Parker narrt die Außerirdischen Ein Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges »Sie erlauben, Sir...
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Parker narrt die Außerirdischen Ein Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges »Sie erlauben, Sir, daß ich mir ein andeutungsweises Befremden gestatte«, sagte Butler Parker gemessen. »Sie sprachen gerade eindeutig von einem Roboter?« Chief-Superintendent McWarden, ein untersetzter, bulliger Mann, etwas über fünfzig, nickte nachdrücklich. Er war der Chef eines Sonderdezernats im Yard und direkt dem Innenminister unterstellt. McWarden befaßte sich mit Kriminalfällen, die über die normale Routine hinausgingen. »Ich habe von einem Roboter gesprochen«, antwortete McWarden. »Und ich gebe damit wieder, was Augenzeugen meinen Mitarbeitern berichtet haben.« »Roboter!« Lady Agatha schnaubte verächtlich. Sie saß in ihrem Lieblingssessel und winkte ab. »Mit solch einem Unsinn brauchen Sie mir nicht mehr zu kommen, McWarden. Ich habe genug von den Draculas, Vampiren und UFOs, mit denen ich es in jüngster Zeit zu tun hatte. Alles einfältiger Schnickschnack, wenn Sie mich fragen.« Agatha Simpson, stattlich aussehend und füllig, an die Walküre in Wagners Oper erinnernd, war eine vermögende Frau, die sich jede Überspanntheit leisten konnte, und hinsichtlich ihres Alters, nur schwer einzuordnen. Sie war über sechzig, das sah man ihr
an, aber dann wurde man auch schon zu unsicher, um sich genauer festzulegen. Sie machte einen ungemein energischen und dynamischen Eindruck, was auch den Tatsachen entsprach. Einmal in Bewegung gekommen, war Lady Agatha eigentlich kaum zu bremsen. Seit vielen Jahren Witwe, hatte sie sich der Aufklärung von Verbrechen verschrieben. Sie ging dabei sehr unmethodisch .vor und verzichtete in fast allen Fällen auf Logik. Sie senkte einfach den Kopf und nahm ihre Gegner an wie der Stier den Torero. Sie verzichtete auf jede Psychologie und nannte die Dinge stets beim Namen. Mit dem Blut- und Geldadel der Insel verschwistert und verschwägert, hinderte sie nichts daran, jedem auf die Füße zu treten, den sie nicht schätzte. Agatha Simpson hielt sich übrigens für eine Schriftstellerin. Butler Parker hatte ihr im Obergeschoß des altehrwürdigen Stadthauses in Shepherd's Market ein Studio eingerichtet, in dem sie ihren geplanten Bestseller zu Papier bringen konnte. Dieses Studio War mit allen Finessen modernster Bürotechnik ausgestattet. Eine Kugelkopfmaschine wartete nur darauf, endlich mal in Gebrauch genommen zu werden. Die Meisterautorin hatte es sich in den Kopf gesetzt, eine gewisse Agatha
Christie in den Schatten zu stellen, wurde jedoch ständig abgelenkt und suchte zudem immer noch nach einem geeigneten Stoff für ihr fundamentales Werk. Dauernd kreuzten Ganoven und Gangster ihren Weg und hielten sie so von der Maschine fern. »Nehmen Sie schon wieder mal übel, McWarden?« erkundigte Lady Simpson sich maliziös bei dem ChiefSuperintendent, der eine kleine Schweigepause eingelegt hatte. »Gut, ich glaube Ihnen also, daß außerirdische Roboter durch London marschieren. Warum auch nicht? London ist und bleibt immer gut für jede Überraschung. Sine Sie jetzt zufrieden?« »Darf man erfahren, Sir, auf welche Art und Weise die erwähnten Roboter sich betätigen?« Josuah Parker schaltete sich ein. Er trug seinen üblichen schwarzen Zweireiher, einen Eckkragen und einen schwarzen Binder. Butler Parker, dessen Alter überhaupt nicht festzustellen war, besaß das ausdruckslose und glatte Gesicht eines professionellen Pokerspielers und war der hochherrschaftliche Butler in Perfektion. Einen Butler wie ihn sah man eigentlich nur noch in Filmen oder auf der Kinoleinwand. Auf der Welt schien es nichts zu geben, was ihn zu erschüttern vermochte. »Endlich eine gute Frage«, meinte McWarden spitz. »Diese WeltraumRoboter stoppen Lastwagen und rauben sie aus, sie dringen in Büros ein und machen die Tresore leer, sie scheinen wirklich von einem anderen Stern zu kommen.«
»Mit Besuchern von fremden Planeten muß man immer rechnen«, warf Lady Agatha ein. »Und noch etwas, McWarden, mir gegenüber brauchen Sie keine spitzen Antworten zu geben.« »In wie vielen Fällen, Sir, traten diese Weltraum-Roboter bisher in Erscheinung?« fragte Parker, bevor McWarden auf Myladys Hinweis antworten konnte. Er wußte aus Erfahrung, daß Lady Agatha und McWarden kaum eine Gelegenheit ausließen, sich in mehr oder weniger versteckter Form zu beleidigen, wobei die ältere Dame fast immer das letzte und beste Wort behielt. »Ich weiß, eine sehr gute Frage«, stichelte Lady Agatha. »Hoffentlich fällt die Antwort nicht weniger gut aus, was ich allerdings schon jetzt bezweifeln möchte.« »Uns sind bisher drei Raubüberfälle bekannt«, sagte der Chief-Superintendent. »In zwei Fällen wurden Tresore leergeräumt, in einem Fall konnten die Roboter einen Lastwagen mit Radiound Fernsehgeräten ausrauben.« »Außerirdische, die Fernsehgeräte stehlen! Lächerlich!« Die Lady und passionierte Amateurdetektivin konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Wieviel Roboter waren es, Sir, und wie sehen sie aus?« wollte Josuah Parker in seiner höflichen und sachlichen Art wissen. »In allen drei Fällen wurde von zwei Robotern gesprochen«, lautete McWardens Antwort. »Tja, und wie sie aussehen? Nun, da gehen die Beschreibungen ein wenig auseinander.«
* Stan Hilling war ein erfahrener Mann, der seit Jahren schwere Lastwagen über die Straßen der Insel bewegte. Er war bei einer Speditionsfirma angestellt und galt als äußerst zuverlässig. An diesem Abend saß er zusammen mit seinem Beifahrer Bruce Travis in der Fahrerkabine seines Lastwagens und fuhr in Richtung Birmingham. Er hatte die Fracht an den West India Docks in London übernommen und kannte sehr wohl den Wert der Ware. Er transportierte Champagner und französische Weine, außerdem Feinkostkonserven der Spitzenklasse. Der Verkehr auf der M 1 war lebhaft, schuf aber keine Probleme. Der feine Regen hatte nachgelassen, und die Straße trocknete ab. Selbstverständlich hielt Stan Hilling sich genau an die vorgeschriebene Geschwindigkeit,, denn die Polizeikontrollen auf dieser wichtigen autobahnähnlichen Verkehrsader waren streng. Er schaute daher nur flüchtig auf den Streifenwagen der Polizei, der den Lastwagen überholte. Stan Hilling hatte ein gutes Gewissen. Mochten die Beamten ihn doch anhalten, sein Fahrtenschreiber würde eindeutig beweisen, daß er sich an das erlaubte Limit gehalten hatte. »Pech, Leute«, sagte er halblaut, als der Streifenwagen sich vor seinen Laster setzte. »Aber nicht mit mir!« Er paßte sich der Geschwindigkeit des immer langsamer werdenden Polizeiwagens an, bis er schließlich hielt. Dann langte er nach seinen Papieren und wartete, bis einer der Beamten un-
ten vor der Fahrertür erschien. Stan Hilling drückte die Tür auf und reichte dem Beamten die Unterlagen, doch der Mann schüttelte den Kopf. »Keine Kontrolle«, meinte er. »Drei Meilen vor uns ist Vollsperrung: Unfall! Nehmen Sie die Umgehung über die A 5 und gehen Sie ab Luton wieder zurück auf die M 1, ist das klar?« »Verstanden!« Stan Hilling nickte. »Vielen Dank für den Tip, Sergeant.« »Ist unser Job.« Der Sergeant in Uniform nickte und eilte nach hinten, um andere Fahrer zu stoppen und zu informieren. Stan Hilling ließ den Laster anrollen und bog nach etwa hundertfünfzig Metern in die Seitenstraße ein, die gut ausgebaut war. »War was?« fragte sein Beifahrer plötzlich. Er war aus dem Schlaf hochgeschreckt und gähnte. »Vollsperrung, Bruce«, erklärte Hilling. »Wir machen 'nen kleinen Umweg. Schlaf weiter!« »Ich lös' dich in 'ner Stunde ab«, sagte Travis und rückte sich wieder in seiner Ecke zurecht. Er gähnte noch mal und schloß die Augen. Stan Hilling hatte inzwischen wieder hochgeschaltet und ließ den schweren Laster über die wesentlich schmalere Straße rollen. Sie war zu beiden Seiten bewaldet. Um diese Zeit mußte man mit Wild rechnen, das über die Straße wechselte. Er war etwa fünf Minuten unterwegs, als er plötzlich automatisch auf die Bremse ging. Er trat das Pedal voll durch und hatte Mühe, den schweren Wagen auf der Straße zu halten. Bruce Travis war natürlich längst wach geworden. Er fluchte und rieb
sich die Stirn. Er war vom Sitz gerutscht und auf dem Boden der Fahrerkabine gelandet. »Das ... Das gibt's doch nicht, das ist doch nicht wahr!« Stan Hilling sagte es sehr leise, und Angst und Unglaube waren in seiner Stimme deutlich zu hören. »Kann man wohl sagen.« Bruce Travis drückte sich hoch. »Ro ... Roboter!« stotterte Stan Hilling mit heiserer Stimme. »Sieh dir das an, Bruce!« Travis sagte nichts. Die Augen fielen ihm fast aus den Höhlen. Er sah zwei riesige Roboter, die auf den schweren Lastwagen zugingen. Die menschlichen Nachbildungen aus Metall mochten zwei bis zweieinhalb Meter groß sein. Ihre Bewegungen waren eckig, so etwas wie große Augen glühten grellrot, um dann in ein grünes Violett überzugehen. Dieses Farbenspiel wechselte unaufhörlich. »Fahr los«, keuchte Travis. »Los, gib Gas, Stan, gib Gas!« Hilling nickte, trat die Kupplung, legte den ersten Gang ein und wollte anfahren, doch die Antriebsräder tourten durch. Der schwere Laster schüttelte sich wie ein Tier, das man gefesselt hat. »Los, mach doch!« schrie Bruce Travis. Er stierte auf die beiden riesigen Roboter, die vom Licht der Autoscheinwerfer aus der Dunkelheit herausgeschnitten wurden. Dann verlor Travis die Nerven, drückte die Beifahrertür auf und ... stieg nach unten auf die Fahrbahn. »Hau' ab, Stan«, brüllte er noch, bevor er losrannte, um im Gebüsch vor dem Wald zu verschwinden.
Stan Hilling gab erneut Gas. Der Lastwagen schüttelte sich verzweifelt, der Motor heulte auf, doch der Laster rührte sich nicht von der Stelle. Die beiden Roboter hatten die Front des Fahrzeugs fast erreicht. Das Licht in ihren Augen wurde rubinrot, immer greller. Stan Hilling war völlig geblendet, hörte das Splittern von Glas, spürte, daß ein Regen von Scherben auf ihn niederprasselte, warf sich auf den Beifahrersitz, kroch zur geöffneten Tür und ... rollte sich nach draußen. Er dachte an Todesstrahlen und an ein Verdampfen im Strahl irgendeiner Energie. Er verstauchte sich den linken Fuß, keuchte vor Angst und rannte dann ebenfalls auf das Gebüsch zu. Bevor die Zweige hinter ihm zusammenschlugen, hörte er noch ein schrilles Pfeifen, erneut das Splittern von Glas und das Schrammen von Blech. Er lief, bis er erschöpft zusammenbrach. * »Was sagen Sie zu diesem Humbug, Mike?« fragte Lady Agatha und musterte Anwalt Rander, der zusammen mit Kathy Porter in Myladys Haus gekommen war. »Riesenroboter?« Mike Rander zuckte die Achseln. »So etwas kommt doch höchstens in Science-fictionFilmen vor, denke ich.« »McWarden ist von der Existenz dieser Roboter fest überzeugt.« Lady Agatha lächelte. »Mein Bedarf an außerirdischen Existenzen ist erst mal gründlich gedeckt. Ich denke da an die UFO's, mit denen wir's zu tun hatten. Diese verrückten Untertassen
bestanden aus Plastik und waren von Studenten gebaut worden.« Seit diesem Fall war inzwischen einige Zeit verstrichen, und Lady Simpson sah die damaligen Dinge von der heiteren Seite. Sie war von Studenten genarrt worden, die ein UFO gebaut hatten, das dann in die Hände gerissener Gangster geraten war. Mike Rander, vor kurzer Zeit erst aus den Staaten zurückgekehrt, um in London wieder als Anwalt zu arbeiten, war früher mal von Butler Parker »betreut« worden und hatte zusammen mit ihm eine Serie gefährlicher und haarsträubender Abenteuer erlebt. Nun war er von Lady Simpson wie selbstverständlich »vereinnahmt« worden und mit der Vermögenskontrolle der Dame beschäftigt. Das Haus in der Curzon Street war nur ein Katzensprung weit von Shepherd’s Market entfernt. Mike Rander, etwa vierzig Jahre alt, war etwas über mittelgroß, schlank und sah sehr sportlich aus. Er hatte braunes Haar und ausdrucksstarke, dunkelbraune Augen. Man sah ihm auf keinen Fall an, wie hart er sein konnte. Seine Gegner hielten ihn immer noch für einen Playboy, der einer Auseinandersetzung gern aus dem Weg ging. Mylady registrierte seit einigen Wochen wohlwollend, daß Kathy Porter sich mit dem Anwalt ausgezeichnet verstand, Die junge Dame war ihre Sekretärin und Gesellschafterin, wurde von ihr aber wie eine Tochter behandelt. Kathy Porter, kastanienbraunes Haar mit einem leichten Rotstich, schlank, geschmeidig, erinnerte auf den ersten
und zweiten Blick an ein scheues Reh. Tatsächlich aber war sie durchtrainiert und in sämtlichen Kämpfarten des fernen Ostens mehr als versiert. Dieses so angeblich scheue Reh konnte sich innerhalb von Sekunden in eine Pantherkatze verwandeln. »Sie sprachen eben von Augenzeugen, Mylady«, warf Kathy Porter ein. »Wie beurteilt der Chief-Superintendent sie?« »Seiner Ansicht nach sollen sie durchaus glaubwürdig sein, Kindchen.« Agatha Simpson machte eine wegwerfende Handbewegung. »Aber was dieser McWarden schon sagt! Lächerlich! Ihm kann man jeden Bären aufbinden...« »Und wie sollen laut Augenzeugen diese Riesenroboter aussehen?« fragte Kathy Porter weiter. »Wenigstens zwei Meter groß, Kathy. Das muß man sich mal vorstellen! Zwei Meter oder noch mehr. Und sie sollen Todesstrahlen aussenden...« »Todesstrahlen in welcher Form?« wollte Mike Rander wissen. »So eine Art von Laserstrahlen, Mike. Die Aussagen dieser angeblichen Augenzeugen scheinen sich zu widersprechen. Und das sagt doch schon alles, finden Sie nicht auch? Es wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn hier wirklich Außerirdische landen würden, aber die machen sich dann ganz sicher nicht über Tresore und Lastwagen her, oder?« »Kaum.« Rander lächelte. »Es könnte natürlich sein, daß solche Raumroboter zweckentfremdet werden.« »Ich werde erst dann an diese Roboter glauben, wenn ich einen von ihnen
gesehen habe«, meinte die ältere Dame. »Aber dieses Glück werde ich bestimmt nicht haben.« Sie konnte nicht wissen, daß ihr solch eine interessante Begegnung bevorstand. Es war für sie unvorstellbar, daß bereits einer dieser Riesenroboter auf sie einprogrammiert wurde! * Butler Parker vertrat sich ein wenig die Füße, wie er es stets vage umschrieb, wenn er privat ausging. Er hatte sich bei der in solchen Fällen stets mißtrauischen Lady abgemeldet, saß nun in seinem hochbeinigen Monstrum und näherte sich dem Stadtteil Soho. Das hochbeinige Monstrum, wie sein Privatwagen respektvoll-amüsiert genannt wurde, war ein ehemaliges Londoner Taxi älterer Bauart, das nach seinen ausgefallenen Wünschen umgestaltet worden war. Außer der Karosserie war im Grund alles an und in diesem Wagen neu gestaltet worden. Unter dem eckigen, altmodischen Aufbau befand sich ein Motor, der einem Tourenrennsportwagen zur Ehre gereicht hätte. Darüber hinaus besaß das »Monstrum« technische Finessen, um die sich manches moderne Autowerk gerissen hätte. Parkers Ziel in Soho war eine Art Nachrichtenbörse der Unterwelt. Sie befand sich in einem Privatclub, zu dem nur Eingeweihte Zutritt hatten. Bevor man eingelassen wurde, öffnete sich in der starken. Tür eine kleine Sichtklappe. Nach eingehender
Inspektion des Besuchers durfte man dann möglicherweise durch diese Tür. Parker wurde selbstverständlich auch in Augenschein genommen. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, sagte er und lüftete grüßend die schwarze Melone. »Ich möchte Mr. Huntslay sprechen, wenn es sich eben ermöglichen läßt.« Die Klappe schloß sich, doch unmittelbar darauf wurde die Tür geöffnet, sehr weit sogar. Der bullig aussehende Türsteher bemühte sich ehrlich um eine Verbeugung. Er kannte den Butler und wußte von früheren Begegnungen her, wer dieser Josuah Parker war. Er griff nach dem Hörer des Wandtelefons und rief den Besitzer des Clubs an, um Butler Parker anzumelden. »Nur ein paar Sekunden, Mr. Parker«, sagte der Türsteher anschließend. »Mr. Huntslay kommt sofort selbst.« »Außerordentlich höflich«, sagte der Butler und wiederholte es, als John Huntslay erschien. Der Besitzer des Clubs war ein kurzatmiger Mann von etwa fünfzig Jahren, mittelgroß und mehr als vollschlank. Er strahlte den Butler mit seinem falschen Gebiß an, in dem sich einige Goldzähne befanden. »Fahren wir rauf in mein Privatbüro«, sagte er hastig. »Schön, Sie wieder mal zu sehen, Mr. Parker.« »Urteilen Sie erst später«, empfahl Parker dem Mann gemessen. »Sie möchten mir einen kurzen, flüchtigen Blick in Ihren Club vorenthalten?« »Wie... Wie kommen Sie denn darauf, Mr. Parker?« »Weil Sie mich sofort mit hinauf in Ihr Privatbüro nehmen wollen.«
»Nun ja, da feiert eine geschlossene Gesellschaft«, sagte Huntslay ohne jede Überzeugungskraft. »Sie verstehen, Mr. Parker, ich habe meine Clubräume an eine Firma vermietet. Eigentlich ist heute sogar geschlossen.« »Vielen Dank für Ihre Bereitschaft, mich am Betreten des Clubs nicht hindern zu wollen.« Parker kümmerte sich nicht weiter um Huntslay und den Türsteher. Er ging auf die schwere Portiere zu und öffnete die dahinterliegende Tür. »Bitte, Mr. Parker«, stöhnte Huntslay, »bitte nicht!« »Ich werde Ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit Lady Simpson mitteilen«, meinte der Butler und betrat den Vorraum des Clubs. Er hörte Musik, Stimmen und Gelächter, dann das etwas hektische Kreischen einiger Frauen, die offensichtlich bereits leicht angetrunken waren. Zwei Männer verstellten ihm den Weg. Sie hielten im Vorraum eine Art Wache und waren handfeste Kerle, die in ihren dunklen Anzügen ein wenig deplaziert wirkten. »Geschlossene Gesellschaft«, sagte einer der beiden und beging den Kardinalfehler, Parker zurückstoßen zu wollen. »Komm' morgen wieder, Sportsfreund«, sagte der zweite Mann und schüttelte dann in Richtung Huntslay den Kopf. »Wie kommt der Typ hier eigentlich rein?« Während er diese Frage stellte, hatte er den Butler passiert und richtete seine Aufmerksamkeit auf den Besitzer des Nachtclubs. Dadurch entging dem Mann ein an sich recht interessanter Vorgang: Butler Parker,
den man nicht ungestraft mit Gewalt zurückstoßen durfte, hatte gerade Protest gegen diese Art der Behandlung eingelegt. Er erledigte das auf eine sehr diskrete, dennoch nachdrückliche Art. Er ließ die scharfe Eisenspitze seines UniversalRegenschirms auf den linken Schuh des rüden Mannes fallen. Der Effekt war beachtlich. Der Mann hatte plötzlich den Eindruck, eine Säbelspitze habe seine Zehen durchbohrt. Er schnappte nach Luft, stöhnte durchdringend und schloß die Augen, bevor er sich ungewollt verbeugte. »Gewaltakte liegen mir unendlich fern«, sagte Parker. »Ich hoffe, Sie akzeptieren diese meine Einstellung.« Der Rüde hatte sich inzwischen wieder aufgerichtet und wollte Parkers Verhalten auf gar keinen Fall akzeptieren. Er holte aus und hatte eindeutig die Absicht, Parkers Kinn mit der geballten Faust zu bearbeiten. »Ihr Lernvermögen scheint das zu sein, was man gemeinhin unterentwickelt nennt«, sagte Parker und hielt den vorschnellen Unterarm mit dem bleigefütterten Griff seines Regenschirms in halber Höhe fest. Dann ließ er diesen Bambusgriff ein wenig höher gleiten, bis er den Unterkiefer des Flegels erreicht hatte. Der Mann hatte das Gefühl, als sei unter seinem Kinn ein Sprengkörper detoniert. Er sah bunte Sterne und einige geometrische Figuren, schnappte noch mal nach Luft und setzte sich dann ohne weiteren Widerstand auf den Boden. Der zweite Mann war inzwischen herumgefahren und brauchte einige Sekunden, bis er begriff. Er hatte
erwartet, daß dieser seltsam gekleidete, offensichtlich altmodische Mann namens Parker auf dem Teppichboden saß. Als er sich mit dem Gegenteil vertraut gemacht hatte, griff er ganz automatisch nach seiner Schulterhalfter. Er wollte wahrscheinlich erst schießen und dann fragen. »Es ist mir wirklich fast schon peinlich«, schickte Josuah Parker voraus. Dann klopfte er mit dem bleigefütterten Griff gegen den Oberarm des Mannes. Der erlitt daraufhin so etwas wie eine Lähmung und war nicht mehr in der Lage, den Arm weiter zu bewegen. Dafür aber wollte er nach dem Butler treten, und es wäre mit Sicherheit ein sehr unschöner Fußtritt geworden. Josuah Parker hatte dies jedoch vorausgesehen. Der Regenschirm erwies sich wieder mal als Universalwaffe. Der Bambusgriff hatte sich längst wieder gesenkt und beförderte das vorschnellende Bein nachdrücklich zur Seite. Daraufhin geriet der Angreifer in eine kreisende Bewegung. Sein Standbein bildete die Längsachse, das in Schwung gebrachte Bein sorgte noch zusätzlich für eine Rotation, der der Mann nicht gewachsen war. Er verlor das Gleichgewicht und fiel mit dem Kopf gegen die Wand des Vorraums. Er verdrehte die Augen, schielte dann den Butler irritiert an und legte sich zu seinem Partner auf den Teppich. »Die Manieren dieser beiden Männer möchte ich als beklagenswert bezeichnen«, sagte Parker und wandte sich zu John Huntslay um. »Gehe ich recht in der Annahme, daß diese
geschlossene Gesellschaft sich aus ähnlichen Männern zusammensetzt?« »Sie ... Sie bringen mich in des Teufels Küche«, stöhnte der Nachtclubbesitzer gequält und wischte sich dicke Schweißtropfen von der Stirn. »Die werden mich in der Luft zerfetzen.« »Ich möchte mir erlauben, Ihnen einen Rat zu geben«, antwortete Josuah Parker. »Legen Sie sich zu diesen Männern auf den Boden und erklären Sie später, Sie seien ebenfalls das beklagenswerte Opfer meiner bescheidenen Wenigkeit geworden!« Nach diesem wirklich wohlfundierten Rat öffnete der Butler die endgültig letzte Tür zur eigentlichen Kellerbar. Er nahm die Anwesenden dort in näheren Augenschein. * Geschäftsführer Peter Sharn war mit dem Ergebnis seiner Endabrechnung mehr als zufrieden. Dies war für den Supermarkt, den er leitete, ein besonders guter Tag gewesen. Die getätigten Umsätze hatten die der Vortage weit übertroffen. Sharn, ein schlanker, drahtiger Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, hatte die Einnahmen in Höhe von fast fünfzigtausend Pfund in diverse Geldbomben verstaut und wollte sie anschließend in den Nachttresor der örtlichen Bank werfen. Die erstaunliche Höhe der Einnahmen hatte ihren Grund: In diesem Supermarkt wurde nur an Zwischenhändler verkauft, die hier Großeinkäufe tätigten. Der Supermarkt lag im Nordwesten von London, genauer
gesagt, auf der grünen Wiese in der Nähe von Hendon. Als vorsichtiger Mensch hatte Sharn noch zwei männliche Angestellte gebeten, ihn während der Fahrt hinüber zur Bank zu begleiten. Diese beiden Abteilungsleiter befanden sich in der riesigen Verkaufshalle und kontrollierten die Bestände an Spirituosen und Konserven. Peter Sharn hatte die Ledertasche mit den Geldbomben auf den Boden gestellt und wollte gerade sein Büro verlassen, als er drüben im Supermarkt seltsame Geräusche hörte. Holz schien zu splittern, Glas zu bersten und zu zerspringen. Dann hörte er Rufe, wieder das Brechen von Holz und dann einen entsetzten Schrei... Natürlich dachte Sharn sofort an einen Überfall. Er lief zur Tür, öffnete sie spaltbreit und ... zweifelte umgehend an seinem Verstand. Er sah einen riesigen Roboter, wie er sie in Science-fiction-Filmen schon genußvoll beobachtet hatte. Dieser Riesenroboter marschierte mit seltsam staksigen Schritten genau auf die Tür zu, hinter der Sharn stand. Das Monster bestand aus Metall, hatte Augen, die rubinrot glühten und hielt in der rechten Hand eine übergroße Axt. Der Weg, den der Roboter genommen hatte, war deutlich gezeichnet: Er hatte einige Regale einund umgerissen, Flaschen unter seinen klobigen Füßen zermalmt und schlug mit der Axt nach einer kleineren Verkaufstheke, die ihm im Weg stand. Die mächtige Axt spaltete fast die Theke. Der Roboter richtete seine »Augen« auf Sharn und gab dann
schrille, piepsende Töne von sich, die fast ein wenig lächerlich wirkten. Peter Sharn dachte an die Geldbomben, schmetterte die Tür ins Schloß und schob instinktiv einen Riegel vor. Erst dann schloß er auch noch ab, sah sich wie gehetzt um und suchte nach einem Fluchtweg. Die beiden kleinen Fenster waren leider vergittert, und die Nebentür führte nur in den Waschraum, dessen Oberlicht ebenfalls mit einem starken Gitter versehen war. In diesem Augenblick erbebte bereits die Tür. Nach einem zweiten Schlag war die Schneide der Axt im Türholz zu sehen. Dann peinigte ein Schmettern und Ächzen Sharns Ohr. Er wich hinter den Schreibtisch zurück, dachte erfreulicherweise nicht mehr an die Geldbomben, sondern nur noch an- sein Leben. Er lief in den Waschraum und riegelte erneut hinter sich ab. Er zitterte am ganzen Körper, schwitzte vor Angst und Grauen und hörte deutlich, wie die Tür zu seinem Büro zerschmettert wurde. Schrillen, Pieptöne... Im Büro war ein schreckliches Rumoren und Poltern zu hören. Der Riesenroboter war dabei, das Mobiliar in Kleinholz zu verwandeln, doch erstaunlicherweise interessierte er sich nicht weiter für die schmale Nebentür. Sharn hatte sich in eine Nische gezwängt, die von einem Schrank und der Wand gebildet wurde. Er erwartete jeden Moment, daß der Roboter nun auch noch die leichte Tür eindrücken würde. Wieviel Zeit verstrich, bis er wieder klar denken konnte, wußte Peter Sharn später nicht zu sagen. Er hörte die schweren Schritte des Roboters, die
sich entfernten, dann wieder das Bersten und Brechen von Holzregalen, das Splittern von Glas und dann nichts mehr. Als er sich endlich aus dem Waschraum hinaustraute, sah er erst gar nicht nach der Geldtasche. Er ging zögernd auf die Tür zu, die völlig zersplittert war, stieg über die Trümmer und horchte in den Supermarkt hinein. Der Riesenroboter schien verschwunden zu sein. Mit halblauter, heiserer Stimme rief Sharn nach seinen beiden Abteilungsleitern. Keine Antwort! Er rief nun etwas lauter, doch er kam noch immer nicht auf den Gedanken, die Polizei zu alarmieren. Er hörte von irgendwoher ein Schluchzen, das dann ohne Übergang in ein hysterisches Lachen überging. Sharn folgte diesem Lachen und entdeckte seinen' ersten Abteilungsleiter, der aus dem Souterrain kam und seinen Chef offensichtlich nicht mehr wahrnahm. Dann erschien der zweite Abteilungsleiter. Er kam aus der Feinkostabteilung und hielt eine Flasche Whisky in der Hand. Er setzte sie an den Mund und trank wie ein Verdurstender. Er sah durch Sharn hindurch und stand ebenfalls noch eindeutig unter einem tiefen Schock. Sharn spürte erst jetzt, wie müde er war. Die Beine vermochten ihn kaum noch zu tragen. Sharn griff nach einer anderen Flasche, öffnete den Schraubverschluß und trank ebenfalls hemmungslos. Dann nahm er auf einem ungeöffneten Karton Platz und stierte auf den Boden. Er wollte weder nachdenken noch etwas sagen. Er
wollte nur das Bild dieses Roboters verschwinden lassen und trank... * Sie sahen aus wie ehrenwerte Herren, die Männer, die im Hauptraum des Nachtclubs an kleinen, runden Tischen saßen. Sie trugen ohne Ausnahme erstklassig geschnittene Smokings und hörten einem fast schmächtigen Mann zu, der gerade so etwas wie eine Gewinn- und Verlustrechnung vorlas. Dabei kämpfte er unentwegt mit einer Brille, die schwer auf seinem Nasenrücken saß und die Tendenz zeigte, immer wieder nach unten zu rutschen. Parker hatte sich mit schnellem Blick orientiert. Er entdeckte einige ihm recht bekannte Gesichter, deren Besitzer zu den Spitzen der Unterwelt gehörten. Es waren sogenannte Bosse, die sich hüteten, bei irgendwelchen illegalen Handlungen selbst die Finger zu rühren. Dafür hatten diese Männer ihre Handlanger. Was sich in Huntslays Nachtbar versammelt hatte, war, negativ gesehen, die Creme der Unterwelt. Die einzelnen Bosse hatten selbstverständlich ihre jeweiligen Leibgarden mitgebracht, doch diese Männer mußten in einem Nebenraum sitzen, wie Parker vermutete. Er entdeckte nämlich eine Seitentür, die dorthin führte. Diese Tür war bis auf einen schmalen Spalt geschlossen. »Erlauben die Herren, daß ich einen recht angenehmen Abend wünsche?« erkundigte sich Parker gemessen und behielt den Türspalt unter Sichtkontrolle.
Wie Marionetten bewegten sich die Köpfe der Männer. Erstaunte Augen musterten den Butler. Murmeln war zu vernehmen, erregte Stimmen. Einige Männer erhoben sich, Unsicherheit breitete sich aus. »Sie werden bestimmt gleich wieder unter sich sein«, versprach Josuah Parker und lüftete höflich die schwarze Melone. »Ließe es sich unter Umständen ermöglichen, meine bescheidene Wenigkeit als Gastredner einzuschieben?« Während Parker sprach, hatte er bereits die nur leicht angelehnte Tür erreicht und gewisse Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Nachdem er einen seiner Patentkugelschreiber in den Raum hatte rollen lassen, zog er die Tür ins Schloß und stemmte seinen Universal-Regenschirm unter die schwere Klinke aus Bronze. Dadurch war es den Leibgardisten im Nebenraum erst mal unmöglich, die Tür zu öffnen. Dies alles war mit einer Schnelligkeit und Unauffälligkeit geschehen, daß nur wenige der zwei Dutzend Männer es mitbekommen hatten. Parker hörte im Nebenraum ein Hüsteln und Husten, das von Sekunde zu Sekunde intensiver wurde. Die überraschten Smokingträger debattierten inzwischen und hatten ehrliche Mühe, die plötzliche Anwesenheit des Butlers zu verdauen. Josuah Parker war in Kreisen der Unterwelt kein Unbekannter. Entweder kannte man ihn bereits persönlich, oder aber hatte von ihm gehört. Hinzu kam die selbstverständliche Autorität, die er ausstrahlte. Er wurde nachdrücklich zur Kenntnis genommen.
Parker wartete nicht ab, bis die Smokingträger sich geeinigt hatten. Er ging nach vorn zu dem kleinen Mann, der die Bilanz verlesen hatte. »Sie können vielleicht später Ihre Satzung studieren und darüber entscheiden, ob ein Gastredner überhaupt zugelassen werden darf«, schlug Josuah Parker vor. »Ich möchte Ihnen mitteilen, daß sich Dinge anbahnen, die Ihnen mit Sicherheit nicht gefallen werden. Nach meinen bescheidenen Ermittlungen arbeitet eine der Organisationen, die Sie hier vertreten, neuerdings mit Riesenrobotern, die aus dem Weltraum oder von einem anderen Planeten stammen könnten. Diese Roboter werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Mehrzahl Ihrer Organisationen zerschlagen oder zumindest zur Bedeutungslosigkeit verurteilen. Ich möchte Ihnen ans Herz legen, diesen neuen Tagesordnungspunkt zu diskutieren. Sein oder Nichtsein dürfte für Sie hier die Frage sein, wenn ich einen der größten Dramatiker der Geschichte zitieren darf. Es liegt bei Ihnen, ob Sie sich von Robotern verdrängen lassen wollen. Fragen Sie sich also, wer von Ihren angeblichen Freunden diese Roboter für sich arbeiten läßt, wer plant, ein kleines Imperium auf Ihre Kosten zu errichten. Wehren Sie den Anfängen!« * »Man hat Sie wieder rausgelassen?« staunte Mike Rander eine Stunde später und sah den zurückgekehrten Butler Ungläubig an. »Man hat Sie nicht in der Luft zerfetzt?«
»Möglicherweise haben die Herren mit diesem Gedanken gespielt«, antwortete Parker in seiner bekannten Bescheidenheit. »Ich konnte sie dazu überreden, von solchen Plänen Abstand zu nehmen.« »Überreden?« Lady Agatha schnaufte verächtlich und ließ ihren berüchtigten Pompadour am Handgelenk pendeln. »Ich hätte diesen Wüstlingen gezeigt, wie man sich seiner Haut erwehrt.« »Dazu, Mylady, zwangen mich allerdings, dann die' näheren Umstände«, entgegnete Parker höflich. »Es gab also doch Ärger!« Rander warf Kathy Porter einen amüsierten Blick zu. »In der Tat, Sir, für die versammelten Herrschaften.« Parker nickte andeutungsweise. »Ich sah mich gezwungen, meinen Absichten Nachdruck zu verleihen, um es mal so auszudrücken.« »Erzählen Sie doch endlich, Mr. Parker«, forderte die Lady den Butler ungeduldig auf. »Es hat geläutet, Mylady«, antwortete Parker und deutete hinüber zur Wohnhalle. »Die Gangster!?« Agatha Simpson straffte sich. »Hoffentlich versuchen diese Subjekte, sich noch mal mit Ihnen anzulegen. Dann werden sie es aber mit mir zu tun bekommen!« Es war leider nur der Chief-Superintendent, den Josuah Parker wenig später in den Salon seiner Herrin führte. McWarden machte wie immer einen verbissenen Eindruck. Er sah den Butler eindringlich an. »Ich komme gerade aus einer verwüsteten Nachtbar«, sagte er dann. »Das
heißt, ich war auch in einem Hospital.« »Haben Sie sich geprügelt?« fragte Lady Simpson. »Dazu fand ich keine Gelegenheit mehr, das müssen andere getan haben, Mylady. Mr. Parker, würden Sie mir verraten, wo Sie vor etwa einer Stunde gewesen sind?« »Wo soll er schon gewesen sein? Hier, selbstverständlich!« Lady Agatha war sofort bereit, ihrem Butler ein Alibi zu verschaffen. Sie schwindelte schamlos, wenn es sein mußte. »Bis auf meinen kurzfristigen Ausgang, den Mylady meiner bescheidenen Wenigkeit freundlicherweise einräumten«, schränkte der Butler die Aussage sofort ein. »Darf man fragen, Sir, ob Sie sich aus bestimmten Gründen für meine Person interessieren?« »In Huntlays Nachtclub muß ein Tornado gewütet haben, Mr. Parker«, antwortete McWarden. »Der Besitzer alarmierte die Polizei.« »Und beschwerte sich über meine Wenigkeit, Sir?« »Er will so gut wie nichts mitbekommen haben. Im Club herrschte nämlich nach einem Kurzschluß völlige Dunkelheit. Als wir endlich Licht machten, hatte ich den Eindruck, mich in einem Unfallkrankenhaus zu befinden.« »Wurden die Gäste belästigt, Sir?« »Sie wurden total frustriert, Mr. Parker. Sie litten an Sehstörungen und an Reizhusten. Und in einem Nebenraum fanden wir gut ein Dutzend handfester Gangster mit Kanonen in Schulterhalftern.« »Mr. Huntslays Club ist in der Tat nicht unbedingt empfehlenswert, Sir.«
»Die Gäste sagten übereinstimmend aus, sie seien von einem Lichtblitz geblendet worden. Anschließend wollen sie mit einem Schlagstock reihenweise niedergeschlagen worden sein.« »Und so etwas trauen Sie Mr. Parker zu?« schaltete sich die ältere Dame grollend ein. »Doch, durchaus«, bestätigte McWarden. »Mich hat vor allen Dingen stutzig gemacht, daß die Burschen im Nebenzimmer durch die Bank betäubt waren. Sie müssen mit einem Reizgas behandelt worden sein.« »Sir, darf man fragen, ob es irgendwelche konkreten Anschuldigungen gegen meine bescheidene Person gibt?« erkundigte sich der Butler. »Konkrete Anschuldigungen? Nein! Aber die ganze Art und Weise, wie da im Nachtclub agiert worden ist, die deutet auf Sie hin, Mr. Parker.« »Um welche Personen handelte es sich denn im Club?« wollte Mike Rander lächelnd wissen. »Bandenbosse, die sich zu einem Treff versammelt hatten«, meinte der Chief-Superintendent und bemühte sich, wenn auch nur mit halbem Erfolg, um ein Lächeln. »Ich möchte nicht mißverstanden werden, ich freue mich, daß diesen Brüdern mal so eine Niederlage beigebracht wurde. Und da ist noch etwas, wenn ich das richtig mitbekommen habe: Ich habe herausgehört, daß eine Art Geschäftsbericht verschwunden sein soll. Sie wissen nicht zufällig, Mr. Parker, wo er geblieben ist?« »Dazu müßte Mr. Parker ja schließlich im Club gewesen sein«, stichelte Lady Agatha genußvoll. »Und eben haben wir gehört, daß keiner der
Beteiligten Mr. Parkers Namen genannt hat.« »Diese Unterlagen könnten mich unter Umständen interessieren, Mr. Parker«, sagte der Chief-Superintendent und sah Parker an. »Vielleicht wird man Sie Ihnen über kurz oder lang, wie es so treffend heißt, zustellen, Sir«, bemerkte der Butler. »Die Person, die dieses Chaos angerichtet haben soll, dürfte ja wohl nicht zur Unterwelt gehören, wie ich unterstellen möchte.« »Nein, diesen Eindruck habe ich tatsächlich nicht, Mr. Parker.« McWarden bemühte sich erneut um ein Lächeln. »Aber lassen wir das Thema, es gibt wichtigere Dinge.« »Aha! Ihre Riesenroboter sind also wieder aufgetreten, nicht wahr?« erkundigte sich Agatha Simpson ironisch. »Sie treffen den Nagel auf den Kopf, Mylady.« McWarden nickte und lächelte längst nicht mehr. »Sie haben einen Lastwagen mit Spirituosen und Feinkostkonserven verschwinden lassen. Und sie haben einen Supermarkt für Zwischenhändler ausgeraubt. Fast fünfzigtausend Pfund haben die Roboter mitgehen lassen.« »Sind Personen verletzt worden?« fragte Mike Rander. »Die beiden Lastwagenfahrer und drei Männer aus dem Supermarkt stehen unter schwerer Schockwirkung«, entgegnete McWarden ernst. »Zu Verletzungen kam es erfreulicherweise aber nicht.« »Sie glauben immer noch an diese außerirdischen Roboter, McWarden«, fragte die Lady skeptisch.
»Fest sogar, wenngleich ich annehme, daß diese Roboter hier auf unserer Erde gebaut worden sind.« »So etwas bastelt man nicht in einer Garage«, warf der Anwalt ein. »Um solch einen Roboter zu bauen, braucht man große Geldmittel und technisches Know-how.« »Ich weiß, ich weiß, Mr. Rander.« Der Chief-Superintendent nickte. »Glauben Sie mir, wir befassen uns bereits mit den Finnen, die so etwas bauen können. Und damit bin ich beim Kern der Sache angelangt: Mylady, ich bitte Sie höflich, aber auch sehr nachdrücklich, sich diesmal in diesen Fall nicht einzuschalten. Die Dimensionen übersteigen Ihre Möglichkeiten, glauben Sie mir! Und ich möchte natürlich auch nicht, daß irgendein Riesenroboter sich mit Ihnen befaßt... Ich möchte es wirklich nicht!« »Papperlapapp, McWarden«, gab die Detektivin grollend zurück. »Sie rühren mich fast zu Tränen. Sie wollen mir doch nicht etwa einreden, Sie würden sich wegen mir Sorgen machen!? Nein, nein, Sie haben nur Angst, daß ich den Fall kläre, bevor Sie überhaupt aus den Startlöchern sind! Diese Riesenroboter werden sich noch sehr wundern, das verspreche ich Ihnen! Ich glaube, sie sind der richtige Stoff für meinen geplanten Bestseller, und dieses Thema lasse ich mir nicht nehmen. Mr. Parker, ich hoffe, in meinem Studio befindet sich genügend Manuskriptpapier...« * Mitternacht war vorüber.
Butler Parker begab sich auf einen Kontrollgang durch das altehrwürdige Haus seiner Herrin, das in Fachwerkbauweise in Shepherd’s Market auf den Grundmauern einer uralten Abtei errichtet worden war. Parker hatte die Fensterläden geschlossen und die Sicherheitsanlage eingeschaltet. Dieses Haus am Ende eines zur Hauptstraße ihn offenen Platzes war der zentrale Punkt der anderen Häuser, die das offene Viereck säumten. Auch diese Gebäude waren noch in Fachwerkart errichtet und stellten eine echte Sehenswürdigkeit dar. An dieser Stelle sollte vielleicht vermerkt werden, daß alle Häuser des Platzes sich im Besitz der älteren Dame befanden. Aus Gründen der Sicherheit waren die Bauten nicht vermietet, denn die etwaigen Bewohner dieser Wohnungen hätten es früher oder später bestimmt mit Gangstern zu tun bekommen, ein Risiko, das Mylady ihren Mietern niemals zugemutet hätte. Die Häuser standen alle miteinander in Verbindung. Parker hatte im Geist bester englischer Schlössertradition dafür gesorgt, daß es gewisse Durchschlüpfe und Geheimgänge gab. Bevor der Butler sich ins Souterrain des Haupthauses begab, schaltete er noch mal die Fernsehkamera ein, die über der Haupttür angebracht war. Er wollte sich vergewissern, daß der gepflasterte Weg innerhalb des offenen Vierecks auch tatsächlich leer war. Ein dort abgestellter Wagen hätte nämlich auf gewisse Aktivitäten hingedeutet, die vielleicht von jenen Männern ausgingen, von denen er sich in Huntslays Privatclub ein wenig abrupt und nachdrücklich getrennt hatte.
Nun, ein Wagen war nicht zu sehen, dafür jedoch ein Roboter! Parkers Gesicht blieb unbeweglich. Er, justierte noch ein wenig die Feineinstellung der Kamera und schaute sich dieses technische Monstrum genau an. Dann griff er nach einem Knopf und schaltete den Video-Rekorder ein, der das gezeigte Bild auf Band festhielt. Einen besseren dokumentarischen Beweis für die Existenz eines Riesenroboters hätte er sich gar nicht wünschen können. Der Roboter bewegte sich unbeholfen über 'das alte Pflaster genau zur Haustür. Das Monster, das offensichtlich aus Stahlblech zusammengeschweißt war, mochte zweieinhalb Meter groß sein und zeigte fast so etwas wie ein Gesicht. Es gab auf jeden Fall ein Augenpaar, das rubinrot glühte. Die stämmigen Beine, die an die eines mittelgroßen Elefanten erinnerten, hatten Kniegelenke. Der Roboter ging selbstverständlich 'nicht wie ein normaler Mensch, nein, er schien trotz der Kniegelenke zu rollen, wobei er seine Beine wechselseitig vorschob. Obwohl in Parkers Gesicht keine Bewegung festzustellen war, gestattete er sich in Anbetracht dieses ungewöhnlichen Besuchs das Gefühl der Überraschung. Mit dem Besuch eines Roboters hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Kam dieses technische Monstrum vielleicht als Antwort auf seinen Besuch in Huntslays Bar? Der Roboter hatte inzwischen fast die Haustür erreicht und stand schon halb unter dem Dachvorsprung. Er
hob seine linke Hand und schob sie ruckartig auf das Türblatt zu. Diese Hand, das war auf dem Monitor deutlich zu erkennen, war eine Art Metallklaue, bestehend aus zwei, drei starken Klammern, die fast an die Backen einer Schraubzwinge erinnerten. Auf dem Kopf des Roboters waren zwei Antennen zu sehen, die wie kleine Hörner wirkten. Der Roboter stand jetzt dicht vor der Tür und befaßte sich auf seine spezielle Weise mit ihr. Er hatte die Absicht, die Tür aus dem Rahmen zu sprengen, was Parker gelassen beobachtete. Er kannte diese Tür und wußte, wie fest und sicher sie war. Die Stahlklaue des Roboters suchte inzwischen nach einem Ansatzpunkt, doch die Tür schloß ungewöhnlich dicht. Noch nicht mal die Andeutung einer Fuge gab der Klaue eine Chance. Sie rutschte immer wieder ab, was von einem häßlichen Schrammen begleitet wurde. Parker betätigte die Fernsteuerung der Fernsehkamera und suchte die Durchgangsstraße hinter dem kleinen Platz nach einem Wagen ab. Von irgendwoher mußte dieser Roboter ja schließlich gesteuert werden. Doch der Butler konnte keinen Wagen ausmachen, obwohl die Sicht dank der Lichtverhältnisse gut war. Der Riesenroboter schien inzwischen in Rage geraten zu sein. Er hatte gerade einen kurzen Anlauf genommen und warf sich mit seinem sicher nicht unbeträchtlichen Gewicht gegen das Türblatt. Es rührte sich nicht. Die Tür war nämlich im Grund nichts anderes als eine Panzertür, die
einem Banktresor zur Ehre gereicht hätte. Sie war eigentlich nur dann zu öffnen, wenn man gleich auch das ganze Haus in die Luft jagte. Butler Parker ging in die Wohnhalle und rief Anwalt Rander an, dessen Haus in der nahen Curzon Street lag. Er wollte ihn sicherheitshalber warnen, denn möglicherweise tauchte solch ein Roboter auch vor dem Haus Mike Randers auf. Zu Parkers Überraschung war die Leitung auf der Gegenseite tot. Sie schien durch Fremdeinwirkung lahmgelegt zu sein. Etwa durch einen Roboter, wie Parker sich beunruhigt fragte ... * Mike Rander lag in seinem Bett und hatte erst vor wenigen Minuten das Licht im Schlafzimmer ausgeschaltet. Er war noch wach und dachte an Kathy Porter, die ihm von Tag zu Tag immer besser gefiel. Die rein dienstliche Zusammenarbeit mit ihr war mehr als angenehm. Erfreulicherweise hielt sich die junge Dame nun häufig in seinem Anwaltsbüro im Erdgeschoß des Hauses auf. Die Vermögensverwaltung für Agatha Simpson war eine recht komplizierte, zeitraubende Arbeit. Mike Rander, seit einigen Wochen erst wieder auf der Insel, brauchte noch viel Zeit, um sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen. Dazu benötigte er Kathy Porter, die sich in dieser Materie bestens auskannte. Nach seiner Rückkehr hatte er sich zuerst mit Händen und Füßen dagegen gesträubt, von Lady Simpson verplant zu werden, doch er hatte so gut wie
keine Chance gehabt. Die ältere Dame hatte ihn wie einen heimgekehrten Sohn empfangen und alles arrangiert. Selbst dieses Haus hier war von ihr beschafft worden, von der Einrichtung mal ganz zu schweigen. Mike Rander hatte schnell nachgegeben, als er Kathy Porter kennenlernte. Hinzu kam natürlich Butler Parker, mit dem er vor seiner Übersiedlung in die Staaten jahrelang manches Abenteuer erlebt hatte. Es war einfach reizvoll, wieder mit diesem skurrilen Mann zusammenzuarbeiten. Parker war und blieb für Mike Rander ein Rätsel. In der Vergangenheit hatte er sich immer wieder gefragt, warum dieser Mann als Butler arbeitete. Parker hätte mit seinen Fähigkeiten im Geheimdienst, um nur ein Beispiel zu nennen, Karriere machen können. Im Polizeidienst wäre Josuah Parker inzwischen wohl längst ein High Commissioner geworden. Aber nein, Parker hatte allen Abwerbungsversuchen widerstanden und war Butler geblieben, ein Butler allerdings besonderer Art. Mike Randers Gedanken wurden abgelenkt. Unten im Haus hatte er ein Geräusch gehört, das nach Reißen und Splittern klang, aber nur kurz gewesen war. Einbrecher? Rander, äußerlich gesehen eine Art verspielter Playboy, griff nach seiner Automatik, die auf dem Nachttisch lag. Er entsicherte die Waffe und stieg aus dem Bett. Er schaltete natürlich das Licht nicht ein, sondern lief leise zur Schlafzimmertür, öffnete sie vorsichtig und lauschte ins Treppenhaus.
Ein seltsames Stampfen und Schleifen war zu vernehmen, dann ein feiner Piepton. Der Anwalt pirschte sich ans Geländer der oberen Galerie und beugte sich über die Brüstung. Zuerst konnte er nichts sehen, doch dann schob sich ein seltsames Gebilde in sein Blickfeld: Ein Riesenroboter marschierte quer durch die Empfangshalle, des Hauses und zerschlug mit seiner linken Hand Kleinmobiliar, das ihm den Weg versperrte. Mike Rander brach nicht gerade in Panik aus, doch er war recht beeindruckt. Solch ein Monster hatte er nicht erwartet. McWarden hatte also wirklich nicht übertrieben oder gar seine Phantasie überanstrengt. Es gab also die zweieinhalb Meter großen Roboter, die ganz aus Metall zu bestehen schienen. Mike Rander ließ es auf einen Test ankommen. Er richtete den Lauf der Waffe auf eines der beiden rubinroten Augen und drückte ab. Der ungedämpfte Schuß peitschte durch das Haus, das Geschoß landete im Ziel und löschte ein Auge im wahrsten Sinn des Wortes aus. Das Piepen wurde jedoch augenblicklich ohrenbetäubend schrill. Dann drehte der Roboter seinen massigen Kopf und legte ihn in den Nacken. Er visierte die Galerie an und ... erwiderte das Feuer. Nein, er schoß nicht.' Aus einem Spalt, der andeutungsweise an einen Mund erinnerte, jagte ein Feuerstrahl in Richtung Mike Rander, der ihn nur knapp verfehlte. Dicht neben dem Anwalt landete dieser Feuerstrahl im
Holz der Brüstung und setzte sie umgehend in Brand. Schon folgte ein zweiter Strahl. Er hätte den Anwalt mit Sicherheit getroffen, wenn Mike Rander nicht instinktiv zurück und zur Seite ausgewichen wäre. Feuer tropfte von der Wand der Galerie und setzte den Teppichboden in Brand. Mike Rander wollte prompt mit der Automatik antworten, doch das Ziel war nicht mehr auszumachen. Unten in der kleinen Empfangshalle waberten dichte Nebelschwaden, die jede Sicht nahmen. Dafür aber war das Schleifen und Scharren des Roboters um so deutlicher zu hören. Schickte der Roboter sich an, die Treppe zu ersteigen? * »Weiter, weiter«, drängte die ältere Dame. »Und was passierte dann? Gütiger Himmel, Mike, muß man um jedes Wort von Ihnen kämpfen?« »Ich stehe immerhin noch unter einem Schock«, antwortete der Anwalt, doch er lächelte ironisch. »So etwas muß man innerlich erst mal verarbeiten!« »Dieser Riesenroboter spuckte also Feuer?« drängte Lady Agatha und wurde noch ungeduldiger. »Wie ein kleiner Flammenwerfer«, bestätigte der Anwalt. »Als er endlich gegangen war, hatte ich meine liebe Mühe und Not, das Feuer zu löschen.« »Ich begreife nicht, wieso Sie dieses Monstrum haben gehen lassen, Mike.« Sie sah ihn vorwurfsvoll an und wandte sich dann an ihren Butler, der sich zusammen mit Kathy Porter ebenfalls im Salon befand.
»Ich hatte einfach keine Lust, ebenfalls Feuer zu fangen«, meinte Mike Rander und lächelte. »Zudem prallten meine Schüsse an diesem Roboter einfach ab, das konnte ich einwandfrei beobachten. Nur diese rubinroten Augen scheinen da verletzbarer zu sein.« »Und warum haben Sie nicht die Polizei verständigt?« »Wäre das in Ihrem Sinn gewesen, Mylady?« »Natürlich nicht, aber in diesem besonderen Fall...« »Darf ich mir erlauben, Mylady darauf hinzuweisen, daß auch Myladys Telefon gestört ist«, warf Parker ein. »Meiner bescheidenen Vermutung zufolge dürften die Roboter vor ihrem Angriff irgendeine zentrale Schaltstelle für diesen Bezirk nachhaltig gestört haben.« »Nun, darüber werden wir morgen ja hören.« Die Detektivin winkte ungeduldig ab. »Kam dieser Roboter die Treppe herauf, Mike? Das interessiert mich ganz besonders.« »Das Treppensteigen scheint ihm schwer zu fallen, Mylady.« Rander stand eindeutig nicht unter einem Schock, wie deutlich zu hören war. Er hatte längst Abstand zu dem nächtlichen Überfall gewonnen und sah die Dinge fast schon von der heiteren Seite. »Unten vor der ersten Stufe blieb er stehen und wackelte sogar ein wenig. Dann drehte er ab und marschierte zurück nach draußen.« »Um in Ihr Haus zu kommen, muß man aber eine Außentreppe nehmen«, erinnerte Kathy Porter. »Richtig, Kindchen, eine kluge Feststellung.« Mylady nickte ihrer Gesellschafterin wohlwollend zu. »Genau
darauf wollte ich gerade hinweisen. Wie hat der Roboter denn diese Stufen geschafft, Mike? Konnten Sie das sehen?« »Offen gestanden, Mylady, ich hatte zu sehr mit dem Brand zu tun.« Mike Rander schüttelte den Kopf. »Zudem hatte ich keine Lust, von dem Flammenwerfer erwischt zu werden. Ich hielt mich tapfer zurück.« »Würden Sie unterstellen, Sir, daß dieser Riesenroboter ferngesteuert wurde?« erkundigte sich Parker höflich. »Gibt es denn überhaupt noch eine andere Möglichkeit?« Mylady sah den Butler streng an. »In diesem Roboter könnte sich auch durchaus ein besonders kleinwüchsiger Mensch befinden, Mylady.« »Natürlich, daran wollte ich gerade erinnern.« Die ehrgeizige Dame wechselte ohne jede Verlegenheit oder Scham ihre Aussage. »Ich denke da zum Beispiel schon die ganze Zeit über an einen Liliputaner.« »Könnte ein kleinwüchsiger Mensch solch einen, Roboter überhaupt steuern?« wollte Kathy Porter wissen. »Technisch wäre dies kaum ein Problem, Miß Porter«, antwortete Butler Parker. »Ich darf in diesem Zusammenhang an die sogenannten Arbeitsroboter erinnern, die in der Industrie verwendet werden. Sie werden entweder computergesteuert oder von Hand. Ein kleinwüchsiger Mensch im Innern solch eines Roboters könnte über Wellen, Gelenke und Panzerdruckschläuche durchaus solch ein Monster nach Wunsch bewegen. Das alles ist nur eine Frage der Konstruktion.«
»Sie sollten mir solch einen Roboter herbeischaffen, Mr. Parker«, sagte die ältere Dame grollend. »Auch Sie haben sich die einmalige Gelegenheit entgehen lassen, solch ein Monstrum einzufangen. Es hat sich lange genug vor dem Haus herumgetrieben.« »Wieso ist der Roboter eigentlich verschwunden?« erkundigte sich Mike Rander und schaute den Butler interessiert an. »Haben Sie ihn mit Ihrem Regenschirm in die Flucht geschlagen?« »Als er an der Haustür nichts auszurichten vermochte, Sir, beschäftigte der Roboter sich mit den Fenstern im Erdgeschoß des Hauses, die selbstverständlich ebenfalls entsprechend gesichert sind. Er schaffte es allerdings, einige Kerben in die Fensterläden aus Stahl zu schlagen.« »Diese Roboter müssen über Riesenkräfte verfügen, oder?« »Diese Frage sollte man unbedingt bejahen, Sir.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an. »Mir kam es darauf an, den Roboter ausgiebig zu filmen, um später gewisse Handlungsabläufe studieren zu können. Nach seinen vergeblichen Bemühungen, ins Haus einzudringen, rollte der Roboter zur Hauptstraße zurück und entschwand dem Blickfeld der Video-Kamera.« »McWarden wird begeistert sein, wenn er diesen Video-Streifen zu sehen bekommt.« »Er wird ihn nicht zu sehen bekommen, Mike«, sagte Lady Agatha energisch. »Er soll seine eigenen Aufnahmen machen.« »Mylady, ich plädiere für eine gewisse Zusammenarbeit«, erwiderte der Anwalt gelassen- »Wir haben doch
nie die Möglichkeit wie ein McWarden, Mylady. Wie sollen wir alle Firmen überprüfen, die solche Roboter herstellen können? Auf diesem Gebiet der»Ermittlung ist der Chief-Superintendent uns haushoch überlegen.« »Haushoch?« Agatha Simpson preßte die Lippen aufeinander. So etwas hörte sie gar nicht gern. »Nur McWardens Apparat kann die Firmen heraussuchen, die sich sogar bereits mit dem Bau von Robotern aller Art befassen«, redete der Anwalt weiter. »Mr. Parker sprach eben von den Arbeitsrobotern? Genau diese Firmen muß McWarden finden und uns dann das Ergebnis seiner Ermittlungen mitteilen. Dies wird er aber nur dann tun, wenn wir ihm die Video-Aufnahme zeigen.« »Das sage ich ja schon die ganze Zeit.« Mylady nickte ungeduldig. »Wir brauchen ihm ja nicht den ganzen Film zu zeigen, sondern nur Teile davon. Mr. Parker, bereiten Sie für den ChiefSuperintendent einen hübschen Kulturfilm vor, mehr aber auch nicht. Die wichtigen Einzelheiten lassen Sie selbstverständlich weg!« »Im Austausch gegen diesen kleinen Film, Mylady, sollte McWarden Mylady vielleicht sagen, wo dieser Lastwagen mit den Spirituosen und Konserven überfallen und ausgeraubt wurde. Mylady wollen sich den Tatort sicher ansehen.« »Was dachten denn Sie!?« Parkers Herrin nickte. »Und Sie werden mir rechtzeitig mitteilen, wonach ich suchen werde, Mr. Parker. Sie wissen, mit diesen Kleinigkeiten gebe ich mich grundsätzlich nicht ab, mich interes-
siert immer nur die große Linie eines Falls.« * Sie waren mit dem hochbeinigen Monstrum über die M1 in Richtung Luton gefahren und dann in die Straße abgebogen, in die der Lastwagen umgeleitet worden war. Inzwischen stand fest, daß die beiden Streifenbeamten keine Angehörigen der Polizei waren. McWarden hatte das kurz vor der Abfahrt noch telefonisch mitgeteilt. Nach dem Lastwagen wurde übrigens noch gesucht. Er schien sich bis zur Stunde geradezu in Luft aufgelöst zu haben. Die Polizei hatte längst Hubschrauber eingesetzt, um nach diesem großen und auffälligen Laster zu suchen. »Hier muß der Überfall stattgefunden haben«, sagte Mike Rander, als sie das Wäldchen erreicht hatten, durch das die Nebenstraße führte. »Sehen Sie doch, Parker, da sind Reifenspuren!« Der Straßenbelag zeigte sie mehr als deutlich. Gummi hatte fette, schwarze Spuren hinterlassen. Zudem waren noch die Kreidemarkierungen der Polizei zu erkennen, die den Tatort natürlich eingehend untersucht hatte. Butler Parker ließ sein hochbeiniges Monstrum am Straßenrand stehen und stieg zusammen mit Mike Rander aus. Er legte den Bambusgriff seines Universal-Regenschirms über den angewinkelten Unterarm, prüfte den korrekten Sitz der schwarzen Melone und begutachtete erst mal eingehend die Straße und das Waldstück.
»Bestens geeignet, wie?« Mike Rander zündete sich eine Zigarette an. »Wie war das noch, Parker: Die beiden Fahrer behaupten, der Roboter habe den Lastwagen auf der Stelle festgehalten. Er hat sich geschüttelt, war aber trotz Vollgas nicht mehr ins Rollen gekommen.« »So lautete die Auskunft des Mr. Hilling, Sir.« Parker nickte. »Wie denken Sie darüber, Parker? Der Lastwagen hat gut und gern seine vierhundert Pferdestärken. Wie kann man so etwas auf der Stelle festhalten?« »Ich muß gestehen, Sir, daß ich momentan noch vor einem Rätsel stehe«, räumte Josuah Parker ein. »Nach 'menschlichem Ermessen können die beiden beobachteten Roboter dies niemals verursacht haben. Möglicherweise finden sich andere Erklärungen dafür.« »Sie denken an einen Fehler des Fahrers? Wäre durchaus möglich. Der gute Mann befand sich immerhin in einem seelischen Ausnahmezustand.« »Der Lastwagen, Sir, wurde von zwei falschen Streifenbeamten hierher dirigiert«, schickte Parker voraus. »An der wahrscheinlich genau vorausberechneten Stelle erschienen die beiden Roboter und verursachten die geschilderte Vollbremsung. Daraus ließen sich unter Umständen gewisse Schlüsse ziehen.« »Nämlich, Parker?« Mike Rander hatte endlich zu dem vertrauten »Parker« zurückgefunden und verzichtete auf das formelle Mr. Parker. Der Butler nahm dies erfreut zur Kenntnis.
»Wenn man den Lastwagen also an einer bestimmten Stelle stoppte, Sir, dann sicher nicht ohne Grund.« »Worauf wollen Sie hinaus, Parker?« »Wenn Sie erlauben, Sir, würde ich mir gern mal dort die Baumgruppe näher ansehen.« Parker deutete mit der Spitze seines Universal-Regenschirms auf einige dickstämmige Ulmen, die am äußeren Rand der leichten Kurve standen. »Moment mal, Parker, Sie glauben doch wohl nicht, daß man den Laster festgezurrt hat?« Rander schüttelte ungläubig den Kopf. »Das wäre allerdings ein raffinierter Trick.« »Falls dieser Trick angewendet wurde, Sir, müßten sich an den diversen Baumstämmen deutliche Spuren feststellen lassen.« »Okay, sehen wir uns die Ulmen mal aus der Nähe an.« Rander hatte sich bereits mit Parkers Gedanken angefreundet und marschierte zusammen mit ihm zur sanften Kurve. Sie brauchten nicht lange zu suchen. Die Rinde von zwei Bäumen war besonders tief eingeschnitten und verletzt worden. Ein zumindest daumendickes Drahtseil schien diese Spuren hinterlassen zu haben. Rander lehnte sich mit dem Rücken gegen einen der beiden Baumstämme und visierte die Kurve an. Dann nickte er. »Direkte Linie«, sagte er. »Während die beiden Roboter die Lastwagenfahrer schockten, dürften die beiden angeblichen Streifenwagenfahrer das Drahtseil am Laster befestigt haben. Würde so was ausreichen, einen anfahrenden Wagen dieser Größe zu stoppen?«
»Mit Sicherheit, Sir«, gab der Butler zurück. »Die Einschnitte des Drahtseils sind außerordentlich markant, ein Zeichen dafür, welche Kräfte hier im Spiel gewesen sein müssen.« »Eine sehr außerirdische Methode, finden Sie nicht auch, Parker?« Mike Rander lächelte ironisch. »Wir haben es mit sehr irdischen Gangstern zu tun, Parker, die sich einen neuen Trick einfallen ließen.« »Dieser Auffassung, Sir, möchte ich mich vollinhaltlich anschließen«, gab Josuah Parker zurück. »Darf ich übrigens darauf hinweisen, daß man es gleich mit einigem Ärger zu tun haben wird? Die Herren aus Mr. Huntlays Nachtclub scheinen einige Schergen in Marsch gesetzt zu haben.« Während der Butler noch sprach, deutete er mit der Spitze seines Regenschirms auf einen dunklen Morris, der um eine Kurve kam und auf den Tatort zuhielt. * Chief-Superintendent McWarden hatte sich den von Parker zurechtgeschnittenen Video-Film angesehen und ihn anschließend zur näheren Auswertung mitgenommen. Seitdem er das altehrwürdige Haus der älteren Dame in Shepherd's Market verlassen hatte, war etwa eine halbe Stunde vergangen. »Ein sehr langweiliger Vormittag, Kindchen, finden Sie nicht auch?« Sie war keine Frau, die die Hände in den Schoß zu legen vermochte. Lady Agatha brauchte Aktivitäten. »Wir hätten Mr. Parker und Mike Rander nach Luton begleiten sollen.«
»Mr. Parker rechnet mit wichtigen Anrufen, Mylady«, erinnerte Kathy Porter. »Er glaubt, daß die Gäste aus Huntlays Nachtclub sich melden werden.« »Hoffentlich versuchen sie, das Haus zu stürmen«, meinte die Detektivin, »das wäre eine hübsche Abwechslung.« »Ich glaube, Mylady, Sie haben gerade das Stichwort dazu geliefert«, antwortete Kathy Porter. Sie stand vor einem Fenster des Salons und sah einen teuren Daimler, der von der Hauptstraße in das offene Viereck des kleinen Platzes einbog. »Das sieht nach einem Gangsterboß aus, Kathy.« Lady Agathas Stimme klang sofort animiert. »Bereiten Sie alles für einen netten Empfang vor, Kathy! Wir wollen uns zuerst einigermaßen höflich geben.« Der schwarze Daimler hielt inzwischen vor der Haustür. Ein junger Mann, der einen dunklen Anzug trug, stieg aus und läutete. Lady Agatha, die hinter der Gardine stand, entdeckte im Wagen zwei seriös aussehende Männer, die dicke Zigarren rauchten. Sie kannte solche Typen vom Fernsehen her. Gangsterbosse wurden in Kriminalserien stets in dieser Art dargestellt. Kathy Porter stand in der Wohnhalle bereits vor dem verglasten Windfang und drückte auf den elektrischen Türöffner. Der junge Mann stieß die Tür auf und wollte schwungvoll auf Kathy losgehen. Die Glastür zwischen dem quadratischen Windfang und der Wohnhalle hielt er offenbar für kein Hindernis. Er täuschte sich...
Die Tür war verschlossen und saß fest im Rahmen. Der junge Mann rüttelte ungeduldig am Türknauf und entschloß sich dann für eine Patentlösung, die nicht gerade zivilisiert war, jedoch Rückschlüsse auf seine Denk- und Handlungsweise zuließ. Er stieß mit dem linken Ellbogen kurz und kräftig gegen die Glasfüllung der Tür und war sich seiner Sache sicher. Jetzt mußte der Glaseinsatz bersten und zersplittern. Danach brauchte er nur noch den sperrenden Schlüssel im Schloß umzudrehen. Der Mann erlebte eine herbe Enttäuschung. Sein Ellbogen wurde mittelschwer geprellt, doch die Scheibe hielt wie selbstverständlich stand. Sie bestand natürlich aus bestem Panzerglas. Ein gewisser Josuah Parker hatte beim Umund Ausbau dieses Fachwerkhauses dafür gesorgt, daß alle modernen Erkenntnisse zur Sicherung eines Gebäudes bedacht wurden. »Wen darf ich melden?« erkundigte sich Kathy Porter über die Sprechanlage bei dem fluchenden Fahrer, der sich den Ellbogen massierte. »Los, machen Sie schon auf, Süße«, sagte der Fahrer und holte eine schwere Automatik aus der Innentasche seines Jacketts. Der Schalldämpfer allein sah bereits unheimlich genug aus. »Bitte, nein!« Kathy Porter zeigte Angst und starrte wie gebannt auf die Schußwaffe. »Ich ... Ich werde sofort aufsperren.« Ihre rechte Hand langte nach dem Schlüssel, doch ihre Finger drückten auf einen Ziernagel, der völlig harmlos
aussah und unter dem Türknauf auf ihrer Seite angebracht war. Daraufhin warf der junge Mann beide Arme fast freudig hoch in die Luft und ... verschwand nach unten. Unter seinen Füßen hatte sich die von Parker installierte Falltür geöffnet, die die ganze Größe des Windfangs ausmachte. Der Fahrer rauschte nach unten weg und fand noch nicht mal Zeit, einen Schuß abzufeuern, geschweige seine beiden Insassen im Wagen zu warnen. * Es waren vier sportliche Männer, die aus dem Morris förmlich herausfielen und dann ausschwärmten. Sie hatten es eindeutig auf Josuah Parker und Mike Rander abgesehen. Und sie wußten offensichtlich nicht, auf welche Gegner man sie gehetzt hatte. Sie hielten es noch nicht mal für nötig, ihre Schußwaffen zu ziehen. Sie legten es darauf an, ihre beiden Opfer ein wenig tiefer in das Wäldchen zu treiben, um sich dann in aller Ruhe mit ihnen zu befassen. »Nichts gegen ein Training«, meinte Anwalt Rander zu Parker. »Aber ausgerechnet jetzt? Ich hatte mir den Morgen etwas anders vorgestellt.« »wenn Sie erlauben, Sir, werde ich den Zwischenfall sofort beenden«, antwortete der Butler und zog seine zusammenlegbare Zwille aus der Innentasche seines schwarzen Zweireihers. Es handelte sich dabei um eine Gabelschleuder, wie sie von Jugendlichen noch immer gern verwendet wird. Mittels zweier Gummistränge ließen sich damit Geschosse aller Art fast lautlos
verschicken. In der Hand eines Könners war solch eine Y-förmige Gabelschleuder eine ungemein treffsichere Waffe. Butler Parker war ein Könner! Er hatte die zusammenklappbare Gabelschleuder schußbereit gemacht und legte eine kleine, oberflächlich gebrannte Tonmurmel in die Lederschlaufe. Er strammte die beiden starken Gummistränge, visierte kurz einen der vier Männer an und ließ die Lederschlaufe los. Der Effekt war frappierend. Der Mann stand plötzlich nicht mehr auf seinen Beinen, sondern legte sich flach auf die Luft, die ihn natürlich nicht zu tragen vermochte. Bruchteile von Sekunden später landete der »Angeschossene« auf dem erfreulicherweise weichen Waldboden und streckte alle viere von sich. Was seinen Begleiter stutzig machte! Er hatte natürlich nichts gehört, von dem »Einschlag« der Tonmurmel mal abgesehen, die das obere Stirndrittel getroffen hatte. Der Mann blieb stehen und schaute auf seinen Partner hinunter. Dann riß der Begleiter automatisch seine Schußwaffe aus der Schulterhalfter und hielt Ausschau nach den beiden Opfern. Butler Parker und Mike Rander waren nicht mehr zu sehen. Sie hatten sich in Deckung begeben und ließen die Dinge auf sich zukommen. Der Butler hielt bereits sein zweites Geschoß in der Lederschlaufe und interessierte sich für den Mann, der weit links war und Anstalten traf, seine beiden Opfer zu überlaufen, um sie dann in der Flanke anzugreifen. Es blieb bei diesem Versuch.
Der Mann blieb plötzlich wie angewurzelt stehen und hob fast träumerisch-sinnierend den Kopf. Er schien dem Gesang einiger weit entfernter Waldvögel zu lauschen. Dann zeigte er deutliche Konditionsschwächen und setzte sich erst mal ins Gras. Bevor er überhaupt mitbekam, daß er angesprochen wurde, schloß er die Augen und machte es sich auf dem Moos gemütlich. Die beiden restlichen Männer hatten sich instinktiv zusammengeschlossen und flüsterten miteinander. Sie fühlten sich hier draußen im Wäldchen sehr unwohl. Als eingefleischte Bewohner des städtischen Dschungels war ihnen ein echter Wald unheimlich. Sie entschlossen sich zur Rückkehr zum Morris. Um ihre beiden Partner kümmerten sie sich nicht weiter. Die mochten sehen, wie sie zurecht kamen. Zudem schienen sie auf eine endgültige und geheimnisvolle Art und Weise getroffen worden zu sein. Im Schweinsgalopp trabten die beiden »Überlebenden« zurück zur Straße, was allerdings nicht so problemlos ging, wie sie es sich wohl vorgestellt hatten. Sie passierten einen dichten Strauch, der mit Blättern reich gesegnet war. Sie kamen gar nicht auf den Gedanken, daß ihre beiden Opfer vielleicht auch schon Stellungswechsel vorgenommen hatten. Daher blieben sie auch mit rauchenden Absätzen stehen, so intensiv bremsten sie ihren Schwung ab. Vor ihnen stand nämlich Anwalt Rander, tadellos gekleidet und eigentlich kein Hindernis darstellend. Er schien gerade von einer Party gekommen zu
sein. Die graue Flanellhose und der dunkelblaue Blazer verstärkten diesen Eindruck noch. Die beiden Gangster hatten keine Zeit, sich auf diese Überraschung einzustellen. Mike Rander hatte sich doch noch für eine kleine Trainingsrunde entschieden und zeigte, daß auch er sich in der fernöstlichen Kampfweise bestens auskannte. Die beiden flüchtenden Gangster begriffen überhaupt nicht, was mit ihnen geschah: Mike Randers Hände wirbelten verwirrend durch die Luft, schufen Muster, die in Treffer endeten und sorgten dafür, daß die beiden Männer nach wenigen Sekunden traumlos im Gras lagen. »Und jetzt?« fragte Mike Rander und wandte sich Josuah Parker zu. »Ich sage Ihnen gleich, Parker, daß ich keine Lust habe, mich mit diesen vier Burschen abzugeben. Sie stören nur.« »Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich die vier Herren an die Kette legen, selbstverständlich nur im übertragenen Sinn, wie ich betonen möchte.« * Die beiden seriös aussehenden Männer im Fond des Daimler mißverstanden gründlich die Situation. Als Lady Simpson aus dem Haus kam, mußten sie denken, ihr Fahrer habe sie dazu in irgendeiner Form überredet. Sie kannten ja schließlich den jungen Mann, der von der harten Sorte war. Was er wollte, hatte er bisher stets durchgesetzt, meist ohne Rücksicht auf Verluste. Die beiden Männer mißverstanden also und stiegen aus dem Wagen. Sie warteten aber, bis Agatha Simpson sie
erreicht hatte. Sie sollte ihren Bitt- und Bußgang bis zum bitteren Ende durchmessen. Die Lady sah allerdings nicht sonderlich zerknirscht oder gar bedrückt aus. Sie trug eines ihrer viel zu weiten und ausgebeulten TweedKostüme, an ihrer Hand pendelte der sattsam bekannte Pompadour mit dem darin befindlichen »Glücksbringer« in Form eines echten Pferdehufeisens. »Warum kommen Sie nicht ins Haus?« fragte die ältere Dame unwirsch, als sie die beiden Männer erreicht hatte. Sie musterte sie mit ihren grauen Augen. »Wie heißen Sie eigentlich?« »Namen sind Schall und Rauch«, meinte der kleinere der beiden und lächelte dünn. »Sie sind also bereit, uns die Unterlagen zurückzugeben?« »Aber natürlich, meine Herren.« Die Detektivin deutete auf die Haustür. »Meine Gesellschafterin holt sie gerade aus dem Tresor.« »Wir verlangen natürlich einen gewissen Schadensersatz, Lady Simpson«, sagte der Stämmigere. »Wir denken da an etwa tausend Pfund für unseren Sozialfonds.« »Dürfen es vielleicht zweitausend sein?« fragte die ältere Dame. »Akzeptiert.« Der Kleinere nickte und lächelte spöttisch. »Unser Fahrer scheint Sie ja bereits nachdrücklich eingestimmt zu haben.« »Worauf warten wir noch?« Lady Agatha deutete noch mal auf die Haustür. Dann setzte sie sich in Bewegung und übernahm die Führung. Die beiden seriös aussehenden Männer folgten ihr arglos und schöpften auch dann noch keinen
Verdacht, als Mylady vor der Haustür zur Seite trat, um ihren beiden Besuchern den Vortritt zu lassen. Sie betraten den viereckigen, relativ kleinen Windfang und ... segelten Bruchteile von Sekunden später nach unten in die Fallgrube. Der weggeklappte Boden hob sich bereits wieder und fügte sich nahtlos in das Parkett des Rahmens. »Gimpel«, sagte Agatha Simpson und nickte Kathy Porter zu, die jenseits des Windfangs vor der Tür aus Panzerglas stand. Sie öffnete und kam auf Lady Agatha zu, die auf den Wagen zeigte. »Durchsuchen Sie diesen protzigen Wagen, Kindchen. Vielleicht finden Sie irgendwelche Anhaltspunkte.« Lady Agatha ging in die Wohnhalle und öffnete hier einen Wandschrank. Sie schaltete den Monitor ein und brauchte nur einige Sekunden zu warten, bis eine Fernsehkamera zeigte, was sich in der Fallgrube unter dem Parkett des Windfangs abspielte. Die drei Männer hatten den Sturz gut überstanden, zumal der Boden dieser Grube gut gepolstert war. Die drei Männer machten einen völlig konsternierten Eindruck und hatten ihren Sturz innerlich noch nicht verarbeitet. »... konnte das nur passieren, Kevin?« fragte der Stämmige wütend den jungen Fahrer. »Keine... Keine Ahnung, Mr. Bellow«, erwiderte der Fahrer und sah zur Decke, wo die Linien der Falltür deutlich zu sehen waren. »Tun Sie endlich was, Kevin«, brauste der Kleinere auf. »Mann, wofür bezahlen wir Sie eigentlich so fürstlich!?«
»Wir könnten vielleicht 'ne Pyramide bauen, Mr. Norwich«, schlug der Fahrer vor, »aber ich glaube nicht, daß die Falltür sich bewegen läßt.« »Richtig«, schaltete Agatha Simpson sich über die eingebaute Sprechanlage grollend ein. »Jetzt wissen Sie, wie es Ratten zumute ist, wenn sie in der Falle stecken. Wie wäre es denn mit einem kleinen Bad zur Abkühlung? Sie brauchen nur was zu sagen. Ich kann das Wasser bis zur Decke steigen lassen.« Die drei Männer drehten sich um, suchten nach dem versteckt angebrachten Mikrofon, nach dem Lautsprecher und konzentrierten sich schließlich auf ein feines Siebgitter unter der Decke. Der Fahrer richtete den Lauf seiner Waffe auf dieses Gitter. »Sinnlos, Sie Subjekt«, herrschte die Detektivin den jungen Fahrer an. »Selbstverständlich würde das Geschoß abprallen. Aber bitte, Sie können das ja testen, wenn Sie an einem hübschen Querschläger interessiert sind.« Er schoß aber nicht, sondern ließ die Waffe sinken und machte einen recht bedrückten Eindruck. Bellow und Norwich schlossen sich seiner Grundstimmung an und ließen zusätzlich noch die Köpfe hängen. »Hö... Hören Sie mich! Mylady?« fragte der Stämmige. »Noch«, gab Lady Agatha zurück, »aber ich werde abschalten.« »Mylady, bitte, tun Sie's nicht«, redete Bellow hastig weiter. »Sie ... Sie haben unseren Besuch mißverstanden, bestimmt. Gut, wir wollten zwar die Unterlagen
zurückholen, Sie wissen schon, diesen Geschäftsbericht, den Ihr Butler versehentlich mitgenommen hat, aber der wahre Grund unseres Kommens hängt mit diesen Riesenrobotern zusammen.« Er zwinkerte Norwich und dem Fahrer zu und hatte keine Ahnung, daß die versteckt angebrachte Fernsehkamera das prompt übertrug. »Sie wissen etwas über die Roboter?« Agatha Simpson tat so, als habe sie bereits gründlich angebissen. »Wir haben einen bestimmten Verdacht, wer sie gebaut haben könnte, Mylady«, log Bellow weiter und zwinkerte Norwich und dem Fahrer Kevin erneut zu. »Ich mache Ihnen einen ehrlichen Vorschlag: Sie lassen uns raus, und wir geben Ihnen dafür den bewußten Tip.« »Sie geben mir zuerst den Tip, dann werde ich Sie vielleicht rauslassen«, widersprach die energische Dame. »Also schön.« Bellow erklärte sich eindeutig zum Schein damit einverstanden und zwinkerte seinen beiden Begleitern bereits triumphierend zu. »Reden Sie schon weiter, junger Mann«, blaffte Agatha Simpson den etwa fünfzigjährigen Gangsterboß an. »Fahren Sie in die Waterloo Road«, antwortete Bellow und grinste tückisch. »Biegen Sie in den Upper Ground ab und sehen Sie sich mal in der Firma Penton um! Die ist mit Sicherheit um diese Zeit leer bis auf ein paar Mäuse und Ratten. Aber da werden Sie wahrscheinlich einen halbfertigen Roboter sehen.« »Ich werde das nachprüfen«, sagte Lady Agatha. »Und gnade Ihnen Gott, falls Sie mich belogen haben sollten!«
»Mein Wort darauf, Sie werden auf Ihre Kosten kommen, Mylady«, erwiderte Bellow und grinste seine beiden Mitinsassen in der Fallgrube wissend an. »Aber halten auch Sie sich an die Abmachung und lassen Sie uns anschließend hier raus!« »Wir werden sofort losfahren«, versprach die ältere Dame. Und bevor sie abschaltete, sah sie noch, wie Bellow sich zufrieden die Hände rieb. * Die vier jungen Waffenträger, waren ein wenig irritiert, als sie wieder zu sich gekommen waren. Sie hatten sich ihren Ausflug aufs Land immerhin erheblich anders vorgestellt. Sie hatten vor allem mit einem echten Erfolgserlebnis gerechnet, doch daraus war nun nichts geworden. Butler Parker hatte sie im übertragenen Sinn an die Kette gelegt, wie er es Mike Rander gegenüber angedeutet hatte. Die vier Gangster befanden sich auf der Plattform eines Aussichtsturms und hätten eigentlich die Schönheit dieser hügeligen Landschaft genießen können. Doch sie übersahen sie und beschäftigten sich mit ihrer Lage. Sie konnten diese Plattform zu ihrem Ärger nicht verlassen, denn da gab es einige Handschellen, die sie miteinander verbanden. Butler Parker hatte sie damit aneinandergekettet. Diese privaten Handschellen aus dem Besitz des Butlers zeichneten sich durch erstklassigen Chromnickelstahl und komplizierte Schlösser aus, die nur von Spezialschlüsseln zu öffnen waren. Es versteht sich am Rand, daß die letzte der Handschellen um einen daumendicken Eisenstab des
Geländers gelegt worden war. Die vier Gangster waren dazu verurteilt, die frische Luft zu genießen. Parker hatte ihnen die diversen Schuß-, Stich- und Hiebwaffen weggenommen, die er in ihren Schulterhalftern und Taschen gefunden hatte. Diese Mordinstrumente lagen im Kofferraum ihres Morris, der unten vor dem Aussichtsturm parkte. Erstaunlicherweise verzichteten die vier Gangster darauf, den Butler oder Mike Rander mit Schimpfworten zu belegen. Sie standen ziemlich betreten auf der Plattform und verstanden die Welt nicht mehr. Sie begriffen einfach nicht, wieso sie von zwei Männern überwältigt worden waren, die auf keinen Fall wie ernsthafte Gegner ausgesehen hatten. Es war nicht damit zu rechnen, daß die Gangster schnell entdeckt wurden. Der Aussichtsturm in der bewaldeten Hügellandschaft stand an relativ einsamer Stelle. Zudem war das Wetter umgeschlagen. Mit Regen und Wind war durchaus zu rechnen. Wanderer zogen es mit Sicherheit vor, in der Nähe von Ortschaften oder Ausflugslokalen zu bleiben. Josuah Parker und Mike Rander hatten bewußt darauf verzichtet, die Männer nach ihren Auftraggebern zu fragen. Man hätte ihnen doch nur faustdicke Lügen vorgesetzt. »Gehören sie nun zu den Burschen, die diese Roboter herummarschieren lassen, Parker, oder sollten sie uns den Geschäftsbericht abjagen?« fragte der Anwalt. Er saß neben Parker im hochbeinigen Monstrum und machte einen zufriedenen Eindruck. »Meiner bescheidenen Ansicht nach, Sir, ging es nur um diesen
Geschäftsbericht«, antwortete der Butler. »Die Besitzer der Roboter sind aus einem anderen Holz geschnitzt, wenn ich es so ausdrücken darf. Sie werden wesentlich effektivere Methoden bevorzugen, um Nachforschungen zu unterbinden.« »Vergessen Sie nicht, daß sie versuchten, Lady Simpsons Haus zu betreten«, erinnerte der Anwalt. »Von dem Besuch bei mir mal ganz zu schweigen. Ich denke, daraus lassen sich Schlüsse ziehen.« »In der Tat, Sir!« Parker deutete ein zustimmendes Nicken an. »Weder bei Mylady noch bei Ihnen, Sir, ging es um Beute. Diese beiden Besuche waren als nachdrückliche Warnung gedacht. Daraus ergibt sich, daß die Besitzer der Roboter durchaus wissen, wer Mylady und Sie sind, Sir.« »Von Ihnen mal ganz zu schweigen, Parker.« Mike Rander lächelte ein wenig ironisch. »Sie wollen Ihr Licht mal wieder unnötig unter den Scheffel stellen, wie? Aber lassen wir das, ich bin mit Ihrem Schluß einverstanden. Die Gangster wissen verdammt gut, wer wir sind. Und daraus ergibt sich dann wieder, daß es Profis aus der Unterweltszene sein müssen.« »Wenn Sie gestatten, Sir, möchte ich mich dieser Ansicht höflich anschließen.« »Bleiben wir doch mal bei diesen Roboter-Gangstern, Parker. Ich frage mich die ganze Zeit, wie sie diese Monster transportieren! Sie lassen sie ja schließlich nicht einfach durch die Straßen marschieren. Benutzen sie nun kleine Lieferwagen? Oder haben sie sich vielleicht sogar einen Hubschrauber zugelegt?«
»Der zuständigen Luftaufsicht, Sir, wäre solch ein irregulärer und nicht angemeldeter Hubschrauber mit Sicherheit aufgefallen«, antwortete der Butler. »In diesem Zusammenhang darf man sicher sein, daß Mr. McWarden längst Ermittlungen angestellt hat.« »Okay, man verwendet also irgendwelche Transportwagen.« Rander nickte und lehnte sich zurück. »Dann müssen sie aber eine Basis haben, von wo aus sie ihre Beutezüge starten.« »Treffender, Sir, hätte ich es nie auszudrücken vermocht.« »Vielen Dank für die Blumen, Parker!« Der Anwalt schmunzelte. »Nun mal ganz unter uns, Parker: Stecken in diesen Robotern kleinwüchsige Menschen? Können Sie sich erinnern? Wir hatten da doch schon mal einen Fall, in dem Liliputaner für solche Zwecke mißbraucht wurden.« »Ich glaube nicht an kleinwüchsige Menschen, die diese Roboter steuern, Sir.« »Ich kann's mir auch kaum vorstellen, Parker. Als ich diesen Roboter in meinem Haus beobachtete, hatte ich den Eindruck, daß dieses Monster primitiv reagierte. Ein kleiner Mensch im Innern des Roboters hätte sich schneller und besser angepaßt.« »Die Roboter dürften nur dem einen Zweck dienen, Sir, Panik und Verwirrung zu stiften«, meinte der Butler höflich. »Ihr Erscheinen löst so etwas wie Urängste aus. Anschließend beschäftigen sich sehr menschliche Gangster mit dem eigentlichen Raub. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf verweisen, daß der gestohlene Lastwagen drüben auf der Umgehungsstraße offensichtlich von
Menschenhand mittels einer Stahltrosse festgezurrt wurde.« »Richtig! Und wie kommen wir nun an die Gangster heran, Parker? Diese Gegner sind nicht zu verachten.« »Und dennoch, Sir, sie dürften bereits das begangen haben, was man gemeinhin einen Kardinalfehler nennt.« »Nämlich? Jetzt bin ich aber gespannt!« »Sie setzten ihre Roboter auf Mylady und Sie an, Sir. Demnach paßt es ihnen überhaupt nicht, daß nicht nur die Behörden sich für sie interessieren. Vielleicht sollte man sich der Lösung des Falls von dieser Seite aus annehmen.« »Es regnet«, meinte der Anwalt unvermittelt. »Ein Dauerregen scheint sich anzukündigen, Sir«, stellte -der Butler nach einem prüfenden Bück fest. »Die vier Herren auf der Plattform werden das sicher nicht sonderlich begrüßen.« »Wann wollen Sie den Behörden einen entsprechenden Tip geben?« »Sofort nach der Ankunft in London, Sir«, antwortete Josuah Parker. »Falls meine bescheidene Ahnung mich nicht trügt, dürfte sich dort inzwischen ebenfalls einiges ereignet haben.« »Sie glauben, die Gangster aus Huntslays Nachtclub haben sich mit Mylady angelegt?« »In der Tat, Sir! Aber ich war so frei, Miß Porter gewisse Hinweise zu geben und Ratschläge zu erteilen. Ich möchte annehmen, daß die Dinge sich nicht zu einer Katastrophe ausgeweitet haben.« »Besprechen Sie's nur nicht, Parker!« Rander seufzte auf. »Sie
wissen doch, wenn Mylady auf den Geschmack kommt, ist sie nicht mehr zu halten.« * »Nun, Kindchen, wie lauten die Auskünfte?« fragte Agatha Simpson aufgeräumt, als Kathy Porter im Salon erschien. Die ältere Dame hatte ihren Kreislauf prophylaktisch mit einem Sherry angeregt. Sie machte einen sehr unternehmungslustigen Eindruck. »Bellow und Norwich unten im Keller sind bekannt, Mylady«, berichtete die Gesellschafterin. »Bellow betreibt eine Anzeigen-Agentur, Norwich ist im Feinkost-Großhandel tätig.« »Und was tun sie wirklich?« »Sie führen keine Banden im normalen Sinn, Mylady«, berichtete Kathy Porter weiter. »Sie haben natürlich Angestellte, die irgendwie mit der Unterwelt in Verbindung stehen.« »Sagten Sie gerade Feinkosthandel, Kindchen?« »Mr. Norwich betreibt einen Großhandel, Mylady. Er beliefert einschlägige Geschäfte, aber auch Restaurants und Nachtclubs.« »Merken Sie denn immer noch nichts, Kathy?« »Sie denken an den Laster, der bei Luton gestohlen wurde, Mylady?« »Woran sonst!?« Die Detektivin zog ein ungeduldiges Gesicht. »Und was war in diesem Lastwagen?« »Französische Spirituosen und Feinkost-Konserven, Mylady.« »Jetzt müßte Ihnen aber ein Licht aufgegangen sein, Kathy! Norwich und seine Freunde lassen diese scheußlichen Roboter für sich laufen, das ist für mich vollkommen logisch
und klar. Wir haben genau die richtigen Subjekte eingefangen.« »Mr. Parker und Mr. Rander werden beeindruckt sein, Mylady.« »Und Mr. Parker wird sich schwarz ärgern«, hoffte die ältere Dame. »Ich habe einen Fall wieder mal gelöst, bevor er überhaupt richtig tätig werden konnte.« »Dann ist dieser Hinweis auf die Firma Penton nur ein Ablenkungsmanöver, Mylady?« »Das möchte ich nicht unbedingt sagen, Kindchen.« »Die beiden Gangster Bellow und Norwich wollen Sie doch unbedingt in diese Firma locken, Mylady. Es kann sich da nur um eine Falle handeln.« »Was wir jetzt wissen, Kathy. Wir könnten uns entsprechend vorbereiten.« »Bellow und Norwich rechnen doch eindeutig damit, daß Sie, Mylady, dort auftauchen.« »Aber doch nicht ich, Kathy.« Lady Agatha lächelte versonnen. »Eine reizvolle Vorstellung, sich in dieser Firma mal umzusehen. Wirklich, sehr reizvoll!« »Noch sind Bellow, Norwich und dieser Fahrer aber Trumpfkarten in Ihrer Hand, Mylady. Vielleicht sollte man abwarten, bis Mr. Parker und Mr. Rander zurückgekehrt sind.« »Erkundigen Sie sich, wer sich hinter dieser Firma Penton befindet, Kathy«, sagte Agatha Simpson. »Ich werde mir inzwischen noch mal diese Individuen in der Fallgrube ansehen.« Während Kathy zum Telefon ging, bemühte sich die Detektivin hinüber zum Wandschrank, öffnete ihn und schaltete die Fernsehkamera ein.
Damit war natürlich gleichzeitig auch das Einschalten des Tons verbunden. Die beiden Gangsterbosse Bellow und Norwich saßen auf dem gepolsterten Boden und gaben sich sehr maulfaul. Ihr Fahrer Kevin aber untersuchte mit Hingabe und ohne Erfolg die andeutungsweise erkennbare Tür, die aus der Fallgrube führte. Er hielt ein Taschenmesser in der rechten Hand und zog damit die Linien der dicht schließenden Tür nach. »Da ist nichts zu machen«, sagte er und wandte sich zu Bellow und Norwich um. »Ob die Alte zu Penton fährt?« »Natürlich wird sie fahren«, sagte Bellow. »Den Köder mit dem Roboter hat sie geschluckt, davon bin ich überzeugt.« »Dann sind wir hier bald wieder raus«, vermutete Norwich. »Penton wird sie sich schnappen und dann ganz schön unter Druck setzen.« »Okay, wir kommen hier also raus«, äußerte Bellow, »und was ist dann? Wie kommen wir an die Kerle, die diese Roboter herumrennen lassen? Wer könnte das sein?« »Ich denke die ganze Zeit an einen bestimmten Namen«, sagte Norwich. »Was hältst du von Kilburn?« »Du meinst diesen verrückten Professor, wie sie ihn nennen?« »Verrückt oder nicht, aber er ist ein erstklassiger Techniker.« »Kilburn!« Bellow nickte langsam. »Seit vielen Monaten wie vom Erdboden verschwunden. Kevin, haben Sie mal was von ihm gehört?« »Überhaupt nichts.« .Der junge Fahrer schüttelte den Kopf. »Ich habe Kilburn nie kennengelernt.«
»Sobald wir hier raus sind, werden wir nach ihm suchen«, redete Bellow weiter. »So langsam bekomme ich da ein paar Einzelheiten zusammen. Der hat doch mal in einem Konstruktionsbüro gearbeitet, oder?« »Er hat das Büro sogar mal geleitet, bis er mit dem Trinken anfing«, fügte Norwich hinzu. »Dann ist er von Catby übernommen worden. Du weißt doch, Windhund-Catby.« »Der sich auch seit Monaten nicht mehr rührt.« Bellow hatte sich steil aufgesetzt. »Das würde zusammenpassen, Norwich. Vielleicht hat Kilburn für ihn diese Roboter entwickelt.« »Das war 'n Hammer.« Norwich nickte. »Seitdem wir Windhund-Catby rausgeschmissen haben, hat er sich kaum gerührt.« »Um in aller Ruhe diese Roboter bauen zu können.« Bellow geriet in Eifer. »So 'ne Hinterlist trau' ich ihm ohne weiteres zu.« »Hoffentlich ist die Alte schon unterwegs zu Penton«, meinte Norwich. »Wird höchste Zeit, daß wir was unternehmen können. Ich glaube, wir liegen da völlig richtig.« Agatha Simpson schaltete ab und brauchte jetzt unbedingt einen weiteren Sherry. Die Informationen, die sie da gerade aus erster Hand erhalten hatte, waren brisant. Die beiden Gangsterbosse hatten genau im richtigen Moment einige wertvolle Hinweise geliefert. Lady Agatha gratulierte sich dazu, gerade jetzt das Gerät eingeschaltet zu haben. Es fragte sich allerdings, ob die beiden Gangsterbosse mit einem Abhören gerechnet hatten. Waren die Hinweise auf diesen Kilburn und Catby bewußt
gegeben worden? Bereiteten sie damit eine zusätzliche Falle vor? Schöpften sie jede Möglichkeit aus, um aus dieser Fallgrube herauszukommen? Lohnte es sich, ein Risiko einzugehen? Noch war die ältere Dame unentschlossen, doch als sie dann einen weiteren Sherry zu sich genommen und damit ihren Kreislauf endgültig in Schwung gebracht hatte, stand ihr Entschluß fest. Nein, sie war wirklich nicht die Frau, die untätig herumsitzen konnte. Sie mußte etwas tun, auch wenn es völlig falsch sein sollte. * »Eine Straßensperre«, sagte Mike Rander, als sie sich St. Albans näherten. »Sieht nach einer Großfahndung aus.« »Es hegt meiner Wenigkeit äußerst fern, den sprichwörtlichen Propheten zu spielen, Sir, aber ich möchte davon ausgehen, daß die Roboter erneut zugeschlagen haben.« »Wir haben doch Autotelefon im Wagen«, meinte der Anwalt. »Ich werde McWarden anrufen.« Während Parker das Tempo drosselte und dann langsam auf die Sperre zufuhr, griff Mike Rander nach dem Telefonhörer und ließ sich mit dem Yard verbinden. Aus Gründen einer schnelleren Verbindung nannte er Parkers Namen. Im Yard wußte man damit viel anzufangen. Es dauerte nur wenige Minuten, bis der Chief-Superintendent sich meldete. Seine Stimme klang bissig und verärgert. »Hier Mike Rander«, sagte der Anwalt. »Neben mir sitzt Parker, McWarden. Wir rollen gerade auf eine
Straßensperre in St. Albans zu. Haben sich die Roboter wieder blicken lassen?« »Und wie«, sagte McWarden hastig. »Sie sind in Edgware gewesen. Runde dreißigtausend Pfund Beute. Eine Bankfiliale ist ausgeraubt worden.« »Hübscher Betrag«, erwiderte Mike Rander. »Hoffentlich hat es keine Verletzten gegeben? Haben die Roboter sich wenigstens manierlich verhalten?« »Sie haben Flammen gespuckt, Rander, aber Verletzte hat es erfreulicherweise trotzdem nicht gegeben. Ein Wunder fast!« »Und wie sieht es mit brauchbaren Spuren aus? Können Mr. Parker und ich Ihnen helfen?« »Die beiden Roboter sind spurlos verschwunden. Und was Ihre Hilfe anbetrifft, Rander, so würde ich verdammt gern wissen, was Sie da drüben in St. Albans suchen.« »Mr. Parker und ich haben einen kleinen Ausflug unternommen. Das ist bereits die ganze Erklärung.« »Natürlich glaube ich Ihnen kein Wort, Rander.« McWarden lachte grimmig. »Sie kochen wieder mal ihre eigene Suppe. Ob Sie mir helfen können? Nein, überhaupt nicht! Was die Polizei nicht herausfindet, werden auch Sie nicht finden...« »Wie Sie meinen, McWarden.« Mike Rander lachte nicht bitter, sondern ein wenig ironisch. »Übrigens, Sie haben selbstverständlich schon an die Möglichkeit gedacht, daß die Roboter vielleicht per Hubschrauber eingesetzt werden, wie?« »Natürlich habe ich daran gedacht.« McWarden wurde nun sehr zurückhal-
tend. Man konnte es deutlich durchhören. »Eine Frage, wo befindet sich denn Mylady? Sie sitzt nicht zufällig mit im Wagen?« »Sie ist zusammen mit Miß Porter in der Stadt geblieben, McWarden. Sie sind auf dem falschen Dampfer, wenn Sie annehmen, Mr. Parker und ich würden hier nach Spuren suchen.« »Ich muß Schluß machen«, bedauerte McWarden. Man hörte im Hintergrund Stimmengewirr und das Läuten anderer Telefone. »Verdammt, ich fürchte, da ist schon wieder was passiert.« Auf der Gegenseite wurde abrupt aufgelegt. Mike Rander deponierte seinen Telefonhörer in der Halterung und zündete sich eine Zigarette an. Er sah die uniformierten Beamten an, auf die sie inzwischen zurollten. Die Straßensperre war gründlich und geschickt errichtet worden. Sie ließ eine genaue Kontrolle beider Fahrtrichtungen zu. Die Beamten nahmen sich viel Zeit, die Wagen zu durchsuchen. »Der Transport der Roboter, Mr. Parker, scheint zur entscheidenden Frage zu werden«, meinte Rander wenig später, als sie die Straßensperre passiert hatten. »Hubschrauber kommen also nicht in Betracht, schön, aber welche Möglichkeiten bieten sich denn sonst noch?« »Darüber, Sir, erlaube auch ich mir den Kopf zu zerbrechen«, antwortete Josuah Parker höflich. »Ich darf daran erinnern, daß die Roboter immerhin gut und gern zweieinhalb Meter groß sind.« »Eindeutig«, sagte der Anwalt. »Ich habe solch einen Roboter schließlich mit meinen eigenen Augen gesehen. Zweieinhalb Meter.«
»Um solche technischen Geräte zu transportieren, Sir, bedarf es größerer Wagen.« »Und die braucht man auch für den Abtransport der Beute, Parker, wenn ich nur an die Spirituosen und Konserven denke. Also, suchen wir nach geeigneten Last- oder Lieferwagen, wie?« »Darauf sollte man sich in der Tat konzentrieren, Sir. Wobei ich hinzufügen möchte, daß diese Transportwagen ungemein geschickt getarnt sein müssen.« »Getarnt? Woran denken Sie?« »Sie müssen sich meiner bescheidenen Ansicht nach in das übliche Straßenbild völlig unauffällig einfügen.« »Mir schwirrt da ein anderer Gedanke durch den Kopf, Parker. Wir vermuten, daß sich in den Riesenrobotern kleinwüchsige Menschen befinden könnten. Warum eigentlich? In solch einem zweieinhalb Meter großen Roboter kann sich ja durchaus auch ein großwüchsiger Bursche befinden, oder?« »Ein Hinweis, Sir, den man ebenfalls in Betracht ziehen sollte«, räumte Parker ein. »Ich möchte meiner ehrlichen Befürchtung Ausdruck verleihen, daß dieser spezielle Fall nicht leicht zu lösen sein wird, falls die Besitzer der Riesenroboter keine gravierenden Fehler begehen.« »Rechnen Sie mit einem Fehler, Parker?« »Ich fürchte, Sir, diese Frage verneinen zu müssen«, lautete Parkers Antwort. »Die bisherige Arbeit der Roboter deutet auf fast schon generalstabsmäßige Planung hin.
Vielleicht sollte man jetzt ein wenig auf den Zufall setzen.« * Er hieß nicht umsonst »WindhundCatby«. Lester Catby hatte einen fast schon anormal schmalen Kopf, der an den eines Windhunds erinnerte. Er mochte etwa knapp fünfzig Jahre alt sein und machte einen durchaus seriösen Eindruck. Er war der Besitzer einer kleinen, aber ausgezeichnet eingerichteten Werkstatt in Southwark, jenseits der Themse. Lester Catby trug einen Overall und wischte sich seine langgliedrigen Hände an einem Putzlappen ab, als Agatha Simpson zusammen mit Kathy Porter erschien. »Madam?« fragte er höflich und lächelte neutral. »Sie sind mir empfohlen worden«, schickte die Detektivin voraus. »Man hat mir gesagt, daß Sie eine Art Restaurator sind, Mr. Catby.« »Naja, ich bringe altes mechanisches Zeug wieder in Gang«, untertrieb Catby. »Von wem sind Sie mir empfohlen worden, wenn man fragen darf?« »Sagen Ihnen die Namen Bellow und Norwich etwas?« »Doch, allerdings.« Catby lächelte nicht mehr. »Diese beiden Leute haben Ihnen den falschen Tip gegeben.« »Das ist Lady Simpson«, schaltete Kathy sich ein. »Ich bin Kathy Porter, die Sekretärin Myladys.« »Lady Simpson? Lady Simpson! Diesen Namen habe ich mit Sicherheit schon gehört.« »Ich besitze einige alte Schlösser«, meinte Agatha Simpson leichthin und ablenkend. »Meine Waffensammlung
möchte ich wieder in Ordnung bringen lassen, verstehen Sie? Alte Stein- und Radschloßpistolen. Wäre das etwas für Sie?« »Und ausgerechnet Bellow und Norwich haben Ihnen meinen Namen genannt, Mylady? Wie sind Sie denn an die geraten?« »Unter Umständen, die für die beiden Herren nicht gerade erfreulich waren«, antwortete die ältere Dame und lächelte wohlwollend. »Machen wir uns nichts vor, Mr. Catby: Ich weiß, daß Sie früher mal hin und wieder für gewisse Leute gearbeitet haben.« »Das ist lange her, Mylady. Ich bin sauber bis auf die Knochen, wenn Sie das meinen? Ich verdiene mein Geld nur noch mit ehrlicher Arbeit.« »Um unter anderem auch Mr. Paul Kilburn bezahlen zu können, nicht wahr?« »Sie ... sind sehr gut informiert.« »Bellow und Norwich ebenfalls, Mr. Catby. Und diese beiden Individuen werden schon bald hier erscheinen, aber bestimmt nicht allein. Sie werden Ihnen ein paar Fragen stellen, denke ich.« »Mit diesen Leuten will ich nichts mehr zu tun haben, Mylady. Ich arbeite jetzt nur noch für Museen und Privatsammler. Ich kann mich vor Aufträgen kaum noch retten.« »Wie hübsch für Sie, junger Mann! Und Mr. Kilburn hilft Ihnen dabei?« »Der Mann ist einmalig, wenn er betrunken ist«, gab Catby zurück. »Er macht die technischen Zeichnungen für Nachbildungen oder verlangte Miniaturausführungen. Das schafft er aus dem Handgelenk. Ich glaube, er fühlt sich bei mir ganz wohl.«
»Diese beiden Individuen namens Bellow und Norwich werden dieses Idyll stören, junger Mann«, redete Agatha Simpson weiter. »Sie haben nämlich einen konkreten Verdacht, was Sie betrifft.« »Verdacht, Mylady? Ich verstehe nicht, worauf Sie hinaus wollen.« »Genügt Ihnen das Wort >Roboter<, Mr. Catby?« »Roboter!?« Catby schluckte und schaute dann zu Boden. »Was ... Ah... Was soll ich mir darunter vorstellen?« Er hatte seinen Satz noch nicht ganz beendet, als sich im Hintergrund eine Tür öffnete. Das heißt, sie wurde nicht gerade regulär aufgedrückt, sondern sie flog fast aus dem Eisenrahmen. Herein marschierte ein Roboter, der fast schon vogelähnliche, fröhliche Pieptöne von sich gab und direkt auf Lady Simpson zuhielt. Was die Detektivin nicht sonderlich schätzte, wie man ihr deutlich ansah. * Der Roboter stammte offensichtlich von einem anderen Planeten. Er bestand ganz aus Metall, hatte einen kastenförmigen, kompakten Körper, keinen Hals, dafür aber ein fast menschenähnliches Gesicht mit Augen, die an die eines Insekts erinnerten. Auf dem Kopf befand sich eine kurze Antenne, die hin und her schwankte. Der massige Körper dieses Maschinenmenschen stand auf zwei Beinen, die an altmodische Ofenrohre erinnerten. Der Roboter watschelte übrigens wie eine überfettete Ente und schnarrte.
»Was soll das, Mr. Catby?« fragte Agatha Simpson grollend. »Rufen Sie dieses verrückte Ding sofort wieder zurück!« Sie wich unwillkürlich zurück, doch der Pompadour an ihrem linken Handgelenk geriet in leichte Schwingungen. Kathy Porter sah sich verstohlen nach einer geeigneten Waffe um. Sie entschied sich blitzschnell für ein starkes Stück Eisenrohr, das etwa einen Meter lang war. »Was sagen Sie zu Ernie, Lester?« ertönte von der Tür her eine leicht angetrunkene Stimme. »Ernie läuft wie geschmiert. Sagen Sie ihm, was er tun soll!« »Pfeifen Sie dieses Monster sofort zurück«, herrschte Lady Agatha den weißhaarigen, älteren Mann an, der in der Tür stand und sich seine runde, altmodische Brille zurechtrückte. »Paul, rufen Sie ihn sofort zurück«, forderte nun auch Lester Catby und drehte sich zu dem Weißhaarigen um, der etwa sechzig Jahre oder sogar noch älter sein mochte. »Wieso denn? Ernie gehorcht aufs Wort und ist brav wie ein Schulkind«, erwiderte der Mann, der Paul Kilburn sein mußte. »Erzählen Sie mir nichts von Schulkindern«, grollte die ältere Dame und wich Ernie aus, der sie fast erreicht hatte und interessiert aus seinen Facettenaugen musterte. »Ruf ihn endlich zurück«, wiederholte Lester Catby noch mal, diesmal lauter, »verdammt, das Ding spielt doch verrückt!« Die Bemerkung war nicht übertrieben. Ernie schien in Spiellaune geraten zu sein.
Er wurde etwas schneller und machte sich daran, Lady Agatha zu verfolgen. Dabei streckte er seine linke Hand nach ihr aus, eine Hand, die wie die eines gepanzerten Ritters aussah. Doch das war es nicht allein: Nein, aus den Fingerspitzen sprühten feine Wasserstrahlen und landeten in Myladys Nacken. Das war zuviel für sie... Agatha Simpson wurde ärgerlich. Sie blieb stehen und ließ ihren Pompadour auf Ernie donnern. Der Roboter schwankte leicht, als er den »Glücksbringer« der älteren Dame voll einstecken mußte. Dann rappelte Ernie sich jedoch wieder auf, riß sich zusammen und breitete beide Arme aus, um Lady Agatha an seine Brust zu nehmen. Die Detektivin schlug erneut zu. Es war ein Schlag, der sich gewaschen hatte. Ernie piepte jedoch fröhlich weiter, verbeugte sich vor Lady Agatha und ließ »sich nicht von seinem Vorhaben abbringen, die ältere Dame in seine Arme zu schließen. Kathy Porter holte mit dem Eisenrohr aus und wollte es auf den Hinterkopf des Roboters schlagen. Ernie schien das jedoch vorausgeahnt zu haben. Er glitt schwungvoll zur Seite und widmete sich der Gesellschafterin der älteren Dame. »Kilburn, sind Sie wahnsinnig!?« Lester Catby brüllte dies förmlich in seine Richtung, »holen Sie Ernie zurück!« Ernie schien sich inzwischen in Kathy Porter verliebt zu haben. Sie hingegen hielt überhaupt nichts von der Liebeswerbung des Roboters und kühlte ihn mit dem bewußten Eisenrohr ab. Die Funken stoben förmlich nach dem ersten Treffer. Ernie wackelte, piepte
nicht mehr, torkelte ziellos herum und spurtete dann durch die Werkstatt, als gelte es, irgendwelche Rekorde zu brechen. Er jagte auf Lady Simpson zu, die sich hinter einem Amboß in Sicherheit brachte. Als sie mit ihrem Pompadour in Ernies Kreuz schlagen wollte, war der Roboter schon weiter und scheuchte den Besitzer der mechanischen Werkstatt quer durch den Raum. Als Catby sich auf die Querstäbe eines Regals geflüchtet hatte, konzentrierte Ernie sich wieder auf Kathy Porter, die mit dem Eisenrohr in der Hand gespannt wartete. Ernie sah jedoch nur sie, nicht hingegen das Eisenrohr. Er breitete wieder sehnsüchtig die Arme aus und ließ die Finger knacken. Er kurvte elegant herum, nahm dann die Richtung auf und lief wie auf Rollschuhen auf Kathy zu. Agatha Simpson staunte. Ernie hob jetzt elegant das linke Bein und erinnerte, in dieser Haltung fast an Charlie Chaplin in einem seiner Stummfilme. Doch dicht vor Kathy setzte er das angehobene Bein wieder auf den' glatten Zementboden und strahlte das Ziel seiner Liebeswerbung an. Die Facettenaugen wechselte in schneller Folge die Farben, bis sie rubinrot aufglühten. Lady Agatha hatte ihren Pompadour auf die Luftreise geschickt. Der perlenbestickte Handbeutel zischte durch die Luft und landete auf dem Hinterkopf des Roboters. Gleichzeitig langte Kathy Porter mit dem Eisenrohr zu. Daraufhin war Ernie beleidigt. Er blieb jäh stehen, wandte Kathy Porter den Rücken zu und watschelte
zur Eisentür zurück, in der noch immer Paul Kilburn stand. Er hielt einen kleinen Kasten in den Händen, aus dem einige Hebel ragten. Mit zwei spitzen Fingern bediente Kilburn diese Hebel, und Kathy Porter hatte den Eindruck, daß der Konstrukteur des Roboters die Herrschaft über seine Schöpfung völlig verloren hatte. Ernie schien inzwischen sogar verärgert zu sein. Er hatte sich Kilburn aufs Korn genommen und traf Anstalten, den alten Mann zu rammen oder gar zu würgen. Auch der Konstrukteur schien inzwischen diesen Eindruck gewonnen zu haben. Er warf den länglichen Kasten, der an eine Zigarrenkiste erinnerte, Ernie an den Kopf und ergriff die Flucht. Ernie piepte und watschelte hinter seinem Schöpfer her, der noch versuchte, die Eisentür hinter sich ins Schloß zu werfen. Es gelang ihm nicht. Ernie hatte seine linke Hand zwischen Tür und Rahmen geschoben, worauf die schwere Tür wieder weit zurückschwang. Dann piepte Ernie noch mal, bevor er seinerseits die Tür hinter sich schloß. Übrigens recht höflich und leise, was eigentlich erstaunlich war. »Gütiger Himmel«, schnaubte Lady Simpson und nahm den Pompadour entgegen, den Kathy Porter ihr reichte. »Sie wissen also nicht, was ein Roboter ist, Catby?« »Ich ... Sie müssen wissen... Also, das ist so ...« »Sie stottern bemerkenswert«, fuhr Lady Agatha ihn gereizt an. »Um ein Haar hätte mich dieses Monster erdrückt.« »Kilburn muß verrückt geworden sein«, sagte Catby. Er wollte noch zu-
sätzlich etwas sagen, doch in diesem Augenblick schien er hinter Lady Simpson und Kathy Porter etwas Ungewöhnliches gesehen zu haben. Er hob nämlich beide Arme in die Luft und wurde bleich wie eine frisch gekalkte Wand. »Was soll dieser Unsinn?« raunzte Lady Agatha. »Hi... Hinter Ihnen, Mylady«, sagte Catby mit heiserer Stimme. »Be... Besuch!« , Lady Agatha wandte sich um, was Kathy Porter bereits getan hatte. Sie sah drei handfest aussehende Männer in Höhe der Eingangstür. Diese Männer hielten Handfeuerwaffen in den Händen und hatten die Läufe dieser Geräte auf Lady Agatha Simpson, Kathy Porter und Catby gerichtet. Lady folgte dem Beispiel ihrer Gesellschafterin und hob ebenfalls die Arme. Daß sie es mit Profis zu tun hatten, war ihr sofort klar. Die drei jungen Männer warteten offensichtlich nur darauf, endlich schießen zu können. * Sie hatten die Peripherie der Millionenstadt längst hinter sich gebracht, befanden sich im Stadtteil Cricklewood und sahen sich plötzlich einem Riesenaufgebot von Robotern gegenüber. Bevor Mike Rander seiner Verwunderung Ausdruck verleihen konnte, hatte Josuah Parker bereits den Wagen gebremst, fuhr an den Straßenrand heran und nahm die Maschinenmenschen ins Blickfeld.
Es mochten etwa zwei Dutzend Roboter sein, die sich auf dem Gehweg tummelten und piepsende Töne von sich gaben. Sie watschelten oder rollten über die Steinplatten und ließen ihre Augen glühen. Sie trugen in ihren klauenförmigen Händen Waffen der verschiedensten Art. Da waren sehr irdisch aussehende Maschinenpistolen, da gab es auch Konstruktionen, wie man sie nur in Science-Fiction-Filmen zu sehen bekommt, sogenannte Laser- oder Strahlenpistolen, die teilweise bereits Funken versprühten. Diese zwei Dutzend Roboter hielten sich in unmittelbarer Nähe einer Bankfiliale auf und bewegten sich mit einer Ungeniertheit, die wirklich nur als verblüffend zu bezeichnen war. »Und weit und breit keine Polizei«, sagte Anwalt Rander. Er schüttelte den Kopf und lächelte. »Wenn Sie darauf bestehen, Sir, werde ich mir erlauben, McWarden sofort zu verständigen.« »Keine schlechte Idee, Parker.« Rander öffnete die Wagentür und stieg aus. Er ging forsch auf die Roboter zu, während der Butler in höflichgemessenem Abstand folgte. Er hatte den Griff seines UniversalRegenschirms über den Unken angewinkelten Unterarm gelegt und betrachtete die Roboter mit Interesse. Sie schienen ein wenig in Unordnung geraten zu sein. Sie kurvten, watschelten und rollten umeinander herum, stießen sich an, behinderten sich gegenseitig und sehnten sich eindeutig nach einer ordnenden Hand.
Es war übrigens recht erstaunlich, wie die Passanten auf die Roboter reagierten. Entweder gingen sie weiter, als sei von diesen Maschinenwesen weit und breit nichts zu sehen, oder aber sie schauten sie nur kurz an, um sich dann achselzuckend abzuwenden. Sensationell oder gar furchterregend sahen die Roboter allerdings auch nicht aus. Sie waren etwa fünfundzwanzig Zentimeter groß und bestanden aus bunt bemaltem Blech. Betrieben wurden sie wohl von Batterien, die sich zum Teil bereits ein wenig erschöpft hatten. Einige dieser Roboter waren langsamer geworden und zeigten lahme Bewegungen. Der Herr und Meister dieser kleinen Roboter stand neben seinem primitiven Verkaufsstand und pries mit heiserer Stimme seine technischen Wunderwerke an. Sie waren relativ billig, aber immer noch zu teuer, um sie wie am Fließband verkaufen zu können. Hinzu kam wohl auch noch das bedeckte Wetter und der aufkommende Nieselregen. »Wann werden Sie die Bank überfallen?« erkundigte sich Mike Rander bei dem Straßenhändler. Der Mann war etwa fünfunddreißig Jahre alt, hager und sah ein wenig verdrossen aus. »Verdammt gute Idee, Sir«, antwortete er und rang sich ein Lächeln ab. »Wenn's so weitergeht, lasse ich die Roboter einmarschieren.« »Woher stammen denn diese prächtigen Burschen?« fragte der Anwalt. »Nach Hongkong sehen sie nicht gerade aus.« »Die werden hier in Birmingham gebaut«, antwortete der Verkäufer. »Aber die Dinger sind kaum an den
Mann zu bringen. Sie sehen ja selbst! Kann man wenigstens mit Ihnen ein Geschäft machen?« »Selbstverständlich. Es gibt da verschiedene Ausführungen?« »Ich habe ferngesteuerte Roboter und welche mit eingebautem Programm.« »Von jeder Sorte zwei«, meinte Rander. »Packen Sie mir gleich die Batterien dazu.« »Von mir aus können Sie hier bleiben.« Der eben noch mißmutige Verkäufer strahlte plötzlich. »Zwei Ferngesteuerte?« »Unbedingt. Und wie funktionieren sie?« »Wie diese fernlenkbaren Spielzeugautos, Sir. Sie hängen an 'nem Steuerdraht.« »Gibt es überdies auch Ausführungen, die man per Funkfernsteuerung bedienen kann?« schaltete sich der Butler ein. »Die gibt's, Sir«, sagte der Straßenverkäufer eifrig, »aber die habe ich erst gar nicht übernommen. Viel zu teuer für den Straßenverkauf. Aber wenn Sie unbedingt scharf drauf sind, könnte ich die Ihnen besorgen und ins Haus bringen.« »Ich schlage vor, Sie nennen mir die Adresse der betreffenden Firma, und ich werde mir erlauben, Ihnen die zustehende Provision zu zahlen«, entgegnete Josuah Parker. »Sollte gerade meine Glückssträhne angebrochen sein?« Der Verkäufer war nicht mehr fähig, noch intensiver zu strahlen. »Die Adresse der Firma können Sie gern haben. Groß ist der Laden zwar nicht, aber was die da bauen, ist schon Spitze. Nur eben zu teuer.«
Während er die gewünschten Roboter mit neuen Batterien versorgte und sie dann sorgfältig einpackte, zählte Mike Rander den Kaufpreis ab und wartete, bis der Verkäufer ihm noch die Adresse der Spielzeugfirma in Birmingham aufschrieb. Mike Rander ließ sich nicht lumpen. Zu dem Gesamtpreis überreichte er dem Verkäufer noch ein zusätzliches Trinkgeld. »Ich glaube, ich muß jetzt erst mal einen heben«, sagte der überglückliche Mann. »Was ich noch sagen wollte, Gentlemen, diese funkgesteuerten Robos sind Spitze, wirklich!« »Diese Spielzeugfirma vertreibt ihre Roboter nur an Straßenhändler?« wollte der Anwalt wissen. »Das hier sind eigentlich Restbestände«, räumte der Mann ein. »Die Robos haben sie inzwischen abgesetzt, wie gesagt, die sind einfach zu teuer. Ich glaube, die haben sich inzwischen auf Enten geworfen und auf Hasen. Na, vielleicht laufen die besser als die Robos.« Josuah Parker übernahm das Paket, das der Straßenverkäufer aus den einzelnen Kartons zusammengesetzt hatte, und trug es zu seinem Wagen zurück. Er wartete, bis Mike Rander kam. »Was meinen Sie, Parker?« wollte der Anwalt wissen, als sie weiterfuhren. »Technisch recht interessante Kleinstroboter, Sir.« »Solche Konstruktionen entwirft man nicht mit der linken Hand, wie?« »Keineswegs, Sir.« Parker deutete eine Verbeugung an. »Ich möchte mir erlauben, Ihrem geplanten Vorschlag bereits jetzt schon zuzustimmen. Ein
Besuch dieser Firma würde sich wahrscheinlich lohnen.« »Und Mylady wird begeistert sein, wenn wir ihr die Robos präsentieren«, fügte Mike Rander hinzu. »Ich finde, unsere Ausfahrt hat sich gelohnt.« »Dem, Sir, wäre nichts hinzuzufügen«, gab Butler Parker zurück. »Wenn ich vorschlagen darf, so sollte man Mr. McWarden vorerst nichts von dieser interessanten Firma sagen.« »Wir werden uns hüten, Parker. Diesen Tip werten wir erst mal für uns allein aus.« * »Was soll das?« raunzte die ältere Dame die drei jungen Männer an und nahm wie selbstverständlich die Arme herunter. »Sehen Sie nicht, daß Sie es mit einer wehrlosen Frau zu tun haben?« »Mylady ist herzkrank«, behauptete Kathy Porter besorgt. »Und wir sind nervös«, sagte der Wortführer der drei Männer. »Eine falsche Bewegung, und schon gehen die Dinger hier los.« »Was ... Was wollen Sie?« mischte sich Lester Catby ein. »Hier bei mir ist kaum ein Penny zu holen. Das müßten Sie doch eigentlich längst gesehen haben.« »Schnauze«, sagte der Wortführer,, der einen etwas ratlosen Eindruck machte. »Wir sind nich' scharf auf Kohlen, Catby, wir sin' scharf auf dich, klar?« »Auf mich?« Lester Catby schüttelte vorsichtig den Kopf, um die drei Männer nicht zu provozieren. »Wer ist scharf auf mich?«
»Alte Freunde«, sagte der Wortführer und blickte dabei wieder nervös auf Lady Simpson und Kathy Porter. Es sah so aus, als sei er im Moment überfordert. Die Anwesenheit der beiden Frauen in der Werkstatt irritierte ihn. Er wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Agatha Simpson stand natürlich längst voll unter Dampf. Es paßte ihr überhaupt nicht, in eine passive Rolle gedrängt zu werden. Zudem wurde sie automatisch aggressiv, wenn man sie bedrohte. Kathy Porter beobachtete die Entwicklung mit einiger Sorge. »Natürlich alte Freunde«, schaltete sich die ältere Dame auch prompt ein. »Denken Sie doch an Bellow und Norwich, Mr. Catby!« »Bellow und Norwich?« Der junge Wortführer warf Lady Agatha einen schnellen Blick zu. »Woher kennen denn Sie diese Namen?« fragte er dann scharf. »Ich kenne noch ganz andere Namen«, antwortete Agatha Simpson nicht weniger scharf. »Und dann will ich wissen, wie lange ich hier noch herumstehen soll? Rufen Sie gefälligst Ihren Auftraggeber an und erkundigen Sie sich, wie Sie sich verhalten sollen. Sie sind ja das fleischgewordene Bild der Ratlosigkeit.« Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Der Wortführer bekam einen deutlich roten Kopf, aber er traute sich nicht, etwas auf eigene Faust zu unternehmen. Es zeigte sich, daß Lady Simpson mit der Nennung der Namen Bellow und Norwich für innere Unruhe bei ihm gesorgt hatte. »Geh rüber ins Büro und ruf an«, forderte der Wortführer einen seiner
beiden Begleiter auf. »Sag, daß hier noch 'ne Lady Simpson und 'ne zweite Frau sind! Frag, ob wir sie mitnehmen sollen! Los, nun hau schon ab!« Der Angesprochene nickte und machte einen weiten Bogen um die Lady, um zur hinteren Eisentür zu gelangen. Instinktiv schien er zu ahnen, daß man solch einer Frau nicht zu nahe kommen durfte. Er erreichte die Eisentür, drückte sie auf und verschwand. Die beiden zurückbleibenden Männer hatten seinen Weg verfolgt und behielten dabei eigentlich nur Lester Catby im Auge. Von den beiden so unterschiedlich aussehenden Frauen erwarteten sie keinen Angriff, was man ihnen auch nicht verdenken konnte. Immerhin hatten sie Schußwaffen in Händen und fühlten sich automatisch überlegen, da sie halt Männer waren. Eine Sekunde später mußten sie ihre Überheblichkeit bitter bezahlen. Lady Simpson war zur Tat geschritten. Und sie besorgte das gründlich und energisch. Einer der beiden zurückbleibenden Männer sah plötzlich einen dunklen Gegenstand knapp vor seinen Augen erscheinen, wollte sich herumwerfen und Die Schusswaffe hochreißen, doch er schaffte es nicht mehr. Der Pompadour hatte inzwischen sein Ziel gefunden und war auf der Nase des Mannes gelandet. Sie wurde seitlich weggeknickt und legte sich elegisch auf die linke Wange ihres Besitzers. Das ging natürlich nicht ohne einige anatomische Veränderungen ab, die mit einigem Ungemach verbunden waren. Der Getroffene heulte auf wie
ein Kojote bei Vollmond und verlor augenblicklich jedes Interesse an seinem Auftrag. Er ließ die Schußwaffe fallen, verbeugte sich tief und tastete unwillkürlich nach seiner Nase. Der Wortführer der drei jungen Männer war blitzschnell wie eine zustoßende Schlange herumgefahren und wollte in Richtung Lady Agatha schießen. Es blieb bei seiner Absicht. Kathy Porter hatte sich eingeschaltet und warf ihm eine Schaufel voll Kohle entgegen. In ihrem Eifer hatte sie wohl übersehen, daß diese Kohle aus Catbys Schmiedeesse stammte, also zum Teil noch recht ansehnliche Hitzegrade aufwies. Kurz, der Wortführer fühlte sich punktförmig geröstet und brüllte auf. Auch er ließ seine Waffe fallen und machte sich daran, seine glimmende Kleidung abzuklopfen und zu löschen. Der Mann jagte los und hüpfte durch die Werkstatt wie ein überdimensional großer Floh. Dabei geriet er dummerweise in die Nähe der Lady, die auf solch einen Moment geradezu gewartet hatte. Agatha Simpson langte nachdrücklich zu, benutzte diesmal nur ihre rechte Hand und verabreichte dem Wortführer eine Maulschelle. Der Mann, der gerade zu einem neuen Sprung angesetzt hatte, wurde in dem Moment getroffen, als seine Fuße sich etwa zehn Zentimeter über dem Boden befanden. Die Ohrfeige wirbelte ihn herum und zwang ihn zu einem halben Salto. Die Landung mißlang wie sich zeigte. Er klatschte auf sein Steißbein und blieb danach stöhnend hegen.
Kathy Porter hatte inzwischen die beiden Schußwaffen aufgehoben und wartete auf die Rückkehr des dritten Mannes, der diesen Lärm unbedingt gehört haben mußte. Er erschien auch tatsächlich auf der Bildfläche, doch er bot ein Bild des Jammers. Er war ohne Waffe und sah mitgenommen aus. Er zwängte sich durch den Spalt der von ihm aufgedrückten Tür, sah sich entsetzt um und rannte kommentarlos hinüber zum Eingang der Werkstatt. Hinter ihm erschien der Roboter, dessen Facettenaugen rubinrot funkelten. Ernie, wie er hieß, machte einen ergrimmten Eindruck und rollte wie auf Schienen hinter ihm her. In seiner rechten Hand hielt Ernie eine Eisenstange, die er drohend schwang. Der junge Schläger stolperte über einen Werkzeugkasten, landete auf dem Bauch, warf sich herum und starrte dann mit entsetzten Augen auf den Roboter, der sich anschickte, mit der Eisenstange auf ihn einzudreschen. Die Lage für den Gangster wurde gefährlich. »Schluß jetzt«, herrschte Agatha Simpson den Roboter an. »Sofort Schluß damit!« Ernie wandte sich ruckartig zu Lady Agatha um und musterte sie mit seinen unheimlich glühenden Augen. Für einen Moment sah es so aus, als wolle er blindlings mit der Eisenstange zuschlagen, doch dann senkte er langsam seinen Arm und ließ sie zu Boden fallen, wo sie klirrend landete. »Das wollte ich mir aber auch ausgebeten haben«, meinte die ältere Dame und nickte zufrieden. »Und Sie, Catby, was stehen Sie noch herum? Sorgen Sie gefälligst dafür, daß diese Lümmel
verschnürt werden! Muß ich denn wieder mal alles allein machen!?« * »Der Roboter reagierte auf Ihre Stimme, Mylady?« fragte Mike Rander etwa eine Stunde später überrascht. »Unsinn, mein Junge!« Sie schüttelte den Kopf. »Ernies Meister hatte sich angesprochen gefühlt und den Roboter ausgeschaltet. Aber mal abgesehen davon, damit dürfte der Fall gelöst sein, oder sind Sie etwa anderer Meinung?« »Demnach haben Catby und Kilburn ein Geständnis abgelegt, Mylady?« . »Natürlich nicht, Mike. Sie können ja nicht immer alles sofort und gleich haben.« »Sie kamen übrigens nicht wegen Mylady«, schaltete sich Kathy Porter ein. »Sie wurden von zwei Bossen geschickt. Sagen Ihnen die Namen Watlon und Pannard etwas, Mr. Parker?« »In der Tat, Miß Porter«, bestätigte Josuah Parker. »Sie gehören zum Kreis jener Personen, die in dem Geschäftsbericht genannt werden, der in meinen bescheidenen Besitz geriet.« »Natürlich kamen sie auch wegen mir«, schaltete sich die Detektivin ein. Sie konnte es nicht ertragen, daß die drei jungen Schläger per Zufall an sie geraten sein sollten. »Man veranstaltet doch wieder eine Art Treibjagd auf mich.« »Und wo, wenn man fragen darf, Miß Porter, befinden die drei Herren sich augenblicklich?« Butler Parker
sah seine Meisterschülerin sehr zufrieden an. »Ich habe sie zu den drei Männern gegeben, die noch in der Fallgrube stecken«, antwortete Kathy Porter und lächelte verschmitzt. »Geben wir uns doch nicht mit diesen Randfiguren ab«, bat Lady Agatha ärgerlich. »Niemals abschweifen, Kathy, merken Sie sich das! Es geht um die Riesenroboter... Und ich bleibe dabei, daß sie von Catby gebaut und von Kilburn konstruiert werden.« »Und wo stecken die?« wollte Mike Rander wissen. »Sie... Sie besaßen die Frechheit, einfach die Flucht zu ergreifen«, ärgerte sich Agatha Simpson nachträglich. »Was meine Schuld war«, warf Kathy Porter ein. »Papperlapapp, Kindchen, es war meine Schuld allein«, bekannte die ältere Dame überraschend. »Gut, Sie waren ein wenig unachtsam, das möchte ich nicht bestreiten, aber die Hauptschuld trifft mich allein. Oder fast.« »Was ist denn passiert?« Rander schmunzelte. »Als Kathy die drei Männer in meinen Rover packte, wurde ich von Ernie abgelenkt«, berichtete Lady Simpson. »Dieses Blechmonster watschelte plötzlich auf mich los und bedrohte mich erneut. Catby und Kilburn nutzten die Gelegenheit, um blitzschnell zu verschwinden. Übrigens, wenn Kathy mir eine Waffe zurückgelassen hätte, wäre das natürlich nie passiert.«
»Existiert dieser Ernie noch, Mylady?« fragte Mike Rander. »Nicht mehr direkt«, entgegnete die Detektivin und ihre Augen funkelten. »Ich brachte ihn mit einem Stück Eisenrohr zur Ordnung. Er sieht jetzt nicht mehr so aus wie vorher.« »Wenn es gestattet ist, Mylady, würde ich mir die Überreste dieses Roboters gern mal ansehen«, warf Butler Parker ein. »Die Konstruktion läßt vielleicht gewisse Rückschlüsse zu.« »Rückschlüsse brauchen nicht mehr gezogen zu werden«, grollte die Lady. »Ich sagte doch laut und deutlich, daß der Fall bereits gelöst ist. Catby und Kilburn haben diese Riesenroboter konstruiert und gebaut. Jetzt geht es nur noch darum, die beiden Männer zu fassen, aber das überlasse ich Ihnen, Mr. Parker. Details dieser Art interessieren mich nicht. Wann werden Sie mir Catby und Kilburn bringen?« »Mylady dürfen versichert sein, daß meine Wenigkeit sich um Schnelligkeit bemühen wird«, antwortete der Butler höflich. »Wenn Mylady sich inzwischen jene Roboter ansehen wollen, die Mr. Rander mitgebracht hat?« »Wie war das? Roboter? Mehrere!?« Lady Agatha war irritiert. »Zwei Dutzend müssen es insgesamt gewesen sein«, bestätigte der Anwalt sehr ernst und trocken. »Mr. Parker und ich haben aber nur vier davon mitgebracht als Muster. Wenn Sie einverstanden sind, Mylady, werden wir sie Ihnen sofort, vorführen!« Es geschah wirklich nicht oft, doch jetzt rang Lady Agatha sichtlich nach Luft.
* Die Fallgrube hatte sich gefüllt. Zu den drei Gangstern Bellow, Norwich und deren Fahrer Kevin hatten sich inzwischen die drei jungen Scharfmacher aus Catbys Werkstatt gesellt. Es war nicht gerade eng in dieser gut ausgepolsterten Fallgrube unterhalb des Windfangs geworden, doch viel Platz stand den sechs Männern nicht, gerade zur Verfügung. »Ihr habt euch von der Lady und dieser kleinen Porter hereinlegen lassen?« wunderte sich Bellow aufgebracht. »Wie ihr auch«, antwortete der Wortführer der drei jungen Gangster ruppig. »Kommen Sie mir nur nicht mit Vorwürfen, Bellow!« »Halten Sie den Mund«, mischte sich Norwich wütend ein und sah den jungen Gangster gereizt an. »Sind Sie scharf darauf, daß ich Watlon und Pannard erzähle, wie Sie sich hier aufgeführt haben?« »Von mir aus, Norwich.« Der Wortführer zuckte die Achseln. »Aber bevor Sie denen was sagen, werde ich denen was erzählen: Warum hat man uns nicht gesagt, auf wen man uns gehetzt hat? Diese verrückte Lady und ihre Gesellschafterin sind ja schlimmer als die Polizei!« »Und ihr müßt naiver gewesen sein als blutige Anfänger«, warf Bellow anzüglich ein. »Wir haben uns euch nur angepaßt«, gab der Wortführer wütend zurück. »Freiwillig sitzt ihr ja auch nicht gerade hier in der Falle, oder?«Die sechs Männer weiteten diese Unterhaltung zu einem echten Streitgespräch aus und schonten sich nicht. Sie wurden beleidigend, warfen sich
Schimpfwörter an den Kopf und gingen anschließend zu Handgreiflichkeiten über, wobei Bellow und Norwich verständlicherweise recht viel einstecken mußten. Im Faustkampf waren sie nicht besonders gut, wie sich zeigte. Sie trugen einige Schwellungen davon, die an besonders ausgeprägte Frostbeulen erinnerten. Norwich meldete sich nach einer längeren Kampfpause vorsichtig zu Wort und betastete seine leicht aufgeplatzte Oberlippe. Er sprach zwar undeutlich, doch das, was er sagte, klang einleuchtend. »Wir müssen hier raus«, stellte er fest. »Sollen wir uns die Tür da drüben nicht noch mal vornehmen?« Er wies auf die fast fugenlos dicht im Rahmen steckende Tür und ging etwas hinkend hinüber. Er drückte mit den Fingerspitzen gegen sie und ... fuhr dann überrascht zurück. Seine Überraschung war verständlich. Die Tür, die bisher so fest verschlossen war wie ein Banktresor, schwang plötzlich elegant, lautlos und wie auf Gleitrollen auf. »Verdammt«, sagte der Wortführer der drei jungen Gangster. »Das is' 'ne Wucht«, wunderte sich Fahrer Kevin und schob sich vorsichtig an diese Tür heran. »Wieso is' die plötzlich auf?« »Nichts wie raus«, sagte der Wortführer drängend. »Stop!« warnte Bellow. »Das kann ein Trick sein.« »Wenn schon!« Fahrer Kevin hatte es satt, weiter in der Fallgrube zu bleiben. »Irgendwas wird schon passieren.«
»Aber was?« fragte Bellow mißtrauisch. Er war jetzt an der Tür und sah in einen recht schmalen, ausbetonierten Gang, der sich in der Dunkelheit verlor. »Das merken wir dann, wenn's passiert ist«, drängte Kevin weiter. »Ich hau' ab. Ihr könnt ja wegen mir hier bleiben.« Er riskierte es tatsächlich, tat zögernd den ersten Schritt, prüfte mit dem linken Fuß die Festigkeit des Betonbodens, zog den rechten Fuß nach, hüpfte leicht auf und wandte sich dann triumphierend zu den übrigen Partnern in der Fallgrube um. »Kein doppelter Boden«, sagte er. »Die Sache haut hin. Ich gehe weiter.« Er hatte sein Feuerzeug hervorgeholt, schaltete es ein und entdeckte weit hinten am Ende des schmalen Gangs eine weitere Tür, die nur halb geschlossen war. Kevin hatte jetzt keine Bedenken mehr. Was sollte noch passieren? Er hatte es eilig, die andere Tür zu erreichen. Seine Partner folgten zögernd, dann .immer nachdrücklicher. Auch sie witterten inzwischen Morgenluft und Freiheit. Sie blieben dicht beieinander und merkten nicht, daß die Tür zur Fallgrube sich hinter ihnen lautlos schloß. Erst als ein saugendes Zischen zu hören war, fuhr Bellow herum. Er bekam gerade noch andeutungsweise mit, wie die schwere Tür sich endgültig in den Rahmen fügte. Er rannte zurück, schlug und trat verzweifelt gegen sie, doch sie rührte sich natürlich nicht. Kevin hatte das Schließen dieser Tür nur beiläufig zur Kenntnis genommen und bereits die andere erreicht. Er riß sie erwartungsvoll auf und blickte sich dann strahlend zu sei-
nen Begleitern um. Vor ihm war eine Treppe, die ins Erdgeschoß des Hauses führte. Treppen, die hinaufführten, waren seiner Ansicht nach immer gut. Kevin betrat die erste Stufe, stieg nach oben, knipste erneut das Feuerzeug an und erkannte am Treppenende eine dritte Tür. Durch sie gelangte man mit Sicherheit ins Haus. Dann waren sie endlich an der Reihe, sich mit dieser Lady, ihrem Butler und dieser Kathy Porter zu befassen. Kevin malte sich bereits aus, was er mit den Leuten anfing. Es waren keine schönen Bilder, die er da zeichnete und farbig ausschmückte. Sein Optimismus steckte an. Man folgte ihm und ging dicht hintereinander, um den Anschluß nicht zu verlieren. In ein paar Minuten waren sie wieder die Herren der Situation und konnten endlich das tun, was sie wollten. Was nicht wenig war! Es waren Eisenstufen, die hinaufführten, doch darauf achteten die Gangster nicht. Sie übersahen völlig, daß die Stufen eine verteufelte Ähnlichkeit mit denen einer Rolltreppe hatten. Sie hasteten eilig nach oben, und Kevin hatte bereits die letzte Tür erreicht. Er drehte den Knauf, der sich auch bewegen ließ, doch leider war die Tür verschlossen. »Hat einer von euch 'nen Haken da?« fragte er ungeduldig. »Ein Stück Draht oder auch 'n Pfeifenreiniger tun's auch.« Sie suchten nach einem geeigneten Gegenstand, den Kevin als Dietrich umfunktionieren konnte. Der Fahrer der beiden Gangsterbosse wartete ungeduldig.
»Moment mal, was war das!?« fragte er dann mit scharfer Stimme. »Is’ da nicht gerade 'ne Tür ins Schloß gefallen?« »Stimmt«, kam die Antwort von Norwich, der den Schluß der Gruppe bildete. Er sagte es leidenschaftslos, fast ergeben. »Die Tür hinter uns ist zugeklappt.« »Was ... Was hat das zu bedeuten?« fragte Bellow nervös. »Das hat doch was zu bedeuten, oder?« Die Antwort wurde von der Treppe mit den recht seltsamen Stufen gegeben. Sie setzte sich nämlich plötzlich in Bewegung und verwandelte sich in eine Rolltreppe, die sich nach unten bewegte. Die sechs Gangster gerieten in einige Unordnung und kamen völlig aus dem seelischen und körperlichen Gleichgewicht. Die sich absenkenden Stufen nahmen sie mit nach unten und lösten eine kleine Panik aus. Mit solch einem Überraschungseffekt hatten die sechs Männer wirklich nicht gerechnet. Sie brüllten durcheinander, behinderten sich gegenseitig, rutschten übereinander und brauchten einige Sekunden, bis sie sich auf die neue Situation eingestellt hatten. Dann begriffen sie und ... stiegen notgedrungen wieder nach oben. Ununterbrochen. Und sie hatten keine Ahnung, wann diese improvisierte Bergwanderung eingestellt würde... * »Ich war zufällig in der Nähe und wollte mal kurz vorbeischauen«, behauptete der Chief-Superintendent und verbeugte sich grüßend in Richtung Lady Simpson, die gerade ihren
Mokka nahm. Sie hatte ein leichtes Essen zu sich genommen, das aus einigen Scheiben Roastbeef mit Remouladensauce, einigen Bratwürstchen, etwas Rührei mit Schinken, kaltem Huhn und einigen Stückchen Käse bestand. Mylady achtete wieder mal streng auf Diät, oder was sie darunter verstand. »Was haben Sie auf dem Herzen, McWarden?« erkundigte sich Lady Agatha erstaunlich wohlwollend. »Möchten Sie einen Schluck Mokka?« »Äh, wie?« McWarden war überrascht, als ihm dieses Angebot gemacht wurde. Normalerweise wurde ihm solch eine Gnade nicht zuteil. Er wurde daher auch prompt mißtrauisch, als er dennoch nickte. »Da ich schon mal hier bin, möchte ich Sie über eine Verhaftung informieren«, sagte McWarden, als Parker ihm den Mokka servierte. »Aufgrund eines anonymen Anrufs konnten draußen in der Nähe von Luton vier Männer verhaftet werden.« »Sensationell, lieber McWarden«, spöttelte die ältere Dame genußvoll. »Sie werden von Tag zu Tag immer erfolgreicher.« »Sie standen auf der Plattform eines Aussichtsturms und waren völlig durchnäßt«, redete McWarden weiter. »So etwas muß natürlich verhaftet werden«, sagte Lady Agatha. »Warum ließen sich die vier Männer vom Regen einweichen?« »Sie konnten die Plattform nicht verlassen«, erklärte McWarden und warf dem Butler einen prüfenden Blick zu. »Sie waren mit Handschellen aneinander gefesselt und noch zusätzlich ans Geländer angeschlossen worden.«
»Darf man unterstellen, Sir, daß die vier erwähnten Herren irgendwelche Angaben zu ihrer Situation machten?« schaltete sich Josuah Parker ein. »Sie schwiegen sich aus wie das Grab«, meinte McWarden. »Aber ich mache mir da so meine Gedanken, Mr. Parker.« »Darf man partizipieren, Sir?« »Übrigens, waren Mr. Rander und Sie nicht in der Nähe von Luton? Ich meine, so am Vormittag?« »In der Tat, Sir! Ich darf daran erinnern, daß Mr. Rander sich per Autotelefon mit Ihnen unterhielt.« »Sie haben die vier Männer festgenommen, McWarden«, erinnerte Lady Agatha, »schweifen Sie nicht vom Thema ab! Warum haben Sie denn diese Regenfreunde festgenommen? Da muß doch ein Grund sein.« »Richtig, Mylady! Sie wurden polizeilich gesucht und zwar wegen kleinerer Delikte wie Körperverletzung, Erpressung, Diebstahl und Nötigung. Der zuständige Richter hat Haftbefehl gegen sie erlassen.« »Demnach können Sie diesem anonymen Anrufer ja direkt dankbar sein, McWarden«, stellte Agatha Simpson fest. »Ja und nein, Mylady!« McWarden trank seine Mokkatasse leer. »Ich wüßte nur zu gern, was die vier Kerle draußen bei Luton suchten und von wem sie auf die Plattform gestellt wurden. Sie, Mr. Parker, können mir da keinen privaten Wink geben?« »Dazu müßte man vielleicht erst mal wissen, ob die erwähnten Männer einer Organisation angehören und wie sie heißen?«
»Ich glaube, sie arbeiteten für einen gewissen Steeple«, sagte der ChiefSuperintendent. »Aber dieser Name sagt Ihnen wohl nichts, oder?« »Im Augenblick muß ich meinem Bedauern Ausdruck verleihen«, antwortete der Butler gemessen. »Steeple gehört zu den Männern, die in Huntslays Privatclub überfallen wurden, wie sie behaupten. Er befand sich dort mit Männern wie Bellow, Norwich, Watlon und Pannard, von anderen Namen ganz zu schweigen.« »Wollen Sie mich mit diesen Namen erschlagen, McWarden?« entrüstete sich Agatha Simpson. »Was sind das für Individuen?« »Gangsterbosse, Mylady, denen wir leider nicht nachweisen konnten, daß sie Gangsterbosse sind und illegales Geld machen.« . »Und jetzt können Sie es?« »Ja, überraschenderweise!« McWarden rang sich ein Lächeln ab. »Erstaunlicherweise ist Mr. Parkers Vermutung eingetroffen. Sie erinnern sich vielleicht, Mylady? Er sagte, die vermißten Geschäftsunterlagen würden vielleicht schon bald auf meinem Schreibtisch landen. Und sie sind tatsächlich eingetroffen. Anonym, natürlich, aber das brauche ich ja wohl nicht besonders zu betonen.« »Sie müssen Helfer im Verborgenen haben, die Sie schätzen, McWarden«, stichelte die ältere Dame. »Sie können sich glücklich schätzen, meine ich.« »Dank dieses Geschäftsberichts kann ich gegen diese Gangsterbosse jetzt gezielt vorgehen«, sagte McWarden und nickte. »Und vielleicht stoße ich dabei auch auf einen Mann, der die Roboter für sich
arbeiten läßt. Wie denken Sie übrigens darüber, Mr. Parker?« »Der Mensch ist, um es mal vorsichtig auszudrücken, Sir, ein hoffendes Wesen.« »Wer weiß, vielleicht erhalte ich bald wieder einen anonymen Anruf«, redete McWarden weiter. »Es gibt der Möglichkeiten viele, Sir.« Parkers Gesicht blieb ausdruckslos. »Sie sind ein Heuchler«, warf Agatha Simpson gespielt grollend ein. »Ich möchte wetten, daß Sie bereits sehr viel wissen, mir aber wieder mal alles unterschlagen, was die Roboter betrifft.« »Schade, Mylady, daß es nicht so ist.« McWarden hob bedauernd die Schultern. »Wir sichten noch immer alle einschlägigen großen und kleinen Firmen, die in der Lage sind, solche Roboter zu bauen. Ich kann Ihnen auch offen sagen, daß unsere V-Leute innerhalb der Unterwelt nicht die Spur einer Ahnung haben. Ich nehme fast an, daß die Roboter wirklich vom Himmel gefallen sind!« »Sie pflegen wieder mal Ihre seltsame Art von Humor, McWarden«, meinte Lady Simpson. » Ich spüre es förmlich, daß Sie mich hintergehen. Sie wissen mehr, als Sie hier sagen wollen.« »Ich weiß zum Beispiel nicht, wo Miß Porter und Mr. Rander sind«, korrigierte McWarden listig. »Ich komme nämlich von der Anwaltskanzlei Mr. Randers. Dort hat mir niemand geöffnet.« »Versteht sich, McWarden. Kathy und Mr. Rander sehen sich London an. Sie ahnen ja nicht, welch einen Nachholbedarf Mr. Rander hat.
Während seiner Abwesenheit hat sich viel verändert. So ist zum Beispiel die hiesige Polizei schlechter geworden, wie oft behauptet wird.« McWarden bekam prompt einen roten Kopf, ärgerte sich wieder mal und hatte es jetzt eilig, das altehrwürdige Haus in Shepherd's Market zu verlassen. Er machte dabei einen fast beleidigten Eindruck. * Kathy Porter und Mike Rander sahen sich London natürlich nicht an. Sie hatten Birmingham erreicht und waren während der Fahrt aufmerksam und vorsichtig gewesen. Sie trauten einem gewissen Chief-Superintendent McWarden nicht über den Weg. Es lag durchaus im Bereich der Möglichkeit, daß McWarden sie hatte beobachten lassen. Inzwischen waren sie so gut wie sicher, daß sie mögliche Verfolger in die falsche Richtung gelockt hatten. Mike Rander war es auf ein paar vertrackte Umwege nicht angekommen. Er wollte die Spielzeugwarenfirma ungestört besichtigen. Butler Parker und Lady Simpson waren absichtlich in London geblieben. Natürlich hätte die Detektivin sich liebend gern diese Spielzeugwarenfabrik angesehen, doch McWarden mußte abgelenkt werden. Seine Aufmerksamkeit richtete der Chief-Superintendent mit Sicherheit auf den Butler und die Lady. Blieben sie in London, so nahm McWarden an, daß sie in der Themse-
Metropole nach den Besitzern der Riesenroboter fahnden würden ... Mike Rander fand die kleine Fabrik in der Nähe des Viehmarkts. Sie war in einer ehemaligen Konservenfabrik untergebracht und machte einen seriösen und finanzkräftigen Eindruck. Sie gehörte einem gewissen Desmond Yardley, bei dem Mike Rander und Kathy Porter sich anmelden ließen. Man bat sie in einen Warteraum, der geschmackvoll eingerichtet war. Es gab hier tiefe und bequeme Sessel, und vor allen Dingen eine lange Glasvitrine, die mit Musterstücken der Spielzeugwarenfabrikation gefüllt waren. Von Robotern war nichts zu sehen, dafür aber mechanisches Spielzeug aller Art. Die von dem Straßenhändler erwähnten Enten und Hasen waren vertreten, aber auch Autos, Lastwagen, Baukräne, drehbare Feuerwehrleitern, Puppen und schließlich sogar Flugzeugmodelle. Die einzelnen Muster waren mit großer Präzision gefertigt und sahen nicht aus wie billige Massenware. Kleine Schilder wiesen darauf hin, daß das Spielzeug fast durchweg per Fernsteuerung zu bedienen war. Entweder erfolgte diese Steuerung per Leitdraht oder aber über Funk. Andere Modelle wieder konnten per Infrarotstrahlen oder Ultraschall dirigiert werden. »Sehr aufwendig«, sagte Mike Rander zu Kathy Porter. »Die Konstrukteure haben sich da einiges einfallen lassen. Billig können die Modelle nicht sein.« »Sie sind es auch nicht«, schaltete sich von der Tür her eine Stimme ein. Mike Rander wandte sich um und sah
sich einem etwa vierzigjährigen Mann gegenüber, der freundlich und rundlich aussah. Er konzentrierte sich sofort auf Kathy Porter und stellte sich als Desmond Yardley vor. »Miß Porter«, übernahm Mike Rander seinerseits die Vorstellung, »ich bin Mike Rander, Mr. Yardley.« »Wie gefallen Ihnen die Modelle?« fragte Yardley. »Wir setzen Qualität gegen Billigstware aus dem Osten.« »Wir kommen im Auftrag Lady Simpsons«, sagte der Anwalt. »Mylady interessiert sich für Ihre Produktion.« »Müßte ich Lady Simpson kennen?« fragte Yardley lächelnd. »Es würde sich lohnen.« Rander lächelte ebenfalls. »Lady Simpson ist, drücken wir es so aus, recht vermögend und läßt ihr Kapital in einigen Unternehmungen arbeiten. Dazu gehören auch Warenhausketten.« »Hört sich ja ausgezeichnet an«, antwortete Yardley. »Lady Simpson möchte einige Artikel übernehmen?« -»Vor allen Dingen Roboter«, meinte der Anwalt lakonisch. »Sie haben ihr ungemein gut gefallen.« »Ausgerechnet Roboter?« wunderte sich Yardley. »Wir besitzen einige aus Ihrer Produktion«, redete Mike Rander weiter. »Roboter sind >in<, aber das brauche ich Ihnen ja erst gar nicht zu sagen, nicht wahr?« »Sind sie es tatsächlich?« Yardley machte plötzlich einen recht unglücklichen Eindruck. »Wir hatten nicht diesen Eindruck, Sir. Offengestanden, wir haben die Produktion eingestellt und die Restbestände geradezu verschleudert.«
»An Straßenhändler, zum Beispiel.« Rander nickte. »Auch an Straßenhändler«, bestätigte Yardley. »Wie wäre es denn mit Planierraupen, ferngesteuert selbstverständlich. Oder vielleicht mit unseren Armeelastwagen? Sie sind umrüstbar und können in fahrbare Raketenbatterien verwandelt werden. Diese Raketen sind selbstverständlich zu verschießen und verfügen über eine erstaunliche Reichweite. Sie detonieren nach dem Aufschlag. Sehr effektvoll.« »Mylady schätzt kein militärisches Spielzeug, gleich welcher Größe«, warf Kathy Porter ein. »Haben Sie vielleicht hübsche fliegende Untertassen mit Robotern?« »Im Moment nicht, Miß Porter. Aber fliegende Untertassen lassen sich ohne weiteres fertigen.« »Wie lange würden Ihre Konstrukteure dazu brauchen? Ich nehme an, Sie haben ein entsprechendes Konstruktionsbüro, oder?« »UFO's ... Nicht schlecht«, murmelte Yardley und machte einen leicht geistesabwesenden Eindruck. »Sie würden natürlich nicht fliegen können, das ist technisch in dieser Größe kaum machbar, aber man könnte sie ja durchaus an dünnen Klaviersaiten... Oder ob man vielleicht das Rotationsprinzip ... Sehr interessant, sehr interessant! Eine echte Herausforderung für mich.« Er schien die beiden Besucher vergessen zu haben und wanderte murmelnd durch den Raum. »Sie selbst sind der Konstrukteur, vermute ich.« Rander hatte Yardley
geschickt den Weg abgeschnitten und am Weiterwandern gehindert. »Wie, bitte? Ja, natürlich, Mr. Rander. Wie groß stellen Sie sich diese fliegenden Untertassen denn vor?« »Sie müßten Vätern wie Kindern gefallen und echt aussehen«, meinte Rander lächelnd. »Sie müßten aber auch einiges aushalten. Haben Sie was dagegen, wenn wir uns Ihre Konstruktionsabteilung mal ansehen?« »Überhaupt nicht, Mr. Rander! Wenn Sie mir folgen würden?« Mike Rander und Kathy Porter begleiteten den Firmenbesitzer über Treppen und Korridore. Als Yardley dann die Tür zur Konstruktionsabteilung aufdrückte, blieben Rander und Kathy Forster beeindruckt stehen. Vor ihnen befand sich ein Roboter, der seine zwei Meter groß sein mochte. Er glich genau jenen technischen Monstern, die versucht hatten, Lady Simpson und Mike Rander zu belästigen. Die Ähnlichkeit war frappierend. »Da kann man ja direkt Angst bekommen«, sagte Kathy, nachdem sie sich von ihrer Überraschung erholt hatte. »Sagen Sie, Mr. Yardley, er wird doch nicht gleich losmarschieren, oder?« »Nein, nein, Miß Porter.« Yardley maß den Roboter mit einem gleichgültigen Blick und klopfte dann mit seinem linken Fingerknöchel gegen die Außenhaut. »Er ist leer und hohl. Das ist nur eine Attrappe.« »Wollten Sie etwa solch große Roboter bauen?« fragte Mike Rander.
»Aber nur als Attrappen, um den Verkauf zu fördern. Sie sollten in den Spielwarenabteilungen besonders großer Geschäfte aufgestellt werden, aber sie waren einfach zu teuer. Bis auf diesen Roboter sind alle anderen Modelle auf dem Schrott gelandet.« »Sie haben mehrere davon gebaut?« vergewisserte sich Kathy Porter. »Ein Dutzend vielleicht.« Yardley zuckte die Achseln. »Ich war ja gleich dagegen, aber Brainford konnte mich schließlich doch dazu überreden. Gut, daß ich es abgelehnt habe, diese Roboter mit Mechanik bauen zu lassen. Sie hätten mich wahrscheinlich ein Vermögen gekostet.« * Sie machten einen leicht abgespannten Eindruck. Die sechs Gangster stiegen noch immer die Rolltreppe hinauf und waren nicht mehr sicher auf den Beinen. Sie hatten inzwischen den Eindruck gewonnen, daß die Treppe schneller geworden sei. Sie mußten die Stufen nehmen, ob sie es wollten oder nicht. Begingen sie einen Fehler, gab es wieder Ärger mit den übrigen Partnern. Dann erfolgte ein wildes Durcheinander, dann rutschten und stolperten Sie übereinander, fanden sich tief unten am Beginn der Treppe wieder und hätten Mühe, wieder auf die Beine zu kommen. Es waren vor allen Dingen die beiden Gangsterbosse Bellow und Norwich, die Konditionsschwächen zeigten. Sie hatten solch einen anstrengenden Sport schon seit langer Zeit nicht mehr ausgeübt und keuchten wie altgediente Lokomotiven. Ihr
Fahrer Kevin und die drei anderen Gangster spürten zwar auch eine gewisse Müdigkeit, doch sie nahmen die Stufen wesentlich leichter als ihre Bosse. »Ich halte das nicht mehr lange durch«, stöhnte Bellow. »Ich breche gleich zusammen«, verkündete Norwich. »Weiter, weiter«, drängte Kevin wütend und stieg wieder nach oben, das heißt, er sorgte durch das Treppensteigen dafür, daß er zumindest die mal erreichte Höhe hielt, während die Stufen unter seinen Füßen sich nach unten bewegten. »Dafür bring' ich die Alte persönlich um«, schwor Bellow und wischte sich mit dem linken Ärmel seines Jacketts' dicke Schweißperlen von der Stirn. »Ich schneid' die in Streifen«, verhieß Norwich und kickste entsetzt auf, als die Stufen unter seinen Schuhen noch schneller wurden. »Wahnsinnig, was?« brüllte Kevin, der selbstverständlich schneller laufen mußte. »Die Lady hört das doch! Hört bloß auf mit den blöden Drohungen!« »Das möchte ich mir allerdings auch ausgebeten haben«, war in diesem Augenblick die barsche Stimme der energischen Dame zu hören. Sie sprach über einen versteckt angebrachten Lautsprecher mit den Rolltreppenbezwingern. »Es geht noch schneller.« Die sechs Gangster merkten das sehr bald. Sie trabten jetzt auf der Stelle, aber stets optisch bergan. Sie wurden hart gefordert, bis die Rolltreppe dann ohne Vorwarnung Ihren Betrieb einstellte. Bellow und Norwich ließen sich wie nasse Säcke niederrutschen und warte-
ten hoffnungsvoll auf die Stimme der älteren Dame. Sie ließ nicht lange auf sich warten. »Ich denke, Sie haben sich jetzt gründlich ausgearbeitet«, stellte Agatha Simpson fest. »Glauben Sie nur ja nicht, daß ich Sie unter Druck setzen will, aber ich würde gern von Ihnen hören, wo ich Catby und Kilburn finde. Sie werden ja ungefähr wissen, wo sie sich versteckt haben.« »Kilburn hat in Feltham, unterhalb vom Airport, mal 'ne kleine Wohnung bei seiner Schwester gehabt. Die genaue' Adresse kenn' ich nicht, ehrlich. Ich kann's beschwören; ich kenne die Adresse wirklich nicht!« »Hören Sie auf mit diesem scheußlichen Jammern«, raunzte Lady Agatha über den Lautsprecher. »Wie heißt die Schwester?« »Auch Kilburn. Sie ist unverheiratet. Sie, ja, jetzt fällt's mir wieder genau ein, sie hat da in Feltham ein Schreibwarengeschäft. Das ist die heilige Wahrheit.« »Nun, man wird sehen. Mr. Parker wird Ihnen jetzt eine kleine Erfrischung reichen«, sagte Lady Simpson ein wenig versöhnlicher. »Aber falls Sie befürchten, der Fruchtsaft könnte vergiftet sein, brauchen Sie das Getränk natürlich nicht anzurühren!« Die obere Tür öffnete sich spaltbreit, und Parkers Arm und Hand waren zu sehen. Die Hand stellte eine große Karaffe auf die oberste Stufe, offensichtlich Orangensaft mit vielen kleinen, erfrischend aussehenden Eisstückchen. *
»Was halten Sie von Yardley, Kathy?« erkundigte sich Mike Rander, als sie wieder im Wagen saßen. Sie hatten sich natürlich Brainfords Adresse geben lassen und wollten ihn umgehend aufsuchen. »Schwer zu sagen, Mike.« Sie schüttelte irritiert den Kopf. »Finden Sie nicht auch, daß er im Grund genau der Mann sein könnte, den wir suchen?« »Stimmt.« Rander nickte. »Da sind diese Riesen-Roboter, die er hat bauen lassen. Da ist dieses Mustermodell im Vorraum. Da sind die technischen Möglichkeiten, die er zweifelsfrei hat, um steuerbare Roboter herzustellen.« »Würde er allerdings solch ein Muster frei herumstehen lassen?« »Warum eigentlich nicht, Kathy? Ein besseres Alibi kann er sich doch gar nicht schaffen. Zudem wissen seine Mitarbeiter genau, daß in seinem Betrieb solche Attrappen gebaut wurden. Er könnte sie also gar nicht unterschlagen.« »Mr. Yardley macht eigentlich einen netten Eindruck, Mike.« »Nur in Filmen sehen Gangster böse aus«, antwortete Rander und lächelte. »In meinen Augen ist Yardley ein besessener Konstrukteur. Haben Sie mitbekommen, wie er geistig wegtrat, als wir von UFO's sprachen? Dieses Problem hat ihn sofort fasziniert. Die finanzielle Seite war für ihn überhaupt nicht wichtig.« »Man sollte sich vielleicht erkundigen, wie er finanziell steht, Mike.« »Gute Idee! Das bringt mich auf eine weitere: Yardley hat uns die eigentliche Produktion seiner Spielwaren gar nicht gezeigt.« »Er hat sogar so etwas wie von Werksferien gesagt«, erinnerte Kathy
Porter. »Wo könnte man Auskünfte über ihn bekommen? Die Banken werden natürlich kein Wort sagen, glaube ich.« »Die Banken ganz sicher nicht, Kathy, aber gewiß die Leute drüben in der Teestube.« Mike Rander hielt den Wagen an, den er für die Ausfahrt gemietet hatte. Es handelte sich um einen alten Daimler, der ein würdevolles Flair verbreitete, und automatisch positive Rückschlüsse auf den Fahrer auslöste. Mike Rander und Kathy Porter betraten die kleine Teestube, bestellten sich Gebäck und Tee, und der Anwalt zahlte der Serviererin ein anständiges Trinkgeld. »Das hier muß doch eine wahre Goldgrube sein«, sagte er beiläufig und deutete dann hinüber zur Straßenecke, hinter der die Spielzeugwarenfabrik lag. »Ich meine, wenn da drüben gerade keine Werksferien sind:« »Werksferien?« Die Serviererin, eine stämmige Frau von etwa fünfundvierzig Jahren, verzog fast angewidert ihr Gesicht. »Pleite ist der Laden! Keiner weiß das besser als ich. Jahrelang habe ich da gearbeitet, am Fließband, verstehen Sie? Und dann hat Desmond Yardley die Firma übernommen und nur zwei Jahre gebraucht, bis sie vor ein paar Monaten endgültig schließen mußte.« »Väter und Söhne«, meinte Rander lächelnd. »Der Juniorchef hat's wohl nicht in den Fingerspitzen gehabt, wie?« »Der? Ein Spinner ist das, entschuldigen Sie! Ein richtiger Spinner! In einigen Wochen will er wieder aufmachen und neue Modelle
auf den Markt bringen. Aber wer's glaubt, wird selig, Sir.« »Tut mir leid für Sie«, redete Mike Rander weiter. »Arbeitet dort niemand mehr?« schaltete sich Kathy Porter mitfühlend ein. »Doch, das schon, so etwa zwei Dutzend Leute. Die basteln an neuen Spielzeugmodellen, aber das wird nichts! Ich werde auf keinen Fall mehr drüben anfangen. Hier weiß ich wenigstens, was ich habe.« Sie ging, und Mike Rander und Kathy Porter tauschten einen Blick des Einverständnisses. »Nun, was habe ich gesagt?« fragte Mike Rander dann lächelnd. »Teestuben geben die besten Auskünfte. Das hat sich auch während meiner Abwesenheit nicht geändert, Kathy.« »Damit dürfte Yardley ganz oben auf unserer Liste stehen, Mike, oder?« »Und ob, Kathy! Ich glaube, wir sollten uns die Fabrik mal in aller Ruhe ansehen. Was halten Sie davon?« »Ein nächtlicher Besuch?« »Machen Sie mit?« »Nur zu gern.« Kathy lächelte. »Und wollen wir Mr. Parker und Lady Simpson verständigen?« »Das will gründlich überlegt werden.« Er schmunzelte., »Sie kennen doch Lady Agatha. Sie würde mitmachen wollen, und was dann passiert, kann man sich leicht ausrechnen. Besuchen wir erst mal diesen Lome Brainford.« »Immerhin stammt die Idee, RiesenRoboter zu bauen, von ihm«, fiel Kathy Porter Mike Rander ins Wort.
»Sagt Yardley«, schränkte Mike Rander ein. »Kann ein Ablenkungsmanöver sein.« »Oder eine Falle?« »Natürlich! Daran habe ich ja überhaupt nicht gedacht.« Mike Rander nickte dankbar. »Lassen wir uns überraschen, Kathy. Vielleicht spielen wir bereits mit dem Feuer - und wissen es noch gar nicht!« * »Darf ich anregen, Mylady, getrennt zu marschieren, um eine bekannte Weisheit der Kriegstaktik zu erwähnen? Man könnte dann unter Umständen vereint schlagen.« Parkers hochbeiniges Monstrum hatte den Stadtteil Feltham erreicht. Bis zum Schreibwarengeschäft der Schwester Kilburns war es nicht mehr weit. »Und wie haben Sie sich das vorgestellt?« wollte die ältere Dame wissen. Sie war mißtrauisch wie immer. »Mylady könnten offiziell den Kontakt mit Mr. Kilburns Schwester aufnehmen«, sagte der Butler. »Meine bescheidene Wenigkeit würde sich zur Rückfront des Hauses begeben. Falls Mr. Kilburn die Flucht ergreifen möchte, könnte man ihn nachhaltig daran hindern.« »Gut, einverstanden.« Lady Agatha nickte. »Von Frau zu Frau kann man sich wahrscheinlich besser unterhalten.« Sie stieg aus dem Wagen und setzte sich in Bewegung. Sie machte den Eindruck eines Bulldozers, den man in Aktion brachte. Der Pompadour an ihrem linken Handgelenk war in leichte Pendelbewegung geraten.
Josuah Parker fuhr mit seinem hochbeinigen Monstrum um den Häuserblock und ließ seinen Privatwagen in einer Parallelstraße stehen. Dann stieg auch er aus und begab sich auf seinen Posten. Die Häuserzeile, in der das Schreibwarengeschäft sich befand, war zu dieser schmalen Straße hin durch viele Anbauten und eine durchgehende Ziegelmauer begrenzt. Butler Parker baute sich in einer Mauernische auf und harrte der Dinge, "die da kommen mußten. Seiner Einschätzung nach befand sich Lady Simpson inzwischen im Schreibwarengeschäft. Falls Kilburn und Catby dort Zuflucht gesucht hatten, würden sie wahrscheinlich bald in dieser schmalen Straße erscheinen. Die Zeit verstrich. Parkers Gesicht zeigte zwar keine Regung, doch er sorgte sich inzwischen. Sein Gefühl sagte ihm, daß er seiner Herrin wohl ungewollt den falschen Part zugewiesen hatte. Er wurde immer unruhiger und entschloß sich, das Grundstück hinter dem Schreibwarenladen ungebeten zu betreten. Es gab dort in der Mauer eine schmale Tür, die mit verrostetem Eisenblech benagelt war. Das Schloß war von einfacher Bauart und gab schon nach wenigen Sekunden erleichtert auf. Parker hatte sein kleines Spezialbesteck benutzt und aufgesperrt. Er drückte die Tür vorsichtig auf und schaute in einen Hinterhof, in dem es einen Anbau gab, dessen Fenster stark vergittert waren. Josuah Parker war für einen Moment erleichtert. Aus dem Haupthaus war kein irregulärer Lärm zu vernehmen.
Demnach schien Lady Simpson noch nicht gereizt worden zu sein... Er hatte sich zu früh gefreut! Plötzlich zersplitterte eine Fensterscheibe, im Erdgeschoß. Die Splitter landeten mitsamt einem Karteikasten auf dem gepflasterten Boden des Hinterhofs. Lady Agatha schien nun doch in Wallung gebracht worden zu sein. Parker hielt es für seine Pflicht, schlichtend in Erscheinung zu treten. Er schritt zur Hintertür, drückte sie vorsichtig auf und hielt den Türknauf noch in der rechten, schwarz behandschuhten Hand, als er hinter sich ein scharrendes Geräusch hörte. Es sprach Bände, und Butler Parker war einsichtig genug, vorerst nichts zu unternehmen. Er blieb ruhig stehen. »Ich beuge mich Ihren Argumenten«, sagte er dann höflich und gemessen. »Bestehen Sie darauf, daß ich nun die Hände hochnehme?« * »Zum Teufel mit Ihrer sogenannten Taktik«, fauchte die ältere Dame den Butler an. »Das hat man nun davon, wenn man auf Ihre Ratschläge hört!« »Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit untröstlich.« »Ich begreife nicht, wie ein Mann wie Sie sich so ohne weiteres hereinlegen läßt«, mokierte sich Lady Agatha. »Sie haben natürlich wieder mal alles verdorben.« »Wie Mylady wünschen.« Parker ließ sich nicht aus seiner sprichwörtlichen Ruhe bringen. Er hätte liebend gern noch höflich seine schwarze Melone gelüftet, doch da man ihm die Hände auf den Rücken
gebunden hatte, mußte dieser Akt der Höflichkeit unterbleiben. , Agatha Simpson war natürlich ebenfalls gefesselt worden. Sie saß grimmig auf einem Stuhl und musterte dann Catby und Kilburn, die sich ebenfalls in dem kleinen Lagerraum befanden. Sie waren noch intensiver verschnürt worden als Lady Simpson und Parker. Darüber hinaus hatten sie einige Blessuren davongetragen. Derbe Fäuste schienen sie bearbeitet zu haben. In ihren Gesichtern waren Schwellungen und kleine Hautrisse zu sehen. Catby und Kilburn machten einen niedergeschlagenen Eindruck, seelisch gesehen. Sie stierten zu Boden und schienen Lady Simpsons und Parkers Anwesenheit kaum wahrgenommen zu haben. »Darf man höflich fragen, Mylady, was sich ereignet hat?« erkundigte sich der Butler bei seiner Herrin. »Sie warteten bereits auf mich«, grollte sie. »Sie standen im Hinterzimmer und benahmen sich wie Flegel.« »Mylady sprechen keineswegs von den Herren Catby und Kilburn?« »Natürlich nicht, Mr. Parker.« Sie sah ihn gereizt an. »Ich rede von zwei Gangstern. Sie bedrohten mich mit Maschinenpistolen.« »Mylady dürfen versichert sein, daß ich dies ungemein bedaure.« »Papperlapapp, Mr. Parker! Lassen Sie sich endlich etwas einfallen! Ich habe keine Lust, meine Zeit zu vertrödeln.« »Mylady können hoffen«, versprach Josuah Parker. Er saß auf dem sauberen, frisch gewachsten Boden und befaßte sich bereits mit seiner Befreiung.
Auf dem Rücken zusammengebundene Hände bedeuteten für ihn keineswegs eine Aufgabe. Er verfügte immerhin über Schuhabsätze, die es im wahrsten Sinn des Wortes in sich hatten. So ließen sich zum Beispiel die Absätze wegdrehen, wenn man den Trick kannte, um die Sperre zu lösen. Die Innenkante solch eines zurückgedrehten Absatzes war nichts anderes als eine ungemein scharfe Feile, die nicht nur Hanfstricke zu durchschneiden wußte. Auch Stahldraht hatte da keine Chance. In den beiden ausgehöhlten Absätzen befanden sich darüber hinaus Kleinstwaffen, die aber sehr wirkungsvoll waren. Butler Parker liebte das Präparieren von scheinbar harmlosen und alltäglichen Gegenständen. In der Vergangenheit hatte sich diese Ausrüstung schon mehr als einmal hilfreich einsetzen lassen. Agatha Simpson musterte die einfachen Holzregale, die mit Schreibwaren und Büroartikeln aller Art ausgerüstet waren. Dann blickte sie Catby und Kilburn verärgert an. »Nun reißen Sie sich mal zusammen«, herrschte sie die beiden Männer an. »Seit wann befinden Sie sich in der Hand dieser Lümmel?« »Seit gut einer Stunde«, erwiderte Kilburn leise. »Und sie werden uns fertigmachen.« »Schnickschnack, junger Mann!« Sie lachte ein wenig zu munter auf. »Wer könnte diese Subjekte geschickt haben?« »Wahrscheinlich Pete Clement«, warf Catby müde ein. »Und der ist scharf wie ein Rasiermesser.« »Gehört er zu den Leuten, für die Sie mal gearbeitet haben, Catby?«
»Das liegt aber lange zurück.« Catby nickte' andeutungsweise. »Auf einen Mord mehr oder weniger kommt es ihm nicht an.« »Und wonach fragten seine Leute?« Myladys Anspielung auf die Schwellungen und Hautrisse war deutlich genug. »Nach Robotern«, meldete Kilburn sich zu Wort. »Er glaubt, daß wir Roboter gebaut haben.« »Woher wußte er, daß Sie hier sind?« »Das geht auf mein Konto«, antwortete Kilburn leise. »Hier hab ich früher mal gewohnt, als ich noch für die Organisation arbeitete. Ich hatte das glatt vergessen.« »Sie Kamel«, stellte Agatha Simpson sachkundig fest. »Haben Sie nun die Roboter gebaut, die in der Gegend herumlaufen und Kassen leeren?« »Natürlich nicht, Mylady«, antwortete Kilburn. »Ich habe nur Ernie gebaut, sonst nichts.« »Und wozu sollte dieses Monster dienen?« »Als Muster«, lautete die verblüffend naive und einfache Antwort. »Wir wollten damit ins Geschäft kommen.« »Roboter für Reklamezwecke«, fügte Catby hinzu. »Wir haben sogar einen Vorvertrag mit einer Waschmittelfirma.« »Wiederholen Sie das noch mal«, forderte die Detektivin ihn auf. Sie machte einen leicht enttäuschten Eindruck, denn sie glaubte, daß sowohl Catby als auch Kilburn die Wahrheit sagten. »Wir haben einen Vorvertrag«, wiederholte Catby. »Aber wir dürfen die
Sache nicht an die große Glocke hängen, Sie wissen, wegen der Konkurrenz! Darum war ich ja auch so verblüfft, als Sie nach dem Roboter fragten.« »Mr. Parker, soll ich das glauben?« Mylady wandte sich an ihren Butler, der unauffällig an seiner Befreiung gearbeitet hatte. »Durchaus, Mylady«, lautete Parkers Antwort. »Die Herren Kilburn und Catby scheinen mit einiger Sicherheit nicht jene Hintermänner zu sein, die Mylady zu finden wünschen. Wenn es gestattet ist, werde ich mir erlauben, Myladys Fesseln zu lösen. Mit der baldigen Rückkehr der Maschinenpistolenbesitzer dürfte zu rechnen sein.« Er hatte den Satz gerade beendet, als man Schritte vor der Tür zum Lagerraum hörte. Die beiden Gangster kamen zurück. * Josuah Parker mußte blitzschnell handeln. Er hatte es immerhin mit zwei ausgekochten Gangstern zu tun, die keine Rücksicht kannten. Sie würden ohne weiteres ihre Maschinenpistolen einsetzen, falls sie angegriffen wurden. Lady Simpson, Catby und Kilburn saßen genau der Tür gegenüber und boten ein einladendes Ziel. Parker entschied sich für einfache Schultinte. Sie füllte ein großes Vorratsglas, das vorn auf einem Regal stand. Parker entfernte den Stöpsel und holte schwungvoll aus. Als die Tür aufgetreten wurde und die beiden Gangster erschienen, schritt Parker sofort zur Tat, bevor die Ein-
dringlinge sich überhaupt orientieren konnten. Schwungvoll spritzte der Butler ihnen je eine Portion Tinte ins Gesicht und sorgte für eine erste Verwirrung. Sie war vollkommen! Die Gesichter der beiden Männer färbten sich blauschwarz ein. Sie schlossen wie geblendet die Augen und waren derart überrascht, daß sie zu schießen vergaßen. Diese Überraschung baute Josuah Parker sinnvoll weiter aus. Er hielt bereits eine dicke Rolle Silberfolie in seinen schwarz behandschuhten Händen und verabreichte den Gangstern damit einige denkwürdige Schläge. Der erste Gangster verlor seine Maschinenpistole, die krachend auf dem Boden landete. Parker beförderte sie mit gekonntem Fußtritt unter ein Regal. Dann setzte er sich mit dem zweiten Mann auseinander, der automatisch die Augen frei wischen wollte. Dadurch aber rieb er sich die Tinte noch wesentlich intensiver in die Augen. Butler Parker handelte überlegt. Er hielt inzwischen eine Tube Alleskleber in der linken Hand. Der dünne Klebstoff schoß unter dem Druck seiner Finger aus der Tube und vermischte sich mit der Tinte. Das Ergebnis dieser Mischung war frappierend. Der Schnell- und Alleskleber zog in Sekundenbruchteilen zähe Fäden, die die Hände auf dem blauschwarzen Gesicht intensiv festhielten. Der Gangster merkte, daß die Bewegungen seiner Hände erheblich langsamer wurden und geriet in Panik. Er brüllte entsetzt
auf, weil er zudem spürte, daß die Augenlider sich nicht mehr heben ließen. »Nicht reiben«, warnte Parker in gewohnt besorgter und höflicher. Weise. »Es, könnte Ihren Augen schaden. Verhalten Sie sich vollkommen still!« Der Gangster hielt sich an diesem Rat und wurde zu einer Salzsäule, die wimmernde Töne der Angst von sich gab. Parker drückte den Mann mit der Hand zurück und vergaß dabei, seinen Fuß zurückzunehmen. Dadurch geriet der verklebte Gangster leicht ins Stolpern und fiel nach hinten. Josuah Parker war kein Unmensch. Er hatte dieses Ausgleiten blitzschnell berechnet. Der verklebte Gangster landete mit dem Gesäß in einem flachen Karton, in dem sich weitere Allesklebertuben befanden. Unter dem Andruck des Gesäßes platzten einige Tuben unten an der Naht auf und quetschten ihren Inhalt gegen den Stoff der Hose. Butler Parker widmete sich dem anderen Gangster, der sich gerade nach seiner Maschinenpistole bückte. Parker stellte einen Karton mit Schulbüchern auf dem Hinterkopf des Suchenden ab, der sich daraufhin der Länge nach auf dem Fußboden ausstreckte. Parker, der Gefallen an dem erstklassigen Alleskleber gefunden hatte, sammelte einige Großtuben, die vom Regal gefallen waren, auf. Er ging methodisch, korrekt und ohne unnötige Hast vor. Er schraubte die Verschlüsse auf und drückte den Inhalt dieser Tuben auf die Hände des herumtastenden Gangsters, die daraufhin schon bald nicht mehr tasteten, sondern verzweifelt an starken Klebefäden zerrten.
»Wenn Mylady sich einen Moment gedulden würden?« Parker hatte einen anderen Markenartikel entdeckt. Dieser Schnellkleber schien noch besser zu sein als der erste. Er drückte die Tube zielsicher aus, und der Kleber bedeckte die Innenseiten der Schuhe des Gangsters. Parker machte die Probe aufs Exempel. Er schob die beiden Schuhe zusammen, drückte sie kurz gegeneinander und nickte zufrieden. Die Schuhinnenseiten schienen sich magnetisch miteinander zu verbinden, sie klappten förmlich gegeneinander. Und dann ließ der Schnellkleber nicht mehr los. Das Oberleder der Schuhe ging eine höchst innige Verbindung ein. Parker sammelte die beiden Maschinenpistolen ein und machte sie erst mal unbrauchbar. Das erledigte er auf sehr einfache Art und Weise. Er schien sich in diese Schnell- und Alleskleber förmlich verhebt zu haben. Was übrigens stimmte. Insgeheim nahm er sich vor, dieses Gebiet in seinem Labor eingehend zu studieren. Vielleicht ließ sich ein neues Verteidigungsmittel gegen Mitglieder der Unterwelt zusammenstellen. Der Klebstoff tropfte in die Schlösser der Maschinenpistolen und fixierte sie nachdrücklich. Parker legte die Waffen ins Regal und machte sich dann daran, seine Herrin loszubinden. »Es wird aber auch langsam Zeit«, sagte Agatha Simpson, ergrimmt. »Wenn man Sie spielen läßt, sind Sie ja einfach nicht zu halten.« »Waren Mylady mit meinen bescheidenen Maßnahmen
zufrieden?« erkundigte sich der Butler höflich. »Sie haben eben manchmal Glück«, sagte sie gereizt. »Mit meinem Pompadour hätte ich das Problem schneller gelöst. Was machen wir jetzt mit Catby und Kilburn?« »Ob es sich empfiehlt, Mylady, Mr. McWarden einzuschalten?« fragte Butler Parker. »Da er den bewußten Geschäftsbericht zugestellt bekam, könnte das den Komplex abrunden.« »Genau das wollte ich gerade sagen«, erwiderte Lady Agatha. »Werfen wir ihm diese Burschen zum Fraß vor. Sie sind also sicher, daß Catby und Kilburn nicht die gesuchten Hintermänner sind?« »Mehr denn je, Mylady. Ich möchte inzwischen annehmen, daß Miß Porter und Mr. Rander sich auf der wirklich heißen und richtigen Spur befinden.« »Und warum melden sie sich dann nicht? Sobald wir in Shepherd's Market sind, werde ich diese Spielzeugwarenfirma anrufen.« »Dürfte ich anregen, Mylady, sofort nach Birmingham zu fahren?« »Sie befürchten, daß dort etwas passiert ist, Mr. Parker?« »Ich werde es sofort überprüfen, Mylady.« Parker deutete auf die Tür, durch die die beiden Gangster gekommen waren. »Finde ich im Ladenlokal ein Telefon, Mylady?« »Und Kilburns Schwester«, sagte die ältere Dame, die sich mit Neugier und Interesse einer noch unversehrten Schachtel widmete, die mit Klebetuben vollgefüllt war. »Sie sitzt gebunden auf einem Stuhl, aber ihr ist nichts passiert. Während Sie anrufen, Mr. Parker, werde ich diese beiden Gangster sicherheitshalber noch etwas
festkleben. Scheint ja ausgezeichnetes Mittel zu sein!«
ein
* »Da habe ich Ihnen eine schöne Suppe eingebrockt, Kathy«, sagte Mike Rander seufzend. »Wie ein Gimpel bin ich in die Falle gelaufen.« »Und ich sehr freiwillig mit Ihnen, Mike«, tröstete Kathy Porter den Anwalt. »Immerhin wissen wir jetzt, wer der Mann ist, der die Roboter für sich laufen läßt.« »Sehr hübscher Trost, Kathy.« Er lehnte den Kopf zurück gegen die Wand. »Wenn Sie mich vorher nicht gewarnt hätten!? Wir rechneten doch schließlich mit einer Falle.« »Sie war sehr geschickt angelegt, Mike.« Kathy Porter lächelte. »Auch ein Mr. Parker wäre hereingelegt worden.« »Eben nicht, Kathy! Und selbst wenn, er wüßte auf jeden Fall, wie er wieder frei käme!« Mike Randers Ärger war inzwischen einer elegischen Stimmung gewichen. Er schloß die Augen und dachte an die Dinge, die sich ereignet hatten. Zusammen mit Kathy Porter war er zu diesem Lorne Brainford gefahren, der in einem Außenbezirk Birminghams wohnte, genauer gesagt am Rand eines Militärparks für aussortierte Fahrzeuge aller Art. Lorne Brainford, ein Mann von etwa fünfzig Jahren, betrieb in einer schon recht schäbig aussehenden Steinbaracke eine Autowerkstatt und hatte einen soliden und vertrauenerweckenden Eindruck gemacht.
»Woran denken Sie, Mike?« fragte Kathy Porter, die den Anwalt beobachtete. »Daran, wie man sich in Menschen täuschen kann.« »Sie spielen auf Brainford an, nicht wahr?« »Hätten Sie ihm soviel Raffinesse zugetraut, Kathy?« »Eigentlich nicht, Mike. Er wirkt sehr bieder.« »Und hat es faustdick hinter den Ohren, Kathy! Verdammt, in mir steigt wieder der Ärger hoch. Ich hätte Lunte riechen müssen, als er uns so ganz beiläufig eine zweite Roboter-Attrappe zeigen wollte.« »Das gilt auch für mich, aber wer konnte denn schon damit rechnen, daß Yardley ihn verständigt hat. - Hat er das tatsächlich, Mike?« Skepsis lag in Kathy Porters Stimme. »Ist doch anzunehmen, oder? Wieso hätte er sonst so schnell schalten können?« »Schnell war er, das muß man ihm lassen.« Sie gluckste plötzlich vor Lachen. »Sie sahen ziemlich überrascht aus, als die angebliche Attrappe plötzlich auf sie zukam und in die Arme schloß.« »Ich spüre noch jetzt diese Arme und Greiferklauen«, stöhnte der Anwalt. »Und wie geht es Ihnen, Kathy?« »Danke für die Nachfrage.« Sie gab sich ein wenig selbstironisch. »Ich glaube, daß ich haarscharf an einer Gehirnerschütterung vorbeigekommen bin. Brainford schlug ziemlich hart zu.« »Die Handschellen aus Brainfords Eigenproduktion sind teuflisch gut.« Mike Rander hatte alles versucht, sie
irgendwie loszuwerden, doch ohne Erfolg. Er sah sich in dem engen, niedrigen Raum um, in dem sie sich befanden. Wie sie hierher gekommen waren, wußte er nicht. Brainford hatte ihre Besinnungslosigkeit genutzt und sie in das Versteck geschafft. Mike Ränder hatte noch nicht mal eine Ahnung, ob man sich noch auf Brainfords Grundstück befand. Zu hören war in diesem engen Versteck überhaupt nichts. Es gab keine Fenster, nur eine recht niedrige Tür. Es roch penetrant nach Heizöl, das wohl jenseits der Stahltür, die mehr an ein Schott erinnerte, gelagert wurde. Fenster waren nicht vorhanden. Licht spendete eine mehr als schwache Glühbirne. »Mr. Parker ist bestimmt schon unterwegs«, vermutete Kathy Porter. »Natürlich ist er das.« Rander nickte. »Und er wird wahrscheinlich nicht weniger hereingelegt werden als wir, Kathy, machen wir uns da nur nichts vor.« »Dann wird es hier aber ziemlich eng«, spottete sie tapfer. »Wir müssen nämlich noch Lady Simpson dazurechnen.« »Hätten wir doch angerufen«, ärgerte Rander sich noch mal und sehr gründlich. »Wir haben Parker noch nicht mal einen Tip gegeben. Ich denke, ich habe alles falsch gemacht, was ich falsch machen konnte.« * »Es ist mir eine Ehre«, sagte Yardley und sah Lady Simpson bewundernd an. »Ich hätte nie
gedacht, Sie so schnell kennenlernen zu dürfen.« »Nun übertreiben Sie nicht gleich«, raunzte die ältere Dame den Besitzer der Spielzeugwarenfirma an. »Waren Mr. Rander und Miß Porter bei Ihnen?« »Aber natürlich, Mylady«, antwortete Desmond Yardley. »Ging das nicht in Ordnung? Ich meine...« »Sie haben sich mit einiger Sicherheit Ihren Betrieb angesehen, nicht wahr?« schaltete sich Josuah Parker höflich ein. »Bis auf die Bandstraßen«, bestätigte Yardley, »offen gesagt, im Augenblick stehen die Arbeitssäle leer und die Bänder still. Wir mußten die Produktion vorübergehend einstellen.« »Und warum, junger Mann?« grollte Agatha Simpson, die aus unerfindlichen Gründen einen leicht gereizten Eindruck machte. »Absatzschwierigkeiten«, räumte Desmond Yardley ein. »Wir waren wohl um einiges zu teuer. Aber in einigen Wochen, denke ich, werden wir mit der Neuproduktion wieder beginnen. Zur Zeit ist nur meine Styling- und Konstruktionsabteilung besetzt.« »Und wo befinden Mr. Rander und Miß Porter sich jetzt, Mr. Yardley?« Die Detektivin sah den Spielzeugwarenhersteller scharf an. »Ich hoffe, Sie kommen nicht auf den Gedanken, mir einen Bären aufbinden zu wollen.« »Aber Mylady. Warum sollte ich?« Desmond Yardley machte einen etwas hilflosen Eindruck. »Sie ließen sich die Adresse eines meiner früheren Mitar-
beiter geben. Möglich, daß sie zu ihm wollten.« »Ließe es sich ermöglichen, Mylady diesen Namen und die Adresse zu geben?« fragte Butler Parker. Yardley nickte und nannte den Namen Lorne Brainfords, anschließend fügte er auch noch die Adresse seines früheren Mitarbeiters hinzu. »Sie haben sich wegen gewisser Unstimmigkeiten getrennt?« forschte der Butler weiter. »Brainford konstruierte einfach zu aufwendig«, meinte Yardley. »Damit man mich nicht mißversteht: Auch ich bin für Qualität, auch ich liebe das voll-durchmechanisierte Spielzeug, aber Brainfords Wünsche überstiegen meine finanziellen Möglichkeiten.« »Besteht zwischen Mr. Brainford und Ihnen noch ein Kontakt?« »Nein, wir trennten uns ohne Zorn, aber Kontakt besteht nicht mehr. Ich glaube, er betreibt jetzt eine Autowerkstatt und baut Wohnmobile. Genau kann ich es wirklich nicht sagen. Mylady, darf ich Sie etwas fragen? Es handelt sich um diese Roboter? Sind Sie tatsächlich daran interessiert, sie...« »Mich interessieren im Moment nur Riesen-Roboter«, unterbrach die ältere Dame. »Riesen-Roboter, junger Mann, möglichst zweieinhalb Meter groß.« »Sagt Ihnen der Name Kilburn etwas?« erkundigte sich Parker. »Überhaupt nicht«, bedauerte Yardley. »Wann trennten Sie sich von diesem Mr. Brainford?« »Vor einigen Monaten. Möchten Sie den genauen Termin wissen?«
»Keine Details«, entgegnete die Detektivin. »Vor einigen Monaten, also. Gut, und noch einmal, Sie sind vollkommen sicher, daß Mr. Rander und Miß Porter sich nicht hier in Ihrer Fabrik befinden?« »Mylady!« Yardley bekam einen leicht roten Kopf. »Ich lüge nicht... Aber bitte, wenn Sie darauf bestehen, Sie können sich überall in der Fabrik umsehen. Sie werden weder RiesenRoboter noch die beiden Herrschaften finden.« »Gut, dann werde ich mich umsehen«, antwortete die ältere Dame. »Sollten Sie mit einer gewissen Sache nichts zu tun haben, werde ich Ihnen möglicherweise finanziell unter die Arme greifen.« »Darf ich mir erlauben, Mylady auf Mr. Brainford hinzuweisen?« fragte Josuah Parker, der auch diesen Mann gern kennenlernen wollte. »Vielleicht könnten Mylady diesen Betrieb hier zu einem späteren Zeitpunkt...« »Moment, was war das!?« Lady Agatha fragte nicht aus einer Laune heraus. Irgendwo im Haus waren reißende Gerausche zu hören, das Dröhnen von Blech und das Splittern von Glasscheiben. Dazwischen hörte man noch zusätzlich einige Schreie. »Was hat das zu bedeuten?« fragte Yardley nervös und sah die ältere Dame konsterniert an. »Das werden wir gleich wissen.« Agatha Simpson setzte sich sehr zielstrebig und energisch in Bewegung. »Kommen Sie, junger Mann! Wenn mich nicht alles täuscht, scheint da irgendwo unten im Haus ein Roboter zu wüten!« *
Einige Damen und Herren im weißen Arbeitskittel hatten sie bereits passiert. Sie standen im Treppenhaus, tuschelten aufgeregt miteinander und schauten dann der Dreiergruppe nach, die über die Treppe nach unten hastete. Das heißt, bei Josuah Parker konnte von hektischer Eile keine Rede sein. Gewiß, er war zwar nicht weniger schnell als Lady Agatha und Desmond Yardley, doch man sah es ihm nicht an. Selbst jetzt strahlte er eine Aura der Würde und Gemessenheit aus. »Das muß aus der Tiefgarage kommen«, sagte Yardley, als sie die Treppe erreicht hatten, die dort hinunter führte. »Und Roboter, Mylady? Das ist ausgeschlossen. Wir haben keine Roboter im Haus, die solch einen schrecklichen Lärm verursachen können.« »Ich werde vorgehen«, entschied Lady Agatha und drückte den Fabrikbesitzer mit ihrer Fülle zur Seite. Sie öffnete schwungvoll die Eisentür und betrat die Tiefgarage der Firma. Es standen hier die Wagen der Firmenangestellten, doch sie sahen keineswegs mehr ansehnlich aus. Die Autos waren geradezu bösartig zugerichtet worden. Man schien sie mit Vorschlaghämmern bearbeitet zu haben. Die Scheiben waren fast durchweg zertrümmert worden, und das Blech der Karosserien erinnerte an eine' Mondlandschaft. Überall waren tiefe Dellen, Risse und einschlagartige Löcher zu sehen. »Ich... Ich begreife das nicht«, wunderte sich Yardley. Er schluckte vor Aufregung. »Wer kann so etwas nur
getan haben? Das sind doch die Autos meiner Angestellten!« »Sie haben keinen Roboter im Haus?« fragte Agatha Simpson' und deutete mit ihrem pendelnden Pompadour auf eine Tür, die sich sichtbar auswölbte. Hinter dieser Tür schien ein Riese zu stehen, der sie eindrücken wollte. Lady Agatha hatte ihre Feststellung noch nicht ganz getroffen, als das Türblatt splitterte. Durch die Tür marschierte ein Roboter in die Tiefgarage und hinterließ seine Konturen. Der Maschinenmensch, dessen Augen rubinrot glitzerten und dann leuchteten, schien die Dreiergruppe bereits erspäht zu haben. Er marschierte schnell auf Lady Simpson und Butler Parker zu. Desmond Yardley hatte sich nämlich bereits umgedreht und strebte der Treppe zu. Parker lüftete höflich seine schwarze Melone und grüßte den RiesenRoboter. Lady Simpsons Pompadour pendelte intensiv. Sie sah kurz ihren Butler an, der seinen Universal-Regenschirm nach hinten zwischen Tür und Rahmen geschoben hatte. Er wollte so verhindern, daß der kopflos gewordene Firmenbesitzer vielleicht ganz zufällig die Tür hinter sich ins Schloß warf. »Und jetzt?« fragte Agatha Simpson. »Er sieht böser aus als dieser Ernie von Kilburn.« »In der Tat, Mylady«, gab der Butler ohne Hast zurück. »Wenn Mylady erlauben, werde ich den Roboter ein wenig irritieren.« »Ausnahmsweise«, sagte Parkers Herrin und wich gegen ihren Willen ein wenig zurück. Der riesige Roboter sah allerdings auch unheimlich und
drohend aus. Das Licht in seinen »Augen« wechselte ständig, die mächtigen Arme bewegten sich, die Greifklauen öffneten und schlossen sich wie die Scheren eines überdimensional großen Hummers. Butler Parker war vorgetreten und... zog plötzlich eine schwere Pistole. Er richtete die Mündung auf den Roboter, der sich prompt bedroht fühlte, Myladys Anwesenheit vergaß und sich auf den Butler konzentrierte. Parker ging auf einen der lädierten Wagen zu und lockte den Roboter von Mylady weg. Der Maschinenmensch schien schneller zu werden und sich auf ein neues Opfer zu freuen. Er sah nur noch den Butler, der für einen Moment stehen blieb und den Roboter näher kommen ließ. In letzter Sekunde suchte Parker dann hinter dem Kühler des Autos Schutz. Der Roboter wurde wütend. Mit der rechten Greifklaue demolierte er den Kühler des Wagens, suchte und fand die neue Richtung und verfolgte den Butler, der noch immer nicht schoß. Parker lockte den Maschinenmenschen tiefer in die Garage. Plötzlich öffnete sich der mundähnliche Schlitz des Roboters. Parker, der sich den Bericht Mike Randers gut gemerkt hatte, wußte, was ihn nun erwartete: Im nächsten Augenblick mußte ein Flammenstrahl aus diesem Schlitz schießen... Er sollte sich nicht getäuscht haben! Der Roboter nahm Maß und ... spuckte Feuer wie ein Drache aus der Sage. Der scharf gebündelte Strahl zischte dicht an dem Butler vorüber und traf das Blech eines Wagens. Der
Lack fing sofort Feuer und schwelte stinkend vor sich hin. In diesem Moment hob Josuah Parker seine Waffe, visierte den Roboter an und drückte ab. Aus der Mündung der Waffe schoß ebenfalls ein Strahl, doch er bestand nicht aus Feuer, sondern aus blauschwarzer Tinte. Dieser Strahl traf genau zuerst das linke, dann das rechte Auge des Roboters. Die Tinte klatschte gegen die Optik des Roboters, der prompt unsicher wurde und sich im Kreis zu drehen begann wie ein Tanzbär. »Guter Gott, Mr. Parker, woher haben Sie denn das?« hörte Parker hinter sich die Stimme seiner Herrin. »Aus dem Schreibwarengeschäft der Rose Kilburn«, antwortete der Butler gemessen. »Dort lagen einige Wasserpistolen, die mit Tinte zu füllen ich mir erlaubte. Wenn Sie erlauben, Mylady, möchte ich dem Roboter jetzt ein Bein stellen.« »Aber bitte gründlich«, sagte die ältere Dame grimmig. »Und dann werden wir uns diesen Yardley vornehmen, Mr. Parker!« Der Butler pirschte sich ohne Hast an den kreiselnden Roboter heran und hebelte mit seinem UniversalRegenschirm das linke Bein des Ungetüms hoch. Der Maschinenmensch torkelte, schwankte, verlor das Gleichgewicht und ... fiel krachend auf einen der zerschundenen Wagen. Dabei gab der Maschinenmensch hustende und spuckende Töne von sich. In seinem Innern rasselten Zahnräder und Getriebe. Lady Simpson war jetzt nicht mehr zu halten. Auch sie wollte etwas zum allgemeinen Geschehen beitragen. Sie
nahm ihren Pompadour und drosch damit auf die beiden Antennenhöcker des Roboters ein. Der »Glücksbringer« im perlenbestickten Handbeutel, nämlich das echte Hufeisen, war nicht weniger wirkungsvoll als ein kleiner Vorschlaghammer. Die Antennenhöcker verbogen sich und knickten seitlich weg. Nach einem letzten Fangschlag ins Genick des Roboters gab der Maschinenmensch seine Arbeit auf. Er gurgelte noch mal ausgiebig, zuckte krampfartig und rutschte dann am Wagen hinunter zu Boden. »Das war's!« Agatha Simpson nickte grimmig. »Und nun zu diesem Lümmel Yardley, Mr. Parker. Wahrscheinlich werde ich ihn ähnlich behandeln.« »Darf ich vielleicht noch mal auf Mr. Brainford verweisen, Mylady?« fragte Parker an. »Meiner bescheidenen Ansicht nach dürfte er wichtiger sein als Mr. Yardley. Immerhin soll doch Mr. Yardley eine gewisse Vorliebe für riesige Roboter haben.« »Und dieser Brainford?« »Falls er mitschuldig sein sollte, Mylady, könnten Mylady ihn später zur Rechenschaft ziehen. Ich möchte annehmen, daß man ihm mit dem Erscheinen des Roboters einen Streich gespielt hat, um ihn geschickt zu belasten.« »Sie wollen also wieder einmal Ihren Dickkopf durchsetzen! Nun gut, fahren wir zu diesem Brainford, Mr. Parker. Aber ich sage Ihnen schon jetzt, daß das reine Zeitverschwendung sein wird!«
* »Ja, was ist denn?« rief der etwa fünfzigjährige Mann aus dem Wohnmobil und erschien wenig später in der schmalen Tür des Gefährts. Er sah Agatha Simpson und Josuah Parker neugierig und abschätzend an. »Lady Simpson«, stellte Parker vor. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker. Ich habe die Ehre, der Butler der Lady sein zu dürfen.« »Wir möchten Miß Porter und Mr. Rander abholen«, sagte die ältere Dame grimmig. »Hoffentlich ist ihnen nichts passiert.« »Wen wollen Sie abholen?« Brainford schüttelte verständnislos den Kopf. »Mr. Rander und Miß Porter«, wiederholte Parker gemessen. »Nach Myladys Informationen befinden sie sich hier auf dem Gelände.« »Nee, das muß ein Irrtum sein«, erklärte Brainford. »Keineswegs und mitnichten!« Parker schüttelte andeutungsweise den Kopf. »Sie haben offensichtlich das kleine, aber leistungsstarke Funkgerät in Mr. Randers Anzug übersehen. Genauer gesagt, es befand oder befindet sich noch immer an seiner rechten Wade und ist dort mit Klebestreifen befestigt.« »Ich begreife überhaupt nicht, was...« »Sie haben die Roboter gebaut, die den Behörden Kopfzerbrechen bereiten«, redete Parker höflich weiter. »Und die Nähe zum Fahrzeugpark für ausgediente Armeefahrzeuge liefert den letzten Beweis.«
»Beweis? Was für einen Beweis?« Brainford kam langsam auf Lady Agatha und den Butler zu. »Mylady und meine bescheidene Wenigkeit zerbrachen uns den Kopf darüber, auf welche Art und Weise Sie Ihre Roboter und menschlichen Hilfskräfte transportieren«, führte der Butler weiter aus. »Inzwischen darf dieses Rätsel als gelöst betrachtet werden. Sie haben das sehr geschickt bewerkstelligt.« »Sind Sie eigentlich sicher, daß Sie hier richtig sind?« »Sie benutzen dazu Armeefahrzeuge«, redete Parker leise, unbeirrt und unnachgiebig weiter. »Damit kamen Sie durch jede Straßensperre. Ich nehme an, Ihre menschlichen Mitarbeiter trugen in diesen Fällen stets Armeeuniformen.« »Und welcher Polizist an irgendeiner Straßensperre durchsucht schon ein Armeefahrzeug mit aufgesessener Besatzung?« fragte Lady Agatha süffisant. »Sie sind durchschaut, Brainford! Oder anders gesagt, Ihr Spiel ist aus!« »Blühender Blödsinn!« Brainford lachte spöttisch. »Ich wette, Yardley hat Sie auf mich gehetzt. Diesem Pleitegeier wäre so was zuzutrauen.« »Geben Sie auf, Mr. Brainford«, redete Parker weiter. »Mr. Rander teilte Mylady per Funk mit, daß er sich hier auf dem Gelände befindet.« »Dann hat er Quatsch durchgegeben. Sie können alles durchsuchen, Sie werden nichts finden, schon gar keinen Roboter ...« Und dann beging Brainford einen Fehler. Er unterschätzte das altmodisch aussehende Paar vor sich und griff schnell nach seiner Waffe.
Er war nicht schnell genug... Während Agatha Simpson ihm ihren Pompadour an den Kopf warf, schoß Parker mit der Wasserpistole. Die blauschwarze Tinte klatschte auf die Nasenwurzel des Mannes und spritzte ihm in die Augen. Der »Glücksbringer« brachte den Mann von den Beinen. Er fiel zurück gegen das Wohnmobil und rutschte dann zu Boden. »Und jetzt?« fragte Agatha Simpson, als Parker ihr den Pompadour reichte. »Miß Porter und Mr. Rander dürften sich meiner bescheidenen Ansicht nach tatsächlich nicht hier auf dem Grundstück befinden«, sagte der Butler. »Sie werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit drüben beim Wagenpark festgehalten. Dort müssen sich auch die Unterkünfte für Brainfords Bande befinden.« »Worauf warten Sie eigentlich noch?« grollte die Detektivin ungeduldig. »Sie sind wieder mal sehr langsam, Mr. Parker, das muß deutlich gesagt werden.« »Gestatten Mylady, daß ich Mr. Brainford binde?« erkundigte sich der Butler würdevoll. »In Anbetracht der Situation hielte ich das für äußerst angebracht.« »Ihre Ruhe möchte ich haben!« Die energische Dame grollte wie ein fernes Gewitter. »Sie bringen mich wieder völlig aus dem Rhythmus. Ich glaube manchmal, Sie tun das absichtlich!« * »Sie fanden Miß Porter und Mr. Rander auf Anhieb?« fragte ChiefSuperintendent McWarden gespannt. Es war schon recht spät geworden.
McWarden hatte sich in Shepherd's Market eingefunden und ließ sich Bericht erstatten. »Nicht auf Anhieb, Sir«, widersprach Parker. »Die vier Mitarbeiter Brainfords erklärten sich keineswegs sofort bereit, das Versteck zu zeigen.« »Weil Sie wieder mal zu höflich waren«, räsonierte die altere Dame und sah ihren Butler vorwurfsvoll an. »Glauben Sie mir, McWarden, erst als ich nachdrücklich wurde, redeten diese Lümmel.« »Die vier Männer wurden ärztlich behandelt«, bestätigte McWarden, der von den Behörden in Birmingham einiges gehört hatte. »Die Burschen stellen sich doch nur an«, meinte die ältere Dame herablassend. »Darauf gebe ich nichts. Hauptsache, wir konnten Kathy und Mr. Rander heil aus diesem Betonbunker holen.« »Ein ehemaliger Munitionsbunker«, warf Anwalt Rander ein. »Allein hätten wir es nie geschafft«, fügte Kathy Porter lächelnd hinzu. »Ich vielleicht auch nicht«, räumte McWarden überraschenderweise ein. »Ich meine, nicht so schnell.« »Sie hätten den Fall allein nie geklärt, bilden Sie sich doch nichts ein«, blaffte Lady Agatha. »Aber gut, Sie sollen sich von mir aus auch diese Feder an den Hut stecken!« »Ich bin heilfroh, daß das überstanden ist.« McWarden nahm einen Schluck Sherry. »Yardley ist also definitiv unschuldig? »Völlig, Sir«, warf der Butler ein. »Wie die Herren Catby und Kilburn, was die Roboter betrifft.«
»Richtig, Kilburn und Catby.« Der Chief-Superintendent lächelte gegen seinen Willen amüsiert. »Da war doch wieder so ein anonymer Anruf. Im Schreibwarengeschäft von Kilburns Schwester fanden wir zwei Gangster, die total verklebt und miteinander verschweißt waren.« »Die chemische Industrie steht in der Tat erstaunlich gute Bindemittel her«, meinte Josuah Parker. »Das ist aber noch nicht alles«, redete McWarden weiter. »Ob Sie es glauben oder nicht, Mylady, da liegt mal wieder eine Anzeige wegen Körperverletzung vor.« »Warum auch nicht, McWarden?« »Gegen Sie, Mylady, und auch gegen Sie. Mr. Parker!« »Und wessen beschuldigt man Mylady?« erkundigte sich der Butler würdevoll. »Sechs Gangster behaupten, sie seien gezwungen worden, auf einer rollenden Treppe zu marschieren, stundenlang bis zur Erschöpfung.« »Was diese Individuen alles erfinden, nicht zu glauben!« Lady Simpson schüttelte den Kopf. »Und wo soll diese Treppe sein?« »Hier, in Ihrem Haus, Mylady. Hier soll es auch eine Fallgrube geben. Das behaupten die beiden Gangsterbosse Bellow und Norwich, dazu noch vier Bandenmitglieder.« »Sie können das ganze Haus durchsuchen, lieber McWarden«, schickte die Detektivin mit überraschender Liebenswürdigkeit voraus. »Sie werden natürlich nichts finden.« »Ich denke nicht daran, Ihr Haus zu durchsuchen«, meinte McWarden.
»Ein guter Entschluß, Sir, zu dem ich Ihnen gratulieren möchte«, ließ sich der Butler vernehmen. »Ich habe nämlich keine Lust, plötzlich in einer Fallgrube zu landen« schloß McWarden ironisch. »Es ist mir längst klar, daß dieses Haus seine Geheimnisse hat.« »Reine Vermutungen, lieber McWarden«, meinte die ältere Dame. »Um noch mal auf die Gangster zurückzukommen, die auf einer Rolltreppe marschiert sind. Wo haben Sie sie denn gefunden?« »Auf einem Bauplatz, irgendwo in der Nähe von Soho«, antwortete McWarden lässig. »Sie machten einen leicht betrunkenen Eindruck, aber vielleicht standen sie auch nur unter dem Einfluß einer Droge. Unerheblich! Wir suchten diese Kerle schon seit einiger Zeit, und jetzt haben wir sie halt. Unnötig neugierig will ich nicht sein.« »Zumal Sie ja bei Brainford die bisherige Beute der Roboter sicherstellen konnten«, ergänzte die ältere Dame. »Was sind Sie doch für ein glücklicher Mensch, McWarden: Sie beziehen ein fürstliches Gehalt und bekommen die fertig gelösten Fälle beweiskräftig auf den Tisch gelegt!« »Das stimmt nicht, Mylady«, sagte der Chief-Superintendent. »Das stimmt nicht? Mr. Parker, was sagen Sie dazu?« »Mr. McWarden spielt sicher auf die Feststellung an, er beziehe ein fürstliches Gehalt«, stellte der Butler klar. »Haargenau, das meine ich. Vielen Dank, Mr. Parker!« McWarden lächelte, was selten genug war. Er
schaute auf die Uhr und erhob sich. »Ich habe noch zu tun. Die Gangster müssen noch verhört werden! Das wird wieder lange dauern.« »Überarbeiten Sie sich nicht, McWarden«, stichelte die Lady. »Mr. Parker, haben wir nicht ein hübsches Geschenk für unseren lieben Gast vorbereitet?« Der Butler verließ den Salon und ging in die Wohnhalle. Es dauerte nur einige Minuten, bis plötzlich schrille Pieptöne zu vernehmen waren. McWarden nahm erstaunt den Kopf herum und ... sah vier Roboter, die nacheinander in den Salon traten. »Damit Sie wenigstens die Roboter mal sehen können, nach denen Sie gesucht haben«, meinte Agatha Simpson anzüglich. »Darf ich einen dieser hübschen Roboter für Sie einpacken, Sir?« erkundigte sich Parker. »Ich würde zu dem ferngesteuerten Maschinenmenschen raten. Er zeichnet sich durch großen Aktionsradius und erstaunliche Beweglichkeit aus.« Parker, der einen Lenkdraht in Händen hielt, ließ den betreffenden Roboter weiter auf McWarden zugehen. Der Chief-Superintendent lächelte plötzlich wie ein großes Kind und war überhaupt nicht beleidigt. Er beugte sich zu dem kleinen Roboter hinunter, nahm ihn in die Hand und ... zuckte dann zusammen. Der Roboter hatte Wasser gespuckt, und das linke Auge des Chief-Superintendent getroffen. »Dies, Sir, lag keineswegs in meiner Absicht«, erklärte Josuah Parker entschuldigend. »Sie ahnen nicht, wie un-
gemein peinlich mir dieser bedauerliche Vorfall ist. Ich möchte fast sagen, daß ich geradezu untröstlich bin!«
Sein Gesicht blieb ausdruckslos wie immer. Und McWarden wußte wieder mal nicht, wie der Butler es tatsächlich meinte.
ENDE scan: crazy2001 @ 10/2011 corrected: santos22
Günter Dönges schrieb für Sie wieder einen
Nr. 193
PARKER und die »Giga-Ratten« Sie hieß Theodora und war eine Riesenratte. Sie stammte aus dem Labor eines Genetikers und hatte Respekt vor einem gewissen Butler Parker. Anderen Menschen gegenüber erwies sich Theodora aber als ausgesprochen aggressiv. Zusammen mit Scolopendern, groß wie Blindschleichen, geriet Theodora In falsche Hände und fiel ahnungslose Opfer an. Weitere Monster aus dem Labor des Genetikers brachen aus und verursachten Paniken am laufenden Band, bis Butler Parker ordnend eingriff und seine Tricks ausspielte. Daß er in diesem unheimlichen Spiel auch noch einige Gangster ausschaltete, versteht sich am Rand. Und ohne den skurrilen Butler wären eine Lady Simpson, Kathy Porter und Mike Rander wohl kaum mit heiler Haut aus diesem Fall wieder herausgekommen... Günter Dönges präsentiert einen neuen Parker-Krimi aus der Welt der Biologie und unheimlicher Tierexperimente. Trotz Hochspannung ist für Humor und Witz gesorgt, Jenen Markenzeichen, die einen Parker-Krimi auszeichnen.