PARKER wässert die „Feuerteufel
Ein Roman von Curd H. Wendt
»Frisch geräucherte Forellen«, stand auf dem hölzernen ...
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PARKER wässert die „Feuerteufel
Ein Roman von Curd H. Wendt
»Frisch geräucherte Forellen«, stand auf dem hölzernen Schild am Rand der Landstraße, und prompt lief Lady Agatha das Was ser im Mund zusammen. »Die möchte ich probieren, Mister Par ker«, äußerte die füllige Dame mit schmachtendem Blick. »Wie Mylady zu wünschen belieben«, gab der Butler höflich zu rück, bremste sein altertümliches Gefährt und bog in den schma len Seitenweg ein. »Fisch ist der ideale Schlankmacher, Mister Parker«, bemerkte Agatha Simpson gleich darauf. »Außerdem schmeckt er frisch geräuchert am besten.« »Was man nur nachdrücklich bestätigen kann, Mylady!«, erwi derte Butler Parker, der würdevoll hinter dem Lenkrad saß und den Blick nach vorn richtete. Der von Hecken gesäumte Weg schien kein Ende nehmen zu wollen. Ausgerechnet jetzt kam ein chromblinkender Straßenkreuzer entgegen… Die Hauptpersonen: Fred Preston erregt durch seine Eile den Unwillen einer resolu ten Dame. Philipp Stone züchtet Forellen und behauptet, im Hühnerstall gestürzt zu sein. Nancy Stone hat offensichtlich Probleme, schlägt aber eine Ge legenheit zur Beichte aus. Perry Davies bedankt sich mit aufschlußreichen Informationen für Lady Simpsons Gastfreundschaft. Mike Rander erhält unverhofften Besuch, kann aber seine Freude darüber zunächst nicht zeigen. Lady Agatha frönt ihrer Leidenschaft für Fisch und bewahrt ei nen leitenden Yard-Beamten vor dem Angriff zorniger Wespen. Butler Parker zeigt Fahrkünste, die erbleichen lassen, und stif tet mit einem Feuerwerk gezielte Verwirrung.
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Um festzustellen, daß die Gasse zwischen den grünen Mauern nur einem Fahrzeug Platz bot, war kein besonderes Augenmaß nötig. Deshalb stoppte der Butler seinen schwarzen Wagen un verzüglich und wartete. Da der Chrysler kurz zuvor eine Wegegabelung passiert hatte, ging Parker davon aus, daß der Fahrer das kleine Stück zurück setzen und ihm freie Durchfahrt gewähren würde. Das war jedoch eine Fehleinschätzung, wie sich umgehend herausstellte. Die beiden Männer in der Luxuslimousine schienen es sehr eilig zu haben. Hupend und blinkend setzte der Wagen seine Fahrt fort und kam im letzten Moment nur ruckartig zum Stehen. »Können die rücksichtslosen Flegel denn nicht Platz machen?« ereiferte sich Mylady. »Man wird es keinesfalls versäumen, den Herren entsprechende Vorschläge zu unterbreiten, Mylady«, versprach der Butler. Doch von vernünftigen Argumenten schienen die Unbekannten nichts zu halten. Während der Fahrer weiterhin Hupe und Lichthupe gleichzeitig betätigte, sprang sein Begleiter aus dem Wagen und kam mit energischen Schritten näher. »Du bist wohl blind und taub zugleich, Alterchen«, herrschte er Parker an, der sein Fenster ein Stück gesenkt hatte. »Wir müssen hier durch.« »Unter diesen Umständen kann man den Herren nur raten, die hundert Schritte bis zur Wegegabelung zurückzusetzen«, erwider te der Butler gelassen. »Kommt nicht in Frage«, knurrte sein Gesprächspartner ein schätzungsweise dreißigjähriger Hüne mit Händen wie Kohlen schaufeln. »Zieh endlich Leine, Opa! Wir haben keine Zeit.« »Auch unter dem Gesichtspunkt der Zeitersparnis dürfte ein Zu rücksetzen Ihrerseits die günstigste Lösung darstellen«, gab Par ker zu bedenken. »Andernfalls müßte meine Wenigkeit annähernd zwei Meilen im Rückwärtsgang zurücklegen, da es auf der fraglichen Strecke an Ausweichmöglichkeiten fehlt.« »Außerdem denke ich gar nicht daran zurückzuweichen, junger Mann«, schaltete sich Lady Simpson ein. »Wenn man Ihnen Ma nieren beigebracht hätte, würden Sie einer Dame mit Freuden den Vortritt lassen.«
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»Eine Feststellung, der man sich vorbehaltlos anzuschließen er laubt, Mylady«, ergänzte der Butler. Dem Mann aus dem Chrysler fielen fast die Augen aus dem Kopf. Er schnappte nach Luft und lief augenblicklich rot an. Mit einem wütenden Aufschrei schwang er sich auf das Trittbrett des hochbeinigen Monstrums und wollte Parker an den Kragen. Er hatte allerdings nicht mit der schnellen Reaktion des schwarz gewandeten Butlers gerechnet, der das unfreundliche Vorhaben wirksam durchkreuzte, indem er die Scheibe per Knopfdruck wie der hochgleiten ließ. Ehe die grobschlächtigen Hände des Unbekannten ihr Ziel er reichten, waren seine Unterarme schon eingeklemmt. Jaulend versuchte er, die bewegungsunfähigen Greifer zurückzuziehen und verbuchte auch einen Teilerfolg. Aber weiter als bis zu den Handgelenken ging es nicht. Da half kein Ziehen und kein Zerren mit vor Schmerz hart zusammengebissenen Zähnen. Seelenruhig tippte Parker erneut auf den Schaltknopf, ließ die Scheibe ein Stück abwärts gleiten und gab damit dem gescheiter ten Angreifer die Freiheit zurück. Nur wußte der Mann mit dem unverhofften Geschenk nichts Sinnvolles anzufangen. Im Gegen teil. Postwendend verlor der Muskulöse auf dem schmalen Trittbrett die Balance und kippte nach hinten. Heftig mit den Armen ru dernd landete er rücklings in der Hecke und war vorerst den Bli cken entzogen, wenn man von seinen Füßen absah, die aus der grünen Wand ragten. Da hielt es den Chrysler-Fahrer nicht länger im Sitz. Mit ein paar langen Sätzen war er heran und wollte kurzerhand die Fah rertür aufreißen, um dem Butler auf handfeste Art die Meinung zu sagen. Sein Mitkämpfer, der innerhalb von Sekunden wieder auf die Beine gekommen war, versuchte dasselbe an der hinteren Tür. Beide merkten allerdings zu spät, daß Parker inzwischen einen Kipphebel betätigt und dadurch die Türgriffe unter Strom gesetzt hatte. Schlagartig begannen die athletisch gebauten Männer zu zittern wie das sprichwörtliche Espenlaub. Dazu vollführten sie rhythmi sche Verrenkungen, die entfernt an eine Rock-und-RollDarbietung erinnerten.
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»Genug, Mister Parker«, entschied Lady Agatha, als die tänzeri sche Einlage sie zu langweilen begann. »Jetzt werde ich mir die zudringlichen Flegel vorknöpfen.« »Wie Mylady zu wünschen belieben«, erwiderte der Butler und unterbrach den Stromkreis. Sichtlich erschöpft sanken die unge übten Tänzer in sich zusammen und nahmen auf der schmalen Grasnarbe zwischen Fahrweg und Hecke Platz. Gemessen und würdevoll verließ Parker den Fahrerplatz, öffnete mit einer Verbeugung den hinteren Wagenschlag und assistierte seiner Herrin beim Verlassen des Fahrzeugs. Agatha Simpson war eindeutig ungehalten, und das bekam das muskulöse Duo im Handumdrehen zu spüren. Die Männer wirkten apathisch und starrten benommen vor sich hin, aber ein paar Ohrfeigen, die die resolute Dame zum Auftakt der Unterredung austeilte, brachten ihre Lebensgeister wieder in Wallung. Beide dankten mit Heultönen für die ungestüme Liebkosung. Dann mühten sie sich verbissen ab, die Kinnladen wieder in die gewohnte Position zu befördern. Mit gleicher Münze zu antworten, kam den Unbekannten nicht in den Sinn. Dazu waren sie viel zu intensiv mit sich selbst beschäf tigt. »Das war nur die kleine Lektion für Anfänger«, fuhr Lady Simp son ihre greinenden Widersacher an. »Falls Sie aber immer noch nicht wissen, wie man sich einer Dame gegenüber benimmt, set ze ich den Unterricht mit Freuden fort.« Dazu schwenkte Agatha Simpson herausfordernd ihren perlen bestickten Pompadour, der ein massives Hufeisen barg und des halb alles andere als ein harmloses Handtäschchen war. »Okay, okay«, wehrte der Beifahrer mit schmerzverzerrter Mie ne das freundliche Angebot ab. »Wir haben begriffen.« »Darf man übrigens die Herren fragen, warum Sie noch vor we nigen Minuten eine geradezu rücksichtslose Eile an den Tag legen zu müssen glaubten?« schaltete Parker sich aus dem Hintergrund ein. »Hä?« krächzte der Fahrer und verzog das Gesicht zu einem einzigen Fragezeichen. »Wir… wir wollten nach Hause«, erläuterte
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der Beifahrer, der mit der Ausdrucksweise des Butlers besser zu rechtzukommen schien. »Unsere Frauen warten schon auf die Forellen zum Abendessen.« »Das ist überhaupt kein Grund, sich derart flegelhaft aufzufüh ren«, mußte er sich von Mylady belehren lassen. »Sie können von Glück sagen, daß ich heute meinen friedlichen Tag habe. Sonst kämen Sie nicht so glimpflich davon.« »Von wegen glimpflich«, protestierte der Chrysler-Lenker, ein dunkelhaariger Mann um die Vierzig mit unsteten, schwarzen Au gen unter buschigen Brauen. »Machen Sie sich auf eine Anzeige wegen Körperverletzung gefaßt.« »Körperverletzung?« wiederholte Agatha Simpson spöttisch. »Dazu müßten Sie mir erst mal beweisen, daß ich nicht in Not wehr gehandelt habe.« »Notwehr!« brauste der Schwarzhaarige auf. »Sie wollen sich wohl über uns lustig machen?« Gleichzeitig traf er Anstalten, sich hochzurappeln. »Sitzenbleiben!« fuhr die ältere Dame ihn an. »Sonst fühle ich mich bedroht und werde erneut in Notwehr handeln.« Um ihre Worte wirkungsvoll zu unterstreichen, zog sie ruckartig eine der martialischen Hutnadeln aus der extravaganten Kopfbe deckung, die ihr ergrautes Haupt krönte. Da der Schmuck eine Stahlspitze besaß und fast über das Format eines Grillspießes verfügte, ließ ihr Gesprächspartner sich ohne weiteres beeindru cken. Jedenfalls vermied er es, die füllige Dame weiter zu reizen. »Bevor Sie weiterfahren, will ich auf jeden Fall noch Ihre Aus weise sehen«, fuhr die leidenschaftliche Amateurdetektivin fort. »Verkehrsrowdies sollte man sich merken.« »Ausweise? Die haben wir nicht dabei«, behauptete der Beifah rer und deutete eine Geste des Bedauerns an. »Überprüfen Sie das, Mister Parker«, ordnete Lady Agatha an. »Ich traue den Lümmeln nicht über den Weg.« »Eine Einstellung, zu der man Mylady nur beglückwünschen kann«, erwiderte der Butler höflich und durchsuchte die Taschen der Unbekannten – ohne Ergebnis. Auch eine kurze Inspektion im Chrysler förderte keine Perso nalpapiere zutage. Gewohnheitsmäßig hielt Parker zugleich nach Waffen Ausschau, fand aber nur ein zusammenklappbares Jagd messer, das er an seinem Platz ließ.
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»Trotzdem möchte ich, daß Sie die Namen der Lümmel und ihre Anschriften notieren, Mister Parker«, entschied die resolute Da me, als der Butler mit leeren Händen zurückkehrte. »Fred Freston«, nannte der dunkelhaarige Lenker der Luxusli mousine einen Namen, der ebensogut richtig wie falsch sein konnte. Dazu gab er eine Anschrift in einem der benachbarten Dörfer an. »Al Clingham«, stellte der Beifahrer sich vor. »Ich wohne in derselben Straße, zwei Häuser weiter«, setzte er hinzu. »Ist das auch die Wahrheit?« wollte die mißtrauische Detektivin mit strenger Miene wissen. »Wehe, wenn Sie schwindeln.« »Ehrenwort«, versicherten Preston und Clingham wie aus einem Mund. »Dann erwarte ich jetzt eine Entschuldigung und das Verspre chen, daß Sie sich nie wieder derart rüpelhaft benehmen«, mach te Agatha Simpson deutlich. »Anschließend sind Sie entlassen.« Dem muskelbepackten Duo fiel es nicht leicht, diese Bedingung zu erfüllen. Aber die Männer zeigten auch keine Neigung, sich gleich wieder mit der resoluten Lady anzulegen. Deshalb murmelten sie zähneknirschend die geforderte Ent schuldigung, gelobten für die Zukunft musterhaftes Betragen und durften sich endlich erheben. Mit unbewegter Miene sah Parker den Gemaßregelten nach, die wie geprügelte Hunde davonschli chen, in ihr chromblitzendes Fahrzeug stiegen und bis zur Wege gabelung zurücksetzten. »Warum nicht gleich so?« sagte Lady Agatha lächelnd und en terte mit der diskreten Hilfe des Butlers die luxuriös gepolsterte Rückbank des hochbeinigen Monstrums. »Denen habe ich gezeigt, wie man mit mir umzugehen hat, Mis ter Parker«, setzte Mylady selbstzufrieden hinzu, während der Butler den ersten Gang einlegte und die »Trickkiste auf Rädern«, wie sie von Eingeweihten genannt wurde, anrollen ließ. »Mylady dürften sich Feinde geschaffen haben«, bemerkte der Butler und warf im Vorbeifahren einen Blick auf die wutverzerrten Gesichter hinter der Frontscheibe des Straßenkreuzers. »Feinde?« wiederholte die ältere Dame. »Papperlapapp, Mister Parker. Die Waschlappen werden es nie wieder wagen, sich mit mir anzulegen.« »Nichts liegt meiner bescheidenen Wenigkeit ferner, als Mylady zu widersprechen«, versicherte Parker durchaus wahrheitsgemäß.
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»Außerdem heißt mein Leitspruch nicht ohne Grund >Viel Fein de, viel Ehr<«, fuhr Agatha Simpson aufgeräumt fort. »Das Leben ist nun mal ein Kampf, Mister Parker.« »Eine Feststellung, der man – mit Verlaub – auch aus eigener Sicht nur beipflichten kann, Mylady«, entgegnete der Butler. »Und das Schrecklichste, was ich mir vorstelle«, setzte die un ternehmungslustige Lady hinzu, »ist Langeweile.« »In dieser Hinsicht können Mylady absolut unbesorgt sein, falls man eine persönliche Einschätzung äußern darf«, sagte Parker und bremste sein schwarzes Gefährt. Der Weg führte an einem gepflegten Cottage vorbei, das von Obstwiesen, Fischteichen und Blumenbeeten umgeben war. »Frisch geräucherte Forellen« lautete die Aufschrift eines Holz schildes neben der Haustür. »Was für ein bezaubernder Platz«, schwärmte die ältere Dame, sobald der Butler sein schwerfällig wirkendes Vehikel auf dem gepflasterten Hof zum Stehen gebracht hatte. »Alles atmet Ruhe und Frieden.« * »Nancy und Philipp Stone«, las Parker auf einem blankpolierten Messingschild. Er wollte gerade auf den Klingelknopfdrücken, als im Flur schwere Schritte hörbar wurden. Gleich darauf drehte sich der Schlüssel im Schloß. Die Tür wur de eine Handbreit geöffnet, und das blasse, rundliche Gesicht einer schätzungsweise sechzigjährigen Frau erschien. »Man erlaubt sich, einen möglichst angenehmen Nachmittag zu wünschen«, sagte der Butler und lüftete höflich den Bowler. »Mistreß Stone persönlich?« »Nancy Stone«, bestätigte die Hausherrin. »Sie wünschen?« »Mylady ist am Erwerb frisch geräucherter Forellen interessiert, Mistreß Stone«, nannte Parker den Anlaß des Besuches. »Ach so. Ja natürlich«, nickte Nancy Stone. »Kommen Sie bitte mit.« Erst jetzt, als sie die Tür ganz öffnete und auf den Hof trat, wurde die beeindruckende Körperfülle der Forellen-Verkäuferin in vollem Umfang sichtbar. Auf den ersten Blick hätte man sie fast für eine Zwillingsschwester Myladys halten können.
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Diskret, aber aufmerksam musterte der Butler im Gehen das Gesicht der Hausbesitzerin. Ihre Augen waren rot gerändert. Die Blicke wirkten gehetzt und nervös. Dennoch bemühte sich Nancy Stone um ein freundliches Lächeln, während sie die Kunden zu einem Anbau führte, der früher als Stall gedient haben mochte. Jetzt war in den säuberlich weißgetünchten Räumen der Räu cherofen und eine Verkaufstheke mit Waage untergebracht. Ver führerischer Duft schlug dem skurrilen Paar aus Shepherd’s Mar ket entgegen. »Sind sie auch wirklich ganz frisch?« Wollte Lady Agatha wissen und begutachtete kritisch die goldglänzenden Teichbewohner, die in einer flachen Holzkiste auf Käufer warteten. »Frischer geht’s nicht«, entgegnete Nancy Stone. »Sie sind so gar noch warm. Wieviel darf ich Ihnen auswiegen?« »Hm. Ich weiß noch nicht…«, zögerte die majestätische Dame und befeuchtete im Vorgeschmack des Genusses die Lippen. »Oder möchten Sie erst mal probieren?« bot die rundliche Ver käuferin mit dem schwarzen Haarknoten und der blütenweißen Schürze an. Das ließ sich Agatha Simpson nicht zweimal sagen. Bevor sie teuer einkaufte, verzehrte sie gern eine Gratisprobe. Es hatte seinen Grund, wenn man der älteren Dame geradezu schottische Sparsamkeit nachsagte. »Sie bewohnen ein Anwesen, das man als bemerkenswert reiz voll bezeichnen kann und muß, Mistreß Stone«, äußerte Parker, während Mylady das erste Stück Forellenfilet auf der Zunge zer gehen ließ. »Wie? Ach ja«, zeigte sich Nancy Stone zerstreut. »Wir haben es gekauft, als mein Mann pensioniert wurde. Ein Leben auf dem Land war immer unser Traum. Aber aus beruflichen Gründen ging das sehr lange nicht.« »Ich würde mich zu Tode langweilen, wenn ich hier meinen Le bensabend verbringen müßte«, warf die passionierte Detektivin ein. »Ich brauche das quirlende Leben der Stadt.« »Eigentlich war ich im Anfang dagegen, das Haus zu kaufen, weil wir keine Kinder haben, die es mal erben«, geriet die füllige Verkäuferin ins Erzählen. »Aber inzwischen möchte ich dieses kleine Paradies nicht mehr missen. Und die Forellen, die Philipp anfangs nur zum Zeitvertreib gezüchtet hat, erbringen einen gu ten Nebenverdienst.«
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»Sagen Sie mal, Mistreß Stone«, wechselte Lady Agatha un vermittelt das Gesprächsthema. »Hatten Sie gerade Streit mit Ihrem Mann?« »Ich? Wieso?« reagierte ihr Gegenüber fast erschrocken. »Sie dürfen mir ruhig Ihr Herz ausschütten – von Frau zu Frau«, ermunterte Mylady ihre Geschlechtsgenossin. »Ich habe meine Erfahrungen gesammelt, was Männer angeht.« »Nein, nein. Wir haben uns noch nie gestritten«, schlug Nancy Stone die angebotene Beichtgelegenheit aus. »Aber Ihre Augen sind doch noch rot vom Weinen, Kindchen«, ließ die resolute Dame sich nicht abwimmeln. »Mir machen Sie nichts vor.« »Rote Augen, hab ich oft. Das kommt vom Heuschnupfen«, be hauptete die Frau hinter der Verkaufstheke. Dabei fiel dem Butler auf, daß ihre Stimme vor Nervosität beb te. Nancy Stone schien sich zunehmend unbehaglich zu fühlen. »Nun gut.« Agatha Simpson ließ endlich vom Objekt ihrer Neu gier ab. »Die Forellen sind recht passabel. Wie viele werde ich kaufen, Mister Parker?« »Meine Wenigkeit würde vier Stück empfehlen, Mylady«, erwi derte Parker. »Sagen wir sechs«, erhöhte seine Herrin rasch. »Dann gibt es bestimmt Mengenrabatt.« »Die sechste gebe ich Ihnen kostenlos dazu«, sagte die Verkäu ferin und legte fünf Forellen auf die Waage. Während Mylady das Entgegenkommen mit huldvollem Lächeln quittierte, zückte der Butler die Börse und legte eine FünfzigPfund-Note auf die Theke. »Haben Sie’s nicht kleiner?« wollte Nancy Stone wissen. »Meine Wenigkeit bedauert ungemein, nicht dienen zu können, Mistreß Stone.« »Hier habe ich kein Wechselgeld«, teilte die rundliche Dame mit. »Kommen Sie bitte mit rüber in die Küche.« Seite an Seite kehrte man ins Haus zurück, wobei der Butler die Forellen trug, die Nancy Stone in Pergamentpapier gewickelt und dann in eine Plastiktüte gesteckt hatte. Schon bei der Ankunft hatte Parker den Eindruck gewonnen, daß die freundliche und behäbige Landbewohnerin etwas erlebt haben mußte, das sie erschreckt und eingeschüchtert hatte. Und prompt waren ihm die beiden Männer im Chrysler eingefallen, die
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sich schätzungsweise eine halbe Stunde zuvor mit Forellen einge deckt hatten. Sein Verdacht erhärtete sich schlagartig, als Nancy Stone die Küchentür öffnete und ihre Besucher hereinbat. Am Tisch saß Ehemann Philipp und hatte den Kopf in die Hände gestützt. Das breite Pflaster, das seine halbe Stirn verdeckte, war blutgetränkt. »Sieht nach einer Platzwunde aus«, diagnostizierte Agatha Simpson. »Halb so schlimm«, entgegnete der weißhaarige Hausherr. »Morgen ist das vergessen.« »Darf man um Auskunft bitten, wo Sie sich diese Verletzung zu gezogen haben, Mister Stone?« fragte Parker. »Philipp ist…« begann seine füllige Partnerin. »Ich bin im Hühnerstall ausgerutscht und mit dem Kopf gegen einen Pfosten geschlagen«, fiel Stone ihr hastig ins Wort. »So was passiert schon mal. Vor allem, wenn man älter wird.« Trotz seines Alters, das der Butler auf etwa siebzig Jahre schätzte, wirkte Philipp Stone kerngesund. Er war hochgewach sen, stabil gebaut und von der Sonne braungebrannt. Den Ein druck eines Hinfälligen, der über die eigenen Füße stolpert, mach te er jedenfalls nicht. »Demnach sollte man annehmen, daß ein Fremdverschulden mit letzter Sicherheit ausscheidet, Mister Stone?« vergewisserte sich Parker. »Fremdverschulden?« wiederholte Stone, ohne den Butler dabei anzusehen. »Wie meinen Sie das?« »Unter Umständen könnte sich der Verdacht aufdrängen, daß Ihre Verletzung in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Be such zweier Männer steht, denen man auf der Fahrt hierher be gegnete, Mister Stone«, wurde Parker deutlich. »Nein, nein. Ich bin im Hühnerstall ausgerutscht«, beharrte der Mann am Küchentisch. »Es war eindeutig meine eigene Dumm heit.« »Von was für Männern sprechen Sie überhaupt?« wollte Nancy Stone wissen und warf ihrem Mann einen verstohlenen Blick zu. »Sie sind die ersten Kunden heute nachmittag.« »Mylady wurde auf der Fahrt von zwei Herren belästigt, die ihre Namen mit Fred Preston und AL Clingham angaben«, fuhr der Butler unbeirrt fort. »Die Herren benutzten eine Limousine der
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amerikanischen Marke Chrysler und führten ein Paket Forellen mit sich, das sie offenbar hier erworben hatten.« »Ach, die Leute meinen Sie«, nickte Stone. »Ich habe die Män ner bedient, da meine Frau gerade im Garten war. Deshalb hat sie nichts mitbekommen.« »Darf man möglicherweise die Vermutung äußern, daß es wäh rend des Verkaufs zu Meinungsverschiedenheiten kam, die auf handgreifliche Weise ausgetragen wurden, Mister Stone?« ließ Parker nicht locker, aber sein Gesprächspartner schüttelte ent schieden den Kopf. »Nein, alles lief völlig normal«, behauptete der Hausherr. »Die Männer haben ein Dutzend Forellen gekauft, korrekt bezahlt und sind dann gefahren.« »Meine Wenigkeit kann aber davon ausgehen, daß die fraglichen Herren Ihnen persönlich bekannt waren, Mister Stone?« wollte der Butler abschließend wissen. »Nein«, widersprach Stone erneut. »Beide waren zum ersten Mal hier.« »Wie auch immer. Ich werde Ihnen meine Visitenkarte hierlas sen«, warf Lady Agatha ein. »Falls die Lümmel noch mal auftau chen und frech werden, können Sie mich anrufen, Mister Stone.« »Sie sind Detektivin?« stellte der Weißhaarige überrascht fest, nachdem Parker ihm das Kärtchen überreicht hatte. »Ich weiß, daß man mir das nicht ansieht«, gab die majestäti sche Dame mit überlegenem Lächeln zurück. »Aber das ist ja ge rade das Geheimnis meines Erfolges.« Anschließend trat sie unter den entgeisterten Blicken des alten Paares den Rückzug an. »Man erlaubt sich, für das aufschlußreiche Gespräch zu danken und noch einen möglichst ungestörten Abend zu wünschen«, sag te der Butler, lüftete andeutungsweise den Bowler und geleitete Mylady zum Fahrzeug. * »Wenn die alten Leute sich nicht helfen lassen wollen, sind sie selbst schuld«, bemerkte Mylady mürrisch, während Parker sein eckiges Gefährt in Richtung Landstraße steuerte.
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»Mylady neigen ebenfalls der Ansieht zu, daß Mister Stones Ver letzung mitnichten auf einen selbstverschuldeten Unfall zurückzu führen ist?« erkundigte sich der Butler. »Das liegt auf der Hand, Mister Parker«, bestätigte die Detekti vin. »Jedes Kind wäre in der Lage, das Geschehen zu rekonstruie ren.« »Darf man aus dieser Äußerung schließen, daß Mylady bereits konkrete Vorstellungen entwickelt haben, was das betreffende Geschehen angeht?« fragte Parker. »Selbstredend, Mister Parker. Die Lümmel, die mir so unange nehm aufgefallen sind, wollten Forellen stehlen«, wußte die ältere Dame. »Dabei wurden sie von Mister Stone überrascht und haben ihn niedergeschlagen.« »Eine Möglichkeit, die man keinesfalls von vornherein aus schließen sollte, Mylady«, gab der Butler ausweichend zur Ant wort. »Das erklärt auch, warum die kriminellen Subjekte so in Eile waren«, setzte Agatha Simpson hinzu. »Sie befanden sich auf der Flucht.« »Eine Erklärung, die ungemein einleuchtend klingt, falls die Anmerkung erlaubt ist«, schickte Parker höflich voraus. »Dennoch dürfte sich in diesem Zusammenhang die Frage stellen, warum Mister und Mistreß Stone die Auseinandersetzung zu verheimli chen trachteten.« »Alte Leute sind manchmal seltsam, Mister Parker«, schob Lady Agatha den Einwand beiseite. »Was man keinesfalls und mitnichten bestreiten möchte, Myla dy«, entgegnete der Butler, nahm Gas weg und brachte das hochbeinige Monstrum an der Einmündung in die Landstraße zum Halten. Während er kurz nach rechts und links blickte, wurde Parker auf eine sportliche Limousine des deutschen Herstellers BMW auf merksam, die in knapp hundert Schritten Entfernung am Straßen rand stand. Fahrer und Beifahrer hantierten unter der geöffneten Motorhaube. Die Panne, die die Männer zur Fahrtunterbrechung gezwungen hatte, schien jedoch gerade behoben zu sein. Während der Butler nach links einbog und seinem schwarzen Gefährt die Sporen gab, klappten die Unbekannten die Haube zu und enterten ihr spurt starkes Fahrzeug.
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Gleich darauf registrierte Parker beim Blick in den Rückspiegel, wie der Wagen sich auf durchdrehenden Pneus in Bewegung setz te und rasch aufholte. Der Butler blieb gelassen wie immer. Doch unmittelbar nach ei ner scharfen Linkskurve, die seinen Wagen den Blicken der BMWInsassen entzog, trat er das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Postwendend machte sich das Zusatztriebwerk mit dumpfem Röhren bemerkbar. Ein Zittern lief durch die stählerne Karosserie, während der schwarze Kasten regelrecht nach vorn katapultiert wurde. »Warum rasen Sie denn so, Mister Parker?« wunderte sich die ältere Dame. »Werde ich etwa verfolgt?« »Eine Frage, die man zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht mit der wünschenswerten Eindeutigkeit beantworten kann, Myla dy«, erwiderte Parker, ohne das Tempo zu drosseln. Wie ein schwarzes Geschoß jagte das altertümliche Vehikel auf der geraden Strecke dahin und legte sich schon in die nächste Kurve, bevor der rote BMW im Rückspiegel auftauchte. Sekunden später bremste der Butler scharf, kurvte im Rückwärtsgang in einen Waldweg und stoppte an einer sichtgeschützten Stelle. »Da sind die Schurken!« rief Agatha Simpson im nächsten Mo ment. »Folgen Sie ihnen, Mister Parker!« Mit Vollgas war die sportliche Limousine an der Einmündung vorbeigerast. Weder Fahrer noch Beifahrer hatten das schwarze Monstrum im Unterholz bemerkt. »Wie Mylady wünschen«, gab Parker zurück, ließ den Wagen bis zur Straße rollen und nahm die Verfolgung auf. Inzwischen war der BMW außer Sicht. Aber das hochbeinige Spezialfahrwerk und die leistungsstarke Rennmaschine unter der eckigen Haube des ehemaligen Taxis erwiesen sich als Trümpfe, die der Butler mit der Souveränität eines routinierten Fahrers ausspielte. Parker und Mylady hatten kaum zwei Meilen zurückgelegt, als der Wagen der genarrten Verfolger in Sicht kam. Und daß es sich wirklich um Verfolger handelte, stand Augenblicke später zwei felsfrei fest. Der BMW-Lenker mußte den schwarzen Wagen im Rückspiegel bemerkt haben. Dafür sprach jedenfalls der Umstand, daß er auf gerader Strecke das Gas wegnahm. Sofern der Mann damit ge
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rechnet hatte, daß der Butler ihn jetzt überholen würde, hatte er sich allerdings gründlich getäuscht. Seelenruhig betätigte Parker den Blinker und bog nach rechts in eine schmale Seitenstraße ein. »Aber Mister Parker! Sind Sie blind?« legte Agatha Simpson umgehend Protest ein. »Da vorn fahren die Schurken.« »Was meiner bescheidenen Wenigkeit mitnichten entgangen ist, Mylady«, erwiderte der Butler. »Allerdings dürfte fest damit zu rechnen sein, daß die Herren sich umorientieren und ebenfalls diese Richtung einschlagen werden.« Tatsächlich: Mit einem raschen Seitenblick registrierte Parker, daß der rote BMW auf der Landstraße wendete. Wenig später bog die schnelle Limousine gleichfalls in die schmale Seitenstraße ein und wurde nun wieder im Rückspiegel sichtbar. »Darf man um Anweisung bitten, wie Mylady gegebenenfalls mit den Herren zu verfahren gedenken?« erkundigte sich der Butler. »Ich werde die Lümmel stellen und ihnen gründlich die Leviten lesen, Mister Parker«, antwortete die leidenschaftliche Detektivin. »Sie dürfen sich überlegen, wie ich dabei im einzelnen vorgehe.« »Man dankt für den ehrenvollen Auftrag und wird sich befleißi gen, Myladys Wünschen in vollem Umfang zu entsprechen«, ver sprach Parker, ohne den Blick vom Rückspiegel zu wenden. Falls die Männer Order hatten, dem skurrilen Paar aus Shepherd’s Market unauffällig zu folgen, war ihnen ihr Auftrag jetzt egal. Sie fühlten sich an der Nase herumgeführt, kochten vor Wut und gaben den letzten Rest an Zurückhaltung auf. Der Butler tat ein übriges, um das Jagdfieber der nach Vergel tung dürstenden Ganoven weiter anzustacheln. Er spielte jetzt das gehetzte Wild und stellte mit Genugtuung fest, daß die Unbe kannten bereitwillig die Rolle annahmen, die er ihnen zugedacht hatte. Noch glaubten die Männer im BMW allerdings, leichtes Spiel zu haben. Wie sollten sie auch ahnen, daß sie kein gewöhnliches Fahrzeug vor sich hatten, sondern eine mit allen Raffinessen aus gestattete »Trickkiste auf Rädern?« Parker ließ die rote Limousine bis auf wenige Meter aufschlie ßen, ehe er erneut das Zusatztriebwerk aktivierte und den Verfol gern das Nachsehen gab. Entgeistert schnappten die Ganoven nach Luft, als das schwer fällig wirkende Vehikel, das sie gerade überholen wollten, mit
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dem Temperament eines Formel-Eins-Renners davonschoß. Doch geschlagen gaben sie sich nicht. Im Gegenteil: Wütend trat der Fahrer das Gaspedal bis zum Bo denblech durch und holte aus seinem spurtstarken Wagen her aus, was drinsteckte. Dadurch gelang es ihm tatsächlich, wieder dichter aufzuschließen. Allerdings hatte der Butler das Tempo auch gedrosselt, um die Verfolger nicht zu entmutigen. Vor einer scharfen Rechtskurve, die Parker zum Bremsen zwang, schmolz sein Vorsprung bis auf wenige Meter. Postwen dend schöpften die BMW-Insassen Hoffnung… bis der Butler wie der Vollgas gab. Die Straße führte jetzt geradlinig auf eine jener kleinen Stein brücken zu, wie sie in ländlichen Gegenden Englands noch häufig zu finden sind. Diese altertümlichen Bauwerke zeichnen sich un ter anderem dadurch aus, daß die Fahrbahn der Bogenkonstrukti on folgt und deshalb einen steilen Buckel bildet. Immer kleiner wurde der BMW im Rückspiegel, während Parker in rasantem Tempo auf das Hindernis zujagte. Unmittelbar vor der Brücke bremste er jedoch scharf und betätigte gleichzeitig einen der zahlreichen Kipphebel am Armaturenbrett, deren Funk tion nur ihm bekannt war. Dadurch öffneten sich zwei Düsen am Heck des hochbeinigen Monstrums und sprühten eine glasklare Flüssigkeit auf das Pflas ter. Die Verfolger, die jetzt mindestens hundert Meter zurückla gen, bekamen davon nichts mit. Sie sahen lediglich die Brems lichter des schwarzen Wagens aufleuchten und verdoppelten ihre Anstrengungen, den Rückstand aufzuholen. Im Schrittempo chauffierte der Butler sein eckiges Gefährt über die Brücke, gab noch mal kurz Gas und ließ den Wagen dann aus rollen. Neugierig wandte sich die Detektivin zum Rückfenster um und harrte in Vorfreude der Dinge, die da kommen würden. * Dem Fahrer der roten Limousine war die Brücke keineswegs entgangen, zumal ein Verkehrsschild am Straßenrand vor der »Steep Bridge« warnte. Aber er hielt weiterhin mit Vollgas auf das Hindernis zu.
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Der Mann kannte die Qualitäten seines fahrbaren Untersatzes und sah deshalb keine Veranlassung, an der Funktionsfähigkeit der Bremsen zu zweifeln. Darüber hinaus traute er sich als routi nierter Fahrer zu, den erforderlichen Bremsweg richtig einzu schätzen. Augenblicke später entpuppte sich seine Zuversicht als folgen schwerer Irrtum. Doch da war es zum Reagieren längst zu spät. Schätzungsweise dreißig Schritte vor dem Hindernis trat der Ganove auf die Bremse und… erstarrte. Der sonst so zuverlässige Wagen verweigerte ihm den Gehorsam und dachte nicht daran, langsamer zu werden. Eiskalter Schweiß perlte von der Stirn des Mannes. Seine Hände umkrampften das Lenkrad. Aus hervorquellenden Augen fixierte er die in beängstigendem Tempo näher kommende Brücke. »Halt!« wollte der Beifahrer schreien. Aber wie in einem Alp traum brächte er keinen Laut hervor. »Wenn schon die Bremsen versagen, wird wenigstens die Len kung noch funktionieren«, fuhr es dem Fahrer durch den Kopf. Geistesgegenwärtig riß er das Steuerrad nach rechts, um dem steinernen Hindernis auszuweichen. „Doch seine Hoffnung, den flachen Straßengraben überfliegen und auf der angrenzenden Viehweide weich landen zu können, platzte wie eine Seifenblase. Stur wie ein Panzer schoß der BMW weiter geradeaus und… wurde plötzlich hochgerissen, als hätte die Faust eines Riesen ihn gepackt. Die überforderten Stoßdämpfer reagierten mit häßlichen Geräu schen, als der Wagen die Rampe hinaufschoß, um im Scheitel punkt der Brücke wie ein Skispringer abzuheben. Fahrer und Bei fahrer schlossen entsetzt die Augen. Beide Männer waren kreidebleich und reagierten auf das unver hoffte Erlebnis eines Gleitfluges mit Schwindelgefühlen. Dafür genoß Lady Simpson den Anblick der fliegenden Limousine um so ausgiebiger. Leider machte sich der störende Einfluß der Schwerkraft aber schon bald bemerkbar. Rasch verlor das flügellose Luftfahrzeug an Höhe und absolvierte eine Landung, die selbst einem abge brühten Buschpiloten Magenbeschwerden beschert hätte. Kein Wunder, daß sich die Reifen dem Belastungstest beim Auf setzen nicht gewachsen zeigten. Unter scharfem Knallen entwich die komprimierte Luft. Gummifetzen flogen.
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Ohrenbetäubendes Kreischen wurde hörbar, als der BMW auf blanken Felgen noch ein Stück weiterrutschte und sich dabei um seine Achse drehte. Quer zur Fahrbahn blieb der gründlich ram ponierte Wagen stehen. »Wirklich hübsch, Mister Parker«, spendete Lady Agatha gera dezu überschwengliches Lob und klatschte vor Begeisterung in die Hände. »Man merkt doch, daß Sie bei mir etwas gelernt ha ben.« »Man erlaubt sich, für die überaus wohlwollende Beurteilung zu danken, Mylady«, erwiderte Parker und legte den Rückwärtsgang ein, um seiner gewichtigen Herrin unnötige Fußwege zu ersparen. Dabei zeigte sich jedoch, daß die BMW-Insassen den Flug verblüf fend glimpflich überstanden hatten. Unvermittelt flogen die Türen der roten Limousine auf. Fahrer und Beifahrer sprangen aus dem Fahrzeug, nahmen symbolisch die Beine in die Hand und waren gleich darauf im angrenzenden Waldstück untergetaucht. »Wenn man nicht alles selbst macht!« monierte die Detektivin unwirsch. »Jetzt sind die Schurken auf und davon, Mister Par ker.« »Eine Feststellung, der man bedauerlicherweise nicht das ge ringste hinzuzufügen hat, Mylady«, erwiderte Parker mit der un durchdringlichen Miene eines professionellen Pokerspielers. An schließend verließ er den Platz am Lenkrad, um den gleicherma ßen flug- und fahruntauglichen BMW näher in Augenschein zu nehmen. Zwei angebrochene Zigarettenschachteln hatten die flüchtigen Ganoven im Wagen zurückgelassen. Personalpapiere oder Waffen fanden sich hingegen nicht. Immerhin förderte ein Blick in den Kofferraum ein ganzes Sortiment austauschbarer Nummernschil der zutage. »Da haben Sie mir gründlich dazwischengefunkt, Mister Par ker«, meinte Agatha Simpson grimmig. »Die Vernehmung der Schurken wäre für die weiteren Ermittlungen von zentraler Be deutung gewesen.« »Ein Umstand, den man mit dem Ausdruck tiefsten Bedauerns zur Kenntnis nimmt«, entgegnete der Butler und verneigte sich höflich. »Andererseits dürften Mylady damit rechnen, daß sich schon bald die nächste Gelegenheit zu einem klärenden Gespräch ergibt.«
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Während Agatha Simpson sich in den Inhalt einer Pralinen schachtel vertiefte und ihre Enttäuschung durch forcierte Kalo rienzufuhr zu kompensieren suchte, holte Parker ein Abschlepp seil aus dem Kofferraum des hochbeinigen Monstrums. Mit routinierten Handgriffen koppelte er die rote Limousine an und schleppte sie ein Stück weiter auf den Randstreifen. Ein idea ler Parkplatz war das nicht, aber wenigstens war das Wrack so weit aus dem Weg, daß es keine Gefahr für nachfolgende Auto fahrer darstellte. Und die flüssige Seife auf dem Straßenpflaster trocknete schon. Fünf Minuten später stoppte der Butler seinen Privatwagen am Eingang eines kleinen Dorfes. »Geht man möglicherweise recht in der Annahme, daß es in der Nähe eine öffentliche Telefonzelle gibt?« sprach er einen etwa fünfzigjährigen Mann an, der damit beschäftigt war, die Rosen im Vorgarten seines Häuschens zu stutzen. »Ja, aber die ist schon seit zwei Wochen kaputt«, lautete die Auskunft. »Wenn Sie wollen, können Sie von hier aus anrufen.« »Meine bescheidene Wenigkeit dankt für das freundliche Ange bot«, erwiderte Parker, verließ das Fahrzeug und folgte dem Mann ins Haus. Der ländliche Polizeiposten, den er gleich darauf an der Strippe hatte, ließ sich die Unfallstelle genau beschreiben. »Hat es Ver letzte gegeben?« wollte der Beamte wissen. »Die Insassen des roten BMW dürften gewisse Blessuren da vongetragen haben, falls man nicht gründlich irrt«, teilte der But ler mit. »Dennoch gelang es den Herren, zu Fuß das sprichwörtli che Weite zu suchen.« »Unglaublich, wie manche Leute rasen«, bemerkte der Haus herr, nachdem Parker den Hörer aufgelegt hatte. »Ein Glück, daß sonst niemand zu Schaden gekommen ist.« »Eine Feststellung, der man sich nur vorbehaltlos anschließen kann«, erwiderte der Butler und hinterließ einige Münzen als Ent gelt für das Gespräch. Während der Freizeitgärtner ihn auf dem Rückweg zum Wagen begleitete, fiel Parkers Blick auf ein modernes Appartementhaus, dessen viergeschossige Betonbauweise innerhalb des idyllischen Dorfes geradezu schockierend wirkte.
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»Ja, das ist ein häßlicher Kasten«, kommentierte der Dörfler. »Zu schade, daß das hübsche Häuschen der Miltons abgebrannt ist.« »Versteht man Ihre Äußerung recht, hat an der fraglichen Stelle vorher ein anderes Gebäude gestanden?« erkundigte sich der Butler. »Ja, ein wunderschönes Cottage«, wußte sein Gesprächspartner zu berichten. »Ich habe nie begriffen, warum das alte Ehepaar so Hals über Kopf ausgezogen ist.« »Die Herrschaften dürften eine günstige Gelegenheit genutzt haben, ihr Anwesen zu veräußern«, mutmaßte Parker. »Ob die Gelegenheit wirklich günstig war, kann ich nicht beur teilen«, erwiderte der Mann mit der Rosenschere. »Jedenfalls hat ein gewisser Ben Robson aus London das Haus samt Grundstück gekauft. Doch bevor er einziehen konnte, ging alles in Flammen auf. Man munkelt, daß es dabei nicht ganz mit rechnen Dingen zugegangen ist.« »Möchten Sie damit andeuten, daß es sich um einen Fall von Versicherungsbetrug handeln könnte?« hakte der Butler interes siert nach. »Weiß ich nicht«, wich sein Gegenüber aus. »Nach dem Brand wurde dann der Betonklotz gebaut.« »Man dankt für Ihre Hilfsbereitschaft und für die freundlichen Auskünfte«, sagte Parker und lüftete die Melone. »Im übrigen erlaubt man sich, einen angenehmen Abend zu wünschen.« * »Der Einkauf hat sich gelohnt, Mister Parker«, befand Lady Simpson und ließ ein genießerisches Schnalzen hören. »Nur wer de ich beim nächsten Mal einen höheren Rabatt aushandeln.« »Angesichts der exzellenten Qualität dürfte der Preis, den Mistreß Stone Verlangte, mitnichten als überhöht gelten«, be merkte der Butler und servierte seiner Herrin ein Glas Champag ner zum Abendimbiß. Gleich nach der Rückkehr hatte er die geräucherten Forellen fi letiert mit pikanter Meerettichsahne und frischen Dillspitzen gar niert und auf einer Kristallplatte angerichtet. Knackiger Blattsalat
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und goldbraun geröstete Toastscheiben standen als Beilage be reit. Den Ärger über die entwischten Verfolger hatte Mylady verges sen. Sie saß an einem runden Tisch, den Parker in die Nähe des rasch entfachten Kaminfeuers gerückt hatte, und widmete sich mit ungeteilter Hingabe der gleichermaßen lustvollen wie lebens wichtigen Aufgabe des Speisens. Die repräsentative, im Fachwerkstil errichtete Villa, die der wohlhabenden Dame als Hauptwohnsitz diente, stand in einem idyllischen Stadtviertel am Rande der Londoner City. Shepherd’s Market galt allgemein als Oase der Ruhe inmitten des hektischen Großstadtgetriebes. Aber die von Alleebäumen gesäumte Wohnstraße, an der Lady Agathas herrschaftliches Anwesen lag, war gewöhnlich noch stiller als die Umgebung. Das lag daran, daß die Häuser in der Nachbar schaft ausnahmslos leerstanden. Den früheren Bewohnern war ein Leben in unmittelbarer Nähe der exzentrischen Privatdetektivin zu nervenaufreibend gewor den. Sie waren in Stadtteile gezogen, wo man nicht unbedingt damit rechnen mußte, durch nächtliche Überfälle aus dem Schlaf gerissen zu werden. Agatha Simpson hatte die Häuser zum Schleuderpreis erworben und ließ sie seitdem unbewohnt. Aus diesem Grund verirrte sich nur selten ein Autofahrer in die Straße, die weiter oben als Sack gasse endete. Kein Wunder also, daß Parker die Ohren spitzte, als die Mo torengeräusche eines langsam vorbeifahrenden Wagens hörbar, wurden. »Bekomme ich Besuch, Mister Parker?« erkundigte sich die ta felnde Hauscheffin, als der Butler gemessen und würdevoll zum Fenster schritt und durch einen Spalt in der Gardine auf die Stra ße hinaussah. »Eine Möglichkeit, die man zumindest nicht ausschließen sollte, Mylady«, erwiderte Parker. »Vielleicht ein Killerkommando?« fragte die ältere Dame erwar tungsvoll. »Auch diese Annahme dürfte durchaus in Betracht zu ziehen sein, falls man eine persönliche Einschätzung äußern darf«, teilte der Butler mit. »Sofern Mylady keine Einwände erheben, wird
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man die Video-Überwachungsanlage konsultieren, um sich ein Bild zu verschaffen.« »Meinetwegen«, reagierte die Hausherrin, ließ sich aber noch ihr Glas nachfüllen. »Keine Eigenmächtigkeiten, wenn ich bitten darf, Mister Parker.« »Meine Wenigkeit wird sich konkreter Schritte enthalten, solan ge Mylady keine Anweisungen zu erteilen geruhen«, versprach Parker, verneigte sich andeutungsweise und steuerte gemessen und würdevoll die Diele an. Inzwischen hatte das Fahrzeug am Ende der Straße gewendet. Die Motorengeräusche waren wieder deutlicher zu vernehmen. Doch plötzlich wurde es still. Mit geübten Handgriffen öffnete der Butler den Wandschrank, in dem der Monitor und die Steuerungseinrichtungen der Überwa chungsanlage untergebracht waren. Sekunden später leuchtete ein kristallklares Bild auf der quadratischen Mattscheibe auf. Der Wagen, ein BMW von weißer Farbe, stand schräg gegenüber der Einfahrt halb auf dem Gehweg. Auf den Vordersitzen machte Parker zwei Männer aus, die aber keine Anstalten trafen, das Fahrzeug zu verlassen. Gerade wollte der Butler auf Teleoptik schalten, um sich die Ge sichter der Unbekannten in Großaufnahme auf den Bildschirm zu holen, da begann hinter seinem Rücken das Telefon zu klingeln. »Hier bei Lady Simpson. Josuah Parker am Apparat«, meldete er sich in seiner etwas förmlichen Art. »Guten Abend, Mister Parker. Hier spricht Philipp Stone«, war die vor Nervosität bebende Stimme des Forellenzüchters am an deren Ende der Leitung zu vernehmen. »Guten Abend, Mister Stone«, erwiderte Parker. »Darf man sich unter Umständen die Frage nach dem Grund Ihres Anrufes erlau ben?« »Ja, ich wollte…« druckste der Anrufer herum, »ich meine…« »Geht man möglicherweise recht in der Annahme, daß Sie Un gelegenheiten hatten, Mister Stone?« wollte der’ Butler wissen. »Nicht… äh… nicht direkt«, entgegnete Stone. »Aber meine Frau und ich – wir fürchten, daß Sie vielleicht Schwierigkeiten bekom men, Mister Parker.« »Darf man fragen, was Sie zu dieser Vermutung veranlaßt, Mis ter Stone?« hakte Parker interessiert nach. »Vor einer Weile waren zwei Männer hier, die auf uns einen… ah…nicht gerade vertrauenswürdigen Eindruck machten«, berich
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tete der Anrufer. »Zufällig lag die Visitenkarte, die Sie mir gege ben haben, noch auf dem Tisch.« »Vermutet man recht, daß Ihre Besucher die Karte an sich nahmen, Mister Stone?« fragte der Butler dazwischen, als sein Gesprächspartner erneut ins Stocken geriet. »Ja, sie schienen sich sehr über den Fund zu freuen«, fuhr Sto ne fort. »Und wir fürchten nun, daß die beiden nichts Gutes im Schilde führen. Deshalb wollte ich Sie anrufen und warnen, Mister Parker.« »Ein Entschluß, den man nur dankbar begrüßen kann, Mister Stone«, gab Parker höflich zurück. »Vielleicht sehe ich auch Gespenster.«, meinte der Mann am anderen Ende der Leitung. »Keineswegs und mitnichten, Mister Stone«, entgegnete der Butler. »Vielmehr deuten alle Anzeichen darauf hin, daß Ihre Be fürchtungen der Wahrheit sehr nahe kommen.« »Tut mir wirklich leid, wenn Sie unseretwegen Scherereien be kommen, Mister Parker«, versicherte Stone. »Sie sollten sich nicht unnötig mit Schuldgefühlen belasten, falls der Hinweis gestattet ist, Mister Stone«, antwortete Parker. »My lady dürfte die Scherereien, von denen Sie zu sprechen geruhen, geradezu freudig begrüßen.« »Hoffentlich«, seufzte der Forellenzüchter und wollte sich schon verabschieden, aber der Butler hatte noch eine Frage auf dem Herzen. »Darf man die Vermutung äußern, daß Sie möglicherweise von Angehörigen der kriminellen Szene belästigt werden, Mister Sto ne?« erkundigte er sich. »Nein«, widersprach der Anrufer mit Entschiedenheit. »Nein, wie kommen Sie darauf, Mister Parker?« »Und die Herren, von denen Sie heute abend Besuch erhielten, waren Ihnen persönlich nicht bekannt, Mister Stone?« überhörte Parker die Frage und bohrte selbst beharrlich weiter. »Nein, ich habe sie nie vorher gesehen«, versicherte Stone. »Demnach waren die Herren auch nicht identisch mit denen vom Nachmittag, Mister Stone?« ließ der Butler nicht locker. »Auf keinen Fall«, lautete die Antwort. »Einen Zusammenhang zwischen beiden Besuchen würden Sie ebenfalls ausschließen, Mister Stone?« folgte Parkers nächste Frage auf dem Fuß.
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»Bitte, Mister Parker«, verfiel der Anrufer Unvermittelt in gera dezu beschwörenden Ton. »Fragen Sie nicht weiter. Ich kann, will und werde Ihnen nicht antworten.« »Was man nur mit dem Ausdruck tiefsten Bedauerns zur Kennt nis nimmt, Mister Stone«, erwiderte der Butler. »Tut mir leid, Mister Parker. Aber Sie müssen für meine Situati on Verständnis haben«, erklärte Stone. »Ich wollte Sie nur war nen. Mehr nicht.« »Wofür man Ihnen uneingeschränkt dankbar ist, Mister Stone«, sagte Parker. »Im übrigen darf man Ihnen erneut empfehlen, unverzüglich Mylady oder meine Wenigkeit zu kontaktieren, falls Sie in ernsthafte Schwierigkeiten geraten sollten.« »Danke, Mister Parker. Ich werde es nicht vergessen«, ver sprach der Forellenzüchter, verabschiedete sich und hängte den Hörer ein. Nachdenklich legte der Butler die wenigen Schritte zum Bild schirm zurück, um seine Aufmerksamkeit wieder den Insassen des weißen BMW zuzuwenden. Plötzlich drang das wimmernde Geräusch eines Anlassers an sein Ohr. Die Maschine heulte auf. Als Parker auf den Monitor sah, setzte sich die schnelle Limousine gerade in Bewegung. Die Männer schienen es ausgesprochen eilig zu haben. Sekun den später wurde auch der Grund ihrer Eile deutlich. Eine schwar ze Limousine rollte ins Bild und stoppte unmittelbar neben der Zufahrt zu Lady Simpsons Anwesen. Der Butler erkannte sofort, was auch den Gangstern im BMW klar gewesen sein mußte. Bei dem Fahrzeug handelte es sich um jenen Typ, der den gehobenen Rängen von Scotland Yard als Dienstkarosse diente. Eilfertig verließ der Chauffeur seinen Platz und öffnete den hin teren Wagenschlag. Ein untersetzter Mittfünfziger wand sich aus den Polstern, klemmte eine schmale Aktenmappe unter den Arm und kam mit energischen Schritten auf das Haus zu. Seelenruhig schaltete Parker die Video-Überwachungsanlage aus, schloß den Wandschrank und öffnete Sekunden später die Haustür, um den Besucher einzulassen. *
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Chief-Superintendent McWarden galt als routinierter und unge wöhnlich befähigter Kriminalist. Das war der Grund, weshalb ihm der Innenminister die Leitung einer Sondereinheit übertragen hatte, die sich ausschließlich der Bekämpfung des organisierten Verbrechens widmete. Gewöhnlich hatte der professionelle Ganovenjäger für Amateure in der Kriminalistik nur ein mitleidiges Lächeln übrig. Lady Simp son und ihr Butler bildeten in dieser Hinsicht jedoch eine Aus nahme. Daß McWarden in dem herrschaftlichen Fachwerkhaus in Shepherd’s Market auftauchte, um sich Tips und Anregungen zu holen, war schon häufiger vorgekommen. Besonders wenn seine konventionellen Ermittlungsmethoden in eine Sackgasse geführt hatten, wußte er Parkers ausgewogenen Rat zu schätzen. Die temperamentvolle Hausherrin, die nie ein Blatt vor den Mund nahm und aus ihrer Meinung über die Polizei kein Hehl machte, lag dem Yard-Beamten weniger. Zwar bemühte er sich redlich, gute Miene zum manchmal boshaften Spiel zu machen, aber das gelang ihm nicht immer. Mylady begegnete McWarden mit gemischten Gefühlen. Einer seits genoß sie es, den cholerisch Veranlagten durch kleine Na delstiche auf die sprichwörtliche Palme zu treiben. Andererseits lebte sie in der ständigen Angst, der Beamte Ihrer Majestät könn te sich an ihren eifersüchtig gehüteten Sherry-Vorräten vergreifen oder die Leckereien ihrer Frühstücksplatten dezimieren. Anlaß zu derartigen Befürchtungen hatte ihr der ChiefSuperintendent allerdings noch nie gegeben – jedenfalls, soweit Parker sich erinnern konnte. Vielleicht war es auch nur der Konkurrenzneid, gepaart mit aus geprägter Sparsamkeit, der Mylady solches Mißtrauen einflößte. »Guten Abend, Mister Parker«, grüßte der einflußreiche YardMann. »Kann ich für eine Viertelstunde hereinkommen?« »Mylady dürfte den Abendimbiß soeben beendet haben, Sir«, teilte der Butler mit, verneigte sich andeutungsweise und ließ den Besucher eintreten. »Darf man fragen, ob Ihr Ausflug ins Grüne unterhaltsam war, Mister Parker?« erkundigte sich McWarden, während er in der Diele Hut und Mantel abgab.
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»Unter diesen Umständen muß meine Wenigkeit um Auskunft bitten, welchen Ausflug Sie zu meinen geruhen, Sir«, gab Parker mit unbewegter Miene zurück. »Den von heute nachmittag«, wurde der Chief-Superintendent konkret. »Sie waren doch in den Surrey Hills? Oder nicht, Mister Parker?« »Meine bescheidene Wenigkeit sieht sich genötigt, Ihnen einen beeindruckenden Informationsstand zu attestieren, Sir«, erwider te der Butler und schritt würdevoll auf dem Weg in die Wohnhalle voran. »McWarden! Was für eine freudige Überraschung!« rief Lady Agatha mit säuerlichem Lächeln, als sie des Besuchers ansichtig wurde. »Ich nehme an, Sie stecken mal wieder in der Patsche, und ich soll Ihnen helfen.« »Eigentlich nicht, Mylady. Im Moment läuft alles wie am Schnürchen«, gab McWarden lächelnd zurück und begrüßte die majestätische Dame mit formvollendetem Handkuß. »Meine Leute rollen eine Gang nach der anderen auf.« »Na schön. Man weiß, daß auch blinde Hühner mitunter ein paar Körner finden, mein lieber McWarden«, griff die Detektivin mun ter ins Arsenal ihrer Giftpfeile. »Apropos Körner: Sie haben doch hoffentlich schon zu Abend gegessen?« »Verbindlichen Dank, Mylady«, erwiderte der Yard-Beamte. »Ich halte schon seit einer Woche strenge Diät.« »Schade, ich hätte Ihnen zu gern etwas angeboten«, ließ die äl tere Dame in gut gespieltem Bedauern verlauten. »Möchten Sie nicht Platz nehmen, mein Bester?« »Danke«, sagte der Besucher und ließ sich in den Sessel sinken, den Parker ihm heranschob. »Heraus mit der Sprache«, ermunterte Agatha Simpson ihn. »Wo drückt der Schuh, McWarden?« »Eigentlich wollte ich nur wissen, wie Ihnen der Ausflug in die Surrey Hills gefallen hat, Mylady«, brachte der ChiefSuperintendent seine Frage gleich zum zweiten Mal an. »Surrey Hills?« wiederholte Agatha Simpson und bedachte den Butler mit einem strengen Blick. »Haben Sie geplaudert, Mister Parker?« »Keineswegs und mitnichten, Mylady«, konnte Parker guten Gewissens entgegnen. »Mister McWarden schien schon vor sei
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nem Eintreffen über Myladys Freizeitaktivitäten unterrichtet zu sein.« »Dann haben Sie mir also wieder nachspioniert, McWarden«, reagierte die ältere Dame unwirsch. »Was versprechen Sie sich eigentlich davon?« »Aber Mylady!« protestierte der Besucher. »Von Nachspionieren kann keine Rede sein.« »So?« ereiferte sich die Hausherrin nun erst recht. »Woher wis sen Sie dann, daß ich in den Sussex Downs war?« »Surrey Hills«, korrigierte McWarden beiläufig. »Ich habe hier die Durchschrift einer Unfallanzeige. Darin sind Sie und Mister Parker als Augenzeugen genannt.« Die passionierte Detektivin schluckte, aber noch hatte sie ihr Pulver nicht verschossen. »Seit wann kümmern Sie sich denn um Verkehrsunfälle, McWarden?« wollte Mylady mit hämischem Unterton wissen. »Haben Sie sich Versetzen lassen oder sind Sie gar versetzt wor den?« »Keins von beiden«, gab der Chief-Superintendent bissig zu rück. »Aber manchmal kümmern wir uns auch um Verkehrsunfäl le, besonders wenn es sich um Fahrzeuge handelt, die schon län ger auf der Fahndungsliste stehen.« »Was Sie nicht sagen! Die Verkehrsrowdies werden steckbrief lich gesucht?« erkundigte sich Lady Simpson. »Über die Insassen wissen wir leider nichts«, räumte der Besu cher ein. »Aber die gefälschten Nummernschilder im Kofferraum waren auch nicht uninteressant. Ich habe den Beamten in Dor king ein Lob ausgesprochen, weil sie sofort geschaltet und meine Abteilung verständigt haben.« »Darf man hoffen, daß Sie bereit sind, nähere Einzelheiten mit zuteilen, Sir?« schaltete Parker sich ein. »Vor zwei Monaten gab es. im Eastend eine Schießerei zwischen konkurrierenden Gangsterbanden, bei der zwei Männer auf der Strecke blieben«, berichtete der Yard-Gewaltige. »Die mutmaßli chen Schützen entkamen in einem roten BMW. Und das Kennzei chen, das damals von einem Zeugen notiert wurde, fand sich jetzt im Kofferraum des verunglückten Wagens.« »Zufälle gibt’s«, meinte die Detektivin und lächelte versonnen.
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»Stimmt«, nickte McWarden. »Aber daß Sie bei dem Unfall in der Nähe waren, kann man bestimmt nicht als Zufall bezeichnen, Mylady.« »Aber es war wirklich der pure Zufall, McWarden«, beteuerte die füllige Dame. »Mein kriminalistischer Instinkt muß mich aus nahmsweise im Stich gelassen haben. Oder Ihnen ist ein Verse hen unterlaufen, was die Autonummer angeht. Wenn Sie mich fragen, waren die Lümmel einfach betrunken. Das ist der Grund, weshalb sie ihr Fahrzeug nicht in der Gewalt hatten, und deshalb sind sie auch nach dem Unfall Hals über Kopf geflüchtet.« »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?« wurde es dem Besu cher langsam zu bunt. »Ich weiß genau, daß Sie in dieser Sache ermitteln, Mylady.« »Stimmt nicht«, beharrte Agatha Simpson. »Stimmt doch«, reagierte der Chief-Superintendent wütend. Sein ohnehin leicht geröteter Teint hatte die Farbe einer vollreifen Tomate angenommen. Die gewundene Ader an der Schläfe poch te hektisch. »Das ist ja wirklich der Gipfel«, fuhr die resolute Dame fast aus der Haut. »Sie beschimpfen mich als Lügnerin. Und das unter meinem Dach, McWarden!« »Aber so hab ich’s doch nicht gemeint, Mylady«, bemühte sich McWarden händeringend, die Aufgebrachte zu beschwichtigen. »Reden Sie sich nicht heraus, mein Bester«, wurde Mylady eine Spur konzilianter. »Sie sollten sich nicht herausreden, Mylady«, versuchte der Y ard-Gewaltige ihren Ton zu übernehmen. »Was sagen Sie denn zu den Ganoven, die vor Ihrer Tür lauern? Ist das auch Zufall?« »Keine Ahnung, wovon Sie reden, McWarden«, behauptete Lady Agatha. »Vielleicht haben Sie sie noch gar nicht bemerkt: die beiden Burschen im weißen BMW, die schleunigst das Weite suchten, als sie meinen Dienstwagen kommen sahen«, wurde der ChiefSuperintendent deutlich. »Auf alle Fälle rate ich Ihnen zu äußers ter Vorsicht, Mylady. Sie haben es mit hochkarätigen Verbrechern zu tun, die bedenkenlos über Leichen gehen.« »Danke für Ihre väterlichen Ratschläge, McWarden«, entgegne te die resolute Dame. »Ich kann gut auf mich selbst achtgeben. Und auf Mister Parker auch.«
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»Mit Ihnen ist heute nicht gut Kirschen essen, Mylady«, knurrte der Besucher, erhob sich rasch, deutete eine Verbeugung an und marschierte in Richtung Diele. »Jetzt mal ehrlich und offen unter Männern, Mister Parker«, schlug der Yard-Beamte dort einen ungewohnt vertraulichen Ton an, während der Butler ihm in den Mantel half. »Sie ermitteln doch in der Sache, stimmt’s?« »Leider sieht meine Wenigkeit sich ohne Myladys ausdrückliche Zustimmung nicht befugt, Verlautbarungen irgendwelcher Art abzugeben, Sir«, erwiderte Parker ebenso höflich wie bestimmt. »Na, dann eben nicht«, meinte McWarden mürrisch und trat aus der Tür. »Trotz allem erlaubt man sich, einen möglichst angenehmen Abend zu wünschen, Sir«, sagte der Butler und sah dem ChiefSuperintendent nach, bis er in seinen Wagen gestiegen war. * »Ist Ihnen die Taktik aufgefallen, mit der ich Mister McWarden abgewimmelt habe, Mister Parker?« erkundigte sich Lady Simp son mit selbstgefälligem Lächeln, als Parker in die Wohnhalle zu rückkehrte. »Mylady zeigten eine Konsequenz in der Verfolgung des Zieles, der man nur höchste Bewunderung zollen kann«, bemerkte der Butler, verneigte sich andeutungsweise und schenkte seiner Her rin noch mal ein. Eigentlich wollte Parker von dem besorgten Anruf des Forellen züchters Philipp Stone berichten, aber da in diesem Augenblick die Geräusche eines vorbeifahrenden Autos sein Ohr erreichten, mußte er das Vorhaben erneut verschieben. »Kaum ist McWarden weg, marschieren die Killer wieder auf«, sagte die majestätische Dame, die ebenfalls aufmerksam gewor den war. »Eine Vermutung, die ausgesprochen naheliegen dürfte«, bestä tigte der Butler und lenkte seine Schritte in Richtung Diele, um erneut die hauseigene Video-Überwachungsanlage zu befragen. Als Augenblicke später das erste Bild auf dem Monitor aufleuch tete, war allerdings nichts Verdächtiges zu sehen. Doch ein leich ter Kameraschwenk belegte dann zweifelsfrei, daß die Männer im
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weißen BMW zurückgekehrt waren. Nur stand der Wagen jetzt etwas weiter von der Einfahrt entfernt. Parker kehrte in die weitläufige Wohnhalle zurück. »Sofern My lady keine Einwände erheben, würde man sich erlauben, die Her ren hereinzubitten«, ließ er in seiner höflichen Art verlauten. »Darum wollte ich Sie ohnehin gerade ersuchen, Mister Parker«, antwortete die Hausherrin. »Ich werde mich in der Zwischenzeit auf die Vernehmung vorbereiten.« »Wie Mylady zu wünschen geruhen«, erwiderte der Butler und entfernte sich. Sein Weg führte ihn ins Souterrain des Hauses, wo man noch die wuchtigen Grundmauern einer sagenumwobenen Abtei bewundern konnte, auf denen Lady Agathas großzugige Behausung ruhte. Außer der geräumigen, professionell ausgestatteten Wirt schaftsküche und etlichen Gästezimmern befanden sich dort un ten auch Parkers private Räume, die er mit dunklem Holz und Messingbeschlägen nach Art einer Kapitänskajüte möbliert hatte. In einer Schublade fand sich ein Paar dicker, handgestrickter Wollsocken, die der Butler über seine schwarzen Lacklederschuhe streifte. Anschließend schritt er durch die unterirdischen Gänge weiter bis zu einem getarnten Hinterausgang, der auf einen von Hecken gesäumten Gartenweg mündete. Hier, wo keine Straßenlampe leuchtete, war es so finster, daß man kaum die Hand vor Augen sah. Dank seiner ungewöhnlich scharfen Nachtvogelaugen konnte Parker jedoch zügig voran schreiten, ohne irgendwo anzuecken. Zwei Minuten später hatte er das Häuserkarree umrundet und das obere Ende der Straße erreicht. Lautlos wie ein Schatten glitt der schwarz gewandete Butler weiter und hatte seine Blicke fest auf den weißen BMW gerichtet, der noch immer am selben Platz stand. Jetzt waren es nur noch wenige Meter. Behutsam schob Parker sich bis zum nächsten Baumstamm weiter und spähte aufmerk sam durch das Rückfenster der Limousine. Sie war leer. Dafür entdeckte der Butler die ungeladenen Besucher in rund fünfzig Schritten Entfernung. Sie hatten sich inzwischen zum Haus begeben und hantierten verstohlen am Schloß der Ein gangstür. Gemessen und würdevoll überquerte Parker die Straße, legte auf seinen schallgedämpften Schuhen lautlos das letzte Stück des
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Weges zurück und nahm hinter den eingehend beschäftigten Gangstern Aufstellung. »Darf man höflich um Auskunft bitten, welchen Zweck die Her ren mit ihrer Tätigkeit verfolgen?« sprach er das emsig werkelnde Duo an. Die Männer erstarrten zu Salzsäulen und blieben die Antwort schuldig. In Zeitlupentempo wandten sie sich um und starrten die aus dem Nichts aufgetauchte Gestalt an, als wären sie einem We sen aus einer anderen Dimension begegnet. Doch dann wollten, beide demonstrieren, daß sie mit allen Was sern gewaschene Profis waren und langten gleichzeitig in ihre Schulterhalfter. Der Butler, der mit dieser »Antwort« gerechnet hatte, reagierte jedoch blitzschnell und ließ den Bewaffneten keine Chance. Mit ruckartiger Bewegung schickte er den schwarzen UniversalRegenschirm, ohne den er nie das Haus verließ, vom angewinkel ten Unterarm senkrecht in die Höhe. Dabei faßte er mit der schwarz behandschuhten Rechten die bleigefüllte Spitze des Re gendachs und benutzte den gebogenen Bambusgriff, um ein zwei fellos vorhandenes Talent zum Schlagzeuger zu demonstrieren. Den verdutzten Ganoven verging Hören und Sehen gleichzeitig, als Parker seine technisch perfekten Trommelwirbel vorführte, mal auf dem linken, dann wieder auf dem rechten Schädel. Unter diesen Umständen verzichteten die Unbekannten darauf, die schallgedämpften Waffen, mit denen sie sich ausgerüstet hat ten, tatsächlich zu ziehen. Wie auf Kommando verdrehten beide Kerle die Augen, knickten in den Knie ein und suchten hastig in nigen Kontakt zu Mutter Erde. Seelenruhig schloß der Butler die Haustür auf und lud sich einen der ausgesprochen apathisch wirkenden Gangster auf die Schul ter. Ohne ersichtliche Mühe stieg er mit seiner menschlichen Last die Treppe zum Souterrain hinab und beförderte den Mann in eins der Gästezimmer. Wenig später war auch der zweite dort einquartiert. Parker zog die Tür zu, riegelte sorgfältig ab und warf noch einen prüfenden Blick durch den Türspion, ehe er den Rückweg antrat, um seiner Herrin Bericht zu erstatten. Über mangelnden Komfort konnten Myladys Gäste sich nicht beklagen. Ihre Zimmer waren mit bequemen Polstermöbeln aus gestattet und verfügten über einen Farbfernseher gegen etwa
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aufkommende Langeweile. Selbst ein mit alkoholfreien Getränken bestückter Kühlschrank war vorhanden. Nur Fenster und Telefon suchte man vergeblich. Und die stäh lerne Feuerschutztür war mit einem aufwendigen Si cherheitsschloß versehen. Agatha Simpson schätzte es nun mal nicht, wenn ihre unfreiwilligen Gäste sich grußlos empfahlen. * Der Butler hatte den ersten Fuß auf die Treppe zum Erdgeschoß gesetzt, als eine der roten Warnlampen zu blinken begann, die überall im Haus installiert waren. Jemand hatte die InfrarotLichtschranken gekreuzt, die das Anwesen der Detektivin rundum absicherten. Ohne Hast setzte Parker seinen Weg fort und hatte kaum das Kopfende der Treppe erreicht, als an der Haustür geläutet wurde. »Mister Parker!« schallte prompt Lady Agathas Stimme aus der Wohnhalle herüber. »Wo stecken Sie? Es hat geläutet.« »Meine Wenigkeit eilt, Mylady«, versicherte der Butler, betrat die Diele und warf einen Blick auf den noch eingeschalteten Moni tor der Video-Über-Wachungsanlage. Das junge Paar, das drau ßen stand und fröhlich in die versteckt angebrachte Kamera lä chelte, konnte er ohne Bedenken einlassen. »Man erlaubt sich, einen möglichst heiteren Abend zu wün schen«, sagte Parker und verneigte sich höflich, nachdem er die Tür geöffnet hatte. »Hallo, Parker«, grüßte Anwalt Mike Rander in seiner lässigen Art. »Guten Abend, Mister Parker«, setzte seine Begleiterin, die att raktive Kathy Porter, hinzu. »Na, mal wieder Highlife in Shepherd’s Market?« erkundigte sich Rander beim Eintreten. »Darf, man möglicherweise fragen, worauf Sie mit dieser Äuße rung anzuspielen geruhen, Sir?« wollte der Butler wissen. Der Anwalt grinste und deutete mit dem Daumen auf den wei ßen BMW. »Sieht ganz so aus, als hätte Mylady mal wieder Mei nungsverschiedenheiten mit der Unterwelt auszufechten«, sagte er.
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»Eine Annahme, die man nur als Ungemein zutreffend bezeich nen kann, Sir«, bestätigte Parker und schritt gemessen und wür devoll auf dem Weg in die Wohnhalle voran. Mit dem etwa vierzigjährigen Rander verband ihn eine alte Freundschaft. Gemeinsam hatten die Männer etliche Jahre in den Staaten verbracht und dort eine Reihe aufsehenerregender Krimi nalfälle gelöst. Der Butler war als erster an die Themse zurückgekehrt und hat te im Haus der exzentrischen Privatdetektivin einen neuen Wir kungskreis gefunden. Danach hatte es den Anwalt aber auch nicht mehr lange im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gehal ten. Die Kanzlei, die Rander an der nahegelegenen Curzon Street er öffnet hatte, florierte zwar, aber seine Hauptaufgabe hatte der Jurist, dessen sportliche Erscheinung an einen prominenten Ja mes-Bond-Darsteller erinnerte, im Hause Simpson in Shepherd’s Market gefunden. Seit Parker ihn bei seiner neuen Herrin eingeführt hatte, genoß Rander das uneingeschränkte Vertrauen der älteren Dame. Das zeigte sich vor allem darin, daß sie ihm die Verwaltung ihres schwer zu beziffernden Vermögens übertragen hatte. Unter Myladys herrschaftlichem Dach hatte der Anwalt auch die schätzungsweise zehn Jahre jüngere Kathy Porter kennengelernt, die dort als Sekretärin und Gesellschafterin der Hausherrin tätig war. Mit ihren leicht mandelförmig geschnittenen Augen und dem Kastanienschimmer im dunklen Haar stellte die zierliche junge Dame eine Erscheinung von exotischem Reiz dar. Obwohl von Natur aus sanft und anschmiegsam, konnte sie sich im Handum drehen in eine fauchende Pantherkatze verwandeln, die zudringli chen Gegnern die Krallen zeigte. Wer die hübsche Kathy sah, wollte nicht glauben, daß sie schon an mancher Ganovenjagd erfolgreich mitgewirkt und Kerle wie Kleiderschränke auf die Bretter befördert hatte. Dabei kam ihr allerdings zugute, daß sie sich jahrelang dem intensiven Studium fernöstlicher Selbstverteidigungstechnik gewidmet hatte. Agatha Simpson hatte die beiden Menschen gleichermaßen ins Herz geschlossen und hätte sie am liebsten vor dem Traualtar gesehen. Aber diesen Gefallen hatten ihr die »Kinder«, wie sie sie gerne nannte, bislang nicht getan.
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»Ach, ihr seid es«, reagierte Mylady freudig überrascht, als Par ker die Besucher hereinführte. »Ich dachte schon, Mister Parker würde mir die Killer bringen, die ich gerade vernehmen wollte.« »Nein, nein. Wir sind völlig harmlose Besucher, Mylady«, versi cherte Rander schmunzelnd und ließ sich in einen Sessel fallen. »Trotzdem wäre ich nicht gerade scharf darauf, von Ihnen in die Zange genommen zu werden.« »Nun, ich habe eben meine Methoden, Mike«, erwiderte die passionierte Detektivin. »Aber der Erfolg gibt mir recht. Ich errei che immer, was ich will.« »Eine Feststellung, die man mit allem Nachdruck unterstreichen möchte, Mylady«, warf der Butler ein. Er kannte die unkonventio nelle Art seiner Herrin zur Genüge. Bei ihr legte jeder ein Ges tändnis ab, auch wenn er nichts zu gestehen hatte… »Worum geht es denn in dem Fall, den Sie gerade bearbeiten, Mylady?« fragte Kathy Porter, die an der Seite der majestätischen Dame Platz genommen hatte. »Raub? Erpressung? Rauschgift schmuggel?« »Von allem etwas, Kindchen«, entgegnete Agatha Simpson. »Das ist eine skrupellose, straff organisierte Bande, die vor nichts zurückschreckt. Aber meiner taktischen Überlegenheit sind diese Subjekte natürlich nicht gewachsen.« »Das heißt: Sie sind mit Ihren Ermittlungen schon ziemlich weit fortgeschritten, Mylady?« vergewisserte sich der Anwalt. »Die Schlinge zieht sich unaufhaltsam zu, mein lieber Junge«, ließ die Detektivin selbstbewußt verlauten. »Die Lümmel haben es nur noch nicht gemerkt. Innerhalb weniger Stunden sitzt die gan ze Bande hinter Schloß und Riegel.« »Was eindeutig zu hoffen wäre, Mylady«, bemerkte der Butler, der sich in dieser Hinsicht nicht so sicher war. »Zwei der Lümmel habe ich nachdrücklich zur Rede gestellt, als sie sich in unverschämter Weise mit mir anlegen wollten«, berich tete Agatha Simpson mit vor Stolz geschwellter Brust. »Die nächsten saßen auch schon in der Falle, aber Mister Parker hat die skrupellosen Subjekte entwischen lassen.« »Wie ärgerlich«, meinte Rander kopfschüttelnd und warf Parker einen fragenden Blick zu. Aber das glatte, alterslose Gesicht des Butlers blieb unbeweglich wie immer. »Und jetzt?« wollte die attraktive Kathy wissen.
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»Zum Glück habe ich immer noch zwei, die ich mir vorknöpfen kann, Kindchen«, erwiderte die Detektivin. »Oder haben Sie die etwa auch entkommen lassen, Mister Parker?« »Keineswegs und mitnichten, Mylady«, beruhigte der Butler sie. »Die Herren konnten es kaum erwarten, Myladys unvergleichliche Gastfreundschaft genießen zu dürfen.« »Haben Sie sich denn auch um meine Gäste gekümmert, Mister Parker?« erkundigte sich Mylady. »Ich möchte nicht, daß es ihnen an irgend etwas fehlt.« »Meine Wenigkeit war so frei, einige Sandwiches vorzubereiten, die man den Herren als Stärkung anbieten wollte«, teilte Parker mit und verneigte sich höflich. »Hoffentlich haben Sie es nicht wieder zu üppig gemacht, Mister Parker«, sorgte sich die ebenso wohlhabende wie kostenbewußte Lady. »Als alleinstehende Dame kann ich es mir nicht erlauben, die halbe Unterwelt durchzufüttern.« »Ein Umstand, dem man stets die gebührende Beachtung zollt, falls der Hinweis genehm ist, Mylady«, versicherte der Butler. »Wie auch immer. Ein paar Kekse hätten genügt«, befand Agat ha Simpson. »Kann und muß man diese Äußerung so verstehen, daß Mylady davon absehen möchte, die Herren mit Sandwiches zu bewirten?« vergewisserte sich Parker. »Nein, wenn die Sandwiches schon fertig sind, sollen die Lüm mel sie auch aufessen. Es wäre zu schade, wenn etwas um kommt«, entschied die Hausherrin. »Sie können bereits vorgehen und servieren, Mister Parker. Ich komme in wenigen Minuten nach.« »Wie Mylady zu wünschen belieben«, erwiderte der Butler, deu tete eine Verbeugung an und wollte sich entfernen, doch Rander hielt ihn zurück. »Haben Sie was dagegen, wenn ich mitkomme und mir die Bur schen ansehe, Parker?« wollte der Anwalt wissen. »Im Gegenteil, Sir. Man würde es sich zur Ehre anrechnen«, versicherte Parker und wartete, bis der Anwalt sich erhoben hat te. Seite an Seite traten die Männer dann den Weg ins Souterrain an. *
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Ein Tablett mit Sandwiches und Fruchtsaft in der Rechten, den Schlüssel in der Linken, warf der Butler einen etwas längeren Kontrollblick durch den sogenannten Spion, ehe er die stählerne Feuerschutztür des Gastzimmers aufschloß. Erwartungsgemäß hatten die BMW-Insassen inzwischen den Weg aus der Welt der Träume zurück in die bedrückende Realität gefunden. Sie saßen nebeneinander auf dem ledergepolsterten Sofa und unterhielten sich im Flüsterton – offenbar in der nicht ganz abwegigen Annahme, daß ihre Gespräche abgehört werden konnten. Den älteren von beiden schätzte Parker auf Mitte Vierzig. Der von rötlichen Haarstoppeln überwucherte Schädel wies nahezu quadratische Form auf. Das Gesicht wirkte wie aus Stein gemei ßelt, mit steilen Falten um die Mundwinkel und einem energischen Kinn. Nur der irritierende Silberblick, mit dem der Mann behaftet war, störte den strengen Eindruck ein wenig. Sein Komplice mochte Anfang Dreißig sein. Er verfügte über ausladende Schultern und beeindruckende Muskelpakete, die auf tägliches Training schließen ließen. Nur wollte das runde, schwammige Mondgesicht unter den schwarzen Haarsträhnen nicht recht zum durchgestylten Körper passen. Nachdem auch Rander das Duo in Augenschein genommen hat te, ließ Parker geräuschlos den Schlüssel ins Schloß gleiten und sperrte auf. Als er Sekunden später die Schwelle überschritt, bot sich ihm ein gründlich verändertes Bild. Schlaff und regungslos hingen die Gangster in den Polstern. Sie hatten die Augen geschlossen und gaben als einziges Lebenszei chen verhaltenes Stöhnen und Ächzen von sich. Allerdings nur, bis der Anwalt ebenfalls eingetreten war und Parker die Tür ge schlossen hatte. Wie Stahlfedern schnellten die Männer dann aus dem Sofa. Daß der Butler ihre wohlgefüllten Schulterhalfter geleert hatte, war ihnen wohl in der Zwischenzeit aufgefallen. Aber im Vertrauen auf ihre blanken Fäuste gingen sie die Kraftprobe zuversichtlich an. Parker und Rander waren jedoch vorbereitet und taten ihr Bes tes, um eine friedvolle Gesprächsatmosphäre herbeizuführen. Blitzartig holte der Anwalt aus, landete einen rechten Haken und entlockte seinem Gegner ein bewunderndes Stöhnen.
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Aus hervorquellenden Augen starrte der Gangster den sportli chen Rander an und knickte dabei langsam in den Knien ein. Aber obwohl es mit seiner Standfestigkeit nicht mehr weit her war, fühlte er sich doch aufgerufen, Gleiches mit Gleichem zu vergel ten. Der Schlag, den er mit verbissener Miene führte, ging jedoch ins Leere. Dafür schickte der Anwalt noch einen linken Haken hinter her und überredete den Mondgesichtigen, fürs erste wieder auf dem Sofa Platz zu nehmen. Der Schieläugige ließ sich dadurch nicht irritieren. All sein Trachten und Streben war auf die Freiheit verheißende Tür ge richtet. Und gegen den stocksteifen Butler, der noch dazu ein Tablett mit Sandwiches und Saftgläsern balancierte, glaubte er leichtes Spiel zu haben. Was sich allerdings sehr schnell als Irr glaube entpuppte… Josuah Parker sah dem Angreifer gelassen entgegen. Er hob nur die Hand mit dem Tablett ein wenig, als der Gangster zum Hechtsprung ansetzte. Was dann folgte, war ein optisches und akustisches Happening, das mit Sicherheit dem Geschmack der Agatha Simpson entspro chen hätte. Ein voller, dunkler Glockenton wurde hörbar, als der wuchtige Quadratschädel, dessen Besitzer nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte, das schwere Silbertablett rammte. Sekundenbruchteile später setzte das Klirren der Gläser, die am Boden zerschellten, einen neuen Akzent. Schließlich kamen noch die klatschenden Geräusche landender Sandwiches hinzu, die einen Flug durchs Zimmer angetreten hat ten – soweit sie nicht im Gesicht und auf den Schultern des Un terweltlers hängengeblieben waren. Mit dröhnendem Schädel und mayonnaiseverklebten Augen trat der Stoppelhaarige den Rückzug an. Der Butler mußte ihn nicht eigens auffordern, Platz zu nehmen. Das tat er freiwillig. Während Randers Gegenspieler sich behaglich in einer Sofaecke ausgestreckt hatte und fest entschlossen schien, sich durch nichts und niemand in seinem Nickerchen stören zu lassen, war die Tat kraft des Mannes mit dem Silberblick nahezu ungebrochen. Allerdings verwandte er jetzt seine Energie darauf, sich von den Spuren der stürmischen Abendmahlzeit zu befreien. Und das war Arbeit genug.
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Am schwierigsten zu entfernen war die sichtbehindernde Ma yonnaise. Aber auch die Tomatenscheiben, die dem Mann in den Hemdkragen gerutscht waren, warfen gewisse Probleme auf. Ein facher war es mit den Zwiebelringen und Salatblättern. Dafür war gegen den Fruchtsaft, der seinen Anzug gründlich durchtränkt hatte, überhaupt nichts zu machen. »Man bedauert die kleine Ungeschicklichkeit«, ließ Parker in seiner stets höflichen Art verlauten. »Darf man die Hoffnung äu ßern, daß der Imbiß dennoch gemundet hat, Mister…?« »Morley. Hank Morley«, gab der immer noch ansprechend Gar nierte mürrisch zurück. »Was soll der Unsinn? Was wollen Sie von uns??« »Dieselbe Frage könnte man an Sie richten, Mister Morley«, re agierte der Butler kühl. »Mylady erwartet eine stichhaltige Erklä rung für Ihr Verhalten.« »Was gibt’s da zu erklären?« erwiderte der Mann mit dem Quadratschädel. »Wir wollten mit Ihnen über Schadenersatz re den. Deshalb sind wir gekommen.« »Eine Mitteilung, die man nicht ohne Überraschung vernimmt«, sagte Parker. »Darf man erfahren, für welchen Schaden Sie Er satz beanspruchen möchten, Mister Morley?« »Für den roten BMW«, teilte der Gangster mit. »Der Wagen ist schrottreif. Schmerzensgeld und Arztkosten kommen auch noch auf die Rechnung.« »Sofern man sich recht erinnert, zählten Sie und Ihr Begleiter aber mitnichten zu den Insassen des fraglichen Fährzeugs«, ent gegnete der Butter. »Hab ich auch nicht behauptet – oder?« gab Morley patzig zu rück. »Glen und Bob sind Freunde von uns. Sie haben uns ge schickt, weil sie selber noch mit den Verletzungen zu tun.« »Möglicherweise darf man in diesem Zusammenhang darauf verweisen, daß Ihre sogenannten Freunde nach dem Unfall noch einen ungemein spurtstarken Eindruck machten«, hielt Parker ihm gelassen entgegen. »Insofern dürften die Verletzungen nicht allzu schwerwiegend ausgefallen sein.« »Aber der Wagen ist im Eimer«, betonte Morley erneut. »Und der hat ‘ne Stange Geld gekostet.« »Was man unter keinen Umständen in Abrede stellen möchte, Mister Morley«, schickte der Butler höflich voraus. »Andererseits sieht man nicht die geringste Veranlassung, für den selbstver
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schuldeten Schaden Ihrer Freunde aufzukommen. Sollte die Ant wort Sie nicht befriedigen, kann man Ihnen allenfalls raten, sich an die Polizei zu Wenden oder einen Anwalt zu engagieren.« »Polizei?« wiederholte Morley und grinste abfällig. »Sie können doch noch weniger Interesse daran haben, daß die Bullen in die Sache hineingezogen werden, als Glen und Bob.« »Darf man gegebenenfalls um Auskunft bitten, worauf Sie mit dieser Äußerung anzuspielen belieben, Mister Morley?« fragte Parker. »Sie haben ein Gleitmittel auf die Straße gespritzt. Öl oder so was ähnliches«, erwiderte der Gangster. »Das können Glen und Bob bezeugen.« »Unter diesen Umständen versteht man noch weniger, warum Ihre Freunde davon absehen wollen, Anzeige bei der Polizei zu erstatten«, blieb der Butler weiterhin kühl und gelassen. »Weil der Wagen noch nicht angemeldet und versichert war«, zeigte Morley sich um eine Ausrede nicht verlegen. »Das hätte Scherereien gegeben.« »Die Auswahl gefälschter Nummernschilder, die sich im Koffer raum des roten BMW fand, dürfte auch nicht gerade geeignet sein, Ihre Freunde vor Scherereien zu schützen, Mister Morley«, gab Parker zu bedenken. »Da weiß ich nicht, wovon Sie reden«, wich Morley aus. »Zusätzlich dürfte Ihr Versuch, sich gewaltsam Zutritt zu Myla dys Haus zu verschaffen, gewisse Minuspunkte einbringen«, fuhr der Butler seelenruhig fort. »Wir haben mindestens zehnmal geklingelt«, behauptete Mor ley. »-Aber keiner hat aufgemacht.« »Schließlich deuten die Schußwaffen, die Sie und Ihr Komplice bei sich führten, auf Absichten hin, die man mitnichten gutheißen kann, Mister Morley«, überging Parker den nicht besonders ge schickten Einwand. »Egal. Dann sind wir jetzt quitt«, meinte Morley. »Und Sie ha ben keinen Grund, uns länger hier festzuhalten.« »Bedauerlicherweise sieht man sich genötigt, Ihnen in dieser Hinsicht zu widersprechen, Mister Morley«, gab der Butler mit einer höflichen Verbeugung zurück. »Mylady dürfte es sich kaum nehmen lassen, Sie unter ihrem gastlichen Dach willkommen zu heißen.«
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»Was wollen Sie damit sagen?« erkundigte sich der Schieläugi ge argwöhnisch. »Leider muß man Sie bitten, sich noch einige Zeit in Geduld zu fassen, Mister Morley«, ließ Parker ihn wissen. »Einstweilen er laubt man sich, noch einen möglichst unterhaltsamen Abend zu wünschen.« Die rote Warnlampe über der Tür hatte zu blinken begonnen. Das bedeutete Besuch. Eine Gelegenheit, das vorzeitig abgebro chene Gespräch weiterzuführen, würde sich später finden. * »Ob da schon die nächsten Gangster vor der Tür stehen, die Myladys Gastfreundschaft genießen möchten?« fragte Rander, während er an der Seite des Butlers zur Treppe schritt. »Eine Vermutung, die ausgesprochen naheliegen dürfte, Sir«, teilte Parker seine Einschätzung mit. »Jedenfalls erwartet Mylady zu dieser Stunde keinen Besuch mehr, sofern man umfassend unterrichtet ist.« Allerdings taten die unangemeldeten Besucher alles, um auf sich aufmerksam zu machen und trotz des späten Abends noch eingelassen zu werden. Parker und der Anwalt hatten das Kopfende der Treppe zum Erdgeschoß noch nicht erreicht, als an der Haustür Sturm geläu tet wurde. Gleichzeitig begann einer der Ankömmlinge, mit den Fäusten gegen die Türfüllung zu trommeln. Seelenruhig trat der Butler vor den Monitor der Video-Anlage, um die Ungeduldigen zunächst auf elektronischem Weg in Augen schein zu nehmen. Dabei zeigte sich, daß die Männer, die laut stark unter dem spitzgiebeligen Vordach agierten, ihm keines wegs unbekannt waren. Zwar hatte er die kräftig gebauten Kerle, die am Nachmittag ih ren roten BMW zu einem kläglich gescheiterten Flugversuch mißbraucht hatten, nur von weitem gesehen, aber die klar ge zeichneten Porträts auf dem Bildschirm ließen keinen Zweifel auf kommen. »Darf man sich erlauben, einen angenehmen Abend zu wün schen und gleichzeitig die nachdrückliche Bitte um Einstellung des
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störenden Lärms äußern?« meldete sich Parker in seiner höflichen Art über die Sprechanlage zu Wort. Schlagartig stellten die ungebetenen Besucher ihre Phonproduk tion ein. Auf dem Bildschirm war deutlich zu verfolgen, wie sie regelrecht erstarrten und argwöhnisch ihre Blicke schweifen lie ßen, ohne den Besitzer der körperlosen Stimme zu entdecken. »Geht man unter Umständen recht in der Annahme, daß Sie Ih rem abwegigen Verlangen nach Schadenersatz nunmehr durch persönliches Auftreten erhöhten Nachdruck verleihen möchten?« erkundigte sich der Butler. »Quatsch!« fand wenigstens einer der Männer die Sprache wie der. »Da reden wir später drüber. Jetzt wirst du erst mal unsere Freunde rauslassen, Alterchen, sonst jagen wir dir die Hütte in die Luft.« »Ein Vorhaben, von dem abzuraten sich empfiehlt«, gab der Butler unbeeindruckt zurück. »Meine Wenigkeit sähe sich nicht in der Lage, die Sicherheit Ihrer Freunde zu garantieren. Sie wären vermutlich die letzten, die man aus den Trümmern bergen würde, falls der Hinweis dienlich ist.« »War auch nur ein Gag mit der Luftfahrt. Wir sind ja nicht blöd, Opa«, entgegnete der Unterweltler grimmig. »Aber im Ernst: Das Haus ist umstellt. Ihr habt keine Chance. Also laßt die Jungs raus, wenn euer Leben euch lieb ist.« »Gerade weil man das Leben nicht vorzeitig verlieren möchte, sieht man sich genötigt, Ihre Bitte abschlägig zu bescheiden«, machte Parker deutlich. »Oder erwarten die Herren tatsächlich, daß man die Tür öffnet für Aktionen Ihrer Schußwaffen?« Die unerschütterliche Ruhe des Butlers schien den ungeduldigen Gangstern an die Nerven zu gehen. »Los, aufmachen!« platzte dem Wortführer des mit schallge dämpften Revolvern ausgerüsteten Gespanns der Kragen. Post wendend nahmen die Kerle ihren akustischen Terror wieder auf: einer drückte pausenlos auf den Klingelknopf, der andere ließ die massive Tür unter wuchtigen Faustschlägen erbeben. »Nanu?« vernahmen Parker und Rander unvermittelt die Stim me Katy Porters hinter sich. »Was ist denn los? Mylady ist schon sehr ungehalten und läßt fragen, was das für ein Lärm ist.« »Meine bescheidene Wenigkeit wird sich unverzüglich bemühen, die Belästigung abzustellen, Miß Porter«, versprach der Butler, deutete eine Verbeugung an und betätigte einen der Knöpfe an
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der Schalttafel, die über dem Monitor im Wandschrank unterge bracht war. Augenblicklich senkten sich stählerne Rollgitter aus dem spitz giebeligen Vordach über der Haustür, Ehe die Gangster merkten, was da vor sich ging, war ihnen schon der Rückzug abgeschnit ten, der Käfig geschlossen. Erst als die Gitter auf dem Boden aufsetzten, wurden die Einge schlossenen auf ihre unerfreuliche Lage aufmerksam. Und jetzt, da es zu spät war, kannten sie nur noch einen Gedanken: Flucht! Wie besessen warfen sie sich gegen die Stahlstäbe und rüttelten daran, bis ihnen der Schweiß in Bächen vom Gesicht rann. Aber das luftige Gefängnis hielt ihrem konzertierten Bemühen eisern stand. »Möglicherweise darf man Ihnen vorschlagen, Ihre Waffen durch die Umzäunung nach draußen zu werfen«, machte sich Parker erneut über die Sprechanlage bemerkbar. »Meine Wenig keit wäre dann bereit, die Tür zu öffnen und die Herren unter My ladys gastliches Dach zu bitten.« Wütendes Grunzen war die einzige Antwort, die er erhielt. Einer der Männer versuchte sogar, den Lauf seiner Waffe unter das Git ter zu schieben und als Hebel zu benutzen. Noch wehrten sich die Gangster dagegen, die Aussichtslosigkeit ihrer Lage einzusehen. Deshalb sah der Butler sich genötigt, zu anderen Mitteln zu greifen. Mit teilnahmslos wirkender Miene trat Parker näher an die Schalttafel heran und betätigte einen roten Knopf mit angeschlos senem Voltmeter. Der Zeigerausschlag wäre nicht nötig gewesen, um zu signalisieren, daß die stählernen Rollgitter jetzt unter Strom standen. Die rhythmischen Tänze, die das Duo vor der Haustür aufführte, sagten genug. Vergeblich bemühten sich die Männer, ihre verkrampften Hände von den Gittern zu lösen. Dabei zitterten sie wie unter Schüttel frost und zeigten Verrenkungen, die einem Showtänzer donnernden Applaus eingebracht hätten. Choreographische Einfallslosigkeit ließ die Darbietung jedoch schnell langweilig werden. Deshalb drehte der Butler den roten Knopf wieder nach links, und der Zeiger des Meßinstruments fiel auf Null. Gleichzeitig sanken die erschöpften Tänzer in sich zusammen wie Marionetten, denen man auf einen Schlag sämtliche Fäden
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gekappt hat. Die Gitter schienen sie jetzt genauso wenig zu stö ren wie die harten Steinstufen, auf die sie sich betteten. Dezente Schnarchtöne deuteten an, daß die Männer geradezu schlagartig in Schlummer gefallen waren. Schon wollte der Anwalt die Tür öffnen, doch Parker hielt ihn mit einer Handbewegung zurück. Draußen auf der Straße wurde das Geräusch eines Anlassers hörbar. Ein Wagen setzte sich auf wimmernden Pneus in Bewegung. Sekundenbruchteile später huschte die Silhouette einer schwar zen Bentley-Limousine über den Bildschirm und verschwand in Richtung Durchgangsstraße. Dann wurde es wieder still. »Danke, Parker«, sagte Rander. »Man kann wirklich nie vorsich tig genug sein.« »Eine Feststellung, der man mitnichten widersprechen möchte, Sir«, erwiderte der Butler, trat vor die Tür und lud sich einen der Männer auf die Schulter. Der Anwalt nahm den zweiten und folgte ihm ins Haus. * Die Zeiger der Uhr bewegten sich zielstrebig auf Mitternacht zu. Während der Anwalt und seine Begleiterin allmählich zum Auf bruch rüsteten, erwachte in Lady Simpson das Pflichtbewußtsein. »Sobald ihr weg seid, Kinder, werde ich mir die Subjekte im Souterrain vorknöpfen«, kündigte die leidenschaftliche Detektivin an. »Und wenn die Lümmel ein Geständnis abgelegt haben, kommen sie aus dem Haus. Sonst bringen mich die Kosten für den Unterhalt noch an den Bettelstab.« »So schnell fallen Sie der Fürsorge nicht zur Last, Mylady«, ent gegnete Rander, der sich in den Vermögensverhältnissen der ma jestätischen Dame nur allzu gut auskannte. »Wie auch immer«, fuhr Lady Agatha mit todernster Miene fort. Sie unterbrach sich um in diesem Augenblick das Läuten des Te lefons zu hören war. »Wer mag da dran sein, Mister Parker?« »Sofern Mylady keine Einwände erheben, wird man sich an den Apparat begeben, um das Gespräch entgegenzunehmen«, ließ Parker verlauten und entfernte sich würdevoll, ohne eine Antwort abzuwarten.
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»Hier bei Lady Simpson. Josuah Parker am Apparat«, meldete er sich in der üblichen Weise. »Hallo, Parker«, drang die aufgeräumt klingende Stimme eines Mannes zwischen vierzig und fünfzig aus dem Hörer. »Möchte Ihnen gratulieren.« »Darf man gegebenenfalls um Auskunft bitten, mit wem meine Wenigkeit die Ehre hat?« überging der Butler kühl den Glück wunsch des Unbekannten. »Mein Name ist Ted Cable. Aber das tut nichts zur Sache«, er widerte der Anrufer, wobei Parker mit Aufmerksamkeit registrier te, daß der angebliche Ted Cable mit einem Lispeln behaftet war, das auf eine sogenannte Hasenscharte schließen ließ. »Sie sind ein toller Kerl, Parker. Alle Achtung!« »Meine Wenigkeit würde gern erfahren, womit Sie diese schmeichelhafte Beurteilung begründen, Mister Cable.« »Wie Sie meine Leute aufs Kreuz gelegt haben – das war ein Meisterstück«, wurde der Mann am anderen Ende konkreter. »Auch wenn Sie mit Mitteln gearbeitet haben, die nicht ganz sau ber waren.« »Darf man fragen, worauf Sie mit dieser kritischen Äußerung anzuspielen belieben, Mister Cable?« »Als Sie meine Jungs mit dem roten BMW ausgetrickst haben, ging nicht alles mit rechten Dingen zu«, erläuterte der Gangster. »Da haben Sie Öl benutzt.« »Es handelte sich um eine Seifenlösung, falls der Hinweis dien lich ist, Mister Cable.« »Egal. So was ist unfair. Das hat ein Mann wie Sie nicht nötig, Parker.« »Man dankt für die Belehrung, erlaubt sich aber den Hinweis, daß die Umgangsformen Ihrer Mitarbeiter auch nicht den gesell schaftlichen Spielregeln entsprachen, Mister Cable.« »Geschenkt, Parker. Vergessen wir’s. Die Kraftprobe ist zu Ihren Gunsten ausgegangen, und jetzt sollten wir uns wieder wie ver nünftige Menschen benehmen.« »Man wäre dankbar für einen Hinweis, was Sie konkret darunter verstehen, Mister Cable.« »Ich möchte Ihnen ein Friedensangebot machen, Parker. Oder auch ein Geschäft vorschlagen, wenn Sie so wollen.« »Meine Wenigkeit ist ganz Ohr, Mister Cable.«
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»Sie lassen meine Männer frei und halten sich künftig aus mei nen Geschäften heraus. Dafür lasse ich Sie und Ihre Chefin in Ruhe.« »Ein Angebot, das schwerlich Myladys Billigung finden dürfte, falls man eine persönliche Einschätzung äußern darf, Mister Cable.« »Moment, ich bin ja noch nicht fertig, Parker.« »Man bittet die Unterbrechung zu entschuldigen, Mister Cable.« »Natürlich zahle ich Ihnen auch eine Prämie, Parker. Was halten Sie von zehntausend Pfund?« »Eine Summe, die allenfalls ausreichen würde, Myladys Unkos ten im fraglichen Fall zu decken, Mister Cable.« »Sie Schlitzohr! Sie wissen, daß Sie in der stärkeren Position sind, Parker. Also gut: zwanzigtausend.« »Man wird es keinesfalls versäumen, Mylady Ihr Angebot zu un terbreiten, Mister Cable«, versprach der Butler. »Darf man in die sem Zusammenhang um Auskunft bitten, wie Sie sich den Tausch der Gefangenen gegen das Lösegeld zeitlich und örtlich vorzustel len geruhen?« »Das müßte unbedingt noch heute Nacht passieren, Parker«, ließ der Anrufer ihn wissen. »Ich habe jede Menge Aufträge und kann auf keinen Mann verzichten.« »Vermutet man recht, daß Sie über die Art Ihrer Aufträge aus verständlichen Gründen Stillschweigen bewahren möchten, Mister Cable?« fragte Parker und löste damit polterndes Gelächter am anderen Ende der Leitung aus. »Darüber können wir uns vielleicht unterhalten, wenn ich Ihnen das Geld übergebe, Parker«, meinte der Gangsterboß. »Ich er warte Sie im Hotel Sunset an der Gill Street in Limehouse. Wer weiß, vielleicht werden wir noch Partner.« »Eine Annahme, die man nur als abwegig bezeichnen kann und muß, Mister Cable. Immerhin wird man Mylady über Ihre Wün sche ins Bild setzen. Allerdings dürfte die Anmerkung erlaubt sein, daß Mylady es mitnichten schätzt, zeitlich unter Druck ge setzt zu werden.« »Dann sagen Sie ihr, daß ich vierzigtausend lockermache, Par ker. Vielleicht macht das die alte Dame munterer.« »Man hat Ihr aktuelles Angebot zur Kenntnis genommen, Mister Cable. Sie sollten über kurz oder lang mit Myladys Eintreffen am genannten Ort rechnen.«
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»Okay. Und wann kommen meine Männer frei? Sobald Sie die Kohle haben?« »Worauf Sie sich unbedingt verlassen können, Mister Cable«, versicherte Parker. In Wahrheit dachte der Butler natürlich nicht daran, die Gano ven auf freien Fuß zu setzen. Aber genausowenig war damit zu rechnen, daß Cable – oder wie immer der Mann hieß – tatsächlich das versprochene Lösegeld zahlte. »Dann bis gleich«, sagte der Anrufer und hängte ein. Der Butler kehrte nicht in die Wohnhalle zurück, sondern blieb am Telefon stehen und drehte die Nummer eines gewissen Hora ce Pickett, der sich schon oft als ebenso kenntnisreicher wie dis kreter Mitarbeiter bewährt hatte. Vor Jahren war der ehrenwerte Mister Pickett, wie Parker ihn gewöhnlich nannte, selbst Mitglied der Londoner Unterwelt gewe sen – ein verhältnismäßig prominentes sogar. Als »König der Londoner Taschendiebe« hatte Horace Pickett einen geradezu legendären Ruf genossen. Allerdings war er bei seinem illegalen Broterwerb keineswegs ziellos vorgegangen und hatte nur dort zugegriffen, wo eine Brief tasche ohnehin unter Überfüllung litt. Das war der Grund, wes halb er seine frühere Tätigkeit manchmal augenzwinkernd mit »Eigentumsumverteiler« umschrieb. Das war längst vorbei. Und seit der Butler ihm in einer brenzli gen Situation das Leben gerettet hatte, war aus dem Saulus ein Paulus geworden, der unbeirrbar auf den Pfaden des Gesetzes wandelte. Wer Pickett sah, wäre nie auf die Idee gekommen, daß dieser etwa sechzigjährige, hochaufgeschossene Mann eine Vergangen heit mit dunklen Punkten besaß. In seinem stets gepflegten Trenchcoat, das unvermeidliche Travellerhütchen auf dem Kopf und einen akkurat gestutzten Schnauzbart im gebräunten Ge sicht, konnte der einstige Eigentumsumschichter gut als pensio nierter Offizier gelten. Trotzdem verfügte er immer noch über hervorragende Kennt nisse der Szene, die er dem Butler und dessen unternehmungs lustiger Herrin bereitwillig zur Verfügung stellte. Und daß Horace Pickett bei Eingeweihten als Meister der diskreten Observation geschätzt wurde, hatte auch seine Gründe.
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»Sunset Hotel? Das kenne ich«, erklärte Pickett, nachdem Par ker ihn kurz über den Anruf des Gangsters Verrichtet hatte. »Da werden die Zimmer nur stundenweise vermietet. Inhaber ist ein gewisser Ben Robson, der seine Finger in allen möglichen kriminellen Geschäften hat.« »Ein Mann namens Ted Cable ist Ihnen dagegen nicht bekannt, Mister Pickett?« vergewisserte sich der Butler. »Der Genannte dürfte mit einer Hasenscharte oder ähnlichem Defekt behaftet sein, der zu gewissen Schwierigkeiten bei der Artikulation führt.« »Hasenscharte?« wiederholte der Eigentumsumverteiler. »Ben Robson hat eine Hasenscharte. Möglicherweise war er der Anru fer.« »Eine Annahme, die sich geradezu aufdrängen dürfte, Mister Pi ckett«, bestätigte Parker. »Und Mylady will sich tatsächlich noch heute nacht in die Höhle des Löwen begeben?« fragte Pickett. »Davon dürfte mit einiger Sicherheit auszugehen sein, Mister Pickett«, erwiderte der Butler. »Robsons Angebot ist garantiert eine Falle, Mister Parker«, gab der Kenner der Szene zu bedenken. »Eine Aussicht, die Mylady nach allen Erfahrungen eher reizen als abschrecken dürfte, Mister Pickett«, merkte Parker an. »Dachte ich mir«, lautete der Kommentar. »Aber nehmen Sie sich in acht, Mister Parker. Der Bursche ist gefährlich und zu al lem fähig.« »Eine Warnung, die man in der gebührenden Weise beherzigen wird, Mister Pickett«, versprach der Butler. »Ich könnte ja gleich rüberfahren und den Laden diskret in Au genschein nehmen, bis Sie kommen«, schlug, der Eigentumsum schichter a.D. vor. »Mit Ihrem freundlichen Angebot kommen Sie einer entspre chenden Bitte meiner bescheidenen Wenigkeit zuvor, Mister Pi ckett«, erwiderte Parker. »Im übrigen dürfte die Anmerkung er laubt sein, daß die Zusammenarbeit mit Ihnen eindeutig das Prä dikat >erfreulich< verdient.« Danach verabschiedete er sich knapp, hängte den Hörer ein und kehrte in die Wohnhalle zurück. *
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»Sie können den Wagen schon warmlaufen lassen, Mister Par ker. Ich werde mich nur rasch für die Ausfahrt umkleiden«, sagte die ältere Dame. »Wie Mylady zu wünschen belieben«, erwiderte der Butler höf lich, während seine gewichtige Herrin schnaufend die geschwun gene Freitreppe erklomm, die zu ihren privaten Gemächern im Obergeschoß führte. Kurz zuvor hatten Mike Rander und Kathy Porter das Haus ver lassen. Das junge Paar war bereits unterwegs nach Limehouse und wollte sich in der Umgebung des Sunset-Hotels zum Eingrei fen bereithalten. Aus jahrelanger Erfahrung wußte Parker, daß Lady Agatha in ausgesprochen zeitraubender Gründlichkeit die Qual der Wahl zu durchleiden pflegte, wenn es darum ging, sich für eine möglichst aufsehenerregende Kopfbedeckung zu entscheiden. Deshalb ver zichtete er darauf, schon jetzt den Motor seines hochbeinigen Monstrums zu starten, und unternahm statt dessen noch einen kurzen Abstecher ins Souterrain. Die glücklosen Flugschüler aus dem roten BMW schienen ihr großspuriges Auftreten inzwischen zu bedauern. Sie machten ei nen regelrecht kleinlauten Eindruck, als der Butler nach einem Kontrollblick durch den Türspion in würdevoller Haltung ihr Zim mer betrat. »Man erlaubt sich, einen möglichst unterhaltsamen Abend zu wünschen«, sagte Parker und deutete eine Verbeugung an. »Dar über hinaus möchte man die Gelegenheit nutzen, Ihnen Grüße Ihres Arbeitgebers zu überbringen.« »Pah! Auf den Bluff fallen wir nicht herein«, brummte einer der Ganoven unwillig. Beide musterten Parker mit mißtrauischen und haßerfüllten Bli cken. Dennoch traf keiner von ihnen Anstalten, zum Angriff über zugehen. Offenbar hatten sie in der Zwischenzeit herausgefun den, daß sich die zähen Plastikfesseln an Händen und Füßen nur noch straffer zusammenzogen, wenn man daran zerrte. »Meine Wenigkeit geht doch recht in der Annahme, daß Sie auf den Gehaltslisten eines gewissen Ben Robson stehen, der das Sunset-Hotel in Limehouse betreibt?« fragte der Butler und er reichte damit, daß die Männer unübersehbar erbleichten.
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»Wir kennen niemand, der so heißt«, gab der Wortführer des Duos trotzig zurück. Doch das nervöse Zucken seines rechten Augenlids strafte ihn Lügen. »Mister Robson leidet unter einer sogenannten Hasenscharte, falls dieser Hinweis Ihrem Erinnerungsvermögen dienlich ist«, fuhr Parker seelenruhig fort. »Im übrigen genießt der Genannte seit wenigen Minuten ebenfalls Myladys unvergleichliche Gast freundschaft.« Die breitschultrigen Gangster wechselten verstohlene Blicke. Sie schienen sich zunehmend unbehaglich zu fühlen. »Ihr Arbeitgeber wurde im Zimmer nebenan untergebracht und erfreut sich momentan des Vorzugs, Mylady für eine eingehende Vernehmung zur Verfügung stehen zu dürfen«, setzte der Butler mit unbeweglicher Miene hinzu. »Ein umfassendes Geständnis dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein.« »Dann viel Erfolg«, knurrte der Mann, der bisher den Mund nicht aufbekommen hatte. »Man dankt«, erwiderte Josuah Parker. »Allerdings könnten Sie durch kooperatives Verhalten dazu beitragen, die zeitraubende Prozedur der Vernehmung abzukürzen.« Aufmerksam registrierte der Butler, daß seine Gesprächspartner hin und her gerissen waren. Noch ein kleiner Anstoß, und der Damm des trotzigen Schweigens würde endgültig brechen. »Durch Ihre freundliche Mitwirkung könnten Sie sich immerhin eine nachsichtige Beurteilung vor Gericht sichern, falls die An merkung gestattet ist«, sagte Parker in seiner stets höflichen Axt. »Na los, Perry«, wandte sich der Mann, der den roten BMW ge steuert hatte, an seinen Komplicen. »Worauf warten wir noch. Wir haben nichts zu verlieren.« »Eine Einschätzung, der man sich nur vorbehaltlos anschließen kann«, bekräftigte der Butler. »Okay. Was wollen Sie wissen?«, fragte der mit »Perry« Ange sprochene und sah Parker erwartungsvoll an. »Darf man gegebenenfalls die Bitte äußern, daß Sie sich zu nächst vorstellen?« entgegnete der Butler. »Ich heiße Nick Weller«, kam der Bruchpilot Parkers höflicher Aufforderung nach. »Und ich bin Perry Davies«, setzte sein Begleiter hinzu.
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»Man vermutet doch recht, daß Mister Robson einen beträchtli chen Teil seines Einkommens im illegalen Gunstgewerbe erzielt?« wollte der Butler wissen. »Ja, Robson hat etliche Pferde laufen«, bestätigte Weller. »Zweibeinige natürlich«, fügte er grinsend hinzu. »Das ist aber noch nicht alles«, wollte nun auch Davies Pluspunkte für die Ge richtsverhandlung sammeln. »Im Koksgeschäft hat der Boß auch seine Finger drin.« »Eine Mitteilung, die auf Myladys ungeteiltes Interesse stoßen dürfte, falls man sich nicht gründlich irrt«, bemerkte Parker. »Darf man im übrigen erwarten, daß, Ihnen ein älteres Ehepaar namens Philipp und Nancy Stone persönlich bekannt ist?« »Sie meinen die Forellenzüchter?« vergewisserte sich Weller. »In der Tat, Mister Weller«, erwiderte der Butler. »Ja, Robson ist scharf auf das Cottage«, wußte der Gangster zu berichten. »Aber die alten Leute wollen ums Verrecken nicht ver kaufen.« »Ein Umstand, der Mister Robson zu Druckmitteln greifen ließ, sofern man eine Vermutung äußern darf«, ergänzte Parker, und seine Gesprächspartner nickten im Takt. »Aber was er mit den Stones gemacht hat, ist ja noch harm los«, behauptete Davies. »Andere wurden regelrecht kranken hausreif geschlagen oder wochenlang terrorisiert, bis sie völlig mit den Nerven fertig waren.« »Darf man fragen, ob es sich auch in diesen Fällen um Hausbe sitzer handelte, die sich weigerten, ihr Anwesen an Mister Robson zu veräußern, Mister Davies?« hakte der Butler nach. »Er arbeitet schon seit Jahren nach derselben Methode«, teilte sein Gegenüber bereitwillig mit. »Und das hat ihm ‘ne Menge Kohle eingebracht.« »Meine Wenigkeit wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich bereit fänden, Näheres über Mister Robsons Arbeitsmethode mit zuteilen, Mister Davies«, ließ Parker mit teilnahmslos wirkender Miene verlauten. »Er hat sich alte Leute rausgesucht, die keine Kinder oder sons tige Erben haben«, berichtete Davies. »Die meisten waren schon nach gutem Zureden oder simplen Drohungen bereit, ihr Häu schen zu einem Spottpreis zu verkaufen. Einigen hat Robson auch einen Platz in einem Altersheim besorgt.«
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»Sobald die Leute ausgezogen waren, gingen die Hütten in Flammen auf«, setzte Weller die Schilderung fort. »Ein Sachver ständiger, der mit Robson eng befreundet ist und von ihm regel mäßig mit Koks beliefert wird, stellte gefälschte Gutachten aus, so daß der Boß weit überhöhte Versicherungsprämien einstrei chen konnte.« »Und damit hat er dann Appartementhäuser, Geschäfte oder Bürogebäude an die Stelle der alten Hütten hingesetzt«, brachte Davies den Bericht zu Ende. »Ist Ihnen unter Umständen bekannt, in wie vielen Fällen Mister Robson mit dieser Arbeitsweise Erfolg hatte?« schob der Butler noch eine abschließende Frage nach. »Ganz genau weiß ich’s nicht«, bekannte Weller. »Aber es müs sen bald an die zwanzig sein.« »Man dankt für die freudige Auskunftsbereitschaft und erlaubt sich, eine ungestörte Nachtruhe zu wünschen«, sagte Parker, deutete eine Verbeugung an und zog sich diskret zurück. Sorgfältig verriegelte er die stählerne Feuerschutztür und trat den Rückweg ins Erdgeschoß an. * »Es kann losgehen, Mister Parker. Ich habe mich beeilt«, schall te Agatha Simpsons baritonal gefärbtes Organ durch die weitläu fige Wohnhalle. Die majestätische Dame präsentierte sich auf der Galerie mit huldvollem Lächeln den bewundernden Blicken einer imaginären Zuschauermenge, ehe sie entschlossen die Stufen herabstieg. »Gilt es noch, Heckenschützen aus dem Weg zu räumen, ehe ich starte, Mister Parker?« wollte die Detektivin wissen. »Keineswegs und mitnichten, Mylady«, mußte der Butler ihr ei ne Enttäuschung bereiten. Am Monitor der Überwachungsanlage, den er unmittelbar zuvor konsultiert hatte, war nichts Verdächti ges zu entdecken gewesen. »Macht nichts«, entgegnete Lady Agatha. »Ein bißchen Bewe gung vor der Autofahrt hätte mir indes gutgetan.« »Gelegenheit zu körperlicher Betätigung dürfte sich auch am Zielort noch ergeben, sofern man eine Vermutung wagen darf«,
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sagte Parker, während er seine gewichtige Herrin zur Haustür geleitete. »Immer diese Störungen«, reagierte Agatha Simpson unwirsch, als ausgerechnet in diesem Moment das Telefon zu schrillen be gann. »Ich habe jetzt keine Zeit.« »Demnach gedenken, Mylady, das Läuten zu ignorieren?« fragte der Butler mit der Hand auf der Türklinke. »Nein, hören Sie lieber mal nach, wer dran ist, Mister Parker«, entschied die ältere Dame. »Vielleicht will Mister Benson das Rendezvous absagen.« »Eine Möglichkeit, die man nicht unbedingt ausschließen sollte«, entgegnete Parker, nahm den Hörer ab und meldete sich. »Hallo, Parker«, war Randers Stimme am anderen Ende der Lei tung zu vernehmen. »Sind Sie gerade im Aufbruch?« »In der Tat, Sir«, bestätigte der Butler. »Wollte nur melden, daß der gute Pickett zwei Gangstern ge folgt ist, die er als Bodyguards von Ben Robson erkannte«, sagte der Anwalt. »Die beiden haben zwei volle Benzinkanister in ihren Wagen geladen, bevor sie losgebraust sind.« »Eine Mitteilung, deren Wert kaum zu unterschätzen sein dürf te, Sir«, erwiderte Parker. »Pickett will sich unterwegs über Sprechfunk melden«, fuhr Rander fort. »Vielleicht schalten Sie Ihr Gerät ein, Parker.« »Was man keineswegs versäumen wird, Sir«, versprach der Butler. »Kathy und ich bleiben weiterhin in der Nähe des Hotels«, teilte der Anwalt noch mit. »Bis jetzt sieht alles ruhig aus. Aber da lun gern ein paar Typen mit ausgebeulten Jacken herum, denen ich nicht über den Weg traue.« »Man dankt für die hilfreichen Hinweise, Sir«, gab Parker höflich zurück, verabschiedete sich und hängte den Hörer ein. »Ich rechne also mit einer Falle, Mister Parker?« vergewisserte sich die ältere Dame hoffnungsvoll, während man über den Vor platz zum Fahrzeug schritt. »Eine Annahme, die alles andere als unbegründet erscheinen dürfte, Mylady«, entgegnete der Butler, öffnete den hinteren Wa genschlag und assistierte seiner Herrin behutsam beim Einstei gen. Parker hatte sich kaum in den Verkehr auf der breiten Durch gangsstraße eingefädelt, als das unter dem Armaturenbrett in
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stallierte Sprechfunkgerät durch rhythmische Pieptöne auf sich aufmerksam machte. »Hier Pickett«, meldete sich der frühere Eigentumsumverteiler, sobald der Butler auf Empfang geschaltet hatte. »Ich habe Mister Rander und Miß Porter allein in der Gill Street zurückgelassen und bin zwei Männern gefolgt, die in Robsons Diensten stehen.« »Eine Entscheidung, die sich als sinnvoll erweisen dürfte, Mister Pickett«, antwortete Parker. »Im übrigen wurde man vor wenigen Minuten telefonisch von Mister Rander über den Sachverhalt un terrichtet.« »Okay, aber Mister Rander konnte, noch nicht wissen, wohin die Fahrt geht«, fuhr Horace Pickett fort. »Am besten wären Sie viel leicht zu Hause geblieben, um die Burschen dort in Empfang zu nehmen.« »Darf man möglicherweise um Auskunft bitten, was Sie mit die ser Äußerung anzudeuten geruhen, Mister Pickett?« fragte der Butler. »Wir befinden uns jetzt in Holborn und fahren in westlicher Richtung«, lautete die Antwort des Eigentumsumschichters a.D. »Demnach könnte das Ziel der Gangster durchaus Shepherd’s Market heißen.« »Ist man recht unterrichtet, daß die von Ihnen Verfolgten Ka nister mit Benzin im Kofferraum ihres Fahrzeugs mit sich führen, Mister Pickett?« wollte Parker wissen. »Stimmt. Ich habe die Burschen beim Einladen beobachtet«, bestätigte der Informant. »Sieht ganz so aus, als wollten sie bei Ihnen ein Feuerchen legen.« »Eine Arbeitsweise, derer sich Mister Robson schon bei anderer Gelegenheit bedient hat«, bemerkte der Butler und überlegte, ob es nicht sinnvoller war, umzukehren und Myladys Fachwerkhaus vor einem Brandanschlag zu schützen. »Kann ich den Subjekten nicht den Weg abschneiden, Mister Parker?« meldete sich in diesem Moment die füllige Dame auf dem Rücksitz zu Wort. »Nach Shepherd’s Market zurückzufahren, wäre ein zu großer Zeitverlust.« Die Suche nach einem Ausweg aus diesem Dilemma war jedoch schlagartig beendet, als Picketts Stimme erneut aus dem kleinen Lautsprecher des Funkgerätes drang.
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»Entwarnung! Jetzt biegen sie doch nach rechts ab«, berichtete der frühere Eigentumsumverteiler. »Wir fahren auf der Oxford Street in Richtung Marylebone.« »Marylebone?« wiederholte Agatha Simpson verdutzt. »Was die Lümmel da nur wollen?« »Die Herren dürften von Mister Robson den Auftrag erhalten haben, ein Haus durch Brandstiftung einzuäschern«, erwiderte Parker und reichte im Telegrammstil die Informationen nach, die er Nick Weller und Perry Davies entlockt hatte. »Da greife ich sofort ein, Mister Parker«, zeigte Mylady sich fle xibel. »Dieser Bob Benson entgeht mir ohnehin nicht.« »Vermutet man recht, daß Mylady Mister Ben Robson zu meinen geruhen?« korrigierte der Butler auf seine Ungemein höfliche Art. »Sagte ich das nicht, Mister Parker?« reagierte die ältere Dame überrascht. »Sie müssen sich verhört haben.« »Was man grundsätzlich nie aus schließen sollte, Mylady«, ent gegnete Parker und bog an der nächsten Ampel nach links ab. »Man wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie Mister Robsons Männern unauffällig bis zum Einsatzort folgen und dort Myladys Eintreffen abwarten würden, Mister Pickett«, nahm Parker das drahtlose Gespräch mit dem einstigen Eigentumsumschichter wieder auf. »Verstanden, Mister Parker«, erwiderte Horace Pickett. »Ich ge be von jetzt an regelmäßig Positionsmeldungen durch, damit Sie den Weg finden.« »Ein Verfahren, das auch Myladys Beifall finden dürfte, Mister Pickett«, sagte der Butler, umrundete gleich darauf Piccadilly Cir cus und nahm die Regent Street in Richtung Marylebone. * Da Parker die Einzelheiten des Londoner Stadtplans wie ein Computer gespeichert hatte, funktionierte das System reibungs los. »Man merkt, daß Sie sich in London auskennen, Mister Parker«, stellte Pickett anerkennend fest, als der Butler sein schwarzes Gefährt neben ihm zum Stehen brachte. »Ich bin auch erst zwei Minuten hier.«
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»Wo sind die Lümmel, Mister Pickett?« fragte Agatha Simpson, die schon ungeduldig ihren ledernen Handbeutel wippen ließ. »Gleich um die Ecke steht zwischen Neubauten ein Häuschen mit Garten«, wußte der Informant zu berichten. »Das scheint das Objekt zu sein, das in Flammen aufgehen soll.« »Auf keinen Fall«, legte die resolute Dame Widerspruch ein. »Ich werde den gewissenlosen Flegeln einen dicken Strich durch die Rechnung machen.« »Ein Vorhaben, zu dem man Mylady nur beglückwünschen kann«, bemerkte Parker, rangierte das hochbeinige Monstrum in eine Parklücke und verließ würdevoll seinen Platz hinter dem Lenkrad. »Muten Sie mir etwa wieder Fußmärsche zu, Mister Parker?« fragte Lady Agatha argwöhnisch, als der Butler den hinteren Wa genschlag öffnete und sie zum Aussteigen einlud. »Keine Sorge, Mylady«, schaltete sich Horace Pickett ein. »Es sind höchstens hundert Schritte.« »Es macht mir auch nichts aus«, behauptete die füllige Dame mit einem Lächeln, das leicht verlegen wirkte. »Schließlich halte ich mich durch sportliches Training fit und leistungsfähig.« »Eine Feststellung, die man nur mit Nachdruck unterstreichen kann«, ergänzte Parker, verneigte sich andeutungsweise und schlug an der Seite seiner Herrin den von Pickett gewiesenen Weg ein. Das Haus, von dem der ehemalige Eigentumsumverteiler ge sprochen hatte, war schätzungsweise zweihundert Jahre alt und wirkte weder repräsentativ noch geräumig. Es machte aber einen durchaus gepflegten Eindruck. Das galt gleichermaßen für den Gärten, in dem es Blumenbeete und etliche Obstbäume gab, hinter denen die goldgelbe Scheibe des vollen Mondes am Himmel hing. Wären da nicht die sechsge schossigen Betonklötze gewesen, die das Grundstück von beiden Seiten her regelrecht einkeilten – man hätte sich in eine ländliche Idylle versetzt gefühlt. Kein Wunder, daß ein Mann wie Ben Robson ein Auge auf das Anwesen geworfen hatte. Wenn man seine Maßstäbe zugrunde legte, verlangte ein solches Grundstück geradezu danach, endlich profitabel genutzt zu werden.
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Der Wagen, den die Gangster benützt hatten, ein dunkelblauer Ford, stand etwas abseits in einer der Parkbuchten vor dem be nachbarten Appartementblock. Die Benzinkanister, die sie für ihre nächtliche Arbeit brauchten, hatten die Brandstifter allem Anschein nach schon ins Haus ge tragen. Behutsam öffnete der Butler das zum Glück gut geölte Garten tor und geleitete die ältere Dame zu dem von Kletterrosen ge säumten Eingang. Die Haustür war unverschlossen, wie ein vor sichtiger Druck auf die geschwungene Messingklinke zeigte. »Mister Parker«, sagte die Detektivin mit gebotenem Ernst, wo bei sie ihre Stimme allerdings zu einem Flüstern senkte, »jetzt werde ich die Schurken überwältigen, ehe es zu spät ist.« »Was meiner Wenigkeit durchaus einleuchtet, Mylady«, erwider te der Butler gedämpft und drückte langsam die Tür auf. Im Flur war es stockfinster. Dennoch verzichtete Parker aus na heliegenden Gründen darauf, seine zierliche, aber immens licht starke Stiftlampe einzuschalten. Schrittgeräusche und leises Stimmengemurmel deuten darauf hin, daß die Gangster im Ober geschoß waren. »In dieser Finsternis werde ich mir die Beine brechen, Mister Parker«, argwöhnte die korpulente Detektivin. »Außerdem haben alte Häuser meistens gefährlich enge und steile Treppen.« »Was im vorliegenden Fall durchaus zutreffen dürfte, Mylady«, bestätigte der Butler. »Am besten warte ich draußen«, paßte Agatha Simpson in sou veräner Manier ihre Planung den Gegebenheiten an. »Dann brau chen Sie die Lümmel nur aus dem Haus zu treiben, wo ich sie dann in Empfang nehme, Mister Parker.« »Myladys Wünsche sind meiner Wenigkeit Befehl«, erwiderte Parker, verneigte sich höflich und betrat auf leisen Sohlen die Diele. Die Treppe nach oben erwies sich in der Tat als eng, steil und nicht besonders vertrauenerweckend. Aber der Butler schaffte den Aufstieg, ohne das geringste Knarren auszulösen, indem er sich behutsam von Stufe zu Stufe weitertastete. Schon waren die Stimmen der Männer deutlicher zu hören. Rechter Hand stand eine Zimmertür offen. Der schwache, unruhi ge Widerschein einer Taschenlampe fiel ins Treppenhaus.
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Die Brandstifter schienen keinen besonderen Arbeitseifer, dafür um so bessere Nerven zu haben. Als Parker vorsichtig in das aus geräumte Zimmer spähte, saßen die Männer auf den Benzinkanis tern, rauchten Zigaretten und diskutierten aktuelle Sportergeb nisse. »Man erlaubt sich, einen möglichst angenehmen Abend zu wün schen«, sagte der Butler, trat über die Schwelle und lüftete zum Gruß den schwarzen Bowler. »Darf man höflich um Auskunft bit ten…« Weiter kam Parker nicht, denn die Erstarrung, mit der die Gangster auf sein unverhofftes Erscheinen reagierten, dauerte nur Bruchteile von Sekunden. Mit der beiläufigen Routine eines mit allen Wassern gewaschenen Profis langte einer von ihnen in seinen Jackenausschnitt und wollte eine mit supermodernem Schalldämpfer bestückte Automatic sprechen lassen. Der Butler, der zweifellos damit gerechnet hatte, daß sein freundlicher Gruß auf feindselige Weise beantwortet würde, war jedoch auf der Hut und durchkreuzte die Pläne des Bewaffneten ebenso wirksam wie nachhaltig. Mit ruckartiger Bewegung setzte Parker die steife Melone, die er ohnehin gerade in der Hand hielt, in Marsch. Sirrend glitt die stahlverstärkte Kopfbedeckung wie eine schwarze Frisbeescheibe durchs Zimmer, beschrieb einen leichten Bogen und suchte sich unfehlbar das vorgegebene Ziel. Der Gangster kreischte vor Schreck und Schmerz, als die ge schliffene Stahlkrempe des Bowlers seinem Handrücken eine Ra dikalrasur verpaßte und dann weiter zur Nasenspitze hüpfte. Die hochtechnische Mordmaschine blieb in der Schulterhalfter ste cken, während ihr Besitzer mit tränenden Augen rückwärts tau melte. In dem unbewohnten Zimmer gab es nichts, was den Mann bei seinem ungeordneten Rückzug aufhalten konnte. Auch das zwei flügelige Erkerfenster, gegen das er mit voller Wucht prallte, leis tete keinen nennenswerten Widerstand. Klirrend flogen die Scheiben aus den Rahmen. Krachend und splitternd gaben die Fensterflügel nach. Mit einer fast makellosen Rolle rückwärts überwand der entwaffnete Brandstifter auch noch die niedrige Fensterbank.
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Anschließend rutschte er schreiend über’ die Dachpfannen ab wärts. Heftiges Platschen und Rauschen signalisierte, daß der Sturz in die Tiefe ein weiches Ende gefunden hatte. Mit dem Mut der Verzweiflung wollte sich der Zurückgebliebene auf Parker stürzen. Dabei übersah er jedoch die bleigefüllte Spitze des schwarzen Universal-Regendachs, die sich ihm keck entge genstreckte. Der Mann reagierte mit dumpfem Stöhnen und gab schlagartig seinen gesamten Vorrat an Atemluft preis, als das kühle Metall eingehend seinen Solarplexus massierte und dabei ausgesprochen unangenehme Reaktionen auslöste. Postwendend war auch der Kampfmut des zweiten Unterweltlers verflogen. Resigniert trat der Bursche den Weg zum Erkerfenster an, das ohnehin schon offenstand. »Ich habe den Schurken, Mister Parker«, rief Lady Agatha tri umphierend von unten. »Oder kommt…« Der Rest des Satzes ging in heftigem Klatschen und Platschen unter. Dafür begann die ältere Dame jetzt zu kreischen wie ein Teenager, der in der Badeanstalt von Lausbuben naßgespritzt wird. Als der Butler Augenblicke später um die Hausecke bog, fand er eine empörte Lady vor, die zwar einige Spritzer abbekommen hatte, aber keineswegs durchnäßt war. »Hätten Sie nicht wenigstens Bescheid sagen können, Mister Parker?« beschwerte sie sich. »Mein Hut ist ruiniert und meine Frisur verdorben.« »Man erlaubt sich, in aller Form um Nachsicht zu bitten, Myla dy«, ließ Parker höflich verlauten und deutete eine Verbeugung an. Der Zorn der resoluten Dame war jedoch schnell verflogen. Als sie die pudelnassen Köpfe der Brandstifter in Augenschein nahm, die über das abschüssige Dach direkt in die große Regentonne gerutscht waren, hallte plötzlich homerisches Gelächter von den Wänden der benachbarten Wohnblocks wider. »Eigentlich müßte ich die Lümmel ja noch eingehend verhören, Mister Parker«, fand die leidenschaftliche Detektivin, nachdem sie den zur Schadenfreude herausfordernden Anblick ausgiebig ge nossen hatte. »Ein Vorhaben, das sich erübrigen dürfte, falls man eine per sönliche Einschätzung äußern darf, Mylady«, entgegnete der But
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ler. »Immerhin wurden die Herren unter eindeutigen Umständen auf frischer Tat ertappt.« »Darauf wollte ich Sie übrigens auch gerade hinweisen, Mister Parker«, behauptete Agatha Simpson umgehend. »Ich habe näm lich keine Zeit zu verlieren. Jetzt ist Mister Benson an der Reihe. Aber was mache ich mit den nassen Flegeln?« »Man könnte den ehrenwerten Mister Pickett bitten, die Polizei zu verständigen«, schlug Parker vor. »Meinetwegen«, erwiderte die ältere Dame. »Bei diesen Bur schen handelt es sich ohnehin um Randfiguren, Mister Parker.« »Wie Mylady zu meinen geruhen«, gab der Butler höflich zu rück. Bevor man die vernehmlich mit den Zähnen klappernden Brand stifter beim Bad im Mondschein zurückließ, zog Parker jedoch zwei Handfesseln aus der Wölbung seines Bowlers und engte da mit die Bewegungsfreiheit des zerknirscht wirkenden Duos nach haltig ein. * Agatha Simpson bebte vor Tatendrang. Energiestöße durchpuls ten ihre wuchtige Gestalt. Die Wangen waren hektisch gerötet. »Können Sie nicht schneller fahren, Mister Parker?« drängelte sie. »Am erforderlichen Bemühen wird man es keinesfalls und mit nichten fehlen lassen«, erwiderte der Butler. »Allerdings dürften Mylady den Umstand in Betracht ziehen, daß man sich nicht auf der Autobahn, sondern in der City von London befindet.« Die ältere Dame mochte sagen, was sie wollte. In weniger als einer Stunde ließ sich die Fahrt von Marylebone in den Osten der Stadt nicht bewältigen – obwohl Parker jede Abkürzung nutzte und auf übersichtlicher Strecke rasante Zwischenspurts einlegte. »Nun gut. Ich werde die Zeit nutzen, um noch mal intensiv über den Fall nachzudenken, Mister Parker«, schickte Mylady sich schließlich ins Unvermeidliche. Wie ernst sie diese Aufgabe nahm, zeigten die dezenten Schnarchtöne, die gleich darauf aus dem schußsicher verglasten Fond zum Fahrerplatz übertragen wurden. Diskret, wie er nun mal war, schaltete der Butler die verräteri sche Sprechanlage ab und konzentrierte sich mit allen Sinnen aufs Fahren. Zwar herrschte nur noch geringer Verkehr, aber Si
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tuationen, in denen Parker blitzschnell reagieren mußte, gab es mehrere. Zum Beispiel, als ein angetrunkener Fußgänger fröhlich lallend in die Fahrbahn torkelte. Da half kein Bremsen, sondern nur noch geistesgegenwärtiges Ausweichen. Dank des hochbeinigen Spezialfahrwerks, das gera de unter extremen Belastungen seine Qualitäten offenbarte, meisterte der Butler alle Klippen. In Whitechapel hätte es trotzdem um ein Haar eine lästige Ver zögerung gegeben. Aus dem Augenwinkel nahm Parker den Poli zei-Streifenwagen wahr, der am Straßenrand parkte. Doch die Beamten waren viel zu entgeistert, als sie das alter tümliche Gefährt vorbeirasen sahen, um noch rechtzeitig ein zugreifen. Zwar starteten sie ihren Wagen, um dem Verkehrssün der nachzujagen, der würdevoll hinten dem Lenkrad des schwar zen Wagens saß, aber schon nach zwei Meilen gaben sie frustriert die Verfolgung auf. Unvermittelt war der Butler in eine Seitenstraße eingebogen, hatte einen Haken geschlagen und war gewissen Blicken ent schwunden, als hätte sich die Erde geöffnet und den Fahrer samt Fahrzeug verschluckt. Lady Agatha ließ sich durch derlei Vorfälle nicht stören. Erst als Parker auf der breiten Commercial Road die Stepney East Station passierte, fand sie unter herzhaftem Gähnen wieder in die Wirk lichkeit zurück. Allerdings hatte der Butler kurz zuvor die Sprechanlage wieder eingeschaltet und sich mehrmals vernehmlich geräuspert. »Ich habe mich jetzt entschieden und werde Sie in meine takti schen Planungen einweihen, Mister Parker«, ließ Mylady keine Zweifel daran, daß sie die knapp einstündige Fahrt tatsächlich zu intensivem Nachdenken genutzt hatte. »Ich werde zu dem be währten Mittel des Überraschungsangriffs greifen und das Subjekt im Handstreich überwältigen. Können Sie mir folgen, Mister Par ker?« »Bislang fühlt meine Wenigkeit sich keineswegs geistig überfor dert, was für die lichte Klarheit sprechen dürfte, die Myladys Aus führungen kennzeichnet«, gab der Butler ebenso höflich wie ge lassen zurück. »Sie dürfen mich beim Sturm auf die Werkstatt begleiten, Mis ter Parker«, fuhr die resolute Dame fort.
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»Darf man gegebenenfalls um Aufklärung bitten, von welcher Werkstatt Mylady zu sprechen geruhen?« erkundigte sich Parker. »Moment mal. War es vielleicht eine Tankstelle, Mister Parker?« kramte Agatha Simpson erfolglos in ihrem Gedächtnis. »Mylady dürften das Hotel zu meinen geruhen, das Mister Rob son gehört«, half der Butler diskret aus. »Richtig. Ich erinnere mich genau«, nickte die ältere Dame. »Ein sogenanntes Stundenhotel, nicht wahr, Mister Parker?« »Mylady treffen den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf.« »Also. Sie dürfen mich beim Sturm auf das Hotel begleiten«, fuhr die Detektivin fort. »Sorgen brauchen Sie sich nicht zu ma chen, Mister Parker. Ich werde wie üblich meine schützende Hand über Sie halten.« »Eine Ankündigung, die ungemein beruhigend wirkt, falls der Hinweis gestattet ist.« »Damit ich Sie auch vor moralischen Anfeindungen bewahren kann, bleiben Sie am besten eng an meiner Seite«, fügte Lady Simpson mit strenger Miene hinzu. »Nur stören Sie mich nicht, wenn ich zum entscheidenden Schlag aushole, Mister Parker.« »Was man zweifellos in gebührender Weise beherzigen wird, Mylady.« »Das will ich hoffen«, bekräftigte die majestätische Dame. »Bin ich nicht bald da, Mister Parker?« »In wenig mehr als einer Minute dürften Mylady den Einsatzort erreicht haben«, teilte Parker mit. »Darf man in diesem Zusam menhang die Frage anschließen, welche Rolle Mylady Miß Porter und Mister Rander zugedacht haben?« »Die Kinder sollen sich aus der Gefahrenzone heraushalten«, meinte die Einsatzleiterin. »Ich würde mir ewig Vorwürfe machen, wenn den beiden etwas zustieße, Mister Parker.« »Eine Äußerung, die von Myladys hoch entwickeltem Verantwor tungsbewußtsein zeugt«, schickte der Butler voraus. »Anderer seits dürften die Genannten weder als unerfahren noch als leicht sinnig gelten.« »Trotzdem. Sie bleiben draußen«, beharrte Lady Agatha. »Der liebe Mike und Miß Kathy können vielleicht die Straße abriegeln, falls der Lümmel wider Erwarten im letzten Moment entwischen sollte.« »Wie Mylady wünschen«, ließ Parker höflich verlauten und bremste sein schwarzes Gefährt. Kurz vor der Kreuzung Grenade
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Street/Gill Street war plötzlich eine junge Dame aus einem dunk len Torweg auf den Gehweg getreten. Eigentlich waren in dieser Gegend und zu dieser späten Stunde ausschließlich weibliche Wesen unterwegs, die täschchenschwen kend ihrem Broterwerb im horizontalen Gewerbe nachgingen. Die attraktive Erscheinung da vorn gehörte allerdings mitnichten zu dieser Kategorie. »Darf man sich erlauben, nach Ihrem werten Befinden zu fra gen, Miß Porter?« sagte der Butler, nachdem er das hochbeinige Monstrum am Straßenrand gestoppt und das Fahrerfenster ge senkt hatte. »Danke, alles bestens, Mister Parker«, gab Kathy Porter zurück. »Aber ich mache mir allmählich Sorgen um Mike.« »Muß man möglicherweise annehmen, daß es für diese Sorgen einen konkreten Anlaß gibt, Miß Porter?« wollte Parker wissen. »Mike wollte versuchen, sich über die Hinterhöfe an das Hotel heranzupirschen und vielleicht sogar hineinzukommen«, berichte te die junge Dame. »Aber das ist schon bald eine halbe Stunde her. So lange wollte er eigentlich nicht bleiben.« »Der arme Junge wird den skrupellosen Gangstern in die Hände gefallen sein«, schwante der passionierten Detektivin Schlimmes. »Ich muß sofort meinen Angriff starten, Mister Parker.« »Nichts liegt meiner bescheidenen Wenigkeit ferner, als Mylady zu widersprechen«, meldete der Butler in seiner höflichen Art dennoch Widerspruch an. »Der Hinweis dürfte erlaubt sein, daß ein Frontalangriff der geplanten Art Mister Randers Leben in aku ter Weise gefährden könnte.« »Stimmt. Das ist einer erfahrenen Kriminalistin wie mir natür lich auch klar«, entgegnete die füllige Dame. »Deshalb werde ich selbstverständlich die Taktik ändern, Mister Parker.« »Ein Entschluß, zu dem man Mylady nur beglückwünschen kann«, erwiderte Parker, »Darf man in diesem Zusammenhang um Auskunft bitten, wie Mylady unter den obwaltenden Umstän den im einzelnen vorzugehen gedenken?« »Nun… äh…Sie dürfen mir ruhig ein paar passende Vorschläge unterbreiten, Mister Parker«, gestattete Agatha Simpson in ihrer ungemein großzügigen Art. »Ich möchte auch mal sehen, ob Sie bei mir etwas gelernt haben.«
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»Mylady dürfte in jedem Falle die verantwortungsreiche Aufgabe der Einsatzleitung zufallen«, begann der Butler nicht ohne diplo matisches Geschick. »Das versteht sich ja wohl von selbst«, entgegnete die selbstbewußte Dame. »Bitte weiter, Mister Parker.« »Innerhalb dieses Konzepts könnte meine Wenigkeit einen Er kundungsgang unternehmen und Mylady baldmöglichst Bericht erstatten«, fuhr Parker fort. »Genauso wollte ich es anordnen«, verriet Agatha Simpson lä chelnd. »Gratuliere, Mister Parker! Sie bewähren sich immer mehr.« »Man dankt für das völlig unverdiente Lob, Mylady«, gab der Butler mit unbewegter Miene zurück. »Geht man im übrigen recht in der Annahme, daß Mylady den Einsatz vom Fahrzeug aus zu leiten wünschen?« »Noch ein guter Vorschlag, Mister Parker«, brach die ältere Da me geradezu in Lobeshymnen aus. »Und Kathy bleibt hier bei mir.« »Wirklich, Mylady?« reagierte die Freundin des Anwalts ent täuscht. »Sollte ich nicht lieber…« »Nein, Sie bleiben hier, Kindchen. Schon, weil es zu gefährlich ist«, ließ Mylady sich nicht erweichen. »Außerdem muß ich Ihnen eine herrliche Geschichte erzählen.« Widerstrebend nahm Kathy Porter die Einladung an, stieg hinten ein und nahm mit dem spärlichen Platz vorlieb, den Lady Agathas wogende Fülle ihr ließ. »Sie können den Wagen hier auf den Hof stellen, Mister Par ker«, schlug die zierliche Kathy vor. »Da ist er nicht zu sehen, und bis zum Hotel sind es knapp hundert Meter.« »Eine Anregung, die man unbedingt aufgreifen sollte, Miß Por ter«, antwortete Parker, rangierte sein altertümliches Gefährt in die dunkle Einfahrt, aus der die junge Dame gekommen war, und stellte den Motor ab. »Aber halten Sie sich nicht zu lange auf, Mister Parker«, er mahnte Agatha Simpson ihn nachdrücklich. »Ich habe keine Zeit zu verlieren. Das Leben des armen Mike steht auf dem Spiel.« »Ein Umstand, dem man auf jeden Fall in geeigneter Weise Rechnung tragen wird«, versicherte der Butler, ehe er das Fahr zeug verließ und sich mit einer Verbeugung empfahl.
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»Also, jetzt muß ich Ihnen unbedingt erzählen, wie ich die Brandstifter in das Wasserfaß gesteckt habe, Kindchen«, hörte Parker seine Herrin plaudern, während er sich gemessen und würdevoll entfernte. * Das Sunset-Hotel lag auf der linken Seite der schmalen, von trüben Gaslaternen spärlich erhellten Straße. Ein Reklameschild, dessen Neonbeleuchtung unablässig flackerte, wies auf das Etab lissement mit dem eindeutigen Ruf hin. Während der Rest der Straße wie leergefegt wirkte, parkten vor dem Stundenhotel etli che Fahrzeuge der oberen Hubraumklassen. Wie ein einsamer Spaziergänger, den Schlaflosigkeit auf die Straße getrieben hat, schritt der Butler an den verwahrlosten Häuserwänden entlang und vermied es dabei, in die Lichtkegel der wenigen Straßenlampen zu geraten. Unablässig kreisten seine Blicke. Kein Geräusch entging seinen Ohren. Deshalb wurde er schon aus einiger Entfernung auf einen sil bergrauen Jaguar aufmerksam, der mitten zwischen den anderen Fahrzeugen stand. Der Wagen war als einziger besetzt – mit zwei Männern, die Zigaretten aufglimmen ließen und das Schiebedach eine Handbreit geöffnet hatten, damit der Qualm abziehen konn te. Lautlos wie ein Schatten glitt Parker weiter. Er zweifelte nicht daran, daß das Duo bewaffnet war und die Aufgabe hatte, für Ben Robsons Sicherheit zu sorgen. Darauf deutete schon das elektrisierende Kribbeln in der Na ckengegend hin, das sich mit jedem Schritt verstärkte. Diese ge heimnisvolle Antenne hatte ihn schon oft vor tödlichen Fallen be wahrt, indem sie die vibrierende Spannung spürbar machte, die in brisanten Situationen in der Luft liegt. Deshalb griff der Butler in die linke Außentasche seines Cover coats und förderte eine weiße Plastikkapsel zutage, die einem Pingpongbällchen ähnlich sah. Erst bei näherem Hinsehen waren die feinen, nadelstichähnlichen Löcher zu erkennen, mit denen die kleine Kugel übersät war. Das Heck des Jaguar war nur noch drei Schritte entfernt. Die mutmaßlichen Bodyguards unterhielten sich gedämpft und sogen
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weiterhin an ihren Glimmstengeln. Keiner von ihnen bemerkte die schwarz gewandete Gestalt, die sich auf leisen Sohlen näherte. Kurz entschlossen drückte Parker das dünnwandige Bällchen mit der schwarz behandschuhten Rechten zusammen, bis die im In nern untergebrachte Ampulle unter kaum hörbarem Knistern zer sprang. Anschließend stellte er den Gangstern seinen leichtge wichtigen Gruß mit einem wohlgezielten Wurf zu. Keck segelte die weiße Kapsel durch die Öffnung im Wagen dach, prallte leise klickend vom Lenkrad ab und rollte unter den Fahrersitz. Die Männer unterbrachen zwar irritiert ihr Gespräch, aber als sie auf das rasch anschwellende Zischen aufmerksam wurden, waren die Würfel schon gefallen. Mit einer Vehemenz, die man nur atemberaubend nennen konn te, verband sich die glasklare Flüssigkeit aus der Ampulle mit dem Sauerstoff der Luft und ließ ein betäubendes, die Schleim häute reizendes Gas entstehen, das mit hohem Druck durch die winzigen Löcher entwich und im Handumdrehen den ganzen In nenraum des Jaguar ausfüllte. Die Insassen reagierten mit heiserem Krächzen, das sich zu krampfartigen Hustenanfällen steigerte, dann aber rasch wieder verebbte. Als der Butler aus seiner Deckung seitlich am Heck auf tauchte, hatten die Männer ihren halbherzigen Versuch, an die frische Luft zu entkommen, schon aufgegeben. Sie hatten sich behaglich in die Polster zurückgelehnt, lächelten friedlich und wirkten, als könnten sie keiner Fliege etwas zuleide tun. Allerdings schien das Husten auf nächtlicher Straße nicht nur Parkers Ohr erreicht zu haben. Blitzschnell ging der Butler hinter dem Wagen in Deckung, als in einer Toreinfahrt neben dem Hotel ein Mann mittleren Alters auf tauchte, der neugierig herübersah und einen schallgedämpften Trommelrevolver in der Rechten hielt. Mit routiniertem Griff legte der Butler einen kleinen Sicherungs hebel am Griff des altväterlich gebundenen UniversalRegenschirmes um und klappte anschließend die bleigefüllte Spit ze im rechten Winkel zur Seite. Dadurch entpuppte sich der hohle Schaft des Regendachs als Lauf, aus dem Parker kleine, bunt gefiederte Pfeile verschießen konnte. Eine Patrone mit komprimierter Kohlensäure, die in den
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schwarzen Schirmfalten verborgen war, lieferte die nötige Schub kraft. Der Butler wartete nicht, bis der Bewaffnete herüberkam, um nach seinen Kollegen zu sehen. Behutsam legte er den zur lautlo sen Distanzwaffe umfunktionierten Schirm auf das Pflaster unter dem Wagenboden, taxierte untrüglich die Richtung und schickte eines der kaum stricknadelgroßen Geschosse auf die Reise zur anderen Straßenseite. Wie aus dem Nichts schwirrte der zierliche Pfeil unter dem Ja guar hervor, glitt im Tiefflug über die Straße und blieb wippend in der linken Wade des Hofwächters stecken. Der Mann wurde erst aufmerksam, als die scharfe Pfeilspitze das Tuch seiner Hose durchdrang und sich als Stachel im Fleisch betätigte. Mit unterdrücktem Schmerzlaut zuckte der Gangster zusammen, wollte nach dem vermeintlichen Insekt schlagen und… erstarrte. Fassungslos fixierte er das kleine, aber ungemein beunruhigen de Geschoß. Alles, was er jemals über die tödlichen Blasrohrpfeile brasilianischer Urwaldindianer gehört oder gelesen hatte, glitt wie ein Film im Zeitraffertempo an ihm vorüber. Schon öffnete der Bewaffnete den Mund und wollte einen gel lenden Schrei ausstoßen, als das hochwirksame Betäubungsmittel pflanzlicher Herkunft, mit dem Parker die Pfeilspitze präpariert hatte, die Nervenzentren im Gehirn erreichte. Unvermittelt geriet der Bewaffnete ins Torkeln, verschwand im dunklen Torweg und wurde nicht mehr gesehen. Als der Butler kurz darauf die Straße überquerte und nach dem Verschwundenen Ausschau hielt, hatte der Wächter es sich längst in einer Mauernische bequem gemacht und war in erlösenden Schlummer gefallen. Parker beachtete den Mann nicht weiter und schritt würdevoll an ihm vorbei, um auf die Rückseite des Gebäudes zu gelangen. Seine Nerven und Sinne waren auf höchste Alarmstufe geschaltet, aber nirgends war ein Geräusch zu hören, nirgends eine Bewe gung wahrzunehmen, die seinen Argwohn erregt hätte. Auch das Kribbeln auf der Haut war nicht mehr zu spüren. Der betonierte Hof, auf den der Torweg mündete, schien haupt sächlich als Abstellplatz für Mülltonnen zu dienen. Trotz raben schwarzer Finsternis hatte der Butler dank seiner scharfen Nacht vogelaugen keine Schwierigkeiten, sich zu orientieren. Dabei wich
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er noch im Gehen umherliegenden Konservendosen und Geträn kebechern aus, die fast die Funktion eines akustischen Warnsys tems erfüllten. Im eigentlichen Hotelbau würde man Mike Rander wohl nicht gefangenhalten, falls er überhaupt noch am Leben war. Dann schon eher in dem flachen Anbau, der den Hof in zwei Teile teilte, die durch eine schmale Durchfahrt am hinteren Ende verbunden waren. Die Fenster des schmucklosen Gebäudes waren unbeleuchtet, aber aus einem der Kellerschächte drang schwacher Lichtschein nach oben. Lautlos Setzte Parker seinen Weg fort und spähte durch das Eisengitter, mit dem der Schacht überdeckt war, in die Tiefe. Zuerst sah er nur den nackten Betonboden eines Kellerraumes, auf den das spärliche Licht einer Glühbirne fiel. Dann jedoch drang verhaltenes Stöhnen an sein Ohr. Dieses Stöhnen hatte allerdings nichts mit den Lauten zu tun, die in Ben Robsons Stun denhotel zur normalen Geräuschkulisse gehörten. Interessiert beugte sich der Butler über den Schacht, um weiter in den Kellerraum sehen zu können. Zwei Schuhe kamen ins Blickfeld, dann zwei Fußgelenke, die mit dicken Stricken gefesselt waren. Ein Zweifel war ausgeschlossen. Die zweifarbigen Sportschuhe hatte Parker noch am Abend an Rander gesehen. Außer dem Anwalt schien sich niemand dort unten zu befinden. Deshalb hob der Butler das Eisengitter an, lehnte es an die Wand und ließ sich in den Schacht hinabgleiten. Mit sicherem Griff zog er sein zierliches Universalbesteck aus der Tasche, öffnete damit im Handumdrehen das Fenster und sah Rander auf dem nackten Boden liegen. Keine Frage, daß der Anwalt sich über den unverhofften Besuch in seinem Verließ freute. Nur zeigen konnte er es nicht. Die Hän de waren auf dem Rücken gefesselt. Im Mund steckte ein Knebel. Doch die endgültige Befreiung war nur noch eine Sache von Se kunden. Rasch durchschnitt Parker die Hanfstricke, half Rander vom Boden auf und wies ihm mit einer Verbeugung den Weg nach oben… in die Freiheit. »Möglicherweise sollte man zunächst zu Mylady und Miß Porter zurückkehren, Sir«, schlug der Butler vor, während die Männer
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Seite an Seite den Torweg durchschritten und den immer noch schlummernden Wächter passierten. »Einverstanden«, nickte der Anwalt. »Mylady sollte sowieso entscheiden, wie sie weiter vorgehen möchte. Kurz bevor ich da unten eingelocht würde, habe ich nämlich mitbekommen, daß Robson vor Morgengrauen einen Großangriff starten will, um sei ne Männer in Shepherd’s Market zu befreien.« »Eine Nachricht, die zweifellos Myladys Aufmerksamkeit finden dürfte, Sir«, erwiderte Parker. Unbemerkt schritten der Befreite und sein Befreier am Eingang des Hotels vorbei und hatten fast die Straßenecke erreicht, als der Butler unvermittelt stehenblieb und lauschte. Auch Rander hatte die Geräusche gehört und spitzte die Ohren. Gleich darauf schossen dicht hintereinander drei schwarze, vermutlich gepanzerte Limousinen aus der Einfahrt, bogen auf wimmernden Pneus nach links ab und entfernten sich mit Vollgas. Schon waren nur noch die Rücklichter zu sehen. »Das müssen sie gewesen sein«, stellte der Anwalt fest. »Eine Vermutung, die sich geradezu aufdrängen dürfte, Sir«, pflichtete Parker ihm bei, setzte sich wieder in Bewegung und beschleunigte seine Schritte, soweit es die Würde eines hochherr schaftlichen Butlers zuließ. Schließlich hatte er seiner Herrin ver sprochen, baldmöglichst Bericht zu erstatten… * »Da ist der liebe Junge ja wieder«, stellte Lady Agatha zufrieden fest, während Kathy Porter überglücklich den Anwalt in die Arme schloß. »Sie haben sich unnötige Sorgen gemacht, Kindchen.« »Ganz so unnötig war’s nun auch nicht, Mylady«, korrigierte Rander. »Ich habe mir nämlich selbst schon Sorgen gemacht.« »Aber warum denn, Mike?« reagierte die ältere Dame über rascht. »Ist irgendwas passiert?« »Eigentlich nichts Besonderes«, gab der Anwalt zurück und zeigte, daß er schon wieder schmunzeln konnte. »Parker hat mich ja rechtzeitig herausgeholt.« »Das kriminelle Gesindel wollte sich doch nicht etwa an Ihnen vergreifen, Mike?« erkundigte sich Mylady.
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»Vermutlich doch«, entgegnete der Anwalt. »Ich glaube kaum, daß Robson mich fesseln und in einen Keller sperren ließ, um mich anschließend zum Urlaub in seinem Hotel einzuladen.« »Das ist ja die Höhe«, entrüstete sich die ältere Dame. »Ich werde umgehend das Hotel stürmen und den Schurken zur Rede stellen.« »Dazu ist es jetzt ein paar Minuten zu spät, Mylady«, bremste Rander ihren plötzlich wieder ausbrechenden Tatendrang. »Was soll das heißen?« begehrte Agatha Simpson zu wissen. »Hat Mister Parker den Lümmel entwischen lassen?« »Keineswegs und mitnichten, Mylady«, konnte der Butler seine Herrin beruhigen. »Allerdings deuten alle Anzeichen darauf hin, daß Mister Robson soeben mit einer ansehnlichen Streitmacht nach Shepherd’s Market aufgebrochen ist.« »Nach Shepherd’s Market?« wiederholte die passionierte Detek tivin und kicherte schadenfroh. »Der skrupellose Bursche wird sich schwarz ärgern, wenn er merkt, daß ich gar nicht zu Hause bin.« »Nach den Informationen, die Mister Rander zu Ohren kamen, dürfte die Aktion eher den Zweck haben, die Herren zu befreien, die zur Zeit Myladys Gastfreundschaft genießen«, gab Parker zu bedenken. »Das könnte dem Schurken so passen«, empörte sich die reso lute Dame. »Wenn er das wagt, lernt er mich kennen.« »Unter diesen Umständen sollten Mylady keine unnötige Zeit verlieren, falls der Hinweis genehm ist«, merkte der Butler höflich an. »Nun drängeln Sie nicht so, Mister Parker«, beschwerte sich die majestätische Dame. »Ich bin noch nie zu spät gekommen.« »Eine Feststellung, der man mitnichten widersprechen möchte«, erwiderte Parker, deutete eine Verbeugung an und nahm in wür devoller Haltung hinter dem Lenkrad Platz. »Wir nehmen meinen Wagen und kommen nach«, sagte Rander, hakte Kathy unter und verabschiedete sich mit einem Ni cken. »Bis gleich.« »Der Lümmel wird es bereuen, daß er sich nach Shepherd’s Market gewagt hat, Mister Parker«, zeigte sich die stämmige De tektivin erwartungsvoll, während das hochbeinige Monstrum durch den Torweg auf die Straße rollte.
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»Darf man fragen, wie Mylady diese Äußerung konkret zu ver stehen meinen?« erkundigte sich der Butler. »Meine Planung geht mal wieder vollkommen auf, Mister Par ker«, brüstete sich Mylady. »Während der Lümmel in mein Haus einzudringen versucht, falle ich ihm von der Straße aus in den Rücken. Damit ist sein Schicksal besiegelt.« »Was eindeutig zu hoffen wäre«, ließ Parker sich vernehmen. »Andererseits könnten Mylady erwägen, den Angreifern zuvorzu kommen und ihnen einen gebührenden Empfang bereiten.« »Das ist eine taktische Variante, die ich natürlich auch im Auge habe«, versicherte Lady Agatha postwendend. »Wie werde ich dabei im einzelnen vorgehen, Mister Parker?« »Unter Ausnutzung der sich bietenden Abkürzungen dürften My lady es schaffen, vor den Gangstern in Shepherd’s Market zu sein«, teilte der Butler seine Einschätzung mit. »Falls man nicht grundsätzlich irrt, könnte sogar noch ein wenig Zeit bleiben, um Vorbereitungen für eine angemessene Begrüßung zu treffen.« »Genauso habe ich es mir vorgestellt, Mister Parker«, erwiderte die füllige Dame. »Der Plan setzt allerdings voraus, daß Sie etwas flotter fahren als sonst.« »Am eingehenden Bemühen wird meine Wenigkeit es keinesfalls fehlen lassen, Mylady«, versprach Parker und handelte unverzüg lich danach. Die rasante Fahrt über nächtlich leere Straßen war ein Wettlauf gegen die Zeit. Aber aussichtslos war das Rennen keineswegs. Schließlich verfügte der Butler nicht nur über ein leistungsfähiges Fahrzeug und fahrerisches Können, sondern auch über eine präzi se Kenntnis des Londoner Stadtplans. Und diese Trümpfe Spielte er jetzt in einer Weise aus, daß seiner Herrin auf dem Rücksitz Hören und Sehen verging. Anfangs versuchte Agatha Simpson noch, ihren schwarz gewan deten Chauffeur anzufeuern. Aber bald beschränkte sie sich dar auf, ihrer Körperfülle, die bei jedem Abbiegemanöver den Geset zen der Fliehkraft folgte, einigermaßen sicheren Halt zu verschaf fen. Die Zeit, in der der Butler die Strecke von Limehouse nach Shepherd’s Market zurücklegte, war rekordverdächtig. Der Einsatz lohnte sich indes. Als das schwarze Gefährt in die idyllische Wohnstraße einbog, war noch alles leer und ruhig. Nur der weiße BMW stand verlassen am Straßenrand.
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Auf dem Vorplatz stellte Parker seinen Wagen ab und half der gewichtigen Dame beim Aussteigen. Gleich darauf fiel die Haustür hinter dem skurrilen Paar ins Schloß. »Bis die Gangster eintreffen, könnte ich ja noch ein wenig mei nen Kreislauf pflegen, Mister Parker«, äußerte die Hausherrin, während der Butler das Licht in der Wohnhalle einschaltete. »Wie Mylady zu wünschen belieben«, erwiderte Parker, holte die geschliffene Kristallkaraffe mit Myladys Lieblingssherry und schenkte ein. Anschließend verneigte er sich höflich und verließ den Raum. Sein Weg führte ihn ins Souterrain, wo er seine Bastelwerkstatt mit allerlei nützlichen Kleinigkeiten hatte. Dort deckte sich der Butler mit allem ein, was er in der nächsten Viertelstunde zu brauchen glaubte, und stieg dann würdevoll die Treppe zum Spei cher des Hauses hinauf. Seelenruhig öffnete Parker eines der kleinen Fenster zur Straße hin und legte seine Utensilien bereit. Die Gangster konnten kom men… * Der Butler hatte seinen Posten in luftiger Höhe keine Minute zu früh bezogen. Am Ende der Straße wurden Autoscheinwerfer sichtbar und… verloschen gleich wieder. Nur gedämpftes Moto rengeräusch kündigte die Ankunft der gepanzerten Limousinen an. Augenblicke später stoppten die drei Wagen gegenüber Lady Agathas Anwesen. Die Motoren wurden abgestellt. Stille breitete sich aus. Doch gleich darauf wurden Türen geöffnet. Dunkel gekleidete Männer, alle mit schallgedämpften Automaticwaffen ausgerüstet, stiegen aus. Parker zählte vier Gestalten, die im vermeintlichen Schutz der Dunkelheit über die Straße huschten und Deckungen suchten, die gleichzeitig eine günstige Schußposition boten. Das Quartett war den beiden vorderen Wagen entstiegen. Die Beifahrertür der dritten Limousine wurde erst später geöffnet. Bei dem elegant gekleideten Mittvierziger, dessen Haare selbst in der
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Dunkelheit noch rötlich leuchteten, mußte es sich um Ben Robson persönlich handeln. Behutsam nahm der Butler seine stählerne Gabelschleuder vom Fensterbrett und strammte probeweise die extrastarken Gummi stränge. An die primitiven, mit Einweckgummis bestückten Ast gabeln, die Jungen eines gewissen Alters sich basteln, erinnerte diese High-Tech-Version übrigens nur kaum. Was Reichweite und Treffsicherheit anging, war Parkers Modell seinen hölzernen Ur ahnen meilenweit voraus. Während der Butler in die rechte Außentasche seines schwarzen Covercoats griff und eine hartgebrannte Tonmurmel herausholte, die er als Geschoß verwenden wollte, beugte sich Robson zum Fenster seines Fahrers und ließ sich ein… Megaphon reichen. »Ergeben Sie sich, Parker!« tönte es gleich darauf über den Vorplatz des Hauses. »Das Spiel ist aus!« Mit teilnahmslos wirkender Miene nahm Parker die Aufforderung zur Kenntnis und plazierte die Murmel sorgfältig in der ledernen Schlaufe seiner Schleuder. »Ich weiß, daß Sie mich hören, Parker«, schallte es weiter aus dem Megaphon. »Kommen Sie raus! Das Haus ist umstellt!« Der Butler hätte es gern noch eine Weile genossen, den starken Sprüchen des Gangsterbosses zuzuhören, aber es war höchste Zeit zu handeln. Sonst war zu befürchten, daß Mylady in ihrer spontanen Art vor die Tür trat, um Robson lautstark die Meinung zu sagen. Äußerst konzentriert strammte Parker die Gummistränge, vi sierte sein Ziel an und schickte den tönernen Gruß auf die Reise. »Parker!« setzte Robson erneut an…da erreichte die kleine Ku gel ihr Ziel und sorgte dafür, daß es dem Gangster auf der Stelle die Sprache verschlug. Ein Stöhnen drang noch aus dem Megaphon, dann fiel das Gerät zu Boden und verstummte. Auf die Männer, die sich im Halbkreis um den Eingang des Hau ses verteilt hatten, übten die unerwarteten Geräusche eine aus gesprochen alarmierende Wirkung aus. Deutlich beobachtete der Butler, wie unten Hektik ausbrach. Und diese Hektik gedachte er noch ein wenig zu steigern. Das war der Grund, weshalb ein gutes Dutzend Feuerwerksra keten abschußbereit auf dem Fensterbrett lagen.
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Schon sprühten die ersten Lunten. Parker war vorsichtshalber unter dem Fenster in die Knie gegangen und ließ die Flamme sei nes Feuerzeuges von Zündschnur zu Zündschnur gleiten. Eine nach der anderen zischten die Raketen davon, zogen glü hende Schweife hinter sich her und überschütteten den Vorplatz mit Kaskaden goldener und silberner Regentropfen. Gleißende Kugeln zerplatzten und tauchten das ganze Viertel in farbiges Licht. Die Begeisterung, mit der die Männer unten auf das pyrotechni sche Schauspiel reagierten, war beispiellos. Augenblicklich spran gen sie hinter den Rosenbüschen hervor, die ihnen als Deckung gedient hatten, und versuchten es dem Butler gleichzutun. Die bläulichen Mündungsfeuer, die ihren Waffen entwichen, wirkten zwar ungemein dekorativ, konnten es aber mit Parkers Arsenal bei weitem nicht aufnehmen. Jedenfalls, was die Farben pracht anging. Allerdings hatte der Butler auch schon die Vorbereitungen für das Finale getroffen. In seiner schwarz behandschuhten Rechten lag eine schlanke, weiße Plastikhülse, die auf den ersten Blick an einen Kugelschreiber erinnerte. In Wahrheit handelte es sich jedoch um eine miniaturisierte Blitzlichtbombe, die Parker in stillen Stunden in seiner Bastel werkstatt konstruiert hatte. Kaum war die letzte Rakete gestartet, knickte er das Röhrchen in der Hand und warf es dann in hohem Bogen aus dem Fenster. Sekundenbruchteile darauf drang gleißender Lichtschein von draußen herein. Die Helligkeit war so intensiv, daß der Butler die Augen schloß, obwohl er dem Fenster den Rücken zugewandt hatte. Die Gangster auf dem Vorplatz bekamen allerdings wesentlich mehr von der ebenso kurzen wie eindrucksvollen Darbietung mit. Sie standen nach dem Verlöschen des Lichtblitzes buchstäblich im Dunkeln, obwohl sich am Himmel schon die Morgendämmerung bemerkbar machte. Einer heulte wie ein Wolf und bejammerte lautstark den Verlust seines Augenlichts. Zwei andere wurden von plötzlichem Bewe gungsdrang ergriffen, verfingen sich aber mangels Orientie rungsmöglichkeiten in den dornigen Ästen der -Rosen. Der vierte schließlich stand mitten auf dem Platz und schluchzte wie ein ver lassenes Kind.
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Gleichzeitig setzte sich die erste der drei Limousinen auf durch drehenden Reifen in Bewegung. Dabei zeigte sich jedoch, daß der Lichtblitz ihren Lenker keineswegs unbehelligt gelassen hatte. Nach knapp zehn Metern war die Fahrt am nächsten Straßen baum beendet. Sein Kollege im zweiten Wagen wollte es besser machen und auf der Stelle wenden. Dadurch schaffte er es immerhin bis zu Lady Simpsons Einfahrt, wo dann allerdings der rechte Torpfeiler im Weg war. Das Chaos regierte. Einer allerdings versuchte das Durcheinander zu nutzen. Rob sons Fahrer hatte sich aus dem Wagen gleiten lassen und mühte sich, seinen ausgesprochen apathisch wirkenden Brötchengeber auf den Rücksitz zu hieven. Schon wollte Parker die Schleuder nachladen und eingreifen, da kam ein dunkelblauer Austin die Straße herauf und stoppte un mittelbar neben der Limousine des Gangsterbosses. Mike Rander sprang heraus und sorgte mit einem rechten Haken für klare Ver hältnisse. In diesem Augenblick wurde die Haustür geöffnet, und Agatha Simpson trat pompadourschwingend ins Freie. Daß die geblende ten Gangster ihrer nunmehr nutzlosen Waffen überdrüssig ge worden waren, hatte der Butler schon vorher registriert. Deshalb verzichtete er auf einen warnenden Zuruf, schloß das Fenster und kehrte gemessen und würdevoll ins Erdgeschoß zurück. Einige Tage später waren Agatha Simpson und Josuah Parker wieder in den Surrey Hills unterwegs. Aufrecht und steif, als hätte er einen Ladestock verschluckt, saß der Butler hinter dem Lenk rad und chauffierte sein hochbeiniges Gefährt über den von He cken gesäumten Feldweg, der zum Cottage von Philipp und Nancy Stone führte. Höchstpersönlich wollte die passionierte Detektivin dem freund lichen Ehepaar die Botschaft überbringen, daß mit Belästigungen durch Robsons Leute künftig nicht mehr zu rechnen wäre. Ganz nebenbei erwartete die ältere Dame natürlich, daß die Stones sich durch eine Gratislieferung Forellen erkenntlich zeigen würden. Über den grünen Hügeln wölbte sich der blaue Himmel eines warmen, ruhigen Spätsommertages. Das rote Backsteingebäude inmitten weitläufiger Obstwiesen bot ein Bild des Friedens. Daß dieser Nachmittag dennoch alles andere als friedlich enden wür
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de, ahnte Parker schon, als er eine schwarze Limousine vor dem Haus der Stones stehen sah. Das war der Typ, wie er den höchsten Rängen von Scotland Y ard als Dienstwagen zur Verfügung stand. Auch das Kennzeichen der auf Hochglanz polierten Karosse war dem Butler keineswegs unbekannt – ganz zu schweigen von dem Chauffeur, der sich läs sig gegen den rechten Kotflügel lehnte, die Mütze ins Genick ge schoben hatte und die wärmenden Strahlen der Sonne genoß. Kein Zweifel: Die Forellenzüchter hatten Besuch von ChiefSuperintendent McWarden. Unmittelbar neben der Dienstlimousi ne des leitenden Yard-Beamten stellte Parker seih schwerfällig wirkendes Vehikel ab und assistierte seiner Herrin beim Ausstei gen. Lady Agatha schien den Wagen, den sie schon häufiger gesehen hatte, allerdings nicht wiederzuerkennen, und der Butler verzich tete auf einen entsprechenden Hinweis. Er wollte Mylady nicht die Laune verderben. Dazu würde es noch früh genug kommen. »Nanu? Sie hier, Mylady?« Chief-Superintendent McWarden, der in diesem Augenblick mit einer prall gefüllten Plastiktüte aus dem Anbau kam, fiel aus allen Wolken. »Mister McWarden!« Auch Agatha Simpson konnte ihre Überra schung nicht verbergen. »Sie haben sich wohl die Prämie abge holt, die eigentlich mir zusteht«, setzte die majestätische Dame giftig hinzu. »Was meinen Sie denn mit Prämie, Mylady?« gab der Yard Ge waltige verwundert zurück. »Ich habe mir ein paar Forellen ge kauft. Frischer und leckerer als hier sind sie nirgendwo.« »Ohne meine Ermittlungen wären Sie nie und nimmer auf diese Quelle aufmerksam geworden«, mutmaßte die Detektivin. »Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr«, gab McWarden un wirsch zurück. »Was haben denn Ihre Ermittlungen mit den Forel len der Stones zu tun?« »Jetzt behaupten Sie nur nicht, Sie wären zufällig hier, Mister McWarden«, erwiderte die resolute Dame. »Was heißt denn zufällig? Vor gut drei Jahren war ich zum ers ten Mal hier«, behauptete der Chief-Superintendent. »Seitdem kaufe ich regelmäßig bei den Stones.« »Stimmt«, bestätigte Nancy Stone, die gerade aus dem Ver kaufsraum kam und das Paar aus Shepherd’s Market mit scheuem
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Nicken begrüßte. »Mister McWarden ist fast schon ein Freund des Hauses.« »Und da ist Ihnen nicht aufgefallen, daß die armen Leute be droht, erpreßt und eingeschüchtert wurden?« hielt Mylady dem professionellen Ganovenjäger spöttisch vor. »Was erzählen Sie denn da für einen Unsinn, Mylady?« schlug nun auch McWarden einen schärferen Ton an. »In letzter Zeit hatte ich zwar das Gefühl, Mister und Mistreß Stone wären etwas nervös und bedrückt, aber…« »… woran das lag, ist Ihnen natürlich nicht aufgegangen«, fiel Lady Agatha ihm triumphierend ins Wort. »Ich habe sofort ge schaltet, den skrupellosen Verbrecher in die Enge getrieben und ihm das schmutzige Handwerk gelegt.« »Von wem sprechen Sie eigentlich, Mylady?« wollte der einfluß reiche Kriminalist wissen. »Von… von… Wie hieß der Lümmel noch, Mister Parker?« wand te sich Mylady hilfesuchend an den Butler. »Mylady dürften Mister Robson meinen, falls man sich nicht gründlich täuscht«, sprang Parker helfend ein. »Robson?« wiederholte McWarden entgeistert. »Der Bursche, den Sie erst vor drei Tagen gefaßt und freundlicherweise der Poli zei überstellt haben?« »Wer denn sonst, McWarden«, bestätigte die ältere Dame. »Wie? Mister Robson ist verhaftet?« schaltete sich die mollige Nancy Stone ein. »Dann werden wir in Zukunft also Ruhe ha ben?« »Allerdings. Und dafür habe ich gesorgt, meine Liebe«, warf La dy Simpson sich in die ohnehin üppige Brust. »Wie Sie sehen, ist die Polizei nicht mal in der Lage, alle Straftaten zu Protokoll zu nehmen, die der Lümmel auf dem Gewissen hat.« »Stimmt das, Mistreß Stone?« fragte der Chief-Superintendent mit entgeisterter Miene. »Sie wurden auch von Robsons Leuten belästigt?« »Ja, sie wollten, daß wir das Haus hier verkaufen«, bestätigte die Forellenverkäuferin. »Die Männer haben uns Angst gemacht und Philipp auch geschlagen. Deshalb waren wir schon kurz da vor, den Vertrag zu unterschreiben.« »Aber warum haben Sie mir denn nichts davon gesagt, Mistreß Stone?« wunderte sich McWarden. »Sie wußten doch, daß ich bei der Polizei bin.«
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»Gerade deshalb«, gestand Nancy Stone mit verlegenem Lä cheln ein. »Die Männer hatten uns eingeschärft, auf keinen Fall zur Polizei zu gehen. Und sie wollten uns das Dach über dein Kopf anzünden, wenn wir es trotzdem tun.« Der Yard-Beamte hüllte sich in Schweigen und wirkte tief de primiert. Agatha Simpson hingegen schwamm auf der Welle des Triumphes und strahlte mit der Sonne um die Wette. Nancy Stone wiederum zeigte sich diplomatisch und beugte wei teren Konflikten vor, indem sie kurzerhand zu einem improvisier ten Freudenfest einlud. Ihr Mann, der sich hinzugesellte und mit großen Augen die Neuigkeiten entgegennahm, half ihr, den Tisch im Garten zu decken. Frisches Landbrot, geräucherte Forellen und Apfelwein aus eige ner Herstellung wurden aufgetragen. Die Stimmung der kleinen Runde war blendend. Nach ausgiebiger Stärkung schlug Philipp Stone vor, einen klei nen Rundgang zu unternehmen und die Fischteiche zu besichti gen, die er wegen der ständig wachsenden Nachfrage neu ange legt hatte. Alle waren einverstanden. Auch McWarden, der noch nicht ahnte, was ihm bevorstand. Der kurzgeschorene Rasen unter den Birnen- und Apfelbäumen war mit Fallobst übersät. Scharen von Wespen, für die hier der Tisch gedeckt war, schwirrten umher und fühlten sich durch die Spaziergänger beim Mahl gestört. Vor allem auf den untersetzten Mann vom Yard schienen die zornigen Tierchen es abgesehen zu haben. »Ganz ruhig, Mister McWarden«, mahnte Stone. »Dann tun sie Ihnen nichts.« Doch der Chief-Superintendent war schon viel zu sehr in Panik. Ärgerlich wich er Schritt um Schritt zurück und wedelte mit den Händen, um die summenden Insekten abzuwehren. Dabei pas sierte es. Unversehens geriet McWarden an den Rand eines neu angeleg ten Teiches, stieß einen gellenden Schrei aus und landete klat schend im Wasser. »Hilfe!« stieß der Yardgewaltige hervor. »Hilfe! Ich kann nicht schwimmen.« Als Retter in der Not sprang Josuah Parker ein. Er reichte dem Zappelnden den gebogenen Bambusgriff seines schwarzen Uni
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versal-Regenschirms und zog den Freund des Hauses Simpson aufs Trockene. »Sie sind aber ein Pechvogel, Mister McWarden«, sprach Mylady dem Triefenden Trost zu. »Hoffentlich erkälten Sie sich nicht.« Daß ihr gestrecktes Bein beim Sturz ins kühle Naß nachgeholfen hatte, war nur dem Butler aufgefallen. Und der hüllte sich wohl weislich in Schweigen.
-ENDENächste Woche erscheint BUTLER PARKER Band 499 Edmund Diedrichs
PARKER durchkreuzt die Rachepläne Der Attentäter trachtet Mylady und Parker nach dem Leben. Ein Pseudoschußwechsel lockt das skurrile Paar in einen Spielsalon. Eine handfeste Diskussion mit Rockern entsteht, gleichzeitig wird eine Bombe unter Parkers Wagen installiert. Der Attentäter bezeichnet sich telefonisch als »der Vollstrecker« – doch sein Fehler ist, daß er unvorsichtig wird und mehrere Komplicen aufbietet, um sein Ziel zu erreichen. Eine Entführung, die im Bestattungsinstitut »Ewiger Frieden« endet, stört weder den Butler noch seine Herrin. Auch angesichts lodernder Flammen bleibt Parker kühl und versteht es, seine Gegner zu überlisten. Edmund Diedrichs schrieb für Sie einen neuen PARKER-Krimi. Gönnen Sie sich die Story!
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