Andreas Langer · Andreas Schröer (Hrsg.) Professionalisierung im Nonprofit Management
Soziale Investitionen Herausgeg...
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Andreas Langer · Andreas Schröer (Hrsg.) Professionalisierung im Nonprofit Management
Soziale Investitionen Herausgegeben von Helmut K. Anheier, Andreas Schröer, Volker Then
Bürgerschaftliches Engagement und Stiftungsförderung, Zeit und Geld für gemeinwohlorientierte Zwecke werden immer weniger konsumtiv als „Spende“, sondern ihrer eigentlichen Funktion entsprechend als Investition verstanden. Was sind Potenzial und Grenzen privater Beiträge für das Gemeinwohl? Welche Rolle nehmen Stiftungen, zivilgesellschaftliche Organisationen und Sozialunternehmen ein? Welchen Beitrag können Staat und Wirtschaft leisten? Diese und andere zentrale Fragen werden aus wirtschaftlicher, politischer, gesellschaftlicher, organisationaler und managementrelevanter Sichtweise betrachtet. Die Reihe richtet sich an Studierende, Kollegen aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen (Soziologie, VWL, BWL, Organisationstheorie, Politikwissenschaft, Pädagogik, Recht) und an die Fachöffentlichkeit, einschließlich Führungskräfte im Dritten Sektor (in Stiftungen, Verbänden, Wohlfahrtsorganisationen, Sozialunternehmen, NGOs), in der Wirtschaft wie auch in der Politik.
Andreas Langer Andreas Schröer (Hrsg.)
Professionalisierung im Nonprofit Management
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Frank Engelhardt / Cori Mackrodt VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17605-5
Inhalt
Vorwort ...................................................................................................................................7 Andreas Langer, Andreas Schröer Professionalisierung im Nonprot Management.................................................................... 9 Julia Evetts Professionalism and Management in Public Sector (Not-for-Prot Organizations): Challenges and Opportunities ..............................................................................................33
Professionalisierung im Management Andreas Langer „Professionelle Sozialmanagementkompetenzen zwischen Akademisierung und Entscheidungshandeln“ .................................................................................................47 Andrea Friedrich Soziale Arbeit auf dem Weg in die Professionalisierung des Personalmanagements – Irritationen des professionellen Selbstverständnisses am Beispiel leistungsorientierter Vergütungsbestandteile................................................... 67 Michael Meyer, Johannes Leitner Warnung: Zuviel Management kann Ihre NPO zerstören Managerialismus und seine Folgen in NPO ......................................................................... 87 Albrecht Blümel, Katharina Kloke, Georg Krücken Professionalisierungsprozesse im Hochschulmanagement in Deutschland ...................... 105
Professionalisierung von Nonpro¿t Governance und Nonpro¿t Leadership Ludwig Theuvsen Professionalisierung des Nonprot-Managements durch Governance-Kodizes: Eine Analyse der Transparenzwirkungen .......................................................................... 131 Urs Jäger, Nina Hug Gemeinwohlorientierung als Maxime professioneller Accountability: Ergebnisse einer empirischen Fallstudie ............................................................................ 151
6 Philipp Schwegel, Patrick Da-Cruz, Peter Oberender Professionalisierung durch netzwerkorientierte Diversikation am Beispiel kirchlicher Krankenhausträger....................................................................... 173 Uta Herwig, Frank Jöst Die Steuerung von Nonprot-Unternehmen als Herausforderung – am Beispiel ambulanter kirchlicher Pegeeinrichtungen .................................................. 189 Bernd Kleimann Professionalisierung der Hochschulleitung ? ...................................................................... 201
Professionalisierung der Managementinstrumente: Controlling, Evaluation und Fundraising Susanne Vaudt, Carsten Rasche Professionalisierung des Controllings in der Behindertenhilfe: Verfeinerung der Kostenrechnung nach Einführung von Persönlichen Budgets.............. 229 Vanessa Lutz, Markus Gmür Professionalisierung durch Selbstevaluation Eine Untersuchung bei Vorständen in Schweizer Nonprot-Organisationen.................... 249 Beat Hunziker Professionalisierung im Fundraising – Auswirkungen des Ökonomisierungsdrucks und mögliche Auswege .............................................................. 273
Autorenverzeichnis .............................................................................................................293
Vorwort
Der vorliegende Band entstand aus der Zusammenarbeit des Diakoniewissenschaftlichen Instituts (DWI) und dem Centrum für Soziale Investionen und Innovationen (CSI) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, mit der Sektion Professionssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziolgie (DGS) und wurde ermöglicht durch die großzügige Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung. Der Call for Papers für die diesem Band zugrundeliegende Tagung „Professionalisierung im Nonprot Management“ fand großen Zuspruch und wir danken allen beteiligten Autoren für ihre Beiträge und die engagierte Zusammenarbeit in der Vorbereitung und Durchführung der Tagung, ebenso wie bei der Erstellung des Bandes. Unser Dank geht auch an den Direktor des Diakoniewissenschaftlichen Instituts, Prof. Dr. Johannes Eurich und Prof. Dr. Heinz Schmidt, an die Direktoren des CSI Prof. Dr. Helmut K. Anheier und Dr. Volker Then, sowie an die Vorsitzende der Sektion Professionssoziologie der DGS Prof. Dr. Michaela Pfadenhauer für ihre Unterstützung. Das Internationale Wissenschaftsforum der Universität Heidelberg bot für die Tagung eine angenehme und produktive Arbeitsatmosphäre in der schönen Heidelberger Altstadt und hat einen wichtigen Teil zu den angeregten Diskussionen beigetragen. Die Tagung stand im größeren Kontext eines Forschungsprojektes des Diakoniewissenschaftlichen Instituts unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Langer, das von der BruderhausDiakonie Stiftung Gustav Werner und Haus am Berg in Reutlingen tatkräftig unterstützt und ermöglicht wurde. Für die engagierte und gewissenhafte Mitarbeit an der Erstellung der Manuskriptfassung dieses Bandes danken wir den Mitarbeitern des CSI, Eva Christ und Thomas Laux, sowie Corinna Schneider. Der Fritz Thyssen Stiftung sei an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich für die Förderung der Tagung gedankt.
Heidelberg, im Mai 2010 Andreas Langer und Andreas Schröer
Professionalisierung im Nonpro¿t Management Andreas Langer, Andreas Schröer
1
Im Überblick: Die Ziele dieses Bandes
Unter dem Titel „Professionalisierung im Nonprot Management“ hat das Diakoniewissenschaftliche Institut in Kooperation mit dem Centrum für soziale Innovationen und Investitionen der Universität Heidelberg sowie der Sektion Professionstheorie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie im November 2008 zur sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit professionalisiertem Management in Nonprot Organisationen eingeladen. Management und Managementhandeln sollten dabei unter der Perspektive Professionalität/Professionalisierung sowie als professionelles Handeln in wissensbasierten Berufen und sozialen Dienstleistungen diskutiert werden. Damit wurde einerseits eine Möglichkeit geschaffen, die diversen Aspekte und Formen von Management, wie etwa Führung, Organisationsentwicklung, Leadership, Entrepeneurship bis hin zum Selbstmanagement zu diskutieren. Andererseits wird unter dieser Perspektive Managementhandeln als Problemlösungshandeln rekonstruiert. Hier kommen die spezischen Kompetenzen, Können – Wissen – Haltung, die Akademisierung, beruiche Identität bis hin zu Dilemmata managerialem Handelns u. v. m. in den Blick. Mit dem Anspruch, Management im Dritten Sektor unter einem professionstheoretischen Blickwinkel zu betrachten, ist die Einschätzung verbunden, dass dem Management in Nonprot Organisationen vor dem Hintergrund massiver Herausforderungen in diesem „Sektor“ ein Bedeutungszuwachs zukommt. Ökonomisierungsdruck und erhöhte Koordinationsanforderungen im sozialen Dienstleistungssektor führen gerade bezüglich der leitenden Berufspositionen zu Professionalisierungsforderungen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen erscheint ein interdisziplinärer Rahmen zur Diskussion empirischer Erträge und konzeptioneller Überlegungen zur Professionalisierung des Managements im Nonprot-Bereich notwendig. Leitend für diesen Band und die weitergehende Beschäftigung mit diesem Forschungsgegenstand sind unter anderem folgende Fragen: Welche Formen des ‚professionellen Managements zeichnen sich in diesem Sektor bereits ab ? Welche Kompetenzen haben und brauchen Führungs- und Leitungskräfte im Nonprot-Sektor, um die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen meistern zu können ? Muss Professionalisierung von Nonprot-Management als ständiger Anpassungsprozess rekonstruiert werden – als ein Art ‚life long problem solving learning‘ also an der Schnittstelle von Organisationsentwicklung, Innovation und wertorientierter Bedarfsanpassung ? Folgende Problemstellungen umreissen weiterhin den Fokus der der Fragestellung: ▪ ▪
Unternehmensführung und Management: Kostendruck, Wettbewerb und Europäisierung, Dominanz großer Verbände oder Fraktalisierung der Unternehmen ? Gestaltung professioneller Organisationen zwischen Netzwerk und Prozessmanagement
A. Langer · A. Schröer (Hrsg.), Professionalisierung im Nonprofit Management, DOI 10.1007/978-3-531-92664-3_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Andreas Langer, Andreas Schröer
Personalführung und Human-Ressource-Management: Koordination professioneller Ressourcen zwischen neuen Hierarchien und Selbststeuerung. Kooperation zwischen Management und anderen Professionals: Manager als Pari inter pares oder Abgrenzung eines neuen Berufstandes innerhalb der Profession ? Corporate Governance der Nonprot Unternehmung Vertrauen und Management: Verdrängung ‚idealtypischer‘ professioneller Steuerungsmechanismen wie Autonomie, berufständische Organisation, Ethik oder die Transformation zu neuen Kriterien des Vertrauens ? Management-Qualikation und Akademisierung managerialer Weiterbildung: Entwicklung organisationaler Kompetenzen durch ‚learning by doing‘ oder (wirtschafts)wissenschaftlichem Bezugs-Wissen ? Professioneller Habitus auch unter Managern ? Arbeitskraftunternehmertum und Selbstmanagement: Leihärzte und Honorarstellen, befristete Beschäftigung und Selbstvermarktung professioneller Praktiker. (Neue) Karriereverläufe der Professionals: Wie werden Führungspositionen in NonprotUnternehmen besetzt ? Droht ein Führungskräftemangel ?
Die hiermit skizzierten Zugänge sollen jedoch nicht verdecken, dass Profession und Management lange Zeit als Gegensätze diskutiert wurden – und immer noch werden. Mit Profession und Professionalität wird zumeist die interne Kontrolle von Leistung durch berufständische Organisation, beruiche Identität, Professionsethik usw. als spezische Steuerungs- und Kontrollmechanismen in Verbindung gebracht. Aus dieser Perspektive wird häug die Konjunktur von Managementmethoden und Managementdenken in professionellen Handlungskontexten als „Managerialismus“ rekonstruiert, mit dem, unabhängig vom jeweiligen Gegenstandsbereich, ökonomisch orientierte Instrumente adaptiert werden und selbst im Bereich von nicht gewinnorientierten Unternehmen eingesetzt werden. In Managementdiskursen wird der Begriff Professionalität dagegen im Sinne von Steuerung und Selbstdisziplinierung instrumentalisiert. Anstelle dieser Entgegensetzungen bedeutet das Zusammendenken von Professionalität und Management, gerade die Interdependenz von interner und externer Kontrolle, das Abwägen von fachlichen und ökonomischen Kriterien, die Problemlösung zwischen wissenschaftlichem Wissen und ökonomischen Anforderungen bzw. das (relativ) autonome Handeln in organisationalen Rahmenbedingungen zu betrachten. Der damit skizzierte Weg, die Begriffe Professionalität, Professionalisierung sowie professionelles Handeln auch auf das Management anzuwenden, schließt an aktuelle Entwicklungen in der deutschsprachigen sowie angloamerikanischen professionstheoretischen Debatte an, wonach sich die damit bezeichneten Phänomene auch jenseits der klassischen, idealtypischen Professionen aufnden lassen. Im Folgenden wird eben dieser aktuelle Diskussionsstand kurz umrissen, um dann mit ersten Ergebnissen aus dem Gesundheits- und Sozialsektor die Relevanz der Fragestellung nach der Professionalisierung im Nonprot-Management aufzuzeigen. Um dies zu leisten, soll zuerst kurz auf die theoretische Diskussion um Professionalität und Management eingegangen werden (2). Danach wollen wir ein Modell der managerialen Binnendifferenzierung präsentieren und auf dessen Bedeutung im Kontext von Nonprot Managements hinweisen (3).
Professionalisierung im Nonprot Management
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Zusammenfassend gehen wir auf die zunehemende Akademisierung des Management in Nonprot Organisationen ein (4). 2
Profession(alität) und Management
2.1
Legitimationsdruck im Sozial- und Gesundheits-Management
Die Berufe und das beruiche Handeln im Sozial- und Gesundheitswesen stehen nach wie vor unter einem hohen Legitimationsdruck. Schimank sieht es als dringliche Aufgabe der akademischen Professionen an, „dass sie so schnell wie möglich ihre ganze Energie dafür verwenden sollte[n], selbst denierte Kriterien für Qualität, Relevanz und Efzienz ihrer Arbeit zu entwickeln“ (U. Schimank, 2005: 160). Die Befürchtung, dass angesichts des erhöhten Kostendrucks und verstärkten Einsatzes von Steuerungs- und Kontrollinstrumenten Phänomene der Deprofessionalisierung, Dequalizierung usw. drohen, teilt der Soziologe mit vielen anderen. Für Schimank droht eine Entprofessionalisierung durch fachfremde Denition von „Qualitätskontrollen, Relevanzanforderungen und Efzienzerforder nissen“ (U. Schimank, 2005: 159). Im Folgenden soll im Vergleich von zwei Berufsgruppen – der Ärzte im klinischen Dienst und der Sozialberufe – untersucht werden, wie ökonomische Anforderungen von den Professionen verarbeitet werden. Dabei wird eine zentrale Fragestellung verfolgt: Etabliert sich eine neue ‚professionelle‘ Berufsgruppe innerhalb der bereits bestehenden Professionalität, die sich speziell mit der Kontrolle und Steuerung professioneller Leistung befasst ? Ein derart professionelles Management wäre ein neuer Professionalisierungsschritt in zwei spezischen Bereichen des Nonprot Sektors – dem Gesundheitswesen und den Sozialen Diensten. Damit werden die Frage und die Forderung von Schimank aufgenommen und weitergeführt. Es geht einerseits um das ‚Wie‘ der ‚Verarbeitung‘ der genannten Kriterien und andererseits um das ‚Wer‘. Im Rahmen ökonomischer Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung und der Sozialen Arbeit scheint sich professionelles Handeln nicht nur disziplinär (im Sinne fachlicher Spezialisierung) sondern auch funktional (im Sinne einer organisationalen Aufgaben- und Verantwortungsteilung) zu differenzieren. Mit dem Stichwort einer organisational-funktionalen Differenzierung professionellen Handelns wird hier ein Professionalisierungsphänomen genauer in den Blick genommen: Das professionelle Managementhandeln in Nonprot Handlungskontexten. Wann immer von ‚Professionalität‘ oder ‚professionell‘ die Rede ist, sieht man sich mit zwei Phänomenen konfrontiert. Einerseits wird der Begriff ‚Professionalität‘ in verstärktem Maße in den unterschiedlichsten Kontexten in Anspruch genommen. Mit der Bezeichnung ‚professionell‘ wird dann eine Tätigkeit bezeichnet, die beruich ausgeführt wird, die in irgendeiner Weise spezialisiert ist und die ein Wissen, ein Können bis hin zu einer Haltung erfordert, die weder von Laien noch von beruich nicht so versierten Personen – die also keine Experten sind – geleistet werden. Professionelle sind dabei solche Experten, die nicht nur Wissen zur Verfügung stellen, sondern deren Kompetenz sich auch auf die Planung und Umsetzung der jeweiligen Problemlösung bezieht. Gleichzeitig wird mit der Bezeichnung ‚Professionalität‘ oder ‚professionell‘ eine Leistung bestimmter – besserer – Qualität identiziert bzw. markiert, es handelt sich vor allem im wirtschaftsnahen Gebrauch um normativ wertende Begriffe.
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Andererseits wird im Sinne einer Spezialsoziologie ‚Professionalität‘ bzw. ‚professionell‘ vor allem mit der Erforschung von einigen wenigen Berufsgruppen gleichgesetzt, wenn nicht sogar auf diese beschränkt: Die Medizin, das Rechtswesen und die Theologie (vgl. A. Koch 2008: 18 ff.). Bekanntlich hat sich an der Medizin, obwohl sie historisch betrachtet die letzte unter diesen Professionen darstellt, ein exemplarisches Professionsverständnis herausgebildet (vgl. H. Schipperges 1985: 10 ff.). Gerade an der Managerialisierung von Professionen lässt sich zeigen, dass charakteristische Merkmale der Profession, wie der „Ort des Handelnden in Interaktion mit der eigenen Identität und dem Gesellschaftsganzen“ (J. Hübner 2006: 189), in Auösung begriffen zu sein scheinen. „In zunehmend mehr Diensten werden früher voneinander getrennte Tätigkeiten kombiniert. Management-Techniken und Verwaltungsarbeiten bilden keine Grenze des Berufsbildes mehr“ (J. Hübner 2006: 190). Wird also Management und Professionalität fokussiert, so ist im Sinne einer Heuristik (vgl. V. Olgiati 2006) zuerst darzulegen, welche Konzepte dazu in der Professionsforschung schon vorhanden sind. Die Konzepte der Profession (als Institution), Professionalität (als Wert) und Professionalisierung (als Prozess) haben vor allem in der anglo-amerikanischen Soziologie eine beträchtliche Bedeutung erfahren. Die soziologische Professionsforschung hat dabei an dem Schlüsselbegriff der Professionalität angesetzt. Professionalität als Wert spielte für die Analyse der Stabilität und Zivilgesellschaft eine entscheidende Rolle (z. B. A. CarrSaunders/P. Wilson 1933; T. Marshall 1950). In dieser Tradition wurde Professionalität als ein wichtiger und unverzichtbarer beruicher Wert angesehen. Professionelle Beziehungen wurden charakterisiert durch kollegiale Steuerung und Kontrolle, Kooperation und gegenseitige Unterstützung (vgl. J. Evetts 2005), der gesellschaftliche Wert der professionellen Leistung als die Absicherung als wertvoll erachteter Gemeinwohlgüter. Die professionelle Berufsausübung wurde durch Kompetenzen garantiert, die auf einem hohen Niveau an Ausbildung, beruichem Training und staatlicher Lizensierung gründen. „But values change“, wie Andrew Abbotts fast lakonisch feststellt – doch ändern sich damit auch die Professionen ? Ebenso im Wandel begriffen ist der Dritte Sektor, in dessen Organisationen ein NonprotManagement verortet werden muss. Unter Rekurs auf die Neue Institutionenökonomik erklärt Finis-Siegler, die Entstehung von NPO aus der spezischen Art der Ressourcenallokation zur Erreichung substantieller Ziele. Mit dem Konzept der „sozio-ökonomischen Rationalität“ (ebd.: 22) faltet sie die Dimensionen eines erfolgreichen Managements einer NPO auf. Es muss den Aspekten der Norm- und Wertdimension ebenso Rechnung tragen, wie einer technischen, wirtschaftlichen, politischen Rolle. „Funktionalistisch betrachtet verdanken NPOs ihre Existenz den komparativen Leistungsvorteilen gegenüber erwerbswirtschaftlichen Unternehmen und staatlichen Organisationen. Der Transaktionskostenansatz macht die Vorteile nicht an den Produktionskosten fest, sondern an den Kosten zur Bewältigung der Probleme der Informationsbeschaffung und Unsicherheiten beim Leistungstausch. Je nach Güterart und ihren Besonderheiten verlangt die Bewältigung von Informationsasymmetrien und Prinzipal-Agent-Beziehungen einen unterschiedlich hohen Einsatz von Ressourcen, der die jeweils erzielbaren Renten reduziert. Die Wahl einer institutionellen Struktur folgt aber nicht nur ökonomischen Efzienzüberlegungen, sondern bringt auch Wertentscheidungen zum Ausdruck. Die Form einer NPO kann bewusst gewählt werden, weil sie den eigenen normativen Vorstellungen über Umgangsformen, Partizipationschancen etc. genügt“ (ebd.: 25–26).
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Dieses Konzept erscheint für die Weiterarbeit insofern als besonders geeignet, weil es spezische Rahmenbedingung der Nonprot Organisationen im Gesundheits- und Sozialwesen zu integrieren vermag. Denn für diese NPO gilt, dass die technische und wirtschaftliche Rationalität entscheidend von politischen Entscheidungen und Rahmenbedingungen mitbestimmt wird. „Zielsetzungen, Leistungsprogramme und Maßstäbe für die Output- Bewertung müssen zwischen den Anspruchsgruppen ausgehandelt werden. Die Interessen keiner Gruppe können dauerhaft vernachlässigt werden. Fehlt die Bedarfsorientierung werden die Leistungsadressaten der NPO die Legitimation entziehen, indem sie entweder abwandern oder Widerspruch einlegen und die Geldgeber die Finanzierung einstellen.“ (ebd.: 24). Ebenso muss Berücksichtigung nden, dass nicht alles, was aus technischer und wirtschaftlicher Sicht (Effektivität und Efzienz) machbar ist, vor dem Hintergrund sozi-kultureller Werte und Normen der Gesellschaft erwünscht oder gewollt ist. „Die Umsetzung sozio-kultureller Rationalität in betriebsinterne Abläufe unterliegt zudem einem öffentlichen Interesse. Die Glaubwürdigkeit nach außen hängt auch davon ab, inwieweit das postulierte Wertsystem nach innen handlungsleitend ist“ (ebd.). Die Besonderheit der NPO leitet sich im Rahmen der sozio-ökonomischen Rationalität aus der multidimensionalen Legitimationsbedürftigkeit ab. Es geht einerseits um Effektivität und Efzienz innerhalb bestimmter Bedingungen der Gewinnverwendung, es geht um die Orientierung an Zielsetzungen der relevanten Interessengruppen und es geht um das Handeln in politischen Rahmenbedingungen. Vor diesem Hintergrund ist die Wahl einer NPO zur Verfolgung bestimmter Ziele einerseits präferenzrelevante – optimale – Institutionenwahl und andererseits entscheidend für ein spezisches Managementhandeln. 2.2
‚Traditionelle‘ Profession als exklusive Organisiertheit spezi¿scher Berufsgruppen
Will man also die Erforschung professionellen Handelns empirisch vorantreiben, ist es in jedem Fall ratsam, sich in aller Kürze den ‚Idealtyp‘ einer Profession vor Augen zu halten, der in der ‚traditionellen‘ Professionstheorie immer noch als Maßstab dessen verwendet wird, was als ‚professionell‘ bzw. ‚Profession‘ gelten darf. Die im Folgenden aufzuzählenden Kriterien wurden insbesondere durch Analyse der Ärzteschaft, aber auch am Beruf der Juristen, Theologen oder Architekten im anglo-amerikanischen Raum entwickelt. Durch Theoretiker wie T. Parsons (1951) und E. C. Hughes (1953) wird in dieser Tradition Lizenz und Mandat mit klaren Kennzeichnungen der beruichen Legitimation verbunden: Lizenz meint die amtliche Zertizierung einer durchweg wissenschaftlichen Ausbildung und obendrein die Aufnahme der Professionellen in einen selbst organisierten Berufsstand. Es ist kein Zufall, dass besonders T. Parsons (1951) die besondere Autorität der Professionen aus Prinzipien einer spezischen Professionalität herleitete (vgl. J. Evetts 2004/2005). Dazu gehören z. B. funktionale Spezialisierung, Abgrenzung der Einuss-Sphären, Universalitätsanspruch, überpersonale Standards. Somit beruht die Berufsausübung ganz wesentlich auf Vertrauen, Kompetenz, einer starken beruichen Identität sowie Kooperation. Autorität und Macht wurden legitimiert durch das Versprechen, zentrale Wertvorstellungen bzw. gemeinschaftliche Güter, über deren Erhalt bzw. Erreichung ein gesellschaftlicher Konsens vorausgesetzt werden konnte, den so genannten Gemeinwohlbezug, zu sichern.
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Professionalität ist demnach gekennzeichnet durch berufsständische Selbstverwaltung, eine ausgewiesene Wissenschaftlichkeit sowie Autonomie im beruichen Handeln. Dieser Minimalkonsens und die eher positive Sicht auf die gesellschaftliche Funktion der Professionen wurden kürzlich von Freidson (2001) erneuert. Freidson analysiert drei Logiken, in denen Arbeit in modernen Gesellschaften organisiert wird (Markt, Organisation und Profession). Vor diesem Hintergrund illustriert er die jeweiligen Vor- und Nachteile für Klienten sowie Berufspraktiker und stellt die Bedeutung der professionellen Organisation insbesondere für Dienstleistungsarbeit heraus. Freidsons Analyse basiert auf der Annahme, dass professionelle Arbeit einen speziellen Wert entweder für die Öffentlichkeit, den Staat oder für Eliten beinhaltet (E. Freidson 2001: 214). „The ideal typical position of professionalism is founded on the ofcial belief that the knowledge and skill of a particular specialization requires a foundation in abstract concepts and formal learning“ (ebd.: 34). Die maßgebliche Unterscheidung stellt für ihn der Bureaucratic controlled Labor Market und Occupational controlled Labor Market dar. Während ersterer durch eine vertikale Differenzierung der Arbeitsteilung und des Arbeitsmarktes durch Hierarchie, Management, Bürokratie gekennzeichnet erscheint, bestimmt sich Professionalität nach wie vor durch die horizontale Differenzierung des Arbeitsmarktes im Sinne von berufsinterner Denition der spezischen Qualikation für bestimmte Arbeiten und die Denition der Arbeit selbst. Freidson analysiert vor diesem Hintergrund die mögliche Ausdifferenzierung der Profession im Gegensatz zu managementorientierten Berufen (und ihrer vertikalen Differenzierung) als horizontale Binnendifferenzierung. Professionalität ist nach diesem Ansatz gekennzeichnet durch den eher lebenslangen Verbleib im gleichen Beruf (vs. den Wechsel des Berufes), der Karriere durch Erfolg/gute Leistung (vs. durch Beförderung/Aufstieg) und der beruichen Mobilität als ein Mehr an Reputation/Prestige basierend auf Expertise (vs. Mobilität als ein Mehr an hierarchischer Autorität). Die Ausdifferenzierung in der Berufskarriere (professional training) bedeutet also für die Berufsaspiranten eine lange und anspruchsvolle Zeitspanne professioneller Ausbildung, der sich unterschiedliche Karrierewege nach der Ausbildung entweder in der Forschung, in der professionellen Praxis (Practitioner) oder in der Selbstverwaltung anschließen. Dass dieser Modus von Selbstorganisation und Binnendifferenzierung für eine eingeschränkte Auswahl von Berufen nach wie vor erklärungsrelevant sein kann, versucht Freidson wohl am deutlichsten darzulegen. Er zieht abschließend, in Anbetracht aller Veränderungen, für die medizinische(n) Profession(en) das Resumee: „It has hardly lost all control over its work, and its institutions can still be said to resemble those of the ideal type“ (E. Freidson 2001: 198). Für die bundesdeutschen Verhältnisse muss jedoch ungeklärt bleiben, mit welchen Mechanismen und Instrumenten der Ärztestand diese genannte Kontrolle behält. Wie später gezeigt wird, weisen einige empirische Erkenntnisse auf einen Bedeutungsgewinn managerialer Kontrollmechanismen innerhalb der idealtypischen Profession hin.
Professionalisierung im Nonprot Management
2.3
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Management der Professionalität
Julia Evetts (2004/2005/2006) hat den anglo-amerikanischen Diskurs um Professionalität als Management-Tool maßgeblich vorangetrieben. Ihr Professionalitätskonzept soll im Folgenden kurz skizziert und mit empirischen Beobachtungen unterlegt werden. Unter der Problemstellung „The Management of Professionalism: a contemporary paradox“ wird analytisch auf den „discourse of professionalism“ als ein neues Steuerungsinstrument fokussiert. Idealtypisch unterscheidet Evetts zwei Formen von Professionalismus in Gegenwartsgesellschaften: occupational versus organizational Professionalism – „Organizational professionalism“ ausgeübt und innegehalten von Managern in Organisationen egal welcher Art, und „occupational professionalism“, der die traditionellen Professionen bezeichnet. Mit ersterem öffnet sie den gesamten Bereich des beruichen Arbeitshandelns in Organisationen für professionssoziologische Analysen und lenkt den professionssoziologischen Blick auf die Kontroll- und Steuerungswirkungen des insbesondere von Managern implementierten Professionalitätskonzeptes. Julia Evetts differenziert bezüglich dieses vom Management initiierten Professionalitätskonzeptes, zwischen Mythos und Realität (J. Evetts 2005). Der Mythos beinhalte Aspekte der exklusiven Verantwortung über einen bestimmten qualizierten Aufgabenbereich (area of expertise), höheren Status und Bezahlung, Autonomie und Erfahrung in der Arbeitspraxis sowie berufsinterne Kontrolle der Arbeit. Die Realität dieses Professionalismus unterscheide sich jedoch wesentlich von solchen Vorstellungen. Reden Manager von Professionalität, meinen sie zumeist die Substitution professioneller Werte durch organisationale; bürokratische, hierarchische und manageriale anstatt kollegialer Kontrolle; manageriale und organisationale Ziele anstatt Klientenvertrauen und Autonomie basierend auf Kompetenz und Expertise; Budgetierung und nanzielle Rationalisierung anstatt professioneller Efzienz; Standardisierung der Arbeit, Accountability und größere politische Kontrolle anstatt Selbstkontrolle. Die Dualität des managerialen Professionalitätsdiskurses in hierarchisch strukturierten Organisationen beinhaltet also Kontroll- und Steuerungsmodi im Sinne von Fremdkontrolle und gleichzeitig „a discourse of self-control which enables self-motivation and sometimes even self-exploitation“ (J. Evetts 2005). Diese Ergebnisse nden eine Entsprechung in den Erkenntnissen Michael Meusers (2005), der die Bedeutung der Begriffsverwendung ‚professionell‘ und ‚Professionalität‘ im Bereich der Wirtschaftwissenschaften herausgearbeitet hat. Das moderne Paradox besteht Evetts zufolge darin, dass einerseits die Konzepte Profession und Professionalismus für immer mehr Tätigkeiten in Anschlag gebracht werden, andererseits aber die bislang untrennbar mit diesen Konzepten verbundenen Kategorien Vertrauen, Autonomie und Kompetenz einem Wandel unterzogen werden. Evetts diagnostiziert einen Bedeutungsgewinn des „organizational professionalism“ und einen Bedeutungsverlust des traditionellen Professionalismus gerade in professionstypischen Organisationen und Berufen. Der manageriale Professionsdiskurs bringt also Aspekte von Professionalität hervor, die sich in wesentlichen Punkten vom idealtypischen Diskurs unterscheiden. Einerseits nden sich andere Steuerungs- und Kontrollformen der Arbeit. Andererseits werden Aspekte von Professionalität verstärkt, die in der idealtypischen Diskussion eher verdeckt sind: Es geht um professionelles Wissen in unterschiedlichen organisationalen Einbettungen, um Innovation,
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um kontextspezische Kompetenz. Aus dieser neu gewonnen Sicht der Professionstheorie heraus formuliert Evetts entscheidende Forschungsfragen: 1. 2. 3.
Welche Bedeutung hat Vertrauen in wissensbasiertem Expertenhandeln (als professionellem Handeln) in modernen Demokratien und Dienstleistungsbereichen mit hoher Arbeitsteilung ? Wie weit können Autonomie und Vertrauen durch Hierarchie, Bürokratie, Managerialismus, Zielbestimmung, Verantwortlichkeit und Marktsteuerung ersetzt werden ? Sollten eher die individuellen Akteure oder die institutionellen Rahmenbedingungen als Fokus gelten, wenn es um den Erhalt, die Genese und die Kontrolle von Macht, Vertrauen und Kompetenz geht ?
Nach der Kritik an dem klassischen Professionsideal (2.2.) und der Entwicklung eines managerialen/organisationalen Professionalitätsverständnisses (2.3.) soll im Folgenden die deutschsprachige Professionsdiskussion aufgenommen werden, die stark mit der deutschen Struktur der Wohlfahrtsstaatlichkeit (hier vor allem das Subsidiaritätsprinzip und die Gleichzeitigkeit öffentlicher Träger und Wohlfahrtsverbände) verbunden ist. 2.4
‚Kontextuelle‘ Professionalität im sozialen Dienstleistungssektor
Vielleicht die maßgebliche Komponente, die die professionstheoretische Debatte im deutschsprachigen Raum immer wieder hat weiterführen lassen, könnte die konikthafte Auseinandersetzung um die sozialen Dienstleistungsprofessionen – allen voran die Soziale Arbeit (aber ebenso Pege, Public Health usw.) – sein. In der Auseinandersetzung mit den ‚klassischen‘ Professionen ging es hier lange Zeit um eine Kategorisierung in ‚Quasi‘- oder ‚Sekundär‘Profession, oder um den Gegensatz von Profession und Professionalität. Ein Ausschnitt dieser hier unmöglich nachzuzeichnenden Profession(alisierung)sdebatte ist in der Sozialen Arbeit verankert und wurde maßgeblich von Bernd Dewe und Hans-Uwe Otto angestoßen und vorangetrieben. Sie rücken vornehmlich den Dienstleistungsaspekt professionellen Handelns ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Die beiden Autoren fassten im Jahre 2001 die Ergebnisse aus über 20 Jahren Forschungsarbeit zur Professionalisierung Sozialer Arbeit zusammen und kamen – vor allem vor dem Hintergrund der interaktionistischen Professionstheorie nach Schütze und in Abgrenzung zu funktionalistischen Ansätzen nach Oevermann, Stichweh und den eben referierten anglo-amerikanischen Ansätzen – zum Resümee, dass beruiches Handeln in der Sozialen Arbeit aufgrund einer besonderen Qualität ihrer Leistungserbringung als eine moderne Dienstleistungsprofession auszuzeichnen, zu identizieren und zu legitimieren sei: „Professionalität materialisiert sich gewissermaßen in einer spezischen Qualität sozialpädagogischer Handlungspraxis, die eine Erhöhung von Handlungsoptionen, Chancenvervielfältigung und die Steigerung von Partizipations- und Zugangsmöglichkeiten aufseiten der Klienten zur Folge hat“ (B. Dewe/H.-U. Otto 2001: 1400). Es geht also nicht um eine besondere Autorität und Macht, anstelle des – oder für den – Klienten zu beurteilen und zu handeln, sondern darum, den Klienten so zu unterstützen, beraten, befähigen usw., dass er/ sie alternative oder neue Handlungsmöglichkeiten erkennt und diese auch wahrnehmen kann.
Professionalisierung im Nonprot Management
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Die Integration des Konzeptes sozialer personenbezogener Dienstleistung öffnet dabei den professionstheoretischen Fokus auf Phänomene, die der klassischen Professionstheorie einerseits, sowie der Managementperspektive andererseits eher fremd sind. Die Kategorie ‚soziale Dienstleistungen‘ betont die politisch-institutionelle Ebene dessen, „welche Probleme als soziale anerkannt und welche Aufgaben als gesellschaftlich relevant eingestuft werden“ (B. Finis Siegler 2001: 249). Die Relationierungsherausforderung für die Professionalität resultiert also aus den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die durch politische, gesetzliche, wirtschaftliche oder auch organisatorische Steuerung – oder auch Bedingungen eines spezischen Sozial- oder Lebensraumes – eine immer neue Kontextualisierung des Handelns verlangen. In der Sozialen Arbeit werden Diskurse um Case- und Unterstützungsmanagement, Sozialraum- und Gemeinwesenmanagement sowie Organisationsentwicklung bis hin zu Netzwerkmanagement an die Professionalisierungsdebatte angeschlossen; Diskussionen also, die sich immer weiter von dem direkten Fallbezug mit den Klienten ablösen zu einer professionellen Perspektive als Antwort auf die Herausforderung, Soziale Arbeit für solche Klienten zu gestalten, die niemals direkte Nutzer der Sozialen Arbeit werden. Parallel zu dieser eher erziehungswissenschaftlich-sozialarbeiterischen dominierten Debatte hat sich in der Forschung um Soziale Berufe über die letzten 20 Jahre ein Diskussionsstrang etabliert, der sich vor allen mit der – im europäischen Vergleich einmaligen – subsidiär gestalteten Trägerstruktur auseinandersetzt. Die Erkenntnisse um ‚Sozialwirtschaft‘, ‚Sozialökonomie‘, ‚Sozialplanung‘, ‚Sozialmanagement‘ bis hin zu kommunaler Sozialpolitik werden erst in jüngerer Zeit mit der Frage nach Professionalisierung verbunden. H. Schubert (2001) kommt hier zu dem Ergebnis, dass Professionalisierung in der Sozialen Arbeit aus einer gegenseitigen Ergänzung von fachlichen und ökonomischen Kriterien besteht. 3
Zur Professionalität im Nonpro¿t-Management
3.1
Nonpro¿t-Forschung und Management
Nonprot Organisationen sind im Vergleich zu Unternehmen oder staatlichen Einrichtungen in struktureller Hinsicht vor allem dadurch unterschieden, dass sie in hohem Maße auf Solidarität in Form von freiwilliger Arbeit und durch Spendenunterstützung, insbesondere aber auf die Unterstützung der Werte und Mission der Organisation durch Mitglieder und Öffentlichkeit angewiesen sind. A. Zimmer und E. Priller charakterisieren die Organisationen des Dritten Sektors daher als „Wertgemeinschaften“ (2006: 17), die über ein großes gesellschaftliches Integrationspotential verfügen. Salamon und Anheier (1992) haben eine strukturell-operationale Denition von Nonprot Organisationen vorgeschlagen, die insbesondere rechtliche und kulturelle Unterschiede im internationalen Vergleich – im Zuge der Diskussion um die mangelnde empirische Datenlage zum Dritten Sektor – überbrücken sollte. Nonprot Organisationen sind nach dieser Denition organisiert (organisationale Permanenz), privat (relativ unabhängig von staatlichem Einuss), nicht-gewinnorientiert (Gewinnausschüttungsverbot), autonom (interne Entscheidungsndung) und freiwillig (Elemente von ehrenamtlicher Arbeit und/oder Spenden) (S. Toepler/H. Anheier 2005: 20 f.). Dabei übernehmen die Organisationen unterschiedliche gesellschaftliche Rollen, etwa die des sozialen Dienstleistungsanbieters, der
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Avantgarde (Identikation neuer gesellschaftlicher Bedarfe, Entwicklung neuer Lösungen), des Themenanwalts und des Werteerhalts (H. Anheier 2005). Aus Denition und Rollenbeschreibung ergeben sich einige Besonderheiten des Organisationsverhaltens. Entscheidende strukturelle Aspekte, die das Organisationsverhalten 1 von Nonprot Organisationen beeinussen, sind die Folgenden: a)
b)
c)
d)
e)
Nonprot Organisationen sind missionsgebunden, d. h. der Zweck der Organisation ist in der Mission begründet und deniert damit die Zielsetzungen der Arbeit. Die Mission Statements beinhalten die elementaren Werte der Arbeit der Organisation, daher kann man NPOs als wertgebundene Organisationen bezeichnen. Wie diese religiösen, politischen, kulturellen, humanitären Werte das Organisationsverhalten konkret bestimmen ist jedoch von vielen Faktoren (alignment) abhängig. Das sogenannte Principal-Agent-Problem bezeichnet die unklare Eigentümer-Struktur in Nonprot Organisationen. Anders als bei staatlichen Einrichtungen (Volk, Wähler, Steuerzahler) oder Unternehmen (Anteils-Eigner) ist nicht klar, wer die Eigentümer-Funktion in Nonprots übernehmen kann, die Vorstandsmitglieder, die Steuerzahler, die Dienstleistungsempfänger ? Da es keine einfache Antwort auf diese Frage gibt, sind Nonprot Organisationen einer Vielzahl von Anspruchsgruppen (Stakeholder) verpichtet, deren Ansprüche sich nicht einfach priorisieren lassen. Finanzierungsmix: Nonprot Organisationen haben typischerweise mehrere Ertragsquellen: Leistungsverträge mit der öffentlichen Hand, Zuschüsse, Stiftungsförderbeiträge, Einnahmen aus erbrachten Dienstleistungen (Markt, Quasi-Märkte, Mitgliedschaft, verschiedene Formen staatlicher Transferleistungen, verschiedene Formen des Spendens, Verträge etc.) zur selben Zeit, ohne klare Preismechanismen und verlässliche Leistungsindikatoren. NPOs sind personalintensive Organisationen, der größte Haushaltsposten in zumeist der Personalhaushalt. Dabei gilt jedoch die Besonderheit, dass auch Ehrenamtlichen, bzw. freiwillig Engagierten auf der operativen Ebene und im Vorstand der Einrichtung mitarbeiten. Das heißt, in den Einrichtungen arbeiten bezahlte Fachkräfte und Freiwillige zusammen. Die bezahlten Fachkräfte sind dabei in höchst unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen angestellt, und umfassen Vollzeit- und Teizeitkräfte, geringfügig Beschäftigte, Honorarkräfte, usw. Zudem haben viele, wenn auch nicht alle NPOs demokratisch-partizipative Entscheidungsstrukturen, die sich von hierarchisch-weisungsgebundenen Organisationsformen, etwa der Privatwirtschaft unterscheiden.
Für die so charakterisierten Organisationen entstand in den 1970er Jahren in den USA eine spezische Forschungsliteratur, die sich zunächst mit den Existenzgründen für Nonprot Organisationen beschäftigte, und die Größe und wirtschaftliche Bedeutung des Nonprot 1
Organizational Behaviour geht es um den gezielten Umgang mit Formen der Gestaltung und Sicherung von sozialen Regeln, Prozessen, Funktionen und Strukturen zur Beeinussung des menschlichen Verhaltens in Organisationen. Hierbei werden auch unterschiedliche Kontexte (z. B. Erwartungen, Verhalten oder Sinn) auf ihre verhaltensteuernden Wirkungen hin betrachtet.
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Sektors ausmaß. Interesant dabei ist die Entstehungsgeschichte dieser Forschungsrichtung, die auf die „Commission on Private Philanthropy and Public Needs“ (1973–75) zurückgeht. Diese Kommission, besser bekannt als „Filer-Commission“ (nach ihrem Vorsitzenden John H. Filer), hat einen fünf-bändigen Bericht veröffentlicht, in dem Forscher und Experten und Kommissionsangehörige sich erstmals intensiv mit Nonprot Organisationen und Stiftungen auseinandersetzten. Der Bericht und die darum entstehende Debatte hatte auch ein neues Verständnis der Struktur der amerikanischen Gesellschaft zur Folge. Neben den bekannten Sektoren Staat und Markt, wurde der Begriff des „Dritten Sektors“ eingeführt. Die um den Bericht entstandende wissenschaftliche Aktivität führte 1978 zur Einrichtung eines Programms zur interdisziplinären Erforschung von Nonprot Organisationen an der Yale University. Die Forscher in den 1980er Jahren beschäftigten sich überwiegend mit den Fragen: (1) warum bestimmte Organisationen sinnvollerweise eher Nonprot Organisationen sein sollten, statt öffentliche Einrichtungen oder privatwirtschaftliche Unternehmen, oder (2) warum gesellschaftliche Felder (z. B. Gesundheit, Erziehung, Sozialarbeit) unterschiedliche Zusammensetzungen von Nonprot Organisationen, Einrichtungen der öffentlichen Hand und privatwirtschaftliche Unternehmen aufweisen; ebenso wie (3) warum wir unterschiedliche Größen und Strukturen von Dritten Sektoren in unterschiedlichen Ländern und Volkswirtschaften vornden. Ein einussreicher Ansatz zur Erklärung der Existenz des Nonprot-Sektors stammt von dem Ökonom B. Weisbrod (1977). Der meist als „Marktversagen/Staatsversagen“-Theorie, oder „Heterogenitäts“-Theorie bezeichnete Ansatz geht davon aus, dass der Markt trotz seiner Vorteile nicht imstande ist, das sog. Schwarzfahrerproblem in der Bereitstellung öffentlicher bzw. kollektiver Güter zu überwinden. Dieses „Versagen des Markts“ liefert im klassischen ökonomischen Denken die Rechtfertigung für Eingriffe des Staates, um die vom Markt nicht befriedigte Nachfrage nach öffentlichen oder kollektiven Gütern zu decken. Der Staat kann diese Rolle in einer Demokratie jedoch nur dann ausüben, wenn eine Mehrheit der Wähler die Produktion eines bestimmten Kollektivguts unterstützt. Wo es aber zu größeren Meinungsverschiedenheiten darüber kommt, welche kollektiven Güter staatlich bereitgestellt werden sollen, kommt es mitunter zu Schwierigkeiten, den notwendigen Mehrheitskonsens zu erzielen, mit der Folge, dass der Bedarf für kollektive Güter weitgehend unbefriedigt bleibt. Dieses „Staatsversagen“ ist nach Weisbrod weiterhin dort am wahrscheinlichsten, wo die Bevölkerung sehr heterogen zusammengesetzt ist und daher Meinungsverschiedenheiten über die Art der vom Staat bereitzustellenden Kollektivgüter sehr leicht auftreten. In einer solchen Situation werden sich Nachfrager an Nonprot-Organisationen wenden, um jene kollektiven Güter zu erhalten, die ihnen weder der Markt noch der Staat bieten können. Die Funktion von Nonprot-Organisationen liegt also darin, die unbefriedigte Nachfrage nach kollektiven Gütern zu decken, bei deren Bereitstellung sowohl der Markt als auch der Staat „versagen“. Eine zweite theoretische Argumentationsrichtung führt Nonprot-Organisationen auf eine andere Art von Marktversagen, nämlich auf Informationsasymmetrien zurück, die in „Vertragsversagen“ resultieren. Nach diesem Ansatz (H. Hansman 1980/1987) können Konsumenten bei bestimmten Transaktionen nicht auf alle notwendigen Informationen zurückgreifen, um die Qualität angebotener Güter oder Dienstleistungen angemessen zu beurteilen. In diesen Fällen ergeben sich Anreize für Produzenten, solche Informationsasymmetrien auszunutzen und geringwertigere Leistungen zu produzieren als vertraglich vereinbart. Nach-
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Andreas Langer, Andreas Schröer
frager haben daher Anlass, dem Produzenten zu misstrauen. Der Nonprot-Status eines Produzenten kann nun wegen des Verbots, Gewinne an die Eigentümer auszuschütten (nondistribution constraint), einen Vertrauensvorschuss gegenüber kommerziellen Anbietern bedeuten, weil Nonprot-Organisationen, im Gegensatz zu kommerziellen Produzenten, keinen Anreiz haben, durch Senkung der Leistungsqualität zusätzliche Gewinne zu erzielen. Der Nonprot Status verleiht also eine „Vertrauenswürdigkeit“, aufgrund derer sich Nachfrager eher an Nonprot-Organisationen wenden. Angebotstheoretische Ansätze stellen statt der unbefriedigen Nachfrage durch Marktund Staatsversagen vielmehr die Präsenz von „Moralunternehmern,“ d. h. Individuen mit einer starken Motivation zur Schaffung von Nonprot-Organisationen in den Vordergrund (E. James 1987). Das Auftreten solcher Moralunternehmer ist an bestimmte Umstände gebunden, etwa das Vorhandensein eines Wettbewerbs verschiedener Religionsgemeinschaften um Anhänger. Eine solche Konkurrenz um religiöse Dominanz zwischen Glaubensrichtungen motiviert, besonders überzeugte Anhänger, Nonprot-Organisationen mit konfessionneller Ausrichtung zu gründen, als eine Möglichkeit, Zugang zu potentiellen, neuen Mitglieder für die betreffende Religionsgemeinschaft zu gewinnen. Wie E. James (1987) aufzeigt, spielt bei der religiös motivierten Gründung von Nonprot-Organisationen nicht die Maximierung des wirtschaftlichen Gewinns die Hauptrolle, sondern die Rekrutierung einer möglichst großen Anzahl neuer Mitglieder über ein Dienstleistungsangebot, das von potentiellen Anhängern als besonders attraktiv empfunden wird. Trotz ihrer Vorzüge unterliegen aber auch Nonprot-Organisationen signi kanten Beschränkungen, die ihre Fähigkeit, auf kollektive Bedürfnisse angemessen zu reagieren, einschränken. Analog zum „Marktversagen“ und „Staatsversagen“ kann man in diesem Zusammenhang von einem „Philanthropieversagen“ sprechen, welches zumindest teilweise durch staatliche Hilfestellungen behoben werden kann. Grundsätzlich lassen sich verschiedene Formen eines solchen Versagens unterscheiden, darunter beispielsweise „philanthropische Unzulänglichkeit“, womit Schwierigkeiten bei der Ressourcenmobilisierung angesprochen sind, welche Nonprot-Organisationen daran hindern angemessen auf steigende Nachfrage zu reagieren, und „philanthropischer Paternalismus“ der die Unfähigkeit solcher Organisationen umschreibt, Leistungsansprüche zu garantieren, und zudem oftmals einer Hilfe zur Selbsthilfe im Wege steht (L. Salamon 1987b). Neben den hier genannten eher ökonomischen Existenz-Theorien wurden zunehmend auch sozialwissenschaftliche Ansätze diskutiert, die sich positiv auf die Begriffe Sozialkaptial (P. Bourdieu 1982, R. D. Putnam 2000) und der Zivilgesellschaft (J. Cohen/A. Arato 1992) beziehen. Nach der Phase der Konzentration auf Theorien zur Existenz von Nonprot Organisationen entstand dann in den 1990er Jahren eine spezische Management-Literatur für Nonprot Organisationen. Das Forschungsinteresse richtete sich zunehmend auf die Frage wie Nonprot Organisationen funktionieren und handeln und wie sie sich darin von Organisationen in öffentlicher Hand und Privatwirtschaft unterscheiden. Nach ersten einzelnen Arbeiten wurden zunehmend Lehrbücher zu Fragen des Nonprot Managements erarbeitet, die einen beinahe standardisierten Wissenskanon representieren (Herman et al. 2005, Anheier 2005). Während sich die meisten Texte mit der Gemeinsamheiten der Management-Herauforderungen in Nonprot Organisationen einerseits und der Besonderheit von Managements von Nonprot Organisationen im Vergleich zur öffentlichen Verwaltung und dem management privatwirt-
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schaftlicher Unternehmen beschäftigen wird dabei insbesondere die Missionszentriertheit der Arbeit betont. Darüber hinaus werden auch eine Reihe von nonprot-spezischen Management-Aufgaben behandelt, wie etwa das Management von freiwilligen und hauptberuichen Mitarbeitern, das Fundraising, der Umgang mit Leitungsgremien oder die besondere ethische Verantwortung von Führungskräften in missionsorientierten Organisationen. Als eine weitere zentrale Herausforderung wird in der Nonprot Management Literatur die Vielfalt von Legitimationsbezügen der Organisationen betont. Durch die unklare Eigentümer-Struktur (principal-agent-problem) von NPOs ergibt sich eine schwer lösbare Management-Aufgabe: der verantwortungsvolle Umgang mit den vielen Stakeholder-Beziehungen der Organisation, die von ihren freiwilligen Mitarbeitern, über Spender, Förderer (z. B. Stiftugnen), Auftraggebern (z. B. öffentliche Hand), Leistungsempfänger, bis hin zur allgemeinen Öffentlichkeit reichen. In den letzten Jahren wurde insebsondere der besondere Charakter des Nonprot Managements immer wieder in Frage gestellt. Grund dafür ist der zunehmende Druck auf die Organisationen des Dritten Sektors mit ihren Produkten und Dienstleistungen Geld zu verdienen. Angesichts rückläuger öffentlicher Mittel und einer steigenden Nachfrage nach sozialen und kulturellen Dienstleistungen die von Nonprot Organsitionen erbracht werden, stieg der Anteil der durch Produkte und Dienstleistungen selbst erwirtschafteten Mittel an der Gesamtheit der Einnahmen beträchtlich. Das gestiegene Interesse an nanziellen Einnahmen, also der sozialunternehmertischen Tätigkeit von Nonprot Organisationen führt zu zunehmenden Spannungen zwischen der Orientierung der Organisation an ihren sozialen Mission und ihrem Interesse an der Generierung von Einnahmen. Sollte in diesem Spannungsverhältnis das ökonomische Interesse überwiegen, so stünde die Besonderheit des Organisationsmodells und die Besonderheit des Nonprot Mangements in Frage (H. Herman 2005). Dies jedoch hätte gravierende Folgen für das öffentliche Vertrauen in die Qualität der Leistungen der Nonprot Organisationen, ebenso wie ein abnehmendes Interesse von Freiwilligen und Spendern als wahrscheinliche Konsequenz anzusehen wäre. Das Balancieren der Spannung zwischen fachlichen, werteorientierten und ökonomischen Steuerungskriterien erfordert, so argumentiert der Nonprot Diskurs, eine spezische Form des Managements. Dieses spezische Nonprot Management berücksichtigt die fachlichen Anforderungen und den werteorientierten Auftrag der Organisationen, neben den notwendigen Efzienz- und Effektivitätskriterien. Anhand der folgenden Beispiele aus dem Gesundheits- und Sozialwesen ergibt sich ein differenzierteres Bild unterschiedlicher Formen von Managementhandeln in NPOs. 3.2
Binnendifferenzierung im NPO Management
Auf der Basis neuerer internationaler Studien zu professionellem Handeln im Gesundheitsund Sozialwesen (B. Borghetto 2006; M. Robelet 2007; A. Langer 2007; L. Svensson 2006; W. Vogd 2006; S. Grohs 2007; A. Liljegren 2006) lässt sich nun ein Professionsverständnis umreißen, welches geeignet ist, Managementhandeln in spezischen Professionen zu analysieren und zu verstehen. Mit Blick auf diese Studien zeichnet sich eine professionelle Binnendifferenzierung ab, die im Folgenden kurz erläutert und danach für die medizinische Professionalität sowie für Sozialberufe empirisch konkretisiert werden soll.
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Zwei Hinweise aus aktuellen empirischen Studien geben Anlass zu diesem Schritt: Die Untersuchung professionellen Handelns im Gesundheitswesen im Kontext der Einführung von diagnoseorientierten Fallpauschalen (DRG) zur Abrechnung der stationären Gesundheitsversorgung (A. Manzeschke 2006, 2008) zeigt, dass Träger der klassischen Profession „Ärzteschaft“ in den Verwaltungsbereich wechseln und dort ‚Karriere‘ machen. Das wird möglich und nötig, weil die organisationale Steuerung des Krankenhauses zunehmend am ökonomischen Erfolg orientiert ist, und dieser wiederum ist abhängig von einer möglichst optimalen Codierung der medizinischen Leistungen in einem efzienzorientierten Abrechnungssystem. Um das ‚Leitbild‘ eines Managers, der medizinisches Wissen mit betriebswirtschaftlicher Kompetenz zu verbinden weiß, wird das Steuerungshandeln organisiert. Die Verbindung von medizinischer und ökonomischer Kompetenz in der Person des Medical-Coders oder DRG-Beauftragten wird entscheidend. Das Prol dieser organisationalen ‚Rollenanforderung‘ liegt jedoch quer zu einem klassischen Professionsverständnis. Eine zweite Studie zu den Auswirkungen von Verwaltungsreformen auf professionelles Handeln in der Sozialen Arbeit zeigt eine ‚Binnendifferenzierung‘ des Handelns von SozialarbeiterInnen in der Kinder- und Jugendhilfe in drei ‚funktionale‘ Ebenen, dem Umsetzungshandeln, dem Fallmanagement und dem Sozial- bzw. Publicmanagement (vgl. A. Langer 2007). Auch hier lässt sich beobachten, dass einerseits die Managementpositionen verstärkt von Akteuren aus Reihen der Profession ‚besetzt‘ werden. Andererseits müssen zwei Ebenen des Managementhandelns in öffentlichen und freien Trägern unterschieden werden, die sich durch jeweils eigene Aufgaben, Kompetenzen und Entscheidungsspielräume kennzeichnen lassen. Im Kontext ärztlichen Handelns im Krankenhaus wie auch in der Kooperation zwischen öffentlichen und freien Trägern in der Kinder- und Jugendhilfe lässt sich aus einer vergleichbaren Binnendifferenzierung ein abstrahierendes Modell einer neuen professionellen Binnendifferenzierung als These entwickeln. Die Leitungs- und Führungspositionen und damit auch ein wesentlicher Teil des Managementhandelns lassen sich dabei in mehr oder minder fallbezogenes Management und strategische Unternehmensführung unterscheiden. Diese neue Aufgabenteilung hat anscheinend Auswirkungen auf das Handeln in der Klienteninteraktion der professionellen ‚Practitioner‘. Die folgende Tabelle ist als ein solches abstrahierendes Modell der Binnendifferenzierung zu verstehen. Tabelle 1
NPO Management am ausgewählten Beispiel Kontext Krankenhaus
Kontext Kinderund Jugendhilfe
Phänomen: Aufgaben- und Entscheidungskompetenzverteilung
(1) strategisches Management
Verwaltungs-, Bereichs-, Abteilungsleitung
Sozialmanager/ New Public-Manager
Betriebswirtschaftliche Organisations- bzw. Bereichsführung
(2) fallkoordinierendes Management
Medical-Coder/ DRG-Beauftragte
Case-Management/ Koordination
Ökonomische Optimierung des Behandlungseinsatzes, Organisation der Versorgungskette
(3) Professionelle ‚Practitioner‘
Behandelnde (Fach-) Ärzte
Leistungsart bezogene Fachkräfte
Vorgabenorientierung und Entlastung im Klientenkontakt
Quelle: nach Langer Manzeschke 2009
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Aus Sicht der Managementtheorie kann diese Form der Arbeitsteilung unterschiedlich gefasst werden. Als institutionelles Management im Sinne des tayloristischen „Scientic Management“ geht es um die Steuerung von Organisationen und deren Teileinheiten. Im Sinne eines hierarchischen Aufbaus von Unternehmen, aber auch der ‚mechanistischen‘ Aufteilung vor allem der jeweiligen Weisungsbefugnisse, Verantwortung und Entscheidungsmacht bedeutet dies eine Machtverschiebung innerhalb der Professionen. Besonders relevant erscheint hier vor allem die Allokation der professionellen Denitionsmacht über zu bearbeitende Problem in der Klienteninteraktion – nämlich die Machtverschiebung von den Practitioners (3) hin zu fallkoordinierenden (2) bzw. strategischen (1) Führungs- und Leitungspositionen. Fasst man Management dagegen im funktionalen Sinne als die „Planung, Organisation und Kontrolle“ von Leistungserbringung auf (W. Staehle 1999), wird jedes (Leistungs-)Handeln unter der Managementperspektive in Blick genommen. Hier kommt dann – im Unterschied zu der institutionellen Managementperspektive – die Frage nach den Managementkompetenzen eines jeden professionellen Akteurs in den Fokus. Konkreter lässt sich dann natürlich die Frage nach dem relevanten ökonomischen, politischen bzw. organisationalen Bezugswissen in jedem professionellen Handlungskontexts, sei es im Krankenhaus oder in der Kinder- und Jugendhilfe – stellen. 3.3
Zur Kritik des technisch-industriellen Managementbegriffs
Mit dem Managementbegriff geht jedoch implizit eine mythische Verklärung des Führungshandelns einher, welches sich im Rahmen des klassischen, tayloristisch-fordistischen Paradigmas entwickelt hat. Vor diesem Hintergrund muss der Begriff des Managements immer wieder und immer noch vor dem Hintergrund seiner ‚ideologischen‘ Vorannahmen reektiert werden. Die erste Grundannahme besteht in der Ideologie der technischen Machbarkeit: Management könne ein gewünschtes Verhalten mit Hilfe der passenden Instrumente sicherstellen. Es ist die Fortführung einer rationalistischen Tradition der Managementlehre nach Taylor, Ford, Lean-management usw. welche davon ausgeht, dass ManagerInnen in der Lage sind ihre Vorstellungen linear durchzusetzen. Zweitens leitet sich daraus die Vorannahme einer grundsätzlich vorausgesetzten Überlegenheit der Führungsspitze ab. Das Management denkt also, die Arbeiter führen aus, wobei die Ausführenden als beliebig ersetzbar erscheinen. Managementleistungen (im weiten funktionalen Sinne) werden ausschließlich von der Führungsspitze erbracht – und nicht von vielen Akteuren auf unterschiedlichen Hierarchieebenen. Drittens gilt es das Postulat des wertfreien Managements zu bedenken. Es wird davon ausgegangen, dass ein/e gute/r ManagerIn alles managen kann, ob es nun Prot- oder Nonprot Unternehmen sind, aber auch abgesehen davon, welche grundlegenen Wertentscheidungen getroffen werden. Management besteht hier in der Reduktion auf Effektivität und Efzienz, die Identität und Wertorientierung einer Organisation spielt keine Rolle, Management ist auf die Bewältigung der operationalen Führungsaufgaben beschränkt, strategische und normative Fragen sind im Management nicht eingeschlossen. Natürlich sind in der modernen Managementliteratur diese Vorannahmen kritisch diskutiert worden, dennoch müssen sie bezüglich einer Managementprofessionalität weiterhin bedacht werden. In der Nonproft-Literatur sozialer Dienste wurde diesen Management-
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mythen zum Beispiel das Konzept eines entwicklungsorientierten Managements entgegen gesetzt. „Das Konzept des Entwicklungsorientierten Managements strebt die Effektivität (Wirksamkeit) und Efzienz (Wirtschaftlichkeit) einer“ sozialen Einrichtung an. „Allerdings geht es eben nicht von einer grundsätzlichen Steuerbarkeit von Organisationen aus, sondern sieht Organisationen als Gebilde an, die zwar beeinussbar, aber nicht in engerem Sinne steuerbar sind. Insofern bedeutet Entwicklungsorientiertes Management eine Vorstellung davon zu entwickeln, wie sich eine Organisation unter Berücksichtigung ihrer Identität aktiv verändern kann, welche Aufgabenbereiche zur Wertestruktur der Organisation passen, worin die besonderen leistungsbezogenen Qualitätsmerkmale liegen und wie eine effektive Kommunikation mit allen Ansprechpartnern zu erreichen ist“ (K. Grunwald/E. Steinbacher 2007, 89 f.) Die Abkehr vom klassischen Management bedeutet hier: 1. 2. 3.
Führungskräfte sind „angewiesen auf die rechtzeitige und angemessene Einbeziehung von MitarbeiterInnen im Sinne einer sozialen, kommunikativen und reexiven Kompetenz“ (ebd., 87) „Management bezieht sich aufgrund immer komplexer werdender Aufgabenstellungen nicht nur auf die Leistungen der Führungskräfte, sondern auf die vielfältigen Handlungen von verschiedenen Akteuren im System des Unternehmens“ (ebd., 88) „Gerade weil in Managementprozessen Prioritäten gesetzt und Entscheidungen getroffen werden (müssen), ist Management nicht als wertneutrales Handeln zu verstehen, sondern muss laufend Sinnangebote machen und diese gegenüber allem AkteurInnen inner- und außerhalb der Organisation kommunizieren und vertreten“ (ebd.)
Die Konsequenzen für die Professionalisierung eines Nonprot-Managements jenseits des traditionellen Managements wären schwerwiegend. Es ginge eben nicht darum, ein Management entsprechend der ‚traditionellen‘ Vorannahmen zu entwickeln, sondern entwicklungsbezogene Kompetenzen und Haltungen zu institutionalisieren. Die folgenden vier Punkte deuten diese Richtung nur an. ▪ ▪
▪
▪
Reexive oder partizipative Einbeziehung aller wesentlichen Akteure an der Produktion sozialer Dienstleistungen in Managementaufgaben, unter der besonderen Herausforderung der Co-Produktion der Klienten sozialer Dienstleistungen. Managementaufgaben werden von vielen Akteuren getragen, wobei eine Aufgabenteilung konsequent einer funktionalen Orientierung folgen müsste. Die Führungsspitze versteht sich allerdings als abhängig von Fachkräften, was die Herausforderung impliziert die Rolle der Führungskräfte sowie der Fachkräfte neu zu denieren und in einem organisationalen Lernprozess immer neu einzusozialisieren. Das Management hat die Aufgabe, Einigungen über leitende Werte und Normen herbeizuführen und diese immer wieder neu zu formulieren. Die Herausforderung besteht also nicht nur darin, Ziele aus Werten und Normen abzuleiten sondern auch immer gemeinsame Zwecke zu denieren. Das Management muss die Besonderheiten des je spezischen (Nonprot-)Bereiches immer neu ‚bottom-up‘ in Produktbeschreibungen überführen.
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Diese Beobachtungen geben Anlass, die bereits bestehenden Angebote zur Ausbildung vom nonprotspezischen Managementkompetenzen kritisch zu untersuchen. Daher wird abschließend danach gefragt, wie sich der Einuss des ökonomischem, organisationalem bzw. politischem Bezugswissen auf das professionelle Handeln einerseits und ob sich die genannten Ökonomisierungsprozesse andererseits auch in der höheren beruichen Qualikation zum Nonprot Management abbilden. 4
Akademisierung managerialer NPO-Quali¿kationen
In den USA lässt sich eine zunehmende Akademisierung der Ausbildung von Nonprot Managern seit Mitte der 1980er Jahre nachzeichnen, die unter anderem auf die zunehmende ökonomische Bedeutung des Nonprot Sektors (Anteil am Bruttoinlandsprodukt der USA ca. 7 %) zurückgeführt werden kann. Während es in den USA 1980 noch keinen Studiengang für Nonprot Management gab, waren es im Jahr 2000 bereits 91 Masterstudiengänge mit mindestens einer Schwerpunktbildung im Bereich Nonprot (R. M. Mirabella/N. B. Wish 2001), weitere 100 Bachelorstudiengänge und 50 universitäre zertizierte Weiterbildungsangebote (R. Ashcraft 2001; M. O’Neill/K. Fletcher 1998). Darüber hinaus wurden an vielen Universitäten Forschungszentren für Philanthropy und Nonprot Management gegründet. Zudem ndet sich eine wachsende Zahl an Berufsvereinigungen mit geradezu dramatischem Mitgliederwachstum. Hier sind insbesondere die Fundraising Organisationen in den USA zu nennen (Assocation of Fundraising Professionals, Council for the Advancement and Support of Education, Association of Heathcare Philanthropy, National Committee for Planned Giving). Darüber hinaus haben sich Einrichtungen institutionalisiert, die Infrastruktur für die Organisationen und Manager im Dritten Sektor bereit stellen, etwa Independent Sector, der Council on Foundations, die Association of Small Foundations, das Forum of Regional Associations of Grantmakers und die verschiedenen State Nonprot Organizations. Ein weiteres Merkmal der zunehmenden Akademisierung des Nonprot Managements ist die Gründung von nonprotspezischen Forschungsgesellschaften (Association for Research on Nonprot Organizations and Voluntary Action, International Society for Third Sector Research), Forschungszeitschriften (Voluntas, Nonprot and Volunteary Sector Quarterly, Journal for Civil Society, Stanford Social Innovaiton Review) und die Entwicklung einer nonprotspezischen Fachpresse (Chronicle of Philanthropy, Nonprot Times, Nonprot Quarterly). Auch in Deutschland schreiten Akademisierung und Verberuichung des Nonprot Sektors und dem Management seiner Organisationen weiter voran. Dieser Prozess war in den letzten Jahrzehnten durch die Zunahme hauptamtlicher Arbeit in Nonprot Organisationen geprägt (A. Zimmer/M. Priller 2007). Organisationen, die aus den neuen sozialen Bewegungen entstanden sind und heute einen bedeutenden Teil der Organisationen in den Wachstumsbereichen Umweltschutz und Internationales ausmachen, haben einen Prozess der Institutionalisierung (R. Roth/D. Rucht 1990) durchlaufen. Viele NPOs haben sich von Wertgemeinschaften zu Dienstleistungsunternehmen (T. Rauschenbach/C. Sachße/T. Olk 1995) gewandelt. Dadurch gewinnen wirtschaftliches Denken und Effektivität im Sektor an Bedeutung. Zudem haben die jüngsten Skandale um korrekte Mittelverwendung das Vertrauen der Öffentlichkeit in NPOs erschüttert. Dadurch steigt der öffentliche Anspruch
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an transparente Führung und Berichterstattung in NPOs, was wiederum Konsequenzen für das Verständnis der Professionalität des Nonprot Managements hat. Der bereits oben genannte Differenzierungsprozess zwischen mehr oder minder fallbezogenem Management und strategischer Unternehmensführung ist in den Sozialen Diensten durchaus nicht neu und schon wesentlich weiter vorangeschritten als in der medizinischen Profession. Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht nur nach dem Einuss von ökonomischem, organisationalem bzw. politischem Bezugswissen auf das professionelle Handeln fragen, sondern auch danach, ob sich die genannten Ökonomisierungsprozesse auch in der höheren beruichen Qualikation abbilden. Professionalisierungsprozesse und -phänomene sind im bundesdeutschen Raum durch die staatliche Anerkennung von Berufen mit geregelten Ausbildungsgängen gekennzeichnet. Professionalisierung ging also bisher mit einem Mehr an Ausbildung und deren Akademisierung (Hochschulabschlüsse) einher. Ähnliches lässt sich für die Managementausbildung für Nonprot-Organisationen feststellen. Mittlerweile gibt es im deutschsprachigen Raum ca. 132 akademisch orientierte Qualikationsmöglichkeiten für Führungskräfte im Sozialbereich, die mehr oder minder das Management Sozialer Dienste fokussieren. Hinter den Bezeichnungen wie etwa ‚Sozialmanagement‘, ‚Sozialwirtschaft‘, ‚Public Management‘, ‚Public Administration‘ oder ‚Nonprot-Management‘ – um nur einige zu nennen – verbergen sich jeweils akademisch orientierte Qualikationsmöglichkeiten, die auf die Professionalisierung von Wissen, Können und Haltung abzielen. Es ist also in den letzten zehn Jahren ein Aus- und Weiterbildungsmarkt um Sozialmanagement entstanden. Die Qualität der Angebote, die Art der ‚Produkte‘ sowie das Nachfrageverhalten in diesem (Wachtums-)Markt ist jedoch ein wenig reektiertes Problem. Aus der Analyse der deutschen Masterstudiengänge im Nonprot-Bereich lässt sich eine vorläuge These formulieren: Die Bewältigung der oben genannten Steuerungsherausforderungen sozialer Dienste scheint in der Ausstattung der (zukünftigen) Führungskräfte mit (betriebs-)wirtschaftlichem Wissen und Können zu liegen. Ähnliche Entwicklungen zeichnen sich auch für die Pege und Medizin ab (K. Kälble 2006, C. Offermanns 2006). Die Transformation dieses relativ unspezischen ökonomischen Wissens für die spezischen Eigenarten und Logiken einer Nonprot-Organisation wird aber anscheinend zurück in die Biograe, Erfahrung oder Sozialisation – also in das ‚learning by doing‘ – der ManagerInnen verlegt, personalisiert und individualisiert. Zusammenfassend lassen die empirischen Einsichten vor dem Hintergrund der skizzierten Professionsheuristik beim Vergleich der Professionalisierungsphänomene in der Medizin und der Sozialen Arbeit zwei Interpretationen für das NPO-Management zu. Erstens deutet sich eine Binnendifferenzierung an, deren Ausformung aber in beiden Berufsgruppen sehr unterschiedlich interpretiert werden muss. Zweitens wird ökonomisches und manageriales Wissen, Können und Haltung zu einem Bestandteil professioneller Entscheidungsndung, Legitimation und Handlungsorientierung.
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Beiträge des Bandes
Neben der Einleitung durch die beiden Herausgeber weist der konzeptionelle Beitrag von Julia Evetts den neuen Weg der Professionsforschung. Vor dem Hintergrund strukturfunktionalistischer und machttheoretischer Professionsansätze aus dem angloamerikanischen Kontext wird mit dem Beitrag „A New Professionalism. Managing public work and occupations“ eine alternative Forschungsperspektive untermauert. Zentral für die Erfoschung eines Managements öffentlicher Leistungen und Berufe scheint demnach zu sein, vermehrt nach den Kompetenzen der Akteure zu fragen, aber auch nach der Bedeutung von Vertrauen und den Nebenfolgen des Managementhandelns Unter dem Focus der Professionalisierung im NPO-Management wird vor allem die Akteurgruppe der Führungskräfte in den Mittelpunkt gerückt. Die Beiträge gehen jeweils von empirischen Erkenntnissen aus, um Perspektiven der Professionalisierung zu entwickeln. Andreas Langer rekonstruiert dabei professionelle Sozialmanagement kompetenzen zwischen Akademisierung und Entscheidungshandeln. Es werden zwei parallele Professionalisierungsphänomene im NPO-Management gegeneinander gestellt, die Entwicklung von Studiengängen des Sozialmanagement und die Entwicklung von Kompetenzen der Führungskräfte in sozialen NPO. Deutlich wird hier, dass unter dem Legitimierungsapekt Sozialer Arbeit eine ökonomisch-mangeriale Akademisierung zu einem fachlich-politisch begründeten Managementpraxis ergänzt wird. Andrea Friedrich sieht Soziale Arbeit auf dem Wege in die Professionalisierung des Personalmanagements. Die Arbeit von SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen wird in hohem Maße durch intrinsische Motivation geleitet. Die Veränderung des Vergütungssystems im öffentlichen Dienst führt zum Aufbau leistungsorientierter Vergütungsbausteine. Dieser Beitrag geht auf die Gestaltungsmöglichkeiten der leistungsorientierten Vergütung für Führungskräfte in der Sozialen Arbeit ein und analysiert Irritationen des professionellen Selbstverständnisses am Beispiel leistungsorientierter Vergütungsbestandteile. Johannes Leitner und Michael Meyer untersuchen dagegen den Managerialismus und seine Folgen in Nonprot Organisationen. Zunehmend nden Instrumente und Konzepte der Betriebswirtschaftslehre Anwendung in NPO. So auch der Indikator ‚Organizational slack‘, welcher ökonomische Inef zienz angibt. Diese Inefzienz kann jedoch auch als Faktor für die Innovationstätigkeit einer Organisation verstanden werden. Auf Basis einer empirischen Studie unter österreichischen NPO wird dieser Zusammenhang empirisch untersucht und mündet in der Warnung, dass zuviel Management eine NPO sogar zerstören kann. Georg Krücken, Albrecht Blümel und Katherina Kloke untersuchen Professionalisierungsprozesse im Hochschulmanagement. Hochschulen als „lose gekoppelte“ Organisationen be nden sich im Wandel. Die Modernisierung des Hochschulsystems wird als „Manageralisierung“ beschrieben und geht mit einer Professionalisierung der Hochschulleitung einher. Dieser Beitrag geht den Ursachen dieses Wandels und legt dessen Folgen dar, dabei wird auf die Spezität von Professionalisierungsprozessen in NPO eingegangen. Ein in der Literatur unterschätzter Bereich im NPO-Management dürfte das strategisch-politische Management darstellen. Im Abschnitt Professionalisierung von Nonprot Governance und Nonprot Leadership wird diesem Aspekt durch materielle und analytische Beiträge Rechnung getragen. Ludwig Theuvsen nimmt mit eine Analyse von Transparenzwirkungen die Professionalisierung des Not-for-Prot-Managements durch
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Governance-Kodizes in den Blick. Im Not-for-Prot-Bereich werden zunehmend GovernanceKodizes zur Professionalisierung des Managements sowie zur Verbesserung der Transparenz eingeführt. Dieser Beitrag analysiert die Wirkung von Governance-Kodizes im Hinblick auf Professionalisierung und entwickelt ein Konzept zur Operationalisierung von Transparenz in Not-for-Prot-Organisationen. Mit dem Beitrag von Urs Jaeger und Nina Hug wird das Phänomen der „Embeddedness“ herangezogen, welches für erfolgreiches Management sowie die Realisierung der Ziele von NPOs genutzt wird. NPOs sind vielfältig mit dem sozialen Umfeld verwoben und haben so Zugang zu unterschiedlichen Ressourcen. Dieser Beitrag geht mit einem mikrofundierten Ansatz auf die Bedeutung der Einbettung für NPOs ein. Aus der Netzwerkperspektive nehmen Phillip Schwegel, Patrick Da-Cruz und Peter Oberender dieses Thema auf. Krankenhäuser werden größtenteils in freigemeinnütziger Trägerschaft von Kirchen oder kirchlichen Organisationen geführt sowie in Verbundstrukturen organisiert. Kirchliche Krankenhäuser verfolgen spezische Ziele, die sich aus einem ganzheitlichen christlichen Ansatz über Krankheit ergeben und damit ein spezialisiertes und hochwertiges Leistungsangebot erfordern. Der Beitrag entwickelt ein Modell der netzwerkorientierten Diversikation der Krankenhäuser zur Wertsteigerung und strategischen Ausrichtung. Die Steuerung von Nonprot-Unternehmen wird von Uta Herwig und Frank Joest als Herausforderung gesehen, welche am Beispiel ambulanter kirchlicher Pegeeinrichtungen ausgeführt wird. Der deutsche Sozialstaat bendet sich im Umbruch, was auch zu einem Wandel des Sozialstaatsverständnisses als solches führt. Das Leitbild des Sozialmarktes nimmt zu und damit die Konkurrenz zwischen gemeinnützigen und gewerblichen Trägern. Dies daraus entstehenden Folgen, z. B. für die Führung, werden anhand einer Fallstudie aufgezeigt. Abschließend für diesen Abschnitt fragt Bernd Kleimann nach einer Professionalisierung von Hochschulleitung vor dem Hintergrund der Transformation des deutschen Hochschulsystems sowie der Hochschulen, die als Professionalisierungsprozess verstanden werden. In diesem Beitrag wird dieses Verständnis diskutiert und mittels einer Begriffsklärung teilweise neu bestimmt. So hat sich etwa durch den Hochschulwandel keine neue Profession herausgebildet. Somit ist der Wandel kein Professionalisierungsprozess, sondern ein Differenzierungsprozess der Hochschulleitung. Im dritten Abschnitt wird die Professionalisierung der Managementinstrumente Controlling, Evaluation und Fundraising in den Mittelpunkt gerückt. Susanne Vaudt und Carsten Rasche setzen bei der Heterogenität der NPO-Finanzierung an und untersuchen eine professionalisierte individualisierte Leistungserbringung in der Behindertenhilfe. Die Einführung eines Persönlichen Budgets als Individualisierungsmaßnahme für behinderte Menschen führt zu einer verstärkten Kundenorientierung in der Behindertenhilfe. Für die Behindertenhilfe geht dieser Wandel mit Zwängen zu Neuorganisation und Professionalisierung des Leistungsangebots einher. Der Beitrag geht vor diesem Hintergrund auf die Prozesskostenrechnung als Kostenrechnungsverfahren in größeren diakonischen Einrichtungen der Behindertenhilfe ein. Professionalisierung durch Selbstevaluation wird von Markus Gmuer und Vanessa Lutz bei Vorständen in Schweizer Nonprot-Organisationen untersucht. Die Rolle und Zuständigkeit eines Vorstandes in Nonprot-Organisationen unterliegt keinen klaren Erwartungen. Daraus erschließt sich die Sinnhaftigkeit einer (Selbst-)Evaluation der Arbeit der Leitung. Diese muss jedoch an die jeweilige Organisation angepasst werden. Governance Richtlinien geben dazu erste Punkte vor. Eine empirische Untersuchung zur Umsetzung der Selbstevaluation
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von Vorständen wird in diesem Beitrag dargestellt. Beat Hunziker nimmt abschließend die Auswirkungen des Ökonomisierungdrucks und mögliche Auswege im Fundraising in den Blick. Der Druck im Spendermarkt hat deutlich zugenommen und erhöht so den Druck auf den Dritten Sektor. Dieser Beitrag geht deshalb auf die Möglichkeit und Notwendigkeit eines beziehungsorientierten Fundraisings ein. Mit einer empirischen Studie werden Gründe für die Abwanderung von Spendern analysiert, um anschließend Empfehlungen abgeleitet. 6
Literatur
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Professionalism and Management in Public Sector (Not-for-Pro¿t Organizations): Challenges and Opportunities Julia Evetts
For a long time, sociologists of professional occupations have differentiated professionalism as a special means of organizing work and controlling workers compared with and in contrast to the hierarchical, bureaucratic and managerial controls of industrial and commercial organizations. It is argued that professionalism is essentially different to organizational manageralism and, in public service sector work, professionalism has real advantages for both practitioner-workers and their clients. This interpretation of professionalism has a long history and in it professionalism is regarded as an occupational value. But professionalism is changing and being changed as public sector professionals (such as doctors, nurses, teachers, social workers) now work in organizational places of work and where organizational and managerial methods of work and worker control are affecting professionalism. It is also the case that organizational management is changing and being changed, particularly in the public service sector where the management of professionals is required. In addition, recent developments in Human Resources Management (HRM) have challenged some of the hierarchical aspects of management and, instead, promoted more team-working, people-centred and collegial methods of practice. One consequence is that (middle) management itself is now more regulated, specied, dened, limited, contained and restricted, and is not the inuential and powerful authority position it once was. This has resulted, for example, in more gender equality and women’s increased achievement of middle managerial positions. But this might be because the changes mean that men are now less interested and instead will move upwards where they can or sideways (into consultancy or set up their own rm) where they cannot. There are then two questions that need to be addressed: the changes in professionalism and the changes in management in public service sector organizations. I will be focusing, for the most part, on the changes to professionalism. Fundamental to how these changes are regarded are the perceived threats and challenges to professionalism as an occupational value and as an essentially different way of organizing work and workers compared with the managerial hierarchies of industrial and commercial organizations. This paper explains professionalism as an occupational value and how this interpretation has changed over time. Then the changes to and the continuities in the construction of professionalism in these organizational contexts are explored and this enables an assessment to be made of both the novel and the more familiar aspects of the ‘new’ professionalism to be indicated. The paper ends with a more speculative discussion section which considers some of the challenges as well as the opportunities of the redenition of professionalism and its links with management for practitioner-workers and their clients in service work.
A. Langer · A. Schröer (Hrsg.), Professionalisierung im Nonprofit Management, DOI 10.1007/978-3-531-92664-3_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Julia Evetts
Professionalism as an occupational value
The analysis of professionalism as an occupation value in sociology has a very long history. In early analyses of professions, in both Britain and the USA, the key concept was the occupational value of ‘professionalism’ and its importance for the stability and civility of social systems (e. g. R. H. Tawney 1921; A. M. Carr-Saunders/P. A. Wilson 1933; T. H. Marshall 1950). Early American sociological theorists of professions developed similar interpretations. The best known, though perhaps most frequently mis-quoted, attempt to clarify the special characteristics of professionalism, its central values and contribution to social order and stability, was that of Parsons (1939). Parsons recognized and was one of the rst theorists to show how the capitalist economy, the rational-legal social order (of Weber) and the modern professions were all interrelated and mutually balancing in the maintenance and stability of a fragile normative social order. He demonstrated how the authority of the professions and of bureaucratic hierarchical organizations both rested on the same principles (for example of functional specicity, restriction of the power domain, application of universalistic, impersonal standards). The professions, however, by means of their collegial organization and shared identity demonstrated an alternative approach (compared with the managerial hierarchy of bureaucratic organizations) towards the shared normative end. Professions, then, involve different ways and means of organizing work and workers, different work relations, compared with organizations. Professional values emphasize a shared identity based on competencies (produced by education, training and apprenticeship socialization) and sometimes guaranteed by licensing. Professional relations are characterized as collegial, cooperative and mutually supportive and relations of trust characterize practitioner/ cli-ent and practitioner/employer interactions. The work of Parsons has subsequently been subject to heavy criticism mainly because of its links with functionalism (R. Dingwall and P. Lewis 1983). The differences between professionalism and rational–legal, bureaucratic, hierarchical ways of organizing work have been returned to, however, in Freidson’s (2001) analysis. Freidson examines the logics of three different ways of organizing work in contemporary societies (the market, organization and profession) and illustrates the respective advantages and disadvantages of each for clients and practitioners. In this analysis he demonstrates the continuing importance of maintaining professionalism (with some modications) as the main organizing principle for service sector work. This interpretation represents what might be termed the optimistic view of professionalism as an occupational value, and of what professionalism and the process of professionalization of work entails. It is based on the principle that the work is of special value either to the public or to the interests of the state or an elite (E. Freidson 2001: 214). According to Freidson, ‘the ideal typical position of professionalism is founded on the ofcial belief that the knowledge and skill of a particular specialization requires a foundation in abstract concepts and formal learning’ (2001: 34/5). Education, training and experience are fundamental requirements, but once achieved (and sometimes licensed), then the exercise of discretion based on competences is central and deserving of special status. The practitioners have special knowledge and skill and (particularly if its practice is protected by licensing) there is a need to trust professionals’ intentions. As a consequence externally imposed rules governing work
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are minimized and the exercise of discretion and good judgement, often in highly complex situations and circumstances, and based on recognized competences, are maximized. There is a second more pessimistic interpretation of professionalism, however, which grew out of the more critical literature on professions which was prominent in Anglo-American analyses in the 1970s and 1980s. This second interpretation is critical of the occupational values analysis and during this period professionalism came to be dismissed as a successful ideology (T. Johnson 1972) and professionalization as a process of market closure and monopoly control of work (M. S. Larson 1977) and occupational dominance (G. Larkin 1983). Professionalization was intended to promote professional practitioners own occupational self interests in terms of their salary, status and power as well as the monopoly protection of an occupational jurisdiction (A. Abbott 1988). This was seen to be a process largely initiated and controlled by the practitioners themselves and mainly in their own interests although it could also be argued to be in the public interest (M. Saks 1995). A third and later development involved the analysis of professionalism as a discourse of occupational change and control – this time in work organizations where the discourse is increasingly applied and utilized by managers. This third interpretation combines the previous two. The third interpretation returns to professionalism as an occupational value but in this interpretation professionalism is ideological and used as a means of practitioner/ employee control. The discourse of professionalism is taken over, reconstructed and used as an instrument of managerial control in organizations often where professionals are employed and in order to rationalize, re-organize, contain and control the work and the practitioners. Fournier (1999) considers the appeal to ‘professionalism’ as a disciplinary mechanism in new occupational contexts. She suggests how the use of the discourse of professionalism, in a large privatized service company of managerial labour, works to inculcate ‘appropriate’ work identities, conducts and practices. She considers this as ‘a disciplinary logic which inscribes “autonomous” professional practice within a network of accountability and governs professional conduct at a distance’ (V. Fournier 1999: 280). It is also interesting and highly relevant to link this notion of managerial professionalism with aspects of public management – particularly in education and the NHS in the UK. The analysis of professionalism as an occupational value has, then, involved different interpretations – sometimes positive, sometimes negative and in the latest interpretation combined – of what the professionalization of an occupational group entails. The features of the occupational professionalism which made it distinctive and different to organizational means of controlling work and workers were somewhat idealistic (probably ideological) and based on a model and image of historical relations probably in the medical and legal professions in predominantly Anglo-American societies in the 19th century. The image was of the doctor, lawyer and clergyman, who were independent gentlemen, and could be trusted as a result of their competence and experience to provide altruistic advice within a community of mutually dependent middle and upper class clients. The legacy of this image, whether in fact or ction, has provided a powerful incentive for many aspiring occupational groups throughout the 20th century and helps to explain the appeal of professionalism as a managerial tool. The image or the ideology of professionalism as an occupational value that is so appealing involves a number of different aspects. Some might never have been operational;
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some might have been operational for short periods in a limited number of occupational groups. Aspects include: 1. 2.
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control of the work systems, processes, procedures, priorities to be determined primarily by the practitioner/s; professional institutions/associations as the main providers of codes of ethics, constructors of the discourse of professionalism, providers of licensing and admission procedures, controllers of competences and their acquisition and maintenance, overseeing discipline, due investigation of complaints and appropriate sanctions in cases of professional incompetence; collegial authority, legitimacy, mutual support and cooperation; common and lengthy (perhaps expensive) periods of shared education, training, apprenticeship; development of strong occupational identities and work cultures; strong sense of purpose and of the importance, function, contribution and signicance of the work; discretionary judgment, assessment evaluation and decision-making, often in highly complex cases, and of condential advice-giving, treatment, and means of taking forward; trust and condence characterize the relations between practitioner/client, practitioner/ employer and fellow practitioners.
These aspects are not intended to be regarded as the dening characteristics of a profession. Rather these are aspects of the image and the ideology of professionalism which can account for the attraction and appeal of professionalism as an occupational value and increasingly as a managerial tool in work organizations. In previous publications I have referred to these aspects as ideal-types of occupational professionalism and contrasted these with organizational aspects of professionalism (J. Evetts 2006). Certainly professionalism is changing and being changed. The next section examines some of these changes to the occupational value aspects of professionalism. 2
A new professionalism ? Changes and continuities
Professionalism has undergone change, and these changes have been seen as a tool of government intended to promote commercialized professionalism (G. Hanlon 1998) and organizational professionalism (J. Evetts 2006, 2009). Organizational principles, strategies and methods are deeply affecting most professional occupations and expert groups, transforming their identities, structures and practices. Whether or not there is a ‘new’ form of professionalism is debatable since there are elements of continuity as well as of change. It is important, therefore, to clarify what exactly has changed and what continues in order to be able to assess the relevance (or otherwise) of professionalism being able to continue as an occupational value. In identifying what has changed, certainly there are elements of hierarchy, bureaucracy, output and performance measures and even the standardization of work practices affecting professionalism and which are more characteristic of organizational forms of control of work
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and workers. When service sector professionals have proved enduringly difcult to manage and resistant to change, then an important part of the strategy became to recreate professionals as managers and to manage by normative techniques. The discourse of enterprise becomes linked with discourses of professionalism, quality, customer service and care. Professionals are also tempted by the ideological components of empowerment, innovation, autonomy and discretion. In fact, the measurement of and attempts to demonstrate professionalism actually increase the demand for explicit accounting of professional competences. The work organization’s management demands for quality control and audit, target setting and performance review become reinterpreted as the promotion of professionalism. This quest for professionalism and accountability is highly competitive (P. Hoggett 1996) and individualistic (J. Broadbent et al. 1999) but it is also a bureaucratic means of regaining control of a marketdirected enterprise staffed by professionals. In addition there are other new and different elements and characteristics of professionalism (particularly the professionalism developed in NPM in the UK and elsewhere) which would make it a distinctive and new variant different to both organizational and occupational forms of professionalism. The emphasis on governance and community controls, the negotiations between complex numbers of agencies and interests, and the recreation of professionals themselves as managers, make this new professionalism a variant on organizational and occupational forms of control. The control of professionals in public services is to be achieved by means of normative values and self-regulated motivation. The discourse of enterprise is tted alongside the language of quality and customer care and the ideologies of empowerment, innovation, autonomy and discretion. In addition, this is also a discourse of individualization and competition where individual performance is linked to the success or failure of the organization. These all constitute powerful mechanisms of worker/employee control in which the occupational values of professionalism are used to promote the efcient management of the organization. In numerous ways centralizing, regulatory governments, intent on demonstrating value from public service budgets seem to be rede ning professionalism and accountability as measurable. But before we acknowledge the decline (and possible demise) of occupational forms of professionalism, it is necessary also to acknowledge some of the ways in which occupational professionalism still continues to operate. The occupational control of work is still important in some previously powerful occupational groups such as law (though less so for medicine). It is also of increased importance in some newly powerful professional groups such as international accountancy. In addition, there are examples of attempts by some occupational groups to reclaim professionalism. In these cases both national institutions and European professional federations are involved in aspects of the regulation of the occupational groups including the development of performance criteria, target setting and continuing professional development (CPD). In assisting governments to dene and construct these regulatory systems, these national professional institutions and European federations are continuing to operationalize the occupational control of the work and constituting a form of moral community based on occupational membership. In addition there are also examples of the sharing, modication and adaptation of particular regulatory regimes between different professional institutions and federations (J. Evetts 1994).
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Other continuities characteristic of occupational professionalism remain and seem resistant to change sometimes despite clear policies and incentives for change. Gender, and gender differences in professional careers and occupational specialism, continue, although some interesting variants are emerging and situations are complex. Women are entering established professions in larger numbers and proportions, and men are entering female professions, and many are successfully progressing their careers. Other professionalizing occupations (often where women are numerically dominant) have utilized professionalism in order to secure new tasks, responsibilities and recognition. Women are increasingly becoming managers, but management itself is being changed and standardized such that it might be the case that men are leaving this (less interesting and powerful) eld and moving upwards where they can and sideways (e. g. into consultancy or private practice) when they cannot. The following table summarizes aspects of change and continuity in the interpretation of professionalism as an occupational value in service professions. This is a simplication of what is, in fact, a highly complex, variable and changing situation. Professional occupations are different both within and between nation-states and contexts are constantly changing as new nation-state and European policies emerge, develop and are adapted and modied in practice and in local work places. Used with care and due caution, these aspects might enable an assessment of the prominence of organizational and occupational professionalism to be made in different occupations and work places. Table 1
Changes and Continuities in Professionalism as Occupational Value Changes
Continuities
Governance
Authority
Management
Legitimacy
External forms of regulation
Prestige, status, power, dominance
Audit and measurement
Competence, knowledge
Targets and performance indicators
Identity and work culture
Work standardization Financial control
Discretion to deal with complex cases, respect, trust
Competition, individualism
Collegial relations and jurisdictional competitions
Organizational control of the work priorities
Gender differences in careers and strategies
Possible range of solutions/procedures dened by the organization
Procedures and solutions discussed and agreed within specialist teams
These changes and continuities include both structural and relationship aspects and characteristics, although, importantly the changes are more structural while the continuities tend to focus on relations. The contexts for different occupations and professions are also complex, diverse and variable both within and between different nation-states in Europe and North America. In addition these changes and continuities have been identied and illustrated at
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macro and mezo levels of analysis but there might also be signicant micro variations in different work places and local organizational contexts. 3
Discussion: consequences, challenges and opportunities
What, then, are the consequences for practitioners and clients of changing perhaps crucial aspects of professionalism as an occupational value ? Is occupational professionalism worth preserving as a distinct alternative and contrasting way of controlling work and workers (compared with organizations and markets) and with value for both practitioners and their clients ? What are the challenges and opportunities of changing aspects of professionalism as an occupational value ? 3.1
Consequence and challenges
The consequences of and challenges to professionalism as an occupational value, and some of the unintended consequences, are being documented by researchers interested in different occupational groups in Europe and North America (e. g. R. Schepers 2006; S. Wrede 2008; F. Champy 2008; M. Dent et al. 2008; V. Boussard 2006; S. C. Bolton 2005; I. L. Bourgeault/C. Benoit 2009) and research links with sociologists of organizations are developing (J. R. Faulconbridge/D. Muzio 2008). There is also some early indications of what might be a retreat from or a substantial redenition of certain aspects of managerialism and NPM by policy-makers in respect of some service work (e. g. H. M. Dahl 2008). There is, as yet, no established causal link between the organizational changes and challenges to occupational professionalism and a deteriorization of professional values so, as yet, any linkage remains speculative. Also there are several complicating factors which make a causal link difcult to establish. Complicating context factors (some general, some nation-specic) include the demystication of aspects of professional knowledge and expertise; cases of practitioner malpractice and ‘unprofessional’ behaviour; media exaggeration and oversimplication, and political interference; large fee and salary increases in particular professional sectors and divisions between commercial (corporate clients) and social service (state-funded) practitioners; trade union activities or threats including withdrawal of services or actions short of a strike which can indicate self rather than the public interest. It is also the case that powerful professionals have often been resistant to managerial intervention and organizational controls. Many organizations in the public services (e. g. hospitals and universities) are complex professional bureaucracies (H. Mintzberg 1983) characterized by the involvement of a number of different professional groups. These groups have a history of relative autonomy over their working practices and often have high status which gives them both power and authority. In addition, the ‘outputs’ of these organizations (and the professionals in them) are not easily standardized and measurable. When the ability to dene and standardize the nature of the work process is limited and the denition of the outputs of the work (and what constitutes success) is problematic then such service work would seem to be unsuitable for both market and organizational controls.
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A decline in occupational professionalism and the possible expansion of organizational forms of professionalism is then one of a number of complicating factors. It can be stated, however, that organizational techniques for controlling employees have affected the work of practitioners in professional organizations. The imposition of targets in teaching and medical work – and indeed for the police (see V. Boussard 2006) – have had ‘unintended’ consequences on the prioritization and ordering of work activities, and a focus on target achievement to the detriment or neglect of other less-measurable tasks and responsibilities. Increased regulation and form lling takes time which might arguably be devoted to clients and the professional task. Performance indicators, linked to future salary increases, are dened by the organization rather than the individual practitioner. The standardization of work procedures, perhaps using software programmes, is an important check on the underachieving practitioner but can be a disincentive to the creative, innovative, and inspirational professional. It is important to remember also that the way professionals regard their service work and their working relationships are also being changed and this is an important consequence of redening the occupational value aspects of professionalism. An emphasis on internal as well as external markets, on enterprise and economic contracting, are changing professionalism. In tendering, accounting and audit management, professionalism requires practitioners to codify their competence for contracts and evaluations (P. du Gay/G. Salaman 1992; J. E. Lane 2000; E. Freidson 2001). “Professional work is dened as service products to be marketed, price-tagged and individually evaluated and remunerated; it is, in that sense, commodied” (L. Svensson/J. Evetts 2003: 11). Professional service work organizations are converting into enterprises in terms of identity, hierarchy and rationality. Possible solutions to client problems and difculties are dened by the organization (rather than the ethical codes of the professional institution) and limited by nancial constraints. The commodication of professional service work entails changes in professional work relations. When practitioners become organizational employees then the traditional relationship of employer/professional trust is changed to one necessitating supervision, assessment and audit. In turn, this affects the relations between fellow practitioners in the organization. When individual performance (e. g. of pupils and teachers, GPs and consultants) is linked to the success or failure of the organization, then this amplies the impact of any failure. The danger in this is that professional cohesion and mutual cooperation are undermined and competition can threaten both team working and collegial support. Relationships between professionals and clients are also being converted into customer relations through the establishment of quasi-markets, customer satisfaction surveys and evaluations, quality measures and payment by results. The production, publication and diffusion of quality and target measurements are critical indicators for changing welfare services into a market (M. Considine 2001). The service itself is focused, modelled on equivalents provided by other producers, shaped by the interests of the consumers and standardized. The marketing of a service organization’s service product connects professionals more to their work organization than to their professional institutions and associations. Clients are converted into customers and professional work competencies become primarily related to, dened and assessed by, the work organization.
Professionalism and Management in Public Sector
3.2
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Opportunities
The challenges to professionalism as an occupational value seem numerous but are there any opportunities associated with these changes which might improve both the conduct and the practice of professional service work and be of benet for practitioners and clients ? Might there be some advantages in the combination of professional and organizational logics for controlling work and workers ? Using the list of changes and continuities already identied (see p. 38), it would seem important to try to retain some form of occupational control both of work processes and relations. All aspects would need evaluation and assessment by research but it is possible to argue that identity, work culture, specialist team working, discussions among specialists, knowledge and expertise formation and its maintenance all improve the conduct of professional work and its practice while being of benet to both practitioners and their clients. Other items apparently of importance to organizations would seem to be of less relevance and indeed to have a detrimental affect on professional control of their work. These include auditing measurement, targets and performance indicators. In several instances, these have been shown to distort work processes, procedures and work priorities producing ‘unintended’ consequences for practitioners and clients. Other aspects of organizational change, including credentialism, governance and external forms of regulation, would seem to produce some benets (for example of transparency and control of more extreme professional powers) while, at the same time, resulting in detrimental effects such as increased bureaucracy, form-lling and paper-work. These all take time which, arguably, could be better spent in client contact and service work as de ned by the profession itself rather than by the work organization. These aspects would seem to have benets and costs, therefore, and their appropriateness for professional work would need to be monitored over time. There are other opportunities which might prove to be more benecial from the combination of the logics of professionalism and the organization. One of these is the incorporation of Human Resource Management (HRM) from the organization into professional employment practices, processes, procedures and conduct of the work. Job contracts, job descriptions, formal interview and selection procedures, employment rights and benets, appeals procedures, sickness benet and cover, maternity, caring and other absences, are all examples which have benetted the majority of professionals working in organizations and have for the most part replaced less formalized social networking and informal recommendation procedures. Standardization and formalization of selection, retention and career development procedures have also increased the transparency of what were often hidden, even ‘mysterious’ arrangements in respect of promotion, career progress and departmental relationships and links within the organization. Less formalized procedures benetted only a select few privileged practitioners and were perceived as unfair and inequitable by the majority. Increased transparency can then result in more emphasis on career choices, dependent on personal circumstances, rather than the sponsorship of the privileged few. Career inequalities clearly continue (including in respect of gender and ethnicity), as well as some reliance on networking, informal advice and recommendations, but in general, the incorporation of HRM procedures and regulations from the organization into professional employment practices have been an opportunity and of benet for practitioners and their work.
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Other opportunities would seem to be explained by the increased recognition that organizational management and managerialism is not only complex but is also multi-layered and multi-dimensional. Management is being used to control, and sometimes limit, the work of practitioners in organizations but, in addition, management is being used by practitioners and by professional associations themselves as a strategy both in the career development of particular practitioners and in order to improve the status and respect of a professional occupation and its standing. As a micro-level strategy, there is some evidence, particularly from health professionals such as nursing and midwifery (T. Carvalho 2008; I. L. Bourgeault et al. 2004) but also now from medical doctors (E. Kuhlmann 2008) and teachers (S. Gerwitz 2009), of individual practitioners acquiring qualications in management (e. g. the MBA) with the clear intention of developing careers. In the case of health professionals such as nurses and midwives this can also be interpreted as a strategy in the competition with medical dominance but increasingly hospital management at middle and senior levels is perceived as a career opening for those with appropriate management credentials, experience and motivation. As a mezo level strategy, it is also interesting to note the work of Langer (2010) in respect of social work in Germany. Masters level programmes for social workers in Germany are incorporating management training as a way of increasing the status, standing, reputation and respect for social work as a professional occupation in the eld of social services work. Following the Bologna process and standardization of higher education levels in Europe, in Germany there is a large development of masters programmes which qualify (in this case) social workers to apply for leadership positions in non-prot organizations and social services departments. These developments can be interpreted, therefore, as both a micro and mezo level strategy in respect of social work. In conclusion, this paper has explained professionalism as an occupational value and argued the importance of retaining and perhaps recreating this interpretation for service sector professional and occupational work. But professionalism is changing and being changed as service professionals now increasingly work in large-scale organizational work places and sometimes in international professional rms. Then the paper examined the changes to and the continuities in the construction of professionalism in these organizational contexts. In the third, discussion, section some of the changes and challenges to professionalism as an occupational value were examined as well as some of the opportunities for practitionerworkers and their clients in service work. It is important to remember that the redenition of professionalism and its links with management present opportunities and benets for professional work and workers as well as important challenges. Perhaps achieving a balance between changes and continuities, challenges and opportunities, for professionalism as an occupational value is one of the most important tasks for governments as well as for researchers in the sociology of professional groups over the next few years.
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Literatur
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Julia Evetts
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Professionalisierung im Management
Professionelle Sozialmanagementkompetenzen zwischen Akademisierung und Entscheidungshandeln Andreas Langer
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Einleitung und Problemstellung: professionelle Kompetenzen in veränderten politischen Rahmenbedingungen
Trägerorganisationen und Einrichtungen Sozialer Dienste gehören zum Kernbestand der Nonprot-Organisationen im deutschsprachigen Bereich. Im teilweise privatisierten, deregulierten, durch die Einführung von marktbezogenen Steuerungselementen und die weitgehende Abschaffung des Kostendeckungsprinzip im Korporatismus ‚umgesteuerten‘ sozialen Dienstleistungsbereich sind Trägerkonstellationen entstanden, die durch eine hohe Heterogenität und Komplexität gekennzeichnet sind. Betrachtet man nun das ‚Sozial‘-Management (die Planung, Organisation und Kontrolle der Erbringung sozialer Dienstleistungen als eine Spielart des NPO-Management) vor dem Hintergrund dieser auch neu entstehenden Stakeholderkonstellationen so wird deutlich, dass einerseits die Gruppe des mittleren Managements (Führungskräfte auf der Ebene einer Einrichtungs-/Dienststellenleitung sowie Bereichs-/Abteilungsleitung) im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen müssten, wenn es um die Professionalisierung im NPO-Management geht. Andererseits ist jedoch festzustellen, dass eben diese Akteurgruppe bislang kaum zum Gegenstand empirischer Forschung gemacht worden ist. Zur Erklärung der Rahmenbedingungen von NPO-Management sollte ergänzend zum eher funktionalistischen Ansatz (siehe Einleitung S. 17 ff.) auch eine historisch-genetische Theorie von Nonprot-Organisationen angesetzt werden. Zu diesem Ergebnis kommt Finis Siegler (2001) mit Schulz-Nieswandt (1993: 59) vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung um Efzienzorientierungen und Transaktionskostenanalyse für NPO. „Die Wahl einer institutionellen Struktur folgt aber nicht nur ökonomischen Efzienzüberlegungen, sondern bringt auch Wertentscheidungen zum Ausdruck“ (B. Finis Siegler 2001: 25). „So betrachtet sind NPOs kollektive Antworten auf soziale Probleme, deren konkrete Ausgestaltung sowohl von den historisch jeweils gegebenen Rahmenbedingungen abhängt als auch von den gemeinsam geteilten Überzeugungen der Akteure“ (ebd., 26). Zur Erklärung der Genese und Entwicklung sind demnach ökonomische, politische, soziale und kulturelle Hintergründe der Entstehung von NPO sowie ihre „internen und externen Entwicklungsbedingungen“ (ebd.) zu integrieren. Als Konsequenz dieser Feststellung müssen zum Verstehen und zur Erklärung von NPO im sozialen Dienstleistungssektor also auch Konzepte der Verwaltungsmodernisierung, des Sozialmanagements herangezogen werden, aber es muss auch eine außerordentlich komplexe und heterogene institutionelle Struktur von Nonprot-Unternehmen und deren Rahmenbedingungen berücksichtigen werden. Denn Verwaltungsmodernisierung greift vor allem im Sektor sozialer Dienstleistungen nicht nur in innerbetriebliche Organisationsabläufe (im
A. Langer · A. Schröer (Hrsg.), Professionalisierung im Nonprofit Management, DOI 10.1007/978-3-531-92664-3_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Andreas Langer
öffentlichen Träger) ein: „Für den Sozialbereich erfolgt die Aufgabenerfüllung jedoch nicht allein durch die Verwaltung, sondern im Zusammenspiel von Verwaltung und freien Trägern, also in einer von Trägerpluralität gekennzeichneten Struktur, innerhalb derer die nichtbehördlichen Träger mit einem durch Sozialgesetze legitimierten Status („Trägerautonomie“) agieren können.“ (J. Merchel 1996: 296). Unter Entwicklungsbedingungen der NPO im Sozialbereich werden derzeit Steuerungsinstrumente diskutiert, die einen Rahmen darstellen, „der zu einer Freisetzung von Efzienzpotentialen führen kann und soll. Eine nennenswerte Efzienzsteigerung wird jedoch nur dann eintreten, wenn für den einzelnen Betrieb hinreichend Druck besteht, efzient zu handeln“ (M. Kulosa 2003: 240 f.). Verfolgt man diese Sichtweise, dann müssen NPO im System der Erstellung sozialer Dienstleistungen aktuell vor dem Hintergrund wesentlicher politischer Entscheidungen betrachtet werden. Dies lässt sich hervorragend an der Kinder- und Jugendhilfe nachvollziehen (vgl. T. Bahle 2007; A. Langer 2007). Sie kann als ein Modellbereich der Umstrukturierung des bundesdeutschen Wohlfahrtsregimes betrachtet werden, mit ihren Etappen der Fürsorgeorientierung, bundesweiten Standardisierung durch die Einführung eines separaten Sozialgesetzes (des SGB VIII (KJHG)), Implementierung der Modelle der Neuen Steuerung sowie der Herauslösung aus dem Korporatismus hin zu Trägerpluralität, Privatisierung, Wettbewerbs- und Efzienzorientierung und zur wesentlichen Veränderung der Finanzierungssysteme (vom Kostendeckungsprinzip bis hin zur Leistungsnanzierung). Die Kinder- und Jugendhilfe kann als Vorreiter von Entwicklungen verstanden werden, die mittlerweile, teils in radikalerer Form auch in der Behindertenhilfe oder Sozialpsychatrie vollzogen werden (hier z. B. das Modell des persönlichen Budgets oder die gemeinswesenbezogenen Ansätze der Sozialpsychatrie). Am Sozialmanagement werden also einige wesentliche Problemstellungen der Berufsund Organisationsentwicklung sichtbar, die die Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit derzeit beschäftigen. Auf diese Entwicklungen wird unter dem Blickwinkel der professiontheoretischen Heuristik Bezug genommen, wie diese in der Einleitung skizziert wurde (Einleitung in diesem Band, Punkt 2, S. 11 ff.). Mit den drei Ausprägungen von Professionalität wird somit ein Interpretationsschema – und keine normative Bewertungskategorie - zur Verfügung gestellt. Es geht also weniger darum, den Nachweis zu führen, ob Management in der Sozialen Arbeit die Entwicklung zur Profession oder eine fortgeschrittene Deprofessionalisierung bedeutet. Vielmehr wird z. B. die Bedeutung von systematisiertem, akademisch erworbenem Expertenwissen, wissensbasierten Kompetenzen sowie Formen der selbstorganisierten Steuerung beruicher Leistung fokussiert. Kann z. B. auch die Akademisierung im Sozialmanagement eine Qualizierungsstrategie darstellen, die zu einer zeitgemäßen Verbindung zwischen Sozialer Arbeit und wirtschaftlichem Denken und Handeln führt? Erfordert Sozialmanagement ein Wissen und Können, welches eine Anpassung der akademischen Quali kation nötig macht? Oder kann der Qualizierungs- und Professionalisierungsprozess ‚learning by doing‘ (in der Professionstheorie würde man von ‚Einsozialisierung‘ sprechen) letztlich doch nicht durch eine akademische Aus- und Weiterbildung verbessert oder gar ersetzt werden? Diese Fragen stellen den Ausgangspunkt für die qualitativ empirische Studie „Professionelles Sozialmanagement zwischen Akademisierung und diakonischer Identität“, die zum Ziel hat Expertenwissen und Handlungskompetenzen eines Sozialmanagements wissenschaftlich begründet zu beschreiben und zu präzisieren. Im Sinne einer Evaluation eignen sich diese
Professionelle Sozialmanagementkompetenzen
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Erkenntnisse dann auch, um die Aus- und Weiterbildung im Sozialmanagement auf ihre Praxisrelevanz zu befragen. 1.1
Veränderte politische und ökonomische Rahmenbedingungen
Die aktuelle Konstellation der Erklärung für Nonprot-Organisationen stellt eine Rahmenbedingung für die Professionalisierung(-sanforderungen) des dementsprechenden NPOManagements dar. Die andere Rahmenbedingung ist durch die politische und ökonomische Dynamik im Sektor der sozialen Dienstleistungen gegeben. Die genannte empirische Studie stellt das diakonische Sozialmanagement zwischen Professionalisierung und diakonischer Identität vor dem Hintergrund massiver Herausforderungen eines sich veränderten Sozialstaates in dem Mittelpunkt empirischer Forschung. Die Herausforderungen an ein modernes Sozialmanagement werden zumeist unter dem Schlagwort ‚Ökonomisierung‘ zusammengefasst. Damit werden die Auslöser für massive Veränderungen in den Rahmenbedingungen Sozialer Arbeit gesucht, es dürfen jedoch die ‚systeminternen‘ Veränderungen nicht vergessen werden. Durch einen kurzen Überblick fasse ich die wichtigsten Faktoren zusammen, mit denen sich Diakonie und Sozialmanagement auseinandersetzen muss. ▪
▪
▪ ▪ ▪ ▪
Zuvorderst sind sicherlich die nanziellen Restriktionen zu nennen, die die unterschiedlichsten Ursachen haben können, jedoch stets in einer Finanzkrise der Geldgeber enden (vgl. J. Eurich et al., 2003; M. Kulosa, 2003; K.). Es geht um das Einlösen der Rationalitätskriterien „Effektivität (Zielbezogenheit und Qualität) und Efzienz (wirtschaftlicher Ressourceneinsatz)“ (Merchel/Schrapper, 1996: 8–9). Der ökonomische Reformdruck speist sich jedoch auch noch aus weiteren Veränderungen in den Rahmenbedingungen. So löste z. B. die Einführung und Umsetzung des KJHG in den 1990er Jahren mit dem Jugendhilfeausschuß und der fachleistungs- und fall- bzw. hilfeplanorientierten Leistungsvergütung enorme Steuerungsbedarfe aus. Die Eingliederungshilfe unterliegt gerade vor dem Hintergrund von Kostensteigerungen und Leistungsanpassungen (in Form von Ambulantisierung, Assistenz- und Individualisierungsbestrebungen) einer ständigen Reform. Auch sorgen gestiegene Erwartungen und erweiterte Mündigkeit bzw. Mitbestimmungsrechte der Bürger (M. Kulosa, 2003, 10 f.; T. Kurtz, 2002) für Legitimationsdruck. Das enorme und anhaltende Wachstum im Sozial- und Gesundheitswesen (H. Anheier 2000; R. Fretschner/J. Hilbert 2000; M. Schilling 2002: 429 ff.) induziert einen nie gekannten Steuerungsbedarf von Verwaltung und Organisation. Des Weiteren ist ein ständiger Zuwachs an und Qualizierungsbedarf von Beschäftigten zu verzeichnen (T. Rauschenbach 1999: 29 ff.). Schließlich geraten die Dienstleister durch Unzufriedenheit mit der Art bzw. den Ergebnissen der Aufgabenerfüllung und einem Modernitätsrückstand im internationalen Vergleich (J. Merchel/C. Schrapper 1996) vermehrt unter Druck.
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Andreas Langer
Damit kann man zusammenfassend feststellen, dass sich die Dilemmata in der Steuerung und Kontrolle sozialarbeiterischer Dienstleistungsorganisation unter den gegebenen ökonomischen Herausforderungen seit Mitte der 80er Jahre einerseits verschärft haben. Die Erwartungen an das Sozialmanagement werden andererseits vermehrt in ökonomischen Kategorien formuliert und ihre Leistung muss sich an diesen Kriterien bewähren und messen lassen: Es geht um Efzienz und Effektivität, es geht um die Qualität von Dienstleistungen bei gleichzeitiger Kostenkontrolle bzw. -reduktion. Sind also vermehrt (betriebs-)wirtschaftliche Kompetenzen die entscheidenden Faktoren, um die gute Qualität im Sozialmanagement zu halten bzw. um das Führungspersonal zu qualizieren ? 2
Die Fragestellung der Studie und das Forschungsdesign
Welche Kompetenzen haben und brauchen Führungs- und Leistungskräfte in Einrichtungen der Sozialen Arbeit, um die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen meistern zu können? Die adäquate Antwort für Nonprot-Organisationen unter den Rahmenbedingungen Wachstum und Ökonomisierungsdruck scheint ‚Sozialmanagement‘ zu sein – oder besser gesagt, die Professionalisierung des Managements sozialer Einrichtungen, Träger, Dienstleister, Verbände und Institutionen. Das Diakoniewissenschaftliche Institut der Universität Heidelberg (DWI) führte zu dieser Problemstellung das hier kurz skizzierte empirische Forschungsprojekt durch. Die Studie wurde in Kooperation mit der BruderhausDiakonie (Stiftung Gustav Werner und Haus am Berg) Reutlingen sowie dem Centrum für soziale Investition und Innovation (CSI) Heidelberg aufgesetzt, die beide durch ihre Unterstützung das Forschungsvorhaben ermöglichten. Die wissenschaftliche Begleitung sowie organisatorische Anbindung wurde durch das Diakoniewissenschaftliche Institut der Universität Heidelberg (DWI, Prof. Dr. Heinz Schmidt, Prof. Dr. Johannes Eurich) geleistet. Das Projekt endete im September 2009. Im Rahmen eines sich verändernden Sozialstaates wird hier ein doppelter Professionalisierungsprozess im Sozialmanagement vorausgesetzt: Einerseits deutet die Konjunktur und Nachfrage diverser Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Sozialmanagement auf eine akademisch-wissenschaftliche Professionalisierung hin. Andererseits differenzieren sich Leitung und Führung (Management) in öffentlichen und freien Trägern durch spezialisiertes Wissen, Kompetenz, Verantwortung und Aufgaben. Die Studie will nun zum einen den ‚State of the art‘ in der Aus- und Weiterbildung im Sozialmanagement im Sinne eines ‚Kerncurriculums‘ empirisch erfassen und – im Sinne einer Evaluationsforschung – diese mit den beobachtbaren Kompetenzen im diakonischen Sozialmanagement kontrastieren, die mittels qualitativer Sozialforschung rekonstruiert werden. Für das Projekt sind drei Forschungsfragen leitend. ▪ ▪
Fragestellung A: Welche Schwerpunkte für Management- und Organisationskompetenzen (insbesondere Wissen) lassen sich aus den Aus- und Weiterbildungsgängen im Bereich Sozialmanagement/Sozialwirtschaft ableiten ? Fragestellung B. Welches professionelle Sonderwissen, welche Handlungskompetenzen und welche wertorientierte Haltung lässt sich beim Sozialmanagement in diakonischen Einrichtungen rekonstruieren ?
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Professionelle Sozialmanagementkompetenzen
▪
Fragestellung C: Evaluation – Welche Rückschlüsse für die Gestaltung einer adäquaten Qualikation einerseits und einer praxisrelevanten Aus- bzw. Weiterbildung im Sozialmanagement andererseits lassen sich aus der Analyse ableiten ?
Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die Ergebnisse des Projektes gegeben. Die Darstellung orientiert sich in seiner Gliederung an den drei Forschungsfragen. 2.1
A. Das Kerncurriculum im Sozialmanagement
Ende 2007 gab es im deutschsprachigen Raum ca. 132 akademisch orientierte Quali kationsmöglichkeiten für Führungskräfte im Sozial- und Nonprot-Bereich, die mehr oder minder das Management Sozialer Dienste fokussieren. Hinter den Bezeichnungen wie etwa ‚Sozialmanagement‘, ‚Sozialwirtschaft‘, ‚Public Management‘, ‚Public Administration‘ oder ‚Nonprot-Management‘ – um nur einige zu nennen – verbergen sich jeweils akademisch orientierte Qualikationsmöglichkeiten, die auf die Professionalisierung von Wissen, Können und Haltung abzielen. Es ist also in den letzten zehn Jahren ein Aus- und Weiterbildungsmarkt um Nonprot-Management entstanden. Die Qualität der Angebote, die Art der ‚Produkte‘ sowie das Nachfrageverhalten in diesem (Wachstums-) Markt sind jedoch ein wenig reektiertes Problem. Obwohl ‚Bildung‘ immer noch hinter verschlossenen Türen stattndet, lassen sich durch die Modularisierung von Studiengängen im Zuge des Bologna-Prozesses die Inhalte, Ziele und Konzeptionen vergleichen, die in den Modulhandbüchern abgebildet sind. Im Sinne der empirisch rekonstruktiven Vorgehensweise der ‚grounded theory‘ wurden die Modulinhalte von einschlägigen Bachelor- und Master-Studiengängen codiert, kategorisiert und durch Vergleiche analysiert. Konkreter konnten insgesamt 82 von 105 möglichen Modulauswertungen in den Bachelor- und Masterstudiengängen erfolgen. Tabelle 1 zeigt die Grundgesamtheit. Tabelle 1
Datenlage Managementstudiengänge Management Qualikationen
Datengrundgesamtheit Modulhandbücher
Master-Studiengänge
77
63
Bachelor-Studiengänge
28
19
Diplom-Studiengänge
16
-
Trainingsprogramme Gesamtheit
11 132
82
Quelle: eigene Berechnungen
Bei den 23 Studiengängen, für die keine Modulhandbücher zur Verfügung standen, konnten entweder keine Informationen auf den Internetauftritten vorgefunden werden, ebenso verweigerten die Hochschulen die Herausgabe der Handbücher oder reagierten nicht auf eine
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Andreas Langer
entsprechende Anfrage. Mit den bereitstehenden Modulhandbüchern konnte eine Auswertungsquote von 86,1 % erreicht werden, so dass nicht zu erwarten ist, dass eine Erhöhung der Datenlage eine wesentliche Ergebnisänderung mit sich bringen würde. Das erste Erkenntnisziel der Studie, ein Kerncurriculum ‚Sozialmanagement‘ zu rekonstruieren, stellt sich also in der Gesamtauswertung von Bachelor- und Masterstudiengängen wie in Tabelle 2 gezeigt dar. Tabelle 2 1. 2. 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6 2.2.7 2.3
Kerncurriculum
Grundlagenwissenschaften Sozialer Arbeit; Sozialarbeitswissenschaft Wirtschaftswissenschaften/allgemeine VWL BWL als Unternehmensführung Rechnungswesen Controlling Finanzierung/Investition BWL als Managementlehre: Steuerungsinstrumente Steuerungsinstrumente Personal-Management Management-Konzepte Qualitätsmanagement Informationsmanagement Projektmanagement Marketing Dienstleistungstheorie (Kundenorientierung/Marketing; Organisation; Produktion; Qualität; CaseManagement, Prozess) 2.4 Leadership (Unternehmensführung/Wertorientierung) 2.4.1 NPO/NP Management (Unternehmensgründung; Fundraising/Sponsoring) 2.4.2 strategisches Management: (Vision/Leitbild; strat. Ressourcenmanagement; Innovation; Personalentwicklung; strategisches Controlling; strat. Management) 3. Recht (allgemeines Recht; Arbeitsrecht) 4. Politik/Soziologie/Sozialmarkt, Träger, Sozialstaat (Netzwerk/Trägerstrukturen, Gesellschaftsanalyse; International) 5. Organisationswissenschaften/allgemeine Organisationstheorie (Change-Management; Ethik) 5.1 Führungskompetenzen -stil und Technik 5.2 Soft-Skills, Führen und Leiten (Führungskonzeptionen; Ethik; Persönlichkeitsentwicklung; Team; Coaching; Kommunikation; Konikt, Kommunikation, Moderation; Verhandlung; Sprache; pol. Öffentlichkeitsarbeit Lobbying; Public-Relations 5.3 Leadership II Personalführung (Mitarbeiterführung und Personalentwicklung; Persönlichkeitsentwicklung 6. Methodenlehre/Forschung 6.1 Evaluationsforschung 6.2 Sozialarbeitsforschung 7. SelbstreÀexion 8. Praxis 9. WahlpÀicht 10. Master-/Bachelorthesis
Quelle: eigene
Professionelle Sozialmanagementkompetenzen
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Durch den Einbezug der Credits und Workloadangaben zu den Lehrinhalten konnte jeweils eine Gewichtung der Inhalte innerhalb der Modulhandbücher und Modulübersichten der Studiengänge rekonstruiert werden, die dann als relative Werte in die Gesamtauswertung einießen. Mit dieser Auswertungsmethode konnte herausgearbeitet werden, dass im Überblick wirtschaftswissenschaftliche Inhalte zum Schwerpunkt der Qualikationsmaßnahmen im Bachelor und Master gehören, wenig dürfte auch erstaunen, dass Politik und Organisationstheorie zum Grundbestand der Managementkompetenz gehört. Neben dem Kerncurriculum – als ein Ergebnis der Rekonstruktion von Lehrangeboten – lassen sich in den Master-Studiengängen durch ein einem zweiten – analytischen Zugang – inhaltliche Schwerpunkte herausarbeiten. Als eine erste Arbeitshypothese lassen die prozentualen Verteilungen (Creditpoints/Workload) der Studieninhalte (Grundlagenwissenschaft, Praktikum/Praxis, Wirtschaftswissenschaften, Politik und Führungstechniken) eine Clusterung der Studiengänge unter folgende vier Idealtypen zu. ▪ ▪ ▪ ▪
‚Sozialmanagement‘ (SoMa): Cluster-Indikator Wirtschaftwissenschaften ‚Public Management‘ (PuMa): Cluster-Indikator Politik/Soziologie und Wirtschaftswissenschaften ‚Fachmanagement‘ (FaMa): Cluster-Indikator Grundlagenwissenschaften ‚Leadership und Management‘ (LeMa): Cluster-Indikator Führungstechniken
Durch eine semantische Analyse der Selbstdarstellungen im Internet dieser Studiengänge konnten die Idealtypen als Hypothese erhärtet werden. So wird ausschließlich bei den Studiengängen ‚Sozialmanagement‘ auch der Begriff Sozialmanagement benutzt. Dennoch ist diese Unterteilung in vier Cluster eine Hypothese, die durch statistische Verfahren noch überprüft wird. Die Ergebnisse hierzu liegen noch nicht vor. Aus dem bisher analysierten Datenmaterial lässt sich die erste Arbeitsthese ableiten, dass sich im Feld der akademischen Weiterbildungen insbesondere in jüngerer Zeit eine Binnendifferenzierung vollzieht. Es kann differenziert werden zwischen den Studiengängen, die mehr oder minder als ‚Generalisten-Ausbildung‘ gelten können und solchen, die sich in die Richtung einer Spezialisierung entwickeln. Erstere wären SoMa und PuMa mit stärkerer betriebswirtschaftlicher bzw. politischer Ausrichtung. Die Spezialisierung besteht in der Ausrichtung auf vertiefte fachliche Inhalte (FaMa) oder in der Ausrichtung auf Führungsverhalten und -techniken, -stil (LeMa). Als zweiter inhaltlicher Trend fällt weiterhin auf, dass sich unter den Master-Studiengängen, die in jüngerer Zeit gestartet wurden, verstärkt fachliche Spezialisierungen der Management-Ausbildungen nden, also der Typus ‚FachManagement‘ (FaMa). 2.2
B. Handlungs-Kompetenzen im Sozialmanagement
Als Ergebnis der zweiten Fragestellung lässt sich kompetentes Sozialmanagement als ein Kompetenzbündel aus sich gegenseitig ergänzenden Teilkompetenzen beschreiben: In neueren soziologischen Studien zum Management wird die Zuordnung individueller Kompetenz auf geistige, instrumentelle, kommunikative und reexive Handlungsformen (Fach-, Methoden-,
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Sozial- und Selbstkompetenz) abgelehnt. Es soll zwar jeder menschliche Handlungsbereich durch eine Klassikation von Kompetenz abgedeckt werden, jedoch wird diese stereotypische Kategorisierung der sinnhaften und komplexen Aufschichtung dessen kaum gerecht, was führende und in Leitungsrollen handelnde Akteure erleben. Eine solche Komplexitätsreduktion würde nur zur Verdeckung wesentlicher Bereiche der Bewältigung komplexen Entscheidungssituationen im Sozialmanagement führen und ist daher als Grundlage für ein exploratives Forschungsvorhaben nicht geeignet. Stattdessen muss Kompetenz im Sozialmanagement begrifich näher im Anschluss an die jüngsten Veröffentlichungen zum Organisieren gefasst werden, die ihr Kompetenzkonzept vor dem Hintergrund gesellschaftstheoretischer Arbeiten (Oevermann, Habermas, Beck) entwickeln: Kompetenz in Organisation und Management „erscheint aus der subjektiven Perspektive“ der fokussierten Akteure „als ein Kompetenzbündel, das sich aus spezischen Elementen zusammensetzt. Kompetenz (…) erweist sich hier als eine Kombination von Wissensbestandteilen, Techniken und Verfahren, Strategien und Reexionen dafür, Aktivitäten im Hinblick auf ein zu erreichendes Ziel vorzubereiten, hierfür Voraussetzungen bereitzustellen, sie zu beeinussen und zu bewerten“ (M. Pfadenhauer 2008: 221). Diese Analyse des Projektmanagements aus subjektiver Perspektive bündelt die Grundlagen der Kompetenzforschung in einem Handlungsfeld ‚temporären‘ Organisierens, denn die Organisationsstrukturen sind gekoppelt an die ‚Vergänglichkeit‘ des beobachteten Events. Für das Sozialmanagement ist ein höherer Grad der Institutionalisierung und Strukturiertheit des Handelns durch Organisation sowie durch sozialpolitische Rahmenbedingungen anzunehmen – Sozialmanagement als Handeln ist als ‚eingebettet‘ oder ‚rückgebettet‘ in institutionelle Strukturen zu verstehen. Vor diesem Hintergrund lässt sich für das Sozialmanagementhandeln in mittleren Führungs- und Leitungspositionen ein Kompetenzprol rekonstruieren, welches sich aus sieben (in Erweiterung neun) ‚Teilkompetenzen‘ zusammensetzt. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
kompetente Rollenwahrnehmung und -übernahme zwischen Strukturgestaltung, Führungsstil und Eigenverantwortung Leitung der Organisation Sozialer Arbeit Führung von Professionalität als personelle Ressource Fachkompetenz als Fachberatung und -coaching und konzeptionelle Fachlichkeit Planen als fachpolitische (An-)Passungskompetenz Policy-Making als politische Kompetenz in lokalen Governancestrukturen Kontextualisierung der Finanzierung als lokale Erfahrungsökonomie Operationalisiertes Steuern und Kontrollieren ethisches Management als Abwägungskompetenz
Dabei stehen die Teilkompetenzen 1 und 9 für eine übergeordnete, man könnte auch sagen Meta-Kompetenz: Sozialmanagementakteure sind jeweils ‚Entscheidungsakteure‘, sie sind bezahlt um zu entscheiden. Mit den Teilkompetenzen 2–8 werden Fähigkeiten und spezialisierte Sonderwissensbestände umschrieben, auf die Akteure im Entscheidungshandeln zurückgreifen.
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Diese Kompetenzen sind als Potential für eine bestimmte Leistung (Performanz) der Managementakteure in spezischen Kontexten aufzufassen. Die Kompetenzforschung gründet sich auf ein empirisches Forschungsdesign, bei dem Daten aus teilnehmender Beobachtung und narrativen Interviews trianguliert wurden. Die teilnehmende Beobachtung startete im Dezember 2007 und wurde mit fünf Wochen in der ersten Jahreshälfte 2008 sowie zwei Wochen im Sommer 2008 fortgesetzt. Die Beobachtungen wurden mittels 101 Beobachtungsprotokollen festgehalten. Im Juli 2008 wurden insgesamt 11 biograsch-narrative Interviews mit den Managementakteuren geführt. Die Interviews wurden jeweils digital aufgezeichnet, transkribiert und erzählanalytisch nach Fritz Schütze (1983) ausgewertet. Als weitere Datengrundlage wurden Dokumente herangezogene, die von der untersuchten Organisation zur Verfügung gestellt wurden. Im Folgenden werden nun die Teilkompetenzen skizziert, die als Elemente die Handlungskompetenz der Sozialmanagementakteure charakterisieren. 1. Entscheiden: Rollenübernahme als Kompetenz Im Mittelpunkt der Teilkompetenzen eines Sozialen Managements steht die Fähigkeit der Handelnden, die Rolle von Führungskräften als Entscheidungsträger und Vorgesetzte einzunehmen und diese auszufüllen. Uwe Schimank grenzt das hier gemeinte Entscheidungshandeln durch Gestaltungsentscheidungen von ‚einfachen‘, ‚alltäglichen‘ Entscheidungen ab, die nicht den „Spielraum weiteren Handelns bzw. Entscheidens, bisweilen weit in die Zukunft hinein und sehr restriktiv“ (Schimank 2005, 30) bestimmen. „Eine Gestaltungsentscheidung setzt Handlungs- und oftmals auch Entscheidungsprämissen. Häug sind diese durch Entscheidung gesetzten Prämissen weiteren Handelns oder Entscheidens soziale Strukturen. Es geht also um Entscheidungen, die Strukturgestaltung betreiben“ (ebd., 30 f.). Jedoch ist die Strukturgestaltung nicht das einzige Abgrenzungskriterium der im Weiteren fokussierten Entscheidungen. Als auszeichnendes Merkmal nennt Schimank auch Entscheidungen über die Zwecke rationalen Handelns: „Gestaltungsentscheidungen liegen ebenfalls vor, wenn soziale Prozesse an einem Scheideweg angekommen sind und es darum geht, welcher Weg zukünftig genommen wird.“ (ebd., 31) Entscheidungsakteure setzen also Handlungs- und oftmals auch Entscheidungsprämissen, bestimmen über Zwecke rationalen Handelns und sind so als bestimmte Akteure (Führungskräfte) über Positionen in Organisationen und Prozessen von anderen Akteuren unterscheiden. Die Rollenwahrnehmung ist insofern eine ‚Leistung‘, weil die Entscheidungsakteure einerseits jeweils aus anderen Rollenbestimmungen (wie z. B. der Fachkraft-Rolle) in die Führungsrolle wechseln. Andererseits stehen den Akteuren durch massive sozialpolitische Veränderungen, neue Anforderungsprole und neue Aufgabenzuschnitte kaum mehr ‚Rollenvorbilder‘ zur Verfügung, also gesellschaftlich determinierte Rollenvorgaben, die jeweils übernommen werden könnten (‚role taking‘). Vielmehr sind die Entscheidungsakteure gefordert, ihre Rollenwahrnehmung selbst zu denieren und das, was ‚Sozialmanagement‘ ist und zu sein hat, selbst zu denieren (‚role making‘). Die Rollenwahrnehmung als Kompetenz der Entscheidungsakteure wird konkreter, wenn nach dem ‚Wie‘ des Entscheidungshandelns in der Rolle gefragt wird. Aus empirischer Per-
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spektive besteht das Entscheidungshandeln aus drei wesentlichen Elementen: 1) der adäquaten hierarchischen Strukturgestaltung, 2) dem partizipativen/zielorientierten Führungsstil und 3) der Implementierung des Wertes der Eigenverantwortung der MitarbeiterInnen. Zu 1) Kompetentes Sozialmanagement gestaltet organisationale Strukturen derartig, dass bestimmte abgegrenzte Aufgabenbereiche entstehen, in denen Kompetenzen als Verantwortungsbereiche eindeutig deniert sind, in denen die Gesamtaufgabe der Organisation in handhabbare, zu beherrschende und zu den Fähigkeiten der verantwortlichen Personen passende Teilelemente aufgeteilt sind. Zur Rollenkompetenz des Sozialmanagements gehört es nicht nur, diese hierarchische Ordnung passend zu gestalten, die Teilbereiche und Fähigkeiten der verantwortlichen Personen bewerten zu können, sondern auch jeweils die Aufgabenbereiche mit ihren zu erbringenden Leistungen anzuerkennen. Mit der Denition von Verantwortungsbereichen und der partizipativen Denition der Aufgaben und zu erreichenden Ziele wird gleichzeitig ein implizites Anreizsystem eingerichtet, welches im Idealfall Führung, Steuerung und Kontrolle über Strukturen ermöglicht. Zu 2) Korrespondierend zu diesen Strukturen zeichnet sich ein Führungsstil ab, der sich deutlich von patriarchalen Leitungsauffassungen unterscheidet. Dieser Führungsstil mit seinen Prinzipien der zielorientierten/partizipativen Aufgabenabgrenzung und der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung der beteiligten Akteure ist vor allem in der Abgrenzung von einem autoritär-/patriarchalen Führungsstil zu verstehen. Das dominierende Prinzip dieses ‚Hausvaterverständnisses‘ kann z. B. als ‚Prinzip Rücksprache‘ umschrieben werden. Die Letztentscheidungsmacht aller relevanten Entscheidungen wird hier (idealtypisch gesehen) in einer Person/Position, z. B. der Leitung der Dienststelle, vereint. Diese Entscheidungskonzentration hat mehrere Konsequenzen zur Folge: Die Entscheidungskriterien liegen in der Person, es ist ein gewisses Maß an Willkür angelegt. Entscheidungen sind von personellen Faktoren abhängig. Die Mitarbeitenden haben keine abgegrenzten Entscheidungsspielräume, sie müssen selbst bei Marginalien Rücksprache halten. Entscheidungsprozesse brauchen eine relativ lange Zeit. Dieses Modell des ‚Hausvaters‘ bringt aber auch eine große Nähe der Führungskraft an die Mitarbeitenden und sogar Klienten mit sich, oftmals übernimmt die höchste Leitungsebene selbst noch die Leitung eines bestimmten Arbeitsbereiches. Die Organisationsstruktur spiegelt diesen Führungsstil in einer sehr achen Hierarchie und der Differenzierung in sehr viele kleine Arbeitsbereiche wider. Die Bereichsleitungen sind in diesem Führungsmodell verantwortlich für einen relativ kleinen Arbeitsbereich, haben aber faktisch kaum Letztentscheidungsmacht. Als Alternative zu dieser (idealtypisch dargestellten) Führungskultur ist übergreifend ein zielorientiert/partizipativer Führungsstil im Sozialmanagement zu erkennen. Dieser Führungsstil zielt darauf ab, eine hierarchische Ordnung herzustellen, in der Aufgaben und Verantwortungen verteilt werden (können). In der Verteilung werden dabei Zuständigkeiten deniert und das Gesamtaufgabenbündel auf kleinere Einheiten ‚zugeschnitten‘. Bereiche werden zusammengefasst, die dann mit denierten Verantwortlichkeiten nach Zielvorgaben geleitet werden. Die zentralen Elemente des Führungsstils sind erstens die Aufgaben- und Zielde nition für die Arbeitsbereiche, die unter Mitbestimmung und Integration der verantwortlichen Führungskräfte aber dennoch im hierarchischen Verhältnis vorgenommen wird. Zweitens gehört zu dem Führungsstil die Befähigung der Mitarbeitenden und Führungskräfte. Die Führungskräfte müssen für ihre Aufgaben qualiziert sein oder werden.
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Diese Quali kationsbedingungen erstrecken sich bis auf die Mitarbeitendenebene, wenn z. B. selbststeuernde Teams etabliert werden (dazu auch Punkt 3). Ein drittes Element ist die Etablierung von Kontroll-, Bewertungs- und Feedbackarenen und -instrumenten, wie z. B. Mitarbeitergespräche, eine adäquate Finanzberichterstattung bis hin zu einer angepassten Kommunikations- und Gremienstruktur. Zu 3) Als drittes konstituierendes Merkmal zu den Elementen der Strukturgestaltung und des Führungsstils stellt der Wert der Eigenverantwortung der Mitarbeitenden als ein entscheidender Faktor der Rollenwahrnehmung des Sozialmanagements dar. Eigenverantwortung setzt hier einerseits die adäquate Qualikation der Mitarbeitenden voraus, um zielgerecht bestimmte, hierarchisch und partizipativ denierte Aufgabenbereiche zu bearbeiten – bis hin zum Arbeiten in ‚selbststeuerenden Teams auf der operationalen Ebene. Ein wesentliches Element ist dabei die De nition und Vereinbarung von Zielen. Der Wert der Eigenverantwortung kommt aber andererseits dort zum Tragen, wo insbesondere die fachliche, fachpolitische und leistungsbezogene Expertise einzelner Teilbereiche der Sozialleistungen sich in einem solchen Maße spezialisiert und differenziert, dass die Führungsebenen auf das Spezialwissen der einzelnen Leistungsbereiche angewiesen sind. So fällt z. B. in den Bereich der Jugendhilfe ein so breites Spektrum an differenzierten und spezialisierten Leistungen, dass die übergeordneten Führungsebenen ‚nur‘ noch auf generalisiertes Wissen zurückgreifen können. Zur Entscheidungs ndung in diesen differenzierten, hochspezialisierten und komplexen Politikbereichen ist das Sozialmanagement auf eine möglichst breite und umfassende, aber auch fachspezisch gründliche Expertise angewiesen. Diese Expertise wird im Sozialmanagement dadurch aktiviert bzw. gesichert, indem Entscheidungen jeweils in einer Art des ‚Leitungsteams‘ reektiert bzw. getroffen werden. Eigenverantwortliche MitarbeiterInnen können hier ihre Expertise einbringen, Entscheidungen fundieren und zu einer höheren Reexion beitragen. Umgekehrt sichert sich die Führungskraft durch diese partizipationsorientierte Entscheidungsndung ein erhöhtes Commitment zu den Entscheidungen und aktiviert zusätzliche Motivationsquellen. Die sieben Teilkompetenzen Die Wahrnehmung der Führungsrolle im Sozialmanagement stellt sich durch die Feldstudien und Interviews als zentrale professionelle Kompetenz dar. Als wesentliche Elemente für das Entscheidungshandeln im Sozialmanagement konnten im Weiteren sieben Teilkompetenzen rekonstruiert werden, die für diese Akteurgruppe kennzeichnend sind. Im Folgenden werden diese Teilkompetenzen unter Punkt 2.–8. kurz skizziert. 2. Leitung der Organisation Sozialer Arbeit Im Organisieren der (Dienst-) Leistungsvoraussetzungen besteht die ständige fortlaufende Aktivität der SozialmanagerInnen, Aufgaben in solche (Teil-) Aktivitäten zu zerlegen, dass sie handhabbar, bewältigbar, nach Zielen konkretisierbar und gemäß den Zielen auch bewertbar sind und auf die beteiligten Akteure verteilt werden können. Mit dazu gehört die Anpassung und Gestaltung von Organisationsstruktur, -kommunikation und -kultur. Kompetentes Orga-
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nisieren besteht dabei aus drei maßgeblichen Leistungen. Erstens verstehen es die handelnden Akteure, die vorgefundene Struktur aufzunehmen und an die rollengemäße Verantwortungsund Zuständigkeitsverteilung anzupassen (Geschäftsordnung, Verfahrensabläufe, zielgerechte Ausstattung und zeitliche Einrichtung von Gremien, Besprechungen, Teams, Ausstattung mit personellen (Verwaltungs-) Ressourcen für diese Aufgabe). Zweitens können sie Kommunikation effektiv organisieren, so dass Informationen zielgerecht weitergegeben und in der Organisation verarbeitet werden können. Drittens sind sie in einem fortwährenden Prozess der Kompetenzzuteilung (als Zuständigkeit), zielgerechter Aufgabendelegation und Kontrolle bzw. Bewertung der Aufgabenerledigung. Hinter der ‚Bühne‘ der Gestaltung von Organisation und Organisiertheit, der Verteilung von Aufgaben, manifestiert sich ‚backstage‘ die hegemoniale Letztentscheidungsmacht der hierarchischen Akteure. Durch ihre Verfügungsgewalt über zentrale Herrschaftsinstrumente der Organisation strukturieren die Sozialmanagementakteure die Verteilung von Ressourcen und Setzung von Regeln. Sozialmanagement führt somit einerseits Herrschaft aus, durch die Entscheidung über und Mittels autoritativer/administrativer Ressourcen (Macht über Personen als Verwaltungsvorgaben, Hierarchie und Fach- bzw. Dienstautorität/Weisungsbefugnis) und allokativer Ressourcen (Verfügungsgewalt über materielle Artefakte, Geldmittel, Technik, Immobilien bis hin zu personeller Ausstattung). Andererseits werden Regeln der Legitimation konstituiert und reproduziert, z. B. Regeln der Sanktionierung von Handelnden. Hier sind vor allem formale wie auch informelle organisatorische Regeln gemeint, die durch das Sozialmanagement in die Organisationsstruktur eingebaut werden können. 3. Führung von Professionalität als personelle Ressource Die Organisation sowie Führung professioneller Ressourcen stellt eine zentrale Fähigkeit des Sozialmanagements dar. Im Mittelpunkt stehen dabei jeweils der soziale Kontext und Interaktionen, in denen das Handeln von Personen geplant, gesteuert, beeinusst und kontrolliert wird. Führung und Professionalitätsorganisation hat im Rahmen der Vorgesetztenrolle sowie einer professionellen Dienstgemeinschaft mehrere Facetten. Es geht einerseits um Führung über Hierarchieebenen hinweg, aber andererseits auch um Dienstgemeinschaften mit Führung unter ‚Gleichen‘. Es geht um (Team-) Führung als Befähigung von Personen, aber auch um die Einrichtung und Begleitung von selbstgesteuerten Teams. Die kompetente Führung von Professionalität als personaler Ressource bedeutet dabei, bei der Beeinussung von Personen nicht auf den Bezug auf offene Gewalt oder auf Überredungskünste zu rekurrieren, sondern auf Einsicht, Plausibilität und Überzeugung zu setzen, offene oder versteckte Drohungen zu unterlassen und beziehungs- und konsensorientiert Vereinbarungen zu treffen. Eine große Rolle spielen hier die Vereinbarung von zustimmungsfähigen Zielen und die Bewertung der jeweiligen Aktivitäten in Hinblick auf die Zielerreichung.
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4. Fachberatung als konzeptionelle Kompetenz Fachlich kompetent sind die Sozialmanagementakteure, die eine methodisch/konzeptionelle Fachlichkeit in Beratungs-, Coaching-, Supervisions- und/oder Interventionssituationen in die jeweiligen Arbeitsbereiche einießen lassen und diese damit steuern. Die Führungskraft qualiziert und legitimiert sich durch fachlich konzeptionelle Kompetenzkriterien. In der sozial-managerialen Kompetenz schlägt sich damit eine spezische Fachlichkeit nieder, die stark an gesellschaftliche und sozialpolitische Entwicklungen gekoppelt ist. Stichworte sind hier die schnelle Anpassungsfähigkeit und Variabilität von Leistungen, Herausforderung an Veränderung und Ausführung der Angebote, die Kenntnisse genereller Entwicklungen und das Ausbalancieren genereller Entwicklungen mit lokalen/regionalen Verhältnissen sowie Vertiefung der Fachlichkeit durch die Vielfalt der Themen. Diese Kompetenz kann nicht nur an die Fachkräfte in Klienteninteraktionen weitergegeben werden, sie muss ebenso im Management verankert sein, um Leistungen intern wie extern legitimieren und ggf. intervenieren und so die Fachverantwortung wahrnehmen zu können. 5. Leistungsplanung als fachpolitische Leistungsregulierung Die Planungskompetenzen des Sozialmanagements bearbeiten den Doppelcharakter ‚personenbezogen‘ und ‚sozial‘ der Leistungen – sie sind also Teil von Verteilungsentscheidungen knapper Ressourcen. Sie bewegen sich in einem latent vorhandenen Spannungsverhältnis zwischen Kunden- und Nutzerorientierung und sozialstaatlicher Bedarfsicherung. Als Anbieter folgt das Management nicht nur einem Bedarf, der kollektiv deniert und festgestellt wird, sondern nimmt planerisch eben an diesem Denitionsprozess teil. Ebenso konzipiert das Sozialmanagement die Produkte und damit den Ressourceneinsatz im Hinblick auf die individuellen Bedürfnisse von Klienten. In der Abwägung z. T. konkurrierender Anspruchsgruppen ist insbesondere das Management damit befasst, Bedürfnisse und individuelle Problemlagen in verantwortbare Lösungsmöglichkeiten einzupassen. 6. Politisches Handeln in lokalen Governance-Strukturen Führungskräfte haben die Fähigkeit, sich in den lokalen, bereichsbezogenen Policy-Bereichen aktiv zu bewegen, diese zu verstehen, beeinussend zu gestalten und sie als Rahmenbedingungen für ihre Interessen zu nutzen. Hier wird der Begriff lokale Governance verwendet, der beinhaltet, dass die politischen Strukturen zwischen Staat, Markt und Kooperation/ Netzwerken nicht hierarchisch zu begreifen, sondern Verhandlungsstrukturen sind. Die Sozialmanagementakteure zeichnen sich durch ein Verständnis für diese politischen Rahmenbedingungen aus, sie haben einen politischen Blick, eine politische Haltung für ihre Arbeits- und Entscheidungsbereiche. Sie gehen nicht nur von gegebenen Situationen aus, sondern wissen, dass Politik gestaltbar ist. Die Politikkompetenz gründet sich u. a. darauf, dass schnellere Veränderungen ein höheres Gestaltungspotential mit sich bringen, ebenso sehen sie sich aber auch einer größeren öffentlichen Sensibilität gegenüber. Durch
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öffentlichkeitswirksame Fälle werden auch Öffentlichkeitsarbeit und der damit verbundene Legitimationsaspekt wichtiger. 7. Kontextualisierung des Finanzierens Das Entscheidungshandeln im Sozialmanagement orientiert sich an und gestaltet die unterschiedlichen Kontexte(n) der Finanzierung. Kompetente Finanzieren setzt dabei nicht nur die Kenntnis lokaler Finanzierungsbedingungen, unterschiedlicher Leistungen und deren Gestaltungsmöglichkeiten voraus, sondern auch die Finanzierungsbedingungen der organisationalen Einheit (der Dienststelle) im Rahmen der Gesamtorganisation des Trägers. Kompetentes Finanzieren bearbeitet und löst das Problem der ‚Wirtschaftlichkeit‘ und ist fähig und legitimiert, ‚Wirtschaftlichkeit‘ zu bewerten und diejenigen Kriterien heranzuziehen und zu verhandeln, die zur Bewertung des ‚wirtschaftlichen‘ Erfolges einzusetzen sind. Kompetenz nanziell zu kontextualisieren bedeutet im organisationsbezogenen Kontext einen Wirtschaftsplan so zu erstellen, dass er für jeweilige organisationale Einheiten einen Orientierungsrahmen darstellen kann. Die Sozialmanagementakteure setzen ihr Wissen über die Finanzierung einzelner Leistungsbereiche in Budgetierungs- und Kalkulationsprozesse um. Das Sozialmanagement stellt das bereichspezische Finanzierungswissen für zentrale Kontraktverhandlungen zur Verfügung. 8. Operationalisiertes Steuern und Kontrollieren Kompetente Steuerung und Kontrolle kennt die Funktionsweisen und Einsatzmöglichkeiten ‚ökonomisierter‘, auf Operationalisierung und (messbarer) (Kenn-) Zahlen gründender Instrumente. Das Sozialmanagementhandeln zeichnet sich dadurch aus, dass die Bereitschaft und Fähigkeit besteht, diese ‚ökonomisierten‘ Instrumente einzusetzen, ökonomische Kriterien zur Lenkung von Aufgabenwahrnehmung einzusetzen, aber auch unter Bezug auf erfahrungsgründende Kriterien diese Instrumente abzuwehren, zu instrumentalisieren oder zu relativieren. In Abgrenzung zur Finanzierungsproblematik ist kompetentes Steuerungs- und Kontrollhandeln im Rahmen ökonomisierter Instrumente durch den Umgang mit einer Ambivalenz gekennzeichnet. Mit den genannten Instrumenten sind jeweils Versuche subsumiert, Operationalisierungen (in verschiedener Art objektivierte Indikatoren, z. B. Kennzahlen) zu denieren, zu installieren und in die Unternehmung zu integrieren. Dies können Quartalsergebnisse einzelner abgegrenzter Wirtschafteinheiten innerhalb des Wirtschaftsplanes sein, Indikatoren, die durch Managementinstrumente eingeführt sind (Zielde nitionen, Balanced Score Card) bis hin zum Qualitäts- oder Personalmanagement. Das kompetente Steuerungs- und Kontrollhandeln ist gekennzeichnet dadurch, dass die Akteure die Instrumente ‚von innen‘ kennen. Sie beherrschen nicht nur ihre Anwendung, sondern kennen auch deren Funktionsweise, Stärken und Grenzen. Die Ambivalenz besteht nun darin, dass die Akteure bereit zu sein scheinen, die Instrumente je nach Kontext als Mittel der Objektivierbarkeit
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von Entscheidungen einzusetzen, aber auch unter Einbezug der Nebenfolgenabschätzung die Anwendung der Instrumente abzuwehren, umzuinterpretieren und bewertend zu relativieren. Betrachtet man nun diese sieben Teilkompetenzen als das Potential für die ManagementPerformanz (Fähigkeiten, Sonderwissen), so müssen diese Kompetenzen als individuell differenziert aufgefasst werden. Dies wird an Schwerpunkten deutlich, die sich bereits zwischen den Führungsebenen abzeichnen. Mit der folgenden Abbildung (vgl. Abb. 1) wird eine Visualisierung der unterschiedlichen Gewichtung von Teilkompetenzen im Managementhandeln versucht. Die dunkle Linie bildet eine Ausprägung der Teilkompetenzen ab, wie sie in der (Gesamt-)Leitung einer Organisation vorzunden ist, die helle Linie bildet ein Kompetenzprol der Verantwortung für einen Teilbereich der Organisation ab. In dieser Netzgrak stellen die jeweiligen Abstände auf den Linien ausgehend vom Mittelpunkt eine höhere Bedeutung dar, durch die Verbindung der Punkte auf den Linien entsteht die Visualisierung eines ‚Kompetenzprols‘. Abbildung 1
Entscheidungsebenen und Kompetenzausprägung
Quelle: eigene
Durch die Abbildung 1 ist bereits angedeutet, dass die Teilkompetenzen sowie die dargestellten und idealtypisch rekonstruierten Orientierungsrahmen keine streng voneinander getrennten Handlungssituationen darstellen. Vielmehr geht es um Denk-, Deutungs-, (Be-) Wertungs- und Kompetenzdimensionen, die im konkreten Handeln integriert und die jeweils – problembezogen – herangezogen werden.
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9. Ethisches Management: Abwägungskompetenz in dilemmatischen Entscheidungssituationen Im Führungshandeln der SozialmanagerInnen werden (neue) Dilemmata sichtbar, die für die betreffenden Akteure unvermeidbar und unauöslich sind, die jedoch im Handeln bearbeitet werden müssen. Die Entscheidungs ndung der Managementakteure referiert jeweils auf mehr als einen Orientierungsrahmen und damit auch auf sich ergänzende oder auch sich widersprechende Zielvorstellungen. Im Problemlösungshandeln wägen die Akteure ihre Entscheidung in Bezug auf ethische Begründungen der Klientenorientierung sowie strategische Begründungen der Entwicklung der Organisation/des Hilfesystems ab. Kompetent in der Rolle als Entscheidungsakteur handelt im sozialmanagerialen Kontext also, wer ethische Mindeststandards sowie strategische Verantwortungskriterien in seine Entscheidungen integriert. Somit haben wir es beim Sozialmanagement mit einer Abwägungskompetenz zu tun, die komplementär zwischen einer ethischen und strategischen Kompetenz verortet ist. Ziele und die strategische Zielerreichung müssen durch moralische Begründungen ergänzt werden. Ethische Grenzziehungen sind erst durch die Integration strategischer Begründungen konkretisierbar. 2.3
C. Evaluation: Professionalisierung im Sozialmanagement zwischen Akademisierung und legitimierenden Handlungskompetenzen
2.3.1 Misst der Akademisierung zur Praxis des Sozialmanagements ? Vor dem Hintergrund der Handlungskompetenzen im Management kann nun der Blick auf die Curricula-Inhalte geschärft werden. Es zeigen sich Elemente, die im konkreten Handeln von hoher Bedeutung sind, jedoch in den Studiengängen nicht oder nur deutlich unterrepräsentiert vorkommen. Beim Vergleich der einschlägigen Master- und Bachelorstudiengänge kommt man – wie bis hier dargestellt – zu dem wenig erstaunlichen (Zwischen-) Ergebnis, dass ein Schwerpunkt der Studiengänge auf Wirtschaftswissenschaften liegt. Ebenso wenig dürfte erstaunen, dass Politik und Organisationstheorie zum Grundbestand der Managementausbildung gehören. Erstaunlich ist vielmehr, dass einige Bereiche des Führungskräftehandelns in den Modulbeschreibungen kaum abgebildet werden. Die – durch die teilnehmende Beobachtung gespeiste – Annahme, dass Sozialmanagement durch seine Gemeinwohlorientierung und Produkte ganz spezischen Steuerungslogiken unterliegt, schlägt sich z. B. nur etwa zu 2,42 % als Inhalt des strategischen Managements nieder, nur ca. 2,09 % der Lehrinhalte beziehen sich explizit auf Dienstleistungstheorie. Noch erstaunlicher dürfte sein, dass Sozialmanagement – im Spiegel der Qualikation der Führungskräfte – nur zu 0,93 % etwas mit Fundraising und Sponsoring und zu 2,31 % mit Personalmanagement zu tun hat. Diese Liste lässt sich durch die Ergebnisse für Selbstreexion und Führungstechnik ergänzen. In die Kategorie ‚Leadership‘ ießen zusammenfassend Indikatoren ein, die eher eine Wertorientierung im Management abbilden, wie etwa Ethik, strategisches Management, Fundraising/ Unternehmensgründung usw.
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Tabelle 3
Teilinhalte der Curricula BA in %
MA in %
Gesamt in %
Strategisches Management
1.07
3.76
2.42
Personal-Management
2.20
2.43
2.31
Qualitäts-Management
1.38
1.978
1.68
Fundraising/Sponsoring/Entrepeneurship
0.47
1.39
0.93
Dienstleistungstheorie
1.99
2.15
2.09
Selbstreexion/Persönlichkeitsentwicklung
0.11
0.29
0.25
Softskills und Führungstechniken
7.93
7.96
8.05
Leadership
1.90
6.30
5.17
Quelle: eigene Berechnung
Aus der Analyse der Studiengänge im Sozialmanagement-Bereich lässt sich eine vorläuge These formulieren: Die Bewältigung der zukünftigen Steuerungsherausforderungen sozialer Dienste scheint aus Sicht der Akademisierung in der Ausstattung der (zukünftigen) Führungskräfte mit (betriebs-)wirtschaftlichen Wissen und Können zu liegen. Die Transformation dieses relativ unspezischen ökonomischen Wissens für die spezischen Eigenarten und Logiken im Sozialmanagement wird aber anscheinend zurück in die Biograe, Erfahrung oder Sozialisation – also in das ‚learning by doing‘ der ManagerInnen verlegt. Aus dieser Perspektive ergibt die Zusammenschau von Studium und Praxis einen offensichtlichen ‚Misst‘. 2.3.2 Professionalisierung zur Legitimationserhöhung ? Begreift man Professionalisierung jedoch als Systematisierung des ‚Spezialwissens‘ der professionellen Akteure, als Institutionalisierung der Ausbildungsgänge sowie als Herausbildung von Professionalität, also spezischer Expertise und Kompetenz, eröffnet sich eine ‚passende‘ Interpretation der beobachtbaren Entwicklungen. Einerseits zeichnet sich nicht ab, dass sich das Sozialmanagement in Richtung einer eigenen Berufsgruppe, abgegrenzt von den ‚Practitionern‘ als den Fachkräften der Sozialen Arbeit, entwickelt. Vielmehr müssen Führungskräfte als solche Akteure aufgefasst werden, die ihren Fokus des professionellen Handelns weit mehr auf die Gestaltung der ‚professionellen‘ Organisation neben den Klienten richten. Dies deutet sich im Entscheidungshandeln (hier vor allem Eigenverantwortung und Leitungsteams) und in der Dilemmabewältigung an (Wertorientierung und Strategie). Aus der Perspektive dieser Interpretation wird das Wissen, Können und die Haltung der professionellen Akteure in der Sozialen Arbeit entscheidend durch die Aspekte Ökonomie, Politik und Organisation erweitert und komplettiert. Die Akademisierung der professionellen (ökonomischen, politischen und organisationalen) Expertise und Kompetenz ist die Weiter-
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führung der – erfolgreichen – Strategie der Professionalisierung als akademische Ausbildung im Bereich der Sozialen Arbeit. Andererseits kann die Akademisierung als eine Strategie der Erzeugung erhöhter Legitimation in der öffentlichen Wahrnehmung interpretiert werden. Mit der Einrichtung betriebswirtschaftlich ausgerichteter Studiengänge entspricht die ‚Soziale Arbeit‘ (wenn man diese hier überhaupt als einen ‚Akteur‘ bezeichnen kann) den erhöhten Legitimationsanforderungen in ökonomisierten Rahmenbedingungen sowie dem Bedeutungsgewinn des Steuerungsmediums ‚Geld‘ in den politischen Governance-Strukturen lokaler Trägerkonstellationen der Sozialhilfe. 2.3.3 Konsequenzen Professionalisierung im Sozialmanagement kann vor dem Hintergrund der beiden empirischen Zugänge in einer doppelten Weise interpretiert werden. Auf der Ebene des abstrakten wissenschaftlichen Wissens und der Akademisierung wird dem Komplex der Sozialarbeitswissenschaft eine systematisiertes Sonderwissen beigefügt und in Form von Ausbildungsgängen in Qualikationsprole integrierbar. Eine deutliche Trennung von einem prot-orientierten Management ist hier durch die Dominanz betriebswirtschaftlicher Inhalte nicht zu erkennen. Auf der Ebene des praktischen Wissens und der Kompetenzen wird die Profession der Sozialen Arbeit durch eine spezische Professionalität erweitert: Sozialmanagement bedeutet aus dieser Perspektive, die institutionellen Rahmenbedingungen als Gegenstand professionellen Handelns in den Komplex professioneller Leistungserstellung zu integrieren. In Anbetracht der Transformation der Rahmenbedingungen und auch der Trägerorganisationen sind es die Akteure des mittleren Managements, die die neuen fachlichen, ökonomischen und politischen Bedingungen umsetzen, die für Effektivität und Efzienz sorgen. Die Managementakteure können nicht ohne die Professionalität der Practitioner, also der Fachkräfte verstanden werden. Denn es sind die Führungskräfte, die die adäquaten Rahmenbedingungen setzen, unter denen klientenzentrierte Professionalität erst möglich erscheint. In diesem Paradigmenwechsel ist die eigentliche Transformation des professionellen Handelns zu erkennen. Während das idealtypische professionelle Handeln im Abstand zu hierarchischen Positionen erklärt wurde, die Professionalität sich also selbstgesteuert und dominant gegenüber externer Führung darstellt, ist die professionelle Leistungsfähigkeit nun auf die Gestaltung der institutionellen Rahmenbedingungen ‚angewiesen‘. Zu diesen gestaltbaren Rahmenbedingungen gehört, dass wichtige Einussfaktoren in die Hände neuer ‚Experten‘ gegeben werden: Dies sind zusammengefasst die Sicherung der Fachlichkeit durch Kooperation in professionellen Teams, die Organisation wertgebundener Entscheidungen, die Gewährleistung von Innovation und Qualität, die Einussnahme auf die politische Problemde nition und die fachpolitischen Verteilungsentscheidungen sowie der strategische Einsatz der spezischen Bedingungen sozialer Finanzierung und Instrumente managerialer Steuerung und Kontrolle. Auch die Genese der Managementkompetenz verweist zurück auf die professionelle Praxis und die Einsozialisierung in professionelle Rollen. Die akademischen Quali zierungsmöglichkeiten können nur abstraktes Reexionswissen vermitteln. Das praktische
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Wissen ist jedoch auf die lokalen und überaus heterogenen Bedingungen der jeweiligen Policy-Verhältnisse verwiesen. Die Transformation eines relativ unspezischen ökonomischen Wissens für die Heterogenität lokaler Anforderungen wird anscheinend zurück in die Biograe, Erfahrung oder Sozialisation – also in das ‚learning by doing‘ der ManagerInnen verlegt. Aus dieser Perspektive bleibt es bei einem Misst von Studium und Praxis, der jedoch aus der Debatte und Theorie und Praxis bekannt sein dürfte. Die Konsequenz für die akademische Aus- und Weiterbildung kann nur sein, dass professionelle Akteure sich strategisch weiterbilden lassen: Entweder um im Sinne einer Karrierestrategie bessere Voraussetzungen zu erlangen oder sich spezisch für ein bestimmtes Aufgabenprol qualizieren zu lassen. Für das Personalmanagement in Trägern und Organisationen sind die Konsequenzen bei weitem komplexer. Einem drohenden Führungskräftemangel stehen sehr spezische Kompetenzprole gegenüber. Die empirischen Ergebnisse weisen darauf hin, dass es auch bestimmte biograsche Erfahrungen, Umbrüche und Lebenskontexte sind, die besonders gut auf das kompetente Ausfüllen einer Führungsrolle vorbereiten. Ebenso scheint es so zu sein, dass wesentliches Wissen und Können nur in der Praxis erlernt werden können und lokal sehr spezisch sind. Aus der beobachtbaren Praxis zeichnen sich also zwei Konsequenzen ab: Erstens erscheint die Rekrutierung des Führungsnachwuchses aus den eigenen Reihen und die Begleitung durch Mentoring als das Mittel der Wahl. Dieser Weg ist zweitens zu ergänzen durch (interne) Weiterbildungen, die die Abstraktion der lokal-organisationsspezisch erlangten Kompetenzen ermöglicht – sei es durch Trainings, Horizonterweiterungen auf Tagungen, Fachtagen, Workshops u. ä. Die besondere Herausforderung dieser Strategie wird an den Anforderungen für ein Personalmanagement deutlich, denn es wird implizit vorausgesetzt, dass das jeweilige Vorwissen sowie die Präferenzen der Management-Anwärterinnen zu berücksichtigen wären. 3
Fazit
An der – empirisch feststellbaren – (Weiter-)Entwicklung der Professionalität im beruichen Handeln in der Sozialen Arbeit werden die o. g. Rahmenbedingungen im sozialen Dienstleistungssektor sichtbar und erkennbar. Allerdings kann nicht behauptet werden, dass sich die veränderten Rahmenbedingungen lediglich als Professionalisierung(anforderungen) auf eine Berufsgruppe bis hin zu individuellen Akteuren ‚auswirken‘. Vielmehr wird deutlich, dass auf den verschiedensten Ebenen die professionellen Akteure diese Rahmenbedingungen strukturierend mitgestalten. In der Art und Weise der Akademisierung sind strategische Interessen der professionsorientierten ‚Disziplin‘ zu nden. Die professionellen Handlungskompetenzen der Führungskräfte sind verstärkt auf das professionelle Sonderwissen – die sozialarbeiterische Expertise – im jeweiligen Dienstleistungsbereich verwiesen. Individuelle professionelle Akteure – wie zum Beispiel Fachkräfte in der Sozialen Arbeit, die mit einer Quali kation im Sozialmanagement eine Karrierestrategie verbinden, aber auch Einrichtungen, die ihr zukünftiges oder bereits positioniertes Führungspersonal qualizieren wollen, stehen vor diesem Hintergrund vor schwierigen Entscheidungen. Die akademisierte Aus- und Weiterbildung im Sozialmanagement bietet eher Raum für Reexion
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von Berufserfahrung oder abstraktes Wissen an. Dies jedoch ist in den Wegen der akademischen Qualikation in eine nicht zu unterschätzende Strategie der Machtgenerierung und -konstituierung eingefasst – der Strukturdimension der Signikanz, als der Sinnkonstitution. Die akademische Qualikation bedient in höchster Weise ein derzeit legitimationsrelevantes Interpretationspotential der Ökonomisierung: nämlich dass im kommunikativen Handeln auf eine ökonomische Führungs- und Organisationskultur in Sozialen Diensten verwiesen werden kann. Dieses ökonomische Wahrnehmungsmuster, Orientierungspotential und Organisationsvokabular scheint in Trägerkonstellationen zwischen Kooperation und Wettbewerb nach wie vor Relevanz zu haben und materialisiert sich an dem ökonomisch-betriebswirtschaftlichen Wissen der Führungskräfte. Die zu treffende Entscheidung für die Professionals lautet also: Quali zierung als Selbst-Marketingstrategie oder bereichsspezische Qualizierung im Berufsalltag unter Begleitung akademischer Reexion. 4
Literatur
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Soziale Arbeit auf dem Weg in die Professionalisierung des Personalmanagements – Irritationen des professionellen Selbstverständnisses am Beispiel leistungsorientierter Vergütungsbestandteile Andrea Friedrich
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Zusammenfassung
Die Professionalisierung des Personalmanagements in der betriebswirtschaftlichen Diskussion ist von der Professionalisierung der Sozialen Arbeit grundsätzlich zu unterscheiden. Ausgestaltungen der leistungsorientierten Vergütungsbestandteile aus der betriebswirtschaftlichen Diskussion und Praxis in die Praxis der Sozialen Arbeit zu übertragen, erzeugt bei den Professionellen der Sozialen Arbeit Irritationen. Der gewünschte Zusammenhang zwischen leistungsbezogenen Entgeltbausteinen und der Steigerung der Leistung wird gegenwärtig auch in Prot-Organisationen und nicht zuletzt auf zutiefst eindrückliche Weise im Kontext der Finanzkrise in Frage gestellt. Parallel zu dieser Entwicklung rückt mit dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) die Umsetzung leistungsbezogener Entgeltgestaltungen auf Organisationen der Sozialen Arbeit immer näher. Die Profession der Sozialen Arbeit ist aufgefordert, sich zu diesen leistungsorientierten Entgeltbausteinen (deren Kern nicht in einer Erhöhung des Entgeltniveaus liegt, sondern in einer unterschiedlichen Verteilung eines prozentualen Anteils des Einkommens aller Mitarbeitenden) zu positionieren und damit auch – in diesem gewählten Fokus – ihr Verhältnis zu ökonomischen Diskussion zu nden. Der vorliegende Beitrag will aufzeigen, dass ein offener Diskurs- und Handlungsraum zwischen (protorientierter) Betriebswirtschaft und der Sozialen Arbeit konstruktiv sein kann, wenn die Unterschiede deutlicher differenziert werden. Im Kontext der leistungsorientierten Gehaltsbausteine werden hier systematische MitarbeiterInnengespräche und Zielvereinbarungen für die Entwicklung der Profession der Sozialen Arbeit als förderlich eingeschätzt, wohingegen ein verknüpfter Entgeltbezug eher als hinderlich und kritisch zu sehen ist. 2
Zielsetzung
2.1
Motivation des Beitrags
Fragen der Professionalisierung im Bereich des Nonprot Managements laden ein, auf eher allgemeiner Ebene über das Verhältnis der Betriebswirtschaft auf der einen und der Sozialen Arbeit auf der anderen Seite zu diskutieren. Eine Diskussion, die unter dem Schlagwort der
A. Langer · A. Schröer (Hrsg.), Professionalisierung im Nonprofit Management, DOI 10.1007/978-3-531-92664-3_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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‚Ökonomisierung der Sozialen Arbeit‘ gerade auf Tagungen oft in einer generelle Grundsatzfrage mündet und überaus nachhaltig und zu Recht kontrovers diskutiert wird. Der vorliegende Beitrag wählt einen anderen Zugang. Er konzentriert sich auf das Personalmanagement in der Sozialen Arbeit und verfolgt das Ziel, hier weiter konkretisierend die Diskussion zur Einführung leistungsorientierter Entgeltbausteine in die Praxis der Sozialen Arbeit nachzuzeichnen. In diesem gewählten Fokus werden Irritationen (hier verstanden als erlebte Dissonanzen, die einen Reexionsprozess einleiten können) auf der Basis einer Diskussion von Fachkräften aus der Sozialen Arbeit aufgezeigt und diskutiert. Über diesen Weg sollen Ableitungen für die übergeordnete Fragestellung gezogen werden, wie sich das Verhältnis eines sich professionalisierenden Personalmanagements in der Sozialen Arbeit einerseits und die Entwicklung der Sozialer Arbeit als Profession andererseits entwickeln kann – mitsamt den einhergehenden Chancen und Risiken. Waren leistungsbezogene Entgeltbausteine bislang eher untypisch für die Soziale Arbeit, so stellt die Einführung der leistungsbezogenen Vergütungsbestandteile auf der Basis des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) für viele Organisationen der Sozialen Arbeit gegenwärtig eine Herausforderung dar und fordert eine Positionsbestimmung heraus – gerade auch, weil diese Leistungsentgelte nicht zusätzlich, sondern aus einem prozentualen Anteil der Lohnsumme aller Mitarbeitenden verteilt werden. Diese Phase lädt ein, die Professionalisierungsdiskussion in einem sehr abgegrenzten Ausschnitt zu betrachten, um daraus konzeptionell Ableitungen zu diskutieren. Der Erfolg Sozialer Arbeit hängt in hohem Maß von der Motivation, dem Engagement, der Qualikation und den Kompetenzen der Mitarbeitenden in sozialen Einrichtungen ab. Diese These würde sicherlich wenig Widerspruch erregen. Der Stellenwert der personenbezogenen Leitung und des umfassenden und sorgfältigen Personalmanagements verstärkt sich darüber hinaus durch das für die Soziale Arbeit relevante Charakteristikum, dass soziale Dienstleistungen immer interaktive Dienstleistungen sind, also in der Koproduktion von Dienstleistenden und NutzerInnen zustande kommen. Aus der elementaren Bedeutung der personenbezogenen Faktoren während des Dienstleistungsprozesses ergibt sich ein hoher Stellenwert für das Ziel, Rahmenbedingungen für ein fachlich quali ziertes, persönlich geeignetes Personal sowie motivierte Mitarbeitende zu realisieren (vgl. J. Merchel 2008: 854). Vor diesem Hintergrund verwundert es, dass der Diskussion des Personalmanagements in der Sozialen Arbeit mit all ihren Besonderheiten bislang eine eher ‚stiefmütterliche‘ Rolle zukommt – eine Rolle, die sich nur langsam verändert. Es stellt sich die Frage, warum die Diskussion der Faktoren, die einen relevanten Einuss auf die Motivation, die Qualikation und die Kompetenzen von Mitarbeitenden der Sozialen Arbeit nehmen, bislang nicht deutlicher Eingang in der Diskussion zur Gestaltung des Personalmanagements in der Sozialen Arbeit gefunden haben. Als Ökonomin könnte mir unterstellt werden, dass ich die Eingänge und die Übernahme ökonomischer Instrumente und Handlungsstrategien in die Soziale Arbeit bereits als (positiv zu bewerteten) Professionalisierung und damit gleichsam vorweg als Bereicherung der Sozialen Arbeit einschätze. Diese Unterstellung stimmt nicht. Zum einen erlebe ich es als schwierig, dass die Fachdiskussion oft das Verhältnis der Sozialen Arbeit zur Ökonomie allgemein (die ja die als Disziplin die Volkswirtschaftslehre und die Betriebswirtschaftlehre enthält) mit dem Verhältnis der Sozialen Arbeit zum Neoliberalismus und letzteren mit Management
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gleichsetzt. Zum anderen erlebe ich als Gründerin einer kleinen sozialen Einrichtung seit über sieben Jahren Trennungslinien und Widersprüche, aber auch die Gemeinsamkeiten von Themenstellungen und Lösungsansätzen. Der in der Fachdiskussion wie auch in der Praxis zu beobachtende Ansatz, dass eine Adaption betriebswirtschaftlicher personalwirtschaftlicher Instrumente für die Soziale Arbeit eine Professionalisierung im Sinne eines wertvollen Beitrages für die Entwicklung der Profession Sozialer Arbeit bewirkt, wird in diesem Beitrag kritisch gesehen. Allerdings ist der Einzug ökonomischen Gedankenguts in die Soziale Arbeit auch nicht mit einer verallgemeinernden ‚Deprofessionalisierung der Sozialen Arbeit‘ gleichzusetzen. Das Ziel meines Beitrags ist der Versuch, einen Raum zu eröffnen, in dem das Personalmanagement (als Teil der Betriebswirtschaftslehre) und die Soziale Arbeit (als Disziplin und Profession) unter der Perspektive von Gemeinsamkeiten und Trennungslinien diskutiert werden können. Aus dieser Perspektive ergibt sich die Forderung, für die Soziale Arbeit spezische und passende Gestaltungsansätze der Personalarbeit – auch und gerade im Bereich der Entgeltgestaltung – zu eruieren, die die Entwicklung der Profession der Sozialen Arbeit unterstützen. In dieser Sichtweise ist eine emanzipatorische Sicht gefordert: Die Profession der Sozialen Arbeit adaptiert nicht naiv betriebswirtschaftliche Erkenntnisse und setzt diese in der Praxis der Sozialen Arbeit ein, sondern positioniert sich, grenzt sich ab und gestaltet auf dieser Basis eigene Konzepte und Gestaltungen des Personalmanagements. 2.2
Fragestellungen und Methoden
Meine Kernfragestellung lässt sich mit den folgenden Fragestellungen verdichten: Lassen sich am Beispiel der Einführung leistungsorientierter Entgeltbausteine Irritationen, Zustimmungen oder Widersprüche identizieren, die den Weg der Professionalisierung des Personalmanagements in der Sozialen Arbeit charakterisieren ? Wo genau liegen die Irritationen, welche Erklärungen und Hintergründe werden von Fachkräften aus der Praxis der Sozialen Arbeit diskutiert und welche Schlussfolgerungen können abgeleitet werden ? Basis der nachfolgenden Ausführungen bildet ein von mir initiiertes Fachforum mit dem Titel „Personalmanagement in der Sozialen Arbeit“. Mit diesem Fachforum verfolgte ich das Ziel, die wissenschaftliche Fachdiskussion zum Personalmanagement in der Sozialen Arbeit der Praxis der Personalarbeit in den sozialen Organisationen gegenüberzustellen. In Workshops sollten Übereinstimmungen und Nicht-Übereinstimmungen diskutiert werden. Dieses Fachforum wurde auf einen Zeitraum von einem Jahr ausgerichtet. Die themenzentrierten Workshops fanden einmal im Monat statt und wurden von einer Supervisorin begleitet. In einem Zeitraum von einem Monat konnten zwölf interessierte teilnehmende EinrichtungsvertreterInnen (Führungskräfte, Leiterinnen und Leiter) aus dem Kontext der Sozialen Arbeit gewonnen werden. Sie kamen aus unterschiedlichen Handlungsfeldern und sehr unterschiedlichen Organisationsformen wie z. B. Aidshilfe, Job-Center, Werkstatt für Behinderte, betreutes Wohnen, verschiedene Jugendhilfeeinrichtungen. Diese Heterogenität der Organisationsformen und Handlungsfelder stellte in der Initiierungsphase des Fachforums eine wichtige Zielsetzung dar. Die Heterogenität der Organisationsformen, -kulturen und -strukturen der Teilnehmenden sollte das weite Spektrum an Einrichtungsbesonderheiten
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widerspiegeln und den Erfahrungsaustausch bereichern. Für die vorliegende Fragestellung und ihrer empirischen Fundierung ist einschränkend anzumerken, dass die Diskussionsergebnisse des Fachforums aufgrund der Heterogenität der Herkunftsorganisationen der Teilnehmenden nur eingeschränkt methodisch auszuwerten sind. Dennoch liefern die ausgewerteten Diskussionsergebnisse konzentriert Irritationsfelder zur leistungsbezogenen Entgeltsystematik, die im weiteren Verlauf des Beitrags der Fachdiskussion gegenübergestellt werden sollen. Alle Diskussionsergebnisse der durchgeführten Workshops des Fachforums wurden transkribiert und ausgewertet. Die Themenstellungen der Workshops deckten weite Bereiche des Personalmanagements ab und umfassten z. B. Fragen des strategischen Personalmanagements, der Personalführung, der Durchführung von MitarbeiterInnengesprächen, der Gestaltung von Anreizsystemen und der Entgeltgestaltung, der Arbeitszeitgestaltung, der Personalauswahl, der Gestaltung der Personalentwicklung, des Change-Managements, des Diversity-Ansatzes im Personalmanagement sowie Fragen des Controllings. Die ausgewerteten Diskussionsergebnisse des Fachforums sollen in diesem Beitrag genutzt werden, die bislang eher ablehnende Haltung der Sozialen Arbeit gegenüber leistungsbezogener Vergütungssysteme zu erklären und Irritationsfelder zu identizieren. Mit Blick auf die Fragestellung werden die Diskussionsergebnisse zur Gestaltung von MitarbeiterInnengesprächen und die der Entgeltgestaltung eine besondere Beachtung nden. Am Praxisbeispiel der Einführung einer leistungsorientierten Entgeltgestaltung in einer sozialen Einrichtung (einer Kindertagesstätte) sollen die diskutierten Irritationen seitens der Mitarbeitenden und der Führungskräfte nachgezeichnet und im Anschluss der Fachdiskussion gegenüber gestellt werden. 2.3
Aufbau des Beitrags
Zunächst werden allgemeine Überlegungen zur Professionalisierung in der Sozialen Arbeit mit dem Fokus Personalmanagement vorangestellt. Auch das Personalmanagement beansprucht, sich zu professionalisieren. Beide Entwicklungslinien zu unterscheiden und zueinander in Bezug zu setzen, ist Ziel dieses Abschnitts. In einem dritten Teil werden die personalwirtschaftlichen Gestaltungsfelder der MitarbeiterInnengespräche und leistungsbezogener Entgeltsysteme aufbereitet und erste Diskussionsergebnisse des Fachforums Personalmanagement hierzu vorgestellt. Ein Praxisbeispiel einer Kindertagesstätte, die eine leistungsbezogene Entgeltgestaltung auf Basis des neuen TVöD umgesetzt hat, führt beide Themen zueinander und bildet die Grundlage für den vierten Teil. In diesem vierten Abschnitt sollen die Diskussionslinien und -ergebnisse des Fachforums auf vier Irritationsfelder konzentriert werden und mit der Fachdiskussion in Bezug gesetzt werden. Ein fünfter Abschnitt wird Schlussfolgerungen für die Professionalisierungsfrage formulieren. 3
Professionalisierung in der Sozialen Arbeit: Fokus Personalmanagement
Dem Begriff der Professionalisierung gehen unterschiedliche begrifiche Festlegungen voraus. Aufsteigend in der Wertigkeit sind folgende Begriffe zu unterscheiden: die (Ver-)
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Beruichung, die Verfachlichung, die Akademisierung und die Professionalisierung, wobei letztere mit einem Nachweis eines einschlägigen Studiums einhergeht. Die Professionalisierungsdebatte in der Sozialen Arbeit bezieht sich auf das Verhältnis von fachlich einschlägiger Qualikation und beruichen Handlungsvollzügen und damit auf die Bezüge von Wissenschaft (Disziplin) und Berufspraxis beziehen (vgl. R. Merten 2008: 669). Während Disziplinen Wissenssysteme repräsentieren, sind Professionen Handlungssysteme. Staub-Bernasconi fordert, dass die Soziale Arbeit, die erhebt eine Profession zu sein, das bislang geltende Doppelmandat auf ein Tripelmandat erweitern sollte: „Professionalität im systemischen Paradigma beruft sich auf die drei beschriebenen Mandate seitens der Adressat(inn)en, seitens der Gesellschaft, repräsentiert durch die Träger der Sozialen Arbeit, sowie seitens der Profession“ (S. Staub-Bernasconi 2007: 202). Damit ist der Begriff der Professionalisierung der Sozialen Arbeit von der Professionalisierung des Personalmanagements in der Sozialen Arbeit zu trennen. Während ersterer die Entwicklung eines wissenschaftsbezogenen Berufsverständnisses anstrebt, muss ein professionelles Personalmanagement die Frage beantworten, welche Anforderungen ein professionelles Personalmanagement in der Sozialen Arbeit erfüllen will. Oder konkret: Was macht ein professionelles Personalmanagement in der Sozialen Arbeit aus ? Ist es professionell, wenn es modern ist ? Was ist modern ? Will, soll oder muss ein Personalmanagement der Sozialen Arbeit überhaupt ‚professionell‘ i. S. von ‚modern‘ sein ? Themen der Messung der Erfolgswirksamkeit des Personalmanagements stoßen gegenwärtig in der Personalmanagementforschung auf ein großes Interesse (z. B. Untersuchungen zur Erfolgswirksamkeit des Personalmanagements; vgl. M. Gmür/B. Schwerdt 2005: 221–251) wie auch die Diskussion um einen so genannten Personalmanagement-ProfessionalisierungsIndex (PIX) der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (vgl. DGFP e. V. 2005). Vieles spricht dafür, die Frage nach einer Professionalisierung nicht auf das Erreichen eines Endzustands (‚das Personalmanagement ist erfolgswirksam/professionell‘) auszurichten, sondern diese Professionalisierung als Prozess zu verstehen. So verstanden müsste sich dieser Prozess konsequent auf die Ziele und das professionelle Selbstverständnis der Sozialen Arbeit ausrichten (‚das Personalmanagement entwickelt sich unterstützend für die Professionalisierungsentwicklung der Sozialen Arbeit‘). Inmitten des Dickichts der Fragestellung, welche der vielen Gestaltungsfelder des Personalmanagements die Organisationsziele unterstützen (oder eben auch weniger), bietet das Entwicklungsstufenmodell von Hilb eine einfache und pragmatische Orientierung: Er unterscheidet zum einen die zeitliche Nutzenwirkung des Personalmanagements in eine kurz- bzw. langfristige sowie zum anderen ein Aktivitätsniveau des Personalmanagements, das entweder reaktiv oder pro-aktiv sein kann. Hieraus ergibt sich ein Stufenmodell, dass in einer ersten Stufe ein reaktives Aktivitätsniveau beschreibt: Personalarbeit in der Bürokratisierungsphase, d. h. Personalmanagement wird hier als Verwaltungsaufgabe verstanden. In einer zweiten Stufe bleibt das reaktive Aktivitätsniveau erhalten, ändert sich aber von einer kurzfristigen zu einer langfristigen Nutzenausrichtung, die Hilb als Institutionalisierungsphase bezeichnet. In Stufe drei ist die zeitliche Nutzenwirkung des Personalmanagements eher kurzfristig ausgerichtet, aber die Nutzenwirkung pro-aktiv orientiert. Hier spricht Hilb von einer Improvisationsphase. Erst in Stufe vier kann eine langfristige Nutzenwirkung und ein proaktives Aktivitätsniveau realisiert werden. Hilbs Bezeichnung dieser Stufe als
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‚Phase des ganzheitlichen Unternehmertums‘ soll verstanden werden als eine Phase, in der das Personalmanagement langfristig (strategisch vorausschauend und nachhaltig) und proaktiv (also nicht nur Reparaturarbeit leistend) die Organisationsziele und die Entwicklung des professionellen Selbstverständnisses unterstützt (vgl. M. Hilb 2005: 3). Das Wörterbuch der Sozialen Arbeit enthält im Sachregister kein eigenständiges Stichwort zum Personalmanagement, sondern integriert Ausführungen hierzu unter das Stichwort des Sozialmanagements (vgl. D. Kreft/I. Mielenz 2008). In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Veröffentlichungen zum Personalmanagement, die sich explizit auf die Soziale Arbeit beziehen, deutlich angestiegen. Es stellt sich die Frage, worin diese Entwicklung begründet liegt. Zum einen kann argumentiert werden, dass sich das Personalmanagement als besonderer Teil der Betriebswirtschaftslehre in einem Entwicklungsprozess und gegenwärtig in einer Differenzierungsphase bendet. Zum anderen kann ein Grund darin liegen, dass das Personalmanagement in Organisationen der Sozialen Arbeit bislang wenig Beachtung gefunden hat (und dieses wiederum aus verschiedenen Hintergründen) und nun hier eine Professionalisierung i. S. eines ‚Nachholbedarfes‘ stattndet. Dieser Professionalisierungsbedarf könnte darin (z. B.) darin liegen, dass die Soziale Arbeit traditionell eher deutlich auf die Adressaten ausgerichtet war als auf ihre Mitarbeitenden selbst und diese Fokussierung die Gestaltung des Personalmanagements für die Mitarbeitenden (hauptamtliche wie auch Ehrenamtliche oder Freiwillige) eher in den Hintergrund treten lassen haben.1 Albert formuliert hierzu: „Soziale Arbeit orientierte sich mehr an dem schwierigen Lebenskontext der zu betreuenden Klienten, als dass sie ihre eigenen beruichen Rahmenbedingungen in Frage stellte.“ (M. Albert 2006: 28) Eine weitere Ursache (und Wirkung gleichermaßen) kann darin gesehen werden, dass im Zuge der Neuausrichtung die Studiengänge der Sozialen Arbeit die Themengebiete Organisationsgestaltung und Personalmanagement in die Curricula explizit aufgenommen wurden. Professorinnen und Professoren insbesondere aus den Fachhochschulen treiben die Entwicklung und Diskussion des Personalmanagements in Organisationen der Sozialen Arbeit voran und tragen zu einer Zunahme an Veröffentlichungen zum Personalmanagement in der Sozialen Arbeit bei. Zwei Beobachtungen seien als hier als Ausgangsthesen vorangestellt, die die gegenwärtige Fachdiskussion charakterisieren: 1. 2.
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Die Fachdiskussion des Personalmanagements für Nonprot-Organisationen (hier zunächst ohne den Fokus auf die Soziale Arbeit) orientiert sich über- und weitgehend am Personalmanagement der protorientierten Organisationen. Das Personalmanagement in der Sozialen Arbeit erfährt eher selten, aber zunehmend Aufmerksamkeit. Allerdings verwundert, dass die Besonderheiten der Sozialen Arbeit Ein mögliches Gegenargument bietet die Supervision, die auch die Rahmenbedingungen der in der Sozialen Arbeit Tätigen reektiert. Supervision hat in der Sozialen Arbeit eine lange Tradition. Anders als das Coaching war die Supervision traditionell eher fallbezogen und damit eben auch klientenorientiert ausgerichtet. Dieses könnte die These bestärken, dass der Fokus der Sozialen Arbeit vorrangig auf die Adressaten bezogen war. Gegenwärtig zeichnet sich in den Zielen und Methoden zwischen Supervision und Coaching eher eine Annäherung an, was für eine neue Schwerpunktsetzung sprechen würde.
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(z. B. professionelles Selbstverständnis, Haltung, Ehrenamtliche und Freiwillige, Anteil der weiblichen Beschäftigten, ache Hierarchien) nur selten und nur punktuell als Themenstellungen aufgenommen werden. Bezogen auf das Thema der leistungsorientierten Vergütungsbausteine halten Brandl et al. fest, dass die Personalmanagementforschung den Vergütungssystemen von Führungskräften und gehobenen Fachkräften eine hohe Aufmerksamkeit widmet, aber für den Bereich der Nonprot Organisationen diese Thematik kaum untersucht wird (vgl. J. Brandl. et al. 2007: 356). 4
Theorie und Praxis: Ergebnisse des Fachforums zu MitarbeiterInnengesprächen und leistungsbezogenen Gehaltsbausteinen
Dass Praktiker aus der Sozialen Arbeit ein Interesse an einem ‚modernen Personalmanagement‘ haben, zeigte sich im Fachforum Personalmanagement, dessen Ergebnisse in diesem Abschnitt vorgestellt werden. Hierbei wird folgendermaßen vorgegangen: Zu den beiden Themenfeldern der MitarbeiterInnengespräche und der leistungsbezogenen Entgeltgestaltung wird zunächst der Diskussionsstand aus der Fachliteratur aufbereitet und dann jeweils nachfolgend durch die Diskussionsergebnisse der Praktiker aus dem Fachforum ergänzt. Ein Praxisbeispiel einer leistungsorientierten Entgeltsystematik einer Kindertagesstätte führt beide Themen zusammen. 4.1
MitarbeiterInnengespräche
MitarbeiterInnengespräche als Oberbegriff umfassen alle Gespräche zwischen einer Führungskraft und Mitarbeitenden, die von beiden Gesprächsteilnehmenden geplant, vorbereitet und systematisch durchgeführt werden. Es „bedarf eines Ortes, an dem dabei vernachlässigte elementare Fragen des Verhältnisses von Individuum und Organisation zum Gegenstand von Kommunikation und Reexion gemacht werden können“ (J. Merchel 2004: 85). Alltagskommunikation ist dagegen eher auf operative Fragestellungen ausgerichtet. Zu differenzieren sind zum einen MitarbeiterInnengespräche, die regelmäßig und terminbezogen stattnden. Hierzu gehören die Zielvereinbarungsgespräche, MitarbeiterInnenentwicklungsgespräche, Beurteilungsgespräche, MitarbeiterInnenjahresgespräche sowie auch Gespräche zur leistungsorientierten Bezahlung. Zum anderen können MitarbeiterInnengespräche auch anlassbezogen statt nden. Beispiele hierfür sind Einführungsgespräche, Probezeitgespräche, Fehlzeitengespräche, Rückkehrgespräche nach Mutterschutz-, Elternzeit oder Krankheit, Kontakthaltegespräche (z. B. während der Elternzeit), aber auch Disziplinargespräche oder Austrittsgespräche. Werling hat im Jahr 2006 17 unterschiedliche Einrichtungen der stationären Jugendhilfe zum Thema MitarbeiterInnengespräche interviewt. Sie hält als Ergebnis fest, dass mehr als die Hälfte der befragten Führungskräfte grundsätzlich regelmäßig oder unregelmäßig MitarbeiterInnengespräche durchführen (vgl. U. H. Werling 2008: 11). Hier ist kritisch anzumerken, dass zum einen unregelmäßig durchgeführte MitarbeiterInnengespräche der geforderten
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Systematik nicht entsprechen und zum anderen ist auch zu hinterfragen, welche Einrichtung angeben würde, dass Gespräche mit den Mitarbeitenden nicht durchgeführt werden. Werling zieht den Schluss aus ihrer Befragung, dass die Relevanz von MitarbeiterInnengesprächen zunehmend deutlicher in den Einrichtungen wahrgenommen wird (vgl. U. H. Werling: 13). Im Fachforum wurden die unterschiedlichen MitarbeiterInnengespräche differenziert. Unterschieden wurden Zielvereinbarungsgespräche, MitarbeiterInnenentwicklungsgespräche, Gespräche auf der Basis vorhandener leistungsbezogener Vergütungsbausteine und MitarbeiterInnenjahresgespräche. In der Diskussion wurden eher grobe und offene Leitfäden und Konzepte der MitarbeiterInnengespräche präferiert. Konzepte, die tiefgegliederte vorgefertigte Formulare und sich durch ein hohes Maß an Standardisierung kennzeichnen, wurden als wenig wertschätzend diskutiert. MitarbeiterInnengespräche, deren Kernkonzeption sich durch ein eher mechanisches Vorgehen charakterisieren (im Sinne von ‚Kreuze setzen‘), würden diese Einschätzung noch verstärken. Als relevante und positiv eingeschätzte Wirkungen von systematischen, d. h. geplanten und vor- und nachbereiteten MitarbeiterInnengesprächen wurden im Fachforum Personalmanagement herausgestellt: ▪ ▪ ▪ ▪
Klärung der Aufgabenstellung: Ziel ist die Transparenz der Arbeitsaufgaben. Motivation der Mitarbeitenden: Mitarbeitergespräche geben Zeit und Raum für Wertschätzung und Aktivierung der Mitarbeitenden. Systematische Maßnahmenplanung für einen bestimmten Zeitraum: Entwicklungsmaßnahmen planen, Förderung der Lernbereitschaft der Mitarbeitenden. Systematische Ablaufplanung: Führungsbeziehung reektieren und verbessern. Verbesserung der Zusammenarbeit.
Mit diesen Maßnahmen wurden seitens der Praktiker die MitarbeiterInnengespräche als wichtiges Instrument der Personalführung eingeschätzt. Als Anforderungen für eine Professionalisierung (hier i. S. einer Verbesserung der Effektivität eines Instruments der Personalentwicklung) wurde im Forum diskutiert, die Führungskräfte, die MitarbeiterInnengespräche durchführen, auch an der Qualität dieser Gespräche zu messen. Als Ideen hierfür wurden neben Schulungen zur Vorbereitung auf diese Gespräche auch geeignete Feedbackverfahren für die Führungskräfte erörtert. Hierbei würden die Mitarbeitenden die Qualität der MitarbeiterInnengespräche rückmelden. 4.2
Leistungsbewertung und Zielvereinbarungen
Hilb bezeichnet die Personalhonorierung als „magisches Dreieck der Verteilungsgerechtigkeit“ (M. Hilb 2005: 98). Ziel sei es, dass jeder Mitarbeitende das Gefühl hat, intern (d. h. anforderungs-, kompetenz-, leistungs- und sozial-), extern sowie team- und unternehmenserfolgsgerecht honoriert zu werden. Das Dreieck ist deshalb als magisch zu bezeichnen, weil zwischen den Ecken eine Vielzahl an Konikten bestehen und eine Optimierung bzw. Balance schwer zu realisieren ist.
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Die Frage, was eine „gerechte“ Entgeltgestaltung erfordert, eröffnet ein umfangreiches Diskussionsfeld. Dennoch lässt sich gegenwärtig ein Mainstream erkennen. Brewster und Kabst (2006) sprechen von einem „Credo moderner Vergütungspolitik“, dass das Entgelt der Mitarbeitenden in Beziehung zum Arbeitsresultat gesetzt werden soll. Sie zeigen auf, dass sich die Formen der Variabilisierung des Einkommens jedoch deutlich zwischen den europäischen Ländern unterscheiden. Sie resümieren, dass in Deutschland variable Vergütungssysteme in den letzten 15 Jahren zugenommen haben, jedoch der Verbreitungsgrad deutlich niedriger liegt als der in anderen europäischen Ländern. „Es scheint keinen politischen Konsens darüber zu geben, welches variable Vergütungsmodell am geeignetsten ist. Es nden sich Erfolgsbeteiligungsmodelle, Gruppenbonuspläne und Leistungsvergütungssysteme. Während beispielsweise ungefähr die Hälfte der deutschen Organisationen ein Leistungsbeurteilungssystem für Arbeiter und Angestellte implementiert haben, liegt der Anteil der deutschen Organisationen mit Leistungsbeurteilungssystemen für Führungskräfte weiterhin unter denen anderer führender europäischer Länder.“ (C. Brewster/R. Kabst 2006: 50)
Für die Soziale Arbeit formuliert Hölzle: „Ein Thema, das in Zukunft sehr viel größeren Stellenwert bekommen wird, ist die Verkopplung von Leistungsbeurteilungen und Vergütung. Die Einführung einer leistungsbezogenen Vergütung basiert auf der Annahme, dass äußere Anreize, Belohnungen und Gratikationen dazu geeignet sind, bei den Mitarbeiter/inne/n die Leistung zu steigern und die Bindung an bzw. Identikation mit dem Unternehmen zu verbessern.“ (C. Hölzle 2006: 223).
Diese Prognose hat durch die Ablösung des seit 1961 gültigen Bundesangestelltentarifes (BAT) durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und den Tarifvertrag der Länder (TV-L) deutlich an Bedeutung gewonnen. Tabatt-Hirschfeldt betont, dass sich in der Vergangenheit Arbeitgeber des dritten Sektors, insbesondere die freien Wohlfahrtsverbände, die kirchlichen Träger und Vereine, an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes angleichen (vgl. A. Tabatt-Hirschfeldt 2007: 35). Dennoch lassen sich Beispiele in der Praxis aufführen, in denen in der Sozialen Arbeit leistungsbezogene Entgeltbausteine vor der Zeit der Ablösung des BAT eingeführt wurden (z. B. in Rechtsformen der gGmbH, vgl. z. B. W. W. Weber 2007: 28). Dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) unterliegen neben ca. 2,1 Millionen Mitarbeitende in Bund und Kommunen weitere 900.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Wohlfahrtseinrichtungen (vgl. L. Kolhoff/G. Kortendieck 2006: 129). Die wesentlichen Änderungen des TVöD und des TV-L im Vergleich zum bisherigen BAT sind zum einen die Vereinheitlichung des Tarifwerks für verschiedene Mitarbeitergruppen (ArbeiterInnen, Angestellte und Pegebeschäftigte) sowie zum anderen die Abkehr von einer dienstalter- und familienbezogenen Bezahlung hin zu einem erfahrungs- und leistungs-orientierten Entgeltsystem. Kernelemente sind zwei Komponenten der Bezahlung: ein Grundgehalt, welches auf Können und Erfahrung der Mitarbeitenden und konkrete Anforderungen der Stelle abgestimmt ist sowie ein variabler leistungsbezogener Entgeltanteil, der bei entsprechender Leistungserbringung zusätzlich zum monatlichen Grundgehalt gezahlt wird. Die Gehaltsentwicklung nach Alter und Familienstand des BAT wurden mit dem TVöD abgeschafft.
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Soweit die Anstellungsträger der Sozialen Arbeit keine Betriebsvereinbarung zur leistungsbezogenen Entgeltgestaltung geschlossen haben, erfolgt die Auszahlung an alle Mitarbeitenden gleichmäßig als „Gießkannenprinzip“ (A. Tabatt-Hirschfeldt: 2007: 35). Für die Soziale Arbeit konstatiert Kühl, dass sich die Entwicklung der Leistungsbewertung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eher zögerlich vollzieht (vgl. W. Kühl 2007:13). Langfristig sollen bis zu 8 % der Entgeltsumme der Arbeitnehmenden des jeweiligen Arbeitgebers (bezogen auf das Vorjahr) zukünftig als Leistungsbezahlung ausgeschüttet werden. Eine Vorgabe, wann dieses Ziel erreicht werden muss, ist jedoch nicht festgelegt. Die leistungs- und/oder erfolgsorientierte Bezahlung soll dazu beitragen, die öffentlichen Dienstleistungen zu verbessern. Zugleich soll durch sie eine Stärkung der Motivation, der Eigenverantwortung und der Führungskompetenz erzielt werden (vgl. § 18 Abs. 1 TVöD). Das Leistungsentgelt wird zusätzlich zum Tabellenentgelt gewährt und kann folgende verschiedene Formen realisieren, die untereinander auch verbunden werden können: Die Leistungsprämie, die Leistungszulage sowie die Erfolgsprämie. Nach den Regelungen des TVöD ist es zulässig, dass den Beschäftigten mehrere Formen des Leistungsentgelts gewährt werden. Leistungsentgelte können nicht nur an einzelne Beschäftigte vergeben werden. Möglich ist auch die Zahlung an Gruppen von Beschäftigten. Im Kontext von Protorganisationen lassen sich die Zusammenhänge zwischen Leistung, Engagement und Zielen wie folgt zusammenfassen (vgl. R. W. Stroebe 2003: 22): ▪ ▪ ▪
Leistung setzt die Vereinbarung von Zielen und Engagement der Mitarbeitenden voraus. Engagement setzt voraus, dass Unternehmen und Mitarbeitende gemeinsame Ziele haben und die Bedürfnisse beider in diese Zielformulierungen integriert werden. Ziele nehmen daher eine zentrale Rolle im Führungsprozess ein.
Zielvereinbarungen und leistungsorientierte Vergütungen werden hinsichtlich ihrer Motivationswirkung unterschieden: Während Zielvereinbarungen eher die intrinsische Motivation von Mitarbeitenden stärken, zielen leistungsorientierte Vergütungen auf eine Stärkung der extrinsische Motivation. Die extrinsische Motivation soll durch die Aussicht auf eine Prämie oder einen Bonus als Zusatz zum Entgelt oder durch Sachmittel eine Leistungssteigerung erreichen. Zielvereinbarungen hingegen stärken die intrinsische Motivation, indem sich die Mitarbeitenden selbst Herausforderungen setzen, die Mitarbeitenden sich mit den vereinbarten Zielen identizieren, ihre individuellen Ziele mit den Organisationszielen in Einklang bringen, in der Einordnung der eigenen Tätigkeit in den Gesamtzusammenhang einen Sinnhaftigkeit erkennen und auch dadurch, dass Globalziele in Teilziele zerlegt und damit realistisch machbar werden (vgl. C. Hölzle 2006: 223 f.). Kern und Anliegen von Zielvereinbarungen lassen sich wie folgt charakterisieren: In idealtypischer Weise sind sie das schriftlich dokumentierte Ergebnis eines dialogischen Prozesses zwischen Führungskraft und MitarbeiterInnen (individuell oder Team), in dem Ziele für einen Zeitraum deniert, Indikatoren für das Beurteilen des Grades der Zielerreichung benannt, Voraussetzungen für die Zielerreichung angegeben, genaue Anforderungen an die Unterstützung durch die Führungskraft (bzw. durch die Führungskräfte) formuliert, Formen der Ergebnisdokumentation vereinbart sowie auch Zeitpunkt und Formen der Ergebniskontrolle bezeichnet werden (vgl. J. Merchel 2004: 100 f.).
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Fachforum Personalmanagement in der Sozialen Arbeit: In vielen Einrichtungen ist eine Systematik von MitarbeiterInnengesprächen erst in der Entwicklungsphase bzw. in der Planungsphase. Zielvereinbarungen sind in der Praxis der Sozialen Arbeit oft eine neuere Themenstellung. Die systematische Einführung von Zielvereinbarungen bendet sich in den Einrichtungen derzeit eher noch in der Planungsphase. Die Ausrichtung der Zielvereinbarungen auf individuelle Mitarbeitende oder eine kollektive Ausrichtung auf Teams wird kontrovers diskutiert. Weitgehende Einigkeit besteht in Bezug auf das Problem der Kennzahlenbildung bei der Leistungsbewertung. Bei Leistungsbewertungen werden diverse Problemstellungen gesehen: Zuordnung der Leistung, Messung, Aufwand der Erhebung. Auch das Formulieren von Zielen für Zielvereinbarungen wurde als schwierig realisierbar und hinsichtlich der Messung des Zielerreichungsgrads als problematisch eingeschätzt. Ebenfalls kontrovers wurde diskutiert, inwieweit grundsätzlich über Zielvereinbarungen und Bonussysteme eine Motivationsverbesserung erzielt werden kann. Ein weiteres Thema war die Ausrichtung der Zielvereinbarungen auf kollektiver oder individueller Ebene. Hier wurde die Teamarbeit als wesentliches Erfolgsmerkmal sozialer Arbeit betont. 4.3
Praxisbeispiel einer leistungsorientierten Entgeltgestaltung aus dem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe
Das Praxisbeispiel, das im Fachforum vorgestellt und diskutiert wurde, beinhaltete ein realisiertes Konzept für eine leistungsorientierte Entgeltgestaltung im Rahmen des Geltungsbereiches des TVöD. Die Einrichtung aus dem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe hat durch eine Dienstvereinbarung die Entgeltsystematik und die -ausgestaltung konkretisiert. Kernbausteine dieses Konzepts sind die Leistungsbewertung und die Zielvereinbarung. Vereinbart wurde die Kombination (Verzahnung) aus einer systematischen Leistungsbewertung auf der einen Seite und einer Zielvereinbarung auf der anderen Seite. Beide Systeme sind jeweils auf ein Kalenderjahr ausgerichtet. In der systematischen Leistungsbewertung in Form einer Fragebogenabfrage werden fünf Merkmale formuliert: Leistungsqualität, Leistungsquantität, Einsatzbereitschaft und Belastbarkeit, Kooperation und Koordination sowie als fünftes Merkmal das selbstständige Arbeiten. Jedes dieser fünf Merkmale wird in dem diskutierten Beispiel mit Punkten bewertet. Die Formulierung „erfüllt die Leistungserwartung mit erheblichen Einschränkungen“ ergibt hierbei einen Punktwert von eins, während fünf Punkte als höchster Wert die Formulierung „übertrifft die Leistungserwartung erheblich und dauerhaft“ kennzeichnet. Alle Punktwerte der fünf Leistungsmerkmale werden addiert. Für die Zielvereinbarung sieht das Praxisbeispiel die Formulierung von maximal drei Zielen vor. Auch werden Punktwerte für die zugewichtenden Ziele vergeben und addiert. Das System der leistungsorientierten Entgeltgestaltung setzt daraufhin beide addierten Punktwerte in Bezug zueinander, wobei das Ergebnis der Leistungsbewertung zu 90 % in das Gesamtergebnis eingeht und das der Zielvereinbarung zu 10 %. Diese unterschiedliche
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Gewichtung soll in der Zukunft – so das Konzept – zugunsten des Wertes aus der Zielvereinbarung verschoben werden. Für die Implementierung und systematische Durchführung der leistungsorientierten Entgeltgestaltung werden den Führungskräften folgende Arbeitshilfen zur Verfügung gestellt: Bezogen auf die systematische Leistungsbewertung fordert eine Arbeitshilfe die Führungskräfte auf zu notieren, wie die fünf Merkmale für die jeweiligen Mitarbeitenden beobachtet werden. Zusätzlich sollen die Führungskräfte mindestens ein Beispiel bezogen auf die Frage ‚Woran erkennen Sie als Führungskraft, das die Mitarbeitenden diese Erwartung erfüllen bzw. übertreffen ?‘ formulieren. Auch für die Erstellung von Zielvereinbarungen werden für die Führungskräfte ausgewählte Inhalte als Hilfestellung aufbereitet. So sollen die Zielformulierungen den SMARTAnforderungen genügen: (S) pezisch: Die Ziele sollen eindeutig, konkret und präzise formuliert werden. (M) essbar: Ziele müssen beobachtbar und messbar sein. Sowohl für die Messung als auch die Bewertung einer Zielerreichung werden konkrete Kriterien festgelegt. (A) nspruchsvoll: Ziele müssen herausfordernd sein. Sie sollen einen Anspruch haben, der auf die jeweilige Leistungsfähigkeit des Einzelnen abgestimmt ist. (R) ealistisch: Ziele müssen realistisch und ihre Erreichung von den Beschäftigten zu beeinussen sein. (T) erminiert: Es muss ein Zeitpunkt angegeben sein, an dem das Ziel erreicht werden soll. In weiteren Arbeitshilfen werden zur Unterstützung der Zielvereinbarungsformulierung folgende Hilfsfragen aufgestellt: Was soll erreicht werden ? Bis wann soll das Ziel erreicht sein ? Welche Meilensteine ? Wie wird der Zielerreichungsgrad ermittelt ? Welchen übergeordneten Sinn hat das Ziel ? Wozu leistet es einen Beitrag ? Welche zusätzlichen Maßnahmen, Ressourcen, Unterstützungsmaßnahmen werden benötigt ? Die Arbeitshilfen werden durch interne Schulungen der Führungskräfte ergänzt und sollen der Konkretisierung und der Transparenz des neuen Entgeltsystems dienen. 5
Irritationen: Analyse und Diskussion der Problemfelder
Die leistungsorientierte Bezahlung des dargestellten Praxisbeispiels erzeugt auf mehreren Ebenen Irritationen, deren vier zentrale Diskussionsergebnisse des Fachforums zunächst vorgestellt und nachfolgend in Bezug zur Fachdiskussion diskutiert werden sollen. 5.1
Zentrale Irritationsfelder aus dem Fachforum Personalmanagement
Als zentrale Diskussionsergebnisse aus dem Fachforum Personalmanagement in der Sozialen Arbeit werden folgende Irritationsfelder benannt:
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a)
b)
c)
d)
5.2
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Erfolge sozialer Arbeit wurden bisher weitgehend qualitativ beschrieben. Die leistungsorientierte Bezahlung bewertet den Erfolg sozialer Arbeit quantitativ über Punktesysteme. Entscheidungen und Handlungen sind bislang eher auf die Adressaten der Sozialen Arbeit ausgerichtet. Die Orientierung an Kennzahlen zur Einschätzung des Erfolgs Sozialer Arbeit erzeugt Irritation, ggf. sogar erhebliche Widerstände. Soziale Arbeit stellt die Teamarbeit in den Vordergrund. Die leistungsorientierten Entgeltsysteme fokussieren eher einzelne Mitarbeitende. Eine Konzentration auf individuelle Mitarbeitende ist in der Praxis der Sozialen Arbeit eher die Ausnahme, stattdessen ist eine Konzentration auf die Adressatengruppe und das (oft multi-) professionelle Team die Regel. Während Führung und Führungsaufgaben in der Sozialen Arbeit bislang eher als Nebenereignis gesehen wurden, stellt die leistungsorientierte Bezahlung eine umfassende Führungsaufgabe dar. Die Anforderungen an Führungskräfte steigen durch die Einführung der leistungsorientierten Bezahlung. Führung in der Sozialen Arbeit wird in der Sozialen Arbeit ein ambivalent bewertetes Thema. Durch die leistungsorientierte Entgeltsystematik erfährt das Entgelt als Anreiz eine erhöhte Aufmerksamkeit bei den Mitarbeitenden. Bislang steht in der Sozialen Arbeit eher die intrinsische Motivation und hier speziell die Sinnhaftigkeit der sozialarbeiterischen/ sozialpädagogischen Arbeit für die Mitarbeitenden im Vordergrund. Eine Stärkung der extrinsischen Motivation durch monetäre Anreize wird kritisch gesehen. Negative Auswirkungen werden hinsichtlich der Qualität der Sozialen Arbeit erwartet. Bezüge der Irritationsfelder zur Fachdiskussion
5.2.1 Zu a: Quantitative Erfolgsmessung Die Frage der Erfolgsmessung ist ein zentraler Baustein in der Entwicklung der Profession der Sozialen Arbeit. In Abgrenzung zu Protorganisationen, in denen Fall- und Stückzahlen als Parameter der Zielvereinbarung und Leistungsmessung angemessen und realisierbar sind, sind in der Sozialen Arbeit vor allem qualitative Messgrößen gegeben. Quantizierungen, Punktesysteme und Skalen vermitteln hier den falschen Eindruck von Objektivität (vgl. W. Kühl 2007: 18). Ein weiteres Argument, welches die o. g. Irritation verstärkt, ist die für die Soziale Arbeit charakteristische Situation, dass die Adressatinnen und Adressaten nicht passive Abnehmer eines Produktes sind, sondern vielmehr Ko-ProduzentInnen, die aktiv am Prozess der Dienstleistungserbringung beteiligt sind (vgl. W. Kühl 2007: 13). Für die Soziale Arbeit resümiert Hafen: „Professionalität hat daher weniger mit der bedingungslosen Übernahme von professionellen Vorgaben zu tun als mit der Kompetenz, sich Spannungen bewusst zu werden, die sich im professionellen Alltag aus den unterschiedlichen Mandaten ergeben“ (M. Hafen 2008: 458). Und weiter: „Die Reexionsfähigkeit, die mit der Erweiterung des doppelten Mandats zu einem Tripelmandat einher geht, bildet damit die Voraussetzung für eine selbstbewusste Sozialarbeit“ (M. Hafen 2008: 459).
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5.2.2 Zu b: Teamarbeit in der Sozialen Arbeit Arbeitsergebnisse in Organisationen der Sozialen Arbeit sind nicht das Resultat individueller, sondern immer kollektiver Leistung, kollegialer Kommunikation und Interaktion. Dass Soziale Arbeit stets Teamarbeit ist, zeigt sich in der alltäglichen Kooperation und der fachliche Auseinandersetzung mit anderen Angehörigen der pädagogischen Profession. Die subjektiv erlebte konstruktive Qualität dieses Miteinanders im Team kann als eine entscheidende Determinante für die beruiche Zufriedenheit und das beruiches Erfolgserleben eingeschätzt werden. So halten Herringer und Kähler als Ergebnis ihrer Untersuchung zu den subjektiven Erfahrungs- und Deutungsmustern, auf die Mitarbeitende sozialer Dienste und Einrichtungen zurückgreifen, um ein gelingendes beruiches Handeln in der Sozialen Arbeit zu bemessen, fest: „Eine … [von ingesamt drei Kategorien] bedeutsame Kategorie von Erfolgserfahrungen bezieht sich ausschließlich auf die subjektiv erfahrene Qualität der kollegialen Kooperation (teambezogene Erfolgserfahrung). Die Mitarbeiter im sozialen Feld, die sich hier zu Wort melden, schöpfen ihre beruiche Zufriedenheit nicht nur aus der direkten Arbeit mit den Klienten, sondern auch aus der unterstützenden und entlastenden Kooperation im Team, die es ihnen möglich macht, so manche Enttäuschung und so manches Scheitern im direkten Klientenkontakt ohne Spuren eines Burn-out zu verarbeiten“ (N. Herriger/H. D. Kähler 2003: 156).
Eyer und Haussmann formulieren folgende Fragestellung (aus dem Kontext von Prot-Praxisbeispielen): „Ist die Philosophie des Unternehmen eher auf die Leistung des Individuums oder auf die Förderung des Teamgedankens ausgerichtet ?“ Sie schlussfolgern, dass „falls letzteres zutrifft, so wird man sicher eine absolut oder relativ gleiche Verteilung des Bonus auf alle Mitglieder anstreben, um der Maxime ‚Die Gruppe ist so stark wie ihr letztes Glied‘ gerecht zu werden“ (E. Eyer/T. Haussmann 2003: 101). 5.2.3 Zu c: Führung in der Sozialen Arbeit und leistungsorientierte Entgeltgestaltung Das Konzept des Management by Objectives ist kein einheitlicher Ansatz, sondern ist eher als Konzeption einzuschätzen, die sich als Ergebnis verschiedener Arbeiten im Laufe der Zeit entwickelte. Im deutschen Sprachraum hat sich keine einheitliche Bezeichnung für das Management by Objectives eingebürgert. Einige Autoren nutzen die Formulierung ‚Führen durch Ziele‘, andere betonen mit der Bezeichnung ‚Führung durch Zielvorgabe oder Zielvereinbarung‘, dass die Mitarbeitenden am Zielbildungsprozess aktiv beteiligt sind. Insgesamt lassen sich sechs Prinzipien der Führungskonzeption des Management by Objektives zusammenfassen (vgl. J. Hentze et al. 2005: 583): 1. 2. 3. 4.
Prinzip der Zielorientiertheit Prinzip des mehrstugen Zielbildungsprozesses Prinzip der Delegation von Entscheidungsbefugnissen Prinzip der Partizipation
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5. 6.
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Prinzip der Leistungsorientiertheit Prinzip der regelmäßigen Zielüberprüfung und -anpassung.
Hentze et al. heben zwei Kritikpunkte an dieser Führungskonzeption heraus: Sie bemängeln zum einen, dass das der Partizipationsaspekt unzureichend konkretisiert wird. Dieses könne dazu führen, dass in der Praxis Ziele nicht kooperativ festgelegt werden, Zielkonikte entstehen und Führungskräfte zur Erreichung der Ziele ungeeignete Maßnahmen ergreifen. Sie schließen, dass Management by Objektives in der Praxis „als straffes Kontroll- und Anreizsystem zur fortlaufenden Leistungssteigerung angewendet [wird], wobei kurzfristig-operationale Ziele gegenüber langfristig-strategischen Zielen klar überwiegen“ (J. Hentze et al. 2005: 585). Neben dem zeitlichen Aspekt bergen die Zielbeziehungen Probleme in der Praxis: Koniktäre oder konkurrierende Ziele liegen dann vor, wenn die Zielerreichung eines Zieles zum verminderten Zielerreichungsgrad eines anderen Zieles führt. Für Prot-Organisationen werden folgende koniktäre Zielbereiche identiziert, die jeweils zueinander in Konkurrenz stehen können: Betriebsziele, Umweltziele, individuelle Ziele, Gruppenziele sowie Ziele innerbetrieblicher Bereiche. Darüber hinaus können diese Ziele auch innerhalb der jeweiligen Zielbereiche Konikte enthalten (vgl. R. W. Stroebe 2003: 38). Für die Soziale Arbeit erweitern sich die potentiellen koniktären Zielbeziehungen nicht zuletzt aufgrund der verschiedenen Mandate. Zwei Problemkontexte sind hierbei zu beachten: Zum einen müssen in den Organisationen Visionen und Leitlinien als Orientierung entwickelt sein, um daraus abgeleitet strategische Ziele konsequent zu verfolgen. Zum anderen müssen aus den strategisch angelegten Organisationszielen systematisch mit den Mitarbeitenden operative Ziele hieraus abgeleitet werden (vgl. D. Rösler/K. Päßler 2002: 13). Diese Arbeit stellt hohe Ansprüche an die Führungskräfte. Hierzu stellt (aus dem Erfahrungskontext als Berater) Drost heraus: „Die konzeptionelle Entwicklung eines funktions- und leistungsorientierten Vergütungssystems für Grundgehalt und variable Bezüge ist von den Vergütungsspezialisten schnell vollzogen, aber die Implementierung gestaltet sich normalerweise sehr schwierig. Insbesondere ist es notwendig, sich mit der Position, Haltung und Rolle der Führungskräfte in der Implementierungsphase und danach auseinanderzusetzen. Sie sind später die, die mit dem neuen System arbeiten müssen und Mitarbeitern erläutern sollen, weshalb ihre Gehälter unterschiedlich sind. Manche Führungskräfte in NPO scheuen heute noch dieses Gespräch“. (U. Drost 2007: 75)
Damit wird eine erfolgreiche Einführung leistungsorientierter stark vom Führungsverständnis und den Führungskräften abhängen. Hierzu bemerkt Albert: „Bestehende Hierarchien in Form von Leitungs- und Entscheidungsebenen wurden [von den Tätigen in der Sozialen Arbeit; Anmerkung der Verf.] als nicht ausschlaggebend für den beruflichen Alltag wahrgenommen. Führungskräfte im sozialen Bereich hatten nach diesen Vorstellungen lediglich die Aufgabe, hilfreiche Rahmenbedingungen für die eigentlich autonom agierende Soziale Arbeit zu schaffen. Da öffentliche Zuschüsse lange Jahre kein Problem waren,
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konnten es sich die Führungskräfte sogar leisten, weiterhin in der Basisarbeit tätig zu sein“ (M. Albert 2006: 28).
Die Diskussion zeigt auf, dass sich Führung in der Sozialen Arbeit allgemein und Mitarbeitergespräche als wichtiges Instrument der Führung durch ein hohes Maß an Komplexität auszeichnen. Mit der Verknüpfung von Leistungsbeurteilungen und Zielvereinbarungen an das Entgelt nimmt diese Komplexität und Anspruchshöhe an die Führungskräfte deutlich zu. 5.2.4 Zu d: Intrinsisch versus extrinsische Motivation Das Merkmal einer extrinsischen Motivation besteht darin, dass sich einer Tätigkeit der Konsequenzen wegen und weniger um ihrer selbst willen gewidmet wird, während bei der intrinsischen Motivation die Tätigkeit selbst im Vordergrund steht (vgl. P. G. Zimbardo 1992: 378). Die Bezüge zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation werden grundsätzlich als sich ergänzend eingeschätzt. Dennoch ruft von Rosenstiel zur Vorsicht und Sensibilität auf: „Es kann vorkommen, dass durch extrinsische Belohnungen eine ur-sprünglich hohe intrinsische Motivation zerstört wird“ (L. von Rosenstiel 2001: 59). Für Beschäftigte in Nonprot-Organisationen wird angenommen, dass sie aufgrund einer hohen Identikation mit der Mission und mit den spezischen Arbeitsbedingungen mit einer geringeren Vergütung zufrieden sind als sie in einem gewinnorientierten Unternehmen für eine vergleichbare Tätigkeit erhalten würden (vgl. D. von Eckardstein 2007: 138). Doch auch ohne Bezug zu Nonprot-Organisationen und der Sozialen Arbeit werden die folgende grundlegende Problemstellung der extrinsischen Motivation über leistungsbezogene Entgeltsysteme in Bezug auf Zielvereinbarungen diskutiert: Zum einen streben Mitarbeitende bei Zielvereinbarungen eine indirekte Optimierung ihrer Einkünfte an. Während die Mitarbeitenden eher moderate Ziele anstreben, liegt es im Interesse der Führungskräfte, möglichst anspruchsvolle (i. S. der Erreichung der Organisationsziele) Ziele zu formulieren. Zum anderen führen überragende Ergebnisse der Vergangenheit bei den Führungskräften zu hohen Erwartungen an die Basisleistung der Mitarbeitenden. Dieses kann sich so auswirken, dass sich Mitarbeitende taktisch ausrichten (vgl. M.-O. Schwaab 2002: 35). Jäger und Beyes sprechen von einem Leistungswettbewerb, in dem die Mitarbeitenden um knappe nanzielle Mittel kämpfen (vgl. U. Jäger, T. Beyes 2007: 66). Dies gilt umso mehr, als dass das Buget, welches für die leistungsorientierten Entgeltbestandteile bereit steht, hinsichtlich seines Volumens begrenzt ist: Je mehr Mitarbeitende in ihrer Leistung positiv bewertet werden, umso geringer wird der auszuschüttende Betrag für die einzelnen Mitarbeitenden. Hier kann im Alltag eine Form von nanziellem Eigennutz in Kollision zum Teamgedanken und zur intrinsischen Motivation entstehen. Beyes und Jäger ziehen folgende Schlussfolgerung: „Leistungsorientierte Vergütungssysteme versuchen, einen Wettbewerb um nanzielle Mittel einzuführen, treffen aber auf einen stark personen- und weniger nanzorientierten Kontext.“ (U. Jäger/T. Beyes 2007: 66).
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Bewertung des Einzugs leistungsorientierter Entgeltbausteine in die Soziale Arbeit
Wie sind nun diese Irritationen für die Soziale Arbeit einzuschätzen ? Welche Veränderungen und Folgewirkungen sind zu bedenken ? Mit der Einführung leistungsbezogener Entgeltbausteine ist die Erwartung verbunden, dass es nach ihrer Einführung auch zu Leistungssteigerungen kommt. Diese ist grundsätzlich und insbesondere für die Soziale Arbeit sehr kritisch zu hinterfragen. 5.3.1 Argumente gegen leistungsbezogene Entgeltgestaltung: ▪
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Ausgehend von einer eher geringen Anreizsensibilität der Mitarbeitenden in der Sozialen Arbeit in Bezug auf Bausteine leistungsbezogener Vergütung sind idealtypisch zwei Folgewirkungen zu unterscheiden: Ist das Leistungsniveau der Mitarbeitenden vor der Einführung der leistungsabhängigen Vergütung niedrig, wird bezogen auf die jeweiligen Mitarbeitenden aus der Organisationsperspektive eine Kostenersparnis erreicht. Diese geht allerdings potentiell mit einem Leistungsrückgang dieser Mitarbeitenden einher – und nicht mit einer Leistungssteigerung. Ist das Leistungsniveau allerdings vor der Einführung hoch, dann besteht die Gefahr, dass die intrinsische Motivation verdrängt wird. (vgl. R. G. Klimecki/M. Gmür 2005: 306). Die Verdrängung intrinsischer Motivation durch explizite kenzahlenbasierte Anreiz- und Kontrollsystemen in Nonprot Organisationen wird als ‚Crowding Out Effekt‘ bezeichnet (vgl. C. Prendergast 1999: 18) und steht dem Professionsverständnis der Sozialen Arbeit entgegen. Eine entgeltbezogene Konzentration auf individuelles Verhalten und auf individuellen Entscheidungen ist aufgrund der Teamorientierung in der Sozialen Arbeit eher als problematisch einzuschätzen. Die Teamorientierung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor in der Sozialen Arbeit. Grundsätzlich kann eine leistungsbezogene Entgeltsystematik auch auf das Team hin konzeptioniert werden. Die Praxisbeispiele deuten allerdings eher darauf hin, dass – analog zu Entgeltgestaltungen in den Prot-Organisationen – individuell bezogene Gestaltungssysteme bevorzugt werden. Eine teambezogene Entgeltgestaltung erhöht die Komplexität der Umsetzung und verstärkt eher die genannten Problemfelder zur Führung. Durch die Einführung eines leistungsorientierten Entgeltsystems wird die Führungsbeziehung intensiviert und in ihrer Erlebbarkeit verdeutlicht. Nach Watzlawick kann eine Kommunikation symmetrisch oder komplementär sein (vgl. P. Watzlawick et al. 2000: 50–70). Durch den Entgeltbezug der Bewertung durch die Führungskraft der Leistung der Mitarbeitenden ist die komplementäre Kommunikationsbeziehung unterstrichen. Dieses kann – je nach Ausgestaltung – problematisch sein, wenn die Führungsbeziehung („wir sind hier alle ein Team“) insgesamt (durch die Führungskraft und/oder die Mitarbeitenden) eher negiert wird. Durch einen Entgeltbezug erhält die Wahrnehmung einer komplementären Kommunikationsbeziehung deutlich Verstärkung: Die Leistungseinschätzung durch die Führungskraft verändert die Einkommenssituation der Mitarbeitenden. Und selbst wenn die Mitarbeitenden eine Leistungseinschätzung
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ihrer direkten Führungskräfte vornehmen können (was in der Praxis nur selten realisiert wird), so führt dieses nicht zu monetären Konsequenzen auf Seiten der Führungskraft. 5.3.2 Argumente für leistungsbezogene und zielorientierte MitarbeiterInnengespräche ohne Entgeltwirkung ▪
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Möglich und sehr wahrscheinlich ist, dass durch die Systematisierung der MitarbeiterInnengespräche eine Konkretisierung und eine Erhöhung der Transparenz in der Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden bewirkt werden kann. Wie diese Intensivierung jedoch aus der Sicht der jeweiligen Mitarbeitenden und ihrer Führungskräfte erlebt wird, wird erheblich durch die konkrete Ausgestaltung der Gespräche und der jeweiligen Führungsbeziehungen in der Praxis bestimmt werden. Insgesamt sind hier die Möglichkeiten der Reexionspotentiale für die Soziale Arbeit eher hoch und positiv zu bewerten. Die Verknüpfung an Entgeltbausteine ist aus den o. g. Gründen eher kontraproduktiv. Die Durchführung von systematisierten MitarbeiterInnengespräche kann den Blick auf die Rahmenbedingungen der Mitarbeitenden verschärfen. Darüber hieraus ermöglichen sie es, fundierter Anforderungen an die Organisationsleitung wie auch politische Maßnahmen zu formulieren. Wenn Mittelkürzungen zu einer Deprofessionalisierung führen, muss und kann dies nun datenbasiert öffentlich diskutiert und auch den Trägern von politischen Entscheidungen zugänglich gemacht werden. Die Hinwendung bzw. Konzentration der Führungskraft in Bezug auf die Leistung der Mitarbeitenden kann von diesen durch MitarbeiterInnengespräche von diesen als Wertschätzung erlebt werden (‚bislang hat keiner beachtet, was ich geleistet habe‘). Dieses Argument würde dann umso mehr an Bedeutung gewinnen, je deutlicher die Führungskräfte Schulungen erhalten und ihre Führungskompetenz ausbauen und auch die Mitarbeitenden Möglichkeiten des Feedbacks erhalten. Für diesen Ansatz erscheint insbesondere das 360°-Feedbackverfahren geeignet. Ableitungen für die Professionalisierung des Personalmanagements und des professionellen Selbstverständnisses
Grundsätzlich gilt, dass sich die Soziale Arbeit durch die Bezugsdisziplin der Betriebswirtschaft verändert. Die Fragestellung, ob betriebswirtschaftliche Instrumente und Methoden die Soziale Arbeit in der Praxis berühren dürfen und sollen, wird von der Praxis zunehmend überholt. Betriebswirtschaftliche Fragestellungen, Instrumente und Methoden ziehen zunehmend in die Soziale Arbeit ein und stellen die Frage des ‚ob‘ weit hinter die Frage des ‚wie‘. Hier genau stellt sich die Frage, welche der Instrumente, Methoden, Deutungs- und Handlungsmuster der Betriebswirtschaftlehre für die Entwicklung der Professionalisierung geeignet sind oder welche konkreten Ausgestaltungen eher einer Deprofessionalisierung der Sozialen Arbeit den Weg bereiten. Diese Frage scheint trotz zunehmender Veröffentlichungen zum Personalmanagement in der Sozialen Arbeit eher noch wenig Beachtung zu nden.
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Dass wirtschaftliche Prinzipien einen wesentlichen Einuss auf die Rahmenbedingungen der Sozialen Systeme nehmen, wird zunehmend deutlicher – dies zeigt sich auch und sicher nicht zuletzt in der Auösung bisheriger Gehaltssysteme (vgl. M. Albert 2006: 26). Bei einem Anreizsystem, das als undurchsichtig und/oder willkürlich empfunden wird, wird sich die gewünschte Anreizwirkung leicht in ihr Gegenteil verkehren (vgl. O. Hinz/C. Tonnesen 2002: 34). Für die Soziale Arbeit ist diese Schlussfolgerung zu erweitern: Leistungsbeurteilungen und noch deutlicher Zielvereinbarungen sind aufgrund der Stärkung der potentiell hohen reexiven Anteile eher positiv für die Professionalisierung der Sozialen Arbeit einzuschätzen, während die Verknüpfung beider personalwirtschaftlicher Instrumente mit einer Entgeltsystematik eher kritisch für die Entwicklung der Profession der Sozialen Arbeit einzuschätzen sind: Kennzahlenorientierte Leistungsbewertungen mit Entgeltbezug laufen eher Gefahr, kontraproduktiv zu wirken. In der betriebswirtschaftlichen Managementlehre ist zunehmend eine Abkehr von den technokratischen Vorstellungen zum Management zu beobachten. Vorstellungen einer umfassenden Machbarkeits- und Steuerungsglaubens werden zunehmend durch Vorstellungen der Konzentration auf lernfähige Systeme ersetzt (vgl. J. Merchel 2008: 853). Auch in dieser Sicht sind reexive Instrumente des Personalmanagements eher lernförderlich, während der Entgeltbezug einer Lernkultur eher entgegensteht. Staub-Bernasconi stellt in ihrem Artikel zum Projekt Seitenwechsel (in diesem werden Mitarbeitende aus Prot-Organisationen in Organisationen der Sozialen Arbeit für einen bestimmten Zeitraum tätig) unter dem Abschnittstitel ‚Forderungen der Sozialen Arbeit an die Wirtschaft‘ folgendes fest: „Wünschbar wäre also, dass nicht nur Grenzen überschritten, sondern auch ein gemeinsamer Denk- und eventuell auch Handlungsraum betreten wird.“ (S. Staub-Bernasconi 2000: 149). In einem solchen Denk- und Handlungsraum gilt es von einander zu lernen – auch und gerade durch Abgrenzung. 7
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Warnung: Zuviel Management kann Ihre NPO zerstören Managerialismus und seine Folgen in NPO Michael Meyer, Johannes Leitner
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Professionalisierung in NPO: Eine SchieÀage ?
Professionalisierung wird im Dritten Sektor unter dem Damoklesschwert organisationaler, ökonomischer und politischer Veränderungen diskutiert (J. Evetts, 2003), während früher die traditionellen Professionen, ihre Regeln und Standards als „dritte Logik“ neben Markt und Bürokratie konzipiert wurden (E. Freidson, 2001) und damit gerade für zivilgesellschaftliche Organisationen hohe Attraktivität besaßen. Während die Professionen unter Druck geraten, beobachten wir andererseits eine geradezu inationäre Verwendung des normativ aufgeladenen Begriffes „professionell“, der gerade in NPO sehr oft zur Legitimierung herangezogen wird, aber kaum mehr eine empirische Verbindung zu den Standards traditioneller oder neuer Professionen aufweist. Diese waren und sind in vielen Bereichen Basis des Vertrauens in Tauschbeziehungen, sei es im Handwerk, in der Medizin, der Juristerei oder der sozialen Arbeit, verlieren aber, so unsere These, diese Rolle zunehmend an professionell gemanagte Organisationen. Professionen im klassischen Sinn geben ihre „occupational control of the work“ (E. Freidson, 2001) vermehrt an Organisationen ab, die sich selbst – wie sich das an Spitälern, Schulen und Universitäten leicht zeigen lässt – von Expertokratien oder „professional bureaucracies“, in denen die Macht von der operativen Basis, also den Ärztinnen, Lehrern und Forscherinnen ausgeht (H. Mintzberg, 1983), zu durch Leitungsorgane dominierten Einfachstrukturen oder klassischen Bürokratien entwickeln. Wir vermuten also, dass Professionalisierung in NPO eine Schlagseite aufweist: Sie meint vor allem die Professionalisierung des Management. Wir bevorzugen daher die Begriffe Managerialismus und Verbetriebswirtschaftlichung und wollen sie und ihre Ausprägungen im ersten Teil dieses Beitrages vorstellen. Im zweiten Teil wollen wir auf Basis bisheriger Forschungsarbeiten unerwünschte Nebenwirkungen vor dem Hintergrund der mannigfachen gesellschaftlichen Funktionen von NPO diskutieren. Im abschließenden dritten Teil wollen wir beispielhaft anhand eigener empirischer Befunde aufzeigen, dass Efzienzziele, wie sie der unreektierte Einsatz betriebswirtschaftlicher Methoden nahelegt, Innovativität und damit Effektivität von NPO beschädigen kann. 2
NPO in Zeiten des Management
Seit den 1990er Jahren haben Nonprot Organisationen (NPO) damit begonnen, Konzepte und Instrumente der Betriebswirtschaftslehre anzuwenden und Managementqualikationen
A. Langer · A. Schröer (Hrsg.), Professionalisierung im Nonprofit Management, DOI 10.1007/978-3-531-92664-3_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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nachzufragen (J. Clarke, S. Gewirtz/E. McLaughlin, 2000; G. Manville, 2006; S. M. Roberts, J. P. Jones/O. Froehling, 2005; A. Symonds/A. Kelly, 1998; B. A. Weisbrod, 1998). Dabei stehen NPO zunehmend vor der Frage, ob und in welcher Art und Weise sie Nutzen aus Managementtechniken ziehen und welche Alternativen sie zu diesem aufkommenden Managerialismus in Erwägung ziehen können (J. Hailey/R. James, 2003:4). Wenngleich seitdem ein beachtlicher Fortschritt in der Entwicklung und Anwendung von Managementinstrumenten in NPO zu beobachten ist (D. R. Young, 1997), und auch für die Gründe des Zirkulierens und der Verbreitung von Managementideen Erklärungen vorliegen (P. J. Nelson, 1997; M. Ruef/R. W. Scott, 1998; M. C. Suchman, 1995), gibt es überraschend wenige Befunde über die Effekte von Managerialismus in NPO. 3
Konzept und Dimensionen des Managerialismus
Der Begriff Managerialismus ndet sich in verschiedenen Forschungsgebieten, etwa in Forschung über die Modernisierung des öffentlichen Sektors (z. B. J. Clarke/J. Newman, 1997; B. Hodge/G. Coronado, 2006; C. Pollitt, 1993), über gewinnorientierte Unternehmen (z. B. F. Mueller/C. Carter, 2005; F. Mueller/C. Carter, 2007), über NPO (z. B. S. M. Roberts, J. P. Jones,/O. Fröhling, 2005) und in breiteren Analysen organisationaler und gesellschaftlicher Entwicklungen (z. B. W. F. Enteman, 1993; M. Parker, 2002). Nachdem der Begriff in der NPO-Forschung oft unscharf verwendet wird bzw. mit Begriffen operiert wird, die ähnliches bezeichnen (z. B. „being business-like“, R. Dart, 2004a), klären wir in Folge den Begriff. Wir denieren Managerialismus als die Anwendung von zweckrationalem, die Eigenverantwortung betonendem und fortschrittsorientiertem Gedankengut auf die Gestaltung von Organisationen. Wir spezizieren diese Denition mithilfe Niklas Luhmanns Organisationstheorie (zur Erforschung von NPO aus systemtheoretischer Perspektive siehe T. Beyes/U. Jäger, 2005; N. Luhmann, 1984, 1992, 2000). Aufbauend auf Luhmanns Organisationstheorie verstehen wir Managerialismus als eine Menge von Erwartungen, die Organisationsstruktur ausmacht. Diese Erwartungsstruktur macht bestimmte Entscheidungen wahrscheinlicher als andere, und sie besteht ganz wesentlich in betriebswirtschaftlich geprägten Rationalitätskalkülen. Das Konzept zeigt auffällige Parallelen mit der „Weltkultur“ (J. W. Meyer, 2005), d. h. der in westlichen Idealen verwurzelten kulturellen Ordnung, die sich in alle Weltgegenden und Gesellschaftsbereiche verbreitet (siehe auch G. S. Drori, J. W. Meyer/H. Hwang, 2006). Managerialismus in Organisationen kann entlang von drei Sinndimensionen beschrieben werden: der Sachdimension, der Zeitdimension und der sozialen Dimension (N. Luhmann, 1984:109 ff.; 2002:238 ff.). In der Sachdimension betont Managerialismus die Zweckrationalität; in der Sozialdimension betont er individuelle und kollektive Eigenverantwortung, und in der Zeitdimension den Fortschritt.
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Tabelle 1
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Manifestationen von Managerialismus in den drei Dimensionen der Organisationsstruktur Zentrale Unterscheidung
Zentraler Wert
Sachlich: Welche Themen müssen entschieden werden ?
Organisation/ Umwelt
Zweckrationalität
Verwendung von Managementmethoden: Ziele und Strategien denieren (z. B. durch SWOTAnalyse, Szenarioplanung, Portfolioanalyse) Maßnahmen entwickeln (z. B. mithilfe von Benchmarking, Qualitätszirkeln) Maßnahmen implementieren (z. B. mithilfe von Change Management, Personalmanagement) Regelmäßige Evaluierung (z. B. Controlling, Kundenbefragungen, Mitarbeiterbefragungen) Laufende Verbesserung
Sozial: Wer entscheidet ?
Ego/ Alter
Eigenverantwortung
Organisation als eigenverantwortlicher Akteur Andere Organisationen als Mitbewerber oder Partner Managerialistische Rollen (z. B. ManagerInnen, KundInnen, eigenverantwortliche MitarbeiterInnen, BeraterInnen) Managementabteilungen (z. B. Controlling, Marketing) Managementqualikationen als Auswahlkritierien
Zeitlich: Wann muss entschieden werden ?
Vergangenheit/ Zukunft
Fortschritt
Management als zyklischer Prozess der laufenden Verbesserung Abwertung von Vergangenheit und Gegenwart Betonung auf zukünftige Ereignisse und Ergebnisse
Dimension
3.1
Manifestationen des Managerialismus
Die Sachdimension des Managerialismus
Die Sachdimension bezeichnet, was Thema für eine Organisation ist. In managerialisierten Organisationen wird das Managen selbst zum dominanten Thema (C. Grey, 1999). Als abstrakte Idee basiert Management auf Annahmen der Zweckrationalität, Kausalität, Vorhersagbarkeit und Beherrschbarkeit (B. Townley, 2002). Zweckrationalität (R. J. Jepperson, 2002:63) impliziert, dass die Organisation Ziele hat, nach denen sie strebt, dass diese Ziele einfach und systematisch sind (oder zumindest sein sollen), und dass sich die Ziele von Mitteln unterscheiden lassen. Zweckrationalität impliziert weiters, dass Mittel nach ihrer Effektivität und Efzienz ausgewählt werden sollen. Eine managerialistische Organisation deniert daher ihre Ziele, entwickelt und implementiert Maßnahmen zur Zielerreichung und evaluiert diese Schritte regelmäßig in Hinblick auf Efzienz und Effektivität. Die Evaluation liefert Feedback und stellt sicher, dass der Kreislauf der Selbstüberwachung und Steuerung geschlossen ist, wodurch potentiell unendliche Verbesserung möglich werden soll. Managerialismus wird sich in der Sachdimension in Methoden, Techniken und Zugängen manifestieren. Beispielsweise versprechen Instrumente des strategischen Managements wie SWOT-Analysen, Szenariotechniken, Portfolioanalysen und Balanced Scorecards rationale Wege um Ziele zu de nieren und Mittel zu bewerten. Mittel zur Zielerreichung können mithilfe von Kreativitätstechniken, Qualitätszirkeln, Benchmarkingstudien, usw. entwickelt
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werden. Change Management, Führungskonzepte und Personalmanagement liefern Techniken für die glatte Implementierung. Zu guter Letzt wird evaluiert 3.2
Die soziale Dimension des Managerialismus
Die soziale Dimension beruht auf der Unterscheidung von Ego und Alter (N. Luhmann, 2002:241). Weniger abstrakt ausgedrückt beschreibt die Sozialdimension, wie eine Organisation sich selbst und andere (insbesondere Personen und andere Organisationen) sieht, und wie sie Rollen und Positionen deniert und verbindet. Eine managerialistische Organisation konstruiert sich selbst als eigenverantwortlich. Sie trägt die Verantwortung, für ihre Eigeninteressen einzustehen. Für Passivität und Befehlsempfängertum, Hilosigkeit und Orientierungslosigkeit ist kein Platz mehr (J. W. Meyer/R. L. Jepperson, 2000:107). Diese Erwartungen stellt die Organisation auch an Personen, denen bestimmte Rollen zugewiesen werden, etwa KundInnen, ManagerInnen, BeraterInnen und eigenverantwortliche („empowerte“, befähigte) MitarbeiterInnen. Managerialistische Organisationen stellen Personal an, von dem erwartet werden kann, dass es willens und fähig ist, sich zweckrational und eigenverantwortlich für die Organisation einzusetzen. Professionelle Manager gewinnen an Einuss und werden zur dominanten Gruppe in der Organisation aufsteigen (J. D. Edwards, 1998). Diese gründen ihre Rolle in betriebswirtschaftlicher Ausbildung und/oder Arbeitserfahrung und beziehen ihre Autorität aus dem Streben der Organisation nach Efzienz und Effektivität. Hingegen basiert die Autorität von traditionellen Professionen auf ihrem Wissen über eine bestimmte Sachdomäne, etwa Medizin oder Sozialarbeit (W. W. Powell/H. Hwang, 2007). Weiters umfasst die Sozialdimension auch die Gliederung der Organisation in bestimmte Einheiten, etwa Abteilungen oder Bereiche. Managerialistische Organisationen richten Einheiten ein, die sich mit typischen Managementaktivitäten, etwa Controlling und Marketing, beschäftigen. 3.3
Die Zeitdimension des Managerialismus
Die Zeitdimension beschreibt, wie die Organisation den Unterschied zwischen Vergangenheit und Zukunft sieht. In einer managerialistischen Organisation wird Management als Prozess der laufenden Verbesserung gesehen (N. Ryan, 1999b). Die Ergebnisse von Evaluierungen sind der Ansatzpunkt für weitere Verbesserungen. Dies ist eng mit einer Sichtweise der Umwelt als Ort des intensiven Wettbewerbs verbunden: Selbst die führenden Organisationen eines Feldes müssen sich laufend verbessern, denn wenn sie stagnieren, werden andere sie überholen. Efzienz und Effektivität können immer noch ein Stückchen weiter getrieben werden (U. Bröckling, 2004). Zeit wird für managerialistische Organisationen idealerweise eine Geschichte des Fortschritts. Vergangenheit wird abgewertet und zukünftige Ereignisse und Ergebnisse werden betont (W. F. Enteman, 2007; B. Townley, 2002:563). Hier manifestiert sich Managerialismus auch in häugen Veränderungen – oft als Innovationen bezeichnet – von Produkten und Prozessen, über die stolz berichtet wird.
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Aus unserer theoretischen Perspektive besteht Managerialismus in der Art, wie eine NPO ihre Entscheidungen – als entworfene oder abgeschlossene Handlungen – erklärt (A. Schuetz, 1967). Partizipation und Mitbestimmung kann so als Wert an sich oder – managerialistisch – als Mittel zur Steigerung von Efzienz und Effektivität gesehen werden. Unsere Konzept des Managerialismus impliziert also, dass alle Formen des Organisierens, einschließlich Demokratie und Beteiligung von Ehrenamtlichen, mit Managerialismus grundsätzlich vereinbar sind, solange die Angemessenheit dieser Formen an Kriterien der Efzienz und Effektivität gemessen wird, und die Formen für ständige Verbesserungen offen gehalten werden. Vor diesem Hintergrund wird auch deutlich, dass Managerialismus von Kommerzialisierung und Vermarktlichung abzugrenzen ist. Im Prinzip kann eine Organisation jede Art von Ziel, ob Sachziel oder Formalziel (z. B. Rentabilität) auf managerialistische, d. h. zweckrationale, eigenverantwortliche, fortschrittsorientierte Art verfolgen. Eine kommerzialisierte NPO ist nach unserem Verständnis der Spezialfall einer managerialisierten NPO, die „mission drift“ in Richtung kommerzieller Ziele erfahren hat. Jedenfalls steht Managerialismus damit im Gegensatz zu klassischen Professionen, die Handlungslogiken in Organisationen extern vorgeben (J. Evetts, 2003); E. (E. Freidson, 2001), und erfüllt eine ganzer Reihe von deren Kriterien nicht (z. B. professionelle Institutionen und Ethiken, kollegiale Autorität, normierte Sozialisation). 4
Gesellschaftliche Funktionen von NPO
Was leisten NPO für die Gesellschaft ? Zu dieser Frage gibt es eine Vielzahl von Studien (z. B. J. Kendall, 2003; R. M. Kramer, 1981; K. C. Land, 2001; L. M. Salamon/S. W. Sokolowski, 2004). Wir versuchen hier im Anschluss an eigene empirische Arbeiten (Neumayr et al., 2007), drei grundlegende Funktionen von NPO zu unterscheiden: Dienstleistung, Interessenvertretung und Gemeinschaftsbildung (siehe Abbildung 1). Zwei dieser Funktionen beziehen sich auf besonders relevante Gesellschaftssysteme, nämlich Wirtschaft (Dienstleistung) und Politik (Interessenvertretung). Die dritte Funktion (Gemeinschaftsbildung) verbindet die NPO mit den Ebenen der Gruppe und Interaktion. Die Dienstleistungsfunktion beinhaltet die Bereitstellung von materiellen (z. B. Suppe, saubere Spritzen) und immateriellen (z. B. Beratungsgespräche, Sprachkurse für AusländerInnen) Leistungen und von Leistungen, die öffentlichen und kollektiven Nutzen schaffen (z. B. Wanderwege markieren). Interessenvertretung beinhaltet Aktivitäten, die Minderheiten und partikulären Interessen eine Stimme verleihen (H. K. Anheier, 2005:175) und die darauf abzielen, die Politik zu verändern und kollektive Güter sicherzustellen (J. C. Jenkins, 1987:197). Die Funktion der Gemeinschaftsbildung bezeichnet die integrative Rolle von NPO. Weitere Funktionen von NPO können daher unter dieser Funktion zusammengefasst werden. Hauptsächlich geht es bei Gemeinschaftsbildung um die Mobilisierung einer Gemeinschaft auf der Basis geograscher Nachbarschaft (F. Donoghue, 2003:8), bspw. durch Partizipation von Freiwilligen und die soziale Integration bestimmter Gruppen. Folgt man der Habermas’schen Zweiteilung, leisten NPO also systemintegrative und sozialintegrative Funktionen (J. Habermas, 1988).
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Managerialismus und die gesellschaftliche Funktionserfüllung von NPO – bisherige Befunde
Empirische Forschung über die Folgen von Managerialismus gibt es verstärkt seit dem Jahr 2000. Wir fassen dieses Forschungsfeld zusammen, indem wir vier Aspekte der Auswirkungen von Managerialismus in Betracht ziehen: Auswirkungen auf (1) die Efzienz der Funktionserfüllung, (2) Funktionsverschiebungen, (3) veränderte Aktivitäten zur Erfüllung bestimmter Funktionen und (4) Verschiebung der Stakeholderorientierung. Wir konzentrieren uns also auf Auswirkungen auf die Erfüllung gesellschaftlicher Funktionen und auf die Verschiebung der Bedeutung unterschiedlicher Anspruchsgruppen (vgl. Abbildung 1). Studien über andere Auswirkungen von Managerialismus, etwa auf Motivation, Commitment und Identität von MitarbeiterInnen oder auf die Legitimität und öffentliche Wahrnehmung von NPO bleiben daher unbeachtet – und sind auch noch weitgehend ausständig. Abbildung 1
4.2
Wirkungen der Managerialisierung auf Funktionen von NPO
Ef¿zienz der Funktionserfüllung
Eine Grundannahme des Managerialismus lautet ja, dass professionelles Management den NPO hilft, ihre Ressourcen efzienter einzusetzen. Dementsprechend ndet sich eine große Anzahl konzeptioneller (z. B. P. D. Harvey/J. D. Snyder, 1987; R. D. Herman/D. O. Renz, 1999; J. Scheff/P. Kotler, 1996) oder auf Einzelberichten beruhender Artikel (z. B. S. Houchin/H. Nicholson Johnston, 2002; R. S. Kaplan, 2001; L. L. Kloss, 1999; C. M. Mara, 2000), die managerialistische Konzepte empfehlen und über ihre efzienzsteigernde Wirkung berichten. Auch systematische qualitative Studien bringen Belege, dass managerialistische Methoden
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die Efzienz erhöhen (J. Alexander, 2000; D. L. Poole, M. Ferguson, D. DiNitto/A. J. Schwab, 2002). In den deskriptiven quantitativen Studien werden VertreterInnen von NPO über ihre Meinung zu den Auswirkungen von Managern oder managerialistischen Praktiken in NPO befragt und geben positive Antworten in Hinblick auf die Efzienzsteigerung (J. B. Austin, 1998; S. L. Durst/C. Newell, 2001). Hypothesenprüfende Studien testen diesen Zusammenhang statistisch und bringen, wenn man vom chronischen Problem der Operationalisierung von Efzienz in NPO absieht, positive Befunde (D. M. Butlet/R. D. Herman, 1999; P. Dautel Nobbie/J. L. Brudney, 2003; R. D. Herman/D. O. Renz, 1999; T. P. Holland/D. K. Jackson, 1998; D. Sherman, 2007). Diese Studien können als Untersuchungen über Managerialismus – ohne das Konzept zu operationalisieren – gelesen werden, wenn man Managementmethoden als Manifestationen von Managerialismus versteht. Eine andere Gruppe von Studien ist nur eingeschränkt zuversichtlich hinsichtlich der efzienzsteigernden Wirkung von Managerialismus. Hier wird argumentiert, dass managerialistische Techniken die Efzienz oft nicht steigern, dass dies jedoch unter bestimmten Bedingungen (etwa richtige Implementierung und situative Passung) möglich ist. Hier nden sich konzeptionelle (R. L. Fischer, 2004), auf Einzelberichten beruhende (M. Lindenberg, 2001), qualitative (R. Paton/J. Foot, 2000; R. Paton, J. Foot/G. Payne, 2000; J. Sobeck, E. Agius/V. N. Mayers, 2007), methodenmischende (D. Campbell, 2002) und deskriptiv quantitative (J. A. M. Zimmermann/B. W. Stevens, 2006) Studien. Und schließlich argumentiert eine Reihe von Studien, dass managerialistische Ansätze keinerlei Auswirkungen auf die Efzienz haben (so B. Cairns, M. Harris, R. Hutchison/M. Tricker, 2005, die mit einem Methodenmix die Auswirkungen von Qualitätsmanagementsystemen untersuchen) oder die Efzienz sogar verringern (so R. Dart, 2004a in einer qualitativen Studie über Dienstleistungserstellung; C. Moxham/R. Boaden, 2007 in einer qualitativen Studie über Leistungsmessung; S. Simon/A. Sada, 2001 in einem konzeptionellen Artikel über Gemeinschaftsbildung und Demokratisierung). 4.2.1 Funktionsverschiebung Eine zweite Auswirkung des Managerialismus betrifft die Veränderung des Ausmaßes, in dem eine NPO bestimmte Funktionen erfüllt („mission drift“, siehe z. B. P. DiMaggio, 1986). Die Dienstleistungsfunktion harmoniert am besten mit Managerialismus. Individuelle Dienstleistungen können leicht auf klar de nierte Kunden ausgerichtet werden, die Qualität der Dienstleistungen kann relativ einfach deniert und kontrolliert werden. Das ermöglicht die Anwendung managerialistischer Methoden, etwa aus dem Bereich des strategischen Management, Marketing oder Controlling. Im Gegensatz dazu ist es schwieriger – wenngleich nicht unmöglich – Interessenvertretung und Gemeinschaftsbildung – in ein Produktschema zu bringen und zu messen. Diese Funktionen richten sich großteils an eine breite und diffuse Gruppe von Nutznießern. In einer managerialisierten NPO laufen Gemeinschaftsbildung und Interessenvertretung daher Gefahr, an Bedeutung zu verlieren. Konzeptionelle Argumente zum Rückgang der Interessenvertretungs- und der Gemeinschaftsbildungsfunktion nden sich mancherorts (M. Darcy, 2002; A. M. Eickenberry/J. Kluver Drapal, 2004; N. Ryan, 1999a), ebenso nden wir Belege in qualitativen empirischen
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Studien (L. A. Brainard/P. D. Siplon, 2004; R. Dart, 2004a; M. J. Hittleman, 2007; R. Leonard, J. Onyx/H. Hayward-Brown, 2004; M. Lie/S. Baines, 2007; T. Skocpol, 2003). 4.2.2 Veränderung von Aktivitäten innerhalb gleich bleibender Funktionen Eine dritte Konsequenz von Managerialismus kann sein, dass eine NPO zwar weiterhin die gleiche Funktion erfüllt, dies jedoch mit veränderten Aktivitäten tut. Dobkin Hall (1990) argumentiert auf Grundlage einer Einzelfallstudie, Managerialismus führe zu einer verstärkt kurzfristigen Sichtweise und zu Kommerzialisierung. Eine weitere Konsequenz, die von einigen qualitativen Studien abgeleitet wurde, beschreibt die Konzentration der organisationalen Aktivitäten auf „Kernkompetenzen“ der NPO. Für dienstleistungserbringende NPO zeigt sich diese Konzentration in einer Fokussierung auf bestimmte Dienstleistungen und Klienten (R. Dart, 2004b; C. Sykes/L. Treleaven, 2005; L. Treleaven/C. Sykes, 2005). NPO in der Interessensvertretung wählen eng denierte Themenbereiche für die sie ihre Aktivitäten durchführen (M. Sebaldt, 2007; T. Skocpol, 2003). 4.2.3 Verschiebung der Stakeholderorientierung Schließlich wird in der Literatur argumentiert, dass Managerialismus zu Veränderungen in der Wahrnehmung unterschiedlicher Anspruchsgruppen in NPO führen könne. Eine Gruppe die – ex denitione – eine Bedeutungs- und Einusszunahme in managerialisierten NPO erfährt, sind professionelle Manager. Im Gegensatz dazu scheinen schwierige Klienten, aktive Mitglieder und Freiwillige an Bedeutung zu verlieren. Nicht managerialisierte NPO zeichnen sich im Umgang mit ihren Klienten eher durch wohltätigkeitsorientierte Werthaltungen und Aktivitäten wie Unterstützung, Sorge, Spenden und Helfen aus. Managerialisierte NPO hingegen trachten nach einem möglichst efzienten Ressourceneinsatz, wodurch Fokussierungsstrategien auf bestimmte Themen oder Klientengruppen Vorrang haben und die Verantwortung für andere Hilfsbedürftige abgewälzt wird (R. Dart, 2004b; C. Sykes/L. Treleaven, 2005; L. Treleaven/C. Sykes, 2005). Sebaldt (2007) und Skocpol (2003) illustrieren in ihren qualitativen Untersuchungen, dass eine breite und aktive Mitgliederbasis in managerialisierten NPO an Einuss verliert, während professionelle Manager an Entscheidungsautorität gewinnen. Eine Vielzahl an Studien belegt, dass in managerialisierten NPO die Stellung freiwilliger Arbeit abnimmt und Aufgaben an bezahlte Mitarbeiter übertragen wird (M. S. Kelley, H. Lune/S. Murphy, 2005; E. Parsons/A. Broadbridge, 2004; L. Treleaven/C. Sykes, 2005). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass bei managerialisierten NPO Tendenzen zur Spezialisierung auf „Kernkompetenzen“ (seien es bestimmte Kundengruppen oder bestimmte Themen) und zur „Professionalisierung“ im Sinne eines Bedeutungsgewinns von Managern und Hauptamtlichen sowie eines Bedeutungsverlust von Freiwilligen und aktiven Mitgliedern beobachtbar sind.
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Managerialismus-interne Unstimmigkeiten: Wie weniger Ef¿zienz zu mehr Innovation führen kann
Betriebswirtschaftliche Rationalität in Form von Efzienz und Effektivität ist die Leitmaxime in der Sachdimension des Managerialismus. In der Zeitdimension übernehmen Veränderung, Verbesserung und Innovation diese Rolle. Nun zeigen Befunde aus gewinnorientierten Unternehmen, dass (kurzfristige) Efzienz innovationshemmend wirken kann (F. Damanpour, 1991; S. W. Geiger/L. H. Cashen, 2002; D. M. Herold, N. Jayaraman/C. R. Narayanaswamy, 2006; H. Kim, H. Kim/P. Lee, M. , 2008; N. Nohria/R. Gulati, 1996; N. Nohria/R. Gulati, 1997). In einer eigenen Studie haben wir diese Zusammenhänge anhand des Konzepts Organizational Slack (L. J. Bourgeois, 1981; R. M. Cyert/J. G. March, 1963) für NPO untersucht. 6
Organizational Slack und Innovation
Organizational Slack sind diejenigen Ressourcen, die in einer Organisation über dem mindest notwendigen Niveau liegen, das zur Produktion einer bestimmten Dienstleistung oder eines bestimmten Produktes benötigt wird (S. W. Geiger/L. H. Cashen, 2002). Dabei wird zwischen drei verschiedenen Formen von Organizational Slack differenziert (L. J. Bourgeois/J. V. Singh, 1983; S. W. Geiger/L. H. Cashen, 2002; M. P. Sharfman, G. Wolf, R. B. Chase/D. A. Tansik, 1988). Available Slack bezeichnet diejenigen Ressourcen, die ohne großen Transformationsaufwand in andere Ressourcen umgewandelt werden können. So etwa liquide monetäre Ressourcen, die sehr einfach in technische Ausrüstung, Humanressourcen usw. transformiert werden können. Recoverable Slack umfasst solche Ressourcen, die bereits Bestandteil der Struktur, Routinen und Praktiken der Organisation sind, etwa als Gemeinkosten, Fuhrpark, etc. und lediglich mit etwas höherem Aufwand in andere Ressourcen transformiert werden können. Schließlich werden unter Potential Slack Ressourcen verstanden, die noch nicht in der Organisation vorhanden sind, aber relativ problemlos beschafft werden können. Unter dieser Kategorie werden beispielsweise nicht genutzte Kreditlinien, oder ein sehr einfacher Zugang zu zusätzlichen freiwilligen MitarbeiterInnen, sollten diese benötigt werden, subsumiert. Unter einem traditionell ökonomischen Gesichtspunkt bedeuten derartige Slack Ressourcen Inefzienz, denn sie werden keinem unmittelbaren Verwertungszweck zugeführt und stellen somit Verschwendung, daher Kosten, dar (H. Leibenstein, 1966). Kosten müssen minimiert, ergo Slack eliminiert werden, so die Empfehlung. Dem stehen allerdings gewichtige Argumente der theoretischen und empirischen Forschung entgegen die aufzeigen, dass Organizational Slack für eine Vielzahl an lebensnotwendigen Funktionen in Organisationen verantwortlich zeichnet. Seit den 1970er Jahren legen empirische Studien nahe, dass Organizational Slack als Puffer wirkt, der Organisationen zumindest kurzfristig von externen Schocks abschirmt und somit ihr Überleben sichern kann (A. D. Meyer, 1982). Slack Ressourcen tragen dazu bei, dass der organisationale Kern von lebensbedrohlichen Umweltzuständen entkoppelt ist und dadurch funktionstüchtig bleibt (J. R. Galbraith, 1974; J. D. Thompson, 2005). Darüber hinaus zeigt eine große Anzahl an Studien sowohl für Nonprot als auch für gewinnorientierte Unternehmen, dass Organizational Slack auf die Performance von Organisationen positiv wirkt (F. Daniel, F. Lohrke,
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T., C. Fornaciari, J./R. A. J. Turner, 2004; G. George, 2005; G. E. Love/N. Nohria, 2005; N. Nohria/R. Gulati, 1997). Ein Teilbereich der Slack-Forschung widmet sich speziell der Frage, wie Organizational Slack auf die Innovationstätigkeit von Organisationen wirkt. Dies ist gerade für Nonprot Organisationen von größter Bedeutung, denn NPOs sind besonders innovativ im Entwickeln neuer Lösungsansätze zur Bekämpfung sozialer Problemstellungen. Innovation gilt geradezu als Imperativ für NPOs, der sich einerseits aus ihrem Aufgabenspektrum ergibt und sich andererseits aus der Legitimation gegenüber der Politik und der Gesellschaft herleitet. Nicht zuletzt werden NPOs seitens der Politik in die Verantwortung genommen, Lösungen für Probleme zu konzipieren, die kein anderes gesellschaftliches Subsystem übernehmen kann oder will, entweder weil politisch nicht opportun oder weil nanziell wenig attraktiv. Trotz dieser eindeutigen Erwartungshaltung gegenüber dem dritten Sektor zaudert die Politik mit der Bereitstellung nanzieller Mittel. Somit stellt sich einmal mehr die Frage nach dem optimalen Slackanteil um als Organisation innovativ zu agieren. Innovation ist „(…) das Produkt eines kreativen Prozesses in den mehrere Akteure involviert sind und der in einer für die Organisation oder den Markt neuartigen Zweck-Mittel-Kombination resultiert“ (H. G. Gemünden/S. Salomo, 2004). 6.1
Hypothesen, Datenbasis, Methodik
Das der empirischen Untersuchung zugrunde liegende Modell soll überprüfen, ob und wenn ja wie sich der Einuss von Organizational Slack auf die Innovationstätigkeit von NPO auswirkt. Dabei sollen die beiden folgenden, aus der Literatur abgeleiteten Hypothesen, getestet werden: H1: Zwischen Organizational Slack und Innovation kann ein positiver Zusammenhang festgestellt werden (M. Aiken/J. Hage, 1971; P. Barrett/M. Sexton, 2006; H. Greve, R., 2003; A. RuizMoreno, V. García-Morales, J./F. J. Llorens-Montes, 2008). H2: Der Zusammenhang zwischen Organizational Slack und Innovation ist umgekehrt U-förmig (S. W. Geiger/L. H. Cashen, 2002; D. M. Herold et al., 2006; H. Kim et al., 2008; N. Nohria/R. Gulati, 1996; N. Nohria/R. Gulati, 1997).
Die hier präsentierten Resultate wurden auf Basis von Sekundärdaten gewonnen, die ursprünglich im Zuge des NODE Forschungsprojektes erhoben wurden (siehe: M. Neumayr/U. Schneider, 2008). NODE steht für New Orientations for Democracy in Europe. Die Datengrundlage der NODE Erhebung für Österreich setzt sich aus einer Stichprobe von 252 NPO zusammen. Diese Stichprobe besteht aus zwei Subsamples, wobei etwa 200 NPO anhand einer Zufallsauswahl durch die Statistik Austria generiert wurden und weitere 50 NPO aus dem österreichischen Vereinsregister gezogen wurden. Um eine hohe Antwortquote zu sichern, wurde die Befragung in einen telefonischen und einen schriftlichen Teil aufgesplittet und im Winter 2007/2008 von der Statistik Austria durchgeführt. Aufgrund der spezischen Ressourcensituation in NPO, mit dem besonderen Stellenwert von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als eine der wichtigsten Ressource (K. Akingbola,
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2006; W. Brown, A./C. Yoshioka, F. , 2003) beziehen sich die in der empirischen Untersuchung angewendeten Slack Variablen auf diese. Dementsprechend setzen sich die unabhängigen Variablen aus Slack-Variablen einerseits und Kontrollvariablen andererseits zusammen, die in Summe einen Erklärungsbeitrag für Innovation in NPO leisten sollen. Die Daten werden anhand einer OLS Regression modelliert. Ein wichtiges Detail bezieht sich dabei auf die Modellierung der Hypothese 2. Um in einem linearen Regressionsmodell auch umgekehrt U-förmige Verläufe testen zu können, muss neben dem linearen Term der jeweiligen Variable auch deren quadrierter Term in die Gleichung einbezogen werden. Ein umgekehrt U-förmiger Zusammenhang liegt dann vor, wenn der lineare Term positiv und signikant ist, und der quadrierte Term negativ und signikant (S. W. Geiger/L. H. Cashen, 2002; N. Nohria/R. Gulati, 1997; J. Tan, 2003a; J. Tan/M. W. Peng, 2003b). Organizational Slack wurde anhand von zwei Recoverable Slack Variablen gemessen. Zum einen wurde die Variable „Qualikation“ verwendet. Diese Variable misst den Slack in Bezug auf Ausbildungsniveau und gibt Information darüber, inwiefern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über dem Niveau qualiziert sind, das mindestens Notwendig ist, um die ihnen zugewiesene Tätigkeit auszuführen. Zum anderen wurde die Slack Variable „Bezahlung pro MitarbeiterIn“ berücksichtigt. Als Kontrollvariablen wurden aufgenommen: „Entscheidungsspielraum“, diese Variable gibt die internen Entscheidungsspielräume der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder. „Rechtsform“ kontrolliert als Dummy-Variable, ob ein Unterschied in der Erklärung für Innovation zwischen unterschiedlichen Rechtsformen besteht. Die Variable „Funktion der NPO“ berücksichtigt, ob die NPO eher die Funktion Dienstleistungserbringung, Sprachrohr, oder Gemeinschaftsbildung ausübt (zu den Funktionen von NPO siehe: M. Neumayr & U. Schneider, 2008). Schließlich wurde für die „Größe der NPO“ und die Konkurrenzsituation der NPO kontrolliert, indem die Konkurrenz von anderen NPO (Konkurrenz NPO), gewinnorientierten Unternehmen (Konkurrenz GU) und öffentlichen Unternehmen (Konkurrenz ÖU) erhoben wurde. Die zu erklärende Variable Innovation setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. Einerseits wurde die Anzahl der pro NPO in den letzten drei Jahren erfolgten Innovationen erhoben. Um einen besseren Einblick zu bekommen, wurde zusätzlich auch der Grad an Innovativität gemessen, also der Neuigkeitsgrad der Innovation berücksichtigt, und als Innovation bezeichnet. Um ein einheitliches Bild der Innovationen zu gewährleisten, wurden nur Produkt- bzw. Dienstleistungsinnovationen abgefragt, Prozessinnovationen aber nicht berücksichtigt.
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Empirische Ergebnisse
Tabelle 2
Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Ergebnisse der Regression.
Regressionsmodell Unabhängige Variable
Std. Fehler
Beta
t-Test
p-Wert
-1,428
0,156
(Konstanter Term)
9,072
Entscheidungsspielraum
1,629
-0,115
-1,523
0,13
Rechtsform (Stiftung) Dummy
12,66
0,213
2,701
0,008
Funktion der NPO (Sprachrohr)
1,95
0,101
1,336
0,184
Größe der NPO (Einnahmen log)
1,014
0,098
1,042
0,299
Konkurrenz (NPO)
1,887
0,124
1,262
0,209
Konkurrenz (gewinn. Unternehmen)
2,221
0,185
2,37
0,019
Konkurrenz (öffentliches Unternehmen)
2,125
-0,053
-0,512
0,61
Recoverable slack Bezahlung/MA
0
2,098
2,438
0,016
Recoverable slack Bezahlung/MA quadriert
0
-1,987
-2,324
0,022
Recoverable slack Quali¿kation
1,424
0,215
2,903
0,004
Adj. R2
0,242
Abhängige Variable: Innovation
Das Regressionsmodell (F-Test: 5,557; Signikanzniveau: 0,00) zeigt, dass die vermuteten Zusammenhänge sich auch empirisch bestätigen lassen. Die relevanten Slack Variablen zeigen, dass für die Variable „Qualikation“ ein linear monotoner Zusammenhang mit Innovation besteht, und dass für die Variable „Bezahlung pro MitarbeiterIn“ ein umgekehrt U-förmiger Zusammenhang abzulesen ist. Erklärt werden kann dieser Zusammenhang zwischen Organizational Slack und Innovation damit, dass durch die Slack Ressourcen, die letztendlich Reserven darstellen, eine Organisation das Risiko von Innovationsprojekten eingehen kann. Jedes Innovationsprojekt ist mit dem Risiko des Scheiterns verbunden, was auch den Verlust von investierten Ressourcen bedeutet. Ist eine Organisation bereits sehr lean, wird sie dieses Risiko wohl kaum auf sich nehmen können. Ist Organizational Slack allerdings in einem zu hohen Ausmaß vorhanden, sinken die organisationsinternen Sanktionsmechanismen auf ein derart geringes Niveau, dass die Ressourcen zu fahrlässige gemanagt werden und somit die Anzahl an erfolgreich abgeschlossenen Innovationsprojekten sinkt.
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Diskussion und Ausblick
Die Frage, ob Managerialismus für NPO förderlich ist, wird jedenfalls kontrovers diskutiert. Studien aus der Erfolgsfaktorenforschung untersuchen zwar nicht Managerialismus als Gesamtkonzept, bringen jedoch überzeugende empirische Belege für die efzienzsteigernde Wirkung von Managementmethoden. Eine Reihe eher qualitativ ausgerichteter empirischer Untersuchungen zeigen hingegen, dass der Erfolg dieser Managementmethoden nur unter bestimmten Bedingungen eintrifft und in bestimmten Fällen auch ausbleiben oder sich ins Gegenteil verkehren kann. Grundsätzlich zeigen die empirischen Ergebnisse aber an, dass Managerialismus die Efzienz tendenziell erhöht. Weniger optimistisch fällt die Bilanz in Hinblick auf Funktionsverschiebung und Veränderung der Aktivitäten aus. Es nden sich zahlreiche Belege aus qualitativen empirischen Studien, dass Managerialismus die Bedeutung der Freiwilligenarbeit schmälert und dadurch die Gemeinschaftsbildungsfunktion beeinträchtig. Dieselbe Tendenz zeigt sich bei den Aktivitäten innerhalb bestimmter Funktionen: Sowohl Dienstleistung als auch Interessenvertretung werden in managerialisierten NPO unter geringerer Beteiligung von Freiwilligen und aktiven Mitgliedern betrieben. Darüber hinaus ist bei NPO eine Tendenz zur Konzentration auf „Kernkompetenzen“ (etwa bestimmte Dienstleistungen, bestimmte Kundengruppen, bestimmte Lobbyingthemen) feststellbar. Die Bestrebung, sich um alles und jeden zu kümmern, gilt aus managerialistischer Perspektive als inefzienter Einsatz von Organisationsressourcen und daher geradezu als unmoralisch. Schließlich weisen unsere eigenen Untersuchungen auf zentrale Unstimmigkeiten innerhalb des Managerialismus hin: Inefzienz kann zu mehr Innovation führen, kurzfristige Efzienzkalküle können also nachhaltige organisationale Effektivität verhindern. Kaum eine der im Repertoire des Managerialismus angebotenen Methoden kann solche Konikte handhaben. Wenngleich sich aus der Zusammenschau der bisherigen Forschungsergebnisse einige Schlussfolgerungen ziehen lassen, so gibt es – was aufgrund der Neuheit des Themas wenig verwunderlich ist – noch konzeptionelle Schwächen. So arbeiten viele Studien mit relativ vagen und unspezizierten Konzepten von Managerialismus, wobei Begrifichkeiten wie Kommerzialisierung und New Public Management verschwimmen. Weiters analysieren Studien die Auswirkungen lediglich eines einzigen Managementinstruments und leiten daraus Aussagen über Managerialismus ab, wohingegen unser Ansatz von einem mehrdimensionalen Managerialismuskonzept ausgeht. Schließlich weisen vor allem qualitative Studien methodische Schwächen auf. Sowohl Längsschnittstudien, die NPO vor und nach der Managerialisierung analysieren, als auch Querschnittsstudien, die managerialisierte mit nicht managerialisierten NPO vergleichen, fehlen. Diese wären aber notwendig, um überzeugender die Auswirkungen von Managerialismus zu argumentieren. Bei den quantitativen Studien fällt auf, dass sie nur Auswirkungen auf die Efzienz der Funktionserfüllung untersuchen, während Funktionsverschiebungen und veränderte Aktivitäten unbeleuchtet bleiben. In gewisser Weise scheint es hier auch in der Nonprot-Forschung eine „managerialistische“ Blickverengung auf Efzienz zu geben. An quantitative Studien, die mit einem breiten Managerialismuskonzept eine weitere Palette von Auswirkungen in den Blick nehmen, besteht daher enormer Bedarf.
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Michael Meyer, Johannes Leitner
Die Forschung spiegelt jene eingangs erwähnte Schieage im Verständnis von Professionalisierung in NPO insofern wider, als sie der Managementprofessionalisierung keine anderen Konzepte gegenübergestellt. Dabei haben alternative Formen organisationaler Logiken gerade im dritten Sektor Tradition: Basisorientierte „grassroots“ Organisationen, Bürokratien, familiennahe Pionierorganisationen, organisationale Demokratien oder eben jene Proorganisationen, die wie Spitäler und Universitäten von klassischen Professionen getragen wurden, dominierten den dritten Sektor jahrzehntelang. Es ist nicht zwingend ihre Unterlegenheit in der Zielerreichung, die sie in die Defensive gebracht hat. Es mag auch bloß die suggestive Macht des gemanagten Organisation sein, die schrittweise die Legitimität aller Alternativen untergräbt. 8
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Professionalisierungsprozesse im Hochschulmanagement in Deutschland Albrecht Blümel, Katharina Kloke, Georg Krücken
1
Professionalisierung als Reformtopos
Professionalisierung scheint zu einem zentralen Topos im Kontext der Hochschulreformen avanciert zu sein. Schon bei oberächlicher Lektüre der etablierten Presse und Stellungnahmen in der Hochschulpolitik in Deutschland stößt der interessierte Leser auf den allgegenwärtigen Ruf nach Professionalisierung: „Professionalisierung des Fakultätsmanagements“ (H. Leichsenring 2007); „Professionelles Fundraising“ (A. Poth 2009: 14); „Professionalisierung als Leitungsaufgabe“ (HRK 2004); „Pro¿s ins Hochschulmanagement“ (S. Nickel/F. Ziegele 2006). Dabei rekurriert dieser bisweilen inationäre Rückgriff auf „Professionalisierung“ nur selten auf spezische Merkmale einer traditionellen Profession. Vielmehr fungiert Professionalisierung im hochschulpolitischen Kontext zumeist als anvisiertes Zielkonzept oder als postuliertes Image für ein diffuses Bündel umfassender Veränderungsprozesse im Hochschulsektor. Dieser zunehmende Rekurs auf Professionalismus ist jedoch keineswegs auf den Hochschulbereich beschränkt, sondern scheint ein offensichtlich omnipräsenter Reex auf den durch Managementreformen induzierten Wandel von Organisationen und Tätigkeitsfeldern vor allem im öffentlichen und Nonprot-Sektor zu sein (J. Evetts 2003: 415). Ähnlich wie andere Organisationsfelder des öffentlichen Sektors durchläuft das überwiegend staatlich nanzierte Hochschulwesen in Deutschland durch die Einführung von an „New Public Management“ orientierten Steuerungsmechanismen einen umfassenden Wandel der Governance-Strukturen (B. Kehm/U. Lanzendorf 2006b; S. Lange/U. Schimank 2007; H. de Boer/J. Enders/U. Schimank 2007). Durch den sukzessiven Rückzug des Staates aus der Detailsteuerung der Hochschulen hin zu einer mehr „supervisorischen“ Rolle ist die institutionelle Autonomie von Hochschulen im Hinblick auf Budgetierung sowie Personal- und Organisationsentwicklung erweitert worden (S. Lange/U. Schimank 2007: 524 ff.; F. Ziegele 2005). Zugleich sehen sich Hochschulen durch gestiegene Ansprüche von Seiten der Gesellschaft mit einer Vielzahl an neuen Anforderungen konfrontiert, aus denen neue Aufgabengebiete wie z. B. Auswahlprozesse, Marketing sowie Qualitätssicherung resultieren (D. Dill/B. Sporn 1995). Innerhalb der Hochschulen hat dies zu einem bisweilen tiefgreifenden Organisationswandel geführt, der u. a. durch die Stärkung des institutionellen Managements sowie die Einführung von betriebswirtschaftlichen Managementinstrumenten in die Hochschulorganisation charakterisiert ist (S. Lange/U. Schimank 2007: 539 ff.; A. Amaral et al. 2003). Während die Umsetzung von Managementreformen und die Auswirkungen neuer Governance-Strukturen im deutschen Hochschulsektor auf die Forschung in den letzten Jahren zu einem zentralen Gegenstand der vergleichenden Hochschulforschung gehören (D. Jansen
A. Langer · A. Schröer (Hrsg.), Professionalisierung im Nonprofit Management, DOI 10.1007/978-3-531-92664-3_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Albrecht Blümel, Katharina Kloke, Georg Krücken
2007; U. Schmoch/T. Schubert 2008), sind Veränderungsprozesse im Hochschulmanagement und der Hochschuladministration bislang nur selten Gegenstand der vergleichenden Hochschulforschung gewesen. Zudem verwenden einige Beiträge zu organisatorischen und personellen Veränderungen in diesen Bereichen Professionalisierung eher als Heuristik (S. Nickel/F. Ziegele 2006; M. Klumpp/U. Teichler 2005: 2). Diese Beobachtungen werfen mindestens zwei zentrale Fragen auf: Erstens, wie verändern sich die Organisation und Tätigkeitsfelder des Hochschulmanagements in Deutschland ? Und zweitens: Was bedeutet eigentlich Professionalisierung und inwiefern lassen sich diese Veränderungen als Professionalisierungsprozesse verstehen ? Aufbauend auf einer Charakterisierung der Organisation und aktueller Veränderungstendenzen des Hochschulmanagements in den Abschnitten 2 und 3 diskutieren wir im vierten Abschnitt traditionelle und neuere Konzeptionalisierungen von Professionalisierung und zeichnen Spezika von Professionalisierungsprozessen im Bereich des Hochschulmanagements auf. Hierbei entwickelt der vorliegende Beitrag vier Thesen: 1.
2.
3.
Vor dem Hintergrund tiefgreifender Veränderungen der Governance-Strukturen im Wissenschaftssystem sowie komplexerer Beziehungen zu ihren gesellschaftlichen Umwelten durchlaufen Hochschulen einen umfassenden Organisationswandel, bei dem sie sich zunehmend zu organisationalen Akteuren mit eigenen formalen Strukturen sowie einer stärker rationalisierten Hierarchie entwickeln (G. Krücken/F. Meier 2006; H. de Boer/J. Enders/L. Lesyte 2007; F. Ramirez 2006). Die Organisationswerdung von Hochschulen hat dabei umfassende Implikationen sowohl für die durch die akademische Selbststeuerung dominierten universitären Entscheidungsstrukturen im Hochschulmanagement als auch für die Hochschuladministration. Zum einen kommt es zur Institutionalisierung eines stärker hierarchisch geprägten Hochschulmanagements sowie zum Ausbau administrativer Formalstrukturen durch die stärkere Differenzierung von hochschulischen Aufgabengebieten. Zum anderen führt die intensivierte Ausrichtung der Hochschulorganisation am „ManagementModell“ (D. Braun/F.-X. Merrien 1999a), wie sie gegenwärtig in Deutschland und im Hochschulwesen der meisten OECD-Länder beobachtbar ist (A. Amaral et al. 2003), auch zu Veränderungen in der Zusammensetzung, Rekrutierung und Fortbildung der Mitarbeiter im Hochschulmanagement sowie zur Etablierung von neuen spezialisierten Expertengruppen. Ein deutlicher Zuwachs des nicht-wissenschaftlichen Personals, wie er in Studien zu anderen Hochschulsystemen konstatiert wurde, lässt sich in Deutschland bislang allerdings nicht feststellen. Die Etablierung neuer Expertengruppen und die vor allem in den letzten Jahren intensivierte Institutionalisierung von Fortbildungsprogrammen und Netzwerken im Bereich des Hochschul- und Wissenschaftsmanagements lässt sich jedoch kaum als Professionalisierung im Sinne der durch die klassische Professionsforschung entwickelten Merkmale fassen. Neben der eng auf den jeweiligen Anwendungs- und Organisationsbereich begrenzten Entscheidungsautonomie fehlt sowohl den etablierten Tätigkeitsfeldern des Hochschulmanagements als auch den sich herauskristallisierenden „neuen Hochschulprofessionen“ (M. Klumpp/U. Teichler 2005) eine gemeinsame, festgelegte Wissensbasis. In Anlehnung an die Unterscheidung zwischen „beruÀichem und organisationalem
Professionalisierungsprozesse im Hochschulmanagement in Deutschland
4.
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Professionalismus“ von Julia Evetts (2008), schlagen wir daher vor, diese Entwicklungen als organisationale Professionalisierung zu verstehen. Bei diesen organisationalen Professionalisierungsprozessen spielen Entscheidungen auf der Ebene der Hochschulorganisation sowie hochschulpolitische Akteure im Hinblick auf die Ausdifferenzierung der Handlungsfelder sowie die Institutionalisierung des Wissensaustausches im Hochschulmanagement eine aktive Rolle. So sind es bisweilen die Hochschulen und ihre Leitungen, welche die Etablierung neuer Berufspositionen, Netzwerke sowie Fortbildungsprogramme im Hochschulmanagement mit initiieren und auszubauen helfen. Zudem lassen sich insbesondere bei neu rekrutierten Mitarbeitern der „neuen Hochschulprofessionen“ (M. Klumpp/U. Teichler 2005: 2) im Hochschulmanagement eine eng an das Organisationsfeld der Wissenschaftseinrichtungen gebundene beruiche Sozialisation sowie eine starke Identi kation mit den Zielen der jeweiligen Hochschule feststellen.
Am Schluss des Beitrages diskutieren wir mögliche Implikationen von Professionalisierungsprozessen im Hochschulmanagement im Hinblick auf Strukturangleichungsprozesse und das Verhältnis von Wissenschaft und Verwaltung. Bei unseren Ausführungen stützen wir uns u. a. auf Ergebnisse aus einem seit April 2007 laufenden Forschungsprojekt am Deutschen Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung (FÖV) in Speyer. Neben Analysen von Personalstatistiken von 1994 bis 2004 auf der Basis der HIS-ICE Datenbank und einer inhaltsanalytischen Auswertung von Stellenausschreibungen der Wochenzeitung „Die Zeit“ von 1997 bis 2007 wurden auch 30 Interviews sowie eine deutschlandweite Befragungen von Kanzlern und leitenden Mitarbeiten in verschiedenen Bereichen des Hochschulmanagements durchgeführt (G. Krücken/A. Blümel/K. Kloke 2009). 2
Hochschulorganisation im Wandel
2.1
Hochschulmanagement in Deutschland
Hochschulen sind in Deutschland überwiegend in staatlicher Trägerschaft. Insbesondere staatlich nanzierte Hochschulen haben im Hinblick auf ihre Organisation einen ambivalenten Status: In Anlehnung an die Festlegungen zur Rechtsnatur und der organisatorischen Struktur im ehemaligen Hochschulrahmengesetz (HRG) bekleiden Hochschulen den Status rechtsfähiger Körperschaften des öffentlichen Rechts, sind jedoch zugleich auch staatliche Einrichtungen.1 Diese seit den Anfängen der humboldtschen Universitätsorganisation bestehende „Janusköp¿gkeit“ der Rechtsnatur (J. Heß/D. Leuze 2005) hat sich vor allem in der dualen Binnenstruktur von staatlicher und akademischer Verwaltung niedergeschlagen. So entwickelte sich in Deutschland ein im OECD-Raum außergewöhnlicher und durch Spannung geprägter Aufgabendualismus für die Organisation staatlicher Hochschulen. Hierbei wird 1
Mit den jüngsten Reformen der Landeshochschulgesetze (LHGs) z. B. in Niedersachsen und Hessen besteht mittlerweile auch die Option auf den Status einer Stiftungshochschule (B. Sandberg 2005; K. Palandt 2003).
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formell zwischen akademischen Angelegenheiten der Kernbereiche Forschung und Lehre auf der einen Seite, sowie den staatlichen Verwaltungsaufgaben in Form der Administration von Ressourcen und der Bereitstellung von hochschulischen Dienstleistungen auf der anderen Seite unterschieden. In Anlehnung an diesen Status war die Binnenorganisation der deutschen Hochschulverwaltungen als Teil der Kulturverwaltung durch einen behördlichen Aufbau und die Ausrichtung an legalistischer Verwaltungsführung geprägt. Im Hinblick auf die Organisation hatte sich hierbei eine oft sehr ähnliche Unterteilung der Zentralverwaltung in durch Dezernenten oder Abteilungsleiter geleitete Dezernate, z. B. für Rechtsfragen, Finanzen sowie Studierendenverwaltung, entwickelt. Dies implizierte eine nach innen orientierte Ausrichtung der Hochschuladministration, deren Hauptaufgabe in der Aufrechterhaltung und Bereitstellung der wichtigen Infrastruktur in enger Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden bestand. Die Mitarbeiter in den Hochschulverwaltungen in Deutschland gehören zum nichtwissenschaftlichen Personal und sind zumeist entweder als Landesbeamte beschäftigt oder benden sich in einem Angestelltenverhältnis. Ähnlich wie in anderen Ländern sind Mitarbeiter an deutschen Hochschulverwaltungen eine weitestgehend „unsichtbare“ (V. Rosser 2004: 317) Berufsgruppe des Hochschulpersonals. Sie sind insofern unsichtbar, als dass die Einteilung des nichtakademischen Hochschulpersonals in höherer, gehobener, mittlerer und einfacher Dienst sowie die grobe Kennzeichnung von Funktionsbereichen (Verwaltungsmitarbeiter, technisches Personal sowie sonstige nichtakademische Mitarbeiter) kaum eine auf formale Qualikationen abstellende Differenzierung des Verwaltungspersonals ermöglicht (A. Hanft 2004: 120). In Anlehnung an die Vorgaben im öffentlichen Dienstrecht ist die Rekrutierung, Beförderung, Bezahlung sowie Fort- und Weiterbildung von Mitarbeitern der Hochschulverwaltungen nach wie vor sehr stark durch detaillierte Regelungen festgelegt. Legt man ein „institutionales Managementverständnis“ zu Grunde (E. Hofmann 2002), in dem alle Personen erfasst werden, die Managementaufgaben im Sinne der Leitung sozio-technischer Systeme in personen- und sachbezogener Hinsicht (W. H. Staehle 1991) an Hochschulen wahrnehmen, so kann man im Hochschulmanagement grob zwei Bereiche unterscheiden: a) b)
die Hochschulleitung, die aus den zumeist gewählten Mitgliedern des Präsidiums/Rektorats sowie dem Kanzler und den Dekanen besteht, das administrative Hochschulmanagement, zu dem neben dem Kanzler als Vorgesetztem vor allem die mittlere Leitung der Routineverwaltung in persona der Dezernenten, Referats- und Abteilungsleiter gehört.
In früheren Governance-Konstellationen im deutschen Hochschulsystem, welches Burton Clark als bürokratisch-oligarchisches Modell bezeichnete (B. Clark 1983: 139), waren die Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume des Hochschulmanagements von zwei Seiten substanziell eingeschränkt. Zum einen implizierten die detaillierten Vorgaben der zuständigen Ministerien für die Hochschulentwicklung umfangreiche externe Eingriffe in die Hochschulverwaltung. Zum anderen oblagen interne Entscheidungsprozesse der hochschulischen Selbstorganisation weitgehend der Selbstregulierung der Professoren. Wichtige Richtungsentscheidungen für die Hochschulentwicklung und Verteilungskonikte über Ressourcen sind aufgrund dieser Konstellation oft nicht innerhalb der Hochschule, sondern zumeist
Professionalisierungsprozesse im Hochschulmanagement in Deutschland
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außerhalb auf der Ebene des Ministeriums getroffen worden (U. Schimank/B. Kehm/J. Enders 1999: 191). Ein kontinuierliches Element der Hochschulleitungen im deutschen Hochschulsystem war der Leitungsdualismus zwischen dem Rektor/Präsidenten als durch die akademische Selbstverwaltung gewählten Repräsentanten der Hochschule auf der einen Seite und dem im Einvernehmen mit dem Staat eingesetzten Kanzler als Leiter der Verwaltung der Hochschule auf der anderen Seite (C. Beckmeier/A. Neusel 1994: 11). Während der Präsident oder Rektor zwar als erster Repräsentant, aber nicht als Vorgesetzter innerhalb der Hochschule fungierte, oblag die Dienstherrschaft für das wissenschaftliche Personal dem Ministerium. Der Kanzler fungierte als Leiter der Hochschulverwaltung und Vorgesetzter des nicht-akademischen Personals (J. Heß 2000). In der Organisationsforschung sind Hochschulen aufgrund der zentralen und starken Rolle der „wissenschaftlichen Experten“ als „professionelle Bürokratie“ (H. Mintzberg 1979) oder lose gekoppelte Systeme (K. Weick 1976) charakterisiert worden. Entsprechend ihrer Rolle als wissenschaftliche Experten standen Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter samt ihrer dezentralen Teileinheiten in einem losen, weitgehend nicht weisungsgebundenen Verhältnis zur Gesamtorganisation Hochschule und ihrer Leitung. Somit waren die Organisationsstrukturen an Hochschulen geprägt durch das Nebeneinander von formalen und informellen Abstimmungsprozessen sowie durch einen spezischen Modus von Entscheidungsprozessen, den Michael Cohen, James March und Johan P. Olsen (1972) als „garbage can model“ bezeichnet haben. Daher betonen weite Teile der klassischen entscheidungs- und organisationssoziologischen Forschung, dass Hochschulen vor allem als professionelle Organisationen mit bisweilen „anarchischen“ Entscheidungsprozeduren bzw. als Organisationen ohne Zentrum und Spitze zu konzeptionalisieren seien. Damit unterschieden sich Universitäten deutlich von anderen, vertikal stärker integrierten und hierarchisch strukturierten Organisationen wie sie von Alfred Chandler (1977) im Hinblick auf Großunternehmen oder Max Weber (1972) am Beispiel der preußischen Staatsbürokratie konzeptionalisiert worden waren. 2.2
Governance-Wandel und Hochschulen als organisationale Akteure
Spätestens seit Mitte der 1990er Jahre ndet im deutschen Hochschulsystem ein weit reichender Reformprozess statt, der in umfassender Art und Weise Auswirkungen auf die Steuerung von Hochschulen und damit auch auf die Organisation des Hochschulmanagements hat (H. de Boer/J. Enders/U. Schimank 2007; B. Kehm/U. Lanzendorf 2006a). So hat die Politik mit der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) 1998 und den daran anknüpfenden Reformen der Landeshochschulgesetze (LHGs) eine sukzessive Deregulierung des durch staatliche Bestimmungen bislang stark regulierten Hochschulwesens in Gang gesetzt (B. Kehm/U. Lanzendorf 2006b: 149). Die darauf aufbauende Einführung von Kontraktsteuerung durch Zielvereinbarungen und Hochschulverträge sowie die Etablierung wettbewerbsorientierter Steuerungsinstrumente auf der Basis vergleichender Evaluationen sind Ausdruck eines insgesamt veränderten Governance-Regimes im Hochschulwesen (S. Lange/U. Schimank 2007: 524–525), welches auf Outputorientierung und Dezentrali-
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sierung von Aufgabenverantwortlichkeit abzielt (F. Ziegele 2005). Parallel dazu kommt es durch die Stärkung der hierarchischen Selbststeuerung der Hochschulen und der Einführung betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente zum Einussverlust der akademischen Selbstorganisation, der bisweilen auch als eine „drohende Entprofessionalisierung der akademischen Profession“ aufgefasst wird (U. Schimank 2005). Die an deutschen Hochschulen angestoßenen Organisationsreformen folgen einem generellen Wandel der Governance-Strukturen im Politik- und Organisationsfeld der Hochschulen nach den Prinzipien des „New Public Management“, wie er in den letzten zwanzig Jahren in vielen OECD-Ländern beobachtbar ist (S. Lange/U. Schimank 2007; C. Paradeise et al. 2009). Zugleich resultieren Modernisierungsprozesse in der Hochschulorganisation auch aus den weltweit komplexer gewordenen Umweltbedingungen der Hochschulen, insbesondere durch erweiterte gesellschaftliche Inklusionsansprüche, eine steigende Studierendenquote und ein damit korrespondierendes deutliches Größenwachstum des Hochschulsektors (E. Schofer/J. Meyer 2005; D. Frank/J. Meyer 2007; R. Reisz/M. Stock 2007; U. Teichler 2005: 82). Aus Sicht der Organisationsforschung laufen diese Veränderungen im Hochschulwesen auf eine tiefgreifende Transformation der Organisation Hochschule hinaus: Ähnlich wie andere Organisationen des öffentlichen Sektors (N. Brunsson/K. Sahlin-Andersson 2000) entwickeln sich auch Hochschulen zunehmend zu organisationalen Akteuren mit eigenen formalen Strukturen und Zielen sowie rationalisierten Entscheidungsstrukturen (G. Krücken/F. Meier 2006; F. Ramirez 2006; H. de Boer/J. Enders/L. Leisyte 2007). Diese Konstituierung von Hochschulen als handlungsfähige Akteure ist kein trivialer Prozess, da die Hochschulorganisation, wie oben angeführt, bislang kaum als steuernder Akteur weder gegenüber ihren professoralen Mitgliedern, noch gegenüber den Fachkollegien oder dem Staat wirksam geworden ist (B. Clark 1983: 140). Am Beispiel von Deutschland zeigt Frank Meier in einer aufwändigen Rekonstruktion hochschulpolitischer Diskurse seit den 1980er Jahren, wie sich die Universität sukzessive als entscheidungsfähige Organisation konstituiert (F. Meier 2009). Dabei betonen insbesondere Ansätze der neo-institutionalistischen Organisationsforschung, dass Organisationswandel und veränderte Governance-Mechanismen eben nicht nur als funktionale Adaptionsprozesse der Hochschulen (P. Gumport/B. Sporn 1999; Sporn 1999) an veränderte Gesetzgebung, Umweltbedingungen und normative Setzungen der Hochschulsteuerung zu verstehen sind (D. Frank/J. Meyer 2007; J. Meyer et al. 1987). Ungeachtet nationaler Spezi ka der Hochschulreformen scheint die Inkorporation neuer Funktionalbereiche, die Standardisierung von Curricula und Studiengängen und die Konstituierung von Universitäten als handlungsfähige Akteure ein globaler Entwicklungsprozess zu sein (J. Meyer et al. 1987; F. Ramirez 2006). Globale Diffusionsprozesse, z. B. im Kontext internationaler Organisationen (K. Martens et al. 2004; R. M. Basett/A. Maldonado 2009) und transnationaler Netzwerke im Hochschulbereich, in deren Verlauf Organisationsmodelle und administrative Praktiken zu einem neuen globalen Script für die „moderne Hochschule“ verdichtet werden, spielen hierbei eine wichtige Rolle (G. Krücken/F. Meier 2006: 252). Über die formale Erweiterung der Hochschulautonomie hinaus wurden insbesondere vier Entwicklungstendenzen identiziert, die als Elemente für einen sich herausbildenden Akteursstatus von Hochschulen gelten können (G. Krücken/F. Meier 2006: 247 ff.): Erstens wird die Universität zunehmend als Gesamtorganisation von ihrer gesellschaftlichen Umwelt, zum Beispiel durch die Einführung von Zielvereinbarungen, hochschulischen Rankings
Professionalisierungsprozesse im Hochschulmanagement in Deutschland
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oder Evaluationen, adressiert. Diese zielen nicht nur auf das Bewerten einzelner Disziplinen oder Professoren, sondern sie fungieren als Beschreibung der Gesamtorganisation. Zweitens kommt es zur Etablierung eigenständiger und zumeist hierarchischer Entscheidungsprozesse, etwa durch die Erweiterung von Amtszeiten und Entscheidungsbefugnissen von Hochschulleitungsmitgliedern. Drittens organisieren sich die Hochschulen selbst zunehmend als operativ handlungsfähige Akteure durch die Einführung von Strategiekonzepten und Hochschulleitbildern. Viertens scheint es zu deutlichen Veränderungen der Rolle und Tätigkeiten von Mitarbeitern im Hochschulmanagement zu kommen. Doch welche Implikationen haben diese Entwicklungen für das Hochschulmanagement in Deutschland ? 3
Organisationaler und personeller Wandel im Hochschulmanagement
3.1
Stärkung und Ausbau von Hochschulleitungsstrukturen
Ein zentraler Aspekt der Organisationsreformen im Kontext der Einführung von Managementstrukturen an deutschen Hochschulen ist die Reorganisation und Stärkung der Leitungsstrukturen. Hierzu gehört die in den meisten seit 1998 reformierten Landeshochschulgesetzen und Hochschulordnungen festgelegte Erweiterung der Kompetenzen und Amtszeiten von Mitgliedern der Hochschulleitungen. Ungeachtet der sehr unterschiedlichen Vorgaben für die Leitungsstrukturen der Hochschulen zielen diese Reorganisationsprozesse zum einen auf eine stärkere Hierarchisierung und zielorientierte Steuerung von Entscheidungsprozessen und zum anderen auf eine intensivierte Mitgestaltung gesellschaftlicher Umweltakteure – z. B. durch die Einführung von Hochschulräten – ab (F. Nullmeier 2001). Die Organisation Hochschule wird dementsprechend stärker als korporativer Akteur entwickelt, von dem die Entwicklung eines „kohärenten Zielsystems“ für die Hochschule erwartet wird. Der Staat behält zwar die Entscheidungsmacht über die universitären Rahmenziele, jedoch wird der Hochschulleitung eine weitgehende Gestaltungshoheit für deren Umsetzung eingeräumt. Es handelt sich bei den Reformen der Leitungs- und Entscheidungsprozesse an den deutschen Hochschulen nicht um punktuelle Anstrengungen zur Verbesserung der Organisationsstrukturen, wie es sie seit den sechziger Jahren immer wieder gegeben hat. Vielmehr zielt dieser in Gang gesetzte Wandel an Hochschulen auf eine grundsätzliche Abkehr vom traditionellen Selbstverwaltungsmodell, das sukzessive durch ein an Managementprinzipien orientiertes Regulierungs- und Organisationsmodell abgelöst werden soll (D. Braun/F.-X. Merrien 1999a). Ein hierbei hochschulübergreifend eingeführtes Element im Zuge der Novellierungen der Landeshochschulgesetze und der Reform der Leitungsstrukturen ist die Einführung von Hochschulräten als ein neues institutionelles Muster der Außensteuerung von Hochschulen (J. Bogumil et al. 2007; A. Laqua 2004; R. Mayntz 2002). Ungeachtet deutlicher Differenzen im Hinblick auf die Struktur und Zusammensetzung von Hochschulräten sind dies mehrheitlich durch interne und externe Mitglieder dual besetze Gremien (J. Bogumil et al. 2007: 23 ff.). Vertreter aus der Wissenschaft und Wirtschaft dominieren dabei mit je einem Drittel die externen Mitglieder in Hochschulräten an deutschen Hochschulen (J. Bogumil et al. 2007: 26).
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Darüber hinaus ist auch die Rekrutierung der Hochschulleitungsmitglieder sowie das Kompetenzgefüge zwischen Präsidium bzw. Rektorat, dem Kanzler und den dezentralen Einheiten der Fachbereiche unlängst an vielen Hochschulen in Bewegung geraten. Zwei Dimensionen der Stärkung und Reorganisation lassen sich grob unterscheiden: Zum einen die Verlängerung der bislang oftmals auf 2–4 Jahre festgelegten Amtszeiten von Mitgliedern der Hochschulleitung auf 6–8 Jahre sowie die Veränderung der kollegialen Struktur der Hochschulleitungen im Sinne der Erweiterung durch weitere hauptamtliche Vizepräsidenten/-rektoren. Zumeist wird die Hauptamtlichkeit der Positionen in der Hochschulleitung und die Differenzierung bzw. klare Aufteilung von Ressortverantwortlichkeiten zwischen Präsidenten/Rektoren und Vizepräsidenten/-rektoren als ein zentraler Ansatzpunkt der Stärkung von Hochschulleitungen angesehen (S. Nickel/F. Ziegele 2006: 2). Auch die Position und Rolle des Kanzlers als Hauptverantwortlichem für die Hochschulverwaltung bendet sich durch die Befristung des Amtes sowie die Veränderung von Zuständigkeiten in einem Veränderungsprozess (G. Krücken/A. Blümel/K. Kloke 2009: 21 ff.). Hinzu kommt eine zweite, „weichere“ Form der Stärkung und Reorganisation von Leitungsstrukturen. Hierunter fallen alle Formen der gezielten Auswahl, Qualizierung und Personalentwicklung der Mitglieder in der zentralen und dezentralen Hochschulleitung. Neben der Möglichkeit der gesonderten leistungs- bzw. erfolgsbezogenen Bezahlung können dazu auch veränderte Rekrutierungsprozesse für Hochschulleitungspositionen, unter anderem auch von hochschulexternen Führungspersönlichkeiten, gehören (F. Nullmeier 2001: 364; S. Nickel/F. Ziegele 2006: 3 ff.). Bislang scheint jedoch die Rekrutierung externer Präsidenten und Rektoren in der deutschen Hochschullandschaft eher die Ausnahme zu sein. In einer Studie zu den Prolen von Hochschulleitungen in Deutschland aus dem Jahre 2005 zeigt Heinke Röbken, dass nur 16,5 % der Hochschulpräsidenten und Rektoren extern rekrutiert wurden (H. Röbken 2006: 11). Die Entwicklung einer eigenen Berufsgruppe von leitenden Hochschulmanagern und Hochschulpräsidenten – möglicherweise auch abgekoppelt von der akademischen Forschung – ist insofern nicht absehbar. Dass eine solche Entwicklung auch nicht unbedingt wünschenswert wäre, lässt sich mit Blick auf die Situation an führenden Universitäten im Ausland vermuten. Amanda Goodall argumentiert in einer Studie zum Zusammenhang zwischen Forschungsreputation von Leitungsmitgliedern und dem Shanghai Jiao-Tong-Ranking der jeweiligen Hochschule, dass besonders exzellente Hochschulen weltweit zumeist auch von sehr gut ausgewiesenen Forschern geleitet werden (A. Goodall 2009). 3.2
Ausbau von Formalstrukturen
Darüber hinaus haben die Modernisierungsprozesse im Hochschulsektor sowie die Einführung von Managementstrukturen an deutschen Hochschulen auch zu deutlichen Reorganisationsentwicklungen in den Hochschulverwaltungen geführt. Neben dem mitunter durch Kürzungen von Personalstellen und Outsourcing verursachten Wegfall von Organisationsbereichen lässt sich auch der Aufbau zahlreicher neuer Organisationseinheiten und die Reorganisation der bislang stark nach innen orientierten Dezernatsstruktur der Hochschulverwaltungen konstatieren. Dabei lassen sich gegenwärtig deutliche Tendenzen der Reorganisation von Aufgaben und Entscheidungsprozessen am Schnittpunkt zwischen
Professionalisierungsprozesse im Hochschulmanagement in Deutschland
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Hochschulverwaltung und Forschung/Lehre beobachten. Durch die Einrichtung von neuen Stabsstellen und Projektbereichen an vielen Hochschulen kommt es zu einer stärkeren Ausdifferenzierung innerhalb der Hochschuladministration, beispielsweise durch den Aufbau von Abteilungen für Qualitätsmanagement, Forschungsmanagement (U. Teichler et al. 2006: 2 ff.; M. Klumpp/U. Teichler 2005) oder die Einrichtung neuer Career Service-Stellen (S. Joerns 2002; J. von Luckwald 2008; 2009). Insofern inkorporiert die herkömmliche Hochschulverwaltung neue Planungs- und Managementfunktionen, was durch die Schaffung neuer Stellen auch den Aufbau eines „mittleren“ administrativen Managements in der Hochschule impliziert (B. Kehm 2006). In einer deutschlandweiten Befragung am Deutschen Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung in Speyer wurden im Jahr 2008 Hochschulkanzler/-innen befragt, in welchen Bereichen der Hochschulverwaltung in den letzten 10 bzw. 5 Jahren neue Organisationseinheiten und Stellen eingerichtet oder substanziell reorganisiert wurden (G. Krücken/A. Blümel/K. Kloke 2009: 18–19). Abbildung 1
Neu geschaffene Stellen und organisatorische Einheiten der letzten 5 bzw. 10 Jahre. Quelle: Befragung sämtlicher deutscher Hochschulkanzler, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung, 2008
(Quelle: G. Krücken/A. Blümel/K. Kloke 2009)
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Das Ergebnis zeigt, dass die Etablierung spezialisierter Einheiten und Stellen insbesondere in den Bereichen besonders hoch ist, die entweder eine hohe Relevanz für die Legitimation und Kommunikation der Hochschulentwicklung gegenüber externen Stakeholdern haben oder die zentral für die interne Steuerung durch die Hochschulleitungen sind. So geben mehr als 70 % der Kanzler an, dass in den Bereichen Hochschulkommunikation und Marketing, Qualitätsentwicklung, strategische Planung sowie Präsidial- und Fakultätsentwicklung in den letzten 5 Jahren sowohl neue Stellen geschaffen als auch neue Organisationseinheiten eingerichtet wurden (vgl. Abb. 1). Den stärksten organisationalen Zuwachs hat der Bereich der Studierendenverwaltung erfahren, was vermutlich mit der Umstellung auf Bachelor- und Master-Studiengänge, der Einführung von Gebühren und Studierendenbeiträgen sowie der Entwicklung neuer Beratungsangebote zusammenhängt. Insofern scheint die Reorganisation der Verwaltung vor allem auch durch Prozesse der Organisationsentwicklung geprägt zu sein, die die verstärkte Öffnung der Hochschule nach außen implizieren. 3.3
Personal der Hochschuladministration
Im Kontext dieser Öffnung und Reorganisation der Binnenorganisation der Hochschulverwaltungen vollzieht sich auch das Hinzukommen von neuen Expertengruppen, die Barbara Kehm, Matthias Klumpp und Ulrich Teichler als „neue Hochschulprofessionen“ bezeichnen (B. Kehm 2006; M. Klumpp/U. Teichler 2005). Damit etabliert sich ein neuer hybrider Bereich des Hochschulmanagements neben der Hochschulleitung und der leitenden Routineverwaltung, deren Aufgaben „weder in Bereichen der klassischen Standardaufgaben von Verwaltung und Dienstleistung (Finanzverwaltung, Bibliothek o. ä.) noch direkt in Forschung und Lehre zu verorten sind, sondern verschiedene Aufgaben der Vorbereitung und Durchführung von Entscheidungen, der laufenden Gestaltung und der Dienstleistungen (…) erfüllen“ (U. Teichler 2008: 79). Diese agieren und vermitteln beispielsweise als Referenten für Forschungsförderung, Präsidial- und Fakultätsmanagement oder aber Koordinatoren für Alumni-Beziehungen und Fundraising zwischen der zentralen Verwaltung, Hochschulleitung und wissenschaftlichen Einheiten als bislang klar voneinander abgetrennten Bereichen der etablierten Organisationsstruktur an Hochschulen (W. Adamczak et al. 2007; H. Leichsenring 2007). Sowohl in Fallstudien von Ulrich Teichler und Matthias Klumpp an Universitäten in Hessen als auch im Rahmen der in unserem Forschungsprojekt durchgeführten Interviews ist deutlich geworden, dass insbesondere für die oben genannten Segmente in den letzten Jahren verstärkt neue Mitarbeiter rekrutiert wurden (M. Klumpp/U. Teichler 2005: 2; G. Krücken/A. Blümel/K. Kloke 2009). Auf der Basis einer inhaltsanalytischen Auswertung von Stellenanzeigen der Wochenzeitung „Die Zeit“ von 1997 bis 2007 haben wir zudem festgestellt, dass Ausschreibungen insbesondere für Positionen im Bereich des administrativen Hochschulmanagements (ohne Leitungsfunktionen) zwischen 2003 und 2006 insgesamt mit knapp 50 % deutlich angestiegen sind. Dass diese Entwicklung auch ein internationaler Prozess ist, zeigen Studien zu Hochschulsystemen anderer Länder: So konstatieren Celia Whitchurch für Großbritannien oder Garry Rhoades und Barbara Sporn für die USA sowie einige europäische Länder die intensivierte Rekrutierung von „administrative professionals“ (C. Whitchurch 2006; 2004; G. Rhoa-
Professionalisierungsprozesse im Hochschulmanagement in Deutschland
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des 1998; G. Rhoades/B. Sporn 2002). Auf der Basis einer Analyse der Personaldaten der norwegischen Hochschulen konstatieren Ase Gornitzka und Ingvild Larsen einen signikanten Anstieg der Mitarbeiter im höheren Dienst der Hochschuladministrationen, der u. a. durch die Rekrutierung neuer Mitarbeiter in diesem Bereichen begründet ist (A. Gornitzka/I. Larsen 2004: 463 ff.). Celia Whitchurch argumentiert, dass es innerhalb des Hochschulmanagements an Universitäten in Großbritannien zu einer Diversizierung des Personals gekommen ist. Neben einer wachsenden Anzahl von „administrativen Managern“ mit klaren Funktionen und Arbeitsbeschreibungen etabliert sich demnach eine wichtiger werdende hybride Gruppe von Spezialisten im Hochschulmanagement, deren Aufgabenbereich und Verortung in der Organisation sich an spezischen Themenfeldern der Hochschulentwicklung ausrichtet, wie z. B. Studiengangsentwicklung, Studierendenauswahl oder Organisationsentwicklung (C. Whitchurch 2004; 2006). Diese, von Whitchurch als „unbounded“ oder „blended professionals“ bezeichneten Mitarbeiter, verbinden bei ihrer Arbeit wissenschaftliche Expertise und spezische Managementkenntnisse. Doch inwiefern sind auch in Deutschland Veränderungen in der Zusammensetzung des Personals zu beobachten ? Wesentliches Wachstum hat unseren Analysen zufolge vor allem beim akademischen Personal der Hochschulen stattgefunden, welches zwischen 1994 und 2004 um ca. 11 % gestiegen ist (dies entspricht 18.281 neuen Stellen in Vollzeitäquivalenten). Das nichtakademische Personal ist hingegen nur um 1,0 % gestiegen (dies entspricht 1.104 Stellen in Vollzeitäquivalenten), was insgesamt zu einer marginalen Abnahme des Anteils des nichtakademischen Personals geführt hat (vgl. Abb.2 links).2 Interessanterweise lässt sich jedoch ein qualitativer Wandel in der Personalstruktur des administrativen Personals feststellen (vgl. Abb. 2 rechts). Während sich der Anteil des nicht-akademischen Personals zwischen 1994 und 2004 sowohl absolut als auch im Vergleich zum wissenschaftlichen Personal kaum verändert hat, sehen wir eine Abnahme des mittleren Dienstes um −7 % und einen deutlichen Anstieg im Bereich des höheren Dienstes um +23,9 % und +10,5 % im Segment des gehobenen Dienstes. Insofern ist die Entwicklung des nichtakademischen Personals an deutschen Hochschulen seit 1994 – so wie wir sie auf der Basis dieser einfachen deskriptiven Analyse der Personaldaten der HIS-ICE Daten nachvollziehen können – weniger durch einen quantitativen als vielmehr durch einen qualitativen Wandel im Hinblick auf Status und Qualikation des nicht-akademischen Personals an deutschen Hochschulen charakterisiert. Doch inwiefern lassen sich die hier angeführten Veränderungen im Hochschulmanagement als Professionalisierungsprozesse verstehen ?
2
Wir danken Nicolai Netz für seine Unterstützung bei der Recherche und Aufbereitung der Daten aus der HIS-ICE-Datenbank.
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Abbildung 2
Entwicklung des akademischen und nicht-akademischen Hochschulpersonals an deutschen Hochschulen 1994–2004.
(Quelle: HIS-Datenbank ICELAND, www.iceland.his.de)
4
Professionalisierung des Hochschulmanagements ?
4.1
Professionalisierungskonzepte im öffentlichen Management
Aufbauend auf den Arbeiten von Everett Hughes (1958) und Talcott Parsons (1968) sowie Harold Wilenskys prominentem Aufsatz „Professionalisation of everyone“ (H. Wilensky 1964) ist Professionalisierung in den Ansätzen der klassischen Professionssoziologie als das Durchlaufen von Sequenzen verstanden worden, die Berufe durchlaufen (müssen), um den Status einer etablierten Profession zu erreichen. Damit ist durch die Professionsforschung ein Merkmalskatalog entwickelt worden, aufgrund dessen sich Professionen von Berufen unterscheiden lassen (H. Mieg/M. Pfadenhauer 2003; 14 ff.; T. Kurtz 2002: 49). Diesen Ansätzen zufolge zeichnen sich Professionen durch folgende Charakteristika aus: a) b)
das Vorhandensein eines gesellschaftlich relevanten Problembereiches verbunden mit der Entwicklung eines darauf abstellenden Handlungs- und Erklärungswissens; eine akademisierte, spezialisierte Ausbildung, die das für Professionen unverzichtbare abstrakte Wissen zur Verfügung stellt;
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c) d)
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die Etablierung eines Berufsverbands bzw. einer berufsständischen Vertretung, der/die als regulierender und Norm setzender Akteur auftritt;3 eine weitgehende Handlungs- und exklusive Entscheidungsautonomie der Professionellen in ihrem Bereich
Ärzte, Priester, Anwälte, Professoren und in einigen Lesarten der höhere öffentliche Dienst (C. Matheson 2000) entsprechen diesen Merkmalen einer klassischen Profession. Zentral ist dabei, dass die Etablierung einer Profession und ihre epistemische sowie normative Selbstregulierung auf einer weitestgehend gesellschaftlich und bisweilen auch staatlich anerkannten Wissensbasis beruht, die durch die Professionsmitglieder entwickelt und letztlich auch kontrolliert wird (A. Abbott 1988: 53). Daraus folgt, dass Professionalismus seitens der Gesellschaft ein hohes Maß an gesellschaftlicher Legitimation und Vertrauen genießt, weshalb Professionen durch Freidson eine eigenständige Regulierungsfunktion neben dem Markt und der Bürokratie zugeschrieben wird (E. Freidson 2001). Seit Ende der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lässt sich zudem ein deutliches Anwachsen des Anteils von neuen Expertengruppen und wissensbasierten Berufsfeldern an der Arbeitspopulation vor allem auch im Bereich des Nonprot-Sektors sowie des staatlich nanzierten Sozialwesens konstatieren (S. Brint 1994; R. Suddaby/R. Greenwood 2001; D. Muzio et al. 2008; R. Scott et al. 2000; I. Kirckpatrick et al. 2005). Darüber hinaus ist die Einführung und Anwendungen von Managementkonzepten in nahezu allen beruichen Handlungsfeldern und vor allem auch der traditionellen Professionen mit dem Ziel verbunden, durch Reorganisation, Fortbildung und planvolle Rekrutierung Management als „technical practice“ zu etablieren (M. Reed 1989). Bei den dabei oft als Professionalisierung von Managementfunktionen beschriebenen Veränderungen handelt es sich jedoch empirisch um durchaus sehr unterschiedliche, mitunter parallel stattndende Entwicklungen. Einige Autoren argumentieren, dass die Einführung von Managementinstrumenten in Einrichtungen des öffentlichen und Nonprot-Sektors, beispielsweise bei Sozialarbeitern oder Dekanen an Hochschulen, zur Integration betriebswirtschaftlichen Managementdenkens in schon bestehende beruiche (professionelle) Handlungsrepertoires führen kann (A. Langer 2007: 238; R. Deem et al. 2007: 104 ff.). Andere Autoren konstatieren das Aufkommen einer „administrative class“ (E. Freidson 1986); „expert occupations“ (D. Muzio et al. 2008); „managerial professionals“ in Kultureinrichtungen und Stiftungen (P. DiMaggio/W. Powell 1983) oder sogenannten „neuen Hochschulprofessionen“ an Hochschulen (M. Klumpp/U. Teichler 2005). Ein interessantes Element der Etablierung dieser neuen Expertengruppen und „neuen Professionen“ ist die Institutionalisierung von Netzwerken für ihr jeweiliges beruiches Tätigkeitsfeld, die neben der Organisation von spezialisierten Tagungen und Fortbildungsprogrammen auch eigene Magazine veröffentlichen und mitunter einen eigenen „Berufskodex“ verabschieden (M. Noordegraaf 2007: 776).
3
Insbesondere in der konikttheoretischen Sichtweise, die Professionalisierung vor allem als Statusverbesserung oder Professionalisierungsprojekt versteht, ist dieser Aspekt besonders wichtig, da Berufsverbände hier als politische Instanz der Durchsetzung von eigenen Interessen der Professionellen verstanden werden (Larson 1977).
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Auch im Hochschulmanagement lassen sich sowohl im europäischen Ausland als auch in Deutschland die Etablierung von spezialisierten Studien- und Fortbildungsprogrammen sowie professioneller Netzwerke beobachten (A. Pausits/A. Pellert 2009; A. Gornnitzka/I. Larsen 2004: 463; R. Middlehurst 2004). So gibt es in Deutschland neben Studiengängen z. B. am INCHER in Kassel, der Uni Oldenburg, der FH Osnabrück, der TU Berlin sowie einem Zertikatsstudium an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer auch vom Centrum für Hochschulentwicklung oder dem Zentrum für Wissenschaftsmanagement angebotene Fortbildungs-Kurse zum Hochschul- und Wissenschaftsmanagement (U. Teichler et al. 2006). Darüber hinaus ist es in den letzten Jahren in Deutschland neben den traditionellen Vereinigungen z. B. der Hochschulkanzler oder bestehenden Arbeitskreisen innerhalb der Bundesländer zur Institutionalisierung und Erweiterung deutschlandweiter Dachverbände und zahlreicher Netzwerke bzw. Portale in spezischen Tätigkeitsfeldern des Hochschulmanagements gekommen, wie z. B. das Career Service Netzwerk (www.csnd.de), der Verband der Alumni-Organisationen, oder das Netzwerk der Forschungs- und Technologiereferenten (www.forschungsreferenten.de). Als wesentliche Ziele dieser Vernetzungen werden auf den Internetseiten der Austausch von Erfahrung und Wissen, die Entwicklung „professioneller“ Standards sowie Öffentlichkeitsarbeit und die Etablierung der jeweiligen Tätigkeitsfelder angegeben. Ungeachtet dieser Entwicklungen bleiben diese „neuen Professionen“ und Expertengruppen jedoch denitorisch zumeist unterhalb der oben angeführten Charakteristika klassischer Professionen. Es scheint, dass Professionalisierung zumeist vor allem als Selbstbeschreibung der Akteure fungiert und der Aufbau von Netzwerken und die Entwicklung von Standards zum eigenständigen Attribut und Entwicklungsziel im Sinne einer traditionellen Profession gemacht werden (J. Evetts 2003: 395). Doch woraus resultieren das Wachstum von Expertengruppen und der intensivierte Rekurs auf Professionalismus ? Und wie kann man Professionalisierungsprozesse im Bereich des Hochschulmanagements konzeptionalisieren ? Mirco Noordegraaf konstatiert, dass sich sowohl empirisch als auch konzeptionell eine Entwicklung vom „pure professionalism“ zum „hybrid professionalism“ feststellen lässt (M. Noordegraaf 2007). Für ihn fungiert Professionalismus insbesondere im öffentlichen Sektor als eine Form sozialer und symbolischer Legitimation, die auf Ideologien wie Integrität, Unabhängigkeit, Service und Expertise beruht (M. Noordegraaf 2007: 779 ff.). Der zunehmende Rekurs auf Professionalität wird hierbei durch die Akteure als normativer Wert in der Sozialisation neuer Experten, der Standardisierung und Festlegung beruicher Tätigkeiten sowie bei der Suche nach gemeinsamen sozialen und beruichen Identitäten verwendet (M. Noordegraaf ebd.; vgl. auch J. Evetts 2006: 137). Auch Michaela Pfadenhauer geht davon aus, dass Professionalität zunehmend als ein Darstellungsproblem zu begreifen ist. Professionalität ist demnach „ein Anspruch, den einzelne oder Kollektiv-Akteure für sich bzw. ihr Handeln erheben und für den sie – interagierend und kommunizierend – je situativ um Zustimmung bzw. Anerkennung werben müssen“ (M. Pfadenhauer 2003: 207). In ähnlicher Weise lässt sich auch für den Bereich des Hochschulmanagements vermuten, dass die Etablierung neuer, auf „professionell“ rekurrierender Berufsbezeichnungen im Hochschulbereich, wie Transfermanager, Forschungsmanager oder professionelle Fundraiser etc., vor allem auf die Akzeptanz für neue Tätigkeitsfelder und Organisationspraktiken an Hochschulen abzielt. So scheint auch das Ziel der oben skizzierten Institutionalisierung von professionellen Netzwerken im Hochschulmanagement im Unterschied zu den oft staatlich
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anerkannten Berufsverbänden der traditionellen Professionen eben nicht eine Regulierung von Zugangs- und Ausbildungskriterien zu sein. Vielmehr geht es um die Etablierung und Diffusion von Best Practices und damit das Bemühen, den „Sinngehalt und die Sinnhaftigkeit“ (Übers. der A.) von professioneller Arbeit im jeweiligen Themenfeld des Hochschulmanagements zu kommunizieren (M. Nordegraaf 2007: 775). Einige Ansätze der neueren organisationssoziologischen Forschung bringen das Aufkommen neuer Expertengruppen und Professionen in engen Zusammenhang mit dem Wachstum formaler Organisationen (S. Barley/P. Tolbert 1991; A. Abbott 1991). Organisationen werden als „breeding ground for professions“ verstanden (S. Barley/P. Tolbert 1991:3). Es wird davon ausgegangen, dass ein wechselseitiger Zusammenhang zwischen dem Wachstum formaler Organisationen, der Rationalisierung von Wissen und Professionalisierungsprozessen besteht. In Anlehnung an John Meyer und Brian Rowan (1977) charakterisieren Stephen Barley und Pamela Tolbert diese Entwicklung folgendermaßen: „The process of occupationalization is an important aspect of the progressive rationalization of organizations in contemporary society, reÀecting the efforts of business and government to bring increasingly specialized knowledge to bear in organizational problem-solving“ (S. Barley/P. Tolbert 1991: 7). Im Unterschied zu den traditionellen Professionen verfügen die hier angeführten, auf Management spezialisierten „managerial professionals“ jedoch über keine gemeinsame spezische Wissensbasis und keine rechtlich festgelegte Handlungskompetenz. Im Wesentlichen beziehen sie ihre Legitimation aus der Anwendung entweder von Managementwissen oder spezischen Instrumenten, die sich in verschiedenen Organisationskontexten als „ubiquitous technical skill“ anwenden lassen (J. Meyer 1987; B. Townley 2002). Damit wird ein enger Zusammenhang zwischen Rationalisierung und Professionalisierung im Kontext von Wandel, Wachstum und Konstituierung von Organisationen postuliert, der sich auch auf die Institution Hochschule beziehen lässt. So stützt sich die Arbeit im Hochschulmanagement stärker auf systematisch erworbene Informationen und Wissen (M. Klumpp/U. Teichler 2005: 2; U. Teichler 2008). Zudem resultiert sowohl aus der Einführung betriebswirtschaftlicher Instrumente in den Hochschulen als auch dem verstärkten Rückgriff auf Evaluationsverfahren in Forschung und Lehre ein steigender Bedarf an Expertise, der zum Entstehen von spezischen Tätigkeitsfeldern führt. Aufgrund der Heterogenität von Tätigkeitsfeldern, Organisationskontexten und Wissen im Hochschulmanagement erscheint jedoch eine Professionalisierung von Hochschulmanagement im traditionellen Sinn der klassischen Professionsforschung ebenso unmöglich wie eine Professionalisierung des Managements im privatwirtschaftlichen Bereich (A. Abbott 1988; R. Whitley 1984). Um dennoch die gewachsene Bedeutung von neuen Experten und sich selbst als „Professionelle“ bezeichnenden Berufsgruppen konzeptionell und empirisch fassen zu können, scheint es angebracht, auf eine von Julia Evetts (2006; 2008) beschriebene idealtypische Unterscheidung von Professionalismus zurückzugreifen. Sie unterscheidet zwischen zwei distinkten Formen von „Professionalismus“, die sich in modernen Gesellschaften beobachten lassen (J. Evetts 2008: 102): Zum einen eine an traditionelle Professionskonzepte angelehnte „beruÀiche Professionalität“ (J. Evetts 2008: Übers. d. A.) und auf der anderen Seite eine bei vielen spezialisierten Berufsgruppen sich entwickelnde „organisationale Professionalität“ (J. Evetts 2008: Übers. d. A.). Evetts versteht organisationale Professionalität als einen zunehmend häuger, insbesondere auch von Managern im Nonprot-Sektor ver-
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wandten Diskurs, der spezialisierte Ausbildung und Standardsetzung innerhalb eines durch rational-legale Formen von Autorität sowie organisationale Hierarchien gekennzeichneten beruichen Tätigkeitsfeldes integriert (J. Evetts 2008: 100–101). Im Unterschied zu der auf Klientenvertrauen und weitgehender Entscheidungsfreiheit beruhenden beruichen Professionalisierung, verbunden mit einer starken Ausrichtung an den Peers, ist der Prozess der organisationalen Professionalisierung eng an den Zielen und Hierarchien der jeweiligen Organisation ausgerichtet (J. Evetts 2008: 101). Anders als die Integration der mehr oder weniger autonomen „traditionellen“ Profession der Hochschulprofessoren, die sich stark mit ihren Peers und weniger stark mit ihrer Hochschule identizieren, kann daher angenommen werden, dass das Selbstverständnis und die Expertise der innerhalb des Organisationskontextes tätig werdenden Hochschulmanager stärker auf die Anforderungen und Ziele der Organisation ausgerichtet sind. Folglich ist zu erwarten, dass sich Mitarbeiter im Hochschulmanagement stärker mit ihrer Hochschule identizieren. Diese Vermutung einer starken Orientierung an der Organisation und ihren Zielen ist auch ein Ergebnis der durch im Rahmen des Forschungsprojekts am FÖV von uns geführten Befragungen von Kanzlern und leitenden Mitarbeitern in den Bereichen Präsidialämter; Qualitätsmanagement; Forschungsförderung und Transfer sowie Internationales. Insbesondere neu rekrutierte Mitarbeiter und Kanzler beschreiben ihre Rolle innerhalb der Hochschule zumeist mit einem ausgeprägten Dienstleistungsverständnis gegenüber den Mitgliedern der Hochschule und betonen, dass sie sich in ihrer Arbeit vor allem der Gesamtorganisation Hochschule verpichtet fühlen (vgl. G. Krücken/A. Blümel/K. Kloke 2009: 22). Damit ermöglichen die hier kurz diskutierten Ansätze eine Öffnung und Differenzierung des Professionskonzepts im Hinblick auf das Hochschulmanagement hin zu einem auf diskursive Anwendung, Standardisierung und Diffusion abstellenden Verständnis der Veränderungsprozesse als organisationale Professionalisierung. Organisationale Professionalisierung im Hochschulmanagement ist insofern nicht als ein linearer Prozess einer exklusiver werdenden Berufsgruppe zu verstehen. Stattdessen wird Professionalisierung zu einer kulturellen Ressource, die im distinkten Organisationsfeld der Hochschul- und Wissenschaftsorganisationen die Entwicklung neuer Berufsgruppen und Tätigkeitsfelder im Hochschulmanagement legitimiert. 4.2
Spezi¿ka des Berufsfeldes Hochschulmanagement
Auf der Basis der bisher verfügbaren empirischen Untersuchungen zu den „neuen Hochschulprofessionen“ (W. Adamczak et al. 2007; M. Klumpp/U. Teichler 2006; H. Leichsenring 2007) sowie eigener Analysen lassen sich auch Besonderheiten des Berufsfeldes Hochschulmanagement herausstellen, die sicherlich prägend für die Prozesse organisationaler Professionalisierung in diesem Bereich sein dürften. Zunächst lässt sich festhalten, dass das Berufsfeld in den letzten Jahren durch eine intensive Ausdifferenzierung sowohl der administrativen Routinearbeit der Zentralverwaltungen als auch der Tätigkeiten zwischen Wissenschaft und Administration geprägt ist. Die hierbei zu beobachtende Spezialisierung von Tätigkeitsfeldern, wie z. B. Qualitätsmanagement, Career-Service-Arbeit, Präsidialbereichs- und Fakultätsmanagement oder Alumni-
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Arbeit und Fundraising, korrespondiert dabei mit der Institutionalisierung neuer Berufs- und Funktionsbezeichnungen. Zudem konnten wir bei der Analyse der Stellenausschreibungen aus der Wochenzeitung „Die Zeit“ von 1997 bis 2007 im Zeitverlauf feststellen, dass die Vielzahl neuer Positionsbezeichnungen auch mit einer zunehmenden Ausdifferenzierung von Anforderungsprolen in den jeweiligen Tätigkeitsbereichen im Hochschulmanagement korrespondiert. So werden von neuen Mitarbeitern zunehmend spezische Kenntnisse und Arbeitserfahrungen im jeweiligen Bereich der Hochschulentwicklung erwartet. Zusammen mit dem sowohl in den Untersuchungen zu Forschungsreferenten und Fakultätsmanagern (W. Adamczak et al. 2007; H. Leichsenring 2007) als auch in unseren Analysen konstatierten deutlichen Anstieg neuer Positionen in diesem Bereich lässt sich daher vermuten, dass es mittelfristig zu einer stärkeren beruichen Mobilität von spezialisierten Mitarbeitern innerhalb einzelner Tätigkeitsbereiche kommt. Diese Mobilität könnte zusätzlich dadurch verstärkt werden, dass viele neue Stellen im Tätigkeitsbereich Hochschulmanagement offensichtlich befristet eingerichtet werden. Von den Teilnehmern unserer Befragung leitender Mitarbeitern im Qualitätsmanagement und Career Service arbeiten im Durchschnitt 42 % auf einer befristeten Stelle; bei der Befragung von Mitarbeitern im Fakultätsmanagement ist die Anzahl befristeter Arbeitsverhältnisse noch weit höher (H. Leichsenring 2007: 7). Zudem impliziert die oben beschriebene Ausdifferenzierung der Tätigkeitsfelder und Berufsbezeichnungen auch, dass sich im Hinblick auf die Rekrutierung und Institutionalisierung von themenspezischen Netzwerken gegenwärtig eine Entwicklung abzuzeichnen scheint, die weniger auf die Etablierung einer gemeinsamen, kohärenten Gruppe von Hochschulmanagern, sondern eher auf die Verdichtung funktionalbereichsspezischer Expertengruppen hinausläuft. Eine weitere Besonderheit des Berufsfeldes Hochschulmanagement ist die Heterogenität des fachlichen Hintergrundes. Während leitende Positionen in der Hochschulverwaltung in der Vergangenheit zumeist von Mitarbeitern mit einem juristischen Ausbildungshintergrund besetzt waren, scheint es außer einer akademischen Universitätsausbildung für den Einstieg in die meisten Tätigkeitsfelder des Hochschulmanagements gegenwärtig offensichtlich keine festgelegten fachlichen Zugangskriterien zu geben. Dies spiegelt sich in einer breiten Streuung von Studienfächern der Mitarbeiter in den Befragungen im Hochschulmanagement wider: Während bei den von Adamczak et al. (2007: 27) untersuchten Forschungsreferenten 38 % der Befragten Naturwissenschaftler waren und 28 % ein geisteswissenschaftliches bzw. 26 % ein gesellschaftswissenschaftliches Studium (einschließlich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften) absolvierten, konstatiert Leichsenring, dass 59 % der Fakultätsmanager ein an der Fachrichtung der Fakultät angelehntes Studienfach absolviert hatten (H. Leichsenring 2007: 27). Auch auf der Basis unser eigenen Umfragen, mit leitenden Mitarbeitern im Bereich Qualitätssicherung, Career Service und Internationales, lässt sich eine breite Streuung von Studienfächern feststellen, allerdings mit einer starken Dominanz von Studienfächern in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Darüber hinaus zeichnet sich zudem bei der Position des Kanzlers eine Entwicklung ab, die auf eine Heterogenisierung der Studienfächer hindeutet. Bei einer deutschlandweiten Befragung von Kanzlern und hauptamtlichen Vizepräsidenten hat mit 51,4 % zwar eine Mehrheit der Befragten einen juristischen Studienhintergrund. Dieser Anteil der Kanzler, die über einen juristischen Studienhintergrund verfügen, nimmt jedoch sowohl bei den sich erst seit kurzem in ihrer Position bendenden als auch bei den jüngeren Geburtsjahrgängen der Amtsinhaber deutlich ab (G. Krücken/A. Blümel/K. Kloke
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2009: 24). Dabei haben insbesondere Kanzler mit einem Studienabschluss in den Wirtschaftswissenschaften mit gegenwärtig 25,3 % in den letzten Jahren besonders zugenommen. Diese Heterogenität des fachlichen Studienhintergrundes von Mitarbeitern im Hochschulmanagement spricht eher gegen eine wachsende Kohärenz innerhalb dieser beruichen Gruppe (A. Abbott 1991: 37). Es ist jedoch denkbar, dass sich durch ähnliche Karrieremuster und eine wachsende Rolle von Fortbildungsprogrammen und berufsfeldspezischer Vernetzung eine gemeinsame „beruiche Kultur“ entwickelt, die nicht zwangsläug aus dem Durchlaufen einer gemeinsamen Fachsozialisation, sondern eher aus gleichen Praktiken und Handlungsweisen resultiert. In dieser Hinsicht scheint zum Beispiel bei den neu rekrutierten Mitarbeitern im Hochschulmanagement Wissen über die Praxis hochschulischer Kernprozesse in Forschung und Lehre ein wichtiges Charakteristikum des Berufsfeldes zu sein. So wurde in den Stellenausschreibungen in „Die Zeit“ vor allem in forschungsnahen Bereichen, wie z. B. Forschungsreferenten, Qualitätssicherung/Evaluation oder Berufungsmanagement, oftmals dezidiert eigene Forschungserfahrung erwartet. Insgesamt war das Anforderungskriterium „Forschungserfahrung“ bei einem Viertel der Stellenausschreibungen genannt. Auch bei den Forschungsreferenten an deutschen Universitäten ist mit 48 % knapp die Hälfte promoviert und 55 % verfügen über eigene Forschungserfahrung (W. Adamczak et al. 2007). Zudem konnten wir in den Interviews mit leitenden Mitarbeitern im Bereich Qualitätsmanagement, Berufungsmanagement und Technologie-Transfer feststellen, dass deren Werdegang zumeist durch Berufsstationen im Wissenschafts- und Hochschulsektor geprägt ist. Ungeachtet mancher Mutmaßungen in der hochschulpolitischen Öffentlichkeit zur intensivierten Rekrutierung von neuen Managern aus der Privatwirtschaft handelt es sich demnach eben nicht primär um „managerial professionals“, die aufgrund eines im privatwirtschaftlichen Kontext erworbenen allgemeinen Managementwissen rekrutiert worden sind (B. Townley 2002; H. Hwang/W. Powell 2009). Vielmehr scheint es sich bei diesen gegenwärtig im Etablierungsprozess bendlichen Tätigkeitsfeldern um Mitarbeiter mit einem sehr heterogenen Studienhintergrund zu handeln, deren beruiche Sozialisation und Expertise auf einer starken Afnität zur Wissenschaft und zum themenspezischem Wissen der Hochschulentwicklung aufbaut. Diese Entwicklung stellt möglicherweise eine interessante Besonderheit vor allem in den „neuen“ Tätigkeitsfeldern des Hochschulmanagements in Deutschland dar, die auf speziell an das Organisationsfeld Hochschule und Wissenschaft anlehnende organisationale Professionalisierungsprozesse hindeuten. 5
Diskussion
Was könnten mögliche Folgen organisationaler Professionalisierungsprozesse sein ? Die Institutionalisierung professioneller Netzwerke in den jeweiligen Bereichen des Hochschulmanagements, verbunden mit Berufsmobilität von „organisational professionals,“ könnte verstärkt zur Diffusion von Organisationsmodellen sowie administrativen Praktiken im Hochschulmanagement führen. Für den Nonprot-Sektor sind Diffusions- und Strukturangleichungsprozesse im Management z. B. in einer Studie von Hwang und Powell (2009) in Kalifornien beschrieben worden. Sie weisen nach, dass Professionalisierungsprozesse im
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Leitungsbereich – verstanden als Vollzeitbeschäftigung von Leitungspositionen, Studienabschlüsse der leitenden Mitarbeiter im Bereich Management sowie deren Mitgliedschaft in professionellen Vereinigungen – einen signikanten Einuss auf die Einführung spezischer Management-Praktiken, wie z. B. strategische Planung, quantitative Programmevaluation sowie freiwillige Finanz-Audits, bei den untersuchten NGOs, Stiftungen und Vereinen haben (H. Hwang/W. Powell 2009). In ähnlicher Form könnten Professionalisierungsprozesse im Hochschulmanagement zur Strukturangleichung in den jeweiligen Arbeitsbereichen beitragen. Doch inwiefern resultiert aus organisationalen Professionalisierungsprozessen im Hochschulmanagement eine veränderte Wahrnehmung, Interaktions- und Entscheidungspraxis zwischen Wissenschaft und Verwaltung ? Aufbauend auf der 12 Länder vergleichenden Befragung von Wissenschaftlern verweisen Lewis und Altbach (1996) in ihrem Artikel „Faculty versus Administration“ auf den bis auf Japan universellen Befund eines starken Misstrauens gegenüber der Hochschuladministration von Seiten der Professoren. Ob durch die Etablierung neuer Hochschulprofessionen dieses grundlegende Misstrauen zwischen Administration und Wissenschaft bzw. zwischen Organisation und Profession abgeschwächt oder verstärkt wird, müsste überprüft werden. Mindestens zwei Entwicklungen sind denkbar. Für eine Zunahme der Spannungen spricht, dass Professionalisierungsprozesse im Hochschulmanagement als eine „Kolonialisierung von Forschung und Lehre durch ökonomische und administrative Handlungsimperative“ gesehen werden (M. Stock/A. Wernet 2005: 9). Hierzu gehört auch eine mitunter opak anmutende Sprache bei der Bezeichnung neuer Organisationseinheiten und Funktionsbezeichnungen im Hochschulmanagement, die von Seiten der Wissenschaftler als befremdlich empfunden wird, und schon von daher auf Ablehnung stoßen könnte. Für eine Abnahme der Spannungen spricht, dass organisationale Professionalisierung im Hochschulmanagement in Deutschland eben gerade nicht primär mit der Rekrutierung von Managern aus der Privatwirtschaft gleichzusetzen ist. Anders als an britischen Hochschulen, bei denen in den 1990er Jahren sehr gezielt Manager aus der Privatwirtschaft rekrutiert wurden (vgl. Neocosmos 2009), haben Mitglieder der „neuen Hochschulprofessionen“ in Deutschland unseren Analysen zu Folge oft selbst Lehr- und Forschungserfahrung und verorten ihre Tätigkeit als Hochschulmanager zwischen Wissenschaft und Verwaltung stehend. Insofern könnte man vermuten, dass die Etablierung der neuen Tätigkeitsfelder im Hochschulmanagement angesichts der zahlreichen neuen Aufgaben durch Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter als unterstützendes Element wahrgenommen wird und dazu beiträgt, dass sich Wissenschaftler weitestgehend auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können. 6
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Professionalisierung von Nonpro¿t Governance und Nonpro¿t Leadership
Professionalisierung des Nonpro¿t-Managements durch Governance-Kodizes: Eine Analyse der Transparenzwirkungen Ludwig Theuvsen
1 1.1
Nonpro¿t-Management im Fokus Spezika des Nonprot-Managements
Nonprot-Organisationen sind „private, nongovernmental organizations that do not aim to maximize prots for distribution to their owners or controllers, but that do have some service objectives to members, users, or other beneciaries“ (A. Ben-Ner 1994: 747). Folgt man dem sich mittlerweile auf 41 Länder erstreckenden Johns Hopkins-Projekt, so können Nonprot-Organisationen durch die Kriterien formelle Strukturierung, private Trägerschaft, Verzicht auf die Erzielung verteilungsfähiger Überschüsse, eigenständige Verwaltung sowie freiwillige Mitgliedschaft gekennzeichnet werden (L. M. Salamon/W. Sokolowski/R. List 2003). Diese und vergleichbare Abgrenzungen betrachten Nonprot-Organisationen als Teile eines „Dritten“, weder staatlichen noch erwerbswirtschaftlichen Sektors der Gesellschaft. Aus soziologischer Perspektive ist dem Dritten Sektor eine Assoziationslogik attestiert worden, die vor allem in der mitgliedschaftlichen Struktur der ihm zuzurechnenden Organisationen ihren Ausdruck ndet und die sich von der Herrschaftslogik des Staats- und der Verwertungslogik des Erwerbssektors unterscheiden lässt (T. Wex 2004: 284 ff.). Zwar ist wiederholt darauf hingewiesen worden, dass die Vorstellung strikt getrennter gesellschaftlicher Sektoren an der Realität vorbeigehe, vielfältige Übergangsbereiche auszumachen seien (C. Reichard 1988; G. F. Schuppert 1995) und Organisationen darüber hinaus „Karrieren“ durchliefen, die sie phasenweise in die Nähe des einen, dann eines anderen Sektors rückten (I. Bode 1998); dennoch ist immer wieder nach den Besonderheiten des Managements von Nonprot-Organisationen gefahndet worden (AKNPO 1998). Als Ergebnis der eingehenden Auseinandersetzung mit den Spezika von Dritt-SektorOrganisationen werden ihnen und ihrem Management verschiedene Stärken attestiert. So wird ihnen als intermediären Organisationen zugetraut, besondere Vermittlungsleistungen zu erbringen, so etwa zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen Markt, Staat und informellem Sektor oder auch zwischen den Logiken marktlicher und staatlicher Leistungserstellung (A. Evers 1990; G. F. Schuppert 1995: 139 f.). Salamon (1987) wiederum sieht Nonprot-Organisationen aufgrund ihrer Verankerung in lebensweltlichen Umwelten als in besonderer Weise geeignet an, unbürokratisch und problemsensibel auf gesellschaftliche und individuelle Bedürfnislagen zu reagieren. Sie sind ferner die einzigen Organisationen, die dank einer zumindest teilweisen Aushebelung des „principle of exchange“ und der Realisierung einer speziellen Form des Anreiz-Beitrags-Gleichgewichts in der Lage sind, in
A. Langer · A. Schröer (Hrsg.), Professionalisierung im Nonprofit Management, DOI 10.1007/978-3-531-92664-3_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
132
Ludwig Theuvsen
nennenswertem Umfang ehrenamtliche Arbeit und Spenden zu mobilisieren (D. E. Mason 1984: 51 ff.). Zudem sind sie aufgrund ihrer bedarfswirtschaftlichen Arbeitsweise prädestiniert für die Erstellung von Gütern, die aufgrund von Markt- und Staatsversagen nicht in ausreichender Menge bereitgestellt werden (B. A. Weisbrod 1988) oder die in besonderem Maße durch Vertrauenseigenschaften charakterisiert sind (H. B. Hansmann 1980). Nonprot-Organisationen bieten sich in derartigen Situationen transaktionskostensparende institutionelle Arrangements an (L. Theuvsen 1999). Schließlich eröffnen gemeinsame Interessen und geteilte Werte sowie die teilweise fehlende Konkurrenz um ein begrenztes Absatzmarktpotential den Organisationen des Dritten Sektors besonders weitreichende Kooperationsmöglichkeiten, die erwerbswirtschaftlichen Organisationen in dieser Form in aller Regel nicht offenstehen (S. M. Oster 1995: 13; D. E. Mason 1984: 153 ff.) Mögliche Schwachstellen des Managements von Dritt-Sektor-Organisationen sind erst nach und nach in das Bewusstsein der Nonprot-Forschung gedrungen. Den Startschuss gab Salamon (1987), der den Begriff des „voluntary failure“ in die Diskussion einbrachte. Er beklagt die Unfähigkeit von Nonprot-Organisationen, ausreichende Ressourcen zu mobilisieren („philanthropic insufciency“), eine Tendenz, auf der Input- wie der OutputSeite eng abgegrenzte Gruppen zu adressieren und dadurch Größenvorteile zu verschenken („philanthropic particularism“), eine Neigung, die Denition von Bedarfen und die Verteilung von Ressourcen in die Hände einiger weniger, oft privilegierter Entscheidungsträger zu legen („philanthropic paternalism“), sowie professionelle Dezite durch das Vertrauen auf ehrenamtliche Arbeit und die aufgrund schlechter Bezahlung bestehende Schwierigkeit, gut ausgebildete Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten („philanthropic amateurism“). In Deutschland hat Wolfgang Seibel (1992) mit seiner – durch die rezipierende Literatur reichlich strapazierten – Idee vom funktionalen Dilettantismus nichterwerbswirtschaftlicher Organisationen provoziert. Er (1992: 17) vertritt die These, „dass halbstaatliche-gemeinnützige Organisationen (..) nicht obwohl, sondern weil sie gemessen an den Maßstäben der Rechtmäßigkeit und Efzienz versagen, nicht obwohl, sondern weil sie nur begrenzte Lernfähigkeit und Responsivität aufweisen, dass ihr Erfolg darin liegt, dass sie notorisch scheitern.“ Auch wenn die „erfolgreiche Nicht-Lösung unlösbarer gesellschaftlicher Probleme“ (T. Wex 2004: 180) prinzipiell auch als Positivum betrachtet werden könnte, sieht Seibel im Versagen interner und externer Kontrollen sowie in Managementdeziten eher Negatives. Seine Empfehlung jedenfalls, „Absolventinnen einer Business-School als Managerinnen“ (W. Seibel 1991: 491) von Frauenhäusern einzusetzen, lässt eher wenig Sympathien für den seinerzeitigen Status quo des Managements im Dritten Sektor erkennen. Auch die Strategiefähigkeit von Nonprot-Organisationen ist kritisch hinterfragt worden (AKNPO 2003). Kleinen, wenig nanzkräftigen und oft nur in geringem Maße professionalisierten Nonprot-Organisationen wird nur ein eingeschränkter strategischer Handlungsspielraum konzediert, der zudem durch Gesetze, Erwartungen der Mitglieder und der Öffentlichkeit, Traditionen sowie die oft starke Abhängigkeit von staatlichen Mitteln weiter eingeschränkt wird. Schwierigkeiten, zu einer operationalen und widerspruchsfreien Formulierung der Mission zu nden, sowie die Einüsse vielfältiger Stakeholder auf die Organisationen gelten als weitere Hindernisse auf dem Weg zu konsistenten strategischen Entscheidungen im Dritten Sektor (L. Theuvsen 2003). Im Ergebnis, so die Vermutung, werden Strategien in Nonprot-Organisationen nicht „top down“, beginnend bei der durch das Management for-
Professionalisierung des Nonprot-Managements durch Governance-Kodizes
133
mulierten Mission, sondern „bottom up“, ausgehend von den unteren Hierarchieebenen und den dort bewusst oder unbewusst verfolgten Funktionalstrategien, entwickelt (M. L. Hatten 1982: 93 ff.; P. F. Salipante/K. Golden-Biddle 1995: 15). Die strategische Planung kann unter diesen Bedingungen nur sehr eingeschränkt als systematischer Prozess angesehen wird, in dem unter Beachtung von Chancen und Risiken in der Umwelt sowie Stärken und Schwächen der Organisation eine Strategie formuliert und implementiert wird (H. Mintzberg 1990: 14 ff.); Strategien scheinen vielmehr das Ergebnis eines emergenten, eher zufällig verlaufenden Prozesses zu sein (H. Mintzberg/J. Lampel 1999). Das Stärken-Schwächen-Prol des Nonprot-Managements ließe sich ohne Zweifel noch um weitere Aspekte ergänzen. Dies soll hier unterbleiben; stattdessen wird im Folgenden die besondere Bedeutung von Transparenz für das Management von Nonprot-Organisationen näher analysiert. 1.2
Transparenz als zentrales Problem des Nonpro¿t-Managements
Transparenz ist für Nonprot-Organisationen von besonderer Bedeutung. Deutlich ablesbar war dies Ende 2007 an den krisenhaften Ereignissen im Umfeld der Unicef Deutschland, die u. a. in die Rücktritte der Vorsitzenden und des Geschäftsführers mündeten (o. V. 2008a). In einer Situation, in der Gerüchte um angebliche Misswirtschaft und Verschwendung von Spendengeldern der deutschen Sektion des Kinderhilfswerks erheblich zusetzten, war eine der ersten Krisenmaßnahmen des Unicef-Vorstands, für die Zukunft „mehr Transparenz für die Spender und eine bessere Finanzkontrolle“ (o. V. 2008b: 4) zu versprechen. Auch andere Entwicklungen zeigen den erheblichen Stellenwert von Transparenz für das Management im Dritten Sektor. So wurde dem US-Kongress 2005 ein umfangreicher Bericht zur Stärkung und Verbesserung der Transparenz, Governance und Verantwortlichkeit karitativer Organisationen unterbreitet (Panel on the Nonprot Sector 2005). Vergleichbare Entwicklungen lassen sich auch in anderen Ländern beobachten; beispielhaft sei auf die „Codes of Good Practice for Organizations“ verwiesen, durch die die Regierung Südafrikas einen Beitrag zur Verbesserung der Transparenz und Verantwortlichkeit von Nonprot-Organisationen leisten will. In der Schweiz wiederum wurde 2006 durch 20 große Hilfswerke der Swiss NPO-Code beschlossen. Dort ist ebenfalls die Stiftung ZEWO angetreten, mit ihrem ZEWO-Gütesiegel u. a. mehr Transparenz für Spender zu gewährleisten. Das Gütesiegel soll einen zweckbestimmten, wirtschaftlichen und effektiven Einsatz von Spendenmitteln sowie eine transparente Information, aussagekräftige Rechungslegung und adäquate, unabhängige Kontrollen signalisieren (www.zewo.ch). In Deutschland zeichnet PricewaterhouseCoopers seit 2005 Nonprot-Organisationen mit dem Transparenzpreis für vorbildliche Berichterstattung über die Einwerbung und Verwendung von Spendengeldern aus. Die Bertelsmann Stiftung hielt im Mai 2007 das internationale Symposium „Quality and Success in the Nonprot Sector: Building Trust – Attracting Investors – Creating Public Condence“ ab, in dessen Verlauf das Thema der Transparenz von Nonprot-Organisationen zentralen Raum einnahm. Mit dem Spenden-Siegel des Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) können sich gemeinnützige Organisationen auszeichnen lassen, die sich durch überregionale Spendensammlungen nanzieren; auch
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Ludwig Theuvsen
regelmäßig durchgeführte abgegrenzte Sammlungen können daraufhin geprüft werden, ob sie die Spenden-Siegel-Leitlinien einhalten. Begründet wird die Notwendigkeit des Spenden-Siegels ausdrücklich mit eingeschränkter Transparenz im umkämpften Spendenmarkt (www.dzi.de). Schließlich sind auch in Deutschland erste Governance-Kodizes für NonprotOrganisationen formuliert worden; verwiesen sei etwa auf den Corporate Governance Kodex der Diakonie (2005). Warum ist der Stellenwert von Transparenz für Nonprot-Organisationen so hoch? Sieht man von eher technischen Aspekten wie der Verhinderung der Finanzierung terroristischer Aktivitäten (European Commission 2005) ab, so sind dafür vor allem ihre bedarfswirtschaftliche Arbeitsweise, die damit im Zusammenhang stehende überwiegende Finanzierung aus Spenden und Mitteln der öffentlichen Hand sowie die Mobilisierung ehrenamtlicher Arbeit ursächlich (P. Siebart 2006). Nonprot-Organisationen sind durch sog. Sachzieldominanz charakterisiert, da sie mit dem Ziel der Deckung bestimmter Bedarfe ihrer Mitglieder oder Dritter, nicht jedoch zum Zweck der Erwirtschaftung verteilungsfähiger Überschüsse gegründet werden (L. Theuvsen 2001). Die bedarfswirtschaftliche Arbeitsweise führt dazu, dass sich die Organisationen nicht vorrangig aus Leistungsentgelten, sondern überwiegend aus Beiträgen, Spenden oder Zuwendungen der öffentlichen Hand nanzieren (G. V. Krönes 2001). Aus dieser Konstellation wiederum resultieren nicht-schlüssige Tauschbeziehungen; Klient und Mittelgeber sind vielfach nicht dieselbe Person. Nonprot-Organisationen sind dadurch einer wichtigen Form der Marktkontrolle entzogen, da ihre Klienten die Wertschätzung der angebotenen Leistungen nicht in Form einer bestimmten Zahlungsbereitschaft zum Ausdruck bringen können (D. E. Mason 1984). Zudem kümmern sich Nonprot-Organisationen oftmals um besonders schutzwürdige Personen wie Kinder und hilfsbedürftige Menschen, die nicht oder nur eingeschränkt in der Lage, die Leistungen der Organisationen zu bewerten bzw. ihre Bewertung zu artikulieren. Transparenz ist in dieser Situation von zentraler Bedeutung, um Stakeholdern, etwa Angehörigen, Mittelgebern oder auch der breiteren Öffentlichkeit, die Möglichkeit zu geben zu überprüfen, ob Nonprot-Organisationen ihre Aufgaben in angemessener, den Erwartungen gerecht werdender Weise wahrnehmen und die ihnen anvertrauten Mittel zweckgerichtet und sparsam einsetzen. Der letztgenannte Aspekt verweist auf die besondere Relevanz von Transparenz aufgrund der vorherrschenden Finanzierungsquellen im Dritten Sektor. Der hohe staatliche Finanzierungsanteil sowie der vielen Nonprot-Organisationen gewährte Status der Gemeinnützigkeit, der Förderungswürdigkeit und gesellschaftliche Anerkennung zum Ausdruck bringt (P. Siebart 2006), erzeugen die Notwendigkeit, die zweckentsprechende Verwendung der Gelder und ein Handeln im Sinne der Aufgaben, die den Organisationen von der Gesellschaft zugedacht wurden, nachzuweisen. In ähnlicher Weise gilt diese Argumentation auch mit Blick auf die Einwerbung von Spenden, denen sehr unterschiedliche Motive zugrunde liegen; genannt werden u. a. Werte und Überzeugungen, das Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, Sinngebung und Einussnahme, die Kompensation schlechten Gewissens, das Wirken über den eigenen Tod hinaus, die Steigerung des Selbstwertgefühls sowie z. T. auch materielle Anreize, z. B. Steuerersparnisse (M. Haibach 2006). Aufgrund der in vielen Fällen intrinsischen Motivation und dem verbreiteten Ziel, ganz bestimmte Zwecke fördern zu wollen, sind Spender an einer
Professionalisierung des Nonprot-Managements durch Governance-Kodizes
135
ihren Wünschen entsprechenden Mittelverwendung interessiert. Fehlverwendungen der Mittel, etwa in Form übermäßiger Verwaltungskostenanteile oder hoher erfolgsabhängiger Entgelte für Fundraiser, lösen daher oftmals Proteste und einen deutlichen Rückgang des Spendenaufkommens aus (R. Steinberg 1990). Transparenz ist angesichts des scharfen Wettbewerbs um Spendenmittel – allein auf dem deutschen Spendenmarkt sind ca. 14.000 Organisationen aktiv (J. Imig 2006: 322) – wichtig, um das Vertrauen der Spender und ihre Spendenbereitschaft zu sichern (M. Haibach 2006). Intrinsische Motive sind auch für ehrenamtliche Arbeit von Bedeutung (R. B. Freeman 1997). Dies gilt zumindest für traditionelle Formen des ehrenamtlichen Engagements, die stark traditions- und normgeleitet sind. Auch wenn diese Motive gegenüber stärker individualistischen Motiven, etwa dem Erwerb bestimmter Qualikationen oder der Überbrückung von Zeiten der Erwerbslosigkeit, auf dem Rückzug sind (D. Luthe/C. Strünck 1998: 160 ff.), ergibt sich aus ihnen doch die Notwendigkeit ausreichender Transparenz, um die Glaubwürdigkeit der Organisation zu signalisieren und die dauerhafte Unterstützung durch ehrenamtlich tätige Menschen zu erlangen (S. Huck 2006). Insgesamt ist der erhebliche Bedarf an Transparenz Ausdruck der besonderen Legitimationsemp ndlichkeit von Nonprot-Organisationen (S. Angerhausen 1998). Sie sind als „multiple-stakeholder organizations“ zu kennzeichnen, die widersprüchlichen Erwartungen gerecht werden müssen und an die heterogene Efzienzmaßstäbe angelegt werden (R. D. Herman/D. O. Renz 1997; R. Simsa 2002). Die ausreichende Legitimierung des Handelns der Organisationen ist notwendig, um einen kontinuierlichen Ressourcenzuuss, die nachhaltige Unterstützung durch zentrale Stakeholder sowie das fortgesetzte Vertrauen in die Einhaltung sozialer Regeln durch die Organisationen zu sichern (T. Parsons 1960; J. Pfeffer/G. R. Salancik 1978; G. Palazzo/A. G. Scherer 2006). Organisationales Handeln gilt dann als legitim, wenn es in einem sozialen System von Normen, Werten, Überzeugungen und Denitionen als angemessen und richtig angesehen wird. Im Einzelnen kann zwischen pragmatischer, kognitiver und moralischer Legitimität unterschieden werden. Pragmatische Legitimität wird Organisationen zugeschrieben, wenn sie in den Augen wichtiger Stakeholder nützlich sind, beispielsweise, weil sie einen Beitrag zur Bewältigung gesellschaftlicher Problemlagen leisten, um die sich die Stakeholder sonst selbst kümmern müssten. Kognitive Legitimität entsteht, wenn eine Gesellschaft eine Organisation sowie deren Output und Verhalten als notwendig und unvermeidbar erachtet; sie ist im Unterbewusstsein, auf der Grundlage bestimmter als selbstverständlich erachteter Annahmen verankert. Moralische Legitimität schließlich ewächst aus bewussten ethisch-moralischen Urteilen über den Output und die Verfahren einer Organisation (M. C. Suchman 1995). Transparenz ist in vielfältiger Hinsicht geeignet, zur Sicherung der Legitimität einer Organisation beizutragen. So hilft beispielsweise eine offene Berichterstattung, die die Effektivität, Efzienz und Kostenwirtschaftlichkeit einer Organisation belegt, Stakeholder im Sinne der pragmatischen Legitimität zu beeinussen. Sie bereichert zudem den öffentlichen Diskurs und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Sicherung moralischer Legitimität (G. Palazzo/G. A. Scherer 2006). Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel des Beitrags, ein Konzept zur Messung der Transparenz von Nonprot-Organisationen vorzustellen, exemplarisch für die Beurteilung der Transparenzwirkungen der Implementierung von Governance-Kodizes einzusetzen und diese Ergebnisse unter dem Aspekt der Professionalisierung des Nonprot-Managements zu
136
Ludwig Theuvsen
erörtern. Die Untersuchung erfolgt am Beispiel des Swiss NPO-Code und des Diakonischen Corporate Governance Kodex. 1.3
Governance-Kodizes und Professionalisierung des Nonpro¿t-Managements
Der Begriff der Governance ndet seit einigen Jahren in unterschiedlichen Zusammenhängen, so u. a. den Wirtschafts-, Politik- und Verwaltungswissenschaften, verstärkt Verwendung (A. Benz 2004a). Der genaue Bedeutungsinhalt variiert im Einzelfall erheblich, bezieht sich jedoch durchgängig auf Vorgänge des Steuerns bzw. Koordinierens in unterschiedlichen Zusammenhängen (Staat, Gesellschaft, Unternehmen usw.). Als gemeinsamer Nenner lässt sich festhalten, dass Governance „global and local arrangements, formal structures and informal norms and practices, spontaneous and intentional systems of control“ (L. E. Lynn/ C. C. Heinrich/C. J. Hill 2001: 5) bezeichnet, die der Koordination von Aktivitäten und der Allokation von Ressourcen dienen (A. Benz 2004a). Auf organisationaler Ebene bezeichnet Corporate Governance „den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens“ (A. v. Werder 2004: 160). Analog ndet der Begriff auch Verwendung in Bezug auf öffentliche Unternehmen (Public Corporate Governance; C. Schaefer/L. Theuvsen 2008) sowie nichterwerbswirtschaftliche Organisationen (Nonprot Governance; B. R. Hopkins/V. R. Gross 2009). Governance-Kodizes sind ein Teil dieses Ordnungsrahmens; sie können als der Versuch gewertet werden, auf häug freiwilliger, nichtstaatlicher Basis international anerkannte Mindeststandards der Verfassung von Organisationen durchzusetzen (E. Gerum 2004) und auf diese Weise einen Beitrag zu guter Unternehmensführung, speziell guter Leitungsorganisation (E. Frese 2005), zu leisten. Neben den bereits in Gesetzen enthaltenen GovernanceGrundsätzen nehmen sie daher regelmäßig auch national und international bewährte Best Practices auf (R. Schenz/M. Eberhartinger 2004). Governance-Kodizes lassen sich als Beitrag zur Professionalisierung des Managements deuten. Die Profession (bzw. der „professional complex“) ist ein zuerst von Talcott Parsons (1968) in die Literatur eingebrachter Begriff. Folgt man dem funktionalen Ansatz, so sind Professionen „service- or community-oriented occupations, applying established knowledge to problems of critical importance to society“ (F. Wirt 1981: 64). Der eigenschaftsorientierte Ansatz hat sich demgegenüber darum bemüht, die besonderen Merkmale von Professionen herauszudestillieren. Im Kern werden meist die folgenden Kennzeichen genannt: Existenz einer generalisierten und systematischen Wissensbasis; Beherrschung des komplexen Wissens durch eine begrenzte Zahl formal qualizierter Personen (Professionals), die entsprechend lange formale Qualikationsverfahren durchlaufen haben; hohe Autonomie bei der Ausübung der professionellen Tätigkeit; Sicherstellung eines verantwortlichen Handelns im öffentlichen Interesse durch im Zuge der Ausbildung erworbene sowie durch berufsständische Vereinigungen gepegte internalisierte Normen und Standards (W. R. Scott 1968; F. Wirt 1981). Daneben wird Professionalisierung inzwischen auch in einem etwas weiteren Sinne gebraucht. Professionalisierung des Managements meint dann, dass die Aufgabe der Führung von vor allem größeren Organisationen zu einem eigenständigen Beruf geworden ist, dessen Ausübung an eine systematische Ausbildung und einen entsprechenden beruichen
Professionalisierung des Nonprot-Managements durch Governance-Kodizes
137
Werdegang gebunden ist (G. Schreyögg/J. Koch 2007). Die mit der Implementierung von Governance-Kodizes verbundene Durchsetzung von Best Practices kann in diesem Sinne als Beitrag zur Professionalisierung gewertet werden. Mit dieser Weiterentwicklung des Managements werden im Einzelnen unterschiedliche Ziele angestrebt (R. Schenz/M. Eberhartinger 2004); die Gewährleistung ausreichender Transparenz der Organisationen ist regelmäßig einer der zentralen Beweggründe (OECD 2004). Die Analyse des Einusses, den die durch Governance-Kodizes herbeigeführte Professionalisierung des Nonprot-Managements auf die Transparenz der Organisationen hat, steht im Weiteren im Vordergrund der Betrachtungen. 2
Transparenz: Konzept und Messung
Transparenz wird de niert als „the extent to which all .. stakeholders have a shared understanding of, and access to, the .. information they request, without loss, noise, delay and distortion“ (G. J. Hofstede 2003: 18). Die Forderung nach Transparenz wird in vielen Lebensbereichen erhoben; prominente Beispiele sind Anreizsysteme für Führungskräfte (M. J. Fallgatter 2006), öffentliche Unternehmen (L. Theuvsen/M. Frentrup 2008), politische und administrative Entscheidungsprozesse (H. Burkert 2004) sowie die Lebensmittelproduktion (M. Deimel/M. Frentrup/L. Theuvsen 2008). Im Einzelnen werden mit der Forderung nach Transparenz sehr unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt. Je nach Kontext können dies die Sicherstellung hoher Marktefzienz (P. Krone 2003), die Gewährleistung von Qualität und Sicherheit (L. Aramyan et al. 2006), die Verhinderung von Korruption und eine bessere Kontrolle der Verwendung öffentlicher Mittel (N. Finkelstein 2000), die Verbesserung des Funktionierens demokratischer Systeme (A. Breton et al. 2007) oder die Verhinderung der Finanzierung terroristischer Aktivitäten (European Commission 2005) sein. Jede Analyse der Transparenzwirkungen bestimmter Maßnahmen, etwa der Beachtung von Governance-Kodizes, ist mit dem Problem konfrontiert, dass Transparenz ein latentes Konstrukt ist, das keiner direkten Messung zugänglich ist, sondern die Denition beobachtbarer Indikatoren erfordert. Die Operationalisierung latenter Konstrukte kann im Wege einer formativen oder einer reektiven Spezikation geschehen. Die formative Spezikation stellt auf die Determinanten des latenten Konstrukts ab, während die reektive Spezikation an den Wirkungen des Konstrukts ansetzt (C. B. Jarvis/S. B. Mackenzie/P. M. Podsakoff 2003). Im Folgenden erfolgt eine formative Spezi kation, da diese eine einfachere, nicht an die tatsächliche Implementierung von Governance-Kodizes gebundene Abschätzung der (potentiellen) Transparenzwirkungen erlaubt. In Anlehnung an Theuvsen und Frentrup (2008) können organisatorische, soziale und prozedurale Bestimmungsgrößen der Transparenz von Nonprot-Organisationen unterschieden werden. Die organisatorischen Determinanten bilden die strukturellen Bedingungen für den Zugang von Stakeholdern zu den sie interessierenden Informationen über eine Organisation ab. Wichtige strukturelle Bedingungen des Informationszugangs sind in diesem Zusammenhang ▪
die Größe einer Organisation, gemessen beispielsweise an ihrer Mitarbeiterzahl, der Zahl der Einrichtungen oder des Umfangs der zur Verfügung stehenden nanziellen Mittel;
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Ludwig Theuvsen
die Vielfalt einer Organisation, etwa die Heterogenität des beschäftigten Personals (P. Dass/B. Parker 1999) oder die (Un-)Einheitlichkeit ihrer Organisationskultur (G. Schreyögg 1989); die Auf bauorganisation der betrachteten Organisation, namentlich das Ausmaß der vertikalen und horizontalen Arbeitsteilung sowie der Umfang der rechtlichen und haushaltsmäßigen Verselbständigung einzelner ihrer Teile; der Umfang der Informationspichten einer Organisation gegenüber internen und externen Stakeholdern sowie der Informationsrechte und Partizipationsmöglichkeiten der Stakeholder; das Ausmaß personeller Verechtungen innerhalb der Organisation, z. B. zwischen Leitungsgremien, sowie mit anderen Organisationen. Personelle Verechtungen haben positive Wirkungen auf die Transparenz von Organisationen, soweit sie die strikte Trennung verschiedener gesellschaftlicher Sphären aufbrechen (N. Huberfeld 2006), erschweren aber auch die Nachvollziehbarkeit organisationaler Entscheidungsprozesse (J. Beyer./M. Höpner 2003).
Die sozialen Transparenzdeterminanten bestimmen das für die Gewährleistung von Transparenz bedeutsame Informationsverhalten der Akteure sowie die Qualität der Interaktionsbeziehungen zwischen ihnen (L. Theuvsen 2004). Das Informationsverhalten hängt zum einen von der Opportunismusneigung des Managements von Nonprot-Organisationen ab; je stärker dieses ausgeprägt ist, desto eher werden die Führungskräfte den (Nicht-)Zugang zu Informationen über die Organisation gezielt zur Erreichung eigener Ziele einzusetzen (M. Erickson/M. Hanlon/E. L. Maydew 2006). Darüber hinaus sind auch die Motivation und die Fachkompetenz interner und externer Stakeholder zur Informationsbeschaffung für die Transparenz von Nonprot-Organisationen wichtig. Die Qualität der Interaktionsbeziehungen wiederum wird – dies zeigen empirische Untersuchungen z. B. im Gesundheitswesen (V. Dreißig 2005) – wesentlich durch die Macht- und die kulturelle Distanz zwischen verschiedenen Akteuren, z. B. den Führungskräften einer Nonprot-Organisation und externen Stakeholdern, bestimmt. Je größer diese Distanzen sind, desto höhere Kommunikationsbarrieren entstehen. Darüber hinaus ist auch das Vertrauen zwischen den Akteuren eine wichtige Determinante der Beziehungsqualität. Es entwickelt sich als Ergebnis sozialer Kontakte in Netzwerken und schafft die notwendige Kooperationsbereitschaft, die einen umfassenden und schnellen Informationstransfer gestattet (J. H. Dyer/W. Chu 2000; G. R. Jones/J. M. George 1998); umgekehrt wirken sich Konikte zwischen Stakeholdern negativ auf das Interaktionsverhalten und die Transparenz aus. Die prozedurale Determinanten umfassen die Regeln und Prozeduren der Dokumentation und Offenlegung von Informationen, die die Klarheit und Aussagekraft der Informationen, die Schnelligkeit der Informationsbereitstellung, die Einfachheit des Informationszugangs, z. B. über das Internet, sowie den Formalisierungsgrad, d. h. das Ausmaß an Schriftlichkeit organisationsinterner Prozesse (M. Weber 1986: 227), beeinussen. Abbildung 1 fasst die vorgestellten Überlegungen zusammen und gibt das entwickelte Messmodell wieder.
Professionalisierung des Nonprot-Managements durch Governance-Kodizes
Abbildung 1
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Determinanten der Transparenz von Nonprot-Organisationen (vereinfacht nach L. Theuvsen/M. Frentrup 2008: 137)
3
Governance-Kodizes und Transparenz von Nonpro¿t-Organisationen
3.1
Swiss NPO-Code und Diakonischer Corporate Governance Kodex
Die Analyse der Wirkungen der Implementierung von Governance-Kodizes auf die Transparenz von Nonprot-Organisationen erstreckt sich auf den Swiss NPO-Code und den Diakonischen Corporate Governance Kodex. Beiden kann eine Vorreiterfunktion attestiert werden. Der Swiss NPO-Code wurde 2006 durch 20 große Schweizer Nonprot-Organisationen – darunter alle bedeutenden Wohlfahrtsverbände – beschlossen. Der Kodex wird seit dem Jahr 2007 schrittweise angewendet; die beteiligten Organisationen, so beispielsweise die Winterhilfe Schweiz (2006/07), berichten z. B. in ihren Jahresberichten über den Stand der Umsetzung. Ergänzend wurde für die Trägerschaft des Schweizer Kodex am 26. März 2008 der Verein Swiss NPO-Code durch die Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten grosser Hilfswerke der Schweiz (KPGH) gegründet. Der Verein besitzt gemäß Satzung den Swiss NPO-Code, pegt und verleiht ihn, kann ihn unter bestimmten Bedingungen wieder entziehen und fördert den Informationsaustausch zwischen den angeschlossenen Organisationen. Eine Orientierung an erwerbswirtschaftlichen Vorbildern, namentlich dem Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance, ist erkennbar, so u. a. in Form der Übernahme des „comply or explain“-Grundsatzes. Er besagt, dass eine Nonprot-Organisation, die von der Umsetzung und Offenlegung einzelner Regelungen im Kodex absieht, dies öffentlich und substantiell begründen muss (KPGH 2006). Darüber hinaus ist eine Abstimmung mit
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Ludwig Theuvsen
dem Swiss Foundation Code, dem ZEWO-Gütesiegel für gemeinnützige Organisationen und den Swiss GAAP FER erfolgt. Der Swiss NPO-Code richtet sich an die Leitungsorgane Schweizer Nonprot-Organisationen, die mindestens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen: mehr als 2 Mio. Schweizer Franken Bilanzsumme, Finanzierung aus Spenden, Erbschaften und öffentlichen Mitteln im Umfang von mindestens 1 Mio. Franken pro Jahr sowie Beschäftigung von im Jahresdurchschnitt mindestens zehn Mitarbeitern (gerechnet in Vollzeitäquivalenten) (§ 1 Ziff. 2). Die Anwendung des Kodex steht darüber hinaus auch anderen Nonprot-Organisationen offen. Ziel des Swiss NPO-Code ist es, „eine verantwortungsbewusste Führung, Kontrolle und Kommunikation der Nonprot-Organisation sicherzustellen“ (§ 2) und „ein Zeichen für Transparenz, Glaubwürdigkeit und nachhaltige Arbeit“ (KPGH 2006: 8) zu setzen. Zu diesem Zweck sollen die Verantwortlichkeit der leitenden Organe, transparente und klare Führungsstrukturen, das Vertrauen externer Stakeholder, die Kooperation ehren- und hauptamtlicher Mitarbeiter sowie die Transparenz der Organisation gefördert werden (§ 3). Zentrale Handlungsfelder zur Erreichung dieses Ziels sind die Regelung der Aufgabenverteilung an der Spitze der NonprotOrganisationen, der Funktionen und Offenlegungspichten der Leitungsorgane sowie der Aufgabenverteilung zwischen strategischer und operativer Ebene (KPGH 2006). Die Sicherstellung der Transparenz von Nonprot-Organisationen ist ein zentrales Anliegen des Swiss NPO-Code (§ 4 Ziff. 3). Erreicht werden soll es durch „objektive Informationen über Tätigkeit und Erfolg der Organisation“ (§ 3 Ziff. e.), „transparente und klare Führungsstrukturen“ (§ 3 Ziff. b.), „Transparenz bei der Mittelverwendung“ (§ 8 Ziff. 2 h.) sowie die Anwendung sachlich nachvollziehbarer, willkürfreier und transparenter Kriterien bei der Bemessung von Aufwandsentschädigungen für Mitglieder des obersten Leitungsorgans (§ 21 Ziff. 2 a.). Die Professionalisierung des Nonprot-Managements durch eine verantwortungsvolle und zeitgemäße Nonprot-Governance soll vor allem der Wahrung der Interessen von Spendern, Mitgliedern und ehrenamtlich Tätigen, der Sicherung des Vertrauens, das externe Stakeholder in die Organisation setzen (§ 3 Ziff. c.), sowie der „efzienten und wirksamen Erfüllung der Aufgaben von Nonprot-Organisationen“ (§ 3) dienen. Der Diakonische Corporate Governance Kodex (DGK) wurde durch die Diakonische Konferenz des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland auf ihrer Sitzung vom 18. bis 20. Oktober 2005 in Rummelsberg beschlossen. Der Kodex adressiert alle Einrichtungen der Diakonie als Mitglieder der Diakonischen Werke sowie das Diakonische Werk selbst. Er sollte in Einrichtungen, die mehr als 50 Vollzeitkräfte beschäftigen und mehr als 2 Mio. € Umsatz erzielen, in jedem Fall angewendet werden; kleineren Einrichtungen und Diensten wird empfohlen, den Kodex möglichst weitgehend zu beachten (Diakonie 2005: 2). Eine verbesserte Transparenz der Einrichtungen ist neben einer Steigerung der Wirtschaftlichkeit eines der zentralen Anliegen des DGK; auf diese Weise soll zu einer Stärkung des Vertrauens der Öffentlichkeit, aktueller und potentieller Nutzer, Spender, Sozialleistungsträger, öffentlicher Mittelgeber sowie Banken, Kirchen und Mitarbeiter in die Arbeit und Führung der Einrichtungen beigetragen werden. Das Hauptziel soll erreicht werden durch „eine Kompetenzabgrenzung der Organe und Vorgaben zur Kommunikation dieser Organe“, „die Optimierung der Leitung und Überwachung diakonischer Einrichtungen“ sowie die „Optimierung der Kommunikations- und Verwaltungsstruktur“ (Diakonie 2005: 1–2).
Professionalisierung des Nonprot-Managements durch Governance-Kodizes
3.2
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Organisatorische Transparenzdeterminanten
Im Swiss NPO-Code werden viele strukturelle Bedingungen des Zugangs zu Informationen detailliert geregelt. Ein Hauptaugenmerk ist auf Fragen der Leitungsorganisation von Nonprot-Organisationen gerichtet; die Leitlinie bildet der Grundsatz der innerorganisatorischen Gewaltenteilung, der „eine klare Trennung der Verantwortlichkeiten bei Aufsicht, Leitung und Vollzug“ (§ 4 Ziff. 1) beinhaltet. Die vorgesehene Gewaltenteilung wird konkretisiert, indem die Aufgaben und Kompetenzbeziehungen der Mitglieder- bzw. Delegiertenversammlung (§ 5), des obersten Leitungsorgans (§ 8) und der Geschäftsleitung (§§ 23, 24) umrissen werden. Die generellen Festlegungen zur Leitungsorganisation werden durch Einzelfallregelungen ergänzt, etwa die Verpichtung, die Kriterien für die Bemessung der Aufwandsentschädigungen dem obersten Leitungsorgan zur Genehmigung vorzulegen (§ 21 Ziff 2 c.). Einen zweiten wichtigen Regelungsbereich bilden Informationspichten der NonprotOrganisation gegenüber verschiedenen Stakeholdern. Diese Pichten umfassen die Vorlage von Jahresbericht und Jahresrechnung sowie die regelmäßige Information der Spender und Mitglieder durch das oberste Leitungsorgan (§ 8 Ziff. 2 a. und 2 h.), die Gewährleistung standardisierter Informationsüsse zwischen den Mitgliedern des obersten Leitungsorgans sowie ihm und der Geschäftsleitung (§ 15 Ziff. 3), die Sicherstellung des Informationsusses zwischen verschiedenen Einrichtungen bzw. Abteilungen in mehrstugen föderativen Organisationen durch das oberste Leitungsorgan (§ 15 Ziff. 4) sowie die Information des obersten Leitungsorgans durch die Geschäftsleitung (§ 23 Ziff. 3). Das oberste Leitungsorgan ist darüber hinaus für eine zielgruppen- und zeitgerechte Kommunikation verantwortlich (§ 28 Ziff. 1) und muss den Jahresbericht der Organisation allen Interessierten zugänglich machen (§ 29 Ziff. 2). Auch spezielle Informationspichten namentlich im Falle möglicher Interessenkonikte (§ 18 Ziff. 2 und 3) sowie der Zahlung von Entschädigungsleistungen an Mitglieder des obersten Leitungsorgans (§ 21 Ziff. 2 d.) sind im Swiss NPO-Code geregelt. Ergänzt werden die Informationspichten der Organisation und ihrer Organe durch Informations- und Partizipationsrechte von Mitgliedern und Delegierten (§ 7), der Mitgliederbzw. Delegiertenversammlung (§ 5 Ziff. b.) sowie der Geschäftsleitung (§ 23 Ziff. 6). Die Durchsetzung dieser Rechte wird dadurch erleichtert, dass der Präsident außerordentliche Sitzungen des obersten Leitungsorgans einberufen und auch jedes Mitglied die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung verlangen kann, sofern die Satzung der Organisation dies nicht ausschließt (§ 15 Ziff. 2). Die personelle Unabhängigkeit von oberstem Leitungsorgan und Geschäftsleitung wird sichergestellt, indem festgelegt wird, dass die Mitglieder der verschiedenen Organe nicht miteinander verheiratet, verwandt oder verschwägert sein oder in einer anderen Weise Beziehungen pegen dürfen, die ihre Unabhängigkeit gefährden könnte (§§ 17 und 24). Ähnliche, wenngleich teilweise etwas weniger detaillierte Regelungen nden sich im Kodex der Diakonie, der ebenfalls umfangreiche Konkretisierungen der Entscheidungskompetenzen der Mitgliederversammlung, des Vorstands und des Aufsichtsgremiums sowie ferner des Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums einer Nonprot-Organisation vornimmt (Diakonie 2005: 3 + 6 ff.). Ergänzend werden im DGK verschiedene Informationspichten festgeschrieben. So sind der Mitgliederversammlung der Jahrsabschluss und weitere gesetzlich vorgeschriebene Unterlagen vorzulegen. Darüber hinaus wird die ausreichende Informationsversorgung des
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Aufsichtsgremiums zur gemeinsamen Aufgabe von Vorstand und Aufsichtsgremium erklärt. Zu diesem Zweck hat der Vorstand das Aufsichtsgremium regelmäßig, zeitnah und umfassend über alle relevanten Aspekte der Planung, der Geschäftsentwicklung und des Risikomanagements zu informieren. Das Aufsichtsgremium seinerseits hat die Mitgliederversammlung unverzüglich über Tatsachen, die grundlegend die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Einrichtung berühren, in Kenntnis zu setzen (Diakonie 2005: 3, 4 + 7). Schließlich werden personelle Verechtungen insoweit eingeschränkt, als zwecks Wahrung ihrer Unabhängigkeit Mitglieder von Aufsichtsgremien nicht Vorstände branchenähnlicher Einrichtungen sein sollen (Diakonie 2005: 8). 3.3
Soziale Transparenzdeterminanten
Auch den Fähigkeiten und dem Verhalten der Akteure sowie der Interaktionsqualität widmet der Swiss NPO-Code Aufmerksamkeit; allerdings ist der Umfang der Regelungen zu sozialen Aspekten deutlich geringer als der zu organisatorischen Transparenzdeterminanten. Bestimmend für die Regelungen ist, dass der Schweizer Kodex die Möglichkeit opportunistischen Verhaltens und der Existenz von Zielkonikten auf Seiten von Organisationsmitgliedern in Betracht zieht. Aus diesem Grund werden die verantwortungsbewusste Leitung der Organisation durch ihre Organe (§ 4 Ziff. 2), die Wahrung der Interessen von Mitgliedern, Spendern und Ehrenamtlichen (§ 4 Ziff. 4 und 5), die Identikation der Mitglieder des obersten Leitungsorgans mit den Zielen der Organisation (§ 13 Ziff. 3) sowie die Vermeidung von Interessenkonikten und -kollisionen durch die Mitglieder des obersten Leitungsorgans (§ 18 Ziff. 1) eingefordert. Der Diakonische Corporate Governance Kodex verlangt im Sinne der kulturellen Homogenität der Organisationen und der gemeinsamen Wertebasis die Bindung der Organmitglieder der Einrichtungen an die Kirche; zudem soll auf eine kontinuierliche personelle Verbindung zur Kirche geachtet werden. Die Mitglieder des Vorstands sind dem Einrichtungsinteresse verpichtet. Regelungen zum Umgang mit Interessenkonikten, zur Ausübung von Wettbewerb und zu entgeltlichen Nebentätigkeiten, zur Annahme von Vorteilen und Zuwendungen sowie zur Gewährung von Vergütungen an Mitglieder des Aufsichtsgremiums sollen Fehlanreizen und der damit verbundenen Gefahr der Herstellung größerer Intransparenz vorbeugen (Diakonie 2005: 5, 6 + 8). Eine Verschwiegenheitspicht für Organmitglieder und die von ihnen eingeschalteten Mitarbeiter soll das notwendige Vertrauen für offene Diskussionen zwischen Vorstand und Aufsichtsgremium schaffen (Diakonie 2005: 4). Schließlich sollen die Aufsichtsgremien über ausreichende fachspezische, theologische/diakonische, ökonomische und juristische Kompetenzen verfügen. Die Mitglieder der Aufsichtsgremien sind angehalten, regelmäßig an den Gremiensitzungen teilzunehmen, sich angemessen auf die Sitzungen vorzubereiten, genügend Zeit für die Wahrnehmung der Aufsichtsarbeit aufzubringen und sich in ausreichendem Maße weiterzubilden; zudem sollte die Zahl der Mandate jedes Mitglieds des Aufsichtsgremiums begrenzt sein. Als Sanktionsmaßnahme gegenüber Mitgliedern des Aufsichtsgremium sieht der Kodex der Diakonie vor, dass Mitglieder, die an weniger als der Hälfte der Sitzungen des Aufsichtsgremiums teilgenommen haben, im Bericht des Gremiums vermerkt werden (Diakonie 2005: 6 f., 8 + 9).
Professionalisierung des Nonprot-Managements durch Governance-Kodizes
3.4
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Prozedurale Transparenzdeterminanten
Beide betrachteten Kodizes enthalten Vorschriften zu verschiedenen Aspekten der Dokumentation und Offenlegung von Informationen. Im Swiss NPO-Code nden sich die Forderungen nach objektiven Informationen (§ 3 Ziff. e.), rechtzeitiger (§ 7 Ziff. 2) und regelmäßiger Information (§ 8 Ziff. 2 h.) sowie zielgruppen- und zeitgerechter Kommunikation (§ 28 Ziff. 1). Weitere umfangreiche Ausführungen betreffen die Ausgestaltung des Rechnungswesens und der Kontrolle (§§ 25, 26, 27 sowie 29 Ziff. 1und 2). Auch die Vorteile der Formalisierung für die Sicherstellung von Transparenz werden in Form der Verpichtung, wichtige Tatbestände in sog. Erlassen zu regeln, genutzt. Erlasse sind vom obersten Leitungsorgan verabschiedete Regelungen, die die betriebliche Ordnung sicherstellen sollen (KPGH 2006). Zu den in dieser Weise zu regelnden Sachverhalten zählen die Festlegung von Unvereinbarkeitsgründen, die über die in den §§ 17 und 24 Ziff. 3 des Kodex genannten Aspekte hinausgehen, sowie die Dokumentation der Zusammensetzung, des Auftrags, der Kompetenzen, der Dauer und der Verantwortlichkeiten ständiger Ausschüsse (§ 19 Ziff. 2). Der DGK enthält vergleichbare Vorschriften, die die regelmäßige, zeitnahe und umfassende Information des Aufsichtsgremiums durch den Vorstand gewährleisten sollen. Zu diesen sind die Verpichtungen zur zeitnahen Aufstellung des Jahresabschlusses, zur Offenlegung der Vorstandsvergütungen, zur unverzüglichen Information der Mitgliederversammlung im Falle von Vorkommnissen, die die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Einrichtung grundlegend beeinussen, zur rechtzeitigen Einladung zu Sitzungen des Aufsichtsgremiums sowie zur zeitnahen Dokumentation der Ergebnisse dieser Sitzungen zu rechnen. Von der Möglichkeit zur Formalisierung wird im DGK nur insoweit Gebrauch gemacht, als die Geschäftsverteilung und die Zusammenarbeit im Vorstand durch eine Geschäftsordnung geregelt werden sollen (Diakonie 2005: 5 + 7). 4
Governance-Kodizes und Professionalisierung des Nonpro¿t-Managements
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich beide Governance-Kodizes schwerpunktmäßig auf die Kompetenzabgrenzung zwischen den Leitungsorganen von Nonprot-Organisationen sowie Regeln zur Ausgestaltung der Kommunikation zwischen diesen Organen konzentrieren. Alle übrigen Determinanten der Transparenz von Nonprot-Organisationen werden überwiegend, wenn auch nicht völlig, aus der Betrachtung ausgeklammert. Zur Professionalisierung des Managements von Nonprot-Organisationen wird damit ein eng umrissener, allerdings – wie das eingangs zitierte Beispiel Unicef Deutschland sowie vielfältige Anstrengungen zur Verbesserung der Transparenz der Verwendung von Spendenmitteln zeigen – in bestimmten Situationen sehr bedeutsamer Beitrag geleistet. Theoretisch reizvoll ist die Hinwendung zu Governance-Kodizes, weil sie die verbreitete These infrage stellt, dass Nonprot-Organisationen besonders vertrauenswürdige institutionelle Arrangements sind, die in besonderer Weise zur Produktion von Vertrauensgütern geeignet sind (L. Theuvsen 1999: 224 ff.). Professionstheoretisch ist zudem von Interesse, inwieweit die Professionalisierung der Organisationen eventuell mit einer Deprofessionalisierung der ihn ihnen tätigen Mitarbeiter einhergeht. Eine weitere ungeklärte Frage ist, warum es zunehmend zur Ablösung
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von Vertrauen durch Kodizes kommt. Eine mögliche Erklärung könnte die zunehmende Heterogenität des Personals in Nonprot-Organisationen und der damit einhergehende Verlust der gemeinsamen Wertebasis sein, wie er beispielsweise für kirchliche Organisationen beobachtet werden konnte (H. Beyer/H. G. Nutzinger 1993). Inwieweit der mögliche Beitrag von Governance-Kodizes zur Professionalisierung des Nonprot-Managements wirksam wird, hängt wesentlich von der Umsetzung der Kodizes im Dritten Sektor ab. In dieser Hinsicht ist zum einen relevant, wie viele Nonprot-Organisationen sich entschließen, sich an einem der zur Auswahl stehenden Kodizes zu orientieren. Dazu liegen bislang keine systematisch erhobenen Informationen vor. Zum anderen ist von Bedeutung, wie strikt der jeweilige Kodex befolgt wird und inwieweit die in den Kodizes enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe, z. B. umfassende und rechtzeitige Information, im Sinne der Transparenz und der Informationsbedürfnisse der Stakeholder ausgelegt werden. Bei börsennotierten Gesellschaften, für die Corporate Governance-Kodizes zunächst entwickelt wurden, um internationale Mindeststandards der Unternehmensverfassung durchzusetzen (E. Gerum 2004), besitzt der Kapitalmarkt dank des „comply or explain“-Grundsatzes die Möglichkeit, im Falle der Abweichung vom Kodex Druck auf den Aktienkurs und damit das Unternehmensmanagement auszuüben. Bei Nonprot-Organisationen steht ein vergleichbarer, eventuell sogar noch wirksamerer Sanktionsmechanismus zur Verfügung, wenn Mittelgeber, vor allem Spender und die öffentliche Hand, Mittelzuwendungen strikt von der lückenlosen Umsetzung eines Governance-Kodex abhängig machen. Dies erscheint allerdings nur in Ausnahmefällen, etwa im Falle erheblicher Verfehlungen bei der Dokumentation der Mittelverwendung, eine realistische Erwartung zu sein. Wird die Nichtanwendung oder lückenhafte Umsetzung eines Kodex weniger strikt sanktioniert, stehen nur stark abgeschwächte Sanktionsmechanismen, z. B. drohende Reputationsverluste („public shaming“), zur Verfügung. Interessant ist, dass die Professionalisierung des Nonprot-Managements im Falle der Implementierung von Governance-Kodizes mit einer Bürokratisierung der Organisationen einhergeht. Governance-Kodizes sind durch Zielorientierung und Schriftlichkeit charakterisiert und streben u. a. eine stärkere Formalisierung der Prozesse und eine klarere Regelung der Arbeitsteilung in Nonprot-Organisationen an. Wie die Bürokratieforschung wiederholt gezeigt hat, sind bürokratische Organisationskonzepte in hohem Maße durch Implementierungsdezite gekennzeichnet (P. S. Adler/B. Borys 1996; H.-U. Derlien 1992). Der Beitrag von Governance-Kodizes zur Professionalisierung des Nonprot-Managements ist vor diesem Hintergrund kritisch zu hinterfragen; Aspekte der innerorganisatorischen Akzeptanz von Governance-Kodizes und der Einhaltung ihrer Regeln im Tagesgeschäft verdienen daher mehr Aufmerksamkeit durch die Forschung als ihnen bislang zuteil wurde. Auffällig ist eine relativ große Nähe der beiden betrachteten Kodizes zu privatwirtschaftlichen Vorbildern, etwa dem Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance bzw. dem Deutschen Corporate Governance Kodex. In neoinstitutionalistischer Lesart kann dies als Ergebnis eines Institutionalisierungsprozesses gedeutet werden (P. Walgenbach/R. Meyer 2008: 55 ff.). Die zunehmende Verbreitung von Governance-Kodizes in der Privatwirtschaft sowie die überwiegende Orientierung der im Dritten Sektor wie auch im staatlichen Bereich (C. Schaefer/L. Theuvsen 2008) verabschiedeten Kodizes an privatwirtschaftlichen Vorbildern legt die Vermutung nahe, dass derartige Kodizes inzwischen als Institutionen, als verfestigte soziale Handlungserwartungen, betrachtet werden müssen. Sollte sich diese
Professionalisierung des Nonprot-Managements durch Governance-Kodizes
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These bestätigen, wäre eine Implementierung entsprechender Kodizes bzw. die Orientierung an ihnen unabhängig von den Kosten-Nutzen-Kalkülen einzelner Organisationen zunehmend zu einer Selbstverständlichkeit geworden, um Erwartungen der Organisationsumwelt an das Verhalten und die Professionalität des Managements der Organisationen gerecht zu werden. Die Professionalisierung des Nonprot-Managements vollzöge sich dann allerdings im Wege einer weitgehenden Einebnung bislang noch bestehender Unterschiede zwischen den Management-Praktiken im marktlichen, staatlichen und Dritter Sektor. Des Weiteren stellt sich die Frage, wie sinnvoll eine Professionalisierung des NonprotManagements im Sinne eines „one size ts all“-Ansatzes durch Orientierung an weitgehend einheitlichen Governance-Kodizes ist. Frühe organisationstheoretische Ansätze gingen davon aus, dass es einen „one best way of management“ gibt; sehr deutlich erkennbar ist dies im Scientic Management-Ansatz Frederick W. Taylors sowie im administrativen Ansatz Henry Fayols (G. Schreyögg 2008: 33 ff.). Spätestens seit den frühen 1960er Jahren müssen derartige Ansätze als überholt gelten. Die seinerzeit aufkommende Kontingenztheorie legte die Vorstellung eines situationsunabhängig überlegenen Organisations- bzw. Managementkonzepts ad acta und propagierte stattdessen die Suche nach der je nach Kontext besten Lösung („one best way for each given situation“; Vollhardt 2007: 68). Auch diese Vorstellung hat inzwischen ausgedient; an ihre Stelle ist die durch den „open systems“-Ansatz (D. Katz/R. L. Kahn 1966) popularisierte Idee der „equinality“ getreten. Ihr liegt die Überzeugung zugrunde, dass es in jeder Situation mehr als ein efzientes Managementkonzept gibt (C. Gresov/R. Drazin 1997; J. Jonker/J. Eskildsen 2008): „In acknowledging that both environmental contexts and organizational designs are composed of multiple, partly conicting dimensions, and that organizations pursue multiple, partly conicting goals …, we must correspondingly recognize that seldom, if ever, can a single optimal design be matched to a specic environmental context“ (K. K. Sinha/A. H. Van de Ven 2005). Ob es vor diesem theoretischen Hintergrund tatsächlich sinnvoll ist, weite Teile des Nonprot-Sektors zu einer relativ gleichförmigen, u. a. die Orientierung an Governance-Kodizes beinhaltenden Professionalisierung des Managements zu drängen, wie dies zur Zeit teilweise zu beobachten ist, erscheint zweifelhaft. Stattdessen ist ein Plädoyer für mehr Vielfalt und die Respektierung individueller Wege zur „Management-Exzellenz“ angebracht. Last but not least ist zu fragen, inwieweit eine Professionalisierung des Managements im Wege der Verbesserung der Transparenz efzient ist. Salamon (1987) hat auf die Möglichkeit von Nonprot-Organisationen hingewiesen, unbürokratisch und problemsensibel auf Bedürfnislagen zu reagieren. Dabei spielen ihre Nähe zum informellen Bereich und die damit einhergehende Verankerung in lebensweltlichen Umwelten eine wesentliche Rolle. Dieser Vorteil könnte mit einer starken, sich an erwerbswirtschaftlichen Vorbildern orientierenden Professionalisierung und Bürokratisierung des Nonprot-Managements verlorengehen. Ferner sind Nonprot-Organisationen zunehmend einem marktlichen Wettbewerb ausgesetzt, der – ähnlich wie beispielsweise in manchen öffentlichen Unternehmen (L. Theuvsen/M. Frentrup 2008: 143) – in wettbewerbsrelevanten Bereichen der prinzipiell wünschenswerten Offenheit Grenzen setzt. Bode (2003) wiederum hat zu bedenken gegeben, dass Nonprot-Organisationen oftmals inkompatiblen Rollen gleichzeitig ausfüllen müssen. Ihnen gelingt dies durch lose Kopplung, die mit einem gewissen Maß an Ambiguität, z. B. in Form der Formulierung unscharfer Ziele und weicher Erfolgskriterien, sowie Intransparenz über die Ziele und Politiken
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der Organisation einhergeht. Eine nachhaltige Steigerung der Transparenz könnte die interne Kohärenz und Integration dieser Organisationen auf eine harte Bewährungsprobe stellen, da zuvor verdeckte, unlösbare Widersprüche, etwa zwischen weltanschaulicher Basis und den Zwängen des Tagesgeschäfts, allzu offensichtlich werden könnten. Nonprot-Organisationen müssen vor diesem Hintergrund abwägen, wo eine Professionalisierung des Managements unverzichtbar ist – etwa bei dem Nachweis einer ordnungsgemäßen Mittelverwendung und in anderen besonders legitimationsempndlichen Bereichen – und wo ein gewissen Maß an Intransparenz notwendig ist, um den Zusammenhalt der Organisation nicht zu gefährden. Herstellung von Transparenz durch Professionalisierung ist somit eine Gratwanderung, die das Management von Nonprot-Organisationen erfolgreich bewältigen muss. 5
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Gemeinwohlorientierung als Maxime professioneller Accountability: Ergebnisse einer empirischen Fallstudie Urs Jäger, Nina Hug
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Accountability und professionelles Handeln aus inszenierungstheoretischer Sicht
Seit UNICEF Deutschland von einer überregionalen Tageszeitung mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, Spendengelder zu veruntreuen, müssen sich die Verantwortungsträger des Kinderhilfswerks verstärkt der öffentlichen Kritik stellen. Auch viele weitere NonprotOrganisationen (NPO) fühlen sich verpichtet, ihre Leistungen öffentlich zu rechtfertigen. Angesichts dieser Beobachtung sprechen Wissenschaftler von einem Trend, der den ganzen sozialen Sektor betrifft und verschiedene Ursachen hat (A. Benjamin 2008: 201). So steigt der Einuss der Stakeholder, gegenüber denen NPO die Verwendung ihrer Spendengelder legitimieren müssen (siehe hierzu auch M. Lee 2004 und M. Stephenson 2006). Das generiert bisher unbekannte Management-Herausforderungen, weil einige Stakeholder besser informiert, aufmerksamer und aktivistischer sind. Zudem verlangen viele dieser Gruppen Beweise, ob eine NPO tatsächlich soziale Problemstellungen bearbeitet und löst (B. Morrison/P. Salipante 2007). Dieser externe Druck erzeugt Wissenschaftlern zufolge positive Wirkungen auf die Organisation (L. M. Benjamin 2008: 217): In manchen NPO konnte beobachtet werden, wie Erfolgsbewertungen von Projekten zu einer verbesserten Ressourcenallokation führten und wie die Motivation der Mitarbeiter bei transparenter Darstellung der organisationalen Leistung stieg – vor allem bei Ehrenamtlichen (U. Jäger/T. Beyes/K. Kreutzer 2008). Angesichts solcher Veränderungen steigt der Druck auf das professionelle Handeln der Verantwortungsträger, wenn sie den Ansprüchen der Stakeholder effektiv, efzient und systematisch zu entsprechen suchen (vgl. S. Ospina et al. 2002). Weil die beschriebenen Herausforderungen zur Professionalisierung der AccountabilityKonzepte erst seit wenigen Jahren sichtbar werden, haben sich Wissenschaftler mit entscheidenden Fragen erst in Ansätzen auseinandergesetzt. Die bisher vorliegenden empirischen Studien zeigen, wie sehr Nonprot-Verantwortliche zur Anwendung von AccountabilityKonzepten gedrängt werden. Aber weitgehend unklar bleibt, was Handeln im Kontext der Rechenschaftsablegung von NPO als „professionell“ auszeichnet. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit genau dieser Frage: Unter welchen Bedingungen kann die Rechenschaftsablegung von NPO als „professionell“ bezeichnet werden? Zur Beantwortung dieser Frage – und damit zur Darlegung und Reexion der Ergebnisse einer empirischen Studie – bieten zwei Forschungsfelder das notwendige theoretische Sprachgerüst: Nonprot-Accountability und die in der Professionssoziologie erst kürzlich angeregte Diskussion über „professionelle Leistung“ (vgl. H. Mieg/M. Pfadenhauer 2005). Zur folgenden Analyse professioneller Verhandlung von Accountability wurde der im deutschsprachigen
A. Langer · A. Schröer (Hrsg.), Professionalisierung im Nonprofit Management, DOI 10.1007/978-3-531-92664-3_8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Urs Jäger, Nina Hug
Raum vor allem von Pfadenhauer vertretene inszenierungstheoretische Ansatz gewählt (vgl. M. Pfadenhauer 2000/2005 und M. Mieg/M. Pfadenhauer 2005). Demzufolge kann Leistung nicht als solche wahrgenommen werden. Die Beobachtung von Verantwortungsträgern bei der Rechtfertigung ihres Tun und Lassens ermöglicht lediglich Aussagen darüber, ob sie gängige Managementbegriffe verwenden, Informationen publizieren, unmittelbar oder mittelbar über Medien mit Gruppen der Öffentlichkeit verhandeln, Zahlen und Statistiken präsentieren oder Geschichten erzählen und vieles mehr. Das alles sind Möglichkeiten, Leistung darzustellen, also Instrumente und Methoden, mit denen man sich glaubhaft als professionell Handelnder in Szene setzen kann (vgl. zur „Darstellung von Leistung“ M. Pfadenhauer 2005: 82). „Inszenierung“ ist allerdings nicht mit einer auf Unterhaltung und Schein ausgerichteten Show gleichzusetzen. Sie bezieht sich auf eine bestimmte professionelle Handlungslogik, durch die NPO-Leistungen und ihr Wert sozial ausgehandelt werden und die es zu erwerben und auszuführen gilt (vgl. zum „sozialen Aushandeln eines Werts von Leistung“ M. Mieg 2005: 25). Damit betont der inszenierungstheoretische Ansatz das Interrelationale zwischen Professionellen und den Klienten oder Gruppen der Öffentlichkeit. Von der inszenierungstheoretischen Warte aus betrachtet weist die Accountability-Literatur Parallelen auf: Auch jene thematisiert die Wechselbeziehung zwischen den NPO und ihren Adressaten. So wird Accountability als Herausforderung verstanden, Kriterien, Maßstäbe und Interpretationen von Leistung mit Stakeholdern auszuhandeln (vgl. J. B. Morrison 2007: 199. Weitere Arbeiten sind: D. L. Brown/M. H. Moore 2001; R. A. Christensen/A. Ebrahim 2006; A. Ebrahim 2003/2005; J. S. Lerner/P. E. Tetlock 1999; J. B. Morrison 2007; S. Ospina et al. 2002). Damit ist – wie im inszenierungstheoretischen Ansatz – auch für viele AccountabilityForschende Rechenschaft über die erwartete und erbrachte Leistung nur sozial verhandelbar. Dem inszenierungstheoretischen Ansatz folgend legt diese Studie ihr forschungsleitendes Interesse auf Inszenierungshandlungen, in denen die Rechenschaft über Leistungen sozial verhandelt wird1. Sie präsentiert Ergebnisse einer empirischen Fallstudie, die in einer Schweizerischen Entwicklungshilfeorganisation realisiert wurde. Aus Sicht der „Rechtfertigung von Leistung“ sind Entwicklungshilfeorganisationen interessant, weil sie spätestens 1
Ein solches Handeln ist dann als „professionell“ zu bezeichnen, wenn es ein diffuses Problem deniert, konkretisiert, vereinfacht und – letztendlich – konstruiert und zu seiner Bewältigung ein Lösungskonzept zur Verfügung stellt (vgl. M. Pfadenhauer 2000: 11. Zu den Kriterien „efzient“ und „methodisch“ vgl. M. Mieg 2003: 26. Sein Kriterium des „wissenschaftlichen Wissens“ wird für diese Studie bewusst ausgeklammert, weil es alle nicht universitär ausgebildeten Lehrberufe außer Acht lässt). Für die folgende Studie ist es damit von Interesse, wie professionell Handelnde das Problem der sozial zu verhandelnden Rechtfertigung von Organisationsleistungen als Problem eingrenzen und welche Lösungskonzepte sie bereithalten. Wir stimmen mit Langer (2007: 227) überein, wenn er schreibt: „Professionell Handelnde sind Experten, die über privilegierte Informationszugänge verfügen und – darüber hinaus – für den Entwurf, die Implementierung und/ oder Kontrolle von Problemlösungen verantwortlich zu machen sind.“ Dagegen soll sein zweites Kriterium, das er wie folgt beschreibt, bewusst eingegrenzt werden: „Kennzeichnend für Professionalität ist […] ein professionelles Sonderwissen, welches geprüft und qua Zerti kat bestätigt wird (Lizensierung), und eine professionelle Kompetenz, nicht nur im Sinne von Befähigung, sondern auch im Sinne von Befugnis, die amtlich bescheinigt ist. Professionelle sind also institutionell – über Lizenz und Mandat – verantwortlich Zuständige für die Bereitstellung, Anwendung und/oder Absicherung von Problemlösungen“ (ebd.). Wenn Langer mit dem Zerti kat eine von Universitäten, Handelskammern, Berufsverbänden und anderen Institutionen verliehene Beglaubigung einer professionellen Kompetenz meint, schliessen wir dieses Kriterium aus. Ansonsten wäre es unmöglich, die Entwicklung einer Profession ohne die Existenz von Institutionen der Professionalisierung zu untersuchen.
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seit den Millennium Development Goals der UN beweisen müssen, inwiefern ihre Projekte zur Reduktion der Armut beitragen können. Diese Vorgaben erzeugen einen Professionalisierungsdruck, den es durch geeignete Konzepte und Lösungsansätze abzufangen gilt. Zwar bestehen einige wenige Lehrgänge für Entwicklungshilfe (beispielsweise NADEL an der ETH Zürich), dennoch sind viele Entwicklungshelfer Quereinsteiger mit erlernten Berufen wie Maurer, Lehrer, Schreiner, Agronom, Betriebswirt usw. Vor diesem Hintergrund stellten sich die Verfasser die Frage: Welche Arten der professionellen Inszenierung entwickeln die Mitglieder einer Entwicklungsorganisation, wenn sie den gesellschaftlichen Wertbeitrag der zentralen Leistung ihrer Organisation verhandeln ? Diese Frage provoziert eine weitergehende Auseinandersetzung mit der vorhandenen Literatur zur Accountability in Nonprot-Organisationen aus inszenierungstheoretischer Sicht. Auf Basis dieser Untersuchung wird anschließend Pfadenhauers (2005) Vorschlag der „Kompetenz zur Darstellung von Gemeinwohlorientierung“ und das von Moore (2000/2003) und Brown/Moore (2001) entwickelte relationale, gemeinwohlorientierte Konzept von Accountability als theoretisch-analytischer Rahmen eingeführt. Nach der Erläuterung dieses methodischen Rahmens der Fallstudie folgt die Präsentation der Ergebnisse und ihre inszenierungstheoretische Analyse. Zuletzt sind die Grenzen dieser Studie aufzuzeigen sowie aus ihr ableitbare weiter führende Forschungswege und Konsequenzen für die Lehre. 2
Accountability im Blick einer gemeinwohlorientierten Professionalisierung
Die existierende Literatur zu Accountability hat bisher nicht aufgezeigt, welche Arten der Inszenierungshandlungen zu Stande kommen. Aus inszenierungstheoretischer Sicht gibt die breite Literatur zu Accountability in Nonprot-Organisationen trotzdem in dreifacher Hinsicht wertvolle Einblicke: a
Accountability zur Förderung einer professionellen Organisationsform
Im Gegensatz zu vielen Professionsforschern, die Bürokratisierung als dem Professionellen zuwiderlaufend darlegen (vgl. zu einer kritischen Betrachtung A. Langer 2007: 228), beschreiben Beckmann et al. (2007: 277) bürokratische Strukturen auch als Stütze für professionelles Handeln. Sie sprechen von einer „professionellen Organisationsform“, d. h. von einer professionellen Form der Bürokratie, wenn diese professionell Handelnden hilft, sich autonom zu verhalten, um für den Kunden einen größtmöglichen Beitrag zu leisten. Laut Beckmann et al. zeigen empirische Studien, wie Accountability-Handlungen einen Lerneffekt erzeugen: Organisationen und ihren Mitgliedern gelang es durch AccountabilityHandlungen, ihre Mission efzienter zu erreichen und einen größeren Wirkungsradius zu entfalten; sie lernten also, professioneller zu handeln. Daraus lässt sich disziplinübergreifend schließen, dass Accountability professionssoziologisch gewendet als bürokratische Vorgabe der Rechtfertigung von Leistung verstanden werden kann, die im Sinn einer „professionellen Organisationsform“ Lernen über professionelles Handeln fördert (vgl. hierzu D. L. Brown/M. H. Moore 2001; R. A. Christensen/A. Ebrahim 2006; A. Ebrahim 2005;
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R. E. Fry 1995; J. C. Green/D. W. Griesinger 1996; J. S. Lerner/P. E. Tetlock 1999; M. H. Moore 2003; M. C. Plantz et al. 1997). Damit können Accountability-Vorgaben einen positiven, weil Professionalität fördernden Einuss auf das Handeln von Führungskräften ausüben. b
Accountability von Managern
In der Professionssoziologie bezeichnen einige Wissenschaftler Managementhandeln als professionell, wenn es gelingt, ökonomische Instrumente und Wissen über die Kontroll- und Steuerungsanforderungen in den relevanten Handlungskontext zu transferieren (vgl. A. Langer 2007: 238). Auch einige Studien der Accountability-Literatur fokussieren auf zumeist in ProtUnternehmen bewährte Instrumente, welche NPO inszenieren, um Geldgeber und andere Stakeholder mit Argumenten zu überzeugen (L. M. Benjamin 2008; R. A. Christensen/A. Ebrahim 2006; A. Ebrahim 2003; A. Ospina et al. 2002). Andere Accountability-Studien betonen hingegen die moralische Verpichtung von NPO, sich in der Öffentlichkeit zu rechtfertigen, ob und wie sie ihre Mission umsetzen (R. D. Behn 2001; D. Campbell 2002; L. B. Chisolm 1995; A. Friedman/M. Phillips 2004; R. Hoefer 2000; R. P. Lawry 1995; J. S. Lerner/P. E. Tetlock 1999). Mit Fokus auf die moralische Rechtfertigung öffnet sich dieses Forschungsfeld der Frage, welches der richtige Weg für eine NPO ist, ihre Mission zu verfolgen (L. B. Chisolm 1995; J. S. Lerner/P. E. Tetlock 1999). Damit wird auch thematisiert, wer berechtigt ist, die Aktivitäten einer NPO zu beurteilen (R. D. Behn 2001; L. B. Chisolm 1995). Gesucht wird also nach Ansätzen, die den gesellschaftlichen Herausforderungen von NPO entsprechen und eine Gemeinwohlorientierung erfassen helfen. c
Gemeinwohlorientierte Accountability
Auf die Frage, was die Leistung professioneller Handlungen auszeichnet, wird häug die Gemeinwohlorientierung angeführt (vgl. M. Mieg 2005: 26). „Profession“ und „Gemeinwohl“ sind also genuin verbunden, wobei die Ausgestaltung dieser Bindung in der Professionssoziologie in dreierlei Form auftritt (vgl. zum Folgenden M. Pfadenhauer 2000): 1.
Gemeinwohl wird verstanden als strategisch klug eingesetzte Berufsideologie. Vereinfacht dargestellt – mit dem Risiko der ungebührlichen Komplexitätsreduktion – geht es um folgende Beobachtung: Lebenspraktische Krisen, wie beispielsweise die Finanzkrise, stellen universelle Werte infrage. Diese haben professionell Handelnde durch ihre berufliche Sozialisation „verkörpert“, sie werden als konstitutiv für professionelles Handeln verstanden. Werden diese Grundwerte durch Krisen in Frage gestellt, ist es die dringliche Aufgabe professionell Handelnder, ihnen wieder zur Geltung zu verhelfen. Die bereits vor der Krise verfügbaren Lösungsansätze werden dann mit Verweis auf die Förderung dieser Werte – eben – inszeniert, und so erfolgt die Durchsetzung und Verteidigung von Partialinteressen und Privilegien in sozialen Verteilungskämpfen unter dem Deckmantel des Einsatzes für das Gemeinwohl (vgl. M. Pfadenhauer 2000: 5).
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Gemeinwohl wird deniert als Wesensmerkmal von Professionen. Für professionell Handelnde ist es – nach diesem Verständnis – handlungsleitend, sich nicht am Eigeninteresse, sondern am Kollektiv zu orientieren, wobei das kleinste relative Kollektiv die Professionellen-Klienten-Beziehung ist. Somit beinhaltet die Aufgabe des Professionellen nicht nur, „den Klienten wieder zur Rollen- und Aufgabenerfüllung zu befähigen, sondern darüber hinaus, dessen ‚Bindung‘ an Kollektive aller Art, an normative Regeln und gesellschaftliche Wertvorstellungen wiederherzustellen“ (Parsons 1968b, 333 ff., zitiert nach M. Pfadenhauer 2000: XX). Folglich liegt Uneigennützigkeit im Eigeninteresse professionell Handelnder (vgl. M. Pfadenhauer 2000: 4). Ökonomisch gewendet bedeutet dies, dass Eigeninteresse dem Gemeinwohl nicht zuwiderlaufen muss. Die dritte Form bezeichnet nach Pfadenhauer die „Kompetenz zur Darstellung von Gemeinwohlorientierung“ (M. Pfadenhauer 2000: 1). Diese Kompetenz zur wie auch immer gearteten Reklamation von Gemeinwohlorientierung scheint für professionell Handelnde essentiell notwendig zu sein. Das bezeugt die umfangreiche AccountabilityLiteratur über die Frage, wie NPO ihr Tun und Lassen gegenüber spezischen Stakeholdern legitimieren können. Bei diesen Stakeholdern handelt es sich zum Beispiel um den Aufsichtsrat (J. C. Green/D. W. Griesinger 1996; R. Hoefer 2000; T. P. Holland 2002; S. Ospina et al. 2002), um Geldgeber und Förderer (L. M. Benjamin 2008; D. Campbell 2002; A. Ebrahim 2002/2005; S. Ospina et al. 2002; D. L. Poole et al. 2001), um Behörden (M. Lee 2004), Entscheidungsträger (J. S. Lerner/P. E. Tetlock 1999), Aufsichtsgremien (K. P. Kearns 1994), institutionelle Träger (S. Ospina et al. 2002) oder um Angestellte (L. M. Benjamin 2008; D. Campbell 2002; R. Hoefer 2000; K. P. Kearns 1994), Mitglieder (A. Friedman/M. Phillips 2004; S. Ospina et al. 2002; D. R. Young 2002) Freiwillige oder Klienten (A. Ebrahim 2005; R. Hoefer 2000; J. B. Morrison 2007). Diese Ansätze grenzen Gemeinwohl auf die Befriedigung der Bedürfnisse bzw. die Entsprechung der Interessen und Ansprüche der genannten Stakeholder ein. Damit werden StakeholderDialoge, die für Gemeinwohlorientierung stehen, als Lösung begriffen.
Nach Pfadenhauer ist die Gemeinwohlorientierung aber nicht Teil der Lösung, sondern des Problems. Professionell Handelnde halten dafür eine Lösung bereit, die das, was sie ohnehin tun, als die sinnvollste Option erscheinen lässt. Die professionelle Leistung besteht nach dieser Vorstellung in der individuellen oder kollektiven Denitionsleistung in Bezug auf das Problem der prinzipiell diffusen Gemeinwohlidee. Damit ist das Gemeinwohl ein niemals erreichbarer – idealer – Legitimationsbezug. Niemand weiß, was das materielle Allgemeininteresse ist oder je sein könnte, und trotzdem bleibt der Legitimationsbezug formal bestehen (vgl. M. Pfadenhauer 2000: 11). Der dritten Form „Kompetenz zur Darstellung der Gemeinwohlorientierung“ entsprechend referieren im Accountability-Diskurs Moore und Ebrahim auf die Gesellschaft als Ganzes, der gegenüber NPO ihre Existenz rechtfertigen müssten (D. L. Brown/M. H. Moore 2001; A. Ebrahim 2003; M. H. Moore 2000/2003). Diese Perspektive auf das Gemeinwohl als „Teil des Problems“ wird von Autoren unterstützt, die das Verhandeln von Accountability in sozialen Kontexten beobachten (R. D. Behn 2001; L. B. Chisolm 1995; M. C. Plantz et al. 1997; M. Stephenson 2006). Bezugnehmend auf Moore (2000/2003) und Pfadenhauer (2000) wird in dieser Studie „Accountability“ als ein relationales Konzept verstanden, mit dem die
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Dienste einer NPO hinsichtlich ihrer gemeinwohlorientierten Leistungserbringung inszeniert werden. Dieses Konzept beinhaltet zwei Aspekte: ▪
▪
Gemeinwohlorientierte Leistung: Der Fokus von Accountability-Handlungen in NPO liegt nicht nur auf einem einzelnen Stakeholder. Moore (2000: 184 f.) betont in diesem Zusammenhang: „to legitimize themselves organizations must show that they have a social raison d’être beyond their own survival.“ Mit dem Thema der gemeinwohlorientierten Leistung gerät die Beurteilung der zentralen Dienste einer NPO in den Blick: Welchen Beitrag leisten sie dazu ? NPO müssen die mit ihrer Vision und Strategie eingegangenen Verbindlichkeiten als dem Gemeinwohl dienlich darstellen können, um Unterstützung für ihre Ziele zu erlangen (M. H. Moore 2000: 184). Den Ausgangspunkt zur Überzeugung potenzieller Ressourcengeber oder Kritiker, die nach dem Existenzrecht einer NPO fragen, bilden daher plausible Argumente (D. L. Brown/M. H. Moore 2001: 577; M. H. Moore, 2003). Inszenierung: Der Begriff „Inszenierung der gemeinwohlorientierten Leistung“ bezieht sich auf die Idee, dass jede Evaluation eines Dienstes in der Tat eine Inszenierung in dem Sinne ist, als dass viele verschiedene Möglichkeiten zur Darstellung einer gemeinwohlorientierten Leistung denkbar sind.
Im Rahmen dieser Auffassung der notwendigen Inszenierung gemeinwohlorientierter Leistung fragt diese Studie danach, im Hinblick auf welche Bewertungsmuster und Referenzen Mitglieder in NPO die geschaffene gemeinwohlorientierte Leistung inszenieren. 3
Kurzbeschreibung der Methode
Um zu analysieren, wie Mitglieder einer NPO ihre gemeinwohlorientierte Leistung inszenieren, wurde eine retrospektive Einzelfallstudie realisiert. Der historische Bezug und eine zehn Monate andauernde Datenerhebung ermöglichten die Erkennung von Mustern und Veränderungen über die Zeit. Im Zentrum der Untersuchung standen keine Verhaltensformen in Präsentationen, Begegnungen oder anderen sozialen Ereignissen, sondern sprachliche Inszenierungen. Dieser Fokus dokumentiert die Anwendung der Diskursanalyse, die eine nähere Betrachtung der relationalen und verhandelbaren Dimension von AccountabilityHandlungen in NPO erlaubt (E. Vaara et al. 2004). Mithilfe der Diskursanalyse konnte sowohl das gesprochene und geschrieben Wort erhoben werden, als auch der soziale Kontext, in dem diese Texte produziert oder genutzt wurden (M. Alvesson/D. Karreman 2000; C. Hardy 2001). Besonderes Interesse galt der Untersuchung, wie die Mitarbeitenden der NPO von ihren Erfahrungen berichten, überzeugende Argumente konstruieren und Sprache verwenden, um ihre Leistungen als gemeinwohlorientiert zu inszenieren. Um das Phänomen der Inszenierung gemeinwohlorientierter Handlung zu studieren, konnte eine Schweizer Entwicklungshilfeorganisation, der wir hier das Pseudonym „Swissdevelope“ verleihen, als Forschungspartner gewonnen werden. Entwicklungshilfeorganisationen zeichnen sich durch eine extrem hohe Anzahl an Evaluationen und Impact-Messungen aus, die von Geldgebern – meist Regierungen, aber auch Unternehmen – nachgefragt werden.
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So wurde auch Swissdevelope in den letzten vier Jahren sieben Mal im Hinblick auf die Wirksamkeit ihrer Maßnahmen evaluiert, was diese Organisation zu einem Extremfall im Bereich der Accountability-Handlungen macht. Das gilt insbesondere, weil Swissdevelope mit ihren 16 Mitarbeitern im Vergleich zu anderen Organisationen im selben Sektor eher klein ist. Zudem gibt es in der Organisation keine Abteilung, die für die Realisierung der Evaluationen zuständig wäre. Deshalb konnte angenommen werden, dass alle Mitarbeitenden in die Evaluationen involviert waren und dass alle Zeit und Energie in diese Accountability-Handlungen investieren und reektieren mussten, inwiefern ihre Leistung das Gemeinwohl förderte. Während der Forschungsphase wurden Daten vieler verschiedener Quellen gesammelt, um einen tiefen Einblick sowohl in den organisationalen Kontext als auch in die von den Angestellten produzierten Texte betreffend Accountability zu gewinnen. Die Datenerhebung verlief in fünf Schritten: Zunächst wurde ein Strategie-Workshop beobachtet, der die Mitarbeiter in eine neue Dimension von Accountability einführte. In einem nächsten Schritt wurden zwei Fokus-Gruppen organisiert, um aus erster Hand Einblick in die Herausforderungen bei der Strukturierung der Diskussion über Accountability zu bekommen. Schnell zeigten sich die unterschiedlichen Vorstellungen der Parteien, denen gegenüber die Organisation über die Priorisierung der Leistungskriterien Rechenschaft ablegen musste. Basierend auf diesen ersten Einblicken wurden in einem dritten Schritt Schlüsselpersonen ausgewählt, die der Forschungspartner als zentral für Accountability-Prozesse betrachtete. Seine Vorschläge wurden mit folgenden Auswahlkriterien verglichen: ▪ ▪ ▪ ▪
Der Interviewpartner musste an den Aushandlungsprozessen über Accountability in der Organisation beteiligt gewesen sein. Sie oder er musste mindestens zwei Jahre bei der Organisation angestellt sein. Sie oder er musste mindestens an zwei Evaluationen teilgenommen haben. Unter den Interviewten sollten sich sowohl Projektleiter als auch das Top-Management benden.
Parallel zu den Interviews wurden anschliessend Dokumente gesammelt, die eine starke Verbindung zum Thema Accountability aufwiesen (Jahresberichte, Evaluationsberichte). In einem letzten Schritt schließlich wurden die Ergebnisse der Interviews und Dokumentenanalysen in drei Fokusgruppen präsentiert und diskutiert (vgl. Tabelle 1). Die Interviews wurden vollständig transkribiert und die teilnehmenden Beobachtungen über ausführliche Notizen durch die beiden anwesenden Forscher dokumentiert. Für die Analyse dieser Daten wurde ein In-vivo-Codierprozess gewählt. Nach dem individuellen Studium der Transkripte setzten sich die Forscher zusammen und diskutierten die auffälligsten Textpassagen. Die Relevanz der Interviewdaten für die Fragestellung wurde an Hand dreier zufällig gewählter Interviews getestet. Die Paraphrasierung der als aussagekräftig identizierten Textpassagen innerhalb dieser Interviews (In-vivo-Codes) erfolgte in gemeinsamer Arbeit. Die Erfahrungen mit den ersten drei Interviews vor dem Hintergrund des Forschungsprozesses bildeten die Basis für die Codierung der übrigen Texte. Insgesamt wurden 745 In-vivo-Codes erstellt. Um die In-vivo-Codes trotz der zu erwartenden unterschiedlichen Ansichten zu Accountability auf den unterschiedlichen Hierarchieebenen von Swissdevelope
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sinnvoll in abstraktere Kategorien zu gruppieren, wurden die Codes aus den Interviews mit den Mittelmanagern/Projektleitern und den Top-Managern zunächst voneinander isoliert erstellten. Erst danach wurden die Gruppierungen der abstrakten Codes zusammengeführt. Tabelle 1
Daten
Schritt
Forschungsaktivität
1
Beobachtung eines Strategietreffens mit den Geld-/Mandatgebern: Einführung einer systemischen Dimension von Accountability
1
2
Prä-Fokus-Gruppe Bekanntmachung des Forschungsteams mit den Mitarbeitern, Erklärung Interview-Methode Klärung erster Kontextfragen Erster Einblick in Herausforderungen der Organisation bei der Strukturierung ihrer Accountability-Diskurse Datenerhebung (Texte, die während des Workshops produziert wurden) Identikation der Interviewpartner
2
3
Interviews Zwei Forscher Narratives Tiefeninterview Zwei Ebenen der Analyse: Top-Management-Team (4), Projektleiter, mittleres Management (12)
4
Sammlung von Dokumenten Jahresberichte und vorbereitende Berichte aus den Jahren 1998–2008 Evaluationsberichte
5
Post-Fokus-Gruppe Spiegeln der Interview-Analyse Datensammlung (Texte, die während des Workshops produziert wurden)
4
Anzahl
16
20 7 3
Hybridisierung der gemeinwohlorientierten Leistungsinszenierung bei Swissdevelope
Swissdevelope wird mehrheitlich durch die öffentliche Verwaltung nanziert. Sie implementiert Handelsförderprogramme, die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Entwicklungsländern helfen, ihre Produkte auf dem Schweizer und europäischen Markt abzusetzen. Damit zielt Swissdevelope darauf ab, die lokalen Märkte zu stärken, in welche die KMU eingebettet sind. So sollen die Wettbewerbsfähigkeit der KMU in den geförderten Länderkontexten verbessert, Arbeitsplätze geschaffen und damit Armut bekämpft werden. Swissdevelopes Mission ist denn auch die Reduktion von Armut in Entwicklungsländern. Seit Swissdevelops Gründung im Jahr 1998 lässt sich die Entwicklung der Organisation in vier Phasen unterteilen: a)
Start-up: Von 1991 bis 2000 unterstützte eine staatliche Behörde KMU in Entwicklungsländern beim Export ihrer Produkte nach Europa. Man wollte Schweizer Firmen Informationen zu den Entwicklungsmärkten zur Verfügung stellen. Diese Aufgabe übernahm jeweils eine Mitarbeiterin in Zürich und Lausanne, bis 1998 die Zentralisierung
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b)
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in Zürich in einer Abteilung des privaten wirtschaftlichen Verbandes BusinessSupport (auch dies ein Pseudonym) erfolgte. Zu jener Zeit war Accountability ein informeller Prozess. „Weil wir nur einen kleinen Teil von BusinessSupport ausmachten, wurden uns keine konkreten Ziele vorgegeben, die wir erreichen mussten“, erklärt die Projektleiterin, die seit dem Start der Importförderung dabei war. Damals bewerteten die Projektleiter ihre Leistungen aufgrund persönlicher Erfahrungen mit den Partnern aus den Entwicklungsländern und der eigenen Motivation, wie es ein Mitglied des oberen Managements von BusinessSupport formulierte: „Die Projektleiter haben einen dringenden Wunsch zu helfen und direkt bei den Leuten zu sein, um zu sehen, wie deren ökonomische Situation verbessert werden kann“. Einer der Projektleiter erklärte es so: „Wissen Sie, wenn man eine geförderte Firma drei Jahre später besucht und sieht, dass sich die Produktionsstätte von einem kleinen Verschlag zu einer echten Fabrikhalle ausgebaut hat, dann macht das einen Riesenspaß“ […] „Es ist mir wichtig, mit den Projekten Spuren zu hinterlassen und mich zu versichern, dass die Firmen nach einer Intervention mit einem guten Gefühl nach Hause gehen.“ Wachstum: 2001 wurde die Abteilung aus BusinessSupport herausgelöst und Swissdevelope als eigenständige NPO gegründet. Der damaligen Abteilungsleiter der Entwicklungsarbeit hatte diesen Schritt gefordert, weil die Tätigkeiten der Abteilung mit der Zahl der Projekte anwuchs und in Konikt mit den Verwaltungsstrukturen von BusinessSupport geriet: Die Abteilung unterstützte mehr KMU in immer mehr Ländern und beschäftigte mehr Projektleiter als zuvor. Mit der Gründung von Swissdevelope verstärkte sich dieses Wachstum noch. Der ehemalige Abteilungsleiter wurde zum Geschäftsleiter von Swissdevelope. Er akquirierte die neuen Projekte vornehmlich über persönliche Kontakte. Anlässlich der Gründung von Swissdevelope wurden auch ein Beirat und ein Aufsichtsrat eingesetzt, an den die Projektleiter zu berichten hatten. Einhellig erklärten die Projektleiter, dass Swissdevelope zu jener Zeit auf die Steigerung der Exportfähigkeit der KMU in Entwicklungsländern fokussierte. Man führte Indikatoren zur Erfassung der Unterstützungsmechanismen für KMU ein, um die Umsetzung des Ziels transparent zu machen, so etwa die Zahl der an einer Messe teilnehmenden Unternehmen, die Menge der dort akquirierten Kontakte, die zu Handelsabschlüssen und gestiegenen Absatzzahlen führten sowie die Anzahl der durch gesteigerte Exporte geschaffenen Stellen. Diese Entwicklung wurde von den Projektleitern beobachtet. „Swissdevelops Entwicklung [verlief damals, d. V.] sehr logisch. Da wir Erfolgsgeschichten zu präsentieren hatten, waren mehr Firmen an unseren Aktivitäten interessiert und wir hatten mehr Mitarbeiter, um die gestiegene Zahl der Projekte zu bewältigen“, erklärte ein Projektleiter. Weil Swissdevelope ihre Aktivitäten auf neue Länder ausweitete, waren neue KMU auch über direkte Marketing-Kampagnen in das Programm zu integrieren. Projektleiter fragten KMU direkt, ob sie in das Förderprogramm eintreten wollten. „Wenn ich eine Firma anspreche, dann muss ich auch in der Lage sein, ihnen mitzuteilen, warum es sich für sie lohnen würde, eine Partner-Firma von uns zu werden. An deren Stelle wäre ich skeptisch, wenn da auf einmal jemand von einer Schweizer Organisation kommt und mir sagt, er könne mir helfen nach Europa und in die Schweiz zu exportieren“, sagte ein Projektleiter. Andere erwähnten, dass es von besonderer Wichtigkeit sei, die Effektivität des Förderprogramms aufzuzeigen, weil sich die Partnerrmen zu einem gewissen Grad nanziell
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c)
d)
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an den Fördermaßnahmen beteiligen müssten. In diesem Überzeugungsprozess wurden Indikatoren relevant, die den Erfolg der Organisationsintervention aufzeigten und einen Vergleich mit anderen KMU zuließen, wie ein Projektleiter berichtet: „Wir haben erfasst, wie viele Kontakte wir an einer Messe vermitteln konnten. Diese Kontakte vergrößern das Netzwerk der Firmen und resultieren über lange Sicht in gestiegenen Exportzahlen“. Zurück zu BusinessSupport: 2007 änderten sich die politischen Rahmenbedingungen: Alle Programme und Aktivitäten, welche die Schweiz im Ausland vertraten, sollten nun zusammengefasst und koordiniert werden. Weil Swissdevelope – trotz Eigenständigkeit – wesentlich vom Staat nanziert wurde, konnte sie gezwungen werden, sich wieder als Abteilung in BusinessSupport einzugliedern und den Status als eigenständige NPO aufzugeben. Sie behielt aber ihren Namen. Diese Integration führte zu einer Umstrukturierung der Organisation, die neue Hierarchien und auch Entlassungen von Mitarbeitern zur Folge hatte. Zudem wurden die Erfolgsindikatoren Swissdevelopes durch den Geschäftsleiter von BusinessSupport geprüft. Anfang 2008 entwickelte das Top-Management-Team von BusinessSupport so genannte Key Performance Indicators (KPIs), welche die bisherigen KMU-Indikatoren systematisieren und standardisieren sollten. Zudem wurde ein Mandat mit der öffentlichen Verwaltung – immer noch Hauptsponsor von Swissdevelope – ausgehandelt. Im Rahmen dieses Mandats hatten die neu eingeführten KPI die Funktion, die Diskussion über Swissdevelopes Erfolg und Effektivität zu strukturieren. Trotzdem wandten die Projektleiter dieselben Erfolgsmessungsmethoden auf die KPI an, mithilfe derer sie vorher die KMU-Indikatoren erfasst hatten. „Was neu ist, sind die konkreteren Regeln, wann Zahlen zu erfassen sind und welcher Vorgehensweise dabei zu folgen ist. Datenerhebung und Fragebögen sind nun standardisiert und sollten in über die Sektoren und Projekte hinweg vergleichbare Zahlen münden“, umschrieb der Top-Manager von BusinessSupport seine Erwartungen an die KPI. Ein Projektleiter versteht die KPI in erster Linie als „Befriedigung“ von BusinessSupport: „Haben wir 200 neue Jobs geschaffen ? Wenn das der Fall ist, sind alle glücklich – mehr brauchen wir nicht zeigen. Und weil die Leute von BusinessSupport nicht wirklich verstehen, was wir machen, ist es okay, wenn wir die [Zielgrößen, d. V.] erfüllen.“ Aber immer noch zählt für die Projektleiter eine gute Beziehung zu den Partnerrmen als Erfolgsfaktor: „Erfolg hängt von einer guten Beziehung zu den Partnern ab. Man entwickelt über die Zeit eine persönliche Beziehung zu den Leuten der KMU, die man unterstützt. Deshalb kommuniziere ich nicht nur mit ihnen, wenn ich ein bestimmtes Anliegen habe, sondern auch mal nur, um deren Neuigkeiten zu erfahren“. Der systemische Ansatz: Anfang 2008 ging der bisherige Geschäftsleiter von Swissdevelope in Pension und eine neue Geschäftsführerin mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit wurde eingestellt. Von ihrer Praxis ausgehend stellte sie eine für die Projektleiter von Swissdevelope bisher unbekannte Forderung an Accountability: „Wir müssen zeigen können, dass wir mit unseren Projekten Armut reduzieren können. Das ist unser politischer Auftrag.“ Weil sie in dieser Idee von der öffentlichen Verwaltung – dem Mandatsgeber – unterstützt wurde, initiierte sie eine Diskussion über die nachhaltige Wirkung von Swissdevelopes Projekten. Sie engagierte einen externen Berater eines renommierten Entwicklungshilfe-Instituts der USA und organisierte einen Workshop mit ihrem Team und Vertretern des Mandat- und Geldgebers. Die von ihr
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als „neu“ dargestellte Perspektive nannte sie „den Systemansatz“, mit Hilfe dessen der Blick dafür geschärft werden sollte, inwiefern Swissdevelopes Projekte Armut tatsächlich bekämpfen können. Während des Workshops analysierten die Teilnehmer, wie Swissdevelope dieses Ziel erreichen könnte. Anschließend lancierte die neue Geschäftsleiterin Pilotprojekte, welche den systemischen Ansatz testen sollten. Der externe Berater sollte die Projektleiter bei der Umsetzung der Pilotprojekte unterstützen. Mit deren Lancierung wurde auch ein neues Accountability-Modell eingeführt, das stärker auf nachhaltige Wirkung ausgerichtet war und den Einuss der Projekte auf Armutsbekämpfung erfassen sollte. Auch wenn die Projektleiter den Pilotprojekten mit Skepsis begegneten, war deren Nachhaltigkeit doch von großer Wichtigkeit für sie: „Entwicklungshilfe macht nur Sinn, wenn sie die lokale Wirtschaft eines Entwicklungslandes unterstützt“, erklärte ein Projektleiter. Ein anderer fügte hinzu: „Wir müssen Strukturen etablieren, die den Leuten helfen, sich selbst zu helfen. […] Wir müssen Nachhaltigkeit im Sinne einer langfristigen Wirkung unserer Projekte nachweisen. Was passiert, wenn wir ein Land verlassen ? Das sind langfristige Prozesse. Zurzeit haben wir damit noch wenig Erfahrungen, weil die Pilotprojekte erst vor wenigen Monaten eingeführt wurden.“ Die Gestaltung von Pilotprojekten erfordert Wissen über die gesamte Wertschöpfungskette eines Sektors. Aber das ist den Projektleitern nicht neu: „Wenn wir in ein Land gehen, analysieren wir immer die Probleme und Herausforderungen des Sektors zusammen mit lokalen Exportförderorganisationen und anderen relevanten Institutionen. Wenn wir das getan haben, machen wir einen Workshop mit 40–50 Firmen, um diejenigen auszuwählen, mit denen wir zusammenarbeiten.“ Auch Nachhaltigkeit ist schon ein inhärenter Teil von einigen Projekten: „In dem Sektor, den ich betreue, ist über die Jahre eine Art Familie gewachsen. Ich bin darauf schon stolz. Die KMU, die zusammen an die Messe gehen, helfen sich gegenseitig aus, ohne dass ich dazu anrege. Zum Beispiel hat eine indonesische Firma auf einer Messe mitbekommen, dass die serbischen Kollegen kleine Magnete für ihre Produktion benötigen. Als die Indonesier auf einer Beschaffungsreise nach China waren, sahen sie, dass dort die Magnete viel günstiger beschafft werden könnten als in Deutschland. Sie haben dann den Serben diesen Kontakt vermittelt. Das sind die kleinen Dinge, die Freude machen !“ Swissdevelope entwickelte sich in den zuvor beschriebenen vier Entwicklungsstadien, die sich jeweils durch einen eigenen Typ der Leistungsinszenierung auszeichnen. Diese Typen lösen sich nicht gegenseitig ab, sondern ergänzen sich (siehe Tabelle 2). a
Erfahrungsbezogene Leistungsinszenierung
In der ersten Entwicklungsphase waren die Projektleiter mit ihrer Leistung zufrieden, so lange sie die KMU erfolgreich unterstützen konnten. Um ihre Ergebnisse auf dieser Basis zu evaluieren, verwendeten sie viel Zeit darauf, eine Beziehung zu den Partner-KMU aufzubauen. Zur Leistungsbewertung versuchten die Projektleiter zu erfahren, ob die Vertreter der unterstützten Firmen aufgrund von Swissdevelopes Unterstützungsleistungen eine Verbesserung ihrer Lage wahrnahmen.
Persönliche Motivation
„[…] wir hatten keine strikten Ziele vorgegeben“ „Projektleiter haben den starken Wunsch zu helfen und direkt bei den Menschen zu sein […]“ „[…] eine lokale Firma zu besuchen […] das macht Spaß !“ „[…] ein gutes Gefühl haben […]“
Typen von Leistungsinszenierungen
Erfahrungsbezogene Leistungsinszenierung
Gemeinwohlorientierte Leistungsinszenierung
Soziale Leistungsinszenierung
Ökonomische Leistungsinszenierung
Phase 1
„Erfolg ist abhängig von einer guten Beziehung mit den Partnern“ „[…] messen, wie viele potenzielle Käufer wir an der Messe mit den KMU verbinden“ „[…] Schweizer, die mir sagen, sie könnten mir helfen, meine Exporte auf den europäischen Markt zu steigern“
„Da wir Erfolgsgeschichten hatten […] waren mehr Firmen interessiert“
Partnerschaften
Phase 2
„Erfolg ist abhängig von einer guten Beziehung mit den Partnern“ „[…] konkrete Regeln, wann die Erhebung der Zahlen erfolgt und welchen Prozessen dabei zu folgen ist“
„Haben wir 200 neue Jobs geschaffen ? Mehr brauchen wir nicht zeigen.“
„[sie] verstehen nicht wirklich, was wir tun […], wir müssen die von ihnen gesetzten Kennzahlen erfüllen, dann ist das okay“
Finanzielle Ressourcen
Phase 3
Aufeinander aufbauende Typen der Leistungsinszenierung
Entwicklung
Tabelle 2
„Wir müssen zeigen können, dass wir Armut reduzieren.“ „Wir müssen zeigen, dass unsere Projekte langfristig wirken. Was passiert, wenn wir das Land verlassen ?“
„Wir müssen Strukturen etablieren, die den Menschen helfen, sich selbst zu helfen.“
„Entwicklungshilfe macht nur Sinn, wenn es die lokalen Märkte in den Entwicklungsländern stärkt“
„[…] eine Art Familie ist entstanden. Ich bin schon stolz. Sie helfen einander“
Unterstützung der Öffentlichkeit
Phase 4
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Für Außenstehende brachten diese persönlichen Erfahrungen aus der Interaktion mit den Firmen keine „sichtbaren“ Resultate. Beispielsweise werteten Projektleiter eine Intervention als Erfolg, wenn die Workshopteilnehmer von positiven Gefühlen nach einem Workshop berichteten. Damit wurden „persönliche Erfahrungen“ von den Projektleitern als erfolgreiche „Messmethode“ verstanden. Um zu argumentieren, ob sie eine Firma in der richtigen Art und Weise und mit den richtigen Mitteln unterstützt hatten, setzten sie ihr „gutes Gefühl“ oder eine „Erfolgsgeschichte“ in Szene. Über alle Entwicklungsstadien hinweg sind Inszenierungen der „persönlichen Erfahrungen“ für die Projektleiter ein wichtiges Element, wenn sie über ihre Leistungen sprechen. Diese erfahrungsbezogene Leistungsinszenierung erwies sich als eng mit der persönlichen Motivation der Projektleiter verknüpft. Mit den lokalen Partner-KMU in Kontakt zu sein und deren erfolgreiche Entwicklung mitzuerleben, war der zentrale Grund für die Projektleiter, sich für Swissdevelope einzusetzen. An Messen anwesend zu sein, um dort die KMU bei ihren Verhandlungen zu unterstützten, stellte eine Quelle der Motivation dar: „Wir sind hier Projektleiter, die Dinge umsetzen, die an der Front arbeiten und die zum Ziel haben, eine gute Beziehung mit den Firmen aufzubauen. Wir produzieren nicht lange Strategiepapiere, wir wollen die positive Entwicklung der Firmen, die wir unterstützten, mitverfolgen können.“ Die erfahrungsbezogene Leistungsinszenierung bildete die Grundlage aller anderen – im Folgenden zu diskutierenden – Leistungsinszenierungen. Wurden die persönlichen Erfolgsgeschichten und damit die zentrale Motivation der Projektleiter nicht berücksichtigt, löste das Widerstand in anderen Leistungsinszenierungen aus. Das fand zum Beispiel in der vierten Entwicklungsphase statt, als vergangene Nachhaltigkeits-Erfolge in der Einführung des Wandelprozess unberücksichtigt blieben. So sagte ein Projektleiter: „Wir haben ein Kommunikationsproblem, wie wir in der Vergangenheit bereits unsere Projekte durchgeführt haben. Wenn wir erst jetzt anfangen würden, Wertschöpfungsketten beim Projekteinstieg zu analysieren, dann hätten wir in den letzten Jahren einen schlechten Job gemacht.“ Er fügte hinzu, dass der „systemische Ansatz“ vom Top-Management eingeführt wurde und die Projektleiter das Gefühl hätten, auf eine externe Anforderung reagieren zu müssen. b
Ökonomische Leistungsinszenierung
Mit der Einführung von KMU-Indikatoren reagierte Swissdevelope auf die Notwendigkeit, potenziell an den Förderprogrammen interessierte KMU aus Entwicklungsländern mit Informationen zu versorgen. KMU, die über eine Regierungsinstitution oder andere Entwicklungshilfeorganisationen auf die Förderprogramme aufmerksam wurden, konnten nun nicht mehr mit persönlichen Erfolgsgeschichten – wie noch bei der Vermittlung über persönliche Kontakte – überzeugt werden, sondern verlangten nach aussagekräftigen Zahlen über den ökonomischen Nutzen. Während der Interviews haben sowohl Projektleiter als auch Mitglieder des Top-Managements die Qualität dieser Indikatoren diskutiert. Aus der Retrospektive betrachtet ist eine fehlende Standardisierung der Indikatoren in der Einführungsphase festzustellen. „Es war nicht ganz klar, welche Art von Kontakten an Messen gezählt wurden und wann ein Kontakt als ‚zu einem Geschäft führend‘ beurteilt wurde. Es gab keine Regeln, wann die Projektleiter die Daten von den Firmen zu erfassen hatten. Deshalb waren die Zahlen
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Urs Jäger, Nina Hug
nicht über Projekte und Sektoren hin vergleichbar“, sagte ein Mitglied des Top-Managements. Wenn zum Beispiel die Zahl der Geschäftskontakte am letzten Tag der Messe erfasst wurde, war nicht abzusehen, welcher dieser Kontakte tatsächlich zu einem Geschäftsabschluss führen würde. Eine Feststellung dieser Kontaktzahl nach drei Monaten durch einen anderen Projektleiter würde ganz andere Zahlen generiert haben. Abgesehen davon wurde das erzielte Exportvolumen der Firmen nicht extern gemessen, sondern musste von den KMU selber angegeben werden. „Die Zahlen, die wir einholten, basierten auf der Wahrnehmung der Firmen“, erklärte ein Projektleiter. Diese Einschätzung ließ die Projektleiter bezweifeln, ob mit den KMU-Indikatoren wirklich der Erfolg des gesamten Dienstleistungsspektrums der Organisation abgebildet werden konnte: „Wenn ich die Daten selber erhebe, dann habe ich eine einigermaßen gute Kontrolle darüber, ob diese auch verlässlich sind. Aber wenn wir die Daten – wie wir es jetzt machen – mit Fragebögen erheben, dann ist die Datenauswahl und Verlässlichkeit eher Zufall.“ Weiter argumentierten die Projektleiter, die Daten könnten nur etwas über die einzelne KMU aussagen. „Jedes Projekt und jede Firma hat seine individuelle Entwicklung und hat Erfolg auf unterschiedlichen Ebenen. Dies alles in einer Zahl zusammenzufassen, ist keine valide Form, den Erfolg unserer Programme zu erfassen.“ Insgesamt wurden die KMU-Indikatoren von den Projektleitern nicht dazu verwendet, für den generellen Erfolg der Organisation zu argumentieren, sie wurden vielmehr inszeniert, um einzelne KMU von ihrer Dienstleistung zu überzeugen. In der ökonomischen Leistungsinszenierung suchte man nach „Partnerschaften“. Nur wenn Swissdevelope in der Lage war, den Mehrwert ihrer Interventionen zu belegen, würden KMU auf diese Partnerschaft eingehen. Weil die „raison d’être“ (Moore, 2000) der Organisation darin lag, KMU in Entwicklungsländern den Export auf den europäischen und Schweizer Markt zu erleichtern, erwiesen sich Partnerrmen und deren Bereitschaft zur Kooperation für den Leistungserfolg als zentral. Da es sich bei Swissdevelopes Klienten um Prot-Unternehmen handelte, war die ökonomische Leistungsinszenierung von Bedeutung. Die Partnerrmen wollten ihr Einkommen maximieren und traten deshalb nicht in die Partnerschaft ein, wenn sie nicht davon überzeugt waren, dass sich der Einsatz ihrer Zeit und ihres Geldes auf längere Sicht auch nanziell rentieren würde. c
Soziale Leistungsinszenierung
Die soziale Leistungsinszenierung fokussierte auf die Beziehung zwischen Swissdevelope und ihren Partnerrmen, sowie auf die Beziehung zwischen Swissdevelope und der staatlichen Verwaltung, die das Mandat vergab. So betrachteten die Projektleiter Beziehungen als den wichtigsten Erfolgsindikator. Aus ihrer Sicht war eine gute Beziehung ausschlaggebend dafür, ob ein Projekt erfolgreich war: „Erfolg hängt von einer guten Beziehung mit den Partnern ab.“ Auch die Einstellung der Projektleiter zu den KPI, die durch die staatliche Verwaltung vorgegeben sind, reektiert die Bedeutung der Beziehungsebene. Wichtig für die Projektleiter sind nicht die KPI an sich, sondern die Erfüllung der über die KPI ausgedrückten Erwartungen der staatlichen Verwaltung. „Das Mandat strukturiert unsere Indikatoren, die Aufgaben und die Ziele. Und es ist klar, dass wir ihren Erwartungen nachkommen müssen.“ Die Erwartungen der staatlichen Verwaltung zu erfüllen bedeutete, ihre Kriterien zu erfül-
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len. „[Die staatliche Verwaltung, d. V.] gibt uns das Geld, deshalb müssen wir ihre Indikatoren erreichen.“ Die KPIs entwickelten sich zu einem Instrument der Erfolgsinszenierung gegenüber dem Geldgeber. Die Projektleiter stellten die Angemessenheit der Indikatoren zur Erfassung des Projekterfolgs nicht infrage, sondern akzeptierten diese schlicht, was als pragmatische Entscheidung zu verstehen ist. Die Interviews brachten ans Licht, dass die Projektleiter das Gefühl hatten, sowohl die staatliche Verwaltung als auch BusinessSupport verstünden ihre Herangehensweise an die Projekte nicht. „Manchmal ist die Koordination der Aktivitäten – obwohl aus politischen Gründen notwendig – nicht möglich, weil wir gegenseitig zu wenig über die Projektherangehensweise wissen“, sagte ein Projektleiter. Besonders unbefriedigend erschien die Beziehung zu BusinessSupport: „Sie verstehen nicht, mit welchen Problemen wir bei uns zu kämpfen haben und dass die Bedürfnisse unserer Partnerunternehmen andere sind als die von Schweizer Firmen“, klagte ein anderer. Die Zeit, die darauf verwendet werden musste, den Kontext und die Relevanz von Swissdevelopes Arbeit zu erläutern, wurde als für die Realisierung der Importförderung verloren wahrgenommen. Um mit dieser Unzufriedenheit umgehen zu können, war es für die Projektleiter umso wichtiger, Motivation aus den persönlichen Erfolgsgeschichten zu ziehen. d
Gemeinwohlorientierte Leistungsinszenierung
Zumindest in den neu eingeführten Pilotprojekten wurden die Projektleiter nicht nur an ihrer Unterstützung für die KMU gemessen, sondern an ihrem Einsatz für den gesamten Sektor, in dem sie operierten. Die Geschäftsleiterin von Swissdevelope erhoffte sich von den Projektleitern großes Engagement für die Pilotprojekte. Auch wenn diese gerade erst lanciert waren, stellte die Nachhaltigkeit der Projekte der Organisation doch schon immer ein Thema dar. Das Neue bestand nur in der strukturierten Herangehensweise an die Herausforderung, die Projekte von Anfang an auf Nachhaltigkeit auszurichten. „Wenn wir die Analyse von Lücken in den Wertschöpfungsketten nicht schon früher gemacht hätten, dann hätten wir einen schlechten Job gemacht. Mein jetziges Vorgehen ist allerdings strukturierter und ich sammle die Informationen über die Wertschöpfungskette in geordneter Art und Weise und halte diese in einem Dossier fest“, erklärte eine Projektleiterin den Unterschied zu den traditionellen Projektansätzen. Mit der Integration des Aspekts der Nachhaltigkeit in die Leistungsinszenierung und die Höherbewertung der über die einzelne KMU hinausgehenden Wirkung, führte das Top-Management eine auf das Gemeinwohl ausgelegte Bewertungsdimension ein. Die Steuerzahler wollten den Einuss der Organisation auf die Armutsreduktion sehen und erwarteten eine Rechtfertigung des Engagements der Organisation in der Entwicklungszusammenarbeit. Indem das Top-Management den intendierten Wirkungskreis der Projekte ausweitete, versuchte es, der Forderung der Gesellschaft nachzukommen und mit dem Einsatz des gleichen Geldes mehr Wirkung zu erzielen.
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Annäherung an eine Struktur gemeinwohlorientierter Accountability
Notwendige Bedingung für eine professionelle Leistungsinszenierung ist ein umfassendes fachliches Sonderwissen, das – zumal aus inszenierungstheoretischer Sicht – aber noch nicht hinreichend ist. Ergänzt werden muss es um eine Kenntnis der Symbolik, mit der Professionalität unter den jeweiligen Umständen inszeniert werden kann (vgl. M. Pfadenhauer 2005: 84). Es genügt also auch für professionell Handelnde nicht, bloß Leistung zu erbringen: Diese ist auch sichtbar zu machen. Deshalb antizipieren professionell Handelnde die von vielen Seiten an sie herangetragenen Erwartungen und stellen ihren Leistungswillen und ihre Kompetenz zu deren Erfüllung glaubwürdig dar (vgl. M. Pfadenhauer 2005: 86). In diesem Sinn behandelt die Fallstudie über Swissdevelope ausschließlich die Frage nach der „Kompetenz zur Darstellung von Gemeinwohlorientierung“. Gefragt wurde danach, welche Arten der professionellen Inszenierung die Mitglieder von Swissdevelope entwickelten, während sie den gesellschaftlichen Wertbeitrag der zentralen Leistung von Swissdevelope verhandelten. Die Ergebnisse der Fallstudie unterstreichen im Wesentlichen zwei Annahmen des inszenierungstheoretischen Ansatzes: Einerseits wird die eingangs hinsichtlich der Professionssoziologie und der Accountability-Arbeiten von Moore (2001) und Brown/Moore (2000/2003) herausgestellte Beobachtung verstärkt, dass Accountability in Organisationen sozial verhandelt wird. So konnte in keiner der vier Entwicklungsphasen die Rechenschaftsablegung bloß informativ – nicht in Verhandlungen – realisiert werden. Auch die Einführung der externen Expertise in Phase vier benötigte einen „Resonanzboden“ in der Organisation, um aufgenommen zu werden. „Resonanzboden“ steht für die Erfahrungen der Projektleiter mit der Bedeutung dessen, was der „systemische Ansatz“ meint. Dieser Boden ermöglichte erst das Eintreten der Projektleiter in die Verhandlungen über den neuen, extern eingebrachten Accountability-Ansatz. Zudem besaß die Gemeinwohlorientierung – retrospektiv betrachtet – in allen Phasen eine zentrale Bedeutung. Deshalb unterstützen die Daten den professionssoziologischen Vorschlag, Gemeinwohlorientierung als Wesensmerkmal von Professionen zu verstehen. Folgerichtig kann auch die gemeinwohlorientierte Leistungsinszenierung als Basisdimension für Accountability betrachtet werden. Der nächste Schritt besteht deshalb darin, die Ergebnisse der Fallstudie daraufhin zu interpretieren, welche Bedeutung die Gemeinwohlorientierung in den einzelnen Phasen hatte. Die Ergebnisse dieser Interpretation lassen sich in vier Punkten strukturieren: a)
Gemeinwohlorientierte Leistungsinszenierung zur Ressourcensicherung: Die Fallstudie erweist Ressourcen als zentrales Element zur Strukturierung der Legitimationsinszenierungen. Besonders Brown/Moore (2001) und Moore (2000/2003) schlagen in ihren theoretisch-konzeptionellen Arbeiten vor, dass Nonprot-Organisationen ihre Ressourcen über Beziehungen zu Partnern sichern, denen gegenüber sie die Legitimität ihrer Aktivitäten aufzeigen müssen. Die empirischen Daten unterstützen diesen konzeptionellen Entwurf. So ist es nicht der einzelne Stakeholder, der für Swissdevelope interessant ist, sondern die zu sichernden Ressourcen. Indem Swissdevelope darauf fokussierte, welche Ressourcen gebraucht wurden, um die „raison d’être“ zu erfüllen, setzte sie ihre eigenen Bedürfnisse an die erste Stelle, nicht diejenigen der Stakeholder. Basierend
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b)
c)
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auf einer Relevanzanalyse der verschiedenen Ressourcen ergaben sich unterschiedliche Leistungsinszenierungen mit den potenziellen Ressourcengebern. In der Anfangsphase stand die persönliche „Leistungsmotivation“ der Projektleiter im Vordergrund, weshalb die erfahrungsbezogene Leistungsinszenierung wichtig war. Die zweite Phase war von Wachstum geprägt, weshalb zusätzliche Partner-KMU durch die ökonomische Leistungsinszenierung gewonnen werden mussten. Als Swissdevelope in der dritten Phase wieder in BusinessSupport eingegliedert wurde, mussten sich die Projektleiter die Aufmerksamkeit für ihre Management-Leistungen durch die Erfüllung der KPI „erkaufen“. Schließlich waren sie in der vierten Phase gezwungen, den „systemischen Ansatz“ zu übernehmen, weil die staatliche Verwaltung als Geldgeber dies verlangte. In allen Phasen sind die Ressourcenbedürfnisse für die Strukturierung der Leistungsinszenierung maßgeblich. Dieser klare Ressourcenbezug – so lässt sich abschließend festhalten – stärkt Accountability als strategisches Element des NPO-Managements (L. M. Benjamin 2008; R. A. Christensen/A. Ebrahim 2006; A. Ebrahim 2003; S. Ospina et al. 2002). Kompetenz im Umgang mit Erfahrung zur Darstellung gemeinwohlorientierter Leistung: Gemäß der Professionssoziologie widerspricht eine „erfahrungsbezogene Leistungsinszenierung“ der Idee, dass professionelles Handeln ein systematisches und efzientes Handeln ist. Wer aus Erfahrung handelt, handelt intuitiv und damit – eben – unprofessionell, ist die verbreitete Meinung in den Managementwissenschaften (vgl. M. Reed/P. Anthony 1992). Erfahrungen sind für professionell Handelnde trotzdem relevant, besonders hinsichtlich professioneller Leistungsinszenierung. So betont Pfadenhauer, professionell Handelnde würden das überzeugend, stabil und unproblematisch darlegen können, was sie tatsächlich „tun und sind“ (M. Pfadenhauer 2005: 83 f.). Professionell Handelnde inszenieren ihre Erfahrungen also nicht nur, sondern Erfahrungen bilden auch die Voraussetzung für eine glaubwürdige Inszenierung (vgl. U. Jäger 2008: 39 ff.). In diesem Sinn ist die Gemeinwohlorientierung ein Wesensmerkmal des professionellen Handelns der Projektleiter. Ein weiteres Ergebnis betrifft die Motivation, die nach Ansicht einiger Forschungspartner aufgrund erfahrungsbezogener Leistungsinszenierung gesteigert worden sei (vgl. hierzu auch L. M. Benjamin 2008). So konnte dreifach beobachtet werden, dass gemeinwohlorientierte Accountability tatsächlich eine Quelle für die Motivation der Mitarbeiter war: (i) Gemeinwohlorientierung inszenierten die Projektleiter durch die Verwendung des Begriffs „Nachhaltigkeit“. Wenn sie etwas erfahren konnten, das sie mit diesem Begriff in Verbindung brachten, machte sie das „stolz“, wie eine der Projektleiterinnen berichtete. (ii) Zudem war es für die Projektleiter besonders motivierend, wenn sie ihre Leistungen aus eigenen Erfahrungen ableiten konnten. Dies taten sie anfangs, als sie ihre Accountability-Handlungen nicht strukturieren mussten, aber auch in der vierten Phase, als der hoch strukturierte „systemische Ansatz“ in Pilotprojekte integriert wurde. (iii) Wie wichtig die erfahrene Accountability für die Motivation der Mitarbeitenden ist, zeigte sich weiterhin in der dritten Phase, als sie die KPI zur „Befriedigung der Erwartungen des BusinessSupport-Managements“ erstellten. Trotz dieser Aktivitäten suchten sie weiterhin den direkten Kontakt zu den Unternehmen, um aus den Erfahrungen ihre Leistungen einschätzen zu können. „Gute Beziehung“ als Kernelement der Leistungsinszenierung: Nach Beckmann et al. ist es Aufgabe des Managements, die Beiträge von Professionellen aufzugreifen und sie in
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d)
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den administrativen Rahmen einzufügen (Ch. Beckmann et al. 2007: 277). Als Swissdevelope in Phase II in BusinessSupport eingebunden war und durch zusätzliche Projekte wuchs, bildeten die bürokratischen Strukturen einen Hinderungsgrund für das Wachstum. Deshalb entschloss man sich für eine Ausgliederung von Swissdevelope. Das führte zu einer größeren Gestaltungsfreiheit des Geschäftsleiters, der den „administrativen Rahmen“ im Sinn von Beckmann et al. derart gestaltete, dass die Projektleiter ihre Projekte zum größtmöglichen Nutzen der KMU realisieren konnten. In der dritten Phase wurde Swissdevelope dann aufgrund eines politischen Entscheides wieder in BusinessSupport eingebunden, was ein Spannungsfeld zwischen den „Management-Professionellen“ und den „professionell handelnden Projektleitern“ erzeugte. Wie von Langer (2007: 240) in seiner empirischen Studie beobachtet, entstanden auch zwischen Swissdevelope und BusinessSupport De-Codierungs-Probleme. Unterschiedliche Interessen, Verantwortungen, Aufgaben und fachliche Haltungen der professionell Handelnden stießen aufeinander. Auf der einen Seite konzentrierten sich die Projektleiter mit ihren KMU-Kennzahlen auf den jeweiligen Fall. Auf der anderen Seite erwarteten die professionell Handelnden von BusinessSupport eine Vergleichbarkeit der Projektleistungen und damit eine Standardisierung der KPIs. Fallbezogenheit stand gegen Standardisierung. Die professionell Handelnden überbrückten dieses Spannungsfeld, indem sie in der „guten Beziehungsgestaltung“ ein Kernelement der Leistungsinszenierung sahen. Sie strebten bewusst nicht nach einer gemeinwohlorientierten Leistungsinszenierung, sondern nach der organisationsinternen Beziehungspege. Auch hier zeigt sich, dass Gemeinwohlorientierung ein Wesensmerkmal des professionell Handelnden ist, dies aber von der negativen Seite. So bezeichneten die Projektleiter die Zeit, die sie in die Beziehungspege und die KPIs investieren mussten, als verpasste Chance zu gemeinwohlorientierter Leistungserbringung. Einzug gemeinwohlorientierter Leistungsinszenierung durch bürokratisch entkoppelte Räume: Morrison/Salipante (2007), Ospina et al. (2002), Campbell (2002) und Young (2002) sehen eine Verbindung zwischen den zunehmend aktiveren und kritischeren Stakeholdern und dem Eindruck der NPO, darauf mit einem ganzheitlichen Konzept der Rechenschaftsablegung antworten zu müssen. Im untersuchten Fall konnte gezeigt werden, dass Swissdevelope über die vier Entwicklungsphasen in immer komplexere und vielfältigere soziale Beziehungen eingebettet wurde. Weil die kritische Öffentlichkeit stärker danach fragte, wie öffentliche Gelder verwendet wurden, unternahm die neue Geschäftsleiterin, vom Mandatsgeber und einem externen Experten unterstützt, in der vierten Phase den Versuch einer gemeinwohlorientierten Inszenierung. „Gemeinwohlorientierung“ bedeutete nun Armutsbekämpfung, nicht mehr allein „Nachhaltigkeit“, wie von den Projektleitern inszeniert, und manifestierte sich im Ausdruck „systemischer Ansatz“. Der externe Experte kam von einer bekannten amerikanischen Institution der Entwicklungszusammenarbeit, was den Professionscharakter des neu eingebrachten Wissens im „systemischen Ansatz“ stärkte. Wie in Phase drei stießen wieder zwei Professionen aufeinander. In Phase drei handelte es sich um die professionell Handelnden von BusinessSupport und von Swissdevelope; jetzt waren es die neue Geschäftsleiterin mit dem externen Experten auf der einen und die Projektleiter auf der anderen Seite. Die erneut entstandene De-Codierungs-Problematik löste man nun strukturell. Das geschah
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nicht über die Beziehungspege, sondern durch die Gestaltung von Pilotprojekten, die einen Raum denierten, in dem „Neues“ geprobt werden konnte. Zusammenfassend lässt sich Folgendes festhalten: Im Fall von Swissdevelope trug die gemeinwohlorientierte Leistungsinszenierung zur Ressourcensicherung bei. Zudem entwickelten die professionell Handelnden eine Kompetenz, mit der sie die gemeinwohlorientierte Leistung auf Basis ihrer Erfahrung darstellen konnten. Als zwei Professionen aufeinander stießen, erkannten die professionell Handelnden die Beziehungsgestaltung als wesentliches Mittel der Leistungsinszenierung zwischen den Professionen. Das hielt sie aber von der eigentlichen, gemeinwohlorientierten Tätigkeit ab. Schließlich beseitigte man diese Hürde zwischen zwei Professionen durch die Gestaltung bürokratisch entkoppelter Räume. 6
Konsequenzen für die NPO-Weiterbildung und -Forschung
Die präsentierten Ergebnisse sind in ihren Grenzen zu verstehen. Die gewählte Methode der Einzelfallstudie schränkt die Generalisierbarkeit der Ergebnisse aufgrund bekannter Einwürfe ein. Zudem wurden nur Mitglieder von Swissdevelope und der öffentlichen Verwaltung – dem Mandats- und Geldgeber von Swissdevelolpe – interviewt und beobachtet. Weitere Stakeholder im Umfeld von Swissdevelope wurden also nicht beachtet, obwohl es sich aufgrund der Fragestellung durchaus anbot. Trotz dieser Grenzen sollen die Ergebnisse abschließend hinsichtlich ihrer Konsequenzen für die Nonprot-Management-Weiterbildung und -Forschung ausgelegt werden. Nicht nur zahlreiche Handlungsfelder der Praxis des Nonprot-Managements benden sich in einer „Professionalisierungsphase“, sondern auch die entsprechende Weiterbildung und Forschung. Deshalb ist es sinnvoll, abschließend zu fragen, was Weiterbildung und Forschung aus den Ergebnissen der Studie lernen können 2. Es lassen sich – aus Sicht der Autoren – wenigstens vier bedenkenswerte Fragen aus den gewonnenen Ergebnissen der Fallstudie Swissdevelope ableiten: a)
Wie lassen sich Missionen, Leitbilder und Organisationszwecke von Nonpro¿t-Organisationen aus praktischer Relevanz – und nicht aus einer Gesinnung – begründen ? Drucker (1990) forderte bereits in den 1990 veröffentlichten Interviews mit Nonprot-Managern handlungsleitende Missionen. Ihm zufolge müssen Missionen in ihrer Umsetzung überprüfbar sein. Die Ergebnisse der Fallstudie von Swissdevelope unterstützen diese These. Gemeinwohlorientierte Leistungsinszenierung wurde in erster Linie zur Ressourcensicherung realisiert. Swissdevelope war in den vier gezeigten Entwicklungsphasen immer bemüht, ihr Tun als gesellschaftlich relevant darzustellen, wobei die Sorge um die Ressourcen stets den Ausgangspunkt der Aktivitäten bildete. Dem steht die verbreitete Diskussion über Leitbilder, Missionen oder Organisationszwecke entgegen. Die dort be-
2
Damit wird Langers anfangs ausgeschlossene Kriterium für „Professionalität“ wieder eingeführt: wissenschaftliche Erkenntnisse und die Vergabe eines amtlich beglaubigten Zertikats. Jetzt wird jedoch die Frage gestellt, was aufgrund der empirischen Erkenntnisse dieser Studie überprüft werden muss, damit solche Zerti kate tatsächlich „professionelles Handeln“ der Praxis fördern können.
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b)
c)
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gründeten Werte werden meist in Bezug auf transzendent begründete Normen und Werte abgeleitet. Ergebnis sind beispielsweise Führungsgrundsätze wie „Wir achten unsere Mitarbeiter“, die auf jede Organisation zutreffen können. Es ist also eine noch offene Frage, wie Leitungsgremien in Nonprot-Organisationen handlungsbezogene Leitbilder oder Missionen entwickeln und deren Umsetzung kontrollieren können. Prot-Unternehmen orientieren sich in der Regel an Märkten, weshalb Leitbilder den strategischen Überlegungen meist nachgelagert sind. NPO orientieren sich dem entgegen an gewünschten gesellschaftlichen Veränderungen, die keinen marktbezogenen, sondern „gemeinwohlbezogenen“ Funktionsmustern folgen. Beispielsweise scheint die Verbindung von strategischen mit missionsbezogenen Fragestellungen ein vielversprechendes Forschungsfeld zu sein, was bisher kaum beackert wird (vgl. M. H. Moore 2000). Hier fehlt es auch an genuin für den NPO-Kontext entwickelten Management-Ansätzen. Weil solche Konzepte bis heute ausstehen, treffen sich zunehmend Nonprot-Führungskräfte zum Erfahrungsaustausch unter Ausschluss der Wissenschaft (vgl. U. Jäger/T. Beyes 2008). Wie lassen sich Erfahrungen in ein Konzept der professionellen Accountability integrieren ? Angesichts zunehmender nanzieller Knappheit dreht sich eines der größten Problemfelder im Nonprot-Management um die Frage, welche und wie bewährte Marketing-Konzepte auf NPO transferiert werden können. Die Ergebnisse der Fallstudie zeigen einen weiteren Aspekt auf: Kompetenzen im Umgang mit Erfahrungen sind wichtig, wenn es um die Darstellung gemeinwohlorientierter Leistung geht. Die Glaubwürdigkeit einer Leistungsinszenierung ist also nicht allein von professionellen Fundraising- oder Marketing-Konzepten abhängig, sondern von glaubwürdig inszenierten Erfahrungen. Erfahrungen bestehen aus konkreten Handlungen, die sich durch diffuse Gefühle, verschiedene Wahrnehmungen, Erinnerungen, Beobachtungen und so weiter auszeichnen. Sie stehen damit dem Konzept professionellen Handelns mit seiner Systematik und Efzienz entgegen. Sollten Erfahrungen aber tatsächlich − wie in der Fallstudie von Swissdevelope aufgezeigt – für Accountability-Konzepten relevant sein, so sind auch diese konzeptionell zu integrieren. Wie lässt sich zwischen Professionen professionell handeln ? Die Professionssoziologie differenziert häug zwischen „Management“ und „Professionellen“ (vgl. A. Langer 2007). Manche Wissenschaftler setzen „Management“ mit „Bürokratisierung“ gleich, weshalb dieses – folgerichtig – einem auf die Professionellen-Kunden-Beziehung orientierten professionell Handelnden zuwiderläuft. Wie in der dritten Phase der Fallstudie von Swissdevelope behindern die Management-Systeme die Professionellen. Unklar bleibt in der Diskussion, was ein „professionelles“ Management auszeichnet. Wenn es – wie es u. a. Langer beschreibt – nur um den Transfer von ökonomischen Instrumenten in den Kontext von Professionellen gehen würde, stünden die „guten Professionellen“ den „bösen Managern“ gegenüber, woraus sich eine ideologisch aufgeladene Diskussion entwickeln könnte. Die Professionssoziologie ist von einer solchen Spaltung ebenso geprägt wie die Management-Forschung. Bei genauerer Betrachtung (vgl. U. Jäger/T. Beyes 2008: 1 ff.) wollen aber nicht nur die professionellen Fachkräfte, sondern auch die professionellen Manager ihre Wirkung auf den Nutznießer der NPO-Leistung optimieren. Von diesem Standpunkt aus geht es zwischen den fachbezogenen und den managementbezogenen Professionen nicht mehr um ein „gut“ oder „böse“, sondern um die Frage, wie die beiden
Gemeinwohlorientierung als Maxime professioneller Accountability
d)
7
171
Professionen zu koordinieren sind, um die Wirkung der NPO auf das Gemeinwohl zu optimieren, und was eine derart „zwischenprofessionelle“ Koordination selbst als „profesionell“ auszeichnet. Wie kann Gemeinwohlorientierung systematisch in Accountability-Konzepte integriert werden ? Je stärker sich NPO für ihr Tun und Lassen in der Öffentlichkeit rechtfertigen müssen, desto intensiver wird diese Frage diskutiert. Im Gegensatz zu Prot-Unternehmen, die ihre Erfolge aufgrund nanzieller und damit messbarer Größen beurteilen, besteht diese Möglichkeit für NPO nicht. Für die Feststellung ihres Erfolgs sind messbare Indikatoren nicht falsch, bleiben aber ungenügende Hilfskonstruktionen. Die Fallstudie von Swissdevelope konnte lediglich die Bedeutung einer gemeinwohlorientierten Leistungsinszenierung aufzeigen. Offen bleibt weiterhin, wie eine solche Inszenierung systematisch und effektiv gestaltet werden kann. Hier bedarf es neuer Ansätze und weiterer Forschungen. Literaturverzeichnis
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Professionalisierung durch netzwerkorientierte Diversi¿kation am Beispiel kirchlicher Krankenhausträger Philipp Schwegel, Patrick Da-Cruz, Peter Oberender
1
Hinführung: Professionalisierung im Licht kirchlicher Krankenhausträger
1.1
Kirchliche Krankenhausträger
1.1.1 Strukturen Kirchliche Krankenhausträger sind entsprechend der Typologie von von Hippel als kommerzielle Not-for-Prot Organisationen zu klassizieren (T. von Hippel 2005: 89 ff.).1 Im Jahr 2006 standen rund 28 % aller Allgemeinkrankenhäuser unter kirchlicher Trägerschaft (Statistisches Bundesamt 2007; Caritas Zentralstatistik 2007: 30, Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e. V. 2007: 6). Hierbei können 66 % (339 Einrichtungen) der Caritas und 34 % (173 Einrichtungen) der Diakonie zugerechnet werden (Caritas Zentralstatistik 2007: 30, Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e. V. 2007: 6). Damit stehen sie, bezogen auf die Anzahl der Einrichtungen, hinter den öffentlichen (34 %) und gleich auf mit privaten Trägern (28 %) (Statistisches Bundesamt 2007). Ihre wirtschaftliche Bedeutung zeigt sich auch bei den 146.213 Vollzeitkräften (Caritas Zentralstatistik 2007: 30, Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e. V. 2007: 6), die im Jahr 2006 in kirchlichen Allgemeinkrankenhäusern beschäftigt waren sowie dem hohen Anteil ehrenamtlichen Engagements.2 Die Jahresumsätze sind in den letzten 10 Jahren deutlich gestiegen und übersteigen bei verschiedenen Organisationen mittlerweile die 500 Millionen-Marke, z. B. bei der Marienhaus GmbH mit rund 503 Mio. € Umsatz im Jahr 2007 (I. Röthig 2008). 1.1.2 Besonderheiten Kirchliche Krankenhausträger zeichnen sich durch besondere Eigenschaften im Hinblick auf rechtliche, organisatorisch/strukturelle sowie kulturelle Aspekte aus. In rechtlicher Hinsicht nehmen sie insbesondere aufgrund steuerlicher Vergünstigungen (Befreiung von der Körperschaftssteuer gem. § 5 (1) Nr. 9 KStG) die häug auftretenden
1
2
Daneben unterscheidet von Hippel: Spendenorganisationen und Mitgliedernützige Organisationen. Dabei muss angemerkt werden, dass bei den kommerziellen Not-for-Prot Organisationen die Funktion, das Verhalten sowie die Interessenstrukturen stark variieren. Eine alternative Abgrenzung spezisch für Not-for-Prot Organisationen im Gesundheitswesen ndet sich bei H. K. Schumacher 2008: S. 138. Lt. Schätzung der Diakonie sind rund 40.000 ehrenamtliche Helfer in evangelischen Krankenhäusern aktiv.
A. Langer · A. Schröer (Hrsg.), Professionalisierung im Nonprofit Management, DOI 10.1007/978-3-531-92664-3_9, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Philipp Schwegel, Patrick Da-Cruz, Peter Oberender
Rechtsformen der Stiftung (Bundesverband Deutscher Stiftungen 2008)3 und des eingetragenen Vereins (S. Fleßa 2008: 264)4 sowie die zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern paritätisch besetzten Arbeitsrechtskommissionen eine Sonderstellung ein. Im organisatorisch/strukturellen Bereich zeigen sich die Charakteristika v. a. an folgenden Merkmalen: ▪ ▪ ▪
Sach- und Formalziele stehen in einer wechselseitigen Abhängigkeit. Bezogen auf die Identität kirchlicher Krankenhausträger dominiert das Sachziel (H. W. Gärtner 1994: 54 f.; S. Fleßa 2007: 94 ff.). Die Trägerstrukturen zeigen eine hohe Heterogenität (u. a. Unternehmensgröße und Leistungsangebote) und stellen sich für die Öffentlichkeit intransparent sowie vielschichtig dar (T. Becker 2004: 192). Kirchliche Krankenhausträger können als „Mischkonzerne“ interpretiert werden, die neben Krankenhäusern auch Rettungsdienste, Pegeeinrichtungen, Rehabilitationskliniken, Hospize, Kindergärten, Schulen, etc. unter ihrer Trägerschaft vereinen (I. Röthig 2008).5
Neben den genannten Besonderheiten zeichnen sie sich durch eine christliche Unternehmenskultur aus, die in einem christlich-anthropologischen Verständnis von Wesen und Sinn der Krankheit wurzelt (R. Rausch 1984: 324). Székely verweist darauf, dass der Unterschied zwischen kirchlicher und nichtkirchlicher Krankenhilfe in der religiösen Dimension der Humanität liegt (A. Székely 1981: 32 ff.). Dies ist zwar nur sehr schwer messbar, ndet seinen Ausdruck aber letztlich in der Spiritualisierung, Personalisierung und Ethisierung der Leistungserbringung (A. Heller 1997: 12 f.). Die praktische Umsetzung zeigt sich u. a. durch folgende Aktivitäten (A. Heller 1997: 12 f.; H. Lamberth 1997: 51; T. Hiemenz 1997: 54 f.), die als besondere Angebote gesehen werden (I. Röthig 2008): Zertizierung nach proCum Cert, Krankenhausseelsorge, bibelinspirierte Gruppenarbeit im Mitarbeiter- und Patientenkontext, Krankenhausoberin/-oberer als Trägervertreter, Ethikkomitees und Symbole (Kreuze im Zimmer, etc.). 1.1.3 Herausforderungen Trotz dieser besonderen Eigenschaften unterliegen kirchliche Krankenhausträger dem Druck einer sich dynamisch verändernden Umwelt. Der Literaturanalyse von Doege und Martini folgend sind hierfür die Verfügbarkeit kritischer Ressourcen, die Wettbewerbssituation, die Vergütungsstrukturen und neue Rechtsvorschriften verantwortlich (V. Doege/S. Martinie 2008: 51). 3 4 5
Beispielhaft können folgende Stiftungen genannt werden: Kirchliche Stiftung St. Bernward, Ev. Krankenhaus Unna, Ev. Stiftung Augusta, Markus-Stiftung, uvm. Beispielhaft können folgende Vereine genannt werden: Ev. Amalienkrankenhaus e. V., Verein zur Errichtung evangelischer Krankenhäuser e. V. Vgl. Deutsches Vereinsregister 2008. Beispielhaft können hierfür folgende Träger genannt werden: Gemeinnützige Gesellschaft zu Olpe GmbH, Katholische St.-Johannes-Gesellschaft Dortmund, Ordensgemeinschaft der Schwestern der hl. Maria Magdalena Postel, Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom Hl. Vincenz von Paul, Barmherzige Brüder Trier e. V., Malteser Trägergesellschaft gemeinnützige GmbH, St. Augustinus-Kliniken gGmbH, Marienhaus GmbH, uvm.
Professionalisierung durch netzwerkorientierte Diversi kation
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Insbesondere der drohende Mangel an ärztlichen Mitarbeitern (P. Oberender/P. Schwegel 2007: 19) und die steigenden Personal- und Sachkosten stellen eine Gefahr für kirchliche Krankenhausträger dar. Aber auch der steigende Wettbewerbsdruck (P. Oberender/J. Zerth 2005: 15) durch Verbundbildung von privaten Trägern, der Eintritt neuer Marktakteure (J. Kartte/K. Neumann 2008: 36) und die Veränderung der Patientenbedürfnisse tragen hierzu bei. In den letzten 34 Jahren hat sich dadurch die Angebotsseite deutlicht verdichtet, wie die Entwicklung ausgewählte Parameter von 1967 bis 2007 zeigt: ▪ ▪ ▪
Rückgang der Verweildauer um 18 Tage (−68 %) Rückgang der Anzahl der Krankenhäuser um 2.201 (−51 %) Anstieg der Fallzahl um 6,7 Mio. (+65 %) (Statistisches Bundesamt 2007, Statistisches Bundesamt 1992).
Einen starken Einuss auf die Leistungserbringung hat auch die Veränderung der Vergütungsstrukturen. Im Jahr 2003 wurde von tagesgleichen Pegesätzen auf fallpauschale Entgelte umgestellt (H. K. Schumacher 2008: 147). Die stufenweise Anpassung an einen Landes- und an einen Bundesbasisfallwert schreibt die Mangelsituation vieler Krankenhäuser fort. Als Reaktion auf diesen Veränderungsdruck können im Markt der kirchlichen Krankenhausträger u. a. zwei große Tendenzen zur Professionalisierung durch das Management ausgemacht werden: Wachstum und Vernetzung.6 Bevor diese beiden Entwicklungen theoretisch aufgearbeitet werden, ist es notwendig auf die generellen Ziele des Beitrags einzugehen sowie eine denitorische Begriffsabgrenzung vorzunehmen. 1.2
BegrifÀiche Abgrenzung und theoretischer Rahmen
1.2.1 Professionalisierung Es wird konstatiert, dass kirchliche Krankenhausträger einer Vielzahl von Herausforderungen unterworfen sind, die einen hohen Druck auf das Krankenhausmanagement ausüben. Damit die bestehenden Träger weiterhin überleben können, bedarf es der Professionalisierung. Professionalisierung wird dabei z. T. als Steigerung der Efzienz verstanden, aber nicht im Kontext eines Berufes, sondern als kontinuierlicher Prozess bezogen auf Organisationen. Damit wird der Professionalisierungsbegriff vergleichsweise „weit gedehnt“ und auf einen für ihn unüblichen Untersuchungsgegenstand angewendet. Pundt argumentiert, dass Professionalität für efzientes Handeln steht und nimmt an, dass sich Professionalität auch jenseits einer Profession ausbreiten kann (J. Pundt 2006: 11, 8). Im Allgemeinen bezieht sich Efzienz auf die beiden Größen Input und Output und trifft Aussagen über deren Verhältnis, Zusammensetzungen und Ausmaß (zu Efzienzkennzahlen im Krankenhaus vgl. P. Warnebier 2007: 50). Inefzienzen liegen vor, wenn die Leistungs6
Beispielhaft können hierfür genannt werden: Ategris GmbH (Gründung 2005), ProDiako (Gründung 1999), Agaplesion AG (Gründung 2002), Managementgesellschaft katholischer Krankenhäuser der Region Osnabrück mbH (MKO) (Gründung 2002), uvm.
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Philipp Schwegel, Patrick Da-Cruz, Peter Oberender
erbringung eines kirchlichen Krankenhausträgers von der idealen Produktionsfunktion (z. B. auch Benchmarkwerten, Best-Practice, etc.) abweicht (U. Cantner/J. Krüger/H. Hanusch 2007: 6 ff. Dort wird zwischen technischer Efzienz, allokativer Efzienz und Skalenefzienz unterschieden). Nach Frese gibt es drei Dimensionen der Efzienz, die hier näher betrachtet werden sollen: Ressourcen-, Markt- und Prozessefzienz (E. Frese 1995: 305 ff.). Die Ressourcenef¿zienz beschreibt den Grad der Nutzung der zur Verfügung stehenden Ressourcen in jeglicher Struktur der Leistungserbringung (Netzwerk, Unternehmen, etc.). Inefzienzen liegen vor, wenn beispielsweise ein Unternehmen im Vergleich zu einem anderen mit einem höheren Input produziert, aber nicht zu einem höheren Output gelangt (U. Cantner/J. Krüger/H. Hanusch 2007: 6 ff.). Die Marktef¿ zienz konzentriert sich hingegen auf die externe Beschaffungs- und Absatzseite. Sie drückt damit die Ausschöpfung der Möglichkeiten auf einem Markt aus, durch Interdependenz mit Marktpartnern. Die Prozessef¿zienz spiegelt die Optimalität der Gestaltung von Prozessen wider. Optimal ist ein Prozess dann, wenn er sich auf den Nutzen des Kunden/Patienten konzentriert (E. Frese 1995: 305 ff.). 1.2.2 Wertschöpfungsnetz Das Wertschöpfungsnetz (Der nachfolgende Abschnitt bezieht sich auf M. Thiele 1997: 214 ff. und die dort angegebene weiterführende Literatur.) nimmt die Funktion des Metarahmens ein, innerhalb dessen sich die Leistungserbringung und damit auch die Professionalisierung abspielen. Es versteht sich als Gewebe, das sich über die Wertschöpfungskette legt und zum Ziel hat, die Ressourcenbasis der daran beteiligten Akteure zu komplettieren. Jedes kirchliche Krankenhaus ist daher gehalten, sich an den Wertschöpfungsstufen mit den eigenen Kompetenzen auszurichten. Das Wertschöpfungsnetzwerk entsteht dadurch, dass an jeder Wertschöpfungsaktivität mehrere Akteure mit ihren für diese Wertschöpfungsaktivität spezischen Kernfähigkeiten (Core-Competencies) teilnehmen. Die Grundlage hierfür bildet ein enges und vitales Beziehungsgewebe, das in vertraglichen Regeln (zu weiterführenden Ausführungen zum Vertragsmanagement in Wertschöpfungsnetzen vgl. J. Fischer 2006: 129–146) sowie verzahnten kulturellen Werten fußt. Kirchliche Krankenhausträger de nieren sich damit über ein Netzwerk vertraglicher Bindungen, deren Unternehmensgrenzen anhand der Kernkompetenzen determiniert sind (L. Randi/T. Reve 1990: 142 ff. Wenn im Folgenden die Rede vom kirchlichen Krankenhausträger ist, wird diese De nition impliziert. Vgl. auch H. W. Gärtner 1994: 51). Konkret bedeutet dies, dass ein kirchlicher Krankenhausträger im Wertschöpfungsnetz sowohl die Rolle des Partners, des Zuweisers als auch des Kunden einnehmen kann. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht diese Zusammenhänge. 1.3
Ziel der Arbeit
Nach einer Klärung grundsätzlicher Begrifichkeiten, wird auf die Zielsetzung der Arbeit eingegangen, die sich in folgender Kernfrage determiniert: Welchen Beitrag leisten Wachstum und Vernetzung als strategische Optionen des kirchlichen Krankenhausmanagements zur Professionalisierung ?
Professionalisierung durch netzwerkorientierte Diversi kation
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Daraus leiten sich zentrale Subfragen ab: ▪ ▪ ▪
Wie verändert eine Netzwerkperspektive das Verständnis von Diversikation ? Wie kann eine netzwerkorientierte Diversikation von kirchlichen Krankenhausträgern durchgeführt werden ? Welchen Beitrag leistet die netzwerkorientierte Diversikation zur Steigerung der Ressourcen-, Markt- und Prozessefzienz ?
Zur Beantwortung dieser Fragen wird auf die Diversikationstheorie und den NetstructuringAnsatz zurückgegriffen. Hieraus wird ein Konzept der netzwerkorientierten Diversikation erarbeitet, dessen Beitrag zur Professionalisierung anhand der Dimensionen Ressourcen, Markt und Prozesse beurteilt wird. Dabei werden die Besonderheiten sowie Herausforderungen kirchlicher Krankenhausträger berücksichtigt. Die Analyse erhebt dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern konzentriert sich ausschließlich auf die Facette Wachstum durch Vernetzung. Abbildung 1
Wertschöpfungsnetz
Quelle: eigene Darstellung (M. Hamm 2002: 44; H. Burchert/T. Hering 2002: 11). *Sonstige Leistungsbereiche: Heil- und Hilfsmittel, Rehabilitatoinseinrichtungen sowie Kur- und Bäderbetrieb, Arbeitsmedizinischer Bereich, Rettungswesen, gesundheitspegerische Dienste.
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Philipp Schwegel, Patrick Da-Cruz, Peter Oberender
Beitrag der netzwerkorientierten Diversi¿kation zur Professionalisierung
Seit Mitte der 50er Jahre beschäftigt sich die betriebswirtschaftliche Forschung mit der Frage der Diversikation bzw. des Unternehmenswachstums (F. M. Schüle 1992: 7). Dieser Umstand hat zu einer Vielzahl von unterschiedlichen Denitionen geführt,7 die hier nicht weiter vertieft werden. Für diese Arbeit wird Diversi kation verstanden als Wachstumsstrategie kirchlicher Krankenhausträger, die durch den Eintritt in neue Märkte, das Angebot neuer Leistungen und den Einsatz existierender Ressourcen in neuen Netzwerken (Beziehungen) gekennzeichnet ist (A. Fey 2000: 11; T. Wulf 2007: 9; F. M. Schüle 1992: 8; G. Szeless 2001: 26). Hierbei muss es sich nicht um absolut neue Leistungen, Märkte, Ressourcen oder Netzwerke handeln – entscheidend ist, dass sie für den kirchlichen Krankenhausträger neu sind (H. Mohren 1996: 13). Im spezischen kann eine regionale Unterteilung der Märkte auf Basis krankenhausplanerischer Vorgaben vorgenommen werden (F. M.: Schüle 1992: 12; M. Kaschny 1998: 77). Ferner wird Diversikation als Prozess begriffen, der eine Entwicklung oder Veränderung von etwas „Bekanntem“ zu etwas „Unbekannten“ oder „Neuem“ im Markt-, Dienstleistungs-, Ressourcen- und Beziehungskontext beschreibt (A. Fey 2000: 7 ff.) Fey geht auf die Etymologie des Begriffs Diversikation näher ein.). Eine umfassende Darstellung der Vielschichtigkeit des Konstruktes Diversikation ist aus nachfolgender Abbildung ersichtlich. Abbildung 2
Diversikationsdiamant
Quelle: eigene Darstellung. 7
Schüle stellt unterschiedliche Begriffsfestlegungen vielzitierter Autoren zusammen. Vgl. F. M. Schüle 1992: S. 8. Darüber hinaus zeigt Szeless ausgewählte De nitionen des Begriffs Diversi kation. Vgl. G. Szeless 2001: S. 26.
Professionalisierung durch netzwerkorientierte Diversi kation
2.1
179
Perspektive
Das Phänomen der Diversi kation lässt sich aus industrieökonomischer, markt-, ressourcen- und netzwerkorientierter Perspektive betrachten (T. Wulf 2007: 29 ff.). Grundsätzlich unterscheiden sich diese in den zugrunde liegenden Annahmen über die Vollkommenheit von Märkten sowie den Ursprung von Rendite und Erfolg. Dem Ziel der Arbeit folgend wird eine netzwerkorientierte Betrachtungsweise (S. Duschek 2002: 256 ff.) eingenommen. Im Gegensatz zu den anderen genannten Perspektiven geht sie davon aus, dass Professionalisierung durch Diversikation an ein festes Beziehungsnetzwerk geknüpft ist. Es wird unterstellt, dass der kirchliche Krankenhausträger in vernetzte Beziehungsstrukturen eingebunden ist. Die Analyse bezieht sich daher nicht mehr auf das Unternehmen, sondern auf das Unternehmensnetzwerk. Damit stellt der Ansatz eine direkte Abgrenzung zur ressourcenorientierten Perspektive dar, die sich ausschließlich auf die Ressourcen und Kompetenzen der Einzelunternehmung konzentriert. Interorganisationale Ressourcen, Routinen und Beziehungen gehen über die Unternehmensgrenzen hinaus (J. H. Dyer/H. Singh 1998: 660 ff.). Diese sogenannten Netzwerkressourcen bilden die Quelle zur Professionalisierung, die nur über unternehmensübergreifende Beziehungen realisiert werden können. Diese Art der Professionalisierung kann damit nicht von einer Unternehmung allein generiert werden, sondern nur gemeinsam mit anderen. Es stellt sich nun die generelle Frage, warum es überhaupt notwendig ist, eine Netzwerkperspektive für die Diversikation sowie für diversizierte kirchliche Krankenhausträger einzunehmen. Folgendes spricht dafür: a)
b)
Die Hinführung hat gezeigt, dass viele kirchliche Krankenhausträger aufgrund historisch gewachsener Strukturen bereits als diversizierte Unternehmen klassiziert werden können. Die Herausforderung solcher „Mischkonzerne“ liegt u. a. in der Realisierung von Synergiepotentialen zwischen den einzelnen Geschäftsbereichen. Eine intraorganisationale Vernetzung ist daher eine naheliegende Option zur Steigerung der Efzienz. Das besondere Merkmal der Netzwerkperspektive liegt in der Vermutung, dass Renditen oder Efzienzen nur durch das Zusammenspiel mehrerer Akteure realisiert werden können. Die Leistungserbringung am Patienten durch kirchliche Krankenhausträger ist von Grund auf durch eine hohe Interdisziplinarität geprägt. Die „Erzeugung“ von Gesundheit kann nie alleine durch nur einen Akteur erfolgen. Der Patient beispielsweise nimmt bereits eine Ko-Produzenten-Rolle ein. Somit erfolgt die Leistungserbringung mindestens im „kleinsten“ Netzwerk, bestehend aus Leistungserbringer und Patient.
Deshalb wird das bisher beschriebene Verständnis des netzwerkorientierten Ansatzes auch um eine intraorganisationale Ebene erweitert. Im Fokus stehen damit sowohl die inter- als auch intraorganisationalen Beziehungen zwischen Unternehmen, innerhalb des diversizierten Unternehmens sowie zu Patienten/Kunden.
180 2.2
Philipp Schwegel, Patrick Da-Cruz, Peter Oberender
Prozess der netzwerkorientierten Diversi¿kation
Damit wird Diversikation nachfolgend als netzwerkgetrieben oder netzwerkorientiert verstanden. Es handelt sich dabei um einen Prozess, dessen Elemente in einer wechselseitigen Beziehungen zu einander stehen. Die Architektur des Ablaufgefüges besteht aus den Komponenten Fokussierung, Transparenz und Vernetzung (J. Heintz 2006: 86 ff.). Dieser Bezugsrahmen dient dem Management kirchlicher Krankenhausträger als Werkzeug, mit dem inter- und intraorganisationale Netzwerke professionell in den Wertschöpfungsprozess eingebunden werden können. Im Fokus steht dabei die konsequente Ausrichtung an den Bedürfnissen des Patienten bzw. Kunden. Die nachfolgenden Ausführungen zielen damit auf die Beantwortung der Frage, wie eine netzwerkorientierte Diversikation von kirchlichen Krankenhausträgern durchgeführt werden kann und welchen Beitrag sie zur Professionalisierung leistet.8 2.2.1 Fokussierung Im Licht der Diversikation bedeutet Fokussierung die „Kraftlinien“ (S. A. Friedrich von der Eichen 2005: 85 f. zitiert nach J. Heintz 2006: 87) des kirchlichen Krankenhausträgers oder des Netzwerkes zu verstärken durch das Einbinden neuer Aktivitäts- bzw. Netzfelder. Dies kann nur erfolgen, wenn der Krankenhausträger die Frage nach der zukünftigen Rolle, die er in seinem Umfeld einnehmen möchte, geklärt hat. Um diese Frage beantworten zu können, ist ein Blick in die Entwicklungsgeschichte des Akteurs notwendig. Diese lässt Aussagen über die in der Unternehmens- und Netzwerkentwicklung erworbenen Fähigkeiten treffen, was wiederum die Grundlage zur Wandlungsfähigkeit gegenüber den Marktkräften bildet. Dabei ist „mentales Umdenken“ und „strukturelle Agilität“ von großer Bedeutung (J. Heintz 2006: 89–90). Die Forschungsarbeit von Doege und Martini zum Implementierungsprozess der Diagnosis Related Groups hat gezeigt, das der Entwicklungspfad von Krankenhäusern Einuss auf die Entwicklung dynamischer Fähigkeiten hat (V. Doege/S. Martini 2008: 362). Kirchliche Krankenhausträger und deren Beziehungen weisen oftmals eine beeindruckend lange Geschichte der Verbindungen auf (G. Keil 2006: 739 am Beispiel des Johanniter Ordens und die Barmherzigen Brüder), die es erlaubt auf vielfältige Kernfähigkeiten zurückzugreifen. Für die Steigerung der Professionalität ist es entscheidend die Kernfähigkeiten zu identizieren, die sich im Kompetenzportfolio bündeln lassen.9 Dabei wird die Konzentration im Sinne einer Stärkung existierender Stärken verstanden. 8 9
Zur Beantwortung dieser Frage greifen die Autoren auf den Netstructuring-Ansatz von Heintz zurück. Vgl. J. Heintz 2006: S. 76 ff. Die Kriterien, anhand derer Kernkompetenzen beurteilt werden, sind nach Sichtung von Amit, Schoemaker, Barney und Grant: Heterogenität, Relevanz, Knappheit, begrenzte Imitierbarkeit, begrenzte Mobilität und begrenzte Substituierbarkeit. Vgl. R. Amit/P. J. H. Schoemaker 1993: S. 38 ff.; J. Barney 1991: S. 1053 ff.; R. M. Grant 1991: S. 124 ff. In der Literatur nden sich darüber hinaus andere Einteilungen. Wulf benennt fünf Eigenschaften erfolgsrelevanter Ressourcen: Nutzen, Knappheit, begrenzte Imitierbarkeit, begrenzte Substituierbarkeit und begrenzte Mobilität, Vgl. T. Wulf 2007: S. 35 f. sowie die dort angegebene Literatur; Mohren erläutert vier Grundbedingungen, die zur Generierung und Aufrechterhaltung von Renten notwendig sind. Die Ressourcen müssen wertvoll, selten, schlecht imitierbar und schlecht substituierbar sein. Vgl. H. Mohren 1996: S. 161 ff.
Professionalisierung durch netzwerkorientierte Diversi kation
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Für die netzwerkorientierte Diversikation bedeutet dies, dass die einzelnen Unternehmen Kernfähigkeiten ins Netzwerk einbringen, aber darauf achten müssen die zurückbleibenden Fähigkeiten nicht zu beschädigen oder deren Erfolgsbeitrag zu reduzieren. Dies gilt entsprechend auch für ein Netzwerk, das sich neu diversizieren möchte. Es muss bedacht werden, dass die Kräftekonzentration auch im Netzwerk erfolgen muss, damit ein klarer Wettbewerbsvorteil gegenüber den nicht am Netzwerk beteiligten Akteuren erzielt werden kann. Untersuchungen von Lauterbach haben gezeigt, dass die Intensität der Austauschbeziehungen zwischen den Akteuren in einem positiven Zusammenhang zur Konzentration auf Kernkompetenzen steht (C. E. Lauterbach 2005: 191). Lauterbach bezieht sich dabei auf input-, outputbasierte und transformatorische Kernkompetenzen, „je intensiver das Kollektivbewusstsein sowie die Informationszirkulation im Wertschöpfungssystem, desto geringer die Gefahr des Kompetenzabzugs bei lokalen Kooperationen“ (C. E. Lauterbach 2005: 191). Dies trägt auch maßgeblich zur Professionalisierung durch Kompetenzschutz im Netzwerk bei. 2.2.2 Transparenz Die zentrale Aufgabe von Transparenz im Netzwerkkontext liegt im Lösen organisationaler und individueller Grenzen. Damit trägt sie zur Schaffung eines interdisziplinären und -sektoralen Dialogs bei, der an den spezischen Netzwerkfähigkeiten ausgerichtet wird. „Transparenz fordert und fördert Wertschöpfung“ (J. Heintz 2006: 98). Die Ausprägung dieses Abbaus der „starren“ Struktur kann in der Überwindung der Organisationsblindheit durch „externe Sinnelemente“, die Erfüllung von Warnfunktionen durch die Duldung von kritischen Potentialen und die Förderung von Innovationen durch ausreichend Freiraum gesehen werden (J. Heintz 2006: 104 ff.). Diesen genannten Funktionen von Transparenz geht eine interne und externe Öffnung des kirchlichen Krankenhausträgers voraus. Der intern geöffnete (transparente) Krankenhausträger ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: ▪ ▪ ▪ ▪
Arbeiten am System anstatt im System „Erfolgsmessung an der internen Zufriedenheit Maximierung des Wissenstransfers Wandel von Schnittstellen zu Nahtstellen durch multifunktionale Teams“ (J. Heintz 2006: 99)
Als Beispiel für eine interne Öffnung können die Implementierung von fachabteilungsübergreifenden Behandlungspfaden und medizinischen Zentren im Krankenhaus genannt werden (K. Pongs/R. Schommer/P. Schwegel 2007: 396). Die externe Schaffung von Transparenz ist häug mit dem Thema Outsourcing verbunden. Im Sinne der Netzwerkorientierung wird Outsourcing umfassender interpretiert als eine reine Fremdvergabe sekundärer oder tertiärer Prozess an externe Dienstleister. Im Vordergrund steht die Identizierung von Non-Core Fähigkeiten und deren Vergabe an Partner, die sich proaktiv ins Netzwerk integrieren. Damit bilden sie einen Teil der eigenen Wertschöpfungskette, was eine enge Verzahnung mit dem eigenen Netzwerk notwendig macht. Auch handelt es sich dabei um langfristige Öffnungsprozesse, die auf Basis einer gemeinsamen
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Vision und Strategie zur Wertsteigerung beruhen (J. Heintz 2006: 101 ff.). Beispielsweise kann hier die Zusammenarbeit von kirchlichen Krankenhausträgern mit Medizintechnikherstellern und Logistikunternehmen gesehen werden, wie sie u. a von der Franziskus-Stiftung Münster praktiziert wird (Medical Order Center Ahlen 2009). 2.2.3 Vernetzung Der erfolgreichen Vernetzung gehen Fokussierung und Transparenz voraus. Im Sinne der Diversi kation bedeutet Vernetzung, dass Kernfähigkeiten auf einer höheren Ebene professionell und/oder in neuer Art und Weise verÀochten werden. Dies kann intra- sowie interorganisational erfolgen. Entscheidende Bedeutung kommt den Nahtstellen zu, die eine systemintegrierende Funktion ausüben. Cremer verweist hierbei auf die Chance eines Benchmarking der Dienste und Einrichtungen im Caritas Verband (G. Cremer 2004: 185). Ferner bedeutet Vernetzung, dass Kernfähigkeiten kooperativ weiterentwickelt werden. Hierdurch erhöhen sie ihren erfolgsrelevanten Status und fördern die Bindung innerhalb des Netzwerkgewebes. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Ressource Wissen zu, die die Intensität der gegenseitigen Austauschbeziehungen positiv beeinusst (C. E. Lauterbach 2005: 191). Es ist davon auszugehen, dass nicht alle Kernfähigkeiten verochten oder weiterentwickelt werden können. Die „übrig gebliebenen“ stehen damit zur Verfügung und können in andere und/oder neue Aktivitätsfelder/-netze übertragen werden. Dies gilt generell auch für alle Arten von Kernfähigkeiten im Netzwerk, die aus endogenen sowie exogenen Gründen im Überschuss vorhanden sind. Böhnke verweist darauf, dass überschüssige Ressourcen den Anstoß für das Netzwerkgewebe bilden, in neue Aktivitätsfelder zu diversizieren. Überschüsse werden hierbei als Potentiale verstanden, die es dem kirchlichen Krankenhausträger erlauben, neue Nachfrager durch eine aus Überschussressourcen erzeugten Dienstleistung zu bedienen (R. Böhnke 1976: 49, 52). Entscheidend hierbei ist der Grad der Spezität der Kernfähigkeiten. Je höher die Spezität ist, desto weniger Übertragungsmöglichkeiten ergeben sich für diese. Damit verbunden ist auch ein größerer Efzienzverlust bei der Übertragung in ein neues Aktivitätsfeld, der aber durch die erfolgsrelevanten Eigenschaften (u. a. Knappheit) kompensiert werden kann (C. A. Montgomery/B. Wernerfelt 1988: 625).10 Das Netzwerk wird solange in weitere Aktivitätsfelder diversizieren, bis entweder die überschüssigen Kernfähigkeiten abgebaut sind oder die Kosten des Efzienzverlustes durch die Übertragung den Nutzen des Ressourcentransfers übersteigen (D. J. Teece 1982: 47 f.; C. A. Montgomery/B. Wernerfelt 1988: 625). Das Modell der Überschussressourcen bezieht sich sowohl auf materielle als auch auf immaterielle und Humanressourcen (G. Szeless 2001: 36 ff.; D. J. Teece 1982: 49). Durch die Übertragung von Ressourcen geht damit auch eine Rollen- sowie Aktivitätsfeldentwicklung einher.
10
S. Chatterjee/B. Wernerfelt 1991: S. 34 sprechen auch von der Flexibilität. Je exibler eine Ressource ist, desto umfangreicher sind ihre Einsatzgebiete.
Professionalisierung durch netzwerkorientierte Diversi kation
2.3
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Beitrag zur Professionalisierung
Welchen Beitrag leistet nun der Prozess der netzwerkorientierten Diversikation zur Steigerung der Ressourcen-, Markt- und Prozessefzienz ? Die Bündelung von Kernkompetenzen und die damit einhergehende Auseinandersetzung mit der Unternehmensgeschichte tragen zur Steigerung der Ressourcenefzienz bei. Damit einher gehen auch die Identikation von Non-Core Fähigkeiten sowie ein funktionierender Wissenstransfer, der insbesondere für multifunktionale Teams (z. B. im Rahmen der Hospizarbeit) notwendig ist, um eine optimale Patientenversorgung sicherzustellen. Die Nutzbarkeit vielfältiger und weiterentwickelter Ressourcen ist als ein weiterer entscheidender Beitrag zur Ressourcenefzienz zu sehen. Die an der Weiterentwicklung beteiligten Akteure protieren sowohl als „Gebende“ als auch als „Nehmende“ im Netzwerk. Dies zeigt sich auch durch die Realisierung von Synergien, deren Mehrwert durch die gemeinsame Nutzung oder das gemeinsame Zusammenwirken von Ressourcen über mindestens zwei Aktivitätsfelder hinweg erzielt wird (Überschussressourcen) (M. A. Hitt/R. D. Ireland 1985: 274.; S. Jacobs 1992: 21 f.; S. Chatterjee 1986: 120 f.; M. Bradley/A. Desai/H. E. Kim 1983: 183 f.). Das gemeinsame Zusammenwirken in einem Ganzen (Netzwerk) ermöglicht damit die Steigerung der Efzienz eines Aktivitätsfeldes durch umfassendere Ausschöpfung vorhandener Ressourcen oder den Aufbau neuer Ressourcen (M. Ganz 1991: 72.; S. Jacobs 1992: 21 f.). Es wird davon ausgegangen, dass der Wert des Ganzen dabei mehr ist als der Wert seiner einzelnen Teile (H. I. Ansoff 1965: 75; R. Böhnke 1976: 53.; S. Jacobs 1992: 22.; P. R. Nayyar 1992: 220). Synergien können nach Kogeler unterschiedliche Wirkungen entfalten. Hierzu zählen nanzielle und funktionelle Synergien, materielle und immaterielle Synergien sowie positive und negative Synergien (R. Kogeler 1992: 33 ff.). Ein kirchlicher Träger, der sich auf den Weg der netzwerkorientierten Diversikation begibt, hat damit die Chance auf ein deutlich tieferes sowie breiteres „Ressourcenarsenal“ zuzugreifen. Darüber hinaus bieten sich ihm mehr Aktivitätsfelder und damit Entwicklungspotential als seinen Wettbewerbern, die als „Einzelkämpfer“ agieren. Abhängig sind die positiven Beiträge zur Ressourcenef¿ zienz grundsätzlich von der Ausprägung der Netzwerkressourcen. Sind die Netzwerkressourcen stark ausgeprägt, dann liefern sie auch einen hohen Beitrag zur Professionalisierung. Als Beispiel kann hier auf gefestigte Routinen zum Austausch in Form von Netzwerkstandards hingewiesen werden. Positiven Einuss auf die Marktef¿zienz hat insbesondere die hybride Ausprägung der Akteure im Netzwerk. Dass sie sowohl Zuweiser als auch Kunde sein können, trägt zu einem neuen Rollenverständnis bei, das Innovationspotenzial fördert. Auch die krankenhausindividuelle Geschichte und deren Bedeutung für die Fokussierung haben entscheidenden Einuss auf die Beziehung zu Marktpartnern. Die Grenzen zwischen etablierten und festen Rollen brechen auf und verschwinden. Sie werden durch eine durchlässige Membran ersetzt. Darüber hinaus kann das Netzwerk selbst eine Verhandlungs-/Marktmacht gegenüber externen Zuweisern und Kunden aufbauen, die durch die Vielfältigkeit der Möglichkeiten im eigenen Netzwerk weiter gestärkt wird. Auch die Etablierung einer Network Identity trägt zur eigenen Stärkung am Markt bei. Aus der Perspektive von Patienten/Kunden schafft die netzwerkorientierte Diversikation einen deutlichen Nutzen, der aus einem vielfältigen und vernetzten Angebot resultiert.
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Eine hohe Prozessef¿zienz bildet hierfür die Grundlage, die durch die Einführung von Transparenz erzielt werden kann. Damit erfüllt der Prozess auch eine Warnfunktion und ist aufgrund der vernetzten Strukturen auf Wandlungsfähigkeit ausgelegt. Was bedeutet, dass ihm ein aktives Handlungsbewusstsein innewohnt. Damit unterscheidet sich die Wandlungsfähigkeit auch von der Flexibilität, die eine reine reaktive Handlung darstellt (J. Heintz 2006: 89). Grundsätzlich ist die Prozessefzienz aber in der optimalen Aufteilung der Erbringung der Kernkompetenzen zu sehen. Jeder Akteur erbringt nur die Leistung, die er auch am besten erbringen kann. Unter der Voraussetzung ausreichender technischer Möglichkeiten können damit selbst komplexe Wertschöpfungsprozesse efzient gesteuert sowie die Übertragung von Kernfähigkeiten mit begrenztem Aufwand durchgeführt werden (M. Thiele 1997: 223 ff.). Die nachfolgende Abbildung stellt die positiven Einüsse strukturiert dar. Abbildung 3
Beitrag zur Professionalisierung
Quelle: eigene Darstellung
Neben den beschriebenen positiven Auswirkungen existieren auch negative Effekte der netzwerkorientierten Diversikation auf die Ressourcen-, Markt- und Prozessefzienz, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: Grundsätzlich werden die Efzienzsteigerungen durch die erhöhten Koordinationsaufwendungen getrübt. Durch die Verlagerung der Leistungserbringung ins Netzwerk entstehen dem kirchlichen Krankenhausträger neue Schnittstellen, die koordiniert werden müssen. Dies führt zu erhöhten Transaktionskosten. Darüber hinaus ist es nicht ohne weiteres möglich, die eigenen Netzwerkressourcen zu identizieren. Sicherlich können hier diverse Techniken helfen, letztlich verbleibt jedoch das Risiko möglicher Fehlentscheidungen. Die Einbringung von Non-Core Kompetenzen ins Netzwerk hat nicht nur negative Folgen auf die eigene Unternehmung, sondern auf das ganze Netzwerk. Darüber hinaus kann die efziente Leistungserbringung unter Führungslosigkeit leiden. Bildet sich keine gemeinsame Strategie sowie eine gemeinsame bzw. kompatible Netzwerkkultur heraus, kommt es zu Reibungsverlusten. Darüber hinaus kann die Wandlungsfähigkeit der
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Prozesse durch die Bildung von „organization slack“ teuer bezahlt werden. Denn im Vergleich zum „starren“ Prozess benötigt der wandlungsfähige ein „Mehr“ an Spielraum. Ferner bleibt anzumerken, dass opportunistisches Verhalten einzelner Akteure – wenn es nicht rechtzeitig von den anderen erkannt wird – zu Efzienzeinbußen bei der netzwerkorientierten Diversikation führen kann. Abschließend lässt sich konstatieren, dass trotz der beschriebenen negativen Effekte kirchliche Krankenhausträger durch das beschriebene Vorgehen einen starken Impuls zur Neuausrichtung erhalten. Beispielhaft können nachfolgende Maßnahmen zur Professionalisierung aufgeführt werden: ▪ ▪ ▪
3
Maßnahmen zur Steigerung der Ressourcenef zienz: Personalrotation im Verbund, arztentlastende Tätigkeiten durch den Pegedienst, uvm. (J. Baierlein et al. 2008: 401 ff.) Maßnahmen zur Steigerung der Marktefzienz: Einkaufsgemeinschaften, Gründung medizinischer Versorgungszentren, u. v. m. Maßnahmen zur Steigerung der Prozessefzienz: Einführung von Behandlungspfaden, Einführung medizinisch-technischer Innovationen (Pillcam), neue chirurgische Verfahren (Minimal-invasive Chirurgie), u. v. m. (P. Oberender/P. Schwegel/P. Da-Cruz 2008: 10 ff.) Fazit
Abschließend werden die wichtigsten Ergebnisse der vorangegangenen Ausführungen zusammengefasst. 1. 2. 3.
4.
Kirchliche Krankenhausträger bringen auf Grund ihres breiten Leistungsangebotes sowie vereinender unternehmenskultureller Eigenschaften gute Voraussetzungen für Professionalisierung durch vernetztes Wachstum mit. Kirchliche Krankenhausträger zeigen bereits ein ausgeprägtes Engagement zur Netzwerkbildung, -pÀege und -entwicklung, was eine vitale Grundlage für weiteres internes sowie externes Wachstum darstellen kann. Die Erhöhung der Professionalisierung – verstanden als Steigerung der Ressourcen-, Marktund Prozessefzienz – kann nicht ohne weiteres erreicht werden. Kirchliche Krankenhausträger sind daher gefordert, sich auf ihre aktivitätsfelder- und wertstufenspezischen Kernfähigkeiten zu konzentrieren. Darüber hinaus werden Netzwerkressourcen gefordert, die Wandlungsfähigkeit, Transparenz und Vernetzung fördern. Das Management kirchlicher Krankenhausträger wird bei diesem Prozess besonders beansprucht sein, eine aktive und integrierende Rolle einzunehmen.
Darüber hinaus lässt sich festhalten, dass die Bereicherung des Diversi kationsansatzes durch eine Netzwerkperspektive weiteren Forschungsbedarf impliziert. Insbesondere der Untersuchungsgegenstand der kirchlichen Krankenhausträger mit seiner hohen ökonomischen Bedeutung für das Gesundheitswesen stellt einen interessanten Bereich innerhalb der NPO
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Forschung dar. Seine Bedeutung für die Professionalisierung bietet hier noch zahlreiche Ansatzpunkte. Folgende Fragen erscheinen dabei von besonderem Interesse: ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪
4
Welche Rolle spielen die im Krankenhauswesen stark ausgeprägten Rollenverteilungen zwischen Ärztlichem Dienst, Pegedienst und Verwaltung für die Professionalisierung des Managements ? Welche Ursachen liegen der strategischen Professionalisierung zu Grunde ? Handelt es sich hierbei um einen aktiven oder passiven Prozess ? Inwieweit ist das kirchliche Wertefundament ein Sprungbrett oder ein Hindernis für weitere Vernetzungsaktivitäten ? Was unterscheidet kirchliche Krankenhausträger bei ihren Bemühungen zur Professionalisierung von öffentlichen und privaten Trägern ? Welchen Einuss haben die Stakeholder kirchlicher Krankenhausträger (insbesondere Kostenträger, Patienten, Gesetzgeber und Kirche) auf den Professionalisierungsprozess ? Welche Auswirkungen hat der Netzwerkansatz auf die Ausprägung der Charakteristika der Diversikation kirchlicher Krankenhausträger ? Literatur
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Die Steuerung von Nonpro¿t-Unternehmen als Herausforderung – am Beispiel ambulanter kirchlicher PÀegeeinrichtungen Uta Herwig, Frank Jöst
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Einführung
Die deutsche Sozialpolitik orientiert sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend am Leitbild eines Sozialmarkts. Besonders gut lässt sich diese Entwicklung im Bereich der Versorgung Pegebedürftiger ablesen. Mit der Verabschiedung des Pegeversicherungsgesetz (SGB IX) wurden durch die Einführung marktwirtschaftliche Elemente auf der Anbieterseite bei der Versorgung Pegebedürftiger gestärkt. So wird beispielsweise die Zulassung von Pegebetrieben nicht mehr an eine staatliche Bedarfsplanung, sondern ausschließlich an bestimmte fachliche Voraussetzungen gebunden. Zudem wird auf die Erstellung von Bedarfsplänen wie in der Krankenhausversorgung verzichtet, die gewerblichen Anbieter werden freigemeinnützigen Trägern gleichgestellt und es gibt keine Marktzutrittsschranken für Einzelpersonen. Der Rückgriff auf marktwirtschaftliche Elemente bei der Organisation der Versorgung Pegebedürftiger ist Ausdruck eines sich wandelnden Sozialstaatsverständnisses: Wir beobachten eine Abkehr von einem institutionellen Sozialstaatsverständnis, das wesentlich durch eine vorrangige Leistungserstellung durch frei-gemeinnützige Einrichtungen vor gewerblicher oder staatlicher Bereitstellung charakterisiert ist, hin zu einem funktionalen Sozialstaatsverständnis. Dem Staat kommt demnach alleine die Aufgabe zu, durch das Setzen geeigneter ordnungspolitischer Rahmenbedingungen eine ächendeckende Versorgung mit sozialen Dienstleistungen sicherzustellen, ohne dass eine staatliche Bedarfsplanung erfolgt und bestimmte Träger bevorzugt werden (F. Schulz-Nieswandt 2005). Diese Veränderungen im Sozialstaatsverständnis und in der Sozialpolitik haben weitreichende Folgen für die bisher in der Leistungserstellung dominierenden frei-gemeinnützigen Einrichtungen. Diese sehen sich zunehmend der Konkurrenz mit anderen Sozialunternehmen sowohl der freien Wohlfahrtspege als auch von privat gewerblichen Einrichtungen ausgesetzt. In diesem verstärkten Anbieterwettbewerb, der zudem durch die knapper werdenden nanziellen Mittel des Sozialstaats verschärft wird, können die Unternehmen nur überleben, wenn sie in der Lage sind, ein innovatives und bedarfsgerechtes Angebot efzient bereitzustellen. Damit dies gelingen kann, ist eine zunehmende Professionalisierung der Organisation in zweifacher Hinsicht erforderlich: es müssen die ökonomischen Kompetenzen auf der Leitungsebene und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die die sozialen Dienstleistungen erstellen, erweitert werden. Der zunehmende Wettbewerb und die erforderliche Ausrichtung des Leistungsangebots an ökonomischen Kriterien berühren allerdings das Selbstverständnis der Einrichtungen als sachzielorientierter und nicht gewinnorientierter Organisation sowie das Selbstverständnis
A. Langer · A. Schröer (Hrsg.), Professionalisierung im Nonprofit Management, DOI 10.1007/978-3-531-92664-3_10, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Uta Herwig, Frank Jöst
der Angehörigen sozialer und medizinischer Berufe als Zugehörige einer Profession, die weitgehend selbstbestimmt und alleine am Wohl des Klienten ausgerichtet arbeiten. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen müssen die Einrichtungen an ihrer Identitätsentwicklung arbeiten, um die widersprüchlichen Erfordernissen der Umsetzung ökonomischer Handlungslogiken und der ‚Mission‘ der Organisation, Benachteiligten vorraussetzungsfrei zu helfen, zu integrieren. Dies schließt die Weiterentwicklung des Selbstverständnisses sozialmedizinischer Dienstleistungsberufe ein. In den nachfolgenden Überlegungen wollen wir die oben benannten Probleme am Beispiel ambulanter Pegeeinrichtungen illustrieren und aufzeigen, welche Anforderungen sich hieraus an die Steuerung von Nonprot-Unternehmen ergeben. Die Untersuchung gliedert sich in zwei Schritte. In Kapitel 2 werden die ökonomisch-theoretischen Überlegungen zur Rechtfertigung einer marktorientierten Steuerung in der Sozialpolitik zusammengefasst und die konkrete Umsetzung am Beispiel der Pegeversicherung illustriert. In Kapitel 3 werden dann die konkreten Probleme von ambulanten Pegeeinrichtungen in der Anpassung an Wettbewerbsbedingungen anhand einer Fallstudie zur Arbeit der ökumenischen Sozialstationen im Einzugsgebiet der Diözese Speyer und des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche der Pfalz diskutiert. Der Beitrag schließt in Kapitel 4 mit einem Fazit zu den vorangegangenen Überlegungen. 2
Soziale Dienstleistungen und Quasimärkte
2.1
Ökonomische Überlegungen zur Bedeutung und Regulierung von Sozialmärkten
Die staatliche Sozialpolitik orientiert sich in den letzten Jahren zunehmend am Leitbild eines Sozialmarkts. Damit verbunden ist die Erwartung über eine stärkere wettbewerbsorientierte Bereitstellung sozialer Dienstleistungen Efzienzverbesserungen bei der Leistungserstellung zu realisieren. Auf diese Weise soll ein Anstieg der Kosten der Leistungserstellung verhindert oder zumindest gedämpft werden. Die Erwartung, dass der Markt tatsächlich Efzienzvorteile gegenüber anderen Formen der Verteilung von Gütern bietet, stützt sich im Wesentlichen auf die Ergebnisse wohlfahrtsökonomischer Modelle. Diese zeigen, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Marktgleichgewicht als Ergebnis dezentraler Entscheidungen von egoistischen und rationalen Nutzenmaximieren existiert und dass in diesem Gleichgewicht keiner mehr durch eine Umverteilung von Gütern besser gestellt werden kann, ohne dass sich wenigstens ein anderes Individuum verschlechtert (F. Breyer, 2007: Kapitel 5). Wichtig für das Funktionieren von Märkten ist dabei, dass keine Marktmacht existiert, die Individuen sowohl die privaten als auch die sozialen Kosten ihrer Entscheidungen berücksichtigen und darüber hinaus die Marktteilnehmer über vollständige Information verfügen (N. Barr 2004: 72 ff.). Sind diese Annahmen verletzt, ist die Steuerung der Güter über Märkte nicht mehr efzient. Die Inefzienz der Märkte rechtfertigt allerdings nicht unmittelbar eine Bereitstellung der Güter durch den Staat. Ein Marktversagen kann auch durch das Setzten geeigneter staatlicher Rahmenbedingungen behoben werden (F. Breyer/P. Zweifel/M. Kifmann 2005: 203 ff.).
Die Steuerung von Nonprot-Unternehmen als Herausforderung
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Die Ef zienz des Marktmechanismus sagt jedoch nichts über die Gerechtigkeit der resultierenden Güterverteilung aus. Da die Verteilung der Güter über den Markt wesentlich von der Verteilung der Anfangsausstattung (Einkommen) abhängt, wird eine gegebene ungerechte Einkommensverteilung durch den Markt nicht korrigiert. Ein als ungerecht empfundenes Marktergebnis kann dann ebenfalls durch staatliche Intervention korrigiert werden. Allerdings gilt aus ökonomischer Perspektive auch hier, dass aus Gerechtigkeitsgründen nicht direkt in den Markt eingegriffen werden sollte, indem zum Beispiel die Güter vom Staat bereitgestellt und verteilt werden oder indem man bestimmte Leistungsersteller subventioniert oder Preise für die Leistungen festgesetzt. Die staatliche Bereitstellung erzeugt häug Bürokratien, die aufgrund fehlenden Wettbewerbsdrucks wenig efzient arbeiten. Einseitige Trägersubventionen und Preisregulierungen führen zu Wettbewerbs- und Preisverzerrungen und damit zu Fehlsteuerungen und Ressourcenverschwendung.1 Will man aus Gerechtigkeitserwägungen heraus das Marktergebnis korrigieren, dann sollte dies durch eine geeignete Umverteilung der Einkommen im Steuersystem oder durch direkte und gegebenenfalls zweckgebundene Einkommenstransfers an die Benachteiligten erfolgen. Eine zentrale Voraussetzung für die Efzienz des Marktes sind vollständig informierte Marktteilnehmer. Probleme treten immer dann auf, wenn die Information über die Art und Qualität der Güter und Dienstleistungen zwischen Anbietern und Nachfragern asymmetrisch verteilt ist. Dies lässt sich am Beispiel medizinisch-pegerischer Leistungen gut illustrieren: Als Patient kann ich in der Regel die Qualität medizinischer Leistungen nicht im Detail beurteilen.2 Ob die Diagnose richtig ist und ob die gewählte Therapie die einzig mögliche und die Beste ist, kann nur jemand beurteilen, der über das entsprechende medizinische Wissen verfügt. In solch einer Situation stellt das Gewinnmotiv des Anbieters einen Anreiz dar, sich opportunistisch zu verhalten. Er kann nämlich seine Gewinne erhöhen, wenn er zum Beispiel Diagnosen durchführt, die nicht nötig sind. Ein uninformierter Patient wird diese kaum ablehnen, wenn der Arzt sie vorschlägt. Die Probleme asymmetrischer Information sind umso gravierender, je komplexer die Leistung ist und je problematischer das Lernen durch Erfahrung seitens des Leistungsempfängers ist. Beim Kauf der meisten Güter lässt sich die Qualität a priori nicht richtig beurteilen. Stellt sich hinterher heraus, dass die Leistung problematisch war, wird man gegebenenfalls den Anbieter wechseln. In der Regel sind die Folgen einer schlechten Qualität nicht allzu gravierend. Dies gilt allerdings nicht unbedingt für medizinisch-pegerische Leistungen. Beim Vorliegen asymmetrischer Information ist es daher wichtig, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es erlauben, die Qualität der erbrachten Leistungen transparent zu machen und zu sichern. Wesentliche Instrumente hierfür sind gesetzliche Regelungen zu Qualitätsstandards, regelmäßige Qualitätskontrollen aber auch Qualitätsanforderungen an die Leistungsersteller und entsprechende Zulassungsverfahren und Haftungsregeln.
1 2
Zu den Wettbewerbsimplikationen der Bevorzugung frei-gemeinnütziger Organisationen äußert sich beispielsweise D. Meyer 1999 in einem Gutachten für die Monopolkommission kritisch. Dies gilt auch für den Anbieter medizinischer Leistungen. Dieser kann zum Beispiel nicht beobachten, ob sich der Patient an die verordnete Therapie hält. Da diese Informationsasymmetrie für die Regulierung der Leistungsanbieter von untergeordneter Bedeutung ist, wird dieser Aspekt hier nicht weiter diskutiert.
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Uta Herwig, Frank Jöst
Da opportunistisches Verhalten vor allem durch das Gewinnmotiv gefördert wird, sind entsprechende Regelungen in einem wettbewerbsorientierten Sozialsystem mit privat-gewerblichen Anbietern von großer Bedeutung. Für Nonprot-Organisationen besteht der Anreiz zu opportunistischem Verhalten nicht in gleichem Maße. Zum einen dürfen entstehende Gewinne nicht an die Eigentümer der Organisation ausgeschüttet werden, so dass es selbst bei einer Orientierung an individuellen Vorteilen eine Ausbeutung uninformierter Nachfrager seitens der Nonprot-Organisation unterbleibt und eine hohe Qualität angeboten wird (R. A. Hirth 1999, Ch. Badelt 2007). Zum anderen sind für Nonprot-Organisationen in der Regel moralische Werte konstitutiv, die ein am Gemeinwohl oder dem Wohl des Klienten orientiertes und nicht am Eigennutz ausgerichtetes Verhalten einfordern. Demgemäß wären viele Regelungen zur Qualitätssicherung für Nonprot-Organisationen nicht zwingend erforderlich. Im Markt mit kommerziellen und gemeinnützigen Anbietern gelten allerdings für alle Einrichtungen die gleichen rechtlichen Regelungen. Die obigen Überlegungen zeigen, dass ein Sozialstaat, der seine Politik am ökonomischen Paradigma ausrichtet, sich im Wesentlichen darauf beschränken wird, die Rahmenbedingungen für einen funktionierenden Wettbewerb zu schaffen und allenfalls Einkommen umzuverteilen. Eine solche Vorgehensweise entspricht einem funktionalen Sozialstaatsverständnis wie es auch in Deutschland auf dem Vormarsch ist. Es löst ein institutionelles Sozialstaatsverständnis ab, zu dem wesentlich eine staatliche Bedarfsplanung und der Vorrang frei-gemeinnütziger Träger vor der staatlichen oder privat-gewerblichen Bereitstellung gehört (F. Schulz-Nieswandt 2005). Für die bisher in der Bereitstellung sozialer Dienstleistungen dominierenden frei-gemeinnützigen Einrichtungen bedeutet die Abkehr von einen institutionellen Sozialstaatsverständnis einen fundamentalen Paradigmenwechsel. Dieser erfordert zum einen die Neubestimmung des Verhältnisses der Einrichtungen zum Staat. Zum anderen erfordert der zunehmende Wettbewerb mit kommerziellen Anbietern, die notwendigen Regelungen zur Qualitätssicherung sowie die Auseinandersetzung mit neuen Themen und Konzepten eine Veränderung im Anforderungsprol der Leitung der Einrichtungen, der Organisationsstruktur sowie der Qualikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Beispielhaft seien hier genannt: die Einführung von Managementsystemen insbesondere Qualitätsmanagementsystemen, die erhöhten Anforderungen an die Dokumentation der erbrachten Leistungen und insbesondere die Auseinandersetzung mit der ökonomischen Handlungslogik, die für die dauerhafte Existenz einer Einrichtung unter Marktbedingungen unabdingbar werden wird. Diese Anforderungen sollen im Folgenden für den Bereich der Pege sowie in einer Fallstudie zu ambulanten Pegeeinrichtungen detailliert dargestellt werden. 2.2
Die PÀegeversicherung als Beispiel einer marktorientierten Sozialpolitik
Eines der ersten Felder der deutschen Sozialpolitik, in der auf eine stärker marktorientierte Bereitstellung sozialer Dienstleistungen gesetzt wurde, ist der Bereich der Versorgung Pegebedürftiger. Das wesentliche Element in Richtung einer Marktsteuerung ist die Schaffung von Marktzutrittsmöglichkeiten unabhängig vom Pegebedarf.
Die Steuerung von Nonprot-Unternehmen als Herausforderung
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Im Pegeversicherungsgesetz (SGB XI) ist die Zulassung eines Pegebetriebes nicht an eine staatliche Bedarfsplanung gebunden. Die Zulassung erfolgt vielmehr durch den Abschluss eines Versorgungsvertrages mit den Pegekassen. Dabei besteht seitens des Pegebetriebes nach § 72 ein Anspruch auf den Abschluss des Versorgungsvertrages, wenn die in § 71 SGB XI genannten Voraussetzungen an die Qualikation der Leitung erfüllt ist sowie die in den §§ 113 und 113a genannten Qualitätsmanagementsysteme implementiert und die Expertenstandards eingehalten werden. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass eine wirtschaftliche pegerische Versorgung möglich ist und Beschäftigte zu ortsüblichen Tarifen bezahlt werden. Damit kann jeder, der diese Kriterien erfüllt, im Pegemarkt tätig werden. Die Finanzierung der Investitionen der Pegeeinrichtungen erfolgt überwiegend durch die Bundesländer (Prinzip der dualen Finanzierung). Die Investitionskostenzuschüsse seitens der Länder sollen eine ächendeckende Versorgung sicherstellen und sie dürfen nicht zu einen Bevorzugung bestimmter Einrichtungen führen. Damit sind eine staatliche Bedarfsplanung und daran gekoppelte Investitionskostenzuschüsse an bestimmte Einrichtungen nicht mehr möglich (vgl. hierzu das Urteil des BVerwG 3c 2.04). Um eine sachgerechte Verwendung der Mittel der Pegeversicherung zu gewährleisten, werden in den Versorgungsverträgen mit den Pegekassen die Pegeleistungen in Leistungskomplexen normiert. Ebenso erfolgt die Preissetzung für die Leistungskomplexe nicht durch den Markt, sondern in Verhandlungen zwischen Pegekassen und Leistungsersteller. Insofern ist eine Marktsteuerung im Pegebereich nur ungenügend umgesetzt. Einschränkungen ergeben sich dadurch einerseits auf Seiten der Anbieter: sie sind nicht frei in der Gestaltung ihrer Preise und ihres Angebotes. Darüber hinaus gibt es auch Beschränkungen seitens der Nachfrager. Sie können die Art der gewünschten Leistung bei normierten Leistungskomplexen nicht vollständig an ihren individuellen Präferenzen ausrichten, sind insbesondere eingeschränkt, was die Art der zu beziehenden Leistungen angeht. Trotz der nur unvollkommenen Umsetzung einer marktorientierten Steuerung in der Pege, hat sich ein Wettbewerb zwischen Anbietern herausgebildet. Dies hat vor allem die bis dahin in der Versorgung Pegebedürftiger dominierenden frei-gemeinnütziger Einrichtungen vor große Herausforderungen gestellt. Zum einen hat sich durch die Einführung der Pegeversicherung die Nachfrage und damit das Leistungsvolumen erheblich vergrößert. Durch das Budget der Pegeversicherung haben sich die zur Versorgung Pegebedürftiger zur Verfügung stehenden Mittel mehr als verdoppelt (H. Rothgang 1997:170). Zum anderen sind die Anforderungen an die Leitung der Einrichtungen, aber auch an die Beschäftigten erheblich gestiegen. Neben die bislang dominierende fachpegerische Perspektive ist die betriebswirtschaftliche als mindestens gleichberechtigt hinzugetreten. Um zu illustrieren, was diese veränderten Rahmenbedingungen für die Einrichtungen bedeuten und wie mit diesen Herausforderungen umgegangen wird, untersuchen wir die Veränderungen am Beispiel der ökumenischen Sozialstationen im Einzugsgebiet der Diözese Speyer und des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche der Pfalz näher.
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Ehrenamt, Management und Fachlichkeit: eine Fallstudie zu Steuerungsanforderungen in ambulanten PÀegeeinrichtungen
Die nachfolgende Fallstudie stützt sich zum einen auf die Erfahrung der Autorin des Aufsatzes als Geschäftsführerin einer ökumenischen Sozialstation sowie den Erfahrungen des CoAutors als ehrenamtlicher Vorstand einer ambulanten Pegeeinrichtung. Zum anderen wurde für die Fallstudie ein Fragebogen an die 36 Einrichtungen im Einzugsgebiet der Diözese Speyer und des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche der Pfalz verschickt. Von den 36 Stationen haben 8 geantwortet. Die Befragung ist keineswegs repräsentativ, zeigt aber Muster, die sich so oder ähnlich auch in anderen Einrichtungen nden. 3.1
Die Organisationsstruktur der ökumenischen Sozialstationen
Die Sozialstationen sind aus der häuslichen Krankenpege hervorgegangen, die von Ordensschwestern und Diakonissen erbracht wurde, die in den Kirchengemeinden lebten. Mit dem Rückgang der Zahl der Schwestern wurde die Arbeit für mehrere Gemeinden in der Pfalz in einer ökumenischen Sozialstation zusammengefasst. Die wesentlichen Beziehungen zwischen einzelnen Organisationsebenen der Sozialstationen und den Leistungsempfängern sind in Abbildung 1 dargestellt3. Die ambulanten Pegestationen wurden als Vereine konstituiert, deren Mitglieder evangelische und katholische Kirchengemeinden sowie evangelische und katholische Krankenpegevereine in dem jeweiligen Einzugsgebiet sind. Die Sozialstation erhält von ihren Mitgliedern Beiträge zur Unterstützung der Arbeit. Außerdem entsenden die Gemeinden und Pegevereine Vertreter oder Vertreterinnen in die Mitgliederversammlung, aus deren Mitte der Vorstand und der (ehrenamtliche) Vorsitzende gewählt werden. Die Vertreter der Mitgliederversammlung sind überwiegend ehrenamtlich tätige Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kirchengemeinden und Krankenpegevereine und hauptamtlich tätige Pfarrerinnen und Pfarrer. Satzungsgemäß hat der Vorstand der Sozialstation weitreichende Kompetenzen bei der Steuerung des Betriebes. Ihm obliegt in der Person des Vorstandsvorsitzenden die Geschäftsführung der Station. Auch wenn Teile der Kompetenzen an angestellte Geschäftsführer delegiert werden können, bleibt die wirtschaftliche Verantwortung und die Leitung des Betriebes beim Vorstand bzw. Vorsitzenden. So ist der Vorsitzende beispielsweise Dienstvorgesetzter aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Allerdings kann die Sozialstation nicht in allen Angelegenheiten autonom handeln. Veränderungen in der Organisationsstruktur, die eine Satzungsänderung erfordern, müssen kirchenaufsichtlich genehmigt werden. Damit kann zum Beispiel die Station eine Änderung der Kompetenzverteilung zwischen dem ehrenamtlichen Vorstand und einer hauptamtlichen Geschäftsführung oder die Aufnahme neuer Mitglieder, um die nanzielle Basis zu verbreitern, nicht ohne Genehmigung der Kirchenleitungen, in diesem Fall des Landeskirchenrates der Evangelischen Kirche der Pfalz und dem bischöichen Ordinariat in Speyer, vornehmen. 3
Diese Struktur ndet sich aber nicht nur bei den betrachteten ambulanten Pegeeinrichtungen wieder, sie ist in ihren Grundzügen bei vielen Nonprot-Organisationen anzutreffen, die soziale Dienstleistungen anbieten.
Die Steuerung von Nonprot-Unternehmen als Herausforderung
Abbildung 1
3.2
195
Organisationsebenen ambulanter Pegeeinrichtungen
Anreizstrukturen, Verhaltensmuster und Handlungsanforderungen im PÀegemarkt
Die Haltung der Vorstände und ihr Verhalten werden vor allem durch die den diakonischen Auftrag der Einrichtung geprägt. 4 Zu dieser theologischen Grunddenition des Ziels der Einrichtung kommt hinzu, dass auf der Vorstandsebene ökonomisches Wissen unterrepräsentiert ist. Von den 60 Vorstandmitgliedern der Sozialstationen, die an der Umfrage teilgenommen haben, verfügen jeweils nur neun über einen kaufmännischen Hintergrund. Allein 18 Vorstände haben einen theologischen Hintergrund. Die anderen kommen aus technischen, pädagogischen oder Verwaltungsberufen. Außerdem ist rund die Hälfte der Vorstandsmitglieder nicht oder nicht mehr berufstätig. Von 60 Vorstandsmitgliedern sind 52 älter als 50 Jahre, 28 Mitglieder sind älter als 60. Damit dominiert auf der Vorstandebene ein eher traditionelles Verständnis der Führung eines kirchlichen Unternehmens, in dem wirtschaftliche Perspektiven zugunsten sozialer und kirchlicher Aspekte zurückgestellt werden. Verstärkt wird dies noch durch die Notwendigkeit einer kirchenaufsichtlichen Genehmigungspicht für Satzungsänderungen, die unter Umständen aus ökonomischer Sicht sinnvoll sind. Die Kirchenaufsicht ist vor allem durch juristische Perspektiven und weniger durch betriebswirtschaftliche Sichtweisen geprägt5.
4 5
Zur Bedeutung der Werthaltung und der Stakeholder von Nonprot-Organisationen vgl. Ch. Horak et al. 2007. Jedenfalls müssen die bisherigen Verhaltensweisen bei solchen Verfahren dahingehend kategorisiert werden.
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Entscheidungen, die das operative Geschäft betreffen, werden durch die Leitungskräfte im Betrieb in enger Abstimmung mit dem Vorsitzenden getroffen. Dabei sind zwei Perspektiven handlungsleitend, die nicht immer komplementär sind: zum einen die fachpegerische Perspektive, für die stellvertretend die Pegedienstleitung steht, und zum anderen die ökonomische Perspektive, für die eine hauptamtliche Geschäftsführung steht. In der Fachpege sind professionelle Standards und Pegekonzepte handlungsleitend, die unabhängig von den ökonomischen Handlungsmöglichkeiten formuliert sind. Im Zentrum stehen die Bedürfnisse der Pegebedürftigen und pegewissenschaftliche Erkenntnisse. Pegefachkräfte lassen sich demnach als Angehörige einer Profession verstehen, wenn man einem Professionskriterienkatalog folgt, der Professionen wie folgt charakterisiert: die Arbeit erfolgt auf der Basis theoretischen Wissens, das auf die Angelegenheiten anderer Personen angewendet wird. Hinzu kommt eine häug altruistisch verstandene Orientierung am Gemeinwohl, eine Selbstverpichtung auf Verhaltensregeln, die Profession autonom setzt und die Organisation in Berufs- oder Fachverbänden (M. Pfadenhauer 2003:32). In der Arbeit der Pegedienste setzt der Gesetzgeber allerdings nicht alleine auf die Selbststeuerungsfähigkeit der Fachpege, sondern fordert die Einhaltung bestimmter Vorgehensweisen durch entsprechende gesetzliche Auagen zur Implementierung von Qualitätsmanagementsystemen und Expertenstandards (§§113, 113a SGB IX).6 Der alleinigen Orientierung an Fachpegestandards steht die ökonomische Forderung gegenüber, die Existenz der Einrichtung zu sichern. Handlungsleitend sind hier ökonomische Prinzipien. Dies erfordert unter anderem, Pegeeinsätze möglichst schnell durchzuführen, nur Leistungen zu erbringen, die abgerechnet werden können und letztlich dezitäre Pegeeinsätze zu vermeiden. Aus dieser Perspektive werden Patienten zu Kostenträgern. Solche ein Aspekt steht allerdings häug im Widerspruch zum diakonischen Prol der Einrichtung, zumindest die Mitglieder der Kirchengemeinden und Pegevereine unabhängig von ökonomischen Erwägungen zu versorgen und sie steht auch im Gegensatz zur pegefachlichen Perspektive. Beide Anforderungen, die pegerische und die ökonomische, müssen in der ambulanten Pege insbesondere von den Fachkräften in Einklang gebracht werden, da diese unmittelbar Ansprechpartner/innen für die Pegebedürftigen sind. In der ambulanten Pege müssen die Pegefachkräfte letztlich wie selbständige Unternehmer agieren, da eine enge Rückkopplung mit der Leitung der Sozialstation und die Kontrolle der Arbeit der Pegekräfte kaum möglich sind. Auch wenn mit den Klienten zu Beginn der Pege die zu erbringenden Leistungen mit der Pegedienstleitung der Sozialstation vereinbart werden, sind zunächst die Pegekräfte mit den sich ändernden Wünschen und Bedürfnissen der Klienten konfrontiert. Sie sind daher gefordert, weitgehend selbständig zu entscheiden, auf welche Weise die existierende Vereinbarung an die Bedürfnisse des Patienten angepasst werden können. Die Schwierigkeit dieser Anpassung besteht nun darin, dass die die Pegefachkräfte an den sehr eng gefassten Leistungskatalog nach § 89 SGB XI gebunden sind, die in 6
Die gesetzlichen Vorschriften zur Einhaltung von Qualitätsstandards lassen sich – je nach Standpunkt – als institutionelle Absicherung der relativen Autonomie der Profession gegen ökonomische Sachzwänge oder als Misstrauen gegenüber der Selbststeuerungsfähigkeit der Pegefachkräfte interpretieren.
Die Steuerung von Nonprot-Unternehmen als Herausforderung
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den Rahmenvereinbarungen mit den Pegekassen festgeschrieben Leistungskomplexe aber häug gar nicht die Bedürfnisse des Klienten abbilden. Dies führt dazu, dass der Wunsch nach exibler Pegesituation nicht ohne weiteres gewährt werden kann. Vielmehr muss die Pegefachkraft einen Abgleich zwischen Leistungskatalog einerseits und Kundenwünschen andererseits vornehmen und dabei auch noch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen, da der wirtschaftliche Erfolg einer Pegeeinrichtung entscheidend davon abhängt, ob es gelingt, den Leistungskatalog und die Klientenbedürfnisse unter ökonomischen Gesichtspunkten zusammenzuführen. Die Pegefachkraft kann also nicht einfach nach fachlichen Gesichtspunkten und den Bedürfnissen des Pegebedürftigen handeln, sie muss diese Anforderungen mit ökonomischen Notwendigkeiten des Betriebes abgleichen. Dazu gehört dann auch unter Umständen die Verweigerung einer gewünschten Leistung, bzw. die Notwendigkeit, sicherzustellen, dass diese privat bezahlt wird, wenn die Kasse nicht zahlt und kein anderer Kostenträger einspringt. Die Pegefachkraft muss damit oft zwei Rollen gleichzeitig einnehmen: die der Pegeperson mit ihren fachlichen Kompetenzen und die Rolle der ‚Verkäuferin‘, die entscheidet, welche Leistungswünsche im Rahmen des Budgets erfüllt werden können und wo eventuell private Zuzahlungen erforderlich werden. Die Pegefachkräfte müssen daher nicht nur fachlich, sondern auch wirtschaftlich weitergebildet werden. Dies steht häug allerdings im Widerspruch zur Motivation der Beschäftigten für den gewählten Beruf als Pegefachkraft, zu dessen Berufsbild die Verkäufereigenschaften nicht gehören. Damit fordert der Markt eine Erweiterung von dem ausbildungsbedingten Grundgedanken, bedingungslos helfend tätig zu werden, hin zu einem kalkulierenden Auftreten. 3.3
Professionalisierung zwischen Management und autonomer Fachlichkeit
Die zunehmend marktförmige Allokation von Pegeleistungen erfordert eine weitgehende Neuorientierung im Handeln der kirchlichen Einrichtungen. Diese Anforderungen sind unseres Erachtens auch paradigmatisch für andere freigemeinnützige Einrichtungen im gleichen Sektor und für Non-Protorganisationen, die soziale Dienstleitungen unter den Bedingungen eines Quasimarktes bereitstellen. Damit diese Einrichtungen dauerhaft überleben können, müssen sie ihre Arbeit weiter professionalisieren. Dabei erfordert eine Professionalisierung im Kontext der Marktsteuerung zum einen die Erweiterung der ökonomischen Kompetenzen aller Mitarbeiterinnen und die weitgehende Übertragung von Verantwortung für die Leitung der Betriebe von Ehrenamtlichen auf hauptamtliche Mitarbeiter. Professionalisierung wird hier in Anlehnung an die Überlegungen von M. Meuser (2005:259) als ein Zugewinn an Expertenwissen im Bereich Management und einer Orientierung an ökonomischen Erfolgskriterien verstanden. Hinzu tritt im Fall von Organisationen, in denen auf der Leitungsebene das Ehrenamt bislang eine wichtige Rolle spielt, die Bereitstellung von Managementkapazitäten in Form hauptamtlicher Manager. Beides wird häug mit der Schaffung größerer Organisationseinheiten einhergehen, da die kleineren Einrichtungen aufgrund der begrenzten Renanzierungsmöglichkeiten den Aufbau oder die Erweiterung der Managementkapazitäten kaum leisten können. Ein solcher Prozess wird sich vermutlich
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eine gewisse Zeit selbst verstärken, da in größeren Einrichtungen wiederum der Bedarf an formalen Managementstrukturen wächst, um komplexere Koordinationsanforderungen in größeren Organisationen bewältigen zu können. Der oben skizzierte Weg einer vorrangig an ökonomischen Kategorien ausgerichteten Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen verstärkt allerdings innere Widersprüche in den Nonprot-Organisationen. Das Element des ökonomischen steht traditionellen Professionsvorstellungen der Pegefachkräfte gegenüber. Die alleinige Handlungsorientierung an Fachstandards, die die Profession auf der Basis wissenschaftlichen Wissens autonom setzt und die auf der Basis einer umfassenden Ausbildung auf den jeweiligen Einzelfall am Bedürfnis des Klienten ausgerichtet bezogen wird, ist unter Marktbedingungen kaum aufrechtzuerhalten. Die Marktorientierung erfordert – gerade in der ambulanten Pege – vermehrt wirtschaftliche Kompetenzen bei der Fachkraft. Diese hat dem Patienten gegenüber ständig wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen, die sie nicht an die ökonomische Leitung der Organisation delegieren kann, da diese nicht unmittelbar zur Verfügung steht. Gleichzeitig erfordert die Marktsteuerung im Bereich personaler Dienstleistungen eine Standardisierung der zu erbringenden Leistungen und umfassende Regelungen zur Qualitätssicherung, um adverse Anreize ökonomischen Verhaltens bei der Leistungserstellung zu begrenzen. Das relativ große Misstrauen gegenüber der Selbststeuerung von Akteuren ökonomischer Handlungsmodelle steht im Konikt zur Vorstellung einer Profession, die sich ihre Standards auf der Basis wissenschaftlich fundierten Wissens autonom setzt und deren Berufsethos die Qualität auch ohne externe Kontrollen sicherstellt.7 4
Fazit
Die vorangegangenen Untersuchungen zeigen, dass die zunehmende Marktsteuerung bei der Bereitstellung sozialer Dienstleistungen eine größere Professionalisierung in organisatorischen und wirtschaftlichen Fragen erfordert. Die Notwendigkeit, der ökonomischen Handlungslogik gegenüber professionellen Berufsstandards und dem diakonischen Prol der Einrichtung immer mehr Bedeutung zukommen zu lassen, berührt die Identität der NonprotOrganisationen und damit ihre Glaubwürdigkeit nach innen und nach außen. Damit besteht die Gefahr, dass die Nonprot-Organisationen zwischen zwei Polen aufgerieben werden. Die Sicherung der ökonomischen Existenz erfordert eine Dominanz ökonomischer Verhaltensweisen, somit verschwindet die Unterscheidbarkeit von kommerziellen Dienstungsunternehmen. Aber gerade der Erhalt der Glaubwürdigkeit der Einrichtung gegenüber den Beschäftigten, den Mitgliedern der Einrichtung und der Öffentlichkeit erfordert in vielen Fällen eine Abkehr von rein wirtschaftlich motivierten Handlungsweisen. Diesen Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Glaubwürdigkeit als diakonischer Einrichtung gilt es zu bewältigen. Sie berührt auch das Selbstverständnis der Mitarbeitenden in den sozialen Dienstleistungsberufen.
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Eine ausführliche Diskussion zum Verhältnis von Professionsethik und ökonomischer Efzienz ndet sich bei A. Langer (2005).
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Eine Strategie, mit diesen Konikten umzugehen, die sich in der Arbeit der oben betrachteten ökumenischen Sozialstationen andeutet, kann man als Form einer „innerbetrieblichen Arbeitsteilung“ bezeichnen. Dies wird ansatzweise bereits dadurch umgesetzt, dass einige ökumenische Sozialstationen in der Pfalz zum einen begonnen haben, neue Angebote zu entwickeln, die sich einer marktförmigen Bereitstellung (noch) entziehen und damit einen Beitrag zur christlichen bzw. diakonisch-ökumenischen Identitätsstiftung liefern. Beispiele hierfür sind die Hospizarbeit oder die Organisation des Einsatzes von ehrenamtlichen Helfern in psycho-sozialen Betreuungsprojekten. Gleichzeitig schaffen diese Angebote einen Freiraum für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Pege, in dem sie, weitgehend an ihren Professionsstandards orientiert, autonom arbeiten können. Zum anderen versuchen die Stationen Angebote zu entwickeln, die bislang nicht zum Leistungskatalog der Sozialversicherungen gehören und sich damit unabhängig von den Einschränkungen staatlicher Regulierungen frei vermarkten lassen. So bietet die Sozialstation in Speyer zum Beispiel eine stundenweise Betreuung für Personen ohne Pegestufe an. Diese Leistungen können direkt mit den Klienten abgerechnet werden und fallen nicht unter die Rahmenvereinbarungen mit den Pegekassen. Die Sozialstation ist dann auch nicht an die verhandelten Preise und Leistungsinhalte gebunden. Damit entwickeln sich die Einrichtungen hin zu Betrieben, deren einer Teil sich nicht von einem privat-gewerblichen Dienst unterscheidet und einem Teil, der dazu da ist, die Identität der Einrichtung aufrechtzuerhalten. Ob dieser Weg wirklich geeignet ist, die Balance zwischen Kommerzialisierungsnotwendigkeiten und dem Erhalt der Glaubwürdigkeit nach außen und innen herzustellen, bleibt allerdings eine offene Frage. Die größten Herausforderungen für Arbeit der ambulanten Pegeeinrichtungen in einem sich verändernden Ordnungsrahmen besteht also vor allem darin, ein handlungsorientiertes Wissen sowohl für die Manager als auch die Fachkräfte zu generieren und zu vermitteln, das es erlaubt, die Balance zwischen wirtschaftlicher Handlungslogik und Sachzielorientierung herzustellen und die entsprechenden institutionellen Reformen durchzuführen, damit das generierte Wissen auch umgesetzt werden kann. 5
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Professionalisierung der Hochschulleitung ? Bernd Kleimann
1
Einleitung
Seit den 90er Jahren des letzten Jahrtausends ist das Schlagwort von der „Professionalisierung der Hochschulleitung“ zu einem festen Topos im hochschulpolitischen Diskurs avanciert. Kaum ein Statement zu universitären und fachhochschulischen Leitungsstrukturen, das nicht die Dringlichkeit einer professionelle(re)n Lenkung der Hochschulen betonte. Allerdings gibt es „zu diesen Professionalisierungsprozessen von Hochschulleitungsfunktionen nur erste Ansätze der Konzeptionalisierung“ (A. Blümel 2007: 80), und daher erscheint es lohnenswert, der Frage nachzugehen, was es mit dieser vielbeschworenen Professionalisierung auf sich hat. Was genau wird hier in welcher Weise professionalisiert – und warum ? Dieser Frage wird im Folgenden in mehreren Schritten nachgegangen. Nach einer Charakterisierung der aktuellen Veränderungen des Hochschulsystems und ihrer Auswirkungen auf die Hochschulleitung (2) wird der hochschulleitungsbezogene Professionalisierungsdiskurs exemplarisch beleuchtet (3). Im Anschluss daran erfolgt ein kurzer Streifzug durch die Professionssoziologie (4), um die konzeptionelle Basis für eine Analyse des semantischen Feldes „Profession/Professionalität/Professionalisierung“ (5) bereitzustellen. Vor dem Hintergrund dieser Analyse wird dann herausgearbeitet, in welchem Sinn plausiblerweise von einer Professionalisierung der Hochschulleitung die Rede sein kann (6). Den Abschluss bildet ein kurzer Blick auf die Struktur der Hochschulleitungstätigkeit (7). 2
Der Wandel des Hochschulsystems und die Folgen für die Hochschulleitung
2.1
Faktoren des Wandels
Der tiefgreifende Wandel, dem das deutsche Hochschulsystem gegenwärtig unterliegt, ist auf eine Umstellung des Verhältnisses zwischen Gesellschaft einerseits und Wissenschaftswie Erziehungssystem andererseits zurückzuführen. Einige der in diesem Zusammenhang wirkmächtigen Faktoren sind die massive quantitative Expansion des Bildungssystems seit den 70er Jahren mit ihrer Umstellung der Hochschullehre von der akademischen Bildung auf die akademische Ausbildung, der generelle Aufgabenzuwachs der Hochschulen in den letzten Jahrzehnten (U. Schimank 2001), der wachsende gesellschaftliche Legitimations- und Leistungsdruck, die nanziellen Engpässe der öffentlichen Hand sowie der verschärfte, nationale wie internationale Wettbewerb um knappe Ressourcen. Weitere wesentliche Faktoren sind die nach dem Scheitern des Staatssozialismus weit über die ökonomische Sphäre hinaus dominant gewordene instrumentelle Rationalität, die alle gesellschaftlichen Bereiche einem
A. Langer · A. Schröer (Hrsg.), Professionalisierung im Nonprofit Management, DOI 10.1007/978-3-531-92664-3_11, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Bernd Kleimann
Efzienzpostulat unterwirft, sowie die Wissensgesellschaft – hier verstanden als erhöhter Bedarf nach wissenschaftlich approbiertem Wissen und wissenschaftlich quali ziertem Personal in verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen. 2.2
Neue Hochschulgovernance
Ein Effekt dieses Wandels zeigt sich im Hochschulbereich in der Zurückdrängung zweier in Deutschland traditionell dominierender Formen der Hochschulgovernance: nämlich der staatlichen Detailsteuerung und der akademischen Selbstverwaltung, deren Kombination Clark als „bürokratisch-oligarchisches Regulierungsmodell“ tituliert hat (B. Clark 1983: 139 ff.). Sie werden teils ersetzt, teils ankiert durch die Steuerungsmechanismen des Wettbewerbs, der zielorientierten Außensteuerung durch Staat oder Leistungsabnehmer sowie der hierarchischen Selbststeuerung durch Fakultäts- und Hochschulleitung (D. Braun/F.-X. Merrien 1999, U. Schimank/F. Meier 2002, M. Jaeger/M. Leszczensky 2008). Während der Wettbewerb die Entwicklungsdynamik im organisationalen Feld der Hochschulen anheizt und Gewinner und Verlierer1 zum Zweck ihrer gesellschaftlichen Beobachtbarkeit unterscheidbar macht (wobei die Wettbewerbsrhetorik aus naheliegenden Gründen meist nur Gewinner kennt), erfolgt die veränderte Außensteuerung oft über Ziel- und Leistungsvereinbarungen (S. Nickel 2007), die als vertragsanaloge Verhaltensbindungen eingesetzt werden. Die durch die Ausdünnung des Hochschulrahmengesetzes und die Novellierung der Landeshochschulgesetze vollzogene Stärkung der hierarchischen Selbststeuerung hat schließlich eine doppelte Funktion: Erstens personalisiert sie die Verantwortung der als Akteure erst allmählich in Erscheinung tretenden Hochschulen (F. Meier 2009): Der Rektor oder Präsident2 fungiert an Stelle der schwer greifbaren Gesamtorganisation als Adressat gesellschaftlicher Erwartungen. Dafür ist – zweitens – Bedingung, dass die Rolle der Präsidenten formal gestärkt wird, denn: ultra posse nemo obligatur. Diese Stärkung ist in nahezu allen Landeshochschulgesetzen durch die Erweiterung von Zuständigkeiten und Kompetenzen der Hochschulleitung und durch die parallele Zurückdrängung des Einusses akademischer Selbstverwaltungsgremien erfolgt. Der generelle Wandel des Hochschulsystems und die darauf reagierenden Veränderungen in der Hochschulgovernance sind nicht nur wesentliche Elemente des Diskurses über die Professionalisierung der Hochschulleitung, sondern wirken sich auch auf die Organisation der Hochschulen und ihre Personal- und Leitungsstrukturen aus. 2.3
„Organisationalisierung“ der Hochschulen
Versteht man in der Tradition der funktionalistischen Organisationstheorie (vgl. hierzu sowie zu alternativen Organisationskonzeptionen A. Kieser/M. Ebers 2006; B. Miebach 2007; 1 2
Im Text wird aus Gründen der leichteren Lesbarkeit durchgängig die männliche Schreibweise verwendet. Dabei sind Frauen und Männer – sofern nicht eigens anders angegeben – stets gleichermaßen gemeint. Aufgrund der faktischen Dominanz des Präsidialmodells der Hochschulleitung ist im Folgenden nur noch von „Präsidenten“ die Rede, auch wenn die of zielle Amtsbezeichnung an vielen Hochschulen nach wie vor „Rektor“ lautet.
Professionalisierung der Hochschulleitung ?
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P. Preisendörfer 2008) unter einer Organisation ein hierarchisch strukturiertes, durch formale Mitgliedschafts- und Verhaltensregeln deniertes soziales System, das der efzienten Erfüllung von Zwecken dient und über ein eigenes, vergleichsweise homogenes Zielsystem verfügt, so waren Universitäten bis ins 19. Jahrhundert hinein als korporative, intern lose gekoppelte, zielplurale und nicht auf efziente Leistungserbringung geeichte Sozialsysteme wohl keine Organisationen. Dies hat sich seither geändert. Insbesondere der geschilderte Umbruch der Hochschullandschaft führt zu einer beschleunigten „Organisationalisierung“ der Hochschulen (C. von Wissel 2007), die kontrovers charakterisiert wird: Einerseits begreift man das Organisation-Werden der Hochschulen als längst überfälligen, aber noch unabgeschlossenen Prozess, in dessen Verlauf die Hochschulen institutionelle Ziele denieren und neue Steuerungsformen etablieren. Die Organisationalisierung erscheint hier als Tiefenphänomen, das die Hochschule von Grund auf verändert. Andererseits beharren insbesondere große Teile der akademischen Welt darauf, dass die Hochschulen einen eigenständigen, dem funktionalistischen Paradigma zuwiderlaufenden Organisationstypus darstellen (S. Laske/ C. Meister-Scheytt 2003; S. Laske/C. Meister-Scheytt/Küpers 2006; C. Musselin 2007). Dementsprechend werden sie als „wanderdünenartige“ (Harald Welzer), auf organisierte Weise anarchische (M. D. Cohen/J. G. March/J. Olsen 1972; M. D. Cohen/J. G. March 1986) oder als durch „institutionalisierte Verantwortungslosigkeit“ (A. Morkel 2000) gekennzeichnete Organisationen apostrophiert. Die Organisationalisierung der Hochschulen ist hier nur ein Oberächenphänomen. Beide Positionen kommen ungeachtet ihrer Unterschiede darin überein, dass die Organisationalisierung zu einer Verstärkung der für die Organisationsform der Hochschule typischen Widersprüche führt (vgl. z. B. M. Engels 2004; C. von Wissel 2007). Diese – überspitzt formuliert – „Paradoxierung“ des hochschulischen Organisationsgefüges tangiert natürlich auch das Anforderungsprol der Hochschulleitung. Der Unterschied zwischen beiden Positionen liegt in diesem Zusammenhang darin, dass Vertreter der ersteren Lesart die Paradoxierung als zu überwindendes Entwicklungsstadium betrachten, während Parteigänger der zweiten die Widersprüche als konstitutive Merkmale von Hochschulen auffassen. Die im Folgenden angedeuteten Spannungen werden sich demnach entweder im Zuge der hochschulischen Organisationalisierung auösen (Lesart 1) oder sind als Konstituentien der Hochschulorganisation von Dauer (Lesart 2). Zu diesen Widersprüchen zählen: ▪
▪
Betrieb versus Verwaltung versus Körperschaft: Die deutschen Hochschulen sind als Expertenorganisationen (A. Pellert 1999) koniktträchtige Kombinationen aus akademischer Korporation, staatlicher Verwaltung (außer in NRW) und ressourcentransformierendem (Groß-)Betrieb. Da der Druck auf eine efziente betriebliche Leistungserstellung stetig zunimmt, werden die Verwaltung im Zuge der „Autonomisierung“ und die Korporation im Zuge einer befürchteten „Entprofessionalisierung“ der wissenschaftlichen Experten (A. Koschorke 2004; U. Schimank 2005; R. Münch 2009) zurückgedrängt. Forschung versus Erziehung: Aus systemtheoretischer Sicht sind Hochschulen „anomale“ (N. Luhmann 1992) oder „intersystemische“ (M. Guggenheim 2007) Organisationen, da sie sowohl im Wissenschafts- als auch im Erziehungssystem operieren. Dieser Umstand verdankt sich dem Auszug der Forschung aus den Akademien im 18. Jahrhundert und ihrer Ansiedlung in den bis dato der Lehre verpichteten Universitäten (R. Stichweh
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3
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1994). Hierdurch konnte die Forschung ihre gesellschaftliche Verankerung und ihre Nachwuchsrekrutierung optimieren. Heute gilt die Kopplung von Forschung und Lehre immer öfter als Relikt einer überholten Universitätsideologie. Heteronomie versus Autonomie: Der alte Konikt zwischen dem Autonomiestreben der Universitäten und ihrer Abhängigkeit von ihren Trägern verschärft sich heute dadurch, dass den Hochschulen zwar größere Freiheiten eingeräumt werden, ihre Angewiesenheit auf parlamentarisch kontrollierte und ministeriell an Zielvorgaben geknüpfte Ressourcenzuüsse aber bestehen bleibt. Lose versus feste Kopplung: Die traditionell lose Kopplung der Fakultäten innerhalb der Hochschule (K. Weick 1976) erlaubt die Zusammenführung von Fächern mit heterogenen Methodologien, Karrierepfaden, Outputformen, Infrastrukturanforderungen und Weltbildern unter einem organisationalen Dach. Sie bietet zudem den Vorteil einer hohen Überlebensfähigkeit und operativen Autonomie der Einzelelemente (K. Weick 1976, S. Nickel 2007). Andererseits erwächst hieraus ein eklatantes Steuerungsproblem für die zentrale Leitung, die zur Durchsetzung der gesellschaftlich vermittelten Interessen der Gesamtorganisation zunehmend festere Kopplungen einzuführen versucht. Hierarchische versus kollegiale Entscheidungsstrukturen: Um die „anarchischen“ Entscheidungsmodalitäten der kollegialen akademischen Selbstverwaltung (M. D. Cohen/ J. G. March/J. Olsen 1972) zurückzudrängen, suchen die Gesetzgeber heute die Fakultäts- und Hochschulleitungen (Dekane, Rektoren, Präsidenten) zu stärken. Dies führt in der Praxis zu intraorganisationalen Machtkämpfen. Transparenz versus Intransparenz der Kernprozesse: Traditionell galten Forschung und Lehre als „unclear technologies“ (M. D. Cohen/J. G. March/J. Olsen 1972; C. Musselin 2007), d. h. als weder durchgängig planbare noch objektiv beurteilbare Tätigkeiten. Heute dagegen sucht man dieser Auffassung durch zahlreiche Evaluations-, Qualitätssicherungsund Akkreditierungssysteme zu begegnen, die Leistungstransparenz herstellen sollen. Situiertheit versus Ortsungebundenheit: Hochschulen – insbesondere Universitäten – weisen als „cosmopolitan local institutions“ (vgl. R. Stichweh 2001) einen paradoxen Ortsbezug auf. Einerseits haben sie an der ortsungebundenen wissenschaftlichen Kommunikation teil, andererseits stellen sie stets lokal gebundene Forschungs- und Lehrinfrastrukturen bereit. Diese Spannung verschärft sich durch den nationalen wie internationalen Wettbewerb um wissenschaftskritische Ressourcen (Personal, Fördermittel etc.). Multidisziplinarität versus fachliche Pro¿lbildung: Der Gemischtwarenladencharakter von Hochschulen (U. Schimank 2001) wird durch die kontinuierliche Ausdifferenzierung von Disziplinen in neue Subdisziplinen kontinuiert. Andererseits erfolgt die von den Hochschulen eingeforderte Prolbildung meist als fachliche Flurbereinigung und Ressourcenkonzentration. Der daraus entstehende Konikt zwischen Vielfalt und Homogenität gefährdet unter anderem die kleinen Fächer3.
Die deshalb bereits – aussterbenden Tierarten ähnlich – kartiert worden sind (http://www.hrk.de/de/brennpunkte/4013.php).
Professionalisierung der Hochschulleitung ?
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Diese sich durch die Organisationalisierung der Hochschulen verschärfenden Spannungen, Widersprüche und Konikte schlagen nun auch auf die hochschulischen Personal- und Leitungsstrukturen durch. 2.4
Veränderte Personal- und Leitungsstrukturen
Die Personalstrukturen der Hochschulen sind im Kontext der neuen Hochschulgovernance einschneidend modiziert worden: So wurden neue Karrierepfade gebahnt (Juniorprofessur), arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen (Wissenschaftszeitvertragsgesetz) und Gehaltsstrukturen (TV-L) für Nachwuchswissenschaftler erneuert sowie die Rekrutierung (Berufung durch Rektor/Präsident) und Bezahlung von Professoren (Professorenbesoldungsgesetz; individuelle Zielvereinbarungen über leistungsbezogene Gehaltsbestandteile) auf neue Grundlagen gestellt. Zudem ist im Bereich des operativen Hochschulmanagements eine Vielzahl neuer Positionen geschaffen worden, die mit Aufgaben wie Evaluation, Qualitätsmanagement, Controlling, Internationalisierung oder Technologietransfer befasst sind und als „Hochschulprofessionen“ bezeichnet werden (B. Kehm/U. Teichler 2006; vgl. den Beitrag von Blümel, Kloke und Krücken in diesem Band). Sie tragen zur Legitimation der Hochschulen bei, indem sie akademische Leistungen gesellschaftlich beobachtbar und kommunikabel machen. Parallel zu den allgemeinen Personalstrukturen haben sich auch die Leitungsstrukturen der Hochschulen in den letzten Jahren verändert. Maßgeblich dafür ist – wie bereits angedeutet – die Stärkung der hierarchischen Selbststeuerung durch die Landeshochschulgesetze. Sie stützt sich auf Gründe, die zugleich als Argumente für eine Professionalisierung der Hochschulleitung herangezogen werden. So ist ein wesentliches Motiv für die rechtliche Stärkung der Hochschulleitung das „weithin geteilte Unbehagen an der akademischen Selbstverwaltung in der Gruppenuniversität, ihre fehlende Effektivität, Efzienz und Strategiefähigkeit“ (F. Nullmeier 2001: 362). Die akademische „Honoratiorenverwaltung“ (Max Weber) werde – so die Begründungsgur – den heutigen Anforderungen aufgrund ihrer Partikularinteressen, ihrer Koniktscheu und ihrer wissenschaftlichen Problematisierungslust nicht mehr gerecht. Daher müssten Entscheidungsstrukturen eingezogen werden, die auch die mittel- bis langfristigen Interessen der Gesamtorganisation berücksichtigen, ein schnelles Reagieren erlauben, den konstruktiven Koniktaustrag befördern und die Befolgung von Entscheidungen sicherstellen. Ein weiterer Grund erwächst aus dem im Wandel begriffenen Verhältnis der Hochschule zu ihrer Umwelt. Während Selbstverwaltungsgremien dazu tendieren, sich aufgrund ihrer Binnendynamik mit sich selbst zu beschäftigen, erwartet die gesellschaftliche Umwelt hochschulische Akteure, die nach außen gerichtet agieren und denen die Verantwortung für (Fehl-)Entwicklungen zugeschrieben werden kann. Dies setzt gemäß dem AKV-Prinzip eine Stärkung der Hochschulleitung voraus. Diese Stärkung lässt sich nun in den Landeshochschulgesetzen an zwei Aspekten festmachen: an den formalen Rahmenbedingungen (1) und am Aufgabenzuschnitt der Hochschulleitung (2). Beide Aspekte sind gesetzlich unterschiedlich ausgestaltet worden. Dabei wurde einerseits die Hochschulleitung als Kollegialorgan, andererseits und vor allem aber der Präsident als Führungsinstanz gestärkt. Letzterer steht daher bei der Frage nach der Professio-
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nalisierung der Hochschulleitung im Mittelpunkt. Wie wurde aber die Stärkung realisiert ? Bezüglich der formalen Rahmenbedingungen sind u. a. die folgenden Bestimmungen relevant: ▪
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Rekrutierung: Alle Landesgesetze sehen – zum Teil optional – die Möglichkeit einer Berufung hochschulexterner, nicht-professoraler Personen auf den Präsidentenposten vor. Hintergedanke dieser Regelung ist es, ausgewiesene Führungskräfte aus anderen gesellschaftlichen Bereichen zu gewinnen. Die Wahl der Präsidenten erfolgt dabei überwiegend durch den Senat. Kraft der in einigen Bundesländern (z. B. Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg) vorgesehenen Wahl durch den Hochschulrat (z. T. unter Mitwirkung des Senats) soll die Unabhängigkeit des Präsidenten von hochschulinternen Machtverhältnissen erhöht werden. Dies bestätigt sich mit Blick auf die Regelung der vorzeitigen Abwahl von Hochschulleitungsmitgliedern; sie erfolgt – sofern sie nicht wie in Berlin gänzlich ausgeschlossen ist – in den meisten Ländern durch den oder unter Beteiligung des Hochschulrats. Hauptamtlichkeit: Hochschulpräsidenten sind heute hauptamtlich tätig. Inzwischen sehen einige Gesetze – in Ergänzung zu den hauptamtlichen Kanzlern bzw. Vizepräsidenten für Finanzen und Personal – die Möglichkeit weiterer hauptamtlicher Vizepräsidenten vor, sofern dies in der Grundordnung (z. B. Bayern, Nordrhein-Westfalen) oder vom Rektor (Bremen) festgelegt wird. Mit der Hauptamtlichkeit sollen die zeitliche Verfügbarkeit für das Amt und die Identikation mit der Leitungsrolle erhöht werden. Amtszeit: Gegenüber der in der Frühen Neuzeit halbjährigen, in der alten Bundesrepublik meist zweijährigen Amtsdauer sind die regulären Amtszeiten deutlich erhöht worden (meist bis zu sechs, z. T. bis zu acht Jahren; nur drei Länder sehen in der Regel kürzere Amtszeiten vor). Allerdings erlauben alle Gesetze eine Wiederwahl, so dass die faktische Verweildauer im Amt noch länger ausfallen kann4. Diese Verlängerung der Amtszeiten soll dafür sorgen, dass sich nur hoch motivierte Aspiranten auf den Führungsposten bewerben. Ferner schafft sie neben einer mittelfristigen Versorgungssicherheit die notwendige Unabhängigkeit von mikropolitischen Machtungleichgewichten in der Organisation Hochschule und damit die temporale Basis für konikthafte und längerfristige Veränderungsprozesse. Machtverteilung innerhalb der Hochschulleitung: Innerhalb der Hochschulleitung kommt dem Präsidenten die stärkste Stellung zu – einerseits durch seine Hauptamtlichkeit, andererseits aber auch durch die von der Mehrzahl der Landeshochschulgesetze vorgesehene Richtlinienkompetenz sowie – z. T. – durch sein Vetorecht bei Haushaltsangelegenheiten.
Weiter sind die Hochschulleitungen in etlichen Ländern bezüglich ihrer Aufgaben und Zuständigkeiten gestärkt worden: ▪
Strategische Kontraktsteuerung: In der Mehrheit der Länder ist die Hochschulleitung laut Gesetz für das Schließen von Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit den zustän-
4
Faktisch gehen die Amtszeiten in den letzten Jahren allerdings zurück, wie Röbken (2006) ermittelt hat. Dies dürfte unter anderem auf den Anstieg der mit Leitungspositionen verbundenen Anforderungen zurückzuführen sein.
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digen Behörden verantwortlich. Damit obliegt ihr die Aushandlung der strategischen Ziele der Hochschule. Ressourcenentscheidungen: In den meisten Bundesländern entscheidet die Hochschulleitung über die Verteilung der zugewiesenen Mittel (im Rahmen von Globalbudgets), wobei freilich diverse Vorgaben zu beachten sind (Kriterien des Landes oder des Hochschulrats, vorgegebene Verfahren der leistungsorientierten Mittelzuteilung etc.). Organisationsentscheidungen: In einigen Bundesländern (z. B. Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen) ist die Hochschulleitung unter Berücksichtigung hochschulinterner Mitspracherechte für Einrichtung, Änderung und Auösung von fachlichen und zentralen Organisationseinheiten zuständig. Sie kann damit die interne Organisationsform der Hochschule prägend mitgestalten und beispielsweise Matrixstrukturen (wie z. B. interdisziplinäre Forschungscluster) etablieren, die zentral gesteuert und nanziert werden und so den Einuss der Fakultäten schwächen. Personalpolitik: In den meisten Bundesländern ist das Berufungsrecht von den Ministerien auf die Präsidenten übergegangen. Dadurch werden die Hochschulleiter in die Lage versetzt, auf die Zusammensetzung der wichtigsten Personalkategorie erheblichen Einuss zu nehmen. Außerdem regeln die Gesetze einiger Länder explizit, dass die Zuerkennung von Leistungszulagen für die Professoren durch die Hochschulleitung erfolgt (meist in Abstimmung mit den zuständigen Dekanen).
Zu fragen ist nun, wie sich diese rechtliche Stärkung zur Professionalisierung der Hochschulleitung verhält. 3
Eine diskursanalytische Blitzlichtaufnahme
Um diese Frage beantworten zu können, soll zunächst diskursanalytisch untersucht werden, wie der Professionalisierungsbegriff im Diskurs über die Hochschulleitung verwendet wird. Wie bestimmen einschlägige Beiträge aus den letzten gut anderthalb Jahrzehnten Begriff, Objekt und Methode der Professionalisierung ? Im Jahr 1992 mahnt die Hochschulrektorenkonferenz in ihrem Konzept zur Entwicklung der Hochschulen in Deutschland eine „stärkere Professionalisierung der Fachbereichsleitung und -verwaltung“ sowie eine Stärkung der Hochschulleitung an (HRK 1992). 1997 fordert sie in ihrer Empfehlung zu den Organisations- und Leitungsstrukturen der Hochschulen (HRK 1997), dass die „Wahrnehmung der Funktion von Prorektoren/Vizepräsidenten“ weitgehend professionalisiert werden solle. Sie versteht dabei unter „Professionalisierung“ die Einführung längerer Amtszeiten, eine vollberuiche Tätigkeit (in größeren Hochschulen) sowie eine ressortspezische Leitungsqualikation als Voraussetzung für eine Nominierung. Ein Jahr später greifen Müller-Böling und Küchler die Professionalisierung als einen Faktor bei der Reform dysfunktionaler Leitungsstrukturen auf Instituts-, Fachbereichs- und Hochschulebene auf (D. Müller-Böling/T. Küchler 1998). Zur „Professionalisierung von Leitungsfunktionen“ gehören ihnen zufolge neben der Verlängerung der Amtszeiten „andere Auswahlmechanismen, andere Einkommen, die Übertragung von Verantwortung bei gleichzeitiger Einbindung in Strukturen der Rechenschaftslegung sowie die Entwicklung einer beruichen Perspektive bzw.
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Karriere als Dekan oder Präsident“ (ebd.: 30). Ein weiteres Jahr später gibt der Professionalisierungs-Begriff einer Pro-Contra-Debatte in der Zeitschrift Forschung & Lehre ihren Titel (Forschung & Lehre 1999). Dabei spricht sich der damalige baden-württembergische Wissenschaftsminister Klaus von Trotha im Hinblick auf die notwendige Erhöhung von Efzienz, Verantwortung und Strategiefähigkeit in den Hochschulen für eine nicht näher denierte Professionalisierung von Hochschul- und Fakultätsleitung aus, während Géza Alföldy professionalisierte Leitungsstrukturen qua Amtszeitverlängerung der Rektoren und Hauptamtlichkeit von Dekanen zurückweist, da Hochschulen kollegial und wissenschaftsnah geführt werden müssten. Im Jahr darauf unternimmt Frank Nullmeier (2001) dann eine erste gründliche Analyse der Professionalisierungsforderung. Deren gegenüber dem soziologischen Professionalisierungskonzept erweiterter semantischer Kern ist die Verberuichung von Hochschul- und Fakultätsleitung nach dem Vorbild der Presidents und Deans an US-amerikanischen Hochschulen. Nullmeier unterscheidet dabei fünf Grundrichtungen der Professionalisierungsdebatte: 1. Qualizierung: Hier stehen Personal- und Kompetenzentwicklung durch Qualizierungs- und Coachingmaßnahmen im Vordergrund; 2. Spezialisierung: Hier sollen die einzelnen Führungskräfte durch ressortierte Arbeitsteilung im kollegialen Führungsteam entlastet werden; 3. Attraktivitätssteigerung als dominante Professionalisierungsvariante: Hier sollen die Positionen des Rektors oder Dekans durch Verlängerung der Amtszeiten und Erweiterung von Entscheidungskompetenzen attraktiver gemacht werden; 4. Managerialismus-Ansatz: Hier wird die Möglichkeit der Besetzung von Leitungspositionen durch hochschulexterne Manager eingeräumt. Diese Möglichkeit wird jedoch kaum in Anspruch genommen und wäre nach Nullmeier nur bei einer Akademisierung der Leitungsaufgaben ein geeigneter Professionalisierungsweg; 5. Als „Vollprofessionalisierung“ bezeichnet Nullmeier schließlich eine verwissenschaftlichte, verberuflichte Leitungstätigkeit auf der Basis akademischer Ausbildungsprogramme und mit einem Karriereweg, der von hochschulischen Assistenz- bis zu Führungsfunktionen reicht. Da es Vorbehalte gegen nicht-professorale Führungskräfte an Hochschulen gebe, müssten entweder Fachprofessoren akademisch weiterqualiziert oder professorale Karrierewege in einer neuen akademischen „Subdisziplin“ Hochschul- und Wissenschaftsmanagement geschaffen werden. Als weitere Bedingungen für diese Vollprofessionalisierung nennt Nullmeier eine geänderte Rekrutierungspraxis auf Fakultätsebene (hauptberuiche, externe Dekane), akademische Abschlüsse im Hochschulmanagement als (nur langfristig etablierbare) Zugangsvoraussetzung, die Abkehr vom Rotationsprinzip bei Dekanen sowie die Ermöglichung von Mobilität im Sinne einer Übernahme von Leitungspositionen an verschiedenen Einrichtungen. In den Folgejahren setzt sich die Karriere des Professionalisierungsbegriffs fort. 2004 fasst die Hochschulrektorenkonferenz „Professionalisierung als Leitungsaufgabe“ (HRK 2004) und deniert sie als strukturelle und kompetenzbezogene Stärkung der Hochschulleitung. „Professionalisierung muss dabei nicht als ,Verberuichung‘ im engen Sinne verstanden werden. In erster Linie geht es einerseits um die Ausgestaltung der Leitungsstrukturen, die ‚professionelle‘ Leitungstätigkeit ermöglichen müssen, und andererseits um die (berufsbegleitende) Qualizierung des Leitungspersonals für diese Tätigkeiten.“ (ebd.: 9) Strukturell empehlt die HRK neben mehr Entscheidungsbefugnissen und größerer personaler Verantwortung die Trennung zwischen der Hochschulleitung als Leitungs- und Entscheidungsgremium, einem extern besetzten Aufsichtsgremium und einem beratenden zentralen Kollegialorgan. Im Hinblick auf Qualikationsprole verlangt die HRK dagegen von den Hochschulleitern, dass sie „die Funktionsbedingungen von
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Wissenschaft aus Erfahrung kennen und zugleich über umfassende Managementkompetenz verfügen“ sollen (ebd.: 3), damit sie in der Institution Hochschule „führen und unternehmerisch handeln, verhandeln und entscheiden, koordinieren und integrieren, Ressourcen zuteilen und Krisen managen können.“ (ebd.: 13). Während Demougin und Fabel (2005) ein Jahr später die Professionalisierung der Hochschulleitung aus organisationsökonomischer Perspektive auf die Einführung neuer Leitungs- und Controllingstrukturen an den Universitäten beziehen und dabei den Professionalisierungsbegriff sehr frei verwenden5, beschreibt Wolff (2005) „Universitätsmanagement als emergente Profession“. Dabei knüpft er einerseits an soziologische Professionsbegriffe an. Da sich eine Profession durch eine ausreichende Anzahl von Mitgliedern und durch gemeinsame Verhaltensregeln, Wissensbestände und Praktiken auszeichnet, ist die Profession des Hochschulmanagements nach Wolff erst im Entstehen begriffen (ebd.: 47). Andererseits bestimmt er den Professionellen nicht als Mitglied einer spezischen Berufsgruppe, sondern als Antonym zum Amateur oder Laien (ebd.: 43), und betont, dass Hochschulleiter bislang Autodidakten sind, deren Professionalisierung als individueller Erfahrungs- und Reexionsprozess (unterstützt durch Teams, Führungsprogramme oder Netzwerke) abläuft. Damit changiert Wolff zwischen einem berufsbezogenen und einem kompetenzorientierten Professionalisierungsbegriff. Nickel und Ziegele (2006) knüpfen dagegen in ihrem Plädoyer für eine ‚Vollprofessionalisierung‘ des Hochschulmanagements terminologisch an Nullmeier an. Unter ‚Vollprofessionalisierung‘ verstehen sie dabei Hauptamtlichkeit und Ausschließlichkeit der Leitungsaufgabe, fundierte Kenntnis von Forschung und Lehre, eine Ausbildung im Bereich des Hochschulmanagements als Basis für die Wahrnehmung der Leitungsfunktion, ein Selbstverständnis der Leitungspersonen als Angehörige der Profession Wissenschaftsmanagement und das Vorhandensein von Karrierewegen. Ferner sind für eine erfolgreiche Vollprofessionalisierung veränderte Rahmenbedingungen erforderlich, nämlich die „Vermeidung unreektierter betriebswirtschaftlicher Standardlösungen“ (ebd.: 4), ein umfassendes, theoriegeleitetes Ausbildungsangebot, eine adäquate Bezahlung der Führungskräfte, Mechanismen zur Leistungsüberprüfung sowie im Falle von Dekanen ausreichend große Organisationseinheiten. Damit kombinieren Nickel und Ziegele einen berufsbezogenen mit einem struktur- und einem kompetenzorientierten Professionalisierungsbegriff. Zwei verschiedene Dimensionen der Professionalisierung grenzt schließlich Blümel (2007) im Rekurs auf Nullmeier und Nickel/Ziegele voneinander ab. Als Elemente einer „organisationsbezogene[n] Professionalisierung“ (ebd.: 77) benennt er die sich z. T. auch auf Vizepräsidenten ausdehnende Hauptamtlichkeit der Leitungsämter, die Verlängerung der Amtszeiten, die Aufteilung von Ressortverantwortlichkeiten, den Aufbau von Beraterstäben zur Entscheidungsvorbereitung, die Erweiterung von Weisungsbefugnissen und die organisatorische Einbindung dezentraler Fachbereichsleitungen. Daraus ergibt sich als zweite Professionalisierungsdimension eine „professionsbezogene Kompetenzund Positionsprofessionalisierung“ (ebd.: 79), zu der „alle Formen der gezielten Auswahl, Qualizierung und Personalentwicklung der Mitglieder in der zentralen und dezentralen Hochschulleitung“ (ebd.) gehören. Blümel legt ferner dar, dass eine Verwissenschaftlichung des Hochschulmanagements in Form von Studienangeboten oder Akademien gegenwärtig nicht absehbar ist. Allerdings sei längerfristig „auch eine eigene Profession mit ausgeprägtem Selbst5
So sprechen sie von der professionalisierten Universität (ebd.: 5) ebenso wie von der Professionalisierung der Leitungs- bzw. Controllingstrukturen (ebd.: 1) oder der Universitätsverwaltung (ebd.: 2).
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verständnis und spezischen Fortbildungsstandards denkbar, die Mitgliedern der Hochschulleitung die Möglichkeit eröffnet, zwischen Organisationen zu ‚wandern‘ und auch auf andere Leitungspositionen der Hochschul- und Wissenschaftsverwaltung zu wechseln.“ (ebd.: 80) Versucht man nun, die Aussagen der verschiedenen Beiträge zusammenzufassen, so zeigt sich rasch, dass die Professionalisierung der Hochschulleitung höchst uneinheitlich bestimmt, wenn auch fast einhellig begrüßt wird. Der semantische Gehalt des Begriffs „Professionalisierung“ fällt je nach Kontext anders aus. Mal ist die Herausbildung eines Berufs gemeint, dann das Entstehen einer Expertencommunity, die organisatorische Veränderung von Leitungsstrukturen, die rechtliche Stärkung der Präsidien, die Efzienzsteigerung von Verwaltungs- und anderen Supportprozessen oder die Entstehung akademischer Aus- und Weiterbildungsprogramme.6 Deutlich wird die semantische Polyvalenz des Begriffs auch an der Vielzahl der Professionalisierungsgegenstände. Während es auf der einen Seite die Mitglieder der Hochschulleitung sind, die professionalisiert werden, so sind es auf der anderen Seite die Leitungs-, Entscheidungs- oder Controllingstrukturen, dann wiederum die Aufgaben, die Art der Aufgabenwahrnehmung durch die Hochschulleitung oder die dabei anzutreffenden Supportprozesse, schließlich sogar die ganze Verwaltung oder gar die Hochschule selbst. Nicht weniger divers sind die Professionalisierungswege und -methoden: Sie reichen von der Teilnahme (potenzieller) Führungskräfte an Weiterbildungsveranstaltungen oder akademischen Studien über die Gehaltssteigerung, die rechtliche Stärkung von Präsidenten und die organisatorische Aufgliederung der Leitung in Präsidium, Hochschulrat und Senat bis zur Aufgabenteilung innerhalb des Präsidiums. Ferner bleibt an vielen Stellen unklar, ob die Rede von einer Professionalisierung der Hochschulleitung als Diagnose oder als Postulat zu verstehen ist. Handelt es sich um die Beschreibung sozialer Entwicklungen oder um die hochschulpolitische Forderung, verkrustete Verhältnisse zum Tanzen zu bringen ? Oft bleibt dies unklar, und nicht selten geht beides durcheinander. Eine wirkliche Klärung des Begriffs erbringt die diskursanalytische Blitzlichtaufnahme daher nicht. Warum aber herrscht im Hochschuldiskurs eine derartige Begriffsverwirrung ? Zwei Gründe sind meines Erachtens dafür verantwortlich: erstens die weitgehende Ausblendung des professionssoziologischen Fachdiskurses, zweitens die Vorteile, die sich aus der semantischen Vagheit des Begriffs ergeben. Denn als positiv konnotierter, aber schillernder „Containerbegriff“ ist der Terminus ja bestens geeignet, je nach Kontext ausgedeutet und als fungible Verbalwaffe im hochschulpolitischen Reformdiskurs eingesetzt zu werden. Um zu prüfen, ob dieser Verdacht berechtigt ist, werden im Folgenden bei der für das Wortfeld „Profession/Professionalisierung/Professionalität“ zuständigen Disziplin – der Professionssoziologie – Erkundigungen darüber eingeholt, was denn die Fachwissenschaft unter „Profession“ und „Professionalisierung“ versteht.
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Dieser diskursanalytische Befund wird durch das Begriffsverständnis bestätigt, das deutsche Hochschulkanzler 2008 im Rahmen einer Umfrage des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung der DHV zu Protokoll gegeben haben. Danach wird von den Kanzlern unter Professionalisierung vornehmlich die Qualizierung und Weiterbildung, die Stärkung von Entscheidungskompetenzen und die zielgerichtete Rekrutierung von Hochschulleitungspersonal, weniger hingegen die Ausbildung einer Berufsgruppe verstanden. (http://www. wiso.fh-osnabrueck.de/26434.html; siehe auch Krücken/Blümel/Kloke 2009)
Professionalisierung der Hochschulleitung ?
4
Profession aus fachwissenschaftlicher Sicht
4.1
Der professionssoziologische Diskurs
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Bevor wir uns dem fachwissenschaftlichen Diskurs zuwenden, ist eine erkenntniskritische Vorbemerkung angebracht. Einem essentialistischen Alltagsverständnis gemäß (wie es auch den Diskurs über die Professionalisierung der Hochschulleitung beherrscht) beziehen sich Begriffe auf gegebene Merkmale sozialer Phänomene. Tatsächlich aber – so die im weitesten Sinne sozialkonstruktivistische Gegenthese – werden Termini für soziale Sachverhalte erst in teils bewussten, teils unbewussten Deutungsprozessen konstituiert. Diese Begriffskonstruktionen nden ihr Echo in den „Denitionsschlachten“ (H. Mieg 2003: 10) der Sozialwissenschaft. So verhält es sich auch im Falle des Begriffs der Profession. Er bezeichnet heute zwar im Allgemeinen eine „Sonderform beruichen Handelns“ (A. Combe/W. Helsper 1999a: 9), hat aber dennoch keine an den Rändern klar xierte Bedeutung, sondern wird in berufspolitischen und fachwissenschaftlichen Kontroversen unterschiedlich verwendet. Dies zeigt die folgende, in Anlehnung an Mieg (2003) vorgenomme, mit wenigen groben Pinselstrichen ausgeführte Rekapitulation einiger Stationen der Professionssoziologie. Zunächst einmal ist zwischen der Entwicklung der Professionen und des professionssoziologischen Diskurses im anglo-amerikanischen und im kontinentaleuropäischen Raum zu unterscheiden. Im amerikanischen Diskurs sind professions „organisierte Berufsgruppen mit einer relativ großen Autonomie“ (H. Mieg 2003: 9), die die Berufsausbildung, den Marktzutritt sowie die Denition, Organisation und Bewertung bestimmter Leistungen kontrollieren. Eine wesentliche Station der anglo-amerikanischen Theorieentwicklung ist die funktionalistische Konzeption von Professionen bei Talcott Parsons, dem zufolge der professionelle Komplex „has already become the most important single component in the structure of modern societies.“ (T. Parsons 1968: 545) Parsons geht davon aus, „dass Professionen gesellschaftlich zentrale Aufgaben übernehmen und ihnen dafür gewisse Rechte und Pichten zuerkannt werden.“ (H. Mieg 2003: 30) Zu den Pichten zählt die Gemeinwohlorientierung, Privilegien sind z. B. autonome Berufsausübung und überdurchschnittliches Einkommen. Weitere Merkmale von Professionen werden in den sechziger Jahren in der Nachfolge zu Carr-Saunders und Wilson (1936) von indikatorentheoretischen Ansätzen herauspräpariert (z. B. H. Wilensky 1964; vgl. M. Pfadenhauer 2003: 32 ff.), die jedoch gesellschaftstheoretisch unterbestimmt bleiben und heute als überholt gelten (vgl. H. Mieg 2003: 14; J. Evetts 2003). Die funktionalistische Professionssoziologie erfährt Kritik seitens des machttheoretischen Ansatzes bei Johnson (1977) und Larson (1977), denen zufolge Professionen als einussreiche gesellschaftliche Akteure bestimmte Berufsfelder kontrollieren, indem sie Kundenbedürfnisse sowie darauf gerichtete Leistungen monopolistisch denieren. Die vermeintliche Gemeinwohlorientierung wird dabei als Ideologie entlarvt, die der Durchsetzung des einer Verschwörung gleichkommenden „Professionsprojekts“ (Larson) dient. Im interaktionistischen Theoriestrang rücken das professionelle Handeln und die Klientenbeziehung in den Mittelpunkt, denen sich die Art der Berufsorganisation unterordnen muss (vgl. H. Mieg 2003: 32). Abbott stellt seiner umfassenden Schilderung des Systems der Professionen die Denition voran, Professionen seien „exclusive occupational groups applying somewhat abstract knowledge to particular
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Bernd Kleimann
cases“ (A. Abbott 1988: 8), und Freidson (2001) schließlich konzeptualisiert und verteidigt Professionen als eine erfolgreiche „third logic“ neben Markt und hierarchischem Management. In der deutschsprachigen Professionssoziologie verlaufen Mieg (2003) und Pfadenhauer (2003) zufolge die theoretischen Hauptdemarkationslinien zwischen der Theorie von Oevermann, interaktionistischen sowie systemtheoretischen Ansätzen. Nach Oevermann (1999) sind Professionen für stellvertretende Krisenbewältigung in den Bereichen leiblicher und psychosozialer Integrität, für die Aufrechterhaltung und Gewährleistung von Recht und Gerechtigkeit sowie für die Überprüfung von Geltungsfragen zuständig. Dabei unterscheiden sich die Professionen von anderen hochqualizierten Berufen durch eine besondere Interaktionslogik, wie sie im Patientengespräch, im Gerichtssaal, im argumentativ-wissenschaftlichen Diskurs oder in der Lehrer-Schüler-Interaktion auftritt. Dem interaktionistischen Paradigma werden der Ansatz von Fritz Schütze (1999), der verschiedene Paradoxien professionellen Handelns herausgearbeitet hat, wie auch die inszenierungstheoretische Perspektive von Michaela Pfadenhauer (2003) zugeordnet, die das (Selbst-)Darstellungsmoment professionellen Handelns in den Mittelpunkt stellt. Aus systemtheoretischer Perspektive schließlich sind Professionen Berufsgruppen, die „lebenspraktische Probleme von Klienten im Kontext einzelner Funktionssysteme wie dem System der Krankenbehandlung, dem Rechts-, dem Religions- und dem Erziehungssystem in Interaktionssituationen mit Klienten stellvertretend deuten, verwalten und bearbeiten.“ (T. Kurtz 2003: 101) Die Rollen des Arztes, des Rechtsanwalts, des Seelsorgers oder Lehrers sind dementsprechend verberuichte Leistungsrollen der mit „peopleprocessing“ befassten und daher nicht technologisierbaren Funktionssysteme (R. Stichweh 1999, S. Kühl 2006). Diese äußerst knappe Skizze des Diskussionsstandes zeigt, dass das Themenfeld „Profession“ zwar eine ganze Subdisziplin der Soziologie beschäftigt, es jedoch über Familienähnlichkeiten hinaus keinen stabilen Konsens bezüglich der Bedeutung des Professionsbegriffs gibt.7 Damit bendet sich die Professionssoziologie in einem Dilemma: Einerseits muss sie faktisch mit der (konsensuellen) „Undenierbarkeit“ ihres Zentralbegriffs leben, andererseits kommt sie wissenschaftsstrategisch an dessen Denition aber nicht vorbei (H. Mieg 2003: 15). Daher wird immer wieder versucht, wenigstens einen Minimalkonsens zu erzielen, indem man weite Denitionen vorschlägt, die für verschiedene Ansätze anschlussfähig sind (z. B. A. Abbott 1988, H. Mieg 2003, J. Evetts 2003). Der tiefere Grund für dieses Dilemma ist der Professionssoziologie dabei durchaus bewusst und wird vor dem Hintergrund verschiedener Fragestellungen und variierender Theoriefolien in unterschiedlicher Weise reektiert (z. B. M. Pfadenhauer 2003 und 2005; J. Borchert 2003; S. Kühl 2006; J. Evetts 2003 und 2009): nämlich der semantische Doppelcharakter des Professionsbegriffs.
7
Dies ist wissenschaftstheoretisch nicht überraschend, da schon die Ausdifferenzierung der Subdisziplin Professionssoziologie einen lebhaften Begriffs- und Theorienwettbewerb voraussetzt.
Professionalisierung der Hochschulleitung ?
4.2
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Der Doppelcharakter des Professionsbegriffs
Die janusköpge Semantik des Professionsbegriffs offenbart ein Blick zurück auf den Diskurs zur Professionalisierung der Hochschulleitung. Dort wird einerseits konstatiert, dass die Hochschulleitung eine im Entstehen begriffene Profession darstellt. Dabei wird der Professionsbegriff beschreibend gebraucht. Andererseits sollen Hochschulleitungen durch verschiedene Maßnahmen „professionalisiert“ werden, um eben „professioneller“ – d. h. effektiver, efzienter, besser – agieren zu können. Hier wird der Professionsbegriff evaluativ oder normativ gebraucht. Für diesen deskriptiv-evaluativen Doppelcharakter des Begriffs ist die Kombination mehrerer begriffsgeschichtlicher Faktoren veranwortlich: Erstens werden sowohl im europäischen als auch im angloamerikanischen Sprachraum bestimmte Berufsgruppen mit dem Terminus „Profession“ charakterisiert, die sich durch besondere Merkmale ihrer Tätigkeiten von anderen Berufen abheben. Dazu zählen – im Sinne eines Minimalkonsenses – ein umfangreiches, in akademischen Studien erworbenes Wissen, die existenzielle Relevanz der bearbeiteten Probleme, die Nicht-Technologisierbarkeit der Anwendung des professionellen Wissens oder eine hohe soziale Verantwortung (diese These stützt sich natürlich schon auf die weiter unten vorgenommene Theoriewahl). Zweitens akkumulieren die Professionen in ihrer historischen Entwicklung aufgrund ihrer besonderen Tätigkeitsmerkmale ein hohes Sozialprestige und zahlreiche sei es meritokratisch, sei es funktionalistisch legitimierte Privilegien (hohes Einkommen, beruiche Autonomie, Selbstrekrutierung des Nachwuchses etc.), durch die sie zu Vorbildern für andere Berufsgruppen werden. Drittens überträgt sich die den Professionen entgegengebrachte Wertschätzung auf das Attribut „professionell“, neben dessen deskriptiv-klassi katorischer Bedeutung („der Profession zugehörig“, „Professionsmerkmale aufweisend“) sich eine evaluativ gefärbte Bedeutungskomponente herausbildet. „Professionalität“ bezeichnet dann nicht mehr nur einen wertneutral feststellbaren professionsspezischen Merkmalskomplex, sondern hebt eine besondere, positive Qualität des Handelns von Professionsmitgliedern lobend hervor. Viertens spielt der evaluative Charakter des Professionsbegriffs in jenen berufspolitischen Kontroversen eine Rolle, in deren Kontext – wie unter anderem Stichweh (2005) betont hat – verschiedene Berufsgruppen wie Pege (J. Pundt 2006), soziale Arbeit (C. Maeder/E. Nadai 2003), Ingenieurwissenschaften (H.-P. Ekardt 2003) oder Coaches und Supervisoren (S. Kühl 2006) über die Selbstauszeichnung als „Profession“ einen Sozialstatus zu erringen versuchen, mit dem gesellschaftsweiter Respekt, berufsständische Privilegien und ökonomische Vorteile einhergehen. Dieser deskriptiv-evaluative Doppelcharakter des Professionsbegriffs ist nun für alle Mitglieder des Wortfeldes „Profession/Professionalisierung/Professionalität“ – wenn auch mit Abstufungen – einschlägig, wie im Folgenden noch zu verdeutlichen sein wird. Er ist der Grund dafür, warum insbesondere der Diskurs über die Professionalisierung der Hochschulleitung, aber auch der professionssoziologische Fachdiskurs keinen Bedeutungskonsens aufweisen, sondern vielmehr immer wieder neue Denitionsversuche unternehmen. Aus diesem Umstand ergeben sich zwei Konsequenzen für die Frage nach der Professionalisierung der Hochschulleitung. Erstens ist es unabdingbar, den Professionsbegriff im Rekurs auf eine Theorie stipulativ zu denieren, um überhaupt Kriterien für eine deskriptive Anwendung des Begriffs auf die Hochschulleitung zu erhalten. Zweitens ist zugleich
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Bernd Kleimann
der evaluative Gebrauch des Begriffs zu berücksichtigen, da er den deskriptiven Gebrauch beeinusst und sich nur analytisch von ihm trennen lässt. Beide Anforderungen sollen in der folgenden problemorientierten Analyse des Wortfeldes „Profession“ erfüllt werden, die als Interpretationsfolie für die Beantwortung der Frage nach der Professionalisierung der Hochschulleitung dient. 5
„Profession“ – eine Wortfeldanalyse
5.1
Der deskriptive Wortgebrauch
Um in der Debatte um die Professionalisierung der Hochschulleitung Position beziehen zu können, ist – wie erwähnt – eine theoriegestützte De nition des Begriffs der Profession unabdingbar. Diese Denition hat die forschungspragmatische Aufgabe, das Merkmalsset bereitzustellen, an Hand dessen sich beurteilen lässt, inwiefern die Hochschulleitung eine Profession ist (oder wird). Das Merkmalsset kann dabei als die Menge der notwendigen und zusammen hinreichenden Bedingungen angesehen werden, unter denen die deskriptive Anwendung des Professionsbegriffs adäquat erscheint. Da es keinen tragfähigen professionssoziologischen Minimalkonsens gibt, greife ich zur Bestimmung des deskriptiven Professionsbegriffs auf den systemtheoretischen Ansatz in der Fassung von Rudolf Stichweh (1994, 1999, 2005) zurück. Der Grund für diese Theoriewahl ist dreifach: Erstens erlaubt der Ansatz eine klare Abgrenzung von Professionen gegenüber anderen Berufsgruppen und führt durch seinen hohen Differenzierungsgrad zu theoretischen Distinktionsgewinnen. Zweitens mobilisiert er tragfähige historische Argumente für die Herausbildung von Professionen, und drittens ermöglicht er durch seinen hohen Detaillierungsgrad die Integration von Professionsmerkmalen aus anderen Theoriekontexten. Freilich erfolgt der Anschluss an die systemtheoretische Professionskonzeption nur mutatis mutandis: So wird die Hintergrundtheorie so weit als möglich ausgeblendet, um die Anschlussfähigkeit der Bestimmungen an andere Theoriekontexte zu erhalten. Außerdem wird die systemtheoretische Perspektive um ein machttheoretisches Moment ergänzt, das bei Stichweh schon angelegt ist: nämlich intentionale Professionalisierungsprojekte. Und schließlich sehen meine folgenden Überlegungen von der systemtheoretischen These ab, dass Professionen nur ein „transitorisches Phänomen“ seien, dessen „Höhepunkt bereits überschritten ist“ (T. Kurtz 2003: 102; vgl. R. Stichweh 1999). Auf der Basis dieser Modi kationen lässt sich der Professionsbegriff in deskriptiver Hinsicht wie folgt fassen. Professionen entstehen in mit „people-processing“ befassten Funktionssystemen, deren Kernprozesse durch Nicht-Technologisierbarkeit geprägt sind und in denen deshalb keine generalisierten Kommunikationsmedien ausgebildet werden (T. Kurtz 2003, S. Kühl 2006). In Anlehnung an die klassischen Professionen Theologie, Medizin und Jurisprudenz lassen sich Professionen dabei nach Stichweh (1994) die folgenden Merkmale zuordnen:
Professionalisierung der Hochschulleitung ?
215
1. 2.
Bezug der professionellen Praxis auf individuelle Klienten, rollenbestimmender Primat des Handelns und paralleles Quasi-Handlungsmonopol der Profession, 3. existenzielle Bedeutsamkeit des vom Professionellen objektiv de nierten Klientenbedarfs, 4. nicht-technisierbare Anwendung wissenschaftlich generierten Spezialwissens in einer hochkomplexen Situation, 5. zeitaufwändige, berufsfeldspezische akademische Ausbildung der Professionsmitglieder, 6. Selbstkontrolle der Profession durch Ethikcodices und Berufsvereinigungen, 7. Selbstrekrutierung der Profession durch kooptative Aufnahmeregularien, 8. Ausbildung homogener zentraler Leistungsrollen und komplementärer Klientenrollen, 9. Ausdifferenzierung der Profession nach externen Anforderungen, 10. weltbildprägende professionsspezische Sozialisation. Neben den durch diese Merkmale ausgezeichneten klassischen Professionen lassen sich Berufsgruppen ausmachen, die einzelne Merkmale mit den Professionen teilen und als „Möchtegern“Professionen, „bescheidene“, „vermittelnde“ oder „Semi-Professionen“8 (Belege bei M. Pfaden hauer 2003: 31) bezeichnet werden. Ein mögliches Beispiel ist die academic profession (vgl. J. Ben-David 1991) als Berufsgruppe des wissenschaftlichen Hochschulpersonals, die einige Merkmale mit den klassischen Professionen teilt (akademische Ausbildung, existenzielle Relevanz des Handelns für die Studierenden, Nicht-Technologisierbarkeit des Lehrhandelns, Kooptation des Nachwuchses etc.), während sie sich in anderen von letzteren unterscheidet (kein individueller Klientenbezug und kein rollenbestimmender Primat in der Lehre, Dominanz der weltbildprägenden Rolle der Fachdisziplin, keine Selbstkontrolle der Profession durch Ethikcodices und Berufsvereinigungen etc.). Ähnlich verhält es sich mit anderen Semi-Professionen wie den Ingenieuren oder den Sozialarbeitern, die Ähnlichkeiten mit den klassischen Professionen aufweisen und ein großes Interesse an ihrer eigenen „Professionalisierung“ haben. Neben diesem systemtheoretischen Verständnis klassischer Professionen lässt sich nun aber noch eine zweite deskriptive Bedeutungskomponente im Wortfeld ausmachen (vgl. F. Nullmeier 2001, S. Kühl 2006), nämlich „Profession“ als Bezeichnung für eine beruich organisierte Erwerbstätigkeit. Nach Max Weber kann Beruf „jene Spezizierung, Spezialisierung und Kombination von Leistungen einer Person heißen, welche für sie Grundlage einer kontinuierlichen Versorgungs- oder Erwerbschance ist.“ (M. Weber 1972: 80) Heute lassen sich Berufe als institutionalisierte, gesellschaftlich nützliche, arbeitsteilig organisierte, „fachmännisch“ erfolgende, relativ dauerhafte und mit mehr oder weniger kontinuierlichen Erwerbschancen gekoppelte Kombinationen aus Leistungen und leistungsadäquaten Fähigkeiten charakterisieren (M. Pfadenhauer 2003: 13 f.). Vor diesem Hintergrund bezieht sich der Professionsbegriff nicht nur auf die klassischen Professionen, sondern ganz allgemein auf beruiche Tätigkeiten im Gegensatz zu Ehrenämtern oder Hobbies. Dies wird insbesondere
8
Im Begriff der „Semi-Profession“ klingt bereits der evaluative Charakter des Professionsbegriffs an, ist eine solche Profession gegenüber einer „Vollprofession“ doch nur eine „halbe Sache“.
216
Bernd Kleimann
an dem – unten noch näher zu charakterisierenden – Verständnis von Professionalisierung als Verberuichung deutlich. 5.2
Der evaluative Wortgebrauch
Auch der evaluative Gebrauch des Professionsbegriffs hat zwei Facetten, wie Pfadenhauer (2003: 12) an Hand des Attributs „professionell“ gezeigt hat. Demnach wird „professionell“ einerseits im Alltag als unspezisches Lob für gekonnt ausgeführte Handlungen verwendet. Dabei variieren die Kriterien für das Können von Fall zu Fall bzw. bleiben oft auch ganz im Dunklen, da sich nicht aus dem Kontext erschließen lässt, woran die Qualität einer Handlungsweise gemessen werden kann. Andererseits schließt der evaluative Sprachgebrauch an die deskriptive Auszeichnung bestimmter Berufe an. Er bezieht sich in diesem Fall auf Handlungen, die „professionell“ in dem Sinne ausgeführt werden, dass sie beruichen Standards für expertive Wissensanwendung entsprechen. Hier sind die Gütekriterien durch die berufsspezischen Qualitätsanforderungen, -vorstellungen und -normen vorgegeben und können bei Bedarf expliziert werden. Bezieht man vor diesem Hintergrund die beiden deskriptiven Bedeutungen mit ein, lassen sich grosso modo vier idealtypische Verwendungsweisen des Attributs „professionell“ unterscheiden: Tabelle 1
Bedeutungen von „professionell“
deskriptiv
evaluativ
(1) professionell = auf einen Beruf/auf beruiches Handeln bezogen
(2) professionell = gekonnt, gut gemacht
(3) professionell = auf eine klassische Profession oder Semi-Profession bezogen
(4) professionell = beruichen/professionellen3 Standards gemäß gemacht
Die beiden Wortgebräuche in der ersten Zeile spielen vor allem im Alltagssprachgebrauch eine prominente Rolle, während (3) in wissenschaftlichen Kontexten und (4) in Berufskontexten Verwendung ndet. Die Differenz zwischen (2) und (4) besteht – wie erläutert – darin, dass (2) kriteriell unspezisch verwendet wird, während sich (4) an berufsbezogenen Qualitätsstandards orientiert. Als Mischform zwischen beiden evaluativen Sprachgebräuchen könnte man die von Mieg (2003: 21) herausgestrichene alltagssprachliche Bedeutungsnuance „efzient, systematisch, nüchtern vorgehend“ ansehen, die der Präzision ihrer Bedeutung nach zwischen (2) und (4) angesiedelt ist. Generell ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die hier vorgenommene semantische Analyse Bedeutungsvarianten klassiziert, die de facto eher bestimmten Stationen in einem semantischen Kontinuum entsprechen. Welche Konsequenzen ergeben sich nun aus dem deskriptiv-evaluativen Doppelcharakter, den wir für das Attribut „professionell“ rekonstruiert haben, für den Begriff der Professionalisierung ?
217
Professionalisierung der Hochschulleitung ?
5.3
Professionalisierung
In Analogie zum Attribut „professionell“ kann auch der Ausdruck „Professionalisierung“ als deskriptiv-evaluativer Mischbegriff rekonstruiert werden. Er bezeichnet demnach einerseits ganz allgemein die Herausbildung eines Berufs (deskriptive Bedeutungskomponente). Dabei ist zwischen zwei Verwendungsweisen zu unterscheiden. Einmal bezieht sich der Begriff auf die Herausbildung eines Berufs aus zuvor nicht-beruicher Tätigkeit, das andere Mal bezeichnet er die Herausbildung einer klassischen Profession oder Semi-Profession. In evaluativem Gebrauch formuliert der Ausdruck dagegen eine wertende Stellungnahme zur qualitativen Verbesserung von beruichen Strukturen und Handlungsweisen. Hier lässt sich zwischen dem kriteriell unspezischen Lob für ein verbessertes beruiches Handeln und der Wertschätzung eines an den Qualitätsanforderungen klassischer Professionen orientierten beruichen Handelns unterscheiden. Eine Übersicht über alle vier Bedeutungsfacetten bietet Tabelle 2: Tabelle 2
Bedeutungen von „Professionalisierung“
deskriptiv
evaluativ
weiter Begriff
(1) Ausbildung eines Berufs
unspezischer Begriff
(2) Qualitätssteigerung beruflichen Handelns
enger Begriff
(3) Ausbildung einer klassischen oder Semi-Profession*
spezischer Begriff
(4) Anpassung beruichen Handelns an Fachstandards
* „Professionalisierung meint die Entwicklung einer Berufsgruppe in Richtung einer Profession.“ (H. Mieg 2003: 22).
In der Professionssoziologie tritt der weite Begriff der Professionalisierung (1) im Sinne von „Verberuichung“ beispielsweise bei Nullmeier (2001), Evetts (2003) oder Kühl (2006) auf. Im engeren Sinne (3) meint „Professionalisierung“ dagegen die Ausprägung einer klassischen oder Semi-Profession. Entsprechend wird der Begriff in Wilenskys (1964) Professionalisierungskonzept eingesetzt, das die Entwicklung einer Profession US-amerikanischen Typs idealisierend als mehrphasigen Prozess beschreibt: „1. Ein Job wird Vollzeittätigkeit, 2. es gibt eine Ausbildungsstätte, 3. es gibt einen Studiengang, 4. ein lokaler Berufsverband entsteht, 5. ein nationaler Berufsverband wird gegründet, 6. die staatliche Anerkennung folgt, 7. ein berufsethischer Kodex kommt auf.“ (H. Mieg 2003: 22) Heute dagegen geht man eher von sehr komplexen und sehr unterschiedlich ablaufenden Prozessen der Verberuichung und der Entwicklung von Professionen aus (J. Evetts 2003: 54). In beiden Fällen des deskriptiven Sprachgebrauchs ist die sprachpragmatische Funktion jedenfalls die einer Diagnose: Man stellt fest, dass sich ein Beruf bzw. eine Profession herausbildet. Der evaluative Gebrauch des Begriffs erfolgt im Alltag und in verschiedenen Diskursen einerseits oft in kriteriell unspezischer Weise. Professionalisierung (2) meint in diesem Zusammenhang nicht mehr, als dass sich die Abläufe, Strukturen oder Leistungen in bestimmten Handlungsfeldern durch bestimmte Maßnahmen oder Einussfaktoren verbessern. Dabei bleiben die Hinsichten, an denen diese Verbesserung festgemacht werden könnte, in der Regel im Dunkeln bzw. erweisen sich als äußerst heterogen und schwammig. Die Verwendung des
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Bernd Kleimann
Professionalisierungsbegriffs hat in diesen Kontexten daher einen rein lobenden Charakter, der sich aus dem Prestige des Professionsbegriffs ergibt, ohne jedoch dessen deskriptive Semantik zu übernehmen. Anders verhält es sich, wenn von „Professionalisierung“ im Sinne von (4) die Rede ist. Dieser Sprachgebrauch kommt – wie angedeutet – in vielen berufspolitischen Debatten und in den sie ankierenden wissenschaftlichen Diskursen vor (z. B. K. Buchholz 2008). Hier geht es darum, die Entwicklung der Qualität des Handelns von Berufsgruppen lobend oder fordernd zu charakterisieren, indem man sie an den Qualitäten professionellen3 Handelns orientiert. Die Wertschätzung einer optimierten Berufspraxis wird in diesem Fall also an den Fachstandards von Wissens- und Tätigkeitsgebieten festgemacht, die sich an die Standards klassischer Professionen oder Semi-Professionen anlehnen. Sprachpragmatisch unterscheiden sich die beiden Varianten des evaluativen Begriffsgebrauchs dadurch, dass entweder ein Lob (bei bereits vollzogener Professionalisierung) oder aber eine Forderung (bei noch ausstehender Professionalisierung) artikuliert wird. In berufspolitischen Kontexten dominiert dabei eindeutig das Postulat, mit dem Berufsvertreter oder auch wissenschaftliche Beobachter die Anerkennung eines Berufs als Profession beanspruchen. Mit dieser Analyse des Professionalisierungsbegriffs ist nunmehr der Boden bereitet, um am Ende auf die Ausgangsfrage nach der Professionalisierung der Hochschulleitung zurückzukommen. 6
Professionalisierung der Hochschulleitung ?
Gemäß unserer semantischen Analyse lässt sich diese Frage jetzt in vier Teilfragen gliedern: (1) Entwickelt sich Hochschulleitung zum Beruf? (2) Bildet sich eine (Semi-)Profession „Hochschulleitung“ aus ? (3) Ist die Forderung (denn darum handelt es sich im Hochschuldiskurs) nach einer kriteriell unspezischen Leistungs- und Qualitätssteigerung von Hochschulleitung berechtigt ? Und ist (4) das Postulat einer an professionellen3 Standards orientierten Professionalisierung angemessen ? 6.1
Hochschulleitung als Beruf ?
Die Frage, ob sich Hochschulleitung zum Beruf entwickelt, lässt sich klar mit „ja“ beantworten. Versteht man unter einem Beruf – wie oben dargelegt – eine gesellschaftlich approbierte, arbeitsteilige, fachkundige, relativ dauerhafte, längerfristige Erwerbschancen bietende Tätigkeit, so darf die hauptamtliche Wahrnehmung von Hochschulleitungsaufgaben zweifelsohne als Beruf gelten. Anders als das Honoratiorenamt nebenberuicher Leitung weist die gesellschaftlich angesehene, durch Hauptamtlichkeit, lange Amtszeiten und erweiterte Kompetenzen gestärkte sowie gesondert vergütete Führungsfunktion in Hochschulen zentrale Merkmale beruicher Tätigkeit auf. Diese Bedeutungskomponente einer Verberuichung der Hochschulleitung ist nach Nullmeier (2001: 363) auch der im Hochschuldiskurs dominierende Sprachgebrauch von „Professionalisierung der Hochschulleitung“.
Professionalisierung der Hochschulleitung ?
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Allerdings erscheint diese Verberuichung in Deutschland als noch nicht abgeschlossen. So bendet sich der Arbeitsmarkt für Hochschulleiter – anders als in Großbritannien oder in den USA – erst in einem frühen Entwicklungsstadium (T. Scheytt/C. Meister-Scheytt 2000: 437). Präsidenten sind beispielsweise trotz verstärkter externer Rekrutierung bislang kaum von einer Hochschule zur anderen gewechselt – und dies schon gar nicht während der laufenden Amtszeit. Außerdem war der typische Karriereverlauf bislang so beschaffen, dass Präsidenten nach dem Ende ihrer Amtszeit entweder ihr Professorenamt wiederaufnahmen, in den Ruhestand entlassen wurden oder in das außeruniversitäre Management wechselten. Den emergenten Status des Arbeitsmarkts unterstreicht auch der Umstand, dass typische Begleitphänomene eines hochwertigen Personalmarktes wie Headhunting oder gezieltes Personalrecruiting über Firmen in Deutschland erst seit Kurzem beobachtet werden können. Dies ist auf die laufende, aber noch unabgeschlossene Transformation der Institution des Rektors als primus inter pares in die Berufsrolle des Präsidenten zurückzuführen. Das zukünftige Ausmaß dieser Transformation wird sich auch daran ablesen lassen, ob die Arbeitsteilung innerhalb der Hochschulleitung (Durchsetzung des Ressortprinzips) weiter ausgebaut, eine veränderte Arbeitsteilung zwischen Zentrale und Dezentrale eingeführt und die Hauptamtlichkeit auch auf die Vizepräsidenten ausgeweitet werden wird. 6.2
Hochschulleitung als (Semi-)Profession ?
Zweitens ist zu fragen, ob die Ausprägung einer Hochschulleitungs-Berufsrolle zugleich als Herausbildung einer neuen Profession bzw. Semi-Profession interpretierbar ist ? Die Antwort hierauf lautet meines Erachtens: „nein“. Auch wenn sich – wie erläutert – die Wahrnehmung einer hauptamtlichen Hochschulleitungsaufgabe als eine in statu nascendi begriffene Berufsrolle konzeptualisieren lässt, stellt diese Berufsrolle jedoch gerade keine emergente Profession dar, weil ihr nahezu alle Merkmale klassischer Professionen (und auch diejenigen einer Semi-Profession) abgehen. So ist die Tätigkeit von Rektoren und Präsidenten in der Regel nicht durch einen individuellen Klientenbezug mit existenziell bedeutsamem Problemkontext gekennzeichnet, sondern betrifft vielmehr eine Vielzahl verschiedener Bezugspersonen und -gruppen sowie Aufgaben- und Problemzusammenhänge, die meist mehr organisationale als individuelle Interessenlagen berühren. Dies spiegelt sich in dem Umstand, dass Hochschulleitungen kein thematisch einheitliches Handlungs- und Problemdenitionsmonopol besitzen wie Ärzte oder Juristen, sondern ihre Rolle durch eine Aufgabenheterogenität und sehr unterschiedliche Wissens- und Kompetenzfelder gekennzeichnet ist. Ferner ist es bislang so, dass Hochschulleitungsmitglieder keine für ihren Beruf spezische akademische Ausbildung durchlaufen. Zwar werden immer mehr akademische Qualizierungsangebote im Bereich Hochschul- und Wissenschaftsmanagement aufgebaut; sie richten sich jedoch eher an spezialisierte Funktionsträger auf der mittleren Managementebene und stellen keine exklusiv für Leitungsrollen qualizierenden Programme dar. Ferner kontrolliert sich die Hochschulleitung auch nicht selbst im Rahmen von Ethikcodices und Berufsassoziationen (da es sie nicht gibt), sondern wird durch interne (z. B. Senat) wie externe Instanzen (Ministerium, Hochschulrat) observiert. Ferner ist es so, dass – anders als in Professionen – keine Selbstrekrutierung qua Koopta-
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tion stattndet, sondern Gremien (Senat, Hochschulrat) und Institutionen (Ministerien), die nicht der Berufsgruppe zugehören, in von Land zu Land verschiedenen Verfahren über die Auswahl der Präsidenten benden. Was das Vorhandensein einer homogenen Leitungsrolle anbetrifft, kann man die Präsidentenrolle durchaus als relativ homogene Rolle im Berufsfeld „Hochschul- und Wissenschaftsmanagement“ ansehen, jedoch eben gerade nicht als herausgehobene Berufsrolle im Rahmen eines professionellen3 Berufsfeldes. Schließlich fehlt aufgrund der disziplinären und berufsständischen „Ortslosigkeit“ des Präsidentenamtes eine weltbildprägende Sozialisation. Die Hochschulleitung stellt also keine Profession im klassischen Sinne dar. Ebensowenig kann sie als Semi-Profession gelten, da ihr bereits ein fundamentales Merkmal von Professionalität3 fehlt: nämlich die Verwurzelung der Tätigkeit in einem zusammenhängenden, wenn auch hochkomplexen, über akademische Ausbildungsprozesse zu erschließenden Wissensgebiet, aus dessen Beherrschung ein Handlungs- und Problemdenitionsmonopol erwächst. Damit ergeht es der Hochschulleitung wie dem Management: Es kann gerade nicht professionalisiert3 werden. (vgl. S. Kühl 2006) 6.3
Professionalisierung als unspezi¿sche Qualitätssteigerung des Leitungshandelns ?
Die evaluative Bedeutung von „Professionalisierung“ als positiv zu bewertende, kriteriell unspezische Qualitätssteigerung des Leitungshandelns schließt an die Bedeutungskomponenten „gekonnt“ oder „gut“ des Attributs „professionell2“ an. Dabei tritt die Rede von der Professionalisierung2 der Hochschulleitung im Hochschuldiskurs – wie gezeigt – als Postulat auf, weil man davon ausgeht, dass sie noch aussteht. Zu fragen ist nun: Ergeht diese Forderung zu recht ? Zwei Umstände sprechen meines Erachtens dafür: Erstens verändern sich – wie geschildert – im Zuge der Verberuichung der Hochschulleitung die an die Leitungsrolle gestellten Anforderungen. Aufgaben-, Kompetenz- und Verantwortungszuwachs, gestiegene interne und externe Ansprüche, eine erhöhte Observanz durch die Akteure sowie die zahlreichen, sich verschärfenden Widersprüche der Rolle (siehe dazu den Schluss dieses Beitrags) machen eine Steigerung der Qualität des Leitungshandelns durch eine Modi kation der Rahmenbedingungen, wie sie die Hochschulgesetze vorsehen, erforderlich. Die auf diese Gründe gestützte Forderung nach Professionalisierung2 ndet konsequenterweise ihre Antwort in der Professionalisierung1, das heißt in der Verberuichung der Tätigkeit. Zweitens allerdings sind die Aufgaben der Hochschulleitung wie die der Hochschulen derartig heterogen, dass die Beurteilung der Qualität des Leitungshandelns nicht nach den Qualitätskriterien eines homogenen Wissensgebiets erfolgen kann. Vielmehr werden Entscheidungen und Maßnahmen je nach Regelungsmaterie und Beobachterperspektive an Hand divergierender Kriteriensätze beurteilt. In praxi erfolgt die Beurteilung der Leistung der Hochschulleitung damit auf dem Boden kontextabhängig wechselnder, teilweise einander widersprechender und oft in sich unklarer Kriterien(sätze). Diese kriterielle Unterbestimmtheit der Leistungsbeurteilung lässt nur einen unspezischen Professionalisierungsbegriff zu, bei dem sich die Kriterien dafür, ob etwas „gut“ oder „gekonnt“ getan worden ist, allenfalls kontextuell ermitteln lassen. Dies schließt nicht aus, dass die wechselnden Konjunkturen
Professionalisierung der Hochschulleitung ?
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der Hochschulgovernance bestimmte Kriterien privilegieren, wie dies gegenwärtig mit der Efzienz der Fall ist. Grundsätzlich aber wird der Streit darüber, woran sich die Leistung der Hochschulleitung eigentlich bemessen lässt, nicht abreißen. Die Heterogenität von Aufgaben und Leistungskriterien ist ferner mit dafür verantwortlich, dass eine Personalentwicklung für hochschulische Führungsrollen bislang nur in Rudimenten existiert. Ein dezidiertes Fachstudium, wie es Nullmeier (2001) für möglich hält, passt weder zur Aufgabenpluralität noch zur etablierten Rekrutierungspraxis, der gemäß Hochschulleiter nach wie vor aus der Professorenschaft stammen (H. Röbken 2006) und somit in Fachdisziplinen sozialisiert sind. Bislang gibt es auch keine Weiterbildungsangebote, die sich exklusiv an (künftige) Hochschulleiter richteten (wie z. B. das Harvard Seminar for New Presidents). Diskutiert – und in der Praxis gelegentlich realisiert – wird allenfalls ein Peer-to-Peer-Coaching im Rahmen der Amtsübergabe zwischen Vorgänger und Nachfolger, das sich freilich nicht formalisieren lassen dürfte. Die Regel ist jedoch bislang das Learning on the Job: Entweder als (wohl seltener) Kaltstart in die neue Aufgabe oder als Übernahme des Amtes nach jahrelanger Akkumulation von Leitungserfahrung auf verschiedenen Posten in Hochschulselbstverwaltung und Wissenschaftsmanagement. In Zukunft wird es interessant sein zu beobachten, welche Qualikations- und Personalentwicklungsstrukturen sich durchsetzen werden, um die qualitative Professionalisierung zu befördern. 6.4
Professionalisierung als fachspezi¿sche Qualitätssteigerung des Leitungshandelns ?
Fasst man, wie gerade geschehen, das Postulat nach einer Professionalisierung3 der Hochschulleitung als angemessen auf, ist die vierte Teilfrage damit bereits negativ beantwortet. Das heterogene Prol der Leitungsrolle lässt es nicht zu, eine Professionalisierung der Hochschulleitung als fachspezi¿sche, an homogenen Wissensgebieten und Berufsstandards orientierte Qualitätssteigerung des Leitungshandelns zu verstehen, wie sie für professionelle3 Berufskontexte einschlägig ist. Wie erörtert, erscheint eine langwierige akademische Ausbildung mit kanonisierten Inhalten, wie sie von Ärzten oder Volljuristen verlangt wird, für Hochschulleitungen nicht denkbar und deshalb auch nicht erstrebenswert. Dieser Umstand schließt den Nutzen von Weiterbildungsmaßnahmen in bestimmten Handlungsfeldern und Kompetenzbereichen (Verhandlungsführung, Haushaltsrecht, Personalrecht etc.) keineswegs aus, wohl aber die Auffassung, die Hochschulleitungsrolle ließe sich durch die Einarbeitung in ein homogenes, professionalisiertes Wissensgebiet erlernen. Auch das Curriculum des Harvard Seminars für neue Präsidenten zielt mit Inhalten wie „Academic Leadership“, „Life of the President“ oder „Articulating a Vision“ mehr auf die Vermittlung von Haltung und Perspektive ab als auf die Vermittlung instrumentellen Managementwissens. Operative Themen wie das Finanzmanagement werden dementsprechend auch nur in der Weise behandelt, dass die „President’s Perspective on Financial Management“ in den Mittelpunkt gerückt wird. Ziel des Seminars ist somit die Befähigung zu Führung, nicht die Qualizierung zu (operativem) Hochschulmanagement. Diese Beobachtung ist ein weiterer Grund für die hier vertretene These, dass die Forderung nach einer Professionalisierung im Sinne einer an professionsanalogen Standards orientierten Qualitätssteigerung des Führungshandelns nicht sinnvoll ist.
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Schluss: Hochschulleitung als „paradoxer“ Beruf
Meine Argumente für die Sinnhaftigkeit des Postulats, Hochschulleitung zum Beruf weiterzuentwickeln, wie auch für die Angemessenheit der Diagnose, dass eine solche Weiterentwicklung durch die Hochschulrechtsnovellen bereits in Gang gesetzt wurde, haben bislang offen gelassen, wie der Beruf „Hochschulleitung“ inhaltlich strukturiert ist. Auch wenn hier nicht der Ort für eine umfassende Berufsbeschreibung ist, möchte ich doch zum Schluss auf ein charakteristisches Strukturmerkmal der Hochschulleitungstätigkeit eingehen, das sich aus der oben geschilderten „Logik“ der Hochschulorganisation ergibt: die Widersprüchlichkeit der Berufsrolle des Präsidenten. Sie hat ihre Wurzeln darin, dass die Hochschulleitung als Spitze der intern widersprüchlichen Universitätsorganisation divergierende, oft konträre Erwartungen und Aufgaben erfüllen soll. „Wie in jeder Organisation verdichten sich auch in der Universität die Paradoxien an der Spitze.“ (T. Scheytt/C. Meister-Scheytt 2000: 425 f.) In der Hochschulforschung hat dieses Faktum zur Charakterisierung der Präsidentenrolle als ambige (M. D. Cohen/J. G. March 1986), widersprüchliche (A. Pellert 1999), paradoxale (S. Laske/C. Meister-Scheytt 2003) oder dilemmatische Aufgabe (U. Schneidewind/H. Dettleff 2007) geführt. Differenzierungstheoretisch könnte man diesen Befund dahingehend umformulieren, dass Hochschulleitung mit dem Schnittstellenmanagement zwischen unterschiedlichen Systemanforderungen betraut ist. Rollentheoretisch ließe sich sagen, dass Hochschulleitung in einem Ausbalancieren verschiedener, oft im Widerspruch zu einander stehender Teilrollen besteht (T. Scheytt/C. Meister-Scheytt 2000). Mit dialektischem Zungenschlag könnte man von einer Vermittlungsaufgabe sprechen (M. Daxner 2000), und (neo-)institutionalistisch lässt sich Hochschulleitung als Handling widersprüchlicher Erwartungsstrukturen (z. B. durch Entkopplung) auffassen. Kommunikationspragmatisch schließlich wird von Präsidenten ein souveräner „double talk“ (U. Schimank 2008) erwartet, mit dem konigierende Akteursinteressen kommunikativ zufriedengestellt werden können. Welche Beschreibungsweise man aber auch immer wählt: Hochschulpräsidenten kommt die schwierige Aufgabe zu, die Widersprüche der Organisation, der sie vorstehen, und die widersprüchlichen Erwartungen, die sich an sie richten, in einer Weise zu bearbeiten, für die es weder Erfolgsrezepte noch auch einheitliche, konsentierte Erfolgskriterien gibt. Sie müssen bei der Wahrnehmung ihres Amtes vielmehr beständig kognitive, epistemische, soziale, disziplinäre und kommunikative Grenzen überschreiten, ohne dass es dafür klar gebahnte Wege gäbe (D. Müller-Böling 1998). Bei dieser grenzüberschreitenden Aufgabe erfüllen Hochschulleiter zwei basale Funktionen: Erstens eine Vermittlungsfunktion, die auf verschiedenen Ebenen ausgemacht werden kann: ▪ ▪
Systemebene: Hier geht es um die Vermittlung zwischen den Eigenlogiken und den dementsprechend geprägten Akteursinteressen in verschiedenen gesellschaftlichen Teilsystemen (Wissenschaft, Erziehung, Recht, Politik, Wirtschaft). Organisationsebene: Hier erfolgt die Vermittlung zwischen der auf Wahrheit und Erziehungserfolg gepolten Expertenkorporation, der auf rechtskonforme Akte gepolten Verwaltung und der auf efziente Ressourcentransformation gepolten Betriebskomponente
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der Hochschule sowie zwischen den fachlichen und zentralen Organisationseinheiten innerhalb der Hochschule. Akteursebene: Die Vermittlungsleistungen auf System- und Organisationsebene vollziehen sich operativ meist als Vermittlung zwischen verschiedenen hochschulinternen wie -externen Akteuren und Akteursgruppen, was eine hohe kommunikative Kompetenz voraussetzt. Präsidentenrolle: Schließlich muss der Inhaber des Präsidentenpostens zwischen den verschiedenen mit diesem Posten verbundenen Rollen vermitteln, um nicht in seiner Amtsführung an Intrarollenkonikten zu scheitern. Die situativ wechselnden Rollen sind vielfältig: Sie reichen vom Mediator über den Ratgeber, Politiker, Therapeuten, Personalentwickler, Netzwerker, Dienstherren bis zum Seelsorger und Diplomaten.
Allerdings ist die Vermittlungsfunktion nur die halbe Wahrheit. Denn die Hochschulleitung muss heute nicht nur vermitteln, sondern – zweitens – viel öfter und einussreicher als früher auch entscheiden, und zwar so, dass sie unter Berücksichtigung der verschiedenen Einussfaktoren die für die Organisation Hochschule langfristig relevanten Interessen befördert. Weil diese Interessen in den verschiedenen Teilsystemen, Organisationseinheiten und Fächern jedoch stark divergieren und oft in direktem Widerspruch zueinander stehen, leistet die Hochschulleitung in ihrer zweiten Funktion vor allem eins: Sie absorbiert durch ihre Entscheidungen diejenigen Unsicherheiten, denen Universitäten als paradoxe Organisationen in besonderem Maße ausgesetzt sind. Dort, wo argumentative Überzeugung oder vermittelnder Kompromiss nicht möglich oder institutionell sinnvoll sind, stellt sie durch Entscheidungen die Anschlussfähigkeit für weiteres Handeln her – unabhängig davon, wie die Entscheidungen im Einzelnen von den verschiedenen Stakeholdern beurteilt werden mögen. Daher schlage ich vor, Hochschulleitung als einen die Schnittstellen zwischen verschiedenen Rationalitäten behandelnden Beruf in der Organisation Hochschule aufzufassen. Seine anspruchsvolle Pointe besteht darin, die hochschultypischen Widersprüche abzuarbeiten – sei es, indem die Hochschulleitung durch Überzeugung oder Kompromiss vermittelt, sei es, dass sie durch Entscheidungen Folgeaktivitäten ermöglicht – und zwar beides in einer für die Hochschule förderlichen Balance. Dass es zur Wahrnehmung dieser Aufgabe einer Professionalisierung bedarf, die gerade nicht mit der Entstehung einer klassischen Profession zusammenfällt, sollte im Vorangehenden plausibel geworden sein. 8
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Professionalisierung der Managementinstrumente: Controlling, Evaluation und Fundraising
Professionalisierung des Controllings in der Behindertenhilfe: Verfeinerung der Kostenrechnung nach Einführung von Persönlichen Budgets Susanne Vaudt, Carsten Rasche
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Behindertenhilfe im Wandel: Funktionale Professionalisierung des Controllings
In der Behindertenhilfe nehmen Träger der Freien Wohlfahrtspege aufgrund des Subsidiaritätsprinzips und korporatistischer Wohlfahrtsstrukturen einen besonderen Stellenwert ein. Allerdings impliziert inzwischen der Vorrang ambulanter vor stationären Formen der Unterbringung sowie der seit Beginn letzten Jahres bestehende Rechtsanspruch für Menschen mit Behinderung auf Auszahlung eines Persönlichen Budgets zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft einen grundlegenden Wandel und einen zunehmenden Modernisierungsdruck: „Groß- und Komplexeinrichtungen, die sich auf den Weg der Dezentralisierung und Regionalisierung begeben, haben sich vielfältigen Veränderungen zu stellen“ (M. Conty 2009: 10). Dazu zählt, dass Leistungsanbietern und -nachfragern neue Rollen- und Aufgabendenitionen zugeordnet werden: Der Mensch mit Behinderung ist nicht länger ‚Objekt‘, sondern ‚Kunde‘ einer sozialen Dienstleistung. Die einzelnen Reaktionen der Leistungsanbieter in der Behindertenhilfe sind angesichts dieses Wandels durchaus vielfältig und lassen sich nicht einheitlich beschreiben: „Bemühungen um den Erhalt bestehender (Macht-) Strukturen sowie die Sicherung und der Ausbau vorhandener Angebotsformen lassen sich ebenso beobachten wie Anstrengungen, sich den veränderten Anforderungen konstruktiv zu stellen und ihnen durch eine strategische Neuausrichtung gerecht zu werden“ (G. Wansing 2005: 160). Die Unternehmen der Behindertenhilfe stehen damit vor der Management-Entscheidung, wie sie auf die Prognose einer zukünftig weniger pauschalen und dafür stärker individualisierten Nachfrage reagieren sollen. Als Reaktion auf wachsenden Leistungsdruck und einen steigenden Wettbewerb in allen sozialwirtschaftlichen Bereichen hat das Controlling und verknüpft damit die Aufgaben und Stellung des Controllers in Sozialunternehmen einen erheblichen Bedeutungszuwachs erfahren. Für das Controlling in der Behindertenhilfe bedeutet der Blick in Richtung individualisierte Leistungserbringung, dass bestehende Kostenrechnungssystem auf den Prüfstand zu stellen. Konnte bisher das Gesamtangebot an Leistungen kostenrechnerisch auf alle Klienten umgelegt werden, so scheint dies angesichts zukünftiger Entwicklungen nicht mehr selbstverständlich: Unterschiedliche Klienten können ganz unterschiedliche Leistungsmodule1 nachfragen. Um aber zu bestimmen, welche Kosten welchen abrechenbaren Leistungen genau gegenüber stehen, bedarf das bestehende Kostenrechnungssystem einer professionellen Weiterentwicklung. Diese Weiterentwicklung wird im folgenden als funk1
Module sind Leistungsbündel und umfassen mehrere inhaltlich zusammen passende Leistungen.
A. Langer · A. Schröer (Hrsg.), Professionalisierung im Nonprofit Management, DOI 10.1007/978-3-531-92664-3_12, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Susanne Vaudt, Carsten Rasche
tionale Professionalisierung des Controllings verstanden. Sie erstreckt sich dabei nicht nur methodisch auf die Anwendung verfeinerter (Kostenrechnungs-) Instrumente. Die funktionale Professionalisierung impliziert auch einen strategischen Perspektivenwechsel des Controllings: Erforderlich ist eine stärkere Dienstleistungsorientierung, um Kundenbedürfnisse bei der Entwicklung und Kalkulationen von Leistungen stärker als bisher einzubeziehen. Dieser Aufsatz skizziert ein solches Arbeits- bzw. Professionalisierungsvorhaben der Abteilung Controlling im Stiftungsbereich Behindertenhilfe der von Bodelschwing’schen Anstalten Bethel. Der Stiftungsbereich Behindertenhilfe ist Anbieter vielfältiger Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen in Bielefeld und darüber hinaus an mehreren Orten in Westfalen. Seine Unterstützungsangebote sind Leistungen der Eingliederungshilfe und richten sich an Menschen mit einer geistigen Behinderung, mit schweren und mehrfachen Behinderungen sowie an Menschen, die neben einer geistigen Behinderung zusätzliche psychische Störungen bzw. Verhaltensauffälligkeiten haben. Der Stiftungsbereich Behindertenhilfe bietet für über 2.300 Menschen Dienstleistungsangebote an. 70 % der Leistungen sind stationäre Leistungen, 30 % der Leistungen, für knapp 700 Menschen, werden ambulant in Form Betreuten Wohnens, Familienentlastender Dienste, Angebote zur Frühförderung und Kurzzeitbetreuung sowie als spezielle Beratungsdienstleistungen angeboten. Bereits von 2003 bis 2006 beteiligte sich der Stiftungsbereich am Forschungsprojekt PerLe (Personenbezogene Unterstützung und Lebensqualität). In dieser Modellerprobung wurden erste Erfahrungen im Umgang mit Persönlichen Budgetleistungen im stationären Wohnbereich gesammelt2. 2
Determinanten für professionelles Controlling
Nach Langer (2007: 238) liegt für soziale Dienste die spezische Professionalität im Managementhandeln darin, „ökonomische Instrumente und Wissen für die Kontroll- und Steuerungsaufgaben in den relevanten Handlungskontexten zu entwickeln und zu transformieren“. Der Bereich Controlling ist dabei ein Instrument des Managements: Er übernimmt gegenüber dem Management eine ‚gegenspiegelnde Assistenzfunktion‘, um die Unternehmensführung mit allen Informationen zu versorgen, die sowohl entscheidungs- als auch koordinationsrelevant sind. Anders ausgedrückt: Der Controller wird zum ‚Sparringspartner‘ des Managers und unterstützt ihn sowohl bei der Zielndung als auch in der Zielerreichung. Er sorgt dafür, dass sich jedes Unternehmensmitglied im Rahmen erarbeiteter Pläne und Zielsetzungen selbst kontrollieren kann (K.-D. Pruss 2005: 252). „Das Controlling als Prozess und Denkweise entsteht durch Manager und Controller im Team und bildet somit deren ‚Schnittmenge‘“ (P. Horvath 2009: 17). In der Konsequenz der Bewältigung der komplexer werdenden Umweltanforderungen im sozialen Bereich erfuhr Managementkompetenz einen Bedeutungszuwachs (A. Langer 2007: 238) und damit auch das Controlling eine funktionale Bereicherung: Je dynamischer die Umweltbedingungen und sozialrechtliche Veränderungen sind, umso größer ist für die Mitarbeiter des Controllings die Herausforderung, ihre Arbeit stets neu auszurichten und 2
Siehe zum Abschlussbericht des PerLe-Projektes Wacker/Wansing/Schäfers 2006 sowie Nußbicker 2007 und Kap. 3.2.
Professionalisierung des Controllings in der Behindertenhilfe
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bestehende Planungs- und Steuerungsprozesse zu überdenken und anzupassen. Die Notwendigkeit zur Anpassung bedeutet für die verantwortlichen Mitarbeiter allgemein auch eine neue Perspektive, nach der sich „[…] die bisherige ‚Philosophie‘ des Controlling-Ansatzes von der erhaltenden zur innovationsfördernden Sicht und Steuerungsfähigkeit des Unternehmens entwickeln muss“ (K.-D. Pruss 2005: 253). Diese Erfüllung der neuen Anpassungs- und Innovationsfunktion unterstreicht die organisationalen Professionalisierungstendenzen in Unternehmen der Behindertenhilfe (vgl. vertiefend J. Evetts 2008: 102). Durch die Wirkungen des im nächsten Kap. näher erläuterten behindertenpolitischen Paradigmenwechsel besteht ein ausgeprägter Anpassungs- und Innovationsbedarf für alle betrieblichen Funktionsbereiche und damit u. a. auch für das Controlling. Daneben lässt sich noch eine dritte Professionalisierungsentwicklung entdecken. Sie betrifft neben den betriebswirtschaftlichen Disziplinen den parallel verlaufenden fachlichen Diskurs der beteiligten Sozialberufe wie Heilerziehungspegern, Heil- und Sozialpädagogen. Bei der „motivierten Neuorientierung in Richtung Dienstleistungsorientierung“ geht es primär um die Frage der Partizipation und Lebensqualität der Kunden (G. Wansing 2005: 164). Bisher sind betriebswirtschaftliche und sozialberuiche Entwicklungen nicht systematisch aufeinander bezogen und verlaufen unvermittelt nebeneinander her (A. Schaarschuch et al. 2001). Eine solche Tendenz der Parallelität von Strukturen – bis hin zum Risiko potentieller Gegenläugkeit, ist in der betrieblichen Praxis häug Ursache für Inefzienzen: Dies ist z. B. dann der Fall, wenn das Controlling von Kollegen, die direkt für die Erbringung der sozialen Dienstleistung am Klienten zuständig sind, eine zusätzliche bzw. veränderte Bereitstellung von Informationen und Leistungsdaten abfordert. Dieser aus Perspektive des Controllings gerechtfertigte Mehraufwand der Informationszulieferung hilft, betriebswirtschaftliche Planungs- und Kontrollprozesse zu verbessern und trägt damit zur Professionalisierung des Controllings bei. Allerdings birgt er bei bestehenden Kapazitäten stets das Risiko, das jene Zeit, die für die Bereitstellung dieser zusätzlichen Informationen erforderlich ist, dann den betreffenden Mitarbeitern insbesondere in der direkten Interaktion mit den Klienten-Kunden fehlt. Professionelle Weiterentwicklung eines betrieblichen Bereiches soll jedoch nicht zu einem Nullsummen-Spiel für andere Betriebsbereiche werden. Bezogen auf das Controlling erscheint daher als wichtige Nebenbedingung, dass die eigene betriebswirtschaftliche Weiterentwicklung nicht zu Lasten der sozialen Professionen im Unternehmen passieren (und umgekehrt). Langer verweist am Beispiel Kinder- und Jugendhilfe auf weitere Risikofelder und zeigt, dass eine Professionalisierung des Managements in Kombination mit dem Einsatz ökonomischer Instrumente auch paradoxe Auswirkungen haben kann (2007: 239): Während sich das Management professionalisiert3, „gerät die konkrete Dienstleistungserstellung vermehrt in paradoxale Situationen, in denen eine Deprofessionalisierung angelegt ist und vermutet werden muss“ (2007: 243). Als Beispiel führt Langer neben anderen Beispielen die gestiegenen Qualitätsstandards in der ambulanten Jugendhilfe an. Höhere Anforderungen an
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Professionalisierung versteht sich in diesem Beispiel u. a. als innerorganisationale Ausdifferenzierung, Steuerung mit Zielvereinbarungen und Einführung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung (siehe ausführlich Langer 2007: 239 ff.)
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Susanne Vaudt, Carsten Rasche
Dokumentation und Berichtswesen bewirken eine Reduzierung von Fachleistungsstunden in der Fallbearbeitung. Im Transfer auf die Behindertenhilfe bedeutet dies mit anderen Worten: Eine Professionalisierung des Managements, resp. des damit eng verbundenen Controllings und die Professionalisierung in der sozialen Dienstleistungserstellung sind keine voneinander unabhängig ablaufenden Prozesse. Sondern es kommt im konkreten Arbeitsvorhaben der Abteilung Controlling des Stiftungsbereichs Behindertenhilfe auf die Frage an: Wie gelingt eine Professionalisierung des bestehenden Kostenrechnungsverfahren im Sinne einer Anpassung an eine zukünftig geänderte Nachfragesituation, ohne die fachliche Qualität der Dienstleistung nachteilig zu beeinussen ? Dazu werden zunächst die zentralen Entwicklungen in der Behindertenpolitik skizziert, die sowohl den Rahmen für grundlegende Veränderungen in der Nachfragestruktur als auch Anreize zur Professionalisierung auf Anbieterseite liefern: 3
Veränderung der Nachfragestruktur: Der Weg zum Persönlichen Budget in der Behindertenhilfe
Die rechtliche Verankerung des Benachteiligungsverbotes im Grundgesetz im Jahr 19934, die Einführung des Neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – im Juli 2001 sowie die Verabschiedung des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen (BBG)5 im Mai 2002 mit seinem Kernstück der Barrierefreiheit haben die Stellung von Menschen mit Behinderung sowohl gesellschaftlich als auch sozialrechtlich innerhalb des Eingliederungs- und Rehabilitationsprozesses gestärkt. Vor allem die Verabschiedung des SGB IX im Sommer 2001 kam damit einem sogenannten Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik gleich: „Weg von einem Verständnis der Versorgung und Betreuung und hin zu einem Verständnis von Teilhabe und Selbstbestimmung“ (J. Bungart 2001: 1). 3.1
Ambulantisierung des Leistungsangebotes
Bisher orientiert sich das Leistungssystem für Menschen mit Behinderung in Deutschland vorwiegend an (teil-) stationären Angeboten6: Ambulante Angebote sind in den meisten Bundesländern „vergleichsweise schlecht und unexibel nanziell ausgestattet“ (B. Göltz 2008: 65). Für eine Einrichtung der Behindertenhilfe bedeutet der Paradigmenwechsel in der Konsequenz als Leistungsanbieter verstärkt ambulante, exible Dienstleistungsangebote für Menschen mit Behinderung zu entwickeln: „Neben dem Komplettangebot kann der Klient zukünftig Teilangebote in Anspruch nehmen und nicht gewünschte Leistungen abwählen. Ambulante Zusatzangebote wie Assistenz, Haushaltshilfen und Begleitdienste gewinnen an 4 5 6
Art. 3, Abs. 3, Satz 2 GG: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ BBG als Abkürzung von „Behindertengleichstellungsgesetz“. Stationäre Wohnformen sind in der Praxis vielfältig und schließen neben stationären Einzel- und Paarwohnen auch Außenwohngruppen, Wohngemeinschaften und Wohnheimgruppen sowie betreute Elternschaft mit ein.
Professionalisierung des Controllings in der Behindertenhilfe
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Bedeutung“ (A. Peters et al. 2007: 2 und 22). Menschen mit Behinderung und einem Anspruch auf Eingliederungshilfe stellen bei ihrem zuständigen Sozialhilfeträger einen Antrag auf ambulant betreutes Wohnen, über den dann im sogenannten Hilfeplanverfahren (siehe Kap. 5.2.) gemeinsam mit Planungsassistenten, unterschiedlichen Beteiligten der öffentlicher Verwaltung, dem Leistungsanbieter und Vertrauenspersonen beraten und entschieden wird. In den von Bodelschwingh’schen Anstalten Bethel hat die Verschiebung ‚ambulant statt stationär‘ bereits schon vor längerer Zeit begonnen. Bereits seit 1987 wurden über 800 stationäre Plätze abgebaut, große Heimkomplexe in Bielefeld aufgelöst und dafür viele kleinere Wohnheimverbünde in Bielefeld und Ostwestfalen aufgebaut bzw. in andere Regionen verlagert. Parallel dazu wurde im ambulanten Bereich im gleichen Zeitraum aus eigener fachlicher Überzeugung gezielt ein neues Hilfesystem aufgebaut, das den Wechsel von Heimbewohnern in Betreutes Wohnen aktiv unterstützt. In 2002 wurden bereits 25 % aller Nutzer der Eingliederungshilfe in Bethelambulant in der eigenen Wohnung bzw. ihren Familien betreut. Ende 2006 vereinbarte der Stiftungsbereich Behindertenhilfe mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) als überörtlicher Sozialhilfeträger, bis Ende 2008 zusätzliche 65 stationäre Wohnheimplätze zugunsten ambulanter Betreuungsmöglichkeiten stufenweise abzubauen und beschloss in einer 2. Stufe bis Ende 2010 den Abbau von 50 weiteren Plätzen7. Der Übergang zu ambulanten Wohnformen ist dabei ießend8: Unter dem Teilhabeaspekt bieten insbesondere die ambulanten Formen betreuten Wohnens eine größere Autonomie und Perspektive auf selbstbestimmtes Leben. „Ambulant Unterstütztes Wohnen“ kommt für jüngere Menschen mit einer geistigen und/oder psychischen und/oder körperlichen und Mehrfachbehinderung in Frage, die erstmals vor der Entscheidung stehen, wie sie zukünftig wohnen wollen. Betreutes Wohnen ist aber auch für ältere Menschen mit Unterstützungsbedarf interessant, die ihre eigene Wohnung nicht verlassen möchten sowie für Menschen mit Behinderung, die bislang im Wohnheim leben und gerne selbständiger leben möchten. 3.2
Persönliche Budgets als Instrument individualisierter Leistungen
Die Einführung des SGB IX im Jahre 2001 verankerte zugleich auch als Leistungsform das Persönliche Budget9. Nach einer Erprobungsphase vom 01.07.2004 bis 31.12.2007 besteht seit 01.01.2008 für alle behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen ein Rechtsanspruch auf Inanspruchnahme von Persönliche Budgetleistungen. Der größte Anteil an Teilhabeleistungen wird dabei durch die Eingliederungshilfe gem. SGB XII abgedeckt, die
7
8 9
Zuständige Vertragspartner auf Leistungsträgerseite in Nordrhein-Westfalen für ambulante und stationäre Wohnhilfen im Rahmen der Eingliederunghilfe gem. §§ 53 ff. SGB XII sind nach der am 20.06.2003 beschlossenen „Hochzonung“ auf die überörtliche Ebene die beiden Landschaftsverbände Westfalen-Lippe (LWL) und Rheinland (LVR) (Schädler et al. 2008: 14). Er verdeutlicht sich jedoch im Umstand, dass nur bei ambulanten Wohnformen, derjenige, der in der Wohnung lebt auch „Herr in seinem eigenen Haus ist“ d. h. Mieter bzw. Eigentümer ist und damit entscheidet, ob und wem er die Tür öffnet. In stationären Wohnformen liegt diese Entscheidung dagegen bei der Einrichtung. § 17 Abs. 2 SGB IX deniert das Persönliche Budget als ein die bisherige Finanzierungsstruktur ergänzendes Angebot der Leistungs nanzierung.
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von den Sozialhilfeträgern nanziert wird10. Die Grundidee des Persönlichen Budgets sieht vor, an die Stelle der bisher üblichen Sachleistungen individuell bemessene Geldleistungen treten zu lassen, die monatlich direkt an den Leistungsberechtigten ausbezahlt werden. Dieser kann damit direkt alle für ihn notwendigen Leistungen „einkaufen“. (J. Schädler et al. 2008: 81, B. Göltz 2008: 58). Das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis zwischen öffentlichem Leistungsträger (Finanzier), Leistungsberechtigten (Mensch mit Behinderung und einem Anspruch auf Eingliederungshilfe gem. SGB XII) sowie dem Leistungsanbieter (Unternehmen der Behindertenhilfe oder sonstige Anbieter dieser Leistungen) wird dadurch aufgeweicht. Abbildung 1
Traditionelles sozialwirtschaftliches Leistungsdreieck
(Quelle: E. Wacker 2009: 5)
Stattdessen erfolgt der Austausch von Geld und Leistungen im Persönlichen Budget ausschließlich über den Leistungsberechtigten. Er steht im Mittelpunkt der Leistungsbeziehungen und wird als Verhandlungspartner zum Kunden des Anbieters sozialer Dienstleistungen. In der Folge verlagert sich das traditionelle Kräfteverhältnis. Das Dreieck wandelt sich quasi in zwei Linien: Die traditionell engen, gesetzlich legitimierten Vertragsbeziehungen zwischen Leistungsträgern und -anbietern lösen sich auf bzw. werden zumindest geschwächt und darüber hinaus erfahren die Leistungsträger eine „spürbare Entlastung“ (B. Göltz 2008: 54 f.).
10
„Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe als Hilfe in besonderen Lebenslagen (geregelt in den §§ 28, 29 SGB I bzw. […] Kap. 6, SGB XII ab dem Jahr 2005) fungiert aufgrund des Subsidiaritätsprinzips als Zweitsicherung, als „letztes Auffangnetz“ für alle Personen, die aus dem generalisieren Sicherungssystem herausfallen oder bei denen diese Systeme nicht in der Lage sind, spezische Exklusionsdynamiken aufzufangen“ (Wansing 2005: 118).
Professionalisierung des Controllings in der Behindertenhilfe
Abbildung 2
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Wirkung des Personellen Budgets: Auösung des sozialwirtschaftlichen Leistungsdreicks
(Quelle: E. Wacker 2009: 5)
Budgetleistungen umfassen nach § 17 Abs. 2 SGB IX alle alltäglichen und regelmäßig wiederkehrenden Teilhabeleistungen. Darunter sind alle Leistungen in Form von Assistenz, Begleitung und Betreuung in den unterschiedlichen Teilhabe-Leistungsgruppen zu verstehen (§ 5 SGB IX). Zu den zentralen budgetfähigen Leistungsbereichen im Bereich Wohnen zählen11: 1. 2. 3. 4. 5.
Wohnen, lebenspraktische Fähigkeiten Besonderer Hilfebedarf, psychische Bendlichkeit Gestaltung sozialer Beziehungen, Orientierung Arbeit und Beschäftigung Freizeit
Gemäß den Bestimmungen des § 57 SGB XII zur Eingliederungshilfe für behinderte Menschen können persönliche Budgetleistungen auch als sogenannte trägerübergreifende Komplexleistung erbracht werden12. „Die Leistungsform des Persönlichen Budgets soll soweit wie möglich die stationäre Betreuung vermeiden und damit den Grundsatz ‚ambulant vor stationär‘ besser umsetzen. [….] Das Persönliche Budget ist auch ein mögliches Steuerungsinstrument zum Beispiel für den Ausbau alternativer Wohnformen an Stelle stationärer Versorgung.“ (BT 15/1514 2003: 52). Die Praxis zeigt, dass Nutzer des Ambulant Unterstützen Wohnens 11 12
Diese Aufteilung entspricht den Bereichen der Hilfen des Individuellen Behandlungs- und Rehaplans Bielefeld. Dabei bedeutet ‚trägerübergreifend‘, dass nach Maßgabe des individuell festgestellten Bedarfs die Leistungen der Rehabilitationsträger, Pegekassen und Integrationsämter miteinander kombiniert werden können. Zu den Rehabilitationsträgern gem. § 6 Abs. 1 SGB XI zählt die Gesetzliche Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung, Bundesagentur für Arbeit, Kriegsopferfürdorge/-versorgung, Jugend- und Sozialhilfe. In der Praxis ist bisher bei fast allen bewilligten Persönlichen Budgets nur ein Leistungsträger, nämlich der Sozialhilfeträger, beteiligt (Peters et al. Bochum/Stuttgart 2007).
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einer Antragstellung auf Persönliche Budgetleistungen offener gegen über stehen als Nutzer stationärer Wohnformen. Ambulantisierung bedeutet damit zugleich eine stärkere Tendenz zur Inanspruchnahme eines Persönlichen Budgets. Nach Schädler et al (2008: 90) bietet der Bereich ambulante Eingliederungshilfe des SGB XII, zu der auch die Leistungen ambulanter Wohnhilfen zählen, im häuslichen Bereich die Option, die Leistungsform des Persönlichen Budgets zu etablieren. Auch wenn ein „Run“ auf die neue Geldleistung Anfang 2009 noch nicht spürbar ist, steigt nach Wacker (2009: 7) die Nutzerzahl doch stetig, wobei „eine 10%-Marke potenziell Leistungsberechtigter […] noch nicht erreicht [ist]“. 4
Anreize für eine Veränderung der Struktur des Leistungsangebotes
Veränderte Strukturen in der Nachfrage nach wohnbezogenen Hilfen bedingen eine entsprechende Veränderung im Leistungsangebot. Für die Unternehmen der Behindertenhilfe bedeutet die Auösung des sozialwirtschaftlichen Leistungsdreiecks allgemein einen Anpassungsbedarf im Sinne einer stärkeren Markt- und Kundenorientierung. 4.1
Stärkere Kundenorientierung
(Dienst-) Leistungen und Leistungsbestandteile, die zuvor allen Klienten pauschal angeboten bzw. von ihnen nachgefragt wurden, sind jetzt stärker den Erwartungen und Anforderungen einzelner Kunden anzupassen. Jeder Budget-Klient entscheidet fortan selbst, ob und welche Leistung er in Anspruch nimmt und welche nicht. Leistungen können gewählt werden und sind von daher auch abwählbar. Fürsorgeleistungen werden auf diese Weise zu Dienstleistungen und Hilfebedürftige zu Kunden. „Im Zuge dieser marktorientierten Dienstleistungsorientierung rückt […] der Konsument als Endabnehmer der Dienstleistungsproduktion stärker in den Mittelpunkt; der Kunde sozialer Arbeit wird ‚entdeckt‘“ (G. Wansing 2005: 164). Unter Marketing-Gesichtspunkten ist daher die Entwicklung eines ansprechenden Angebots und Vermarktung von Teilhabeleistungen ein aktueller, attraktiver Aspekt. 4.2
De¿nition von Wahlleistungsangeboten
Der Anspruch auf ein Persönliches Budget bedeutet für eine Einrichtung der Behindertenhilfe einen Dreisprung: Es muss (1.) deniert werden, welche Leistungen resp. -module oder ‚Produkte‘ das Unternehmen im Einzelnen erbringt und (2.) klären, wie diese Einzelleistungen im Rahmen des Persönlichen Budgets angeboten werden können. In einem (3.) Schritt erfolgt die Umsetzung in rechtlich abgesicherte und betriebswirtschaftlich durchkalkulierte Wahlangebote bzw. Leistungsmodule. Insgesamt geht es also sowohl um eine Leistungsdenition als auch um eine (kostendeckende) Verpreislichung von Einzelleistungen (M. Lippe/U. Lessig 2007: 21). Bereits in der Erprobungsphase des Persönlichen Budgets war der Stiftungsbereich Behindertenhilfe in das Modellprojekt PerLe (Personenbezogene Unterstützung und Lebensqualität) eingebunden. Zusammen mit der Universität Dortmund und LWL wurde im
Professionalisierung des Controllings in der Behindertenhilfe
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Wohnheim am Stadtring in Bielefeld untersucht, wie wesentliche Teilhabeleistungen, aus stationären Komplexleistungen heraus gelöst und pauschaliert als individuelles Persönliches Budget zur Verfügung gestellt werden können13. Allerdings setzte im Modellversuch die neue Leistungsgestaltung nicht direkt in der Beziehung zwischen dem Sozialhilfeträger und Budgetnehmer an. Stattdessen wurde auf den Heimvertrag als bestehender Leistungsbeziehung aufgesetzt und dieser neu ausgestaltet: Als „kombiniertes hybrides Modell“ (E. Wacker 2009: 11) hat der Stiftungsbereich Behindertenhilfe als Wohnheimträger einen Teil der Leistungen (Basisleistungen) unverändert als Sachleistungen angeboten. Der andere (kleinere) Teil wurde jedoch auf der Basis individueller Teilhabepläne exibilisiert und in Form von Budgetleistungen gestaltet. Im aktuellen Arbeitsvorhaben des Controllings geht es darum, budgetfähige Unterstützungsleistungen im Bereich des Betreuten Wohnens als konkrete (Leistungs-)Prozesse zu denieren, um anschließend die Kosten ermitteln zu können. 5
Schritte zu einer professionellen Kostenrechnung
Die Kostenrechnung als klassisches Instrument des Controllings dient der zieladäquaten Steuerung der innerbetrieblichen Leistungserstellungsprozesse (A. G. Coenenberg/T. M. Fischer/T. Günther 2007: 22). Ein Steuerungsaspekt der Kostenrechnung liegt dabei dispositiv auf der Unterstützung unternehmerischer Entscheidungen durch Informationen. Die zweite Steuerungsaufgabe der Kostenrechnung ist die Kontrolle durch Vergleich von Plan- mit IstKosten. Anders als die Bilanz mit ihren primär externen Adressaten hat die Kostenrechnung ihren Fokus auf den Betrieb als Ort der Leistungsstellung. Ihr Ausgangspunkt ist zunächst die De nition eines geeigneten Kostenträgers, d. h. eines Produktes oder auch Leistungsmoduls, das den Geschäftszweck des Unternehmens beschreibt und am Markt abrechenbar ist. 5.1
Identi¿zierung von Kostenträgern im stationären Bereich
In einer Einrichtung der stationären Behindertenhilfe ist z. B. die Summe aller Leistungen für Bewohner desselben Leistungstyps und derselben Hilfebedarfsgruppe pro Tag ein geeigneter Kostenträger. Für geistig behinderte Menschen werden stationäre Leistungen in Nordrhein-Westfalen in unterschiedlichen Leistungstypen (LT) angeboten und mit dem Sozialleistungsträger abgerechnet. Neben der Regelleistung wird ein Leistungstyp für komplexe und mehrfache Behinderungen und ein Leistungstyp für ein Angebot, dass dem hohem sozialen Integrationsbedarf der Klienten entspricht, de niert. Neben der Zuordnung der Klienten in einen bestimmten Leistungstyp wird der unterschiedliche Hilfebedarf (Hbg.) über die Zuteilung in eine von drei möglichen Hilfebedarfsgruppen abgebildet. Je nach Angebot und Hilfedarf der Klienten werden in diesem System differenzierte Entgelte für die stationäre Leis13
Eine zweite Forschungsfrage war, unter welchen Bedingungen Menschen mit einer geistigen Behinderung ein solches Budget für soziale Teilhabeleistungen auch nutzen. Siehe dazu ausführlich Wacker/Wansing/ Schäfers 2005.
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tung abgerechnet und in der Kostenrechnung als Kostenträger deniert. Im Stiftungsbereich Behindertenhilfe erfolgt für jeden Klienten bei Aufnahme in eine stationäre Wohneinrichtung eine Hilfebedarfserhebung gem. dem von Heidrun Metzler entwickelten H.M.B-W-Verfahren (Hilfebedarf von Menschen mit Behinderung im Lebensbereich „Wohnen“). Je nach Intensität des Betreuungsbedarfs werden verschiedene Hilfebedarfsgruppen unterschieden. Das Spektrum der Hbg reicht von ‚keine Hilfe erforderlich‘ bis zu ‚intensive Förderung/Anleitung, umfassende Hilfestellung erforderlich‘ (H. Metzler 2001). Nur ein Teil dieser Leistungen wird jedoch nur für die Klienten in einem LT/Hbg. oder direkt am Bewohner erbracht und kann damit als sogenannte Einzelkosten dem passenden Kostenträger direkt zugerechnet werden14. Darüber hinaus umfasst das Angebot auch viele mittelbare Leistungen (Dokumentation, Kooperationen mit dem sozialen und professionellen Umfeld, Vorbereitung des nächsten Hilfeplangesprächs, Telefonate, die Vor- und Nachbereitung von Gruppenangeboten, Ausfallzeiten für nicht wahrgenommene Termine, Aufnahmeplanung und Nachbetreuung). Mittelbare Kosten beziehen sich sehr häug auf mehrere Bewohner – in unterschiedlichen Leistungstypen und Hilfebedarfsgruppen – gleichzeitig. Sie lassen sich einem Kostenträger daher nicht oder nur mit großem zeitlichen bzw. technischen Aufwand direkt zurechnen und werden als Gemeinkosten mit einem verursachungsgerechten Schlüssel ‚umgelegt‘. Vorhaltekapazitäten und damit verbundenen Bereitschaftskosten, aber auch die NichtLager- und -Transportfähigkeit von Dienstleistungen sind die Ursache dafür, dass (soziale) Dienstleistungsunternehmen typischerweise gekennzeichnet sind von einem großen Block überwiegend nicht direkt zurechenbarer (Personal-) Gemeinkosten und einem nur geringen Anteil variabler Einzelkosten. Das klassische Instrument der Umlage von Gemeinkosten auf Kostenträger ist die Kostenstellenrechnung. Nutzer desselben Leistungstyps und derselben Hilfebedarfsgruppe werden in diesem Fall in einer (Haupt-) Kostenstelle zusammen gefasst. In diesem Kostenstellensystem sind daher Kostenträger mit Hauptkostenstellen identisch. Nachdem abschließend alle Leistungen der unterstützenden Betriebsteile wie Zentral küche, -wäscherei, Haustechnik etc. verursachungsgerecht auf alle Hauptkostenstellen verteilt worden sind, stehen die Gesamtkosten pro Hauptkostenstelle und damit auch des Kostenträgers fest. Eine Verteilung gemäß dem Verursachungsprinzip fällt erfahrungsgemäß umso schwerer, desto mehr Kostenstellen beteiligt sind und desto größer der Gemeinkostenblock ist. Ob ein stationärer Wohnbereich kostendeckend wirtschaftet, erschließt sich erst nach Gegenüberstellung mit der Summe an Umsatzerlösen bzw. Tagespauschalen für die Anzahl tatsächlich anwesender Bewohner des konkreten Leistungstyps und der Hilfebedarfsgruppe. 5.2
Identi¿zierung geeigneter Kostenträger im Ambulant Unterstützten Wohnen
Auch im Ambulant Unterstützten Wohnen existiert eine Kostenstellenrechnung, in der die Gemeinkosten wie Kosten für Leitung, Büromiete, KFZ-Leasing etc. verursachungsgerecht mit Hilfe unterschiedlicher Bezugsschlüssel auf unterschiedliche Kostenstellen verrechnet 14
Siehe Def. am Anfang diesen Abschnitt: Summe aller Leistungen für Bewohner desselben Leistungstyps und derselben Hilfebedarfsgruppe pro Tag (bzw. Woche/Monat/Quartal).
Professionalisierung des Controllings in der Behindertenhilfe
239
werden15. Es dominieren jedoch bei der Erbringung der bereits beschriebenen Teilhabeleistungen vor allem die Personalkosten. Bislang fällt es schwer, für den ambulanten Bereich Kostenträger zu denieren. Das lässt sich u. a. darauf zurück führen, dass es für ambulante Klienten keine „Metzler-Einteilung“ in unterschiedliche Leistungstypen und Hilfebedarfsgruppen gibt. Ambulante Klienten stellen zunächst bei ihrem zuständigen Sozialhilfeträger, parallel zu ihrem Sozialhilfegrundantrag, einen Antrag auf Hilfebedarf für Leistungen des Ambulant Unterstützten Wohnens. In einer anschließenden Hilfeplankonferenz wird dann bzgl. Dauer und Ziele des individuellen Hilfebedarfs entschieden16. Konkret legt der Hilfeplan die Anzahl von Fachleistungsstunden pro Woche für die nächsten Monate fest. Der zwischen Landschaftsverband und den Anbietern der freien Wohlfahrtspege ausgehandelte Fachleistungsstundensatz liegt seit 01.01.2009 bei 49,90 € (LVR) bzw. 50,70 € (LWL) Mit dem Stundensatz werden sowohl die direkten ‚face-to-face‘ bzw. ‚ear-to-ear‘ Leistungen als auch die mittelbaren Leistungen wie Fahrtund Wegezeiten sowie alle indirekten Overhead-Leistungen nanziert17. Zu letzteren zählen folgenden Leistungen wie: ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ 5.3
Betreuungsdokumentation Kooperation mit dem sozialen Umfeld des Klienten Kooperation mit dem professionellem Umfeld Hilfeplanverfahren Telefonate und Schriftverkehr Vor- und Nachbereitung von Gruppenangeboten Ausfallzeiten/nicht wahrgenommene Termine Aufnahmeplanung und Nachbetreuung Grenzen der bisherigen Kostenrechnungsmethode im Ambulant Unterstützten Wohnen
Die Anzahl abgerechneter Fachleistungsstunden ist die zentrale Erlösgröße im ambulanten Unterstützten Wohnen. Eine Zurechnung der Personal- und Sachkosten erfolgt bislang in pauschaler, aggregierter Form. Damit stehen sich Gesamterlöse und Gesamtkosten gegenüber. Eine detaillierte Kostenanalyse der zentralen budgetfähigen Leistungen im Bereich Wohnen (siehe Kap. 3.2.) oder gar von Teilleistungen daraus, ist jedoch nicht möglich. Der betriebswirtschaftliche Druck einer genaueren Kostenzuordnung war bisher deshalb aushaltbar, da die überwiegende Mehrzahl der Klienten die Leistungen des Ambulant Unterstützten Wohnens nicht über ein Persönliches Budget beziehen und daher alle bewilligten 15 16
17
Fixkosten, die sich zwar theoretisch einem Kostenträger direkt zurechnen lassen, deren Zurechnung aber technisch oder zeitlich zu aufwändig erscheint, werden als unechte Gemeinkosten bezeichnet. Im November 2004 hatten sich die beiden NRW-Landschaftsverbände mit dem Spitzenverband der Freien Wohlfahrtsverbände „nach intensiven Verhandlungen“ auf eine Vereinbarung über die Finanzierung des Ambulant Unterstützten Wohnes im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 53 SGB XII auf der Grundlage von ‚Fachleistungsstunden‘ geeinigt (Schädler et al 2008: 71). Siehe dazu u. a. Schädler et al (2008: 72). LWL nanziert mit dem Mehrbetrag von 0,80 €/Std. die überörtliche Förderung der KoKoBes (Kontakt-, Koordinations- und Beratungsstellen).
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Susanne Vaudt, Carsten Rasche
Leistungen ihres Hilfeplanes bzw. den gesamten Umfang ihrer Fachleistungsstunden bei einem Leistungsanbieter einkaufen. Mit der Möglichkeit des Persönlichen Budgets besteht für die Klienten jedoch eine Wahlmöglichkeit. Sie können sich als ambulante Klienten mit Budget entschließen, die laut Hilfeplan bewilligte Leistungen auch bei mehreren verschiedenen Anbietern einzukaufen. Die prognostizierte Individualisierung der Nachfrage durch Inanspruchnahme von Persönlichen Budgets macht es wahrscheinlich, dass – bei hohem Fix- bzw. Gemeinkostenanteil – Bewohner der gleichen Hilfebedarfsgruppe nicht mehr zwingend die gleichen, sondern unterschiedliche Leistungen bzw. Leistungsmengen nachfragen. In der Folge entsteht ein Kostenträgerproblem: Statt messgenau, aber sehr unwirtschaftlich jeden Bewohner als eigenen Kostenträger darzustellen, liegt die Lösung darin, unterschiedliche Dienstleistungen prozesshaft in Einzelmodule zu zerlegen, die sich individuell kombinieren lassen. 6
Professionalisierung des Controllings durch Prozessorientierung
6.1
Vom Prozess zur Prozesskostenrechnung
Prozessmanagement wurde in den letzten Jahren zu einem nahezu ‚magischen‘ Begriff (B. Jung 2006: 11). Dahinter steckt vor allem eine Vielzahl an (Qualitäts-) Managementkonzepten mit einer Konzentration auf die lange Zeit unbeachtete bereichsübergreifende Ablauforganisation. Hatte doch die Fokussierung auf die Aufbauorganisation zuvor innerhalb organisationaler Hierarchien in einer Vielzahl von Unternehmen bewirkt, dass jeder Manager für seine Stufe lediglich eine Optimierung seines Funktionsbereiches anstrebte. Daher war lange Zeit eine bereichsübergeifende Koordinierung ausgeblieben (B. Jung 2006: 12). Funktionale Organisationsstrukturen bewirken daher im Wertschöpfungsprozess zahlreiche zeitraubende, fehlerverursachende, komplexitätstreibende und kostspielige Schnittstellen (P. Horvath 2009: 86). Die Professionalisierungsidee des Controllings sieht deshalb vor, statt der Orte der Leistungserstellung, an denen die Kosten entstehen (Kostenstellen), stärker die Prozesse der Leistungserstellung zu untersuchen. Als Kostenrechnungsverfahren für individualisierte Produkte bietet sich besonders die Prozesskostenrechnung an (U. Lindemann/A. Gahr 2006: 184), die versucht, die „‚black box‘ der Gemeinkosten zu öffnen und auch diese Kosten verursachergerecht zuzuordnen“. (E. Düsch/C. Platzköster/T. Steinbach 2002: 153). Die Prozessde nition setzt dabei eine Standardisierung von Abläufen voraus. „Prozesse oder Activities sind repetitive Tätigkeiten [mit relativ wenig Entscheidungsspielraum], die in den verschiedenen Kostenstellen oder Abteilungen eines Unternehmens bei der Ausführung der übertragenen Ausführungen anfallen“ (A. G. Coenenberg/T. M. Fischer/T. Günther 2007: 133).
Professionalisierung des Controllings in der Behindertenhilfe
Abbildung 3
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Einsatzbereiche der Prozesskostenrechnung
Quelle: Coenenberg 2007: 133
Die Leistungen der ambulanten Wohnhilfen sind bislang jedoch wenig standardisiert. Göltz verdeutlicht das anhand eines Beispiels aus dem Bereich der Haushaltsführung18. Ihr Beispiel zeigt, dass ein und dieselbe Hilfebedarfsleistung wie „Hilfe in der Haushaltsführung“ einen unterschiedlichen Zeitbedarf bzgl. Häugkeit und Dauer sowie unterschiedliche Anteile an (Fach-) Personal erfordern kann. Die Denition von Teilhabeleistungen als (standardisierte) Prozesse muss daher differenziert bzw. segmentiert erfolgen. Anfangs- und Endpunkt ambulant erbrachten Teilhabeleistungs-Prozessen wäre die Hilfeplankonferenz, auf der jeweils der Leistungsanspruch festgestellt bzw. bestätigt wird. Da der Zeitraum zwischen zwei Konferenzen mind. 6 Monate beträgt, wäre dadurch die Prozessdauer deniert. Die Prozesskostenrechnung basiert auf der Idee, dass Produkte bzw. Dienstleistungen durch eine Vielzahl an Aktivitäten und Prozessen produziert werden, die jeweils (Gemein-) Kosten verursachen. Gerade Gemeinkostenblöcke, die insbesondere in Dienstleistungsunternehmen überwiegend aus Personalkosten19 bestehen, können auf diese Weise besser durchdrungen werden (U. Lindemann/A. Gahr 2006: 183): Kostenstellen bzw. sonstige ortsbezogene Punkte der Kostenentstehung bilden hier kein Bezugsobjekt. Stattdessen funktio18
19
„Für den Kunden A kann die Unterstützung bei der Haushaltsführung bedeuten, dass die einzelnen Tätigkeiten zur Haushaltsführung im Detail in ihrer zeitlichen und inhaltlichen Ausführung geplant und geübt werden. Kunde A braucht hierzu enge und längerfristige Begleitung und Unterstützung bei den jeweiligen Tätigkeiten, die durch Fachpersonal unterschiedlicher Quali kation – teils pädagogisches teils hauswirtschaftliches – zu leisten ist. Für Kundin B kann dasselbe Ziel bedeuten, dass geplant wird, wo welche Leistung entsprechend den individuellen Bedürfnissen eingekauft werden kann – welcher dienst die Wohnung regelmäßig putzt, wie die Essenversorgung erbracht werden kann und wie diese Leistungen organisiert und bezahlt werden. Kundin B reicht die Unterstützung bei der Planung der Dienstleistungen durch Fachpersonal. Die Dienstleistungen erbringen spezialisierte Dienste zbw. zum Putzen kommt alle zwei Wochen eine Person aus dem privaten Umfeld und erhält dafür einen Stundenlohn. In größeren Abständen bespricht Kundin B die Abrechnung und auftretende Umsetzungsschwierigkeiten mit einer Fachperson“ (Göltz 2008: 67). In sozialwirtschaftlichen Unternehmen liegt der Anteil von Personal- an den Gesamtkosten bei ca. 60 % in stationären Einrichtungen und im Ambulanten Bereich sogar noch höher (70–80 %) (B. Göltz 2008: 69).
242
Susanne Vaudt, Carsten Rasche
niert Prozesskostenrechung übergreifend, da betriebliche (Haupt-) Prozesse häug mehrere Stellen und Abteilungen berühren. Gemeinkosten werden in diesem Fall „nicht relativ willkürlich und ungenau Kalkulationsobjekten zugeschlagen (Gemeinkostenzuschlagssätze), sondern möglichst verursachungsgerecht entsprechend der Inanspruchnahme der Aktivitäten und (Teil-) Prozesse verteilt“ (S. Fließ 2006: 186; siehe auch M. Reckenfelderbäumer 1998: 22 sowie R. Ewert/A. Wagenhofer 2008: 682 ff.). Die Implementierung einer prozessorientierten Kostenrechnung in einem Unternehmen ist relativ aufwändig. Dies gilt insbesondere für den ersten Schritt der betrieblichen Prozessanalyse und Prozessdenition im konkreten Fall. Insgesamt hat die Prozesskostenrechnung in der deutschen Betriebswirtschaft daher intensive und kontroverse Diskussionen ausgelöst. Methodischer Vorwurf ist dabei, es handele sich um eine undifferenzierte Vollkostenrechnung (P. Horvath 2009: 498) und ein kurzfristiger Einsatz zur Entscheidungs ndung sei deshalb nicht ungefährlich. Mittel- und langfristig dagegen zeigt die Prozesskostenrechnung ihre Stärken: Kostengestaltungspotenziale werden sichtbar und Änderungen in der Leistungserstellung lassen sich feiner als mit der traditionellen Zuschlagskalkulation von Gemein- auf Einzelkosten simulieren (A. G. Conenberg/ T. M. Fischer/T. Günther 2007: 152). 6.2
Modi¿zierung der Prozesskostenrechnung auf das Ambulant Betreute Wohnen
Der hier vorgestellte Transfer auf das Ambulant Betreute Wohnen ist eine modizierte Variante der Prozesskostenrechnung. Die Abteilung Controlling des Stiftungsbereichs Behindertenhilfe verfolgt das in der Einleitung beschriebene Ziel, auf Nachfrage von Budgetnehmern nach einzelnen Leistungen die genauen Kosten der Leistungserstellung zu kalkulieren. Zu einer wichtigen Nebenbedingung dieses Professionalisierungsvorhabens zählt, dafür keine zusätzliche Ressourcen der ‚fachprofessionellen‘ Mitarbeiter zu beanspruchen, die dann für deren eigene Entwicklungen bzw. Professionalisierungen fehlen. Die Implementierung der Lehrbuchvariante der Prozesskostenrechnung setzt jedoch nach der Prozessanalyse eine genaue Zeiterfassung des überwiegenden Anteils an Leistungsprozessen voraus. Die Herausforderung liegt daher darin, ohne separate und zusätzliche Zeiterfassung möglichst genaue Angaben über die Dauer von Mitarbeitereinsätzen zu bekommen, die Aufschluss darüber geben, welche Leistungen bei welchen Klienten erbracht wurde20. 6.2.1 Prozessanalyse Als ersten Schritt sind bei der Implementierung einer Prozesskostenrechnung für den Bereich ambulante Wohnhilfen zunächst sogenannte Hauptprozesse zu denieren. Hauptprozesse haben einen gleichen Charakter wie Leistungsmodule21. Im Ambulant Unterstützten Woh20 21
Im Gegensatz zur ambulanten Pf lege existieren in der Behindertenhilfe keine festen, vorgegebenen Minutenwerte. Siehe z. B. die skizzierten Leistungsmodule „Teilhabe am Arbeitsleben“ und „individuelle Basisversorgung“ abgebildet bei Peters et al. 2007: 91.
Professionalisierung des Controllings in der Behindertenhilfe
243
nen werden zur Veranschaulichung als Hauptprozesse die bereits in Kap. 3.2. angeführten budgetfähigen 5 Schwerpunktbereiche ausgewählt, die sich in der Praxis in Anlehnung an die Leistungsdokumentation der Mitarbeiter aus 10 Teilprozessen zusammen setzen 22. Tabelle 1
Hauptprozesse und Teilprozesse im Ambulant Unterstützten Wohnen
Hauptprozesse: Budgetfähige Schwerpunktbereiche gem. IBRP (Individueller Behandlungs- und Reha-Plan) Bielefeld I. Wohnen, lebenspraktische Fähigkeiten
Teilprozesse gem. betrieblicher Dokumentation
- Alltagsbewältigung, Selbstversorgung - Schriftverkehr, Behörden, Finanzen - Allgemeine Gesundheitsfürsorge
II. Besonderer Hilfebedarf, psych. Bendlichkeit
- Umgang mit der Erkrankung - Gespräch, Beratung - Krisenintervention
III. Gestaltung sozialer Beziehungen, Orientierung
- Gestaltung sozialer Beziehungen
IV. Arbeit und Beschäftigung
- Arbeit, Beschäftigung, Tagesstruktur
V. Freizeit
- Freizeitgestaltung
- Gruppenangebot, soziotherap. Maßnahme
Quelle: eigene Erstellung
Aufbauend auf einer sogenannte Tätigkeitsanalyse sind in einem 2. Schritt alle Kostenstellen „aufzulösen“ d. h. vollständig in die oben abgebildeten 10 Teilprozesse zu zerlegen. Eine Kostenstelle kann dabei durchaus mehrere Teilprozesse umfassen. In einem 3. Schritt werden die Teilprozesse (von „unten nach oben“) zu Hauptprozessen verdichtet. Ein Teilprozess kann dabei mehreren Hauptprozessen zugeordnet werden. Zum Stiftungsbereich Behindertenhilfe zählt z. B. das Freizeit- und Kulturzentrum „Neue Schmiede“. Die „Neue Schmiede“ als Kostenstelle umfasst eine Vielzahl an budgetfähiger Leistungen, die sich nicht nur dem Hauptprozess „Freizeit“, sondern auch weiteren zentralen Hauptprozessen im Bereich ambulanter Wohnhilfen wie der „Gestaltung sozialer Beziehungen, Orientierung“ und „Arbeit und Beschäftigung“ zuordnen lassen. Zu den verschiedenen Aktivitäten der „Neuen Schmiede“ zählen neben Entspannung im Café auch Unterhaltung wie tanzen, Theater spielen, kreatives Gestalten/töpfern, spielen und basteln, kochen, backen, Ausüge und Urlaubsfahrten organisieren etc., aber auch mittelbare Aktivitäten wie Betriebsleitung, aufräumen, Mitarbeiter koordinieren u. v. a. Im Rahmen einer Prozessanalyse wären alle Aktivitäten der Neuen Schmiede zu Teilprozessen zusammen zu fassen, z. B.
22
Die Art und Anzahl der Teilprozesse bestimmt sich in der Praxis u. a. auch durch die Differenzierung im Dokumentationssystem. Im Bsp. können die Mitarbeiter im Rahmen der Leistungscodierung zwischen diesen 10 Kategorien wählen.
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Susanne Vaudt, Carsten Rasche
zum Teilprozess „Freizeitgestaltung“, „Gestaltung sozialer Beziehungen“ „Gruppenangebot“ oder „Tagesstruktur“ et al.23. Im nächsten Schritt werden die Teilprozesse dann wiederum einem der fünf Hauptprozesse zugeordnet (wie z. B. „Gestaltung sozialer Beziehungen, Orientierung“, „Arbeit und Beschäftigung“ oder „Freizeit“). Abbildung 4
Prinzip der Hauptprozessverdichtung
(Quelle: Mayer 1991: 86, zitiert nach P. Horvath: 2009: 491)
6.2.1.1 Prozessbewertung Die weiterführende Idee liegt darin, dass der individuelle Hilfeplan Ziele bestimmt und sich dadurch – idealerweise – ein Schwerpunktbereich als Hauptprozess denieren lässt. Innerhalb dieses Hauptprozesses, der auch mit einem Leistungsmodul gleichgesetzt werden kann, wirkt dann wiederum der zeitintensivste Teilprozess24 als cost driver Kosten bestimmend. Cost Drivers bzw. Kostentreiber sind Einussgrößen, von denen die Kosten der Hauptprozesse wesentlich abhängen. „Sie stellen gleichzeitig eine Maßgröße für die Quantizierung des 23 24
Identische Aktivitäten können in mehreren Teilprozessen auftauchen. Dies gilt insbesondere für bestimmte mittelbare Aktivitäten wie z. B. aufräumen, leiten, Mitarbeiter einteilen, in der Öffentlichkeit werben etc. Die Zeitintensität von Teilprozessen bezieht sich entweder auf den zeitlichen Umfang (Dauer) und/oder auch die Anzahl der Wiederholungen (Häugkeit) innerhalb eines Hauptprozesses.
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Professionalisierung des Controllings in der Behindertenhilfe
Outputs der Hauptprozesse dar und bilden somit das Mengengerüst der Prozesskostenrechnung auf der Hauptprozessebene“ (S. Fließ 2006: 189). Unter Berücksichtigung der Anzahl bewilligter Fachleistungsstunde pro Woche lässt sich auf diese Weise ein Raster bilden, welche Klienten im Ambulant Unterstützten Wohnen aus welchen Hauptprozessen schwerpunktmäßig Leistungen erhalten. Die Kosten der Schwerpunktleistung ießen dann jeweils gewichtet, z. B. 3fach so stark, wie weitere erbrachte Leistungen aus anderen Leistungsmodulen in die Gesamtkosten mit ein. Kosten treibend in den Hauptprozessen wirken grundsätzlich die Personalkosten. Dabei wird aber nicht jede Leistung von allen Mitarbeitern erbracht. Es ist daher abzugrenzen, wie qualiziert die Mitarbeiter sind, die die jeweils zugeordneten (Teilprozess-) Leistungen erbringen. Zur Zeit sind neben qualizierten Sozialarbeiten, Sozial- und Heilpädagogen auch (Heilerziehungs-)Peger, hauswirtschaftlich und anders qualizierte Kräfte, Ehrenamtliche, Zivildienstleistende und FSJ-ler (Freiwilliges Soziales Jahr) im Einsatz. Die Abb. 5 gibt dazu eine vereinfachte Übersicht: Abbildung 5
Prozessorientierte Kalkulation der Personalkosten
bewilligte Leistung im Bereich: I. Wohnen, lebensprakt. Fähigkeiten
Frau A
Herr B
Frau C
Herr D
1 FLS
2 FLS
3 FLS
4 FLS
SozPäd
II. Bes. Hilfebedarf, psych. Bendlichkeit III. Gestaltung soz. Beziehungen, Orientierung
SozPäd SozPäd
HEP
HEP
SozPäd
SozPäd
HEP
HEP
IV. Arbeit und Beschäftigung V. Freizeit
HEP
MA
MA
= Schwerpunktleistung = sonstige Leistungen (Quelle: eigene Erstellung)
Auf diese Weise verfügt das Controlling auch im Bereich Ambulant Unterstützes Wohnen über ein Kostenträger-Modell in Form der 5 Leistungsbereiche (Module). Neben der prozessorientierten Kostenzurechnung zu Modulen lässt sich für jeden Klienten auch bestimmen, welche abrechenbaren Leistungen in Form von Fachleistungsstunden bzw. Anteilen den Kosten jeweils gegenüber stehen.
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Susanne Vaudt, Carsten Rasche
Fazit
Die Umsetzung der sozialpolitischen Forderung nach mehr Teilhabe für Menschen mit Behinderung bedeutet für Leistungsanbieter in der Behindertenhilfe vielfältige Veränderungen. Zukünftig gefragt, sind insbesondere ambulante und individualisierte Teilhabeangebote. Um diese zu entwickeln und zu kalkulieren, bedarf es einer funktionalen Professionalisierung des Controllings. Die vorgestellte modizierte Prozesskostenrechnung bietet für das Controlling eine Möglichkeit, Kosten für identizierte Leistungsbündel bzw. Leistungsmodule aus dem Bereich ambulante Wohnhilfen zu kalkulieren, um in einem weiteren Schritt daraus bei Bedarf Modul-Preise ableiten zu können. Bisher ist eine Kostenzurechnung zu einzelnen Leistungsbereichen bzw. Teilleistungen nicht möglich, da geeignete Kostenträger im Ambulant Unterstützten Wohnen fehlen. Das bisherige Verfahren der Kostenrechnung lässt lediglich eine Gegenüberstellung der gesamten Kosten mit den insgesamt erbrachten Leistungen zu. In diesem Fall werden die Gesamtkosten der Summe der abrechenbaren Fachleistungsstunden gegenüber gestellt. Aktuell bezieht der überwiegende Teil ambulanter Klienten trotz Rechtsanspruch auf ein Persönliches Budget alle gem. Hilfeplan bewilligten und mit dem einheitlichen Fachleistungsstundensatz vergüteten Leistungen als Sachleistungen vom Stiftungsbereich Behindertenhilfe. Die vorgestellte Kostenkalkulation hat somit noch den Charakter einer reinen Nachkalkulation. Sollten sich jedoch zukünftig mehr Klienten entschließen, einen Antrag auf Bewilligung eines Persönlichen Budgets zu stellen, haben sie die Möglichkeit, beliebig viele Teile des bewilligten Bedarfs zukünftig auch bei anderen Anbietern einzukaufen. Damit bekommt der Preis eines einzelnen Leistungsmoduls eine größere Bedeutung. Die Kostenermittlung und daraus resultierende Ableitung des Angebotspreises gelingt ohne eine zeit- bzw. ressourcenaufwändige Zuarbeit der fachprofessionellen Abteilungen. Da die für die Kalkulation notwendigen Angaben über das betriebliche Dokumentationssystem ohne nennenswerten Aufwand abrufbar sind, wird die fachliche Dienstleistungsqualität nicht beeinträchtigt. Auf ein weiteres Reporting der leistungserbringenden Mitarbeiter, in Form minutengenau dokumentierter Tätigkeitsabläufe, kann auf diese Weise verzichtet werden. Eine Bindung der Ressourcen zu Lasten der fachlichen Dienstleistungsqualität zugunsten der prozessorientierten Professionalisierung des Controllings unterbleibt. Entgegen der Beobachtung von Langer (2007: 239, siehe Kap. 4), gerät damit die eigentliche Dienstleistungserstellung im Ambulant Unterstützten Wohnen durch den Einsatz dieses betriebswirtschaftlichen Instrumentes nicht in die ‚paradoxale‘ Situation einer angelegten Deprofessionalisierung. Die methodische Verfeinerung der betrieblichen Kostenkalkulation als Controlling-Instrument ist für das Management gleichwohl nur ein erster Schritt im Hinblick auf zukünftige, mögliche Veränderungen in der Nachfragestruktur. Für das Management einer Einrichtung der Behindertenhilfe stellt sich im Fall einer Verschiebung des Anteils ambulanter zu stationären Wohnhilfen und einer zunehmenden Inanspruchnahme von Persönlichen Budgets die Frage nach der Stabilität zukünftiger Erträge und Auslastungsgrade. Die Perspektive (ab-) wählbarer Leistungsmodule impliziert damit auch ein Risiko stärkerer Schwankungen. Eine Möglichkeit instabile Ertragssituationen zu kompensieren, könnte im Versuch liegen, Kosten stärker zu exibilisieren. Da der größte Kostenblock anteilig auf die Personalkosten entfällt, läge ein Augenmerk auf Instrumenten
Professionalisierung des Controllings in der Behindertenhilfe
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des Personalmanagements, die diesbezüglich eine Variabilisierung der Kosten versprechen. Aber auch Marketing-Instrumenten bekommen eine steigende Bedeutung: Dazu zählt die professionellere Vermarktung budgetfähiger Teilhabeleistungen sowie eine intensivierte Kundenorientierung: Zum einen gilt es, neue Kunden zu gewinnen und andererseits kommt es darauf an, bereits bestehende Beziehungen auszubauen. Um als soziales Unternehmen der Behindertenhilfe wirtschaftlich erfolgreich zu sein, bedarf es allerdings mehr als einer rein betriebswirtschaftlichen Professionalisierung. Diese sollte stattdessen Hand in Hand einhergehen mit entsprechenden sozialberuichen Entwicklungen: In der fachlichen Chance, Budgetnehmern mit individuellen Wünschen individualisierte Angebote zu machen und damit die Qualität der Leistungserstellung im Rahmen eines umfassenden Dienstleistungsverständnisses zu steigern, steckt für die sozialen Professionen ein großes Entwicklungspotential. 8
Literatur
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Susanne Vaudt, Carsten Rasche
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Professionalisierung durch Selbstevaluation Eine Untersuchung bei Vorständen in Schweizer Nonprot-Organisationen Vanessa Lutz, Markus Gmür
1
Einführung
Die gute Absicht allein genügt heutzutage nicht mehr, um eine Nonprot-Organisation (NPO) erfolgreich zu führen (P. F. Drucker 1999: 4 f.). Vorstände einer NPO sind vermehrt gefordert, sich nicht nur durch ihr Engagement, sondern auch durch Kompetenz und Professionalität auszuzeichnen, um das Vertrauen von Stakeholdern zu gewinnen. Steigende Erwartungen bezüglich Effektivität, Efzienz und Transparenz führen zu einem erhöhten Druck auf die Organisation, ihre Führungspraktiken zu legitimieren. Gerade in NPOs scheint die Effektivität und Efzienz traditionell stärker gefährdet zu sein als in Unternehmen, was einerseits mit den qualitativen Zielsetzungen und den vielfältigen Austauschbeziehungen, andererseits mit der fehlenden Marktkontrolle zusammenhängt (B. Helmig/R. Purtschert/C. Beccarelli 2006a: 355). Die hohen Anforderungen zusammen mit einem gewissen Mangel an nonprot-spezischen Hilfsmitteln führen oft zu einer Übertragung von Konzepten und Praktiken aus dem ProtSektor. Dieser Transfer ist jedoch nicht immer unproblematisch, im Gegenteil kann es unter Umständen für die Organisation sogar kontraproduktiv sein, wenn Management-Tools ohne Berücksichtigung des Kontexts übernommen werden (T. E. Beck/C. A. Lengnick-Hall/M. L. Lengnick-Hall 2008: 166). Dies lässt sich anhand diverser Unterschiede zwischen den beiden Organisationsformen erklären. Im Wesentlichen seien hier die Sachzieldominanz, das Verbot der Gewinnausschüttung und die Ehrenamtlichkeit als Abgrenzungsmerkmale einer NPO gegenüber einem Unternehmen erwähnt (B. Helmig/R. Purtschert/C. Beccarelli 2006b: 7 f.). Abgesehen von den strukturbedingten Implementierungsproblemen wird argumentiert, dass ein zunehmender „Managerialismus“ sowohl zu einer Verschiebung der Funktionserfüllung der Organisation als auch zu einer Verschiebung der Stakeholderorientierung führt, was eine Rechtfertigung für die Existenz von NPOs immer mehr in Frage stellt (J. Leitner/F. Maier/ M. Meyer/R. Millner 2008: 96 ff.). Die Angleichung von Organisationen als Resultat eines zunehmenden Professionalisierungsdrucks wurde bereits von DiMaggio/Powell (1983) unter dem Begriff „normativer Isomorphismus“ diskutiert (P. J. DiMaggio/W. W. Powell 1983: 152 f.). Da Forschungsergebnisse sowohl Vor- als auch Nachteile der Verwendung von ManagementInstrumenten belegen (T. E. Beck/C. A. Lengnick-Hall/M. L. Lengnick-Hall 2008: 153), ist es am Ende eine Frage des angemessenen Verhältnisses beim Einsatz von Management-Praktiken. Damit soll die Organisation den steigenden Ansprüchen gerecht werden und dabei gleichzeitig die Eigenheiten als NPO nicht vernachlässigen oder gar verlieren. Ein Management-Instrument, welches für Unternehmen entwickelt wurde und zusehends auch bei NPOs Verwendung ndet, ist die Selbstevaluation von Vorständen. Die Führung einer NPO stellt eine verantwortungsvolle Aufgabe dar und die Entscheidungen des Vorstands
A. Langer · A. Schröer (Hrsg.), Professionalisierung im Nonprofit Management, DOI 10.1007/978-3-531-92664-3_13, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Vanessa Lutz, Markus Gmür
haben tragende Konsequenzen für eine Organisation. Es scheint deshalb sinnvoll, die Arbeit des Vorstands zu überprüfen. Es stellt sich die Frage, wer diese Aufgabe übernimmt. Die Geschäftsleitung arbeitet zwar eng mit dem Vorstand zusammen und wäre deshalb in der Lage, sich ein Bild der Vorstandsarbeit zu machen, scheint aber deshalb nicht geeignet, da es sich um eine dem Vorstand untergeordnete Instanz handelt, die ihrerseits vom Vorstand kontrolliert wird (E. Honegger 2006: 724). Auch die Mitgliederversammlung oder eine externe Instanz haben kaum die Möglichkeit, die Leistungen des Vorstands im Jahresverlauf zu überprüfen, da sie nicht über genügend Informationen verfügen (G. von Schnurbein 2008: 127). Die fehlende Kompetenz von Dritten bei der Beurteilung der Vorstandsarbeit lässt somit auf die besondere Bedeutung einer Selbstevaluation schließen. Nachteile des Instruments sind hauptsächlich die Subjektivität der Burteilung und die Unsicherheit, dass Vorstandsmitglieder sozial erwünschte oder politisch geprägte – und deshalb nicht immer ehrliche – Antworten geben. Zum Teil wird deshalb empfohlen, eine Selbstevaluation und eine externe Bewertung ergänzend durchzuführen (S. L. Schmidt/M. Brauer 2006: 14 f.). Selbst- und Fremdevaluation müssen sich also nicht zwingend gegenseitig ausschließen. Die eigene Arbeit zu bewerten ist eine Praktik, welche vor allem in den USA fortgeschritten ist und inzwischen auch aus der Nonprot-Perspektive vielseitig diskutiert wurde. Die Selbstevaluation kann einerseits dazu dienen, Mängel und Verbesserungspotential in einer Organisation aufzudecken, andererseits stellt sie für den Vorstand auch ein Instrument dar, den Legitimitätsanforderungen nachzukommen. Die laufenden Diskussionen setzen sich mit der Frage auseinander, ob die Praxis der Selbstevaluation effektiv ergebnisorientiert ist – was dem ursprünglichen Zweck entsprechen würde – oder ob diese lediglich legitimierenden Charakter hat. Die Selbstevaluation als Instrument der Bewertung, Kontrolle, und Entwicklung von Vorständen ist Gegenstand des vorliegenden Beitrags und der nachfolgenden Untersuchung sein. Dabei wird gezeigt, 1. 2. 3. 4.
auf welchem Stand sich die Diskussion in der internationalen Literatur zur Selbstevaluation gegenwärtig bewegt, welche Gestaltungsparameter bei der Selbstevaluation von Vorständen relevant sind, in welchem Umfang Selbstevaluation in den Vorständen zertizierter Schweizer NPOs praktiziert wird und welche äußeren Faktoren die Nutzung beeinussen wie Vorstände von NPOs den Nutzen der Selbstevaluation einschätzen.
Mit dieser Untersuchung ist ein Professionalitätsverständnis verbunden, das sich an den Anforderungen für die Leitung einer Nonprot-Organisation unabhängig von ihren konkreten Sachzielen orientiert. Professionalität ist demnach die Fähigkeit und das Bestreben von Personen oder Organisationen, ihre Sachziele fokussiert und dauerhaft zu verfolgen und dabei die zur Verfügung stehenden Ressourcen effektiv, efzient und unter im Einklang mit dem Leitbild der Organisation einzusetzen (M. Gmür/H. Lichtsteiner 2010). Der Selbstevaluation kommt die Aufgabe einer Feedback-Schleife zur Überprüfung und Verbesserung der Professionalität zu.
Professionalisierung durch Selbstevaluation
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Aktueller Forschungsstand zur Selbstevaluation
In der NPO-Literatur existiert eine relativ große Bandbreite an Beiträgen zum Thema der Rolle und Verantwortung eines Vorstands. Die Bewertung der eigenen Leistungen wird dabei oft als einen Bestandteil dieses Verantwortungsbereichs beschrieben (R. Ingram 2003; E. Iecovich 2004). Der Bedeutung entsprechend wurden in der Praxis spezische Tools entwickelt, welche Organisationen bei der Durchführung einer Selbstevaluation unterstützen sollen. Es ist hier anzumerken, dass sowohl Literatur als auch Tools zum Thema „Selbstevaluation“ überwiegend im angloamerikanischen Raum zu nden sind. Einerseits werden Tools angeboten, welche sich auf die ganze Organisation – und somit implizit auch auf den Vorstand – beziehen, wie z. B. das „Drucker Foundation Self-Assessment Tool“ (P. F. Drucker 1999), andererseits existieren Tools, welche gezielt auf die Selbstevaluation des Vorstands zugeschnitten sind. Als Beispiele dafür sind zu nennen der „Board Self-Assessment-Questionnaire“ (BSAQ) (K. J. Jackson/T. P. Holland 1998), die „Governance Self-Assessment Checklist“ (GSAC) (M. Gill/R. J. Flynn/E. Reissing 2005) und die Fragebogen von BoardSource (BoardSource (o. J. a); www.boardsource.org), welche unter anderem als Handbuch oder als Online-Tool erhältlich sind. Ein in der Literatur oft diskutierter Aspekt bezüglich Selbstevaluation ist die Wahl der Themen, d. h. die Auswahl an Kriterien, nach welchen die Vorstandsarbeit bewertet wird. Die Entscheidung beruht meist auf der Überlegung, was als essenzielle Vorstandskompetenz für eine effektive Führung angesehen wird. Mehrheitlich basieren die angebotenen Tools jedoch auf individuellen Erfahrungen und sind deshalb überwiegend subjektiv (T. P. Holland 1991: 26). Eine Ausnahme bilden hier der BSAQ und die GSAC, welche die verwendeten Kriterien und deren Einuss auf die Effektivität des Vorstands auf Validität überprüft haben. Andere Autoren vertreten einen konträren Standpunkt, indem sie von der eins-zu-eins Übertragung vorgefertigten Tools abraten (E. Honegger 2003; R. Blomberg/R. Harmon/S. Waldhoff 2004; E. Cruz Sroufe/S. J. Nacy 2005). Die Begründung liegt in der enormen Vielfalt an NPOs, weshalb nicht alle Themen für jede Organisation im selben Maße relevant sind. Vielmehr wird geraten, dass der Vorstand die Bewertungskriterien selbst erarbeitet und deren Erfüllung anschließend mit den für sich gesetzten Zielen vergleicht. Unterstützung kann hier von einem externen Berater eingeholt werden. Dieses Verfahren ist aufwändiger und setzt eine klare Zieldenition voraus. Bei der Erarbeitung von Governance-Zielen handelt es sich aber im Grunde um nichts anderes als um eine Kernkompetenz des Vorstands (E. Honegger 2003: 726). Die Autoren sehen die Selbstevaluation vielmehr als Mittel, um Diskussionen über verbesserungswürdige Bereiche anzuregen und es geht ihnen nur nachrangig darum, die Effektivität der Vorstandsleistung präzise zu denieren und zu messen. Obwohl Governance-Themen wie der Selbstevaluation zunehmend Bedeutung geschenkt wird, gibt es nur wenig empirische Daten über die tatsächliche Umsetzung dieses Instruments. Eine amerikanische Studie untersucht die Verwendung von Selbstevaluations-Tools durch NPOs in einer qualitativen Analyse einzelner Fallstudien. Eine Haupterkenntnis der Studie ist, dass diese Selbstbewertung in Form eines losen, unbestimmten und veränderlichen Prozess durchgeführt wird, welcher eine gewisse Struktur für Diskussionen bieten kann (R. Paton/ J. Foot/G. Pane 2000: 29 ff.). Demnach wird die Selbstevaluation eher dazu verwendet Gespräche zu stimulieren und Problempunkte anzugehen, als dass eine Leistungsverbesserung
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Vanessa Lutz, Markus Gmür
durch das strikte Befolgen von spezischen Tools angestrebt würde. Gemäß einer Studie von Thomson Financial and Directorship führt die Mehrheit der Befragten (82 %) die Selbstevaluation in Form eines schriftlichen Fragebogens durch (G. Curtis 2007: 63 f.). Der Fokus dieser Untersuchung richtet sich jedoch auf Unternehmen und nicht auf NPOs. Es kann gefolgert werden, dass Beiträge aus der Literatur überwiegend theoretischer Natur sind und diejenigen, welche empirische Daten präsentieren entweder entsprechend einem qualitativen Ansatz auf einer sehr kleinen Stichprobe beruhen oder sich nicht spezisch auf NPOs beziehen. Zudem geben vorliegende Studien keine klaren Hinweise, unter welchen Voraussetzungen und mit welchem Erfolg Selbstbeurteilungsprozesse angestoßen werden. Hinsichtlich quantitativer Studien zur Umsetzung und Einführung von SelbstevaluationsPraktiken besteht folglich eine Forschungslücke, welche mit der vorliegenden Befragung im schweizerischen Nonprot-Sektor geschlossen wird. 3
Gestaltungsparameter der Selbstevaluation
Gestaltungsmöglichkeiten der Selbstevaluation bieten sich einerseits bei der Wahl des Erhebungsinstrumentes, andererseits bei der inhaltlichen Bestimmung der Evaluation. Zusätzlich gibt es bestimmte Rahmenbedingungen, welche Einuss auf die Art der Durchführung nehmen können. 3.1
Erhebungsmethode
Bei der Erhebungsmethode wird zwischen quantitativen und qualitativen Ansätzen unterschieden (siehe Abbildung 1). Als quantitative Methode der Selbstevaluation bietet sich der Fragebogen an. Dieser kann entweder in schriftlicher (Papier-)Form oder am Computer mit Hilfe eines Online-Tools erfolgen. Laut der Studie von Thomson Financial and Directorship (G. Curtis 2007: 63 f.) ist der Fragebogen das meist verbreitete Instrument der Selbstevaluation. Rund 82 % gaben an, diese Form als Erhebungsinstrument ausschließlich oder ergänzend zu verwenden. Die Vorstandsmitglieder bewerten beim Ausfüllen des Fragebogens anhand vielfältiger Dimensionen die Leistung des Vorstands, wozu größtenteils geschlossene („multiplechoice“-) Fragen, zum Teil aber auch einzelne offene Fragen verwendet werden (J. Moredock 2004: 93). Bei der qualitativen Erfassung der Selbstevaluation gibt es die Möglichkeit des persönliche Interviews oder der Gruppendiskussion. Das persönliche Interview wird mit jedem Vorstandsmitglied einzeln durchgeführt, häug auf Basis eines zuvor offen gelegten Fragenbogens. Laut Studie machen in den USA 26 % von dieser Methode gebrauch. Die Gruppendiskussion wird vorzugsweise von einer Person geleitet und funktioniert am besten, wenn ein hohes Vertrauensverhältnis und eine große Offenheit zwischen den Vorstandsmitgliedern bestehen. Sie wird von 31 % angewendet.
Professionalisierung durch Selbstevaluation
Abbildung 1
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Quantitative und qualitative Formen der Selbstevaluation
(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Behan 2004: 4)
3.2
Inhaltliche Dimensionen
Der zweite Aspekt beim Design eines Fragebogens oder Interviewleitfadens ist die Wahl der anzusprechenden Themen. Die Herausforderung besteht meist darin, eine Themenliste zu erstellen, welche weder zu spärlich und simpel noch zu ausschweifend und langatmig ist. (B. Behan 2004: 2). Sind die Themenbereiche gewählt, werden dazu konkrete Fragen und Aussagen formuliert. Wie schon erwähnt, wird eher davon abgeraten, eine Themenliste mit dazugehörigen Fragen von einer bestehenden Quelle ohne weiteres zu übernehmen. Tabelle 1 zeigt, welche thematischen Inhalte in einigen der in der nordamerikanischen Praxis verbreiteten Leitfäden zur Selbstevaluation in NPO abgedeckt werden. Die ersten drei Leitfäden stammen aus kommerziellen Selbstevaluationstools, während der vierte Vorschlag (M. Gill/R. J. Flynn/E. Reissing 2005) auf einer Veröffentlichung in einem wissenschaftlichen Journal beruht. Im Folgenden wird eine Auswahl an Themen dargestellt und kurz erläutert. Damit wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben; es soll bei dieser Zusammenstellung lediglich darum gehen, einen Einblick in die inhaltliche Ausarbeitung einer Selbstevaluation zu geben und mögliche anzusprechende Themen aufzuzeigen. Zu jedem Punkt werden beispielhafte Aussagen aufgelistet, wie sie in einem Selbstevaluationsfragebogen stehen und von Vorstandsmitgliedern auf einer Skala bewertet werden könnten.
254 Tabelle 1
Themen
Vanessa Lutz, Markus Gmür
Themenauswahl zur Selbstevaluation The Corporate Fund (The Corporate Fund 1995)
BoardSource (BoardSource (o. J.)
Vorstandsstruktur und -kultur Vorstandsführung
Board Membership & Orientation
GSAC (Gill/Flynn/Reissing 2005)
Size & Structure Composition
Board Culture
Selecting & Orienting New Board Members Individual Board Member SelfEvaluation
Vorstandsevaluation
McKinsey (McKinsey, o. J.)
Board Performance & Evaluation of Individual Directors)
Vorstandsorganisation
Board Meetings Board Committees
Board Committees & Task Forces
Geschäftsführung
Board-Executive Relationship BoardStaff Roles
Selecting, Supporting, Reviewing of CEO; Relationship between Board and Staff
Selecting, Evaluating, Developing of CEO
Externe Beziehungen
External Relations Practices
Public Image
Build Reputation Expertise & Access for Organizational Needs
Mission & Purpose of Organization
Mission & Vision
Organisationsziele Strategische Planung
Policy-Making & Planning Practices
Processes
Board Processes & Practices (Board Development, Management & DecisionMaking)
Approving& Monitoring Work
Performance Monitoring & Accountability
Performance Monitoring & Accountability
Financial Resources Fiscal Oversight
Financial Resources
Entscheidungs¿ndung
Ergebnisevaluation
Finanzierung Risikomanagement
Community Representation and Advocacy
Fund Raising Practices Fiscal Management Practices
Risk Management Policies
Risk Management
Professionalisierung durch Selbstevaluation
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3.2.1 Mission und strategische Planung Bei Mission und strategischer Planung geht es darum herauszunden, wie klar der Vorstand die Ziele der Organisation kennt und sich diese auch immer wieder in Erinnerung ruft, inwiefern die Vorstandsmitglieder mit ihren Vorstellungen über die Marschrichtung der Organisation übereinstimmen und wie stark sich der Vorstand in der strategischen Planung engagiert (M. Gill/R. J. Flynn/E. Reissing 2005: 277). Da bei einer NPO das Sachziel, das heißt die Mission, im Vordergrund steht, ist es von besonderer Bedeutung, dass die Vorstandsmitglieder eine klare Vorstellung über die Mission haben und diese im Sinne der Organisation verfolgen (B. Helmig/R. Purtschert/C. Beccarelli 2006a: 7). Beispielaussagen: ▪ Alle Vorstandsmitglieder akzeptieren und unterstützen die Mission der Organisation. ▪ Ein langfristiges Strategiedokument (3–5 Jahre) bildet die Basis der strategischen Führung. 3.2.2 Vorstandsstruktur Bei der Vorstandsstruktur werden die Zusammensetzung des Vorstands, aber auch die Rahmenbedingungen, innerhalb welcher der Vorstand agiert (die gesetzlichen Grundlagen und Statuten), überprüft. Auch bestimmte Richtlinien, welche eine Organisation verfolgt, können Anhaltspunkte liefern. Beispielaussagen: ▪ Die Größe des Vorstands ermöglicht, dass alle Aufgaben wahrgenommen werden. ▪ Der Vorstand ist interdisziplinär zusammengesetzt. 3.2.3 Vorstandskultur Dieses Kriterium beinhaltet die Verankerung der Werte einer Organisation, die Dynamik des Vorstands, die Kommunikation und das Vertrauensverhältnis innerhalb des Vorstands (M. Gill/R. J. Flynn/E. Reissing 2005: 277). Die Bedeutung der Vorstandskultur als so genannter „soft factor“ ist nicht zu unterschätzen. Gerade bei Vorständen einer NPO, welche für ihre Arbeit oft keine Entlohnung erhalten und dieser Kontrollmechanismus deshalb wegfällt, nehmen Normen eine wichtige Stellung ein (A. Doherty/M. Patterson/M. Van Bussel 2004: 110). Beispielaussagen: ▪ Der Vorstand arbeitet als Team und nicht als Zusammensetzung von Einzelkämpfern. ▪ Vorstandsmitglieder nehmen oft an sozialen Events teil, welche von der Organisation gesponsert werden.
256
Vanessa Lutz, Markus Gmür
3.2.4 Finanzielle Aspekte Der Vorstand soll die nanzielle Lage der NPO überprüfen und eine Finanzplanung und -kontrolle etablieren. Die Gewinnerzielung steht im Sinne von „Nonprot“ bei einer NPO nicht im Vordergrund, trotzdem kommt nanziellen Aspekten eine nicht unwichtige Bedeutung zu – gerade im Bereich der Finanzierung, das heißt im Bereich der Beschaffung von Finanzmitteln, welche die NPO benötigt, um ihre Leistungen zu produzieren und ihre Aufgaben zu erfüllen. Die Finanzierung (und somit auch die Erzielung von Gewinn) stellt demzufolge ein Instrument/Mittel zum Zweck dar, welches der Organisation zu ermöglichen hilft, ihre eigentlichen Ziele zu verfolgen. Hier sind Fragen bezüglich Spenden, Mitgliederbeiträge, Subventionen, Preisnanzierung, Sponsoring usw. von Interesse. Beispielaussagen: ▪ Der Vorstand prüft den Bedarf an notwendigen Ressourcen und stellt eine Finanzierungsstrategie auf. ▪ Der Vorstand veröffentlicht in einem Jahresbericht Aussagen zur nanziellen Lage der Organisation. 3.2.5 Prozesse und Praktiken Dieses Bewertungskriterium bezieht sich auf die Art und Weise, wie der Vorstand seine Führungsfunktion ausführt und ist ziemlich breit gefächert. Es können hier Aspekte wie Leistungsbewertung und Entwicklung, Koniktmanagement, Risikomanagement, Entscheidungsprozesse, Kontrolle und Überwachung usw. beurteilt werden. Je nach Wichtigkeit für die Organisation können diese Unterthemen auch als einzelne Kriterien aufgeführt werden. Um die Prozesse der NPO zu bewerten ist es notwendig, diese vorgängig klar zu denieren. In allen Qualitätsmanagement-Modellen kommt der Planung, Gestaltung und Entwicklung von Prozessen eine zentrale Rolle zu (P. Schwarz/R. Purtschert/C. Giroud/R. Schauer 2005: 154). Das Prinzip des „Total Quality Management“ (TQM) steht für die Prozessorientierung und die Philosophie der ständigen Verbesserung und ist ganz im Sinne der Effektivitäts- und Efzienzsteigerung, welche durch die Selbstevaluation angestrebt wird. Beispielaussagen: ▪ Der Vorstand basiert seine Entscheidungen auf soliden Entscheidungsprozessen. ▪ Im Vorstand wird über Trends diskutiert, welche möglicherweise Chancen für die Organisation darstellen könnten. 3.2.6 Beziehungspege und Image Im Freiburger Management Modell (FMM) (A. Haid 2005: 29) wird eine NPO unter anderem als offenes, umfeldabhängiges (Input-Output-)System beschrieben, das in Austauschbeziehungen mit bestimmten Anspruchsgruppen bzw. Stakeholdern – welche der NPO gegenüber
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gewisse Interessen manifestieren – steht (P. Schwarz/R. Purtschert/C. Giroud/R. Schauer 2005). Das Management von Austauschbeziehungen ist bei einer NPO um einiges komplexer als bei einem Unternehmen, da bei einer Prot-Organisation primär der Kunde im Vordergrund steht, bei einer NPO hingegen, wo ‚Leistungsbezahler‘ und Leistungsempfänger oft nicht identisch sind, mehrere Stakeholders gleichzeitig von Bedeutung sind (Spender, Mitglieder, Betroffene/Dritte, an welche Leistungen abgegeben werden, Staat usw.) (R. Purtschert 2005: 98 ff.). Die Kommunikation spielt bei der Pege dieser Austauschbeziehungen eine entscheidende Rolle. Beispielaussagen: ▪ Der Vorstand hat eine hohe Glaubwürdigkeit bei den Key-Stakeholders. ▪ Der Vorstand kommuniziert den Mitgliedern und anderen Stakeholdern regelmäßig, welche Leistungen die Organisation erreicht hat und welche neuen Herausforderungen anstehen. 3.2.7 Vorstandssitzungen Die Bewertung der Vorstandssitzungen wird nur in wenigen der untersuchten Quellen explizit aufgeführt. Wenn aber bedacht wird, dass der Vorstand sein Amt ehrenamtlich und meist unentgeltlich ausführt, so kann nachvollzogen werden, dass der Anreiz pünktlich zu Sitzungen zu erscheinen, seine Aufgaben stets zu erledigen usw. möglicherweise nicht immer gleich hoch ist wie bei einem gut bezahlten Verwaltungsratsmitglied in einem Unternehmen. Zudem wird die Vorstandstätigkeit grundsätzlich als Nebentätigkeit zur eigentlichen Stelle ausgeführt, weshalb sich die zeitliche Verfügbarkeit der Vorstandsmitglieder in Grenzen hält (P. Schwarz 2005: 125). Trotzdem soll der Vorstand effektiv und efzient arbeiten und in diesem Sinne auch die Sitzungen gestalten. Gerade deshalb ist es wichtig, dass sich der Vorstand auch in diesem Bereich kritisch beurteilt und durch die Selbstevaluation eventuelle Diskussionen ausgelöst werden, welche auf Verbesserungsvorschläge bezüglich der Vorstandssitzungen hinweisen. Beispielaussagen: ▪ Die Sitzungen starten pünktlich und hören auch pünktlich wieder auf. ▪ Die Vorstandssitzungen sind stets sorgfältig vorbereitet. 3.2.8 Beziehung zum Geschäftsführer Eine der Hauptverantwortungen des Vorstands liegt darin, einen hauptamtlichen Geschäftsführer auszuwählen, eine enge Zusammenarbeit mit ihm zu pegen und ihn zu kontrollieren/bewerten (E. Iecovich 2004: 6). Schwarz zählt diese Beziehung zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen zu einem der Spannungs-/Koniktfelder in einer NPO. Mögliche Probleme sind hier eine ungenügende, unklare Kompetenzabgrenzung und die Einmischung von Vorstandsmitgliedern in das Detailgeschäft. Ein weiteres, in NPO häug auftretendes Phäno-
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men ist dasjenige des so genannten „Completed Staff-work“. Dazu kommt es, wenn die professionelle Geschäftsführung gegenüber den ehrenamtlichen Vorstandsmitgliedern über spezisches Expertenwissen und einen Informationsvorsprung verfügt und den Entscheidungsspielraum so weit einschränkt, dass der Vorstand die Entscheidung selbst nicht mehr wesentlich beeinussen kann (P. Schwarz 2005: 85, 141). Beispielaussagen: ▪ Zwischen Vorstand und Geschäftsführer gibt es eine eindeutig denierte und gegenseitig akzeptierte Arbeitsteilung. ▪ Der Vorstand führt regelmäßig eine Bewertung des Geschäftsführers durch. 3.2.9 Nachfolgeplanung und Orientierung neuer Vorstandsmitglieder In Betracht der gestiegenen Anforderungen an eine NPO und insbesondere an ihren Vorstand nimmt eine geregelten Nachfolgeplanung, d. h. die Suche und Auswahl von geeigneten Nachfolgern im Vorstand, eine wichtige Rolle ein. Ausgehend von der „Resource Dependence Theory“ (J. Pfeffer/G. R. Salancik 1978) folgert Brown (2007), dass fähige und kompetente Vorstandsmitglieder deshalb so entscheidend sind, da sie gewisse Schlüsselressourcen wie Wissen, Fähigkeiten, Beziehungen und Geld in die Organisation einbringen können, um diese zu stärken (W. Brown 2007: 302). Die Ausarbeitung von Selektionskriterien stellt eine zentrale Aufgabe der Nachfolgeplanung dar. Ebenso von Bedeutung ist, sobald neue Vorstandsmitglieder gefunden sind, deren Orientierung und Einführung im Vorstand. Die Studie von Brown zeigt sogar einen direkten Einuss der Orientierung neuer Vorstandsmitglieder auf die wahrgenommene Vorstandsleistung auf (W. Brown 2007: 313). Beispielaussagen: ▪ Der Vorstand verfügt über eine systematische Regelung bezüglich Rekrutierungsverfahren neuer Vorstandsmitglieder. ▪ Aufgaben und Verantwortungsbereiche werden neuen Vorstandsmitgliedern genau erläutert. 3.2.10 Vorstandsausschuss Da nicht jede Organisation über Vorstandsausschüsse verfügt, ist dieses Kriterium nur für gewisse NPOs relevant. Die Ausschüsse setzen sich aus bestehenden Vorstandsmitgliedern zusammen und werden gegründet, um bestimmte Aufgaben und Funktionen in enger Zusammenarbeit mit dem Geschäftsbetrieb zu erfüllen (P. Schwarz 2005: 270). Es handelt sich dabei um dem Vorstand unterstellte Realisationseinheiten, die vor allem bei großen Vorständen, welche nur selten zusammentreffen können, spezische Funktionen zur Entlastung des Vorstands übernehmen.
Professionalisierung durch Selbstevaluation
259
Beispielaussagen: ▪ Im Vorstandsausschuss sind fachkompetente Personen vertreten. ▪ Die Berichterstattung vom Vorstandsauschuss an den Vorstand erfolgt in regelmäßigen Abständen. 3.2.11 Individuelle Selbstevaluation Im Gegensatz zu den vorhergehenden Themenpunkten wird bei der individuellen Selbstevaluation nicht der Vorstand gesamthaft bewertet, sondern jedes Vorstandsmitglied beurteilt seine individuellen Leistungen. Die Evaluation der einzelnen Mitglieder ist weniger verbreitet als die des gesamten Vorstands, bietet aber einige Vorteile wie z. B. das Aufdecken von unterdurchschnittlichen Leistungen einzelner Mitglieder und den erhöhten Anreiz für diese, gute Leistungen zu erbringen – wobei sich insbesondere hier die Frage stellt, wie ehrlich diese Bewertung erfolgt. Außerdem werden Bedenken geäußert, dass dieser rigorose Selbstevaluationsprozess einerseits dazu führt, dass die Kollegialität im Vorstand leidet und andererseits, dass dieser abschreckend auf potentielle Vorstandsnachfolger wirkt (E. Cruz Sroufe/S. J. Nacy 2005: 10). Beispielaussagen: ▪ Ich bereite mich auf die Sitzungen vor und lese die Unterlagen, welche ich im Vorfeld erhalte habe. ▪ Ich unterstütze alle Entscheidungen, die wir als Vorstand gemeinsam getroffen haben, auch wenn ich persönlich eine andere Meinung habe. 3.3
Rahmenbedingungen
Vor der Implementierung der Selbstevaluation gilt es bestimmte Rahmenbedingungen zu denieren, welche einen entscheidenden Einuss auf das Gelingen einer solchen Evaluation haben können. Unabhängig von der Wahl der Erhebungsmethode oder der inhaltlichen Bestimmung ist die Auswertung der Ergebnisse für eine Selbstevaluation unabdingbar. Es empehlt sich die Resultate in einem Bericht zu verfassen, welcher als Grundlage für eine anschließende Diskussion dient (B. Behan 2004: 3 f.). Diese Diskussion muss dazu führen, dass Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet werde (J. Carver 2007: 5), d. h. es muss ein Aktionsplan verfasst werden. Die Meinungen zur Regelmäßigkeit der Wiederholung gehen in der Literatur auseinander. Sie bewegen sich im Rahmen von viermal pro Jahr bis zu einmal alle zwei Jahre, oft abhängig von der Größe des Vorstands oder der Länge und Häugkeit der Sitzungen. Einig sind sich Autoren zu diesem Thema aber insofern, als dass eine Selbstevaluation einer konstanten Wiederholung bedarf, um einen sinnvollen Effekt zu erzielen (J. Carver 2007: 5; S. Hacker 2003: 82). Weiter stellt sich die Frage, wer den Evaluations-Prozess leitet und überwacht. In der Literatur wird grundsätzlich zwischen einer internen und einer externen Instanz unterschie-
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Vanessa Lutz, Markus Gmür
den. Wird eine interne Person mit der Durchführung beauftragt, so kommt dies für die Organisation meist kostengünstiger und es bieten sich gewisse Vorteile der Vertraulichkeit (Ernst&Young 2007: 1). Gründe, die für das Hinzuziehen einer externen Person sprechen, sind deren spezisches Fachwissen zu Selbstevaluations-Methoden und die Objektivität, die in diesem Falle eher gewährleistet ist. Hinzu kommt, dass Vorstandsmitglieder bei ihnen unbekannten Personen tendenziell ehrlichere Antworten geben, als bei Arbeitskollegen (B. Behan 2004: 2). Letztlich spielt auch die Archivierung der Resultate eine Rolle. Werden die Dokumente zur Selbstevaluation jeweils sorgfältig abgelegt und archiviert, so können sie zu einem späteren Zeitpunkt hervorgeholt und mit anderen Evaluationen vergleichen werden, was eine regelmäßige Zielkontrolle ermöglicht. 4
Selbstevaluation in Schweizer NPOs – eine empirische Untersuchung
4.1
Ausgangslage
Die intensive Diskussion unter dem Schlagwort „Corporate Governance“ hat ihren Ursprung in den 90er Jahren, wo vermehrte Fälle von Bilanzmanipulationen durch Vorstände/Verwaltungsräte großer Aktiengesellschaften und Zusammenbrüchen global agierender Firmen aufgetreten sind (P. Siebart 2006: 3). Diese Vorfälle haben nicht nur das Interesse der Forschung, sondern auch des Staates und vor allem der Öffentlichkeit auf den Themenbereich „Corporate Governance“ gelenkt. Zunehmend tauchten Fragen und Forderungen bezüglich verbesserter Steuerung, klarer Rollenverteilung, Transparenz und Kontrolle der Unternehmensführung auf (G. von Schnurbein 2008: 53). Die USA reagierte darauf mit dem Sarbanes-Oxley-Act (2002), welcher verschiedenste Vorgaben zu den genannten Punkten enthält und Strafmaßnahmen bei Nichterfüllung aufführt. Weiter wurden neue Standards für den New York Stock Exchange festgelegt (A. F. Alkhafaji 2007: 193 ff.). In Deutschland existieren solche Governance-Regeln in Form des „Deutschen Corporate Governance Kodex“, welcher für börsenkotierte Unternehmen verbindliche Regelungen, aber auch generelle Empfehlungen enthält (Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex 2007: 2). Das schweizerische Pendant ist der „Swiss Code of Best Practice“ (kurz: Swiss Code) von economiesuisse (Economiesuisse 2007:6). Wie in den ersten beiden Kapiteln bereits aufgeführt, hat die Governance-Diskussion zunehmend auch Einzug in den NPO-Sektor gefunden. Dem entsprechend existieren für nicht-gewinnorientierte Organisationen in der Schweiz zwei wesentliche Codes, die Governance-Richtlinien und -Empfehlungen abgeben. Einerseits ist dies der Swiss NPO-Code, welcher Richtlinien hauptsächlich für größere Hilfswerke und sozialdienstleistende Organisationen enthält, andererseits richtet sich der Swiss Foundation Code mit seinen Empfehlungen spezisch an Förderstiftungen (K. Hofstetter/T. Sprecher 2005: 14). Sowohl strukturell als auch inhaltlich weisen die beiden Codes ähnliche Ansätze wie ihr Gegenstück aus dem Prot-Bereich (Swiss Code) auf. Die beiden nonprot-spezischen Codes haben aber lediglich empfehlenden Charakter. Eine Alternative oder zusätzliche Möglichkeit für NPOs, sich freiwillig einer „Good Governance“ zu verpichten, bieten Qualitätssiegel. Die bekannteste schweizerische Institu-
Professionalisierung durch Selbstevaluation
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tion in diesem Bereich ist die ZEWO, welche bereits seit 1934 Organisationen zertiziert, die gewissenhaft mit den ihnen anvertrauten Geldern umgehen (ZEWO 2006: 1). Dabei stehen vor allem Werte wie Effektivität, Efzienz und Transparenz im Vordergrund (A. von Moos 2004: 59). Ein weiteres Qualitätssiegel stellt das NPO-Label für Management-Excellence dar, welches vom VMI (Verbandsmanagement Institut, Universität Freiburg i. Ü.) in Zusammenarbeit mit der Zerti zierungsstelle SQS entwickelt wurde, um die Implementierung des Freiburger Management Modells für NPO (FMM) als Qualitätsmerkmal der Organisation zu bestätigen (R. Purtschert/G. von Schnurbein 2004: 324). Sowohl in den genannten Codes als auch in den Richtlinien zu den Qualitätssiegeln wird auf die Bewertung und Kontrolle des Vorstands hingewiesen – in manchen mehr, in manchen weniger explizit, wie die folgende Übersicht zeigt: a)
b)
c)
Swiss NPO-Code In Paragraph 15 heißt es in Abschnitt 5: „Das oberste Leitungsorgan evaluiert periodisch die von ihm festgelegten Strukturen und Verfahren, seine Gesamtleistung und die Leistungen der einzelne Mitglieder“ (KPGH 2006: 18 f.). Swiss Foundation Code Im Abschnitt Grundsätze wird auf Folgendes hingewiesen: „(…) die Stiftung gehört nicht Dritteigentümern, sondern gewissermaßen sich selbst. Aus diesem Grund muss sie selbst im Rahmen der Stiftungsurkunde dafür sorgen, dass sie einerseits geführt und andererseits diese Führung kontrolliert wird“ (K. Hofstetter/T. Sprecher 2005: 16). Weiter heißt es in Abschnitt 1.1 bezüglich den Aufgaben des Stiftungsrates: „Der Stiftungsrat überprüft periodisch Politik, Strategie sowie Organisation der Stiftung und überwacht ihre Tätigkeiten. Dazu gehört auch die Beurteilung der Geschäftsführung und des Stiftungsrates selbst“ (K. Hofstetter/T. Sprecher 2005: 20). ZEWO-Gütesiegel In den Standards des ZEWO-Gütesiegels heißt es weniger konkret: „Durch eine angemessene interne Kontrolle ist ein ordnungsgemäßer Ablauf des betrieblichen Geschehens sicherzustellen“ (ZEWO 2006: 4) und weiter in Artikel 11: „Offen zu legen sind insbesondere die Jahresziele mit geeigneten Angaben darüber, wie das Erreichen der qualitativen und quantitativen Ziele gemessen und beurteilt wird (…)“ Wieder spezischer ist das NPO-Label für Management-Excellence. In der Checkliste heißt es in Abschnitt 5.3-0: „Wird jährlich eine systematische, die gesamte NPO umfassende, auf SOLL-/IST-Vergleichen basierende Bewertung (…) durchgeführt und ausgewertet (…)“ (SQS/VMI 2003: 12) und in Abschnitt 5.3-02: „Sind System und Prozess eines internen Audits/Assessments festgelegt, und werden die Audits/Assessments im erforderlichen Umfang geplant und in angemessener Objektivität durchgeführt ?“ (ebenda: 13). Das ZEWO-Gütesiegel, welches – zumindest in Bezug auf die Selbstevaluation – die schwächste Konkretisierung aufweist, hat bisher die höchste Verbreitung bei den Organisationen gefunden.
Obwohl die genannten Hinweise gemacht werden, sind keinerlei Maßnahmen aufgeführt – sei dies in Form einer Selbst- oder einer Fremdevaluation – wie eine solche Bewertung erfolgen könnte. Diese Tatsache könnte zur Überlegung führen, dass viele spezische Tools im
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Angebot sind, um die fehlende Unterstützung der Richtlinien zu kompensieren. Anders aber als in den USA, Kanada oder England scheint es im deutschsprachigen Raum eher schwierig, nonprot-spezische Instrumente zur Selbstevaluation zu nden. 4.2
Forschungsfragen
Ziel der vorliegenden Studie ist es, einen Einblick in die praktische Umsetzung der Selbstevaluation im schweizerischen Nonprot-Sektor zu gewinnen. Da Literatur zum Thema existiert, jedoch kaum empirische Daten aufndbar sind, soll die Untersuchung auf einem deskriptiven Ansatz basieren. Aufgrund der vorhergehenden Erläuterungen werden Forschungsfragen formuliert, welche durch die Studie führen werden. Zu Beginn ist von primärem Interesse, wie verbreitet das Instrument der Selbstevaluation bei Schweizer NPOs ist. Die erste Forschungsfrage lautet deshalb wie folgt: Forschungsfrage 1: Führen Vorstände von Organisationen, welche ein Qualitätslabel besitzen oder bestimmte Governance-Richtlinien befolgen, tatsächlich eine systematische, institutionalisierte Selbstevaluation durch ?
Wie erwähnt wird eine Reektion der eigenen Leistungen von Vorständen zunehmend erwartet und in verschiedenen Governance-Richtlinien aufgeführt. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass die Selbstevaluation bei Organisationen mit Qualitätssiegel oder Code verbreitet ist. Die Suche nach konkreten Hinweisen oder Tools gestaltet sich jedoch als schwierig, sofern man außerhalb des englischsprachigen Raums sucht. Zudem lässt sich vermuten, dass die Bereitschaft zur kritischen Beurteilung der eigenen Leistungen generell eher gering ist, weil sich der Vorstand damit einseitig und ohne formelle Verpichtung einer kritischen Beurteilung stellt, ohne seinerseits die Möglichkeit zu einer Evaluation der Tätigkeit der übrigen Organe zu haben. Bei denjenigen Organisationen, welche diese Praktik anwenden, stellt sich die Frage nach der Form der Implementierung. Um diese zu de nieren kann ein Vorstand verschiedene Kriterien in Betracht zeihen, wie beispielsweise die Erhebungsmethode, Häugkeit, inhaltliche Dimensionen, externe Unterstützung usw. Die entsprechende Forschungsfrage wurde wie folgt deniert: Forschungsfrage 2: In welcher Form wird die Selbstevaluation durchgeführt ?
Basierend auf der im Prot-Bereich durchgeführten Studie von Thomson Financial and Directorship (G. Curtis 2007: 63 f.) kann vermutet werden, dass der Fragebogen die meist verbreitete Erhebungsmethode zur Selbstevaluation ist. Bezüglich der Häugkeit dürfte die jährliche Evaluation am weitesten verbreitet sein (S. L. Schmidt/M. Brauer 2006: 14). Die fehlende Konkretisierung in Richtlinien und das schmale Angebot an Hilfsmitteln lässt erwarten, dass zur Erstellung des Kriterienkatalogs oft auf externe Beratung zurückgegriffen wird. Weiter ist von Interesse, wie die Probanden die Bedeutung des Instruments einschätzen. Wird die Selbstevaluation als sinnvoll und verlässlich erachtet ? Glauben die Vorstände an
Professionalisierung durch Selbstevaluation
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deren Fähigkeit, Verbesserungen herbeizuführen ? Oder wird das Vorgehen womöglich als lästige Pichtübung angesehen ? Dies führt zur nächsten Forschungsfrage: Forschungsfrage 3: Wie wird der Nutzen der Selbstevaluation eingeschätzt ?
In der Literatur wird das Instrument meist als sinnvoll und notwendig beschrieben, vorausgesetzt bestimmte Aspekte werden beachtet und eingehalten. Ob die Beurteilung in der Praxis ähnlich positiv ausfällt, ist schwierig abzuschätzen. Es ist anzunehmen, dass eine bestimmte Anzahl der befragten Organisationen eine Selbstevaluation durchführt und eine bestimmte Anzahl dies nicht tut. Es stellt sich deshalb die Frage, ob es Variablen wie z. B. die Größe der Organisation, das Label oder die Sitzungshäugkeit gibt, welche in einem Zusammenhang mit der Entscheidung für oder gegen eine Selbstevaluation stehen. Aufgrund dieser Überlegungen gelangen wir zur nächsten Forschungsfrage: Forschungsfrage 4: Welche organisations- oder vorstandsbezogenen Variablen stehen in einem Zusammenhang zur Entscheidung für oder gegen eine Selbstevaluation ?
Zu dieser Frage lässt sich die Vermutung anstellen, dass diejenigen Organisationen, welche Richtlinien von Codes bzw. Standards von Qualitätssiegeln mit konkreteren Hinweisen auf eine Selbstevaluation (Swiss NPO-Code, NPO-Label für Management-Excellence) befolgen, diese auch eher durchführen. Weiter ist vorstellbar, dass die Praktik eher bei größeren Organisationen institutionalisiert ist, da mit der Größe auch die bürokratisierende Tendenz zu formalen Managementpraktiken zunimmt (J. Child 1973). Zudem sehen sich größere Organisation auch häuger der Medienberichterstattung ausgesetzt und haben deshalb einen höheren Anreiz, ihre Legitimität über formale Praktiken zu sichern. Wie die Beurteilung des Nutzens ausfällt, steht möglicherweise in einem Zusammenhang mit den Eigenschaften eines Vorstands, beispielsweise der Vorstandsgröße, oder der Art der Implementierung der Selbstbewertung, beispielsweise der Häugkeit oder Dauer der Evaluation. Um dies zu untersuchen, wurde die letzte Forschungsfrage formuliert: Forschungsfrage 5: Welche Variablen bezüglich Vorstand oder Selbstevaluation stehen in einem Zusammenhang mit der Einschätzung des Nutzens einer solchen Evaluation ?
Da in der Literatur argumentiert wird, dass die Selbstevaluation nur bei einer regelmäßigen Durchführung einen Mehrwert schaffen kann (J. Carver 2007: 5; S. Hacker 2003: 82) ist ein positiver Zusammenhang zwischen Häugkeit der Anwendung und der Beurteilung des Nutzens denkbar. 4.3
Methodik und Untersuchungskreis
Zur Durchführung der Studie wurde ein schriftlicher Fragebogen zusammen mit einem Begleitschreiben an 407 NPOs verschickt (Bruttostichprobe). Die ausgewählten Organisa-
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tionen verfügen alle entweder über ein NPO-spezisches Qualitätssiegel oder befolgen explizit einen bestimmten Governance-Code. Die Wahl der Stichprobe liegt darin begründet, dass diese Organisationen anstreben, sich qualitativ hervorzuheben, weshalb bei diesen eine Selbstevaluation am ehesten vermutet werden kann. Die Umfrage wurde jeweils an den Vorstand der Organisation geschickt, meist an den Präsidenten. Die Datenerhebung fand im Mai/Juni 2008 statt. Die Nettostichprobe umfasst 112 auswertbare Fragebögen, was einer Rücklaufquote von 27.5 % entspricht. Überwiegend wurde der Fragebogen vom Präsidenten der NPO ausgefüllt (68.5 %), in einigen Fällen vom Geschäftsführer (25.2 %). Der Fragebogen gliedert sich in fünf Teile. Der erste Teil beschäftigt sich mit generellen Merkmalen der Organisation, der zweite Teil bezieht sich auf bestimmte Governance-Aspekte der NPO, in Teil drei und Teil vier werden formelle und inhaltliche Dimensionen der Selbstevaluation angesprochen und in Teil fünf wird schließlich nach der Nutzenbewertung des Instruments gefragt. Die Teile eins bis vier bestehen überwiegend aus geschlossenen und wenigen offenen Fragen. Im letzten Teil sind die Befragten aufgefordert, Aussagen auf einer 5er Likert-Skala zu beurteilen (1 = nein (stimme nicht zu), 2 = eher nein (stimme eher nicht zu), 3 = teils teils, 4 = eher ja (stimme eher zu), 5 = ja (stimme zu)). 4.4
Deskriptive Befunde
Bevor auf die einzelnen Forschungsfragen eingegangen wird, erfolgen vorab einige Angaben zur Charakterisierung der Nettostichprobe: Von den befragen Organisationen besitzen 93.7 % das ZEWO-Gütesiegel, 9 % können das NPO-Label für Management-Excellence vorweisen und 31.5 % gaben an, die Richtlinien des Swiss-NPO Code zu befolgen (n = 111). Aufaddiert ergibt dies deshalb einen Wert von über 100 %, da sich die Qualitätssiegel und der Code nicht gegenseitig ausschließen. Weiter besteht die Stichprobe zu 76 % aus Organisationen mit der Rechtsform des Vereins und zu 22 % aus Organisationen die als Stiftung konzipiert sind (n = 112). Die Mehrheit dieser Organisationen sind in den Bereichen „Soziale Dienste“ (72.8 %) und/oder „Gesundheitswesen“ (38.1 %) tätig, einige aber auch in den Bereichen „Entwicklungshilfe“ (20.2 %), „Bildung/Forschung/Innovation/Wissenschaft“ (12.3 %), „Internationale Aktivitäten“ (11.2 %), „Sport/Erholung/Freizeit“ (10.1 %) und „Umwelt/Natur (9.0 %) (Mehrfachnennungen möglich, n = 112). Zur Erläuterung einiger Vorstandsmerkmale der teilnehmenden Organisationen wird der Median als statistisches Maß zur Hilfe genommen. Die Wahl des Medians anstelle des Mittelwerts lässt sich mit der relativ großen Bandbreite an Antworten und der daraus resultierenden hohen Standardabweichung begründen. Der Median ist demzufolge hier aussagekräftiger. In Bezug auf die Zusammensetzung des Vorstands lässt sich ein Median von 7 Vorstandsmitgliedern feststellen (n = 107). Weiter weisen die untersuchten NPO einen Median beim Anteil von Akademikern im Vorstand von 50 % und beim Anteil von Frauen im Vorstand von 40 % auf (n = 101). In Betracht der Intensität der Vorstandssitzungen zeigt die Studie einen Median-Wert von 4.5 Sitzungen pro Jahr bezüglich Häugkeit und von 3 Stunden bezüglich Dauer einer Sitzung (n = 111).
Professionalisierung durch Selbstevaluation
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Forschungsfrage 1: Führen Vorstände von Organisationen, welche ein Qualitätslabel besitzen oder bestimmte Governance-Richtlinien befolgen, tatsächlich eine systematische, institutionalisierte Selbstevaluation durch ?
Von den 112 befragten Vorständen unterziehen sich lediglich 27, das entspricht 24.1 %, einer regelmäßigen, systematisierten Selbstevaluation. Diejenigen Probanden, die dies nicht tun, gaben zu 27.3 % an, dass der Vorstand auf eine andere Art und Weise bewertet wird (n = 77). Unter anderem wurde erwähnt, dass eine Art Selbstbeurteilung zwar erfolgt, jedoch in informeller Weise, spontan in Sitzungen oder sonstigen Diskussionen. Als weitere Alternative wurde auch das externe Audit genannt. Dennoch zeigen die Zahlen, dass bei ungefähr der Hälfte der Befragten keinerlei Kontrolle oder Bewertung der Vorstandsarbeit vorgenommen wird. Immerhin 53.2 % derjenigen Organisationen, in welchen die Selbstevaluation des Vorstands momentan noch kein Thema ist, könnten sich die Anwendung dieses Instrument in Zukunft vorstellen, 7.8 % waren sich über diese Frage nicht im Klaren (n = 77). Betrachtet man die Ergebnisse getrennt nach Gütesiegeln, so zeigt sich wie zu erwarten, dass eine Selbstevaluation um so häuger praktiziert wird, je konkreter eine entsprechende Erwartung formuliert ist: Unter den Organisationen mit NPO-Label für Management Excellence führen 70 % eine Selbstevaluation durch, beim Swiss NPO-Code sind es 34 % und bei den übrigen ZEWO-Gütesiegel-Trägern nur 21 %. Unter denjenigen Organisationen, welche derzeit keine Selbstevaluation durchführen, beträgt der Anteil derjenigen, welche für die Zukunft darüber nachdenken, über alle Teilgruppen hinweg rund 50 %. Forschungsfrage 2: In welcher Form wird die Selbstevaluation durchgeführt ?
Da nur wenige der Befragten Vorstände tatsächliche eine systematische Selbstbewertung anwenden, beruhen die Ergebnisse zur konkreten Ausgestaltung und der Nutzenbeurteilung des Instruments lediglich auf den Antworten von 25 Organisationen. Die Aussagekraft der Ergebnisse ist deshalb limitiert. Es deutet sich aber an, dass die Vorstände überwiegend die Gruppendiskussion als Selbstevaluations-Methode bevorzugen. 64 % der Befragten geben an, diesen Ansatz gewählt zu haben, gefolgt vom Einzelinterview (20 %) und dem Fragebogen (12 %). Der geringe Formalisierungsgrad bei der Durchführung von Selbstevaluationen lässt sich auf zweierlei Weise interpretieren: entweder als Anzeichen dafür, dass gegenwärtig noch große Unsicherheit über das Verfahren und seine möglichen Konsequenzen besteht, oder als Indikator für die generell geringere Neigung im deutschsprachigen im Vergleich zum englischsprachigen Raum, mit formalisierten und standardisierten Verfahren in der Evaluation der Managementleistung zu arbeiten. 44 % der Befragten wiederholen dieses Vorgehen alle 7 bis 12 Monate, 40 % alle 13 bis 24 Monate. Keiner der befragten Vorstände verwendet dazu ein standardisiertes Tool. Bei der Erstellung der Bewertungskriterien ist in 74 % der Fälle sowohl der Vorstand als auch die Geschäftsleitung involviert. Bei 22 % wird die Themenliste nur durch den Vorstand zusammengestellt. Zusätzlich gaben 30 % der Befragten an, für diesen Prozess externe Hilfe aufzusuchen. Nur 17 % beziehen die Bewertung zusätzlich zur Evaluation der Vorstandsleistung insgesamt auch auf die einzelnen Vorstandsmitglieder.
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Forschungsfrage 3: Wie wird der Nutzen der Selbstevaluation eingeschätzt ?
Um die Einschätzung des Nutzens zu messen, wurden die Probanden zur Bewertung von Aussagen zu sieben verschiedenen Kriterien gebeten. Als Maßstab diente eine 5er Likert-Skala. Für die Formulierung der Aussagen wurden Vor- und Nachteile sowie notwendige Bedingungen für eine erfolgreiche Selbstevaluation studiert (S. Hacker 2003; R. Blomber/R. Harmon/S. Waldhoff 2004; E. Cruz Sroufe/S. J. Nacy 2005). Nachfolgende Tabelle 2 zeigt die Resultate der Nutzenbewertung. Es werden die Minimal- und Maximalwerte, der Mittelwert und die Standardabweichung zur jeweiligen Aussage aufgeführt. Tabelle 2
Einschätzung des Nutzens der Selbstevaluation Minimum
Maximum
Mittelwert
Standardabweichung
5
4.26
.810
3
5
4.21
.721
24
3
5
4.50
.659
Die Selbstevaluation beeinusst die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit positiv.
23
1
5
3.48
1.410
Die Selbstevaluation beeinusst den Teamgeist im Vorstand positiv.
24
3
5
4.42
.584
Die Selbstevaluation wird ehrlich ausgefüllt.
20
3
5
4.45
.686
Die Selbstevaluation ist ein sinnvolles Instrument.
23
3
5
4.39
.722
Aussagen:
n
Aus der Selbstevaluation werden klare Konsequenzen abgeleitet.
23
3
Die Konsequenzen werden tatsächlich umgesetzt.
24
Die Selbstevaluation beeinusst die Leistung des Vorstands positiv.
Zur dritten Aussage („Die Selbstevaluation beeinusst die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit positiv“) wurde untersucht, ob diejenigen Organisationen, welche gegen außen kommunizieren, dass sich der Vorstand selbst bewertet, den positiven Wahrnehmungseffekt in der Öffentlichkeit höher eingestuft haben als die anderen Probanden. Die Resultate bekräftigen die Vermutung, dass der positive Einuss der Selbstevaluation auf die Wahrnehmung der Organisation in der Öffentlichkeit signikant mehr bejaht wird, wenn die Evaluation auch gegen außen kommuniziert wird (Mittelwerte: 3.00 und 4.86, p(t)<.001, n = 22). Das bedeutet, dass es für eine NPO empfehlenswert ist, interessierte Stakeholder über eine etwaige Selbstevaluation zu informieren. Eine konrmatorische Faktoranalyse zeigt zudem, dass die verwendeten Items zur Beurteilung des Nutzens alle auf denselben Faktor laden (Cronbach’s Alpha: 0.901, erklärte Gesamtvarianz: 66.6 %, siehe Tabelle 3). Die Befragten nehmen die Wirkungen der von ihnen praktizierten Verfahren also gegenwärtig noch kaum differenziert war, was nicht erstaunt, wenn man sich vor Augen führt, mit welch niedrigem Formalisierungs- und Standardisierungsgrad sie durchgeführt werden.
267
Professionalisierung durch Selbstevaluation
Für die weitere Analyse werden die Items deshalb zu einem Faktor namens „Nutzen“ additiv zusammengefasst. Tabelle 3
Faktoranalyse zur Nutzenbeurteilung der Selbstevaluation
Items:
Faktor „Nutzen“
Klare Konsequenzen
.932
Implementierung der Konsequenzen
.724
Einuss auf die Vorstandsleistung
.825
Einuss auf die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit
.794
Einuss auf den Teamgeist
.849
Ehrlichkeit
.749
Selbstevaluation sinnvoll
.822
4.5
Kontext der Selbstevaluation Forschungsfrage 4: Welche organisations- oder vorstandsbezogenen Variablen stehen in einem Zusammenhang zur Entscheidung für oder gegen eine Selbstevaluation ?
Um dieser Frage nachzugehen wurden folgende Variablen untersucht: Größe der Organisation (wurde hier anhand der Anzahl Vollzeitäquivalente gemessen), Anteil Vorstandsmitglieder mit einem akademischen Abschluss, Häugkeit der Vorstandssitzungen und Art des Qualitätssiegels/Codes. Kreuztabellen und Chi-Quadrat-Tests wurden zur Hilfe genommen, um mögliche Zusammenhänge aufzudecken. Die Ergebnisse zeigen, dass weder die Größe der Organisation noch die Anzahl an Akademikern im Vorstand in einem signikanten Zusammen hang mit der Entscheidung für bzw. gegen eine Selbstevaluation stehen. Die Untersuchung zeigt aber eine signikante Beziehung zwischen der Häugkeit der Vorstandssitzungen und der Frage, ob eine Evaluation durchgeführt wird oder nicht (Chi-Quadrat-Wert: 6.81, p(χ)<.001, n = 111). Diejenigen Vorstände, welche sich mehr als viermal pro Jahr treffen, bewerten in signikant mehr Fällen ihre eigenen Leistungen, als solche Vorstände, die sich viermal pro Jahr oder weniger treffen. Weiter fällt auf, dass im Vergleich zum Durchschnitt von den 24.1 % der Vorstände, welche sich selbst evaluieren, der Wert von denjenigen Organisationen mit dem NPO-Label für Management-Excellence mit 7 von 10 NPO ziemlich hoch ist. Dies lässt sich möglicherweise damit erklären, dass das NPO-Label im Vergleich mit dem ZEWO-Gütesiegel den Fokus stärker auf Prozesse legt und konkret auf Evaluationen hinweist. Forschungsfrage 5: Welche Variablen bezüglich dem Vorstand oder der Selbstevaluation stehen in einem Zusammenhang mit der Einschätzung des Nutzens einer solchen Evaluation ?
Für die Untersuchung der Forschungsfrage 5 wurden folgende Variablen in Betracht gezogen: Häugkeit, Dauer und Einführungsdatum der Selbstevaluation, Anteil Vorstandsmitglieder
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mit akademischen Abschluss und Vorstandsgröße. Um zu analysieren, ob diese Variablen in einem Zusammenhang mit einer unterschiedlichen Beurteilung des Nutzens der Selbstevaluation stehen, wurden Mittelwertsvergleiche verwendet. Die Resultate zeigen auf, dass diejenigen Vorstände, welche ihre Leistungen einmal pro Jahr oder häuger evaluieren, den Nutzen signikant höher bewerten als diejenigen, bei welchen eine Wiederholung weniger oft als jährlich stattndet (Mittelwerte: 4.66 und 3.89, p(t)<.001, n = 24). Zudem weisen die Ergebnisse darauf hin, dass Vorstände, welche mehr Zeit in eine Selbstevaluations-„Sitzung“ investieren (in diesem Falle 60 Minuten oder länger), den Nutzen signikant höher einstufen als Vorstände, die weniger Zeit dafür aufwenden (Mittelwerte: 4.57 und 3.90, p(t)<.01, n = 23). Es muss hier darauf hingewiesen werden, dass die Richtung des Einusses der einen Variablen auf die andere nicht deniert werden kann. Das heißt, es ist nur eine Aussage darüber möglich, ob einen Zusammenhang besteht oder nicht. Konkret bedeutet das beispielsweise in Bezug auf die erste Feststellung, dass offen bleibt, ob eine häugere Evaluation zu einer besseren Bewertung führt, oder ob umgekehrt Vorstände, die den Nutzen der Selbstevaluation höher einschätzen, diese auch bereitwilliger durchführen. Die Variable „Anteil Akademiker im Vorstand“ weist keinen signikanten Zusammenhang zur Nutzenbeurteilung auf einem 5%-Niveau auf, jedoch zeigt der Signikanz-Wert von 0.062 eine gewisse Tendenz, dass Vorstände mit einem hohen Anteil an Akademikern (in der Untersuchung wurde einen Schwellenwert von mehr als 60 % verwendet) die Selbstevaluation kritischer beurteilen als die restlichen Befragten (n = 20). Hinsichtlich des Einführungsdatums der Evaluation und der Vorstandsgröße konnte die Studie keine signikanten Beziehungen aufdecken. 5
Fazit
Trotz den steigenden Ansprüchen von Stakeholders und den dadurch angetriebenen Professionalisierungstendenzen in Nonprot-Organisationen zeigt die Studie, dass die Mehrheit der befragten schweizerischen Vorstände von einer Selbstevaluation nicht Gebrauch macht. Diejenigen Vorstände, die ihre eigene Arbeit systematisch bewerten, tun dies meist in Form einer Gruppendiskussion. Es ist nicht klar, ob diese Besonderheit länderbedingt, sektorbedingt oder auf unterschiedliche Stadien der Institutionalisierung zurückzuführen ist. Ein schriftlicher Fragebogen scheint aber ein ziemlich strukturiertes Dokument zu sein, welches eher auf eine institutionalisierte Selbstevaluation hinweist als die Gruppendiskussion. Diese kann eher informell von statten gehen und es ist aus der Befragung nicht ersichtlich, ob jeweils einen Leitfaden für die Diskussion besteht. Das Ergebnis, dass Organisationen welche die Selbstevaluation häuger durchführen diese gleichzeitig auch positiver bewerten, bekräftigt die Vermutung der Autoren und stützt die eingangs erwähnte Aussage, dass die Selbstevaluation einer konstanten Wiederholung bedarf, um einen sinnvollen Effekt zu erzielen (J. Carver 2007: 5; S. Hacker 2003: 82). Die Resultate haben zudem gezeigt, dass keiner der befragten Vorstände Bewertungskriterien von einer bestehenden Quelle eins-zu-eins übernimmt. Das bedeutet, dass die Organisationen die Kriterien zur Evaluation jeweils selbst erarbeitet haben, in einzelnen Fällen auch mit externer Hilfe. Wie gewisse Autoren hervorheben, ist dies – aufgrund der Individualität der
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NPOs – der einzig richtige Weg (E. Honegger 2003; R. Blomberg/R. Harmon/S. Waldhoff 2004; E. Cruz Sroufe/S. J. Nacy 2005). Daraus könnte gefolgert werden, dass das Fehlen von spezischen Tools insofern einen positiven Effekt hat, als dass die Organisationen gefordert sind, die Bewertungskriterien selbst zu erarbeiten und sich deshalb eingehend mit diesem Thema zu beschäftigen. Allerdings kann die fehlende Unterstützung für einen Vorstand auch eine zu große Hürde sein, um überhaupt einen ersten Schritt in Richtung Selbstevaluation zu wagen. Weitet man den Blickwinkel von diesem spezischen Instrument auf generelle Führungsfragen eines NPO-Vorstands aus, so scheint allgemein eine Nachfrage nach mehr Konkretisierung von bestehenden Regelungen in Codes zu bestehen. Einerseits erlaubt eine lose Formulierung zwar eine individuelle Interpretation der Regeln, was die Bereitschaft zur Übernahme eines Gesamtcodes erhöht. Andererseits sind die Organisationen dadurch gezwungen, die Ausgestaltung der Regelungen selbst zu denieren und zu erarbeiten, was zu Unsicherheit und zusätzlichem internen Aufwand führt. Eine Bewegung von der Individualisierung hin zu mehr Standardisierung ist deshalb absehbar und teilweise auch schon im Gange (H. Lichtsteiner 2008: 474). Was sind, nebst ungenügender Konkretisierung von Regelungen und fehlenden Angeboten, weitere mögliche Gründe für die mangelnde Implementierung einer Selbstevaluation? Einige Probanden fügten im Fragebogen Zweifel an dem Instrument als solches an. Der zu hohe Aufwand im Vergleich zum effektiven Ertrag wurde als weiteres Argument genannt. Schließlich fehlt es möglicherweise auch an der Bereitschaft, die eigenen Leistungen kritisch zu begutachten. Die Resultate haben aber gezeigt, dass für immerhin mehr als die Hälfte derjenigen Vorstände, welche sich bis jetzt noch nicht damit auseinandergesetzt haben, die Einführung einer Selbstevaluation in Zukunft vorstellbar ist. Auch die gute Rücklaufquote (27.5 %) deutet auf ein Interesse an diesem Thema hin. Weiter spricht für die Selbstevaluation, dass Probanden, welche Erfahrungen mit dem Instrument haben, dessen Nutzen ziemlich positiv beurteilen. Die Zukunft wird zeigen, inwiefern sich eine weitere Ausarbeitung der Codes/Qualitätssiegel und eine mögliche Erweiterung des Angebots an Tools und Beratungsleistungen positiv auf die Bereitschaft zur Implementierung von Selbstevaluations-Praktiken auswirken. Die vorliegende Studie hat erste Resultate zur Verwendung der Selbstevaluation von schweizerischen NPO-Vorständen aufgezeigt. Dabei wurde nicht nur auf interessante Tendenzen hingewiesen, sondern die Untersuchung brachte auch viele weitere Fragen für zukünftige Forschungsarbeiten hervor. In erster Linie wäre eine tiefere Ergründung der Motive, welche aus Sicht der Organisation gegen eine Selbstevaluation sprechen, von Interesse. Oder anders gefragt interessiert, welche Gründe einen Vorstand dazu veranlassen, sich eines solchen Vorgehens zu unterziehen. Ein weiterer möglicher Aspekt für zukünftige Untersuchungen ist in den konkreten Auswirkungen einer Implementierung des Instruments zu sehen. Schließlich stellt sich weiterhin die Frage, wie Vorstände den Zweck der Selbstevaluation bezüglich Ergebnisorientierung einerseits und Legitimierung andererseits gewichten, z. B. ob „early adopters“ einen anderen Standpunkt vertreten als „late adopters“. Aus einer internationalen Perspektive wäre es nützlich, empirische Studien zu diesem Thema in anderen Ländern voranzutreiben, um mögliche Vergleiche zu ziehen. Eine systematische und wiederholt durchgeführte Selbstevaluation kann als Indikator dafür herangezogen werden, in welche Richtung sich das Professionalitätsverständnis im NPO-Management entwickelt. Dass sie als Instrument, welches in vielen Unternehmen be-
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Vanessa Lutz, Markus Gmür
reits Standard ist, nun auch zunehmend in Nonprot-Organisationen zum Einsatz kommt, betrachten wir als Anzeichen dafür, dass sich auch in diesem Sektor Professionalität an Standards, die von Erfahrungen aus der Privatwirtschaft abgeleitet wurden, orientiert. Mit zunehmender Verbreitung dieser Praxis wird sich herausstellen, welche Konsequenzen sich aus der Anwendung dieses und ähnlich gelagerter Instrumente für das Management in Nonprot-Organisationen ergibt. 6
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Professionalisierung durch Selbstevaluation
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Professionalisierung im Fundraising – Auswirkungen des Ökonomisierungsdrucks und mögliche Auswege Beat Hunziker
Auf dem Spendenmarkt ist ein zunehmender Wettbewerb und Verdrängungskampf um Spendengelder festzustellen. Dieser zunehmende Ökonomisierungsdruck führt folglich zu erhöhten Professionalisierungsanforderungen im Fundraising.1 In diesem Beitrag wird aufgezeigt, weshalb Spendengelder einem zunehmenden Wettbewerb unterliegen, welche Probleme daraus für die Fundraiser resultieren und welche Möglichkeiten ihnen zur Verfügung stehen, um auf diese Probleme zu reagieren. Dabei werden im Rahmen der geforderten Managementprofessionalisierung mögliche Maßnahmen und Management-Instrumente diskutiert. Besonders der „Relationship-Fundraising-Ansatz“ wird als notwendige Ausrichtung im professionellen Fundraising propagiert, um sich den neuen Herausforderungen zu stellen. In diesem Beitrag werden insbesondere Maßnahmen im Zusammenhang mit der Professionalisierung im Fundraising kritisch betrachtet. Dabei werden sowohl Chancen durch den Einsatz ökonomisch orientierter Instrumente wie auch deren Grenzen und Probleme diskutiert. Weiter werden Dilemmata, welche sich bei der Professionalisierung des Fundraising ergeben, aufgezeigt. Es existieren im Fundraising Diskrepanzen zwischen wissenschaftlichem Wissen und ökonomischen Anforderungen und es kommt zu Nebeneffekten der Managementprofessionalisierung, welche dem ursprünglichen Ziel der Efzienz- und Effektivitätssteigerung entgegenwirken. Diese Phänomene werden ausführlich diskutiert und dargestellt. 1
Ökonomisierungsdruck auf dem Spendenmarkt und dessen Auswirkungen
Weder über den Spendenmarkt Schweiz noch über denjenigen von Deutschland existieren exakte Zahlen, was deren Größe anbelangt. Untersuchungen, welche sich auf den Spendenmarkt beziehen, sind meist Befragungen über das Spendenverhalten privater Personen und Haushalte, welche dann hochgerechnet werden.2 Weitere Ansätze zur Erfassung des Volumens des Spendenmarktes können bei den steuerlich geltend gemachten Abzügen für Spenden oder bei den spendensammelnden Organisationen selbst gefunden werden (M. Urselmann 2006: 82 f.), wobei auch diese Ansätze nur Schätzungen und Hochrechnungen zum tatsächli1
2
Der aus den USA stammende Begriff Fundraising (fund raising) bedeutet wörtlich übersetzt Kapitalbeschaffung und kann auch mit Spenden-Marketing gleichgesetzt werden (M. Haibach 2006: 16; R. Purtschert et al. 2005: 31). Es geht somit um die Einwerbung von nanziellen Ressourcen womit das Fundraising dem Beschaffungs-Marketing unterzuordnen ist. In der Schweiz sind dies die „Studie Spendenmarkt“ (R. Wagner/C. Beccarelli 2008), „Der Spendenmonitor“, (GfS-Forschungsinstitut 2008) und der „Freiwilligen-Monitor“ (I. Stadelmann-Steffen et al. 2007). In Deutschland existiert bspw. der „Charity*Scope“ (GfK Panel Services Deutschland 2006).
A. Langer · A. Schröer (Hrsg.), Professionalisierung im Nonprofit Management, DOI 10.1007/978-3-531-92664-3_14, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Beat Hunziker
chen Volumen privater Geldspenden zulassen. Insgesamt wird von einem Umfang der privaten Geldspenden von ca. 1,3 Mia. CHF in der Schweiz (R. Wagner/C. Beccarelli 2008: 4) und von über 3,5 Mia. € in Deutschland (M. Urselmann 2006: 82) ausgegangen. 1.1
Gründe für den zunehmenden Wettbewerb
Auch wenn keine exakten Zahlen über den Umfang des Spendenmarktes existieren, können trotzdem einige Tendenzen festgestellt werden, wie beispielsweise die zunehmende Stagnation des Spendenmarktes (M. Urselmann 2006: 82 ff.; R. Wagner/C. Beccarelli 2008: 16). Im Vergleich zu den Untersuchungen früherer Jahre kann kein Zuwachs beim Anteil der Spendenden mehr festgestellt werden und auch die durchschnittlichen Spenden pro Kopf verzeichnen keinen wesentlichen Anstieg mehr (GfS-Forschungsinstitut 2007: 1 f.; R. Wagner/C. Beccarelli 2008: 4 ff.). Zusammen mit einer mehr oder weniger gleich groß bleibenden Bevölkerung führt dies zu einem zunehmend stagnierenden Markt für private Geldspenden. Dies bezieht sich v. a. auf das Public Fundraising, also private Einzelspenden ohne Grossspenden und Legate (R. Wagner/C. Beccarelli 2008: 16). Nicht betrachtet werden dabei die starken Schwankungen im Spendenmarkt, die durch Katastrophen hervorgerufen werden. Während das Angebot an Spendengeldern mehr oder weniger gleich geblieben ist, hat die Nachfrage nach Spendengeldern in den letzten Jahren stark zugenommen. Dies führt unweigerlich zu einem stärkeren Verdrängungswettbewerb auf dem Spendenmarkt. Gründe für die zunehmende Konkurrenz und die verstärkte Nachfrage nach Spendengeldern gibt es mehrere. Der Hauptgrund ist sicherlich in der steigenden Anzahl an spendensammelnden Organisationen zu sehen. Der wachsende Dritte Sektor3 ist eine weltweit festzustellende Entwicklung (L. M. Salamon 2004: 27 ff.) und auch in Deutschland (A. Zimmer/E. Priller 2007: 54 ff.) und der Schweiz gut zu beobachten. In Deutschland haben sich beispielsweise die eingetragenen Vereine (e. V.) von 1990 bis 2001 ungefähr verdoppelt (M. Urselmann 2006: 80) und auch die Stiftungslandschaft verzeichnet sowohl in Deutschland (T. Ebermann et al. 2006: 7), als auch in der Schweiz (H. Lichtsteiner et al. 2008: 15; R. Purtschert/G. von Schnurbein 2006: 23 ff.) ein beachtliches Wachstum durch Neugründungen. Auch wenn nicht alle neu gegründeten Nonprot-Organisationen (NPO) auf Spenden angewiesen sind, kann anhand dieser Erkenntnisse davon ausgegangen werden, dass auch die Anzahl der spenden nanzierten NPO steigt (L. M. Salamon et al. 2003: 28 ff.). Doch weshalb werden überhaupt neue Organisationen gegründet ? Ein Grund dafür liegt unter anderem in neuen Bedürfnissen, welche durch den gesellschaftlichen, politischen, aber auch Natur bezogenen Wandel zustande kommen. Waren vor 20 bis 30 Jahren die Klimaerwärmung, Kindertagesstätten, Burnout oder Aids noch kaum beachtete Probleme, sind dies heute aktuelle Themen und Probleme, welchen sich NPO annehmen. Ein weiterer Grund für die Zunahme von NPO kann in der Gründung eigener Institutionen als Alternative zur Zuwendung an Bestehende gesehen werden (R. Wagner/C. Becca3
Als Dritter Sektor (third sector) wird der Nonprot-Bereich zwischen dem Staat und den erwerbswirtschaftlichen Unternehmen bezeichnet (P. Schwarz et al. 2009: 20).
Professionalisierung im Fundraising
275
relli 2008: 16 f.). Beispiele dafür sind Unternehmensstiftungen oder private Stiftungen von vermögenden Personen.4 Aber auch Neugründungen von Vereinen und Stiftungen weniger vermögender Privatpersonen, die sich für ein ihnen wichtiges Anliegen einsetzen möchten, gehören in diese Kategorie. Nicht alle diese Neugründungen sind bei der Finanzierung auf zusätzliche Spendengelder angewiesen, führen aber zumindest dazu, dass dieses Kapital nicht an bestehende NPO ießt und potenzielle Spendengelder stattdessen für Neugründungen verwendet werden. Bei der Stifterstudie Schweiz hat etwa die Hälfte der Stifter eine nanzielle Beteiligung Dritter als wichtig erachtet. 40 % der Stifter benötigen oder wünschen eine nanzielle Beteiligung durch Spenden (B. Helmig/B. Hunziker 2007: 43 f.). In Deutschland waren es gar 49 % der Stifter die Spenden zum laufenden Betrieb benötigen (K. Timmer 2005: 93 f.). Auch die zunehmende Internationalisierung und Globalisierung wirkt sich auf den Spendenmarkt aus. So treten international tätige Organisationen in die (attraktiven) Spendenmärkte in Deutschland und der Schweiz ein (J. Krummenacher 2006: 223 f.; M. Urselmann 2006: 81; R. Wagner/C. Beccarelli 2008: 16). Zu denken ist dabei beispielsweise an Organisationen wie Oxfam, World Society for the Protection of Animals, Save the Children, World Vision oder Médecins sans Frontières. Da diese Organisationen meist über große Budgets, bewährte und erprobte Marketingmaßnahmen und -pläne sowie über ein breites Wissen und langjährige Erfahrungen bei der Akquirierung privater Spenden verfügen, können sie in relativ kurzer Zeit ansprechende Marktanteile erkämpfen. Der Staat ist eine wichtige Finanzierungsquelle für NPO (L. M. Salamon et al. 2004: 30.). Dieser sieht sich einem zunehmenden Spardruck ausgesetzt, was dazu führt, dass es zu Einsparungen bei staatlichen Zuwendungen und Subventionen zuhanden der NPO kommt. Diese Einbussen müssen wiederum durch andere Geldquellen – beispielsweise private Spenden – aufgefangen werden. So werden soziale oder kulturelle NPO aber auch Gesundheitsund Bildungsinstitutionen zunehmend dazu angehalten, einen Teil der Finanzierung auf dem Spendenmarkt zu akquirieren (J. Krummenacher 2006: 225; R. Wagner/C. Beccarelli 2008: 16). Auch der Rückzug des Staates führt somit zur Verstärkung des Wettbewerbs um Spendengelder. Weiter kann auch eine zunehmende „Konkurrenz um Emotionen“ von Unternehmen festgestellt werden. So haben Prot-Organisationen (PO) zunehmend die Bedeutung der Sozialen Verantwortung erkannt oder sehen in der Ökologie einen Mehrwert für das eigene Unternehmen (R. Wagner/C. Beccarelli 2008: 17). Diese Entwicklung kann unter dem Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) subsumiert werden. Nebst Eigenengagement kann CSR auch in Form von Kooperationen mit NPO umgesetzt werden (M. Haibach 2006: 198 f.). Darauf wird weiter unten noch eingegangen. Dieser Einbezug von sozialen oder ökologischen Aspekten kann dazu führen, dass sich Kunden beim Kauf kommerzieller Produkte indirekt karitativ betätigen und dieses Engagement als Ersatz von Spenden betrachten können. Wie durch das Spenden, kann man sich beim Erwerb beispielsweise ökologischer Produkte ein „Gutes Gefühl“ kaufen.
4
Berühmte Beispiele sind die Stiftungen von Bill Gates, Thierry Henri, Tiger Woods oder Roger Federer.
276 1.2
Beat Hunziker
Auswirkungen des Verdrängungswettbewerbs auf die Kosten der Spendergewinnung
Die Entwicklung des Angebotes an Spendengeldern hält nicht Schritt mit der Entwicklung der Nachfrage, was unweigerlich zu einem stärker umkämpften Markt und zu einem zunehmenden Verdrängungswettbewerb führt. Der zunehmende Wettbewerb hat zur Folge, dass einzelne Organisationen gezwungen sind, Einbussen bei der Spendengewinnung in Kauf zu nehmen oder mehr Aufwand betreiben müssen, um dieselbe Menge an Spendengeldern zu generieren. Dies führt dazu, dass die Spendengewinnung mit steigenden Kosten verbunden ist, da die Rendite einzelner Akquirierungsaktionen geringer wird. Als illustratives Beispiel für die steigenden, wettbewerbsbedingten Kosten kann das „Direct Mail“5 betrachtet werden, welches nach wie vor das wichtigste Fundraising Instrument für NPO darstellt (R. Purtschert et al. 2007: 127). Rund 80 % aller Spenden werden über Mailings generiert (A. Urban-Engels 2006: 489). Der nanzielle Druck auf Grund des gestiegenen Wettbewerbs führt dazu, dass Jahr für Jahr mehr Spendenbriefe an Millionen von Menschen versandt werden (GfK Panel Services Deutschland 2006).6 Durch diese Mailingut sinken die Responsezahlen und damit auch der „Return on Investment“ (ROI) von Mailingaktionen. Es ist auch von einer Ermüdung in den Reaktionen die Rede (A. Urban-Engels 2006: 489). Bei einer gleich bleibenden Anzahl von Versendungen, sinken somit die Spendeneinnahmen, was die Organisation dazu bewegen kann, mehr Mailingaktionen durchzuführen, um die Einbussen bei den Spendeneinnahmen auszugleichen. Dies führt allerdings wieder zu einer Steigerung der Mailingut und hält diesen „Teufelskreis“ am laufen. Das Problem der abnehmenden Renditen aufgrund des gestiegenen Wettbewerbs betrifft allerdings nicht nur das Direct Mail, sondern auch andere Akquirierungsinstrumente wie Straßenaktionen, Telefonmarketing, Fernsehwerbung usw. 1.3
Professionalitätsanforderung durch den verstärkten Wettbewerb
Wenn man von zunehmender Professionalität im Fundraising spricht, ist es notwendig, sich mit dem Konstrukt der „Professionalität“ kurz auseinanderzusetzen. Der Begriff Professionalität wird sehr oft und unterschiedlich verwendet. Im Alltagsgebrauch beinhaltet die Idee der Professionalität Aussagen wie „die Arbeit gut machen“ „einen guten Job erledigen“ oder „eine kompetente Person für die Aufgabe sein“ (J. Evetts 1999: 122 ff.). Hier wird unter Professionalität ziel- und stakeholderorientiertes, wissensbasiertes Handeln der Fundraiser und Fundraiserinnen verstanden, welches auf den Einsatz von angepassten Instrumenten zurückgreift. Der Begriff Professionalität wurde in der soziologischen Literatur auch immer wieder mit Kompetenz und Vertrauen in Verbindung gebracht (J. Evetts 2006: 527). Dies spielt insbesondere im Dienstleistungsbereich eine Rolle, da dort die Qualität im Vorfeld unsicher 5 6
Direct Mail ist eine Art der Direktwerbung meist in Form von adressierten Werbesendungen per Post (R. Purtschert et al. 2007: 127). Zur Veranschaulichung der Problematik kann ein Fall herangezogen werden, bei welchem eine Person in der Schweiz in einem Jahr 611 Spendenaufrufe erhalten hat, wobei einzelne NPO bis zu 15 Briefen an dieselbe gerichtet haben (M. Diener 2009).
Professionalisierung im Fundraising
277
ist und die Laien den professionellen Anbietern vertrauen müssen. Dienstleistungen sind immateriell und vor Verkauf weder zeig- noch prüfbar (R. Purtschert 2005: 38). Dies trifft auch auf das Fundraising zu, das nach Luthe auch als Dienstleistung betrachtet werden kann (D. Luthe 1997: 217 ff.). Vertrauen spielt denn auch im Fundraising eine wesentliche Rolle (D. Luthe 1997: 291 ff.; R. Wagner/S. Kessler 2004: o. S.), da der Spender7 meist keinen greifbaren Gegenwert für das gespendete Geld erhält und auch selten ein direkter Kontakt zu den Begünstigten besteht. Für die Spender ist es so schwierig abschätzbar, ob das Geld wie vorgesehen verwendet und im Sinne des Spenders eingesetzt wird. Professionalität kann somit helfen, Vertrauen aufzubauen und Unsicherheiten abzubauen. Dies hat sich insbesondere vor dem Hintergrund einzelner aufgedeckter Skandale im Spendenwesen als notwendig erwiesen.8 Wichtige Einussgrössen auf das Vertrauen sind die Zufriedenheit, welche von der wahrgenommenen Qualität und Performance abhängt (A. Sargeant/S. Lee 2002: 779 ff.). Zur Sicherung der Qualität können beispielsweise auch Richtlinien und Codizes zur Standardisierung der Leistungen hinzugezogen werden. Die Professionalität im Fundraising ist zu einer Notwendigkeit geworden, da es sich die NPO nicht leisten können, Qualitätsrisiken in Kauf zu nehmen und damit das Vertrauen der Spender zu verlieren. Es ist auch notwendig, die Effektivität und Efzienz des Fundraising zu steigern, wofür geeignete Fundraising-Strategien und -Maßnahmen erforderlich sind. Ohne wissensbasiertes, spenderorientiertes Management haben die NPO kaum eine Chance, auf dem dynamischen Spendenmarkt zu bestehen und den sich wandelnden Anforderungen der Spender gerecht zu werden. 1.4
Professionalisierung im Fundraising als Folge des Ökonomisierungsdrucks
Der Verdrängungswettbewerb führt dazu, dass an das Fundraising-Management zunehmende Professionalitätsanforderungen gestellt werden. Dies ist denn auch an der fortschreitenden Professionalisierung im Fundraising feststellbar. Unter Professionalisierung wird hier eine Entwicklung von einer Arbeit zu einem Beruf verstanden. Ursprünglich bezieht sich der Begriff der Professionalisierung auch auf die Entwicklung einer privaten oder ehrenamtlichen Tätigkeit zu einem Beruf (einer Profession) (R. Purtschert/G. von Schnurbein et al. 2006: 6). Professionalisierung ist dabei meist auch im Zusammenhang mit der Entstehung von Ausbildungen und Regulierungen für die ausübenden Praktiker verbunden (zu denitorischen Ansätzen der Professionalisierung J. Evetts 1999: 120 ff.). Der Beruf des Fundraiser oder der Fundraiserin – also die Profession – im eigentlichen Sinne hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt. Das Verständnis von Beruf basiert hier auf einem pragmatischen Ansatz, welcher den Beruf durch wissensbasierte Arbeit auf der Grundlage einer beruichen Ausbildung deniert (J. Evetts 1999: 120). Wohl existiert im 7 8
In diesem Beitrag wird bei den geldgebenden Personen nicht zwischen Männern und Frauen unterschieden und deshalb das generische Maskulinum Spender verwendet. Verstärkend kommen die medialen Tendenzen hinzu, welche dazu führen, dass negative Ereignisse schnell einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und deshalb gravierende Auswirkungen für einzelne Organisationen haben können.
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Beat Hunziker
deutschsprachigen Raum noch keine wirkliche Grund-Berufsausbildung zum Fundraiser, doch sind in den letzten Jahren zunehmend Aus- und Weiterbildungsangebote entstanden, welche meist berufsbegleitend angeboten werden. Die Entwicklung des Berufsstandes „Fundraiser“ ist auch in der Entstehung und Entwicklung des entsprechenden Berufsverbandes der Fundraiserinnen und Fundraiser zu beobachten. So sieht sich in der Schweiz die Organisation Swissfundraising als Berufsverband, welcher auch die Aus- und Weiterbildung seiner Mitglieder fördert, deren Interessenvertretung wahrnimmt und sich für die Anerkennung des Berufs „FundraiserIn“ engagiert (www.swissfundraising.org). Auch in Deutschland sind Professionalisierungstendenzen durch die Entwicklung des deutschen Fundraising Verband zu beobachten (M. Haibach 2006: 93 f.; T. Kreuzer 2006: 122 f.). Durch den Verband werden auch verbindliche Richtlinien für die Mitglieder aufgestellt, welche zur Qualitätssicherung und Abgrenzung des Berufsstandes notwendig sind. Es ist somit eine „Entwicklung von Fundraising zu einem selbständigen und professionalisierten Arbeitsgebiet“ (Fundraising Akademie 2006: V) erkennbar. Diese wachsende Professionalisierung ist – auch wenn sie im Vergleich zu den Vereinigten Staaten noch in den Kinderschuhen steckt – in ganz Westeuropa festzustellen (M. Haibach 2006: 90 ff.). In diesem Beitrag werden zwei Aspekte der voranschreitenden Professionalisierung im Fundraising hervorgehoben, welche als Folge des stärkeren Wettbewerbs und den daraus entstandenen Professionalitätsanforderungen entstanden sind. Erstens führt der zunehmende Wettbewerb unweigerlich zu erhöhten Professionalisierungsanstrengungen, welche zur Steigerung von Efzienz und Effektivität führen und notwendig sind, um auf dem Verdrängungsmarkt bestehen zu können. Es handelt sich also um eine Professionalisierung in Form eines dem Sachzweck angepassten „Managerialismus“ (P. Schwarz/H. Lichtsteiner 2008: 18 f.) und somit einer Managementprofessionalisierung (M. Meyer 2008: 9 ff.). Daran geknüpft ist eine Bedürfnisorientierung an den Spendern sowie der (vermehrte) Einsatz geeigneter Instrumente zur konsequenten, abgestimmten und systematischen Marktbearbeitung (R. Purtschert/G. von Schnurbein et al. 2006). Dazu gehört der systematische Einsatz von Fundraising-Instrumenten, wobei mehrheitlich der Einsatz eines Instrumenten-Mixes – also die Kombination mehrerer Instrumente – propagiert wird (K. Fischer/A. Neumann 2003). Zweitens führen die gestiegenen Professionalitätsanforderungen im Fundraising auch zu einer Steigerung des Ausbildungsgrades. Damit nimmt auf der einen Seite die „Akademisierung“ des Berufsbildes zu, auf der anderen Seite steigen aber auch die Löhne und damit die Kosten des Fundraising. Der feststellbare steigende Akademisierungsgrad und die erkennbar steigenden Löhne im Fundraising können somit als Auswirkungen des Verdrängungswettbewerbs und als Indikatoren der zunehmenden Professionalisierung betrachtet werden (R. Purtschert/G. von Schnurbein et al. 2006). Die Auswirkungen des Wettbewerbs auf die Professionalisierung werden in Abbildung 1 zusammenfassend grasch dargestellt.
Professionalisierung im Fundraising
Abbildung 1
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Auswirkung des Wettbewerbdrucks
(Quelle: eigene Darstellung)
2
Auswege aus dem Verdrängungswettkampf durch Management-Professionalität
In diesem Abschnitt werden einige mögliche Auswege aus dem Verdrängungswettbewerb oder Lösungsvorschläge zu dessen Überwindung diskutiert. Dabei wird die ManagementPerspektive eingenommen, was bedeutet, dass Auswege aus Sicht der einzelnen Organisation besprochen werden. Es wird in erster Linie also die Mikrosichtweise und nicht jene des Gesamtmarktes betrachtet. Im Vordergrund steht dabei der Einsatz von ManagementInstrumenten und Marketing-Strategien, welche im Rahmen des professionellen Fundraising in Betracht gezogen werden können. 2.1
Alternative Finanzierungsquellen
Ein erster Ansatz kann darin bestehen, auf neue Spendenquellen oder respektive alternative Finanzierungsquellen auszuweichen. Auch wenn der Markt der privaten Geldspenden stagnierende Tendenzen aufweist, gibt es noch Bereiche, die über ein gewisses Wachstumspotenzial verfügen. So haben sich bei vielen gemeinnützigen Organisationen die Einnahmen aus Legaten und Grabspenden in den vergangenen Jahren positiv entwickelt (R. Purtschert/C. Beccarelli et al. 2006: 3; ZEWO 2006: 8). Aber auch im Bereich der Zusammenarbeit mit Unternehmen sind solche Tendenzen, wie bereits beschrieben, erkennbar. Im Zuge der verstärkt wahrgenommenen sozialen Verantwortung9 der Unternehmen, ist das CSR zu einem zunehmenden Thema geworden. Dabei haben sich im Rahmen des CSR mehrere Formen des Engagements von Wirtschaftunternehmen im Dritten Sektor etabliert (M. Haibach 2006: 198 ff.). Bei der Förderung durch Unternehmen mittels beispielsweise Corporate Giving, Sponsoring, Cause Related Marketing (CRM) (P. S. Ellen et al. 2000: 394; S. Subrahmanyan 2004: 116 f.; D. van den Brink et al. 2006: 15) etc. ist auch noch ein gewisses Potenzial bezüglich des Marktwachstums vorhanden. Bei den alternativen Finanzierungsquellen ist allerdings einschränkend zu bemerken, dass sich nicht alle NPO gleich gut eignen, diese potenziellen Wachstumsmärkte zu erschließen. Bei Legaten und Grabspenden spielt beispielsweise oft ein regionaler oder persönlicher Bezug eine wichtige Rolle, weshalb gewisse Organisationen dafür prädestinierter sind als andere (R. Purtschert/C. Beccarelli et al. 2006: 112). Das Sponsoring ist insbesondere für 9
Ob es sich dabei wirklich um das soziale Engagement und die gesellschaftliche Verantwortung oder eher um einen eigennutzenorientierten Marketingeffekt handelt, sei hier außer Acht gelassen.
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Sport- oder Kulturorganisationen geeignet und entsprechend nur in diesen Bereichen von Bedeutung. Des Weiteren haben viele NPO generelle Vorbehalte gegenüber Geldern von Unternehmen (M. Haibach 2006: 203), sei dies aus Angst vor Imageschäden und Abhängigkeiten, wegen möglichen Zielkonikten oder aus ethischen Bedenken. Auch bei Großspenden von Privatpersonen und Zuwendungen von gemeinnützigen Stiftungen kann noch ein Zuwachs verzeichnet werden und ist noch zusätzliches Wachstumspotenzial vorhanden (R. Wagner/ C. Beccarelli 2008: 16). Allerdings sind diese Finanzierungsquellen schwer planbar, da sie vielfach auch nur zufällig gewonnen werden. 2.2
Neue Fundraising-Kanäle
Eine weitere Möglichkeit, neue Spendengelder zu gewinnen, liegt in der Erschließung neuer Kanäle oder Kommunikationswege. Zu den im Fundraising etablierten Kommunikationswegen gehören auf der Seite der Massenmedien beispielsweise Fernsehen und Druckmedien. Im Bereich der Individual-Kommunikationswege gehören der adressierte Brief und das Telefon zu den bedeutendsten im Fundraising. Bisher weniger Beachtung wurde im Fundraising beispielsweise dem Hörfunk oder dem Internet geschenkt (C. Müllerleile 2006: 459 ff.). Insbesondere in der Online-Kommunikation über das Internet respektive die Website oder die E-Mail ist noch ein zusätzliches Potenzial für das Fundraising vorhanden. Bisher machen Online-Spenden nur einen kleinen Bruchteil der gesamten Spendeneinnahmen aus, wobei eine Zunahme feststellbar ist (M. Haibach 2006: 147). Viest spricht davon, dass bei grossen karitativen Organisationen die unmittelbar über das Internet gewonnenen Spenden bei rund sieben Prozent der gesamten Spendeneinnahmen liegen (O. Viest 2006: 475). Nach Haibach liegen die Online-Spenden gar unter einem Prozent der Spendeneinnahmen insgesamt (M. Haibach 2006: 147). Das Potenzial der Online-Spenden ist sicherlich in der zunehmenden Verbreitung der Technologie bei möglichen Spendern zu sehen. So hat sich auf der einen Seite der Zugang zur Technologie stark verbreitet, andererseits steigt auch die Zahl der Personen, welche diese Medien rege nutzt und mit der Handhabung vertraut ist. Das Potenzial dieser zwei neuen Kanäle im Fundraising ist allerdings eingeschränkt. Bei der Website einer NPO als Fundraising-Kanal handelt es sich um ein so genanntes PullMedium. Das bedeutet, dass der Nutzer von sich aus aktiv werden muss (O. Viest 2006: 476) und sich dieses Medium deshalb nicht eignet, um neue Spenderkreise zu erschließen. Dasselbe Problem stellt sich auch bei der E-Mail, welche grundsätzlich zwar ein Push-Medium darstellt, aber nur mit der Einwilligung der kontaktierten Person versandt werden darf.10 Weiter ist die E-Mail als Werbe- oder Marketingmedium bei den Rezipienten viel unbeliebter ist als das klassische Mailing (Deutsche Post 2008: 73, 265) weshalb deren Verwendung mit Zurückhaltung eingesetzt werden sollte. Die E-Mail und die Website eignen sich folglich nicht besonders für die Neuspenderakquirierungen. Nichts desto trotz ist die Online-Kommunikation für NPO von großer Bedeutung, insbesondere bei der Informationsphase und der Entscheidungsphase des Spendenprozesses aber auch bei der Transaktion selbst und der Bindung der Spender (M. Haibach 10
Das so genannte „Opt-In-Prinzip“ gilt in der Schweiz und in Deutschland (Deutsche Post 2008: 77, 269).
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281
2006: 147). Die Online-Kommunikation ist besonders für die Spenderbetreuung, -entwicklung und -bindung und deshalb für das Relationship Fundraising von Relevanz (siehe dazu den Abschnitt Relationship Fundraising). Website und E-Mail sollten somit in erster Linie als ergänzende Maßnahmen in einem Mix von Fundraising-Instrumenten zur Spenderbetreuung eingesetzt werden und nicht zur Akquirierung neuer Spender (M. Haibach 2006: 147). 2.3
Einsatz von Marketing-Techniken
Ein anderer Weg um mehr Spendengelder zu akquirieren, liegt im vermehrten Einsatz ausgeklügelter und innovativer Marketing-Techniken. Mittels Wettbewerbsvorsprung gegenüber der Konkurrenz, können so von den Mitbewerbern Marktanteile gewonnen werden. Vorstellbar sind dabei innovative Marketing-Instrumente, neue Praktiken und verlockende Angebote, beispielsweise durch das Beilegen von Produkten/“Geschenken“, durch die spezielle Ausgestaltung der Mailings usw. Potenzial besteht nicht nur bei einzelnen Fundraising-Instrumenten, sondern auch in der konsequenten, abgestimmten und systematischen Marktbearbeitung durch einen auf die Zielgruppe maßgeschneiderten Instrumenten-Mix. Diese wird auch als Multichannel-Fundraising bezeichnet (R. Wagner/C. Beccarelli 2008: 18). Für diesen Zuwachs am Marktanteil ist allerdings ein enormer Mitteleinsatz erforderlich. Mit relativ vielen Marketingmitteln können somit nur kleine Marktanteile gewonnen werden. Im Hinblick auf den Spendenmarkt ist allerdings anzumerken, dass Fundraiser mit einem Wettbewerbsvorsprung in Sachen Fundraising-Techniken zwar Marktanteile von Konkurrenten erkämpfen können, der Spendenmarkt insgesamt dadurch allerdings kaum größer wird. Da diese Möglichkeit allen NPO zur Verfügung steht, kann es zur Folge haben, dass alle verstärkt innovative Marketing-Techniken einsetzen. Das führt letztendlich zu einer Verteuerung der Spendengewinnung, nicht aber zu mehr Spendeneinnahmen insgesamt. Der vermehrte Einsatz von Marketing-Instrumenten führt somit ebenfalls zu steigenden Kosten des Fundraising. Die steigenden Spendenkosten stellen eine der größten Herausforderung im Fundraising dar (W. E. Lindahl/A. T. Conley 2002: 102; A. Sargeant/J. Kähler 1999: 5 f.). Dies u. a. auch deshalb, weil sie den Spendern nur schwer zu kommunizieren sind, insbesondere weil Spender, was die (Verwaltungs-) Kosten anbelangt, zunehmend sensibilisiert sind. Dies wird durch die Tatsache erschwert, dass viele Stakeholder – in diesem Fall Spender – den Einsatz von Marketing generell als unerwünscht, zu teuer oder Geldverschwendung betrachten (B. Helmig et al. 2004: 108). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die zunehmende Nachfrage nach Spendengeldern eine Wettbewerbsverschärfung zur Folge hatte, was wiederum zu einer verstärkten Professionalisierung geführt hat. Dies hat einerseits zu einem optimierten Einsatz von Marketing-Techniken geführt, erhöht aber andererseits den Druck auf die Organisationen noch zusätzlich und lässt die Kosten für das Fundraising weiter steigen (R. Wagner/C. Beccarelli 2008: 16). Professionelles Fundraising und der damit verbundene Einsatz von Marketingund Managementwissen kann als Notwendigkeit für die einzelne NPO betrachtet werden, die allerdings nicht zu einer besseren Lösung für den Gesamtmarkt – im Hinblick auf den Verdrängungswettbewerb – beiträgt.
282 2.4
Beat Hunziker
Relationship Fundraising als Ausweg aus dem Verdrängungswettbewerb
Der verstärkte Wettbewerb um Spendengelder führt dazu, dass das Einwerben von Spendengeldern zunehmend erschwert wird. Dadurch steigen im immer kompetitiveren Spendenmarkt auch die Kosten der Neuspendergewinnung (M. Urselmann 2007: 33 f.). So verursacht die Neuspendergewinnung mittels kalten Adressen11 in der Regel gar mehr Kosten als damit Spenden generiert werden können (M. Haibach 2006: 44; R. Purtschert et al. 2007: 127; A. Sargeant/E. Jay 2004: 3; M. Urselmann 2007: 64). Die Akquirierung von Erstspendern mittels Fremdadressen lohnt sich also erst durch die Folgespenden über die Zeit (M. Haibach 2006: 44; M. Urselmann 2007: 64). Typischerweise dauert es etwa 18 Monate, bis die Kosten der Spendergewinnung durch die neu gewonnenen Spender gedeckt sind (A. Sargeant/E. Jay 2004: 3). Trotzdem geben einige Fundraiser mehr Geld für die Gewinnung neuer Spender aus, als für die Betreuung der Bestehenden, obwohl allgemein bekannt ist, dass es einfacher und kostengünstiger ist, Gelder von bestehenden Spendern zu generieren (K. Burnett 2002: 40 ff.). Die Spendergewinnung ist etwa fünfmal so kostspielig wie die Reaktivierung von ehemaligen Spendern und vier- bis zehnmal so teuer wie die Spenderpege und -entwicklung (K. Burnett 2002: 157; H.-J. Hönig/L. Schulz 2006: 285; A. Sargeant/E. Jay 2004: 3). Durch die gestiegenen Kosten der Spenderrekrutierung sollte die Spenderloyalität verstärkt ins Zentrum des Interesses gerückt werden und damit auch der Relationship-Ansatz. So wurde, in Anlehnung an das Relationship Marketing, Anfang der 1990er Jahre die Idee des beziehungsorientierten Marketing im Fundraising aufgegriffen und der Begriff des Relationship Fundraising eingeführt. Beim Relationship Fundraising stehen die Bedürfnisse der Spender im Mittelpunkt und es wird eine individualisierte, langfristige Betrachtung der Beziehung zum Spender empfohlen. Der Ansatz rückt die einzigartige und spezielle Beziehung zwischen einer NPO und jedem einzelnen Unterstützer ins Zentrum. Der entscheidende Aspekt liegt dabei in der Pege und Entwicklung der Verbindung und der Vermeidung sämtlicher Aktivitäten, die diese Beziehung gefährden oder zerstören könnten (K. Burnett 2002: 38). Beim Relationship Fundraising handelt es sich um eine notwendige Ausrichtung auf die beständige Leistungserstellung und die dazu notwendige Ressourcensicherheit und um den Ausbau und die Optimierung des Potenzials der Ressourcengeber (D. Luthe 1997: 321; M. Urselmann 2007: 32 ff.). Das Relationship Fundraising ist eine komplette Philosophie, bei welcher die Bildung lebenslanger Beziehungen im Zentrum steht, Beziehungen welche für beide Parteien von Vorteil sind (K. Burnett 2002: 40). Die Betrachtung von Fundraising im Zusammenhang mit dem Relationship Marketing beinhaltet nicht nur rationale Kosten-NutzenAbwägungen, sondern auch Beziehungsaspekte wie beispielsweise die zwei Schlüsselgrößen Vertrauen und Engagement (C. Grönroos 1994: 9; D. Luthe 1997: 316; R. M. Morgan/S. D. Hunt 1994: 20 ff.). Das Vertrauen in eine NPO kann auch als Basis oder Voraussetzung für die Spendenbereitschaft betrachtet werden (S. Furtner 2003: 147 f.; D. Luthe 1997: 291 ff.). Hierfür kann – wie oben betrachtet – die Professionalität im Sinne eines kompetenten Auftritts und der Qualitätssicherung durch Standards und Richtlinien eine entscheidende Rolle spielen.
11
Kalte Adressen, auch Fremdadressen genannt, sind solche zu welchen noch keinerlei Kontakt bestanden hat (M. Haibach 2006: 245).
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Professionalisierung im Fundraising
Dem Relationship-Ansatz im Fundraising liegt analog zum Prot-Bereich die Idee des Kunden- respektive Spender-Lebenszyklus zugrunde, welche auch als Live-Time-Value (LTV) oder Customer Lifetime Value bezeichnet werden kann (H.-J. Hönig/L. Schulz 2006: 298 f.; A. Sargeant 2001: 26 ff.; A. Sargeant/E. Jay 2004: 44). Dabei werden die zukünftigen Spenden über die erwartete Spender-Lebensdauer in abdiskontierter Form addiert. Dies führt zu einem Gesamtwert eines Spenders und erlaubt es, eine entsprechende individuelle Ansprache und Betreuung vorzunehmen, mit welcher über die gesamte Lebensdauer ein ansprechender ROI generiert werden kann (B. Crole 2006: 614 f.; A. Sargeant 2001: 26 ff.). Wie erfolgreich man auch immer beim Ausweiten des Spender-Lebenslaufs (donor life cycle) ist, irgendeinmal werden die Spender die Organisation verlassen. Die Zeit zwischen Erstspende und Verlassen wird als „lifetime“ der Spender betrachtet, die je nach Organisation viele Jahre oder aber nur einige Monate betragen kann (K. Burnett 2002: 155 ff.). Der Relationship Ansatz unterscheidet sich vom klassischen Transaktions-Ansatz in vielerlei Hinsicht und wird teilweise auch als Paradigmenwechsel im Marketing bezeichnet (E. Gummesson 1997: 333 ff.). Beim Transaktionsmarketing steht der Absatz einzelner Produkte im Vordergrund, wobei das davor und danach des Kaufs nicht berücksichtigt werden (E. Gummesson 1997: 30 f.). Einige wesentliche Unterschiede zwischen dem Transaktionsund dem Relationship-Ansatz im Fundraising werden in Tabelle 1 aufgelistet. Weitere Auflistungen von Unterschieden zwischen dem Relationship- und dem Transaktionsansatz (im Prot-Bereich) geben Bruhn und Grönroos (M. Bruhn 2001: 12; C. Grönroos 1994: 11). Tabelle 1
Unterschiede zwischen dem Transaktions- und dem Relationship-Ansatz im Fundraising Transaktions-Ansatz
Relationship-Ansatz
Zeitperspektive
Kurzfristig
Langfristig
Fundraisingziel
Spendengewinnung
Spendergewinnung Spenderbindung Spenderentwicklung Spenderrückgewinnung
Ökonomische Erfolgsgrößen
Umsatz, Kosten, Gewinn von Fundraisingaktionen
Wert eines Spenders über die Lebensdauer (LTV)
Fundraisingobjekt
Einzelspenden
Spenderbeziehung
Qualitätsdimension
Dienstleistungsqualität
Beziehungsqualität
(Quelle: eigene Darstellung)
Bei den beiden Ansätzen handelt es sich um zwei gegenüberliegende Konzepte auf einem Kontinuum, wobei die ideale Strategie je nach Objekt auf diesem Kontinuum gewählt werden sollte (C. Grönroos 1994: 10 ff.; E. Gummesson 1997: 31; D. Luthe 1997: 272 ff.). Für das Fundraising wird sich meist der Relationship-Ansatz lohnen, mit Ausnahme von Spezialfällen wie den Spendenaufrufen für die Katastrophenhilfe.
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Nebst den hohen Kosten der Spenderrekrutierung sprechen auch die hohen Abwanderungsraten, für den Relationship-Ansatz. So verlieren die meisten NPO einen Grossteil ihrer Spender zwischen der ersten und zweiten Spende. Nur gerade rund die Hälfte der Spender, welche eine Organisation neu gewinnt, tätigt eine zweite Spende (K. Burnett 2002: 156; A. Sargeant/E. Jay 2004: 2). Aus diesem Grund wird auch vorgeschlagen, dass man zwischen einmaligen Geldgebern und „richtigen“ Spendern unterscheidet (K. Burnett 2002: 156). Von den verbleibenden Spendern wandern weiter rund 30 % jährlich ab. Die Abwanderungsrate variiert dabei allerdings je nach Organisation und verwendetem Fundraising-Instrument (A. Sargeant/E. Jay 2004: 2). Dass der Relationship-Ansatz im Fundraising dem Transaktions-Ansatz vorzuziehen ist, darüber herrscht weitgehend Einigkeit. Ausgenommen davon sind die Katastrophenspenden der Not- und Soforthilfe welche naturgemäss Einzelspenden sind und welche hier nicht betrachtet werden. Bei der Umsetzung des Relationship-Ansatzes im Fundraising entstehen allerdings einige Probleme. So steckt hinter der Idee des LTV eines Spenders eine spenderspezische Ansprache. Diese individuelle Ansprache ist aber aus Kostengründen nicht möglich, worauf im folgenden Kapitel noch genauer eingegangen wird. Ein weiteres Problem bei der Spender-Segmentierung liegt im fehlenden Wissen über die Spender und ihre Bedürfnisse. Dies liegt einerseits daran, dass NPO in der Regel nur über wenige Spenderdaten verfügen (D. M. Van Slyke/A. C. Brooks 2005: 204 f.) und andererseits meist nicht die (nanziellen) Möglichkeiten haben, selbst (Markt-) Forschung zu betreiben (A. Sargeant/L. Woodliffe 2007: 299). Besonders gravierend ist fehlendes Wissen über die Spender beim Relationship Fundraising, wenn es darum geht Beziehungen aufzubauen und Abwanderung zu verhindern. Kennt man die Bedürfnisse der Spender nicht, ist es nicht möglich auf diese einzugehen. Kennt man die Abwanderungsgründe nicht, kann weitere Abwanderung nur schwer verhindert werden. 3
Dilemmata im Zusammenhang mit der Professionalisierung im Fundraising
Wie bereits erwähnt, führen die veränderten Bedingungen im Fundraising zu zunehmenden Professionalitätsanforderungen. Die daraus folgende Professionalisierung durch Aus- und Weiterbildung der Fundraiser führt zu einem verstärkten Einsatz von Management- und Marketingwissen. Dabei zeigt sich allerdings in einigen Bereichen, dass die Professionalisierung mit der Zielsetzung von Efzienz- und Effektivitätssteigerung auch mit Nebeneffekten verbunden ist, welche dieser Zielsetzung entgegenlaufen. Es kommt somit zu Gegensätzen zwischen dem wissenschaftlichen Wissen und den ökonomischen Anforderungen oder zu Dilemmata der Fundraisingprofessionalisierung. Auf einige Problemfelder wird hier nochmals eingegangen, wobei die Widersprüche und Schwierigkeiten aufgezeigt und diskutiert werden. Die diskutierten Dilemmata werden in Tabelle 2 zur Übersicht aufgelistet.
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Professionalisierung im Fundraising
Tabelle 2
Dilemmata im Fundraising
Professionalitätsanforderung im Fundraising
Probleme der Umsetzung
Professionelle Fundraiser
Verständnis der Spender für hohe Löhne: „Verschwendung“, Entzug von Mitteln für den Zweck
Spenderbindung
Wunsch nach Freiheit von Spendern
Auf Spender zugeschnittene Kommunikation
Kosten/Nutzen von Segmentierung
Bedürfnisorientierung
Fehlendes Wissen über die Bedürfnisse der Spender
Einsatz von Marketing-Instrumenten (Bsp.: MultiChannel-Fundraising)
Akzeptanz von Marketing-Instrumenten/zunehmende Sensibilisierung bei den Spendern
Schaffen von Vertrauen und Glaubwürdigkeit durch Transparenz, Offenheit und Information
Akzeptanz und Verständnis der Spender für die Fundraisingkosten
(Quelle: eigene Darstellung)
3.1
Dilemma: Professionelle Fundraiser
Heutzutage kann Fundraising kaum mehr allein von Freiwilligen oder Ehrenamtlichen durchgeführt werden.12 So müssen die Fundraising-Aktionen einen gewissen Qualitätsstandard aufweisen und auf die Strategie und die damit verbundene Zielgruppe der NPO abgestimmt werden. Außerdem reicht es nicht mehr, einzelne Aktionen allein stehend zu betrachten (K. Fischer/A. Neumann 2003: 557 ff.). Soll das Fundraising erfolgreich sein, müssen die einzelnen Aktionen aufeinander abgestimmt sein und als Gesamtkonzept systematisch eingeplant werden. Fundraiser benötigen das notwendige Fachwissen und die entsprechenden Kompetenzen, um efzient und effektiv Spendengelder eintreiben zu können. Die Anforderungen sind sehr weit reichend und umfassen ein breites Spektrum (T. Kreuzer 2006: 123). Sie gehen von Kenntnissen von Media- und Werbetechniken (bspw. Ausgestaltung eines Mailings), über Kenntnisse der Fundraising-Technologie (bspw. Benutzung einer Datenbank, Adressverwaltung, usw.) bis zur Fähigkeit der Formulierung einer Fundraising-Strategie (M. Haibach 2006: 104 ff.). Um den Anforderungen gerecht zu werden, müssen ausgebildete und erfahrene Spezialisten eingestellt oder hinzugezogen werden oder die bestehenden Mitarbeiter entsprechend ausgebildet werden. Nebst den Kosten der Ausbildung steigen damit zudem auch die Lohnanforderungen der Fundraiser. Im Nonprot-Sektor ist eine deutlich positive Gehaltsentwicklung auf allen Management-Ebenen festzustellen (M. Gmür 2009: 52; R. Purtschert/G. von Schnurbein et al. 2006: 6 ff.; Verbandsmanagement Institut 2006: 78 f.). Die höheren Löhne und Ausbildungskosten bergen jedoch die Gefahr eines Imageverlustes in sich, da sie kaum vermittelt werden können, weil sie von den Spendern als Verschwendung von Spendengeldern angesehen werden könnten. Meyer sieht gar eine Gefahr der Büro12
Abgesehen von einigen Ausnahmen wie bspw. kleinen NPO, welche hauptsächlich über persönliche Beziehungen Spenden generieren. Kreuzer spricht beim Fundraising von einer Unterscheidung zwischen „Laienarbeit“ für Freiwillige und professioneller Arbeit, (T. Kreuzer 2006: 125)
286
Beat Hunziker
kratisierung durch die Zusatzkosten beim administrativen Personal, welche auf Grund der Managementprofessionalisierung entstehen (M. Meyer 2008: 9). Außerdem könnte eine Öffentlichmachung zu negativer Publicity führen, da das Verständnis für marktgerecht bezahlte Fundraiser bei den Spendern fehlt. 3.2
Dilemma: Spenderbindung
Wie im Abschnitt Relationship Fundraising dargestellt wurde, sollte die Spenderbindung eine zentrale Zielsetzung im Fundraising sein. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob die Spender überhaupt bereit sind, sich binden zu lassen. Am Relationship-Ansatz wird häug kritisiert, dass Spender keine Beziehung wünschen (A. Sargeant/E. Jay 2004: 46). Spender schätzen oft ihre Freiheit, jeweils das unterstützen zu können, was sie möchten und betrachten eine Bindung teilweise eher als negativen Einuss. Verwendet man das komplexe Konstrukt „Commitment“ zur Erklärung der Bindung, ist zwischen der affektiven und der fortdauernden Komponente des Commitment zu unterscheiden (G. Fullerton 2003: 334 ff.). Unter dem fortdauernden (continuance) Commitment kann das „sich gebunden fühlen“ verstanden werden. Diese gefühlte Abhängigkeit kann beispielsweise aufgrund von Wechselkosten oder fehlenden Alternativen entstehen (G. Fullerton 2003: 335). Im Fundraising könnte darunter eine vertragliche Bindung durch Lastschriftenverfahren oder Direct Debit gesehen werden. In der Schweiz sind allerdings nur wenige Spender bereit, eine solche Verbindung einzugehen. Es ist zwar eine Zunahme dieser Zahlungsformen – insbesondere bei jüngeren Spendern – feststellbar, der Anteil beträgt aber nach wie vor nur 12 % der Spenden (R. Wagner/C. Beccarelli 2008: 10). Da zudem auch genügend Alternativen existieren, kann im Fundraising oft kaum ein fortdauerndes Commitment aufgebaut werden. Deshalb sollte zumindest versucht werden, eine emotionale Bindung im Sinne des affektiven Commitment aufzubauen. Affektives Commitment basiert auf Identikation, gemeinsamen Werten, Ähnlichkeit oder Zugehörigkeit (G. Fullerton 2003: 334). Das Aufbauen von emotionaler Bindung ist allerdings nicht unproblematisch, da die Spender bereits mit Werbebotschaften und emotionalen Reizen überhäuft werden und dementsprechend sensibilisiert sind. Solche Bindungsmaßnahmen können somit dazu führen, dass sie den gegenteiligen Effekt haben: Wenn sich die Spender bedrängt oder genötigt fühlen oder zu viel Information erhalten, kann dies von den Spendern als Verschwendung von Spendengeldern betrachtet werden und zu Unzufriedenheit oder gar Abwanderung führen. 3.3
Dilemma: Spendersegmentierung
Die zielgruppengerechte Ansprache der Spender kann für ein zielgerichtetes, langfristiges Fundraising und den Aufbau von Beziehungen als Voraussetzung betrachtet werden. So steckt hinter dem Relationship-Ansatz die Idee der spenderspezischen Kommunikation. Eine echte eins zu eins Ansprache wird allerdings bei den meisten Spendern aus Kostengründen unpraktikabel sein. Die Segmentierung der Spender ist folglich unter Kosten-Nutzen-Abwägungen vorzunehmen. Dabei sollte einerseits die Zielsetzung verfolgt werden, genügend Segmente
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zu bestimmen um auf die Bedürfnisse der meisten Spender einzugehen und andererseits die Anzahl der Segmente so gering zu halten, dass sie rentabel und handhabbar sind (A. Sargeant/ E. Jay 2004: 182). 3.4
Dilemma: Bedürfnisorientierung
Professionelles Fundraising beinhaltet eine Bedürfnisorientierung an den Spendern. Um aber auf die Bedürfnisse der einzelnen Spender eingehen zu können – sei dies im Hinblick auf den Inhalt der Kommunikation, die Art des Kontaktes oder deren Häugkeit – müssen die Wünsche oder Interessen der Spender der Organisation bekannt sein. Die meisten Organisationen verfügen aber nur über sehr wenige benutzerspezische Informationen. So wurde beispielsweise beobachtet, dass die meisten Organisationen nicht über genügend gute Daten verfügen, um eine effektive Spendersegmentierung vorzunehmen, was von den NPO vielfach damit begründet wird, dass die Datensammlung und -auf bereitung zu zeit- und kostenintensiv ist (D. M. Van Slyke/A. C. Brooks 2005: 204 f.). Meist haben sie auch nicht die (nanziellen) Möglichkeiten selbst Forschung zu betreiben (A. Sargeant/L. Woodliffe 2007: 299). Wenn die NPO jedoch über die entsprechenden Mittel verfügen, stehen sie vor dem Dilemma, dass sie diese nicht für eigene Forschung einsetzen wollen oder können und vor der Verwendung von Spendengeldern für die Marktforschung zurückschrecken. Denn einerseits ist den Spendern nur schwer vermittelbar, dass Spendengelder für (Markt-) Forschung verwendet werden und auf der anderen Seite besteht die Gefahr eines Imageschadens durch das Aufdecken solcher Mittelverwendungen. Trotzdem sollten NPO wenigstens diejenigen Spenderdaten, welche ihnen zur Verfügung stehen oder einfach von ihnen gesammelt werden können, zur Segmentierung und damit bedürfnisorientierten Ansprache verwendet werden. Dazu benötigen sie den Anforderungen entsprechende Datenbanken und ein entsprechendes Datenmanagement (R. Detering 2006: 127 f.). Dies ist im Fundraising noch nicht selbstverständlich, wird aber zunehmend zum Standard. Hönig und Schulz bezeichnen die zentrale Datenbank als Herzstück des analytischen Beziehungsmanagement und sprechen davon, dass NPO erst nach und nach mit der Nutzung der gesammelten und archivierten Daten beginnen (H.-J. Hönig/L. Schulz 2006: 298 ff.). 3.5
Dilemma: Einsatz von Marketing-Instrumenten
An die Zielgruppen- und Bedürfnisorientierung gekoppelt ist auch der Einsatz geeigneter Marketing-Instrumente. Auch hier sehen sich NPO aber wieder vor dem Problem fehlender Informationen über die Eignung oder die Efzienz zielgruppenspezischer Marketing-Instrumente. Darüber hinaus sollten die einzelnen Werkzeuge nur gezielt und auf die Gesamtstrategie abgestimmt eingesetzt werden. Hierbei kann auch, in Anlehnung an den Marketing-Mix, vom „Fundraising-Mix“ gesprochen werden (R. Purtschert 2005: 360). Spender haben eine zunehmende Abneigung gegen den vermehrten Einsatz von Marketing-Instrumenten und -Techniken entwickelt oder sind zunehmend resistent gegenüber diesen Marketingaktivitäten geworden (K. Burnett 2002: 37). Es entsteht somit mehr Widerstand von den Spendern.
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Marketing wird darüber hinaus oft mit negativen Assoziationen in Verbindung gebracht und als Manipulation der Spender betrachtet. Von einer all zu starken Marktbearbeitung ist auf Grund der fortgeschrittenen Sensibilisierung der (potenziellen) Spender zu verzichten. NPO sehen sich somit vor das Problem gestellt, die richtige Dosierung der Marketingbemühungen vorzunehmen und die Instrumente richtig abgestimmt (das richtige Instrument zur richtigen Zeit am richtigen Ort) einzusetzen (R. Purtschert 2005: 360). 3.6
Dilemma: Vertrauen
Eine weitere wichtige Herausforderung ist in der Schlüsselgröße Vertrauen zu sehen. Das Vertrauen entsteht durch die Zuverlässigkeit, Integrität und Glaubwürdigkeit des Partners und kann auch als Glaube an die Zuverlässigkeit des Partners und die Wahrnehmung und Erfüllung seiner Verpichtungen in der Beziehung betrachtet werden (M. A. Hocutt 1998: 192; R. M. Morgan/S. D. Hunt 1994: 23). Vertrauen ist letztendlich eine unabdingbare Voraussetzung für das Fundraising. Dabei kann dieses mehr oder weniger stark ausgeprägt sein. Als Indizien für die Vertrauenswürdigkeit einer NPO können zum Beispiel regelmäßige Information, transparente Jahresberichte, Einschätzungen von Mitarbeitern und Nutzern oder Berichterstattungen in den Medien betrachtet werden. Vertrauen ist insbesondere deshalb notwendig, da eine Kontrolle (über die Verwendung der Spendengelder durch die NPO) nicht möglich ist (D. Luthe 1997: 291 ff.). Wenn transparente Kommunikation als wesentliches Element zur Vertrauensbildung verwendet wird, ist einschränkend zu erwähnen, dass nicht immer offene Kommunikation möglich ist, da das Verständnis der Spender nicht immer gegeben ist. So dürften marktadäquate Löhne für Führungspersonen bei vielen (Klein-) Spendern auf Unverständnis stoßen, da diese mit Spendengeldern nanziert werden. Auch die Kosten von Fundraisingaktionen dürften schwer zu Kommunizieren sein, da beispielsweise die Gewinnung von Neuspendern meist dezitär ist und erst durch Folgespenden einen Beitrag für die NPO abwirft (M. Haibach 2006: 44; A. Sargeant/E. Jay 2004: 3; M. Urselmann 2007: 64). Ob Leute, die auf der Straße oder per Mailing angefragt werden, bereit sind eine Spende zu tätigen, wenn sie sich bewusst sind, dass diese nur für die Deckung der Fundraisingkosten verwendet wird, ist äußerst fragwürdig. Eine offene und ehrliche Kommunikation ist außerordentlich wichtig, aber nicht immer durchführbar, da in gewissen Bereichen das Verständnis der Spender fehlt. 4
Schlussfolgerungen
Der Ökonomisierungsdruck durch den verstärkten Wettbewerb auf dem Spendenmarkt hat das Fundraising vor viele neue Herausforderungen gestellt. Insbesondere Professionalitätsanforderungen an die Fundraiser haben in den letzten Jahren stark zugenommen und haben zu einer Professionalisierung im Fundraising geführt. Die zunehmende Professionalisierung ist denn auch insbesondere in der Entstehung von Aus- und Weiterbildungsangeboten, wie auch am Wachstum der Berufsverbände der Fundraiser erkennbar (M. Haibach 2006: 93 ff.; T. Kreuzer 2006: 122 ff.). So hat sich im deutschsprachigen Raum das Berufsbild des Fundraiser zu einem
Professionalisierung im Fundraising
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eigentlichen Berufsstand entwickelt und ist weiter daran sich zu formieren. Grund dafür ist der Umstand, dass „eine Investition in eine umfassende Qualizierung von Mitarbeitenden im Fundraising für den Gesamterfolg der Organisation unabdingbar“ (T. Kreuzer 2006: 124) geworden ist. Diese Entwicklung stellt das Fundraising-Management aber vor viele Probleme, welche nicht einfach durch die Übernahme betriebswirtschaftlicher Kenntnisse und Instrumente aus dem Prot-Bereich gelöst werden können, sondern eine Anpassung derjenigen an die Besonderheiten des Fundraising bedürfen (P. Schwarz/H. Lichtsteiner 2008: 21). Zu den wesentlichsten Problemen der Professionalisierung gehört sicherlich das fehlende Wissen über die Spender und den Spendenmarkt, da diesem Gebiet in der Forschung bisher (zumindest im deutschsprachigen Raum) verhältnismäßig wenig Beachtung geschenkt wurde. Auch in diesem Bereich zeichnet sich allerdings ein Wandel ab und so kann in der Zunahme von Publikationen im Bereich des Fundraising ein weiteres Indiz für die wachsende Professionalisierung gesehen werden (M. Haibach 2006: 95). Darüber hinaus tauchen einige Problemfelder auf, in denen das wissenschaftliche Wissen und die ökonomischen Anforderungen sich gegenüberstehen und die so zu Dilemmata für das Management führen. Eine nicht umfassende Auswahl solcher Managementprobleme wurde in diesem Beitrag diskutiert. Dabei können diese Problemfelder oft auch als negative Effekte des professionellen Fundraising betrachtet werden, die letztendlich der ursprünglichen Absicht – der Effektivitäts- und Efzienzsteigerung des Fundraising und dem Ausweichen am Verdrängungswettbewerb – entgegenlaufen. Gerade ein lösungsorientierter Umgang mit diesen Problemen und Widersprüchen dürfte eine der schwierigsten Herausforderungen des Fundraising der Gegenwart und Zukunft sein. Das Managen dieser Dilemmata, welches eine der größten Anforderungen an das professionelle Fundraising darstellt, wird für den zukünftigen Erfolg einer spendennanzierten NPO entscheidend sein. Die in diesem Beitrag aufgeführte Problemstellung und die diskutierten Dilemmata verdeutlichen, dass es sich beim Fundraising um einen sehr spezischen, einzigartigen Managementbereich handelt. Dementsprechend sind Erkenntnisse aus anderen Management- und Marketingbereichen nur eingeschränkt übertragbar und müssen den besonderen Umständen im Fundraising angepasst werden. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass spezische Forschung betrieben wird, um den Besonderheiten des Fundraising gerecht zu werden. 5
Literatur
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Beat Hunziker
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Autorenverzeichnis
Blümel, Albrecht, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer (FÖV) Da-Cruz, Patrick, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Berater, Oberender und Partner, Bayreuth Evetts, Julia, Prof. Dr., School of Sociology and Social Policy, University of Nottingham Friedrich, Andrea, Prof. Dr., Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen (HAWK), Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit Gmür, Markus, Prof. Dr., Direktor Forschung, Studienleiter Executive MBA, Verbandsmanagement Institut (VMI), Universität Freiburg/Schweiz Herwign, Uta, Geschäftsführerin der Ökumenischen Sozialstation Speyer Hug, Nina, Doktorandin, Center for Leadership and Values in Society, Universität Ch – St. Gallen Hunziker, Beat, lic. rer. pol., Verbandsmanagement Institut Universität Fribourg Jäger, Urs, PD Dr., Managing Director des Center for Leadership and Values in Society, Associate Professor, Universität Ch – St. Gallen Jöst, Frank, PD Dr., Alfred-Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaften, Universität Heidelberg Kleimann, Bernd, Dr., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Unternehmensbereich Hochschulentwicklung, Hochschul-Informations-System GmbH in Hannover Krücken, Georg, Prof. Dr., Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer (FÖV) Kloke, Katharina, Dipl.- Soziologin, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer (FÖV) Langer, Andreas, Prof. Dr., Professor für Sozialwissenschaften an der Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg Leitner, Johannes, Dr. (M. A.), Wirtschaftsuniversität Wien, Abteilung für Nonprot Management
A. Langer · A. Schröer (Hrsg.), Professionalisierung im Nonprofit Management, DOI 10.1007/978-3-531-92664-3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Autorenverzeichnis
Lichtsteiner, Hans, Dr., Direktor Weiterbildung, Verbandsmanagement Institut (VMI), Universität Freiburg/Schweiz Lutz, Vanessa, Doktorandin, Verbandsmanagement Institut (VMI), Universität Freiburg/ Schweiz Meyer, Michael, Prof. Dr., Universitätsprofessor für Betriebswirtschaftslehre an der Abteilung für Nonprot-Management an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU), Leiter des Forschungsinstituts für Nonprot Organisationen Oberender, Peter, Prof. Dr. Dr. h. c. em., Professor für Gesundheitsökonomie und ehem. Direktor der Forschungsstelle für Sozialrecht und Gesundheitsökonomie an der Universität Bayreuth Rasche, Carsten, Stabsstelle Controlling, Stiftung Behindertenhilfe in den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel Schröer, Andreas, Dr., Assistant Professor of Public Administration, Hateld School of Government, Portland State University, Leiter des Institute for Nonprot Management, Senior Fellow am Centrum für Soziale Investitionen der Universität Heidelberg Schwegel, Phillip, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Berater, Oberender und Partner, Bayreuth Theuvsen, Ludwig, Prof. Dr., Georg-August-Universität Göttingen, Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung, Göttingen Vaudt, Susanne, Prof. Dr., Lehrstuhl für BWL im Sozial- und Gesundheitswesen, Fachhochschule der Diakonie, Bielefeld