Butler � Parker � Nr. 338 � 338
Curd H. Wendt �
PARKER stoppt � die Todesviren �
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Butler � Parker � Nr. 338 � 338
Curd H. Wendt �
PARKER stoppt � die Todesviren �
2
»Ich denke überhaupt nicht daran umzukehren«, sagte Agatha Simpson wütend. »Das wäre unter meiner Würde, Mister Parker.« Die ältere Dame saß im Fond von Parkers hochbeinigem Monstrum und hielt eine Schachtel feinster Pralinen auf den Knien. Nach einem frühsommerlichen Picknick unter blühenden Bäumen fand die Heimfahrt nach London statt. »Selbstverständlich wird man sich nach Kräften bemühen, Myladys Wünsche mit Nachdruck zu vertreten«, versicherte Josuah Parker. »Vernünftigen Argumenten dürfte das Tier allerdings kaum zugänglich sein, falls dieser Hinweis erlaubt ist.« Der schwarz-weiß gefleckte Bulle stand mitten auf dem schmalen Fahrweg und scharrte gereizt mit den Vorderhufen. Der Vierbeiner machte nicht den Eindruck, als wäre mit ihm ein Übereinkommen zu treffen. Auch als Parker die Hupe betätigte, wich der muskelstrotzende Koloß keinen Zentimeter zurück.
Die Hauptpersonen: Sir Peter Rimford bangt nicht nur um seinen Ruf als Viehzüchter. Richard Parson nimmt ein Bad bei Mondenschein. Phyllis Lockwood sieht sich schon als Lady Rimford. Geoffrey Thompson hütet ein wichtiges Beweisstück. Herbert Marfield verdient sich als lachender Dritter eine goldene Nase. Butler Parker entwickelt eine Vorliebe für nächtliche Spaziergänge in frischer Landluft. Lady Simpson hinterläßt außer leeren Flaschen einen Karren voller Obstsalat. Im Gegenteil: Das Tier stieß einen dumpfen Laut aus, senkte den klobigen Schädel und nahm Anlauf. Zwei Schritte vor der Kühlerhaube des schwarzen Gefährts bremste der Bulle jedoch abrupt. Wutschnaubend tänzelte er hin und her, unschlüssig, ob er den vermeintli-
chen Gegner auf die Hörner nehmen sollte oder nicht. »Wie Sie verfahren, Mister Parker, ist mir völlig gleichgültig«, reagierte Mylady ungeduldig. »Aber tun Sie endlich etwas! Mein Kreislauf verlangt dringend nach einer Stärkung.« 3
Wenn Lady Agatha über ihren Kreislauf klagte, war Eile geboten. Dann half nur eins: Kognak der renommiertesten französischen Abfüller. Ansehnliche Vorräte solcher Kreislaufbeschleuniger lagerten in den Gewölben unter Myladys repräsentativem Wohnhaus im Londoner Stadtviertel Shepherd’s Market. Parker nahm deshalb eine zusammengelegte Reisedecke vom Beifahrersitz und klemmte sie sich unter den Arm. Gemächlich öffnete er die Fahrertür und stieg vom Trittbrett aus auf die Motorhaube. Der Bulle konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf die in der Sonne blinkenden Scheinwerfer und nahm von dem Butler keinerlei Notiz. Seelenruhig faltete Parker die Wolldecke auseinander und ließ sie von seinem erhöhten Standpunkt aus auf den Kopf des Tieres fallen. Verdutzt schüttelte der Bulle, um den es plötzlich Nacht geworden war, den Kopf. Doch die Decke hatte sich hinter seinen Hörnern verfangen und verrutschte nicht. Schlagartig vergaß der Vierbeiner, der keinen Gegner mehr vor Augen hatte, seine Angriffslust. Mit bebenden Flanken hielt er still, als der Butler die Decke mit einem Strick festschnürte. Willig ließ er sich von Parker am Halfter führen und an der hinteren Stoßstange festbinden. »Na endlich«, sagte Mylady, als
der Butler wieder am Steuer Platz genommen hatte. »Wie lange werde ich für die Rückfahrt benötigen, Mister Parker?« »Etwa neunzig Minuten, falls man sich nicht täuscht, Mylady«, gab er zur Antwort. »Neunzig Minuten?« wiederholte die ältere Dame entsetzt. »Ausgeschlossen, Mister Parker! So lange hält mein Kreislauf nicht durch.« »Ohnehin wollte meine Wenigkeit Mylady soeben vorschlagen, das entlaufene Tier seinem Besitzer zu übergeben«, ließ Parker sich vernehmen. »Möglicherweise dürfte dort ein geeignetes Stärkungsmittel erhältlich sein.« Er deutete auf ein parkähnliches Wäldchen inmitten der grünen Weiden. Unter dem Blätterdach der jahrhundertealten Eichen waren die weitläufigen Wirtschaftsgebäude eines Gutshofes und ein repräsentatives Herrenhaus im Stil des 18. Jahrhunderts zu erkennen. »Genau das ist es, was ich im Moment anordnen wollte, Mister Parker«, behauptete Agatha Simpson. »Wenn ich dem Besitzer die durchgebrannte Kuh wiederbringe, wird er sich ja erkenntlich zeigen müssen.« »Dieser Feststellung würde meine bescheidene Wenigkeit sich gern anschließen, falls Mylady gestatten«, bestätigte Parker und ließ vorsichtig sein hochbeiniges Monstrum anrol4
len. Willig trottete der Bulle an seiner Leine hinterher, als der Butler im Schrittempo zum Gutshof fuhr. * Sir Peter Rimford stand auf der geschwungenen Freitreppe des Herrenhauses und hielt sich den Bauch vor Lachen. »Das ist ja zum Brüllen!« rief er und klatschte sich begeistert auf die Schenkel. »Hans kommt mit dem Taxi nach Hause.« In der Tat hatte das schwerfällig wirkende Gefährt, das über die kiesbestreute Zufahrt rollte, viele Jahre als Taxi gedient, bis Parker es erwarb und für seine Zwecke umbauen ließ. Seitdem galt es bei Eingeweihten als »Trickkiste auf Rädern«. Rimford wischte sich die Lachtränen von den sommersprossigen Wangen, während er auf das Fahrzeug zuschritt. Parker schätzte den Gutsbesitzer auf knapp 50 Jahre. Seine kräftige, fast etwas behäbige Gestalt steckte in einem olivfarbenen Lodenanzug und makellos polierten Reitstiefeln. Hellblaue Augen bildeten einen lebhaften Kontrast zu seinem leuchtend roten Haarschopf. »Da haben Sie aber ein Meisterstück vollbracht«, stellte er anerkennend fest, als Parker aus dem Wagen stieg. »Gewöhnlich rennt Hans nämlich alles über den Haufen, was sich ihm in den Weg stellt.«
»Das ist eine charakterliche Eigenart, mit der man bei Bullen im Allgemeinen rechnet, Sir«, gab der Butler zur Antwort. »In diesem Fall ließ sich das Tier jedoch besänftigen, ehe es Schaden anrichten konnte.« »Hans ist nicht bösartig, aber ungestüm«, erläuterte Rimford. »Ich habe ihn bei einer Versteigerung in Deutschland erworben, weil ich die Milchleistung der rheinischen Schwarzbunt-Rasse mit der Fleischqualität französischer Charolais-Rinder verbinden möchte.« »Demnach, darf man wohl von der Annahme ausgehen, daß Sie sich intensiv der Rinderzucht widmen, Sir?« vermutete Parker. »Und zwar mit Erfolg«, bestätigte sein Gegenüber nicht ohne Stolz. »Falls es Sie interessiert, kann ich Ihnen die Pokale und Urkunden zeigen.« Rimford winkte zwei Stallburschen, die gerade über den Hof kamen. »Hans war schon wieder auf Tournee«, rief er ihnen zu und deutete auf den vermummten Bullen am Heck des hochbeinigen Monstrums. »Bringt ihn erst mal in den Stall. Anschließend nehmt noch mal die Zäune unter die Lupe. Wahrscheinlich hat wieder ein Nichtsnutz den Stacheldraht durchgeschnitten.« »Darf ich Sie übrigens zu einem Gläschen einladen?« fragte Rimford, während die beiden Männer das Tier wegführten. 5
»Normalerweise rühre ich ja keinen Tropfen an«, antwortete eine baritonal gefärbte Stimme an Parkers Stelle. »Aber ein kleiner Schluck würde meinen Kreislauf vermutlich guttun.« Mylady hatte die Autotür geöffnet und ließ sich von ihrem Butler aus dem Wagen helfen. Wenig später bot der Hausherr seinen Gästen Plätze im geschmackvoll eingerichteten Salon an. Ein Diener in schlohweißem Haar brachte auf silbernem Tablett Gläser und eine Kognakflasche, die Myladys Herz augenblicklich höher schlagen ließ. »Sie sollten aber wirklich besser auf Ihre Tiere aufpassen, mein lieber Pimford«, bemerkte Mylady, nachdem sie unter den verdutzten Blicken des Gastgebers ihr volles Glas in einem Zug geleert hatte. »Nicht immer kommt jemand des Weges, der den Stier so beherzt bei den Hörnern faßt wie ich.« »Sie waren das, Mylady?« staunte Rimford noch mehr. »Ich dachte, Mister Parker hätte dem Tier die Decke übergeworfen.« »Mein Butler hat lediglich nach den Anweisungen gehandelt, die ich ihm erteilte, mein lieber Slimboard«, gab Mylady ihre sehr persönliche Sicht des Ereignisses zum besten. »Erstaunlich, erstaunlich«, kommentierte der Gutsherr. »Übrigens muß ich Sie um Verzeihung bitten, Mylady.«
»Um Verzeihung?« »Offenbar habe ich undeutlich gesprochen, als ich mich vorstellte«, erklärte der Gutsbesitzer. »Mein Name ist Rimford, Peter Rimford.« »Ich habe Sie schon richtig verstanden, mein Lieber«, entgegnete die ältere Dame unbeirrt und ließ sich von Rimfords Diener zum zweitenmal das Glas vollschenken. »Aber sagen Sie: Man hört heute so oft, daß es der Landwirtschaft schlechtgeht. Wenn ich mir dagegen Ihr Anwesen betrachte…« »Mein Betrieb hat die nötige Größe und wird mustergültig geführt«, gab Rimford zur Antwort. »Aber wenn es so weitergeht, sehe ich schwarz für die Zukunft.« »Darf man sich höflich erkundigen, wie Sie diese Bemerkung verstanden wissen möchten, Sir?« schaltete Parker sich in das Gespräch ein. »In meinem Kälberstall ist eine rätselhafte Virusseuche ausgebrochen«, verriet Rimford, und seine heitere Miene verfinsterte sich. »Schon zwölf Tiere sind verendet, und der Tierarzt ist völlig ratlos. Erst heute morgen mußte ich wieder drei Kälber zum Abdecker bringen lassen.« »Und gegen diese Krankheit gibt es kein Mittel?« erkundigte sich Mylady. »Jedenfalls nicht, solange niemand weiß, was das eigentlich für eine Krankheit ist«, entgegnete Rimford. »Hätte ich doch nur auf den Kerl 6
gehört, der mir die Versicherung aufschwatzen wollte!« »Darf man vermuten, daß Sie eine Versicherung gegen Erkrankungen Ihrer Tiere zu meinen geruhen, Sir?« warf der Butler ein. »Ganz recht«, nickte Rimford. »Aber so etwas ist in der Landwirtschaft eigentlich nicht üblich. Deshalb habe ich den lästigen Kerl vom Hof gejagt.« »Das hätten Sie besser nicht tun sollen, mein lieber Nimmfort«, stellte Mylady fest. »Das war unklug von Ihnen.« »Und die Erkrankungen traten erst nach dem Besuch des Versicherungsagenten auf, falls man Sie richtig verstanden hat, Sir?« Parker vergewisserte sich. »Ungefähr eine Woche später lagen morgens die ersten vier Kälber tot im Stall«, gab der Tierzüchter Auskunft. »Seitdem reißt es nicht mehr ab.« »Mir scheint, da wartet wieder mal ein Fall auf Lady Simpson«, verkündete die ältere Dame und warf ihrem Butler einen triumphierenden Seitenblick zu. »Ein Fall?« wiederholte Rimford. »Sind Sie etwa Tiermedizinerin, Mylady?« »Nein, Detektivin«, antwortete Parkers Herrin und ließ sich ihr Glas zum dritten Mal füllen. »Detektivin?« Rimfords Stimme klang ungläubig. »Und was ist das
für ein Fall, der auf Sie wartet, Mylady?« »Ihrer, mein lieber Plimport«, gab Lady Agatha zurück. »Meiner?« »Sie verfügen natürlich nicht über kriminalistische Fähigkeiten«, erläuterte die Detektivin herablassend. »Sonst wäre auch Ihnen klar, daß die armen Tiere einem gewissenlosen Verbrecher zum Opfer gefallen sind.« »Eine Vermutung, der man zweifellos mit einer gewissen Gründlichkeit nachgehen sollte, falls die Anmerkung erlaubt ist«, bestätigte Parker, als der Gutsherr ihm einen zweifelnden Blick zuwarf. * »Der Fall ist doch sonnenklar«, dozierte Mylady. »Dieser Versicherungsvertreter hat sich schwarz geärgert, weil Sie ihn weggejagt haben, mein lieber Slimboard. Und aus Rache vergiftet er heimlich Ihre Tiere.« »Haben Sie zufällig Kunde davon, ob der erwähnte Agent auch auf anderen Bauernhöfen der Region in Erscheinung getreten ist, Sir?« wollte Parker wissen. »Er reist überall herum«, bestätigte Rimford. »Und seit die anderen Bauern von meinem Pech gehört haben, macht er glänzende Geschäfte.« »Sehen Sie«, nickte die Detektivin. 7
»Das ist doch der Beweis. Dieser Halunke rächt sich an Ihnen, und gleichzeitig nutzt er Ihren Schaden kaltblütig als Reklame aus.« »So habe ich die Sache noch gar nicht gesehen, Mylady«, bekannte Rimford. »Vielleicht ist an Ihrem Verdacht wirklich etwas dran.« »Verdacht?« empörte sich die ältere Dame. »Das einzige, was noch fehlt, ist ein Geständnis des Burschen. Aber das werde ich bald haben.« »Und Sie wollen sich wirklich der Sache annehmen, Mylady?« fragte der Gutsherr. »Die Anschrift des Kerls könnte ich Ihnen besorgen. Ein Anruf bei einem Kollegen genügt.« Peter Rimford ging zum Telefon in der Diele und kam kurz darauf mit einem Zettel zurück, den er Mylady reichte. »Herbert Marfield, 47th Main Street, Ipswich«, hatte er darauf notiert. »Ich werde überraschend zuschlagen und den dreisten Lümmel festnehmen, ehe er weiteren Schaden anrichtet«, entschied Mylady. »Demnach wünschen Mylady, unverzüglich aufzubrechen?« erkundigte sich Parker. Die plötzliche Eile seiner Herrin überraschte ihn, zumal die Kognakflasche noch fast halbvoll war. »Sie verfügen nicht über die nötige Erfahrung und Umsicht, Mister Parker«, entgegnete Lady Simpson. »Sonst könnte ich Sie schicken und
noch ein Weilchen mit Sir Pimford plaudern. Aber dieser Fall erfordert meinen persönlichen Einsatz.« »Ich würde es auch bedauern, wenn Sie mich so schnell verlassen, Mylady«, erklärte Rimford höflich. »Aber Sie sind jederzeit hochwillkommen auf Gut Rimford.« »Man muß eben Opfer bringen können«, klagte die ältere Dame und erhob sich ächzend. »Sie dürfen mich aber schon heute abend wieder erwarten. Sobald der Bursche sein Geständnis abgelegt hat und hinter Schloß und Riegel sitzt, werde ich Sie über die Ergebnisse meiner Vernehmung informieren.« »Es sollte mich freuen, wenn Sie so schnell zum Ziel kämen, Mylady«, versicherte Rimford, während er seine Gäste hinausgeleitete. * Als Parker sein hochbeiniges Monstrum vor Herbert Marfields Versicherungsbüro in Ipswich ausrollen ließ, war es später Nachmittag. »Mister Marfield?« sprach der Butler einen etwa 30jährigen Mann an, der soeben die Tür des Ladenlokals verschlossen hatte und sich zum Gehen wandte. Er trug einen grauen Straßenanzug, darüber einen Trenchcoat. Unter den Arm hatte er eine schwarze Aktenmappe geklemmt. »Ja, bitte?« Der Angesprochene 8
drehte sich zu Parker und musterte den Butler aus flinken, schwarzen Augen, die seinem hageren Gesicht einen listigen Ausdruck verliehen. »Mylady wünscht, Sie zu sprechen, Mister Marfield«, erklärte Josuah Parker, während er seiner Herrin aus dem Wagen half. »Meine Bürozeit ist zwar vorüber, aber für Kunden bin ich natürlich immer zu sprechen«, entgegnete Marfield und schloß die Tür wieder auf. »In Ihrem eigenen Interesse hoffe ich, daß Sie keine unnötigen Umstände machen, Mister Garfield«, betonte Lady Agatha und ließ sich auf einen Stuhl sinken, der unter ihrer Leibesfülle bedrohlich knarrte. »Umstände?« wiederholte Marfield. »Ich weiß nicht, wie Sie das meinen, Mylady. Die Midland Insurance Corporation ist bekannt für ihre schnelle und unbürokratische Arbeitsweise.« »Unbürokratisch ist eine vornehme Umschreibung für das, was Sie sich geleistet haben«, warf die Detektivin dem Mann vor. »Ich verstehe wirklich nicht, Mylady«, entgegnete Marfield ratlos. »Haben Sie eine Reklamation vorzubringen, oder was kann ich sonst für Sie tun?« »Mylady bittet Sie, wahrheitsgemäß auf einige Fragen zu antworten, die sich auf den landwirtschaftlichen Betrieb von Sir Peter Rimford bezie-
hen«, kam Parker auf den Zweck des Besuches zu sprechen. »Rimford? Rimford?« Marfield überlegte angestrengt und fixierte einen unsichtbaren Punkt an der Zimmerdecke. »Stimmt, dort bin ich vor etwa zwei Wochen gewesen. Ich habe ihm die Vorteile einer Krankheitskostenversicherung für seine Tiere geschildert, aber er zeigte keinerlei Interesse.« »Diesen Punkt hat Mister Garfield also schon gestanden«, registrierte Mylady hochbefriedigt. »Behalten Sie das bitte im Gedächtnis, Mister Parker.« »Gestanden?« wunderte sich der Versicherungsagent. »Was gibt es denn da zu gestehen?« »Möglicherweise sind Sie über die mysteriösen Todesfälle informiert, die einige Tage nach Ihrem Besuch in Lord Rimfords Kälberstall auftraten, Mister Marfield?« fuhr Parker fort und beobachtete sein Gegenüber ebenso unauffällig wie konzentriert. Marfield zögerte eine Sekunde, ehe er antwortete. »Ja, ich habe davon gehört«, räumte er ein. »Vermutlich wird Lord Rimford sich jetzt schwarz ärgern, daß er die Versicherung nicht abgeschlossen hat. Seit sich die Sache herumgesprochen hat, werde ich von den Bauern der Umgebung mit offenen Armen empfangen.« »Das will ich wohl glauben, Mister 9
Garfield«, nickte die Detektivin grimmig. »Sie bestreiten also, Lord Plimports Tiere vergiftet zu haben?« »Aber das ist doch barer Unsinn, was Sie mir da unterstellen wollen, Mylady!« rief Marfield aus. »Unsinn?« erwiderte die ältere Dame hintergründig. »Sie sollten sich endlich über den Ernst Ihrer Lage klarwerden und auf der Stelle ein umfassendes Geständnis ablegen. Treiben Sie es nicht so weit, daß ich mich beleidigt fühle. In solchen Fällen kann ich ausgesprochen ungemütlich werden!« Der lederne Pompadour am Handgelenk der passionierten Detektivin wippte ungeduldig. Lady Agatha brannte darauf, ihren Glücksbringer einzusetzen. Dabei handelte es sich um ein respektables Pferdehufeisen, das sie in eine dünne Lage Schaumstoff gewickelt und in den perlenbestickten Beutel gestopft hatte. »Moment mal!« Marfield ließ seine geschäftsmäßige Höflichkeit fallen. »Was wird hier überhaupt gespielt?« »Nichts«, konterte Mylady kühl. »Das Spiel ist aus, Mister Garfield! Meine Ermittlungen haben eindeutig ergeben, daß Sie aus niedrigen Beweggründen Lord Rimfords Kälber vergiftet haben. Wenn Sie sich nicht endlich zu einem Geständnis bequemen, muß ich wohl eine deutlichere Sprache sprechen.« »Das ist doch der Gipfel!« entrüstete sich Marfield. »Sie haben wohl
nicht alle Tassen im Schrank!« »Besitzt dieser Lümmel tatsächlich die Unverfrorenheit, eine Lady Simpson zu beleidigen, oder habe ich mich verhört, Mister Parker?« erkundigte sich die ältere Dame. Ihre Stimme klang wie das Rollen eines Erdbebens. »Anders dürfte Mister Marfields Äußerung kaum zu bewerten sein, falls die Anmerkung erlaubt ist«, gab der Butler ihr recht. Der Versicherungsagent sprang auf und wollte protestieren, doch dazu kam er nicht mehr. Mylady hatte ihren Glücksbringer schon auf die Reise geschickt. Mit leisem Zischen durchschnitten die ledernen Halteriemen die Luft. Ein dumpfes Klatschen folgte, als sich der wohlgefüllte Beutel nachdrücklich an Marfields Wange schmiegte. Der langgezogene Jaulton, den der Gemaßregelte ausstieß, ließ an einen liebeskranken Wolf bei Vollmond denken. Haltlos pendelte sein Kopf von links nach rechts, während er sich in seinem Bürostuhl zurückfallen ließ. Prompt setzte sich das Möbelstück in Bewegung, glitt lautlos über den Teppichboden und krachte gegen den Heizkörper, der unter dem Fenster in Marfields Rücken angebracht war. Anschließend keilte der Stuhl aus wie ein Wildpferd beim Rodeo und warf seinen jammernden Reiter ab. 10
Im Fallen griff Marfield instinktiv nach allem, was einen Halt zu versprechen schien. Sein Pech war, daß er dabei nur die bodenlangen Gardinen zu fassen bekam. Der Stoff hielt seinem Gewicht zwar stand, aber dafür löste sich die schwere Gardinenstange aus der Verankerung. Es lag an den ehernen Gesetzen der Schwerkraft, daß sich das schmiedeeiserne Schmuckstück ausgerechnet Marfields Schädel als Landeplatz aussuchte. Der Versicherungsvertreter stöhnte noch mal schwach auf, ehe er sich unter einem wirren Haufen von Tüll zur Ruhe ausstreckte. * »Das könnte dem Lümmel so passen!« Lady Agatha kochte vor Wut. »Einfach schlappmachen, um sich, dem Verhör zu entziehen. Sorgen Sie dafür, daß der Mann auf der Stelle wieder vernehmungsfähig ist, Mister Parker!« Der Butler mußte einige Mühe aufwenden, bis er den röchelnden Marfield soweit von dem weißen Wirrwarr befreit hatte, daß er ihm ein Fläschchen mit Riechsalz unter die Nase halten konnte. Sekunden später schlug der Versicherungsagent die Augen auf und sah sich verwirrt in dem Chaos um, das er angerichtet hatte. Stöhnend versuchte er sich aufzu-
richten. Doch als sein Blick auf Agatha Simpson fiel, die sich in der Attitüde einer zürnenden Walküre vor ihm aufgebaut hatte, sackte er sofort wieder in sich zusammen und hob schützend die Hände über den Kopf. »Bevor ich mit meinem Verhör beginne, Mister Parker«, ordnete die ältere Dame in scharfem Ton an, »schließen Sie bitte die Eingangstür und lassen die Jalousien herunter. Es muß ja nicht sein, daß unbeteiligte Passanten auf die Schreie aufmerksam werden.« »Schreie?« Marfield schien entsetzt, während Parker in den Vorraum schritt, um den Wünschen seiner Herrin nachzukommen. »Ja, Schreie«, bestätigte Mylady. »Es sei denn, Sie nehmen augenblicklich Vernunft an und legen ein umfassendes Geständnis ab.« Herbert Marfield schien von beiden Möglichkeiten nicht viel zu halten. Als Parker nach zwei Minuten zurückkehrte, schlug der Versicherungsagent gerade eine Tür mit der Aufschrift »WC« hinter sich zu und schloß von innen ab. »Ihm nach.« verlangte Mylady. »Und wehe, wenn Sie ihn entkommen lassen, Mister Parker!« Der Butler brauchte nur Sekunden, bis das simple Schloß seinem handlichen Spezialbesteck keinen Widerstand mehr leistete. Doch Marfield war schneller. Als Parker den kleinen Raum betrat, war er leer. Das 11
Fenster, das dem bedrängten Mann als Fluchtweg gedient hatte, stand noch offen. »Diese Panne hätte Ihnen nicht unterlaufen dürfen, Mister Parker«, tadelte Mylady. »Ihre Leistungen lassen sehr zu wünschen übrig.« »Niemand würde es mehr bedauern als meine Wenigkeit, falls ein solcher Eindruck bei Mylady entstanden wäre«, versicherte Parker. »Künftig wird man verstärkt bemüht sein, Mylady keinen Anlaß zu Klagen mehr zu geben.« »Das hilft mir jetzt auch nicht weiter«, fauchte die ältere Dame. »Hätte ich dem Kerl etwa auf die Toilette nachlaufen sollen? Sie scheinen zu vergessen, Mister Parker, was sich für eine Dame geziemt.« Parker schwieg, um seine Herrin nicht noch mehr in Rage zu bringen, und blätterte statt dessen in den Papieren, die auf Marfields Schreibtisch lagen. Dabei stieß er auf ganze Bündel von Versicherungsverträgen, die alle erst in den letzten Tagen abgeschlossen worden waren. Es handelte sich ausnahmslos um Versicherungen gegen die Erkrankung von Nutztieren. Die Formulare waren mit den Unterschriften von Bauern und Gutsbesitzern der näheren und weiteren Umgebung versehen. Gerade dachte der Butler, seine Herrin hätte sich beruhigt, da grollte die ältere Dame unvermittelt von
neuem. »Endlich hatte ich den Lümmel soweit, daß er seine Untaten gestehen wollte, da lassen Sie ihn laufen, Mister Parker. Die überstürzte Flucht ist ja wohl ein klarer Beweis, daß Mister Garfield den Tod der armen Tiere auf dem Gewissen hat.« »Es steht meiner Wenigkeit zwar an, Mylady zu nicht widersprechen«, entgegnete Parker. »Dennoch wäre auch ein anderer Grund für Mister Marfields eiligen Aufbruch denkbar, falls die Anmerkung gestattet ist.« »Welcher?« »Mister Marfield könnte aus Angst vor Myladys Vernehmungsmethoden die Flucht ergriffen haben.« Da war es mit Myladys Fassung endgültig vorbei. »Sie halten dem Lümmel auch noch die Stange?« fuhr sie ihren Butler an. »Wenn er wirklich unschuldig wäre, hätte ich das sofort gespürt. Dann hätte er nichts zu befürchten gehabt.« Verärgert erhob sich die ältere Dame und ließ sich von ihrem Butler zum Wagen geleiten. »Aber entgehen wird er mir nicht!« schwor sie beim Einsteigen. * Als Parker sein hochbeiniges Monstrum vor dem Herrenhaus von Gut Rimford ausrollen ließ, hatte Agatha Simpson ihre Enttäuschung noch 12
immer nicht verwunden. »Hatten Sie keinen Erfolg, Mylady?« erkundigte sich Rimford, der den beiden auf der Freitreppe entgegenkam. Die finstere Miene der Detektivin war ihm sofort aufgefallen. »Und ob ich Erfolg hatte, mein lieber Slimboard!« brüstete sich die ältere Dame. »Ich habe den dreisten Lümmel gestellt, obwohl er gerade die Flucht ergreifen wollte. Natürlich habe ich ihn in sein Büro zurückgedrängt und ihn einem verschärften Verhör unterzogen…« »Und?« unterbrach Rimford ungeduldig. »Gerade hatte ich den Kerl so weit, daß er ein umfassendes Geständnis ablegen wollte, da hat Mister Parker ihn entkommen lassen.« »Nein!« rief der Gutsherr aus. »Das ist ja ärgerlich!« »In der Tat«, nickte Mylady. »Der Ärger ist mir auch prompt auf den Kreislauf geschlagen. Hätten Sie wohl noch ein Schlückchen Kognak für mich, mein lieber Pimford?« »Selbstverständlich, Mylady«, versicherte der Gutsbesitzer und geleitete seine Gäste ins Haus. »Geoffrey wird Ihnen sofort etwas bringen.« »Dann sollte ich am besten die Polizei verständigen«, schlug der Gastgeber vor, als man in Rimfords geräumiger Wohnhalle vor dem prasselnden Kaminfeuer Platz genommen hatte.
»Auf keinen Fall«, entschied die Detektivin. »Das würde die Sache nur komplizieren.« »Wirklich?« »Ich habe da meine Erfahrungen«, behauptete Mylady und hielt dem greisen Geoffrey ihr Glas zum Nachfüllen hin. »Der Bursche entgeht mir ohnehin nicht. Mein taktisches Konzept sieht nämlich eine außerordentlich raffinierte Falle vor, in die er mit Sicherheit tappen wird.« »So?« fragte Rimford in einer Mischung aus Neugier und Zweifel. »Davon später, mein lieber Plimport«, ging Mylady weiteren Fragen aus dem Weg. »Jedenfalls habe ich den Lümmel derart eingeschüchtert, daß Sie keine Anschläge zu befürchten haben.« Später ließ Rimford noch einen rustikalen Abendimbiß auftragen, dem Mylady ebenso beherzt zusprach wie ihrem Lieblingsgetränk. »Ich hoffe, Sie geben mir auch weiterhin Gelegenheit, meine Gastfreundschaft zu beweisen«, bot Rimford zu vorgeschrittener Stunde an, als die Detektivin sich mit sichtlichem Behagen das letzte SchinkenSandwich in den Mund stopfte. »Ich habe zwei Gästezimmer für Sie herrichten lassen, damit Sie nicht mitten in der Nacht nach London zurückfahren müssen.« »Ein ausgezeichneter Vorschlag«, lobte Mylady und erhob ihr Glas. 13
»Auf Ihr Wohl, mein lieber Pimford!« »Auf Ihr Wohl, My… Mylady«, echote Rimford, der es längst aufgegeben hatte, mit der trinkfesten Detektivin mitzuhalten. Mit stierem Blick fixierte er sein Glas, bevor er die braune Flüssigkeit mit einem Ruck in den Rachen kippte. »Ge… Geoffrey wird Ihnen Ihre Zeiger zimmern, nein, Ihre Zimmer zeigen«, kicherte der Gutsherr, der Sprache nicht mehr genug mächtig. »Davon später, meine lieber Nimmford«, überging Mylady den diskreten Hinweis auf die späte Stunde. »Erzählen Sie mir doch noch etwas – von Ihren Tieren zum Beispiel.« »Falls Mylady keine Einwände erheben, würde meine Wenigkeit sich gern vor der Nachtruhe noch etwas an der frischen Luft die Füße vertreten«, ließ Parker sich vernehmen. »Aber geben Sie acht, daß Sie im Dunkeln nicht stolpern, Mister Parker«, mahnte Agatha Simpson und drohte scherzhaft mit dem Finger. »Man dankt für den wohlgemeinten Ratschlag, Mylady«, entgegnete der Butler mit einer angedeuteten Verbeugung und entfernt sich.
trat und die kühle Nachtluft einsog. Die Lampen im Hof und in den Stallungen waren erloschen. Nur im Herrenhaus, wo Lady Agatha systematisch den Kognakvorräten des Gutsbesitzers den Garaus machte, brannte noch Licht. Dennoch hatte der Butler keine Mühe, sich zu orientieren. Der volle Mond, der am klaren Himmel stand, goß sein mattes Silberlicht über Park und Gebäude. Aber selbst dort, wo die mächtigen Bäume schwarze Schatten warfen, drangen Parkers scharfe Nachtvogelaugen noch durch die Finsternis. Gemessenen Schrittes wandelte der Butler durch die gepflegten Anlagen rund um das Herrenhaus. Einer undeutlichen Ahnung folgend, mied er jedoch die knirschenden Kieswege und ging stattdessen über den kurzgeschorenen Rasen, der seine Tritte wie ein weicher Teppich verschluckte. Für einen Augenblick blieb Parker am Rand des Seerosenteiches stehen und sah den Fischen zu, die auf der Jagd nach Mücken aus dem Wasser sprangen und mit leisem Plätschern in ihr Element zurückfielen. Er wollte schon umkehren, als schwacher Lichtschein seine Aufmerksamkeit weckte. * Der gelbliche Schimmer drang aus einem kleinen Fenster in einem Gut Rimford lag in beschaulicher
abgelegenen Teil der weitläufigen Ruhe, als Parker auf die Freitreppe
Stallungen. Lautlos näherte sich der 14
Butler dem langgestreckten Gebäude und stellte sich auf die Zehenspitzen, um einen Blick hineinwerfen zu können. Aber die Scheiben waren so blind, daß er keine Einzelheiten erkannte. Das leise Rascheln von Stroh und das sanfte, verschlafene Muhen einer Kuh hörten sich alles andere als verdächtig an. Dennoch beschloß Parker, den einzigen beleuchteten Stall einer kurzen Inspektion zu unterziehen. Der warme Dunst der Tiere schlug ihm entgegen, als er die angelehnte Tür vorsichtig aufdrückt. Die Milchkühe, die in einer langen Reihe von Boxen untergebracht waren, hatten sich schon zur Ruhe gelegt. Die braunen und schwarzweiß gezeichneten Leiber der Tiere, die tief atmend im Stroh lagerten, verbreiteten eine ausgesprochen friedliche Atmosphäre. Gerade wollte der Butler die Tür wieder schließen und zum Haus zurückkehren, als eine Bewegung in einer der weiter entfernten Boxen ihn aufmerken ließ. Die Kuh, die dort angebunden war, schien noch nicht an Nachtruhe zu denken. Das Tier warf den Kopf in den Nacken und scharrte unruhig mit den Hufen im Stroh. Da der Butler den mit schulterhohen Bretterwänden abgeteilten Verschlag von seinem Standpunkt aus nicht einsehen konnte, entschloß er
sich, nach dem Tier zu sehen, und begab sich in würdevoller Haltung hinüber. »Man wünscht einen angenehmen Abend«, sprach der Butler den Mann an, der neben der Kuh im Stroh kniete und gerade mit einer Injektionsspritze von eindrucksvollem Format hantierte. Der Unbekannte schien von diesem überraschenden Besuch nicht gerade erbaut zu sein. Statt Parkers freundlichen Gruß zu erwidern, sprang er erschreckt auf die Füße und ließ dabei die Spritze ins Stroh fallen. Im nächsten Moment hatte er einen klobigen Melkschemel in der Hand und holte zum Wurf aus. Der Butler hatte mit derart handfester Begrüßung nur bedingt gerechnet. Dennoch war er aus Gewohnheit darauf vorbereitet. Der Angreifer jaulte jämmerlich, als sich die bleigefüllte Spitze von Parkers altväterlich gebundenem Regenschirm auf sein Handgelenk senkte. Er jaulte ein zweites Mal, als ihm der schwere Schemel aus der hoch erhobenen Hand glitt und die Hühneraugen in seinen Gummistiefeln massierte. Blind vor Wut packte er mit der Linken nach seiner bedrohlich wirkenden Spritze und wollte sich mit dieser Waffe auf den Butler stürzen. Doch Josuah Parker durchkreuzte erneut seine unfreundlichen Absichten. Schon hatte er das schwarze 15
Regendach an der Spitze gefaßt und ließ den bleigefüllten Bambusgriff auf den Schädel des Mannes fallen. Postwendend verdrehte der Unbekannte die Augen, knickte in den Knien ein und bettete sich mit tiefem Seufzer in das nicht mehr ganz saubere Stroh. Daß sein Arbeitsanzug dabei dunkelgrüne Flecken bekam, schien ihn nicht im geringsten zu stören. Ein seliges Lächeln glitt über seine entspannten Züge, als die brave Kuh ihm mit ihrer warmen, nassen Zunge das Gesicht ableckte. Gelassen zog der Butler ein Sprühfläschchen aus einer Innentasche seines schwarzen Zweireihers und hielt dem Mann die Düse dicht unter die Nase. Zwei Sekunden ließ Parker den Unbekannten an seinem Traumspray schnuppern. Anschließend begab er sich zum Herrenhaus zurück. * Mylady hatte sich inzwischen auf ihr Zimmer zurückgezogen. Auch Lord Rimford wollte sich gerade von seinem Diener zur Ruhe geleiten lassen, wurde jedoch schlagartig wieder nüchtern und hellwach, als Parker ihm von seiner Begegnung im Kuhstall berichtete. »Also doch!« knurrte er wütend. »Ihre Herrin hatte wirklich den richtigen Riecher. Dieser Marfield muß
ja ein selten dreister Bursche sein. Kaum ist er Ihnen entkommen, betreibt er schon wieder seine schmutzigen Geschäfte. Wenn ich diesen Kerl in die Finger kriege!« »Beweise liegen gegen Mister Marfield bisher nicht vor, falls die Anmerkung erlaubt ist«, gab Parker zu bedenken, während die beiden Männer zum Stall hinüberschritten. »Nähere Aufschlüsse über den Auftraggeber dürften erst von einer Vernehmung des unbekannten Eindringlings zu erwarten sein.« »Stimmt«, räumte Rimford ein. »Aber wer sonst sollte mir den Kerl auf den Hals geschickt haben?« »Von irgendwelchen Feinden oder Neidern ist Ihnen nichts bekannt, Sir?« »Absolut nichts, Mister Parker«, entgegnete Rimford, wie aus der Pistole geschossen. »Sie glauben wohl nicht, daß Marfield hinter der Sache steckt?« »Meine Wenigkeit hat sich noch kein abschließendes Urteil gebildet, Sir«, antwortete der Butler. »Falls Mister Marfield sich tatsächlich an Ihnen rächen und gleichzeitig für seine Versicherungen werben wollte, dürfte er sein Ziel jedenfalls längst erreicht haben.« »Das ist ja Ben!« rief der Gutsbesitzer überrascht, als Parker ihn an die Box führte, wo der Mann friedlich schlummernd im Stroh lag. »Vermutlich darf man Ihre Äuße16
rung so verstehen, daß Ihnen der Herr bekannt ist, Sir?« vergewisserte sich der Butler. »Ben Riley ist einer meiner Knechte«, gab Rimford Auskunft. »Den Kerl hat wohl der Teufel geritten.« Wütend packte er den Mann an den Schultern und schüttelte ihn, bis er verwundert die Augen aufschlug. »Was treibst du denn hier mitten in der Nacht?« Der Gutsbesitzer hielt dem noch benommenen Ben drohend die geballte Faust unter die Nase. »Ich – nichts, Sir«, wich der Knecht aus. »Und die Spritze? Was hattest du damit vor?« Ben warf einen schüchternen Seitenblick auf den Butler und blieb die Antwort schuldig. »Los, rede endlich!« brüllte Rimford seinen Knecht an. »Was ist in der Spritze?« »Ich weiß es nicht, Sir«, erwiderte Ben. »Ihre Einlassung klingt nicht sehr glaubwürdig, falls die Bemerkung erlaubt ist«, schaltete Parker sich ein. »Aber ich weiß es wirklich nicht«, beteuerte Ben. »Und wer hat dir das verdammte Ding gegeben?« wollte Rimford wissen. »Erzähl mir nur nicht, du hättest die Spritze zufällig irgendwo gefunden!« »Könnte es möglicherweise zutref-
fen, daß Sie im Auftrag eines gewissen Mister Marfield handeln?« erkundigte sich Parker. »Marfield?« fragte Ben. »Wer soll das sein? Ich kenne keinen Marfield.« »Wenn du nicht endlich gestehst, wer dich zu dieser Schweinerei angestiftet hat, breche ich dir eigenhändig sämtliche Knochen!« brüllte Rimford in besinnungsloser Wut und packte den eingeschüchterten Ben am Kragen. »Mister Parson war’s«, gestand der Knecht kleinlaut. »Was, Parson?« schrie der Gutsbesitzer. »Du lügst!« In blindem Zorn holte er zu einem Kinnhaken aus, worauf Ben sich erneut auf sein Strohlager streckte und nur noch schwach reagierte. »Richard Parson ist mein Verwalter«, setzte Rimford den Butler ins Bild. »Ein absolut zuverlässiger Mann, zu dem ich volles Vertrauen habe.« »Möglicherweise sollte man Mister Riley Gelegenheit geben, seine Anschuldigung in Mister Parsons Gegenwart zu wiederholen«, schlug Parker vor. »Eine gute Idee, Mister Parker«, stimmte Rimford zu. »Allerdings müssen wir damit bis morgen vormittag warten, weil Parson nach London gefahren ist.« »Nach London, Sir?« »Ja, in letzter Zeit fährt er öfter 17
dahin und bleibt meistens über Nacht«, gab der Gutsbesitzer Auskunft. »Ich glaube fast, er hat sich eine Freundin zugelegt.« »Dann sollte man tatsächlich Mister Parsons Rückkehr abwarten, falls der Vorschlag genehm ist, Sir«, erklärte Parker. »Man darf wohl davon ausgehen, daß Sie über einen verschließbaren Raum verfügen, in dem man Mister Riley vorübergehend unterbringen könnte?« »Im Keller gibt es einen Raum, der in früheren Zeiten als Verlies benutzt wurde«, antwortete Rimford. »Da ist es zwar kalt und feucht, aber eine Nacht wird der verdammte Kerl da unten schon überstehen. Und wenn er sich wirklich erkältet, geschieht ihm das recht.« Gemeinsam hoben sie den Knecht aus dem Stroh, nahmen ihn in die Mitte und brachten ihn in den Kellerraum, den der Gutsherr vorgeschlagen hatte. »Ich bin gespannt, ob du die Stirn hast, deine Aussage morgen in Mister Parsons Gegenwart zu wiederholen«, knurrte Rimford, bevor er die wuchtige Eichentür zuknallte und die schweren Eisenriegel vorschob. * »Mit dieser Möglichkeit habe ich natürlich schon gerechnet«, behauptete Lady Agatha, als sie beim Frühstück von den nächtlichen Ereignis-
sen erfuhr. »Das beweist nur, daß ich wieder mal hundertprozentig richtig liege.« »Wirklich, Mylady?« fragte Rimford ungläubig. »Nehmen Sie denn immer noch an, daß Marfield der Auftraggeber ist?« »Eindeutig, mein lieber Plimport«, nickte die Detektivin. »Es würde allerdings zu weit führen, Ihnen das jetzt zu erläutern. Gehen Sie einfach davon aus, daß sich eine Detektivin meines Formats grundsätzlich nie irrt.« Bescheidenheit war nun mal eine Tugend, die die ältere Dame nur an ihren Mitmenschen schätzte. »Mister Riley behauptet allerdings, Mister Marfield nicht mal zu kennen, Mylady«, wandte Parker ein. »Und seine Aussage klang zumindest in diesem Punkt durchaus glaubwürdig, falls der Hinweis erlaubt ist.« »Der Kerl lügt wie gedruckt, Mister Parker«, belehrte die Detektivin ihren Butler. »Ihnen fehlt meine Erfahrung und Menschenkenntnis. Deshalb lassen Sie sich so leicht hinters Licht führen.« »Mylady werden für meine Wenigkeit stets ein unerreichtes Vorbild bleiben«, versicherte Parker höflich. »Darf man fragen, ob Mylady Mister Riley noch persönlich zu vernehmen wünschen?« »Auf keinen Fall, Mister Parker«, entschied Agatha Simpson. »Sie wissen doch, daß ich mich mit derart 18
unwichtigen Randfiguren nicht befasse. Meine Ermittlungen konzentrieren sich auf den Auftraggeber.« In diesem Moment betrat ein schlanker, ausgesprochen korrekt gekleideter Mann den Frühstückssalon. Parker schätzte ihn auf Mitte Vierzig. Schwarze, ordentlich gescheitelte Haare und ein akkurat gestutzter Vollbart rahmten sein sonnengebräuntes Gesicht. Die grauen Augen unter den buschigen Brauen blickten aufmerksam, aber kalt. »Da sind Sie ja«, rief Rimford und erhob sich. »Das ist Richard Parson, mein Verwalter«, stellte er den Ankömmling vor. »Die Autobahn war wieder mal völlig verstopft, sonst wäre ich früher gekommen«, erläuterte Parson, nachdem er die Gäste seines Arbeitgebers begrüßt hatte. »Wie steht es denn mit den Kälbern? Sind weitere Erkrankungen festgestellt worden?« »Das nicht«, entgegnete Rimford. »Aber jetzt haben wir den Beweis, daß die Todesfälle nicht auf Infektionen, sondern auf eine Art Sabotage zurückzuführen sind.« »Das ist doch nicht möglich!« rief Parson. »Wer sollte denn auf solch eine Idee kommen?« »Ben«, entgegnete der Gutsherr. »Seine Idee war es vermutlich nicht, aber Mister Parker hat ihn heute nacht mit einer Injektionsspritze im
Kuhstall ertappt.« Parkers aufmerksamen Blicken entging nicht, daß eine leichte Blässe über Parsons Gesicht huschte. Sein linkes Augenlid zuckte nervös. »Ben Riley?« wiederholte der Verwalter. »Das ist ja unglaublich! Gerade ihn habe ich immer für einen der Zuverlässigsten gehalten. Und was hat er gesagt?« »Es ist mir peinlich, das zu wiederholen«, gab Rimford zur Antwort. »Aber er behauptete, er habe die Spritze von Ihnen bekommen, Parson.« »Das ist ja der Gipfel der Unverfrorenheit!« empörte sich der Bärtige. »Das hat der Kerl wirklich gesagt?« »Ich glaube dem Halunken natürlich kein Wort, Parson«, versicherte Rimford und klopfte dem leicht nervös wirkenden Verwalter beruhigend auf die Schulter. »Mister Parker hat übrigens vorgeschlagen, daß Ben seine dreiste Anschuldigung in Ihrer Gegenwart wiederholen soll. Was halten Sie davon?« »Eine gute Idee«, stimmte Parson zu. »So etwas kann ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen. Wo steckt Ben jetzt?« »Wir haben ihn über Nacht in dem alten Verlies untergebracht, damit er sich nicht aus dem Staub macht«, teilte Rimford mit. »Wenn Sie nichts dagegen haben, können wir gleich nach dem Frühstück hinuntergehen 19
und uns den Burschen vorknöpfen.« Ben Riley wirkte blaß und übernächtigt, als Rimford und Parson zusammen mit Lady Simpson und Butler Parker den Kellerraum betraten. Parson ging sofort auf den Knecht los und packte ihn wütend am Kragen. »Was habe ich gehört?« brüllte er. »Du willst mich in deine schmutzigen Machenschaften hineinziehen?« »Nein, nein!« rief Riley und wich ängstlich einen Schritt zurück. »Ich kann bezeugen, daß Sie mit der Sache nichts zu tun haben, Mister Parson.« »Gestern abend klang das aber ganz anders, Ben«, schaltete Rimford sich ein. »Was stimmt denn nun?« »Mister Parson hat mit der Sache wirklich nichts zu tun, Sir«, beteuerte Riley. »Und warum hast du dann behauptet, ich hätte dir die Spritze gegeben?« wollte der Verwalter wissen. »Ich hatte Angst«, gestand Riley. »Angst? Vor wem?« bohrte Parson. »Vor dem Herrn dort.« Scheu deutete der Stallknecht auf Josuah Parker. »Und vor Mister Rimford.« »Der Kerl lügt«, beteiligte sich nun auch Lady Agatha. »Mich kann er jedenfalls nicht täuschen.« Sie wandte sich an Riley: »War es nicht eher so, daß Sie Angst hatten,
Ihren wahren Auftraggeber zu nennen?« »Ja, ja. So war es«, nickte Riley eifrig. »Sehen Sie«, triumphierte die Detektivin. »Man muß nur die richtigen Fragen stellen. Dann kommen auch die richtigen Antworten.« »Darf man vermuten, daß Sie inzwischen bereit sind, Ihren Auftraggeber zu nennen, Mister Riley?« nahm Parker wieder das Wort. Unschlüssig druckste Riley herum und schien krampfhaft nach einer unverfänglichen Antwort zu suchen. »War es Mister Garfield, der Sie zu dieser ruchlosen Tat anstiftete?« spielte Lady Agatha ihm einen Ball zu, den er begierig aufgriff. »Ja, Mister Garfield war es«, bestätigte Riley, sichtlich erleichtert. »Also doch!« kommentierte Rimford. »Und wie hat der verdammte Hund dich dazu gebracht?« »Vermutlich hat er Ihnen Geld angeboten«, half Mylady aus, als Riley zögerte. »Ja, Garfield hat mich bestochen«, bestätigt Riley und bedachte die Detektivin mit einem dankbaren Seitenblick. »Und wo ist das Geld jetzt?« wollte Rimford wissen. »Ausgegeben. Im ›Roten Mond‹ in Ipswich«, antwortete der Stallknecht überraschend geistesgegenwärtig. »Moment mal«, schaltete Parson sich ein. »Wer ist denn eigentlich 20
dieser Garfield?« »Der Kerl heißt Marfield, nicht Garfield«, informierte Peter Rimford ihn. »Vielleicht erinnern Sie sich an den Versicherungsvertreter, der vor zwei Wochen auf den Hof kam und mir eine Krankenversicherung für die Tiere aufschwatzen wollte.« »Undeutlich, Sir.« »Allem Anschein nach hat dieser Marfield sich gerächt – aus Wut darüber, daß ich ihn rausgeworfen habe«, fuhr der Gutsbesitzer fort. »Außerdem haben die Todesfälle in meinem Stall natürlich seine Kasse klingeln lassen. Inzwischen laufen ihm die Bauern förmlich nach, um ihre Tiere bei ihm versichern zu lassen.« »Das ist ja eine bodenlose Gemeinheit«, schimpfte Parson. »War es so, Ben?« »Genauso war es, Mister Parson«, nickte Riley. »Dann sollten wir diesem gewissenlosen Gauner sofort die Polizei auf den Hals hetzen«, schlug der Verwalter vor, doch Lady Agatha fiel ihm vehement ins Wort. »Auf keinen Fall, junger Mann! Das würde nur alles verderben«, behauptete die ältere Dame in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Das Netz meiner Ermittlungen ist schon so dicht gesponnen, daß er mir auf keinen Fall entwischen kann.« »Ermittlungen?« fragte Parson ver-
dutzt. »Lady Simpson ist Privatdetektivin«, klärte der Gutsherr seinen Verwalter auf. »Ach – deshalb«, nickte Parson und musterte die ältere Dame verstohlen von der Seite. »Mit meiner Verhörtechnik hatte ich den Burschen schon mürbe gemacht«, brüstete sich Mylady. »Gerade wollte ich sein Geständnis zu Protokoll nehmen, als er durch eine Fehlleistung Mister Parkers entkommen konnte.« »Das ist ja wirklich Pech, Mylady«, warf Parson ein. »Aber eine Lady Simpson läßt sich durch Schläge dieser Art nicht entmutigen«, fuhr die Detektivin fort. »Mein ausgefeiltes taktisches Konzept sieht natürlich auch für solche Fälle eine Lösung vor.« »Wirklich?« fragte Parson überrascht. »Es würde zu weit führen, einem Nicht-Kriminalisten die Einzelheiten zu erläutern«, ging Mylady möglichen weiteren Fragen aus dem Weg. »Aber ich werde Sie selbstverständlich informieren, sobald ich den Lümmel der Polizei übergeben habe.« »Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg, Mylady«, entgegnete Parson. »Derart gewissenlose Halunken sollten die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen. Aber was machen wir jetzt mit Ben?« 21
»Am besten lassen Sie ihn hier unten, bis ich meine Ermittlungen mit dem Geständnis von Mister Garfield endgültig abgeschlossen habe«, ordnete die Detektivin an. »Lange wird es ohnehin nicht mehr dauern.« »Darf man sich höflich erkundigen, welche Schritte Mylady als zu unternehmen nächste gedenken?« ließ Parker sich vernehmen, als man wieder die Stufen zum Tageslicht emporstieg. »Eine erneute Fahrt nach Ipswich wäre zwecklos, weil der Vogel natürlich ausgeflogen ist, Mister Parker«, erklärte Agatha Simpson. »Ich werde deshalb vorübergehend nach London zurückkehren, um zu meditieren und meinem taktischen Konzept den letzten Feinschliff zu geben.« »Übrigens muß ich heute abend auch noch mal kurz nach London hinüber, Mister Rimford«, kündigte Parson bei dieser Gelegenheit an. »Dummerweise habe ich meine Brieftasche mit Geld und wichtigen Papieren bei einer Bekannten vergessen. Ich werde mich aber nicht lange aufhalten und noch in der Nacht zurückkehren.« »Das ist kein Problem, wenn Sie nur morgens wieder zurück sind, Parson«, gestattete sein Arbeitgeber. »Sie wissen, daß der Tierarzt sich für neun Uhr angesagt hat. Ich möchte, daß Sie dabei sind, wenn er kommt.«
* � Mit routinierten Handgriffen schnitt Parker die duftende Sachertorte an, die er auf der Heimfahrt in einer renommierten Londoner Konditorei erstanden hatte. Schweigend legte er seiner Herrin das erste Stück auf den kostbaren Teller aus Meißener Porzellan und schenkte goldgelben, Darleelingtee ein. dampfenden Anschließend trat er in seiner unnachahmlichen Art einen Schritt zurück. Vor einer halben Stunde war man in das repräsentative zweistöckige Fachwerkhaus im Stadtteil Shepherd’s Market zurückgekehrt, das Lady Simpson ihr Eigen nannte. Jetzt saß die ältere Dame in der luxuriös ausgestatteten Wohnhalle und widmete sich mit gewohnter Rücksichtnahme auf ihre Diät der Kalorienzufuhr. »Das wird doch nicht etwa McWarden sein?« argwöhnte Mylady und verdoppelte ihr Tempo. »Diesen Menschen kann ich jetzt nicht gebrauchen. Sagen Sie ihm einfach, ich sei nicht da, Mister Parker.« Chief-Superintendent McWarden, der eine wichtige Abteilung im Yard leitete, war häufiger zu Gast im Hause Simpson. Seine Besuche galten allerdings weniger der Hausherrin als Butler Parker, bei dem er sich schon manchen wertvollen Tip 22
geholt hatte. Lady Agatha sah den untersetzten, 55jährigen Beamten nicht ungern. Sie genoß es, McWarden mit boshaften Sticheleien auf die Palme zu bringen. Andererseits lebte sie in der ständigen Furcht, der Chief-Superintendent wäre nur auf ihren teuren Sherry aus. Diesmal war es allerdings nicht McWarden, sondern der erfolgreiche Anwalt Mike Rander, der in der nahegelegenen Curzon Street eine Kanzlei betrieb und einen großen Teil seiner Zeit darauf verwandte, das immense Vermögen Myladys zu verwalten. Rander, der mit Parker einige Jahre in den USA verbracht hatte, ehe er an die Themse zurückkehrte, war befreundet mit Lady Simpsons Gesellschafterin, der attraktiven Kathy Porter. Lady Agatha schätzte den Anwalt, dessen sportliche Erscheinung an einen prominenten James-Bond-Darsteller denken ließ, außerordentlich. Sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, zwischen den »Kindern«, wie sie Mike Rander und Kathy Porter zu nennen pflegte, eine legale Verbindung zu stiften. Bislang war ihr jedoch der Erfolg versagt geblieben. »Das ist mal eine freudige Überraschung, mein lieber Junge«, begrüßte die Hausherrin ihren Besucher. »Ich hatte schon befürchtet, McWarden würde mir wieder auf
die Nerven gehen.« »Ich glaube, da haben Sie in den nächsten Wochen nichts zu befürchten, Mylady«, entgegnete Rander. »Ich traf ihn heute vormittag zufällig beim Gericht. Da erzählte er mir, daß er morgen in Urlaub fahren will.« »Beamte haben es eben gut«, seufzte die Hausherrin und machte sich mit der Kuchengabel über das Tortenstück her. »Unsereins ist einfach immer im Dienst.« »Sie opfern sich wirklich im Dienste der Gerechtigkeit auf, Mylady«, pflichtete Rander ihr bei. »Wenigstens Sie erkennen meinen ebenso aufreibenden wie selbstlosen Einsatz an, mein Lieber«, entgegnete Agatha Simpson sichtlich geschmeichelt. Sie nahm die ironische Äußerung des Anwalts natürlich für bare Münze. »Aber warum haben Sie Kathy nicht mitgebracht?« erkundigte sich die ältere Dame und schlürfte genüßlich die Sahnehaube von ihrem Tee. »Kathy muß noch ein paar dringende Einkäufe erledigen«, gab der Anwalt Auskunft. »Gestern abend wollten wir Ihnen gemeinsam einen Besuch abstatten, Mylady, aber es machte niemand auf.« »Merkwürdig«, meinte Lady Agatha. »Mister Parker muß Ihr Klingeln überhört haben. Das tut mir leid.« »Darf man Mylady höflichst daran 23
erinnern, daß Mylady gestern abend nicht in Shepherd’s Market weilten?« meldete Parker sich zu Wort. »Sparen Sie sich Ihre Kommentare, Mister Parker!« raunzte die Hausherrin. »Natürlich weiß ich, daß ich gestern abend nicht zu Hause war. Mein Gedächtnis arbeitet mit der Präzision eines Computers.« »Kathy sagte mir, daß Sie einen Picknick-Ausflug unternehmen wollten«, warf Rander ein. »Und dann ist es spät geworden?« »Sehr spät, mein lieber Junge«, nickte die Detektivin. »Lord Rimford zeigte sich als charmanter Gastgeber.« »Darf man daraus schließen, daß Sie während der Landpartie eine interessante Bekanntschaft gemacht haben, Mylady?« erkundigte sich Rander neugierig. »Rein dienstlich«, beteuerte die Detektivin eilig. »Dienstlich?« »Sie wissen doch, daß Ganoven mich umschwirren wie Motten das Licht. Kaum will ich mal ein paar Stunden ausspannen, da ruft schon wieder die Pflicht.« »Sie haben also mit Ermittlungen begonnen, Mylady?« »Ich stehe unmittelbar vor dem Abschluß meiner Ermittlungen.« teilte die Detektivin bedeutungsvoll mit. »Ich hatte den Lümmel gerade so weit, daß er seine Untaten geste-
hen wollte, da konnte er durch Mistet Parkers Nachlässigkeit entkommen.« »Wie ärgerlich!« bemerkte Rander und warf dem Butler einen schnellen Seitenblick zu. Doch Parkers Pokergesicht blieb wie gewohnt glatt und ausdruckslos. »Um was für einen Fall handelt es sich denn überhaupt, Mylady?« wollte der Anwalt wissen. »Die Einzelheiten wird Ihnen mein Butler erläutern«, wich Mylady aus und nahm sich mit Elan des zweiten Stücks Torte an. »Aber werfen Sie nicht wieder alles durcheinander, Mister Parker.« »Man wird sich bemühen, Mylady keinesfalls zu enttäuschen«, versicherte der Butler und berichtete in knappen Sätzen von den Vorfällen auf Gut Rimford. Anschließend kam er auf den Versicherungsagenten Herbert Marfield zu sprechen und schilderte den Besuch in dessen Büro. Mylady unterbrach ihn erst, als er auf die nächtliche Begegnung in Lord Rimfords Kuhstall zu sprechen kam. »Dieser infame Stallbursche besaß doch tatsächlich die Dreistigkeit, seinen Vorgesetzten zu belasten«, empörte sie sich. »Als ich ihn dann heute morgen persönlich verhörte, rückte er allerdings mit der Wahrheit heraus. Für mich bestand ohnehin von Anfang kein Zweifel, daß dieser heimtückische Garfield der Auftraggeber war.« 24
»Dennoch haben Mylady in Ihrer umsichtigen Art auch Mister Parson in den Kreis der Verdächtigen einbezogen«, ergänzte Parker. »Parson?« fragte Mylady überrascht. »Mister Richard Parson ist Lord Rimfords Gutsverwalter, falls man sich den Hinweis erlauben darf, Mylady.« »Natürlich«, schwenkte die ältere Dame unbekümmert um. »Den wollte ich ohnehin gerade erwähnen. Der Kerl steckt zweifellos mit Garfield unter einer Decke. Wie Sie sich schon denken können, mein lieber Junge, habe ich es wieder mal mit einer straff organisierten Gang zu tun, die vor keiner Brutalität zurückschreckt.« »Können Sie denn schon verraten, wie Ihre nächsten Ermittlungsschritte aussehen, Mylady?« fragte der Anwalt. »Mylady planen, Mister Parson einen überraschenden Besuch abzustatten, wenn er sich heute abend in London aufhält«, antwortete Parker anstelle Agatha Simpsons. »Das war in der Tat meine Absicht«, folgte Mylady bereitwillig der Fährte, die Parker für sie auslegte. »Inzwischen habe ich mich jedoch anders entschieden. Dieser Parson ist eine relativ unbedeutende Randfigur. Deshalb darf Mister Parker mich in diesem Fall vertreten. Meine Zeit ist dafür zu kostbar.«
»Verstehe«, nickte Rander und unterdrückte mit Mühe ein Schmunzeln. »Sie wollen sich vermutlich wichtigeren Aufgaben widmen, Mylady?« »Ich werde mich eine Stunde der Meditation hingeben und anschließend mein Einsatzkonzept überarbeiten«, gab die Hausherrin Auskunft. »Schließlich muß ich ja den unverzeihlichen Fehler ausbügeln, der Mister Parker während meines Verhörs in Ipswich unterlaufen ist.« Lady Agatha wuchtete ächzend ihre Leibesfülle aus dem Sessel, wobei Parker diskret assistierte. Mit hoheitsvollem Kopfnicken verabschiedete sie sich von Rander und steuerte die geschwungene Holztreppe an, die zu ihren privaten Gemächern im Obergeschoß führte. »Und vergessen Sie nicht, mir noch eine kleine Stärkung zu bringen, Mister Parker«, äußerte die ältere Dame vom oberen Treppenabsatz aus. »Sie wissen ja, wie anstrengend meine Meditation ist.« * »Wenn Sie nichts dagegen haben, Parker, würde ich Sie gern heute abend begleiten«, bot Rander an, als der Butler seine Herrin mit dem gewünschten Kreislaufbeschleuniger versorgt hatte und in würdevoller Haltung die Stufen zur Wohnhalle herabstieg. »Etwas Abwechslung 25
würde mir bestimmt guttun.« »Meine Wenigkeit würde es als Auszeichnung betrachten, Sir, Sie mit Mister Parson bekannt machen zu dürfen«, antwortete Parker in seiner höflichen Art. »Wie wollen Sie den Burschen denn überhaupt aufspüren, wenn er in die Stadt kommt?« fragte der Anwalt. »Sie wissen doch überhaupt nicht, wo er hin will und wann er kommt.« »Aus diesem Grund hat man sich erlaubt, gewisse technische Vorkehrungen zu treffen, Sir«, verriet der Butler. »Technische Vorkehrungen? Was haben Sie sich denn diesmal wieder für einen Trick einfallen lassen, Parker?« »Nur eine Kleinigkeit, die keinesfalls als Neuheit gelten dürfte, Sir«, gab der Butler bescheiden zurück. »Man nahm lediglich die Gelegenheit wahr, vor der Abreise von Gut Rimford einen kleinen Miniatursender an Mister Parsons Fahrzeug anzubringen.« »Eine Wanze also?« »So lautet in der Tat die volkstümliche Bezeichnung, Sir. Mit Hilfe einer rotierenden Peilantenne, die man erst kürzlich auf dem Dach des Hauses installieren ließ, dürfte es ohne Schwierigkeit möglich sein, Mister Parsons Fahrt zu verfolgen, sobald er den Stadtrand von London erreicht hat.«
»Haben Sie denn eine konkrete Vermutung, was Parson in London vorhat?« wollte Rander wissen. »Vielleicht hat er wirklich nur seine Brieftasche vergessen.« »Diese Möglichkeit sollte man keinesfalls ausschließen, Sir. Andererseits wäre durchaus denkbar, daß Mister Parson bisher unbekannte Personen treffen will, die ihn mit den tödlichen Viren beliefern.« »Glauben Sie denn, daß er Rimfords Viehbestand bis zur letzten Kuh vernichten will, Parker? Vorausgesetzt, er hat mit der Sache überhaupt etwas zu tun?« »Angenommen, Mister Parson wäre für die Todesfälle wirklich verantwortlich, dürfte ihm das Risiko im Moment zu hoch sein, falls man sich nicht gründlich täuscht, Sir«, entgegnete der Butler. »Meine Wenigkeit würde eher der Annahme zuneigen, daß Mister Parson sich in der Absicht nach London bemüht, seine Helfershelfer zu warnen.« »Das klingt plausibel«, räumte der Anwalt ein. »Vermutlich ahnt er nicht, daß Sie ihm auf der Spur sind. Aber die Ermittlungen, die Mylady auf Gut Rimford eingeleitet hat, sind ihm natürlich nicht entgangen. Und die Festnahme seines möglichen Komplizen Ben Riley dürfte ihn zur Vorsicht mahnen.« »Dieser Vermutung würde meine bescheidene Wenigkeit sich gern anschließen, falls es gestattet ist, 26
Sir«, bestätigte Parker. »Es ist jetzt kurz vor sieben«, stellte Rander nach einem Blick auf seine Armbanduhr fest. »So früh wird er ja nicht kommen. Dann könnte ich noch für eine Weile in meine Kanzlei fahren und ein paar Akten durcharbeiten. Wäre es Ihnen möglich, mich anzurufen, sobald Sie die ersten Signale von Parsons Wagen empfangen?« »Selbstverständlich, Sir«, gab der Butler zur Antwort. »Meine Wenigkeit könnte Sie mit dem Kraftwagen an der Kanzlei abholen, falls dieser Vorschlag genehm erscheint.« »Abgemacht, Parker«, stimmte der Anwalt zu und erhob sich. Auf dem Weg zur Tür blieb er kurz stehen und lauschte hinauf ins Obergeschoß. »Myladys Meditation hört sich wirklich ausgesprochen anstrengend an«, bemerkte er schmunzelnd. »Das klingt ja, als ob jemand Baumstämme durchsägt.« * Nachdem Rander das Haus verlassen hatte, begab Parker sich ohne Eile ins Souterrain, wo er sich gleich neben seinen privaten Räumen ein kleines Labor eingerichtet hatte. Er schaltete den Empfänger ein, der mit der hochempfindlichen Peilantenne auf dem Dach gekoppelt war, und widmete sich dann dem Studium
einer Fachzeitschrift für elektronische Neuheiten. Es dauerte aber noch über zwei Stunden, bis das Rauschen im Gerät von einem kaum hörbaren Piepton unterbrochen wurde. Parker legte das Heft beiseite und regulierte an den Knöpfen die Stellung der Antenne, bis das Piepen klar und deutlich aus dem kleinen Lautsprecher kam. Laufend verglich der Butler die Koordination, die die Digitalanzeige des Empfängers lieferte, mit dem Londoner Stadtplan. Parsons Fahrzeug näherte sich über Wanstead und Leyton dem Stadtkern und bog dann in südlicher Richtung ab. Erst als der Wagen den östlichen Stadtteil Stepney erreicht hatte, veränderten sich die Daten, die der kleine Empfänger lieferte, nicht mehr. Sorgfältig regulierte Parker noch mal die Antenne ein und verglich die Koordinaten mit dem Stadtplan. Parson mußte sein Fahrzeug irgendwo im Viertel zwischen Clark Street und Commercial Road abgestellt haben. Der Butler schaltete das Gerät aus, schritt zum Telefon und informierte Mike Rander. Fünf Minuten später stoppte er sein hochbeiniges Monstrum vor der Kanzlei an der Curzon Street und ließ den Anwalt zusteigen. »Meinen Sie denn, wir können den Burschen aufspüren, ehe er sich wie27
der aufs Land absetzt, Parker?« erkundigte sich Rander. »Das ist doch, als ob man eine Stecknadel im Heuhaufen sucht.« »Der Empfänger konnte nur den ungefähren Standort von Mister Parsons Fahrzeug angeben, Sir«, gab Parker zurück, während er sein schwarzes, eckiges Gefährt durch die abendlichen Straßen in Richtung Stepney lenkte. »Man wird einige Straßen abfahren und dabei nach einem braunen Vauxhall Ausschau halten müssen, der am linken vorderen Kotflügel leicht beschädigt ist.« Rander war nicht sicher, ob es dem Zufall oder Parkers Instinkt zu verdanken war, daß Sie den gesuchten Wagen schon nach wenigen Minuten am Rand der Musbury Street entdeckten. »Jetzt ergibt sich nur die Frage, wo Parsons Freundin wohnt«, meinte der Anwalt etwas ratlos und musterte unschlüssig die trostlosen Häuserfassaden rechts und links der Straße. »Wir wissen ja nicht mal, wie das Mädchen heißt.« »Eine höfliche Nachfrage in diesem Gebäude dürfte gewisse Aussichten auf Erfolg haben, Sir«, ließ Parker sich vernehmen und deutete auf ein fleckiges Messingschild. »Walter Rimford Bewachungen – Objektschutz«, entzifferte Rander. »Rimford – war das nicht auch der Name des Gutsbesitzers?« »In der Tat, Sir«, bestätigte der
Butler. »Man sollte die Vermutung nicht von der Hand weisen, daß es sich bei Walter Rimford um einen Verwandten von Sir Peter Rimford handelt. Ein kurzes Gespräch mit dem Inhaber des Unternehmens dürfte näheren Aufschluß geben.« Die Erdgeschoßfront des Hauses wurde von zwei Schaufenstern beherrscht, die mal zu einem Lebensmittelgeschäft gehört hatten, wie im verwitterten Schriftzug an der Fassade zu entnehmen war. Jetzt wurden die Fenster jedoch nicht mehr als Auslage genutzt. Vorhänge, die nur einen schwachen Lichtschein nach draußen dringen ließen, verwehrten den Blick ins Innere. Als Parker sein Ohr an die Scheibe legte, vernahm er die Stimmen mehrerer Männer, die sich zwanglos zu unterhalten schienen. Kurz ließ der Butler seine Blicke über die geschlossene Häuserzeile gleiten. Eine Hofeinfahrt oder einen Hintereingang schien es nicht zu geben. Gelassen zog Parker sein zierliches Spezialbesteck aus der linken Außentasche seines altväterlich geschnittenen Zweireihers und widmete sich konzentriert dem Zylinderschloß der ehemaligen Ladentür zwischen den beiden Schaufenstern. Es dauerte nur Sekunden, bis der Schließmechanismus den Überredungskünsten des Butlers erlag und der Riegel mit kaum wahrnehmba28
rem Klicken zurückglitt. »Man wünscht den Herren weiterhin einen unterhaltsamen Abend«, ließ Parker sich beim Eintreten vernehmen. Der große Raum war leer bis auf einen schäbigen Holztisch, an dem drei Männer saßen und Karten spielten. An der Rückwand führte eine eiserne Treppe zum Obergeschoß. Sie endete vor einer Tür mit Milchglasscheiben. Die Kartenspieler schienen von diesem späten Besuch nicht gerade erbaut zu sein. Entgeistert blickten sie den Ankömmlingen entgegen und ließen wortlos ihre Karten auf den Tisch fallen. »Wen haben wir denn da?« knurrte ein stiernackiger Zweizentnermann mit Bürstenhaarschnitt und platter Boxernase. »Sie können sich wohl nicht an die Geschäftszeiten halten?« »Man bittet um Nachsicht wegen der kurzen Störung«, entgegnete Parker in seiner höflichen Art. »Mister Rander und meine Wenigkeit würden gern mit Sir Walten Rimford sprechen, falls es genehm ist.« »Kennt einer von euch die beiden?« wandte sich der Stiernackige an seine Mitspieler. »Nee«, meinten sie und schüttelten den Kopf. »Der Chef hat jetzt keine Zeit«, beschied der Mann die Besucher. »Also kratzt schleunigst die Kurve und kommt morgen mittag wieder,
wenn’s unbedingt sein muß.« »Man bedauert, Ihnen mitteilen zu müssen, daß die Angelegenheit keinen Aufschub duldet«, gab Parker unbeeindruckt zurück und lenkte seine Schritte in Richtung Treppe. Wie auf Kommando sprangen die Männer von ihren Stühlen hoch und wollten in ihre Schulterhalfter greifen. Doch dazu kamen sie nicht mehr. Parker, der mit Unfreundlichkeiten dieser Art gerechnet hatte, versetzte dem wackligen Tisch einen blitzschnellen Fußtritt, so daß das Möbelstück gegen den Zweizentnermann kippte. Der Stiernackige stöhnte, als sich die Tischkante unsanft in seine Magengrube drängte. Er klappte in der Hüfte zusammen wie ein Taschenmesser, verlor das Gleichgewicht und ließ sich vornüber auf die Tischplatte fallen. Prompt streckte das morsche Möbel, das solchen Belastungen nicht mehr gewachsen war, alle viere von sich. Krachend und splitternd brach der Tisch unter dem Gewicht des bulligen Mannes in sich zusammen. Bierdosen flogen scheppernd durcheinander. Die schallgedämpfte Automatik, die der Stiernackige schon in der Hand gehabt hatte, flog dem Butler direkt vor die Füße. Parker hatte inzwischen seinen schwarzen Universal-Regenschirm an der Spitze gepackt und lenkte 29
den bleigefütterten Bambusgriff nachdrücklich auf die Schädeldecke des zweiten Angreifers. Der Mann antwortete mit einem halberstickten Aufschrei und faßte im Reflex nach der schmerzenden Stelle. Er drehte eine leicht mißglückte Pirouette, ehe er in den Knien einknickte und sich röchelnd neben seinen Spießgesellen bettete. Mike Rander war natürlich nicht untätig geblieben. Er hatte den Dritten im Bund vorgenommen und ihn mit einem präzise angesetzten linken Haken auf die Bretter geschickt. »Hoch die Flossen!« unterbrach eine schneidende Stimme die plötzlich eingetretene Stille. Der Mann, der oben auf der eisernen Treppe stand und vor Zorn bebend seine am Boden liegenden Leibwächter musterte, hielt eine großkalibrige Pistole in der Hand. Parker schätzte die hagere, hoch aufgeschossene Gestalt auf knapp über vierzig. Die graublauen Augen in seinem blassen, sommersprossigen Gesicht blitzten wütend. Zögernd hob Mike Rander die Hände und blickte dem Mann entgegen, der die Anwesenheit des Butlers offenbar noch nicht bemerkt hatte. Josuah Parker, der gerade unter der Treppe stand, gab keinen Laut von sich. Während der Bewaffnete langsam herabstieg, schob der Butler lautlos den gebogenen Bambusgriff seines
Regendaches in den Zwischenraum zwischen zwei Stufen und wartete gelassen, bis Füße und Knöchel des Mannes in sein Blickfeld kamen. Der Sommersprossige stieß einen erschreckten Schrei aus, als die Krücke sich plötzlich um sein Fußgelenk legte und ihm mit einem Ruck die Beine unter dem Leib wegriß. Stolpernd taumelte er vorwärts und fiel dem am Treppenabsatz wartenden Mike Rander genau in die Arme. Reaktionsschnell nutzte der Anwalt die innige Berührung, um mit der geballten Faust den Solarplexus seines Gegners zu massieren. Augenblicklich nahm das ohnehin blasse Gesicht des Mannes, der seine Waffe schon beim Sturz von der Treppe verloren hatte, die Farbe einer frisch gekalkten Wand an. Röchelnd griff er sich mit den Händen an die Kehle und japste nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ein Zittern durchlief seinen Körper, ehe er seine feindseligen Absichten vergaß und wie ein nasser Sack über der Schulter des Anwalts hängenblieb. * »Da oben ist noch jemand!« rief Rander, der seine Last gerade zu Boden gelegt hatte. Der Anwalt hatte einige Schritte im Obergeschoß wahrgenommen und stürmte in lan30
gen Sätzen die Treppe hinauf. In der Tür prallte er mit einer jungen, auffallend hübschen Frau zusammen, die auf die unvermutete Begegnung mit einem spitzen Aufschrei reagierte. Die zierliche Blondine mit den nußbraunen Augen wich erschreckt zurück und verfolgte mit scheuen Blicken, wie Rander das Zimmer durchquerte, die Tür zum angrenzenden Raum aufstieß und enttäuscht in der offenen Glastür stehenblieb, die auf einen schmalen Balkon führte. Im selben Moment wurde unten auf der Straße ein Auto gestartet. Als der Butler ans Schaufenster trat und den Vorhang zur Seite schob, registrierte er gerade noch, wie Parsons brauner Vauxhall sich in Bewegung setzte und auf wimmernden Pneus in der Dunkelheit davonschoß. »Da ist uns der Bursche doch entwischt«, meinte Rander enttäuscht, als er wieder zu Parker ins Erdgeschoß zurückkehrte. »Aber wenigstens können wir uns jetzt in Ruhe mit Parsons Freundin unterhalten.« »Ich bin nicht Mister Parsons Freundin«, protestierte die junge Frau, die dem Anwalt zögernd gefolgt war. Erst jetzt sah sie den sommersprossigen Mann am Fuß der Treppe liegen und schrie entsetzt auf. »Was haben Sie mit Walter gemacht?« kreischte sie hysterisch
und wollte Rander mit ihren zierlichen Fäusten bearbeiten. »Keine Angst, er kommt gleich wieder zu sich«, beruhigte der Anwalt die Frau und hielt sie an den Handgelenken fest, bis sie plötzlich in haltloses Schluchzen ausbrach. »Darf man vermuten, daß es sich bei diesem Herrn um Mister Walter Rimford handelt und daß Sie mit ihm befreundet sind?« ließ Parker sich vernehmen und deutete auf den Sommersprossigen, der schon wieder die ersten Lebenszeichen von sich gab. Die Frau nickte stumm und wischte sich mit den Ärmel ihres geblümten Jackenkleides die Tränen aus dem Gesicht. »Was haben Sie mit Walter vor?« fragte sie stockend. »Was hat er Ihnen denn getan?« »Zum Glück nichts«, gab Rander zur Antwort. »Wir konnten ihn im letzten Moment daran hindern, mit seiner Bleispritze Unheil anzurichten, Miß…?« »Lockwood«, nannte die Blondine ihren Namen. »Phyllis Lockwood. Wir sind verlobt und wollen bald heiraten, falls Sie das interessiert.« »Dann werden Sie also bald Mistreß Rimford heißen«, mutmaßte Rander, während Parker die Handund Fußgelenke von Rimford und seinen Leibwächtern mit zähem Paketklebeband umwickelte. »Lady Rimford«, korrigierte die junge Frau. »Walter entstammt näm31
lich einer alten Adelsfamilie und wird bald ein großes Landgut erben.« »Ob Ihr Verlobter dieses Erbe wirklich antreten kann, wird vom Ausgang des gerichtlichen Verfahrens abhängen, mit dem Lord Rimford zweifelsfrei zu rechnen hat, falls die Anmerkung erlaubt ist«, warf Parker ein. »Geht man übrigens recht in der Annahme, daß Ihr Verlobter mit dem Gutsbesitzer Sir Peter Rimford verwandt ist?« »Er ist sein Bruder«, gab Phyllis Lockwood bereitwillig Auskunft. »Interessant«, kommentierte Rander, an den Butler gewandt. »Hat Sir Peter die Existenz dieses Bruders eigentlich irgendwann erwähnt, Parker?« »Keinesfalls und mitnichten, Sir«, gab Parker zur Antwort. »Wir haben auch seit Jahren nichts mehr miteinander zu tun«, schaltete Walter Rimford sich unvermittelt in das Gespräch ein. Er war wieder zu sich gekommen und versuchte vergeblich, sich durch heftiges Strampeln mit Armen und Beinen aus der Verschnürung zu befreien. »Demnach darf man von der Annahme ausgehen, daß Sie mit Ihrem Bruder im Streit leben, Sir?« hakte Parker sofort nach. »Das geht Sie einen Dreck an!« gab Rimford trotzig zurück. »Wer sind Sie denn überhaupt?«
»Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor. »Butler in den Diensten Lady Simpsons.« »Der Name sagt mir nichts«, knurrte Rimford. »Mylady wurde von Sir Peter Rimford beauftragt, eine Reihe mysteriöser Todesfälle im Viehbestand von Gut Rimford aufzuklären«, gab Parker Auskunft. Seinen aufmerksamen Blicken entging nicht, daß Walter Rimfords Mundwinkel bei diesen Worten nervös zu zucken begannen. »Ach wirklich?« tat der Mann ahnungslos. »Ich sagte ja schon, daß ich zu meinem Bruder seit langem keinen Kontakt mehr habe. Deshalb bin ich auch nicht darüber informiert, was sich auf seinem Gut abspielt.« »Das klingt wirklich überzeugend«, merkte Mike Rander ironisch an. »Wir dachten schon, Mister Parson habe Sie aufgesucht, um Sie über die Lage auf dem Hof ins Bild zu setzen.« »Parson?« fragte Rimford verblüfft. »Ich kenne keinen Parson.« »Sie müssen uns nicht für dümmer halten, als wir sind«, gab Rander ärgerlich zurück. »Richard Parson war heute abend bei Ihnen. Leider konnte er über den Balkon entkommen, weil wir uns mit der Begrüßung Ihrer Leibwächter ein paar Sekunden zu lange Zeit gelassen haben.« »Okay«, lenkte Rimford ein. 32
»Wenn Sie’s sowieso wissen, Parson ist ein alter Freund von mir. Ich habe ihn kennengelernt, als ich noch zur See fuhr.« »Dann darf man vermutlich von Ihnen eine Erklärung erwarten, warum Ihr Freund ausgerechnet den beschwerlichen Weg über den Balkon wählte, um zu seinem Fahrzeug zu kommen«, warf Parker ein. »Richard ist ein furchtbar ängstlicher Mensch«, behauptete Rimford. »Die Prügelei, die Sie hier unten veranstalteten, hat ihn derart erschreckt, daß er Hals über Kopf das Weite suchte.« »Möglicherweise gestatten Sie meiner Wenigkeit, noch eine weitere Frage zu stellen, Sir?« »Wenn’s Ihnen Spaß macht.« »Man würde gern Näheres darüber erfahren, wann und warum die familiären Bande zwischen Ihnen und Ihrem Bruder abrissen, Sir.« »Das ist schon fünfzehn Jahre her«, erzählte Rimford. »Ich hatte keine Freude an der Landwirtschaft und bin deshalb einfach gegangen, nachdem unser Vater gestorben war. Ich wollte mir den Duft der großen, weiten Welt um die Nase wehen lassen. Das ist alles.« »Also gab es keine Auseinandersetzung zwischen Ihnen?« vergewisserte sich der Anwalt. »Nicht im geringsten«, behauptete Rimford, eine Spur zu forsch. »Sie sind zur See gefahren?«
bohrte Rander weiter. »Fünf Jahre im ganzen«, gab Rimford zur Antwort. »Dann hatte ich die Nase voll und habe mich hier in London selbständig gemacht. Meine Leute bewachen Industrieanlagen, öffentliche Gebäude und einige Privathäuser.« »Und Sie haben nach Ihrer Rückkehr nach London keinen Versuch unternommen, den Kontakt zu Ihrem Bruder aufleben zu lassen, Sir?« schaltete Parker sich wieder ein. »Wir hatten uns nie viel zu sagen«, behauptete Rimford. »Vielleicht liegt es einfach daran, daß Peter fast zehn Jahre älter ist als ich. Jedenfalls fühlte ich mich nie zu ihm hingezogen. Außerdem haben meine Geschäfte mich sehr in Anspruch genommen, wie Sie sich denken können.« »Man dankt in aller Form für die offenen Worte, Sir«, sagte Parker mit angedeuteter Verbeugung und wandte sich zum Gehen. »Miß Lockwood wird hoffentlich die Freundlichkeit besitzen, Ihnen und Ihren Angestellten die gewohnte Bewegungsfreiheit wieder zu verschaffen.« »Halt!« hielt Rimford den Butler noch zurück. »Jetzt interessiert mich die Sache doch. Was war mit den Tieren auf dem Hof meines Bruders?« »Zwölf Kälber sind nach der Infek33
tion mit einem unbekannten Virus verendet«, teilte Parker mit. »Erst gestern wurde ein Stallknecht dabei ertappt, wie er einer Milchkuh eine entsprechende Lösung injizieren wollte.« »Unglaublich!« rief Rimford in schlecht gespielter Entrüstung. »Hat der Kerl auf eigene Faust gehandelt, oder vermuten Sie einen Auftraggeber?« »Myladys Ermittlungen konzentrieren sich auf einen Versicherungsagenten, der Rachegelüste gegenüber Ihrem Bruder hegen könnte, weil er auf unsanfte Weise vom Hof befördert wurde«, antwortete Parker durchaus wahrheitsgemäß. »Aha«, bemerkte Rimford, sichtlich erleichtert. »Und Parson? Hatten Sie ihn etwa auch im Verdacht? Und woher wußten Sie überhaupt, daß er hier war?« »Mylady hielt es für angebracht, Mister Parson aus Gründen allgemeiner Vorsicht beschatten zu lassen«, antwortete Parker, nicht mehr ganz so wahrheitsgetreu. »Deshalb nahm man die Gelegenheit wahr, Mister Parson im Schutz der Dunkelheit von Gut Rimford aus bis hierher zu folgen.« »Sie können davon ausgehen, daß Richard mit der Angelegenheit nicht das geringste zu tun hat«, nahm Rimford seinen mutmaßlichen Komplizen in Schutz. »Er liebt Tiere nämlich über alles und wäre zu einer sol-
chen Schweinerei gar nicht fähig.« »Demnach dürfte es sich auch erübrigen, Mister Parson weiterhin zu observieren«, erklärte Parker und lenkte endgültig seine Schritte zur Tür. »Man wünscht noch einen angenehmen Abend.« * »Dem Kerl kann man doch kein Wort glauben«, kommentierte Mike Rander, als er wieder neben Parker im hochbeinigen Monstrum saß. »Sobald er den Mund aufmacht, kommt eine Lüge heraus.« »Dieser Einschätzung möchte auch meine Wenigkeit sich anschließen, falls Sie gestatten, Sir«, gab Parker dem Anwalt recht. »Insbesondere sollte man der Frage nachgehen, ob Sir Walter Rimford tatsächlich aus reiner Abenteuerlust den elterlichen Gutshof verlassen hat.« »Auch wenn er nicht der geborene Viehzüchter ist, scheint er sich doch Hoffnungen zu machen, den Hof bald übernehmen zu können«, ergänzte Rander. »Zumindest sollte man das aus den Äußerungen seiner hübschen Verlobten schließen, die sich schon fast als Lady Rimford fühlt.« »Die Einlassungen der jungen Dame erschienen auch meiner bescheidenen Wenigkeit durchaus bemerkenswert, falls der Hinweis erlaubt ist, Sir«, bestätigte Parker. 34
»Angenommen, Walter Rimford hätte sich vor fünfzehn Jahren im Streit von seinem Bruder getrennt«, dachte der Anwalt laut weiter. »Warum sollte er ausgerechnet jetzt auf die Idee kommen, Peter unter Druck zu setzen? Und was verspricht er sich davon?« »Der Grund könnte in einem gewissen gesellschaftlichen Ehrgeiz der jungen Dame liegen, sofern man sich nicht gründlich täuscht, Sir«, gab der Butler zur Antwort. »Dem Vernehmen nach soll es nicht selten vorkommen, daß ein Mann sich durch eine Frau zu Handlungen anspornen läßt, die er sonst nicht unternommen hätte.« »Damit haben Sie ja keine Probleme, Parker«, lachte der Anwalt. »Auch das Handeln meiner Wenigkeit wird von einer Frau bestimmt, falls der Hinweis gestattet ist, Sir«, wandte der Butler mit todernster Miene ein. »Das ist etwas anderes«, stellte Rander schmunzelnd fest. »Aber Spaß beiseite: Es spricht wirklich einiges dafür, daß Phyllis Lockwood lieber einen Gutsherrn ehelichen würde als einen Mann, der Nachtwächter vermietet.« »Eine solche Neigung sollte man durchaus als menschlich verständlich einstufen«, pflichtete Parker ihm bei. »Aber dann bliebe immer noch zu klären, wie Walter Rimford an die
infektiöse Lösung gekommen ist, die den Tieren injiziert wurde. Schließlich kann man derart gefährliches Zeug ja nicht im Supermarkt an der Ecke kaufen.« »Das ist eine Frage, der man in der Tat mit der gebotenen Gründlichkeit nachgehen sollte«, schlug Parker vor. »Man hatte ohnehin bereits in Erwägung gezogen, den ehrenwerten Mister Pickett um seine wertvolle Unterstützung zu bitten.« »Sie wollen Rimford beschatten lassen?« »So ist es, Sir.« »Das kann natürlich nie schaden, aber ob es Sie in diesem Fall wirklich weiterbringt, möchte ich bezweifeln«, gab der Anwalt zu bedenken. »Haben Sie denn sonst noch konkrete Schritte geplant, Parker?« »Morgen während des Frühstücks würde man Mylady um weitere Anweisungen bitten«, antwortete der Butler, doch Rander lachte nur. »Weichen Sie nicht aus, Parker«, entgegnete er. »Ich weiß doch, was Sie für ein gerissener Fuchs sind. Im Grund tut Mylady doch nur, was Sie wollen.« »Meine Wenigkeit würde es zutiefst bedauern, falls solch ein Eindruck tatsächlich entstanden sein sollte, Sir«, bemerkte Parker, ohne ein Wort von dem preiszugeben, was sich hinter seiner glatten Stirn abspielte. 35
»Ich werde es ja noch erfahren«, gab Rander auf, während der Butler schon in die Curzon Street einbog. »Sie können mich gleich hier rauslassen. Ich muß sowieso noch mal kurz in meine Kanzlei. Und falls Sie meine Hilfe brauchen sollten, Parker, können Sie mich jederzeit anrufen.« »Man dankt aufrichtig für das freundliche Angebot, Sir«, gab Parker zurück und ließ den Anwalt aussteigen. »Gute Nacht, Parker!« »Gute Nacht, Sir!« Horace Pickett, mit dem der Butler gleich nach seiner Rückkehr telefonierte, war ein hoch aufgeschossener Mann von etwa 60 Jahren. Sein gepflegtes Äußere mit sorgfältig gestutztem Schnurrbart und Travellerhut erinnerte an einen pensionierten Offizier der königlichen Kolonialtruppen. Dieser Eindruck täuschte jedoch gründlich: Als »König der Londoner Taschendiebe« hatte Pickett einige Jahre seine flinken Finger nach anderer Leute Brieftaschen ausgestreckt. Da er aber nur dort zugriff, wo der Verlust eines Bündels Pfundnoten nicht allzu sehr schmerzte, konnte er sich mit einem gewissen Recht als »Eigentumsumverteiler« bezeichnen. Parker hatte ihm in einer unverschuldeten Notlage das Leben geret-
tet. Seitdem war Pickett auf die Seite des Gesetzes übergewechselt und sah es als Ehre an, wenn der Butler ihn um Unterstützung bat. Da seine Verbindungen zur Unterwelt der Millionenstadt noch immer hervorragend waren, hatte sich seine Hilfe schon oft als nützlich erwiesen. »Mir selbst ist der Name Walter Rimford nicht geläufig, Mister Parker«, bedauerte er jetzt, als der Butler ihn bat, ein wachsames Auge auf den Bruder des Gutsbesitzers zu werfen. »Aber wenn der Herr erst seit wenigen Jahren in der Szene tätig ist, muß das nichts bedeuten. Ich könnte einige gute Freunde um Auskünfte bitten.« »Das ist eine Anregung, die man zweifellos in die Tat umsetzen sollte, Mister Pickett«, pflichtete Parker ihm bei. »Dürfte man bei dieser Gelegenheit auch die Bitte äußern, Sir Walter Rimfords Freundin in die Observation einzubeziehen?« »Sie können sich ganz auf mich verlassen, Mister Parker«, versicherte der Eigentumsumverteiler, nachdem der Butler eine präzise Beschreibung der etwa 30jährigen Phyllis Lockwood geliefert hatte. »Daran hätte meine Wenigkeit auch nie gezweifelt, Mister Pickett«, entgegnete Parker, bevor er das Gespräch beendete. * 36
»Habe ich es nicht gesagt?« triumphierte Lady Agatha, als Parker ihr am nächsten Morgen von Parsons überstürzter Flucht und der Begegnung mit Sir Peter Rimfords Bruder berichtete. »Allmählich müßten auch Sie überzeugt sein, daß ich es mit einer skrupellosen Bande zu tun habe, Mister Parker.« »Myladys lichtvolle Ausführungen verhelfen meiner Wenigkeit zu täglich neuen Einsichten«, entgegnete der Butler ausweichend. »Sie können eben von Glück sprechen, daß Sie einen Menschen wie mich kennenlernen durften«, nickte die Detektivin ohne falsche Bescheidenheit und widmete sich mit Inbrunst dem glasierten Rehrücken, den der Butler neben anderen Köstlichkeiten zum Frühstück aufgetragen hatte. »Aber daß ein Sproß einer angesehenen Familie derart tief sinken und sich mit Kriminellen einlassen kann, will mir doch nicht in den Kopf, Mister Parker.« »Darf man vermuten, daß Mylady Sir Walter Rimford zu meinen geruhen?« vergewisserte sich der Butler, während er seiner Herrin noch eine Portion Preiselbeersahne auf den Teller schöpfte. »Wie kann dieser Mensch nur einen solchen Haß auf seinen Bruder entwickeln?« fuhr die ältere Dame kopfschüttelnd fort. »Dieser Frage werden Mylady
zweifellos während der weiteren Ermittlungen erhöhte Aufmerksamkeit widmen«, gab Parker zur Antwort. »Allerdings sind Mylady sich auch der Tatsache bewußt, daß keinerlei Erkenntnisse vorliegen, die eine Beteiligung Sir Walters und Mister Parsons eindeutig beweisen.« »Das ist nicht mein Problem«, schob Agatha Simpson den Einwand beiseite. »Um Beweise haben Sie sich zu kümmern, Mister Parker.« »Man wird bemüht sein, Mylady nicht zu enttäuschen«, entgegnete der Butler. »Darf man annehmen, daß Mylady bereits einen weiteren Ausflug nach Gut Rimford ins Auge gefaßt haben?« »Darüber wollte ich Sie gerade informieren, Mister Parker«, schwindelte die Detektivin. »Was bezwecke ich mit diesem Besuch?« »Mylady planen, Sir Peter eingehend über das Verhältnis zu seinem Bruder zu befragen«, gab der Butler Auskunft. »Mylady erwarten von diesem Gespräch Informationen über ein mögliches Motiv, das Sir Walter zu kriminellem Vorgehen veranlaßt haben könnte.« »Richtig! Außerdem werde ich die Gelegenheit nutzen, um mir diesen Feigling vorzuknöpfen, der Ihnen gestern abend durch die Lappen gegangen ist, Mister Parker.« »Auch ein Gespräch mit Mister Parson dürfte von gewissem Interesse sein, falls man sich nicht 37
täuscht, Mylady.« »Ich werde also gleich nach dem Mittagessen aufbrechen«, entschied die ältere Dame. »Sorgen Sie dafür, daß mein Wagen rechtzeitig startklar ist, Mister Parker.«
blaue Ford machte einen ausgesprochen verdächtigen Eindruck.« »Verzeihung, Mylady«, korrigierte Parker. »Meine bescheidene Wenigkeit hatte eher an den schwarzen Bentley gedacht, der Mylady in vorsichtiger Entfernung folgt.« »Den meinte ich natürlich auch, * Mister Parker«, erklärte die ältere »Durch meine raffinierte Ermitt- Dame prompt. »Falls Sie etwas lungstaktik habe ich die Bande der- anderes verstanden haben, müssen art in die Enge getrieben, daß sie mit Sie sich verhört haben.« bald zurückschlagen Sicherheit »Bisher hatte man keinerlei Anlaß, wird«, verkündete die Detektivin mit der Leistung des eigenen Gehörs großspurig. »Werde ich denn immer unzufrieden zu sein, Mylady«, entgegnete Parker und bog unvermitnoch nicht verfolgt, Mister Parker?« Die ältere Dame hatte es sich im telt in eine weniger belebte QuerFond des hochbeinigen Monstrums straße ein. bequem gemacht. Man befand sich »Der Betroffene merkt es immer auf der Fahrt nach Gut Rimford. zuletzt. Vielleicht sollten Sie wirkGerade hatte Parker das stille Wohn- lich mal einen Facharzt konsultieren, viertel in Shepherd’s Market verlas- Mister Parker«, belehrte Mylady sen und bog in die belebte Durch- ihren Butler. »Halten diese Feiglinge gangsstraße ein. denn immer noch Abstand?« »Gewisse Anzeichen könnten darIm Rückspiegel vergewisserte sich auf hindeuten, daß Myladys Erwar- der Butler, daß die schwärze Limoutungen kurzfristig erfüllt werden«, sine seine Richtungsänderung mitgab der Butler vorsichtig zur Ant- gemacht hatte. Die Entfernung wort. Mit einem Blick in den Rück- betrug aber immer noch mindestens spiegel registrierte er, daß der mit 200 Meter. zwei Männern besetzte Bentley, der »Bisher hat sich der Abstand nur in der Nähe von Myladys Anwesen geringfügig verringert, Mylady«, gestanden hatte, sich in Bewegung meldete er nach hinten. »Was schließe ich daraus, Mister setzte. Der Fahrer der schwarzen Limousine hielt jedoch vorläufig Parker?« noch Distanz. »Mylady ziehen zwei Möglichkei»Das hatte ich im Gefühl«, ten in Betracht, falls man richtig behauptete die Detektivin. »Der
unterrichtet ist.« 38
»Stimmt genau, Mister Parker. Und welche?« »Entweder möchten die Verfolger unentdeckt bleiben, oder sie warten eine günstigere Gelegenheit ab, um Mylady außerhalb der Stadt angreifen zu können.« »So oder so werde ich ihre Absichten durchkreuzen und ihnen einen tüchtigen Denkzettel verpassen. Über die Details dürfen Sie sich Gedanken machen, Mister Parker.« »Man dankt in aller Form für das Vertrauen in meine Wenigkeit, das aus diesem Auftrag spricht«, entgegnete der Butler. Man hatte jetzt ein Viertel erreicht, in dessen winkligen Gäßchen er sich ebenso gut auskannte wie in den unergründlichen Taschen seines schwarzen Covercoats. »Sind Sie wahnsinnig geworden, Mister Parker?« entrüstete sich die ältere Dame, als der Butler auf quietschenden Reifen um eine scharfe Ecke bog. Der überraschende Richtungswechsel hatte ihre wogende Körperfülle aus dem Gleichgewicht gebracht. Verzweifelt angelte sie nach einem Halt und verlor dabei die Pralinenschachtel von den Knien, die sie als Wegzehrung mitgenommen hatte. »Man bittet aufrichtig um Nachsicht, Mylady«, versicherte Parker und gab gleich nach der Kurve wieder Vollgas. An der nächsten Ecke bog er schon wieder ab. Diesmal
kugelte die Detektivin zur anderen Seite hinüber und beschwerte sich noch wütender. Der schwarze Bentley hatte inzwischen dichter aufgeschlossen. Offenbar war der Fahrer in Sorge, Parkers schwarzes Monstrum aus den Augen zu verlieren. Die Verfolger waren nur noch wenige Wagenlängen entfernt, als der Butler in eine gepflasterte Straße einbog, die schnurgerade zu einer kleinen Grünanlage führte. Die bullige Rennmaschine unter der eckigen Haube des schwerfällig wirkenden Gefährts röhrte dumpf, als Parker das Gaspedal bis zum Anschlag durchtrat. Der Wagen machte einen Satz und jagte davon wie ein heißblütiger Araberhengst. Der Bentleyfahrer nahm die Herausforderung sofort an. Auch er holte aus seiner schwarzen Limousine heraus, was drinsteckte. Der Vorsprung, den Parker herausgeholt hatte, schmolz zusehends, zumal der Butler nach kurzem Spurt schon wieder den Fuß vom Gaspedal nahm. Der rechtwinklige Knick, den die Straße unmittelbar vor dem kleinen Park machte, rückte rasch näher. Wenige Meter vor der Ecke legte Parker seelenruhig einen der zahlreichen Kipphebel am Armaturenbrett um. Im nächsten Moment quoll eine schwarze, ölige Rußwolke aus dem 39
Auspuff seines Gefährts und breitete sich schnell nach allen Seiten aus. Der Bentleyfahrer, dem dadurch urplötzlich jede Sicht nach vorn genommen wurde, tat das einzige, was er tun konnte: Er bremste sein Fahrzeug scharf. Aber das rettete ihn auch nicht mehr. Inzwischen hatte Parker nämlich einen weiteren Kipphebel umgelegt. Zischend sprühten zwei Düsen am Heck einen wasserklaren Film aus glitschiger Seifenlauge auf das ohnehin rutschige Pflaster. Sekundenbruchteile später bog das schwarze Monstrum um die scharfe Ecke und rollte in gemächlichem Tempo weiter. Mit aller Kraft stemmte sich der Bentleyfahrer gegen das Bremspedal, doch sein Fahrzeug schlitterte mit unverminderter Geschwindigkeit weiter wie auf einer Eisbahn. Als der Wagen die schwarze Wolke durchstoßen hatte, sah der Mann entsetzt, wie der kleine Park mit rasendem Tempo auf ihn zukam. Krachend holperte der Bentley die Stufen hinab, die zu einem Teich führten. Eine gewaltige Bugwelle spritzte auf, als der Wagen das flache Wasser durchpflügte. Parker, der sein hochbeiniges Monstrum in Sichtweite abgestellt hatte, half seiner Herrin beim Aussteigen, um ihr den Genuß der nicht alltäglichen Darbietung zu ermöglichen.
Gerade stürzte sich eine Schwanenfamilie, die ihr Revier gegen die dreisten Eindringlinge verteidigen wollte, mit ohrenbetäubendem Gezeter auf das Fahrzeug, das in hüfthohem Wasser zum Stehen gekommen war. Mühsam drückten die beiden Insassen die Wagentüren auf und versuchten, die aufgebrachten Tiere zu verscheuchen. Doch dadurch reizten sie die Schwäne nur noch mehr. Fauchend, kreischend und mit den Flügeln schlagend, stürzten sich die Wasservögel auf die beiden Männer, die in panischer Hast ans Ufer wateten. Fast bei jedem Schritt jaulten die Flüchtenden jämmerlich auf, da die Schwäne sie mit ihren harten Schnäbeln wahllos in edle und weniger edle Körperteile zwickten. Als sie endlich triefnaß und mit zerfetzten Kleidern das Ufer erreichten, mußten Myladys Verfolger feststellen, daß sie vom Regen in die Traufe gekommen waren. »Sie hatten zwar die wütenden Tiere abgeschüttelt, dafür sahen sie sich aber aufgebrachten Rentnern gegenüber, die auf den Ruhebänken am Rand des Teiches die Nachmittagssonne genossen hatten. Ihre Ruhe war jäh gestört worden, als die Bugwelle des Bentley sie von Kopf bis Fuß naßspritzte.« Schimpfend umringten die Alten die beiden Männer und hieben flei40
ßig mit Krückstöcken und Regenschirmen auf sie ein. Die Herrschaften konnten eine beachtliche Zahl von Treffern verbuchen, ehe es Fahrer und Beifahrer gelang, aus ihrer Zwangslage aus zubrechen. In langen Sätzen rannten sie über den Rasen davon, ohne sich noch mal umzudrehen. »Sie haben soeben einen entscheidenden Fehler begangen, Mister Parker«, tadelte Agatha Simpson, als sie wieder im Wagen Platz genommen hatte. »Sie hätten die Burschen festhalten sollen. Wie soll ich sie jetzt nach ihrem Auftraggeber fragen?« »Eine Unterredung mit den Herren hätte ohnehin kaum neue Erkenntnisse gebracht, Mylady«, antwortete Parker, der die beiden zweifelsfrei erkannt hatte. »Als Auftraggeber dürfte einzig Mister Walter Rimford in Frage kommen, falls der Hinweis gestattet ist. Bereits gestern Abend hatte man die Ehre, mit den Herren in näheren Kontakt treten zu dürfen.« * Die Weiterfahrt zum Gutshof Sir Peter Rimfords verlief ohne Zwischenfälle. »Ein herrliches Fleckchen Erde ist das hier«, schwärmte Agatha Simpson, als sie vor dem Herrenhaus aus dem Wagen stieg. »Eines Tages, Mister Parker, wenn ich mich aus dem
kriminalistischen Alltag zurückziehe und nur noch von meinen literarischen Neigungen lebe, werde ich auch aufs Land übersiedeln in eines meiner Häuser.« Josuah Parker wollte seine Herrin gerade daran erinnern, wie unentbehrlich für sie das pulsierende Leben der Großstadt wäre, als Rimfords greiser Diener mit eiligen Schritten auf die Besucher zukam. »Mylord wird sehr erleichtert sein, Sie zu sehen, Mylady«, teilte Geoffrey mit einer Verbeugung mit. »Mylord hat bereits versucht, Sie telefonisch zu erreichen, Mylady, aber leider ohne Erfolg.« Er geleitete die Detektivin und ihren Butler in den Salon und entfernte sich dann, um seinen Herrn zu holen. »Das trifft sich ausgezeichnet, daß Sie vorbeigekommen sind, Mylady«, erklärte Sir Peter schon beim Eintreten. »Leider habe ich unerfreuliche Neuigkeiten.« »Das habe ich bereits geahnt, mein lieber Pimford«, behauptete Agatha Simpson. »Deshalb bin ich ja auch zu Ihnen gekommen. Vermutlich werden Sie mir nichts berichten können, was ich nicht ohnehin schon weiß.« »Ben ist verschwunden«, teilte der Gutsherr mit. »Es ist mir ein Rätsel, wie das geschehen konnte.« »Ben?« fragte die Detektivin, deren Gedächtnis wieder mal streikte. »Ben Riley, mein Stallknecht«, 41
erläuterte Rimford. »Als ich heute mittag in den Keller hinunterging, um den Burschen noch mal ins Gebet zu nehmen, stand die Tür offen. Ich habe sofort alle Gebäude und den Park durchsuchen lassen, aber der Kerl war längst über alle Berge.« »Daß Mister Riley sich ohne die Hilfe eines Dritten befreien konnte, darf als ausgeschlossen gelten, Sir?« vergewisserte sich Parson. »Sie waren doch dabei, als wir ihn eingesperrt haben«, gab Rimford zurück. »Die jahrhundertealten Schlösser funktionieren zwar nicht mehr. Aber die schweren Riegel konnte Riley unmöglich von innen öffnen.« »Unter diesen Umständen muß man wohl der Annahme zuneigen, daß Mister Riley über einen Verbündeten hier auf dem Hof verfügt, der ihm die Flucht ermöglichte«, stellte Parker fest. »Der Gedanke ist mir natürlich auch schon gekommen«, nickte Peter Rimford. »Einen konkreten Verdacht, wer als Fluchthelfer in Frage kommen könnte, hegen Sie nicht, Sir?« »Inzwischen weiß ich nicht, wem von meinen Untergebenen ich überhaupt noch trauen kann, Mister Parker«, entgegnete der Gutsherr. »Aber einen Verdächtigen kann ich Ihnen leider nicht präsentieren.« »Übrigens hatte meine beschei-
dene Wenigkeit gestern Abend Gelegenheit, die Bekanntschaft Ihres Bruders machen zu dürfen, Sir«, wechselte Parker abrupt das Thema. Rimford verschluckte sich und erlitt einen minutenlangen Hustenanfall, der ihm die Röte ins Gesicht und den Schweiß auf die Stirn trieb. »Meinen Bruder?« fragte er schließlich, nach Luft japsend. »Sie meinen Walter?« »In der Tat, Sir«, bestätigte Parker. »Das ist eine leidige Geschichte«, begann Rimford umständlich. Inzwischen hatte er die Fassung wenigstens halbwegs wiedergefunden. »Ich kann es nur bedauern, daß der Kontakt zwischen uns seit Jahren abgerissen ist. Dabei war er so ein netter Kerl, der Walter. Und wir haben uns immer gut verstanden.« »Umso unverständlicher erscheint es, daß Ihr Bruder ohne ersichtlichen Grund den Hof verließ, Sir«, wandte der Butler ein. »Ich habe Walter auch nie verstanden«, pflichtete Rimford ihm bei. »Aber die harte Arbeit in der Landwirtschaft war nun mal nicht seine Sache. Vielleicht ist er deshalb gegangen.« »Die Arbeit an Bord eines Schiffes dürfte kaum weniger anstrengend sein, falls die Anmerkung erlaubt ist«, gab Parker zu bedenken. »Aber dabei hat ihn eben das Abenteuer gereizt«, meinte Rimford. »Sitzen Sie eigentlich unbequem, 42
mein lieber Plimport?« erkundigte sich Mylady unvermittelt. Ihr war aufgefallen, wie nervös der Gutsbesitzer auf der Sitzfläche seines Stuhles herumrutschte. »Nein, nein. Es ist alles in Ordnung«, versicherte Rimford eilig. »Wo waren wir stehengeblieben?« »Bei den Gründen, die Ihren Bruder veranlaßten, Gut Rimford den Rücken zu kehren, Sir«, half Parker dem etwas verwirrten Gastgeber nach. »Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen«, behauptete Rimford und zerrte an seiner Krawatte, als müßte er sich aus einer würgenden Schlinge befreien. »Demnach scheint Ihr Bruder über ein besseres Gedächtnis zu verfügen, falls man sich diesen Hinweis erlauben darf, Sir.« Rimford zuckte zusammen. »Also hat Walter sich bei Ihnen beklagt?« forschte er vorsichtig und gab sich redlich Mühe, seine Unsicherheit zu verbergen. »Da man die Darstellung Ihres Bruders nicht ungeprüft übernehmen möchte, wäre es zweifellos von Vorteil, wenn Sie aus Ihrer Sicht schildern würden, wie es zum Bruch kam, Sir«, schlug Parker vor. »Walter neigte schon immer zu Übertreibungen«, behauptete Rimford. »Deshalb werde ich Ihnen jetzt wahrheitsgemäß schildern, was wirklich vorgefallen ist.«
»Zu diesem Entschluß kann man Sie in der Tat nur beglückwünschen, Sir«, ermunterte Parker seinen Gesprächspartner. »Das war vor knapp fünfzehn Jahren, als unser Vater starb«, begann der Gastgeber. »Walter hatte sich Hoffnungen gemacht, die Hälfte des Gutshofes zu erben. Vater war jedoch entschieden dagegen, den Besitz aufzuteilen. Da Walter aus seiner Abneigung gegen die Landwirtschaft kein Hehl machte, wurde ich im Testament als Hoferbe eingesetzt, während Walter eine Entschädigung in bar erhielt.« »Darf man vermuten, daß Ihr Bruder mit dieser Entscheidung nicht einverstanden war, Sir?« »Er war wütend und sprach tagelang kein Wort mit mir, weil er glaubte, ich hätte unseren Vater beeinflußt.« »Was aber keineswegs den Tatsachen entsprach, Sir?« »Im Gegenteil, Mister Parker. Ich habe mich sogar für Walter eingesetzt, solange unser Vater noch lebte. Aber der alte Herr ließ sich von seiner Verantwortung für den Familienbesitz leiten und war nicht umzustimmen«, breitete Rimford weiter seine Version der längst vergangenen Geschehnisse aus. »Heute muß ich sagen, daß Vaters letzter Wille vorausschauend und weise war. Mit der Hälfte des Gutes hätte ich den mörderischen Konkurrenz43
kampf heutzutage nicht überstehen können. Und Walter hätte sein Erbteil mit Sicherheit zu Bargeld gemacht.« »Darf man noch eine Antwort auf die Frage erwarten, wann Ihr Bruder Ihnen seinen Entschluß mitteilte, den Hof zu verlassen und zur See zu fahren, Sir?« »Als ich Walters eisiges Schweigen nicht länger ertragen konnte, unternahm ich einen letzten Versuch, vernünftig mit ihm zu reden«, fuhr der Gastgeber fort. »Aber er war keinem Argument zugänglich und regte sich fürchterlich auf. Seine Verbohrtheit ging so weit, daß er mich aufs übelste beleidigte, im Zorn seine Sachen packte und Hals über Kopf den Hof verließ.« »Seitdem haben Sie von Ihrem Bruder nichts mehr gehört, Sir?« »Nichts«, bestätigte Rimford. »Ich hatte schon Zweifel, ob er überhaupt noch am Leben ist.« »Diese Zweifel dürften nach der Begegnung, die meiner Wenigkeit vergönnt war, als gegenstandslos gelten, Sir«, ließ der Butler sich vernehmen. »Wie sind Sie denn überhaupt auf Walter gestoßen?« fragte Rimford unvermittelt »Rein zufällig?« »Als Zufall dürfte die Begegnung mit Ihrem Bruder nur sehr bedingt einzustufen sein, Sir«, gab Parker Auskunft. »Ursprünglich betrat meine Wenigkeit das Haus Ihres
Bruders in der Absicht, Mister Richard Parson zu sprechen.« »Parson sagten Sie?« Diesmal gab Rimford sich nicht die geringste Mühe, seine Verblüffung zu verbergen. »Parson im Haus meines Bruders? Was haben die beiden denn miteinander zu tun?« »Eine Antwort auf diese Frage werden hoffentlich Myladys weitere Ermittlungen ergeben, Sir«, entgegnete der Butler. »Leider verließ Mister Parson durch einen Hintereingang das Gebäude, ehe man ihn um Aufklärung bitten konnte.« »Merkwürdig«, sinnierte Rimford. »Dann ist er gar nicht zu seiner Freundin gefahren?« »Darf man übrigens in aller Bescheidenheit anfragen, wo Mister Parson sich im Moment aufzuhalten geruht, Sir?« »Kurz bevor Sie ankamen, ist er zu einem Futtermittel-Großhändler nach Ipswich gefahren«, teilte Rimford mit. »Vermutlich wird er erst nach dem Abendessen zurück sein.« »Dann werde ich meine Rückfahrt nach London verschieben, bis der Bursche hier eingetroffen ist«, entschied Mylady. »Ich beabsichtige nämlich, ihm ein paar Fragen zu stellen, die ihm sehr unbequem sein werden.« »Ich auch«, schloß Rimford sich an. »Beim Abendessen sind Sie natürlich mein Gast, Mylady. Darf ich Ihnen einstweilen vielleicht 44
einen Kognak anbieten?« »Ich möchte Ihnen natürlich keinesfalls irgendwelche Umstände machen, mein lieber Pimford«, beteuerte die ältere Dame und leckte sich insgeheim schon die Lippen. »Aber ein Gläschen würde meinem Kreislauf vermutlich doch guttun.« * »Ich möchte wirklich wissen, wo Parson steckt«, brummte Lord Rimford ärgerlich und sah auf seine Uhr. »Eigentlich müßte er doch längst hier sein.« Inzwischen hatte man das Abendessen hinter sich gebracht, das nach Qualität und Quantität selbst Agatha Simpsons Ansprüchen gerecht wurde. Geoffrey hatte den Tisch abgeräumt und das Feuer im Kamin angefacht. »Er wird mir schon nicht entwischen«, meinte die Detektivin zuversichtlich. Sie hatte wieder die Kognakflasche vor sich stehen und konnte die Ungeduld des Gutsherrn überhaupt nicht verstehen. »Geduld ist eben eine der Kardinaltugenden, über die eine Detektivin verfügen muß.« Parker zog es vor, seiner Herrin den Glauben an ihren angeblich unfehlbaren Instinkt zu lassen. Er war der einzige in der kleinen Runde, der den Wagen wahrgenommen hatte, der auf den Hof gerollt
war. Dem Motorengeräusch nach konnte es nur ein Vauxhall sein, wie Parson ihn fuhr. »Falls Mylady im Moment nicht über meine Wenigkeit zu verfügen gedenken, würde man gern noch ein wenig die erfrischende Landluft genießen«, ließ Parker sich vernehmen. »Gehen Sie ruhig, Mister Parker«, gestattete die Detektivin großzügig. »Ich brauche Sie jetzt nicht.« In der Tat hatte Geoffrey sich inzwischen auf den Trinkrhythmus der älteren Dame eingestellt und hielt sich ständig in ihrer Nähe, um nachschenken zu können. Die Dunkelheit war schon hereingebrochen, als der Butler vor die Tür trat und aufmerksam seine Blicke über den Hof schweifen ließ. Die Finsternis wurde allerdings durch den Mond gemildert, dessen silberne Scheibe wie beim ersten Besuch auf Gut Rimford hell und klar am Himmel stand. Gemessenen Schrittes bog Parker um die Ecke des Herrenhauses und schlug die Richtung zu den Stallungen ein. Schon von weitem sah er, daß auf sein Gehör entgegen Myladys Einschätzung doch noch Verlaß war. Vor dem Teil des Stalles, in dem Parker zwei Abende zuvor den Stallknecht Ben Riley auf frischer Tat ertappt hatte, stand Parsons Vauxhall. Vermutlich hatte der Verwalter 45
das schwarze Monstrum vor dem Herrenhaus bemerkt und war deshalb gleich zu den Ställen weitergefahren, um einer Begegnung mit Mylady und ihrem Butler nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen. Parson selbst war aber nicht zu entdecken. Möglicherweise befand er sich in dem hell erleuchteten Stall, dessen Tür weit offenstand. In gewohnt würdevoller Haltung lenkte der Butler seine Schritte über den schallschluckenden Rasen und näherte sich langsam dem abgestellten Fahrzeug. Plötzlich blieb er jedoch stehen und lauschte angestrengt in sich hinein. Die innere Stimme, die ihn bisher vor lebensbedrohenden Gefahren gewarnt hatte, meldete sich zu Wort. Allerdings fiel die Warnung diesmal so schwach und undeutlich aus, daß Parker sich nach kurzem Überlegen zum Weitergehen entschloß. Er hielt jetzt nicht direkt auf den Lichtschein zu, der aus der Stalltür nach draußen fiel, sondern schlug einen weiten Bogen, der ihn in der Nähe des Seerosenteiches vorbeiführte. Der Butler war erst einige Schritte gegangen, als sich seine innere Stimme erneut meldete, diesmal etwas deutlicher. Er war deshalb keineswegs überrascht, als wenige Meter vor ihm eine dunkle Gestalt hinter einer mächtigen Eiche auftauchte.
»Hände hoch, Parker!« befahl der Mann mit gedämpfter Stimme. »Und keine faulen Tricks! Es sei denn, Sie wollten unbedingt eine Kugel im Bauch haben…« Die schallgedämpfte Automatic, deren Lauf schwach im Mondlicht glänzte, ließ vermuten, daß er seine Drohung wahr machen würde. Parker spielte deshalb zunächst auf Zeitgewinn. »Darf man den Herrn höflich darauf aufmerksam machen, welch schwerwiegende Folgen der unbedachte Umgang mit Feuerwaffen nach sich ziehen kann?« gab er zu bedenken. »Wer sagt denn, daß ich Sie unbedingt umlegen will, Mister Parker?« entgegnete sein Gegenüber. »Falls es dazu käme, wäre das lediglich ein bedauerlicher Unfall, den Sie sich selbst zuzuschreiben hätten. Was ich Ihnen vorschlagen wollte, war nur ein kleiner Spaziergang in die reizvolle Umgebung von Gut Rimford. Ich würde mich nämlich gern mit Ihnen über einige gemeinsam interessierende Themen unterhalten.« »Eine ausgezeichnete Idee, die man unbedingt in die Tat umsetzen sollte«, pflichtete Parker ihm bei. »Am Kaminfeuer im Herrenhaus wäre die Gesprächsatmosphäre aber mit Sicherheit entspannter, falls dieser Hinweis gestattet ist.« »Was wir beide zu besprechen haben, geht sonst niemand etwas 46
an«, gab der Bewaffnete zurück. »Los, Sie gehen voran, und ich folge Ihnen.« Er deutete in die Richtung, wo der lichte Park nahtlos in ein geschlossenes Waldstück überging. Gehorsam setzte der Butler sich in Bewegung und schlug den befohlenen Weg ein. Doch schon nach wenigen Schritten witterte Josuah Parker seine Chance, und er nutzte sie kaltblütig… Ehe sein Bewacher reagieren konnte, war die schwarz gekleidete Gestalt des Butlers hinter dem Stamm einer Eiche verschwunden. »Was sollen die Mätzchen, Parker? Kommen Sie schon raus!« befahl der Mann in gedämpfter Lautstärke. Doch Parker dachte nicht daran, sein Versteck zu verlassen. »Rauskommen, Parker! Oder ich knalle Sie ab wie einen räudigen Hund!« drohte der Pistolenträger ungeduldig. Das plötzliche Verschwinden seines Gefangenen schien ihn nervös zu machen. Gelassen hob der Butler einen Kieselstein vom Boden auf und ließ ihn ein paar Meter weiter ins raschelnde Laub fallen. Nervös fuhr der Pistolenträger auf dem Absatz herum und starrte angestrengt in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Dadurch entging ihm natürlich, daß Parker seinen schwarzen Bowler vom Kopf zog und mit der schwarz behandschuhten Rechten an der
Krempe faßte. Mit sirrendem Geräusch glitt der halbkugelförmige Flugkörper durch die Nacht und suchte sich unbeirrbar sein Ziel. Ein unterdrückter Jaulton drang an Parkers Ohr, als die mit Stahlblech gefütterte Krempe über das Handgelenk des Mannes strich. Wimmernd ließ er seine Waffe zu Boden fallen und stürzte sich wutschnaubend in Parkers Richtung. Der Butler ließ sich durch diesen Angriff jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Er hatte den altväterlich gebundenen Universal-Regenschirm schon am Bambusgriff gefaßt und hielt dem Angreifer die bleigefüllte Spitze entgegen. Der Mann stöhnte, als diese seine Magengrube abtastete. Taumelnd und nach Luft japsend ging er in die Knie. Doch schien er über eine widerstandsfähige Konstitution zu verfügen. Sekunden später war er schon wieder auf den Beinen und suchte sein Heil in der Flucht, aber Parkers schwarzes Regendach durchkreuzte seine Absichten ein zweites Mal. Mit ruckartiger Bewegung ließ der Butler den Schirm senkrecht in die Höhe steigen und faßte ihn an der Spitze. Lautlos beschrieb der Griff dicht über dem Erdboden einen Halbkreis. Der Flüchtende wußte nicht, wie ihm geschah, als die bleigefüllte Krücke sich unwiderstehlich um 47
seine Fußgelenke legte und ihm mitten im Lauf die Beine unter dem Leib wegriß. Er versuchte es deshalb zur Abwechslung mit einem Gleitflug. Als ihm auch das nicht recht gelingen wollte, überlegte er es sich anders und absolvierte eine nahezu formvollendete Bauchlandung, an die er gleich noch eine Rolle vorwärts anschloß. Seine turnerische Darbietung ließ allerdings den einwandfreien Abgang vermissen, denn die Rolle endete auf dem glitschigen, steil abfallenden Ufer des Seerosenteiches. Der erschreckte Aufschrei des Mannes ging in geräuschvollem Platschen unter. Als Parker an den Rand des sonst so stillen Gewässers trat, tauchte sein Gegner gerade prustend und spuckend aus den schwarzen Fluten. Sein mit Seerosen bekränztes Haupt und der von grünen Schlinggewächsen durchzogene Vollbart ließen unwillkürlich an Märchen von Nixen und Wassergeistern denken. »Man wünscht einen angenehmen Abend, Mister Parson«, ließ der Butler sich vernehmen. Er hatte seine Bleistiftlampe aus der Tasche gezogen, die kaum größer als ein Kugelschreiber war, und richtete den scharf gebündelten Lichtstrahl auf das triefende Gesicht des Gutsverwalters. »Darf man Ihnen möglicherweise
eine helfende Hand anbieten?« fuhr Parker gelassen fort. Parson, der bis zu den Schultern im Wasser stand und auf dem schlammigen Teichgrund vergeblich nach einem festen Halt suchte, nahm dieses Angebot nur zu gern an. Hilfesuchend streckte er dem Butler beide Hände entgegen. Josuah Parker ließ jedoch zuerst die Handschellen aus speziell gehärtetem Stahl klicken. Anschließend half er dem vor Kälte bibbernden Parson aufs Trockene. »Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein, wie der Volksmund so schlicht, aber treffend sagt«, bemerkte der Butler ironisch und wies seinem Gefangenen den Weg zum Herrenhaus. Gehorsam trottete Richard Parson voran und sagte kein Wort. * »Sie, Parson?« stammelte Peter Rimford fassungslos, als der Butler mit seinem schlammtriefenden Gefangenen in den Hausflur trat. »Habe ich nicht gesagt, daß er mir so oder so in die Falle gehen würde?« prahlte Agatha Simpson. »Eine Detektivin irrt sich eben nie.« »Also Ihnen habe ich die tödliche Seuche im Kälberstall zu verdanken?« wollte der Gutsherr wissen. Sein Gesicht war rot vor Zorn. Mit geballten Fäusten stand er 48
vor seinem Verwalter und hätte sich am liebsten auf ihn gestürzt. »Dann waren Sie es auch, der Ben Riley befreit hat?« »So reden Sie doch endlich!« brüllte Rimford unbeherrscht, als Parson den Kopf senkte und trotzig schwieg. »Was haben Sie nur gegen mich? Habe ich Sie nicht immer anständig behandelt?« »Mich schon, Sir«, preßte der Verwalter mühsam heraus. »Was soll das heißen?« Die Augen des Gutsbesitzers funkelten wütend. »Wollen Sie etwa behaupten, jemand anderes hätte Sie zu dieser verdammten Schweinerei angestiftet?« »Tun Sie doch nicht so ahnungslos, Sir!« gab Parson zurück. »Sie wissen doch selbst am besten, daß Ihr Bruder hinter der Sache steckt. Warum schlugen Sie seine Warnungen in den Wind?« Hätte Parker sich in diesem Moment nicht vor den wehrlosen Parson gestellt – Rimford wäre zweifellos in besinnungsloser Wut auf seinen Verwalter losgegangen. »Darf man Sie höflich bitten, Sir, zu Mister Parsons Aussage Stellung zu nehmen?« ließ der Butler sich vernehmen. »Muß meine Wenigkeit also davon ausgehen, daß es doch in letzter Zeit Kontakte zwischen Ihnen und Ihrem Bruder gegeben hat?« Am ganzen Körper bebend, schluckte Rimford seine Wut hinunter. Parson hatte ihn in Verlegenheit
gebracht. Das war nicht zu übersehen. »Walter hat mir vor ein paar Wochen einen Brief geschrieben«, räumte er schließlich ein. »Darf man vermuten, daß es sich dabei um eine Art Drohbrief handelte, Sir?« bohrte Parker weiter. »Walter stellte unverschämte Forderungen«, behauptete Rimford. »Er wollte, daß ich ihm die Hälfte meines Besitzes überschreibe. Natürlich bin ich darauf nicht eingegangen.« »Dieser Brief ist ein wichtiges Beweisstück, mein lieber Plimport«, schaltete Mylady sich ein. »Ich werde ihn deshalb einsehen müssen.« »Tut mir leid, Mylady«, entgegnete Rimford. »Ich habe den Brief nicht mehr.« »Sehr bedauerlich«, kommentierte die Detektivin. »Walters Forderungen waren derart hanebüchen und völlig aus der Luft gegriffen«, fuhr der Gutsherr fort. »Deshalb habe ich dem Brief, der von Lügen nur so strotzte, keine Bedeutung beigemessen und ihn ins Feuer geworfen.« »Aber…«, wollte Parson aufbrausen, doch er brachte seinen Satz nicht zu Ende. Ehe Parker eingreifen konnte, versetzte der Gutsherr seinem Verwalter einen Fausthieb in die Magengrube. Stöhnend knickte Parson in der Hüfte ein, sackte zusammen und 49
schlug gegen die Kante eines schweren Eichenschrankes. Ein gurgelnder Laut entfuhr seiner Kehle, ehe er sich endgültig auf einer kostbaren Orientbrücke ausstreckte. »Bei aller Freundschaft, mein lieber Pimford«, rügte die Detektivin in beleidigtem Ton. »Ich schätze es nicht, wenn ein Amateur meine Vernehmung stört.« »Das war auch nicht meine Absicht, Mylady«, entschuldigte sich Rimford. »Sie müssen verstehen, daß mein Temperament mit mir durchgegangen ist. Die Aufregungen der vergangenen Wochen waren zuviel für meine Nerven.« »Und wie soll ich den Burschen jetzt überführen?« wollte die Detektivin wissen. »Möglicherweise haben Mylady bereits erwogen, Mister Parsons Vernehmung in Shepherd’s Market forzusetzen«, empfahl Parker seiner Herrin. »Das wollte ich in der Tat gerade anordnen, Mister Parker«, stimmte Mylady zu und nahm mit wehmütigem Blick von der Kognakflasche Abschied. »Bringen Sie den Gefangenen in mein Fahrzeug. Ich werde unverzüglich aufbrechen.« »Sie wollen nicht über Nacht bleiben, Mylady?« fragte Rimford, sichtlich enttäuscht. »Auf keinen Fall«, gab Agatha Simpson zurück. »Hier ist ja nicht mal eine ausbruchsichere Unterbrin-
gung meines Gefangenen gewährleistet.« Mit geradezu hartnäckiger Höflichkeit versuchte Lord Rimford seine Gäste zum Bleiben zu bewegen, doch Mylady blieb unerbittlich. »Sobald ich meine Ermittlungen abgeschlossen habe, nehme ich Ihre Einladung selbstverständlich gern an, mein lieber Plimport«, beschied Mylady den Gutsbesitzer. »Aber jetzt ruft mich die Pflicht. Man muß auch mal hart gegen sich selbst sein können, wenn man eine so große Verantwortung trägt wie ich.« Sir Peter Rimford geleitete seine Besucher noch zum Wagen und schaute interessiert zu, wie Parker den bewußtlosen Gutsverwalter auf dem Beifahrersitz seines hochbeinigen Monstrums verstaute. Während das schwarze, eckige Gefährt gemächlich vom Hof rollte, registrierte der Butler im Rückspiegel, wie Rimford eilig ins Haus zurückkehrte. Durch die gläserne Eingangstür war deutlich zu erkennen, daß der Gutsherr im hell erleuchteten Flur zum Telefonhörer griff. * Der kleine Lastwagen, der nach wenigen Meilen Fahrt am Rand der schmalen Landstraße im Scheinwerferlicht auftauchte, schien ein Panne zu haben. Die Motorhaube war 50
geöffnet, der Fahrer beugte sich in den Motorraum. Parker hatte sich bis auf hundert Schritte genähert, als der Mann sich umwandte und in die Mitte der Fahrbahn trat. Er winkte heftig und bedeutete dem Butler, anzuhalten. »Warum wollen Sie dem Mann denn nicht helfen, Mister Parker?« fragte Mylady unwirsch, als der Butler mit unverminderter Geschwindigkeit sich dem winkenden Lastwagenfahrer näherte. »Zweifellos haben Mylady die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß es sich um eine Falle handeln könnte«, gab Parker zu bedenken. Dennoch nahm er den Fuß vom Gaspedal, da der Mann keine Anstalten machte, die Fahrbahn freizugeben. »Unsinn, Mister Parker!« fuhr die ältere Dame ihm über den Mund. »Sie sehen wieder mal Gespenster. Wer sollte mir denn ausgerechnet hier eine Falle stellen?« »Selbstverständlich wird man dem Herrn die gewünschte Hilfe angedeihen lassen, falls Mylady darauf bestehen«, entgegnete der Butler gehorsam und brachte sein Fahrzeug wenige Meter vor dem winkenden Mann zum Stehen. »Gott sei Dank, daß Sie angehalten haben«, sagte der Unbekannte, als Parker das Fenster einen Spaltbreit geöffnet hatte. »Seit einer Stunde liege ich hier fest. Sie sind der erste, der in die verlassene Gegend
kommt.« »Darf man vermuten, daß Sie inzwischen die Ursache des Defektes herausfinden konnten?« erkundigte sich Parker, ohne seinen Wagen zu verlassen. »Der Keilriemen ist gerissen«, gab der Mann Auskunft. »Einen Ersatzriemen habe ich zwar dabei, aber allein kann ich das verdammte Ding nicht aufziehen. Wenn Sie mir einen Moment helfen könnten?« Der Mann war mit blauer Jeanshose und einem karierten Hemd bekleidet. Eine Waffe schien er nicht bei sich zu tragen. Dennoch ließ Parker höchste Wachsamkeit walten, als er aus dem Wagen stieg und dem Unbekannten folgte. Seine innere Stimme, die sich in diesem Moment wieder meldete, ließ keinen Zweifel daran, daß das liegengebliebene Fahrzeug tatsächlich eine Falle darstellte. Zwar war die Umgebung ohne weiteres einzusehen, doch hinter der verschlossenen Plane des Lastwagen-Aufbaus konnte sich gut und gerne ein Dutzend Bewaffneter verbergen. Unauffällig griff Parker im Gehen in eine Tasche seines schwarzen Zweireihers und hatte gleich darauf eine weiße Plastikkugel in der Hand, die einem Pingpongball nicht unähnlich sah. Ein Knistern wurde hörbar, als der Butler die perforierte Oberfläche der kleinen Kugel ein51
drückte und damit die winzige Glasampulle in ihrem Innern zum Splittern brachte. Hinter dem Rücken des vorangehenden Lkw-Fahrers ließ er seinen Gruß unbemerkt durch einen Schlitz in der Plane auf die Ladefläche des Fahrzeugs fallen. Die glasklare Flüssigkeit aus der Ampulle reagierte heftig mit dem Sauerstoff der Luft und ließ ein beißendes, betäubendes Gas entstehen, das sich blitzschnell im Laderaum ausbreitete. Lautes Husten und Keuchen signalisierte dem Butler Sekunden später, daß sein Mißtrauen nicht unbegründet war. Erschreckt fuhr der Lkw-Fahrer auf dem Absatz herum und sah den Butler fassungslos an. »Was ist denn das?« spielte der Mann den Ahnungslosen. »Hat da nicht jemand gehustet?« »Ihre Komplizen, die auf der Ladefläche lauern, dürften diese verräterischen Geräusche produziert haben, falls man eine solche Vermutung äußern darf«, entgegnete Parker gelassen. »Komplizen?« wiederholte der Mann scheinheilig. Er zögerte eine Sekunde und lauschte angestrengt in Richtung Ladefläche, wo es schon wieder still war. Gleich darauf hatte er einen langen Schraubenzieher in der erhobenen Faust und stürzte sich mit wütendem Gebrüll in Parkers Richtung.
Der Butler hatte jedoch mit einer derartigen Reaktion gerechnet und durchkreuzte die unfreundlichen Absichten des Mannes. Ohne seine würdevolle Haltung zu verlieren, ließ er die bleigefütterte Spitze seines Universal-Regenschirmes gegen das Handgelenk des Angreifers tippen. Jaulend ließ der Mann das Werkzeug fallen und massierte unter Wimmern sein rasch anschwellendes Gelenk. Im nächsten Moment besann er sich jedoch und wollte mit bloßen Fäusten auf den Butler logehen. Doch auch sein zweiter Angriff blieb kläglich im Versuch stecken. Parker hatte nämlich schon seine altväterliche Melone vom Kopf gezogen und hielt dem anstürmenden Lastwagenfahrer die halbkugelförmige Kopfbedeckung wie einen Schild entgegen. Das fleischige Riechorgan verformte sich, als sein Besitzer mit voller Wucht gegen das unvermutete Hindernis prallte. Stöhnend taumelte der Mann rückwärts, suchte vergeblich in der Luft nach einem Halt und warf dem Butler haßerfüllte Blicke zu. Torkelnd wie ein Betrunkener, bekam er schließlich den Außenspiegel seines Fahrzeuges zu fassen und klammerte sich mit letzter Kraft daran fest. Doch dieser Belastung war die Halterung des Spiegels nicht gewachsen. 52
Der Fahrer setzte sich deshalb ausgesprochen unsanft auf den Asphalt und stöhnte noch mal erbärmlich, als der abgerissene Spiegel auf seine Schädeldecke pochte. Anschließend streckte er sich friedlich auf der Fahrbahn aus und verlor jedes Interesse an weiteren Auseinandersetzungen. Seelenruhig öffnete Parker die Plane und entwaffnete die drei Männer, die auf der Ladefläche des Lastwagens schlummerten. Bevor er zu seiner Herrin zurückkehrte, hob er den Fahrer vom Asphalt auf und deponierte ihn ebenfalls auf der Ladefläche. * »Hätte ich Sie nicht gewarnt, Mister Parker, Sie wären ahnungslos in die Falle getappt«, stellte Mylady unbekümmert die Wahrheit auf den Kopf, sobald Josuah Parker wieder hinter dem Lenkrad Platz genommen hatte. »Ihnen fehlt eben mein unfehlbarer Instinkt.« »Nie wird es meiner bescheidenen Wenigkeit gelingen, Myladys leuchtendes Vorbild auch nur annähernd zu erreichen«, versicherte Parker höflich und ließ sein hochbeiniges Monstrum wieder anrollen. »Darf man sich deshalb in aller Bescheidenheit erkundigen, wen Mylady als Urheber des Anschlages vermuten?«
»Das ist doch sonnenklar, Mister Parker«, gab die Detektivin zurück. »Dafür kann ja nur der mißratene Bruder des guten Plimport in Frage kommen. Der Halunke fühlt sich durch meine Ermittlungen in die Enge getrieben. Deshalb ist ihm jedes Mittel recht, um mich aus dem Weg zu räumen.« »Eine Theorie, die durch ihre geradlinige Logik ausgesprochen bestechend wirkt«, entgegnete Parker. »Vermutlich haben Mylady aber auch andere Möglichkeiten in Ihr Kaikühl einbezogen.« »Selbstverständlich habe ich das, Mister Parker«, konterte die ältere Dame pikiert. »An welche Möglichkeiten denke ich dabei?« »Mylady vermuten, daß sich der Anschlag auch gegen Mister Parson gerichtet haben könnte, falls man sich nicht gründlich täuscht«, spielte Parker seiner Herrin einen Ball zu. »Darauf wollte ich Sie in der Tat gerade hinweisen, Mister Parker«, behauptete die Detektivin. »Vieles spricht dafür, daß Walter Pimford nicht nur mich aus dem Weg räumen, sondern bei dieser Gelegenheit auch seinen Komplizen Parson befreien wollte. Aber da ich seine Absichten schon im voraus ahnte, habe ich rechtzeitig die notwendigen Gegenmaßnahmen ergriffen.« »Mit dem gewohnten Erfolg, falls die Anmerkung erlaubt ist, Mylady«, antwortete Parker höflich. 53
»Zweifellos haben Mylady aber auch bedacht, daß Sir Peter Rimford ebenfalls ein Interesse daran haben könnte, Mister Parson aus Myladys Gewahrsam zu befreien.« »Ich denke eben an alles, Mister Parker«, gab die ältere Dame ohne falsche Bescheidenheit zurück. »Worauf stützt sich mein Verdacht?« »Nicht nur spontane Wut dürfte Sir Peter veranlaßt haben, Mister Parson mit einem Fausthieb am Weitersprechen zu hindern«, erläuterte der Butler. »Es könnte sich auch um den Versuch gehandelt haben, Myladys Vernehmung zu unterbrechen, ehe Mister Parson Wahrheiten aussprechen konnte, die für Sir Peter ausgesprochen peinlich gewesen wären.« »Sehr richtig, Mister Parker«, lobte die Detektivin. »Davon gehe ich natürlich auch aus. Habe ich denn bereits eine Theorie entwickelt, um welche peinlichen Wahrheiten es sich dabei handeln könnte?« »Im Detail noch nicht, Mylady«, gab Parker Auskunft. »Grundsätzlich dürfte sich jedoch die Vermutung aufdrängen, daß Sir Walter den Haß auf seinen Bruder nicht ohne Grund entwickelt hat. Demnach dürfte Sir Peter zugeschlagen haben, als er fürchtete, Mister Parson könnte diesen Grund nennen.« »Endlich sind Sie auch darauf gekommen, Mister Parker«, erklärte die Detektivin herablassend. »Mir
kam der Kerl natürlich vom ersten Augenblick an verdächtig vor.« »In der Tat verdichten sich die Anzeichen, daß Sir Peter keineswegs das unschuldige Opfer ist, als das er erscheinen möchte«, pflichtete der Butler ihr bei. »Insofern könnte er ein dringendes Interesse daran haben, Mister Parson in seine Hand zu bekommen, um ihn mundtot…« Parker bekam seinen Satz nicht zu Ende, denn Parson, der kurz zuvor aus der Ohnmacht erwacht war, fuhr plötzlich hoch. Mit seinen zusammengeketteten Fäusten versuchte er, dem Butler einen Kinnhaken zu versetzen. Parker, der die Bewegung instinktiv aus dem Augenwinkel wahrgenommen hatte, war jedoch auf der Hut. Reaktionsschnell duckte er sich zur Seite und legte gleichzeitig einen Hebel am Armaturenbrett um. Parsons Stoß ging ins Leere. Dafür griff er ins Lenkrad und versetzte das hochbeinige Monstrum in beängstigende Schlingerbewegung. Augenblicke später zog Parson seine Fäuste jedoch mit einem Schrei wieder zurück. Die Trennscheibe aus Panzerglas, die Parker mit dem Hebel in Bewegung gesetzt hatte, glitt rasch in die Höhe und drohte, seine Handgelenke einzuklemmen. Im letzten Moment brachte Parson die Hände in Sicherheit und ließ sich wieder in den Sitz fallen. 54
Sein Hosenboden hatte kaum das Polster berührt, als er schon wieder in die Höhe schoß. Unbemerkt hatte der Butler mit dem linken Fuß einen Schaltknopf betätigt, der versteckt am Wagenboden angebracht war. Daraufhin war eine feine Hohlnadel aus dem Sitzpolster geglitten und hatte sich in Parsons verlängerten Rücken gebohrt. Es half dem Gutsverwalter nicht, daß er wie elektrisiert in die Höhe sprang. Er prallte mit dem Kopf gegen das Wagendach und fiel wieder in die Polster zurück. Während er noch rätselte, was ihn da gestochen haben mochte, kreiste das aus pflanzlichen Essenzen destillierte Betäubungsmittel schon in seiner Blutbahn. Sekunden später ließ der Mann sich entspannt zurücksinken, lehnte lächelnd den Kopf gegen die Kopfstütze und schloß die Augen wie ein übermüdetes Kind. Parson stieß noch einen wohligen Seufzer aus, ehe er friedlich ins Reich der Träume hinüberglitt. * »Was soll denn das, Mister Parker? Finden Sie nicht mal mehr den Heimweg?« protestierte Agatha Simpson, als der Butler im heimischen Shepherd’s Market in eine Seitenstraße einbog, statt den Wohnsitz seiner Herrin direkt anzusteuern.
»Verzeihung, Mylady«, gab Parker unbeeindruckt zurück. »Man war der Ansicht, Mylady hätten dieses Manöver angeordnet, um mögliche Belagerer zu täuschen, die mit einiger Sicherheit vor Myladys Anwesen Posten bezogen haben dürften.« »Das habe ich in der Tat angeordnet, Mister Parker«, schwenkte die ältere Dame unbekümmert um. »Ich werde die Burschen überlisten und ihnen eine Lektion erteilen, an die sie noch lange denken.« Parker umrundete das Grundstück auf schmalen Nebenstraßen und näherte sich dann der Einfahrt aus einer Richtung, aus der die möglichen Bewacher ihn vermutlich nicht erwarten würden. Als er um die letzte Ecke bog, zeigte sich sofort, daß diese Vorsichtsmaßnahme alles andere als überflüssig war. Gleich gegenüber Myladys Einfahrt parkte eine schwere Limousine amerikanischer Bauart, die dem Butler in diesem Viertel noch nie aufgefallen war. Beim Näherkommen registrierte er im Scheinwerferlicht vier Männer in dem Fahrzeug. Gemächlich ließ Parker sein hochbeiniges Monstrum dicht an dem geparkten Fahrzeug vorbeirollen, dessen Fenster und Türen geschlossen waren. Er setzte darauf, daß die Belagerer im Straßenkreuzer seinen Privatwagen sofort erkennen und die Verfolgung aufnehmen würden. Deshalb legte er einen der zahlrei55
chen Kipphebel am Armaturenbrett um, sobald er den Wagen passiert hatte. Augenblicklich öffnete sich eine kleine Klappe am Heck des schwarzen, eckigen Gefährts. Mit leisem Klirren rieselte eine Handvoll Krähenfüße auf die Straße. Konzentriert behielt Parker den amerikanischen Wagen im Rückspiegel im Auge, während er sein Fahrzeug in Richtung auf die breite Durchgangsstraße weiterrollen ließ. Er hatte sich nicht getäuscht. Kaum war er an dem parkenden Straßenkreuzer vorbei, als der Fahrer auch schon den Motor aufheulen ließ. Mit quietschenden Reifen schoß das Fahrzeug auf die Fahrbahn. Der Fahrer gab Vollgas, um Parker und seine Herrin noch vor der belebten Straße stoppen zu können. Doch schon nach wenigen Metern Fahrt mußten die Verfolger ihr Vorhaben aufgeben. Wie die spitzen Zähne eines Raubfisches bissen sich die im Winkel verschweißten Stahlnägel in den Pneus des Straßenkreuzers fest. Knallend und zischend entwich die Luft fast gleichzeitig aus allen vier Rädern. Holpernd schoß der Wagen noch ein paar Meter weiter. Dann sah der Fahrer die Aussichtslosigkeit seines Vorhabens ein und brachte sein Gefährt zum Stehen. Als Parker gemächlich um die
nächste Ecke bog, sah er gerade noch, wie die Männer aus ihrem Auto sprangen und unter wüsten Flüchen die Fäuste schüttelten. Kurz darauf ließ der Butler sein schwerfällig wirkendes Gefährt durch die hintere Einfahrt in eine Garage rollen, deren Existenz nur guten Freunden bekannt war. »Eigentlich hätte ich mir die dreisten Burschen noch persönlich vorknöpfen sollen«, meinte die Detektivin enttäuscht, als Parker sie ins Haus geleitete. »Aber mit solchen Randfiguren kann ich mich leider nicht auch noch befassen.« »Darf man um Auskunft darüber bitten, wann Mylady die Vernehmung von Mister Parson fortzusetzen gedenken?« ließ Parker sich vernehmen. Der Gutsverwalter schlummerte immer noch friedlich auf dem Beifahrersitz. »Das hat Zeit bis morgen früh, Mister Parker«, meinte die Detektivin. »Im Moment ist es wichtiger, daß ich meinem Kreislauf eine kleine Stärkung zukommen lasse. Anschließend werde ich noch ein Stündchen meditieren und das nächste Kapitel meines Romans in Angriff nehmen.« »Darf man Myladys Äußerung so verstehen, daß Mister Parson in einem der Gastzimmer untergebracht werden soll?« vergewisserte sich Parker. »Selbstverständlich, Mister 56
Parker«, bestätigte die Detektivin. »Und sorgen Sie dafür, daß es Mister Carson an nichts fehlt. Ich möchte, daß meine Gäste sich unter meinem Dach wohl fühlen.« »Wie Mylady wünschen«, entgegnete Parker. Er versorgte seine Herrin mit den flüssigen Stärkungsmitteln, die sie nicht nur zur Pflege ihres Kreislaufs benötigte, sondern auch, um die Entbehrungen ihrer Meditation durchzustehen. Erst dann begab er sich zurück zum hochbeinigen Monstrum und lud sich den friedlich träumenden Parson auf die Schulter. Die Gästezimmer, die Mylady meinte, lagen im Souterrain ihres Hauses, das auf den Grundmauern einer alten Abtei errichtet war. Die Räume ließen keine Wünsche offen, was den Komfort anging. Sogar Farbfernseher und wohlgefüllte Kühlschränke waren vorhanden. Dafür fehlten Fenster und Telefon. In die stählernen Feuerschutztüren hatte der Butler komplizierte Sicherheitsschlösser und kleine Gucklöcher, sogenannte Spione, einbauen lassen. In einem dieser Räume brachte er Parson unter und legte ihn behutsam auf das luxuriös gepolsterte Sofa. Er stellte noch ein Tablett mit Sandwiches und Fruchtsaft bereit, ehe er das Zimmer verließ und die Tür sorgfältig abschloß.
* � Während Parker die Stufen zum Erdgeschoß emporstieg, läutete in der Diele das Telefon. »Hallo, Parker«, hörte der Butler Mike Randers Stimme, als er den Hörer abgenommen und sich gemeldet hatte. »Hoffentlich habe ich Sie nicht aus dem Bett geklingelt. Es ist ja schon nach Mitternacht.« »Keineswegs, Sir«, entgegnete der Butler. »Man ist erst vor einer halben Stunde mit Mylady nach Shepherd’s Market zurückgekehrt, falls die Anmerkung gestattet ist.« »Sind Sie mit Ihren Ermittlungen vorangekommen, Parker?« »Mylady dürfte planen, ihren Einsatz morgen mit der Festnahme und den entsprechenden Geständnissen der Hauptschuldigen abzuschließen, falls man sich nicht gründlich täuscht, Sir«, gab Parker Auskunft. Anschließend unterrichtete er den Anwalt in knappen Sätzen von dem erneuten Besuch auf Gut Rimford. Rander erfuhr von dem angeblich vernichteten Drohbrief, den Walter Rimford seinem Bruder geschickt hatte, von Peter Rimfords handfestem Eingriff in Myladys Verhör und der Falle auf der nächtlichen Landstraße. »Also ist Sir Peter vermutlich auch kein Unschuldslamm«, bemerkte der Anwalt, nachdem Parker ihn umfassend ins Bild gesetzt hatte. »Ich 57
möchte nur wissen, was er seinem Bruder getan hat.« »Näheren Aufschluß darüber dürfte eine intensive Vernehmung von Sir Walter Rimford zeitigen, Sir«, erwiderte Parker. »Zugleich sollte man eine Antwort darauf erwarten, woher der Genannte die tödlichen Viren beziehen konnte.« »Fast hätte ich es vergessen, Parker!« rief Rander plötzlich. »Das ist überhaupt der Grund, weshalb ich Sie zu nachtschlafender Zeit noch angerufen habe.« »Darf man Ihre Äußerung so verstehen, daß Sie mit einer Antwort auf diese Frage aufwarten können, Sir?« erkundigte sich Parker. »Der gute Pickett hat mich angerufen, weil er Sie den ganzen Tag über nicht erreichen konnte«, teilte der Anwalt mit. »Über Sir Walter wußte er mitzuteilen, daß der saubere Bursche seit ungefähr sechs Jahren in der Londoner Szene tätig ist. Sein Bewachungsunternehmen dient offensichtlich nur dem Zweck, seine wahren Geschäfte zu tarnen. In Wirklichkeit tyrannisieren seine Männer Kneipen- und Barbesitzer in ganz Stepney und kassieren sogenannte Schutzprämien. Darüber hinaus mischt er wohl tüchtig im horizontalen Gewerbe mit.« »Entsprechendes hatte meine Wenigkeit bereits vermutet, falls der Hinweis gestattet ist, Sir«, warf Par-
ker ein. »Pickett hatte mehrere Leute eingesetzt, die Walter Rimford observieren sollten«, setzte der Anwalt seinen Bericht fort. »Aber der Bursche hat offenbar seit unserem Besuch sein Haus nicht mehr verlassen.« »Darf man von der Annahme ausgehen, Sir, daß die Freunde des ehrenwerten Mister Pickett das Gebäude auch weiterhin im Auge behalten?« wollte Parker wissen. »Natürlich«, antwortete Rander. »Das beste kommt aber erst noch. Heute morgen um acht verließ Phyllis Lockwood das Haus und fuhr mit dem Bus zu ihrer Arbeitsstelle.« »Miß Lockwood ist also berufstätig, Sir?« »In der Tat, Parker«, bestätigte der Anwalt. »Und wenn Sie hören, wo das gute Mädchen arbeitet, wird Ihnen auch klar, warum Sir Walter auf die Idee kam, seinen Bruder mit Viren unter Druck zu setzen. Phyllis Lockwood ist in der veterinärmedizinischen Abteilung der Londoner Universität beschäftigt.« »Gibt es möglicherweise konkrete Anhaltspunkte dafür, daß Miß Lockwood an ihrem Arbeitsplatz Gelegenheit hatte, sich die verheerenden Viren zu beschaffen?« erkundigte sich der Butler. »Durch diskrete Nachforschungen fanden Picketts Mitarbeiter heraus, daß Phyllis Lockwood eine angese58
hene Position als wissenschaftliche Mitarbeiterin bekleidet«, gab der Anwalt Auskunft. »Sie leitet ein Labor, das sich der virologischen Grundlagenforschung widmet.« »Damit hat der ehrenwerte Mister Pickett erneut einen wichtigen Beitrag zu Myladys Ermittlungen geleistet«, kommentierte Parker. »Nach diesen Erkenntnissen dürfte es Sir Walter außerordentlich schwerfallen, seine Verantwortung für den Tod der Tiere auf Gut Rimford zu leugnen, falls man sich nicht gründlich täuscht.« »Übrigens hat Pickett auch noch vergeblich versucht, Sie vor vier Männern in einem amerikanischen Straßenkreuzer zu warnen, die gegen Abend aus Sir Walters Haus kamen und vor Myladys Anwesen Stellung bezogen«, ergänzte der Anwalt. »Aber vermutlich sind Sie mit den Burschen in bewährter Manier fertig geworden, Parker, sonst hätte ich Sie jetzt nicht am Telefon.« »Man nahm die Gelegenheit wahr, das Fahrzeug der erwähnten Herren geringfügig in seiner Beweglichkeit einzuschränken, Sir«, gab Parker Auskunft. »Und die Burschen selbst?« wollte Rander wissen. »Momentan dürften die Herren sich darüber ärgern, daß sie nur ein Reserverad mit sich führten statt deren vier«, antwortete der Butler.
»Die Kerle sind also immer noch vor Myladys Haus?« fragte Rander nach. »Das entzieht sich der Kenntnis meiner Wenigkeit, Sir«, räumte Parker ein. »Man wird aber unverzüglich entsprechende Erkundigungen einziehen, falls es gestattet ist.« »Ich will Sie auch nicht länger aufhalten, Parker«, sagte Rander. »Dann können Sie gleich nachsehen.« »Man dankt übrigens aufrichtig für die freundliche Unterstützung, Sir«, ließ der Butler sich vernehmen, ehe er das Gespräch beendete und den Hörer einhängte. Anschließend begab er sich ohne Hast zum Dachgeschoß des Hauses hinauf, durchquerte mit schlafwandlerischer Sicherheit den stockdunklen Speicher und öffnete lautlos eines der kleinen Fenster, die zur Straße hinausgingen. Die Bewacher waren tatsächlich immer noch da, schenkten dem Haus allerdings keine Beachtung und diskutierten offensichtlich darüber, wie der lädierte Straßenkreuzer wieder flottzumachen wäre. Deshalb entging ihnen auch, daß der Butler seine Gabelschleuder aus der Tasche zog und eine kleine Plastikkugel in die lederne Schlaufe legte. Das Geschoß, das Parker Sekunden später in die Nacht hinaus beförderte, enthielt allerdings kein betäubendes Gas, sondern einen 59
winzigen elektronischen Baustein, der einer Alarmanlage entstammte. In hohem Bogen flog die kleine Kugel davon und schlug mit leisem Klicken auf das Straßenpflaster. Die leichte Erschütterung genügte. Ein langgezogener Sirenenton, der an ein Polizeifahrzeug im Einsatz erinnerte, ließ die vier Männer erschreckt zusammenfahren. Ängstlich blickten sie in die Richtung, aus der das beunruhigende Geräusch an ihre Ohren drang. Ihr Fahrzeug schien sie plötzlich nicht mehr zu interessieren. Alle vier nahmen die Beine in die Hand und rannten in panischem Schrecken davon. Als Parker mit unbewegter Miene das kleine Fenster wieder schloß, waren sie schon in der Dunkelheit verschwunden. * »Unter der drückenden Last von Indizien dürfte Sir Walter es kaum noch wagen, seine Verantwortung für das Viehsterben auf Gut Rimford zu leugnen«, mutmaßte Parker, als er seine Herrin am nächsten Morgen in Richtung Stepney chauffierte. »Ich fürchte, Sie haben recht, Mister Parker«, stimmte die Detektivin zu. »Ich mag diese Sorte Ganoven nicht, die gleich zu Kreuze kriecht, sobald ich auf der Bildfläche erscheine. Lieber wäre mir, der Bursche würde hartnäckig leugnen, bis
ich ihn endgültig in die Enge getrieben habe. Das gäbe mir Gelegenheit, die beeindruckende Palette meiner genialen Vernehmungsmethoden voll auszuspielen.« »Der Verbrecher, der Mylady gewachsen wäre, müßte in der Tat erst noch geboren werden«, zitierte der Butler einen Satz, den Lady Simpson allzugern im Mund führte. »Das haben Sie richtig erkannt, Mister Parker«, reagierte die Detektivin geschmeichelt. »Ein Mensch von meinen Fähigkeiten fühlt sich leider ständig unterfordert.« Inzwischen hatte man den Stadtteil Stepney erreicht. Parker stellte sein hochbeiniges Monstrum in der Nähe der Musbury Street ab. »Guten Morgen, Mister Parker«, grüßte ein Straßenkehrer, der scheinbar gelangweilt mit dem breiten Besen einen Haufen von Plastiktüten und leeren Bierdosen vor sich herschob. »Mister Pickett läßt Sie herzlich grüßen und mitteilen, daß Mister Rimford sich im Haus befinden muß.« »Man wünscht ebenfalls einen guten Morgen«, gab der Butler höflich zurück. »Bitte, richten Sie Mister Pickett Myladys verbindlichen Dank für seine freundliche Unterstützung aus.« Auch der Eisverkäufer, der Mylady und dem Butler auf dem kurzen Weg zu Walter Rimfords Haus entgegenkam, grüßte freund60
lich. Offenbar gehörte er ebenfalls zu den zahlreichen Freunden des ehrenwerten Horace Pickett. Schon an der Straßenecke fiel Parker die bullige Gestalt ins Auge, die lässig mit verschränkten Armen in der Eingangstür zwischen beiden Schaufenstern lehnte. Auch der stiernackige Kerl mit dem Bürstenhaarschnitt und der Boxernase hatte den Butler entdeckt. Er tat jedoch, als ging ihn die schwarz gekleidete Gestalt nichts an, und pfiff ein fröhliches Lied vor sich hin. Der Mann nahm erst Notiz von dem skurrilen Paar, als Parker und seine Herrin unmittelbar vor ihm stehenblieben und der Butler sich vernehmlich räusperte. »Ach, Sie sind es«, tat er überrascht. »Mylady äußerte den Wunsch, Sir Walter Rimford einen kurzen Besuch abzustatten«, teilte Parker dem Türwächter mit. »Der Herr ist doch hoffentlich im Haus?« »Nee«, entgegnete der Stiernacken, ohne die betont lässige Haltung aufzugeben. »Der Chef frühstückt gerade in einem Pub in der Nähe.« »Das ist doch gelogen, so wahr ich Agatha Simpson heiße«, behauptete die Detektivin und bedachte den Mann mit einem giftigen Blick. »Der feige Lümmel läßt sich nur verleugnen. Einer Detektivin meines Formats können Sie nichts vormachen,
junger Mann.« »Sie können sich ja persönlich überzeugen«, bot ihr Gegenüber grinsend an und gab den Eingang frei. »Verzeihung«, murmelte Parker, als er beim Nähertreten über die letzte Stufe der Eingangstreppe stolperte und den Türwächter leicht anrempelte. Daß der Butler während dieser plötzlichen Berührung mit geschicktem Griff die Schulterhalfter des Stiernackigen erleichterte und die schwere Automatic in eine Innentasche seines altväterlich geschnittenen Zweireihers gleiten ließ, entging dem Mann völlig. Er registrierte vielmehr schadenfroh, daß gleich hinter dem vorangehenden Parker ein Arm im Türrahmen auftauchte, der einen großkalibrigen Revolver am Lauf hielt und mit dem Griff der Waffe zuschlug. Der Unbekannte, der sich gleich darauf als Walter Rimford entpuppte, hatte allerdings nicht mit der stählernen Panzerung gerechnet, die die altmodische Kopfbedeckung zu einem wirksamen Schutz in vielen Lebenslagen machte. Jammernd ließ er die Waffe fallen und rieb mit schmerzverzerrtem Gesicht seine verstauchte Hand. Der Butler ließ seinen Gegner keine Zeit zu einem zweiten Angriff. Mit der bleigefütterten Spitze seines schwarzen Regendaches tippte er blitzartig gegen Walter Rimfords 61
Solarplexus. Der Angreifer zuckte zusammen, als hätte er aus Versehen an eine Hochspannungsleitung gefaßt. Verzweifelt rang er nach Luft, faßte sich mit beiden Händen an die Kehle und stieß röchelnde Laute aus. Stöhnend legte er ein paar mißglückte Tangoschritte auf die Bretter. Anschließend wollte er mit geballten Fäusten auf den Butler losgehen, doch dafür reichten die rasch schwindenden Kräfte nicht mehr. Walter Rimford knickte in den Knien ein, kippte hintenüber und torkelte im Fallen gegen die Schaufensterscheibe. Ein eindruckvolles Splittern und Klirren begleitete seinen Flug nach draußen auf den Gehweg. Völlig benommen fand der Ganove sich in einem Scherbenhaufen auf dem Pflaster wieder. Sein Leibwächter, dem die unerwünschte Entwicklung des Geschehens nicht entgangen war, langte blitzschnell in seine Schulterhalfter. Verdutzt faßte er noch mal nach und… griff wiederum ins Leere. Mit einem Schrei, in dem sich Wut und Enttäuschung paarten, wollte er sich von hinten auf den Butler werfen. Er hatte allerdings Lady Agatha unterschätzt, die noch hinter ihm auf den Stufen stand und ihren Pompadour schon in energische Schwingung versetzt hatte. Das Zischen, mit dem die ledernen
Riemen die Luft durchschnitten, war kaum hörbar. Dafür fiel das klatschende Geräusch, mit dem sich der lederne Beutel auf den Hinterkopf des Leibwächters legte, um so vernehmlicher aus. Das dumpfe Gebrüll, das der Mann ausstieß, erinnerte Parker unwillkürlich an den Zuchtbullen Hans, der Myladys gegenwärtige Ermittlungen ungewollt in Gang gebracht hatte. Die Augen des Leibwächters schienen aus den Höhlen springen zu wollen, während er in Türrahmen hin und her torkelte. Seine Sinne begannen schon zu schwinden, als er mit letzter Kraft nach der Klinke der halboffenen Tür griff, um nicht rückwärts die Stufen hinunterzufallen. Doch der vermeintliche Halt erwies sich als trügerisch. Mit lautem Knall fiel die Tür ins Schloß. Mit der abgerissenen Klinke in der Hand purzelte der Hüne rückwärts die Treppe hinunter. Er fiel allerdings weich, da die Detektivin noch immer hinter ihm stand. Glück im Unglück hatte auch Agatha Simpson: Mit einem spitzen Aufschrei landete sie rücklings zwischen Apfelsinen und Bananen im Karren eines Obsthändlers, der seinen zweirädrigen Laden gerade an der Tür vorbeischieben wollte. Walter Rimford hatte sich inzwischen vom Boden aufgerafft und 62
wollte auf Schusters Rappen das Weite suchen. Seine Flucht endete aber schon nach wenigen Metern mit einer schmerzhaften Bauchlandung, da der Straßenkehrer ihm geistesgegenwärtig seinen Besen zwischen die Beine schob. Gemeinsam befreiten Parker und der Obsthändler die wütende Detektivin, die mit Armen und Beinen strampelte, aus ihrer unbequemen Lage auf dem Verkaufskarren. »Wenn ich Sie wirklich einmal brauche, Mister Parker, sind Sie nicht zur Stelle!« Die ältere Dame klopfte sich den triefenden Obstsalat von ihrem Tweedkostüm. Im nächsten Moment ging sie schon auf den Obsthändler los. »Eine Frechheit ist das!« ereiferte sich Lady Agatha. »Warum müssen Sie auch ausgerechnet mit Ihrem dämlichen Karren…!« »Verzeihung, Mylady«, unterbrach der Händler, lüftete höflich die weiße Schirmmütze und zupfte sich die falschen Augenbrauen aus dem Gesicht. »Selbstverständlich werde ich für die Reinigungskosten aufkommen.« »O, Mister Pickett!« stammelte Lady Simpson entgeistert. Sie hatte die Maskerade des Eigentumsumverteilers nicht durchschaut. »Die Sache mit der Reinigung geht schon in Ordnung, aber wo ist denn mein Gefangener?« »Hier Mylady!« rief der Straßen-
kehrer, der den blutenden Walter Rimford inzwischen ins Haus geschleppt und neben seinem Leibwächter auf dem Boden plaziert hatte. »Dann ist ja alles in Ordnung«, stellte die Detektivin halbwegs versöhnt fest. »Ich habe diesen Überraschungsangriff aber auch so geplant, daß wirklich nichts schiefgehen konnte. Bitte folgen Sie mir, Mister Parker. Ich möchte endlich mit meinem Verhör beginnen.« * »Ob ich den Lümmel nicht doch lieber nach Shepherd’s Market bringe und ihn dort vernehme?« überlegte Lady Agatha laut. »Kann und muß man aus dieser Äußerung schließen, daß Mylady eine Störung der Vernehmung fürchten?« erkundigte sich Parker. »Sie sollten wissen, Mister Parker, daß eine Lady Simpson sich vor nichts niemandem fürchtet«, korrigierte die Detektivin in beleidigtem Ton. »Ich kann es aber auf den Tod nicht leiden, wenn mir jemand dazwischenpfuscht. Dadurch geht immer kostbare Zeit verloren.« »Mit einer Störung dürfte auch hier nicht zu rechnen sein, falls der Hinweis erlaubt ist«, beruhigte der Butler seine Herrin. »Der ehrenwerte Mister Pickett versprach soeben, die Umgebung des Hauses auch weiter63
hin abzusichern.« »Der gute Mister Pickett!« rief Mylady gerührt aus. »Bitte erinnern Sie mich daran, Mister Parker, daß ich ihn gelegentlich zum Tee einlade.« »Selbstverständlich, Mylady«, bestätigte Parker und kettete Walter Rimford mit Handschellen aus speziell gehärtetem Stahl an die eiserne Treppe. Anschließend ließ er den stiernackigen Leibwächter ein paar Sekunden an dem Sprühfläschchen schnuppern. Solange der Mann im Reich der Träume schwebte, würde er sich nicht ungefragt in das Verhör einmischen, das seinem Arbeitgeber bevorstand. »Was soll der verdammte Mist?« knurrte Walter Rimford, sobald er die Augen aufgeschlagen und festgestellt hatte, daß es mit seiner Bewegungsfreiheit nicht mehr weit her war. »Das ist ja Freiheitsberaubung!« »An Ihrer Stelle würde ich keine großen Töne mehr riskieren, junger Mann«, fuhr die ältere Dame ihn an. »Das Spiel ist endgültig aus. Ich zähle jetzt bis drei. Wenn Sie dann nicht ein umfassendes Geständnis abgelegt haben…« »Geständnis?« brauste Rimford auf. »Ich habe nichts zu gestehen!« »Das wird, sich schon zeigen«, konterte die Detektivin ungerührt und ließ drohend ihren Pompadour
wippen. »Sollten Sie sich weiterhin verstockt und uneinsichtig zeigen, müßte ich einen etwas schärferen Ton anschlagen.« »Lieber nicht«, wehrte ihr Gegenüber ängstlich ab. »Also?« »Immer langsam«, entgegnete Rimford trotzig. »Ich weiß ja nicht mal, was Sie mir vorwerfen.« »Ihre Ausflüchte werden Ihnen nicht im geringsten helfen, junger Mann«, drohte die Detektivin. »Also heraus mit der Sprache! Mister Parker wird Ihnen die Fragen stellen, die ich vorbereitet habe.« »Vor fünfzehn Jahren verließen Sie das elterliche Gut Rimford, um die weite Welt kennenzulernen, falls man sich recht erinnert, Sir«, übernahm der Butler das Gespräch. »Stimmt«, nickte Rimford. »Das habe ich Ihnen erzählt, als Sie zum erstenmal hier eindrangen.« »Und seitdem haben Sie keinen Kontakt mehr zu Ihrem Bruder aufgenommen?« »Nicht die Spur.« »Auch nicht brieflich, Sir?« Rimford schwieg. Nur seine Mundwinkel zuckten nervös. »Könnte es möglicherweise zutreffen, daß Sie Ihrem Bruder einen Drohbrief schickten und ihn aufforderten, Ihnen die Hälfte seines Besitzes zu überschreiben?« »Das war doch nur ein Scherz«, wich Rimford aus. 64
»Ein Scherz?« wiederholte Lady Agatha grimmig. »Kein sehr geschmackvoller Scherz vielleicht, das gebe ich zu. Aber ich hätte Peter nie einen Schaden zugefügt. Schließlich ist er mein Bruder.« »Kann und muß man Ihre Äußerung so deuten, Sir, daß Sie weiterhin jede Verantwortung für das Viehsterben auf Gut Rimford abstreiten?« bohrte Parker hartnäckig weiter. »Das ist doch alles blanker Unsinn, Parker!« behauptete Rimford ohne große Überzeugungskraft. »Ich habe den Hof seit fünfzehn Jahren nicht betreten. Dafür gibt es Dutzende von Zeugen. Mein Alibi ist absolut lupenrein.« »Diese Tatsache dürfte kaum zu bestreiten sein, Sir«, räumte der Butler ein. »Man muß aber wohl davon ausgehen, daß Ihr Komplize den Tieren die tödlichen Viren injizierte oder injizieren ließ.« »Mein Komplize?« spielte Rimford den Ahnungslosen. »Mister Richard Parson hat inzwischen sein vergebliches Leugnen aufgegeben und ein Geständnis abgelegt, falls der Hinweis gestattet ist, Sir.« »Dann lügt er!« schrie Rimford wütend. »Sie haben doch selbst gesagt, daß die Kälber an einer Virusseuche gestorben sind. Wie sollte ich denn an solch ein Zeug herankommen?«
»Darf man Sie höflich daran erinnern, Sir, daß Ihre Verlobte, Miß Phyllis Lockwood, ein virologisches Versuchslabor an der Londoner Universität leitet?« warf der Butler gelassen ein. Rimford sackte sichtbar in sich zusammen. Sein Gesicht wurde aschfahl. Seine Stirn war plötzlich mit winzigen Schweißperlen übersät. »Es wird Zeit, junger Mann«, drängte Lady Agatha und ließ wieder ihren Pompadour wippen. »Ich zähle jetzt bis drei. Eins…« »Halt!« unterbrach Rimford. »Sie haben gewonnen. Ich packe aus.« »Aber versuchen Sie ja nicht, mir irgendwelche Märchen aufzutischen«, warnte die Detektivin. »Dann kann ich nämlich ausgesprochen ungemütlich werden.« »Nein, nein«, beteuerte ihr Gegenüber. »Ich werde mich streng an die Wahrheit halten.« »Das ist ein Vorsatz, den man nur begrüßen kann, Sir«, stellte Parker fest. »Ja, ich habe den Drohbrief geschrieben«, gestand Rimford. »Und es war mir bitterernst sogar. Weil ich schon ahnte, daß Peter auf meine Forderungen nicht eingehen würde, drohte ich ihm, ich würde seinen Ruf als Rinderzüchter ruinieren.« »Halten Sie das bitte fest, Mister Parker«, ordnete die Detektivin an. 65
»Weiter, junger Mann!« »Als Peter meinen Brief völlig ignorierte, ließ ich mir von Phyllis die Viren mitbringen«, fuhr Rimford fort. »Parson nahm das Zeug mit auf den Hof. Gemeinsam mit Ben Riley, der ein leidenschaftlicher Spieler ist und bei Parson mit einigen tausend Pfund in der Kreide stand, nahm er die Impfung der Kälber vor.« »Darf man auch eine Antwort auf die Frage erwarten, wer die teuflische Idee mit den Viren hatte?« hakte Parker ein. »Das ergab sich im Gespräch zwischen Phyllis und mir«, gestand Rimford. »Erst weigerte sie sich, das Zeug zu beschaffen. Aber da sie um jeden Preis Herrin auf Gut Rimford werden wollte, blieb ihr schließlich nichts anderes übrig.« »Hatten Sie denn im Ernst angenommen, junger Mann, Ihr Bruder würde sich Ihrer unverschämten Erpressung beugen?« wollte die Detektivin wissen. »Sonst hätte ich es nicht versucht, Mylady«, entgegnete Rimford. »Peter wußte ja, daß ich noch ein weiteres Druckmittel in der Hand hatte. Diese Trumpfkarte habe ich bisher nicht ausgespielt, weil ich meinen Zeugen nicht in Gefahr bringen wollte.« »Man darf wohl auf eine Erklärung hoffen, wie Sie diese Äußerung verstanden wissen möchte, Sir?« schaltete Parker sich wieder ein.
»Das ist eine lange und alte erklärte Rimford. Geschichte«, »Aber ich muß sie Ihnen erzählen. Sonst können Sie nicht verstehen, warum ich Peter hasse wie die Pest.« »Sie schielen wohl schon auf mildernde Umstände, junger Mann«, brummte Mylady unwillig. »So etwas verfängt bei mir nicht.« »Aber Peter wollte mich umbringen!« rief Rimford empört. »Umbringen?« Das Interesse der Detektivin war nun doch geweckt. »Dann erzählen Sie eben Ihre Geschichte«, gestattete sie mit großzügiger Gebärde. »Aber fassen Sie sich kurz! Meine Zeit ist kostbar.« »Vermutlich hat Peter Ihnen gegenüber das Testament unseres Vaters erwähnt?« begann ihr Gegenüber. »Was ist mit dem Testament?« fragte Mylady mißtrauisch. »Sie waren mit dem Letzten Willen Ihres Vaters nicht einverstanden. Daran erinnere ich mich genau.« »Das ist die Version, die Peter Ihnen aufgetischt hat«, entgegnete Rimford. »Mit dem Testament, das unser Vater eigenhändig verfaßte, war ich durchaus einverstanden, weil er uns den Familienbesitz zu gleichen Teilen zuerkennen wollte.« »In diesem Punkt hat Ihr Bruder aber eine abweichende Darstellung geliefert, falls der Hinweis erlaubt ist«, wandte Parker ein. 66
»Kann ich mir denken«, nickte Rimford. »Freiwillig – wird er Ihnen nicht auf die Nase binden, daß das Testament in seinem Safe eine dreiste Fälschung ist.« »Eine Fälschung?« wiederholte Mylady gedehnt. »Das Testament, in dem Peter als alleiniger Hoferbe eingesetzt ist, hat er selbst unmittelbar nach dem Tod unseres Vaters zusammen mit einem bestechlichen Notar aufgesetzt, der aber schon vor Jahren gestorben ist«, berichtete Rimford weiter. »Ich kam ihm aber auf die Schliche und stellte ihn zur Rede. In diesem Gespräch zog Peter plötzlich eine Pistole, bedrohte mich und sperrte mich schließlich in das Verlies im Keller, das Sie wahrscheinlich kennen.« »Vermutet man richtig, daß es sich um den Raum handelt, in dem Mister Ben Riley eine Nacht verbringen mußte?« vergewisserte sich der Butler. »Genau«, nickte Rimford. »Peter wollte mich da unten verhungern und verdursten lassen. Aber der alte Geoffrey, der mir schon immer zugetan war, ließ mich in der zweiten Nacht heimlich frei. Eigentlich hätte ich Peter damals gleich umlegen sollen. Aber ich hatte Angst und floh Hals über Kopf.« »Und Ihr Bruder weiß bis heute nicht, wer Sie befreite, Sir?« wollte Parker wissen. »Er soll es erfahren, sobald er dem
guten Geoffrey nichts mehr anhaben kann«, erklärte Rimford. »Er wird es noch heute erfahren«, verkündete Agatha Simpson siegessicher. »Mein taktischer Einsatzplan sieht nämlich als nächsten Schritt die Festnahme und Vernehmung Ihres Bruders vor. Und wehe, dabei stellt sich heraus, daß Sie gelogen haben, junger Mann!« »Sie können mir schon glauben, Mylady«, versicherte Rimford. Man merkte ihm deutlich an, wie erleichtert er war, endlich reinen Tisch gemacht zu haben. »Außerdem gibt es ja noch den alten Geoffrey, der das alles bezeugen kann.« »Dann auf nach Gut Nimmford!« trompetete Mylady wie ein Feldherr, der seine Soldaten zum letzten Gefecht ruft. »Und Sie kommen mit, junger Mann!« * Als Josuah Parker sein hochbeiniges Monstrum vor dem Herrenhaus von Gut Rimford ausrollen ließ, kam der greise Geoffrey mit eiligen Schritten die Freitreppe herab. »Am besten fahren Sie gleich wieder, Mister Parker«, raunte er dem Butler zu und warf ängstliche Blicke zu den Stallungen hinüber. »Ich fürchte, Sir Peter hegt feindliche Absichten gegen Sie.« »Das kann ich mir denken«, fuhr Lady Agatha unwirsch dazwischen. 67
»Aber er wird seine Absichten nicht in die Tat umsetzen können, da ich ihn unverzüglich festnehme.« »Aber Mylord ist bewaffnet«, warnte der weißhaarige Diener. »Das wird ihm auch nicht helfen«, entgegnete die Detektivin unbekümmert und schritt forsch zur Haustür. Erst jetzt entdeckte der Diener den Mann auf dem Beifahrersitz. »Sir Walter!« rief er mit zittriger Stimme, und seine Augen wurden feucht. »Daß ich Sie noch lebend sehen darf!« Rasch öffnete Parker Walter Rimfords Handschellen, so daß der Mann seinen alten Diener und Freund in die Arme schließen konnte. »Wo steckt denn mein Bruder?« wollte er nach der kurzen, aber herzlichen Begrüßung wissen. »Mylord ist kurz vor Ihrer Ankunft in den Bullenstall gegangen«, verriet Geoffrey. In diesem Moment flog die Tür des Stallgebäudes auf, und der mächtige Schädel des Zuchtbullen Hans tauchte in der Öffnung auf. Einen Moment zog das Tier die Luft durch die Nüstern, dann hielt es im Galopp auf die Menschengruppe zu. Geoffrey und die Detektivin erklommen hastig die Freitreppe und verschwanden in der Haustür. Parker und Walter Rimford gingen hinter dem schwarzen Monstrum in Deckung.
Der Butler hatte schon seine Gabelschleuder in der Hand und zielte auf die Stirn des heranstürmenden Kolosses, da stemmte der Bulle plötzlich die Vorderbeine in den Kies und bremste seinen wütenden Angriff. Wenige Meter vor dem Fahrzeug des Butlers kam Hans zum Stehen. Er schnaubte und scharrte mit den Füßen im Kies, traute sich aber nicht weiter. Offenbar hatte er den Gegner wiedererkannt, der sich schon mal überlegen gezeigt hatte. Gleich darauf machte das Tier kehrt und trabte zum Stall zurück. In diesem Augenblick erschien für Sekundenbruchteile Peter Rimfords verdutztes Gesicht in der Türöffnung. Als er den Bullen auf sich zutraben sah, schlug er in panischer Hast die Tür zu. Doch Hans sah darin nur ein Signal zum Angriff und fiel wieder in Galopp. Der Bulle stieß einen bedrohliches Grollen aus, als er mit gesenktem Schädel gegen die Tür rannte. Sekunden später war Krachen und Splittern von Holz zu vernehmen. Im wütenden Ansturm hatte der muskelbepackte Koloß die Tür eingerannt. Ein Schrei drang aus dem Stall nach draußen. Glas klirrte, als Peter Rimford auf der Flucht vor dem Bullen durch ein geschlossenes Fenster ins Freie sprang. Im Sturmschritt eilte er über den 68
Hof und wollte in der Tiefe des Parks verschwinden, doch Parker durchkreuzte seine Fluchtpläne. Seelenruhig klappte der Butler die Spitze seines altväterlich gebundenen Universal-Regenschirmes im rechten Winkel zur Seite. Wie ein Gewehr hob er den Schirm ans Auge und visierte über den Schaft hinweg den flüchtenden Gutsherrn an. Augenblicke später ging ein zierlicher, gefiederter Pfeil auf die Reise und nahm die Verfolgung auf. Im Laufen feuerte Peter Rimford aus einer Pistole noch mehrere Schüsse in Richtung auf das hochbeinige Monstrum ab, doch Treffer verbuchte er nicht. Fast hatte er die rettende Hausecke erreicht, da blieb er mitten im Lauf wie angewurzelt stehen. Seine Waffe flog in hohem Bogen auf den Rasen, als er entsetzt nach seinem Gesäß griff und das kleine Geschoß herauszuziehen versuchte, dessen nadelscharfe Spitze sich durch seine Hose gebohrt hatte. Ein, zwei Schritte schaffte Sir Peter Rimford noch. Dann knickte er in den Knien ein und ließ sich ins weiche Gras fallen. Er blinzelte nur müde und stöhnte matt, als Parker und Sir Walter Rimford ihn aufhoben und ins Haus trugen. »Das soll mir erst mal einer nachmachen«, prahlte Mylady, die ihren Schrecken über den Angriff des Bul-
len Hans mit einem Kognak aus Sir Peters Vorräten hinunterspülte. »Damit hat der Kerl natürlich nicht gerechnet, daß ich den Spieß einfach umdrehe.« »Wie meinen Sie das, Mylady?« fragte Walter Rimford überrascht. »Haben Sie denn nicht bemerkt, wie ich den wütenden Bullen zurückgescheucht habe, junger Mann?« entgegnete die Detektivin pikiert. »Ich habe ihn mit seinen eigenen Waffen geschlagen.« »Ach so«, bemerkte ihr Gegenüber und unterdrückte mit Mühe einen Lachanfall. »Was geschieht denn jetzt mit Peter?« »Sobald er ein Geständnis abgelegt hat, werde ich den unverschämten Lümmel der Polizei übergeben«, klärte die ältere Dame ihn auf. »Wie wollen Sie ihm denn die Sache mit dem gefälschten Testament beweisen?« erkundigte sich Walter Rimford. »Peter wird natürlich alles abstreiten.« In diesem Augenblick betrat Geoffrey Thompson den Raum. Er hielt eine kleine lederbezogene Kassette in Händen, die er vor Sir Walter auf den Tisch stellte. »Vielleicht kann Ihnen das weiterhelfen, Sir«, erklärte er und öffnete umständlich das Schloß. »Was soll denn der alte Müll?« fragte die Detektivin und streifte den Inhalt mit verächtlichem Blick. »Das habe ich vor fünfzehn Jahren 69
in der Kaminasche gefunden und seitdem in meinem Zimmer aufbewahrt«, verriet der greise Diener und hielt das angekohlte Blatt Papier ans Tageslicht. »Vaters Testament!« rief Walter Rimford, der die Handschrift sofort erkannte. »Sir Peter warf den eigenhändig verfaßten Letzten Willen Ihres seligen Vaters ins Feuer, nachdem er die Fälschung angefertigt hatte, Mylord«, bestätigte Geoffrey. »Da Sir Peter an diesem Abend aber ausgiebig geistigen Getränken zugesprochen hatte, entging ihm, daß das Dokument nicht vollständig verbrannte. Fünfzehn Jahre habe ich Ihnen dieses daraufgewartet, Beweisstück aushändigen zu können, Mylord.« »Nach Lage der Dinge dürfte sich ein Geständnis Sir Peters erübrigen, falls man nicht gründlich irrt«,
merkte Parker an. »Darauf wollte ich Sie auch gerade machen, Mister aufmerksam Parker«, behauptete die Detektivin postwendend. »Sie dürfen also die Polizei vom Abschluß meiner Ermittlungen in Kenntnis setzen.« »Die werden mich natürlich auch gleich mitnehmen«, meinte Walter Rimford bedrückt. »Aber was soll’s? Ich hatte ohnehin beschlossen, mich zu stellen, um einen endgültigen Schlußstrich zu ziehen.« »Aber Ihre Strafe wird mit Sicherheit geringer ausfallen als die Ihres Bruders, junger Mann«, prophezeite Lady Agatha. »Auf meine Fürsprache können Sie jedenfalls rechnen. Und wenn Sie dann auf Gut Nimmford Hochzeit feiern…« »… sind Sie und Mister Parker natürlich Ehrengäste«, vollendete Walter Rimford den Satz.
ENDE �
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