeniertes Vorgehen, die schon so manchen Kriminellen zu Fehlern verleitet hatte, ihre exzellenten Beziehungen und die nahezu unbeschränkten Mittel, die sie zur Ausübung ihres Hobbies einsetzen konnte. Vor allem aber suchte er den Rat und den Beistand des Butlers, denn er wußte natürlich, daß in Wirklichkeit Parker die Fälle löste. Er staunte immer wieder über Parkers Ideen- und Trickreichtum und genierte sich auch nicht, davon zu profitieren. »Sie haben einen bestimmten Grund für diesen Besuch, Sir?« erkundigte sich der Butler. »Das können Sie sich doch denken.« McWarden lachte leise und zog einige Zeitungen aus der Tasche. »Extrablätter mit Mylady als Hauptperson«, stellte er fest. »Ich weiß wirklich nicht, wie sie es fertigbringt, in immer neue Fälle zu stolpern, Mister Parker.« »Reiner Zufall, Sir«, bot Parker als lakonisch kurze Erklärung an. »Na, ich weiß nicht.« Der Mann vom Yard schüttelte den Kopf.»Wie auch immer, wir müssen Ihnen dankbar sein. Endlich haben wir jemanden von dieser Bande. Zwar sieht es im Moment nicht so aus, als wenn die Kerle reden würden, aber immerhin.« »Sie sprechen von einer Bande, Sir? Der Überfall im Königlichen Postamt ist also nicht der erste seiner Art?« »Deswegen bin ich ja hier, Mister Parker. Leider kennen wir das Strickmuster schon. Man zündet Rauchtöpfe oder ähnliches in Banken, Postämtern, oder wo immer Geld zu holen ist. Irgend jemand schreit dann »Feuer, Feuer«, und während die Leute panikartig das Weite suchen, räumen die Ganoven in aller Ruhe Tresore und Kassen aus.« »Meine bescheidene Wenigkeit kann sich nicht erinnern, von derartigen Vorfällen aus den Medien erfahren zu haben«, wunderte sich der Butler.
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»Wir haben uns bemüht, die Sache klein zu halten, wir wollen keine Nachahmer provozieren. Aber insgesamt hat es in den letzten drei Monaten acht solcher Raubzüge gegeben, dreimal waren Banken die Opfer, zweimal Postämter und dreimal teure Geschäfte.« »Mit anderen Worten, hier hat eine Bande eine neue Masche gefunden, Sir.« »Genau. Und bis jetzt haben wir nicht den geringsten Hinweis. Deshalb sind wir ja so froh, daß Sie die Burschen im Postamt dingfest gemacht haben.« »Leider sind zwei Herren entkommen, Sir: Ein Räuber sowie der sogenannte Feuermelder, wie man den Mitarbeiter nennt, der den Feueralarm lautstark ausruft.« »Sie haben nicht rein zufällig noch einige Informationen für mich, Mister Parker? Sie halten doch nichts zurück?« »Ein derartiges Verhalten würde man sich keineswegs und mitnichten erlauben, Sir«, gab Parker zurück. »Ja, ich weiß. Sie vergessen nur manches, wenn Sie das für notwendig halten. Wenn Ihnen zu dem Thema noch etwas einfällt, rufen Sie mich bitte an.« Damit erhob sich McWarden und schritt zur Tür. Beim Aufstehen rutschte ihm ein Zettel aus der Tasche, aber weder er noch Parker schienen dies zu bemerken. * Die beiden Männer sahen vertrauenerweckend und seriös aus. Sie trugen gutgeschnittene, graue Anzüge, auf Hochglanz polierte schwarze Schuhe, bluten weiße Hemden und dezent gemusterte Krawatten. In den Händen hielte sie schmale Aktenkoffer der gehobenen Preisklasse, wie Josuah Parker mit Kennerblick feststellte. Auch in physischer Hinsicht gab es eine erstaunliche Übereinstimmung. Beide waren etwa gleich groß, schlank, braungebrannt und trugen ihr Haar militärisch kurz. Alles in allem wirkten sie wie erfolgreiche Jungmanager der Vertriebsspezialisten. Ohne zu wissen, daß sie vom Okular einer Videokamera beobachtet wurden, zeigten sie synchron ein wie festgeklebt in ihren Gesichtern hängendes Lächeln, das durchaus auch als Zahnpastareklame hätte dienen können.
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Es war zehn Uhr Morgens, recht früh zwar für einen Besuch, aber durchaus keine unschickliche Zeit. Lady Agatha hatte das reichhaltige Frühstück hinter sich und studierte ausgiebig die Zeitungen. Sie ergötzte sich an den Schilderungen ihrer Taten und war daher blendender Laune. Das Läuten an der Haustür hatte sie verständlicherweise nicht gehört, wohl aber der Butler, der vor dem Kontrollmonitor der Überwachungsanlage stand und die beiden Frühbesucher aufmerksam musterte. Die etwa dreißigjährigen Männer wurden allmählich ungeduldig. Der links Stehende verlor sein Lächeln und beugte sich etwas vor, um noch mal zu klingeln. Dann richtete er sich wieder auf, verzog die Lippen und starrte erneut auf die Tür. Josuah Parker schaltete die Übertragungsanlage ein und meldete sich formvollendet. »Man wünscht einen außerordentlichen schönen guten Morgen«, grüßte er. »Darf man fragen, wer aus welchem Grund Einlaß begehrt?« Die beiden Männer sahen sich an und zuckten die Achseln. Mit einer derartigen Ansprache hatten sie nicht gerechnet. Der links Stehende, der das Kommando zu haben schien, übernahm mit wohltönender Stimme, der man die Schulung anmerkte, die Vorstellung. »Guten Morgen, Frank Belter und Tom Finnegan von der Verlagsgruppe Moderne Medien-Welt. Wir hätten gern die Hausherrin gesprochen.« »Die Herren haben möglicherweise einen Termin vereinbart?« fragte Parker nach, wohl wissend, daß dem nicht so war. »Nein, aber wir möchten die Besitzerin des Hauses gerne für unsere Publikationen interviewen. Außerdem möchten wir ihr ein interessantes Angebot unterbreiten, wir denken an ein Buch und vielleicht sogar an einen Film. Wir würden uns freuen, wenn sie vielleicht eine Viertelstunde Zeit für uns hätte. Wir sind sicher, daß sie unser Angebot interessieren wird, es ist wirklich attraktiv.« »Meine Wenigkeit wird nachfragen. Wenn die Herren sich einen Augenblick gedulden wollen?« »Eine Buchveröffentlichung, Mister Parker?« Diese Aussicht ließ Mylady sogar ihre schmeichelhafte Lektüre vergessen. »Man sprach außerdem von einer möglichen Verfilmung, Mylady«, wiederholte der Butler das Angebot der Jungmanager.
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»Lassen Sie die Herren herein. Worauf warten Sie noch, Mister Parker?« Lady Agatha erhob sich und sah den Butler mit funkelnden Augen an. »Ist noch genug Kaffee da für unseren lieben Besuch? Wenn nicht, sollten Sie gleich neuen aufbrühen.« »Mylady hegen keinerlei Mißtrauen?« wagte der Butler ihre Euphorie ein wenig zu stören. »Mißtrauen? Warum denn?« Lady Agatha lachte leise. »Meinen Sie etwa, ich würde mich von den beiden Lümmeln übers Ohr hauen lassen? Das wird mit Sicherheit nicht passieren. Glauben Sie, daß hunderttausend Pfund als Vorschuß auf das Buch angemessen sind.« »Die Herren sehen sehr erfolgreich aus, Mylady«, antwortete Parker ausweichend. »Ihrem Arbeitgeber scheint es honorig zu gehen.« »Das höre ich gern, Mister Parker.« Lady Agatha strahlte. »Und dann auch noch ein Film. Wissen Sie, was das bedeutet?« »Mylady könnten meiner bescheidenen Wenigkeit einen kleinen Tip geben?« »Da wird zweierlei gebraucht, Mister Parker«, zählte sie auf und hob einen Finger. »Erstens ein erstklassiges Drehbuch, das werde ich natürlich liefern.« Neben der Niederschrift eines sensationellen Bestsellers plante Mylady ebenfalls schon seit langer Zeit, ein aufsehenerregendes Drehbuch zu verfassen. Die augenblicklich auf diesem Gebiet tätigen »Kollegen« hielt sie samt und sonders für Stümper und Langeweiler. »Und zweitens braucht man eine ausdrucksstarke Hauptdarstellerin«, fuhr Mylady fort und stellte einen zweiten Finger zum ersten. »Die liefere ich auch. Ich werde die Rolle übernehmen.« »Niemand als Mylady selbst könnte das Publikum überzeugen«, wußte der Butler und deutete eine Verbeugung an. »Hauptdarstellerinnen sind natürlich teuer«, sagte sie. »Insbesondere dann, wenn sie quasi ihre eigene Rolle spielen und deshalb besonders überzeugend wirken. Ich überlege, ob ich mir eine Beteiligung am Einspielergebnis zusagen lasse.« *
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Lady Agatha musterte die Besucher ausgesprochen wohlwollend. Ihre äußere Erscheinung war beeindruckend, ihr Auftreten tadelsfrei. Sie traten in die große Wohnhalle, bedankten sich höflich und blieben dann vor der Hausherrin stehen. »Guten Morgen, Mylady, Frank Belter und Tom Finnegan von der Modernen Medien-Welt.« Die beiden Jungmanager deuteten eine Verbeugung an. »Nehmen Sie bitte Platz, meine Herren. Mister Parker wird Kaffee und Sherry servieren. Sie möchten mir einen interessanten Vorschlag machen?« . »Das stimmt, Mylady.« Frank Belter, Wortführer der beiden, beugte sich vor und sah der Hausherrin in die Augen. »Der von Ihnen verhinderte Raubüberfall im Postamt hat ja bereits Schlagzeilen gemacht«, fuhr er fort. »Wir haben inzwischen einige Recherchen angestellt und erfahren, daß das nichts Neues für Sie ist.« »Keinesfalls, junger Mann.« Lady Agatha nickte freundlich. »Ich bin in der Unterwelt gefürchtet. Ist es nicht so, Mister Parker?« »In der Tat, Mylady«, bestätigte der Butler. Er hatte Kaffee und Sherry serviert und stand stocksteif und hochaufgerichtet hinter ihrem Sessel. »Sie sind die ideale Hauptfigur für einen Roman ganz neuen Typs, wie er unserem Verlag vorschwebt. Wir wollen Geschichten veröffentlichen, die authentisch sind, ohne dabei in die Langeweile reiner Dokumentation zu verfallen.« »Genau so etwas schwebt mir auch schon lange vor«, behauptete die ältere Dame und lächelte versonnen. »Bei mir sind Sie durchaus an der richtigen Adresse.« »Sehr schön.« Frank Belter nickte beifällig. »Sie haben den Ganoven einen herben Schlag versetzt, Mylady. Die Polizei spricht davon, daß sich zum Zeitpunkt des Überfalls rund fünfzigtausend Pfund an Bargeld im Tresor und in den Kassen befanden, die für Auszahlungen bestimmt waren.« »Nun ja, das ist nicht gerade viel, aber immerhin.« Lady Agatha lächelte ihre Besucher freundlich an. »Als Mensch, der sich sozusagen tagtäglich mit dem Verbrechen beschäftigt, sind Sie sicher besonders vorsichtig«, vermutete Belter. Parker hörte, daß sich seine Stimme um eine Nuance änderte und unterschwellig eine gewisse Spannung mitklingen ließ. »Ich
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könnte mir vorstellen, daß Sie zum Beispiel eine Alarmleitung zum nächsten Polizeirevier haben.« »Aber ich bitte Sie, junger Mann.« Lady Agatha hob abwehrend die Hand. »Das habe ich nicht nötig. Ich bin bisher mit jedem Kriminellen fertig geworden. Außerdem ist die Polizei ohnehin überlastet. Bis die hier ist… nein, nein, so etwas gibt es bei mir nicht.« »Interessant. Aber hat man denn noch nie versucht, sich an Ihnen zu rächen, Mylady?« »Das geschieht fast täglich«, übertrieb sie. »Aber alle Versuche sind kläglich gescheitert.« »Aha.« Frank Belter sah seinen Kollegen kurz an, dann wandte er sich wieder der Gastgeberin zu. »Aber Sie halten Ihre Bargeldvorräte knapp, oder?« setzte er seine Befragung fort. »Ich meine, man weiß ja, daß Sie vermögend sind. Das könnte gewisse Kreise anlocken.« »Um Geld kümmert sich Mister Parker. Aber ich denke, einige Banknoten habe ich immer im Haus«, winkte sie ab. »Aber das ist jetzt unwichtig. Kommen wir auf das Buch zurück.« »Wir sind schon dabei, Mylady. Um ehrlich zu sein, unsere Fragen galten der ersten Annäherung an Ihre Person, um es mal so auszudrücken.« »Es ist natürlich wichtig, über die Hauptperson soviel wie nur möglich zu wissen«, stimmte Mylady ihm zu. »Aber darüber brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen. Ich kenne mich selbst am besten. Und da ich das Buch schreibe, wird es keine Probleme geben.« »Wir wollen nur sichergehen, daß Sie auch dem Bild entsprechen, das sich die Öffentlichkeit von Ihnen gemacht hat, Mylady. Das ist sehr wichtig im Hinblick auf das Marketing.« »Nun ja, da ist wohl was dran.« Lady Agatha hüstelte diskret. »Und was genau meinen Sie damit?« »Die Leute müssen sich mit Ihnen identifizieren, damit das Buch ein Erfolg wird«, erläuterte Frank Belter geduldig. »Sie müssen ihre eigenen Erwartungen erfüllt sehen, damit sie das Buch kaufen. Wir wollen doch alle, daß es ein Bestseller wird, nicht wahr?« »Das ist eigentlich so gut wie sicher.« Agatha Simpson winkte nonchalant ab. »Mit mir als Autorin und Heldin kann das gar nicht anders sein. Und für wann ist die Verfilmung geplant?«
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»Nun, zunächst muß sich das Buch durchsetzen. Wenn es einige Zeit auf der Bestsellerliste steht, gehen wir sofort an die Verfilmung.« »Sehr schön.« Lady Agatha nickte beifällig. »Nun aber zu einem ganz wichtigen Punkt.« Sie rieb in der allgemein bekannten Geste Daumen und Zeigefinger aneinander. »Wie sieht es denn mit dem Honorar aus? Welches Angebot können Sie mir machen?« * Josuah Parker bereitete sich innerlich auf einen kleinen Zwischenfall vor. Das hatte seine Gründe. Zum einen waren die Visitenkarten der beiden Besucher Massenware, wie man sie in jedem Kaufhaus für wenig Geld bekam. Man mußte nicht mal lange darauf warten. Zum anderen hatte der Metalldetektor im Vorflur deutlich signalisiert, daß die Männer Eisenwaren in ihren Koffern verbargen. Das konnten natürlich auch harmlose Gegenstände sein, aber die Intensität der Anzeige ließ eigentlich nur den einen Schluß zu, daß die Herren bewaffnet waren. Belter stellte den Koffer auf seine Knie, klappte den Deckel hoch und griff hinein. Als die Hände wieder zum Vorschein kamen, hielten sie eine schwere Pistole, die der Mann auf die Hausherrin richtete. »Das ist unser Angebot, Mylady!« . Sein Benehmen änderte sich schlagartig. Hatte er sich bislang sehr höflich und verbindlich gegeben, so zeigte er sich jetzt zynisch und anmaßend, »Sie sind eben doch keine so tolle Nummer, wie Sie glauben, Mylady. In der Vergangenheit scheinen Sie viel Glück gehabt zu haben.« »Ihr Angebot entspricht nicht meinen Vorstellungen, junger Mann«, monierte die ältere Dame und trug eine gleichmütige Miene zu Schau. »Bedrohen Sie mich im Ernst, oder wollen Sie mich nur auf die Probe stellen?« »Das ist mein voller Ernst, Mylady, besser, Sie glauben mir.« Frank Belter wandte sich an seinen Kollegen. »Okay, laß die Jungs rein.« befahl er ihm. »Sie sind Abgesandte oder Mitglieder der sogenannten Feuermelder, Sir?« erkundigte sich Josuah Parker. »Feuermelder? Wer soll das sein?« wollte Belter wissen.
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»Jene kriminellen Herren, die unter Vortäuschung eines Brandes Panik verursachen und dann ihre Raubzüge durchführen, Mister Belter.« »Nicht schlecht, der Name gefällt mir.« Frank Belter lachte leise, dann runzelte er unwillig die Stirn. Tom Finnegan hatte die Glastür zum Vorflur erreicht und rüttelte vergeblich an der Klinke. Das hatte seinen guten Grund. Parker hatte das Schloß elektronisch verriegelt, nachdem er die Besucher eingelassen hatte. Auf herkömmlichen Weg ließ sich die Tür nicht öffnen. Auch Gewalt konnte ihr nur wenig anhaben. Sie war aus schuß- und schlagfestem Spezialglas und hatte schon so manchem Angriff widerstanden. »Was ist denn?« erkundigte sich Belter gereizt über die Schulter hinweg. »Ich kriege die verdammte Tür nicht auf«, fluchte Finnegan. »Irgendwie klemmt die.« »Was ist damit?« blaffte Belter den Butler an. »Ihr Kollege hat recht, Sir. Die Tür bereitet zuweilen gewisse Schwierigkeiten«, räumte der Butler ein. »Soll meine bescheidene Wenigkeit Mister Finnegan helfen?« »Ja… und beeilen Sie sich. Wir haben heute noch mehr vor.« »Wie Sie wünschen, Sir.« Josuah Parker schritt gemessen und würdevoll zur Glastür und betätigte dabei unauffällig eine Fernbedienung. Dann beugte er sich über das Schloß und tat so, als manipuliere er daran herum. Schließlich zog er die Tür auf. »Bitte, Sir.« Höflich trat der Butler beiseite, um Finnegan vorbei zu lassen. Der Mann hatte es eilig, achtete nicht darauf, daß Parker die Glastür wieder verschloß. »Kommen Sie.« Frank Belter hatte das Geschehen hinter seinem Rücken nur akustisch mitverfolgt, da er die Hausherrin im Auge behalten wollte. Parker kehrte in die Halle zurück und blieb dicht vor dem Bewaffneten stehen. »Haben Sie sonst noch einen Wunsch, Sir?« »Sie kommen sich wohl unheimlich cool vor, was, Mann?« Frank Belter grinste überheblich. »O Gott, mein Herz!« Lady Agatha stöhnte plötzlich in ihrem Sessel und griff an ihren voluminösen Busen. Frank Belter wurde abgelenkt und sah überrascht von Parker zu Agatha Simpson. Das war sein Verhängnis. Josuah Parker weißbehandschuhte Rechte fuhr nach unten und drückte die Hand mit der Pistole zur
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Seite. Übrigens hatte der Butler sofort gesehen, daß die Waffe noch nicht entsichert war, als er an den Tisch zurückkam. Belter schrie wütend und wollte seinen Fehler wiedergutmachen. Er sprang auf und wollte sich auf den Butler stürzen. Doch Parker hielt plötzlich den Aktenkoffer in der Hand und drückte ihn auf das ohnehin sehr kurze Haar seines Gegners. Der Koffer war nicht nur sehr teuer, wie Parker sofort gesehen hatte, sondern auch entsprechend solide. Belter zeigte sich beeindruckt, ließ die Pistole auf den dicken Teppich fallen, legte sich einen Augenblick später daneben. * »Der Mann scheint Probleme mit Türen zu haben.« Lady Agatha stand vor dem verglasten Vorflur und beobachtete Tom Finnegan, der wütend an der Eingangstür rüttelte. Auch die war natürlich elektronisch gesichert und nicht zu überwinden. »Ich werde ihm Gelegenheit geben, ein wenig über sein Ungeschick nachzudenken, Mister Parker.« Lady Agatha betrachtete aufmerksam das Schaltbrett hinter jener Klappe, die auch den Kontrollmonitor verbarg, dann klopfte sie energisch gegen die Glastür zwischen Vorflur und Halle und winkte dem Überraschten. Nach kurzem Zögern folgte Finnegan der Einladung und kam näher. Als er die Mitte des Flurs erreichte, ging Mylady wieder zur Schalttafel und legte einen Hebel um. Einen Augenblick später warf der junge Mann die Arme hoch und verschwand schreiend in einem Abgrund, der sich unter seinen Füßen auftat. Der Fußboden hatte einen Schacht freigegeben, an dessen Ende aufgetürmte Schaumstoffmatten allerdings den Sturz milderten. »Diese Einrichtung ist immer wieder faszinierend«, fand Mylady und schloß die Klappe. »Ich denke, ich ziehe mich jetzt ein wenig zum Meditieren zurück. Schaffen Sie bitte den anderen Lümmel gleichfalls in eines der Fremdenzimmer. Ich verhöre die beiden im Lauf des Nachmittags, Mister Parker.« Mit der Grandezza einer regierenden Monarchin stieg Agatha Simpson die breite Freitreppe zu ihren Privaträumen hinauf und entschwand Parkers Blicken.
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Der Butler wartete, bis er oben eine Tür klappen hörte, dann begab er sich zu dem glücklosen Jungmanager und lud ihn auf einen Servierwagen. * »Haben Sie möglicherweise einige Minuten Zeit, Sir?« erkundigte sich der Butler bei Mike Rander in der nahegelegenen Curzon Street. »Für Sie immer, Parker, das wissen Sie doch. Was gibt es?« Der Butler hatte die beiden Besucher in einem der sogenannten Gästeappartments untergebracht. Nur wenige Eingeweihte wußten von diesen Räumen im Souterrain des Hauses. Danach war er wieder nach oben gestiegen und hatte die Nummer des Anwalts gewählt, den er kurz über die Ereignisse dieses Morgens informierte. »Aha, die Feuermelder werden aktiv«, erwiderte Mike Rander. »Und wozu brauchen Sie mich, Parker?« »Es gibt noch einige Schläger, die einer der Besucher ins Haus holen wollte, als man die Situation unter Kontrolle zu haben glaubte, Sir. Dieses Herren sollten wohl Mylady und meine Wenigkeit für das Krankenhaus präparieren, um es mal so auszudrücken.« »Und die werden wir jetzt zusammen kassieren, ja?« freute sich der Anwalt. »Ich bin dabei, Parker, ich denke, ich bringe Kathy mit. Ein Pärchen ist immer unverdächtiger.« Die Schläger saßen zu diesem Zeitpunkt in einem VW-Bus nahe der Einfahrt zu Myladys altehrwürdigem Fachwerkhaus. Sie langweilten sich gründlich und sahen immer wieder ungeduldig auf die Uhr. Parker wußte natürlich, wo die Burschen sich aufhielten. Auch hier erwiesen sich die installierten Kameras als sehr hilfreich. Eine erfaßte den Bus und bot Parker ein gestochen scharfes Bild. »He, schaut mal, ist das nicht ‘ne scharfe Mieze?« Einer der auf der letzten Bank sitzenden Männer drehte sich um und sah ein Pärchen näher kommen, das sich angeregt unterhielt. »Genau meine Nummer«, meinte der Mann neben ihm und leckte sich die Lippen.
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»Die paßt doch gar nicht zu dem feinen Pinkel. So’n blutleerer Typ weiß doch gar nicht, was man mit so ‘ner Braut anfängt«, ließ sich der Fahrer vernehmen und griff nach der Türklinke. »He, Jungs, reißt euch zusammen. Jeden Augenblick müssen wir da rüber.« Der Beifahrer, der das Kommando führte, hatte Mühe, die Aufmerksamkeit seiner Männer zu finden. »Was meint ihr, was uns der Chef erzählt, wenn wir hinter einem Weiberrock hersteigen und dabei unseren Einsatz verpassen?« Diese Warnung zog. Der Chef war anscheinend jemand, mit dem nicht gut Kirschen essen war. Die Männer setzten sich murrend wieder auf ihre Plätze, starrten aber weiter nach draußen. Mike Rander und Kathy Porter blieben dicht hinter dem Bus stehen und fielen sich in die Arme. »Die Jungs da drin kriegen schon große Augen«, flüsterte der Anwalt ihr ins Ohr und zog sie noch dichter an sich. Kathy Porter stieg auf die Zehenspitzen und zeigte dabei ihre aufregenden Beine. Die Männer im Kleinbus reckten die Hälse und preßten die Gesichter gegen die Scheiben. »Verdammt, habt ihr noch nie ‘ne Frau gesehen?« ärgerte sich der Beifahrer. »Doch, aber die hier ist echt Spitze, Mann.« Der Fahrer neben ihm schielte angestrengt in den Rückspiegel. In diesem Augenblick erreichte Josuah Parker den Bus. Niemand schenkte ihm allerdings Beachtung. Er begab sich zur Beifahrerseite und registrierte, daß die Insassen nur Augen für das Pärchen hatten. Parker langte vorsichtig nach dem Türgriff und zog die Tür einen Spaltbreit auf. Mike Rander, der ihn über Kathy Porters Schulter hinweg bemerkte, wußte, was er zu tun hatte. »So, jetzt noch etwas mehr Temperament!« raunte er Kathy Porter zu und wirbelte sie herum. Ihr kurzer Rock flog hoch und enthüllten noch mehr von ihren Beinen. Kollektives Stöhnen im Bus war die Folge. Selbst der hartgesottene Beifahrer und Kommandoführer war beeindruckt. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und starrte gleichfalls angestrengt nach hinten. Parker nahm einen regulär aussehenden Kugelschreiber aus einer der zahlreichen Taschen seines Covercoats und verdrehte die beiden Hälften gegeneinander. Dann warf er das vermeintliche Schreibgerät in den Fußraum des Busses und drückte die Tür wieder zu.
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Einen Augenblick später stieg undurchdringlicher Nebel auf und hüllte den Innenraum des Fahrzeuges ein. Der Beifahrer versuchte die Tür aufzustoßen, doch Josuah Parker ließ das von außen nicht zu. Plötzlich stand auch Mike Rander auf der anderen Seite neben dem Bus und lehnte sich gegen die Fahrertür. Wenig später war alles vorbei. Die Insassen hatten sich dem natürlich absolut unschädlichen Sprühnebel ergeben und schnarchten um die Wette. »Nun, wie waren wir, Parker?« erkundigte sich Mike Rander lächelnd. »Außerordentlich überzeugend, Sir, besonders dank Miß Porters unbestreitbarer figürlicher Vorzüge.« »Sie können ja sogar Komplimente machen, Parker.« staunte der Anwalt. »Ganz herzlichen Dank, Mister Parker. Wenigsten ein Mann, der Komplimente verteilt.« Sie knuffte Rander liebevoll in die Seite. »Ich gehe zurück, oder werde ich noch gebraucht?« »Nein, du hast ausgedient«, reagierte Mike Rander lächelnd und wandte sich dann an den Butler. »Okay, was fangen wir jetzt mit den Knaben an?« »Man sollte die Herren an einen anderen Ort bringen, Sir. Wenn meine Wenigkeit vorschlagen darf, mit dem eigenen Wagen vorzufahren, während Sie den Bus übernehmen?« »In Ordnung. Ich hoffe, Sie lassen sich etwas Nettes einfallen?« »Wie wäre es mit einem Polizeirevier, Sir?« »Klingt nicht schlecht.« Mike Rander öffnete die Fahrertür und zog den Mann vom Sitz. Er legte ihn im Fußraum ab und stieg ein. Wenige Minuten später erschien das ehemalige Londoner Taxi, das Parker jetzt als Privatwagen diente, und setzte sich an die Spitze. * Das Polizeirevier lag in einer Seitenstraße. Vor dem grauen Gebäude parkten mehrere Streifenwagen, die aber allesamt unbesetzt waren. Josuah Parker stellte sein hochbeiniges Monstrum am Anfang der schmalen Straße ab und übernahm den VW-Bus von Mike Rander.
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Der Anwalt wiederum schlenderte die Straße hinunter, stieg die Stufen zum Revier hoch und begann, den Wachhabenden in dem kleinen Glasverschlag neben der Tür in ein Gespräch zu verwickeln. Rander erkundigte sich nach einer Adresse, die er sich anscheinend nur bruchstückhaft gemerkt hatte. Er nickte hin und wieder, während der Mann hinter der Scheibe ihm geduldig Erklärungen gab. Der Butler parkte inzwischen den VW-Bus, stieg nach hinten zu den schnarchenden Männern und prüfte noch mal die Ausrüstungsgegenstände. Es gab diverse Schuß- und Stichwaffen, Schlagstöcke und Ringe sowie Fahrradketten. Parker hatte die Schußwaffen schon vor der Abfahrt entladen und die Magazine unter die Sitze geschoben. Bier- und Whiskyflaschen, die er in den Bus gebracht hatte, wurden sorgfältig arrangiert. Sie kullerten auf dem Boden herum und lagen teilweise auf den Sitzen zwischen den Männern. Auch die Kleidung der Insassen hatte einiges abbekommen. Der Atem der Schläger paßte sich dem an und verriet etliche Promille. Allerdings hatte der Butler wieder mit seinem Spezialspray nachgeholfen, der diesen Eindruck zwar erweckte, tatsächlich aber keinen Alkohol enthielt und im übrigen ungefährlich war. Josuah Parker schloß die Türen und schlenderte am Revier vorbei. Mike Rander bemerkte ihn, begriff, was der freundliche Wachpolizist sagte, und verließ das Revier. Für den unbeteiligten Beobachter sah es so aus, als wollte er über die Straße gehen, wobei sein Blick zufällig auf den VW-Bus fiel. Rander trat näher, beugte sich in den Bus und machte dann umgehend kehrt. Der Wachhabende kam aus seinem Verschlag und eilte die Treppen hinab. Er entdeckte den VW-Bus, warf einen kurzen Blick hinein und schluckte. Dann eilte er ins Revier zurück und riß den Hörer von der Gabel. Eine Minute später kamen mehrere Polizisten und umstellten den Kleinbus. Langsam rollte das ehemalige Taxi die schmale Straße hinab. Ein leuchtendes Schild auf dem Dach verkündete, daß es frei war, und so trat Rander an den Straßenrand und winkte.
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Josuah Parker am Steuer nahm den vermeintlichen Fahrgast sofort auf. Niemand wäre auf den Gedanken gekommen, daß die Szene abgesprochen war. Parker hatte einige Besonderheiten des ehemaligen Taxis beibehalten. Dazu gehörte auch das Schild, das er bei Bedarf ausfahren konnte und das schon manchmal eine hervorragende Tarnung abgegeben hatte. Mike Rander stieg ein und warf die Tür hinter sich zu. Das hochbeinige Monstrum setzte sich in Bewegung. * Die ältere Dame hatte einen ausgiebigen Lunch hinter sich, der selbstverständlich den strengen Anforderungen jener Diät entsprach, mit der sie sich seit Jahr und Tag kasteite, sowie eine Stunde Meditation. Sie war topfit, vibrierte förmlich vor Tatendrang und sehnte sich nach einem Verhör. »Man könnte die Firma Moderne Medien-Welt aufsuchen«, schlug der Butler gemessen und würdevoll vor. »Danach sollte man sich mit einem gewissen Mister Joseph Ferris befassen.« »Ich bin einverstanden«, erklärte die passionierte Detektivin. »Nur, damit ich sehe, daß Sie auch wirklich auf dem laufenden sind, Mister Parker, was fällt Ihnen zu diesen Namen ein?« »Die beiden Besucher vom Vormittag behaupteten, von besagter Firma Moderne Medien-Welt zu kommen, Mylady. Mister Joseph Ferris ist jener Gentleman, der im Postamt den bedauerlichen Feueralarm gab.« »Ich bin genau im Bild, Mister Parker.« Lady Agatha nickte nachdrücklich.»Eigentlich wollte ich die Lümmel heute nachmittag verhören, aber vielleicht lasse ich sie auch bis morgen vormittag warten. Das dürfte ihre Aussagebereitschaft fördern. Woher kenne ich eigentlich den Namen dieses Harris?« »Joseph Ferris meinen Mylady unschwer. Meine Wenigkeit war so frei, ihn auf entsprechende Papiere zu visitieren, während er Myladys Interviews verfolgte.« »Der Lümmel ist natürlich nur eine Randfigur, nicht von Bedeutung«, ahnte sie. »Ein kleiner Handlanger, der nicht mehr weiß, als er unbedingt muß.«
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»Mylady erweisen sich wieder mal mehr als profunde Kennerin der kriminellen Szene«, lobte der Butler ungeniert. »Mir macht man nichts vor, Mister Parker.« Agatha Simpson lächelte still vor sich hin. »Es gibt eine interessante Parallele zu den beiden Herren vom Vormittag, Mylady«, fuhr der Butler gemessen und würdevoll fort. »Auch Mister Ferris arbeitet im Medien-Bereich. Laut eines Mitarbeiterausweis, den meine Wenigkeit in seiner Brieftasche fand, ist er bei einem Zeitschriftenvertrieb tätig.« »Der mit Sicherheit auch zu dieser dubiosen Medienanstalt gehört, Mister Parker.« »Davon sollte man ausgehen, Mylady. Die Moderne Medien-Welt dürfte die übergeordnete Organisation für die Bande der sogenannten Feuermelder sein.« »Ich werden diese Strolche stoppen, bevor sie richtig angefangen haben, Mister Parker. Wehret den Anfängen, wie ich immer zu sagen pflege.« »Man bittet um Verzeihung, Mylady, aber möglicherweise hat meine bescheidenen Wenigkeit es versäumt, einen weiteren Besuch zu erwähnen, der gestern nachmittag stattfand. Man muß bedauerlicherweise dem fortschreitenden Alter seinen Tribut zollen.« »Wovon sprechen Sie, Mister Parker?« erkundigte sich die ältere Dame argwöhnisch. »Mister McWarden gab sich gestern nachmittag noch die Ehre. Er erschien kurz nach dem Tee. Man wollte Mylady allerdings auch nicht bei der Meditation stören, Konzentration ist für Myladys Arbeit außerordentlich wichtig.« »Das stimmt allerdings.« Lady Agatha nickte heftig. »Ich habe mir Gedanken über mein Drehbuch gemacht. Sie sagen, McWarden kam kurz nach dem Tee? Da hat er ja eine Einladung versäumt, das ist doch sonst nicht seine Art. Und was wollte Mister McWarden?« fügte sie gutgelaunt hinzu. »Mister McWarden erfuhr von Myladys beherztem Eingreifen in dem Postamt und kam vorbei, um zu gratulieren«, berichtete Parker. »Bei der Gelegenheit erwähnte er, daß seit drei Monaten solche Raubüberfälle stattfinden. In diesem Zeitraum bisher acht, immer nach dem gleichen Schema wie der mißglückte Anschlag. Mister McWarden verlor beim Weggehen eine Notiz, in der die betreffenden Opfer aufgelistet waren, zusammen mit einigen
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Hinweisen auf mögliche Täter. Alles in allem tappt Scotland Yard jedoch noch im vielzitierten Dunkel.« »Das ist ja interessant. Aber noch interessanter ist es, daß die Polizei in drei Monaten nicht weitergekommen ist. Das läßt tief blicken, Mister Parker.« Der Butler verzichtete auf eine Erwiderung. Er kannte die Einstellung seiner Herrin nur zu gut. »Die Firma Moderne Medien-Welt«, meldete er statt dessen wenig später. Man rollte durch eine Industrieansiedlung im Londoner Norden. Die Gegend sah nicht gerade repräsentativ aus, aber das war vielleicht auch gar nicht notwendig. Die hier ansässigen Firmen hatten wohl nur wenig Publikumsverkehr. Es handelte sich vorwiegend um Speditionen und Lagerbetriebe sowie eine kleine Möbelfabrik und natürlich die Medien-Welt. »Ich kann mir immer noch nichts Rechtes unter dieser Firma vorstellen, Mister Parker«, gab Agatha Simpson von sich. »Was tun diese Leute?« »Die Herren Besucher heute morgen sprachen von einem Verlag, Mylady. Aber das könnte ein Vorwand gewesen sein, um sich Zutritt zu Myladys Haus zu verschaffen. Man dürfte in wenigen Minuten mehr wissen.« . »Ich hoffe nur, man ist nicht gleich zu redselig.« Lady Agatha griff unwillkürlich zu ihrem geliebten Handbeutel, während sie das sagte. »Natürlich will ich die Wahrheit hören, aber das braucht nicht gleich zu sein. Eine Diskussion vorher kann nie schaden.« Der Butler wußte natürlich, was seine Herrin damit meinte und bedauerte schon im voraus Myladys neuerliche Gesprächspartner. * Das Gebäude, in der die Moderne Medien-Welt untergebracht war, war trist und ließ jenen Glanz vermissen, der so gern mit dieser Branche in Verbindung gebracht wird. Stellenweise bröckelte der Putz ab, Fenster und Türen schrien nach einem neuen Anstrich, die Scheiben nach einer Generalreinigung. »Firmengruppe Moderne Medien-Welt«, las Agatha Simpson auf einem billig wirkenden Kunststoffschild. »Wenn ich mich hier umsehe, Mister Parker, ist es mit der Firma nicht weit her.«
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»Dem kann und muß man zustimmen, Mylady.« Josuah Parker öffnete die Tür und ließ seine Herrin eintreten. Der Gang dahinter präsentierte sich ebenso grau und farblos wie das Äußere des Hauses. Die ehemals blau gestrichenen Wände waren verblaßt und zeigten eine undefinierbare Tönung. Billige Drucke der City of London sollten wohl die Verbindung zur großen weiten Welt vortäuschen. Eine Tafel an einer Längswand klärte den Besucher über den Umfang der Firmengruppe auf. Parker wunderte sich nicht, daß auch ein gewisser Zeitschriftenvertrieb darunter war. Einen Empfang schien es nicht zu geben. Mit Besuchern rechnete man offenbar schon lange nicht mehr. Parker öffnete eine weitere Tür, deren Beschriftung darauf hinwies, daß der Durchgang Unbefugten verboten war. Dahinter erstreckte sich ein weiterer Flur, der allerdings mit einem wenn auch recht fadenscheinigen Teppich ausgelegt war. Auf jeder Seite befanden sich drei Türen. Hinter allen herrschte merkwürdige Stille. Ein Blick auf eine große Uhr am Ende des Ganges bestätigte dem Butler, daß es noch nicht mal drei Uhr nachmittags war, eine durchaus normale Arbeitszeit also. »Entweder schlafen hier alle, oder die machen heute ihren Betriebsausflug, Mister Parker«, konstatierte Mylady, die sich schon um ein anregendes Gespräch gebracht sah. Dann öffnete sich am Ende des Ganges aber die letzte Tür auf der linken Seite. Ein Mann Mitte Dreißig, der einen dunklen, gutgeschnittenen Zweireiher trug, trat heraus, sah die Besucher und blieb abrupt stehen. »Wer sind Sie denn?« sagte er und kam langsam näher. Vor dem skurrilen Paar blieb er stehen und musterte es mißtrauisch. »Hier ist kein Publikumsverkehr«, erklärte er. »Unser Vertriebsbüro ist in der City, wir hier sind nur die Verwaltung.« »Man hat die beiden Adressen möglicherweise verwechselt, Mister…« deutete der Butler an. »Jason O’Donnell, ich bin der Verwaltungsleiter.« »Sie haben die Ehre und das Vergnügen, sich Lady Agatha Simpson gegenüberzusehen«, stellte Parker seine Herrin vor. »Mylady hat einige Fragen, die vielleicht auch Sie beantworten können.« »Das glaube ich nicht. Wie gesagt, ich bin der Verwaltungschef, ich denke, daß Sie sich besser an unser Büro in der City wenden. Wir machen hier nur die Buchhaltung.«
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»Das ist schon in Ordnung«, sagte die ältere Dame. »Ihre Personalabteilung ist nämlich nicht ganz ausgeglichen. Vermissen Sie niemand?« »Wie meinen Sie das?« Jason O’Donnell wußte mit dem Hinweis nichts anzufangen. »Sie haben möglicherweise ein Büro, in dem man sich weiter unterhalten kann, Sir?« erkundigte sich der Butler höflich. Der Mann lief rot an und hüstelte verlegen. »Verzeihen Sie. Natürlich, folgen Sie mir bitte.« Auch das Büro des Verwaltungschefs kündete nicht gerade von übermäßigem Erfolg. Lady Agatha drückte sich deshalb wieder sehr ungeniert aus. »Ich habe schon elegantere Räume gesehen, junger Mann«, bemerkte sie. »Ihrer Firma scheint es nicht gutzugehen.« »Oh, das täuscht. Aber wir ziehen bald um, wir sehen uns bereits nach entsprechenden Objekten um. Wir expandieren zur Zeit stark. Wir werden uns eine neue Adresse in der City zulegen. Natürlich investieren wir hier nicht mehr.« »Das haben Sie ohnehin schon lange nicht mehr getan.« Lady Agatha ließ sich von ihrer Meinung so schnell nicht abbringen. O’Donnell zuckte die Achseln. »Wir denken eben sehr kostenbewußt«, gab er zurück und gestattete sich ein knappes Lächeln. »Betreiben Sie ein Büro für Innenarchitektur oder Ausbau, Mylady?« »Warum denn?« Lady Agatha sah ihn verblüfft an. »Ich dachte, Sie wollen uns womöglich eine neue Ausstattung verkaufen.« »Ich muß doch sehr bitten, junger Mann.« Die Detektivin musterte ihn mit strafendem Blick. »Sie erwähnten da vorhin etwas, was ich nicht so ganz verstanden habe. Etwas mit einer personellen Bilanz.« »Stimmt. Ihnen fehlen ein paar Leute. Ist Ihnen das noch nicht aufgefallen?« »Also hier fehlt niemand.« »Möglicherweise handelt es sich um Mitarbeiter, die Ihrem Vertriebsbüro zugeordnet sind, Mister O’Donnell. Läßt sich das feststellen?« »Ich verstehe immer noch nicht so ganz. Was bedeutet das? Warum kümmern Sie sich um Mitarbeiter, die uns angeblich fehlen?«
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»Besagte Mitarbeiter versuchten heute vormittag, Mylady auf eine Weise näher zu treten, die man nachdrücklich verurteilen muß, Mister O’Donnell. Mylady hat ihnen die Möglichkeit eingeräumt, intensiv und ungestört darüber nachzudenken.« »Ich verstehe noch immer kein Wort.« Jason O’Donnell wirkte verwirrt. »Ich rufe mal beim Vertrieb an.« »Tun Sie das bitte, Sir. Man spricht übrigens von den Herren Frank Belter und Tom Finnegan.« »Aha.« O’Donnell tippte eine Nummer ein und verlangte dann einen Adam Warner, einen Namen, den Parker umgehend bei sich speicherte. »Hör mal, Adam, ich habe hier Besuch. Wie? Ja, ich weiß, daß wir die Verwaltung sind. Wie auch immer, ich blicke nicht ganz durch, was mir die Leute erzählen. Sie meinen, daß dir zwei Typen Namens Belter und Finnegan fehlen.« Jason O’Donnell hörte einen Augenblick zu, was ihm sein Gesprächspartner zu sagen hatte, dann wandte er sich an seine Gäste. »Wo, sagten Sie, sind Ihnen die Männer begegnet? Und wo sind sie jetzt?« »Sie suchten Myladys Haus auf, um einen Vorschlag zu unterbreiten, den Mylady ablehnen mußte, Sir. Die Herren befinden sich zur Zeit in guter Obhut, um es mal so auszudrücken.« »Aha.« O’Donnell gab weiter, was er gerade gehört hatte, hörte dann wieder Adam Warner zu und legte schließlich auf. Dann beugte er sich vor und sah seine Besucher betrübt an. »Die arbeiten nicht mehr für uns, hörte ich gerade«, erklärte er. »Mein Kollege äußerte, er habe sie vor einer Woche fristlos entlassen, weil sie unzuverlässig waren. Die beiden waren als Vertreter für uns tätig, aber anscheinend haben sie den Job nicht so ernst genommen. Jedenfalls haben sie sich mehr in Kneipen herumgetrieben als bei Kunden. Ihre Ergebnisse waren entsprechend.« »Ausgesprochen praktisch«, stellte Lady Agatha in ihrer offenen Art fest. »Ihr Kollege ahnt wohl, daß den beiden etwas passiert ist, und baut schon mal vor.« »Ich weiß nach wie vor nicht, wovon Sie sprechen.« Jason O’Donnell schüttelte den Kopf. »Wenn Sie meinen, eine Beschwerde vorbringen zu müssen, wenden Sie sich bitte an Mister
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Adam Warner in unserem Vertriebsbüro. Seine Adresse haben Sie ja, wie Sie erwähnten.« »Was macht Ihre Firma eigentlich, junger Mann? Einen guten Eindruck jedenfalls nicht«, ließ die ältere Dame nicht locker. O’Donnell sah sie konsterniert an. »Ich muß doch sehr bitten. Wir sind ein seriöses und angesehenes Unternehmen. Wir betreiben einen Verlag samt Druckerei, vertreiben Zeitschriften und Videos und geben selbst einige Publikationen heraus.« »Und Sie unterhalten die Feuersalamander«, fügte Mylady hinzu. »Wie meinen?« O’Donnell schien ratlos. »Mylady spricht von Herren, die sich als sogenannte Feuermelder engagiert haben«, erläuterte Parker. »Können Sie mehr dazu sagen?« »Ich finde das Gespräch mit Ihnen sehr anstrengend«, stellte der Verwaltungschef fest. »Vor allem verstehe ich kein Wort. Es tut mir leid, aber ich habe jetzt keine Zeit mehr für Sie.« Lady Agatha wollte gerade sich zur Tür umdrehen, als diese etwas heftig aufgestoßen wurde. »Nun, Sie sollten sich noch äußern, bevor ich gehe«, sagte sie streng. Dann starrte sie mit gerunzelter Stirn auf den stämmigen, etwa vierzigjährigen Mann, der eintrat und ihr unbekannt war. »Wer sind Sie denn?« wunderte sich die Detektivin. »Mein Name ist Adam Warner«, stellte sich der Mann vor und grinste. Dann ging er an Agatha Simpson vorbei, ließ sich auf der Schreibtischkante nieder, und wippte mit den Füßen, während er die ältere Dame musterte. »Sie sind also diese Lady, die meint, sie wäre ‘ne große Kriminalistin«, bemerkte er. »Ich habe schon von Ihnen gehört. Sie haben erst gestern in einem Postamt für Furore gesorgt. Die Zeitungen sind ja voll davon.« »Ich stehe öfters in der Zeitung, junger Mann«, machte die Detektivin deutlich und musterte ihrerseits den flegelhaften Mann. »Und Sie sind der Lümmel, der mir seine Schläger ins Haus geschickt hat, ja?« »Ich bin Vertriebsleiter, Mylady.« Adam Warner schüttelte verwundert den Kopf. »Wie kommen Sie auf so was?« »Mister Parker wird es Ihnen erklären. Wo ist der nette junge Mann geblieben?« »Sie meinen O’Donnell? Der mußte zu einer Besprechung. An seiner Stelle unterhalte ich mich mit Ihnen.«
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»Die Manieren Ihres Kollegen waren besser«, monierte Lady Agatha. »Darauf kommt es jetzt nicht an.« Adam Warner sah sie scharf an. »Aber kommen wir doch endlich zur Sache. Hören wir auf, um den heißen Brei herumzureden. Sie nannten Namen.« »Auch die wird Mister Parker an meiner Stelle wiederholen.« »Frank Belter und Tom Finnegan, Sir«, gab Parker die Namen preis. »Die Herren bezeichneten sich als Mitarbeiter Ihrer Firma und verschafften sich auf diese Weise Zutritt zu Myladys Haus.« »O’Donnell wird Ihnen schon gesagt haben, daß die beiden nicht mehr für uns arbeiten.« Warner grinste. »Ich mußte sie vor einer Woche entfernen, wegen Erfolglosigkeit. Ich weiß nicht, für wen die Männer jetzt arbeiten, oder ob sie auf eigene Rechnung etwas auf die Beine stellen. Zu uns gehören sie jedenfalls nicht mehr.« »Die beiden Herren wirkten durchaus erfolgreich, zumindest gaben sie sich so«, äußerte der Butler. »Ihr Auftreten war – zumindest am Anfang – anerkennenswert. Auch ihr Äußeres ließ nichts zu wünschen übrig.« »Mehr scheinen als sein, das war das Motto der beiden.« Adam Warner winkte ab. » Klar, wer die beiden nicht kennt, könnte meinen, da kommen zwei Topmanager daher. In Wirklichkeit waren sie bequem und aufsässig und haben nicht ernsthaft gearbeitet.« »Sie trugen Aktenkoffer, die Material der Firma Moderne MedienWelt enthielten, dazu entsprechende Mitarbeiterausweise.« »Die sie noch nicht zurückgegeben haben. Ich habe sie deshalb schon anschreiben lassen und ihnen eine Frist gesetzt.« »Sie scheinen ein energischer Mann zu sein, Mister Warner.« »Sonst kann man in diesem Geschäft nicht überleben. Was haben die beiden Ihnen denn erzählt?« »Ihren Ausführungen zufolge sollten sie nachdrücklich sicherstellen, daß Mylady einen Betrag von sechzigtausend Pfund besorgt, der Ihrer Firma angeblich zusteht, Sir.« »Wofür? Haben Sie so viele Zeitschriften oder Videos bei uns bestellt?« Adam Warner lachte schallend über seinen schwachen Witz. »Keinesfalls und mitnichten, Sir. Gestern nachmittag rief jemand an und forderte diese Summe als Verdienstausfall und Schadenersatz für den mißglückten Raubüberfall auf das Postamt, den Sie vorhin ansprachen.«
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»Verstehe ich nicht. Was hat das mit uns zu tun?« »Offensichtlich besteht zwischen den Feuermeldern, wie Mylady die Bande intern zu nennen pflegt, und Ihrer Firma ein Zusammenhang, Sir.« »Das ist ausgemachter Blödsinn! Sie sollten vorsichtig mit dem sein, was Sie sagen! Wir könnten Sie verklagen, niemand hat es gern, als Krimineller hingestellt zu werden.« »Die Aussagen der beiden Herren, waren in diesem Punkt eindeutig«, wiederholte der Butler. »Na, die Burschen werde ich mir kaufen. Wo sind sie jetzt?« »In bester Sicherheit, Sir. Es dürfte ausgeschlossen sein, daß die Feuermelder an sie herankommen, um Rache zu nehmen oder weitere Aussagen zu verhindern. Zudem liegen schriftliche Geständnisse vor.« »Die nichts wert sind. Na schön. Und was werden Sie in dieser Angelegenheit weiter unternehmen? Warum gehen Sie nicht zur Polizei?« »Sie haben sich doch offensichtlich über Mylady erkundigt«, schoß Parker einen Versuchsballon ab. »Dann wissen sie auch, daß es Mylady vorzieht, ihre Fälle ohne Hilfe der Behörden zu lösen und sie diesen dann nach erfolgreichem Abschluß zu übergeben.« »Das ist aber ganz schön gefährlich. Finden Sie nicht auch?« »Wollen Sie mir drohen, junger Mann?« Mylady dauerte das Wortgeplänkel zu lange. Sie dürstete nach Taten. »In dem Fall werden Sie eine Überraschung erleben. Ich bin nämlich keine schreckhafte Frau, die Sie nur scharf anzusehen brauchen, damit sie in Ohnmacht fällt.« * Adam Warner stieß sich vom Schreibtisch ab. Er war untersetzt und machten einen bulligen Eindruck. »Für eine alte Frau sind Sie ganz schön keß, wenn ich das mal so sagen darf, Mylady«, knurrte er. »Besonders, wenn Sie uns für Gangster halten.« »Ich machte schon deutlich, daß Sie nicht das Format haben, mich zu beeindrucken, junger Mann«, wies Mylady ihn zurecht.
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»Übrigens habe ich es nicht gern, wenn man mir so dicht auf den Leib rückt. Hatten Sie keine Kinderstube?« Adam Warner beging den Fehler, sich zu der älteren Dame hinunter zu beugen und ihr seinen nicht gerade taufrischen Atem ins Gesicht zu hauchen. »Sie befinden sich hier auf meiner Spielwiese, Mylady, hier bestimme ich die Spielregeln.« »Nicht, wenn ich mitspiele«, paßte sich Agatha Simpson seinem Jargon an und griff blitzschnell zu. Sie erwischte das linke Ohrläppchen, zog herzhaft daran und trat dem Mann versehentlich ans Schienbein. Warner schrie gellend auf, ruckte mit dem Kopf hoch, was sein Ohrläppchen übel nahm. Er zog das Bein an, massierte die schmerzende Stelle und hüpfte zum Schreibtisch, um sich schwer auf die Platte fallen zu lassen. »Ich lasse mich nicht provozieren«, schickte die Detektivin voraus. »Schlechte Manieren bestrafe ich sofort, merken Sie sich das, Sie Subjekt!« »Das werden Sie mir büßen!« Adam Warner richtete einen haßerfüllten Blick auf seine Besucherin und drückte auf den Knopf der Sprechanlage, die neben ihm auf dem Schreibtisch stand. »Okay, kommt rein, Jungs!« brüllte er. Einen Augenblick später flog die Tür auf. Drei Männer drängten sich herein. So schnell, wie sie nach Warners Aufforderung erschienen, hatten sie wohl im Nebenraum auf den Befehl ihres Chefs gewartet. »Sind das Ihre Beschützer, junger Mann?« erkundigte sich Lady Agatha spöttisch und musterte die drei Neuankömmlinge. Auch Josuah Parker unterzog sie einer visuellen Prüfung. Er sah durchtrainiert und sportlich wirkende Männer Mitte Zwanzig, die sich auf eine körperliche Betätigung zu freuen schienen. Sie trugen Trainingsanzüge und Turnschuhe und demonstrierten schon auf diese Weise ihr Hobby. »Die Jungs waren gerade im Fitneß-Center, als ich sie anrief«, erläuterte Adam Warner. »Die Firma achtet sehr darauf, daß ihre Mitarbeiter etwas für ihre Gesundheit tun. Wir bezahlen sogar die Gebühren für das Fitneß-Center.« »Sehr sozial, Mister Warner«, lobte der Butler in lakonischer Kürze. »Nicht wahr? Aber ich habe sie beim Training gestört, sie waren noch lange nicht fertig, und sie haben’s nicht gern, wenn sie ihr
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Pensum nicht ungestört durchziehen können. Ist es nicht so, Gene?« »Stimmt«, bestätigte ein dunkelhaariger, schlanker Mann mit amerikanischem Akzent. »Ist auch gar nicht gut für den Körper, wenn man die Übungen unterbricht. Ehrlich gesagt, wir sind sauer.« »Das dachte ich mir.« Adam Warner nickte und sah Lady Agatha betrübt an. »Und wer ist schuld daran, daß diese netten jungen Männer ihre Übungen abbrechen mußten? Sie!« »So kann man es natürlich auch sehen.« Agatha Simpson lächelte spöttisch. »Aber ich kann nichts dafür, daß Sie sich nicht trauen, allein mit mir zu sprechen. Anscheinend brauchen Sie Beschützer. Sie scheinen sich vor einer Dame der Gesellschaft zu fürchten.« stichelte sie weiter. »Meinen Sie?« Adam Warner grinste. »Ich habe keine Lust mehr, mich weiter mit Ihnen zu unterhalten. Die Jungs bringen Sie hinaus, ich wünsche Ihnen noch einen guten Tag!« Damit schob er sich an seinen Schlägern vorbei zur Tür. Josuah Parker entging nicht, wie er dabei dem jungen Mann namens Gene zuzwinkerte. »Na, dann mal los. Wir haben heute noch mehr zu tun«, meinte der und deutete lässig auf die Tür, durch die sein Chef gerade verschwand. Josuah Parker schritt gemessen und würdevoll hinaus und deutete eine Verbeugung an, als seine Herrin an ihm vorbei auf den Flur trat. Einer der jungen Männer war vorausgegangen. Als Gene den Butler passierte, wollte er ihm im Vorbeigehen den Ellenbogen in den Leib stoßen. Der Butler hatte eine solche Aktion natürlich vorausgesehen. Er lüftete seine Melone und fing den Stoß ab. Gene merkte das sofort. Ein stechender Schmerz durchzuckte seinen Ellenbogen. Er hatte das Gefühl, eine feurige Lohe fräße sich durch seinen Unterarm. Er konnte natürlich nicht wissen, daß Parkers Kopfbedeckung mit zähem Stahlblech ausgefüttert war. Gene taumelte in den Raum zurück, ließ sich in einen Sessel fallen und nahm übel. Der dritte junge Mann, der hinter ihm ging, wurde von dieser Entwicklung total überrascht und zur Seite gedrängt.
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Josuah Parker nahm sich des Überraschten umgehend an und ließ den bleigefüllten Bambusgriff seines Universal-Regenschirmes auf den Hinterkopf seines Gegners fallen. Lady Agatha schritt inzwischen dem im Gang wartenden Mann entgegen, der als erster das Büro verlassen hatte. »Nett, daß Sie auf mich warten, mein Lieber.« bemerkte sie, während ihre Finger die langen Schnüre des Pompadours umschlossen. Der junge Mann grinste und schüttelte den Kopf. Die ältere Dame hatte seiner Meinung nach wohl noch nicht begriffen, was ihr bevorstand. Er verhakte die Daumen in seinem breiten Gürtel und war überzeugt, die ganze Angelegenheit in wenigen Minuten mit seinen Kumpanen erledigt zu haben. Ihm fiel gar nicht auf, daß niemand mehr aus dem Büro trat und er allein auf dem Flur war. Lady Agatha hatte den Handbeutel von der Schulter genommen und schwang ihn nach vorn. Der junge Mann wenige Meter vor ihr wurde überrascht. Plötzlich flog ein dunkler Gegenstand auf ihn zu und klatschte an seine Brust. Der Unglückliche wurde nach hinten katapultiert, verlor das Gleichgewicht und krachte auf sein Hinterteil. »Was haben Sie denn?« wunderte sich Agatha Simpson und barg ihren Handbeutel. * Warner saß in seinem neuen, metallicfarbenen Jaguar und startete die Zwölfzylindermaschine. Der Wagen war sein ganzer Stolz, er war in ihn regelrecht vernarrt. Mit ihm hatte er sich einen langgehegten Jugendtraum erfüllt. Er fuhr an und rollte langsam auf das Tor zu, das den holperigen Hof von der Straße trennte. Es war Zufall, daß sein Blick in den Rückspiegel fiel. Er sah die ältere Dame aus dem Haus treten und grinste vergnügt vor sich hin. Nach einem zweiten Blick in den Spiegel wurde er aber sehr schnell wieder ernst. Wo blieben seine Männer, die konnten doch die Frau nicht einfach so allein auf dem Hof stehen lassen?
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Adam Warner schüttelte verärgert den Kopf und griff nach dem Hörer seines Autotelefons. Er rief die eingespeicherte Nummer von Jason O’Donnells Büro ab und stoppte seinen Wagen. Wenige Augenblicke später wurde abgenommen. »Büro von Mister Jason O’Donnell«, meldete sich eine Stimme, die er nicht erwartet hatte. »Parker, Sie?« brüllte er und knallte den Hörer auf die Gabel. Dann wendete er den Jaguar und fuhr schneller, als er es dem Wagen sonst auf dem holperigen Pflaster zugemutet hätte, zum Haus zurück. Lady Agatha lächelte erfreut, als der Luxuswagen wendete und auf sie zukam. Daß er nicht gerade langsam war, störte sie nicht. Sie schwang den Pompadour und brachte ihn auf Höchsttouren. Dann ließ sie los. Adam Warner verriß das Steuer, als er den dunklen Schatten heranzischen sah, kurvte an der älteren Dame vorbei, die ihm freundlich zuwinkte, und schob dann einige Mülltonnen zusammen, die er nicht gesehen hatte. Schließlich wurde der Motor abgewürgt, und der Wagen hielt. Wütend riß Warner die Tür auf und sprang heraus. Fassungslos starrte er auf die Kratzer und Schrammen im rechten Kotflügel, die von den Mülltonnen stammten. Der Mann konnte und wollte nicht fassen, daß sein neuer Wagen nicht mehr so gut aussah. Er wirbelte auf den Absätzen herum und ballte die Fäuste. Inzwischen trat Josuah Parker aus dem Haus, um nach seiner Herrin zu sehen, nachdem er die drei jungen Männer gefesselt hatte. Er überblickte die Situation und handelte sofort. Warner war nur noch wenige Schritte von der Detektivin entfernt, als ihm eine große Mülltonne den Weg versperrte. Er stieß mit den Schienbeinen dagegen, verlor das Gleichgewicht und fiel mit den Händen voran auf den Boden. Er rollte sich geschickt ab und wollte wieder aufspringen, als der Butler neben ihn trat. In der behandschuhten Rechten hielt er den Deckel jener Mülltonne, die Warners Vorwärtsdrang so abrupt gestoppt hatte. Es tönte dumpf, als der Deckel den Kopf des Vertriebsleiters liebkoste. Adam Warner fiel wie von der Axt gefällt wieder um, stöhnte und streckte dann alle viere von sich. »Nicht schlecht, Mister Parker.« Mylady lächelte. »Und so passend, ich meine die Mülltonne!«
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»Verbindlichsten Dank, Mylady.« Josuah Parker lüftete andeutungsweise die Melone, und seine Herrin stapfte zum Jaguar hinüber und barg ihren Pompadour. »Stellen Sie sich vor, der Lümmel wollte mich überfahren.« empörte sie sich. »Mein Kreislauf ist vor Schreck ganz durcheinander geraten, Mister Parker.« * Lady Agatha hatte sich mit ihrem geliebten Kreislaufbeschleuniger gestärkt und fühlte sich wieder frisch. Sie saß zwischen Adam Warner und dem jungen Mann namens Gene auf dem Rücksitz und achtete darauf, daß die beiden sie während der Fahrt nicht zu sehr bedrängten. Die restlichen Männer waren im Kofferraum verstaut. Der war nicht nur erstaunlich groß und mit Teppichboden ausgelegt, sondern verfügte auch über ein ausgeklügeltes LuftZirkulationssystem, so daß die Insassen nicht den nötigen Sauerstoff vermißten. »Das kommt Sie teuer zu stehen«, sagte der Vertriebsleiter. »Das ist ‘ne astreine Entführung, dafür gehen Sie ins Gefängnis.« »Hier kann es sich nur um ein Mißverständnis handeln, Sir«, korrigierte Parker ihn vom Volant her. »Sie nehmen an einem Ausflug teil, zu dem Sie Mylady freundlicherweise einlud.« »Daß ich nicht lache!« Warner tat es tatsächlich und brach abrupt ab, als sich Myladys Haarnadel seinem Gesäß näherte. »Ich meine, das ist doch alles nur ein Mißverständnis. Wir können uns doch sicher verständigen, oder?« »Mit Kriminellen schließe ich keine faulen Kompromisse«, belehrte die ältere Dame ihn. »Ich habe auch gar keinen Grund dazu.« »Sie wissen nicht, worauf Sie sich da eingelassen haben, Mylady«, beschwor Adam Warner sie. »Es gibt Leute in meinem Bekanntenkreis, die keinen Spaß verstehen. Lassen Sie uns an der nächsten Ecke raus, und wir vergessen die ganze Sache.« »Kommt nicht in Frage. Haben Sie mir nichts Interessanteres anzubieten? Aber im Grund sind Sie wohl auch nur ein. kleiner Handlanger, nicht wahr?«
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»Ich sage dazu nichts mehr. Ich bin der Vertriebsleiter eines angesehenen Unternehmens und weiß nicht, was Sie von mir wollen. Sobald ich frei bin, spreche ich mit meinem Anwalt. Der hetzt Ihnen die Polizei auf den Hals.« »Ich bin US-Bürger, ich spreche mit meiner Botschaft.« meinte Gene und blies ins gleiche Horn. »Meine Leute verstehen keinen Spaß, wenn einem amerikanischen Staatsangehörigen etwas zustößt.« »Was auch für amerikanische Kriminelle gilt, meinen Sie das etwa, Mister Miller?« vergewisserte sich Josuah Parker. Der Butler hatte die junge Männer kurz visitiert und dabei auch ihre Identität festgestellt. »Wie meinen Sie das?« gab sich Gene Miller ahnungslos. »Könnte es sein, daß es bei den amerikanischen Behörden eine Akte über Sie gibt, Mister Miller?« fragte der Butler. »Und könnte es sein, daß Sie Ihr Vaterland vorübergehend verlassen haben, um gewissen behördlichen Nachstellungen zu entgehen?« »Blödsinn. Wie kommen Sie denn auf so was?« wehrte Miller ab. Sein Ton war nun allerdings nicht mehr so forsch, wie Parker sofort heraushörte, auch Mylady entging dies nicht. »Ich habe also recht«, machte sie sich Parkers Verdacht zu eigen. »Wir brauchen keine Kriminellen-Importe, junger Mann, ich werde Sie umgehend wieder zurückschicken.« »Ach nee… Wie wollen Sie das denn anstellen? Wollen Sie mich in ein Flugzeug setzen?« »Sie glauben doch wohl nicht, daß ich Geld für Sie ausgebe.« Lady Agatha sah ihn empört an. »Ich könnte Sie als blinden Passagier auf ein Schiff schmuggeln lassen. Was halten Sie davon, Mister Parker?« »Mylady erwähnen eine durchaus vorstellbare Alternative.« »Es müssen ja nicht unbedingt die USA sein, Hauptsache, die Fahrt geht weit weg von hier. Sie sind doch sicher flexibel, junger Mann?« »Das ist wohl nicht Ihr Ernst!« Gene Miller sah die ältere Dame entgeistert an. »Warum nicht? Ich mache nicht viel Federlesens mit Kriminellen.« Lady Agatha schüttelte verwundert den Kopf. »Wenn ich ab und zu in der Zeitung lese, welche Rechte Ganoven haben, ist es ein Wunder, daß überhaupt mal jemand verurteilt wird.«
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»Die Gerichte müssen sich eben an das Gesetz halten«, stichelte Adam Warner. »Die würden zum Beispiel auch so eine Einladung anders beurteilen als Sie.« »Fordern Sie mich nicht heraus, Sie Lümmel!« Lady Agatha lächelte versonnen. »Je mehr ich darüber nachdenke, desto besser gefällt mir die Idee mit den blinden Passagieren, Mister Parker, ist nicht einer Ihrer Kollegen bei einem Reeder angestellt?« improvisierte sie munter weiter. Josuah Parker spielte das Spiel mit. »In der Tat, Mylady. Erst gestern abend sprach meine Wenigkeit mit ihm. Die Reederei seiner Herrschaft befördert Stückgut nach Südamerika, unterhält aber auch einige Spezialschiffe. Eines davon läuft morgen in die Antarktis aus, um ein englisches Forschungsteam im Auftrag der Regierung dorthin zu bringen.« »Das ist aber sehr weit weg, Mister Parker, und es ist sehr kalt dort, nicht wahr?« »In der Tat, Mylady. Dem Vernehmen nach soll die Gegend ausgesprochen unwirtlich sein.« »Genau der richtige Ort also, um über sein Leben nachzudenken und sich neu zu orientieren. Ich denke, ich nehme dieses Schiff.« »Soll meine bescheidene Wenigkeit die Herren sofort zum Hafen bringen, Mylady?« »Warum soll ich mich länger mit ihnen belasten? Sie haben mich bedroht, sie wissen nichts, und sie sind verstockt und uneinsichtig. Ein kleiner Aufenthalt in der Antarktis dürfte ihnen guttun. Wie lange bleiben die Forscher dort?« »Man spricht von einem Jahr, Mylady.« »Das müßte reichen.« »He, seid ihr verrückt, was soll denn das?« Gene Miller geriet in Panik. »Wollt ihr uns etwa umbringen? Da braucht man doch Spezialkleidung, und was weiß der Teufel noch alles. Da überlebt kein normaler Mensch!« »Der Wille versetzt Berge, mein Lieber«, ließ die ältere Dame ihm ihren Rat zuteil werden. »Ich will hier raus!« Gene Miller griff nach der Türklinke und rüttelte heftig daran. Öffnen ließ sich die Tür jedoch nicht. Parker hatte vom Volant aus die Türen elektronisch verriegelt, und nur er konnte die Sperre auch wieder lösen.
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»Sie sollten sich nicht unnötig echauffieren, sondern sich in Ihr Schicksal fügen und auf ein ungewöhnliches Abenteuer freuen, Mister Miller«, brachte auch der Butler einen Rat an. »Nicht jedem winkt das Glück, an einer Antarktisspedition teilzunehmen. Die Herren zählen zu den Privilegierten. * »Zieren Sie sich nicht länger, oder wollen Sie doch lieber einen Ausflug in die Antarktis machen?« Lady Agatha sah den Vertriebsleiter lächelnd an. Adam Warner stand mit nacktem Oberkörper vor der älteren Dame. Man befand sich in einem kleinen Park mit einem See. An diesem Nachmittag waren ein gutes Dutzend Boote unterwegs. Der Butler hatte ein Tretboot gemietet und zu einer durch Büsche geschützten Stelle gefahren. Dort parkte sein hochbeiniger Wagen, und Mylady beaufsichtigte die vier unfreiwilligen Mitfahrer. »Ich bin doch sehr human«, fuhr die ältere Dame fort. »Ich sehe ein, daß es in der Antarktis zu kalt ist, aber dafür sollten Sie auch eine Alternative akzeptieren. Da ich nun schon auf Ihren Wunsch hin eine längere Schiffsreise absage, sollten Sie sich aber nicht bei einer kleinen Bootstour zieren.« Fünf Minuten später waren die vier Männer versammelt. Der Butler nickte ihnen zu, lüftete grüßend die Melone und wandte sich an Adam Warner. »Sie sollten jetzt ablegen, Sir«, empfahl er »Das Boot muß später wieder dort drüben an dem Steg, neben dem das große Schild zu sehen ist, abgegeben werden. Meine Wenigkeit war so frei, es für zwei Stunden zu mieten.« »Das zahle ich Ihnen heim, Parker, das schwöre ich Ihnen!« Adam Warner starrte haßerfüllt auf den Butler. Josuah Parker hob den Schirm und drückte auf den Auslöser am Griff. Von komprimierter Kohlensäure angetrieben, verließ es stricknadeldünner, buntgefiederter Pfeil den Schirmstock und bohrte sich einen Augenblick später in den Aufbau des Tretbootes. Die vier Männer wußten nicht, woher der Pfeil gekommen war. Sie starrten ihn an wie ein Wesen von einem anderen Stern. »Ein Pfeil!« stammelte Gene Miller. »Das gibt’s doch nicht. Wo kommt der denn her?«
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»Sie sollten sicherheitshalber endlich ablegen und soviel Distanz wie möglich zum Ufer zurücklegen«, riet Parker. »Wo ein Pfeil ist, können auch noch andere lauern.« Die Männer sahen sich betreten an. Der Butler hatte natürlich recht. In ihrem Zustand waren sie sehr anfällig. Adam Warner zögerte nicht länger. »Los, wir hauen hier ab!« befahl er und trat kräftig in die Pedale. »Ich habe keine Lust, mir so’n Ding einzufangen.« »Herrlich, so ein Bootsausflug!« freute sich Agatha Simpson und winkte mit ihrem Taschentuch. »Eine ausgesprochen vergnügliche Freizeitgestaltung, Mylady«, stimmte der Butler ihr zu. Wenig später sah der Bootsverleiher bestürzt eine ältere Dame an, die aufgeregt auf ihn einredete. »Wo sind wir denn hier?« ereiferte sie sich. »Wie ist denn sowas nur möglich?« »Beruhigen Sie sich, ich schicke meinen Sohn hinter den Kerlen her!« bat der Verleiher, ein nicht so leicht aus der Ruhe zu bringender Mann. »Stellen Sie sich nur vor, die Lümmel sind mit dem Boot, das mein Butler für mich auslieh, einfach weggefahren. In was für eine Welt leben wir bloß? Es wird immer schlimmer.« lamentierte die Detektivin. »Moment mal!« Der Verleiher verschwand in seinem als Büro dienenden Campingwagen, und Lady Agatha hörte eine Unterhaltung. Gleich darauf erschien ein kräftig gebauter Mann um die Dreißig mit grimmigem Gesichtsausdruck. »Die Burschen schnappe ich mir, das schwöre ich Ihnen.« versprach er und bestieg ein kleines Motorboot. »So, und jetzt die Polizei!« Der Verleiher hielt bereits den Hörer in der Hand und wählte, während sich Mylady entgegen ihrer sonstigen Art diskret entfernte. Auf dem See gab es inzwischen einige Aufregung. Das lag zum einen an dem kleinen Motorboot, das mit hoher Geschwindigkeit durchs Wasser pflügte und dabei einige größere Wellen produzierte. Zum anderen jedoch an einem Tretboot, dessen Benutzer ganz offensichtlich splitternackt waren. In der Nähe schaukelte ein Ruderboot. Ein Pärchen, romantisch veranlagt, wurde aufmerksam. Die junge Frau sah die Nackten zuerst und wurde von ihrem erbosten Be-
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gleiter abgelenkt, der daraufhin beschloß, es den Kerlen heimzuzahlen. * Lady Agatha ließ sich im Anschluß an den Besuch bei der Modernen Medien-Welt nach Hause fahren, um den Tee zu nehmen. Auf die Einhaltung gewisser Traditionen legte sie viel Wert. Danach äußerte sie die Absicht, ein wenig zu meditieren, um über alles nachzudenken und ihr weiteres Vorgehen festzulegen. Zudem wollte sie prüfen, ob gerade dieser Fall sich nicht als Stoff für ihren geplanten Bestseller eignete. Das gab Josuah Parker Gelegenheit, selbst einige Überlegungen zu den »Feuermeldern« anzustellen. Er nahm sich den Notizzettel vor, den der Chief-Superintendent verloren hatte. Der Butler studierte ihn eingehend und wurde schnell fündig. Als profunder Kenner Londons fiel es ihm nicht schwer, eine Übereinstimmung zu finden. Um sich endgültig zu vergewissern, nahm er einen Stadtplan zur Hand und markierte die Tatorte. Sie lagen alle relativ dicht beisammen in einem Radius von rund fünf Kilometern, was auch auf jenes Postamt zutraf, in dem Mylady und er den Überfall vereitelten. Welche Schlüsse waren aus dieser Erkenntnis zu ziehen? Besaßen die sogenannten Feuermelder innerhalb dieses Gebietes ein Versteck, das sie im Anschluß an den jeweiligen Überfall aufsuchten? Waren sie unter anderem deshalb so erfolgreich, weil sie nach jeder Tat relativ schnell untertauchen konnten, während die Polizei nach ihnen suchte? Die nächste Stunde verbrachte der Butler damit, bunte Stecknadeln in den Plan zu stechen, den er auf eine Pappe gezogen und an die Wand gehängt hatte. Je nach Farbe markierten sie Bankund Sparkassenfilialen, Postämter, Kaufhäuser und Geschäfte mit höherwertigem Angebot, soweit sie sich aus dem Branchenbuch ermitteln ließen. Bei den Geschäften beschränkte sich Parker darauf, Juweliere und Anbieter hochwertiger Lederwaren, Designer-Moden und Kosmetikserien herauszusuchen. Aber auch schon diese mit Sicherheit nicht vollständige Auswahl erbrachte ein interessantes Bild.
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Wenn man die bereits überfallenen Adressen abzog, die Parker wiederum extra gekennzeichnet hatte, blieben noch gut drei Dutzend potentielle Opfer übrig, setzte man voraus, daß die Feuermelder-Bande sich weiterhin innerhalb des geographischen Kreises bewegte. Die Moderne Medien-Welt hingegen lag weit entfernt und konnte damit kaum in Verbindung gebracht werden. Auch die Adressen des kleinen grauen Mannes, der auf dem Postamt Feueralarm gegeben hatte, lag nicht in diesem Bezirk. Gleiches traf auf die Anschriften von Adam Warner und seiner Begleiter zu, deren Identität Parker geprüft hatte. Es hieß also, in diesem Gebiet nach einer unverfänglichen Adresse Ausschau zu halten, an der sich die »Feuermelder« nach jedem Überfall problemlos trafen. Natürlich kam hierfür auch eine private Anschrift in Frage. Aber die war im Grunde nicht so Ideal wie ein Ort, der ohnehin Publikumsverkehr hatte. Aus Alibigründen war ein solcher viel überzeugender, zu dem konnten die einzelnen Bandenmitglieder dann nicht so ohne weiteres miteinander in Verbindung gebracht werden. Josuah Parker griff zum Telefon und wählte die Nummer eines dem Hause Simpson sehr verbundenen Teilnehmers. Horace Pickett nahm nach dem zweiten Läuten ab. Pickett hatte sich bis vor wenigen Jahren als sogenannter Eigentumsumverteiler betätigt und war in dieser Eigenschaft der ungekrönte König der Londoner Taschendiebe gewesen. Nach einer unliebsamen Begegnung mit einem hochrangigen Mafioso, der sich als recht gefährlich herausstellte, wechselte er auf Parkers Betreiben die Seiten und half seitdem dem Duo aus Shephard’s Market bei der Aufklärung seiner Fälle. Er war ein Meister in der Observation und verfügte zudem nach wie vor über beste Kontakte zur Unterwelt. »Ich freue mich, wieder mal von Ihnen zu hören, Mister Parker«, versicherte Pickett, nachdem sich der Butler gemeldet hatte. »Die Freude ist ganz meinerseits, Mister Pickett«, gab Parker, der den ehemaligen Eigentumsumverteiler sehr schätzte, zurück. »Meine Wenigkeit möchte Sie bitten, gewisse Nachforschungen anzustellen, wenn Ihnen dies zeitlich möglich ist.« »Für Sie immer, Mister Parker. Worum geht es?«
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Das erläuterte der Butler ausführlich. »Man könnte sich dann zu einer Auswertung zusammensetzen, sobald Sie über entsprechende Erkenntnisse verfügen, Mister Pickett«, schloß er. »Ich werde einige meiner Neffen einsetzen, dann geht es schneller«, überlegte Pickett laut. »Ich denke, daß ich mich schon morgen im Lauf des Tages bei Ihnen melden kann, das ist ja eine relativ einfache Sache.« »In der Tat, Mister Pickett. Leider ist sie auch ein wenig zeitaufwendig.« »Ja, aber wenn ich ein halbes Dutzend Leute darauf ansetze, geht es relativ schnell.« Diese Leute, die der ehemalige Eigentumsumverteiler als »Neffen« bezeichnete, waren junge Männer, die Pickett verpflichtet und treu ergeben waren und gern gewisse Aufträge für ihn übernahmen. Josuah Parker sorgte selbstverständlich dafür, daß sie, wenn sie für Mylady und ihn eingesetzt wurden, eine angemessene Entschädigung erhielten, wovon seine sparsame Herrin nicht immer wußte. * Der Anruf kam kurz nach dem Dinner, das Parker seiner Herrin servierte. Während Mylady sich noch an einem Cognac delektierte, nahm Parker das Gespräch entgegen und wunderte sich nicht, daß es jener Mann war, der sechzigtausend Pfund Schadenersatz gefordert hatte. »Ich bin ausgesprochen sauer auf Sie und Ihre Chefin, Parker.« sagte er. »Sie scheinen mich nicht ernst zu nehmen.« »Könnten Sie möglicherweise etwas konkreter werden, Sir?« bat der Butler. »Ich erfahre gerade, daß Sie zwei Leute festgesetzt haben, die in meinem Auftrag gewisse Recherchen durchführen sollten. Sie wissen, wovon ich spreche.« »In der Tat, Sir. Sie sprechen von den Herren Belter und Finnegan, die am Vormittag erschienen und meinten, Mylady mit Schußwaffen bedrohen zu müssen.« »Das war sicher ein Mißverständnis«, wiegelte der Anrufer den Vorwurf ab. »Die Leute sollten nur feststellen, ob Sie das Geld schon besorgt haben.«
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»Ein Anruf wäre einfacher gewesen, man hätte bereitwillig Auskunft gegeben.« »Mag sein, ich wollte Ihnen aber zeigen, daß wir Sie im Augen behalten und jederzeit bei Ihnen erscheinen können, um unser Recht zu fordern.« »Sie gehen ziemlich leichtfertig mit dem Begriff >Recht< um, Sir«, bemerkte der Butler kühl. »Wir wollen jetzt keine Diskussion über Recht oder Unrecht führen, Parker, sondern über das Geld reden, das uns zusteht. Wann besorgen Sie es endlich? Bis morgen abend möchte ich die Sache abgewickelt haben. Ich habe schließlich noch mehr zu tun.« »Sie beschäftigen sich mit der Planung weiter Raubüberfälle nach bewährtem Muster?« konnte sich Parker vorstellen. »Und wenn schon. Ein zweites Mal kommen Sie mir nicht in die Quere. Die Sache auf dem Postamt war reiner Zufall, Glück, wie es Amateure eben manchmal haben. Sie haben meine Leute auf dem falschen Fuß erwischt. Sollte es ein nächstes Mal geben, was absolut unwahrscheinlich ist, geht die Sache anders aus.« »Sie sollten sich und Ihre Mitarbeiter nicht überschätzen, Sir, an diesem Fehler sind schon viele Personen gescheitert. Man hatte bislang nicht den Eindruck, es mit besonders hochkarätigen Kriminellen zu tun zu haben. Mister O’Donnell hat Ihnen sicher auch berichtet, daß Mister Warner ihn ablöste, als sich Mylady zu einem Besuch in der Modernen Medien-Welt einfand.« »Hat er. Ich wundere mich, daß Sie so munter und unverschämt sind. Hat Ihnen Warner nicht klargemacht, daß mit uns nicht gut Kirschen zu essen ist?« »Sie geben also zu, daß die Firma Moderne Medien-Welt in die Raubüberfälle verwickelt ist?« »Ich gebe gar nichts zu, Parker, was wir hier am Telefon besprechen, läßt sich als Beweis für was auch immer nicht verwenden. Aber das wissen Sie natürlich ganz genau. Aber nehmen wir mal an, diesen Zusammenhang gibt es: Personal ist immer zu ersetzen, jedenfalls auf einer gewissen Ebene. Und Firmen kann man schließen, neue sogar aufmachen.« »Meine Wenigkeit versteht Sie durchaus, Sir. Es gibt in diesem Zusammenhang eine Entwicklung, die Sie möglicherweise noch nicht kennen. Haben Sie schon versucht, Mister Warner zu erreichen?«
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»Ich habe noch nicht mit ihm gesprochen«, räumte der Anrufer ein. »Sie haben aber versucht, ihn zu erreichen, was Ihnen jedoch nicht gelungen ist«, behauptete der Butler. »Das wäre auch nach dem Kenntnisstand meiner bescheidenen Wenigkeit gar nicht möglich. Mister Warner und drei seiner Untergebenen sind unangenehm aufgefallen und dürften zumindest für einige Stunden von der Polizei festgehalten werden.« »Was soll das heißen, Parker?« ereiferte sich der Anrufer. »Was haben Sie wieder angestellt?« »Die Herren betätigten sich als Exhibitionisten und unternahmen einen Bootsausflug«, informierte der Butler ihn. »Soweit man weiß, wurde die Polizei von empörten Beobachtern auf die Herren hingewiesen.« Einen Moment herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung, nur das schwere Atmen des »Oberfeuermelders« war zu hören. Dann räusperte er sich und sprach mit kaum unterdrückter Wut in der Stimme weiter. »Ich überlege ernsthaft, Parker, ob ich nicht auf das Geld verzichte und Sie und Ihre Chefin statt dessen einfach eliminieren lasse«, drohte er. »Sie entwickeln sich allmählich zu einem echten Ärgernis.« »Meine Wenigkeit geniert sich nicht, sich daran zu delektieren, Sir«, gab Parker gemessen zurück. »Indessen äußerte man ja auch schon wiederholt den Hinweis, daß Sie die Qualität Ihrer Mitarbeiter und Ihrer eigenen Person möglicherweise überschätzen. Wenn Sie gestatten, möchte man sich jetzt empfehlen. Gewisse Pflichten harren noch meiner Wenigkeit.« Damit legte der Butler einfach auf, was ganz und gar nicht seinem Stil entsprach. Aber es ging ihm darum, den überheblichen»Cheffeuermelder« zu provozieren und zu gewissen Kurzschlußreaktionen herauszufordern. * »Sie haben möglicherweise das Läuten überhört, Mister Ferris«, bemerkte Josuah Parker höflich. »Die Tür war nur angelehnt, und man wollte sicherheitshalber nach dem Rechten sehen, als niemand reagierte. Wie oft melden die Medien, daß ein Mensch hilflos in seiner Wohnung liegt und sich niemand um ihn kümmert.«
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Joseph Ferris, der kleine graue Mann, der den Feueralarm gegeben hatte, sah den Butler verdutzt an. Er saß auf einer schon etwas betagt wirkenden Couch und hatte sich offenbar eine bekannte Serie im Fernsehen zu Gemüte geführt. »Zunächst aber«, fuhr Parker fort, während er seiner Herrin einen Sessel zurechtrückte, »darf man Ihnen einen schönen guten Abend wünschen. Sie haben das Vergnügen mit Lady Agatha Simpson. Mylady hielt sich gestern in einem Ihnen wohlbekannten Postamt auf, als Feueralarm gegeben wurde. Sie nahmen anschließend großen Anteil an Myladys Interview.« »Aber… Moment mal, was haben Sie hier zu suchen?« Joseph Ferris erholte sich von seiner Überraschung und sprang wütend auf. »Die Tür war abgeschlossen, daß weiß ich ganz genau. Wie kommen Sie hier rein? Ich rufe die Polizei, wenn Sie nicht sofort verschwinden.« »Tun Sie das ruhig.« Lady Agatha maß den kleinen, unscheinbaren Mann mit kühlem Blick. »Wie oft haben Sie eigentlich Feueralarm gegeben, um den Weg für die Räuber frei zu machen?« »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.« Ferris’ Blick huschte nervös zu einer schmalen, weißgestrichenen Tür, was Josuah Parker nicht entging. »Sie haben Besuch, Mister Ferris?« fragte er deshalb den Wohnungsinhaber. »Wie kommen Sie darauf?« gab der Mann zurück und setzt sich wieder. »Was wollen Sie von mir?« »Sie versuchen jemanden zu warnen, Mister Ferris?« Josuah Parker deutete auf den Aschenbecher, der auf dem Couchtisch stand und in dem Zigarettenkippen mit Lippenstiftspuren lagen. Lady Agatha war schon in Bewegung, stapfte entschlossen zu der schmalen Tür und öffnete sie. »Warum kommen Sie nicht heraus und leisten uns Gesellschaft, meine Liebe?« fragte sie und bewog damit eine hagere, hochgewachsene Frau, das Badezimmer zu verlassen und ins Wohnzimmer zu treten. Sie mochte etwa so alt wie der Wohnungsinhaber sein, hatte scharfgeschnittene Züge, einen dünnen, verkniffenen Mund und kleine, vogelartige Augen, die das skurrile Paar böse musterten. »Wer sind die beiden, Jo, warum hast du sie reingelassen?« fuhr sie Ferris mit hoher, zum Keifen neigender Stimme an.
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»Ich hab’ sie nicht reingelassen. Die sind von selbst gekommen«, gab der Mann mürrisch zurück. »Du mußt die Tür offengelassen haben.« »Ich? Bist du verrückt? So was passiert mir nicht.« fuhr die Frau ihn an und ließ sich auf die Couch fallen. »Sie haben die Ehre und das Vergnügen, sich mit Lady Agatha Simpson unterhalten zu dürfen«, stellte Parker vor. »Meine Wenigkeit hört auf den Namen Josuah Parker und steht dem Haushalt Myladys als Butler vor.« »Ach nee.« Die hagere Frau grinste schief. »Ich dachte, so was wie Sie gab’s schon lange nicht mehr. Sei’s drum – was wollen Sie hier? Jo braucht keinen Butler, da bin ich sicher. Und ob das hier der richtige Ort für ‘ne Lady ist, möchte ich bezweifeln.« »Sie haben auch einen Namen, Madam?« erkundigte sich Parker gemessen und würdevoll. » Natürlich. Ich bin Emma Hopkins.« Die hagere Frau zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich dann in die zerschlissenen Polster der Couch. »Also, weshalb sind Sie hier?« »Steht diese Frage nicht eigentlich Mister Ferris zu?« Josuah Parker musterte die Frau auf der Couch aufmerksam. »Dem muß man hin und wieder unter die Arme greifen, sonst läßt er sich übertölpeln«, winkte die Hagere ab und sah den Wohnungsinhaber verächtlich an. »Sehen Sie ihn sich doch nur mal an, der hat doch keinen Mumm in den Knochen.« »Aber Emma«, protestierte Ferris und war peinlich berührt. »Sie sprechen ja nicht gerade freundlich von Ihrem Lebensgefährten«, stellte die ältere Dame fest und wandte sich dann an Ferris. »Sie sollten sich nach dieser unfreundlichen Attacke eine Erfrischung gönnen. Die haben sie bestimmt nötig. Und bei der Gelegenheit dürfen Sie auch mir etwas anbieten.« »Wie? Ach so, ja, sofort, ich bin gleich wieder da«, dienerte Ferris und sprang auf. »Sehen Sie, was ich meine?« Emma Hopkins lachte verächtlich und sah zu, wie ihr Freund den Barschrank öffnete und Gläser füllte. »Darf ich Ihnen auch etwas anbieten?« erkundigte er sich bei Parker, der aber freundlich ablehnte. »Betrachten Sie mich als ‘ne Art Vormund von dem da«, setzte die hagere Frau das Gespräch fort. »Also, warum sind Sie hier?«
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»Meine Wenigkeit wurde Zeuge, als Mister Ferris in einem Postamt Feueralarm gab«, erläuterte der Butler. »Die einsetzende Verwirrung nutzten einige Ganoven, um einen Raubüberfall durchzuführen.« »Der allerdings scheiterte, weil ich eingriff, meine Liebe«, fügte Mylady hinzu. »Aber das wissen Sie sicher, die Zeitungen waren voll davon.« »Sie waren das also.« Emma Hopkins musterte die ältere Dame nachdenklich. »Ich weiß immer noch nicht, was das mit uns zu tun hat.« »Mister Parker wird es Ihnen erklären.« Lady Agatha nickte ihrem Butler zu. »Mister Ferris gab Feueralarm. Aber es stellte sich heraus, daß er falsch war«, berichtete er. »Die Rauchentwicklung, die Mister Ferris Anlaß zu dem Alarm gab, war auf sogenannte Rauchtöpfe zurückzuführen, das heißt, man täuschte einen Brand vor. Der Zweck dürfte klar sein.« »Mir nicht, erklären Sie es mir.« Emma Hopkins starrte Parker aufmerksam an. »Der Sinn war, Alarm zu geben, um Personal und Publikum zum Verlassen des Amtes zu bewegen, Mistreß Hopkins. Anschließend konnte man ungestört Tresor und Kassen plündern.« »Donnerwetter, nicht schlecht«, kommentierte Emma Hopkins spöttisch. »Sie werfen Jo also vor, auf künstlich herbeigeführte Rauchentwicklung hereingefallen zu sein?« »Nicht ganz, Madam. Meine Wenigkeit fragt sich, ob er nicht im Auftrag der Bande den bewußten Alarm auslöste.« * Emma Hopkins schüttelte scheinbar verwundert den Kopf, aber ihre Augen blieben wachsam, wie Josuah Parker nicht entging. »Sie sehen doch, wie er sich hier aufführt«, stellte sie schließlich fest. »Trauen Sie einem solchen Mann tatsächlich zu, an einem Verbrechen beteiligt zu sein? Oder daß ihn überhaupt jemand daran teilnehmen läßt? Das ist doch sicher nicht Ihr Ernst.« »Was sage ich dazu, Mister Parker?« wandte sich Lady Agatha an den Butler.
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»Das Verhalten im Privatleben muß nicht unbedingt zwingende Rückschlüsse auf Situationen außerhalb desselben zulassen«, drückte sich Parker im gewohnten Stil aus. »Man könnte Mister Ferris zudem zum Mitmachen gezwungen haben. Sein – mit Verlaub – biederes Äußere läßt ihn besonders glaubwürdig als sogenannter Feuermelder erscheinen und sorgt gleichzeitig dafür, daß kein Verdacht auf ihn fällt.« »Blödsinn.« murmelte der kleine graue Mann und rutschte unruhig auf seinem Platz hin und her. »Mal angenommen, es stimmt, was Sie sagen.« Emma Hopkins machte eine Handbewegung, die den ganzen Raum einschloß. »Glauben Sie wirklich, er würde dann so leben? Sieht es hier so aus, als wäre der Wohnungsinhaber mit irdischen Gütern gesegnet? Oder meinen Sie, die Gangster, die ihn Ihrer Meinung nach zum Mitmachen gezwungen haben, lassen ihm keinen Anteil von der Beute?« »Ein Hinweis, der nicht ganz unberechtigt erscheint, Mistreß Hopkins. Andererseits hat man nicht die Absicht, voreilige Schlüsse zu ziehen oder Mister Ferris zu unterschätzen.« »Was meinen Sie damit?« »Mister Parker meint, daß er ja auch noch eine zweite Wohnung haben könnte, meine Liebe«, mischte sich Mylady ein. »Oder er legt sein Geld sicher an, um sich später irgendwo im Süden zur Ruhe zu setzen. Oder er überläßt Ihnen seinen Beuteanteil. Sie wirken auf mich durchaus so, als wenn Sie es fertigbrächten, ihm sein Geld abzunehmen«, schloß die ältere Dame in gewohnt offener Manier. »Wirklich? Und wenn ich das gar nicht nötig habe?« »Dieser Überfall war nicht der erste seiner Art«, bemerkte Parker. »Insgesamt gab es acht erfolgreiche vor dem mißglückten. In drei Fällen wurde der Alarm von einer älteren Frau gegeben.« »Was Sie nicht sagen.« Emma Hopkins gab sich betont gleichgültig und nippte an ihrer Erfrischung. »Hat man Sie auch unter Druck gesetzt, meine Liebe?« erkundigte sich Detektivin, die sofort wußte, worauf der Butler hinauswollte. »Nee, ich lasse mich nicht erpressen.« Emma Hopkins winkte lässig ab. »Aber ich betätige mich auch nicht als Feuermelderin, oder hat das jemand behauptet? Gibt es Zeugen gegen mich?«
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»Keineswegs und mitnichten, Mistreß Hopkins. Aber das wissen Sie auch sehr genau. Sie haben die Beichte in den diversen Medien sicher aufmerksam verfolgt. Bedauerlicherweise ist der Durchschnittsbürger kein sehr guter Beobachter. Die Erfahrung zeigt, daß sich die Aussagen mehrerer Zeugen zu ein und demselben Vorgang immer widersprechen, Teil sogar gegensätzlicher Natur sind. Ein Problem, dem sich die Ermittlungsbehörden zu ihrem Verdruß immer wieder gegenüberstehen.« »Wie schade.« Emma Hopkins lachte hämisch. »Mit anderen Worten, es gibt keine Zeugen, die behaupten konnten, mich gesehen zu haben, das wundert mich nicht, ich habe mit den Überfällen nämlich nichts tun«, schloß sie. »Und der da auch nicht«, fügte sie nach einem Blick auf Joseph Ferris hinzu. »Sie gehen welchem Broterwerb nach, Sir?« erkundigte sich Parker höflich. »Ich bin… äh… Frührentner«, gab Mann zurück. »Der Rücken, wissen Sie? Davor war ich Buchhalter.« »Warum antwortest du überhaupt auf? Was geht das die beiden Neugierigen an?« keifte seine Freundin. »Halten Sie sich zurück, meine Liebe, ich könnte sonst unwirsch werden«, warnte sie die ältere Dame und lächelte. »Da bin ich ja mal gespannt!« Die hagere Frau setzte ihr Glas hart auf den Couchtisch und sah die Besucherin herausfordernd an. Das wollte Agatha Simpson nicht durchgehen lassen. Einen Augenblick später zierte ein roter Fleck die linke Wange der Vorwitzigen. »Oh, Pardon, mir ist die Hand ausgerutscht«, entschuldigte sich Mylady. »Ich hoffe, Sie tragen es mir nicht nach, meine Liebe?« »Das werden Sie mir büßen!« Die hagere Frau sprang auf und stürmte ins Bad. Krachend warf sie die Tür hinter sich zu. »Sie hatten in Ihrem Beruf als Buchhalter möglicherweise gewisse Probleme, Sir?« nutzte Parker die Gelegenheit, den Wohnungsinhaber ohne den störenden Einfluß seiner Freundin befragen zu können. »Wie meinen Sie das?« Ferris sah den Butler unsicher an. »Manchmal kommt es zu gewissen Fehlbuchungen«, umschrieb Parker elegant seinen Verdacht. »Ich verstehe Sie nicht«, wehrte der unscheinbare Mann ab und sah betreten zur Seite.
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»Ich glaube, daß Sie Unterschlagungen begangen haben«, raunzte Mylady ihn an. »So kommen wir doch nicht weiter, lassen Sie sich nicht jedes Wort aus der Nase ziehen.« »Na ja, es gab da ein Mißverständnis«, räumte Ferris ein. »Aber ich schwöre Ihnen, ich war unschuldig, da hat ein anderer seine Finger drin gehabt.« »Das sagt jeder, der erwischt wird.« Lady Agatha winkte lässig ab. »Man hat Sie also aus der Firma geworfen, und Sie standen auf einmal vor dem Nichts. Dann hat man Sie erpreßt.« Joseph Ferris nickte und sah seine Besucher unglücklich an. »Ich bin entlassen worden, das stimmt«, räumte er ein. »Aber das mit der Erpressung stimmt nicht, ehrlich.« »Sie sollten sich Mylady rückhaltlos anvertrauen, Sir. Sie kann und wird Ihnen helfen«, bot Parker an. »Laß dir bloß nichts weismachen, Mann!« kam scharf die Stimme der Ferris-Gefährtin von der Badezimmertür her. »Die horchen dich nur aus, und dann lassen sie dich fallen wie ‘ne heiße Kartoffel. Wirf sie endlich raus, oder soll ich die Polizei rufen?« »Dieser Vorschlag stand schon einmal zur Debatte, Madam.« Josuah Parker sah die hagere Frau kühl an. »Es steht Ihnen frei, diesen Anruf zu tätigen. Mylady käme in einem solchen Fall allerdings nicht umhin, den Beamten ihren Verdacht mitzuteilen, was Ihre Person betrifft. Wenn man den Zeugen dann Ihr Foto zeigt, erinnern sie sich vielleicht doch besser. Was meinen Sie?« »Ich habe nichts zu befürchten!« behauptete Emma Hopkins erneut, aber Parker entging nicht der unsichere Ton in ihrer Stimme. Auch Mylady hörte ihn. »Man würde Sie also erkennen«, stellte sie fest und nickte nachdrücklich. »Wollen Sie nicht lieber gleich ein Geständnis ablegen? Ich könnte mich dann vor Gericht für Sie verwenden, obwohl ich das ehrlich gesagt in Ihrem Fall nicht gern täte!« »Ich lasse mich von Ihnen nicht aufs Glatteis führen, und Jo auch nicht, da passe ich schon auf.« Die Stimme der Hageren wurde trotzig. »So, und jetzt verschwinden Sie endlich! Wir haben genug von Ihnen!« »Vielleicht sollte man diesem Rat folgen, Mylady. Meine Wenigkeit hat nicht den Eindruck, hier noch wichtige Erkenntnisse zu gewinnen.« bemerkte der Butler zur Überraschung seiner Herrin. »Man
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könnte Myladys Karte hinterlassen für den Fall, daß Mister Ferris es sich anders überlegt und Myladys Angebot annehmen will.« »Soll ich wirklich einfach so gehen?« Agatha Simpsons Blick ruhte nachdenklich auf der hageren Frau. Es war offensichtlich, daß sie Emma Hopkins am liebsten noch mal geohrfeigt hätte. »Ich denke, Sie haben recht, Mister Parker, ich gehe.« Schnaufend erhob sie sich schließlich und marschierte zur Tür. »Sie sollten sich mein Angebot durch den Kopf gehenlassen, aber nicht zu lange«, wandte sie sich an Joseph Ferris. »Und lassen Sie sich in Ihrer Entscheidung nicht beeinflussen!« »Man wünscht den Herrschaften noch einen angenehmen Abend«, grüßte der Butler und folgte seiner Herrin. »Meine Wenigkeit steht Ihnen jederzeit hilfreich zur Verfügung, wie noch zu versichern wäre.« * »Diese Frau ist eine Xanthippe, Mister Parker«, urteilte die ältere Dame. »Dem kann und möchte man nicht widersprechen, Mylady.« Josuah Parker legte einen Schalter auf dem reichhaltig ausgestatteten Armaturenbrett um, und sofort drang auch schon die Stimme Emma Hopkins’ aus den Bordlautsprechern. »… als du kann man sich nicht anstellen«, schalt sie ihren Lebensgefährten. »Du hast dich erst so richtig verdächtig gemacht durch dein unterwürfiges Herumlavieren!« »Aber hör mal, ich hab doch so gut wie nichts gesagt«, protestierte er schwach. »Du hättest mal endlich Energie zeigen müssen«, keifte sie weiter. »Aber dazu bist du unfähig. Wenn ich mich nicht um alles kümmern würde, würdest du von der Armenunterstützung leben.« »Und wovon lebe ich jetzt? Von gestohlenem Geld! Soviel besser finde ich das nicht, ganz im Gegenteil!« gab er bitter zurück. »Besser reichlich gestohlenes Geld, als Hilfe, die vorn und hinten nicht reicht.« herrschte sie ihn an. »Fehlt dir vielleicht was? Wenn du willst, kannst du dir viel mehr leisten als zu der Zeit, als du noch gearbeitet hast.«
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»Damals war es ehrliches Geld, und ich mußte keine Angst haben, es auszugeben«, wandte Ferris mit weinerlicher Stimme ein. »Was habe ich von dem Geld, wenn ich es nicht ausgeben kann? Davon abgesehen, was du mir abnimmst, obwohl du selbst genug für deine Beteiligung kassierst.« »Dafür sorge ich für dich. Allein bist du doch lebensunfähig«, konterte sie. »Ohne mich kämst du nie zurecht, du bist doch ein totaler Versager!« »Warum bleibst du dann bei mir?« »Na, warum wohl?« triumphierte sie. »Weil man dich wie ein kleines Kind beaufsichtigen muß. Ich kann dir nur sagen, wir haben längst bereut, dich angeheuert zu haben, du bist eine ständige Gefahrenquelle. Aber ich warne dich: Mach keine Dummheiten, das würde dir schlecht bekommen! Es wäre sogar schon schlecht, wenn wir nur den Verdacht hätten, daß du ein unsicherer Kantonist bist. Also reiß dich in Zukunft mal ‘n bißchen zusammen, oder…« Emma Hopkins vollendete den Satz nicht, aber es war offensichtlich, was sie meinte. »Die Frau ist einfach widerlich, Mister Parker«, sagte Mylady, die sich nicht im geringsten über diese – Live-Reportage – wunderte. Sie kannte Parkers technisches Geschick nur zu gut. In diesem Fall hatte der Butler einmal mehr eine sogenannte Wanze hinterlassen, was auch der Grund dafür war, daß er ihr den Aufbruch empfohlen hatte. Parker verzichtete auf eine Antwort, denn jetzt drang Joseph Ferris’ Stimme schrill und fast schon hysterisch klingend aus den Lautsprechern. »Warum sagst du dauernd >wir<. Bespitzelst du mich etwa?« kreischte er. »Bist du etwa meine Aufseherin? Los, sag schon, was los ist!« »Was dachtest du denn, du Versager?« gab sie höhnisch zurück. »Meinst du vielleicht, so ein Waschlappen wie du könnte mir imponieren? Natürlich passe ich auf dich auf, und ich kann dir nur noch mal raten, dich zusammenzureißen. Wenn du die Nerven verlierst, bleibt es nicht nur dabei, dann verlierst du noch viel mehr. Das verspreche ich dir.« »Du meinst…« Joseph Ferris sprach nicht aus, was er meinte, aber es war ohnehin klar. »Tja, so ist das nun mal.« Emma Hopkins schien keine Lust mehr zu haben, sich mit ihrem Gefährten zu unterhalten, aber der wollte das Gespräch noch nicht abbrechen.
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»Die Sache damals in der Firma, diese angebliche Unterschlagung… du weißt natürlich, daß ich das nicht war. Stimmt?« »Natürlich, du warst nur der Trottel, der den Kopf hinhalten mußte.« Emma Hopkins lachte schrill. »Und du hast sogar noch ‘n Schuldanerkenntnis unterschrieben, du Idiot!« »Ich hatte Angst vor der Polizei«, gestand Ferris kleinlaut. »Man hatte mich doch völlig in der Hand, und als man mir versprach, die Sache unter der Hand zu regeln, habe ich eben ja gesagt.« »Die hätten die Polizei nie und nimmer gerufen, dabei wäre vielleicht herausgekommen, wer es wirklich war«, klärte sie ihn auf. »Aber du warst ja so in Panik geraten, daß du an diese Möglichkeit nicht mal im Traum gedacht hast.« »Wer hat die falschen Buchungen durchgeführt? Warst du das?« »Wer denn sonst? Natürlich auf Anweisung, aber ich wußte von Anfang an, daß du den Sündenbock abgeben würdest, wenn es rauskommt.« »Ja, aber… der Mensch, der die Sache bei der Betriebsprüfung aufgedeckt hat, hätte mich doch eigentlich anzeigen müssen«, fiel Ferris ein. »Erstens kannte der Chef ihn gut, zweitens hat die Firma ja die hinterzogenen Steuern schnell nachgezahlt, und drittens haben wir dem Mann klargemacht, daß er aus humanitären Gründen auf die Anzeige verzichten sollte, um dir noch mal ‘ne Chance zu geben. Naja, das hat er geschluckt.« »Verdammt!« Joseph Ferris sprang anscheinend auf und stieß dabei einige Möbelstücke zur Seite, dann drang wieder die Stimme der Hopkins durch. »Mach dich nicht lächerlich, Jo, du kannst mir ja doch nichts tun. Dich lasse ich am ausgestreckten Arm verhungern.« »Ich mache nicht mehr mit, ich steige aus!« verkündete der ehemalige Buchhalter mit entschlossener Stimme. »Seht zu, wer für euch den Alarm-Job erledigt, aber du kommst dafür ja wohl kaum noch in Frage. Du hast ja gehört, daß du auch unter Verdacht stehst. Wissen das deine Gönner überhaupt?« »Nein, und du wirst es ihnen auch nicht sagen! Und glaube nur nicht, du könntest einfach so aussteigen, das würdest du nicht überleben! Du machst solange mit, wie wir es wollen. Hast du das kapiert?« »Ja.« Die Stimme des kleinen Mannes war kaum noch hörbar, er hauchte dieses eine Wort mehr, als daß er es sagte.
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»Ich… ich gehe ‘ne halbe Stunde nach unten, ich habe Kopfschmerzen«, fuhr Ferris fort. »Das darf ich doch wenigstens noch, oder?« »Meinetwegen kannst du auch in deine Kneipe an der Ecke gehen und dich vollaufen lassen«, fauchte Emma Hopkins. »Nur vergiß nicht, was ich dir gesagt habe, und halt vor allem die Klappe!« * »Das ist ja sehr interessant«, fand Mike Rander, der sich am späten Abend noch im altehrwürdigen Fachwerkhaus eingefunden hatte. Die Hausherrin hatte sich schon lange zurückgezogen, um eine beliebte Fernsehserie zu studieren. Mike Rander war mit Kathy Porter im Theater gewesen und anschließend herübergekommen. Er lehnte entspannt in einem Ledersessel, in der Halle und ließ sich von Parker Bericht erstatten. »Der arme Kerl«, meinte er schließlich, als der Butler seinen Bericht beendet hatte. Rander spielte damit auf Joseph Ferris an, der in diesem Fall ja eine tragische Rolle spielte und selbst Opfer war. »Man müßte ihn doch überreden können, auszupacken«, fuhr der Anwalt fort. »Viel passieren kann ihm aus juristischer Sicht nicht, eigentlich sogar gar nichts. Wenn er dann noch hilft, die Strolche zu überführen, ist er rehabilitiert.« »Leider steht Mister Ferris unter der Vormundschaft von Mistreß Hopkins«, gab Parker zu bedenken. »Man hatte den Eindruck, der Bedauernswerte fürchte sich.« »Und wennschon! Wenn Sie ihn hier im Haus unterbringen, kann das Luder nicht an ihn heran.« »Was allerdings auch bedeuten würde, die Bande vorzeitig zu warnen, Sir. Aber meine Wenigkeit wird dennoch den Versuch unternehmen, mit Mister Ferris unbemerkt Kontakt aufzunehmen. Bleibt nur zu hoffen, daß er die Nerven hat, bis zur Überführung der Bande mitzuspielen.« »Da scheinen Sie so Ihre Zweifel zu haben, Parker, was?« Rander sah den Butler forschend an. »In der Tat, Sir. Mister Ferris macht einen geradezu beklagenswerten Eindruck.«
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»Gefährden dürfen wir ihn natürlich nicht«, räumte Mike Rander ein. »In der Tat, Sir. Aber man sollte im Verlauf des nächsten Tages einige Nachforschungen anstellen. Stichworte hierzu fielen während der Unterhaltung, die man mithörte. Man denkt zum Beispiel daran, daß Mistreß Hopkins und Mister Ferris irgendwann in derselben Firma gearbeitet haben müssen. Diese Firma gilt es zu finden.« »Das kann doch gar nicht schwer sein. Darum kümmere ich mich. Ich kenne da jemand im Ministerium, der mir sicher weiterhelfen kann, vorausgesetzt natürlich, die beiden haben ordnungsgemäß ihre Steuererklärungen abgegeben.« »Meine Wenigkeit wird parallel dazu gleichfalls Ermittlungen anstellen, Sir«, kündigte der Butler an. »Man denkt in diesem Zusammenhang unter anderem an das Handelsregister, um die Eigentumsverhältnisse der Firma Moderne Medien-Welt zu klären, sowie an einige Auskünfte, die die Herren O’Donnell und Warner betreffen. Eventuell könnte man auch Myladys gute Beziehungen zu den Banken verwerten, um zu erfahren, welche finanziellen Transaktionen die Medien-Welt durchführt.« »O je, das klingt aber sehr nach Verletzung des Datenschutzes, Parker!« mahnte der Anwalt und lächelte jungenhaft. »Leider lassen sich manche Ergebnisse nur unter sehr großzügiger Auslegung gewisser Vorschriften und Regeln erzielen, Sir«, räumte der Butler ein, ohne eine Miene zu verziehen. * »Ich denke, ich habe da etwas für Sie, Mister Parker«, erklärte Horace Pickett nach der Begrüßung. »Es gibt ein kleines Einkaufscenter zwischen Upper Holloway und Stroud Green, das sich nach der kleinen Straße, an der es liegt, Hanley Shoppingcenter nennt. Sie wissen, wie diese Einkaufscenter aussehen. Es gibt dort das übliche Angebot: Diverse Läden und Supermärkte, eine Apotheke, ein Fitneßcenter, ein Restaurant und ein kleines Pub. Dazu ein halbes Dutzend Arztpraxen.« »Meine Wenigkeit kann es sich sehr gut vorstellen, Mister Pickett«, gab der Butler zurück. »Soweit die Kenntnisse von der Londoner Topographie – mit Verlaub – richtig sind, müßte dieses
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Center ziemlich genau im Mittelpunkt jenes Radius liegen, den man als Wirkungsbereich der sogenannten Feuermelder feststellte.« »Genau, Mister Parker. Und dieses Center ist eigentlich ideal geeignet. Da gehen täglich viele Menschen ein und aus, es ist relativ gut erreichbar, verfügt über ein eigenes kleines Parkhaus und ist schwer zu überschauen.« »Wie kommen Sie gerade auf dieses Shoppingcenter, Mister Pickett? Auch andere Lokalitäten könnten durchaus in Frage kommen.« »Das stimmt natürlich, Mister Parker. Aber ich habe nichts gefunden, was ähnlich günstig liegt. Und dann gibt es da noch einen netten, kleinen Zufall. Ich habe mich natürlich auch für den Betreiber des Centers interessiert, und was entdecke ich dabei? Ich sehe einen Mann, der mir bekannt vorkommt. Nachdem ich bei einem Tee eine Weile über ihn nachgedacht habe, fällt mir ein, wer er ist: Ein gewisser Philip Lancer, der Bursche hat früher mal in Anlageberatung gemacht. Sie wissen schon, diese Fonds, die den Anlegern große Steuervorteile und Zinsen versprechen, während das Geld in Wirklichkeit über dunkle Kanäle abfließt und oft für immer verloren ist. Lancer konnte nie etwas nachgewiesen werden, er fungierte offiziell als Vertriebsleiter, der angeblich der Meinung war, die Gelder würden ordnungsgemäß angelegt. Mangels Beweisen wurde er freigesprochen.« »Außerordentlich interessant, Mister Pickett«, fand der Butler. »Ich habe dann herausgefunden, daß Lancer der Chef der Verwaltungsgesellschaft ist, die das Shoppingcenter betreibt. Die Firma nennt sich Hanley Objektverwaltung. Und was noch interessanter ist: Besonders gut geht es dem Center hier nicht. Viele Läden und Büros stehen leer, und es müssen eine Reihe von Nachbesserungsarbeiten durchgeführt werden, weil beim Bau gepfuscht oder bei der Planung schlampig gearbeitet wurde. Der Betreiber steht vor Millionenverlusten, man spricht sogar davon, daß sich schon die Banken gemeldet haben, weil sie um ihr Geld fürchten.« »Ein Background, der gewisse Aktivitäten geradezu herausgefordert, Mister Pickett«, fand der Butler. »Man hat an Ihre Adresse inzwischen einige Fotos per Boten geschickt. Vielleicht können Sie überprüfen, ob man die Herrschaften dort schon mal gesehen hat.«
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»Mache ich. Ich melde mich wieder, wenn ich etwas Neues weiß«, verabschiedete sich der ehemalige Eigentumsumverteiler und legte auf. Parker griff gleich wieder zum Hörer und rief Mike Rander in der Kanzlei in der Curzon Street an. »Vielleicht könnten Sie diese Firma überprüfen lassen, Sir?« schlug er vor und nannte Name und Anschrift der Hanley Objektverwaltung. »Eine heiße Spur, Parker?« wollte der Anwalt wissen. »So könnte man sagen, Sir.« Josuah Parker erklärte, was es mit dem Center auf sich hatte und wie er davon erfahren hatte. »Ach ja, der gute alte Pickett, ich sollte ihn wieder mal zum Tee einladen«, parodierte Rander Mylady, die immer, wenn Picketts Name fiel, von dieser Tee-Einladung sprach, sich aber erst einmal dazu hatte durchringen können. »Ich werde bei meinem Bekannten von der Steuer nachprüfen lassen, ob Ferris und die Hopkins dort gearbeitet haben und melde mich dann umgehend wieder bei Ihnen«, versprach Rander und verabschiedete sich. Parkers nächster Anruf galt Chief-Superintendent McWarden, der erfreulicherweise in seinem Büro weilte. »Lancer, Lancer, irgendwie kommt mir der Name bekannt vor, Mister Parker«, überlegte der hohe Beamte vom Yard. »Wie kommen Sie auf den?« »Einzelheiten möchte meine Wenigkeit erst nennen, wenn sich ein gewisser Verdacht zur Gewißheit verdichten sollte, Sir«, wich der Butler aus. »Man darf aber sagen, daß es nicht unwahrscheinlich ist, daß Mister Lancer mit den sogenannten Feuermeldern in Verbindung steht.« »Ich rufe in einer halben Stunde zurück, Mister Parker«, zeigte sich McWarden kooperativ. »Man dankt verbindlichst, Sir.« Josuah Parker legte auf und wählte danach die Auskunft. »Hanley Objektverwaltung«, meldete sich eine Frauenstimme unter der von der Auskunft erhaltenen Nummer. Zuvor hatte Parker einen elektronischen Stimmumwandler eingeschaltet, der jede Stimme so stark veränderte, daß sie anders als in Wirklichkeit klang. »Man trägt sich mit dem Gedanken, in Ihrem Shoppingcenter Räumlichkeiten zu mieten«, erläuterte der Butler sein Anliegen. »Bitte verbinden Sie mich mit dem zuständigen Manager.«
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»Ich werde nachsehen, ob Mister Lancer erreichbar ist.« Parker hörte es in der Leitung klicken, dann meldete sich der Chef der Objektverwaltung selbst. »Lancer hier, ich bin der Geschäftsführer der Hanley Objektverwaltung«, stellte er sich vor. »Meine Sekretärin sagte mir, Sie wollen Räume mieten?« »Eventuell, Sir«, schränkte Parker ein. »Das ist natürlich nicht zuletzt eine Preisfrage. Ich vertrete eine Einzelhandelskette, die Geschenkartikel und Schreibwaren vertreibt und die sich jetzt überall in London stärker engagieren möchte. Hätten Sie geeignete Räumlichkeiten anzubieten? Man denkt an etwa zweihundert Quadratmeter Ladenfläche zuzüglich Sozialräume und Lager.« »Das läßt sich machen. Wollen wir einen Termin vereinbaren?« »Man wird sich im Lauf des morgigen Vormittags bei Ihnen melden«, versprach Parker, der sich übrigens als William Brown, Objektmanager, vorgestellt hatte, und verabschiedete sich. Es gab keinen Zweifel. Lancers Stimme war mit der des »Oberfeuermelders« identisch. Damit bestätigte sich der Hinweis, des ehemaligen Eigentumsumverteilers als richtig. Jetzt galt es nur noch, gewisse Arrangements zu treffen, um Lancer noch weiter aus der Reserve zu locken und gerichtsverwertbare Beweise gegen ihn zu beschaffen. Josuah Parker nahm sich vor, seine Herrin zu einem kleinen Einkaufsbummel im Hanley Shopping-Center zu überreden. * Mike Rander und Kathy Porter hatten sich eingefunden, weil der Anwalt von seinen Recherchen in Sachen Joseph Ferris und Emma Hopkins berichten wollte. »Das paßt alles prima zusammen«, meldete sich der Anwalt zu Wort. »Joseph Ferris und diese gräßliche Hopkins haben früher bei einer Anlagefirma namens Intervest gearbeitet, bei der Lancer wiederum Vertriebschef war. Die beiden waren in der Buchhaltung.« »Wo man den armen Ferris dann hereinlegte«, fügte Kathy Porter an, die sich von Mike hatte berichten lassen.
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»Aus den Steuerunterlagen geht hervor, daß die Hopkins eine geborene Lancer ist«, fuhr Mike Rander fort. »Sie ist die Schwester von Philip Lancer. Was sagen Sie jetzt?« »Die Sache ist völlig klar und im Grund viel zu einfach für mich«, stellte die Hausherrin kühl fest. »Dabei fällt mir ein, ich habe noch immer die beiden Lümmel zu Gast, die mich gestern in meinem eigenen Haus überfallen wollten. Die können Sie jetzt aber gehen lassen, Mister Parker. Nachdem der Fall so gut wie gelöst ist, brauche ich die beiden nicht. Und unnötig durchfüttern möchte ich sie nicht, das kommt nicht in Frage.« »Auch die Herren Belter und Finnegan arbeiteten früher bei der bewußten Anlagefirma, ebenso wie die Herren O’Donnell und Warner«, rundete Parker ihren Wissensstand ab. »Alle vier waren im Vertrieb tätig und führten jeweils kleine Verkaufsteams, die mit fragwürdigen Methoden die noch fragwürdigen Investmentanteile verkauften.« »Wie ich schon sagte, das ist mir alles viel zu einfach.« Lady Agatha seufzte. »Mister Parker, ich mache einen Einkaufsbummel. Ich hoffe nur, daß ich das eine oder andere Sonderangebot finde.« * »Das wurde aber auch Zeit.« bemerkte Frank Belter, während er sich langsam vom Bett erhob. »Seien Sie froh, wenn wir nicht zur Polizei gehen und Sie anzeigen, Mann!« »Dem steht nichts im Weg, Sir«, bemerkte der Butler gemessen. »Wenn Sie möchten, ruft man die Polizei sogar von hier aus an. Sie können dann Ihre Anzeige an Ort und Stelle erstatten.« »Das überlegen wir uns noch. Aber es kann schon sein, daß Sie noch von uns hören«, winkte Tom Finnegan ab. »Ich denke da an Schadenersatz, Schmerzensgeld und Verdienstausfall.« »Letzterer dürfte sich wohl zu einem Dauerzustand ausweiten, zumindest für die nächste Zeit«, befürchtete Parker. »Wie meinen Sie das?« Frank Belter sah den Butler mißtrauisch an. »Ihre Vorgesetzten haben inzwischen erfahren, daß die Herren etwas Pech hatten, um es mal so auszudrücken. In Ihren Kreisen neigt man dazu, sogenanntes Versagen nicht zu tolerieren, im
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Gegenteil, man ist in einem solchen Fall sogar recht nachtragend. Vielleicht empfiehlt es sich, London für eine Weile zu verlassen.« »Ich verstehe kein Wort«, behauptete Tom Finnegan. Sein Ton bewies aber, daß das Gegenteil der Fall war. »Mister Lancer, der zwischenzeitlich mehrmals hier anrief, machte keinen sehr erfreuten Eindruck, als er feststellen mußte, daß Sie Ihren Auftrag nicht ausgeführt haben.« »Wer soll das denn sein?« Jetzt war es an Frank Belter, den Unwissenden zu spielen. »Sie bemühen sich vergeblich, Unverständnis vorzutäuschen, Mister Belter. Man hat gewisse Recherchen angestellt und Fotos von Ihnen im Hanley Shopping-Center herumgehen lassen. Sie sind dort ebenso bekannt wie die Herren O’Donnell, Warner und auch Joseph Ferris und Mistreß Hopkins«, bluffte der Butler. »Verdammt!« Tom Finnegan riß einen Stuhl hoch und wollte ihn Parker an den Kopf schmettern, doch der Butler kam ihm zuvor. »Pardon, Sir«, entschuldigte er sich und hielt den Stuhl mit der Hand fest und stellte ihn auf den Boden zurück. »Sie sehen, Ihre Zukunftsaussichten sind in der nächsten Zeit in London ausgesprochen trübe«, fuhr Parker fort, als wäre nichts geschehen. »Und Sie wollen uns nicht der Polizei übergeben?« vergewisserte sich Frank Belter. »Sie sind nur das, was man im Volksmund die kleinen Fische nennt, Sir, wenn Sie diesen Vergleich verzeihen wollen. Auf Ihren Fang kann meine Wenigkeit durchaus verzichten.« * Horace Pickett, hochgewachsen und schlank, äußerlich wie ein pensionierter Kolonialoffizier Ihrer Majestät wirkend, trug Trenchcoat und Travellerhut und traf sich mit Mylady und Parker vor dem Einkaufs-Center. Höflich lüftete er den Hut, als er Mylady ansichtig wurde, die ihm ihrerseits huldvoll zunickte. Lady Agatha schätzte den ehemaligen Eigentumsumverteiler und seine ausgezeichneten Manieren. »Die Fotos, die Sie mir geschickt haben, habe ich durch meinen Neffen diskret herumzeigen lassen«, erklärte er. »Alle fünf sind hier bekannt, das heißt, sie wurden schon öfters hier gesehen.«
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Auf dem Bild waren Joseph Ferris, der »Feuermelder« sowie die Herren Belter, Finnegan, O’Donnell und Warner abgelichtet. »Konnte eine Vorliebe für bestimmte Teile des Shopping-Centers ermittelt werden, Mister Pickett?« »Ja, für das Pub da hinten. Nennt sich Center Pub. Ist ein recht gemütlicher Laden mit Billardsalon, Kegelbahn und meinem Besprechungszimmer, wie ich erfuhr.« »Sie haben wie immer ganz ausgezeichnete Arbeit geleistet, mein Lieber«, lobte Agatha Simpson und lächelte versonnen. »Ich werde mir dieses Pub ansehen. Es scheint eine Schlüsselrolle zu spielen.« »Es ist leider noch geschlossen, Mylady«, bedauerte der ehemalige Eigentumsumverteiler. »Es öffnet um sechs Uhr.« »Bis dahin ist es ja noch über eine ganze Stunde.« Lady Agatha hatte für diesen mangelhaften Service, auch wenn er die Folge einer gesetzlichen Auflage war, kein Verständnis. »Nun gut, dann sehe ich mich hier ein wenig um.« »Es gibt eine weitere interessante Geschichte«, erzählte Pickett. »Vor etwa drei Jahren, als das Center noch ganz neu war, gab es einen Brand im Supermarkt dort drüben. Einige Leute, die sich zufällig im Laden aufhielten, nutzten die Situation und raubten die Kassen aus beziehungsweise stopften sich ihre Taschen mit Ware voll, die sie natürlich nicht bezahlten. Der Schaden, der allein dadurch entstand, soll damals rund fünfzigtausend Pfund betragen haben.« »Das ist also der Auslöser«, stellte Lady Agatha zufrieden fest. »Dieser Dancer hat sich irgendwann daran erinnert und beschlossen, daraus eine neue Masche zu machen.« »Sie meinen Philip Lancer? Ja, wahrscheinlich war es so, Mylady«, stimmte Pickett ihr zu und korrigierte dabei diskret den Namen des Center-Betreibers. »Da kommen Kathy und Mike«, stellte die ältere Dame fest und blickte dem jungen Paar, das gerade aus einer Tür trat, die zur Parkgarage führte, entgegen. »Ich werde mir mit Kathy die Geschäfte ansehen.« »Mylady legen Wert auf die Begleitung meiner Wenigkeit?« erkundigte sich Josuah Parker. »Nein, Sie können sich eine Stunde frei nehmen, Mister Parker. Wir Frauen wollten mal unter uns sein. Wir treffen uns dann um sechs Uhr vor dem Pub.«
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»Wie Mylady zu wünschen geruhen.« Parker hatte seine Frage absichtlich gestellt in der Hoffnung, daß die Antwort entsprechend ausfallen würde. Er wollte die Zeit nutzen und sich gründlich vor Ort und Stelle informieren, bevor man Philip Lancer besuchte. * Jason O’Donnell eilte, ohne nach rechts und links zu blicken, durch die breite Hauptpassage des Centers. Er trug einen schmalen Aktenkoffer bei sich und war auf dem Weg zu Philip Lancer, weil der Mann ihn zu sich bestellt hatte. O’Donnell hatte die Verwaltung fast erreicht, als er aus dem Augenwinkel eine vertraute Gestalt wahrzunehmen glaubte. Unwillkürlich schluckte er. Das durfte doch nicht wahr sein! Nur wenige Schritte von ihm entfernt schlenderte die ältere Dame an den Schaufenstern vorbei und tat so, als interessiere sie sich für die Auslagen. Jason O’Donnell geriet in Panik. Die Anwesenheit dieser Frau konnte nur bedeuten, daß man ihnen auf die Spur gekommen war und jetzt den Schlußpunkt setzen wollte. Er mußte sich zusammenreißen, um nicht die letzten Meter bis zur Verwaltung eine andere Gangart anzuschlagen. »Nanu, was ist denn mit Ihnen los?« erkundigte sich die junge Frau am Empfang, »Ach, nichts, die Hitze macht mir zu schaffen, verstehen Sie?« O’Donnell wies auf die Tür zum Chefzimmer. »Ist er frei? Ich muß dringend mit ihm sprechen.« »Ja, sicher, Sie haben doch einen Termin.« Kopfschüttelnd sah sie ihm nach. »Sie sind hier!« rief O’Donnell, kaum, daß er die wattierte Tür hinter sich geschlossen hatte. Philip Lancer, ein großer, hochgewachsener Mann im tadellosen maßgeschneiderten Anzug, blickte auf und zog irritiert die Brauen hoch. »Von wem sprechen Sie?« erkundigte er sich indigniert. »Ich hab’ diese komische Lady gesehen, die treibt sich draußen im Center herum«, stieß O’Donnell hervor. »Und wo die ist, kann auch der Butler nicht weit sein.«
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* Die drei Männer bewegten sich unauffällig, aber durchaus zielstrebig durch das Einkaufs-Center. Es ging ihnen darum, die Örtlichkeit zu erkunden, um nicht zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund mangelnder Ortskenntnisse ins Hintertreffen zu geraten. »Hier muß tatsächlich einiges gemacht werden«, bemerkte Mike Rander und wies auf bröckelnde Betonfladen an einer Mauer. Große, feucht schimmernde Flecken an anderen Stellen wiesen auf Probleme mit der Isolierung hin. »Meine Wenigkeit hat bislang neun leerstehende Läden gezählt«, stellte der Butler fest. »Es ist offensichtlich, daß die CenterBetreiber gewisse Probleme haben.« Die Männer öffneten die schmale Metalltür, die in die Parkgarage führte, und gingen nach unten. Sie schlenderten gerade an den abgestellten Fahrzeugen entlang, um nach weiteren Zugängen Ausschau zu halten, als ein Kleinbus die Rampe herunterrollte und nicht weit entfernt von ihnen abgestellt wurde. Vorsichtshalber traten sie zwischen zwei geparkte Wagen und verbargen sich. Sie wollten warten, bis die Insassen, des angekommenen Wagens ausgestiegen und zum Center unterwegs waren, bevor sie ihren Rundgang fortsetzten. Dann aber räusperte sich Parker diskret und sah sich gezwungen, seine Begleiter flüsternd zu informieren. Aus dem Kleinbus waren fünf Männer ausgestiegen. Vier davon bewegten sich schnell und zielstrebig, der fünfte hing zwischen zweien von ihnen und mußte mehr oder weniger mitgezerrt werden. Es handelte sich ohne jeden Zweifel um den kleinen grauen Mann, um Joseph Ferris. Sein Kopf pendelte haltlos hin und her. Anscheinend hatte man ihn betrunken gemacht oder ihm ein Medikament verabreicht. »Sie meinen, die haben sich den armen Kerl geschnappt, um ihn beiseite zu bringen?« erkundigte sich der Anwalt leise. »Das scheint außer Zweifel zu stehen, Sir.« »Gut, dann wollen wir mal.« Mike Rander ging als erster. Er schlich zwischen den geparkten Wagen hindurch, sah eine weitere Tür, ging hin, um sie lautstark zu öffnen und gleich wieder zu schließen, und tat dann so, als hätte er das Parkdeck gerade betreten.
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Er ging den Männern entgegen und schien stutzig zu werden, als er sie sah. Dann begann er breit zu grinsen und deutete auf Ferris. »Na, der Junge hat wohl nicht rechtzeitig aufgehört, was?« sagte er. »Nee, manche kennen eben ihre Grenzen nicht«, gab einer der Männer, die Joseph Ferris schleppten, zurück. »Aber das ist ja der gute alte Jo!« rief der Anwalt dann und tat so, als würde er den Zusammengesunkenen eben erst erkennen. Die vier anderen Männer sahen sich an, hier schien es Komplikationen zu geben. »Der heißt Sam«, behauptete einer von ihnen. »Sie irren sich. Entschuldigen Sie, wir haben’s eilig, wir wollen ihn nur schnell nach oben in sein Büro bringen. Da kann er sich auf ‘ner Couch ausruhen.« »Aber ich werden doch meinen guten alten Freund Jo kennen«, ließ sich Mike Rander nicht abwimmeln und beugte sich zu Ferris hinunter, um in sein Gesicht zu sehen. »Hör mal, Kumpel, du störst hier.« Der Anführer des EntführerQuartetts, ein kompakt gebauter Mann um die vierzig, schob den Anwalt zurück und musterte ihn ärgerlich. »Such dir ‘n anderen Freund. Das hier ist unserer, und um den kümmern wir uns, kapiert?« »Nein.« Mike Rander lächelte freundlich. »Na schön, wenn du’s nicht anders kapierst…« Der Kompakte riß den Fuß hoch und wollte ihn Rander in den Unterleib rammen, aber der Anwalt stand schon nicht mehr an der alten Stelle. Er war seitlich ausgewichen, griff nach dem vorschwingenden Fuß und verdrehte ihn. Der Kompakte brüllte auf, taumelte zurück und krachte mit dem Rücken gegen ein Auto. »Kann man helfen?« ertönte in diesem Augenblick die höfliche Stimme Josuah Parkers. Er hielt bereits seinen UniversalRegenschirm an der Spitze fest und ließ den bleigefüllten Bambusgriff auf den Hinterkopf eines Mannes fallen. Damit waren nur noch die beiden Männer übrig, die Joseph Ferris festhielten. Sie setzten ihn auf den Boden, lehnten ihn mit dem Rücken an den Kotflügel eines Wagens und griffen gleichfalls an. Der erste stolperte dabei über ein Bein, das Horace Pickett ausstreckte, der soeben zwischen zwei geparkten Wagen hervorkam. Der zweite sah konsterniert einem fliegenden Objekt entgegen, das einen Augenblick später in seiner Halsbeuge landete und ihn fällte.
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»Man bedauert ungemein, Sir«, entschuldigte sich Parker, während er seine Melone barg. »Aber Sie sollten meiner Wenigkeit eine gewisse Notwehr zugestehen.« Bevor sich die anderen Männer wieder besinnen konnten, hatte sie der Butler schon mit dünnen, sehr widerstandsfähigen Plastikfesseln versehen. Dann kümmerte er sich um den zusammengesunkenen Joseph Ferris. * »Das ist die Frau, von der sich Warner hat übertölpeln lassen.« Philip Lancer starrte auf den Kontrollmonitor der Überwachungsanlage, die mit diversen Kameras in den Gängen des Einkaufscenters verbunden war. Mit Ausnahme der Parkgarage konnte von hier aus das gesamte Haus überwacht werden. »Die sieht nur so harmlos aus. In Wirklichkeit hat die es faustdick hinter den Ohren«, warnte O’Donnell. »Aber wo ist denn dieser komische Butler, von dem Sie erzählt haben?« sorgte sich Lancer. »Der muß auch irgendwo herumschwirren, der taucht bestimmt jeden Augenblick auf«, glaubte O’Donnell und sah auf dem Bildschirm, wie die ältere Dame sich zu einer Schmuckauslage beugte und dann etwas zu ihrer jungen Begleiterin sagte. »Okay, der Wachdienst soll sich schon mal die beiden Frauen schnappen«, befahl Lancer. »Wenn wir die haben, kriegen wir auch den Butler. Wir brauchen ihm nur damit zu drohen.« »Klasse Idee.« Jason O’Donnell grinste breit, dann verließ er das Chefbüro. Er ging zwei Türen weiter und betrat die Zentrale des centereigenen Wachdienstes. Hier standen sogar fünf Monitore nebeneinander. Davor lümmelte ein blonder Mann im Sessel und schien sich zu langweilen. »Wo ist Randy?« wollte O’Donnell wissen. »Er soll sofort herkommen, wir haben etwas zu erledigen. Siehst du die beiden Frauen da?« Er deutete auf den mittleren Bildschirm. »Ja, was ist mit denen?« »Die sollt ihr kassieren, aber unauffällig natürlich. Anschließend bringt ihr sie hierher.« »Was heißt kassieren, Mann?« Der Blonde sah O’Donnell an.
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»Na, was wohl? Daß ihr sie um jeden Preis herschafft, egal wie!« fauchte der Mann. »In Ordnung, ich weiß Bescheid.« Der Blonde beugte sich über ein Mikrofon und gab eine Durchsage. Wenige Minuten später betrat der Leiter des Wachdienstes den Raum und nickte O’Donnell zu, der ihn in knappen Worten instruierte. Der Wachdienst war damals, nach dem Brand, auf Drängen der Versicherung eingerichtet worden. Seine Angehörigen patrouillierten in schwarzer, uniformähnlicher Kleidung durch das Center und sorgten auf diese Weise dafür, daß sich Stadtstreicher und Ladendiebe fernhielten. Auch junge Leute, die sonst so gern in Einkaufscentern mit Rollschuhen oder Skateboards herumtobten, hielten sich fern. Deshalb war die kleine, ein halbes Dutzend Männer umfassende Truppe bei den Geschäftsleuten des Centers durchaus angesehen. Was sie natürlich nicht wußten, war, daß der Wachdienst selbst Waren bei der Anlieferung verschwinden ließ und im übrigen die Männer, die keine Schicht hatten, für den Centerchef Raubüberfälle durchführten. * »Nun, hier herrscht wenigstens Ordnung.« Lady Agatha deutete auf die beiden schwarzgekleideten jungen Männer, die ein silbernes Abzeichen auf der Brusttasche trugen und langsam auf sie zukamen. »Ein privater Wachdienst, na ja.« Kathy Porter zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, Mylady, ich habe immer ein ungutes Gefühl, wenn ich solche Leute sehe. Man liest zu oft, daß solche Sicherheitsdienste ihre Macht mißbrauchen.« »Unsinn, Kindchen, da sehen Sie zu schwarz.« Lady Agatha nickte den beiden jungen Männern freundlich zu. Dann aber stutzte sie. Die beiden Wachdienstler dachten gar nicht daran, weiterzugehen, sondern blieben stehen. »Da haben wir Sie ja endlich«, sagte der eine, und sein Kollege ergänzte: »Wir beobachten Sie schon seit einer Stunde. Kommen Sie bitte mit zur Verwaltung. Dort besprechen wir alles.« »Hier liegt sicher ein Mißverständnis vor, meine Herren.« Noch glaubte Mylady daran, und ihre Laune war entsprechend.
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»Nee, wir wissen Bescheid«, gab der erste zurück. »Sie haben unterwegs ganz schön abgesahnt.« »Wie bitte?« Agatha Simpson schüttelte empört den Kopf, dann sah sie den Sprecher scharf an. »Würden Sie bitte deutlicher werden, junger Mann.« »Klar. Wir meinen, daß ihr beiden Hübschen ‘n paar diebische Elstern seid, die hier auf Beutezug sind«, gab der zweite Mann zurück. »Aber das können wir besser in der Verwaltung besprechen. Oder wollen Sie hier Theater machen?« »Und ob, junger Mann!« Der älteren Dame Geduld war erschöpft. Sie nahm mit den Augen Maß, holte aus und verpaßte dem Jüngling eine schallende Ohrfeige. Sein Kollege wollte sich sofort auf sie stürzen, aber er hatte die Rechnung ohne Kathy Porter gemacht. Die junge Frau, die ohnehin nicht an ein Mißverständnis geglaubt hatte, hieb ihm die Handkante in die Halsbeuge und zog ihn damit leicht aus dem Verkehr. Als sie sich wieder zu Mylady umdrehte, sah sie, daß noch zwei Schwarzgekleidete kamen. * Parker ging davon aus, daß Philip Lancer längst von ihrer Anwesenheit wußte und Gegenmaßnahmen in die Wege geleitet hatte. Damit hatten die Kameras ihre Aufgabe erfüllt und waren nun nicht mehr vonnöten. »Soll ich sie jetzt abschalten lassen?« erkundigte sich Horace Pickett. Der ehemalige Eigentumsumverteiler hatte die Kabelführung der Kameras genau auskundschaften lassen, einer seiner Neffen hielt sich, mit einem blauen Overall bekleidet, in der Nähe der Centerverwaltung auf und wartete nur auf die entsprechende Funkdurchsage. »Das könnte sich in der Tat als hilfreich erweisen, Mister Pickett«, gab Parker seine Zustimmung und schirmte Pickett dann mit seinem Körper so ab, daß kein vorübergehender Kunde mitbekam, wie sein Helfer ein kleines Funkgerät aus der Tasche zog und hineinsprach. »Was passiert jetzt?« wollte Mike Rander neugierig wissen. »Einer von Mister Picketts Neffen wird die Verbindungskabel zwischen Kameras und Überwachungseinrichtung trennen«, gab Par-
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ker gemessen und würdevoll zurück. »Mister Pickett war so vorausschauend, rechtzeitig nach dem entsprechenden Verteilerkasten Ausschau zu halten und dort einen seiner Männer zu postieren.« »Als Anwalt sollte ich mich eigentlich lieber nicht nach solchen Dingen erkundigen«, meinte Rander daraufhin und lächelte vielsagend. »Meine Wenigkeit wird wie stets generelles Stillschweigen bewahren, Sir!« versicherte Parker ihm, ohne eine Miene zu verziehen. * Lancer sah auf den Monitor, auf dem nur noch graue Schleier zu sehen waren, dann drückte er einen Knopf an seiner Sprechanlage und verlangte den Wachleiter. »Was ist mit meinem Monitor los?« wollte er wütend wissen. »Ich kriege kein Bild mehr.« »Wir leider auch nicht, Sir, auf keinem Monitor. Ich schicke jemanden los, der nachsieht.« »Aber schnell, ich will sehen, wie die Sache abläuft«, verlangte Lancer und ließ den Knopf der Sprechanlage los. Dann erhob er sich, trat an die kleine Bar und schenkte sich einen Whisky ein. Während er langsam trank, wurde er immer nachdenklicher. Warum fiel das Bild gerade jetzt aus? War das wirklich nur ein dummer Zufall, oder hatte da jemand dran gedreht? Wenn, dann war es dieser verdammte Butler! Vielleicht war es besser, er packte vorsichtshalber einige Sachen zusammen und brachte sie zu seinem Wagen? Er stellte das Glas ab und öffnete den Tresor. Nachdenklich musterte er den Inhalt. Natürlich, der schmale Aktenkoffer, den O’Donnell ihm gebracht hatte, mußte auf jeden Fall weg, dann noch einige weitere Unterlagen aus dem Tresor, ein gutes Dutzend Disketten und das Geld selbstverständlich. Schnell begann Lancer den Tresor auszuräumen. Ein ungutes Gefühl sagte ihm, daß er sich beeilen mußte. *
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»Verdammt, was ist denn jetzt los?« Philip Lancer starrte verärgert auf Kathy Porter wehrte einen weiteren Mann ab, dann aber sprang sie der zweite Neuankömmling von hinten an und tastete nach ihrem Hals. Einen Augenblick später zuckte er zusammen, ließ von Kathy Porter ab und fiel zu Boden. »Es geht Ihnen hoffentlich den Umständen entsprechend gut, Miß Porter?« machte sich Josuah Parker, der den Mann mit dem Bambusgriff seiner Schirmes ausgeschaltet hatte, bemerkbar. »Vielen Dank, es ist nichts passiert.« Kathy massierte ihren Hals und lächelte. »Sie sind zur rechten Zeit gekommen, Mister Parker.« * »Sie wollen möglicherweise verreisen, Sir?« Josuah Parker hatte das Chefbüro Philip Lancers lautlos betreten. Zuvor hatte er allerdings das komplizierte Schloß »überreden« müssen, sich willig zu öffnen. Lancer hatte sich eingeschlossen, er wollte auf keinen Fall beim Packen überrascht werden. Wenn die Sache gut ausging und seine Leute mitbekamen, daß er eigentlich schon vorsichtshalber seine Flucht vorbereitet hatte, würde er kaum noch allzuviel Autorität und Ansehen genießen. Lady Agatha stand inzwischen in seinem Vorzimmer und machte der Sekretärin klar, daß es besser war, sich ruhig zu verhalten. Mike Rander und Horace Pickett nahmen sich die Wachzentrale vor und sahen dort nach dem Rechten. »Wie kommen Sie hier rein?« Philip Lancer wirbelte auf den Absätzen herum und starrte den Butler entsetzt an. »Durch die Tür, Sir, auf dem üblichen Weg«, antwortete Parker gemessen und würdevoll. »Ich habe jetzt keine Zeit für Sie, wie Sie sehen. Ich bereite mich gerade auf eine Geschäftsreise vor«, bemerkte Lancer dreist. »Lassen Sie sich von meiner Sekretärin einen Termin geben. Wir können dann über Ihr Anliegen sprechen.« »Sie wissen sehr wohl, weshalb meine bescheidene Wenigkeit hier ist«, blieb der Butler vornehm.
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»Nein, warum? Will Ihre Chefin hier im Center Räume mieten?« gab sich Lancer ahnungslos und schob eine Hand in den Tresor. Einen Augenblick später schrie er laut auf und blickte entsetzt auf den kleinen, buntgefiederten Pfeil, der in seinem Unterarm wippte. Die Pistole, die er schon in der Hand hielt, fiel klappernd in den Tresor zurück. * »Wir haben Material in Hülle und Fülle gefunden, Mister Parker«, schwärmte Chief-Superintendent McWarden. »Diesmal ist Lancer wirklich dran, nicht so wie damals, als er sich noch herausreden konnte.« »Man hat außerdem noch Mister Ferris in Gewahrsam, der auf Mister Lancer und seine Schwester nicht gut zu sprechen ist, Sir.« »Auch die steckte damals mit drin und leitete die Buchhaltung. Aber auch gegen sie reichten die Beweise nicht. Damals verschwand auch der Mann, der offiziell der Geschäftsführer der Firma war. Dem schob Lancer alles in die Schuhe. Ich wette, der arme Kerl ist schon lange tot.« McWarden sah zu, wie seine Leute Akten aus dem Tresor holten. Dann fiel ihm etwas ein. »Wo ist denn Mylady, Mister Parker?« erkundigte er sich argwöhnisch. »Sie wollte sich mit Mistreß Hopkins unterhalten, die vor wenigen Minuten hier eintraf, Sir. Die beiden Damen haben sich zu diesem Zweck in einem Büro eingeschlossen.« »Eingeschlossen? Ja, um Himmelswillen?« McWarden schwante Schlimmes. Er kannte Agatha Simpson und ihr überschäumendes Temperament. »Diese Hopkins ist eine wichtige Frau für uns, Mister Parker«, fuhr er fort. »Neben Lancer ist sie eine der Hauptangeklagten.« »Mylady wollte mit ihr nur einige Punkte klären, Sir.« »Das kenne ich.« McWarden seufzte und verdrehte die Augen. »Sie gesteht alles«, verriet die ältere Dame, die in diesem Augenblick eintrat. »Sie haben Glück, daß Sie mich haben, mein lieber McWarden!« »Geständnisse, die unter Zwang entstehen, zählen nicht, Mylady«, gab der Yard-Gewaltige zurück und grinste.
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»Ich habe ihr nur meine Hutnadel gezeigt. Ist das etwa Zwang, Mister Parker?« »Keineswegs und mitnichten, Mylady«, versicherte der Butler. »Man könnte allenfalls von einer kleinen Ermunterung sprechen.«
-ENDENächste Woche erscheint BUTLER PARKER Band 556 Curd H. Wendt
PARKER räumt das Hundehotel In betuchten Kreisen der britischen Hauptstadt genießt Dorothy Maldenhams exklusives Hundehotel einen exzellenten Ruf. Während Herrchen und Frauchen die Karibik durchkreuzen oder in Afrika auf Safari gehen, wird Fiffi liebevoll betreut. So steht es jedenfalls im Hausprospekt. Daß hinter der noblen Fassade manches im argen liegt, bleibt verborgen, bis Agatha Simpson und Josuah Parker auf das Etablissement aufmerksam werden. Ein kleiner Hund, der sich in höchster Not auf Myladys Schoß rettet, bringt den Stein ins Rollen und sorgt dafür, daß sich die gewichtige Dame mal wieder Hals über Kopf in haarsträubende Abenteuer stürzt. Dabei ist es nur Parkers Mut und Wachsamkeit zu verdanken, daß ein geradezu teuflischer Racheplan nicht in Erfüllung geht. Gönnen Sie sich jede Woche BUTLER PARKER!
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