PARKERS Tanz mit dem „Skelett“ Günter Dönges Butler Parker war konsterniert, doch sein Gesicht blieb glatt und ausdruck...
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PARKERS Tanz mit dem „Skelett“ Günter Dönges Butler Parker war konsterniert, doch sein Gesicht blieb glatt und ausdruckslos wie stets. Er lüftete höflich seine schwarze Melone und näherte sich dem Skelett, das in einem Liegestuhl Platz ge nommen hatte und auf diesen Gruß verständlicherweise nicht reagierte. Es war das Skelett eines Menschen, das sich ausgesprochen de korativ darbot. Dieses seltsame und zugleich auch unheimliche Gebilde schien gerade noch dem Genuß eines Drinks und einer teuren Importe gefrönt zu haben. Von der Zigarre im Aschenbe cher, der auf einem Beistelltisch stand, kräuselte noch Rauch, aus dem Glas schien gerade getrunken worden zu sein. Parker in sei nem schwarzen Zweireiher, etwas über mittelgroß, gerade noch schlank zu nennen, ging um das Sitzmöbel herum und nahm die Gestalt wahr, die bisher von dem Liegestuhl verdeckt wurde. Sie lag auf dem gepflegten Rasen, mit dem Gesicht nach unten. Im Rücken des Opfers, das männlichen Geschlechts war, steckte ein dolchartiges Messer, das endgültige Tatsachen geschaffen hatte. Die Hauptpersonen: Anthony Banbury verwandelt sich in ein Skelett. Derek Charing bekommt es mit einem Gerippe zu tun. Peter Chetway klempnert nach einer eigenwilligen Methode. Hank Grapes will nicht in Säuren baden. Lionel Hansom stellt Skelette aller Art her. John Hilings macht nicht nur als Playboy Figur. Lady Agatha Simpson bereitet spezielle Bäder vor. Butler Parker läßt diverse Skelette tanzen. Josuah Parker, Butler bester englischer Schule, blieb vor diesem Arrangement stehen und wendete sich langsam um. Im Hinter grund waren die Umrisse eines feudalen Landsitzes zu erkennen. Personen vermochte Parker nicht auszumachen. Dafür entdeckte er kurz darauf eine Visitenkarte, die das Skelett in der linken Knochenhand hielt. Parker betrachtete diese Karte als eine Art Einladung, nahm sie an sich und studierte die Aufschrift. Sie war 2
knapp gehalten und richtete Grüße aus dem Säurebad aus. Der Butler beschäftigte sich nur kurz mit dem Toten vor dem Liegestuhl. Sein erster Eindruck bestätigte sich voll und ganz: Der etwa fünfzigjährige Mann war eindeutig tot. Er trug einen leichten Sommeranzug, der Jahreszeit durchaus entsprechend. Das in den Rücken eingedrungene Messer hatte erstaunlicherweise kaum größere Blutspuren hinterlassen. Parker lüftete erneut seine schwarze Melone und deutete in Richtung des Toten eine leichte Verbeugung an. Dann schritt er würdevoll und gemessen zurück zum Landsitz, wo er auf eine stattliche Dame traf, die groß und energisch aussah. »Nun, Mr. Parker?« fragte sie mit sehr baritonal gefärbter Stimme. »Was habe ich dort unten auf dem Rasen entdeckt?« »Mylady werden einen Verblichenen antreffen«, schickte Josuah Parker voraus, »darüber hinaus und zusätzlich noch ein Skelett.« »Ein Skelett?« Agatha Simpson stutzte. »Ein richtiges Skelett?« »Ein Skelett mit kleinen Fehlern, wenn ich so sagen darf«, ant wortete der Butler, »die Kniescheibe des linken Beines scheint abhanden gekommen zu sein, desgleichen die beiden letzten Glieder des kleinen Fingers der rechten Hand.« »Aha«, meinte die ältere Dame ratlos. Sie hatte das sechzigste Lebensjahr mit Sicherheit überschritten, strahlte aber dennoch eine fast aggressive Vitalität aus. »Dieser an sich unwesentliche Verlust, Mylady, dürfte sich wäh rend des Transports des Skeletts zugetragen haben«, führte der Butler weiter aus. »Natürlich«, meinte sie umgehend, »und wer ist der andere To te?« »Meiner bescheidenen Ansicht nach handelt es sich um Mr. An thony Banbury.« »Dann bin ich also zu spät gekommen.« Sie runzelte ärgerlich die Stirn. »Vielleicht wäre es besser gewesen, Mr. Parker, wenn ich den Wagen gefahren hätte.« »Ein Hinweis, Mylady, der nachdenkenswert sein dürfte«, gab Josuah Parker höflich zurück, »wenn es erlaubt ist, möchte ich allerdings darauf verweisen, daß der Verblichene mit an Sicher heit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits seit einigen Stunden das Zeitliche gesegnet haben dürfte.« »Ich bin aber doch erst vor gut einer Stunde angerufen worden, Mr. Parker«, entgegnete Lady Simpson, »und zwar von Anthony 3
Banbury.« »In diesem Fall bieten sich Mylady zwei Möglichkeiten an: Ent weder ist der Verblichene neben dem Liegestuhl keineswegs Mr. Banbury, oder aber man könnte unter seinem Namen Mylady um Hilfe gebeten haben.« »Genau das wollte ich gerade sagen, Mr. Parker«, entgegnete die ältere Dame, »es gibt aber noch eine dritte Möglichkeit, die Sie natürlich wieder mal völlig übersehen haben.« »Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit überrascht und erwartungsvoll zugleich.« »Man könnte mich in eine Falle gelockt haben.« »Eine Deutung, Mylady, die man nur als bestürzend bezeichnen kann.« Der Butler hatte diese Feststellung gerade getroffen, als ein Schuß zu hören war. Das Geschoß jagte knapp an Josuah Parker vorbei und ließ eine Fensterscheibe hinter ihm auseinanderbers ten. »Eine unerhörte Frechheit«, erregte sich Lady Simpson. »Das galt natürlich mir.« »Mylady sollten sich möglicherweise in Deckung begeben«, reg te Josuah Parker an, »darf ich mir erlauben, Mylady, dafür jene Steinvase dort zu empfehlen?« Er deutete auf ein riesiges Gerät links von der Treppe, die zur Terrasse führte. Lady Agatha nickte gelassen und begab sich in Deckung. Kurz danach fiel ein zweiter Schuß. * »Grüße aus dem Säurebad?« fragte Anwalt Mike Rander. »Ziemlich ungewöhnlich, würde ich sagen.« »Eine einzige Frechheit und Herausforderung, mein lieber Jun ge«, antwortete Agatha Simpson grollend, »und dann diese bei den Schüsse. Sie wissen hoffentlich, was das alles zu bedeuten hat.« »Man will sicher ein Skelett aus Ihnen machen, Mylady«, erwi derte Mike Rander. Der Anwalt, um die vierzig Jahre alt, erinnerte ein wenig an den Filmschauspieler Roger Moore, der sich auf die Darstellung des James Bond spezialisiert hatte. »Ein nicht ganz einfaches Verfahren, wenn ich mir diese Bemer 4
kung erlauben darf«, warf Josuah Parker ein, »dazu gehören um fangreiche Vorbereitungen.« »Man braucht ein Säurebad, wie?« erkundigte sich der Anwalt fast beiläufig. »In der Tat, Sir«, erklärte der Butler, »dazu brauchte man Salzoder Schwefelsäure.« »Und zwar in beachtlichen Mengen«, informierte der Anwalt. »Wie soll ich das verstehen, Mike?« Agatha Simpson maß den Anwalt mit eisigem Blick. »Wollen Sie etwa darauf anspielen, daß ich ein paar Pfündchen zuviel auf die Waage bringe?« »Aber keineswegs, Mylady.« Mike Rander lächelte. »Ich denke mehr an die technischen Dinge. Sie sind von diesem Anthony Banbury um Hilfe gebeten worden?« »Er wollte mich unbedingt wegen einer Mordandrohung spre chen, Mike«, antwortete die ältere Dame, die sich zusammen mit ihrem Butler und Anwalt Rander in ihrem Fachwerkhaus in Shepherd’s Market befand, einer stillen Oase inmitten der Millio nenstadt London. »Hat Banbury wenigstens eine Andeutung gemacht, Mylady?« fragte Mike Rander. »Nichts, aber auch rein gar nichts«, beschwerte sich Agatha Simpson noch nachträglich, »er scheint das alles auf die leichte Schulter genommen zu haben.« »Was fange ich mit dem Namen Banbury an?« Der Anwalt wandte sich an Josuah Parker. »Ist das ein Mann, den man ken nen muß?« »Keineswegs und mitnichten, Sir«, gab der Butler Auskunft. »Mr. Anthony Banbury war vor seinem Dahinscheiden Spitzenma nager innerhalb der elektronischen Industrie.« »Wahrscheinlich wollte man ihn anzapfen, wie?« »Sie denken an Erpressung, mein Junge?« warf die ältere Dame hoffnungsfroh ein. »Liegt doch eigentlich auf der Hand, Mylady«, entgegnete der Anwalt, »zählen wir doch mal zusammen: Da ist erst mal ein aus gewachsenes Skelett, dann der Hinweis auf ein Säurebad, schließlich kommen noch die beiden Schüsse hinzu. Wenn das keine Druckmittel sind!« »Es könnte sich selbstverständlich auch um eine persönliche Ab rechnung handeln, Sir«, sagte Parker gemessen. »Sie sehen das alles wieder mal völlig falsch«, meinte die Lady 5
prompt, »natürlich ist hier eine Bande am Werk, das spüre ich ganz deutlich.« »Was war denn das für ein Skelett, Parker?« fragte der Anwalt. »Es bestand keineswegs aus Kunststoff, Sir«, stellte Josuah Parker klar, »Skelette dieser Art findet man in den medizinischen Instituten der Universitäten.« »Sind das die Knochen, die man mit Draht zusammenhält?« »In der Tat, Sir. Superintendent McWarden versucht gerade zu ermitteln, wo solch ein Skelett vermißt wird.« »Was sagt denn unser alter Griesgram zu dieser verrückten Ge schichte, Parker?« Rander ließ sich von dem Butler mit einer wei teren Tasse Tee versorgen. Man hielt sich im Kleinen Salon des Hauses auf. Es war später Nachmittag, Teezeit also. Lady Agatha trank zum obligaten Tee französischen Kognak und genoß das Gebäck, das Parker serviert hatte, und zwar in Mengen. »Mr. McWarden dürfte meiner bescheidenen Wenigkeit nach be reits mehr über Skelette und Säurebäder wissen, wie ich zu un terstellen mir erlauben möchte.« »Er verschweigt mir etwas?« grollte Agatha Simpson sofort. »Eine Annahme, Mylady«, schränkte der Butler schnell ein, »das Skelett im Liegestuhl dürfte Mr. McWarden eindeutig kaum er schreckt haben.« »Und was wissen Sie von Skeletten und Säurebädern, Mr. Par ker?« fragte die ältere Dame spitz. »Bedauerlicherweise vermag meine Wenigkeit noch nicht mit Hinweisen dienen, Mylady«, antwortete der Butler, »ich darf je doch versichern, daß sich dies recht bald ändern wird.« »Ich nehme an, Sie wollen unseren alten Taschendieb mal wie der einspannen, wie?« frotzelte der Anwalt. »In der Tat, Sir«, gab Josuah Parker zurück, »seine Beziehun gen zur sogenannten Unterwelt sind immer wieder faszinierend und frappant, wenn ich es so ausdrücken darf.« * Es war dunkel geworden. Butler Parker hatte sein hochbeiniges Monstrum verlassen und lustwandelte durch die engen Straßen von Soho, um sich mit ei nem gewissen Mr. Horace Pickett ins Benehmen zu setzen. Er 6
wußte, wo er diesen Mann um diese Zeit fand. Soho wurde nur zu gern von den Touristen besucht, die sich von diesem berühmt berüchtigten Stadtteil zumindest eine kleine Sensation verspra chen. In den engen Straßen und Gassen herrschte lebhafter Verkehr. Parker, auch rein äußerlich das Urbild eines englischen hochherr schaftlichen Butlers, kollidierte an einer Straßenecke mit einem jungen Mann, der gegen seine Brust prallte. Der Unvorsichtige schob sich zurück und entschuldigte sich wortreich, um dann schleunigst weiterzugehen. Er verschwand in einem nahen Tor weg und zog die Brieftasche hervor, die er in Parkers schwarzem Covercoat gefunden hatte. Sie machte einen wohlgefüllten Ein druck, und der junge Taschendieb lächelte zufrieden. Dieser schnelle Mitnahmegewinn aus der Situation heraus schien sich gelohnt zu haben. Eine Sekunde später lächelte er schon nicht mehr und starrte auf den Inhalt der Brieftasche, auf die sorgfältig zurecht geschnit tenen Zeitungsrechtecke. Ein wenig wütend warf er diese Zei tungsrechtecke in einen nahen Müllkasten und langte plötzlich nach der Innentasche seines eigenen Mantels. Der junge Mann fluchte. Vier bisher erbeutete Brieftaschen wa ren verschwunden, schienen sich in Luft aufgelöst zu haben… Vier Brieftaschen, die von amerikanischen Touristen stammten und gut gefüllt waren, existierten plötzlich nicht mehr. Er fragte sich, wie ihm so etwas passieren konnte und dachte natürlich sofort an den Mann, den er wirklich nur unabsichtlich an der Straßenecke gerammt hatte. Dieser Butler mußte ihn erleichtert haben! Der junge Mann eilte wieder auf die Straße, nahm die Verfol gung auf, entwickelte dabei eine beachtliche Schnelligkeit und entdeckte zu seiner Erleichterung den Typ, der wie ein Butler aussah, aber sicher keiner war. Den jungen Mann ärgerte es, daß er diesen Zunftgenossen noch nie gesehen hatte. Wahrscheinlich war er ein Zugereister, der sich in fremden Revieren bereichern wollte. So etwas durfte man selbstverständlich nicht tolerieren. Es gab schließlich ungeschriebene Gesetze. »‘nen Moment mal, Mann«, sagte er, als er den Butler erreicht hatte und schob sich neben ihn. »Was kann ich möglicherweise für Sie tun?« erkundigte sich Parker in seiner höflichen Art. 7
»Okay, Sie sind Spitze«, schickte der Taschendieb voraus, »a ber Sie wildern in ‘nem fremden Revier.« »Sie werden sicher verstehen, daß mir der Sinn Ihrer Rede rela tiv dunkel erscheint«, gab Josuah Parker zurück, »können Sie sich möglicherweise deutlicher ausdrücken?« »Sie haben mir vier Brieftaschen geklaut«, sagte der junge Mann gereizt, »wie Sie’s geschafft haben, weiß ich nicht, aber das spielt jetzt keine Geige. Ich will mein Eigentum zurückhaben.« »Sind Sie sicher, mich nicht zu verwechseln?« Parkers Gesicht blieb ausdruckslos, obwohl er sich ein wenig amüsierte. »Klar, Mann, Sie haben gemolken, als wir zusammengehauen sind«, erklärte der junge Mann. »Vier Brieftaschen?« Parkers linke Augenbraue stellte andeu tungsweise. »Sie führen vier Brieftaschen mit sich? Sind Sie da mit einverstanden, daß ich mich ein wenig erstaunt zeige?« »Wenn Sie nicht sofort die Brieftaschen ‘rausrücken, werden Sie etwas erleben«, drohte der junge Mann. »Könnten Sie mit einigen Hinweisen oder sogar Details dienen?« bat Josuah Parker. »Ich hab ‘ne prächtige Rasierklinge bei mir.« »Sie bedrohen einen müden, alten und relativ verbrauchten Mann?« Parker schüttelte andeutungsweise und vorwurfsvoll den Kopf. »Nun machen Sie schon«, brauste Parkers Kontrahent auf und präsentierte dem Butler ein Rasiermesser. Er tat es diskret, damit es von den übrigen Passanten nicht gesehen wurde. »Erlauben Sie, daß ich Sie auf meinen Schirm hinweise?« Parker hakte den Bambusgriff vom angewinkelten linken Unterarm. »Keine Mätzchen, Mann, mit dem Rasiermesser bin ich schnel ler«, drohte der Taschendieb wütend. »Nun denn, man wird sehen…« Parker ließ seinen Regenschirm senkrecht nach unten fallen. Die Stahlzwinge landete auf der Schuhkappe des Gegners, der unmittelbar darauf gequält aufjaul te. Der nadelspitze Dorn, den Parker durch Knopfdruck unten in der Spitze freigesetzt hatte, bohrte sich in den dicken Zeh des Mannes, der sich daraufhin gegen seinen Willen veranlaßt sah, auf einem Bein herumzuhüpfen. Darüber vergaß der Dieb sein Rasiermesser und bekam überhaupt nicht mit, daß Parker dieses Vielzweckinstrument aus Gründen der allgemeinen Sicherheit an sich nahm. 8
* Er hieß Horace Pickett, war etwa sechzig Jahre alt, weißhaarig und erinnerte an einen pensionierten Offizier der Armee. Dieser Mann saß in einem italienischen Restaurant von Soho und trank einen Espresso. Als er den Butler entdeckte, erhob er sich und strahlte. Er verließ seinen Tisch und ging Parker entgegen. »Ich freue mich ehrlich, Mr. Parker«, sagte er, »und hoffe, Sie sind nicht zufällig hierhergekommen.« »Keineswegs und mitnichten, Mr. Pickett«, antwortete der But ler und ließ sich an den Tisch geleiten, »meine Wenigkeit bedarf Ihrer Erfahrung und Hilfe, um der Wahrheit die Ehre zu geben.« »Ich stehe zu Ihrer Verfügung, Mr. Parker«, entgegnete Pickett und wartete höflich, bis Josuah Parker Platz genommen hatte. Horace Pickett fühlte sich dem Butler zutiefst verbunden. Er war es schließlich gewesen, der ihm mal das Leben gerettet hatte. Darüber hinaus verehrte Pickett Josuah Parker, der in seinen Au gen die wahre Verkörperung eines Gentleman war. Bevor die beiden Männer ihr Gespräch beginnen konnten, er schien am Eingang der Taschendieb, der sich von seinem Hüpf tanz ein wenig erholt hatte. Er kam nicht allein. Zwei seiner Freunde waren mitgekommen. Alle drei wollten sich mit dem But ler befassen und Revanche nehmen. Als sie Pickett zusammen mit Parker an einem Tisch entdeckten, flüsterte der Taschendieb seinen Freunden etwas zu und kam dann allein an den Tisch. Er hinkte ein wenig, da sein Zeh noch immer nachhaltig schmerzte. »Darf ich mich nach Ihrem werten Befinden erkundigen?« fragte Parker den jungen Mann. »Darüber reden wir draußen im Hinterhof«, meinte sein Ge sprächspartner und wandte sich dann an Pickett, »das ist ‘ne pri vate Sache. Ich… Ich bin bestohlen worden.« »Vier Brieftaschen«, warf Josuah Parker ein und holte sie aus der Innentasche seines schwarzen Covercoats, »ein reicher Fund, wenn ich so sagen darf.« »Sie gehören Ihnen?« Horace Pickett deutete zuerst auf die vier Brieftaschen, dann auf den jungen Mann. »Sie dürften vier Touristen gehören«, meinte der Butler, »mei 9
ner bescheidenen Ansicht nach würden die Touristen sich unge mein freuen, wenn die Polizei ihnen ihr Eigentum zurückbringen könnte.« »Ich bin doch nicht verrückt.« Der junge Mann plusterte sich auf. »Und überhaupt, was haben Sie hier in Soho zu suchen? Das ist unser Revier, Mann. Und wenn Sie hier arbeiten wollen, dann fangen Sie erst mal ganz klein an, irgendwo in ‘nem Außenbe zirk.« »Ich fürchte, Sie halten mich für einen sogenannten Eigentum sübertrager«, erwiderte Josuah Parker, »dies ist allerdings nicht der Fall.« »Verschwinden Sie«, meinte Horace Pickett und sah den jungen Mann zwingend an. »Sie haben es mit Mr. Parker zu tun. Hoffent lich sagt Ihnen der Name etwas!?« »Mr. Parker? Etwa Butler Parker?« »In der Tat«, warf der Gefragte ein, »darf ich davon ausgehen, daß Sie die Brieftaschen zurückerstatten?« »Geht Ihnen endlich ein Licht auf?« erkundigte sich Horace Pi ckett bei dem Dieb. »Verdammt, das hätte ich eigentlich sofort merken müssen.« Der junge Mann lächelte entschuldigend. »Sie sind sagenhaft, Mr. Parker. So was von Geschmeidigkeit. Ich hatte überhaupt nichts gemerkt. Wie machen Sie das? Wo haben Sie das gelernt?« »Ein privates Hobby, wenn ich so sagen darf«, meinte Josuah Parker und reichte dem jungen Mann die vier Brieftaschen, »in gewissen Situationen sind solche Kenntnisse recht nützlich.« »Mr. Parker ist mir haushoch überlegen«, stellte Horace Pickett klar, »tun Sie das, was er Ihnen sagte. Und lassen Sie gefälligst die Durchschnittstouristen in Ruhe. Wir wollen unser London doch nicht in Verruf bringen.« »Ich liefere die Brieftaschen sofort ab«, versprach der junge Mann, »entschuldigen Sie, Mr. Parker, daß ich Sie belästigt ha be.« »Es war mir ein Vergnügen«, versicherte Parker, »darf ich mich erkühnen, Ihnen einen Rat zu geben?« »Aber immer, Sir«, erwiderte der junge Mann. »Suchen Sie sich möglichst umgehend einen seriösen Beruf«, redete der Butler weiter, »die Methoden der Polizei werden immer differenzierter. Ein Gefängnisaufenthalt zählt mit Sicherheit nicht zu den Annehmlichkeiten des Lebens.« 10
»Diese jungen Leute«, seufzte Horace Pickett und schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. Er sah dem Mann nach, der zu seinen bei den Begleitern zurückging. »Sie sollten sich an mir ein Beispiel nehmen. Ich bin fast sauber geworden.« »Die Einsicht des Alters, Mr. Pickett«, entgegnete der Butler höflich, »es gibt eine Fülle legaler Möglichkeiten, Geld zu verdie nen.« »Sie haben hoffentlich einen Auftrag für mich, Mr. Parker.« »Es handelt sich um diskrete Ermittlungen, die unter Umstän den allerdings lebensgefährlich sein können.« »Langeweile ist tödlich, Mr. Parker.« »Sagen Ihnen die Stichworte >Skelett< und >Säurebad< et was, Mr. Pickett? Sie dürften neueren Datums sein.« »Skelett und Säurebad?« Pickett runzelte die Stirn. »Nein, nicht gehört. Handelt es sich um eine neue Bande?« »Davon sollte man ausgehen, Mr. Pickett. Meiner bescheidenen Ansicht nach scheint man einem ganz bestimmten Personenkreis Angst und Schrecken einjagen zu wollen.« »Gab es nicht schon mal Mörder, die ihre Opfer in Säure aufge löst haben, um alle Spuren zu verwischen?« erkundigte sich Ho race Pickett. »In der Tat«, sagte der Butler, »die Kriminalhistorie berichtet immer wieder von solchen Fällen. Man scheint dieses Verfahren reaktivieren zu wollen.« »Scheußlich.« Der Meister in Sachen Taschendiebstahl schüttel te sich und zog ein angewidertes Gesicht. »Wenn man so etwas hört, bekommt man es wirklich mit der Angst zu tun. Wie lange dauert es denn, bis die Säure einen Körper weggefressen und aufgelöst hat?« »Dies hängt von der Zusammensetzung der betreffenden Säure ab«, erklärte Josuah Parker, »in diesem Zusammenhang möchte ich erst mal die bekannte Salzsäure erwähnen, dann die Schwe felsäure und schließlich auch noch die Salpetersäure. Die absolute Krönung, wenn ich so sagen darf, dürfte das Königswasser dar stellen.« »Königswasser? Nie gehört, Mr. Parker.« Horace Pickett schüt telte sich leicht. »Es handelt sich dabei um das sogenannte Scheidewasser«, do zierte der Butler weiter, »ein Gemisch oder Gemenge von drei Teilen konzentrierter Salzsäure und einem Teil konzentrierter 11
Salpetersäure. Dieses Königswasser ist in der Lage, selbst Gold und Platin aufzulösen.« »Mit Knochen wird dieses Gemisch also ohne weiteres fertig, wie?« »In erstaunlich geringer Zeit«, antwortete Josuah Parker, »die Herstellung eines Skeletts ist eine Sache von Minuten, um es mal pauschal auszudrücken.« * Josuah Parker hatte das Lokal verlassen und begab sich zurück zu seinem hochbeinigen Monstrum. Er wußte, daß er sich auf Ho race Pickett fest verlassen konnte. Dieser Taschendieb, der seit einiger Zeit nur noch gelegentlich seinem früheren Gewerbe nachging, hatte sich zu einem wertvollen Mitarbeiter gemausert, der am liebsten voll in Parkers Dienste getreten wäre. Dank der vielen Bekannten innerhalb der Szene war gerade ein Mann wie Horace Pickett in der Lage, diskrete Ermittlungen anzustellen. Parker schien von seiner Umgebung nichts wahrzunehmen, tat sächlich aber war er auf der Hut. Es imponierte ihm nicht, Gegner zu unterschätzen. So blieb er hin und wieder vor der Auslage von Geschäften stehen und beobachtete etwaige Verfolger. Er schlug einige Haken, durchschritt schmale Gassen und erreichte sein hochbeiniges Monstrum. Dabei handelte es sich um ein ehemaliges Taxi älterer Bauart, das nach seinen eigenwilligen Plänen umgerüstet worden war. Dieser eckige, sehr konservativ aussehende Wagen war so zu einer raffinierten Trickkiste auf Rädern geworden, die immer wie der neue Überraschungen anzubieten hatte. Parker blieb vor der Fahrertür stehen und musterte das Ske lett… Es war am Griff der Tür befestigt worden, etwa zwanzig Zentimeter lang und sah nicht gerade einladend aus. Es handelte sich um einen sogenannten Scherzartikel aus Kunststoff, wie er immer wieder von Spezialfirmen angeboten wird. Das Skelett war eine getreue Nachbildung und durchaus geeignet, einen Gruselef fekt auszulösen. Mit der Spitze seines Universal-Regenschirms hakte Parker das Skelett vom Türgriff und legte es auf den Asphalt des Parkplatzes. Sein Verdacht hatte sich bestätigt. Er stand bereits unter Beo 12
bachtung. Und dies hier war eine mehr als deutliche Warnung. Belauerte man ihn? Befand sich irgendwo in der Dunkelheit ein Gegner, der nur darauf wartete, noch mal und diesmal besser schießen zu können? Glaubte dieser Gegner, der ermordete An thony Banbury habe noch Zeit gefunden, Mylady und ihn näher zu informieren? Wollte dieser Mörder mit einem gezielten Schuß alle Nachforschungen im Keim ersticken? Parkers inneres Alarmsystem meldete sich, ein sicheres Zeichen dafür, daß akute Gefahr bestand. Der Butler verfügte über einen sehr fein ausgeprägten Sinn für solche Zustände. Um Gefahren aus dem Weg zu gehen, benutzte er einen seiner vielen PatentKugelschreiber, die sich in den Taschen seiner Weste befanden. Unauffällig langte er nach solch einem regulär aussehenden Schreibgerät, verdrehte die beiden Hälften gegeneinander und warf den Kugelschreiber unauffällig zu Boden. Nach einer Sekunde schoß förmlich eine Nebelsäule empor, die sich schnell ausbreitete und den Butler verschluckte. Parker nutz te die Tarnwolke, um seinen Standort schnell zu verändern, und trat näher an seinen Wagen heran. Fast im gleichen Moment hörte er das >Plopp< eines schallge dämpften Schusses. Das Geschoß pfiff nahe an ihm vorüber und schlug in die Scheibe eines anderen abgestellten Wagens. Josuah Parker fischte mit der Spitze des Regenschirms das kleine Skelett vom Boden und beförderte es in den Fond seines Wagens. Dann setzte er sich ans Steuer seines Monstrums und beeilte sich, die Gefahrenzone zu verlassen. Er war an weiteren Schüssen nicht interessiert und verzichtete auch darauf, nach dem Schützen zu suchen. In der Dunkelheit wäre dies doch nur sinnlose Zeitver schwendung gewesen. Es gab einfach zu viele Verstecke. Er hoffte auf eine Verfolgung, minderte die Fahrt und gab et waigen Beschattern die Möglichkeit, zu ihm aufzuschließen. Hier in seinem Wagen brauchte er weitere Schüsse nicht zu fürchten. Das Glas war schußsicher, der Wagen zudem noch leicht gepan zert. Nach wenigen Minuten spürte Parker eine Müdigkeit in sich auf steigen, die ihm unerklärlich war. Er war ein Mensch, der norma lerweise nur wenig Schlaf brauchte und immer erst sehr spät zu Bett ging. Es war aber gerade 22.00 Uhr, also noch viel zu früh, um ein Schlafbedürfnis aufkommen zu lassen. Weitere Augenblicke später ertappte sich der Butler dabei, daß 13
sich seine Augenlider für einen Moment schlossen. Er gähnte an haltend, litt unter Sehstörungen und hatte das Gefühl, in Schlan genlinien zu fahren. Plötzlich wuchs vor ihm eine Ziegelwand auf, hoch wie ein Ge birge… * »Wenn man diese Männer wirklich mal braucht, sind sie natür lich nicht da«, grollte die Lady, »wir werden selbstverständlich nicht warten, Kindchen.« Die junge Frau, die sie gerade angesprochen hatte, war Kathy Porter, ihre Sekretärin und Gesellschafterin, die von Agatha Simpson fast wie eine eigene Tochter behandelt wurde. Kathy Porter, groß, schlank, um die fünfundzwanzig, lebte schon seit Jahren mit Parkers Herrin zusammen und wurde von ihr in jüngs ter Zeit recht nachdrücklich immer wieder in die Anwaltskanzlei Mike Randers geschickt. Lady Agatha träumte davon, daß die »Kinder«, nämlich Kathy Porter und Mike Rander, eines Tages ein Paar werden würden. »Mr. Rander müßte in etwa einer halben Stunde wieder zurück sein«, meinte Kathy Porter. »Was kann in einer halben Stunde alles passieren, Kathy?!« Sie schüttelte energisch den Kopf. »Man braucht mich, also werde ich zur Stelle sein. Wir nehmen meinen Rover.« Kathy Porter verzichtete auf jeden weiteren Einspruch. Sie wuß te nur zu gut, daß die Dynamik einer Agatha Simpson nie zu stoppen war. Wenn sie sich mal etwas in den Kopf gesetzt hatte, führte sie es auch aus. Ihre Absicht, mit dem Landrover in die nächtliche Stadt zu fah ren, hing mit einem Telefonanruf zusammen, den sie erst vor wenigen Augenblicken entgegengenommen hatte. Ein gewisser Derek Charing aus dem Stadtteil Mayfair fühlte sich bedroht und traute sich nicht aus seiner Wohnung. Lady Agatha kannte Mr. Derek Charing, der als Schiffsmakler arbeitete und nicht unbegütert war. Sie hatte ihm versprochen, umgehend zu erscheinen, allerdings in ihrem wilden Eifer nicht nach der Art der Bedrohung gefragt. Kathy Porter dachte an die Fahrt, die auf sie zukam. Wegen ei 14
ner leichten Gänsehaut hätte sie am liebsten ein Unwohlsein vor getäuscht, um zu Hause bleiben zu können. Der Fahrstil der e nergischen älteren Dame war ihr nur zu bekannt. Ein sogenannter »Hell-Driver«, hätte bei Lady Agatha noch durchaus in die Lehre gehen können. Die beiden Frauen gingen in die Garage, die sich an der Rück front des alten Fachwerkhauses befand. Kathy Porter hinterließ auf dem Tonbandgerät schnell noch eine Nachricht für Mike Rander- und Josuah Parker. Lady Agatha nahm am Steuer Platz und ließ munter den Motor laufen. Sie liebte diesen Geländewagen, dessen Stoßstangen ga rantierten, daß sie sich ungeniert durch den Verkehr der Millio nenstadt drücken konnte. Kathy Porter setzte sich auf den Beifah rersitz und schnallte sich an. Sie wußte schließlich, daß eine mehr als rasante Fahrt auf sie wartete. Durch das geöffnete Wagen fenster setzte sie durch Knopfdruck den Öffnungsmechanismus der Garage in Betrieb. Das Tor hatte sich noch nicht ganz geöff net, als die passionierte Detektivin den Landrover zurückstieß. Das Wagendach war um gerade anderthalb Zentimeter von der unteren Kante des Garagentors entfernt, als der Wagen in die schmale Gasse zurückstieß, die hinter dem Fachwerkhaus ange legt war. Diese Gasse war in beiden Richtungen noch mal durch schwere Tore gesichert. Sie konnte man mittels Funksteuerung aufschwenken lassen. »Wer ist Derek Charing, Mylady?« fragte Kathy, um ihre Chefin ein wenig abzulenken. »Ein liebenswürdiger Trottel«, lautete die ruppige Antwort der Lady, »ein eingeschworener Junggeselle, der an mir leidet.« »Wie darf ich das verstehen, Mylady?« Kathy stemmte sich kräftig mit den Füßen ab, denn die Detektivin nahm gerade die erste Kurve und schien es darauf angelegt zu haben, den Wagen auf zwei Außenrädern zu stellen. »Er hatte sich vor Jahren mal in mich verliebt«, redete Lady A gatha weiter und wechselte bereits die Fahrbahn. Sie besorgte das ohne jede Vorankündigung über drei Spuren hinweg nach rechts. Dadurch löste sie ein wütendes Hupkonzert aus, das sie jedoch völlig überhörte. Sie reagierte auch nicht auf diverse Not bremsungen, die hinter ihr vorgenommen werden mußten. »Mr. Derek Charing entsprach nicht Ihren Vorstellungen, Myla dy?« wollte Kathy wissen. 15
»Er war mir zu schüchtern«, meinte sie abfällig, »und dann sei ne Manieren, Kindchen! Nicht zu glauben! Er geht am liebsten den ganzen Tag in einem Smoking. Scheußlich…« »Der Polizist sperrt die Straße, Mylady«, deutete Kathy Porter hastig an und zeigte auf einen uniformierten Beamten, der ein Verkehrsgewühl auf einer Kreuzung entwirren wollte. »Ich sehe nichts«, erwiderte die Detektivin, »und selbst wenn! Hier handelt es sich um einen Notfall.« Sie hielt direkt auf den Verkehrspolizisten zu, der den leicht zerbeulten Landrover entgeistert anstarrte und dann blitzschnell zur Seite sprang. Agatha Simpson kurvte donnernd um einige Wagen herum, gab Vollgas und setzte ihre Alarmfahrt fort. »Man wird Sie mit Sicherheit aufschreiben, Mylady«, warnte Ka thy Porter mit gepreßter Stimme, denn die ältere Dame schien sich, was die Stoßstange ihres Wagens betraf, für die Breitseite eines Rolls-Royce zu interessieren. »Achtung, Mylady«, keuchte Kathy Porter. Sie schloß sicher heitshalber die Augen. »Nur keine Sorge, Kindchen«, munterte Agatha Simpson ihre Beifahrerin auf, »sehen Sie! Ein Rolls-Royce hat eben doch gute Bremsen. Beste britische Wertarbeit.« Ungläubig blinzelte Kathy. Der elegante Rolls-Royce war zu einer Vollbremsung veranlaßt worden, doch er schlingerte leicht und wurde aus der Bahn getra gen. Er blieb knapp vor einem Laternenmast stehen. Der Fahrer sprang nach draußen und schickte dem Landrover unfeine Flüche nach. »Das Autofahren, mein Kind, ist eine Frage der Psychologie«, erklärte die ältere Dame und suchte nach einem neuen Ziel, »man muß Nerven haben und auf die Passivität der anderen set zen.« »Ich… Ich werde es mir merken«, behauptete Kathy Porter und unterdrückte einen Aufschrei. Lady Agatha visierte einen Lastwa gen an, der Stückgut geladen hatte. Dieser Wagen hatte eindeu tig die Vorfahrt, was die Dame am Steuer allerdings souverän übersah. »Diese Lümmel«, meinte sie aufgebracht, nachdem der Lastwa genfahrer eine Notbremsung vollführt hatte, »sie kennen noch nicht mal die Grundregeln des Straßenverkehrs. Man sollte sie alle zum zweiten Mal in die Fahrschule schicken.« 16
»Mylady, ein Streifenwagen hinter uns«, meldete Kathy Porter erleichtert. »Wie schön«, fand die Detektivin, »genau das habe ich selbst verständlich beabsichtigt, Kindchen. Mr. Charing braucht vielleicht zusätzlichen Polizeischutz.« Kathy Porter seufzte leise, schloß ergeben die Augen und ent spannte sich. Was auch passieren mochte, die Lady fand immer wieder eine passende Ausrede. * Die beiden Polizeibeamten aus dem Streifenwagen musterten scheu und durchaus beeindruckt das Skelett und wußten eindeu tig, wie sie sich verhalten sollten. Dieses echte Skelett saß in ei ner Pose, die man nur als neckisch bezeichnen konnte, in einem Sessel, der seinerseits auf einem Treppenabsatz neben einem riesigen Spiegel stand. Zwischen den Zähnen des Skeletts war eine dicke Zigarre zu sehen, die noch brannte. Die Rauchkringel waren deutlich wahrzunehmen. »Worauf warten Sie eigentlich noch?« Mylady deutete auf die geschlossene Wohnungstür. »Wollen Sie die Tür nicht endlich ein schlagen?« »Mylady, wir haben kein Recht…« Der erste Polizist duckte sich, als er den scharfen Blick dieser Dame empfing. »Mr. Charing ist wahrscheinlich nicht in der Lage, selbst zu öff nen«, schaltete sich Kathy Porter ein. »Ich denke, hier liegt ein Notfall vor.« »Dann werde ich die Tür eben öffnen«, versprach Agatha Simp son grimmig und nahm einen Anlauf. »Es geht hier um Leben und Tod!« Sie brachte ihre ausgeprägte Fälligkeit in Bewegung und lief dann auf das Türblatt zu. Als sie es fast erreicht hatte, wurde die bewußte Tür von innen spaltbreit geöffnet. Mylady war nicht in der Lage, ihren Schwung abzubremsen. Sie donnerte gegen die Tür und sperrte sie nachdrücklich und weit auf. Dabei überrannte sie einen mittelgroßen, etwas dicklichen Mann, der einen Bademantel trug. Er schrie entsetzt auf, als Lady Agatha sich auf ihn legte, ihn zu Boden riß und förmlich unter sich begrub! 17
»Lassen Sie das, Charing«, grollte die Lady wenig später, »Sie wissen genau, daß ich mir nichts aus Ihnen mache.« »Mylady«, stammelte Charing irritiert, »ich habe doch gar nichts getan. Ich versichere Ihnen, daß ich…« »Papperlapapp, Charing«, fuhr sie ihn an, »Sie benehmen sich geradezu lüstern. Ich wundere mich doch sehr.« Die resolute Dame ließ sich von den beiden stämmigen Polizis ten auf die Beine helfen. Derek Charing wischte sich den Schweiß von der Stirn und versuchte der älteren Dame noch mal klarzu machen, daß er keineswegs vorhabe, die Situation zu mißbrau chen. »Noch schlimmer«, raunzte sie prompt. »Sie hätten mir wenigs tens zeigen können, daß ich Ihnen nicht ganz gleichgültig bin.« »Sie fühlen sich bedroht und haben um Hilfe gebeten?« schalte te sich einer der beiden Polizeibeamten leichtsinnigerweise ein. Er wollte dienstlich werden. »Halten Sie sich gefälligst aus meinem Fall heraus, junger Mann«, bekam er umgehend von Lady Agatha zu hören, »das Verhör führe ich hier. Sperren Sie Ihre Ohren auf und lernen Sie, wie man so etwas macht!« »Jawohl, Mylady«, antwortete der Streifenbeamte und nahm so fort Haltung an. »Wer hat Sie bedroht, Derek?« erkundigte sich die ältere Dame bei dem Wohnungsinhaber. »Und reißen Sie sich gefälligst zu sammen! Das Skelett dort ist völlig harmlos…« »Aber… Aber die rauchende Zigarre«, meinte der Schiffsmakler und warf einen scheuen Blick auf das Gerippe im Sessel. »Warum soll ein Skelett nicht rauchen?« fragte die Lady spitz findig. »Die Welt ist eben voller Überraschungen, Charing. Kom men Sie aber endlich zur Sache! Was ist passiert? Und alles schön der Reihe nach… Kathy, machen Sie sich bitte Notizen.« »Ich bin angerufen worden«, berichtete Derek Charing und führte die beiden Frauen und einen der Streifenbeamten in den großen, teuer eingerichteten Wohnraum. Dort ließ er sich er schöpft in einen Ledersessel nieder und griff nach einem Whisky glas. »Sie sollen sich nicht betrinken, Sie sollen endlich berichten«, raunzte Agatha Simpson, »und wenn Sie schon trinken, dann bie ten Sie mir gefälligst auch etwas an. Sie haben es mit einer Frau zu tun, deren Kreislauf nicht ganz stabil ist.« 18
Die Streifenbeamten tauschten trotz einiger Entfernung einen erstaunten Blick, Kathy Porter sah zur Seite und amüsierte sich wieder mal. Derek Charing hingegen beeilte sich, Mylady einen Whisky zu reichen. »Sehr schön«, meinte sie, nachdem sie einen Schluck getan hatte, der einen Fuhrknecht in Staunen versetzt hätte, »und nun zur Sache… Sie wurden also angerufen.« »Eine unheimlich hohle Stimme stellte sich als das Skelett vor«, erzählte Derek Charing und schüttelte sich ungeniert, »und diese Stimme schlug mir vor, ein Säurebad zu nehmen.« »Sehr albern«, fand Agatha Simpson, »wozu sollte das gut sein?« »Damit auch ich ein Skelett würde«, redete Derek Charing wei ter, »das Skelett am Telefon sagte, es suche Gesellschaft.« »Und was passierte dann, Charing?« »Es klingelte kurz danach an der Wohnungstür«, berichtete der Schiffsmakler weiter, »eigentlich unmittelbar nach dem Anruf. Ich öffnete die Tür und sah das Skelett im Sessel, dort neben dem Spiegel.« »Demnach haben wir es mit zwei Tätern zu tun«, schloß Lady Agatha messerscharf und bedachte den Streifenbeamten, der neben ihr stand, mit einem aggressiven Blick, »ich hoffe, Sie wa gen es nicht, mir zu widersprechen.« Der Beamte fand gar keine Zeit, das Gegenteil zu erklären, denn das Telefon meldete sich. »Das wird das Skelett sein«, meinte die Detektivin wie selbst verständlich und hob den Hörer des Telefonapparates. Sie melde te sich mit ihrem Namen, hörte einen Moment zu und lachte dann spöttisch. »Sie wollen Mr. Parker abgefangen haben?« fragte sie. »Kom men Sie mir nicht mit Ammenmärchen! Einen Butler Parker fängt man nicht ab und verwandelt ihn schon gar nicht in ein Skelett… Verschonen Sie mich gefälligst mit Ihren albernen Spaßen!« * Parker war beeindruckt. Er gestand sich, seinen Gegner unterschätzt und ferner einen gravierenden Fehler begangen zu haben. Er hatte das relativ 19
harmlos aussehende Kleinst-Skelett leichtfertig und gedankenlos in den Fond seines hochbeiniges Monstrums geworfen und ver gessen, die Trennscheibe zwischen vorn und hinten zu schließen. Genau dieses Versäumnis war ihm zum Verhängnis geworden. In der Wärme des Wagens mußte das Skelett gewisse chemische Reaktionen eingegangen sein, und die Dämpfe dieser Reaktion hatten ihn schnell außer Gefecht gesetzt. Parker war inzwischen wieder zu sich gekommen und befand sich in einer recht ungewöhnlichen Situation, wie er sie bisher noch nie erlebt hatte. Sein Wagen stand auf einem Tieflader, wie er zum Verbringen von neuen Autos oder Autowracks benutzt wurde. Dieser Tieflader parkte in einer kleinen Fabrikhalle, deren Inventar bis auf einige Zementsockel für Maschinen entfernt wor den war. Um diesen Wagen herum befanden sich einige Schein werfer, die seinen Wagen und damit auch ihn anstrahlten. Warum man ihn nicht aus dem Wagen geholt hatte, zeigte ein Blick auf das mehr als reichhaltig ausgestattete Armaturenbrett. Bevor er ohnmächtig geworden war, bevor er seinen Wagen ge rade noch zum Stehen bringen konnte, war es ihm gelungen, die zentrale Verriegelung zu betätigen. Man war bisher einfach nicht an ihn herangekommen und hatte wohl schnell herausgefunden, wie sicher und gepanzert dieses Gefährt war. Nun wartete man darauf, sich endlich mit ihm auseinandersetzen zu können. Parker kontrollierte erst mal den korrekten Sitz seiner schwar zen Melone und des schwarzen Binders. Er wischte sich einige unsichtbare Stäubchen von den Aufschlägen seines ebenfalls schwarzen Zweireihers und hielt dann Ausschau nach den Men schen, die ihn im wahrsten Sinn des Wortes abgeschleppt hatten. Seine Bewegungen waren eindeutig registriert worden. Parker entdeckte die Umrisse einer Gestalt neben einem der vier Scheinwerfer. Er lüftete also durchaus höflich seine Melone und schaltete die Wechselsprechanlage seines Wagens ein. Auf diese Weise konnte er sich ohne weiteres verständigen. »Ich möchte nicht versäumen, Ihnen mein Kompliment auszu sprechen«, sagte er in seiner gemessen höflichen Art, »Sie haben mich auf eine phantasievolle Art in Ihre Gewalt gebracht.« »Ach, wir können uns unterhalten?« wunderte sich eine undeut liche, absichtlich verzerrte Stimme. »Sehr schön, das spart Zeit, Mr. Parker.« »Man wird meiner Wenigkeit wohl kaum sagen, mit wem ich die 20
Ehre habe?« »Sie haben es mit dem Skelett zu tun«, lautete die umgehende Antwort, »Sie können sich darunter ja inzwischen was vorstellen, nicht wahr?« »Sie dürften der Mörder des bedauernswerten Mr. Anthony Banbury sein, wenn ich nicht sehr irre?« »Banbury war ein Dummkopf und hat seinen Tod selbst ver schuldet«, erwiderte die Stimme, »er nahm meine Warnungen und Ankündigungen auf die leichte Schulter.« »Wozu Sie meiner Wenigkeit nicht raten?« »Ich hoffe, daß Sie vernünftig sind, Parker.« »Demnach erwarten Sie von meiner Wenigkeit gewisse Reaktio nen?« »Steigen Sie erst mal aus Ihrem Panzerwagen«, verlangte die Stimme. Der Besitzer der Stimme blieb nach wie vor hinter dem gleißenden Scheinwerfer verborgen. »Wenn Sie erlauben, möchte ich diesen Zeitpunkt noch ein we nig hinausschieben«, erwiderte der Butler, »könnten Sie sich dazu aufraffen, mir zu erklären, welche Pläne Sie hegen, was meine Person betrifft?« »Ich möchte Sie für eine gewisse Zeit separieren«, hörte Josuah Parker, »Sie verstehen? Ich möchte Sie verschwinden lassen.« »In einem Säurebad, wie ich unterstellen möchte.« »Natürlich nicht, Parker. Warum sollte ich Sie umbringen? Nein, nein, Sie werden für eine Woche oder so untertauchen. Ich kann Ihnen eine hübsche Unterkunft anbieten.« »Während dieser Zeit gedenken Sie, als Skelett ausgesuchte Personen um erhebliche Geldbeträge zu erleichtern?« »So ist es«, kam prompt die Antwort, der ein leises Auflachen folgte. »Ich denke, meine Klienten werden alle durch die Bank sehr schnell zahlen und sich hüten, die Polizei zu informieren.« »Ihnen dürfte sicher bekannt sein, daß eine Lady Simpson nach meiner Wenigkeit suchen wird.« »Und ein Anwalt namens Rander… Und eine junge Dame na mens Kathy Porter«, zählte die undeutliche Stimme weiter auf. »Ich bin bestens informiert, Mr. Parker.« »Und was soll aus diesen Personen werden?« »Sie, Parker, werden die drei Leute auffordern, zu Ihnen in die Unterkunft zu kommen. Wie gesagt, in etwa einer Woche sind Sie dann alle wieder frei.« 21
»Man wird sich nur auf diese an sich vage Zusage verlassen können, wenn ich nicht sehr irre?« »Sie haben überhaupt keine andere Wahl, Parker, wenn Sie ü berleben wollen.« »Sie haben sicher Maßnahmen für den Fall einer Weigerung ein geplant?« »Darauf können Sie sich verlassen, Parker. Sie wissen doch, daß ich selbst Ihren Wagen knacken kann. Das ist nur eine Frage der Methode.« »Das Sie es bisher nicht getan haben, müssen Gründe vorlie gen.« »Ich will Ihnen eben eine Chance geben, Parker, das ist alles.« »Wenn Sie erlauben, möchte ich über Ihr Angebot ein wenig nachdenken.« »Sie haben die berühmten drei Minuten Zeit«, lautete die Ant wort, »falls Sie dann nicht angenommen haben, werde ich Ihren Karren aufschweißen oder hochsprengen lassen. Sie haben über haupt keine Wahl, aber gut, diese drei Minuten sollen Sie haben… Ich bin ja kein Unmensch!« * »Wagen Sie es nicht noch mal, so einfach aufzulegen«, sagte die Stimme, nachdem Agatha Simpson nach nochmaligem Läuten abgehoben hatte. »Wie reden Sie denn mit einer Dame, Sie Lümmel?« grollte die Lady. »Sagen Sie endlich, was Sie wollen!« »Sie werden mit Ihrer Sekretärin sofort losfahren, haben Sie verstanden? Sie werden sofort zur Garage Ihres Hauses zurück fahren und dort aussteigen. Alles Weitere folgt dann. Ende!« »Das ist doch die Höhe!« empörte sich Agatha Simpson, als ein Klicken in der Leitung zu hören war, »man besitzt die Frechheit, mir Befehle zu erteilen.« »Um was handelt es sich denn, Mylady«, erkundigte sich Kathy Porter leise, aber sehr eindringlich. Die Lady lieferte ihr einige Stichworte, die der Streifenbeamte nicht registrieren konnte. Er kümmerte sich gerade um Derek Charing, der wieder unter Angstzuständen litt. »Das ist alles natürlich nur eine Finte, Kindchen«, meinte die äl 22
tere Dame abschließend, »natürlich hat man Mr. Parker nicht ab gefangen. Das ist ausgeschlossen.« »Ich rufe in Shepherd’s Market an«, schlug Kathy Porter vor. Sie wartete die Zustimmung nicht ab. Kathy Porter war in ehrli cher Sorge, wählte die Nummer und hörte bald darauf Mike Ran ders Stimme. »Ich habe das Tonband abgehört«, sagte er, »ich wollte gerade auch anrufen. Was ist passiert, Kathy?« »Sie sollten vielleicht hierherkommen zu Mr. Derek Charing«, entgegnete sie, »es ist wieder ein Skelett zu besichtigen, Mike. Und Mr. Parker scheint in Schwierigkeiten zu stecken…« »Er ist tatsächlich nicht hier und hat auch keine Durchsage ein gespeichert. Ich mache mich sofort auf den Weg.« »Passen Sie auf sich auf, Mike! Es könnte sein, daß man Sie vor dem Haus abfangen will.« »Dann werde ich eben einen Schleichweg benutzen, Kathy. Noch etwas: Bremsen Sie unbedingt die Lady! Sie darf nichts auf eigene Faust unternehmen.« »Wie soll ich einen Räumpanzer stoppen?« fragte sie. »Aber gut, ich werde mich bemühen.« Kathy Porter legte auf und ging hinüber zu ihrer Chefin, die sich um Derek Charing kümmerte und ihm einen Whisky einflößte. Dann wollte sie ziemlich barsch wissen, um welche Summe das sogenannte Skelett ihn zu erleichtern beabsichtigte. »Da ist überhaupt nichts von gesagt worden«, antwortete der Schiffsmakler, »mein Wort darauf, nichts wurde verlangt.« »Dann wird das noch kommen«, freute sich die ältere Dame, »natürlich sind all diese Mätzchen nur die Vorbereitung für eine handfeste Erpressung. Ich kenne mich in diesen Methoden schließlich aus.« »Wir aber auch, Mylady«, war in diesem Augenblick von der Wohnungstür her die Stimme von Chief-Superintendent McWar den zu vernehmen. Der Leiter eines Sonderdezernats im Yard war ein untersetzter, kompakter Mann, etwa fünfundfünfzig Jahre alt. McWarden, mit dem »Quartett«, aus Shepherd’s Market sehr gut bekannt, erinnerte stets an eine leicht bis mittelschwer gereizte Dogge. Seine leichten Basedowaugen unterstrichen diesen Ein druck noch. »Erstaunlich, daß Sie auch schon hier sind, McWarden«, stichel te Lady Agatha sofort, »das grenzt schon an ein Wunder.« 23
»Ich bin eben erst per Funktelefon verständigt worden«, ant wortete McWarden und ärgerte sich eine Sekunde später darüber, daß er auf diese Stichelei überhaupt reagierte. Er wechselte das Thema. »Mr. Parker nicht hier?« »Er ist unterwegs«, gab Agatha Simpson ausweichend zurück, »und ich werde ebenfalls losfahren.« »Sie sind doch nicht zufällig hier«, meinte McWarden und deu tete auf das Skelett draußen im Treppenhaus. Der zweite Strei fenbeamte hatte sich gehütet, die Zigarre zu entfernen. Sie pro duzierte nach wie vor kleine Rauchkringel, was ein wenig surrea listisch aussah. »Irgendwelche Flegel haben diesem armen Teufel einen Streich gespielt, wie Sie sehen können«, antwortete die Detektivin, »für mich ist der Fall damit erledigt.« »Ist Erpressung im Spiel, Mylady?« fragte McWarden. »Sie wis sen doch, wie wichtig mir Ihr Urteil ist.« Er hatte ihren Nerv voll getroffen. Sie lächelte plötzlich fast ein nehmend und nickte zustimmend. »Er will’s nur nicht zugeben«, sagte sie, »selbstverständlich will man ihn erpressen, nachdem man ihn in Angst und Schrecken gejagt hat, McWarden. Aber ich werde diesen Fall lösen!« »Was wäre ich ohne Sie, Mylady«, schmeichelte McWarden, »Mr. Parker ist in dieser Sache bereits unterwegs?« »So könnte man sagen«, urteilte sie, »hoffentlich wissen Sie in zwischen, woher die scheußlichen Skelette stammen. So schreck lich schwer kann das doch nicht sein.« »Wir verfolgen bereits gewisse Spuren«, behauptete der ChiefSuperintendent, »sobald ich mehr weiß, werde ich Sie sofort in formieren. So, jetzt muß ich mich erst mal um diesen armen Teu fel kümmern. Hat er sich einen Schwips angetrunken?« »Junge Männer können doch heutzutage nichts mehr vertra gen«, lautete ihre verächtliche Antwort, »drei fast kleine Whisky habe ich ihm eingeträufelt. Sehen Sie sich an, wie das bereits wirkt…« Derek Charing saß im Sessel und machte inzwischen einen mehr als abwesenden Eindruck. Erfreulicherweise aber spielte ein versonnenes Lächeln auf seinen Lippen. Angst schien er im Au genblick nicht mehr zu haben.
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*
»Nein, nein, ich bin nicht attackiert worden«, sagte Mike Rander, der vor dem Haus auf Lady Simpson und Kathy Porter traf, »aber ich habe mich auch auf leisen Sohlen davongestohlen und ein Taxi benutzt.« »Das Skelett erwartet uns in Shepherd’s Market«, warf Myladys Sekretärin ein und berichtete knapp, was am Telefon verlangt worden war. »Dieses Skelett scheint einen Trumpf in der Hand zu haben«, vermutete der junge Anwalt. »Sie glauben, mein Junge, man könnte Mr. Parker entführt ha ben?« Inzwischen sorgte sie sich. »Auch unser Parker ist schließlich kein Übermensch«, antworte te Mike Rander nachdenklich, »verdammt, was soll man tun? Die Falle in Shepherd’s Market annehmen und dann den Spieß um drehen?« »Natürlich, mein Junge«, pflichtete die ältere Dame ihm sofort bei, »genau das ist mein Plan.« »Parker wollte sich doch mit Pickett treffen, wie?« »Und zwar in Soho«, bestätigte Kathy Porter und nickte. »Mr. Pickett hält sich dort gern in einem italienischen Restaurant auf. Ich glaube, ich könnte es finden, Mike.« »Sollte man nicht versuchen, die Gelegenheit zu nutzen, Myla dy?« tippte Mike Rander an. »Schnickschnack«, sagte sie, »ich bin für diese Falle. Ich werde mir wenigstens einen dieser Lümmel kaufen. Und dann werde ich ihn solange ohrfeigen, bis er mich auf Knien bittet, etwas sagen zu dürfen.« »Wenn man nur wüßte, was richtig ist«, antwortete Mike Rander. »Ich werde nach Soho fahren«, schlug Kathy vor. »Sie, Mike, könnten Mylady ja nach Shepherd’s Market begleiten.« »Zwei Fliegen mit einer Klappe. Genau das ist mein Plan«, er klärte die Detektivin umgehend. »Passen Sie auf sich auf, Kind chen. Ich sage Ihnen aber schon jetzt, daß Sie auf die falsche Karte gesetzt haben.« »Falls ja, Mylady, werde ich sofort zurückkommen.« Kathy Por ter war froh, ein Taxi nehmen zu können. Und sie bedauerte Mike Rander, der von der älteren Dame durch den dichten Verkehr 25
katapultiert wurde. Sie beeilte sich, Mylady weit hinter sich zu lassen und fand an der nächsten Straßenecke ein Taxi, das lang sam über die Fahrbahn schlich. Kathy Porter winkte es ab und ließ sich dann erleichtert in die Polster fallen. Sie nannte das Ziel und dachte an den Butler, den sie sehr schätzte. Hoffentlich war ihm nichts passiert… »Sind Sie sicher, daß wir auf diesem Weg nach Soho kommen?« fragte sie plötzlich und beugte sich vor. »Nur ein kleiner Umweg«, erwiderte der Fahrer, ein älterer Mann, »am Piccadilly gibt’s bestimmt wieder ‘nen Stau. Die Kinos und Theater schließen in ‘ner Viertelstunde.« »Daran hatte ich nicht gedacht.« Kathy ließ sich wieder zurück sinken, behielt den Fahrer aber im Auge. Sie fürchtete plötzlich, bereits in eine Falle getappt zu sein. Gegen einen Verkehrsstau hatten Taxifahrer zumeist nichts einzuwenden, denn das Taxame ter lief ja schließlich weiter und drückte den Fahrpreis hoch. Angst hatte Kathy Porter nicht. Sie mochte zwar wie ein etwas hilfloses und scheues Reh aussehen, wozu ihr kastanienrotes Haar und der exotische Schnitt ihrer Augen beitrugen, tatsächlich war sie aber eine durchtrainierte Sportlerin, erfahren in fast allen Künsten der fernöstlichen Selbstverteidigung. Ihre Handkanten allein waren bereits mehr als gefährliche Waffen. »Mich geht’s ja zwar nichts an«, schickte der Fahrer voraus, »a ber Soho um diese Zeit ist eigentlich nichts für ‘ne junge Lady.« »Ich komme schon zurecht«, gab Kathy zurück und beugte sich wieder vor, »sagen Sie, fällt der Umweg nicht etwas groß aus?« »Nee, bestimmt nicht«, erwiderte der Taxifahrer. »Sie werden sich bestimmt noch wundern.« * »Kommen Sie, steigen Sie aus! Sie haben doch keine andere Chance.« »Ich möchte keineswegs verhehlen, daß eine gewisse Besorgnis meine Wenigkeit erfaßt hat«, antwortete der Butler. »Sie haben Angst vor einem Säurebad, wie?« »Arbeiten Sie mit Salz-, Salpeter-, oder Schwefelsäure?« laute te Parkers überraschende Frage. »Mit Schwefel… Zum Teufel, lassen Sie die Fragen, Parker! 26
Kommen Sie endlich aus dem Wagen, sonst sprenge ich Sie ‘raus!« »Sie dürften aus guten Gründen bisher darauf verzichtet ha ben«, meinte Parker höflich, »wahrscheinlich können Sie sich eine Detonation nicht erlauben.« »Wieso nicht, Parker?« »Es scheint so etwas wie eine unmittelbare und ahnungslose Nachbarschaft zu geben«, vermutete der Butler weiter, »eine Sprengung dürfte demnach die Polizei auf den Plan rufen.« »Sie reimen sich da was zusammen, Mann«, erwiderte die Stimme ärgerlich. »Und ob ich sprengen kann…« »Dann möchte ich Sie nicht unnötig daran hindern.« »Haben Sie’s überhaupt mitbekommen? Ich werde Sie aus dem Schlitten…« »Die drei Minuten sind um«, sagte die undeutliche Stimme. Die Umrisse des Mannes hinter einem der Scheinwerfer waren etwas deutlicher auszumachen, »haben Sie sich entschieden? Sprengen, Parker. Dabei können Sie mit hochgehen.« »Auch Erfahrungen dieser Art könnten für spätere Zeiten recht nützlich sein.« Parker blieb im schützenden Wagen. Ihm war völ lig klar, daß man sofort auf ihn schießen würde, sobald er die schützende Deckung verließ. Die zentrale Verriegelung der Wa gentüren hatten ihn vor einer vorzeitigen Ermordung bewahrt. Die Gangster hatten diesen Tresor auf Rädern einfach nicht kna cken können. »Parker, hören Sie mich?« fragte der Mann hinter dem Schein werfer. »Ich bin ganz das, was man gemeinhin Ohr zu nennen pflegt«, erwiderte der Butler. »Wir können Ihren Wagen auch aufschweißen. Haben Sie mal daran gedacht, Parker?« »Dies alles wird Sie wertvolle Zeit kosten.« »Und wie haben Sie sich die ganze Geschichte vorgestellt?« »Sie könnten die beiden Radplanken abkippen und mir gestat ten, den Wagen vom Tieflader herunterzubringen. Danach werde ich diesen an sich nicht gerade gastlichen Ort verlassen, während Sie die Gelegenheit haben, sich ebenfalls zu entfernen.« »Das könnte Ihnen so passen, Parker. Nein, jetzt ist mein Ge duldsfaden gerissen. Ich werde sie ‘raussprengen.« »Ich beuge mich dem Zwang der Situation.« 27
»Haben Sie mich überhaupt richtig verstanden? Ich werde Ihren Karren mit Dynamit auseinanderfliegen lassen.« »Ich kann Sie kaum daran hindern.« Parkers Stimme klang höf lich wie stets. Angst vor einer Sprengung schien er überhaupt nicht zu haben. Er saß aufrecht, als habe er einen Ladestock ver schluckt, am Steuer und beobachtete den Umriß des Mannes, der plötzlich verschwand. Wenig später erschien dann eine andere Gestalt neben und schließlich vor dem Scheinwerfer. Diese Ges talt trug einen ölverschmierten Arbeitskittel und mühte sich mit einer kleinen Holzkiste ab, die kaum größer war als ein Schuhkar ton. Das Gesicht des Mannes wurde von einer behelfsmäßigen Strumpfmaske verborgen. Der Mann präsentierte dem Butler die Holzkiste und öffnete den Deckel. Josuah Parker nahm zur Kenntnis, daß sich in diesem Behälter einige Dynamitstäbe befanden. »Ich bluffe nicht, Parker«, drohte der Mann. »Vergessen Sie nicht, das Dynamit zu verdämmen«, riet Josuah Parker, »Sie erhöhen damit die Effektivität der geplanten Spren gung.« »Sie müssen wahnsinnig sein, Parker«, wunderte sich der Gangster, »noch einmal: Ich werde Sie aus dem Wagen spren gen!« »Eine Beschädigung des Wagens würde ich als einen unfreundli chen Akt betrachten.« »Mann, haben Sie Sorgen!« Der Maskierte trug die kleine Holz kiste an den Tieflader heran und wollte die Dynamitstäbe auspa cken. Damit geriet der ahnungslose Gangster automatisch in den Wirkungskreis gewisser Einrichtungen, die unter dem Wagenbo den angebracht waren. Gegner und Freunde nannten Parkers hochbeiniges Monstrum nicht grundlos eine Trickkiste auf Rädern. Der Butler wartete, bis der Mann sich mit dem Heck des aufge ladenen Wagens befaßte. Dann trat Parker mit dem rechten Fuß auf einen am Wagenboden versteckt angebrachten Knopf und stellte somit unter Beweis, wie leichtsinnig und gefährlich es war, sich mit ihm anzulegen. Auf den Knopfdruck hin schossen aus versteckt angebrachten Düsen scharf gebündelte Nebelfinger, die sich blitzschnell aus breiteten. Dieser feine Nebel enthielt chemische Beimischungen, die es in sich hatten. Der Maskierte hustete, griff sich an die Kehle und bekam feuch 28
te Augen. Er schnappte nach Luft, setzte sich und interessierte sich nicht weiter für seine Dynamitstäbe. Er vergoß Krokodilsträ nen, schluchzte herzerweichend und hustete inzwischen wie ein Seehund. Er bekam überhaupt nicht mit, daß Josuah Parker die Wagentür geöffnet hatte und ausstieg, denn er war völlig mit sich selbst beschäftigt. * Der Taxifahrer hatte keine Ahnung, in welcher Gefahr er schwebte. Er hielt in Soho an und wandte sich zu Kathy Porter um, die ihm bis zur letzten Minute mißtraute. Sie hatte sich dar auf eingerichtet, ihn mit einem gezielten Handschlag außer Ge fecht zu setzen, falls er sie an einer anderen Seite abgesetzt hät te. »Bin ich nun richtig gefahren oder nicht, Lady?« fragte er lä chelnd. »Ich bedanke mich«, gab sie zurück, »wir haben tatsächlich Zeit gespart.« »Passen Sie auf sich auf, Lady«, redete der Taxifahrer weiter, »hier gibt’s ‘ne Menge mieser Typen.« »Ich komme schon zurecht«, beruhigte sie den Mann, bezahlte den Fahrpreis und gab dem Fahrer darüber hinaus ein beachtli ches Trinkgeld. Sie stieg aus und eilte in das italienische Restau rant, in dem Horace Pickett verkehrte. Als Kathy Porter um eine Straßenecke bog, sah sie sich plötzlich drei jungen Männern gegenüber, die sichtlich angetrunken waren. Sie fühlten sich ungemein stark und waren mehr als erfreut, der jungen, attraktiven Frau zu begegnen. Sie belästigten sie nicht gerade, aber sie bestanden darauf, daß Kathy Porter sich ihnen anschloß und einen Drink mit ihnen nahm. »Nachher«, bat Kathy lächelnd, »im Moment bin ich in Eile.« »Laß deinen Typ sausen«, sagte einer der drei und versperrte ihr den Weg, »wir haben viel mehr zu bieten, wetten?« »Wahrscheinlich«, räumte Kathy ein, die an Streit nicht interes siert war, »aber wie gesagt, ich bin in Eile.« »Die legt sich gleich«, meinte der zweite Angetrunkene. »Wir kennen da ‘ne prima Kellerkneipe, Süße«, fügte der dritte Mann hinzu und wollte sie umarmen, »nun zier dich nicht. Laß 29
deinen Freier in den Wind schießen…« Sie blieben hartnäckig und wurden noch aufdringlicher. Sie hat ten Kathy förmlich eingekesselt und schoben sie nachdrücklich in einen Torweg, um jede Flucht zu verhindern. Kathy Porter verlor die Geduld und verwandelte sich ohne Über gang in eine wilde Pantherkatze. Mit der linken und rechten Handkante verschaffte sie sich Luft. Die beiden Getroffenen ver drehten die Augen, hechelten verzweifelt und legten sich je gegen eine Ziegelwand. Der dritte Mann fuhr zurück, starrte Kathy Por ter an und… hielt dann plötzlich ein Messer in der linken Hand. Er warf es gekonnt in die rechte und dann wieder zurück in die linke Hand. »Nicht mit uns, Süße«, drohte er, »ich werde dir jetzt die Kla motten vom Leib schlitzen.« »Machen Sie keinen Unsinn«, bat Kathy Porter, »warum wollen Sie unbedingt Ärger haben?« »Du kleines Biest«, redete der dritte Mann weiter. Er beobach tete seine beiden Begleiter, doch mit ihnen war nicht zu rechnen. Sie hatten sich inzwischen entschlossen, auf dem Pflaster Platz zu nehmen und massierten sich vorsichtig ihre Halspartien. Der Messerträger fintierte und meinte es ernst. Er wollte Kathy Porter angreifen und zustoßen. Die junge Dame spielte jetzt die Hilflose, die Angst vor dieser Schneidware hatte. Sie fuhr zurück, hob abwehrend die Hände und lenkte damit den Blick des Mannes ab. Der fiel darauf auch prompt herein und bekam nicht mit, daß Kathy Porter ihren linken Fuß hochschnellen ließ. Die Fünfund zwanzigjährige war gelenkig und traf zielgenau den linken Ober schenkel des Messerstechers, der überrascht aufstöhnte und das Gleichgewicht verlor. Bevor er sich neu aufbauen konnte, setzte Kathy ihm ihre linke Handkante auf den Oberarm, worauf das gefährliche Messer klirrend auf dem Pflaster landete. »Tut mir leid«, sagte Kathy, »aber ich bin wirklich in Eile, sonst würde ich mir noch etwas mehr Zeit für Sie nehmen.« Sie winkte den drei völlig aus dem Tritt geratenen Angetrunke nen zu und eilte weiter, in der Hoffnung, den Eigentumsübereig ner Pickett noch zu erwischen, um ihn nach Butler Parker zu fra gen. Als sie das Restaurant betrat, blieb sie wie angewurzelt stehen. An einem Tisch saß Josuah Parker und trank einen Espresso. Er machte nicht nur einen unversehrten Eindruck, sondern bot den 30
Anblick eines Mannes, der sich im Zustand heiterer Entspannung befand. Dies ging daraus hervor, daß der leise Anflug eines Lä chelns seine Lippen umspielte, eine Gefühlsregung, die nur Ein geweihte zu deuten wußten. * »Darf ich Ihnen versichern, Miß Porter, daß Ihr Erscheinen mei ne Wenigkeit erfreut?« fragte der Butler. Er war aufgestanden und schob den Stuhl für Kathy Porter zurecht. Dann nahm er wie der Platz und fragte sie nach ihren Wünschen. »Ich nehme auch einen Espresso, Mr. Parker«, erwiderte sie, »wir haben uns übrigens große Sorgen um sie gemacht. Sie wa ren wie vom Erdboden verschwunden.« »Ich befand mich sogar über dem Erdboden, Miß Porter«, ent gegnete Parker, »wenn Sie erlauben, werde ich mit Einzelheiten dienen.« Parker beschränkte sich auf wenige Hinweise und Stichworte, um seine Schülerin Kathy zu informieren. Sie sah ihn groß an, als er geendet hatte. Dann schüttelte sie den Kopf. »Sie erzählen das in einem Ton, Mr. Parker, als ob es sich um einen harmlosen Ausflug gehandelt habe.« »Nun, man sollte die Dinge nicht unnötig dramatisieren«, fand Parker, »im vorliegenden Fall haben die Gangster gravierende Fehler begangen, wenn ich das so sagen darf.« »Sie haben sich mit Ihnen angelegt, Mr. Parker«, gab Kathy Porter lachend zurück, »so etwas ist immer ein Fehler.« »Sie schmeicheln meiner latent vorhandenen Eitelkeit, Miß Por ter«, erwiderte der Butler. »Der betreffende Herr befindet sich zur Zeit im Kofferraum meines Wagens.« »Ist dieser Mann mit dem Skelett identisch?« »Er wollte diesen Anschein erwecken«, sagte der Butler, »ich möchte jedoch davon ausgehen, daß man es nur mit einem der sicher nur wenigen Handlanger dieser Person zu tun hat. Haben Mylady meine Wenigkeit vermißt?« Kathy Porter berichtete nun ihrerseits, was sich im Hause des Derek Charing zugetragen hatte. Sie erzählte von dem Skelett, das eine Zigarre geraucht hatte und von dem Anruf, der Agatha Simpson und Mike Rander veranlaßt hatte, nach Shepherd’s Mar 31
ket zu fahren. »Demnach möchte man Mylady, Sie, Miß Porter, Mr. Rander und meine Wenigkeit möglichst schnell aus dem Weg räumen«, faßte der Butler zusammen, »man könnte ferner davon ausgehen, daß dieses sogenannte Skelett die Befürchtung hegt, Mr. Anthony könne wichtige Hinweise noch vor seiner Ermordung gegeben haben.« »So sehe ich das auch, Mr. Parker«, erwiderte Kathy Porter, »a ber leider hat Mr. Charing das eben nicht getan. Glauben auch Sie, daß es sich um eine neue Form der Nötigung und Erpressung handelt?« »Vieles deutet darauf, Miß Porter, doch man sollte sich auch mit den bisher betroffenen Personen befassen. Die Opfer verraten oftmals viel über ihre Mörder.« Kathy Porter wollte antworten, doch sie blickte zur Tür hinüber, bemerkte die drei Angetrunkenen und machte den Butler auf die Besucher aufmerksam. »Sie dürften die jungen Männer empfindlich getroffen haben«, urteilte der Butler, »man scheint sich erneut mit Ihnen befassen zu wollen.« Parker vermutete richtig. Die Männer hatten inzwischen ihrerseits die junge Frau erspäht, tuschelten miteinander und näherten sich langsam dem Tisch. Der Restaurantbesitzer hinter dem Tresen und zwei seiner Kellner merkten sofort, daß die Atmosphäre sich auflud. Sie schoben sich vorsichtig heran, um eingreifen zu können. »Da is’ noch was zwischen uns, Süße«, sagte der Mann, den Ka thy Porter mit einem gezielten Fußtritt aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. »Befleißigen Sie sich bitte besserer Manieren«, erklärte der But ler und erhob sich. »Halt die Klappe, Alter«, fuhr der zweite Mann dazwischen und blickte Parker mitleidig verächtlich an. »Zisch ab, sonst stoß ich dich aus dem Anzug«, drohte der drit te und beugte sich zu Kathy Porter hinunter, »noch mal legst du kleines Biest uns nicht rein. Ist das klar?« »Ich bin außerordentlich befremdet«, stellte Parker in seiner höflichen Art fest, »ich habe das untrügliche Gefühl, daß Sie um jeden Preis provozieren wollen.« »Gib ihm was auf den Schnorchel«, sagte der dritte zum ersten 32
Mann, »er soll seine Klappe halten und sich verziehen. Und du kleines Biest, du wirst jetzt ganz schön mitkommen. Wir haben einiges miteinander zu reden.« »Wenn Sie erlauben, Miß Porter, möchte ich den Herren eine Kurzlektion in Sachen Höflichkeit erteilen«, bat Parker die Gesell schafterin der Lady Simpson. Er hatte seinen UniversalRegenschirm bereits in der rechten Hand und begann mit seiner Nachhilfestunde. * »Ist Ihnen nicht gut, mein Junge?« erkundigte sich die ältere Dame, als man Shepherd’s Market erreicht hatte, jenes idyllische Fleckchen Erde zwischen Green Park und Hyde Park. »Ich… Ich bin völlig in Ordnung«, schwindelte der Anwalt und lockerte seine mehr als nur angespannten Muskeln. Er hatte eine wahre Höllenfahrt hinter sich. »Ich konnte leider nicht schneller fahren«, meinte Agatha Simp son bedauernd, »Sie wissen ja, wie genau ich es mit den Ver kehrsregeln nehme.« »Tatsächlich, Mylady?« Rander dachte mit Grauen an die hals brecherischen Überholvorgänge, die ihm vorexerziert worden wa ren. »Wenn jeder so fahren würde wie ich, Mike, dann gab’ es keine Staus«, behauptete sie munter weiter, »man muß einen Blick für Lücken haben.« »Und Gottvertrauen«, murmelte Mike Rander, um schnell abzu lenken, »gleich wird sich zeigen, welche Falle man für uns aufge baut hat.« Der Landrover der älteren Dame näherte sich dem kleinen Platz, an dem das alte Fachwerkhaus stand, das auf den uralten Gewöl ben einer ehemaligen Abtei errichtet worden war. Bis zur schma len Gasse hinter dem Haus war es nicht mehr weit. Man brauchte nur noch durch eine Art Torbogen zu fahren, um dann nach weni gen Metern eines der beiden Tore zu erreichen. Wenn man die Scheinwerfer eines Wagens in bestimmtem Rhythmus ein- und ausschaltete, öffneten sich die Tore wie von Geisterhand bewegt. »Jetzt könnte es gleich kritisch werden, Mylady«, warnte der Anwalt die energische Fahrerin, »links und rechts vom Torbogen 33
und der Parkmauer könnte man Ihnen auflauern.« »Schnickschnack, mein Junge«, erwiderte sie optimistisch, »ich werde eben ein wenig schneller fahren.« »Geschosse dürften noch schneller sein, Mylady. Was halten Sie davon, wenn ich erst mal die Lage sondiere?« »Unnötige Zeitvergeudung, mein lieber Junge«, erwiderte Lady Agatha, »ich werde Ihnen jetzt zeigen, wie man auch solche Situ ationen meistert. Sie wissen, ich war Pfadfinderin. Da lernt man, aus dem Handgelenk heraus zu improvisieren.« »Inzwischen sind einige Jahre vergangen, Mylady.« Mike Rander fühlte sich äußerst unbehaglich. Seine Sorge galt dem gewohnt ungestümen Tatendrang der Sechzigerin, die keine Gelegenheit verpaßte, um für Aufregung zu sorgen. Sie hatte den Landrover vor der Tordurchfahrt aufgebaut und blinkte mit den Scheinwerfern. »Was ist denn das?« wunderte sie sich dann, »das Tor rührt sich ja überhaupt nicht. Man wird es blockiert haben.« »Vielleicht war der Blinkrhythmus nicht deutlich genug«, um schrieb Mike Rander die Vergeßlichkeit der Lady. »Unsinn, Mike«, grollte sie, »Sie wissen doch, wie ausgeprägt mein musikalisches Verständnis ist.« Sie versuchte es noch mal, doch das Tor rührte sich nicht. »Darf ich, Mylady?« fragte Rander, für den der Wagen wie auf einem Präsentierteller stand und förmlich dazu einlud, beschossen zu werden. »Nun gut«, meinte sie gnädig, »auch Sie werden natürlich nichts ausrichten.« Mike Rander schob die Hand an den Zeichengeber und blinkte das Tor an. Da – wie selbstverständlich – schwang es auf. Agatha Simpson legte krachend den ersten Gang ein. »Das Tor hat geklemmt«, behauptete sie und ließ den Motor aufheulen. »Mr. Parker sollte das bei Gelegenheit in Ordnung bringen.« Einen Irrtum hätte Lady Agatha niemals zugegeben. Mike Rander wußte dies natürlich und hütete sich, darauf zu antworten. Er suchte aber nach einem Halt und wurde fest in seinen Sitz zu rückgedrückt, als die Lady den schweren Landrover vorschießen ließ. Bis auf einige Schrammen an der linken Längsseite des Wagens schaffte sie mit Bravour die Durchfahrt, gab noch mehr Gas und 34
jagte den Wagen dann in die schmale Gasse. Als die Hinterräder des Landrover eine kleine Schwelle passiert hatten, schloß sich das Tor automatisch. »Nun, was sagen Sie jetzt?« fragte sie stolz. »Keine Falle, kein Überfall! Ich muß ehrlich sagen, Mike, ich bin etwas enttäuscht. Ich hatte mir von dieser Fahrt doch wesentlich mehr verspro chen…« »Ich weiß nicht recht«, antwortete der Anwalt und schnüffelte hörbar, »riechen Sie nicht auch die Säure, Mylady?« »Säure?« Die Detektivin schnüffelte ebenfalls und beugte sich dann vor. Ihre Lippen preßten sich aufeinander, als sie sah, was sich auf der Motorhaube tat. Eine starke Säure fraß sich unter Raucheinwirkung in das Autoblech und schuf brandige Stellen, die unheimlich aussahen. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Das Skelett hatte mit Säure gearbeitet, war aber nicht schnell genug gewe sen. »Das hätte ins Auge gehen können«, sagte Mike Rander leise und beeindruckt. »Wenn Sie mich nicht hätten, Mike«, gab die Lady zurück, »ich ahnte das alles voraus und habe dementsprechend gehandelt. Das soll mir erst mal einer nachmachen!« * Die Angetrunkenen amüsierten sich. Sie hatten sich vor Josuah Parker aufgebaut und für einen Mo ment ihr eigentliches Opfer vergessen. Kathy Porter war zurück getreten und beobachtete die Szene. Der Besitzer des Restau rants und die beiden Kellner verhielten sich abwartend. »In was für ‘n Hospital möchtest du denn, Alterchen?« fragte der Wortführer der drei. »Hoffentlich bist du gut versichert«, meinte der zweite Ange trunkene. »Wir kommen bestimmt mal vorbei und bringen Blumen«, ver sprach der dritte Mann. »Ich möchte vorausschicken, meine Herren, daß ich Gewalt an sich ablehne«, versicherte Josuah Parker, »vulgärrohe Gewalt beleidigt meine Wenigkeit geradezu.« »Dann wollen wir mal«, schlug der Wortführer seinen beiden 35
Begleitern vor, »machen wir’s kurz, damit die Süße nicht ab haut.« »Würden Sie die Güte haben, sich mal für die Decke zu interes sieren?« Parker deutete mit dem schwarz behandschuhten Zeige finger seiner linken Hand nach oben, und die Angetrunkenen ka men dieser Einladung unwillkürlich nach. Sie schauten in die an gegebene Richtung und musterten die Decke des Restaurants. »Ich bin sicher, daß Sie nichts entdeckt haben«, meinte Parker, als die Köpfe und Blicke sich wieder senkten. »Nee, nichts zu sehen«, erwiderte der Wortführer leicht irritiert. »Würden Sie Ihre Aufmerksamkeit jetzt auf dieses kleine Spray fläschchen richten?« Parker präsentierte eine Art Naseninhalator und gab durch einen leichten Druck das Treibgas frei. Feiner Ne bel zischte aus der Düse und legte sich auf die Gesichter der Ver blüfften. Es dauerte nur eine Sekunde, bis diese Verblüffung sich in Schnaufen und Japsen verwandelte. Die drei Angetrunkenen wischten sich die Augen, aus denen das Wasser nur so hervor schoß. Sie husteten, sahen alles wie durch einen Schleier und machten einen recht hilflosen Eindruck. »Sie können abräumen«, meinte Parker zu den beiden Kellnern, »die Herren werden mit Sicherheit keinen Widerstand leisten und sich nach frischer Luft direkt sehnen.« Er hatte nicht zuviel versprochen. Die Kellner und der Besitzer des Restaurants nahmen sich der drei weinenden Angetrunkenen an und führten sie auf ziemlich derbe Art nach draußen. Es dauerte noch eine Weile, bis das bel lende Husten auf der Straße verklang. »Woher nehmen Sie nur Ihre Ruhe, Mr. Parker?« wunderte sich Kathy Porter. »Soweit werde ich es nie bringen.« »Eine Frage der inneren Haltung, Miß Porter«, meinte der But ler, »man kann sicher sein, daß die drei jungen Männer nicht ab sichtlich Ihren Weg kreuzten?« »Da bin ich völlig sicher«, gab sie zurück, »es war eine zufällige Begegnung.« »Dann sollte man sich vielleicht auf den Weg nach Shepherd’s Market machen«, schlug Josuah Parker vor, »Mylady bevorzugt um diese Zeit einen Schlummertrunk.« »Woher wußten Sie, daß man Sie hier im Restaurant suchen würde, Mr. Parker?« fragte Kathy, als sie das Lokal verließen. Von 36
den Angetrunkenen war übrigens weit und breit nichts zu sehen. Entweder hatten sie sich bereits nachdrücklich abgesetzt, oder aber sie wurden von den Kellnern des Lokals noch festgehalten. »Meine bescheidene Wenigkeit unterstellte, daß Ihnen bekannt war, in welchem Restaurant Mr. Pickett zu verkehren pflegte«, schickte der Butler voraus, »zwingenderweise war also davon auszugehen, daß man hier nach mir suchen würde, um Spuren aufzunehmen, was meinen Verbleib betraf.« »Aber die Skelettleute haben Sie immerhin bis hierher ins Re staurant verfolgt, Mr. Parker.« »In der Tat, sonst wäre es nicht dazu gekommen, das MiniaturSkelett an meinem Wagen zu befestigen«, bestätigte Parker, »ei ne gewisse Vorsicht sollte man daher walten lassen. Mit weiteren Verfolgungen und Nachstellungen ist also durchaus zu rechnen.« * »Falls meine Sinne mich nicht täuschen, dürfte es sich um eine kleinere Dosis Schwefelsäure gehandelt haben«, urteilte der But ler, nachdem er die Motorhaube des Landrovers untersucht hatte. »Gütiger Himmel, Parker, was hätte dann erst eine größere Do sis anrichten können«, meinte Anwalt Rander, »sehen Sie sich das Blech und den Lack an. Scheußlich!« »Es handelt sich immerhin um eine der stärksten Säuren, Sir«, antwortete Josuah Parker, »das sogenannte Skelett legt es ein deutig darauf an, Myladys Aktivitäten zu stoppen.« »Sehr hübsch ausgedrückt, Parker.« Rander lächelte. »Das so genannte Skelett, wie Sie es nennen, hat genau das Gegenteil erreicht. Lady Simpson ist empört und verlangt Schadensersatz. Wir können uns also auf einiges gefaßt machen. Verlassen Sie sich darauf!« Die beiden Männer gingen ins Haus zurück und fanden die De tektivin in der Bibliothek. Sie war dabei, sich über Säuren an sich zu informieren. Agatha Simpson war umgeben von Büchern und suchte nach den passenden Stichworten. Sie war ungeduldig wie stets und kam natürlich nicht zurecht. »Völlig unübersichtlich«, räsonierte sie, »kein Hinweis darüber zu finden, wie man dieses Zeug transportiert. Ich werde mich bei 37
dem Herausgeber beschweren. Mr. Parker, erinnern Sie mich dar an. Diesen Herrschaften werde ich einen gepfefferten Brief schreiben.« »Sehr wohl, Mylady«, erwiderte der Butler, »ist es erlaubt, My lady mit einem kleinen Hinweis zu dienen?« »Reden Sie schon«, meinte sie grimmig und schob dicke Bücher angewidert von sich. »Zur Aufbewahrung und zum Transport der angesprochenen Säuren, Mylady, pflegt man Steinzeug- und Glasbehälter zu be nutzen«, redete der Butler weiter, »nach Prüfung einiger Glas splitter auf der Gasse hinter dem Haus könnte man davon ausge hen, daß man eine Milchflasche verwendet hat.« »Darüber werde ich mich jetzt mit dem Subjekt unterhalten, das Sie per Zufall erwischten«, erklärte Agatha Simpson grimmig, »und er kann sich bereits jetzt auf einiges gefaßt machen.« Parker hatte seinen Gast bereits aus dem Kofferraum geholt und in einem sogenannten Gästezimmer des Hauses unterge bracht. Dieser Mann, der von Parker in der verlassenen und aus geprägten Fabrikhalle ausgetrickst worden war, befand sich in einem Raum des normalen Souterrains und stand in einer Ecke, als Parker die Tür öffnete. »Mylady wird einige Fragen an Sie richten«, schickte der Butler voraus, »darf ich mir erlauben Ihnen zu empfehlen, möglichst schnell und umfassend zu antworten?« »Ich weiß von nichts«, sagte der Mann hastig. Er hatte eindeu tig Angst. Der Mann, jetzt ohne Kopf- und Gesichtsmaske, hatte ein run des, fleischiges Gesicht. »Mylady wird Ihnen diese Ahnungslosigkeit auf keinen Fall ab nehmen«, redete Josuah Parker weiter, »Mylady weiß, daß Sie meine Wenigkeit in die Luft sprengen wollten.« »Das… Das war doch nur ein Bluff«, verteidigte sich der Mann. »Sie wissen doch inzwischen, daß die Dynamitstäbe nur Attrap pen waren.« »Dafür war die Faustfeuerwaffe allerdings ungemein echt, wenn ich so sagen darf«, erinnerte der Butler und trat zur Seite, als seine Herrin schwungvoll und energisch den fensterlosen, aber recht hübsch eingerichteten Raum betrat. In der linken Hand hielt sie eine Milchflasche, die mit einer hellen, ölig aussehenden Flüs sigkeit halb gefüllt war. Myladys Hände befanden sich in dicken 38
Lederhandschuhen. »Sind Sie sicher, Mr. Parker, daß man Schreie draußen nicht hö ren wird?« Sie sah ihren Butler streng an. »Ich darf versichern, Mylady, daß die Grundmauern ungewöhn lich dick sind«, entgegnete der Butler, »bei der möglichen Ver wendung von Säure sollten Mylady allerdings, wenn ich darauf verweisen darf, auf die Stoffbespannung der Sessel und der Couch achten.« »Moment mal, Säure?« Der Mann, der den Butler in der Fabrik halle belagert hatte, zeigte bereits Wirkung. Auf seiner Stirn bil deten sich dicke Schweißtropfen, einige Muskeln um den Mund vibrierten und zuckten. »Mylady gehen von der Annahme aus, daß Ihnen die Wirkungs weise gewisser Säuren nicht bekannt sein dürfte«, erläuterte Jo suah Parker. »Mylady sind nicht abgeneigt, dieses Wissensdefizit auszugleichen und aufzufüllen.« »Falls Sie nicht umgehend reden, junger Mann«, grollte Agatha Simpson den Gangster an, »ich bin eine sehr ungeduldige Frau! Aber das werden Sie ja bald merken…« Der Mann rutschte in sich zusammen, hob abwehrend die Hände und starrte auf die Milchflasche mit der öligen Flüssigkeit. Er schien zu wissen, um was es sich dabei handelte. * »Sie waren zufällig hier in der Gegend, ich weiß, ich weiß«, spottete Lady Agatha am anderen Morgen und bedachte den Chief-Superintendenten mit einem ironischen Blick. »Wann wer den Sie sich endlich eine neue Ausrede einfallen lassen, McWar den?« »Muß ich das unbedingt, Mylady?« fragte der Yardbeamte und warf einen schnellen Blick auf den reichlich gedeckten Frühstücks tisch. »Ich störe Sie doch nicht beim Frühstück?« »Nennen Sie das etwa Frühstück?« beklagte sich die ältere Da me und deutete auf Rührei mit Speck, auf Bratwürstchen, auf gebackene Nieren und auf eine Käseplatte. »Mr. Parker hat mich wieder mal zu wörtlich genommen und mir eine Diät vorgesetzt, die mich auf Null bringen wird.« »Und zwar in Rekordzeit, Mylady«, spottete McWarden, »ich ha 39
be übrigens schon gefrühstückt, falls es Sie beruhigt.« »Sie bringen hoffentlich brauchbare Neuigkeiten«, fragte Lady Agatha und lenkte vom Frühstückstisch ab. »Wir arbeiten auf Hochtouren«, versicherte McWarden und sah auch den Butler an, der seitlich hinter Myladys Stuhl stand und bereit war, seiner Herrin nahezulegen, »um es gleich vorwegzu nehmen, von einem Gangster, der sich Skelett nennt, ist in der Unterwelt nichts, aber auch gar nichts bekannt.« »Gehen offizielle Kreise davon aus, Sir, daß man es mit einem sogenannten Newcomer zu tun hat?« warf Josuah Parker ein. »Möchte ich annehmen, Mr. Parker«, entgegnete McWarden, »hier scheint ein Außenseiter mit einer völlig neuen Masche zu arbeiten. Okay, Säure-Attentate gab es in der Vergangenheit be reits reichlich, doch die Kopplung mit einem Skelett ist neu und für die Betroffenen besonders schockierend.« »Mylady gehen davon aus, daß Ihr Dezernat bereits Erkundi gungen darüber eingezogen hat, wo man die betreffenden Säuren in größeren Mengen einkaufen kann, Sir.« »Ich hätte es nicht besser ausdrücken können, Mr. Parker«, bemerkte die Detektivin und nickte zustimmend, obwohl sie sich über das Thema bisher noch keine Gedanken gemacht hatte. »Die Sache ist einfach genug«, berichtete McWarden, »man be kommt die Säuren in chemischen Großhandlungen, aber der Kreis der Abnehmer ist dort seit langem bekannt. Es handelt sich um einen Kundenkreis, mit dem die einschlägigen Firmen seit Jahren zusammenarbeiten. Darüber hinaus bekommt man die Säuren natürlich auch direkt von den chemischen Großbetrieben, den eigentlichen Herstellern also. Und hier wird die Geschichte aller dings kritisch.« »Darauf kommen Sie jetzt erst?« stichelte die ältere Dame. »Mr. Parker, wie dachte ich noch darüber?« »Mylady sind der Meinung, daß gerade bei den jeweiligen Her stellern die Möglichkeit besteht, relativ leicht an die Säuren he ranzukommen«, warf der Butler gemessen ein. »So sehen wir es auch«, pflichtete McWarden bei, »Angestellte dieser Großbetriebe könnten relativ leicht ein paar Liter von den jeweiligen Flüssigkeiten abzweigen.« »Mylady gehen davon aus, daß es mehr als nur ein Dutzend sol cher chemischer Fabriken im Großraum London gibt, Sir.« »Das ist eine richtige Annahme.« McWarden nickte Lady Agatha 40
zu. »Es wird mehr als schwer sein, all diese Fabriken zu kontrol lieren und die Angestellten durchzuchecken. Offen gesagt, Myla dy, viel verspreche ich mir von diesen Ermittlungen nicht.« »Und woher stammen die beiden Skelette, McWarden?« grollte Lady Simpson. »Wahrscheinlich kann man sie in jedem Super markt kaufen, wie?« »Fast, Mylady, fast!« McWarden seufzte. »Zur Zeit lasse ich die Anatomien abklappern, dann Fachgeschäfte, die solche Knochen gerüste vertreiben.« »Mylady gehen ferner davon aus, Sir, daß Sie sich mit den Op fern des sogenannten Skeletts befassen«, bemerkte Parker wei ter. »Richtig«, behauptete die Detektivin wie selbstverständlich, »das beschäftigt mich eigentlich sogar Tag und Nacht. Ununter brochen sogar. Zwischen dem Skelett und seinen Opfern muß es schließlich irgendwelche Beziehungen geben.« »Auch daran arbeiten wir, Mylady«, entgegnete der ChiefSuperintendent, »aber wie gesagt, alles braucht seine Zeit. Und zudem wissen wir ja noch nicht mal, wer sonst noch betroffen ist. Es könnte ja sein, daß es Personen gibt, die sich aus Angst noch gar nicht gemeldet haben. Sie sind zufällig, meine ich, nicht auf irgendeine interessante Spur gestoßen?« »Wo denken Sie hin, mein lieber McWarden«, flötete die ältere Dame geradezu, »diesmal werde ich wohl eine Niederlage einste cken müssen, nicht wahr, Mr. Parker?« »Eine gewisse Skepsis, wäre in der Tat angebracht«, antwortete Josuah Parker. Sein Gesicht blieb ausdruckslos und glatt, »man sollte sich keinen unnötigen Hoffnungen hingeben.« * »Das Frühstück«, sagte Parker, nachdem er das Gästezimmer betreten hatte. Er warf einen prüfenden Blick auf den Mann, der apathisch auf der Couch lag und kaum reagierte. »Darf ich mir erlauben, mich nach Ihrem werten Befinden zu erkundigen?« redete Josuah Parker weiter. »Kann man davon ausgehen, daß Sie die Unterhaltung mit Mylady ein wenig er frischt hat?« »Mann«, stöhnte der Gast, »das ist vielleicht ‘ne Frage! Sie wa 41
ren doch dabei, als sie mich mit Säure bespritzen wollte.« »Was Sie dank Ihrer Aussagewilligkeit verhinderten«, meinte der Butler und stellte das Tablett ab, »der Tee wird Sie sicher ein wenig aufmuntern.« »Ich will von der Polizei verhaftet werden«, erwiderte der Mann und erhob sich langsam, »ich brauche Polizeischutz. Kommt die Lady etwa noch mal herunter?« »Davon sollten Sie allerdings ausgehen«, sagte Parker, »Mylady möchte Ihre Aussage noch mal überprüfen.« »Aber ich hab’ doch schon alles gesagt, was ich weiß. Da gibt’s nichts mehr. Ich wiederhol’ noch mal, ich bin von einem Unbe kannten angeheuert worden. Und den Mann kenn’ ich nicht.« »Mylady meint, daß Ihnen die Namen Anthony Banbury und De rek Charing durchaus etwas sagen.« »Ich schwöre, daß ich diese Namen nie gehört habe. Ich weiß nur das, was ich bereits gesagt habe.« »Können Sie es noch mal wiederholen, damit ein weiterer Be such Myladys sich unter Umständen vermeiden läßt?« »Aber ja doch«, entgegnete der Mann und baute sich vor dem kleinen und niedrigen Tisch auf, »ich hatte den Auftrag, dieses kleine Skelett an Ihrer Wagentüre zu befestigen. Man hatte mir gesagt, Sie würden das Ding wahrscheinlich mit in den Wagen nehmen und dann umkippen. Anschließend haben ich und zwei andere Leute, die mit ‘nem Tieflader kamen, Ihren Wagen verla den und in die Fabrikhalle gebracht. Als wir da ankamen, standen bereits die Schweinwerfer da. Und wir sollten Sie ‘rausholen und dann auf ‘nen Anruf warten.« »Dies alles deckt sich erfreulicherweise mit Ihrer ersten Aussa ge«, antwortete der Butler, »vielleicht haben Sie sich inzwischen erinnert, wo man Ihre beiden Mitarbeiter finden kann?« »Nein, nein, keine Ahnung.« Der Mann antwortete etwas zu hastig. »Mylady wird diesen Punkt ganz besonders vertiefen, wenn ich so sagen darf.« »Also gut, ich hab’ vielleicht einen Tip.« Der Mann warf einen hastigen Blick zur Tür. Er fürchtete sicher, Mylady könne erschei nen und zwar mit der Milchflasche und der öligen Flüssigkeit. »Die beiden Männer wohnen in Wandsworth, glaube ich. Die heißen Peter und Hank. Ich glaube, die haben da ‘ne Werkstatt.« »Die Zusammenarbeit mit Ihnen ist als erfreulich zu bezeich 42
nen«, stellte der Butler fest. »Um welche Werkstatt handelt es sich? Und wie ist die genaue Adresse?« »Das sind Klempner, glaube ich.« Der Gast des Hauses nannte anschließend eine Adresse, zumal er vom Korridor her schnelle, energische Schritte hörte, die von einem Räuspern begleitet wur den, das an ferne Gewitterwolken erinnerte. »Seit wann stehen Sie mit diesen beiden Herren in Verbin dung?« forschte der Butler weiter. »Sie sollten auch zu diesem Thema die Wahrheit und nichts als die Wahrheit sagen.« »Wer will mich hier belügen?« raunzte in diesem Moment Lady Agatha von der Tür her. Wie eine majestätische Rachegöttin stand sie dort und maß den kreidebleich gewordenen Gast mit vernichtendem Blick. Der Gast hingegen blickte wie hypnotisiert auf die Milchflasche in der Hand der älteren Dame, die mit einer öligen Flüssigkeit gefüllt war. »Schon gut, Lady«, meinte er dann schnell, »ich… ich hab’ mich bestimmt nur falsch ausgedrückt. Natürlich kenn’ ich die beiden Männer. Peter und Hank heißen sie. Und sie kenn’ ich seit ein paar Monaten. Wir trinken manchmal zusammen ein Bier oder so.« »Und wann und wo haben Sie die Skelette gestohlen?« fragte Agatha Simpson. Sie nahm die Milchflasche hoch und prüfte den Stand der wasserklaren, öligen Flüssigkeit. Sie schien sich für nichts anderes zu interessieren. »Ehrenwort, Lady, die haben wir nicht gestohlen, davon wissen wir überhaupt nichts. Heiliges Ehrenwort sogar! Tun Sie nur die Flasche endlich weg, bitte…« »Was hatten Sie mit Mr. Parker vor, wenn er seinen Wagen ver lassen hätte, Sie Lümmel? Antworten Sie, aber möglichst schnell! Wohin sollten Sie ihn schaffen?« »Nein, nein, ich antworte ja, Lady… Stellen Sie die Flasche weg«, krächzte der Gast des Hauses, »ich wollte ihn zu ‘ner be stimmten Adresse schaffen. Jetzt ist es mir wieder eingefallen.« Dann redete er mit der Intensität eines Alleinunterhalters. * Kathy Porter und Anwalt Rander saßen im Mini-Cooper, den Ka thy steuerte. Sie benutzten gern den kleinen Wagen, mit dem 43
man wieselflink durch die Straßen fahren konnte. Das »Quartett« hatte sich aus Zeitgründen getrennt. Josuah Parker und Agatha Simpson waren auf dem Weg, um sich das Haus anzusehen, in das der Butler hatte verbracht werden sollen. Kathy und Mike Rander hingegen wollten sich mit den beiden Männern Peter und Hank befassen. »Wird uns das überhaupt weiterbringen, Mike?« fragte Kathy, als sie die Chelsea-Brücke passierten. »Die beiden Männer wissen bestimmt nicht mehr als unser Gast.« »Hoffentlich betrachtet er sich auch als Gast«, meinte der An walt. »Mylady könnte sonst in des Teufels Küche kommen. Mir bricht jedesmal der Schweiß aus, wenn sie ihre Gäste einlädt. Ganz legal ist das nicht.« »Im Grund schützt Mylady die Gäste doch nur«, antwortete Ka thy Porter und lächelte, »sie macht es diesen Leuten auf jeden Fall immer wieder klar. Würde man sie einfach zurück auf die Straße schicken, könnten sie ja durchaus von ihren früheren Komplizen angegriffen werden, oder?« »Vertiefen wir dieses Thema besser nicht«, schlug Mike Rander lächelnd vor, »es ist alles eine Frage der Auslegung, Kathy. Aber zurück zu diesem Peter und zu Hank. Es könnte ja sein, daß sie uns irgendeinen Tip liefern. Wir brauchen unbedingt Informatio nen über den Burschen, der mit den Skeletten arbeitet. Ich bin sicher, daß er bereits mehrere davon plaziert hat. Die Beschenk ten hüten sich nur, sich an die Polizei zu wenden. Sie haben ein fach Angst, ebenfalls in ein Skelett verwandelt zu werden.« »Eine scheußliche Methode, Menschen in Angst und Schrecken zu jagen, Mike. Ob wir es mit einem Einzelgänger zu tun haben, der nur ein paar kleine Gangster angeheuert hat?« »Das denke ich schon.« Rander nickte. »Und es muß ein Knabe sein, der sich mit Skeletten und Säuren auskennt.« »Und mit seinen Opfern, Mike.« Kathy kurvte munter durch den Verkehr. Man hatte die Brücke längst hinter sich gelassen und näherte sich bereits dem trist-grauen Stadtteil Wandsworth süd lich der Themse. »Die Opfer könnten uns vielleicht weiterbringen«, bestätigte der Anwalt, »das Skelett wird sich die ja sehr genau ausgesucht ha ben. Nur die Generallinie ist leider noch nicht zu erkennen.« »Es kann nur um Geld oder Rache gehen, Mike.« »Rache, Kathy? Wie kommen Sie denn darauf?« 44
»Es kam mir gerade in den Sinn, Mike. Rein gefühlsmäßig. Le gen Sie mich nur nicht fest.« »Rache wäre kein schlechtes Motiv«, entgegnete der Anwalt nachdenklich. »Ich glaube, wir sind gleich da«, lenkte Kathy ab und minderte das Tempo, »es müßte die übernächste Straße links sein.« »Auf diese beiden Klempner bin ich gespannt.« Rander lehnte sich zurück. »Hoffentlich haben sie sich nicht längst abgesetzt. Sie müssen doch inzwischen wissen, daß Parker diesen Andy Bil ton in der Fabrik überlistet hat.« Kathy Porter bog in die Seitenstraße, fuhr noch langsamer und hielt dann vor einem unansehnlichen Wohnblock, durch den zwei Toreinfahrten in einen weiten Innenhof führten. An der hinteren Längsseite dieses Innenhofs erhob sich ein zweistöckiges Gebäu de mit blinden und vielfach unterteilten Fabrikfenstern. Neben einer Verladerampe stand ein kleiner Kastenlieferwagen. Das Tor zur Verladerampe war zu einem Drittel geöffnet. Kathy Porter stoppte den Mini-Cooper vor der Rampe. Sie und Mike Rander stiegen aus und entdeckten neben dem Tor eine Art Firmenschild, das allerdings einen mehr als nur verblaßten Ein druck machte. Es war nur noch mit Mühe zu entziffern, ließ aber die beiden Namen Peter Chetway und Hank Grapes erkennen. »Die Adresse wäre richtig«, meinte der Anwalt, »lassen wir uns also überraschen, Kathy. Und Achtung, man kann nie wissen, ob wir nicht mit ‘ner Ladung Säure empfangen werden…« Sie passierten blitzschnell das Tor, befanden sich in einem Cha os von Altwaren, die auf den ersten Blick kaum zu identifizieren waren, und sie hörten im Hintergrund der dämmrigen Halle prompt ein Geräusch. Eine Tür war leise ins Schloß gefallen. * »Ja, Mr. Parker, was halte ich denn davon?« erkundigte sich La dy Agatha Simpson bei ihrem Butler und ließ deutlich Überra schung erkennen. Sie befand sich noch im Fond des hochbeinigen Monstrums und musterte das skurril aussehende Haus, vor dem Parker gehalten hatte. Es lag in der Nähe des Richmond Park und zeigte ungeniert zwei ausgezeichnet präparierte Skelette, die allerdings in einer Glasvit 45
rine standen. Parker hatte dieses Haus erst erreicht, nachdem er seinen Wagen durch einen kleinen, gepflegten Park gesteuert hatte. Von der Straße aus waren die fleischlosen Gestalten nicht zu erkennen gewesen. »Eine Firmenreklame, Mylady, die man nur als recht makaber bezeichnen kann«, beantwortete der Butler die Frage seiner Her rin. »Das will ich wohl meinen, Mr. Parker. Dieser Lümmel Andy Bil ton scheint mich zum Narren gehalten zu haben, wie?« »Myladys Gast dürfte dazu kaum in der rechten Stimmung ge wesen sein«, entgegnete der Butler. »Mylady halten es durchaus für richtig, sich das Innere dieses Hauses anzusehen.« »Skelette in Vitrinen«, grollte sie, »ich werde mir überlegen, was ich davon zu halten habe.« Parker hatte den Wagen bereits verlassen, öffnete den hinteren Schlag und lüftete höflich seine schwarze Melone, als die ältere Dame resolut ausstieg. Sie richtete sich gerade majestätisch auf, als die schwarzlackierte Eingangstür zum Haus geöffnet wurde. Josuah Parker hob aus Gründen der Sicherheit die Spitze seines Universal-Regenschirms und richtete sie direkt auf den rundli chen, kleinen und sehr beweglichen Mann, der einen weißen, et was zu langen Kittel trug und an seiner randlosen Brille fingerte. »Guten Tag, die Herrschaften«, grüßte der kleine Rundliche und kam behend näher, wobei er sich die Hände rieb, »Sie sind ja noch schneller gekommen, als man Sie ankündigte.« »Könnte es sich möglicherweise um eine Verwechslung handeln, Sir?« erkundigte sich der Butler, »Sie haben die Ehre und den Vorzug, Lady Simpson empfangen zu dürfen.« »Ich weiß, ich weiß«, erwiderte der Rundliche und rieb sich noch intensiver die Hände, »Lady Simpson und Butler Parker, nicht wahr? Willkommen hier bei mir!« »Ich bin angekündigt worden?« wunderte sich die Detektivin. »Telefonisch«, versicherte der Mann und rückte erneut seine randlose Brille zurecht, »ich bin übrigens Lionel Hansom, aber das dürfte Ihnen ja sicher bekannt sein. Darf ich Sie in mein Haus bitten?« »Moment mal, junger Mann«, raunzte Lady Agatha. Ihr Gegen über mochte sechzig sein, doch das focht sie nicht, »wer hat mein Kommen angekündigt?« »Ihre Sekretärin, eine Miß Parter oder Porter, wenn ich nicht 46
sehr irre. Eine sehr angenehme Stimme, glaube ich.« »Und wann erwarteten Sie Mylady?« fragte Josuah Parker. »Gegen Mittag. Zu einer Betriebsbesichtigung, wie man mir sagte. Es ist mir eine Ehre, solch einen hohen Besuch…« »Papperlapapp, junger Mann«, unterbrach die Lady, »es handelt sich um eine Mystifikation. Wann haben Sie diesen Anruf angeb lich erhalten?« »Vor einer halben Stunde, denke ich. Stimmt etwas nicht?« Lio nel Hansom rieb sich nicht mehr die Hände. »Man dürfte Mylady während der Fahrt durch die Stadt beschat tet und beobachtet haben«, deutet der Butler diesen Anruf, »und nachdem die Richtung feststand, erfolgte wohl der erwähnte An ruf.« »Und Sie haben von einer Verfolgung natürlich wieder mal nichts gemerkt«, stellte die ältere Dame süffisant fest, »das ist wieder typisch, Mr. Parker. Mir wäre so etwas nie passiert.« »Wie Mylady meinen«, erklärte Parker höflich. »Stimmt etwas nicht?« fragte Lionel Hansom, »darf ich Sie jetzt ins Haus bitten, Mylady. Ich bin sicher, Ihnen einige Überra schungen bieten zu können.« »Skelette, nicht wahr?« Agatha Simpson sah den Rundlichen scharf an. »Wunderschöne Skelette, Mylady«, versicherte Hansom strah lend, »Sie werden begeistert sein.« Lionel Hansom ging voraus und führte sie in die Halle seines Hauses, einem landsitzartigen Gebäude, das zum Teil aus altem Fachwerk bestand. Wenige Augenblicke später sah sich die Lady weiteren Skeletten gegenüber, die die Halle bevölkerten. Sie standen einzeln oder in Gruppen herum, hatten mehr oder weni ger neckische Posen angenommen und schienen eine Party zu geben. »Ich scheine den Täter bereits gefunden zu haben«, meinte die Detektivin zu Parker. »Sind sie nicht herrlich und einmalig?« begeisterte sich Lionel Hansom und deutete auf die Knochengestalten. »Bemerkenswert, wenn ich so sagen darf«, erwiderte Josuah Parker in seiner höflichen Art und schaltete auf Vorsicht um. Die naive Fröhlichkeit dieses Mr. Lionel Hansom kam ihm ein wenig aufgesetzt vor. »Mit Klempnerei dürften Peter Chetway und Hank Grapes tat 47
sächlich etwas zu tun haben«, stellte Mike Rander fest, nachdem er sich etwas eingehender umgesehen hatte. Er deutete auf alte Bleirohre, Syphons, Waschbecken aus Gußeisen und Porzellan und dann auf eine Badewanne aus Zink und Steinzeug. »Das sieht aber eher nach einer Altwarenhandlung aus, Mike«, antwortete Kathy Porter. »Oder auch nicht, Kathy.« Mike Rander hatte eine andere Abtei lung gefunden und staunte nur noch. In einem größeren Raum stapelten sich ebenfalls Waschbecken, Badewannen, Armaturen und Kupferleitungen. Dies alles war teilweise noch verpackt. »Ich würde Sie am liebsten fragen, Mike, was ich davon halten soll«, meinte Kathy Porter lächelnd, »diese Art des Fragens von Mylady hat doch gewisse Vorteile.« »Fragen Sie mich in zehn Minuten noch mal, Kathy«, schlug Mi ke Rander lächelnd vor, »im Moment habe ich keine Antwort auf Lager. Ich glaube immer noch an eine Falle.« Sie streiften weiter durch das Erdgeschoß des Gebäudes, doch es ereignete sich nichts. Sie stolperten und stiegen über Installa tionsmaterial aller Art und erreichten dann eine Treppe, die ins Obergeschoß führte. »Ich habe ein komisches Gefühl in der Magengegend«, sagte der Anwalt, »irgendwo wartet bestimmt noch eine Überraschung auf uns.« Sie pirschten über die Stufen nach oben und waren überrascht, daß das Obergeschoß so gut wie ausgeräumt und leer war. Im Mittelpunkt dieser Lageretage aber stand ein dreifacher Wand schirm, der irgend etwas zu verbergen schien. »Gleich werden wir mehr wissen, Kathy. Das ist ja fast so etwas wie eine Einladung.« Rander hatte längst eine Schußwaffe gezo gen und war bereit sofort zu feuern, falls ein Überfall auf sie ver ursacht wurde. Er und Kathy Porter trennten sich, gingen den Wandschirm von zwei Seiten an und standen plötzlich vor zwei emaillierten Badewannen. Der Anblick war unheimlich. In jeder Wanne lag ein Skelett, und jedes schien mit sichtlichem Genuß eine Zigarette zu rauchen. Diese Lungentorpedos brannten und schickten kleine Rauchkringel zur Decke. Die Knochen wur den umspült von klarem Wasser, das allerdings stark nach Säure roch. »Himmel noch mal, Kathy, das werden doch nicht Peter und 48
Hank sein, von denen unser Gast gesprochen hat«, meinte der Anwalt und beugte sich vorsichtig über einen der Badenden. Das Skelett reagierte nicht, lag ausgestreckt in der Flüssigkeit und ließ sich verständlicherweise nicht stören. »Jetzt möchte ich zur Abwechslung mal wissen, was ich dazu sagen soll«, erklärte Mike Rander, seine Klientin parodierend. »Man dürfte uns erwartet haben, Mike.« »Und ob, Kathy! Die Skelette sind übrigens präpariert. Sehen Sie sich die Verbindungsdrähte mal an.« »So genau möchte ich es gar nicht wissen.« »Das sind Demonstrationsskelette.« Mike Rander sah sich die beiden Knochenmänner noch genauer an. »Es riecht nach Säure, nicht wahr?« Kathy hatte sich aufgerich tet und beobachtete die Treppe. Sie rechnete mit dem plötzlichen Auftauchen von schießfreudigen Gangstern. »Das Wasser scheint in Ordnung zu sein«, meldete der Anwalt. Er hatte das erste Drittel einer Zigarette in die Flüssigkeit ge schoben, eine Veränderung war nicht zu erkennen. »Das können niemals Peter Chetway und Hank Grapes sein«, redete der Anwalt weiter, »man scheint uns kräftig auf die Schip pe nehmen zu wollen, Kathy. Wenn mich nicht alles täuscht, sind das Skelette aus irgendeinem Kunststoff.« »Müssen wir nicht McWarden verständigen, Mike?« fragte Kathy Porter. »Nur nichts überstürzen, Kathy.« Rander warf noch einen ab schließenden Blick durch den großen Raum und ging dann zu sammen mit der jungen Dame zurück zur Treppe. »McWarden würde erst mal einige unangenehme Fragen stellen und wissen wollen, woher wir diese Adresse wissen.« »Aber er könnte nach Peter Chetway und Hank Grapes fahnden lassen, Mike. Glauben Sie, daß sie überhaupt noch leben? Ob un ser Hauptskelett nicht bereits für vollendete Tatsachen gesorgt haben könnte?« »Malen Sie nicht den Teufel an die Wand, Kathy«, wiegelte der Anwalt ab, »diese Skelette reichen mir eigentlich bereits. Eines steht fest, wir haben es mit einem Burschen zu tun, der Sinn für schwarzen Humor hat.« »Der aber durchaus tödlich werden könnte, Mike.« »Das kann man wohl sagen, Kathy.« Sie stiegen die Treppe nach unten in das Altmetallchaos, und Mike Rander blieb wach 49
sam. Er rechnete nach wie vor mit einem überraschenden Angriff. Er sollte sich nicht getäuscht haben, denn plötzlich torkelte aus dem Dämmerlicht des Untergeschosses ein seltsamer Gegenstand auf sie zu. Es stand eindeutig fest, daß es sich nicht um Blumen handelte, sondern um eine Flasche, wie Rander sah… * »Ich bin für meine Skelette berühmt«, lobte sich der kleine rundliche Mann und rieb die Hände. Er strahlte Agatha Simpson und den Butler an. »Ich beliefere Schulen, Hospitäler und Univer sitäten, Mylady. Sie können von mir Skelette in jeder gewünsch ten Größe bekommen. Sie müssen sich unbedingt mein MusterSortiment ansehen.« »Sie betreiben eine Firma zur Herstellung von Skeletten, Mr. Hansom?« erkundigte sich der Butler sicherheitshalber. »Ich bin das Hansom-Skelett«, kam prompt die Antwort, »das ist meine Telexanschrift, verstehen Sie? Ich glaube, daß sie jeder Interessierte kennt. Ich liefere selbstverständlich auch ins Aus land. Kommen Sie, meine Auswahl wird Sie überwältigen!« »Hansom-Skelette?« fragte Agatha Simpson irritiert. »Ein kleiner Scherz, Mylady«, versicherte der Rundliche und lä chelte freundlich, »so nennen mich Freunde und gute Kunden. Und daraus habe ich dann meinen Firmennamen gemacht.« »Seit wann stellen Sie Skelette her?« wollte der Butler wissen. »Seit meiner Jugend, Sir«, lautete die Antwort, »mein Vater war Präparator und lieferte bereits die ersten Produkte, aber echte, wenn Sie wissen, was ich meine. Damals beschaffte er sich die Originale aus den gerichtsmedizinischen Instituten. Heute ist das allerdings und leider ganz anders. Ich mußte auf diesen scheußli chen Kunststoff ausweichen. Unter uns, kein Vergleich! Es geht nichts über einen echten Knochen…« »Und wie wurden die echten Skelette präpariert?« fragte Josuah Parker weiter. »Säurebäder, aber wohldosiert«, erklärte Lionel Hansom, »eine Frage des Fingerspitzengefühls, verstehen Sie? Da kommt es auf Minuten und sogar Sekunden an.« Während er seine Facherläuterungen gab, führte er die beiden Besucher in seinen Ausstellungsraum. Lady Simpson räusperte 50
sich explosionsartig die Befangenheit aus der Kehle. Sie sah sich nämlich ohne jede Vorwarnung einer Kompanie von Skeletten gegenüber, die wie zu einer Parade an zwei Wänden aufgereiht worden waren. »Sind Sie nicht wunderbar?« frohlockte Lionel Hansom. »Beeindruckend«, fand Josuah Parker. »Ich werde nach einem passenden Ausdruck suchen«, ver sprach die ältere Dame. Sie fühlte sich beengt und bedroht. Der Pompadour an ihrem linken Handgelenk war bereits in leichte Schwingung geraten. Dieser perlenbestickte Handbeutel aus der Zeit der Jahrhundertwende hatte es im wahrsten Sinn des Wortes in sich. Im Pompadour befand sich ein echtes Pferdehufeisen, mit dem Lady Agatha ihre Schläge auszuteilen pflegte. »Sie sollten sich die feinen Unterschiede zwischen einem echten und einem falschen Skelett ansehen«, pries Lionel Hansom seine Kunstwerke, »beachten Sie bitte die Maserung echter Knochen und die falsche Glätte der Kunststoffnachbildungen. Aber man bekommt ja so gut wie keine Original mehr. Eine wahre Schan de!« »Hoffentlich überleben Sie das«, warf Lady Agatha spitz ein. »Sie haben natürlich Mitarbeiter, wie?« »Ein paar Spezialisten, Mylady«, bestätigte Lionel Hansom, »sie arbeiten schon seit Jahren für mich. Wahre Künstler, wie ich be merken möchte. Es ist nicht gerade leicht, diese Demonstrations objekte zusammenzusetzen, dazu braucht man anatomische Kenntnisse und Fingerspitzengefühl.« »Sie stellen auch gewisse Spezialitäten her?« fragte der Butler. »Wie darf ich die Frage verstehen?« Lionel Hansom lächelte Parker erwartungsvoll an. »Rauchende Skelette«, redete Parker weiter und deutete mit der Spitze seines Universal-Regenschirms auf ein Skelett, das mit Kennerschaft eine angezündete Zigarre zu rauchen schien. Der feine Rauchkringel, der zur Decke emporstieg, war nicht zu über sehen. »Entschuldigung«, meinte Lionel Hansom und nahm die Zigarre wie selbstverständlich wieder an sich, »ich hatte sie für einen Moment abgelegt, als ich den Wagen hörte. Es wäre ja mehr als unhöflich, seine Gäste mit einer Zigarre in der Hand zu empfan gen.«
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*
»Nee, nee, ich war freiwillig hier«, versicherte Andy Bilton dem Chief-Superintendent hastig, »mich hat kein Mensch festgehal ten.« »Sie glauben doch nicht etwa, mein lieber McWarden, daß ich Leute gegen ihren Willen in meinem gastlichen Haus festhalten werde«, schaltete sich Lady Agatha überaus freundlich ein. »Mr. Andy Bilton bat geradezu darum, die Nacht hier verbringen zu dürfen.« »Um jetzt eine Aussage zu machen?« McWarden wußte, daß er nicht die Wahrheit hörte, aber er wollte das Thema nicht weiter vertiefen. »Es ging wohl um einen kleinen Scherz«, mischte sich der An walt ein, »Mr. Parker sollte geneckt werden.« »Das kann Bilton mir alles im Büro erzählen«, brummte McWar den und gab seinen beiden Mitarbeitern einen Wink. Sie nahmen Bilton in Empfang und brachten ihn aus dem Haus, um ihn dann in ihrem Streifenwagen zu verstauen. McWarden blieb im Salon zurück und kam in den Genuß eines Sherrys. »Sie haben mir einiges zu erzählen«, wandte er sich an die De tektivin, obwohl er wußte, daß er die Geschichte von Parker hören würde. »Details interessieren mich nicht«, sagte sie prompt und abfäl lig, »wenden Sie sich an Mr. Parker!« »Und danach an mich«, warf Mike Rander amüsiert ein, »Miß Porter und ich haben auch noch einiges beizusteuern, aber wie gesagt, nur unwichtige Details.« McWarden setzte sich zurecht und hörte sich beide Geschichten an. Er nahm zur Kenntnis, daß es einen Mann namens Lionel Hansom gab, der Skelette herstellte, er hörte sich an, was Mike Rander und Kathy Porter in der Klempnerei von Peter Chetway und Hank Grapes erlebt hatten. Und er war ehrlich beeindruckt. »Das alles haben Sie aus Ihrem freiwilligen Gast herausgeholt, nicht wahr?« fragte er schließlich ironisch. »Es gibt eben noch Menschen, die einer Lady Simpson vertrau en«, erklärte sie und nickte. »Andy Bilton, Peter Chetway und Hank Grapes sind also von ei nem Unbekannten angeheuert worden«, meinte der Chief 52
Superintendent, »und auf Sie, Miß Porter und Mr. Rander, ist eine Flasche mit Säure geworfen worden.« »In der Klempnerei«, wiederholte Kathy Porter, »sie war mit Schwefelsäure gefüllt.« »Und hat uns nur haarscharf verfehlt«, meinte der Anwalt, »von dem Attentäter war keine Spur zu finden. Der Mann muß sich blitzschnell abgesetzt haben.« »Ich werde sofort nach Chetway und Grapes fahnden lassen«, antwortete der Chief-Superintendent, »wie war das mit den Ske letten in den Badewannen?« »Kunststoff-Skelette, McWarden«, entgegnete Mike Rander, »man wollte uns eindeutig auf den Arm nehmen, wenn ich von der Säureflasche mal absehe.« »Und beide Skelette hatten eine Zigarre im Gebiß?« »Ein verrückter Anblick«, meinte der Anwalt, »aber den kennen Sie ja, McWarden, denken Sie an Derek Charing in Mayfair. Das Skelett im Sessel vor der Wohnungstür rauchte ebenfalls.« »Und das im Liegestuhl des ermordeten Anthony Banbury«, füg te der Chief-Superintendent hinzu, »der Täter scheint einen be sonderen Sinn für Humor zu haben.« »Ein Geisteskranker, mein lieber McWarden, wenn Sie mich fra gen«, ließ Agatha Simpson sich vernehmen, »und ich tippe auf diesen Skeletthersteller Mr. Hansom. Sie haben ja gerade von Mr. Parker gehört, daß er seine Zigarre in das Gebiß eines Skeletts schob, als er mich empfing.« »Ich werde Erkundigungen über den Skelettkünstler einziehen, Mylady, ich werde mir seine Mitarbeiter ansehen. Wieviel sind es, Mr. Parker?« »Vier, Sir, die bereits seit vielen Jahren für Mr. Lionel Hansom arbeiten«, wiederholte der Butler, »es handelt sich um betagte Herren, wenn ich so sagen darf. Sie dürften über jeden Zweifel erhaben sein.« »Was verstehen Sie unter betagt?« wollte McWarden wissen. »Und was bin ich in Ihren Augen, Mr. Parker?« schnappte Lady Agatha sofort zu. Da sie das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte, die vier Angestellten aber kaum älter waren, wartete sie ungeduldig auf eine Erklärung. »Ich erlaubte mir, die geistige Beweglichkeit dieser vier Ange stellten männlichen Geschlechts zu skizzieren«, antwortete der Butler, ohne sich in Verlegenheit bringen zu lassen, »die Zahl der 53
Lebensjahre ist in diesem Zusammenhang ohne Belang.« »Aha«, meinte die ältere Dame. »Aber ich kann Mr. Parkers An gaben nur bestätigen. Die vier Leute machen alle durchweg einen recht seltsamen und versponnenen Eindruck. Was natürlich reine Tarnung sein kann, Mr. Parker, wie ich Ihnen bereits sagte.« »Aber Sie trauen Lionel Hansom nicht über den Weg, wie?« McWarden erinnerte die Detektivin an ihren Verdacht. »Dieser Mann ist ein wenig skurril, höflich ausgedrückt«, bestä tigte sie, »dieses milde Lächeln, diese unentwegte Höflichkeit, diese scheußliche Begeisterung für seine Skelette…« »Hat er Familie oder so, Mr. Parker?« bohrte McWarden weiter. Er ging natürlich davon aus, daß der Butler sich bereits umfas send informiert hatte. »Er ist Junggeselle und ohne jeden Anhang, wie er sagte, Sir«, lautete die Antwort, »er hat kein Büropersonal und seit Jahren keinen Angestellten eingestellt und entlassen. Mr. Lionel Hansom ist die Unauffälligkeit in Person, um es mal so auszudrücken.« »Aber er wird mich nicht täuschen«, versprach die ältere Dame energisch, »denken Sie doch an die Zigarre im Gebiß dieses Ske letts. Ich sehe noch, wie er die Zigarre wieder an sich nahm. Es ist mir durch Mark und Bein gegangen.« »Dann werden wir uns diesen Skeletthersteller mal gründlich zur Brust nehmen«, versprach McWarden, »und auch seine nähe re Umgebung. Diese Sache mit den Zigarren kann doch unmög lich ein Zufall sein. Unser Gangster muß doch Hansom kennen.« »Zumal er hin und wieder noch echte Skelette präpariert«, hob Lady Agatha hervor, »wie war das noch mit diesen Säuren, Mr. Parker? Ich habe da doch einige große Flaschen gesehen.« »Glasballons, Mylady«, antwortete Josuah Parker, »in ihnen war Salz- und Schwefelsäure enthalten, woraus Mr. Hansom keinen Hehl machte.« »Er stellt noch echte Skelette her?« Chief-Superintendent McWarden schluckte unwillkürlich. »Tierskelette, Sir«, präzisierte der Butler, »auch solche Muster konnte Mr. Hansom vorweisen. Sie waren beeindruckend, wie ich versichern möchte.« »Und wieso waren Mylady und Sie angekündigt worden?« wollte McWarden anschließend wissen. »Mylady und meine Wenigkeit waren namentlich angemeldet worden, Sir«, erwiderte Parker, »man hatte Mr. Hansom den Be 54
such von Mitgliedern eines Universitätskuratoriums avisiert, die Demonstrationsskelette in großem Stil zu kaufen gedachten.« Bevor McWarden seine weitere Frage stellen konnte, meldete sich die Türglocke. Josuah Parker begab sich in die große Wohnhalle des Fachwerkhauses, doch er öffnete aus guten Gründen nicht sofort die Tür. Er ging zu einem Wandschrank, der rechts vom verglasten Vorflur angebracht war, öffnete diesen Wandschrank und schaltete die draußen über der Tür angebrachte Fernsehka mera ein. Diese Vorsichtsmaßnahme sollte verhindern, daß ungebetene Gäste aus Feuerwaffen aller Art auf öffnende Hausbewohner schossen. Das Bild auf dem kleinen, im Wandschrank montierten Monitor erschien umgehend, und Parker kam in den Genuß, sich ein Skelett ansehen zu können, das eine Importe rauchte und sich lässig gegen eine kleine Säule des Vorbaus lehnte. * »Ich werde gegen dieses Subjekt sofort etwas unternehmen«, grollte Lady Agatha. Sie stand vor dem Skelett, das Parker ins Haus geholt und in der Wohnhalle postiert hatte. »Gegen das Skelett?« fragte Mike Rander lächelnd. »Ja und nein«, meinte sie, »gegen dieses hier nicht, mein Jun ge, aber gegen das, das als Skelett meine Nerven ruinieren möchte. Lächerlich! Mr. Parker, tun Sie sofort das Erforderliche.« »Mylady hegen bestimmte Wünsche?« erkundigte sich der But ler. »Keine Details, Mr. Parker.« Sie sah ihren Butler streng an. »Die überlasse ich natürlich Ihnen. Ich frage Sie aber, warum man mich auf diesen Mr. Hansom lenken will.« »Es könnte sich möglicherweise um ein geschickt inszeniertes Ablenkungsmanöver handeln, Mylady.« »Das liegt für mich auf der Hand, Mr. Parker«, bestätigte die Lady selbstsicher, »Hansom ist das Subjekt, das ich überführen werde. Er selbst bringt sich in Verdacht, weil ich früher oder spä ter auf ihn gestoßen wäre, oder zweifeln Sie daran?« »Myladys kriminalistische Fähigkeiten sind immer wieder frap pierend, wenn ich mich erkühnen darf, dies mal festzustellen.« »Warum sollten Sie die Wahrheit verschweigen, Mr. Parker?« 55
Sie sprach mit erstaunlich viel Freundlichkeit in der Stimme. Par kers Worte taten ihr wohl. »Hansom belastet sich also selbst, wie ich gerade festgestellt habe. Aber das wird ihm nichts einbringen. Ich durchschaue seine Manöver. Nun, er wird sich gleich wun dern.« Die ältere Dame saß im Fond von Parkers hochbeinigem Monst rum und drückte in einer Kurve das Skelett zur Seite, das neben ihr saß. Sie wollte es Lionel Hansom präsentieren und ihn fragen, ob er der Hersteller dieser knochigen Gestalt sei. Ihr Begleiter im Wagen erregte im nachmittäglichen Straßen verkehr natürlich einiges Aufsehen. Überholende Wagen wurden langsamer. Die Fahrer oder Insassen starrten auf das Skelett und wunderten sich mit britischer Zurückhaltung. Weniger Zurückhal tung bewies ein Streifenfahrer der Polizei, der auf einem Motorrad saß und während seiner Verfolgung einen Alarmspruch per Funk an seine Zentrale absetzte. Er überholte den Wagen des Butlers und stoppte ihn durch energische Handzeichen. Parker kam die ser Aufforderung nach und stellte das hochbeinige Monstrum am Straßenrand ab. Der Polizist stieg vom Motorrad und näherte sich mehr als vorsichtig. »Warum haben Sie diesen Mann nicht abgehängt?« fragte die Detektivin den Butler, »mich hätte er nicht eingeholt, Mr. Par ker.« »Mylady wären mit einer Straßensperre konfrontiert worden«, gab Josuah Parker zurück und drehte die Wagenscheibe an seiner Seite ein wenig nach unten. »Straßensperren kann man rammen«, meinte die ältere Dame fröhlich, »hätten Sie doch diesen Schwung wie ich, Mr. Parker!« Die Sechzigerin war schwungvoll, wie sich zeigte, denn sie woll te die Fondtür öffnen und sich mit dem Streifenfahrer anlegen. Sie freute sich offenbar auf ein unterhaltsames Streitgespräch. Es störte sie nicht, daß der Mann seine Motorradbrille nicht hoch streifte, ja sogar nun noch das Visier seines Helms herunterklapp te. »Was ist denn mit der Tür, Mr. Parker?« fragte Lady Agatha verärgert. Sie stemmte sich dagegen, doch die Tür ließ sich nicht öffnen. »Ich war so frei, Mylady, sie zentral zu verriegeln«, erwiderte Parker höflich. »Das ist doch… Das ist Freiheitsberaubung«, empörte sich A 56
gatha Simpson. »Eine Vorsichtsmaßnahme, Mylady«, redete Parker gelassen und würdevoll weiter, »dieser Streifenbeamte muß nicht unbe dingt Mitglied der regulären Polizei sein.« Der Streifenfahrer hatte den Wagen inzwischen erreicht und langte mit der rechten Hand in seine hüftlange Lederweste. Ge nau in diesem Moment ließ Parker die Kupplung vorschnellen und gab Vollgas. Das hochbeinige Monstrum machte einen wahnwitzigen Satz nach vorn und entging so einer Milchflasche, die der Streifenfah rer auf das Fahrzeug geschleudert hatte. Die Milchflasche zer schellte auf dem Asphalt und erzeugte sofort eine kleine Rauch wolke, die sich schwarz färbte. Agatha Simpson, die sich halb erhoben hatte, wurde vom Andruck zurückgeschleudert und krachte förmlich in die Polster. Dabei verrutschte ihre Hut schöpfung, eine einmalige Kreuzung aus einem Südwester und einem Napfkuchen. Dieses Gebilde schob sich tief in ihre Stirn und verdeckte dann auch noch die Augen. »Ich bitte um Vergebung, Mylady«, war Parkers Stimme zu ver nehmen, »man entging soeben einem Säureattentat.« Die Lady konnte nicht antworten. Sie kämpfte mit dem Hut und ihrer Empörtheit, sie drückte sich wieder nach vorn, rutschte vom Sitz und nahm auf dem teppichbelegten Wagenboden Platz. »Wollen Sie mich umbringen?« ergrimmte sie sich lautstark. »Keineswegs, Mylady«, erwiderte Parker höflich wie stets und korrigierte den Kurs des zurückschießenden Wagens, ohne den Kopf zu wenden. Er begnügte sich mit dem Innenspiegel, der ihm Sicht genug gewährte. Er hielt mit dem Wagenheck auf die Rauchsäule zu und auf den Mann, der hastig sein Motorrad besteigen wollte. Der Attentäter merkte, daß die Zeit nicht mehr reichte. Er ver zichtete darauf, das knatternde Gefährt zu besteigen, wandte, sich um und flüchtete durch das Gewirr der Wagen, die jäh bremsten. Josuah Parker lüftete höflich die schwarze Melone, als er den Wagen verließ. Er bat Mylady, ihn für einen Moment entschuldi gen zu wollen. In völlig korrekter und steifer Haltung nahm der Butler dann die Verfolgung des jungen Mannes auf, der bereits rund zwanzig Meter Vorsprung gewonnen hatte. Der angebliche Streifenpolizist schaute sich kurz um, lief weiter und steuerte 57
dann eine Seitenstraße an. Josuah Parker hingegen blieb stehen und griff nach seiner Wun derwaffe, wie sie von Freund und Gegner gern bezeichnet wurde. Dabei handelte es sich um eine im Prinzip einfache Gabelschleu der oder Zwille, wie sie Jungen immer wieder schnitzten. Es dauerte nur einige Sekunden, bis Josuah Parker schußbereit war. In der Lederschlaufe befand sich eine hart gebrannte Ton murmel von der Größe eines normalen Bonbons. Parker straffte die beiden Gummistränge, visierte kurz und schickte sein Ge schoß auf die Reise. Mitten im Lauf überschlug sich der Mann, klatschte gegen einen Wagen und sank desinteressiert zu Boden. Er nahm von einer weiteren Flucht Abstand… * Mike Rander und Kathy Porter waren ebenfalls unterwegs. Auch sie fuhren hinaus nach Richmond, aber diese Fahrt hatte nichts mit dem Hersteller von Skeletten, nämlich Lionel Hansom, zu tun. Ein Telefonanruf hatte sie im Büro des Anwalts alarmiert. In der Curzon Street, nicht weit entfernt vom Haus der Agatha Simpson, bewohnte der Anwalt ein Haus, in dem seine Privaträu me und auch seine Kanzlei untergebracht waren. Eine gewisse Betsy Kilburn hatte nervös und hastig nach Lady Simpson gefragt und um Hilfe gebeten. Bevor Mike Rander Fra gen stellen konnte, war auf der Gegenseite nach einem leisen, erstickten Aufschrei aufgelegt worden. Kathy Porter, die sich in Mike Randers Privatbüro aufgehalten hatte, konnte sofort mit einem Hinweis und einer Adresse dienen. Mrs. Betsy Kilburn war die Tochter einer recht begüterten Dame der Gesellschaft, mit der Lady Agatha hin und wieder Bridge zu spielen pflegte. Sie wohnte bei ihrer Mutter, die in Richmond ei nen Landsitz besaß. »Hoffentlich hat unser Mr. Skelett nicht wieder zugeschlagen«, meinte der Anwalt, der lässig neben Kathy Porter saß. Sie steuer te den Mini-Cooper mit nachtwandlerischer Sicherheit schnell und oft auch ein wenig frech durch den dichten Verkehr. »Wie gut, daß Mylady und Mr. Parker jetzt diesen Mr. Hansom besuchen wollen«, erwiderte Kathy Porter. 58
»Wir sollten natürlich auch mit einer Falle rechnen, Kathy«, warnte der Anwalt, »ich könnte mir vorstellen, daß das Skelett inzwischen leicht nervös geworden ist. Andy Bilton sitzt in Unter suchungshaft, seine beiden Freunde Chetway und Grapes werden gesucht. Der Mann dürfte also im Augenblick keine Hilfskräfte mehr haben.« »Ich frage mich, was das Skelett mit Betsy Kilburn zu tun haben kann«, entgegnete Kathy Porter nachdenklich und überholte haarscharf einen Lastwagen. Rander schloß dabei für einen Mo ment die Augen und wartete auf das Kreischen von Blech und Splittern von Glas. Als er nichts hörte, öffnete er wieder die Au gen. »Fahre ich zu schnell, Mike?« erkundigte sich die junge Dame. »Wer hat Ihnen diesen Tiefflug beigebracht, Kathy?« »Mr. Parker, Mike. Beruhigt Sie das?« »Etwas«, erwiderte Mike Rander, »Sie können sich wieder die ser Betsy Kilburn widmen.« »Sie dürfte etwa dreißig Jahre alt sein, geschieden, kinderlos. Sie wohnt wieder bei ihrer Mutter, von der sie alles haben kann, was immer sie sich wünscht.« »Hat sie einen Beruf erlernt, Kathy?« »Und ob, Mike… Sie leitet die Firma ihres verstorbenen Vaters. Sie soll eine gute Kauffrau sein, wie es wohl heißt. Sie hat, wenn ich das noch richtig zusammenbekomme, ihren Mann ‘rausge schmissen, als er eine Unterschlagung beging.« »Verständlich, Kathy. Und was ist das für eine Firma?« Er lehnte sich plötzlich zurück und deutete auf einen Lieferwagen. »Übri gens, den müssen Sie wegen mir nicht unbedingt überholen.« »Aber das macht doch nichts«, gab sie zurück und wischte wie derum haarscharf an dem Lieferwagen vorbei, »ich habe den Wa gen fest in der Hand, Mike.« »Hoffentlich weiß das auch der Wagen, Kathy«, stöhnte Mike Rander, »warum, zum Teufel, bin ich nicht in den Staaten geblie ben? Wie ruhig hätte ich dort leben können.« »Während der Rückfahrt kann ich Sie am Flugplatz absetzen, Mike.« »Ein verdammt guter Vorschlag!« Er setzte sich wieder zurecht. »Wir waren bei der Firma der Kilburns stehengeblieben.« »Innenarchitektur und Raumgestaltung«, gab Kathy Porter Aus kunft, »Betsy ist >in<, wie man so sagt. Sie verkehrt mit dem 59
Jet-set, richtet Wohnungen und Häuser ein, hat erstklassige Ver bindungen zur Industrie, zu Spitzenmanagern und zu Künstlern von Film, Fernsehen und Bühne. Sie sendet auf allen Kanälen, würde ich sagen.« »Und wer war ihr Geschiedener?« »Ein Windhund. Ich habe ihn nur ein paarmal flüchtig gesehen. Sehr gut aussehend, blendende Manieren und eine Art Parasit, der sein Geld verspielt und verwettet. Ein Skandal wurde damals vertuscht, aber die Insider wußten und wissen natürlich Be scheid.« »Was macht dieser Knabe zur Zeit, Kathy?« »Das weiß ich nicht, Mike. Vielleicht kann Betsy uns darüber et was sagen.« »Keine Sorge, wir werden schon nicht zu spät kommen, Kathy«, meinte der Anwalt, als sie wieder zum Überholen ansetzte. »Hoffentlich nicht, Mike«, gab sie zurück, »ich spüre leider, daß auf uns eine böse Überraschung wartet.« * »Das müßte Ihnen bekannt vorkommen, Parker«, sagte der Anwalt und führte den Butler in den Garten. Er hielt auf den ge pflegten Rasen hinter dem Landsitz zu und deutete dann zuerst mal auf ein Skelett, das offenbar behaglich und entspannt im Lie gestuhl lag. Dann deutete der Anwalt auf eine junge Frau, die mit dem Gesicht nach unten auf dem Rasen lag. Sie war niedergesto chen worden. Das Messer befand sich in ihrem Rücken. Josuah Parker war ein pietätvoller Mensch. Er nahm seine schwarze Melone ab und hielt sie vor die Brust. Er legte einige Schweigesekunden ein und widmete sich dann dem kleinen Beistelltisch neben dem Liegestuhl. Dort standen Flaschen, Gläser und Aschenbecher, in dem eine Zigarre abgelegt war. Sie brannte noch und schickte kleine Rauchkringel zum Himmel. »Die Verblichene ist Mrs. Betsy Kilburn?« erkundigte sich Par ker. Er entdeckte neben der Toten einige Kleidungsstücke und einen großen Teddybär. »Betsy Kilburn«, bestätigte Mike Rander, »Miß Porter konnte sie einwandfrei identifizieren.« 60
»Mit dem Eintreffen der Polizei ist zu rechnen, Sir?« »Ich habe selbstverständlich McWarden informiert«, antwortete Mike Rander, »gut, Parker, daß Sie bei mir in der Kanzlei angeru fen haben.« »Sie hinterließen erfreulicherweise auf dem Anrufbeantworter, Sir, wo Sie zu erreichen seien«, meinte Parker, »Mylady war dar aufhin mit einer Änderung der Fahrtroute einverstanden.« »Dieser Skelettfabrikant kann warten«, fand auch Mike Rander, »wahrscheinlich wird er auch von McWardens Leuten längst be schattet. Was sagen Sie zu diesem Mord? Können Sie sich einen Reim darauf machen, Parker? Haben Sie bereits eine Generallinie entdeckt?« »Vielleicht in Ansätzen, Sir«, antwortete der Butler höflich, »bis zu den Werkstätten des Mr. Lionel Hansom ist es übrigens nicht sonderlich weit, ja, man könnte direkt von einer engeren Nach barschaft sprechen.« »Richtig, Parker.« Rander nickte. »Ob es da irgendwelche Be ziehung gibt? Sie sollten sich von Miß Porter erzählen lassen, in welchen Gesellschaftskreisen Betsy Kilburn verkehrte.« Josuah Parker nickte andeutungsweise und begab sich hinüber zum Landsitz, in dem sich die Lady befand, die sich mit Rose Kil burn unterhielt. Rose Kilburn, die Mutter der Ermordeten, war kaum in der Lage, die Fragen der Detektivin zu beantworten. Sie stand eindeutig noch unter einem tiefen Schock. Dann erschienen McWarden und seine Spezialisten am Tatort. Der Chief-Superintendent besichtigte die Tote, das Skelett im Liegestuhl und schnüffelte an der Zigarre. »Das wird wieder Schlagzeilen geben«, seufzte er dann, »man wird uns in der Luft zerreißen, Rander. Was sagt Parker zu dieser ganzen Geschichte?« »Er hüllt sich in Schweigen, McWarden. Ich kann nur hoffen, daß er inzwischen eine Spur entdeckt hat.« »Sie waren von dieser Betsy Kilburn eingeladen worden?« er kundigte sich der Chief-Superintendent beiläufig, »oder wurden Sie um Hilfe gebeten?« »Bleiben wir bei der Wahrheit«, meinte der Anwalt und schilder te die Vorgeschichte der Fahrt nach Richmond. »Parker und Mylady wollten also zu Lionel Hansom«, meinte McWarden, »das paßt zu einer recht seltsamen Meldung, die man mir auf den Tisch, schmetterte.« 61
»Was ist denn passiert?« fragte Mike Rander, »ich habe Parker noch keine Fragen stellen können. Er ist erst vor einigen Minuten hier aufgetaucht.« »Sie wissen wirklich nichts, Rander?« McWarden musterte den Anwalt mißtrauisch. »Mein schlichtes Wort darauf, McWarden.« »Okay, Rander, gar nicht weit von hier ist eine, Flasche Säure auf einen Wagen geschleudert worden, der wie ein altes Taxi aus sehen soll. Danach flüchtete ein Motorradfahrer und wurde plötz lich von den Beinen gerissen.« »Sachen gibt’s, McWarden, die gibt’s gar nicht.« Rander lächelte unwillkürlich. »Dieser Bursche, den es von den Beinen riß, wurde anschlie ßend von einem Mann geborgen, der wie ein Butler ausgesehen haben soll. Butler und taxiähnliches Fahrzeug verschwanden dann blitzschnell und schüttelten einige Autos ab, deren Fahrer die Ver folgung aufgenommen hatten. Diese Fahrer sagen übereinstim mend aus, das Taxi sei wie ein Kugelblitz durch die Straßen gebraust. Kommt Ihnen das alles nicht bekannt vor?« »Sie sollten Parker fragen, McWarden, nicht mich.« »Nichts werde ich tun«, antwortete der Mann vom Yard und be dachte den Anwalt mit listigem Blick, »was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß! Ich muß ja nicht unbedingt an Mr. Parker den ken, oder?« »Völlig richtig, McWarden.« Rander nickte. »Parker ist schließ lich nicht der einzige Butler auf der Insel, oder?« »In dieser unverwechselbaren Ausgabe zwar schon, aber was soll’s?« Der Chief-Superintendent sah wieder auf das Skelett und schüttelte dann den Kopf. »Wie viele Skelette mögen sich in wie vielen Sesseln und Liegestühlen herumlümmeln? Man weiß ein fach zuwenig.« John Hillings sah gut aus und hatte viel Geld als Dressman ver dienen können. Er war groß, schlank, sportlich durchtrainiert und hatte ein verwegen geschnittenes Gesicht mit dunklen Augen. Der Fünfunddreißigjährige trug am späten Nachmittag bereits einen Smoking und gab sich höflich-abwartend. »Meine Geschiedene ist ermordet worden?« fragte er nur er staunt, ohne sonst ein Gefühl zu zeigen, »wie hat es sie denn erwischt? Weiß man schon, wer der Täter ist?« »Die Polizei wird sich schon noch mit Ihnen befassen, junger 62
Mann«, erwiderte Agatha Simpson und schob sich gegen John Hillings, der die Tür nur halb geöffnet hatte, »wollen Sie eine alte und erschöpfte Frau nicht hereinbitten?« »Wie käme ich dazu?« fragte der Mann ruppig zurück. »Wer sind Sie eigentlich? Was haben denn Sie mit dieser ganzen Sache zu tun?« »Sie haben die Ehre, Mylady Rede und Antwort stehen zu dür fen«, schaltete sich der Butler ein. »Lady Simpson bemüht sich, Ermittlungen in dem anstehenden Kriminalfall anzustellen.« Lady Agatha hatte keine Lust mehr, noch länger vor der Tür zur Wohnung zu bleiben. Sie trat mit ihrem linken Fuß sehr nach drücklich auf den leichten Schuh des jungen Mannes, der darauf hin stöhnte und zurückwich. »Vielen Dank, junger Mann«, sagte Lady Agatha und schob sich mit ihrer Fülle in die Dachgartenwohnung. Sie überwalzte John Hillings, der einfach zur Seite und fast in einen kleinen Wand schrank flog. Der junge Mann machte daraufhin einen irritierten Eindruck, stemmte sich ab und setzte seiner Peinigerin nach, die bereits den großen Wohnraum der Dachgartenwohnung erreicht hatte. Er beging einen fast lebensgefährlichen Fehler, legte seine Hand nicht nur auf die Schulter der älteren Dame, sondern wollte die Lady auch noch zurückzerren. Er verfärbte sich, als der Pompadour auf seine linke Rippenpar tie stieß, wurde weich in den Knien und sah verwirrt nach dem unsichtbaren Pferd, von dem er sich getroffen wähnte. »Sie belästigen eine wehrlose Frau?« grollte Agatha Simpson, »Sie wagen es, mich tätlich anzugreifen? Dafür sollte ich Sie ohr feigen, Mr. Hillings!« »Was ist denn das für ein Schlachtschiff?« fragte einer der bei den anderen jungen Männer, die sich im Wohnraum befanden. Sie hielten Gläser in Händen und machten einen aufgekratzten Ein druck. Durch das Klingeln an der Wohnungstür schien man sie beim Pokerspiel gestört zu haben. Auf einem Couchtisch lagen Karten und viele Banknoten. »Sie sollten sich tunlichst einer gebildeteren Ausdrucksweise be fleißigen«, tadelte Josuah Parker, »Mylady achtet stets auf Hal tung und Würde.« »Raus, sofort raus«, keuchte John Hillings, der sich inzwischen erholt hatte. Er beging einen zweiten Fehler und wollte sich mit 63
Josuah Parker befassen. Diesmal entschied sich der Wohnungsin haber für eine härtere Gangart. Er hatte sich auf seine sportliche Betätigung besonnen und wollte Parker mit einem gezielten Ma genhieb außer Gefecht setzen. Und der Mann schlug zu, kurz, fast ohne jede Vorankündigung. Dennoch, er war einfach nicht schnell genug. Josuah Parker nahm seine Melone vom Kopf und ließ die geball te Faust von John Hillings gegen die stahlgefütterte Wölbung der Kopfbedeckung prallen. Dem Knochen der Hand bekam die Kolli sion überhaupt nicht. John Hillings stöhnte erneut auf und hatte einige Mühe, die Finger wieder zu strecken. Er mußte dazu seine linke Hand zu Hilfe nehmen. Die beiden Besucher, leicht angetrunken, witterten ein hübsches Intermezzo und stellten sorgfältig ihre Whiskygläser ab. Dann setzten sie sich in Marsch, um sich mit dem Butler zu befassen. Sie konnten nicht wissen, was sie erwartete. * Josuah Parker verstand sich selbstverständlich in der Kunst des Kendo. Er benutzte seinen Universal-Regenschirm als Bambus stock und blockte damit die ersten Schläge fast beiläufig ab. Nachdem die beiden Angreifer ihre ersten Blessuren eingesteckt hatten, ging der Butler zum Angriff über und ließ seinen altväter lich gebundenen Schirm wirbeln. Er traf Oberarme, Schultern, Hüften und Brustpartien. Es dauerte wirklich nur wenige Augen blicke, bis die beiden Männer groggy auf dem Boden saßen und sich ihrem Schmerz hingaben. »Sie werden sicher entschuldigen, meine Herren, daß ich ein wenig nachdrücklich werden mußte«, sagte Parker dann. Ihm war von diesem schnellen Kampf überhaupt nichts anzumerken. Sein Atem ging um keine Spur schneller als sonst. »Ich hab’s gesehen, aber ich glaub’s nicht«, sagte John Hillings, »schon gut, Sir, schon gut, ich gebe auf. Ich habe die Nase voll.« »Vielleicht ließe es sich ermöglichen, Mylady ein kleines Kreis laufstärkungsmittel zu servieren?« »Natürlich, natürlich.« John Hillings war Dienstbereitschaft in Person. »Einen kleineren Kognak«, meldete sich die ältere Dame zu 64
Wort, »Sie ahnen ja nicht, junger Mann, wie sehr mich das alles immer wieder mitnimmt.« »Einen Kognak? Sofort, sofort!« John Hillings humpelte zur Haus bar hinüber und servierte wenig später das Gewünschte. Er war dabei vorsichtig und blieb auf Distanz. »Sehr hübsch, junger Mann.« Die Detektivin nickte gnädig. »Und jetzt möchte ich wissen, warum Sie Skelette herumliegen lassen.« »Wie war das, Mylady?« John Hillings staunte sichtlich. »Sie sind doch der geschiedene Mann der ermordeten Betsy Kil burn, nicht wahr?« »Wir haben uns vor einem Jahr getrennt«, bestätigte er, »Betsy hat daraufhin wieder ihren Mädchennamen angenommen, aber das alles ist doch kein Geheimnis. Was hat das mit Skeletten zu tun?« »Woher haben Sie sie bezogen? Von Mr. Lionel Hansom? Er wohnt ja auch hier in Richmond, nicht wahr?« »Ich verstehe nicht, was Sie mit diesen Skeletten wollen«, staunte John Hillings weiter, »ich soll solche Dinger herumliegen lassen? Wozu denn?« »Um gewisse Mitmenschen in Angst und Schrecken zu verset zen, Mr. Hillings«, schaltete sich der Butler ein, »darüber hinaus gehören Sie zum Kreis jener verdächtigen Personen, die man für fähig hält, Mrs. Betsy Kilburn ermordet zu haben…« »Das ist doch ausgemachter Unsinn. Ich sitze hier seit Stunden beim Poker… Fragen Sie doch meine Freunde! Und warum sollte ich meine ehemalige Frau ermordet haben?« »Natürlich aus Rache, junger Mann«, trumpfte die Detektivin auf, »sie hat Ihnen den Stuhl vor die Tür gesetzt und Sie gesell schaftlich unmöglich gemacht. Der Jet-Set, was immer das sein mag, ist Ihnen seitdem verschlossen. Da kann ein Mann wie Sie doch nur an Rache denken.« »Rache? Ich bin heilfroh, daß ich endlich wieder ein freier Mensch bin«, antwortete John Hillings, »Betsy hat mich doch nur herumkommandiert und bevormundet. Sie wollte aus mir einen cleveren Geschäftsmann machen, obwohl sie von Anfang an wuß te, daß ich mich dafür nicht interessiere. Sie ahnen ja nicht, wie gern ich in die Scheidung eingewilligt habe.« »Die Sie finanziell ruinierte, junger Mann«, erklärte Lady Agat ha. 65
»Unsinn, Mylady, äh, Entschuldigung, ich meine, das stimmt nicht. Ich komme ganz gut zurecht, wie Sie hier sehen. Wegen Betsy gehe ich doch kein Risiko ein und unter Umständen für zwanzig Jahre oder mehr in ein Gefängnis. Nein, diesen Gefallen tue ich ihr nicht.« »Ihre geschiedene Frau wurde erstochen, Mr. Hillings«, warf Jo suah Parker ein, »hatte sie Feinde?« »Keine besonderen, Sir«, entgegnete John Hillings schnell und höflich. »Was mich betrifft, habe ich Betsy seit Wochen und Mo naten nicht mal aus der Entfernung gesehen. Aber wie war das mit den Skeletten? Das habe ich nicht kapiert… Richtige Skelet te?« »Mit Zigarren zwischen den Zähnen, junger Mann«, antwortete die ältere Dame, »aber warum sage ich Ihnen das? Sie wissen doch besser Bescheid als ich – nur, eine Lady Simpson ist nicht zu täuschen!« »Sie sind auf dem Holzweg, Mylady, ich meine, Sie irren sich«, widersprach der ehemalige Mann der ermordeten Betsy Kilburn, »ich weiß überhaupt nichts. Man scheint Ihnen das Falsche einge flüstert zu haben. Und ich kann mir auch vorstellen, wer das ge wesen ist: nämlich meine ehemalige Schwiegermutter.« »Sie hat nicht gerade ein Loblied auf Sie gesungen.« »Weil ich nie nach Ihrer Pfeife getanzt habe«, meinte John Hil lings. »Aber was immer sie auch behaupten mag, sie muß es erst mal beweisen. Lächerlich, daß ich mit Skeletten durch die Gegend rennen soll.« »Vielleicht sind Sie in der glücklichen, geradezu beneidenswer ten Lage, Mylady dienlich sein zu können«, schickte Josuah Par ker voraus, »würden Sie die Güte haben, eine Liste der Personen zusammenzustellen, mit denen die teure Verblichene gesellschaft lich und freundschaftlich verkehrte?« »Und diese beiden Jammerlappen werden Ihnen dabei helfen, junger Mann«, ordnete die ältere Dame an und zeigte auf die bei den Sportler, die noch immer unter den Kendo-Schlägen litten. »Okay, wenn Sie sich davon was versprechen.« John Hillings zuckte die Achseln. »Ich verspreche Ihnen, daß ich keinen auslas sen werde. Sie sollen Ihre Liste bekommen.« »Jetzt und sofort«, sagte Agatha Simpson energisch, »inzwi schen können Sie mir noch eine kleine Erfrischung reichen, junger Mann.« 66
Sie ließ sich in einem der Sessel nieder, richtete sich häuslich ein und gedachte das Feld erst dann zu räumen, wenn sie die Liste in Händen hielt. Sie hatte gerade einen kleinen Schluck ge trunken, als das Telefon sich meldete. »Mit Ihrer Erlaubnis, Mr. Hillings, werde ich das Gespräch ent gegennehmen«, ließ Parker sich vernehmen. Hillings, der aufge sprungen war, blieb zögernd stehen, während der Butler an den Apparat ging und den Hörer abnahm. »Rander hier«, hörte er die Stimme des Anwalts, »na, wie klappt’s bei Hillings, Parker?« »Man könnte von einer bemerkenswerten Kooperationsbereit schaft sprechen, Sir«, erwiderte der Butler. »Sie befinden sich in den Räumen der Firma Lionel Hansom?« »Wie vereinbart, Parker«, sagte Mike Rander. »Miß Porter geht gerade die Geschäftsbücher durch. Hansom spielt freiwillig mit und scheint uns helfen zu wollen. Ich glaube, Parker, daß dieser Mann astrein ist.« »Darf ich mich erkühnen, Sir, daß man auch den Lagerbestand auf etwaige Diebstähle hin kontrolliert?« fragte der Butler. »Natürlich dürfen Sie sich erkühnen, Parker, und ich werde… Moment mal, da scheint was durch die Büsche zu kriechen… Nein. Ich werde später noch mal anrufen. Ich glaube, wir sollen besucht werden. Bis gleich, Parker, ich fürchte, ich werde mich körperlich betätigen müssen. Ende!« Parker legte auf und wandte sich an Lady Simpson, die die Schreibarbeiten der drei jungen Männer kontrollierte. »Neuigkeiten, Mr. Parker?« wollte sie wissen. »Keineswegs, Mylady«, schwindelte der Butler ein wenig, um die Dynamik seiner Herrin nicht neu zu entfachen. »Mr. Rander erkundigte sich nur nach Myladys Wohlbefinden.« »Ich fühle mich ausgezeichnet«, meinte Agatha Simpson und nickte den drei eifrig Schreibenden fast ein wenig wohlwollend zu, »die Schreibarbeiten werden doch recht zügig abgewickelt, o der?« Parker nickte andeutungsweise und dachte an Kathy Porter und Mike Rander. Er konnte nur hoffen, daß es in Lionel Hansoms Firmenräumen nicht zu Komplikationen kam. * 67
Mike Rander beobachtete den Mann, der seiner Schätzung nach dreißig war. Dieser Besucher auf dem Gelände der Firma Lionel Hansom trug Jeans und eine hüftlange Lederjacke. Er pirschte gerade an die langgestreckten, ebenerdigen Gartengebäude her an, in denen die Skelette hergestellt und zusammengesetzt wur den. Daß er nicht in friedlicher Absicht gekommen war, ließ sich erkennen. Dieser Besucher schien es auf Lionel Hansoms Büro abgesehen zu haben. Mike Rander schob das Fenster hoch – er befand sich im vorde ren Teil des Hauses – stieg nach draußen und arbeitete sich vor sichtig an den heimlichen Besucher heran. Es zeigte sich, daß der Anwalt keineswegs ein leicht snobistischer, superlässiger Mann war, der seiner Umwelt gelangweilt oder gar spöttisch gegenü berstand. Mike Rander glich plötzlich einem durchtrainierten Ein zelkämpfer, der alle Tricks des Anschleichens beherrschte. Er schaffte es ohne jede Schwierigkeit, sich hinter den Besucher zu setzen und ihm vorsichtig zu folgen. Der Mann hatte inzwi schen hinter einem Firmenwagen Position bezogen und beobach tete eindeutig die Personen in Hansoms Büro. Dabei konnte es sich nur um den Inhaber der Firma und um Kathy Porter handeln. Mike Rander bückte sich und raffte eine Handvoll Feinkies zu sammen, um gewappnet zu sein. Dann wartete er geduldig und ließ den Besucher nicht aus den Augen. Der griff gerade in beide Taschen seiner hüftlangen Lederweste und zog einen Revolver hervor. In der anderen Hand hielt er einen Schalldämpfer, den er fachgerecht aufschraubte. Mike Rander konnte leider nicht warten, bis der Mann sein Ziel anvisierte. Dieses Risiko war ihm einfach zu groß. Rander räus perte sich also andeutungsweise. Der Mann reagierte blitzschnell, fuhr herum, konnte aber nicht sofort schießen, da er die Waffe gesenkt hielt und der Schalldämpfer ihn behinderte. Der Anwalt sorgte erst mal dafür, daß der Mann den Feinkies hinnehmen mußte. Er fuhr zurück, schloß instinktiv die Augen und warf sich dennoch geistesgegenwärtig zur Seite, um einem Angriff zu entgehen. Mike Rander hatte mit solch einer Reaktion gerechnet. Er hech tete auf den wegduckenden Mann und brachte seine Handkante ins Spiel. Der Mann wurde nur halb erwischt, rollte sich weiter seitlich ab und wollte um jeden Preis schießen. Er verzichtete 68
dann allerdings darauf, nachdem der Anwalt ihm die Faust auf die Nase gesetzt hatte. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis der Be sucher still und ruhig lag. Mike Rander nahm die Waffe an sich, durchsuchte die Innenta schen des Mannes und entdeckte einige Papiere, die den Schluß zuließen, daß er es mit einem Mann namens Hank Grapes zu tun hatte. Und dieser Hank Grapes war einer der beiden Klempner, mit denen der inzwischen von McWarden festgenommene Andy Bilton zusammengearbeitet hatte. »Nun kommen Sie schon, Mann«, sagte Rander und lehnte sich gegen den kleinen Lieferwagen. Er sah auf seinen Gegner hinun ter, der sich schwach rührte, »beeilen Sie sich, ich möcht’ ‘ne spannende Geschichte hören.« »Meine Nase«, stöhnte der verhinderte Schütze. »Die kann noch viel mehr vertragen, wetten? Wer hat Sie losge schickt und auf Hansom angesetzt?« »Wer ist Hansom?« stöhnte der Mann. »Okay, ich werde die Frage noch mal wiederholen, aber dann nicht mehr, klar?« Rander drückte sich mit dem Rücken vom Lie ferwagen ab und ging langsam auf den Mann zu, der sich leicht aufrichtete. Rander rechnete mit einem überraschten Angriff und richtete sich darauf ein. Er hatte sich nicht getäuscht. Der Mann, der eben noch wehleidig getan hatte, entwickelte explosionsartig Sprungkraft und Härte. Er wollte den Anwalt mit dem Kopf nie derrammen. Er lief in Randers angewinkeltes Knie, schnappte nach Luft und flog zurück auf den Weg. Er erhob sich erneut, doch diesmal we sentlich langsamer, und wollte mal angreifen, rutschte dann aber haltlos in sich zusammen. »Immer dieser Ehrgeiz«, meinte der Anwalt, »kommen Sie, Grapes, stecken Sie erst mal für ein paar Jährchen auf. Andy Bil ton und ein Chief-Superintendent warten bereits auf Sie, falls Sie das Interview mit Lady Simpson überstehen sollten.« * »Darf ich die Herren Chetway und Grapes zu einem Intensivbad einladen?« Josuah Parker hatte das fensterlose »Gästezimmer« im Souterrain des Hauses betreten und deutete eine knappe Ver 69
beugung an. »Intensivbad?« fragte der Mann, der das Säureattentat auf Lady Simpson und Butler Parker hatte begehen wollen und nach seiner Flucht mittels der Gabelschleuder und einer Tonmurmel zu einem Besuch in Shepherd’s Market eingeladen worden war. Seine Identität stand inzwischen ebenfalls fest. Es handelte sich um den ersten Klempner, nämlich um Peter Chetway, der vor einer Stunde den Kofferraum von Parkers hochbeinigem Monst rum verlassen durfte. Er und sein Partner Hank Grapes hatten sich inzwischen ausgetauscht und fühlten sich hier im Haus nicht sonderlich wohl. »Sie sollten sich hinsichtlich des Bades vielleicht überraschen lassen«, schlug der Butler gemessen vor, »Mylady hat sich dem anstehenden Kriminalfall angepaßt, wenn ich so sagen darf.« »Hören Sie mal«, sagte Grapes, der von Mike Rander als Gast eingeliefert worden war, »wir verlangen sofort, von der Polizei verhaftet zu werden… Nur der Polizei gegenüber werden wir ‘ne Aussage machen.« »Sie sollten sich nicht vorschnell festlegen, Mr. Grapes«, ent gegnete der Butler, »Sie sollten sich zusammen mit Mr. Chetway erst mal das Bad näher ansehen. Es ist beeindruckend, wenn ich dies vorab andeuten darf.« Chetway und Grapes kamen gar nicht erst auf den Gedanken, sich mit dem Butler anzulegen. Von Parker ging eine Autorität aus, die sie einschüchterte. Der Butler trat zur Seite und gab die Tür frei. Chetway und Grapes kamen zögernd näher und passier ten den Butler. Auch jetzt wagten sie es nicht, sich mit ihm anzu legen. Sie spürten, daß sie diesem Mann auf keinen Fall gewach sen waren. »Den Korridorgang hinunter, wenn ich bitten darf«, sagte Par ker, der ihnen folgte. »Die zweite Tür rechts, um ganz genau zu sein.« »Aus uns bekommen Sie nichts ‘raus«, behauptete Chetway mit unsicherer Stimme. Er blieb kurz stehen und wandte sich zu Par ker um, der aber nicht antwortete, sondern auf die erwähnte Tür deutete. Chetway und Grapes, die beiden Klempner, in deren Werkstatt man immerhin zwei Skelette in Badewannen gefunden hatte, zögerten deutlich, die Tür zu öffnen. Sie zuckten zusam men, als dies von innen geschah. In der geöffneten Tür erschien Lady Simpson, die eine fast riesig zu nennende Gummischürze 70
trug und sich gerade Gummihandschuhe überstreifte. »Worauf warten Sie noch?« grollte sie, »soll ich Ihnen etwa Beine machen?« Chetway und Grapes beeilten sich, den Raum zu betreten und blieben sofort stehen. Sie befanden sich in einem fast leeren Kel ler, in dessen Mitte eine Badewanne stand. Links von der email lierten Wanne waren zwei große Glasballons zu sehen, die leer waren. Im Raum roch es penetrant nach Säuren. »Was… Was soll denn das?« fragte Grapes. Seine Stimme klang heiser. »Ein Intensivbad, meine Herren«, meinte Agatha Simpson auf gekratzt, »Mr. Parker hat auf meine Veranlassung hin Salz- und Schwefelsäure gemischt. Die Wirkung ist erstaunlich. Mr. Parker, eine kleine Demonstration!« »Sehr wohl, Mylady«, erwiderte der Butler und verbeugte sich, »wünschen Mylady die sogenannte Fleischprobe?« »Sie überzeugt, Mr. Parker«, meinte die Detektivin animiert und wandte sich dann an Chetway und Grapes, »Mr. Parker wird für seine Demonstration ein Steak opfern. In wieviel Sekunden glau ben Sie, wird das Stück Fleisch in der Mischung verschwunden sein?« »My… My… Mylady, das ist Mord«, stotterte Grapes, der immer hin vorgehabt hatte, mit seinem schallgedämpften Revolver auf Menschen zu schießen. »Wie kann man ein Steak ermorden, junger Mann?« fragte die ältere Dame vergnügt. »Ich meine, falls Sie Chetway oder mich… Wissen Sie über haupt, was Salz- und Schwefelsäure ist?« »Ich werde es gleich ganz genau wissen«, antwortete die Lady und deutete auf die Wanne, »und Sie werden es mir zeigen!« »Wir… wir sind doch keine Steaks«, keuchte Grapes. »Aber nein«, redete Agatha Simpson genußvoll weiter, »noch sind Sie Gangster aus Fleisch und Blut, die mich und meine lieben Freunde mit Säure überschütten wollten. Denken Sie an meinen Landrover, denken Sie an Mr. Parkers Wagen!« »Darf man mal zusehen?« war in diesem Moment von der Tür her Mike Randers Stimme zu hören. Er und Kathy Porter schoben sich in den Raum. Der Anwalt hielt die schallgedämpfte Waffe in der Hand, die er Hank Grapes abgenommen hatte. »Wenn Sie gestatten, Sir, möchte ich darauf verweisen, daß der 71
Anblick nicht sehr ästhetisch sein wird«, warnte Josuah Parker in seiner höflichen Art. »Die Säuremischung ist ungemein aggressiv, wenn ich so sagen darf.« »Sie… Sie wollen uns umbringen?« flüsterte Peter Chetway. »Aber auf keinen Fall, junger Mann«, widersprach die ältere Dame, »wir möchten Ihnen nur demonstrieren, womit Sie mich bedenken wollten.« »Ihre Skelette werden mit behutsamer Pietät behandelt wer den«, versprach Josuah Parker, »Mylady wird sie Ihrem Auftrag geber zusenden.« »In Geschenkverpackung«, fügte Lady Agatha grimmig hinzu, »ans Werk, Mr. Parker. Ich bin gespannt, wie lange es dauern wird, bis Sie mir das erste Skelett präsentieren können.« * »Schnellere und ausführlichere Geständnisse habe ich noch nie bekommen«, sagte Chief-Superintendent McWarden eine Stunde später, »Chetway und Grapes haben ununterbrochen geredet… Und sie haben ihren Boß Bilton total in die Pfanne gehauen. Ent schuldigen Sie diesen Ausdruck, Mylady, aber einen besseren Vergleich kann ich nicht anbieten.« »Sie möchten sicher noch einen Sherry, mein lieber McWarden, ja?« fragte sie überaus freundlich. »Nichts dagegen einzuwenden, Mylady. Wie gesagt, die beiden Morde an Anthony Banbury und Betsy Kilburn sind aufgeklärt. Sie gehen auf das Konto von Chetway und Grapes. Bei dieser Gele genheit haben wir erst überhaupt erfahren, daß die beiden an geblichen Klempner ausgesprochene Killer sind. Und Andy Bilton war ihr Kontaktmann, der diese Mordaufträge entgegennahm.« »Was wären Sie ohne mich, mein lieber McWarden«, fragte A gatha Simpson sehr anzüglich, »Ihr Sonderdezernat hätte längst Konkurs anmelden müssen.« McWarden verzichtete auf jeden Ein- oder Widerspruch. Er war mehr als zufrieden. Zwei Mordfälle waren im Handumdrehen ge löst worden. Die Täter hatten in seinem Büro gestanden und Ein zelheiten berichtet, die eine Anklageerhebung hieb- und stichfest begründeten. »Wie haben Sie es eigentlich geschafft, Chetway und Grapes 72
dazu zu bringen, die Morde einzugestehen?« wollte er wissen. »Ich darf doch hoffen, daß kein Druck angewendet worden ist.« »Aber auf keinen Fall, mein lieber McWarden«, antwortete Lady Simpson, die mit ihrem Salon so etwas wie Hof hielt. Sie erfrisch te ihren Kreislauf mit einen Kognak und fühlte sich als Siegerin auf der ganzen Linie. Sie deutet auf den Butler. »Mr. Parker wird Ihnen sagen, wie es zu dieser Geständnisfreudigkeit gekommen ist.« »Die Herren Chetway und Grapes erhielten eine Art Demonstra tion in Sachen Salz- und Schwefelsäure«, erklärte Josuah Parker, »man ging davon aus, daß ihnen die Wirkungsweise der erwähn ten Säuren unbekannt war, obwohl sie in zwei Fällen wenigstens per Milchflasche Säure-Attentate begingen.« »Und wie haben Sie diese Säuren demonstriert, Mr. Parker?« wollte McWarden genauer wissen. »Auf Wunsch könnten Sie die betreffenden Wanne sehen, Sir.« »Sie haben eine Wanne voll Säure im Haus?« McWardens Ge sicht wurde ernst. »Und zwar eine, die gut gefüllt ist, mein Lieber«, ließ die ältere Dame sich vernehmen. »Chetway und Grapes waren beeindruckt«, warf Mike Rander ein. »Sie unternahmen noch nicht mal einen Fluchtversuch«, fügte Kathy Porter hinzu. »Das möchte ich mir unbedingt ansehen«, verlangte der ChiefSuperintendent, »Sie haben die beiden Killer doch nicht etwa ge nötigt oder unter Druck gesetzt?« »Aber nein«, flötete die ältere Dame förmlich, »es ist doch wohl juristisch einwandfrei, wenn ich zwei Killern eitle Badewanne zei ge, nicht wahr?« »Es kommt darauf an, was in der Wanne ist, Mylady«, entgeg nete der Chief-Superintendent und folgte dann Parker und Myla dy, die vorausgingen, um ihn ins Bild zu setzen. Mike Rander und Kathy Porter blieben zurück. »Ich frage mich immer wieder, ob es unterhalb dieses Souter rains hier nicht noch einen zweiten Keller gibt«, meinte der ChiefSuperintendent, als er im Korridor war. »Wie kommen Sie denn darauf?« wollte Agatha Simpson amü siert wissen. »Eine Sache des Gefühls«, redete McWarden weiter, »ich möch 73
te wetten, daß dieses Fachwerkhaus eine Menge Geheimnisse birgt.« »Schnickschnack, McWarden«, sagte die Detektivin, »aber wenn es Sie beruhigt, könnte Mr. Parker ja mal bei Gelegenheit nach weiteren Kellerräumen suchen.« »Der Demonstrationsraum«, verkündete der Butler inzwischen und öffnete die Tür zum fensterlosen Raum. Er schaltete Licht ein und deutete auf die emaillierte Badewanne. McWarden nahm sie kurz in Augenschein und konzentrierte seine Aufmerksamkeit dann auf die beiden großen Glasballons. Die Etiketten darauf sprachen eindeutig von Salz- und Schwefelsäure. »Jetzt wird mir alles klar«, sagte McWarden und schnaufte ein wenig. Er deutete auf die Flüssigkeit in der Badewanne. »Sie ha ben Chetway und Grapes angedroht, sie dort in die Säure zu set zen, nicht wahr?« »In die Badewanne, Sir«, korrigierte der Butler, »dies werden die beiden Herren jederzeit bestätigen können.« »In eine Wanne, die mit Säure gefüllt ist«, meinte der ChiefSuperintendent und deutete auf die beiden leeren Glasballons. »Das haben die beiden Subjekte möglicherweise angenom men«, antwortete die Detektivin, »aber dafür kann ich doch nichts… Die Flüssigkeit in der Wanne ist ein Gemisch aus, wie heißt es noch, Mr. Parker?« »Glyzerin und Frostschutzmittel«, erläuterte der Butler, »die E tiketten auf den Glasballons sind vielleicht ein wenig irreführend.« »Und das werde ich Ihnen beweisen, McWarden«, meinte Lady Agatha. »Mr. Parker, würden Sie unseren lieben Gast überzeu gen?« Josuah Parker streifte einen seiner weißen Servierhandschuhe ab und senkte die Hand in die Flüssigkeit. McWardens Gesicht lief rot an. Er hüstelte, lächelte dann ein wenig sauer und wandte sich ab. »Überzeugt?« fragte die ältere Dame. »Ich hätte nicht in der Haut dieser beiden Killer stecken mö gen«, sagte er dann und schüttelte sich, »die müssen doch ange nommen haben, daß sich in der Wanne Säure befindet.« »Eine Frage der Vorstellungskraft und Phantasie, Sir«, entgeg nete der Butler, »dazu mögen die beiden Etiketten beigetragen haben, die man vergaß, vom Glas zu lösen.« »Danke, mir reicht das bereits.« McWarden schüttelte sich noch 74
mal. »Ich habe schon begriffen, die beiden Aufschriften auf den Glasballons sind nur rein zufällig nicht entfernt worden.« »So sollten Sie es sehen, mein lieber McWarden«, antwortete die ältere Dame, »als Mr. Parker den Irrtum bemerkte und die beiden Männer entsprechend beruhigte, hatten sie bereits ihre ersten Geständnisse abgelegt.« »Haben sie über die beiden Morde hinaus noch mehr zu sagen gehabt, Mr. Parker?« wollte der Chief-Superintendent wissen. Er fragte in einem völlig beiläufigen Ton, als käme es ihm darauf gar nicht an. »Worauf spielen Sie an, McWarden?« schnappte die Lady sofort zu. »Wer die wirklichen Auftraggeber von Bilton, Chetway und Gra pes sind, Mylady«, sagte McWarden, »dann müßte man noch wis sen, wer die Skelette besorgt und abgestellt hat.« »Haben die beiden Killer und Bilton dazu noch etwas ausge sagt?« erkundigte sie sich ebenfalls beiläufig. »Dazu fiel kein Wort«, meinte der Chief-Superintendent, »Chetway und Grapes brauchten eine Verschnaufpause. Ich kann jetzt verstehen, daß ihr Schock nicht gespielt ist.« McWarden deutete auf die Badewanne, die beiden Glasballons und bekam eine Gänsehaut. »Haben Sie sich nicht so, mein lieber McWarden«, raunzte die ältere Dame prompt, »immerhin haben Chetway und Grapes mit echter Säure ihre Attentate ausführen wollen. Das ist doch wohl ein Unterschied, oder?« * »Sehen Sie sich das an«, sagte John Hillings, der geschiedene Mann der ermordeten Betsy Kilburn. Der Playboy machte einen entnervten Eindruck und hatte eindeutig Angst. Nachdem er die Tür geöffnet hatte, führte er Parker und Rander in seine Dachgar tenwohnung und blieb dann sicherheitshalber an der breiten Glas tür stehen, die auf den eigentlichen Dachgarten führte. »Ein hübsches Skelett, Hillings«, meinte der Anwalt lässig und ging auf den Dachgarten, der wie ein regulärer Garten ausgestat tet war, wenn man mal vom fehlenden echten Rasen absah. Auf dem Boden lag ein Rasen aus Kunststoff und standen Kübelpflan 75
zen, die sogar Zierbäumchen glichen, was ihre Höhe betraf. »Wann wurden Sie auf Ihren seltsamen Gast aufmerksam, Mr. Hillings?« erkundigte sich der Butler bei dem Wohnungsinhaber, der einen übernächtigten Eindruck machte und noch einen Smo king trug. Es war früher Morgen, und Hillings schien gerade erst von einer Party zurückgekehrt zu sein. »Das liegt jetzt eine knappe halbe Stunde zurück, Mr. Parker«, lautete Hillings’ Antwort, »reiner Zufall, daß ich ‘raus auf den Dachgarten gegangen bin. Und dann sah ich plötzlich dieses Ske lett auf dem Liegestuhl.« Er traute sich nicht auf den Dachgarten und blieb an der Glastür stehen. Josuah Parker begab sich zu dem Skelett und nahm es in Augenschein. Der Knochenmann lag entspannt auf dem bunt be druckten Segeltuch und schien zu lächeln. »Ein Trick von diesem Hillings, wie?« fragte Mike Rander den Butler. »Eine Möglichkeit, die einige Wahrscheinlichkeit in Anspruch nehmen kann, Sir.« »Fühlen wir diesem Knaben mal auf den Zahn«, schlug der An walt vor, »ich meine selbstverständlich nicht das Skelett.« »Der Lieferant dieses Knochengebildes hat die obligate Zigarre vergessen«, sagte Josuah Parker. »Mit Zigarre sehen die Dinger tatsächlich menschlicher aus«, fand Mike Rander und ging zurück zu John Hillings, der nervös eine Zigarette rauchte. »Ich kann mir nicht erklären, wie das Skelett auf den Dachgar ten gekommen ist«, meinte Hillings, »von außen her ist es un möglich.« »Man wird durch Ihre Wohnung gegangen sein, Hillings«, ant wortete der Anwalt. »Aber die ist erstklassig gesichert, Mr. Rander«, entgegnete der Geschiedene. »Zwei Yale-Schlüssel knackt man nicht so ohne weiteres. Und die Tür ist völlig unbeschädigt.« »Sie sollten mal sehen, wie schnell Mr. Parker komplizierte Schlösser beschwören kann«, meinte der Anwalt, »Sie haben nicht etwa einen Anruf erhalten oder so?« Bevor John Hillings darauf antworten konnte, meldete sich das Telefon. »Klappt ja bestens«, meinte Rander ironisch und deutete auf den Apparat, »heben Sie ab, Hillings! Ich wette, das Skelett mel 76
det sich…« »Das Skelett, Mr. Rander?« John Hillings machte einen verwirr ten Eindruck. »Unsere Codebezeichnung für den Burschen, der die Skelette deponiert, Hillings«, erklärte der Anwalt, »heben Sie doch endlich ab, lassen Sie das Skelett lieber nicht warten!« John Hillings zögerte einen Moment. Es kostete ihn dann sicht lich Mühe, den Hörer aus der Gabel zu nehmen. Er nannte seinen Namen, drehte sich abrupt zu Rander um und nickte. »Was wollen Sie von mir?« fragte er dann in die Sprechmu schel, »wieso setzen Sie mir ein Skelett auf den Dachgarten? Wollen Sie Geld? Oder was, zum Henker, verlangen Sie von mir?« Er hörte einen Moment, legte dann den Hörer in die Gabel zu rück und machte ein nachdenkliches Gesicht. »Raus mit der Sprache, Hillings, man scheint Ihnen etwas ge sagt zu haben.« Mike Rander blieb lässig und skeptisch. »Verrückt«, meinte Hillings schließlich. Auf seiner Stirn hatten sich eindeutig kleine Schweißperlen gebildet, »verrückt, Mr. Rander. Man hat mir gesagt, auch ich würde bald wie das Skelett da draußen in irgendeinem Liegestuhl hängen.« »Man will Sie in ein Skelett verwandeln?« Rander lächelte. »So war’s zu verstehen. Verdammt, ich habe keine Ahnung, wer mich da fertigmachen will. Ich soll in ein Säurebad gesteckt wer den. Das hat der Kerl auch noch gesagt.« »Es war eindeutig eine Männerstimme, Hillings?« »Eine sehr deutliche, aber es muß eine Männerstimme gewesen sein. Hören Sie, was kann ich tun? Ich habe keine Lust, mich ab schlachten zu lassen. Säurebad… Skelett! Das ist doch heller Wahnsinn.« »Dem man konsequent begegnen sollte, Mr. Hillings«, schaltete sich der Butler ein, der den großen Wohnraum betrat, »Sie waren so überaus entgegenkommend, zusammen mit Ihren Freunden eine Liste derjenigen Personen zusammenzustellen, die einem gewissen Jet-Set angehören.« »Es waren vor allen Dingen Personen, mit denen meine Ge schiedene, ich meine, Betsy, verkehrte«, schränkte Hillings ein. »Würden Sie die Güte haben, diese Liste ein wenig zu erwei tern, Mr. Hillings?« bat der Butler, »jetzt geht es um jene Perso nen, die dem Kreis jenes Jet-Set angehören, in dem Sie zu Hause sind.« 77
»Und wozu soll das gut sein?« wollte Hillings wissen. »Vielleicht gibt es noch weitere Personen, die inzwischen mit ei nem Skelett bedacht worden sind, Mr. Hillings«, gab Josuah Par ker zu bedenken. »Glauben Sie?« Hillings runzelte wieder die Stirn, »wissen Sie, Mr. Parker, die Namen, die wir Ihnen bereits aufgeschrieben ha ben, sind fast identisch mit denen, die Sie jetzt auch noch haben wollen.« »Könnten Sie Ihre Bereitschaft zur Mitarbeit auf die Spitze trei ben, Mr. Hillings?« schickte der Butler voraus. »Könnten Sie die betreffenden Herrschaften jetzt anrufen und sie nach etwa abge lieferten Skeletten fragen?« »Jetzt, Mr. Parker?« Hillings tupfte sich weitere Schweißperlen von der Stirn. »Sie ersparen uns damit ‘ne Menge Arbeit, Hillings«, fügte Mike Rander hinzu, »ich nenne Ihnen die Nummern, und Sie wählen die Leute an. In ein paar Minuten haben Sie dann alles schon ü berstanden.« »Okay«, erklärte Hillings sich bereit, »bringen wir es hinter uns, aber ich sage Ihnen gleich, daß das nichts bringen wird. Warum sollten diese Leute Skelette bekommen haben? Auch ich habe keine Ahnung, warum man mir dieses Ding auf den Dachgarten gelegt hat. Ich habe nicht den blassesten Schimmer.« * »Doch, doch, ich habe Ihre Stimme erkannt«, rief Derek Cha ring, »warten Sie einen Moment, Mylady, ich werde sofort öff nen.« »Darum möchte ich endlich auch gebeten haben«, grollte die äl tere Dame, die zusammen mit Kathy Porter vor der Tür des Junggesellen stand, der sein Skelett bereits erhalten hatte. Da man ihm ein Säurebad angekündigt hatte, schien Derek Charing sich verbarrikadiert zu haben. Man hörte das Zurückziehen einiger Riegel, dann wurden Schlüssel bewegt. Endlich öffnete sich die Tür, die aber immer noch von einer Sicherheitskette gehalten wurde. »Haben Sie etwa Angst, Charing?« fragte die Detektivin spöt tisch. 78
»Und ob, Mylady«, antwortete der Junggeselle, der sich laut Agatha Simpson mal für sie interessiert haben sollte, »ich denke nicht daran, die Wohnung zu verlassen. Ich warte, bis man dieses Skelett gefaßt hat.« »Das kann nicht mehr lange dauern«, versprach die ältere Da me, »sind Sie noch mal angerufen worden?« »Nicht wieder«, lautete Derek Charings Antwort. Der mittelgro ße, rundliche Mann hatte die Sicherheitskette ausgehakt und ließ die beiden Frauen eintreten. Hinter ihnen schloß er schnell wieder die Tür und legte zwei Riegel vor. »Vergessen Sie die Sicherheitskette nicht, Charing«, erinnerte Agatha Simpson anzüglich. »Machen Sie sich nur ruhig lustig, Mylady, aber ich möchte nicht gerade in Säure gebadet werden.« Derek Charing legte tatsäch lich die Sicherheitskette vor, »so, jetzt fühle ich mich wieder et was sicherer. Darf ich Ihnen etwas anbieten?« »Einen winzigen Kognak vielleicht«, gab sie zurück. Charing nickte und wollte sich an die Bitte der älteren Dame halten. Er ging mit dem Kognak mehr als sparsam um. Die Lady nahm ihm daraufhin die Flasche aus der Hand und füllte ihren Schwenker nach. Aus dem winzigen wurde so ein dreifacher Kognak. »Was kann ich sonst noch für Sie tun?« fragte Charing, der die se Korrektur kaum mitbekommen hatte. »Sie kennen die Kilburns, Charing?« fragte Agatha Simpson. »Rose Kilburn… Betsy Kilburn.« Charing nickte. »Woher kennen Sie sie?« bohrte die Detektivin weiter. »Warum fragen Sie? Ist etwas passiert, Mylady?« »Beantworten Sie erst mal meine Frage, Charing. Woher ken nen Sie die Kilburns?« »Wir verkehren in einem Club, draußen in Richmond«, entgeg nete Derek Charing, »das Haus steht gleich an der Themse. Es ist ein sehr konservativer Club.« »Ist Ihnen schon mal Betsy Kilburns Mann über den Weg gelau fen?« »Natürlich, ein unmöglicher Bursche, ein Windhund, würde ich sagen. Betsy ließ sich ja auch von ihm scheiden.« »Und was sagt Ihnen der Name Hansom, Lionel Hansom?« warf Kathy Porter ein. »Ich bedaure, dieser Name sagt mir nichts, Miß Porter. Wer soll te das sein?« 79
»Ein Hersteller von Skeletten, Charing«, erwiderte Lady Agatha. »Dann ist er der Mann den Sie suchen, Mylady?« »Durchaus möglich.« Sie nickte. »Würden Sie mir einen Gefal len erweisen?« »Aber gern, das heißt, wenn ich meine Wohnung nicht gerade verlassen muß.« »Rufen Sie doch die Mitglieder des Clubs an, und fragen Sie sie nach Skeletten.« »Aber Mylady, das kann man doch nicht machen. Das wäre ja schockierend.« »Zieren Sie sich gefälligst nicht, Charing. Dort steht das Tele fon.« Die Stimme der Lady grollte intensiv. Derek Charing beeilte sich zum Telefonapparat und hatte ihn noch nicht ganz erreicht, als das Telefon von selbst läutete. »Wer kann das sein?« Charing blieb wie angewurzelt stehen. »Heben Sie ab, Charing, dann wissen Sie es«, schlug die Detek tivin vor. Der Mann holte tief Luft, hob ab, nannte seinen Namen und verfärbte sich ein paar Sekunden später. Als er auflegte, er litt er so etwas wie einen Schwächeanfall. »Eine Drohung, ja?« fragte die Lady hoffnungsfroh. »Man will… Man will mich in ein Säurebad stecken«, stammelte Derek Charing und sackte dann auf einen Sessel. »Er braucht wahrscheinlich eine Kreislaufstärkung, Kindchen«, meinte Lady Simpson und deutete auf die Kognakflasche, »ich dann übrigens auch… Sie wissen doch, daß man uns verfolgt hat, nicht wahr? Das Skelett ist nach wie vor hinter mir her!« Sie machte einen durchaus vergnügten Eindruck und wartete, bis Kathy Porter für Mr. Derek Charing ein Glas gefüllt hatte. Dann nahm sie es ihrer Gesellschafterin aus der Hand und er frischte sich selbst. * Butler Parker und Mike Rander standen im Lift, der sie in die Eingangshalle des Hauses brachte, in dem John Hillings seine Dachgartenwohnung hatte. Der geschiedene Mann der Betsy Kil burn hatte seine Telefonate erledigt und in vier Fällen einen Tref fer erzielt. »Fast eine Masseninvasion an Skeletten, Parker«, meinte der 80
Anwalt, während man nach unten fuhr, »fast schon ein Ausver kauf.« »Ein seltsames Verwirrspiel, Sir, in der Tat«, antwortete der Butler, »in keinem Fall hat das Skelett, um bei diesem Codena men zu bleiben, finanzielle Forderungen angemeldet.« »Das wird der nächste Schritt sein, Parker. Zuerst sorgt dieses Skelett für Angst und Panik, um dann seine Opfer anzuzapfen, oder?« Die beiden Männer hatten das Erdgeschoß erreicht. Rander war tete darauf, daß sich die Doppeltür, die keinen Blick nach außen gestattete, öffnete. Dann wunderte er sich, denn Parker drückte, als sich die Doppeltür sich ruckartig bewegte, auf den Knopf für die erste Etage und benutzte die Zwinge seines UniversalRegenschirms, um ein Öffnen der Tür zu verhindern. Dennoch schaffte er es nicht ganz. Elektronisch gesteuert und vorpro grammiert, wollte sich die Tür um jeden Preis erst mal öffnen. Parkers Regenschirm hinderte sie jedoch daran. Die Tür rückte nur zu einem knappen Drittel zur Seite und blockierte dann. Genau in diesem Moment zerschellte eine Flasche an der Türkante und entließ eine stark säurehaltige Flüssigkeit, die in den Lift spritzte. Josuah Parker, normalerweise ein Mann der ge messenen Geste, riß Mike Rander blitzartig zu sich heran und be wahrte ihn so davor, von den Spritzern der Säure getroffen zu werden. Die ätzende Flüssigkeit landete auf dem mit dem Kunst stoff ausgelegten Boden und fraß sich augenblicklich in den Belag, wobei sich übelriechende Dämpfe entwickelten. Andere Spritzer hatten die Rückwand des Lifts erreicht und ätzten brandige Lö cher in die wie Holz gemaserten Kunststoffplatten. Dann schloß sich endlich die Tür, der Lift ruckte und fuhr wieder nach oben. Mike Rander starrte auf die häßlichen Ätzflecken und holte tief Luft. »Beim Allmächtigen, Parker, woher haben Sie das gewußt?« fragte er dann. »Eine Art Eingebung, Sir, wenn ich so sagen darf«, erklärte Jo suah Parker, »ich darf an den Anruf des Skeletts erinnern. Es muß demnach gewußt haben, daß Sie und meine Wenigkeit hier im Hause sind. Daraus ließ sich eine mögliche Schlußfolgerung ableiten, wonach mit einem Säureattentat zu rechnen sein muß te.« »Hat dieses verdammte Skelett sich neue Killer besorgt?« fragte 81
der Anwalt, »sehen Sie sich doch mal die Ätzflecken an… Wenn das Zeug uns erwischt hätte!« Sie hatten das erste Stockwerk erreicht, doch Parker hatte längst den nächsten Knopf gedrückt. Er wollte jedes Risiko ver meiden. Erst im dritten Stock verließen er und Mike Rander den Lift. Als sich die Tür öffnete, spannte der Butler sicherheitshalber seinen Universal-Regenschirm auf, um etwaige Säuren proviso risch abzuwehren. »Ich werde mich bei Gelegenheit bei Ihnen bedanken, Parker«, versprach der Anwalt und zündete sich eine Zigarette an, »ver dammt, das ist mir doch leicht an die Nieren gegangen.« »Das Skelett fühlt sich bedroht, Sir, sonst wäre eine Massierung der Anschläge nicht zu beobachten.« »Es wird höchste Zeit, daß wir den irrsinnigen Kerl stoppen«, antwortete Mike Rander, »aber haben wir überhaupt eine brauch bare Spur?« »Diese Frage möchte ich mir zu bejahen erlauben, Sir«, ent gegnete der Butler und sicherte das Treppenhaus, »man sollte die beiden Morde in Betracht ziehen.« »Anthony Banbury und Betsy Kilburn«, zählte der Anwalt auf. »Aber gibt es da überhaupt einen Zusammenhang? Zwei völlig verschiedene Menschen, was allein den gesellschaftlichen Um gang und das Lebensalter betrifft. Banbury war doch ein konser vativer Bursche, Betsy Kilburn hingegen verkehrte im Jet-Set.« »Dennoch liegt hier eindeutig der Schlüssel zur Klärung des an stehenden Falles, Sir. Warum, so sollte man tunlichst fragen, sind diese beiden bedauernswerten Menschen ermordet worden? Und zwar nicht mittels irgendwelcher Säuren, sondern per Messer und durch sogenannte Killer?« »Glauben Sie, daß McWarden aus Chetway und Grapes noch viel herausholen wird?« »Keineswegs, Sir, und auch im Fall Bilton dürfte kaum mit wei teren Teilgeständnissen zu rechnen sein. Meiner bescheidenen Ansicht nach wurden diese drei Kriminellen tatsächlich per Tele fon engagiert. Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf verwei sen, daß die beiden Stadtteile Richmond und Wandsworth anei nandergrenzen.« »Spielen Sie etwa auf unseren Skelett-Hansom an, Parker?« fragte Mike Rander. Sie hatten inzwischen den Ausgang erreicht und schritten zum hochbeinigen Monstrum des Butlers. 82
»Hier könnte ein Zufall vorliegen, Sir«, gab Parker zurück, »a ber über Mr. Hansom sollte man nachdenken. Seine Bücher mö gen in Ordnung sein, wie Miß Porter und Sie festgestellt haben, aber das besagt nicht, wie viele Skelette Mr. Hansom tatsächlich hat herstellen lassen.« »Oder selbst nach Dienstschluß hergestellt hat, Parker?« »Sehr wohl, Sir«, meinte Parker, »in diesem Zusammenhang sollte man sich nun auch intensiver mit den vier Angestellten un terhalten, die Mr. Hansom beschäftigt. Hier ergeben sich mögli cherweise interessante Ansatz-Punkte.« »Jetzt bin ich nur noch gespannt, ob und wie Lady Simpson bei Charing fündig geworden ist«, wechselte Mike Rander das Thema. »Worauf tippen Sie, Parker?« »Auch Mr. Derek Charing wird innerhalb seines Freundes- und Bekanntenkreises auf Personen gestoßen sein, die mit Skeletten und Säurebaddrohungen bedacht worden sind.« »Denke ich ebenfalls, Parker. Und ich… Sehen Sie sich mal den Wagen dort drüben an. Kommt der Ihnen nicht bekannt vor?« Mike Rander zeigte ungeniert auf einen dunklen Kastenlieferwa gen. »Das Firmenfahrzeug des Mr. Lionel Hansom, Sir«, antwortete Butler Parker, »ein Irrtum dürfte ausgeschlossen sein, zumal ich mir erlaubte, das Kennzeichen zu merken.« »Wir wär’s dann mit einer kleinen Verfolgungsjagd, Parker? Werden Sie den Anschluß noch schaffen?« »Meine bescheidene Wenigkeit wird sich alle erdenkbare Mühe geben, Sir«, gab Parker zurück, »wenn Sie bitte Platz nehmen und sich anschnallen würden?« * »Und?« fragte Agathe Simpson in gespannter Erwartung. »Ich will doch hoffen, daß Sie diesen Wagen eingeholt und gestellt haben, Mr. Parker, oder?« »Auf dem Firmengrundstück des Mr. Lionel Hansom, Mylady«, bestätigte der Butler, »am Steuer saß einer der vier Angestell ten.« »Aha, Hansom arbeitet also mit wenigstens einem seiner Ange stellten zusammen.« Sie nickte befriedigt. »Hansom hat endlich 83
gestanden?« »Keineswegs, Mylady«, ließ der Butler sich vernehmen, »Mr. Hansoms Mitarbeiter kam eindeutig, wie bewiesen werden konn te, von einem Postamt, wo er einige Skelett-Kisten aufgegeben hatte.« »Skelett-Kisten?« Die ältere Dame runzelte die Stirn und war unwillig. »Lieferungen an Kunden, Mylady«, meinte der Anwalt, »wir ha ben das später nachgeprüft. Es wurden tatsächlich vier große Kisten zum Versand gebracht.« »Man hat Sie natürlich übertölpelt«, behauptete Agatha Simp son umgehend, »man hat Ihnen Sand in die Augen gestreut. Das Auftauchen des Hansom-Wagens kurz nach dem Säureattentat spricht doch eine deutliche Sprache. Hansom will Sie an der Nase herumführen, aber in meinem Fall wird er das nicht schaffen. Eine Lady Simpson täuscht man nicht.« »Wir haben uns ausführlich mit den vier Mitarbeitern unterhal ten«, berichtete Mike Rander weiter, »ich glaube nicht, daß sie mit den Skeletten und Säureattentaten etwas zu tun haben. Diese vier kalten Knaben sind mit Sicherheit harmlos und unschuldig.« »Wie leicht man Sie doch aufs Glatteis führen kann«, seufzte Agatha Simpson, »Hansom und seine vier Mitarbeiter stecken alle unter einer Decke…« »Und warum sollten Hansom und seine vier Mitarbeiter die bei den Morde bestellt haben, Mylady?« fragte der Anwalt. »Ein Motiv ist weit und breit nicht zu erkennen. Finanziell steht die Firma Hansom auf sehr festen Beinen. Der Auftragsbestand ist bestens. Warum also sollte Hansom die Skelette verschickt haben?« »Diese letzte Kleinigkeit wird Mr. Parker noch herauszufinden haben«, entschied Lady Agatha großzügig. »Wie Mylady meinen«, antwortete Parker höflich. »Darf man bei dieser Gelegenheit höflich nachfragen, ob der Besuch bei Mr. De rek Charing erfolgreich verlief?« »Kindchen, erzählen Sie…« Die Detektivin wandte sich an Kathy Porter, die sich ebenfalls im Salon des Hauses in Shepherd’s Mar ket befand. »Sechs Skelette«, sagte Myladys Gesellschafterin lakonisch, »und in keinem Fall wurden finanzielle Forderungen gestellt. Aber Mylady hat eine recht wichtige Feststellung treffen können.« »Tatsächlich?« wunderte sich die ältere Dame prompt und sah 84
Kathy Porter erstaunt an. »Der Club, in dem Mr. Charing verkehrt, den auch der ermorde te Mr. Anthony Banbury besuchte, dieser Club also liegt nicht weit entfernt von dem Club, in dem sich der Jet-Set von John Hillings trifft.« »Das fiel mir sofort auf«, behauptete die Lady unverfroren und nickte, »erstaunlich, Mr. Parker, daß Sie dies noch nicht heraus gefunden haben. Da muß erst ich kommen und Sie mit der Nase darauf stoßen!« »Eine bemerkenswerte Tatsache, Mylady«, gestand Parker, »bemerkenswert, was die Lage der beiden Clubgebäude angeht.« »Richmond und immer wieder Richmond«, ließ Mike Rander sich vernehmen. »Hier gibt’s also die beiden Clubs, hier wohnt Han som, und hier hat auch John Hillings seine Dachgartenwohnung.« »Sagte ich nicht gleich, daß dieser Playboy Hillings für mich der Täter ist?« fragte Lady Simpson und schien vergessen zu haben, daß sie vor wenigen Minuten erst Lionel Hansom verdächtigt hat te. »Myladys Scharfblick ist erneut bestechend«, urteilte Josuah Parker und verzog keine Miene. »Man muß eben kombinieren können«, lobte sie sich, »dieser John Hillings rächt sich dafür, daß man ihn zur Scheidung zwang. Natürlich war er es, der das Skelett auf seinen Dachgarten ge schafft hat. Und einer seiner Freunde wird die Säure in den Lift geschüttet haben. Ist das alles nicht sonnenklar?« »Ich kann tatsächlich keine Sonnenflecken erkennen«, meinte der Anwalt. »Sie möchten natürlich widersprechen, Mr. Parker, nicht wahr?« Die ältere Dame sah den Butler erwartungsvoll an. »Wenn Sie erlauben, Mylady, mache ich mir Gedanken darüber, wie man Mr. Hillings überführen könnte«, antwortete der Butler höflich. »Verschonen Sie mich mit solchen Kleinigkeiten«, wurde sie un gnädig, »Ihnen wird schon etwas einfallen, Mr. Parker. Informie ren Sie mich rechtzeitig, damit ich diesen John Hillings überführen kann…« *
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Parker war hinaus an die Themse gefahren, diesmal allein. Er hatte sich bei Lady Simpson entschuldigt und einen Besuch bei Chief-Superintendent McWarden, vorgetäuscht. Tatsächlich aber wollte er sich die beiden Clubhäuser am Fluß mal aus der Nähe ansehen. Die beiden Häuser lagen inmitten weitläufiger Parks und konn ten von der Durchgangsstraße aus nicht eingesehen werden. Es handelte sich um alte Landsitze, die Autorität und Reichtum aus strahlten. Als Parker mit seinem hochbeinigen Monstrum das ers te Clubhaus erreichte und hielt, schlenderte neugierig ein Mann näher, der offensichtlich ein Gärtner war. Er trug eine grüne Schürze und hielt einen Rechen in der Hand. »Hier werden Sie jetzt kaum einen Menschen finden«, sagte er, als Parker ausgestiegen war und höflich die schwarze Melone lüf tete. »Mr. Derek Charing wäre demnach nicht zu erreichen?« fragte der Butler. »Der auch nicht«, erwiderte der Gärtner, »hier ist immer erst abends was los, wenn die Clubmitglieder aufkreuzen. Sie sind Butler, nicht wahr?« »Und Sie der Gärtner, wenn ich nicht sehr irre?« »Hier hat man wenigstens noch Sinn für Gartengestaltung«, antwortete der Mann, der etwa sechzig Jahre alt war, »aber da drüben, wissen Sie, da im anderen Club, da merkt kaum ein Mensch, wie schön so ein Park sein kann. Die haben nur ihren Blödsinn im Kopf.« »Wein, Weib und Spiel, wie es so treffend heißt?« tippte Parker an. Er wußte bereits, daß er es mit einem mitteilungsfreudigen Menschen zu tun hatte. »Spiel«, legte der Gärtner sich fest »und Sex, aber das nur un ter uns, stehen Sie? Sie wollen sich als Butler vorstellen?« »So könnte man es ausdrücken.« »Hier werden Sie bestimmt ‘nen neuen Brötchengeber finden«, meinte der Gärtner, »hier verkehrt nur seriöses Volk, alles Spit zenleute mit viel Feld an den Füßen, großen Häusern und so. Doch, ich denke schon, daß Sie hier was finden werden.« »Ein Besuch im benachbarten Club dürfte sich demnach erübri gen?« »Verlorene Zeit«, urteilte der Gärtner, »das sind meist jüngere Leute, die bestimmt keinen Butler brauchen.« 86
»Ist es weit bis zum benachbarten Club?« »Man kann den alten Treidelweg unten an der Themse benut zen, mach’ ich auch immer«, erklärte der Gärtner, »es sind dann nur ein paar Minuten.« »Demnach verkehren die Mitglieder mit- und untereinander?« »Aber überhaupt nicht«, sagte der Gärtner, »das sind doch zwei verschiedene Welten.« »Für welche hat Mr. Hansom sich entscheiden wollen?« lautete die nächste Frage des Butlers. »Skelett-Hansom?« Der Gärtner lächelte amüsiert. »Diesen Herrn meine ich in der Tat.« »Der wollte hier Mitglied werden, aber der hatte keine Chance Wissen Sie, für Mitglieder hier ist er nicht standesgemäß. Gerade ein Butler wie Sie weiß doch, wie komisch diese Leute sind. Geld zählt nicht, nur Herkunft.« »Eine allerorts bekannte Einstellung und Sinneshaltung. Mr. Hansom wollte demnach Mitglied werden, wurde aber abgewie sen?« »Den hat man vom Clubsekretär und vom Vorstand ‘raus auf die Straße geschickt.« »Der Vorstand war und ist Mr. Anthony Banbury, wenn ich nicht sehr irre?« »Anthony Banbury«, bestätigte der Gärtner, »ein ziemlich lang weiliger und arroganter Typ, aber das nur unter uns.« »Selbstverständlich«, antwortete Parker, »in meinem Beruf hört man zwar manches, doch man vergißt es wieder augenblicklich. Mrs. Betsy Kilburn verkehrt hier mit Ihrer Mutter, falls man mich richtig unterrichtet hat?« »Die war auch dabei, als man Hansom abfahren ließ. Ich weiß das so genau, weil ich draußen Unkraut jätete und dabei die Oh ren spitzte. Die mokierte sich auch über die Skelette, die Hansom da zusammenbastelt.« »Sie kennen Mr. Lionel Hansom?« »Ziemlich gut sogar. Ich hab’ nicht verstehen können, warum er unbedingt hier im Club aufgenommen werden sollte. Der gehört doch überhaupt nicht hier rein.« »Und wieso nicht, wenn diese Frage erlaubt ist?« »Na ja, weil’s Unterschiede eben geben muß«, lautete die selbstverständliche Antwort. »Dies galt und gilt allerdings nicht für Mr. John Hillings, nicht 87
wahr? Ich darf erinnern: Er war der Ehemann der Mrs. Betsy Kil burn.« »Der ist aus beiden Clubs ‘rausgeflogen«, wußte der Gärtner und winkte ab, »damals hat es Riesenkräche gegeben. Hillings und ein paar von seinen Freunden sind in hohem Bogen an die frische Luft gesetzt worden. Hören Sie, Sie kennen sich aber ver dammt gut aus!« »Man sollte sich stets informieren, bevor man eine neue Stel lung anzutreten gedenkt«, antwortete der Butler, »darf ich mich für Ihre Hilfsbereitschaft bedanken?« »Ich werde Ihnen die Daumen halten«, meinte der Gärtner, »hier werden Sie bestimmt eine neue Stelle finden, da bin ich ganz sicher. Hier verkehren doch nur Spitzenleute, die mit der Industrie zu tun haben. Die sind doch alle scharf auf ‘nen richti gen Butler.« * »Was sollen diese Mätzchen, junger Mann?« raunzte die ältere Dame den Besitzer der Dachgartenwohnung an. »Wollen Sie mir etwa vorschwindeln, Sie hätten Angst vor dem Skelett?« John Hillings hatte einige Zeit gebraucht, bis er endlich die Tür öffnen konnte. Kathy Porter war nicht entgangen, daß wenigstens zwei Riegel angebracht worden waren. Sie sahen noch sehr neu aus, wie sie jetzt bemerkte. »Ich hab’ keine Lust, in Säure gebadet zu werden«, antwortete John Hillings, »Sie wissen doch, daß auf Mr. Rander und den But ler ein Attentat verübt wurde, ja? Hier im Lift!« »Mich werden Sie nicht täuschen, junger Mann«, grollte Lady Agatha, »Sie haben Besuch?« »Zwei Freunde von mir«, antwortete Hillings. »Sie kennen sie ja bereits.« »Ihre beiden Komplizen«, erklärte die Detektivin wie selbstver ständlich, »Ihr Spiel junger Mann, ist aus und beendet.« »Welches Spiel soll das sein?« »Dieses Spiel mit Säuren und Skeletten«, redete Agatha Simp son energisch weiter, »Sie haben sich damit rächen wollen. Ich wußte es gleich, als Ihr Name genannt wurde.« Man war inzwischen im großen Wohnraum angelangt, in dem 88
die beiden Freunde von John Hillings saßen. Sie machten auch jetzt wieder einen leicht angetrunkenen Eindruck. Sie erhoben sich augenblicklich, als sie die ältere Dame sahen. Respekt war in ihrer Haltung. »Angenommen, ich würde mit Säure und Skeletten spielen, My lady, wie wollen Sie mir das beweisen?« erkundigte sich John Hillings lächelnd. »Und wie sieht das Motiv aus?« »Sie sind gesellschaftlich geächtet worden, dafür haben Sie Ra che genommen. So einfach ist das, Hillings. Sie sollten ein Ges tändnis ablegen.« »Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie je einen Kriminalfall ge löst haben wollen«, mokierte sich John Hillings, »Sie sind völlig auf dem Holzweg, Mylady.« »Mr. Hansom ist da anderer Meinung«, schaltete sich Kathy Por ter ein. »Mr. Hansom?« Hillings sah die Gesellschafterin der Lady über rascht an. »Der Hersteller von Skeletten hier in Richmond«, zählte Kathy Porter auf, »er hat inzwischen eingeräumt, Sie recht gut zu ken nen.« »Was wäre schon dabei?« fragte Hillings verärgert und ging zur Hausbar hinüber. »Mr. Hansom wurde von keinem der beiden Clubs akzeptiert, die Sie ja recht gut kennen«, redete Kathy Porter weiter, »zwei verärgerte Männer taten sich also zusammen und schmiedeten einen Plan.« »Tatsächlich?« staunte die ältere Dame. »Mr. Parker hat Mylady und mich über das Autotelefon verstän digt, bevor wir hierher zu Ihnen fuhren«, schwindelte Kathy wei ter. Sie wollte Hillings eigentlich nur wenig verärgern und ihn da zu bringen, seine Reserve aufzugeben. »Sie haben die beiden Killer Chetway und Grapes über Bilton engagiert, Mr. Hillings«, steigerte Kathy Porter ihre Anschuldi gungen, »Bilton hat das gegenüber Mr. Parker längst zugege ben.« »Alles totaler Blödsinn«, brauste Hillings auf. »Sie wollen mir eine Falle stellen, nicht wahr?« »Rufen Sie doch Mr. Hansom an«, schlug Kathy vor, die plötz lich spürte, daß sie auf einer richtigen Fährte war, »um diese Zeit müßte bereits Mr. Parker bei ihm sein.« 89
»Gehen wir doch rüber«, sagte Hillings plötzlich und hielt eine Automatik in Händen, »sehen wir uns doch mal in seiner Werk statt um, ja? Vielleicht ist Hansom scharf darauf, noch ein paar echte Skelette herzustellen, wie?« »Ich hatte also recht«, meinte die Detektivin begeistert, »ich wußte es ja gleich, daß Sie der Täter sind. Nein, nein, eine Lady Simpson kann man nicht täuschen.« »Und in Zukunft schon gar nicht mehr«, meinte John Hillings, »als präpariertes Skelett werden Sie kaum noch reden können!« * »Wo ist Parker?« fragte Hillings nervös, als er im Büro von Lio nel Hansom stand. »Möchten Sie ihn sehen? Ein wunderbares Objekt, wirklich. Ich bin sehr begeistert.« »Wunderbares Objekt?« John Hillings verstand nicht sofort. »Kommen Sie mit«, schlug Lionel Hansom vor, »das müssen Sie sich unbedingt ansehen, wirklich. Ich könnte ins Schwärmen kommen.« »Sie… Sie haben diesen Butler…?« »… in eine Säurewanne gesteckt«, vollendete Hansom freudig, »er wird als Skelett wunderbar überzeugen.« »Ich bin nicht gerade scharf darauf, mir so was anzusehen«, sagte Hillings und wich zurück. »Wo sind Ihre Freunde?« erkundigte sich Hansom. »Draußen im Wagen, mit der Lady und dieser Miß Porter.« »Und warum haben Sie sie mitgebracht? Sie wollen doch ver schwinden, oder etwas nicht? Haben Sie es nicht so am Telefon ausgedrückt?« »Aber ich brauche ja schließlich nicht dabeizusein«, wehrte Hil lings ab. »Kommen Sie jetzt!« Lionel Hansom, der begeisterungsfähige, kleine und rundliche Mann hielt plötzlich eine Flasche in der Hand, in der sich eine ölig aussehende Flüssigkeit befand. »Sie werden mitkommen, oder ich zeige Ihnen, wie blitzschnell diese Säure wirkt.« »Hansom, sind Sie verrückt?« Hillings wich zurück, blieb dann aber wie angewurzelt stehen. Er sah, daß der Skeletthersteller die 90
Flasche gehoben hatte. »Okay, schon gut, Hansom, ich komme mit…« »Sie werden vorausgehen. Sie wissen ja, wie man in die Werk statt kommt.« Hillings ging voraus und hatte Angst, einen Fluchtversuch zu unternehmen. Er fürchtete sich vor der schrecklichen Säure, de ren Wirkung er schließlich kannte. Er öffnete den letzten Raum der Werkstatt und prallte zurück. In einer emaillierten Badewanne saß Josuah Parker, der ihm al lerdings den Rücken zudrehte. Dämpfe hüllten die Gestalt des Butlers ein, auf dessen Kopf die schwarze Melone saß. Es roch penetrant nach scharfen, ätzenden Säuren. »Scheußlich«, keuchte Hillings, »mir wird schlecht… Der wird ja völlig zerfressen.« »Er war eben zu neugierig«, antwortete Lionel Hansom, »er hatte unser Komplott durchschaut, wie die Lady und Miß Porter. Auch sie werde ich noch präparieren.« »Aber da ist doch noch dieser Anwalt Rander, Hansom? Der wird uns an den Galgen bringen.« »Nicht gerade an den Galgen«, war in diesem Moment die Stimme des Anwalts zu vernehmen, »aber lebenslänglich Zucht haus ist zu erwarten.« Mike Rander trat hinter einem Schrank hervor und, nickte Hil lings und Lionel Hansom zu. »Verdammt«, stieß Hillings hervor und wollte nach seiner Waffe greifen. Doch in diesem Moment goß Lionel Hansom die ölige Flüssigkeit aus der Flasche über die Hand des Playboys. »Entschuldigen Sie«, sagte Hansom dann mit der Stimme des Butlers, »aus Gründen einer schnellen und endgültigen Klärung sah ich mich gezwungen, ein wenig Maske zu machen. Ich hoffe, sie gefiel Ihnen, Mr. Hillings.« »Meine Hand… Meine Hand«, brüllte der Mann entsetzt, »helfen Sie doch, schnell!« »Sehen Sie sich erst mal Mr. Hansom an«, schlug Parker vor und deutete auf die Wanne. »Da… Da ist Hansom drin?« keuchte Hillings. »Wir mußten eine Art Rollentausch vornehmen«, sagte Josuah Parker und zog seinen Kittel aus, den er von Hansom geliehen hatte. Er wischte sich einige Male mit einem seiner schwarzen Handschuhe durch das Gesicht und wurde wieder zu Butler Par 91
ker. Seine Haltung und auch seine Gesten änderten sich. Es zeigte sich wieder mal, daß Josuah Parker Meister der Maske war. Er brauchte kaum Requisiten, um in eine andere Haut zu schlüpfen. Dementsprechend perplex sah John Hillings ihn nun auch an. »Das ist Hansom?« wiederholte Hillings seine Frage jetzt noch mal. Er schien seine Hand vergessen zu haben. »Sehen Sie sich an, was aus ihm geworden ist«, schlug Josuah Parker höflich vor, »dieser Anblick ist allerdings kaum etwas für schwache Nerven.« »Ich… Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, sagte Hillings schnell, »lassen Sie mich weg, dafür gebe ich Lady Simpson und Miß Por ter frei.« »Die Sie zusammen mit Hansom in Skelette verwandeln woll ten, nicht wahr?« »Hansom war der eigentliche Drahtzieher, ich habe nur mitge spielt und die Skelette ‘rumgetragen«, behauptete Hillings, »und die beiden Morde gehen auf sein Konto!« »Das wird Mr. Hansom aber gar nicht gern hören, Hillings«, warf Mike Rander ironisch ein und öffnete den Schrank. Er zerr te… Lionel Hansom hervor, der einen eingeschüchterten Eindruck machte. »Han… Hansom?« stotterte Hillings. Dann sah der Playboy zur Wanne hinüber. »Nur ein übliches Skelett«, erklärte der Butler, »und Mr. Han som weiß nun mit Sicherheit, wie Sie, Mr. Hillings, über ihn den ken. Falls eine Anregung erlaubt ist, so würde ich vorschlagen, daß die beiden Herren sich wechselseitig belasten und beschuldi gen. Die Urheberschaft am Plan und an den Morden dürfte bei der Strafzumessung von entscheidender Bedeutung sein.« »Noch steck’ ich nicht auf«, schrie Hillings und sah für einen Moment verblüfft auf seine Hand, die noch völlig intakt war, »ich habe Mylady und Miß Porter als Geiseln im Wagen.« »Hatten, Mr. Hillings, hatten«, korrigierte der Butler, »Mr. Rander und ein gewisser Mr. Pickett, den ich nach Richmond beorder te, waren so freundlich, ihre beiden Freunde vor nachhaltigem Schaden zu bewahren.« Was nicht übertrieben ausgedrückt worden war. Wie auf ein Stichwort hin wankten die beiden Freunde von John Hillings in den Raum. Man sah ihnen deutlich an, daß sie vom Pompadour 92
der Lady gründlich bearbeitet worden waren. Die beiden Mittäter konnten sich kaum noch auf den Beinen halten. »Er, er allein hat mich angestiftet«, verteidigte sich jetzt Lionel Hansom und zeigte anklagend auf John Hillings, »ich habe nur die Skelette geliefert. Und von den Morden habe ich nichts gewußt.« »Aber ich habe gewußt«, dröhnte die baritonal gefärbte Stimme der älteren Dame auf, »von Beginn an wußte ich, wer die Täter sind. Aber mir wollte man ja wieder mal nicht glauben.« Mylady und Kathy Porter wurden von einem weißhaarigen Gentleman begleitet, eben dem erwähnten Mr. Pickett, der freudig strahlte, weil er dem >Quartett< wieder mal dienen konnte. »McWarden wird sich freuen, Mylady«, wußte Mike Rander be reits im vorhinein und warf einen ironischen Blick auf die beiden Täter Hansom und Hillings, die sich gegenseitig an die Gurgel wollten. »Und Ihr Kommentar, Mr. Parker?« fragte Lady Agatha und sah ihren Butler ein wenig streitlustig an. »Wollen Sie etwa abstrei ten, daß ich den Fall nicht bereits gelöst hatte, als er gerade erst Formen annahm?« »Wenn Mylady erlauben, möchte ich mich erkühnen, sogar noch einen Schritt weiterzugehen«, lautete die Antwort des Butlers, »Mylady lieferten wieder mal eine Probe einmaligen Genies, um dies untertreibend hervorzuheben.« »Nun ja«, erwiderte die ältere Dame wohlwollend, »Sie über treiben vielleicht – doch nur ein wenig.« »Wie Mylady zu meinen geruhen«, gab Parker zurück, während Kathy Porter und Mike Rander einen schnellen, belustigten Blick tauschten.
ENDE Nächste Woche erscheint BUTLER PARKER Auslese Band 223
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