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Wolfgang Schönpflug · Gerd Lüer Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik: Wissenschaft zwischen Ideologie und Pragmatismus
Wolfgang Schönpflug · Gerd Lüer
Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik: Wissenschaft zwischen Ideologie und Pragmatismus Der XXII. Internationale Kongress für Psychologie 1980 in Leipzig, seine Vorgeschichte und Nachwirkungen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Kea S. Brahms | Eva Brechtel-Wahl VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17967-4
INHALT Inhaltsverzeichnis ................................................................................................ 5 Vorwort................................................................................................................ 11 KAPITEL 1 DIE INTERNATIONALEN KONGRESSE FÜR PSYCHOLOGIE, DIE INTERNATIONAL U NION OF PSYCHOLOGICAL SCIENCE UND DIE BEIDEN NATIONALEN DEUTSCHEN G ESELLSCHAFTEN FÜR PSYCHOLOGIE ................................ 13 Internationale Wissenschaftliche Gesellschaften und das Fach Psychologie ......... 13 Internationale Kongresse für Psychologie vor Gründung der International Union of Scientific Psychology (1889-1951) .................................. 16 Die Gründung der International Union of Scientific Psychology im Jahre 1951: Ein neuer Veranstalter der Internationalen Kongresse für Psychologie................. 19 Die bundesrepublikanische Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen in der International Union of Psychological Science ........................................... 21 Exkurs: Die Sander-Affäre 1960 ......................................................................... 24 Die Gründung der Gesellschaft für Psychologie (in) der DDR und deren Stellung im Parteistaat der DDR ......................................................... 32 Die Aufnahme der Gesellschaft für Psychologie in der DDR in die International Union of Psychological Science ........................................... 38 Einfluss und Mitwirkung der beiden deutschen Gesellschaften für Psychologie in der International Union of Psychological Science ........................................... 42 Fachpolitische Situation der Psychologie in der DDR von 1960 bis 1980 und ihre Konsequenzen für die Entwicklung der Psychologie in der DDR ................. 56 KAPITEL 2 DIE EINLADUNG ZUM XXII. INTERNATIONALEN KONGRESS FÜR PSYCHOLOGIE NACH LEIPZIG 1980 .................................................................................................... 61 Die weltpolitische Situation in der Zeit von 1960 bis 1980 ................................. 61 Motive zur Bewerbung um die Ausrichtung des XII. Internationalen Kongresses für Psychologie ................................................. 66 Die Einladung in Tokio 1972 zum XXII. Internationalen Kongress für Psychologie nach Leipzig im Jahr 1980 .......................................................... 70
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Inhalt
KAPITEL 3 ENTSCHEIDUNGSTRÄGER UND ENTSCHEIDUNGSSTRUKTUREN ...................................... 83 Kongressvorbereitung im Spannungsfeld zwischen der International Union of Psychological Science und dem Parteistaat der DDR ...................................... 84 Das Nationale Vorbereitungskomitee ................................................................. 87 Der Wissenschaftliche Rat für Psychologie ......................................................... 91 Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee, Kongressleitung ............................... 95 Wissenschaftliches Komitee, Programm- und Organisationskomitee, Kommission Öffentlichkeitsarbeit ....................................................................... 98 Kongresssekretariat/Operativgruppe, Koordinierungsgruppen, Pressezentrum ................................................................................................... 100 Weitere örtliche Organisationen ........................................................................ 103 Wer nimmt die Zentralpositionen ein – Politik oder Wissenschaft? ................... 104 KAPITEL 4 DIE KONGRESSVORBEREITUNG: AUFGABEN, PROBLEME, LEISTUNGEN .................... 109 Kongressort, Kongresstermin ............................................................................ 111 Die Einrichtung einer Sektion Psychologie in der Karl-Marx-Universität Leipzig .......................................................................... 114 Baumaßnahmen in Leipzig, Gedenkstätten ........................................................ 116 Kongressverwaltung .......................................................................................... 118 Wissenschaftliches Programm ........................................................................... 123 Gesellschaftliches und kulturelles Programm .................................................... 135 Wissenschaftliches Besichtigungsprogramm, Jugendprogramm ........................ 137 Gastronomie und Tourismus .............................................................................. 139 Einreisebestimmungen, aktuelle politische Spannungen .................................... 141 Das Problem der Kongresssprachen ................................................................... 148 Die Schirmherrschaft ......................................................................................... 150 Kongressmaterialien, Fachliteratur, Buchausstellung, Übersetzungen, Postdienste ........................................................................................................ 152 Entwicklungsaufgaben ...................................................................................... 155 Öffentlichkeitsarbeit .......................................................................................... 157
Inhalt
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KAPITEL 5 FACHLICHE UND POLITISCH-IDEOLOGISCHE VORBEREITUNGEN: KADERAUFBAU, VORKONGRESSE UND SCHULUNGEN ............................................... 161 Forschungsprogramme ...................................................................................... 162 Vorkonferenzen ................................................................................................. 164 Wundt-Symposium ............................................................................................ 166 Treffen von Psychologen aus sozialistischen Ländern ....................................... 172 Politische Schulung ........................................................................................... 178 KAPITEL 6 HAUSHALT UND FINANZEN ....................................................................................... 185 Schwierigkeiten der Bilanzierung in einem sozialistischen System ................... 186 Der Haushalt der Gesellschaft für Psychologie der DDR ................................... 189 Finanzplanung für den XXII. Internationalen Kongress für Psychologie 1980 in Leipzig .......................................................................................................... 190 Einnahmen und Ausgaben in der Zuständigkeit der Kongressleitung ................ 194 Weitere Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit dem Leipziger Kongress ........................................................................................... 199 Ein weiteres Erschwernis der Bilanzierung: Die Valutierung von Devisenzahlungen ............................................................ 201 Ansätze zur Bilanzierung .................................................................................. 204 KAPITEL 7 DIE FURCHT VOR PROVOKATIONEN UND DER „SCHUTZ“ DES KONGRESSES DURCH DAS MINISTERIUM FÜR STAATSSICHERHEIT ................................................. 213 Gefürchtete Provokationen ................................................................................ 215 Ein Plan zur Kontrolle des Leipziger Kongresses .............................................. 218 Vorbeugende Maßnahmen ................................................................................. 220 Der Staatssicherheitsdienst während des Kongresses ......................................... 222 Politisch bedeutsame Zwischenfälle .................................................................. 226
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Inhalt
KAPITEL 8 DIE RESONANZ AUF DEN LEIPZIGER KONGRESS UND SEINE NACHWIRKUNGEN IN DER DDR ............................................................................................................ 231 Ein doppelter Prestigegewinn ............................................................................ 232 Berichterstattung in den Medien ........................................................................ 235 Mitteilungen für Kongressteilnehmer: Die Congress News ................................ 243 Staatliche Auszeichnungen ................................................................................ 244 Der Ausbau der DDR-Psychologie in den Achtzigerjahren ................................ 246 Buchexport und Zeitschriftenpublikationen ....................................................... 252 Internationale Beziehungen ............................................................................... 254 Hat der Kongress zur Liberalisierung der DDR beigetragen? ........................... 257
KAPITEL 9 ZWEI POLITISCHE SYSTEME – EINE WISSENSCHAFT .................................................. 261 Zwei sich konträr gegenüberstehende Gesellschaftsordnungen .......................... 262 Die Auswirkungen der unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen auf die Wissenschaft und ihre Organisationen ................................................... 265 Auswirkungen auf die Vorbereitung des Internationalen Kongresses ................ 272 Pragmatismus und Konfliktvermeidung in der Internationalen Union ............... 274 Kommunikation zwischen der Internationalen Union und der DDR .................. 280 Machtelite und Funktionseliten in der DDR: Psychologie als „neue Intelligenz“ ..................................................................... 290 Pragmatismus und Konfliktvermeidung auch in der DDR: Verteidigung und Aufgabe ideologischer Ziele ................................................. 298 War der Erfolg des Leipziger Kongresses ein Sieg des Sozialismus? ................ 305 Abschließende Bemerkungen: Fachgeschichte und Zeitgeschichte .................... 310
Inhalt
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MATERIALIEN A. Frühe Quellen zur Eröffnung des Wundtschen Laboratoriums ...................... 313 B. International Union of Psychological Science: Rules of Procedure .............. 315 C. Wissenschaftspolitische Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR ................. 316 D. Rede des Stellvertretenden Ministers für Hoch- und Fachschulwesen, Prof. Dr. Gerhard Engel, zur Gründung des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 29. September 1977 in Dresden ............................................... 323 E. Appell an die Psychologen: Politische Opposition und psychiatrische Internierung ....................................................................................................... 327 F. Lehrgang an der Parteischule „Karl Liebknecht“ beim ZK der SED in Kleinmachnow mit Kadern der Psychologie zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie, 4.- 16.2.1980 ............................... 329 G. Politisch-operative Sicherung der Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 ................................... 331 H. Begrüßungsansprache des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen, Prof. Hans-Joachim Böhme, auf der Eröffnungsveranstaltung des XXII. Internationalen Psychologiekongresses ................................................... 335 I. Grußadresse des Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Willi Stoph ......... 338 K. Resolution on Free Circulation of Scientists ................................................. 339
Archivalien ........................................................................................................ 341 Literatur ............................................................................................................ 351 Personenregister ................................................................................................ 357
VORWORT Die Teilung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg trennte auch Berufsgruppen und Wissenschaftlergemeinden voneinander. Ein entscheidender Trennungsschritt für das Fach Psychologie in Deutschland war die Initiative zur Gründung der Gesellschaft für Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik im Jahre 1961 – wenige Wochen nach dem Mauerbau. Die Gesellschaft setzte sich von den bisher bestehenden Psychologenvereinigungen ab, die mit Sitz in der Bundesrepublik noch eine gesamtdeutsche Vertretung beanspruchten. Als nationale Vertretung der Psychologen in der DDR fand die ostdeutsche Gesellschaft für Psychologie zunächst nur unter Schwierigkeiten Aufnahme in der International Union of Psychological Science, dem Dachverband nationaler Psychologenverbände, gewann dort aber schon bald an Einfluss. Den Höhepunkt ihrer internationalen Wirksamkeit bildete der 1980 im Auftrag der Internationalen Union veranstaltete XXII. Internationale Kongress für Psychologie in Leipzig. Mit nahezu 4.000 Teilnehmern aus aller Welt, einem repräsentativen wissenschaftlichen Programm sowie einem Begleitprogramm, das Spitzenleistungen europäischer Kulturtradition bot, wurde der Leipziger Kongress zu einem Glanzpunkt in der Reihe der seit dem Jahre 1889 stattfindenden internationalen Kongresse für Psychologie. Partei und Regierung der DDR betrachteten die internationalen Aktivitäten psychologischer Fachvertreter aus der DDR als Teil ihrer Außenpolitik und die Kongressorganisation als Teil ihrer Bemühungen um die Anerkennung ihres Staates und seiner Gesellschaftsordnung. Da die Partei sowohl internationalen Fachverbänden als auch dem Internationalen Kongress selbst außergewöhnliche politische Bedeutung beimaß, suchte sie beide ihrer Kontrolle zu unterwerfen. Die Folgen waren ambivalent. Einerseits verschaffte das Engagement der Politik dem Kongress erhebliche administrative und wirtschaftliche Vergünstigungen, andererseits drohten politisch motivierte Forderungen den Erfolg des Kongresses zu gefährden, ja sogar dessen Boykott durch westliche Teilnehmer herbeizuführen. Konflikte zwischen ideologischen Ansprüchen und pragmatischen Notwendigkeiten begleiteten daher die Kongressvorbereitungen. Wie sich letztlich Pragmatik gegenüber Ideologie durchsetzte und wie sich dadurch in der DDR das Verhältnis des Faches Psychologie zu dem herrschenden Regime veränderte, ist das zentrale Thema dieser Untersuchung. Als wir im Herbst 2006 unsere Arbeit aufnahmen, hatte sich die Gesellschaft für Psychologie der DDR wieder aufgelöst. Die Psychologie in der DDR war keineswegs dem Vergessen preisgegeben, gab es doch dazu biografische Berichte und dokumentengestützte Analysen. Trotzdem schienen uns die blinden Flecken in der Geschichte der Psychologie in der DDR zu dominieren. Den XXII. Internationalen Kongress für Psychologie in Leipzig sowie das internationale Auftreten der mit der Ausrichtung des Kongresses beauftragten Gesellschaft für Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik wählten wir als zentrale Untersuchungsparadigmen, um über einschlägige Dokumente und Zeitzeugenberichte Lage und Tätigkeit des Faches Psychologie in der DDR zu rekonstruieren und darüber hinaus Einblick in das Verhältnis von Wissenschaft und Politik in einem sozialistisch geführten Staat zu gewinnen. Mit der DDR-Forschung zunächst wenig vertraut, waren wir für Rat und Ermutigung von Experten der Zeitgeschichte dankbar – (alphabetisch geordnet) Prof. Dr.
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Vorwort
Arnd Bauerkämper (Zentrum für vergleichende Geschichte Europas, Freie Universität Berlin), Prof. Dr. Nicolaas A. Rupke (Institut für Wissenschaftsgeschichte, GeorgAugust-Universität Göttingen), Dr. Jochen Staadt (Forschungsverbund SED-Staat, Freie Universität Berlin), Prof. Dr. Hartmut Wentker (Institut für Zeitgeschichte, Berlin und Leipzig). In den folgenden Archiven haben wir sachverständige und freundliche Unterstützung erfahren: Adolf-Würth-Zentrum für Geschichte der Psychologie, Würzburg (dort haben wir Prof. Dr. Horst Gundlach und Prof. Dr. Armin Stock zu danken); Archives of the International Union of Psychological Science in Montréal, Kanada (dort haben wir Prof. Dr. Michel Sabourin ganz herzlich für Unterstützung und Gastfreundschaft zu danken); Archiv der Leipziger Volkszeitung; Bundesarchiv, einschließlich der Stiftung Archiv für die Parteien und Massenorganisationen der DDR in BerlinLichterfelde (wir danken dort insbesondere Cordula Sperlich); Universitätsarchiv der Humboldt-Universität in Berlin-Reinickendorf, insbesondere Archivteil „Bestand Gesellschaft für Psychologie der DDR“ (wir danken dort insbesondere Dr. Winfried Schultze); Zentralarchiv und Außenstelle Leipzig, Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR (wir danken dort insbesondere Roswitha John). Weiterhin zu danken haben wir mehreren Kollegen, die uns freundlicherweise Dokumente aus ihrem Privatbesitz überlassen haben – insbesondere (wiederum in alphabetischer Reihenfolge) Prof. Dr. Reinhold Bergler, Nürnberg, Prof. Dr. Dr. h.c. Adolf Kossakowski, Berlin, Prof. Dr. Hans-Dieter Rösler, Rostock, Prof. Dr. Lothar und Dr. Helga Sprung sowie Dipl. Psych. Hans-Eberhard Zahn. Hinweise auf einschlägige Archivalien erhielten wir zudem von Dipl. Psych. Sven Ebisch (Humboldt-Universität Berlin). Lang ist die Liste der Kolleginnen und Kollegen, die mündliche oder schriftliche Auskünfte gegeben haben; wir haben sie im Text aufgeführt. Für besonders ausführliche Gespräche danken wir (erneut alphabetisch geordnet) Prof. Dr. Winfried Hacker, Dresden, Prof. Dr. Dr. h.c. Adolf Kossakowski, Berlin, Prof. Dr. Hans-Dieter Rösler, Rostock, Dr. Jürgen Rückert, Berlin, Prof. Dr. Uwe Schaarschmidt, Berlin, Dr. Helga Sprung und Prof. Dr. Lothar Sprung, Berlin, Prof. Dr. Hubert Sydow, Berlin. Wir durften ihre Äußerungen aufzeichnen; wörtliche Zitate im folgenden Text sind von ihnen autorisiert. Prof. Dr. Walter Mäder, Berlin, konnte sich zu einem Gespräch mit uns nicht entschließen, hat jedoch in einem ausführlichen Schreiben zu Fragen, die wir ihm brieflich zugesandt haben, Stellung genommen. Die Kosten für Transskriptionen von Interviews hat die Stiftung der Georg-AugustUniverstät Göttingen übernommen. Dank schulden wir auch für die finanzielle Unterstützung einer Reise zum Archiv der International Union of Psychological Science in Montréal, Kanada. Schließlich danken wir dem VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, insbesondere Frau Dipl. Psych. Kea Sarah Brahms und Frau Eva BrechtelWahl, M.A., für die vorzügliche Kooperation bei der Drucklegung dieses Buches. Berlin und Göttingen, November 2010 Wolfgang Schönpflug
Gerd Lüer
KAPITEL 1 DIE INTERNATIONALEN KONGRESSE FÜR PSYCHOLOGIE, DIE INTERNATIONAL UNION OF PSYCHOLOGICAL SCIENCE UND DIE BEIDEN NATIONALEN DEUTSCHEN GESELLSCHAFTEN FÜR PSYCHOLOGIE Die Gründung der International Union of Scientific Psychology im Jahre 1951 fiel in eine Zeitperiode, als die Teilung Deutschlands in zwei Staaten schon vollzogen war. Verblieben in den 1950er Jahren zunächst noch einige ostdeutsche Psychologinnen und Psychologen als Mitglieder in der traditionsreichen Deutsche Gesellschaft für Psychologie mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland, änderte sich das mit dem Bau der Berliner Mauer im Jahre 1961 schlagartig. Mit der Gründung der Gesellschaft für Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik im Jahr 1962 gab es nun zwei nationale deutsche wissenschaftliche Gesellschaften für Psychologie. Und obwohl es immer wieder Versuche gegeben hat, die wissenschaftlichen Kontakte zwischen beiden deutschen Staaten und ihren wissenschaftlichen Gesellschaften zu intensivieren, blieb der wissenschaftliche Austausch vor allem wegen der von der ostdeutschen Seite ausgehenden Behinderungen begrenzt. Auch kam es insbesondere in den 1970er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu konkurrierenden Bemühungen zwischen den beiden deutschen wissenschaftlichen Vereinigungen, Einfluss in den Führungsgremien der Internationalen Union zu gewinnen. Diese Konkurrenz spielte sich vor dem Hintergrund des politischen Kalten Krieges ab, in den die beiden deutschen Staaten durch die vollzogene Trennung und Abschottung besonders stark einbezogen waren. Dabei gab der dringende Wunsch der DDR nach internationaler staatlicher Anerkennung ein ebenso starkes Motiv ab wie der in der Bundesrepublik zeitweilig aufrecht erhaltene Alleinvertretungsanspruch durch die sog. Hallstein-Doktrin. Zusätzlich belastet wurde das internationale Ansehen der bundesrepublikanischen Psychologie durch die Unterlassung der Aufarbeitung von Verstrickungen in den Nationalsozialismus, die prominenten Vertretern in der westdeutschen wissenschaftlichen Gesellschaft zur Last gelegt wurden. Eine solche Gemengelage verschaffte der DDR-Psychologie in den 1970er Jahren einen raschen Aufstieg innerhalb der International Union of Psychological Science und der DDR dazu ein Stück internationale Anerkennung. Diese Entwicklung erreichte mit der Ausrichtung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie in Leipzig 1980 ihren Höhepunkt. INTERNATIONALE W ISSENSCHAFTLICHE GESELLSCHAFTEN UND DAS FACH PSYCHOLOGIE Rosenzweig, Holtzman, Sabourin und Bélanger1 haben zwei Entwicklungen aufgezählt, die im 19. Jahrhundert Schritte in Richtung auf eine Internationalisierung der Wissenschaft begünstigt haben. Zum einen gab es die mit großer öffentlicher Aufmerksamkeit versehenen Weltausstellungen, auf denen technische Fortschritte, aber auch kulturelle und künstlerische Neuentwicklungen den interessierten und international zusammenge1 Rosenzweig, Mark R., Holtzman, Wayne H., Sabourin, Michel & Bélanger, David (2000). History of the International Union of Psychological Science (IUPsyS). Hove, East Sussex: Psychology Press.
W. Schönpflug, G. Lüer, Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik: Wissenschaft zwischen Ideologie und Pragmatismus, DOI 10.1007/978-3-531-93057-2_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Kapitel 1
setzten Besuchergruppen präsentiert wurden. Das geschah z. B. 1851 in London und 1855 in Paris. Hier finden sich erste Anzeichen einer Globalisierung von Kultur, Wirtschaft und Technik, die nachfolgend auch von einzelnen Wissenschaften aufgenommen wurden. So fanden die ersten internationalen wissenschaftlichen Kongresse schon 1853 für Statistik und 1867 für Medizin statt. Ein zweiter, nun allein auf die Wissenschaften bezogener Ursprung der Internationalisierung wird von Rosenzweig, Holtzman, Sabourin und Bélanger2 auf europäische Akademien der Wissenschaften zurückgeführt. Sie haben ausländische Wissenschaftler als Mitglieder zugewählt und damit über nationale Grenzen hinaus wissenschaftliche Kontakte gepflegt. Diese Berufungen von ausländischen Gelehrten in die nationalen Akademien der Wissenschaften führten im Jahre 1900 dazu, ein Council of the International Association of Academies zu gründen, das erstmalig in Paris zusammen trat. Generalversammlungen dieses internationalen Zusammenschlusses von Akademien der Wissenschaften fanden danach bis 1913 in regelmäßigem Turnus statt. Dann trat mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs eine Pause ein. Erst nach dessen Ende konnten die Zusammenkünfte fortgesetzt werden, nun allerdings ab 1919 mit der Neugründung des International Research Council. Erstmalig wurden ab diesem Jahr neben den nationalen Akademien der Wissenschaften auch einige wenige Internationale Wissenschaftliche Gesellschaften in das International Research Council als neue Mitglieder aufgenommen, allerdings noch mit eingeschränkten Rechten und ohne Repräsentation im Executive Committee. 1931 wandelte sich das International Research Council erneut um in das International Council of Scientific Unions, das sowohl nationale Akademien der Wissenschaften als auch internationale wissenschaftliche Vereinigungen als Mitglieder umfasste. Bis 1940 wurden allerdings keine weiteren neuen Mitglieder aufgenommen, danach konnten nur ganz wenige neue Wissenschaften mit ihren internationalen Vereinigungen die Mitgliedschaft im International Council of Scientific Unions erwerben, so etwa die Gesellschaften für Molekulare Biologie und für Biophysik. Die Psychologie, die ihre Internationale Union erst 1951 gegründet hatte, musste noch warten. Die Aufnahme der International Union of Psychological Science gelang erst 1982 unter ihrem Präsidenten Friedhart Klix. Er hat beschrieben, wie die Nutzung persönlicher Kontakte und das Durchschreiten von Hintertüren die Aufnahme schließlich möglich machten.3 Bereits am Ende des 19. Jahrhunderts gab es psychologische Vereinigungen, die allerdings eher den Charakter von örtlichen Zirkeln hatten und den Namen einer nationalen wissenschaftlichen Gesellschaft noch nicht verdienten. Die Gründung einer nationalen Wissenschaftlichen Gesellschaft für Psychologie im heutigen Sinne erfolgte erstmals 1892 in den USA mit der Gründung der American Psychological Association. In Deutschland dauerte es noch einmal zwölf Jahre, bis es zur Gründung der Gesellschaft für Experimentelle Psychologie durch Georg Elias Müller und Robert Sommer im Jahre 2 Rosenzweig, Mark R., Holtzman, Wayne H., Sabourin, Michel & Bélanger, David (2000). History of the International Union of Psychological Science (IUPsyS). Hove, East Sussex: Psychology Press. 3 Klix, Friedhart (2004). Friedhart Klix. In Helmut E. Lück (Hrsg.), Psychologie in Selbstdarstellungen (Band 4, S. 168-192). Lengerich: Pabst.
Internationale Kongresse, Psychologische Gesellschaften
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im Jahre 1904 kam.4 Heute bestehen in den meisten Ländern der Welt nationale wissenschaftliche Gesellschaften. Diese Vereinigungen veranstalten ihre eigenen nationalen Kongresse. Auf der nächst höheren internationalen Ebene haben sich in der International Union of Psychological Science bis zum Jahr 2010 nationale wissenschaftliche Gesellschaften aus 73 Ländern zusammengeschlossen. Hinzu kommen 13 regionale bzw. überregionale wissenschaftliche Organisationen, die bei der Internationalen Union eine Zweitmitgliedschaft erworben haben. Diese Vereinigung veranstaltet die Internationalen Kongresse für Psychologie. 1952 tat sich die International Union of Scientific Psychology mit vier weiteren Verbänden zusammen, um auf einer noch einmal nächst höheren Ebene für die Internationalen Wissenschaftlichen Gesellschaften aus verschiedenen Wissenschaftsgebieten eine weitere Vereinigung zu gründen. So entstand 1952 ein Dachverband der Internationalen Gesellschaften für Sozialwissenschaften, das International Social Science Council. Schließlich ist in diesem Zusammenhang die Zugehörigkeit der Union seit 1982 zum International Council of Scientific Unions (seit 1998 International Council for Science) zu erwähnen, des sehr einflussreichen Dachverbandes naturwissenschaftlicher Wissenschaftsdisziplinen, worüber oben bereits berichtet worden ist. Die Struktur der auf den unterschiedlichen Ebenen angeordneten wissenschaftlichen Gesellschaften und ihren Dachgesellschaften ist in Abbildung 1.1 veranschaulicht. Die Internationale Union der nationalen wissenschaftlichen Gesellschaften für Psychologie hat seit ihrer Gründung im Jahre 1951 mehrmals ihren Namen verändert. Vom Gründungsjahr bis 1965 hieß sie International Union of Scientific Psychology. Danach änderte sie ihren Namen um in International Union of Psychological Science. Lediglich Frankreich blieb bei der alten Bezeichnung. Eine weitere internationale wissenschaftliche Vereinigung für Psychologie ist die International Association of Applied Psychology. Sie wurde schon 1920 als International Association of Psychotechnology gegründet und hat seitdem 26 internationale Kongresse für Angewandte Psychologie ausgerichtet. Ihren jetzigen Namen hat sie 1955 erhalten. Sie gilt als die älteste internationale Fachgesellschaft der Psychologie. Trotz der augenscheinlich bestehenden Ähnlichkeiten in ihren Aktivitäten zwischen der International Union of Psychological Science und der International Association of Applied Psychology besteht ein gravierender Unterschied zwischen diesen beiden Organisationen. Während die erstgenannte Union die repräsentativen Wissenschaftlichen Vereinigungen der Psychologie aus der ganzen Welt als Dachgesellschaft vertritt, handelt es sich bei der letztgenannten Organisation um eine Vereinigung von Wissenschaftlern aus dem Gebiet der Angewandten Psychologie, die als Einzelpersonen ihre Mitgliedschaft erworben haben. In anderen Spezialgebieten der Psychologie gibt es vergleichbare internationale Vereinigungen. In einem solchen Status befindet sich z.B. die International Association of Cross-Cultural
4 Lüer, Gerd (2005). Geschichtsbilder von einer einhundertjährigen wissenschaftlichen Psychologie. In Thomas Rammsayer & Stefan Troche (Hrsg.). Reflexionen der Psychologie (S. 166-176). Göttingen: Hogrefe.
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Kapitel 1
International Social Science Council
International Council for Science
International Union of Psychological Science
Nationale Wissenschaftliche Gesellschaften
Abbildung 1.1. Hierarchie der wissenschaftlichen Gesellschaften für die Disziplin Psychologie
Psychology. Beide internationalen Fachgesellschaften haben übrigens als Wissenschaftsvereinigungen eine besondere Zweit-Mitgliedschaft in der International Union of Psychological Science erworben, was umgekehrt nicht der Fall ist. Aus der vorangegangenen Darstellung lassen sich also zwei Entwicklungslinien erkennen, die zur Internationalisierung von Wissenschaften führten: Bei den Akademien der Wissenschaften führte die Aufnahme ausländischer Mitglieder zu internationalen Kontakten. Aus diesen Erfahrungen entstand der Wunsch eines internationalen Zusammenschlusses der Akademien der Wissenschaften, der mit dem heute noch bestehenden und hoch angesehenen International Council for Science realisiert wurde. Ein anderer Weg führte über die Einberufung regelmäßiger internationaler wissenschaftlicher Kongresse zu dem Wunsch, für diese Wissenschaften nationale Vereinigungen zu gründen, die sich dann wiederum auf höherer Ebene zu einer internationalen Union zusammenschlossen. Diesen zweiten Weg ist die Psychologie gegangen. INTERNATIONALE KONGRESSE FÜR PSYCHOLOGIE UNION OF SCIENTIFIC PSYCHOLOGY (1889-1951)
VOR
GRÜNDUNG
DER INTERNATIONAL
Den eigentlichen Anstoß zur Einberufung eines Internationalen Kongresses für Psychologie gab ein junger polnischer Privatdozent aus Lemberg, Julian Ochorowicz. Er publizierte im Jahre 1881 in der von Ribot herausgegebenen französischen Zeitschrift Revue Philosophique einen Aufruf zur Vorbereitung einer derartigen Initiative.5 Diese Publikation hat Ribot, Organisator des I. Internationalen Kongresses für Psychologie 1889 in Paris, in seiner Eröffnungsrede, also acht Jahre nach der Veröffentlichung, als 5 Ochorowicz, Julian (1881). Pour un congrès international de psychologie. Revue Philosophique, 12, 1-17.
Internationale Kongresse, Psychologische Gesellschaften
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einen vorausschauenden Beitrag zur Internationalisierung der Psychologie namentlich gewürdigt. Der erste Internationale Kongress für Psychologie fand 1889 in Paris statt. Danach wurden in regelmäßigen zeitlichen Abständen international ausgerichtete Kongresse einberufen. Nicht alle damaligen Kongressteilnehmer waren mit deren Ablauf zufrieden. Die dort angebotenen Programme waren in starkem Maße von Themen der Hypnose und der Parapsychologie beherrscht. Das lag auch daran, daß es zu jener Zeit noch keine einheitliche „Psychologenschaft“ gab. Vielmehr setzte sich die Teilnehmergruppe aus Medizinern, Philosophen, Physiologen, einer kleinen Gruppe von wissenschaftlichen Psychologen und einer großen Gruppe von Hypnotiseuren, Parapsychologen und Astrologen zusammen. Diese zu großen Teilen als unwissenschaftlich erlebte Themenvielfalt wurde schon von dem Berliner Ordinarius für Psychologie, Carl Stumpf, dem Präsidenten des in München abgehaltenen internationalen Kongresses im Jahre 1896, stark kritisiert. Ein Höhepunkt dieser wissenschaftsfernen Entwicklung wurde auf dem Pariser Kongress im Jahre 1900 erreicht. Das führte dann zu einer strengeren Auswahl der angenommenen Beiträge ab dem V. Kongress 1905 in Rom.6 Den deutschen Pionieren der wissenschaftlichen Psychologie waren die als unwissenschaftlich geltenden Beiträge auf den internationalen Kongressen ein Dorn im Auge. Sie kämpften für die Anerkennung der Psychologie als eigenständige Wissenschaft. Diesem Anspruch wurde das auf den Internationalen Kongressen für Psychologie angebotene Programm weder in thematisch-wissenschaftlicher Hinsicht noch im methodischen Vorgehen in Bezug auf die vorgetragene Forschung gerecht. Bis zum Jahre 1948, nur unterbrochen von den beiden Weltkriegen, fanden insgesamt 12 Internationale Kongresse für Psychologie statt. Tabelle 1.1 gibt die Veranstaltungsorte, die Veranstaltungsjahre und die jeweils verantwortlichen Kongresspräsidenten wieder. Bevor es im Jahre 1951 zur Gründung der International Union of Scientific Psychology kam, lag die Vertretung der Psychologie auf internationaler Ebene in den Händen eines ständigen Komitees, das die Ausrichtung und Programmgestaltung der Internationalen Kongresse für Psychologie ab 1889 betreute. Beginnend mit dem I. Internationalen Kongress in Paris im Jahre 1889 wuchs die Anzahl der teilnehmenden Länder ständig, ebenso nahm auch die Anzahl der Mitglieder im Komitee kontinuierlich zu. So zählte der V. Internationale Kongress in Rom 1905 bereits 16 Mitgliedsländer, das Komitee war auf 76 Vertreter angewachsen.7 Vom 10. Kongress 1932 an wurde schließlich ein Exekutivkomitee mit der fixen Mitgliederzahl von sieben und mit der zusätzlichen Wahl eines Sekretärs als Gesamtvertreter eingerichtet. Diese Rolle nahm ab 1932 der schweizer Psychologe Edouard
6 Montoro, Luis, Banuls, R. & González-Solaz, M. José. (1992). The international unification of psychology: Its background in international committees and the initial development of the International Union of Scientific Psychology. In Marc Richelle & Helio Carpintero (Eds.), Contributions to the History of the International Congresses of Psychology. Revista de Historia de la Psicologia Monographs, Valencia, and Studia Psychologica, Leuven University Press (pp. 91-100). 7 Rosenzweig, Mark R., Holtzman, Wayne H., Sabourin, Michel & Bélanger, David (2000). History of the International Union of Psychological Science (IUPsyS). Hove, East Sussex: Psychology Press.
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Kapitel 1
Tabelle 1.1. Internationale Kongresse für Psychologie von 1889 bis 19518
Ort
Jahr
Präsident
Paris
1889
Jean Martin Charcot; Organisation: Théodule A. Ribot
London
1892
Henry Sidgwick
München
1896
Carl Stumpf
Paris
1900
Théodule A. Ribot
Rom
1905
Giuseppe Sergi; Ehrenpräsident: Leonardo Bianchi
Genf
1909
Théodore Flournoy
Oxford
1923
Charles S. Myers
Groningen
1926
Gerardus Heymans
New Haven (USA)
1929
James McKeen Cattell
Kopenhagen
1932
Harald Höffding, Edgar Rubin
Paris
1937
Henri Piéron; Ehrenpräsident: Pierre Janet
Edinburgh
1948
James Drever, Sr.
Stockholm
1951
David Katz
Claparède bis zu seinem Tode im Jahre 1940 ein. Sein Nachfolger wurde der Amerikaner Herbert S. Langfeld (1879-1958). Die International Association of Applied Psychology veranstaltete ihre Internationalen Kongresse ebenfalls im Vierjahresrhythmus, und zwar seit 1978 immer zwei Jahre nach dem Internationalen Kongress der Union. Dadurch ist ein kontinuierlicher Zweijahres-Wechsel zwischen den veranstalteten Internationalen Kongressen zustande gekommen.
8 Rosenzweig, Mark R., Holtzman, Wayne H., Sabourin, Michel & Bélanger, David (2000). History of the International Union of Psychological Science (IUPsyS). Hove, East Sussex: Psychology Press.
Internationale Kongresse, Psychologische Gesellschaften
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DIE GRÜNDUNG DER INTERNATIONAL UNION OF SCIENTIFIC PSYCHOLOGY IM JAHRE 1951: EIN NEUER VERANSTALTER DER INTERNATIONALEN KONGRESSE FÜR PSYCHOLOGIE Herbert S. Langfeld war es auch, der 1948 auf dem XII. Internationalen Kongress in Edinburgh die Gründung der International Union of Scientific Psychology einleitete. Nach elfjähriger Unterbrechung durch den Zweiten Weltkrieg kam man 1948 in Edinburgh erstmalig wieder zusammen. Es war noch die Zeit vor dem Kalten Krieg, in der man politisch die optimistische Überzeugung vertrat, durch Gründung internationaler Organisationen zur Friedenssicherung beitragen zu können und damit eine Wiederholung eines weiteren Weltkrieges zu verhindern. In diesem politischen Klima hatte man auch drei Jahre vorher, 1945, die UNO gegründet und gleich danach die UNESCO. Diese letztgenannte Organisation unterstützte im Geiste der UNO wiederum internationale Zusammenschlüsse von nationalen wissenschaftlichen Gesellschaften. In diesen Trend der Gründung weltweit umspannender Organisationen ist auch die Entstehung der International Union of Scientific Psychology einzuordnen, die auf dem ersten internationalen Nachkriegskongress für Psychologie eingeleitet wurde. Die Union wurde am 15. Juli 1951 in Stockholm mit Unterstützung der UNESCO formal beschlossen. Langfeld wurde erster Generalsekretär der International Union of Scientific Psychology. Als Gründungsmitglieder traten elf nationale Wissenschaftliche Gesellschaften auf, darunter die Deutsche Gesellschaft für Psychologie aus der Bundesrepublik Deutschland. Weitere neun nationale Gesellschaften traten noch 1951 bei, so dass die International Union of Scientific Psychology im Gründungsjahr 1951 bereits 20 nationale Gesellschaften für Psychologie vereinigte. Dass sich im Jahr 1951 anlässlich der formalen Beschlussfassung über die Neugründung in Stockholm der politische Wind schon wieder gedreht hatte und der Beginn des Kalten Krieges sich schon vollzogen hatte, hat sich in den Zielsetzungen der neu gegründeten Union jedoch nicht niedergeschlagen. Ganz im Gegenteil: die International Union of Scientific Psychology agierte nicht nur im Sinne der Charta der Vereinten Nationen global, sie nahm ihre Mitglieder auch aus allen politischen Systemen der Welt auf und konzentrierte sich auf die weltweite Vertretung der Wissenschaft Psychologie jenseits aller politischen Überzeugungen und Gegensätze in den Ländern ihrer Mitglieder. Vom Gründungsjahr der International Union of Scientific Psychology an fanden alle weiteren Internationalen Kongresse für Psychologie unter der Schirmherrschaft der neu gegründeten Union statt. Die nachfolgende Tabelle 1.2 fasst die von der International Union of Psychological Science vergebenen Kongresse bis zum Jahr 2008 zusammen. Die regelmäßige Veranstaltung Internationaler Kongresse ist einer der in der Satzung der International Union of Psychological Science festgelegten Zwecke. Mit der Durchführung ihrer Kongresse beauftragt die International Union of Psychological Science jeweils eines ihrer Mitglieder, d. h. eine nationale wissenschaftliche Gesell-
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Kapitel 1
Tabelle 1.2. Internationale Kongresse von 1954 bis 20089
Ort
Jahr
Präsident
Montréal
1954
Edward A. Bott und Edward C. Tolman
Brüssel
1957
Albert Michotte
Bonn
1960
Wolfgang Metzger; Ehrenpräsident: Karl Bühler
Washington
1963
Otto Klineberg; Ehrenpräsident: Edwin G. Boring
Moskau
1966
Alexej N. Leontjew
London
1969
George C. Drew
Tokio
1972
Moriji Sagara
Paris
1976
Paul Fraisse
Leipzig
1980
Friedhart Klix
Acapulco
1984
Rogelio Diaz-Guerrero
Sydney
1988
Peter Sheehan
Brüssel
1992
Paul Bertelson und Géry d´Ydewalle
Montréal
1996
David Bélanger
Stockholm
2000
Lars-Göran Nilsson
Peking
2004
Qicheng Jing
Berlin
2008
Peter A. Frensch
schaft.10 Der Auftrag zur Organisation eines internationalen Kongresses setzt eine Einladung von Seiten einer nationalen Gesellschaft voraus. Die Entscheidung über die Annahme der Einladung gehört zu den vorrangigen Aufgaben der Generalversammlung der International Union of Psychological Science. Bewerben sich mehrere Gesellschaften gleichzeitig um die Durchführung eines Kongresses, hat die Generalversammlung zwischen den verschiedenen Einladungen eine Wahl zu treffen und zu entscheiden. 9 Rosenzweig, Mark R., Holtzman, Wayne H., Sabourin, Michel & Bélanger, David (2000). History of the International Union of Psychological Science (IUPsyS). Hove, East Sussex: Psychology Press. 10 Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science (1975). Statutes and Rules of Procedure (Section I, 2).
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Die Generalversammlung (General Assembly) ist das Grundorgan der International Union of Psychological Science. Ihr gehören ein bis zwei Delegierte aus jedem nationalen Verband an – je nach dessen Mitgliederzahl (und der Höhe des nach der Mitgliederzahl berechneten Mitgliedsbeitrags). Die Generalversammlung tritt regelmäßig während der alle vier Jahre stattfindenden Kongresse zusammen. Zur Erhaltung der Geschäftsfähigkeit der Gesellschaft wählt die Generalversammlung einen Präsidenten sowie einen oder zwei Vizepräsidenten, einen Generalsekretär sowie dessen Stellvertreter, einen Schatzmeister sowie weitere zehn Mitglieder. Diese bilden zusammen das Exekutivkomitee. 11 Die personelle Besetzung dieser Ämter in den Jahren 1972-1980, d. h. zwischen dem XX. Internationalen Kongress in Tokio und dem XXII. Internationalen Kongress in Leipzig, zeigt Tabelle 1.3. DIE BUNDESREPUBLIKANISCHE FÖDERATION DEUTSCHER PSYCHOLOGENVEREINIGUNGEN IN DER INTERNATIONAL UNION OF PSYCHOLOGICAL SCIENCE Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie bekundete ihr Interesse und ihre Bereitschaft von Beginn an, Mitglied in einer Internationalen Union von nationalen Psychologischen Fachgesellschaften zu werden. Sie zählt deshalb neben den Ländern Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz und den USA zu den elf Gründungsmitgliedern. Diese frühe Entscheidung zum Beitritt mag auch daher rühren, dass es seit Beginn der Internationalen Kongresse im Jahre 1889 kontinuierlich deutsche Vertreter in den Komitees zur Vorbereitung und Durchführung der bis dahin abgehaltenen internationalen Kongresse gegeben hatte. Außerdem suchten viele Psychologen im Nachkriegsdeutschland verstärkt nach internationalen Kontakten, die ihnen während der Herrschaft des Nationalsozialismus ab Ende der 1930er Jahre verwehrt worden waren. In der International Union of Psychological Science galt ab 1960 das Prinzip, dass jedes Mitgliedsland nur eine einzige Mitgliedschaft durch eine nationale Gesellschaft erwerben konnte. Dadurch wurde es für den seit 1946 in Westdeutschland bestehenden Berufsverband Deutscher Psychologen wegen der bereits wahrgenommenen Mitgliedschaft der Deutschen Gesellschaft für Psychologie nicht mehr möglich, Mitglied in der Union zu werden. Zur Vermeidung dieser Benachteiligung wurde die von den Mitgliederversammlungen 1958 des Berufsverbandes Deutscher Psychologen und 1959 der Deutschen Gesellschaft für Psychologie beschlossene Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen aus der Taufe gehoben und ins Vereinsregister eingetragen. 1964 stellte die Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen den Antrag, anstelle der Deutschen Gesellschaft für Psychologie Mitglied in der International Union of Scientific Psychology zu werden. Dieser Antrag wurde auf der Generalversammlung in Moskau 1966 beraten und angenommen.12 Diese Regelung besteht bis heute. 11 Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science (1975). Statutes and Rules of Procedure. 12 Arch IUPsS V. International Union of Psychological Science. Minutes of the meeting of the IUPS Assembly at Moscow, U.S.S.R, August 4, 6 and 8, 1966.
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Kapitel 1
Tabelle 1.3. Amtsinhaber der International Union of Psychological Science in der Zeit von 1972-1980
1972-1976
13
1976-1980
Präsident
J. Nuttin, Belgien
A. H. Summerfield, Großbritannien
Vizepräsident(en)
A. H. Summerfield,
R. Diaz-Guerrero, Mexico
Großbritannien
B. Lomow, UdSSR
Y. Tanaka, Japan Generalsekretär Stellvertretender Generalsekretär
W. H. Holtzman, USA G. de Montmollin, Frankreich
W. H. Holtzman, USA 1976-1978: G. de Montmollin, Frankreich 1978-1980: K. Pawlik, BRD
Schatzmeister
N. Mailloux, Kanada
N. Mailloux, Kanada (1976-1977) D. Bélanger, Kanada (1977-1980)
Weitere Mitglieder des Exekutivkomitees
J. Bruner, USA
M.O.A. Durojaiye, Nigeria
P. Fraisse, Frankreich
P. Fraisse, Frankreich
E. H. Jacobson, USA
M. Frankenhaeuser, Schweden
F. Klix, DDR
J. Guevara, Kuba
A. N. Leontjew,
F. Klix, DDR
UdSSR
J. Nuttin, Belgien
B. Lomow, UdSSR
M. Rosenzweig, USA
M. R. Rosenzweig, USA R. W. Russell, USA
R. Russel, Australien
T. Tomaszewski, Polen
T. Tomaszewski, Polen
Y. Tanaka, Japan
G. Westlund, Schweden
13 Rosenzweig, Marc R., Holtzman, Wayne H., Sabourin, Michel & Bélanger, David (2000). History of the International Union of Psychological Science (IUPsyS). Hove, East Sussex: Psychology Press.
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Mit der Gründung der internationalen Union hielt der Münchener Ordinarius für Psychologie, Philipp Lersch (1898-1972), ein Vertreter einer geisteswissenschaftlichen ausgerichteten Psychologie, Einzug in das Executive Committee der Union. Seine Mitgliedschaft für die Periode 1951-1954 wurde nicht verlängert. Auch mit dem Mainzer Ordinarius für Psychologie, Albert Wellek (1904-1972), Schüler der Leipziger Ganzheitspsychologie, trat ein deutscher Vertreter in den Generalversammlungen in der Union auf, dessen Auffassung von einer wissenschaftlichen Psychologie keine internationale Resonanz fand. Die westdeutschen Repräsentanten der Psychologie waren in den 1950er und 1960er Jahren fachlich gesehen wegen der von ihnen immer noch vertretenen Psychologie aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg international isoliert und fanden wissenschaftlich gesehen keinerlei Zustimmung auf der internationalen Bühne. Besonders die Vertreter aus Ländern der westlichen Welt ignorierten die überkommene deutsche primär geisteswissenschaftliche Psychologie, wie sie von den damaligen bundesrepublikanischen Vertretern in der Union noch hoch gehalten wurde. Auch musste es als Nachteil gelten, dass die westdeutschen Repräsentanten nur über sehr rudimentäre Kenntnisse der englischen Sprache verfügten. So kam es dazu, dass die bundesrepublikanische Psychologie in den Führungsgremien der Internationalen Union ab 1954 bis 1978 nicht mehr vertreten war. Welche weiteren Gründe haben zu der langen Pause von 24 Jahren geführt, in der die westdeutsche Psychologie keinen Vertreter mehr in den Führungsgremien der Union hatte? Einmal spielte die Dominanz von Vertretern der Leipziger Ganzheitspsychologie während der 1950er Jahre im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychologie eine Rolle. Bei diesen Wissenschaftlern lebte noch die Überzeugung weiter, dass die bis in die 1920er Jahre führende Rolle der deutschen Psychologie auch über den Zweiten Weltkrieg hinaus bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts gerettet werden könne. Dem Gedanken einer Internationalisierung der Psychologie standen sie wohl schon deshalb skeptisch gegenüber, weil sie sich noch immer in einer wissenschaftlichen Führungsrolle glaubten, die sie allerdings längst verloren hatten. Dass die von ihnen vertretenen wissenschaftlichen Überzeugungen in der Welt überhaupt keinen Widerhall mehr erfuhren, haben sie entweder ignoriert oder auch in Folge mangelhafter englischer Sprachkenntnisse nicht in vollem Umfang rezipieren können. Weiterhin kann vermutet werden, dass die Ereignisse um die Ausrichtung des XVI. Internationalen Kongresses für Psychologie im Jahre 1960 in Bonn eine bedeutende Rolle gespielt haben. Als Vorsitzender des General-Organisationskomitees war von deutscher Seite der Bonner Ordinarius für Psychologie, Friedrich Sander (1889-1971), bestimmt worden. Zusätzlich wählte ihn der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychologie zum Ende des Jahres 1959 auch zum Kongresspräsidenten, nachdem der ursprünglich in dieses Amt berufene Kongresspräsident Johannes von Allesch freiwillig zurückgetreten war. Gegen diesen Wechsel begann ein internationaler Sturm der Entrüstung, verbunden mit Boykottankündigungen, da man Sander eine intensive Verstrickung mit dem Nationalsozialismus vorwarf. An Sanders Stelle wurde schließlich Wolfgang Metzger (1899-1979) aus Münster zum neuen Kongresspräsidenten bestimmt. Ob damit eine Wahl getroffen worden war, die über jeden Verdacht bezüglich
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Kapitel 1
einer Verstrickung in der NS-Zeit erhaben war, kann heute auf Grund vorliegender Dokumente in Zweifel gezogen werden. Im Jahre 1960 lag allerdings die Arbeit von Prinz14 noch nicht vor, der diese Frage im Zusammenhang mit Wolfgang Metzger aufgeworfen hat. Zusätzlich wurde der in der NS-Zeit emigrierte Karl Bühler als Ehrenpräsident für den Bonner Kongress berufen. Diese um Friedrich Sander ausgetragene Affäre hat dem Renommee der westdeutschen Psychologie international schwer geschadet und hat vermutlich auch lange Nachwirkungen in der Form der Nichtberücksichtigung westdeutscher Repräsentanten in den Führungsgremien der International Union of Scientific Psychology gehabt. Da diese Affäre auch bei der Vorbereitung des Internationalen Psychologenkongresses 1980 in Leipzig eine Rolle spielte und bis heute aus unterschiedlichen Blickwinkeln diskutiert wird, soll in einem Exkurs darauf näher eingegangen werden. EXKURS: DIE SANDER-AFFÄRE 1960 Im September 1957 hatte die in der Bundesrepublik ansässige Deutsche Gesellschaft für Psychologie, damals noch alleiniges deutsches Mitglied in der International Union of Scientific Psychology, zum XVI. Internationalen Kongress für Psychologie für das Jahr 1960 nach Köln eingeladen. Inzwischen waren mehr als 60 Jahre vergangen, seit dem in Deutschland der letzte Internationale Kongress für Psychologie stattgefunden hatte. Ziel des Kongresses in der Bundesrepublik sollte es auch sein, die durch das Dritte Reich vertriebenen jüdischen Kolleginnen und Kollegen in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehren zu lassen. Als Kongresspräsident war Johannes von Allesch, Ordinarius für Psychologie an der Universität Göttingen, vom Executive Committee der Union vorgeschlagen und auch bestätigt worden.15 Diese Informationen wurden so bis zum Herbst 1959 veröffentlicht.16 Ende 1959 wurden jedoch die vorherigen Mitteilungen korrigiert. Der Kongress wurde nun nach Bonn verlegt, zum neuen Vorsitzenden des General-Organisationskomitees wurde jetzt Friedrich Sander, Ordinarius in Bonn, bestimmt.17 Sander war auch zuvor im September 1959 auf der Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Heidelberg zum dritten Mal nacheinander zum Vorsitzenden dieser wissenschaftlichen Gesellschaft gewählt worden. Damit fiel seine neue Amtszeit in die Zeitspanne, in der der XVI. Internationale Kongress in Bonn stattfinden sollte. In dessen Rahmen wäre dann Sander eine wichtige Rolle als Gastgeber zugefallen. Ende 1959 wählte der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychologie ihn nach dem Rücktritt von Johannes von Allesch zudem in die Funktion des Kongresspräsidenten. Hinter diesen eher nüchtern wirkenden Mitteilungen über 14 Prinz, Wolfgang (1985). Ganzheits- und Gestaltpsychologie im Nationalsozialismus. In Carl F. Graumann (Hrsg.). Psychologie im Nationalsozialismus (S. 89-111). Heidelberg: Springer. 15 Rosenzweig, Mark R., Holtzman, Wayne H., Sabourin, Michel & Bélanger, David (2000). History of the International Union of Psychological Science (IUPsyS). Hove, East Sussex: Psychology Press (S. 91). 16 Nachrichten der DGfPs (1959). Psychologie und Praxis, Heft 3, S. 223. 17 Nachrichten der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (1959). Psychologie und Praxis , Heft 4, S. 326.
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vorgenommene Amtswechsel verbirgt sich ein für die bundesrepublikanische Nachkriegspsychologie bedeutsames Ereignis, das auch von DDR-Psychologen aufgegriffen worden ist und über das hier im Zusammenhang mit dem Leipziger Kongress 1980 berichtet wird. Thema ist die Verstrickung der Psychologie und ihrer westdeutschen Repräsentanten in den Nationalsozialismus während der Zeit des Dritten Reiches. Bis zum Ende der 1950er Jahre wurde vor allem der Opfer des Nationalsozialismus in der Psychologie gedacht, die ins Ausland emigrieren mussten oder die vom NSRegime ermordet worden waren. Damit wurde der Eindruck erweckt, dass die Psychologie als Wissenschaft unter der NS-Herrschaft besonders zu leiden hatte und daher primär als Opfer der NS-Herrschaft zu gelten habe. Die umgekehrte Frage, in welcher Weise sich Psychologen aktiv im Nationalsozialismus politisch engagiert hatten, wurde nicht gestellt und auch nicht diskutiert. Dennoch gibt es Hinweise, in denen diese Ausblendungen erkannt und auch schriftlich dokumentiert wurden. So schrieb der Psychologe Helmut von Bracken (1899-1984), der sein Professorenamt in Braunschweig 1933 wegen seiner Weigerung verlor, Mitglied in der NSDAP zu werden, am 20.4.1956 in einem Brief an Wilhelm Peters in Würzburg: Es ist nicht richtig, daß nur eine kleine Zahl der deutschen Psychologen aktive Nazis waren. Nach meiner Abschätzung war es ein Drittel von ihnen. Ein anderes Drittel wurde hinausgeworfen. Die Psychologie gehört zu den Disziplinen, die am stärksten vernazt waren. Sie ist es vielleicht heute noch. Sonst hätte man nicht noch vor einem Jahr einen so prononzierten Nazi wie Sander zum Vorstand der Gesellschaft gewählt. [Anmerkung: 1955 wurde Sander erstmals zum Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Psychologie gewählt.]18
Aufgebrochen ist die Frage nach der aktiven Beteiligung von Psychologen am Nationalsozialismus dann Ende der 1950er Jahre an der Person von Friedrich Sander. Darüber berichtet Helmut von Bracken in seinem späteren Brief vom 26.2.1960 wiederum an Wilhelm Peters: Hörten Sie, daß Herr Sander Präsident des Internationalen Kongresses für Psychologie werden sollte? Der Vorstand der „Deutschen Gesellschaft“ hatte es bereits Ende vorigen Jahres beschlossen, nachdem Herr v. Allesch verärgert zurückgetreten war. Als die Ambitionen von Herrn Sander im Ausland bekannt wurden, erhob sich ein Sturm der Entrüstung; letzten Dienstag [Anmerkung: 23.2.1960] hat Herr Sander sich nun zurückgezogen.19
Schon gleich nach der Jahreswende 1959/60 kam es zu mehreren parallel laufenden Aktionen gegen die Nomination von Friedrich Sander, initiiert von Wissenschaftlern, die offensichtlich unabhängig voneinander fachöffentlich Stellung bezogen haben. Die eine geht auf Ferdinand Merz zurück, der damals Assistent bei Wilhelm Arnold an der Universität Würzburg war, wo auch der während der NS-Zeit nach England und danach in die Türkei vertriebene jüdische Psychologe Wilhelm Peters im Ruhestand
18 AWZ. Nachlass Wilhelm Peters, B2, BA14 II. Brief von Helmut von Bracken an Wilhelm Peters vom 20. 4. 1956. 19 AWZ, Nachlass Wilhelm Peters, BA1. Brief von Helmut von Bracken an Wilhelm Peters vom 26. 2. 1960.
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Kapitel 1
lebte. Er hatte als Jude 1933 seinen Lehrstuhl in Jena verlassen müssen. Eine zweite Aktivität startete die polnische, in der Schweiz lebende jüdische Psychologin Franziska Baumgarten-Tramer von Bern aus. Insbesondere die Initiativen der Letztgenannten sind in einem unveröffentlichten Bericht von Dieter Heller und Edelgard Daub20 dokumentiert. Eine weitere Aktion gegen Sander starteten Reinhold Bergler und Klaus Haupt, beide damals Assistenten bei Hans Thomae in Erlangen. Thomae hatte – berichtet Geuter – aus dem Ausland Proteste gegen die Nominierung von Sander als Kongresspräsident erhalten.21 Aus den genannten Dokumenten und weiteren Quellen lässt sich eine zeitlich genaue Rekonstruktion der Affäre um Friedrich Sander erstellen. Ein halbes Jahr später kam es auch zu einer Initiative aus der DDR. Nach eigenem Bekunden, so berichten Heller und Daub, verfasste Ferdinand Merz um die Jahreswende 1959/60 seinen Artikel mit dem Titel Amerikanische und deutsche Psychologie als Rezension eines gleichnamigen Buches von Rudolf Holzner. Dieser Artikel erschien im Heft 2 (April-Juni) 1960 der Zeitschrift Psychologie & Praxis. Darin wurde ohne Namensnennung ein starkes nationalsozialistisches Zitat eines deutschen Ganzheitspsychologen wiedergegeben, in dem die Fachwelt Friedrich Sander als Autor erkannte. Zeitlich parallel dazu schrieb Franziska Baumgarten-Tramer am 12. Januar 1960 einen Brief 22 an Walter Blumenfeld23, dass sie etwas gegen den geplanten Kongress in Bonn unter Sanders Führung unternehmen wolle. Außerdem teilte sie in diesem Brief mit, dass sie an das Mitglied des Exekutivkomitees der International Union of Scientific Psychology, Henri Piéron in Paris, geschrieben habe und ihm den Vorschlag machte, den für Bonn geplanten Kongress in die Schweiz oder in ein anderes Land zu verlegen. Schon wenig später, am 21. Januar 1960, schrieb sie erneut an Blumenfeld. Diesmal teilte sie mit, dass sie inzwischen einen Brief von Wilhelm Peters erhalten habe, in dem Sander als schwerer Nazi bezeichnet wurde: Neben anderen reizenden Leistungen hat er seinerzeit einen Artikel in der Zeitschrift Nationalsozialistische Erziehung geschrieben, in dem Hitler ein genialer Psychologe von Gottes Gnaden genannt wird, in dem von der ‚Ausschaltung des parasitisch wuchernden Judentums’ und davon gesprochen wird, daß
20 Heller, Dieter & Daub, Edelgard (1995). Franziska Baumgarten-Tramer: Unveröffentlichte Quellen zur Psychotechnik und zur Ethik der Angewandten Psychologie. Bericht zum DFG-Projekt Az.: He 1192/4-1. Aachen: Institut für Psychologie der RWTH. 21 Geuter, Ulfried (1980). Institutionelle und professionelle Schranken der Nachkriegsauseinandersetzungen über die Psychologie im Nationalsozialismus. Psychologie und Gesellschaftskritik, 4 (1/2), S. 539/23. 22 Heller, Dieter & Daub, Edelgard (1995). Franziska Baumgarten-Tramer: Unveröffentlichte Quellen zur Psychotechnik und zur Ethik der Angewandten Psychologie. Bericht zum DFG-Projekt Az.: He 1192/4-1. Aachen: Institut für Psychologie der RWTH (S. 51). 23 Der jüdische Ingenieur und Psychologe Walter Blumenfeld (1882-1967) wurde im Jahre 1934 seines Amtes als Hochschullehrer an der TH Dresden enthoben und emigrierte in die Schweiz. Dort erreichte ihn 1935 ein Ruf an die Universität Lima in Peru, wohin er noch im selben Jahr auswanderte (nach Traxel, Werner (1988). Walter Blumenfeld: Jugend als Konfliktsituation [Einleitung]. Passau: Passavia Universitätsverlag.)
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die deutsche Psychologie der Gegenwart und die nationalsozialistische Weltanschauung auf das gleiche Ziel gerichtet sind: auf Ganzheit und Gestalt.24
Angegeben wurde von Peters auch ein Zeitschriftenartikel, in dem Sander die später immer wieder zitierten nationalsozialistischen Sätze publiziert hatte. Am 14. März 1960 schrieben Reinhold Bergler und Klaus Haupt an die westdeutschen Psychologie-Ordinarien, die sich in Bonn im März 1960 versammeln wollten, einen Brief mit Nennung des 1937 von Sander verfassten Artikels und Textauszügen daraus in einer Anlage: Herr Professor Dr. F. Sander hat 1937 einen Artikel über „Deutsche Psychologie und Nationalsozialistische Weltanschauung“ veröffentlicht. Wir glauben, daß es beim gegenwärtigen Stand der Diskussion (erneute Wiederwahl zum 1. Vorsitzenden der DGfPs, Wahl zum Präsidenten des Internationalen Kongresses und Empfehlung zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes) unerläßlich ist, Sie von einigen den Gesamtinhalt mitbestimmenden Ausschnitten dieser Arbeit in Kenntnis zu setzen. Es ist unsere Meinung, daß Persönlichkeiten heute zur Zurückhaltung verpflichtet sind, die sich während des Dritten Reiches in dieser Weise so unmißverständlich exponiert haben. Gerade für die Deutsche Psychologie ist es sehr unangenehm, wenn eine breitere Öffentlichkeit als die in diesem Falle angeschriebenen Ordinarien für Psychologie der westdeutschen Universitäten informiert werden. Um dies zu vermeiden, möchten wir Sie auf diesem Wege bitten, geeignete Schritte zu unternehmen, um das Ansehen unserer Disziplin nach außen hin zu wahren.25
Angegeben wird von den Autoren des Briefes auch der Fundort des Sander-Artikels, die Bayrische Staatsbibliothek in München. Gleichzeitig wandte sich Wilhelm Peters mit persönlichen Briefen an das Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Albert Wellek in Mainz, sowie an Udo Undeutsch in Köln und gab ihnen die Empfehlung, Sander solle „lautlos“, z. B. aus gesundheitlichen Gründen, zurücktreten: Ich will mich jeder Wertung enthalten und bin der letzte, der richten wollte oder könnte, aber es ist eine Tatsache, daß der Name Sander in der internationalen Kollegenschaft Reminiszenzen auslöst, die wir nicht auslösen dürfen, wenn wir uns nicht dem Verdacht aussetzen wollen, daß wir das geschehene Unrecht wohl zu verdrängen nicht aber zu erledigen bereit sind. Dieser Tatsache sollten wir – ungeachtet ihrer sachlichen Berechtigung – Rechnung tragen, und wir werden ihr Rechnung tragen müssen, wenn wir die Möglichkeit von Skandalen ausschließen wollen, die der deutschen Psychologenschaft am wenigsten wohl bekämen. Es wäre realistisch und vernünftig, wenn Herr Sander lautlos – z. B. aus Gesundheitsrücksichten – beiseite träte und wenn die DGfP – möglichst ohne Stunk – einen für das Ausland akzeptablen und für uns repräsentativen Mann zum Präsidenten des Kongresses wählen würde.26
Über das Treffen der westdeutschen Psychologie-Ordinarien im März 1960 in Bonn berichtete Helmut von Bracken in einem Brief an Wilhelm Peters:
24 Heller, Dieter & Daub, Edelgard (1995). Franziska Baumgarten-Tramer: Unveröffentlichte Quellen zur Psychotechnik und zur Ethik der Angewandten Psychologie. Bericht zum DFG-Projekt Az.: He 1192/4-1. Aachen: Institut für Psychologie der RWTH (S. 51f.). 25 Privatbesitz. Brief von Klaus Haupt und Reinhold Bergler an die westdeutschen Ordinarien für Psychologie vom 14. 3. 1960. 26 Privatbesitz. Brief von Wilhelm Peters an Albert Wellek, vom 14. 3. 1960.
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Kapitel 1 Herr Arnold [Anmerkung: Ordinarius für Psychologie in Würzburg, wo Wilhelm Peters lebte] wird Ihnen wohl von der Sitzung in Bonn erzählt haben. Herr Wellek war ganz isoliert. Ich fand ohne weiteres Resonanz bei den Kollegen, als ich seine scharfen Worte gegen Sie zurückwies; dazu, Ihren Brief an ihn vorzulesen, kam es gar nicht.27
Am 18. März 1960 berichtete auch Baumgarten-Tramer über Blumenfeld an Betti Katzenstein28 über die Vorgänge bei den Kongressvorbereitungen: Sander hat von Allesch aus seiner Stellung als Präsident ... hinausgeekelt ... . Nun erhielt Klineberg [Anmerkung: Generalsekretär der International Union of Scientific Psychology] aus allen Weltteilen Proteste auf Grund der von mir versandten Fotokopien und Schreiben. ... Sander hat ... auf alle öffentlichen Chargen verzichtet.29
Anders, als Geuter30 es dargestellt hat, sind von Allesch und Sander nicht gleichzeitig zurückgetreten. Der Erstgenannte trat bereits Ende 1959 zurück, Sander danach am 23. Februar 1960. Auch sind die Rücktritte beider Personen aus unterschiedlichen Gründen erfolgt: Von Allesch gab aus Verärgerung sein Amt des Kongress-Präsidenten zurück, Sander wurde zu seinem „freiwilligen“ Rücktritt durch massiven Druck gezwungen. Es wurde schließlich mitgeteilt, dass im Einvernehmen mit dem Exekutiv-Komitee der International Union of Scientific Psychology das Präsidentenamt des Bonner Kongresses an Prof. Dr. Wolfgang Metzger, Münster, übertragen wurde und dass dieser auch den Vorsitz beim General-Organisationskomitee übernehmen würde.31 Eine Sitzung des Exekutiv-Komitees habe am 11.4.1960 in Würzburg stattgefunden. Damit war auch offiziell ein Schlußstrich unter die Sander-Affäre gezogen worden. Zur Verleihung eines Bundesverdienstkreuzes an Sander ist es auch nicht mehr gekommen. Der Vorgang wurde 1960 auch von DDR-Seite aufgegriffen. Zielrichtung war es, den Nachweis einer faschistisch geführten Psychologie in der Bundesrepublik zu erbringen, die sich wie ihre Wissenschaftliche Gesellschaft ganz an der Hallstein-Doktrin orientiere. Am 9. Juni 1960, also knapp vier Monate, nachdem durch Rücktritt die Affäre Sander in der Bundesrepublik beendet werden konnte, erschien in der DDR in der Wissenschaftlichen Beilage der Zeitschrift Forum, Organ des Zentralrates der Freien Deutschen Jugend (FDJ), ein vierseitiger Artikel mit der Überschrift: Zur Situation in der westdeutschen Psychologie. Dieser Beitrag war nicht gezeichnet, soll aber unter der Leitung von Gerhard Rosenfeld unter der Mitwirkung von Konrad Lüning,
27 AWZ, Nachlass Wilhelm Peters, BA1. Brief von Helmut von Bracken an Wilhelm Peters vom 19.3.1960. 28 Betti Katzenstein (1906-1981), jüdische Psychologin, Schülerin von William Stern in Hamburg, verlor 1933 ihre Anstellung und emigrierte nach vorheriger Verhaftung durch die Gestapo über die Schweiz nach Brasilien. 29 Heller, Dieter & Daub, Edelgart (1995). Franziska Baumgarten-Tramer: Unveröffentlichte Quellen zur Psychotechnik und zur Ethik der Angewandten Psychologie. Bericht zum DFG-Projekt Az.: He 1192/41. Aachen: Institut für Psychologie der RWTH (S.52f.). 30 Geuter, Ulfried (1980). Institutionelle und professionelle Schranken der Nachkriegsauseinandersetzungen über die Psychologie im Nationalsozialismus. Psychologie und Gesellschaftskritik, 4 (1/2), S. 539/23. 31 Mitteilungen des Berufsverbandes Deutscher Psychologen (1960). Psychologische Rundschau, 11, S. 222.
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Hans-Dieter Schmidt, Adolf Kossakowski und Joachim Lompscher geschrieben worden sein.32 Hans-Dieter Schmidt hat seine Beteiligung an diesem Artikel selber dokumentiert: „1960 beteiligte ich mich an einer publizistischen Aktion, die primär gegen die Machenschaften des Vorstandes der (West-) Deutschen Gesellschaft für Psychologie in den Nachkriegsjahren bis 1960 gerichtet war.“33 Der Aufsatz in Forum befasste sich mit der Leipziger Schule der Ganzheitspsychologie und den zu diesem Kreis gehörenden bzw. nahestehenden Wissenschaftlern: Felix Krueger, Albert Wellek, Friedrich Sander, Johannes Rudert und auch mit Philipp Lersch. Aus Werken dieser Autoren wurden Textstellen mit eindeutigen nationalsozialistischen Bezügen zitiert und als faschistisches Gedankengut gebrandmarkt. Weiterhin wurde ausgeführt, dass gerade diese Vertreter der Ganzheitspsychologie in der bundesdeutschen Nachkriegspsychologie wieder Schlüsselpositionen in der Psychologie besetzt hätten. Das traf für die Vorstände der Deutschen Gesellschaft für Psychologie und insbesondere Friedrich Sander auch weitgehend zu. Von den Autoren wurde daraus ein einseitiges Gesamtbild einer faschistischen Nachkriegspsychologie in der Bundesrepublik entworfen. Damit wurde gleichzeitig ein von der DDR-Politik vorgegebenes Ziel umgesetzt, das in der Absetzung von allen sogenannten bürgerlichen und imperialistischen, insbesondere westdeutschen Psychologie-Richtungen bestand. Dass sich gerade im Jahre des Erscheinens dieses Artikels, 1960, ein großer Umbruch in der bundesrepublikanischen Psychologie ereignet hatte – ausgehend von der ersten Ostertagung experimentell arbeitender Psychologen in Marburg 1959 unter der Leitung von Heinrich Düker – und dass auch der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychologie nach der Sander-Affäre im März 1960 ganz neu besetzt worden war, wird nicht erwähnt. Mit einbezogen in einen Kreis von „Verdächtigen“ wurden Johannes von Allesch und Kurt Gottschaldt. Bei der Nennung des Namens von Allesch, dessen Rücktritt als KongressPräsident offensichtlich mit Auseinandersetzungen innerhalb des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Psychologie zu tun hatte, handelte es sich wohl eher um eine „Generalabrechnung“ mit der westdeutschen Psychologie der 1950er Jahre, die gerade bei von Allesch als völlig unzutreffend gesehen werden muss. Wie sich aus den Personalakten des Göttinger Ordinarius für Psychologie eindeutig ergibt, ist von Allesch weder Mitglied der NSDAP noch irgendeiner anderen nationalsozialistischen Gruppierung wie der SA oder der SS gewesen.34 Er hat nachweislich dem Hitler-Regime auch nicht geistig nahe gestanden und mit ihm nicht sympathisiert, was übrigens auch seine schützende Haltung Heinrich Düker gegenüber nahe legt. Eingeflochten in dem ForumArtikel wurden zusätzlich politische und ideologische Argumente, die dem Wohlgefallen des Zentralkomitees der SED als Auftraggeber dieser Publikation gedient haben mögen.
32 Friedrich, Walter (2009). Das erste Psychologie-Institut der Welt. Die Leipziger Universitätspsychologie 1879-1980. Leipzig: Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen (S. 231). 33 Schmidt, Hans-Dieter (1997). Texte zwischen Ja und Nein. Selbstbefragung eines DDR-Psychologen. Bielefeld: Kleine Verlag (S. 58). 34 Archiv der Georg-August-Universität Göttingen. Personalakte Johannes von Allesch.
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Kapitel 1
Komplizierter ist wohl der Zusammenhang des Forum-Artikels mit der Person Kurt Gottschaldt zu sehen. Sven Ebisch, der über den Wissenschaftler Kurt Gottschaldt wissenschaftshistorische Nachforschungen betreibt, hat darauf hingewiesen, dass der Forum-Artikel auch als Pamphlet gegen Gottschaldt einzuschätzen ist.35 In der Zeit um 1960 wurde in der DDR die Kritik an Gottschaldt lauter, der bis dahin die konkurrenzlos dominierende Person in der DDR-Psychologie war. Diese Kritik speiste sich aus sehr unterschiedlichen Quellen: Einmal geriet er mit seiner als „bürgerlich“ klassifizierten Psychologie zunehmend in Gegensatz zu den von der SED propagierten Vorgaben, eine marxistisch-leninistische Psychologie nach sowjetischem Vorbild für die DDR aufzubauen. Auch wurde seine Mitgliedschaft als ostdeutscher Vertreter im Vorstand der westdeutschen Deutsche Gesellschaft für Psychologie nicht gern gesehen. Weiterhin mag sein nichtkonformistisches Verhalten als Wissenschaftler und DDRBürger Kritik an seiner Person ausgelöst haben. Schließlich hat auch wohl Gottschaldt selber den Forum-Artikel als Angriff auf seine Person empfunden, womit die von Sven Ebisch vertretene Interpretation untermauert wird. So schrieb Gottschaldt kurz nach dem Erscheinen des Forum-Artikels am 17.6.1960 an den Präsidenten der Deutschen Akademie der Wissenschaften, Hartke: Nachdem der von Sander verfaßte, abscheuliche und empörende Aufsatz den übrigen Mitgliedern des Vorstandes [Anmerkung: gemeint ist der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychologie] bekannt gemacht wurde, ist Professor Sander veranlaßt worden, von allen Ämtern zurückzutreten. ... Da der Forum-Artikel dahin mißverstanden werden kann, daß ich mit der kritisierten ehem. Leipziger Gruppe zusammenarbeite, lege ich Wert darauf festzustellen, daß ich im Gegenteil als Mitglied des Vorstandes Professor Wellek – Mainz abgelöst habe. 36
Und aus mehr oder weniger verklausulierten Formulierungen von Friedhart Klix, die er in einem Interview mit Stefan Busse gemacht hat, lässt sich ebenfalls herauslesen, dass der Forum-Artikel auch ein Angriff auf Gottschaldt war: Es hat auch ideologisch gezielte Polemiken gegen Wissenschaftler in der DDR gegeben, z. B. gegen Professor Winnefeld in Halle oder auch gegen die Zeitschrift für Psychologie [Anmerkung: Gottschaldt war bis 1962 Herausgeber dieser Zeitschrift]. Ich habe solche Texte nicht gemocht, und ich war an ihrer Abfassung nicht beteiligt.37
Zweifellos ist es als Skandal zu bezeichnen, dass sich die westdeutsche Psychologie so lange nicht aus ihrer Verstrickung in den Nationalsozialismus lösen konnte. Andererseits hat die Darstellung der DDR-Autoren verschwiegen, dass es eine neue Generation westdeutscher Psychologen war, die an der Aufdeckung des Skandals beteiligt war. Damit schreiben die Autoren des Forum-Artikels die alleinigen Verdienste um die Aufklärung zu Unrecht sich selber zu.
35 Ebisch, Sven. Mündliche Mitteilung vom 26. 2. 2010. 36 BBAW Arch. Bestand AKL (1945-1968) Nr. 91. Akademieleitung Naturwissenschaftliche Einrichtungen, Arbeitsstelle für experimentelle und angewandte Psychologie. 37 Busse, Stefan (1996). Psychologie im Real-Sozialismus. DDR-Psychologen im Interview. Pfaffenweiler: Centaurus (S. 136).
Internationale Kongresse, Psychologische Gesellschaften
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Die Erinnerung an die Sander-Affäre und an den Forum-Artikel lebt bis heute weiter. In seinem kürzlich veröffentlichten Buch kommentiert Walter Friedrich dieses Ereignis so: Als 1960 der XVI. Internationale Kongress für Psychologie in Bonn vorbereitet wurde, war klar, daß Sander auch dort Vorsitzender des Organisationskomitees sein würde. Das wäre eine weitere Brüskierung der zahlreichen deutschen Emigranten und aller antifaschistischen eingestellten Psychologen gewesen. Deshalb wurde dies zum Anlass einer planmäßig vorbereiteten, auch vom ZK der SED unterstützten Aktion Berliner Psychologen um Gerhard Rosenfeld genommen, zu denen noch Konrad Lüning, Hans-Dieter Schmidt, Adolf Kossakowski und Jochen Lompscher gehörten, die in der StudentenZeitschrift „Forum“ einen aufsehenerregenden Artikel veröffentlichten (vgl. „Zur Situation ...“, ForumBeilage v. 9.6.1960). Dieser wurde Wochen vor dem Kongress [Anmerkung: der Bonner Kongress fand vom 31.7. bis zum 6.8.1960 statt] an über 200 Persönlichkeiten und Institutionen gesandt, in dem klare Belege zu Biographie, politischer Mentalität und Verhalten der „ehemaligen Leipziger Schreibtischtäter“ mitgeteilt wurden. Diese Aktion hatte spektakuläre Folgen: der bisherige Vorstand der DGfPs trat noch vor Eröffnung des Internationalen Kongresses spontan zurück. ... 38
Diese Darstellung ist offensichtlich unzutreffend. Wie von Heller und Daub (1995) und auf Grund weiterer ausgewerteter Dokumenten rekonstruiert werden konnte, wurde die Sander-Affäre von den oben genannten Personen aufgerollt und zur Entscheidung gebracht. Diese sind in erster Linie Wilhelm Peters, Ferdinand Merz, Franziska Baumgarten-Tramer sowie Reinhold Bergler und Klaus Haupt. Ferdinand Merz verband ein enges und freundschaftliches Verhältnis mit Wilhelm Peters, und beide lebten in Würzburg. Zu vermuten ist, dass Wilhelm Peters als zentrale Figur den Stein ins Rollen brachte. Seine Briefe an Wellek und an Undeutsch belegen das genauso wie ein Zeitzeugenbericht von Reinhold Bergler: Aus meiner Würzburger Assistentenzeit (1954-1957) kannte ich außerdem Ferdinand Merz und Wilhelm Peters. Auch in diesem Kontext wurde das Thema Sander immer einmal wieder angeschnitten, ohne dass uns aber die literarischen Belege zur Verfügung standen. Ich wusste also zum Zeitpunkt unserer Versendung der belastenden Unterlagen, dass in Würzburg auch die Thematik Sander aktuell war und bekam dann nach unserer Versendung auch die Durchschriften von Briefen, die Peters an Undeutsch und Wellek praktisch zeitgleich, wenn auch ohne wechselseitige Absprache versandt hat.39
Es war Franziska Baumgarten-Tramer, die sowohl einige Präsidiumsmitglieder der International Union of Scientific Psychology als auch die Öffentlichkeit der Psychologen über Sanders Vergangenheit schon zu Jahresbeginn 1960 informierte, wodurch es zum Rücktritt von Sander kam, der schon am 23.2.1960 erfolgte. Wenn der Forum-Artikel schon gleich am Erscheinungstag, also am 9.6.1960, versandt worden ist, geschah dieses immerhin fast vier Monate nach dem bereits vollzogenen Rücktritt von Sander und weiterer Vorstandsmitglieder und ein halbes Jahr nach der Bekanntmachung von Sanders nationalsozialistischer Vergangenheit. Es war demnach nicht der Forum-Artikel, dem die „spektakulären Folgen“ zugeschrieben werden müssen.
38 Friedrich, Walter (2009). Das erste Psychologie-Institut der Welt. Die Leipziger Universitätspsychologie 1879 – 1980. Leipzig: Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen (S. 231). 39 Bergler, Reinhold. Schriftliche Mitteilung vom 29. 3. 2010.
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DIE GRÜNDUNG DER GESELLSCHAFT STELLUNG IM PARTEISTAAT DER DDR
Kapitel 1
FÜR
PSYCHOLOGIE (IN)
DER
DDR
UND DEREN
Nachdem die Teilung Deutschlands in zwei Staaten sich vertieft hatte, war aus Sicht der DDR die Gründung einer eigenen Gesellschaft für Psychologie unvermeidlich geworden. Der Start zur Gründung einer DDR-Gesellschaft für Psychologie erfolgte aber erst am 13. Oktober 1961.40 Exakt zwei Monate nach dem Mauerbau durch die DDR beschloss der Wissenschaftliche Beirat für Psychologie beim damaligen Staatssekretariat für das Hoch- und Fachschulwesen die Einrichtung einer Initiativkommission, die einen Antrag zur Gründung einer Wissenschaftlichen Gesellschaft für Psychologie in der DDR ausarbeiten sollte. Unter dem Vorsitz von Werner Straub aus Dresden gehörten diesem Ausschuss die Mitglieder Werner Fischel, Hans Hiebsch, Friedhart Klix, Helmut Kulka, Konrad Lüning, Gerhard Rosenfeld und Hans Szewczyk an.41 Der Wissenschaftliche Beirat für Psychologie beim Staatssekretariat für das Hochund Fachschulwesen war 1959 neu besetzt worden. Er diente der Erarbeitung von zentralen Studienplänen und von Berufsbildern, der Organisation von Kongressen, Symposien und Kolloquien sowie der Herausgabe der aperiodisch erscheinenden Reihe „Probleme und Ergebnisse der Psychologie“. Er rief auch die sog. DDR-Kolloquien ins Leben, mit denen eine neue Richtungsbestimmung für einen eigenen Weg der Psychologie in der DDR erreicht werden sollte (s. später S. 58).42 Die herkömmliche und als „bürgerlich“ bezeichnete Psychologie sollte mit diesen wissenschaftlichen Kolloquien in der Form von Meinungsstreiten endgültig überwunden werden. Der Beirat beriet auch, wer als Reisekader ausländische Kongresse besuchen durfte. Dass Diskussionsteilnehmer aus diesen Runden, die sich nicht eindeutig hinter eine ideologisch ausgerichtete neue DDR-Psychologie stellten, damit auch keine Ausreisegenehmigungen erwarten durften, war sicherlich eine gewollte Konsequenz. Damit war der Beirat nicht nur mit Problemen der Psychologie innerhalb der DDR beschäftigt, sondern übte auch eine konsequenzenreiche Richtungsorientierung auf die Wissenschaftler aus. Als nun durch den Mauerbau Kontakte zu westlichen Instituten und Kolleginnen und Kollegen zusätzlich noch sehr erschwert oder sogar ganz unterbunden wurden, als auch die bis dahin noch aufrecht erhaltenen Mitgliedschaften in der westdeutschen Deutsche Gesellschaft für Psychologie beendet werden sollten, ein Besuch der Kongresse in der Bundesrepublik verunmöglicht wurde und auch der im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychologie freigehaltene Vorstandsposten für ein ostdeutsches Mitglied nicht mehr wahrgenommen werden konnte, richtete der Wissenschaftliche Beirat eine Kommission 40 Eckardt, Georg & Dumont, Kitty (2004). Das Verhältnis zwischen der Gesellschaft für Psychologie der DDR und der Deutschen Gesellschaft für Psychologie als Abgrenzung und Annäherung. Psychologische Rundschau, 55 (Suppl. 1), 72-77. 41 Strocka, Cordula (2001). Die Gesellschaft für Psychologie der DDR im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichem Anspruch und politisch-ideologischer Ausrichtung. Eine Analyse der Kongresse 1964-72. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Psychologie. 42 Eckardt, Georg & Dumont, Kitty (2004). Das Verhältnis zwischen der Gesellschaft für Psychologie der DDR und der Deutschen Gesellschaft für Psychologie als Abgrenzung und Annäherung. Psychologische Rundschau, 55 (Suppl. 1), 72-77.
Internationale Kongresse, Psychologische Gesellschaften
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mit dem Auftrag ein, die Gründung einer Gesellschaft für Psychologie in der DDR vorzubereiten. Damit entsprach der Beirat den verfolgten Zielen der DDR-Politik, die in einer strikten Abtrennung von der Bundesrepublik bestanden. Walter Mäder43 beschuldigte die westdeutsche Deutsche Gesellschaft für Psychologie sogar, den Alleinvertretungsanspruch für alle deutschen Psychologen beanspruchen zu wollen und damit weisungsgebunden der Hallstein-Doktrin zu unterliegen. Schon im November 1961 legte die Initiativkommission des Wissenschaftlichen Beirats einen Satzungsentwurf vor und reichte ihn zusammen mit dem Antrag auf Genehmigung zur Gründung einer Wissenschaftlichen Gesellschaft für Psychologie beim Staatssekretariat für das Hoch- und Fachhochschulwesen ein. Am 19. Oktober 1962 wurde schließlich die Gesellschaft für Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik gegründet.44 Laut §3 ihres Statuts von 1969 war die Gesellschaft für Psychologie der DDR eine Vereinigung „ausgebildeter Psychologen, Vertretern von Nachbarwissenschaften, sowie Personen, die an der Entwicklung der Psychologie interessiert sind und sich wissenschaftlich ausgewiesen haben“.45 Ihre Mitgliederversammlung wurde regelmäßig alle drei Jahre während der Kongresse der Gesellschaft einberufen (Statut § 5). § 6 des Statuts lautet: Die Gesellschaft wird vom Vorstand geleitet. Dem Vorstand gehören an: der Vorsitzende, zwei stellvertretende Vorsitzende, zwei Vorstandsmitglieder, die Vorsitzenden der Sektionen und der ständige Sekretär. Die Vorstandsmitglieder – außer dem ständigen Sekretär – werden mindestens alle drei Jahre von der Mitgliederversammlung gewählt. Sie wählen aus ihrer Mitte den Vorsitzenden und seine Stellvertreter. Wiederwahl ist zulässig. … Der Sekretär … wird vom Vorstand im Einvernehmen mit dem Ministerium für das Hoch- und Fachschulwesen bestimmt. 46
Vorsitzender der Gesellschaft für Psychologie der DDR war seit ihrer Gründung im Jahre 1962 Prof. Dr. Werner Straub, Technische Universität Dresden. Ihm folgte 1968 Prof. Dr. Friedhart Klix, Sektion Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin. Klix wurde 1972 in das Exekutivkomitee der International Union of Psychological Science gewählt und übernahm danach zunehmend viele Aufgaben bei der Kongressvorbereitung. 1975 löste ihn deshalb Prof. Dr. Adolf Kossakowski, Institut für Pädagogische Psychologie der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR, Berlin, im Vorsitz der Gesellschaft ab. Die Sektionen der Gesellschaft wurden während der Zeit der Kongressvorbereitungen geleitet von den Proff. Drs. Winfried Hacker, Dresden
43 Mäder, Walter (1989). Zeitgeschichtliche Aspekte und Zusammenhänge der Entstehung und Entwicklung der Gesellschaft für Psychologie der DDR. In Georg Eckardt, Walter Mäder & Lothar Sprung (Hrsg.), Psychologiehistorische Manuskripte (Band 2, S. 44-53). Berlin: Gesellschaft für Psychologie der DDR 44 Mitteilung über die Konstituierung der Gesellschaft für Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik (1963). Probleme und Ergebnisse der Psychologie, 8, 96. 45 BArch DR 3 2. Schicht B 684d. Gesellschaft für Psychologie der Deutschen Demokratischen Republik. Statut (gültig ab 31.3.1969). 46 a. a. O.
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Kapitel 1
(Arbeits- und Ingenieurspsychologie), Hans-Dieter Rösler, Rostock (Klinische Psychologie) und Manfred Vorwerg (Sozialpsychologie). Sekretär war Dr. Jürgen Rückert.47 In der Gründungsversammlung am 19.10.1962 wurde ein zu beschließender Statutenentwurf vorgelegt, der von der 1961 ursprünglich beim Staatssekretariat eingereichten Fassung im „Paragraph 2 Aufgaben“ bemerkenswert abwich. Während in der Entwurfsfassung von 1961 der entsprechende Paragraph 2 nach fachlichen Gesichtspunkten formuliert und ideologiefrei gehalten war und daher auch keine politischideologischen Formulierungen enthielt, traf das für die von politischer Seite genehmigte 1962-Fassung des Statuts nicht mehr zu. Diese enthielt nun die folgenden Passagen: §2. Die Gesellschaft stellt sich das Ziel, verantwortlich an der Erfüllung der gesellschaftlichen und staatlichen Aufgaben in der DDR, insbesondere bei der Entwicklung der Volkswirtschaft und der Volksbildung, mitzuwirken und damit dem Frieden und dem Aufbau des Sozialismus in der DDR zu dienen. Sie trägt dazu bei, die Psychologie auf der Grundlage des dialektischen und historischen Materialismus weiterzuentwickeln und fördert den wissenschaftlichen Meinungsstreit. … . Sie tritt unwissenschaftlichen Auffassungen entgegen und sieht eine ihrer wichtigsten Aufgaben in der Auseinandersetzung mit antihumanistischen und imperialistischen Theorien. Hierbei unterstützt sie besonders alle Wissenschaftler Westdeutschlands, die im Sinne des Humanismus, der Demokratie und des gesellschaftlichen Fortschritts wirken. Sie strebt die Mitgliedschaft in der „Internationalen Vereinigung der wissenschaftlichen Psychologen“ an. Diese Aufgaben werden vor allem erfüllt: Durch die Förderung der Forschungsarbeit und durch regelmäßige Tagungen und Kolloquien; durch die Auswertung und Verbreitung der Erkenntnisse, besonders der sowjetischen Psychologie, der Psychologie der Volksdemokratien und der progressiven Leistungen des übrigen Auslandes; durch die Entwicklung von Beziehungen zu den entsprechenden wissenschaftlichen Gesellschaften und Institutionen, besonders der Sowjetunion und der Volksdemokratien. 48
Obwohl Dokumente und Schriftwechsel zu diesem Vorgang bisher nicht gefunden wurden, schreibt Strocka (2001) diesen Vorgang der Ideologisierung des verabschiedeten Gründungsstatuts dem Diktat der Abteilung Wissenschaften beim Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zu, die als politische Instanz ihre Zustimmung zur Satzung und zur Gründung der Gesellschaft für Psychologie in der DDR geben musste. Der schon bei der Gründung der Gesellschaft für Psychologie in der DDR vollzogene Eingriff einer hohen politischen Institution, hier des Sekretariats des Zentralkomitees der SED, zeigt eindrücklich, wie selbst schon eine Vereinsgründung in der DDR politisch kontrolliert worden ist. Um die Wege genauer kennen zu lernen, auf denen in der DDR Kontrolle von staatlicher und politischer Seite ausgeübt worden ist, soll in den folgenden Abschnitten dargestellt werden, wie durch Staat und Politik in einer institutionellen Doppelstruktur kontrolliert und entschieden wurde. Erst das oft langwierige Durchlaufen dieser Doppelstruktur führte zu einer staatlich und politisch abgesegneten Genehmigung oder Ablehnung eines gestellten Antrages. 47 Strocka, Cordula (2001). Die Gesellschaft für Psychologie der DDR im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichem Anspruch und politisch-ideologischer Ausrichtung. Eine Analyse der Kongresse 1964-72. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Psychologie. 48 a. a. O. (S. 35).
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Die politische Macht und Kontrolle wurde von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands ausgeübt. Ihre Organisation war durch ein Statut geregelt. Oberstes Organ der Partei war der Parteitag, die Generalversammlung der Parteimitglieder. Der Parteitag, der in Abständen von fünf Jahren zusammentrat, wählte ein Zentralkomitee, das seinerseits als zentrales Führungsgremium ein Politbüro sowie ein Sekretariat wählte. Das Sekretariat des Zentralkomitees bestand aus mehreren Mitgliedern, die unter Leitung eines Generalsekretärs tätig waren.49 Eines der Mitglieder war der für den Bereich „Kultur und Wissenschaft“ zuständige Sekretär Prof. Dr. Kurt Hager, der während der gesamten Zeit der Kongressvorbereitung der zuständige Sekretär für diesen Bereich war. Generalsekretär war bis Mai 1971 Walter Ulbricht, ab Juni 1971 dann Erich Honecker. Das Sekretariat „Kultur und Wissenschaft“ gliederte sich wiederum in mehrere Abteilungen. Für den Bereich der Wissenschaft war die Abteilung „Wissenschaften“ zuständig. Leiter der Abteilung Wissenschaften war während der gesamten Zeit der Kongressvorbereitung Johannes Hörnig. Die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED war wiederum nach Sektoren gegliedert. Die Psychologie fiel in den Sektor „Gesellschaftswissenschaften“. Für das Fach Psychologie wichtige Dokumente aus der Abteilung waren vorzugsweise vom Leiter der Abteilung gezeichnet. Hörnig scheint die Entwicklung der Psychologie und später den Leipziger Kongress zu seinem besonderen Anliegen gemacht zu haben. Mehr als andere Parteifunktionäre – etwa Kurt Hager – dürfte er die Psychologie geschätzt und gefördert haben.50 Das Politbüro ist im Zusammenhang mit dem Leipziger Kongress nicht mit Entscheidungen in Erscheinung getreten. Jedoch dürfte es durch Kurt Hager, der ebenfalls Mitglied des Politbüros war, über den Vorgang informiert worden sein. Die SED war – entsprechend der Verwaltung der DDR – in regionale Bezirke gegliedert. Da der XXII. Internationale Kongress für Psychologie in Leipzig stattfand, war auch die SED-Bezirksleitung Leipzig mit dessen Vorbereitung befasst. Sie übernahm die Kontrolle über die örtlichen Kader, insbesondere über die an der Kongressvorbereitung und -durchführung beteiligten Mitarbeiter und Studierenden der KarlMarx-Universität Leipzig. Ein ständiger Beauftragter der SED begleitete die Arbeit der Gesellschaft für Psychologie der DDR sowie die Vorbereitungen zum Leipziger Kongress. Es war Prof. Dr. Walter Mäder, Zentralinstitut für sozialistische Wirtschaftsführung beim Zentralkomitee der SED, Berlin-Rahnsdorf. Mäder war unmittelbar der Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED unterstellt und bereits lange vor 1972 als Parteisekretär der Gesellschaft für Psychologie in der DDR zugeordnet.51 Die sozialistische Partei SED als führende Kraft der DDR bediente sich zweier Gruppen von Institutionen. Der einen Gruppe waren die Aufgaben der ideologischpolitischen Führung zugedacht, der anderen die Aufgaben der operativen Umsetzung 49 Fricke, Karl W. (Hrsg.). (1982). Programm und Statut der SED vom 22. Mai 1976. Köln: Verlag Wissenschaft und Politik. 50 Kossakowski, Adolf. Mündliche Mitteilung vom 23. 7. 2007. 51 Der Parteisekretär ist nicht identisch mit den oben genannten Wissenschaftlichen Sekretären der Gesellschaft für Psychologie in der DDR.
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von Parteibeschlüssen. Was die wissenschaftliche Forschung anbelangt, oblag die ideologisch-politische Führung von 1970 bis 1977 der Akademie der Wissenschaften, danach der Abteilung Wissenschaft des Zentralkomitees der SED. Für die operativen Belange der Organisation, des Aufbaus und der Erhaltung der Universitäten und dabei insbesondere für die wissenschaftliche Lehre waren ein Ministerrat sowie Fachministerien zuständig. Das Prinzip der doppelten Leitung durch Partei und durch einen Staatsapparat galt nicht nur für die Wissenschaft und alle ihre Disziplinen, sondern auch für andere Tätigkeitsbereiche wie Kunst, Presse, Architektur und Bildung. Der Parteiorganisation war somit ein Staatsapparat untergeordnet. An der Spitze des Staatsapparats stand ein Ministerrat. Er fasste Beschlüsse zu zentralen Angelegenheiten. Seine Mitglieder wurden von der Volkskammer gewählt. Unterhalb der Ebene des Ministerrats waren Ministerien tätig.52 Eines dieser Ministerien war das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Ihm fiel die staatliche Zuständigkeit für die Universitäten zu, insbesondere für die Ausbildung an Universitäten. Eine weitere Institution, die für die Psychologie in der DDR von großer Bedeutung war, war die Akademie der Wissenschaften. Sie war im Jahre 1970 nach politischen Vorgaben grundlegend umgestaltet worden. Damals führte sie noch den Namen „Deutsche Akademie der Wissenschaften“; erst im Oktober 1972 wurde sie in „Akademie der Wissenschaften“ umbenannt. Die Akademie blieb auch nach ihrer Umgestaltung im Jahre 1970, was bereits ihre Vorgängerin seit 1700 gewesen war: eine Gelehrtengesellschaft, die sich durch Zuwahlen ergänzte und nach Klassen getrennt verhandelte. Sie wurde zugleich mit herausragenden Forschungskapazitäten ausgestattet, insbesondere mit Zentralinstituten für gewichtige Forschungsaufgaben aus den Naturwissenschaften, der Medizin und den Gesellschaftswissenschaften.53,54 Zum Dritten erhielt die Akademie der Wissenschaften die Zuständigkeit für wissenschaftliche Gesellschaften und Vereinigungen. Dem Vizepräsidenten der Akademie unterstand ein Büro für wissenschaftliche Gesellschaften, dessen Leiter Rudi Mond hieß. Die Gesellschaft für Psychologie der DDR war bei diesem Büro akkreditiert.55 Das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen war vor allem zuständig für Entwicklungen im Hoch- und Fachschulbereich, für Studienordnungen und für die Zulassung von Studierenden, für die Qualifizierung von Kadern sowie für die Bereitstellung
52 Neugebauer, Gero (1978). Partei und Staatsapparat in der DDR. Opladen: Westdeutscher Verlag. 53 Der Psychologie war kein eigenes Akademieinstitut gewidmet, was führende Fachvertreter der DDR stets bedauerten. (Zu Bestrebungen, ein Psychologie-Institut an der Akademie der Wissenschaften einzurichten, s. Kapitel 4, S. 156.) Zwei Fachvertreter der Psychologie, die Professoren Hans Hiebsch (Jena) und Friedhart Klix (Berlin), waren gewählte Akademiemitglieder. Neben der Akademie der Wissenschaften bestanden in der DDR andere Forschungseinrichtungen wie die Akademie der Pädagogischen Wissenschaften und die Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim Zentralkomitee der SED. 54 Nötzoldt, Peter (2002). Die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin in Gesellschaft und Politik. In Jürgen Kocka, Peter Nötzoldt & Peter T. Walther (Hrsg,). Die Berliner Akademien der Wissenschaften im geteilten Deutschland 1945-1990. (S. 39-89). Köln: Verlag Wissenschaft und Politik. 55 Strocka, Cordula (2001). Die Gesellschaft für Psychologie der DDR im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichem Anspruch und politisch-ideologischer Ausrichtung. Eine Analyse der Kongresse 1964-72. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Psychologie (S. 37).
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von Ressourcen für Lehre und Forschung an den Universitäten.56 Das Fach Psychologie war im Ministerium als eigener Wissenschaftsbereich repräsentiert. Es waren drei Abteilungen, die mit dem Wissenschaftsbereich Psychologie befasst waren: Mathematik/Naturwissenschaften, Philosophie/Geschichte und Gesellschaftswissenschaften. Während der gesamten Zeit der Kongressvorbereitungen wurde das Ministerium von Prof. Hans-Joachim Böhme geleitet; als seine Stellvertreter waren Prof. Dr. Walter Engel sowie Diplomingenieur Harry Groschupf und Prof. Dr. Schirmer tätig. Engel hatte vor seinem Wechsel ins Ministerium an der Humboldt-Universität Berlin Geschichte gelehrt. Für den Wissenschaftsbereich Psychologie war weiterhin Heinz Burkhardt als Sektorleiter zuständig. Zudem beschäftigte das Ministerium einen eigenen Referenten für Psychologie; diese Position nahm vor 1976 Dr. Jürgen Rückert ein, von 1976 bis 1980 Dr. Uwe Schaarschmidt (s. Kapitel 3, S. 90).
SED Parteitag Politbüro
Politisch-ideologische Führung
Operative Lenkung
Zentralkomitee der SED Sekretariat „Kultur und Wissenschaft“ Abteilung Wissenschaften
Ministerrat Akademie der Wissenschaften
Gesellschaft für Psychologie der DDR (Schwerpunkt Forschung)
Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen
Universitätssektionen Psychologie (Schwerpunkt Lehre)
Abbildung 1.2. Das Fach Psychologie und seine Zuordnung zum Partei- und Staatsapparat der DDR bis 1977. 1977 verlor die Akademie der Wissenschaften ihre Zuständigkeit für die Psychologie; die Gesellschaft für Psychologie der DDR wurde dann dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen unterstellt. 56 Zimmermann, Hartmut (1984). DDR-Handbuch. (Band 2). Köln: Verlag Wissenschaft und Politik (S. 904).
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Kapitel 1
DIE AUFNAHME DER GESELLSCHAFT FÜR PSYCHOLOGIE IN DER DDR IN DIE INTERNATIONAL UNION OF PSYCHOLOGICAL SCIENCE Schon 1955 vertrat die damalige International Union of Scientific Psychology den Standpunkt, dass es in ihrer Organisation keinen Alleinvertretungsanspruch durch die westdeutsche Psychologie geben könne. „With regard to East Germany, it was agreed, that as long as Germany was not reunited, there were no reasons why two societies should not coexist, and invitations should be received and accepted from either.“57, 58 Nach der erfolgreichen Gründung der Gesellschaft für Psychologie in der DDR im Jahr 1962 wurde nun das schon in der Satzung formulierte Ziel verfolgt, Mitglied in der International Union of Scientific Psychology zu werden. Ein entsprechender Antrag wurde der Union im Frühjahr 1963 vorgelegt. Gleich in der nächst folgenden Generalversammlung der International Union of Scientific Psychology, die im August 1963 in Washington stattfand, wurde der Aufnahmeantrag aus der DDR vorgelegt aber nicht entschieden. Grund hierfür waren die oben (S. 34) wiedergegebenen ideologischen Passagen aus der Satzung der Gesellschaft. Am 4. September 1964 schrieb der Präsident der International Union of Scientific Psychology an die Gesellschaft für Psychologie in der DDR, dass sich das Exekutivkomitee mit der Frage befasst habe, wie man die Bewerbung der Gesellschaft für Psychologie in der DDR um Mitgliedschaft in der International Union of Scientific Psychology auf der für 1966 vorgesehenen Generalversammlung in Moskau zum Erfolg bringen könne. Wörtlich heißt es in diesem Brief: In this connection it was felt that the second paragraph of Article 2 of your Statute would be controversial and might lead to further delay in the acceptance by the Assembly of your Society. The Soviet and Polish representatives on our Committee were in agreement with this view.59
Dumont und Louw zitieren auch aus einem Brief von Helmut Kulka (Vorstandsmitglied in der Gesellschaft für Psychologie in der DDR) vom 30.12.1964 an den Wissenschaftlichen Sekretär der Gesellschaft für Psychologie in der DDR, Jochen Siebenbrodt.60 Dort wird wiedergegeben, wie das Exekutivmitglied der International Union of Scientific Psychology aus der Sowjetunion, Leontjew, seinem Gesprächspartner Siebenbrodt verdeutlichte, dass die International Union of Scientific Psychology gegen politische, konfessionelle und Weltanschauungsbewertungen sei, die sich gegen andere Mitgliedsstaaten der International Union of Scientific Psychology richteten. Deshalb, so Leontjews Rat, solle die Gesellschaft für Psychologie in der DDR diese Passagen 57 Rosenzweig, Mark R., Holtzman, Wayne H., Sabourin, Michel & Bélanger, David (2000). History of the International Union of Psychological Science (IUPsyS). Hove, East Sussex: Psychology Press (S. 83). 58 Interessanterweise wurde dieser Beschluss im Exekutivkomitee der International Union of Scientific Psychology schon im August 1955 formuliert, also noch vor der Hallstein-Doktrin. Diese wurde erst im September 1955 ausgearbeitet und im Dezember 1955 veröffentlicht. Diese Tatsache zeigt, dass sich die Internationale Union nicht in das Blockdenken des Kalten Krieges einbezogen hat. 59 Nach Dumont, Kitty & Louw, Johann. (2001). The International Union of Psychological Science and the Politics of Membership: Psychological Association in South Africa and the German Democratic Republic. History of Psychology, 4, 388-404 (S. 398). 60 a. a. O.
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aus ihrer Satzung streichen und sich mit einer revidierten Fassung der Statuten erneut um die Mitgliedschaft bewerben. Leontjew hatte in den inkriminierten Sätzen des § 2 des Statuts der Gesellschaft für Psychologie in der DDR, so argumentieren Dumont und Louw, einen Angriff gegen West-Deutschland erkannt, was von der International Union of Scientific Psychology nicht hingenommen werden konnte. Diese Mitteilung von Leontjew gab mit großer Wahrscheinlichkeit das Diskussionsergebnis von der Sitzung des Exekutivkomitees der International Union of Scientific Psychology vom Juli 1964 in Bellagio in Italien wieder. In Rosenzweig et al. (2001, S. 111) 61 ist dokumentiert, dass der Antrag der Gesellschaft für Psychologie in der DDR mit anderen Anträgen „geprüft“ worden war, über ihn aber nicht entschieden wurde. Die Rückmeldung von der nicht erzielten Empfehlung der Aufnahme der Gesellschaft für Psychologie in der DDR in die International Union of Scientific Psychology erreichte auch das politische Gremium der DDR, die Abteilung Wissenschaften beim Zentralkomitee der SED, das vermutlich die inkriminierten Sätze in den Entwurf der Statuten der Gesellschaft für Psychologie in der DDR zusätzlich hineingeschrieben hatte und die Beantragung der Mitgliedschaft in der Internationalen Union zu genehmigen hatte. Dumont und Louw zitieren (in eigener englischsprachiger Übersetzung) eine aufschlussreiche Aktennotiz ohne Datum von Walter Mäder, der in der Abteilung Wissenschaften beim Zentralkomitee der SED für die Psychologie zuständig war: The application for membership of the IUPS was handed in one year ago. Prof. Leontjew (USSR) and Prof. Turski (Poland) [probably Prof. Tomaszewski from Warsaw] are members of the Executive Committee of the IUPS. When the members of [the] Executive Committee discussed our application, some representatives of Western countries were objecting to our membership because of the following sentence included in our statute: „[The GfP] contributes to the development of psychology on the basis of dialectical and historical materialism and to the promotion of the scientific discussion of different opinions.” Although the president of the German Society for Psychology, Prof. Metzger, was arguing against the doubts raised and supported the application, neither Prof. Leontjew nor Prof. Turski supported our application actively. Therefore it was possible that our application was put aside and this will lead to real difficulties because of the expected change in the membership of the Executive Committee (likelihood of Prof. Metzger leaving the Executive Committee), or anyway the „Hallstein Doctrine“ will come into force. 62
Diese Aktennotiz ist wahrscheinlich noch vor dem oben zitierten Brief von Kulka an Siebenbrodt niedergelegt worden. Sie bezieht sich zwar inhaltlich exakt auf den o. g. Brief. Interessant ist jedoch, dass Wolfgang Metzger hier als Mitglied des Exekutivkomitees genannt wird, was er jedoch nicht war und auch vorher nie gewesen war und nachher nie geworden ist. Richtig ist, dass Metzger von 1961 bis zum Herbst 1964 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Psychologie war. Möglicherweise hat die International Union of Scientific Psychology in dieser Funktion bei Metzger um eine
61 Rosenzweig, Mark R., Holtzman, Wayne H., Sabourin, Michel & Bélanger, David (2000). History of the International Union of Psychological Science (IUPsyS). Hove, East Sussex: Psychology Press. 62 Dumont, Kitty & Louw, Johann (2001). The International Union of Psychological Science and the Politics of Membership: Psychological Association in South Africa and the German Democratic Republic. History of Psychology, 4, 388-404 (S. 398).
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Meinungsäußerung zum Aufnahmeantrag der Gesellschaft für Psychologie in der DDR angefragt. Und natürlich war Metzger im Führungsgremium der International Union of Scientific Psychology auch noch als Kongress-Präsident von 1960 in Bonn bekannt. Hingegen waren sowohl Leontjew als auch Tomaszewski (nicht Turski) in den Jahren 1964 und 1965 Mitglieder des Exekutivkomitees. Eine andere durch Dokumente jedoch nicht eindeutig belegbare Interpretation dieses Geschehens liegt ebenfalls nahe. In seiner „Selbstdarstellung“ schreibt Klix unter der Überschrift „Wieder in Berlin“: Unvergeßlich ist mir mein erster Arbeitstag in Berlin. Die Sekretärin fragte an, ob ein älterer Besucher und ein noch junger Mann hereinkommen können. Wer der Besucher sei, fragte ich. Sie: Das sei ein Herr Metzger aus Münster und sein Mitarbeiter hieße Vukovich. Wolfgang Metzger war damals Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Adolf Vukovich sein Assistent. Sein Besuch war für mich und besonders für den Anfang in Berlin von hohem moralischem Wert, und er zeugte auch vom persönlichen Mut Metzgers. Denn es war kalter Krieg, und so ein „West-Ostbesuch“ wurde von beiden Seiten scheel angesehen und beargwöhnt. 63
Klix und Metzger waren schon allein durch ein gemeinsames Forschungsthema miteinander verbunden: die visuelle Wahrnehmung. Wahrscheinlich hat Klix damals Metzger über die im Jahr 1962 vollzogene Gründung der Gesellschaft für Psychologie in der DDR informiert. Ebenso kann angenommen werden, dass Klix mit Metzger über die Probleme der Gesellschaft für Psychologie in der DDR bei der Aufnahme in die International Union of Scientific Psychology sprach und um Unterstützung bat. Denn als Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Psychologie konnte Metzger zumindestens auf das Abstimmungsverhalten der westdeutschen Psychologen Einfluss nehmen, die in der Generalversammlung der International Union of Scientific Psychology über die Aufnahme zu entscheiden hatten. Daraus wird dann auch die Anmerkung von Mäder in der oben zitierten Aktennotiz nachvollziehbar. Metzger übte das Amt des Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Psychologie nur noch bis zum Herbst 1964 aus. Damit wäre zu befürchten, dass die Verbindung zu Wolfgang Metzger und dessen Einfluss bei der Generalversammlung nur noch zeitlich begrenzt zu nutzen war. Schließlich erwähnt Mäder explizit die Hallstein-Doktrin, die zu diesem Zeitpunkt noch offizielle Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland war und erst ab 1968 nach und nach fallen gelassen wurde. Die Hallstein-Doktrin sollte den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik sichern und drohte all jenen Staaten den Abbruch der diplomatischen Beziehungen an, die die DDR diplomatisch anerkannten. Dieser Sachverhalt wird im 2. Kapitel noch wieder aufzunehmen sein. Die Situation der bis dahin nicht vollzogenen Aufnahme in die International Union of Scientific Psychology war für den Vorstand der Gesellschaft für Psychologie in der DDR kompliziert und problematisch zugleich. Einerseits konnte die von Leontjew empfohlene Streichung der kritisierten Teile des § 2 des Statuts zu Konflikten mit der Partei der SED führen. Zum anderen drohte der DDR-Psychologie eine Isolation bei
63 Klix, Friedhart (2004). Friedhart Klix. In Helmut E. Lück (Hrsg.), Psychologie in Selbstdarstellungen (Band 4, S. 168-192). Lengerich: Pabst (S. 177).
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Nichtaufnahme in die Internationale Union und die Nichterreichung des Status einer internationalen Anerkennung. Strocka64 beschreibt detailliert, wie der Vorstand der Gesellschaft für Psychologie in der DDR sich aus diesem Dilemma herausgewunden hat. Es wurde eine Änderung der Statuten vorbereitet, die Gründe für die Modifikationen wurden der Mitgliederversammlung jedoch nicht den vorangegangenen wahren Begebenheiten entsprechend mitgeteilt. Erwähnt wurde, dass einige in der Satzung genannte Aufgaben als bereits erfüllt angesehen werden könnten und daher nicht mehr aufgeführt werden müssten. Dabei ist zu bedenken, dass seit Gründung der Gesellschaft für Psychologie in der DDR gerade erst zwei Jahre vergangen waren. Außerdem habe es Meinungsverschiedenheiten zu einigen Punkten der Formulierung im Statut mit Kollegen aus der UdSSR und anderen sozialistischen Ländern gegeben, die beseitigt worden seien. Dass diese „Meinungsverschiedenheiten“ Gegenstand der Verweigerung der Aufnahme in die International Union of Scientific Psychology gewesen waren, wurde nicht mitgeteilt. Demgegenüber wurde der Eindruck erweckt, dass der Aufnahmeprozess in die International Union of Scientific Psychology unproblematisch sei und Erfolg versprechend verlaufe. Im März 1965 schrieb der Präsident der International Union of Scientific Psychology, James Drever, an seinen Generalsekretär Roger W. Russell, dass er Exemplare der Statuten der Gesellschaft für Psychologie in der DDR erhalten habe mit englischen Übersetzungen dazu, die er zur Sitzung des Exekutivkomitees im Juni 1965 nach Royaumont in Frankreich mitbringen werde.65 Diese Fassung der Statuten enthalte keine ideologischen oder politischen Aussagen mehr und sei bedeutend verkürzt worden gegenüber der ursprünglich eingereichten und kritisierten 1962-Version. Daraufhin beschloß das Exekutivkomitee auf seiner Sitzung im Juni 1965, den Antrag auf Aufnahme der Gesellschaft für Psychologie in der DDR der Generalversammlung zur Abstimmung vorzulegen, die in Moskau 1966 stattfand. Die Gesellschaft für Psychologie in der DDR wurde durch Beschluss der Generalversammlung der International Union of Psychological Science im August 1966 als Mitglied aufgenommen. Einen detaillierten Bericht über die Aufnahme der DDR-Gesellschaft in die Union in Moskau lieferte Mäder an den Leiter des ZK-Sekretariats für Wissenschaften und Kultur, Kurt Hager, ab: Neben dem wissenschaftlichen Auftreten war es das wichtigste Ziel unserer Delegation, die gleichberechtigte Aufnahme der Gesellschaft für Psychologie in der DDR in die IUSP zu erreichen. Der Aufnahmeantrag war von uns bereits vor zwei Jahren gestellt und das Statut unserer Gesellschaft eingereicht worden. ... Auf Grund der Fürsprache von Sato [Japan] und Fraisse [Frankreich] sowie durch die Unterstützung des Aufnahmeantrages durch Professor Metzger (Westdeutschland) beschloß das Exekutivkomitee, dem Vorstand und der Generalversammlung der IUSP während des Kongresses in Moskau die Aufnahme unserer Gesellschaft vorzuschlagen. Als während des Kongresses im Vorstand der Vorschlag eingebracht wurde, sprach als erster Prof. Metzger (Westdeutschland) für die Aufnahme unserer Gesellschaft in die IUSP. Weiterhin sprachen die Professoren Sato (Japan), Fraisse (Frankreich), Gib64 Strocka, Cordula (2001). Die Gesellschaft für Psychologie der DDR im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichem Anspruch und politisch-ideologischer Ausrichtung. Eine Analyse der Kongresse 1964-72. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Psychologie (S. 36f.). 65 Arch IUPsS IV. Brief von James Drever an Roger W. Russell vom 16. 3. 1965.
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Kapitel 1 son (USA) und Drever (England) für die Aufnahme unserer Gesellschaft als gleichberechtigtes Mitglied in die IUSP. Von den sozialistischen Vertretern schloß sich Leontjew (UdSSR) in der Diskussion dem Aufnahmevorschlag an. Lediglich der derzeitige Vorsitzende der westdeutschen Gesellschaft für Psychologie, Prof. Arnold, sprach sich im Gegensatz zu Prof. Metzger gegen die Aufnahme der Gesellschaft unserer Republik aus. Die „Deutsche Gesellschaft für Psychologie“ könne unabhängig von den Ländergrenzen alle Psychologen deutscher Sprache vertreten. Als es zu Abstimmung kam, enthielt sich lediglich Arnold der Stimme. Auf die Frage des Protokollanten, ob seine Stimmenthaltung in das Protokoll aufgenommen werden solle, verneinte das Arnold, wodurch die einstimmige Aufnahme unserer Gesellschaft ohne jede Einschränkung und mit völliger Gleichberechtigung zustande kam. Diese detaillierten Informationen erhielten wir von den Professoren Metzger, Sato, Fraisse und Drever, aber leider nicht von Leontjew und Tomaschewski [sic!] als die Vertreter der sozialistischen Länder im Exekutivkomitee. 66
Eine schriftliche Benachrichtigung über die Aufnahme in die International Union of Psychological Science wurde im Juni 1967 an die Adresse von Friedhart Klix gesandt, der zu diesem Zeitpunkt noch Stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft für Psychologie in der DDR war. 67 Damit hatte die Gesellschaft für Psychologie der DDR fast vier Jahre nach ihrer Gründung die lang ersehnte internationale Anerkennung erfahren. Hinzuzufügen ist, dass die Statuten der Gesellschaft für Psychologie in der DDR durch Beschluss der Mitgliederversammlung 1970 erneut revidiert wurden.68 Diesmal gab die Deutsche Akademie der Wissenschaften vor, unter deren Weisungsbefugnis die Gesellschaft für Psychologie der DDR (ab nun wurde das Wort „in“ im Namen der Gesellschaft gestrichen) gestellt wurde, welche ideologischen Formulierungen in die Statuten aufgenommen werden mussten. Der § 2 wurde erneut mit politischen und ideologischen Sätzen befrachtet, allerdings sind Angriffe auf andere Mitgliedsländer der International Union of Psychological Science diesmal unterblieben. EINFLUSS UND MITWIRKUNG DER BEIDEN DEUTSCHEN GESELLSCHAFTEN PSYCHOLOGIE IN DER INTERNATIONAL UNION OF PSYCHOLOGICAL SCIENCE
FÜR
Die Rückkehr der westdeutschen Psychologie auf die internationale Bühne hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg über viele Jahre hingezogen. Im März 1970 diskutierte die Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen die Notwendigkeit eines verstärkten Einflusses westdeutscher Psychologen in der International Union of Psychological Science. Drei Ziele wurden formuliert: (1) Verstärkte Zusammenarbeit zu Fragen der Information und Dokumentation; (2) deutsche Vertretung im Exekutivkomitee; (3) verstärkte Teilnahme an Kongressen der International Union of Psychological Science.69 66 BArch DY 30/IV A2/9.04/215. Mäder, Walter. Informationsbericht über den XVIII. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 23. 8. 1966. 67 Arch IUPsS IV. Brief von Eugene Jacobson an Friedhart Klix vom 6. 6. 1967. 68 Arch IUPsS IV Statut der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik (mit englischer Übersetzung). 69 AWZ DGPs. Föderation deutscher Psychologenvereinigungen. Protokoll der Sitzung der gemeinsamen Vorstandschaft am 23. 3. 1970.
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Beachtenswert ist: Diese Diskussion wurde schon vor dem Tokioter Kongress der International Union of Psychological Science geführt, der erst zwei Jahre später stattfinden sollte und bei dem die westdeutschen Vertreter der Psychologie eine massive Überraschung erleben sollten. Nach der Föderationsdiskussion schrieb der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Theo Herrmann, an den Generalsekretär der International Union of Psychological Science, Eugene Jacobsen, dass die Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen an einer Mitarbeit im Exekutivkomitee der International Union of Psychological Science stark interessiert sei und schlug als Kandidaten Carl Friedrich Graumann und Heinz Heckhausen zur Wahl in dieses Gremium auf der Generalversammlung in Tokio vor.70 Jacobson bedankte sich im Juni 1972, also noch vor der Generalversammlung in Tokio, für den Brief von Theo Herrmann und für dessen Kandidatenvorschläge.71 Beide vorgeschlagenen deutschen Kandidaten fanden in der Generalversammlung jedoch nicht die erforderliche Mehrheit an Stimmen für einen Sitz im Exekutivkomitee. Schon ein Jahr danach schlug der neu gewählte Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Kurt Pawlik, in einem Brief vom Juli 1973 an den Präsidenten der International Union of Psychological Science, Joseph R. Nuttin aus Belgien, einen deutlicheren Ton in der Frage einer westdeutschen Vertretung in der Union an. Pawlik beklagte sich über ausbleibende Informationen aus der International Union of Psychological Science und stellte die Frage nach den „...benefits growing out of our membership“. Eingefordert wurde dementsprechend eine bessere Information von Seiten der International Union of Psychological Science sowie eine Repräsentation der westdeutschen Psychologie im Exekutivkomitee der Union.72 Nuttin akzeptierte den Vorwurf mangelnder Information durch die International Union of Psychological Science 73 und schrieb später nach einer Sitzung des Exekutivkomitees in einem persönlichen Brief an Pawlik über die Absicht der Etablierung neuer Regeln zur Wahl in das Exekutivkomitee.74 Weiterhin hob der Präsident die wertvolle Arbeit der westdeutschen Kollegen Graumann (Publikationskommission) und Reinert (International Directory of Psychologists) bei der International Union of Psychological Science hervor. Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychologie schlug nun als westdeutsche Repräsentanten in der International Union of Psychological Science Kurt Pawlik und Erwin Roth vor und bat den Präsidenten Nuttin, die Frage des Wunsches einer stärkeren westdeutschen Beteiligung in der Union in der nächsten Sitzung des Exekutivkomitees zu behandeln. Weiterhin wurde der Union das Angebot einer Beteiligung der westdeutschen Psychologie am Programm der International Union of Psychological Science „Förderung der Psychologie in Entwicklungsländern“ unterbreitet. 75
70 Arch IUPsS V. Brief von Theo Herrmann an Eugene Jacobson vom 17. 5. 1972. 71 Arch IUPsS V. Brief von Eugene Jacobson an Theo Herrmann vom 28. 6. 1972. 72 Arch IUPsS V. Brief von Kurt Pawlik an Joseph Nuttin vom 6. 7. 1973. 73 Arch IUPsS V. Brief von Joseph Nuttin an Kurt Pawlik vom 8. 8. 1973. 74 Arch IUPsS V. Brief von Joseph Nuttin an Kurt Pawlik (ohne Datum). 75 AWZ DGPs. Protokoll der 3. Sitzung des Vorstandes 1973/74 der Deutschen Gesellschaft für Psychologie am 21. und 22. 9. 1973.
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Kapitel 1
Die Verstimmung zwischen der Deutschen Gesellschaft für Psychologie bzw. der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen und der International Union of Psychological Science erreichte ihren Höhepunkt im Frühjahr 1975. Von den Programmvorschlägen der Deutschen Gesellschaft für Psychologie für den bevorstehenden Internationalen Kongress 1976 in Paris wurden 80% nicht angenommen. Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychologie beschloss im Februar 1975 Präsident Nuttin mitzuteilen, dass die Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen keine Gründe mehr für eine weitere Mitgliedschaft in der International Union of Psychological Science sähe, die sie ihren Mitgliedern gegenüber überzeugend vertreten könnten. Zur Klärung noch offener Fragen wurde Präsident Nuttin zur Vorstandssitzung der Föderation im Mai 1975 nach Aachen eingeladen.76 Zu diesem Treffen kam es am 6. Mai 1975. Von westdeutscher Seite wurde vorgetragen, dass zwischen der International Union of Psychological Science und der deutschen Föderation kaum eine Kommunikation bestehe, dass die Vorschläge für Kongressthemen für den Pariser Kongress 1976 in der überwiegenden Mehrzahl nicht akzeptiert worden waren und dass es auf das Angebot einer Beteiligung am Programm „Förderung der Psychologie in Entwicklungsländern“ keine Reaktion gebe. Nuttin sagte daraufhin zu, diese Fragen auf der nächsten Exekutivkomiteesitzung diskutieren zu lassen.77 Ein anderer in der Korrespondenz nicht genannter Grund für das Drängen der westdeutschen Psychologen, in der International Union of Psychological Science mehr Einfluss zu bekommen, ist in der Tatsache zu sehen, dass die Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen zweitgrößter Beitragszahler in der Union war. Aber auch in der Generalversammlung der International Union of Psychological Science in Paris 1976 wurde kein westdeutscher Kandidat in das Führungsgremium gewählt, obwohl geänderte Regeln zur Neuwahl bzw. Ergänzungen des Exekutivkomitees Anwendung fanden. Erst als im Oktober 1977 durch Rücktritt die Position des Deputy Secretary General frei wurde, die bis dahin von der Französin Germaine de Montmollin wahrgenommen worden war, wurde Kurt Pawlik „überredet“,78 das vakante Amt zu übernehmen. Damit war ab 1978 erstmalig wieder seit 24 Jahren eine westdeutsche Persönlichkeit im Führungsgremium der International Union of Psychological Science tätig. Für zwei weitere Wahlperioden hatte Kurt Pawlik dann von 1984-1992 das Amt des Secretary General übernommen, danach erfolgte seine Wahl 1992 für vier Jahre zum Präsidenten der International Union of Psychological Science. Während die bundesrepublikanische Psychologenschaft zu Beginn der 1970er Jahre mit Versuchen beschäftig war, Repräsentanten in das Exekutivkomitee zu entsenden, tatsächlich aber erst einen Erfolg im Jahre 1978 erzielte, verlief der entsprechende Prozess für die DDR-Psychologie erfolgreicher ab und dazu noch in viel kürzerer Zeit. Si76 AWZ DGPs. Protokoll der 3. Sitzung des Vorstandes 1974-76 der Deutschen Gesellschaft für Psychologie am 18. und 19. 2. 1975. 77 AWZ DGPs. Protokoll der 4. Sitzung des Vorstandes 1974-76 der Deutschen Gesellschaft für Psychologie am 6. 5. 1975. 78 Rosenzweig, Mark R., Holtzman, Wayne H., Sabourin, Michel & Bélanger, David (2000). History of the International Union of Psychological Science (IUPsyS). Hove, East Sussex: Psychology Press (S. 162).
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cherlich spielte dabei die Erinnerung an die Konflikte, die beim Bonner Kongress 1960 in der Frage der Kongresspräsidentschaft aufgetreten waren, immer noch eine Rolle. Mit solchen Problemen hatte die DDR, die sich in der Weltöffentlichkeit bewusst antifaschistisch darstellte, nichts zu tun. Der von 1970 bis 1972 amtierende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Theo Herrmann, war Zeitzeuge und Teilnehmer am Tokioer Kongress 1972 und gab in einem Gespräch die Einschätzung ab, dass das Ansehen der westdeutschen Psychologen bei den amerikanischen Kollegen ziemlich gering gewesen sei. Fragen der internationalen Repräsentanz seien im voraus zwischen den beiden großen politischen Blöcken, USA und Kanada einerseits, UdSSR und Polen auf der anderen Seite, diskutiert und entschieden worden.79 Diese Einschätzung lässt sich auf Grund von Formulierungen stützen, die ausgewerteten schriftlichen Dokumenten entstammen. So ist im Antrag der Gesellschaft für Psychologie der DDR an das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen über die Deutsche Akademie der Wissenschaften vom 22. Juli 1970 vom Kontakt des Präsidenten der Allunionsgesellschaft Sowjetischer Psychologen, Boris Lomow, anlässlich seines DDR-Besuches im April 1970 mit Friedhart Klix zu lesen. Lomow hatte eine gemeinsame Reise der sowjetischen und DDR-Delegation mit einem sowjetischen Schiff von Wladiwostok nach Tokio und zurück vorgeschlagen, um Valuta zu sparen.80 Überhaupt sind Absprachen und Abstimmungen mit sowjetischen Kollegen und Vertretern anderer sozialistischer Länder regelmäßig Gegenstände von Direktiven und Berichten. Von der Aufnahme der Gesellschaft für Psychologie der DDR in die International Union of Psychological Science im Jahre 1966 bis zum Leipziger Kongress 1980 erhielt die personelle ostdeutsche Repräsentanz in der International Union of Psychological Science schrittweise eine immer stärkere Bedeutung. Zum Londoner Kongress im Jahre 1969 konnte noch eine DDR-Delegation in der Größe von 10 Personen reisen. Offensichtliches Ziel dieser Delegation war es, als neues Mitglied der International Union of Psychological Science mit guten und hervorstechenden Kongressbeiträgen die Leistungsfähigkeit der DDR-Psychologie international bekannt zu machen. Mit einer wissenschaftlich angesehenen Delegation, von Friedhart Klix als neuem Vorsitzenden der DDR-Gesellschaft angeführt, hat sich die DDR-Psychologie der internationalen wissenschaftlichen Öffentlichkeit in London präsentiert. Das schien auch, wie aus einem Bericht der Kongressteilnehmer hervorgeht, gelungen zu sein. Dabei kam es jedoch zu Konflikten, die die korrekte Bezeichnung des DDR-Staates zum Inhalt hatten. Im Mai 1969 wandte sich der Präsident der International Union of Psychological Science, Paul Fraisse81, in einem Brief an den Präsidenten der Gesellschaft für Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik, Friedhart Klix. Er teilt mit, dass er an den Präsidenten des Internationalen Kongresses für Psychologie in London 1969, George C. Drew, geschrieben habe und um die Korrektur der von London vorgesehe79 Herrmann, Theo. Mündliche Mitteilung vom 24. 1. 2007. 80 HUBA GPs-DDR 785a. Brief der Gesellschaft für Psychologie der DDR an das Ministerium für Hochund Fachschulwesen, HA Internationale Verbindungen, vom 14. 7. 1970. 81 BArch DY 30 IV A2/9.04/216. Brief von Paul Fraisse an Friedhart Klix vom 14. 5. 1969 (deutsche Übersetzung).
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Kapitel 1
nen Bezeichnung „Germany“ für Teilnehmer aus der DDR gebeten habe. Fraisse schrieb an Drew: „Il serait très regrettable qu´une discrimination de quelque nature que ce soit faite entre nos membres et je souhaite que vous puissez reconsidérer votre position sur cette délicate question.”82 Die zeitliche Abfolge, in der die ausgewerteten Dokumente abgefasst worden sind, lässt vermuten, dass mit der Erstellung der letzten Genehmigungsvorlage für die Reise nach London, die das Datum 2. Mai 1969 trägt und an das Zentralkomitee der SED gerichtet war, Klix als Präsident der DDR-Gesellschaft noch einen Protestbrief an die International Union of Psychological Science zu richten hatte. In der Anlage zu dieser Vorlage sind zwei Sachverhalte benannt worden, auf deren Einhaltung die Delegation zu achten hatte: Außenpolitische Aufgabenstellung: Alle Delegationsmitglieder treten als bewußte Bürger der DDR auf und jeder möglichen Diskriminierung entgegen. Sie protestieren gegen diskriminierende Bestimmungen des Allied Travel Board. Sie weisen alle Versuche, die aggressive Bonner Alleinvertretungsanmaßung zu propagieren, entschieden zurück. Dazu gehört auch, daß zu allen Anlässen die offizielle Staatsbezeichnung der DDR verwandt wird. Im Widerspruch zu der 1966 erworbenen gleichberechtigten Kooperativmitgliedschaft der DDR in der IUPS beabsichtigen die britischen Organisatoren, für alle Kongressteilnehmer aus der DDR und aus der westdeutschen Bundesrepublik die Bezeichnung „Germany“ zu verwenden. Ein Protest gegen diese Verfahrensweise wurde an den Präsidenten der IUPS, Prof. Fraisse (Paris) gerichtet. ... Nur wenn eine entsprechende Zusage vorhanden ist, kann die DDRDelegation ihre Reise nach London antreten, da die Teilnahme einer so repräsentativen Delegation auf keinen Fall gemeinsam mit der westdeutschen Delegation unter der Bezeichnung „Germany“ erfolgen kann. 83
In der zitierten Vorlage an das Zentralkomitee der SED wird auch dekretiert: Zeigt sich bei Beginn des Kongresses, daß trotzdem unser Recht auf korrekte Staatsbezeichnung nicht durchgesetzt werden konnte, gibt die Delegation eine öffentliche Protesterklärung ab und verläßt die Tagung.
Die zitierten Anweisungen und Verhaltensregeln wurden auch in eine „Direktive“84 übernommen, die einen Stempel mit Datum 9. Mai 1969 trägt. Hier wurde noch den Anweisungen hinzugefügt: „Zu den Vertretern Westdeutschlands sind keine Verbindungen aufzunehmen.“ In einer eigenen Stellungnahme vom Juni 1969 hat sich die Abteilung Wissenschaften ihrerseits die Boykottpläne zu Eigen gemacht.85 Am 2. Juli 1969 legte Prof. Dr. Egon Weigl eine Aktennotiz mit folgenden Vermerken an: 82 Arch IUPsS III. Brief von Paul Fraisse an George C. Drew vom 14. Mai 1969. 83 BArch DY 30 IV A2/9.04/216. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Vorlage für das Sekretariat des ZK der SED vom 2. Mai 1969. Betrifft: Teilnahme einer Delegation der DDR am XIX. Internationalen Kongreß für Psychologie der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaften (IUPS) vom 27. 7. - 2. 8. 1969 in London. 84 BArch DY 30 IV A2/9.04/216. Direktive XIX. Internationaler Kongreß für Psychologie 27. 7. - 2. 8 . 69 in London. 85 BArch DY 30 IV A2/9.04/216. Abteilung Wissenschaften. Stellungnahme zur Vorlage des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen an das Sekretariat des Zentralkomitees der SED vom 24. 6. 1969.
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Bei einer Begegnung am 12. Juni d. J. teilte mir Herr Prof. Klix mit, daß die englische Leitung des in London Ende Juli d. J. beginnenden 19. Internationalen Kongresses für Psychologie an ihrem Beschluss festhalte, nur die diskriminierende Bezeichnung „Germany“ auf der Tagung zuzulassen, und daß daher die Teilnahme unserer DDR-Delegation in Frage gestellt sei. Ich schlug vor, gelegentlich meiner bevorstehenden Dienstreise nach Moskau die sowjetischen Kollegen Prof. Leontjew, Vizepräsident der Internationalen Gesellschaft für Psychologie, und Prof. Luria, Mitglied des Exekutivkomitees dieser Gesellschaft, von dem Stand dieser Angelegenheit zu unterrichten. 86
In dieser Aktennotiz wird auch von Ergebnissen der Moskaureise berichtet: Die sowjetischen Genossen lehnen die diskriminierende Maßnahme der Kongressleitung gegenüber der DDR-Delegation grundsätzlich ab; sie sehen diese Angelegenheit als politisch sehr bedeutsam an. … Sollte die englische Kongreßleitung danach weiter auf ihrem Beschluß beharren, würde Prof. Leontjew vorschlagen, den Kongreß in ein anderes Land zu verlegen – ein Vorschlag, der aus Zeitgründen allerdings schwer durchführbar sein dürfte. Sollte keine der genannten Forderungen realisiert werden, so zieht die sowjetische Delegation ihr Fernbleiben von der Tagung in Erwägung, was zweifellos auch das Fernbleiben anderer sozialistischer Delegationen nach sich ziehen würde und auf diese Weise die Abhaltung des Kongresses in Frage stellen könnte.
Offensichtlich hatte Klix nach dem Gespräch am 12. Juni 1969 noch einmal an den Präsidenten der International Union of Psychological Science einen Protest gerichtet. Die Antwort darauf vom Präsidenten der International Union of Psychological Science an den Präsidenten der DDR-Gesellschaft liegt als Dokument mit den Titeln „Abschrift Übersetzung“ vor: ... Ich bin erfreut, daß es mir möglich ist, Sie darüber zu informieren, daß es eine Klärung über die Regelungen gegeben hat, seit ich Ihnen letztens geschrieben habe. Als deren Ergebnis können Sie korrekt als D.D.R. auf den Namensschildern identifiziert und der korrekte Name Ihrer Gesellschaft kann bei allen Zusammenkünften der IUPS verwendet werden. 87
Nach dem Kongressende schrieb Klix als Vorsitzender der Gesellschaft für Psychologie in der DDR einen Brief an die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED, in dem er „einige Eindrücke und Begebenheiten vom Londoner Kongress zur Kenntnis“ gab: ... Im Ergebnis sind alle Referenten aus der DDR entsprechend dieser Vereinbarung während des Kongresses aufgetreten und benannt worden, also beispielsweise: Prof. Schmidt, Humboldt-Universität, Deutsche Demokratische Republik. Dennoch zeigte sich, daß um die Einhaltung dieser Zusicherung immer wieder gerungen werden mußte. Es gab einen Versuch, der als Verstoß zu bewerten ist. In einem Schreibmaschinenabzug über Teilnehmer am Kongreß wurde nur für einen Teil der DDR-Delegation die korrekte Staatsbezeichnung angegeben, während eine bunte Mischung von österreichischen, westdeutschen und schweizerischen Teilnehmer unter „Germany“ aufgeführt wurde. Uns wurde das mit eintägiger Verspätung bekannt, und zwar am Abend vor dem Kongreßschluß. Ich habe sofort protestiert und um Auskunft beim Vorsitzenden des Organisationskomitees nachgesucht. Das Ergebnis war eine Entschuldigung und eine Erklärung, nach der dies auf eine Überlastung der Sekretärin zurückzuführen
86 BArch DY 30 IV A2/9.04/216. Aktennotiz von Egon Weigl vom 2. Juli 1969. 87 BArch DY 30 IV A2/9.04/216. Brief von Georg C. Drew an Friedhart Klix vom 30. 6. 1969 (deutsche Übersetzung).
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Kapitel 1 sei, die einfach heruntergeschrieben habe was ihr von verschiedenen Seiten an Zetteln und telefonischen bzw. mündlichen Angaben zugegangen sei. 88
Die zitierten Dokumente zeigen, wie wichtig auch nur kleinste Ereignisse genommen wurden, wenn es um die internationale Anerkennung des DDR-Staates ging. Ein ähnlicher Vorgang wiederholte sich anlässlich des Internationalen Kongresses 1976 in Paris. Als Vorsitzender der Gesellschaft für Psychologie der DDR schrieb Kossakowski am 28. Oktober 1975 an den Präsidenten des XXI. Internationalen Kongresses für Psychologie, Paul Fraisse: Wie mir bekannt wird, gibt es Schriftstücke zur Vorbereitung des 21. Internationalen Kongresses für Psychologie, in denen die Bezeichnungen „Allemagne-est“ bzw. „Allemagne-ouest“ benutzt werden. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie, sehr verehrter Herr Präsident, veranlassen könnten, in allen offiziellen Materialien die korrekte Staatsbezeichnung „Republic (sic!) Democratique Allemagne“ bzw. „German Democratic Republic“ zu verwenden, um politische Komplikationen anläßlich des unter Ihrer Präsidentschaft stehenden Kongresses vorzubeugen. 89
Ein ganz anderer Aspekt der Teilnahme der DDR-Psychologen am Internationalen Kongress in London 1969 betraf das Ziel, ihre Wissenschaft international erfolgreich präsentieren zu können. Dementsprechend hieß es in einer Selbsteinschätzung ihrer wissenschaftlichen Leistungen, die sie anlässlich ihrer Beantragung der Teilnahme am Tokioter Kongress 1972 beim Sekretariat des Zentralkomitees der SED einreichten: Die Psychologen der DDR haben seither in dieser bedeutendsten internationalen Vereinigung der Psychologie durch ihr erfolgreiches Auftreten auf Kongressen 1969 in London mit 10 Delegationsmitgliedern und internationalen Symposien und durch ihre publizierten Forschungsarbeiten volle Anerkennung gefunden und eine beachtliche politische und fachliche Position errungen. 90
Das nächste zu erreichende Ziel bestand aus zwei definierten Vornahmen. Einmal sollte ein Kongress der International Union of Psychological Science in die DDR geholt werden. Darüber wird im nächsten Kapitel ausführlich zu berichten sein. Zum anderen ging es um einen Sitz eines DDR-Psychologen im Führungsgremium der International Union of Psychological Science. Interessanterweise ist in einem aufgefundenen Dokument schon ein früher schriftlicher Hinweis zu finden, den man als Absicht verstehen kann, einen Sitz im Exekutivkomitee bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit, also auf der Generalversammlung in Tokio 1972, anzustreben. In seinem Bericht über die Teilnahme der DDR-Delegation am Londoner Kongress 1969 schrieb der Vorsitzende der DDR-Gesellschaft, Klix: „Wenn die Aussicht besteht, in internationalen wissenschaft-
88 BArch DY 30 IV A2/9.04/216. Brief von Friedhart Klix an Gen. Gutsmann, mit beigelegter Kurznotiz über einige wissenschaftspolitische Aspekte in Zusammenhang mit dem XIX. Internationalen Kongreß für Psychologie in London, 27. 7. - 2. 8. 1969, vom 7. 8. 1969. 89 HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Brief von Adolf Kossakowski an Paul Fraisse vom 28. 10. 1975. 90 HUBA GPs-DDR 785a. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Vorlage für das Sekretariat des Zentralkomitees der SED. Betr.: Teilnahme einer Delegation der DDR am 20. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 13.-19. August 1972 in Tokio.
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lichen Gruppierungen Einfluß zu gewinnen, sollten die DDR-Psychologen aktiv mitarbeiten.“ 91 Man kann bei Kenntnis des Ausganges der Wahlen in der Generalversammlung in Tokio den Text schon zielgerichtet auf die Eroberung eines Sitzes im Exekutivkomitee lesen. Ohne diese Kenntnis erschließt sich diese Formulierung allerdings nicht ohne weiteres als Absicht in diese Richtung. Darüber hinaus dürfte auch die Direktive für den Kongress in Tokio auf eine Bewerbung um einen Sitz im Exekutivkomitee hinweisen: Gen. Prof. Dr. Klix leitet die Delegation und vertritt die Interessen der Gesellschaft für Psychologie der DDR in den Beratungen des Exekutivkomitees und anderen Sitzungen. Er stimmt sich in den zu behandelnden Fragen mit den Exekutivkomitee-Mitgliedern u. Delegationsleitern aus den sozialistischen Ländern ab.92
Den vorliegenden Dokumenten ist zu entnehmen, dass vonseiten der DDR die Absicht, in der Internationalen Union eine personelle Repräsentanz zu erreichen, nach dem Londoner Kongress, also im Jahre 1969, zielstrebig verfolgt worden ist. Nach der erfolgreichen Teilnahme der zehnköpfigen Delegation in London strebte man nun an, auch für den Folgekongress in Tokio eine zahlenmäßig starke Delegation nach Japan reisen lassen zu können. Von den 20-25 Personen, von denen im Antrag zur Teilnahme am Kongress in Tokio die Rede ist, durften schließlich nur drei fahren: Winfried Hacker, Adolf Kossakowski und Friedhart Klix. Die beiden Erstgenannten hielten je einen Vortrag, Klix beteiligt sich an einem Symposium über die Simulation kognitiver Prozesse und präsentierte einen von insgesamt nur sieben persönlich eingeladenen Plenarvorträgen. Über die Wahl in das Exekutivkomitee berichtete Friedhart Klix selbst: Wissenschaftspolitische Aspekte: ... Das 2. herausragende Ereignis der Assemblysitzung war die Wahl des neuen Exekutivkomitees, das jeweils für 4 Jahre von der Vollversammlung gewählt wird. Der DDR-Vertreter der DDR-Delegation [Anmerkung: Klix] hat zunächst an dieser Beratung nicht teilgenommen bis schließlich die Information kam, daß seine Kandidatur von der sowjetischen und der australischen sowie 3 weiteren Delegationen befürwortet wurde. Der Wahlgang bestand darin, daß von 41 aufgestellten Kandidaten 10 ausgewählt werden mußten. Am Ende des Wahlganges waren die 10 Exekutivmitglieder mit absoluter Mehrheit gewählt, darunter auch der Vertreter der Deutschen Demokratischen Republik. Die Wahl wurde angenommen, sie bedarf noch der Bestätigung durch die zuständigen staatlichen Organe. Aufgrund der Ausrichtung des Kongresses, auf Grund der Rolle, die die Stimmen der sozialistischen Länder bei einer Reihe wissenschaftspolitischer Entscheidungen spielen, erscheint die Mitgliedschaft der DDR im Exekutivkomitee dieses Gremiums als befürwortenswert, ja als notwendig.93
91 BArch DY 30 IV A2/9.04/216. Bericht der Delegation der Gesellschaft für Psychologie in der DDR über die Teilnahme am XIX. Internationalen Kongreß für Psychologie, 27. 7. -2. 8. 1969 in London. 92 HUBA GPs-DDR 785a. Gesellschaft für Psychologie. Vorläufige Direktive XX. Internationaler Kongreß für Psychologie, 13.- 19. August 1972 in Tokio. 93 HUBA GPs-DDR 785a. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Bericht über die Teilnahme am XX. Internationalen Kongreß für Psychologie in Tokio vom 13.-19. August 1972.
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Kapitel 1
Nun ist die DDR schon sechs Jahre nach Aufnahme als Vollmitglied im Exekutivkomitee der International Union of Psychological Science vertreten. Interessanterweise – aber wohl auch nicht zufälligerweise – wurde 1972 neben Leontjew erstmalig auch Lomow, beide aus der UdSSR, in das Exekutivkomitee gewählt. Er wurde schon 1969 von der DDR zur Wahl vorgeschlagen, erhielt aber nicht die notwendige Anzahl an Stimmen. Zu den 31 nicht gewählten Mitgliedern für das Exekutivkomitee gehörten auch die zwei von der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen vorgeschlagenen westdeutschen Psychologen. Die bundesrepublikanische Psychologie musste noch weitere sechs Jahre warten, bevor sie durch einen Vertreter im Führungsgremium der International Union of Psychological Science vertreten war, obwohl sie als Gründungsmitglied von Anfang an der Union angehört. Der Vorsprung, den die DDR nun in der Frage der Repräsentanz in der International Union of Psychological Science vor der bundesrepublikanischen Anwärterschaft erworben hatte, war mit der Einwerbung des XXII. Internationalen Kongresses nach Leipzig 1980 (siehe Kapitel 2) sowie mit dem Sitz eines DDR-Vertreters im Exekutivkomitee augenscheinlich geworden. Die weitere Entwicklung der DDR-Psychologie auf der Bühne internationaler Kongresse soll hier nur unter einem einzigen weiteren Aspekt behandelt werden. Dabei geht es um die Teilnahme einer DDR-Delegation am XXI. Internationalen Kongress für Psychologie im Jahre 1976 in Paris. Diesem Kongress in Frankreich folgte schon der Leipziger Kongress 1980, so dass die Teilnehmer aus der DDR mit großer Aufmerksamkeit den Vorläuferkongress beobachten wollten, um mit reichlich angesammelten Erfahrungen zu den eigenen Vorbereitungen zurückkehren zu können. Zu bedenken ist dabei, dass die DDR-Kollegen erst auf wenige Erfahrungen bei Weltkongressen aufbauen konnten. Wie später ausführlicher ausgeführt werden wird (siehe Kapitel 9, S. 264), war es für DDR-Wissenschaftler nicht möglich, als Einzelperson zu einem Kongress ins Ausland zu fahren. Als Prinzip galt vielmehr, dass vom Staat der DDR Delegationen entsandt wurden. Für die DDR-Psychologen hatte die Gesellschaft für Psychologie der DDR das Vorschlagsrecht für die Aufnahme in eine derartige Delegation. Der danach folgende Antragsweg bis zu einer Genehmigung war sehr lang und die Prozedur aufwendig: Die Gesellschaft für Psychologie der DDR stellte den Antrag bei der Akademie der Wissenschaften, die der Gesellschaft vorgesetzt war. Dazu musste eine Vorlage von der Gesellschaft für Psychologie der DDR erarbeitet werden, die über die Akademie der Wissenschaften und über die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED an das Sekretariat des Zentralkomitees der SED gerichtet wurde. Dieser lange Weg wurde offenbar erst beschritten, wenn in Vorabsprachen bereits ein ungefährer Genehmigungsrahmen verabredet worden war. Das lässt sich schon aus dem ersten uns bekannt gewordenen Schriftstück entnehmen, das vom Wissenschaftlichen Sekretär der Gesellschaft für Psychologie der DDR im Juli 1975, ein Jahr vor Kongressbeginn in Paris, an die „Akademie der Päd. Wissenschaften, Direktor für Kader und Bildung“
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gerichtet wurde.94 Dort wurde für die von der Gesellschaft für Psychologie der DDR auszuarbeitende Vorlage für das Sekretariat des Zentralkomitees der SED eine Kurzbiographie und Kaderbeurteilung des Gen. Kossakowski angefordert, der „nach Absprache mit der Abteilung Wissenschaften ... von uns als Mitglied der Delegationsleitung“ vorgeschlagen werden soll. Da die Zeit zur Erarbeitung sehr kurz sei, wird eine Antwort schon nach einer Woche erwartet. Die zeitliche Rekonstruktion vom ersten Vorschlag bis zur Genehmigung einer Delegation für den Pariser Kongress gestaltet sich etwas schwierig, weil die hierzu eingesehenen Schriftstücke und Vorlagen kein Datum tragen. Dennoch kann der Versuch unternommen werden, den Ablauf des lange dauernden und komplizierten Genehmigungsprozesses für den Reisekader zu rekonstruieren. Danach hat die Gesellschaft für Psychologie der DDR offenbar nach dem o. g. Schreiben noch im Juli 1975 eine Empfehlung (ohne Datum, aber sehr wahrscheinlich auf Juli 1975 datierbar) für die Delegation verfasst und auf den Weg geschickt.95 In diesem Schriftsatz wurde eine Delegation vorgeschlagen, die aus 23 Personen bestehen sollte: zwei Personen vom Zentralkomitee der SED, also aus der Politik; fünf Personen von der Akademie der Wissenschaften der DDR (inklusive der Teilnehmer aus der Gesellschaft für Psychologie der DDR); drei Personen aus der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften und aus dem Ministerium für Volksbildung; zwölf Personen aus dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen (darunter elf Personen aus fünf Universitäten); eine Person aus dem Ministerium für Kultur. Als Delegationsleiter wurde Friedhart Klix vorgeschlagen, der zu diesem Zeitpunkt noch Vorsitzender der Gesellschaft für Psychologie der DDR war, zwei Monate später jedoch bei Neuwahlen von Adolf Kossakowski abgelöst wurde. Die Größe der Delegation wurde damit begründet, dass es sich um Vertreter der zentralen Leitungsorgane handele, die zum Gelingen des Leipziger Kongresses entscheidend beizutragen hätten und daher in Paris wichtige Erfahrungen sammeln müssten. Nicht in den Anträgen zu finden sind Hinweise auf eine zusätzliche Motivation zum Reisen: Paris war sicherlich für die seit 15 Jahren durch Mauer und Grenze eingeschlossenen DDRBürger ein ausgesprochen attraktives Reiseziel. Vor allem wohl aus dem Grund der chronischen Knappheit an Devisen wurde die Delegationsgröße von den „zentralen delegationsbildenden Organen“ zusammengestrichen. Dagegen wandte sich der Wissenschaftliche Sekretär der Gesellschaft für Psychologie der DDR, Siebenbrodt, mit einem Brief vom 2.12.1975 an den Genossen Mertsching von der Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED, und auch der neue Vorsitzende der Gesellschaft, Kossakowski, mit Brief vom 28.10.1975, aber erst abgesandt am 3.12.1975 (laut handschriftlichem Vermerk) an dieselbe Adresse.
94 HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Brief des Wissenschaftlichen Sekretärs der Gesellschaft für Psychologie der DDR an die Akademie der Pädagogischen Wissenschaften, Direktor für Kader und Bildung, vom 3. 7. 1975. 95 HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Empfehlungen der vom Vorstand beauftragten Kaderkommission an die Leiter der delegierenden zentralen staatlichen Organe und das zentrale delegationsbildende Organ zur Zusammensetzung der Delegation der DDR für die Teilnahme am 21. Internationalen Kongreß für Psychologie in Paris vom 18. bis 25. Juli 1975.
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Kapitel 1
Kossakowski schrieb: „Ich halte es für politisch unmöglich, mit einer so kleinen Delegation zu diesem, für uns als Ausrichter des nachfolgenden Kongresses so wichtigen Kongreß zu erscheinen.“96 Am 28. Januar 1976 machte Kossakowski als Vorsitzender der Gesellschaft für Psychologie der DDR dem Generalsekretär der Akademie der Wissenschaften mit einer zehnköpfigen Personenliste (außer Delegationsleiter und dessen Stellvertreter) einen neuen Vorschlag für den Reisekader nach Paris.97 Nun wurden auch der Briefschreiber Kossakowski zum Delegationsleiter, Klix als Stellvertreter vorgeschlagen. Weiterhin sollten zwei Genossen aus dem Zentralkomitee der SED und der zugeordneten Stellen hinzukommen sowie zusätzlich eine Liste mit sieben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die zu Symposien nach Paris eingeladen wurden und, wie Kossakowski schrieb, auch bestätigt worden waren. Dem Anschreiben wurde eine revidierte Vorlage für das Sekretariat des Zentralkomitees der SED beigefügt. Darin wurde nun eine veränderte Delegationsgröße von 14 Personen vorgeschlagen. Aus der Direktive für die Delegation, die auch den Genehmigungsvermerk des Generalsekretärs der Akademie der Wissenschaften enthält, sind aus der Liste der Vorlage drei Namen ausgestrichen worden: Manfred Bierwisch, Rudi Mond und Ulrich Ihlefeld. Damit bestand nun die endgültige Delegation aus elf Personen, also weniger als die Hälfte, als ursprünglich beantragt worden war. Die Delegation setzte sich nun zusammen aus acht Psychologen, einem Pädagogen und zwei ranghohen Politikern der Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED. In der zitierten Direktive wurde der Delegation ein FünfPunkte-Auftrag mit auf den Weg gegeben: Die Delegation hat den Auftrag, - die von Partei und Regierung der DDR verfolgte Wissenschaftspolitik eindeutig zu vertreten - die Leistungsfähigkeit der in unserer Republik entwickelten psychologischen Forschung darzustellen - den wesentlichen Teil der im Programm gebotenen wissenschaftlichen und wissenschaftspolitischen Informationen aufzunehmen und für die Nutzung in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft der DDR auszuwerten - mit den international führenden Forschern in Hinblick auf die Organisation und Leitung von Symposien des 22. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig sondierende Gespräche zu führen - die Organisation des 21. Internationalen Kongresses für Psychologie zu studieren und für die Vorbereitung des 22. Kongresses für Psychologie 1980 auszuwerten.98
Interessant an dieser Aufgabenstellung ist die Reihenfolge, in der die Abarbeitung der Inhalte der gestellten Aufgaben erteilt wurden: Zuerst die Politik in drei Punkten, dann in zwei Punkten das Sammeln von Erfahrungen für die Kongressgestaltung in Leipzig. Weiterhin wird dekretiert, dass keine Dienstgeheimnisse offenbart werden dürfen, dass 96 HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Brief von Adolf Kossakowski an die der SED vom 28. 10. 1975. 97 HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Brief von Adolf Kossakowski an den Wissenschaften der DDR vom 28. 1. 1976. 98 HUBA GPs-DDR 788a/191.3. Gesellschaft für Psychologie der DDR der DDR. Direktive für die Delegation der DDR zur Teilnahme am Psychologie 19.-25. Juli 1976 in Paris/Frankreich vom 18. 6. 1976.
Abteilung Wissenschaften des ZK Generalsekretär der Akademie der und Akademie der Wissenschaften XXI. Internationalen Kongreß für
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keine Diskriminierung der DDR geduldet werden darf und dass „in allen Materialien des Kongresses die vollständige und korrekte Bezeichnung des Herkunftsstaates“ eingehalten wird, eine Abstimmung mit den sozialistischen, insbesondere der Delegation der Sowjetunion, stattfindet, dass die Friedenspolitik der DDR erläutert wird, dass Prof. Klix die Vertretung der DDR gegenüber der International Union of Psychological Science im Exekutivkomitee und der Generalversammlung übernimmt und dass ein ausführlicher Bericht über den Kongress angefertigt werden soll. Bei der Wahl des nächsten Kongressortes für das Jahr 1984 stimmt die DDR für Mexiko und gegen Israel. Sollte es zur Diskussion einer Resolution von westlicher Seite „über den sogenannten freien Verkehr der Wissenschaftler“ kommen, versucht die DDR-Delegation in der Generalversammlung mit den sozialistischen Länder zu erreichen, dass es nicht zu einer Abstimmung darüber kommt. Für den Fall, dass diese Vorgabe nicht zu erreichen ist, soll in der Resolution aufgenommen werden, dass die Erteilung von Visa eine innere Angelegenheit der Länder ist. Tatsächlich verabschiedet wird eine solche Resolution dann später auf dem Leipziger Kongress 1980, nachdem diese Problematik für die DDR überstanden war.99 Der erwartete Bericht über den Pariser Kongress wurde mit Brief vom 25. August 1976 vom wissenschaftlichen Sekretär der Gesellschaft für Psychologie der DDR, Siebenbrodt, beim Generalsekretär der Akademie der Wissenschaften der DDR, Prof. Dr. Grote, eingereicht.100 Er wurde vom Vorsitzenden der Gesellschaft für Psychologie der DDR und Delegationsleiter Kossakowski unterschrieben und umfasste 23 Seiten. Dieser Bericht gliederte sich in fünf Abschnitte: Nach einem Überblick, in dem das wissenschaftliche Niveau als „differenziert“ eingeschätzt wurde, wurden auf gut drei Seiten wissenschaftliche und politische Aktivitäten der Delegation beschrieben. Hier wurden vor allem die wachsende internationale Anerkennung der DDR-Psychologie und der zunehmende Einfluss von Entwicklungsländern in der Psychologie aus Südamerika und Kuba hervorgehoben. Der dritte Abschnitt befasste sich mit der „Auswertung der Sitzungen und Entscheidungen der Assembly sowie des Exekutivkomitees“. Die wichtigsten Punkte hieraus wurden bereits oben wiedergegeben. Der seitenstärkste Teil 4 berichtet über Hauptergebnisse und Entwicklungstendenzen der psychologischen Wissenschaft. Aus diesen Darstellungen wurden dann Schlussfolgerungen für die Programmgestaltung des Leipziger Kongresses gezogen. Im letzten Teil wurde ein kurzer Bericht über das Jugendprogramm gegeben. Der Bericht enthält auch vorsichtige Kritik an der Reisepolitik: Es wurde allerdings auch mehrfach Verwunderung darüber geäußert, daß die DDR-Delegation vergleichsweise sehr klein sei ... und dadurch die Ergebnisse unserer psychologischen Arbeit nur zum Teil 99 HUBA GPs-DDR 788a/191.3. Gesellschaft für Psychologie der DDR und Akademie der Wissenschaften der DDR. Direktive für die Delegation der DDR zur Teilnahme am XXI. Internationalen Kongreß für Psychologie 19.-25. Juli 1976 in Paris/Frankreich vom 18. 6. 1976. 100 HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Brief der Gesellschaft für Psychologie der DDR an den Generalsekretär der Akademie der Wissenschaften der DDR vom 25. 8. 1976. HUBA GPs-DDR-788a/191.3. Bericht der DDR-Delegation über den XXI. Internationalen Kongreß für Psychologie (Paris, 18.-25. Juli 1976) vom 24. 8. 1976.
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Kapitel 1 vorgestellt werden konnten. Mehrere international bekannte und anerkannte Psychologen der DDR wurden von Kongressteilnehmern aus anderen Ländern vermißt. Die DDR – wie auch andere sozialistische Länder (die z.T. wesentlich stärker vertreten waren als die DDR) – hätten mehr Potenzen als gegenwärtig genutzt werden, um das Niveau und die Richtung des Kongresses mitzubestimmen. 101
Als weiterer Kritikpunkt ist zu lesen, dass die Buch- und Geräteausstellung auf dem Pariser Kongress außer von der Sowjetunion nur von kapitalistischen Ländern beschickt worden sei: „Das Interesse an der DDR-Psychologie hätte Aktivitäten in dieser Hinsicht auf jeden Fall gerechtfertigt.“ 102 Bemerkenswert ist weiterhin die im Brief der Gesellschaft für Psychologie der DDR enthaltene Formulierung: „Gen. Prof. Mäder ist auf Grund einer in der Delegation vorgenommenen Auswertung der Auffassung, daß die vorliegende Fassung alle wesentlichen Berichtspunkte richtig darstellt.“ Diese auf den Parteisekretär in der Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED bezogene Rückversicherung war wohl deshalb aus Sicht von Siebenbrodt sinnvoll, weil er wegen der Urlaubszeit weder Kossakowski noch Klix erreichen konnte und damit die Verantwortung für den Bericht auf seinen Schultern lag.103 In der Generalversammlung der International Union of Psychological Science in Paris wurde Friedhart Klix erneut für die nächsten vier Jahre in das Exekutivkomitee gewählt. Er erhielt von allen Kandidaten die meisten Stimmen. Dieses Ergebnis wird umso verständlicher, je mehr Zitate man aus dem „Nur für den Dienstgebrauch“ klassifizierten Bericht vom Pariser Kongress heranzieht. Bei der Wahl der Exekutive ... konnte im Ergebnis gut abgestimmter Zusammenarbeit erreicht werden, daß Prof. Lomow, UdSSR, als Vizepräsident und 3 weitere Mitglieder sozialistischer Länder in das Exekutivkomitee gewählt werden. ... Interessant ist, daß der Vorsitzende der Venezuelanischen Gesellschaft für Psychologie ... um die Möglichkeit gebeten hatte, sich mit den sozialistischen Ländern vor der Wahl abzustimmen. So konnte erreicht werden, daß alle vertretenen südamerikanischen Länder sich unserer Strategie anschlossen. 104
Diese Absprachen hatten zur Folge, dass von den zehn neu gewählten Mitgliedern des Exekutivkomitees vier aus Entwicklungsländern stammten, nämlich aus Kuba, Mexiko, Nigeria und Venezuela. Zusätzlich trat in Paris ein weiteres Problem auf, dessen exakte Einschätzung auf Grund der Aktenlage heute noch nicht restlos befriedigend geschehen kann. Aus dem genannten Bericht der DDR-Delegation geht auch hervor: „ ... wie Gespräche mit Vertretern der sozialistischen und anderer Staaten angegeben haben, wurde Prof. Klix als Spitzenkandidat für die Wahl des Präsidenten der IUPS angesehen.“ Diese Erwartung, dass Friedhart Klix auch als Kandidat für das Präsidentenamt galt, war offensichtlich schon vor Kongressbeginn bekannt. Die oben erwähnte Direktive zum Pariser Kongress erklärte dazu: „Zum eventuellen Angebot an Genossen AKM [Akademiemitglied] Klix, für die Funktion des Präsidenten oder eines Vizepräsidenten zu kandidieren, wer-
101 a. a. O. 102 a. a. O. 103 a. a .O. 104 a. a. O..
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den vor Abreise der DDR-Delegation gesonderte Absprachen getroffen.“ 105 Tatsächlich hat Klix für keines der beiden Führungsämter kandidiert. Er berichtete über eine Vorbesprechung zur Sitzung des Exekutivkomitees in Paris: Es ging hier im wesentlichen um die Kandidatur für das Amt des Präsidenten und der Vizepräsidenten. Prof. Klix hatte kurz vor der Abreise zum Kongreß ein Telegramm des Generalsekretärs [Anmerkung: der International Union of Psychological Science] erhalten, in dem dieser ihn ersuchte, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren, da die meisten Vorschläge der Ländervertreter auf seine Person entfielen. Prof. Klix erklärte, daß er weder für die Funktion des Präsidenten noch für die eines Vizepräsidenten kandidieren wolle, da es im Zusammenhang mit dem XXII. Internationalen Kongreß nicht günstig erschiene, wenn beide Verantwortlichkeiten [Anmerkung: Präsident bzw. Vizepräsident der Union und Kongresspräsident] in einer Hand lägen. Nach längerer Diskussion und der gründlichen Erörterung einiger Einwände wurde diese Argumentation zur Kenntnis genommen bzw. akzeptiert. Man muß allerdings auch sehen, daß diese Entscheidung die Möglichkeiten einer Gestaltung des Kongresses nach eigenen Plänen gemeinsam mit denen der sozialistischen Länder erheblich begrenzt. 106
Diese Situation muss man sich im Nachhinein detailliert vor Augen führen. Da gelingt einem DDR-Psychologen ein rasanter Aufstieg in der Internationalen Union Psychologischer Gesellschaften, er wird vermutlich mit einer Stimmenmehrheit hinter sich als Kandidat für die Präsidentschaft gehandelt – und er lehnt das Angebot ab. Arbeitsüberlastung erscheint als Grund nicht ganz überzeugend. Welches konnten aber wirkliche Motive für diesen Rückzug auf der steilen Karriereleiter sein? Hier sind wir nun auf Interpretationen angewiesen, da konkrete Fakten dazu fehlen. Natürlich gibt es zu dieser Zeit eine Ämterhäufung bei Klix. Damit könnte die Ablehnung mit der Befürchtung einer nicht mehr beherrschbaren Arbeitsüberlastung motiviert sein. Als alleiniges Argument scheint es aber nicht plausibel. Es könnten auch noch andere Gründe für das Ausschlagen der Kandidatur um die Präsidentschaft in Frage kommen. Zu bedenken ist, dass diese Vorkommnisse in das Jahr 1976 fallen. Zu diesem Zeitpunkt war die Gesellschaft für Psychologie der DDR noch der Akademie der Wissenschaften unterstellt. Sie hatte Weisungsbefugnis über die Gesellschaft für Psychologie der DDR und damit auch nachhaltigen Einfluss auf die Kongressgestaltung. Von der Akademie ist auch bekannt, dass sie als besonders ideologisch galt. Es ergab sich für die Akademie der Wissenschaften damit gleichzeitig die Möglichkeit, die Gestaltung des Kongresses nach eigenen Plänen gemeinsam mit denen der sozialistischen Länder durchzusetzen. Dem Ansinnen hätte sich Klix wahrscheinlich nicht widersetzen können, obwohl es ihm äußerst wichtig war, den Leipziger Kongress von ideologischen Beiträgen frei zu halten. Demgegenüber hielt er sich auf dem von ihm gewählten Weg der Ablehnung die Option offen, den Willen des Präsidiums der International Union of Psychological Science als Korrektiv gegen die Gefahr der Ideologisierung durch die Einflussnahme der Akademie der Wissenschaften ins Feld zu führen und durchzuset105 HUBA GPs-DDR 788a/191.3. Gesellschaft für Psychologie der DDR und Akademie der Wissenschaften der DDR. Direktive für die Delegation der DDR zur Teilnahme am XXI. Internationalen Kongreß für Psychologie 19.-25. Juli 1976 in Paris/Frankreich vom 18. 6. 1976. 106 HUBA GPs-DDR-788a/191.3. Bericht der DDR-Delegation über den XXI. Internationalen Kongreß für Psychologie (Paris, 18.-25. Juli 1976) vom 24.8.1976.
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Kapitel 1
zen. Wünschen und Anforderungen von Seiten der Union ist die DDR-Politik immer gefolgt. Obwohl die Internationale Union eigentlich über keine bemerkenswerten Möglichkeiten zur Ausübung von Macht besaß, schrieb ihr die DDR-Politik genau solche Einflussmöglichkeiten zu. Ihr wurde von DDR-Seite fälschlicherweise sogar der Status einer Art von UN-Organisation zugeschrieben, was keinesfalls zutreffend war und ist. Geschickterweise haben die DDR-Psychologen dieser Einschätzung auch nicht widersprochen, vielleicht haben sie diese Sichtweise sogar damit genährt, dass sie in Anträgen an Behörden darauf hingewiesen haben, dass die Union sogar Fördergelder von der UNESCO erhielt. Wie später gezeigt werden wird, hat sich Klix energisch für eine harte Verwissenschaftlichung und gegen jeden Versuch der Ideologisierung des Kongresses eingesetzt. Und wahrscheinlich hielt er es für aussichtsreicher, diesen Richtungskampf zusammen mit dem Präsidium der International Union of Scientific Psychology zu führen, als untätig der Einflussnahme der Akademie der Wissenschaften zusehen zu müssen. Als Präsident, der sich in diesen Fragen gegen seinen eigenen Staat stellt, konnte er nicht handeln. Diese Sorge um die politische Beeinflussung des Internationalen Kongresses behandelt Klix in seiner Selbstdarstellung wohl nicht ohne Grund sehr ausführlich. 107 Erst zwei Jahre später gelang es der Gesellschaft für Psychologie der DDR, sich von den Weisungen der Akademie der Wissenschaften zu befreien (siehe dazu Kapitel 3). Erst dann hat Klix wieder persönlichen Einfluss auf Entscheidungen gewonnen, die über den Kongress und die Psychologie in der DDR getroffen wurden. So konnte dann auch schon bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit das nachgeholt werden, was 1976 noch ausgeschlagen werden musste: 1980 wurde Friedhart Klix auf der Generalversammlung der International Union of Psychological Science in Leipzig nach erfolgreichem Ablauf des dortigen Kongresses zum Präsidenten der Union gewählt (s. Kapitel 8, S. 241). FACHPOLITISCHE S ITUATION DER PSYCHOLOGIE IN DER DDR VON 1960 BIS 1980 IHRE KONSEQUENZEN FÜR DIE E NTWICKLUNG DER P SYCHOLOGIE IN DER DDR
UND
Nach der Gründung der DDR im Jahre 1949 hat es mehrere einschneidende Reformen für die Universitäten und ihre Wissenschaften gegeben. Der Beginn der massiven politischen Einflussnahme auf die Hochschulen und auf die Wissenschaften der DDR durch die Politik fiel in das Jahr 1951. Zwar liegt dieser Zeitpunkt außerhalb unseres Betrachtungszeitraums, zum Verständnis der sich danach vollziehenden Entwicklung muss er dennoch kurz einbezogen werden. Startpunkt für die als II. Hochschulreform bezeichnete Einflussnahme von Politik auf die Wissenschaften und das Hochschulwesen war das 4. Plenum des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands im Januar 1951. So kündigte das Zentralkomitee an, „einen unversöhnlichen Kampf gegen alle reaktionären Ideologien, 107 Klix, Friedhart (2004). Friedhart Klix. In Helmut E. Lück (Hrsg.), Psychologie in Selbstdarstellungen (Band 4, S. 168-192). Lengerich: Pabst.
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gegen bürgerlichen Objektivismus, gegen Kosmopolitismus und Sozialdemokratismus an den Universitäten und Hochschulen zu entfalten, um jeden Versuch zu unterbinden, imperialistische Ideologien zu verbreiten“. ... Die nächsten Aufgaben in der Entwicklung der Wissenschaft bestünden darin, „1. das gesellschaftswissenschaftliche Grundstudium [Anmerkung: gemeint hiermit ist ein für jeden Studierenden verbindliches Studium des Marxismus-Leninismus mit Abschlußprüfung] an allen Fakultäten der Universitäten und Hochschulen wirksam durchzuführen, 2. das Studium der Naturwissenschaften und exakten Wissenschaften zu fördern, 3. die Ergebnisse der Sowjetwissenschaft ... ohne Verzögerung den Angehörigen des Lehrkörpers und unseren Studierenden zu vermitteln“. 108 Die Vorgaben des Zentralkomitees der SED leiteten eine Neuorganisation der Hochschulen ein und führten zur Gründung eines „Staatssekretariats mit eigenem Geschäftsbereich für Hochschulfragen“ auf staatlicher Seite (siehe auch Kapitel 3). Das Studium der Psychologie wurde auf ein zehnmonatiges Studienjahr für ein vierjähriges Diplomstudium (ab 1955 auf fünf Jahre verlängert) umgestellt, in das sowohl das gesellschaftswissenschaftliche Grundstudium als auch das Erlernen der russischen Sprache integriert wurden. Um idealistischen Theorien ganz abzuschwören und allein materialistische Erklärungsansätze verbindlich zu machen, wurde am Vorbild der sowjetischen Psychologie eine „Pawlowisierung“ verbindlich gemacht, die erst nach der berühmten Chruschtschow-Rede auf dem 20. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion im Jahre 1956 wieder aufgeweicht wurde. Dieser von Chruschtschow mit seiner Parteitagsrede eingeleiteten kurzen sog. „Tauwetterperiode“ folgten schon 1958 wieder weitere Schritte der Zentralisierung und Politisierung der Wissenschaften und der Hochschulen in der DDR. Der Erlass der „Verordnung über die weitere sozialistische Umgestaltung des Hoch- und Fachschulwesens in der Deutschen Demokratischen Republik“ vom 13. Februar 1958 verstärkte den Einfluss der SED durch Kompetenzerweiterungen des „Staatssekretariat für das Hoch- und Fachschulwesen“ z. B. bei Berufungen sowie der Vergabe des Stimmrechtes an Parteisekretäre in den Fakultäten.109 Nach der Inkraftsetzung der genannten Verordnung kam es vom 28. Februar bis 2. März 1958 zur III. Hochschulkonferenz der SED, auf der der Sekretär beim Zentralkomitee und Mitglied des Politbüros, Kurt Hager, eine Grundsatzrede hielt. Walter Mäder, ständiger Beauftragter für das Fach Psychologie im Zentralkomitee der SED, Abteilung Wissenschaften, fasste die Ergebnisse dieser Tagung später wie folgt zusammen: Die Auswertung der III. Hochschulkonferenz der SED, die im Februar 1958 stattfand, und die auf die Entwicklung der sozialistischen Hochschule und Universität orientierte, wurde eine Entwicklungskonzeption für die Psychologie im Bereich des Hochschulwesens erarbeitet. Zu den Schwerpunkten dieser Entwicklungskonzeption gehörte die Durchsetzung der marxistisch-leninistischen Grundlagen im Fach108 Strocka, Cordula (2001). Die Gesellschaft für Psychologie der DDR im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichem Anspruch und politisch-ideologischer Ausrichtung. Eine Analyse der Kongresse 196472. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Psychologie (S. 14). 109 Dumont, Kitty (1999). Die Sozialpsychologie der DDR. Frankfurt a.M.: Lang.
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Kapitel 1 gebiet, die Ausrichtung der Ausbildung und der Forschung auf die Erfordernisse der Entwicklung der DDR, die Entwicklung und Förderung des wissenschaftlichen Lebens auf dem Gebiete der Psychologie, die Veränderung des Beirates für Psychologie im Interesse der Verwirklichung der Hochschulpolitik der DDR. Die Entwicklung marxistisch-leninistischer Kader, die Verbreitung der Erkenntnisse der sowjetischen Psychologie, der Aufbau marxistisch-leninistisch ausgerichteter Institute und die Herstellung des Anschlusses an das internationale wissenschaftliche Leben auf dem Gebiet der Psychologie.110
Als erste Konsequenz wurde zunächst der Wissenschaftliche Beirat für Psychologie beim Staatssekretariat für das Hoch- und Fachschulwesen nach dessen vorangegangener Arbeitseinstellung im Jahre 1954 wieder belebt und unter der neuen Leitung von Werner Straub, Dresden, auch mit neuen Personen besetzt: Dazu gehörte, daß der Beirat für Psychologie 1959 die sog. „DDR-Kolloquien“ ins Leben rief, die der Belebung des wissenschaftlichen Meinungsstreits, der Erarbeitung marxistisch-leninistischer Grundorientierungen und der Auseinandersetzung mit den Positionen der bürgerlichen Psychologie dienten. Damit waren sie zugleich ein Forum zur Entwicklung marxistisch-leninistischer Kader.111
Diese neue im Jahre 1958 begonnene Reform der Wissenschaften und Hochschulen beendete die Tauwetterperiode vollständig, ermöglichte weitgehende Einflussnahmen von Seiten der Politik auf die Wissenschaften und Universitäten und führte mit dem in Gang gesetzten Meinungsstreit die Überwindung der sog. bürgerlichen Psychologie herbei. Während die Mehrzahl der als bürgerlich bezeichneten Psychologen sich den geforderten neuen Gegebenheiten anpasste, opponierten andere dagegen. Mit der 1951 eingeleiteten II. Hochschulreform in der DDR haben sich in der Psychologie eher nur moderate Veränderungen vollzogen. Das änderte sich ab 1958 grundlegend. Durch staatliche Verordnung wurde der politische Einfluss durch die SED verstärkt, das Studium stärker ideologisiert, die „bürgerliche Psychologie“ mehr oder weniger erfolgreich zurückgedrängt, der nachrückenden Hochschullehrergeneration, die ihre wissenschaftliche Ausbildung schon ausschließlich in der DDR erhalten hatte, der Aufbau einer dem Staate genehmen Psychologie übergeben. Dabei kam es zu Ressourcenumlagerungen und zu personellen Veränderungen sowie der Einrichtung eines zentralistisch eingerichteten Wissenschaftlichen Beirates, der zunächst beim Staatssekretariat für das Hoch- und Fachschulwesen, ab 1967 beim „Ministerium für das Hoch- und Fachschulwesen“ angesiedelt war und diesen staatlichen Stellen bei der Reform der Studienordnungen zuarbeitete und damit Einfluss auf die Entwicklung der Psychologie in der DDR nahm. Mit den herbeigeführten Veränderungen und Neuordnungen, die die Psychologie in der DDR betrafen, blieb ein gewichtiges Problem aber bestehen: Die Psychologie war, was die Ausstattung und die vorgehaltenen Ressourcen betraf, im Kanon der Universi110 Mäder, Walter (1989). Zeitgeschichtliche Aspekte und Zusammenhänge der Entstehung und Entwicklung der Gesellschaft für Psychologie der DDR. In Georg Eckardt, Walter Mäder & Lothar Sprung (Hrsg.), Psychologiehistorische Manuskripte (Band 2, S. 44-53). Berlin: Gesellschaft für Psychologie der DDR (S. 47). 111 a. a. O. (S. 48).
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tätsdisziplinen ein kleines und dazu noch schlecht ausgestattetes Fach geblieben. Zwar wurde nach der Rückkehr von Klix aus Jena auf den Lehrstuhl an der HumboldtUniversität der Plan aufgegeben, das Berliner Institut zu Gunsten anderer Institute weiter zu verkleinern. Auch wurde 1960 das Psychologische Institut an der FriedrichSchiller-Universität in Jena unter der neuen Leitung von Hans Hiebsch wieder eröffnet. Damit gab es nun mit Berlin, Dresden und Jena drei Ausbildungsinstitute für Diplom-Psychologen in der DDR. Die Karl-Marx-Universität Leipzig aber, die sich als „Geburtsort“ der wissenschaftlichen Psychologie bezeichnen ließ, hatte noch immer kein selbständiges Psychologisches Institut. Dort waren die Psychologen zusammen mit den Pädagogen vorrangig mit der Ausbildung von Lehrern betraut worden. (Zur Neugründung der Sektion Psychologie in Leipzig siehe Kapitel 4, S. 114.) 1965 schließlich kam es mit dem „Gesetz des einheitlichen sozialistischen Bildungssystems“ zu einer weiteren, diesmal das ganze Bildungssystem umfassenden Veränderung. 1966 folgte als Ergebnis dieser Neuerung die sog. III. Hochschulreform als Teil des Reformwerkes. Eine für die zukünftige Psychologie gültige Entwicklungsrichtlinie formulierte der Vorsitzende der Gesellschaft für Psychologie der DDR, Werner Straub, auf dem 1. Kongress der Gesellschaft für Psychologie der DDR 1964 in Dresden in seiner Eröffnungsrede: ... es geht ... um die Verwirklichung der großen Ziele des sozialistischen Humanismus, die nicht anders erreicht werden als über die volle Beherrschung der Produktion, in der die Wissenschaft unmittelbare Produktivkraft geworden ist. Es geht um die Ausrichtung der Psychologie auf das Ziel des Kommunismus als eine(r) hochorganisierte(n) Gesellschaft freier Menschen, auf die kommunistische Gesellschaftsordnung, in der mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auf der Grundlage der ständig fortschreitenden Wissenschaft und Technik auch die Produktivkräfte wachsen.112
Als weitere umzusetzende Ziele galten: Neuformierung, Konzentration und Zusammenlegung von Instituten und Forschungseinrichtungen zu Sektionen mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen an unterschiedlichen Orten und mit neuen Leitungsstrukturen; Kooperation mit Praxisbereichen wie z. B. Industrie und Gesundheitswesen; Förderung junger begabter Wissenschaftler zur Stärkung deren Motivation bei der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung; Gliederung des Studiums in Grund-, Fach- und Spezialstudium; Einführung eines Forschungsstudiums mit Promotionsabschluss. Angelegt war diese III. Hochschulreform weiterhin mit dem Ziel, „menschliches Humankapital“ zu schaffen, um die Wissenschaft in ihrer Funktion als Produktivkraft zu stärken. All diese Ziele ließen sich vereinigen unter der von Walter Ulbricht, dem damaligen Ersten Sekretär des Zentralkomitees der SED, aufgestellten Forderung nach Schaffung einer „voll entwickelten sozialistischen Gesellschaft“. Diese mit der III. Hochschulreform geschaffenen Strukturen hatten Bestand bis zum Ende der DDR im Jahre 1990.
112 Nach Siebenbrodt, Jürgen & Noack, Dieter (1987). 25 Jahre Gesellschaft für Psychologie der DDR – Ein Vierteljahrhundert im Dienste der Wissenschaft und des sozialistischen Aufbaus. In Dieter Noack (Hrsg.), 25 Jahre Gesellschaft für Psychologie der DDR (S. 4-34). Berlin: Gesellschaft für Psychologie der DDR (S. 8 f.).
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Kapitel 1
Der beschriebene Weg für eine vom Staat vorgegebenen Entwicklung der Psychologie in der DDR im Rahmen der gesetzlich verankerten Hochschulreformen sowie durch die herbeigeführte Isolierung nach dem Mauerbau war klar vorgegeben: Ideologisierung der Wissenschaft nach marxistisch-leninistischen Vorgaben; Entwicklung eines eigenen Weges für die Psychologie unter dem Verständnis von Wissenschaft als Produktivkraft, Orientierung an der sowjetischen Psychologie und Abgrenzung von allen als bürgerlich und imperialistisch verstandenen westlichen Richtungen der Psychologie, Ausrichtung auf eine kommunistische Gesellschaftsordnung mit freien Menschen sowie der Verwirklichung humanistischer Ziele und – last but not least – Abtrennung von der Bundesrepublik und von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, die der Hallstein-Doktrin in Bezug auf die DDR-Psychologie folgt. Dieses Szenario hatte sich zudem auf der Grundlage einer ausgesprochen prekären Mangelausstattung der wissenschaftlichen Institute der DDR vollzogen. Wie unversöhnlich, ja sogar politisch-aggressiv zu Beginn der 1960er Jahre mitunter Vertreter der DDR-Psychologie gegenüber dem Westen auftraten, ist einem Aufsatz des Jenenser Sozialpsychologen Hans Hiebsch zu entnehmen: Es ist die Tatsache, daß unsere Welt in zwei einander gegenüberstehende Lager gespalten ist: in das Lager der jungen, aufstrebenden Gesellschaftsordnung des Sozialismus einerseits und in das Lager des verfaulten, imperialistischen Kapitalismus andererseits. ... Die Auseinandersetzung zwischen dem reaktionären Westzonenstaat und unserer Deutschen Demokratischen Republik vollzieht sich ebenso wie in Ökonomik auch in der Ideologie und bestimmt auch die feinsten Verästelungen der wissenschaftlichen Arbeit. Deshalb ist es unsere Aufgabe, der westdeutschen Bourgeoisie und ihren intellektuellen Apologeten in der Psychologie die ideologischen Waffen, mit denen sie unsere sozialistische Aufbauarbeit in der materiellen Basis und in den Köpfen der Menschen stören wollen, aus den Händen zu schlagen. 113
113 Hiebsch, Hans (1961), Die Bedeutung des Menschenbildes für die Theorienbildung in der Psychologie. Probleme und Ergebnisse der Psychologie, 1, 5-29 (S. 5).
KAPITEL 2 DIE EINLADUNG ZUM XXII. INTERNATIONALEN KONGRESS FÜR PSYCHOLOGIE NACH LEIPZIG 1980 Die Gesellschaft für Psychologie der DDR überbrachte ihre Einladung zum XXII. Internationalen Kongress nach Leipzig für das Jahr 1980 auf dem XX. Internationalen Kongress für Psychologie 1972 in Tokio. Erst sechs Jahre zuvor war die DDR-Gesellschaft als Vollmitglied in die International Union of Psychological Science aufgenommen worden (s. Kapitel 1). Eine Einladung zu einem wissenschaftlichen Treffen mit Gästen aus allen Teilen der Welt in einen Staat, der sich durch Mauerbau und Stacheldraht von der Außenwelt abgeschottet hatte und strenge Kontrollen bei der Visum-Beantragung und beim Übertritt über die Staatsgrenze installiert hatte, stellte eine Herausforderung für die Internationale Union und ihre Mitglieder dar. Eine solche von der DDR ausgesprochene Einladung war ohne Frage mit politischen Absichten und Zielen verknüpft. Aus diesem Grunde ist es unverzichtbar, dieses Vorhaben der DDR mit der weltpolitischen Situation in den 1970er Jahren in einen Zusammenhang zu stellen. Denn auch die Motive, die schließlich zur Einladung eines internationalen Publikums in die DDR führten, gründeten sich zu einem nicht unwesentlichen Teil auf Zielsetzungen, die von der DDR-Politik vorgegeben waren oder zumindestens sich mit ihr kompatibel erwiesen. Die Einladung selber musste, wollte man in Tokio erfolgreich sein, strategisch gut vorbereitet sein. Von DDR-Seite war damit zu rechnen, dass auch andere Länder sich um die Gastgeberschaft des Kongresses im Jahre 1980 bewerben würden, was auch tatsächlich eintrat. Um erfolgreich aus einer solchen Konkurrenzsituation hervorzugehen, bedurfte es der vorherigen Wahrnehmung vieler internationaler Kontakte zur Sicherstellung einer ausreichenden Mehrheit bei der Abstimmung in der Generalversammlung der International Union of Psychological Science in Tokio. Auch musste ein sehr guter Grund dafür benannt werden können, weshalb man sich in einem Land treffen sollte, dessen internationales Ansehen zu jener Zeit als eher gering eingeschätzt werden musste. In diesem Kapitel soll der Weg von der Vorbereitung der Einladung bis zur erfolgten und für die DDR gewonnenen Abstimmung in Tokio 1972 rekonstruiert werden. DIE WELTPOLITISCHE SITUATION IN DER ZEIT VON 1960 BIS 1980 Ganz wesentliche Impulse und Einflüsse auf die Einladung des Internationalen Kongresses in die DDR gingen von den damals herrschenden politischen Rahmenbedingungen aus. Nachdem die vier Siegermächte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges den verbleibenden Rest des ehemaligen Deutschen Reiches in vier Besatzungszonen aufgeteilt hatten und auch besetzt hielten, brach die ursprünglich geschmiedete AntiHitler-Koalition des Zweiten Weltkrieges schon schnell wieder auseinander.1 Grund für diese Entfremdung zwischen den westlichen Siegermächten USA, Großbritannien und Frankreich einerseits und der Sowjetunion andererseits waren vollkommen gegensätzli1 Link, Werner (1993). Der Ost-West-Konflikt. Die Organisation der internationalen Beziehungen im 20. Jahrhundert. Stuttgart: Kohlhammer.
W. Schönpflug, G. Lüer, Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik: Wissenschaft zwischen Ideologie und Pragmatismus, DOI 10.1007/978-3-531-93057-2_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Kapitel 2
che Überzeugungen über das bevorzugte politische System, über die angestrebte Gesellschaftsform und über die erwünschte Wirtschaftsordnung für ein neues Deutschland. Verfolgten die westlichen Siegermächte die Leitvorstellungen einer Demokratie, einer offenen Gesellschaft2 und die freie Marktwirtschaft als Ziele für die zukünftige Staats-, Gesellschafts- und Wirtschaftsform für das am Boden liegende Nachkriegsdeutschland, setzte die Sowjetunion auf Diktatur des Proletariats, eine kommunistische Gesellschaftsordnung und auf Planwirtschaft.3 Das führte in Deutschland zur Teilung in zwei Blöcke: die sowjetisch besetzte Besatzungszone einerseits und die drei Besatzungszonen der westlichen Alliierten andererseits. Dazwischen lag das geteilte Berlin, für das ein besonderer Viermächtestatus mit unklaren Regelungen galt, insbesondere was die Zugangswege betraf, die alle durch die sowjetisch besetzte Zone führten. Das Auseinanderrücken der beiden Teile Deutschlands führte 1949 zu zwei Staatsgründungen. Zunächst vereinten sich die drei von den Westmächten besetzten Gebiete und gründeten mit Zustimmung der Militärregierungen im Jahre 1949 die Bundesrepublik Deutschland. Dieser Staatsgründung folgte sehr bald darauf die sowjetisch besetzte Zone mit der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik.4 Jeder dieser beiden deutschen Staaten übernahm die politischen und wirtschaftlichen Vorstellungen seiner Besatzungsmächte: Die Bundesrepublik Demokratie und freie Marktwirtschaft, die DDR Diktatur des Proletariats und Planwirtschaft. Die sich unversöhnlich gegenüberstehenden politischen Systeme entfernten sich immer weiter voneinander und wurden zu Gegnern im aufkommenden Ost-Westkonflikt.5 Die nun offen bestehenden politischen Gegensätze mündeten schon wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs in den sogenannten „Kalten Krieg“, einem Begriff, den 1947 der amerikanische Präsidentenberater Bernard Baruch geprägt hat. Folge dieser Spaltung war die Blockbildung zwischen den beiden nun sich schon unversöhnlich gegenüberstehenden Mächten aus dem Westen und dem Osten, wobei die Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR gleichzeitig zur Grenze zwischen diesen beiden bestehenden politischen Blöcken wurde. Nicht nur die Existenz zweier sehr gegensätzlicher politischer Systeme auf deutschem Boden mit völlig entgegen gesetzten Wirtschaftssystemen verschärfte den Kalten Krieg weiter. Die Eingliederung der beiden deutschen Staaten in die jeweiligen Militärbündnisse NATO und Warschauer Pakt schürte das gegenseitige politische Misstrauen zusätzlich und begünstige Entfremdung und Feindseligkeiten. Hinzu kamen immer neue Drohungen von sowjetischer Seite, West-Berlin von der Bundesrepublik ganz abzuschnüren. Der wirtschaftlich prosperierenden Bundesrepublik gelang es noch in den 1950er Jahren, sich politisch, wirtschaftlich und auch militärisch immer weiter in die westlichen Demokratien zu integrieren und ihren Bündnissen beizutreten. Das stärkte ihr au2 Popper, Karl (1980). Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. München: Francke. 3 Weber, Hermann (2004). Geschichte der DDR. Erftstadt: area (S. 42 f.). 4 Schroeder, Klaus (1998). Der SED-Staat. Partei, Staat und Gesellschaft 1949-1990. München: Hanser (S. 71ff.). 5 Hudemann, Rainer (2003). Neueste Geschichte. In Richard van Dülmen (Hrsg.), Das Fischer Lexikon. Geschichte (S. 490-516). Frankfurt a. M.: Fischer.
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ßenpolitisches Ansehen im Westen ebenso wie ihr Selbstbewusstsein. Gleichzeitig unternahm die Bundesrepublik politische Anstrengungen, den von ihr politisch vertretenen Alleinvertretungsanspruch für ein ganzes ungeteiltes Deutschland gegenüber der DDR durchzusetzen. Dazu verkündete sie Ende 1955 die so genannte „HallsteinDoktrin“. Sie verlangte von allen Staaten außer der Sowjetunion als Siegermacht, mit denen die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen unterhielt, die diplomatische Nichtanerkennung der DDR als Staat. Allen Staaten, die diese Doktrin verletzten und der DDR eine diplomatische Anerkennung gewährten, drohte sie den Abbruch der diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen an. Ein solcher Alleinvertretungsanspruch wurde von der DDR scharf zurückgewiesen und auch bekämpft und zugleich als feindselig und revanchistisch bezeichnet. Die Hallstein-Doktrin wurde auf Jugoslawien erstmalig angewandt, verlor aber gegen Ende der 1960er Jahre an Wirksamkeit, als immer mehr Staaten – auch aus dem westlichen Block – diplomatische Vertretungen in der DDR eröffneten. Die von der DDR verstärkten Bemühungen zum Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft, zentralistisch geführt, ideologisch alternativlos und mit Zwang durchgesetzt, in Verbindung mit einer Mangelwirtschaft und Unterversorgung der Bevölkerung, gerieten mit dem Vergleich des als Wirtschaftswunder bezeichneten wirtschaftlichen Aufschwungs in der Bundesrepublik in den Augen vieler Menschen in ein schwerwiegendes Hintertreffen. Daraus ergab sich für viele Bewohner der DDR der Plan zur Flucht in den Westen. So verließen bis Mitte 1961 ungefähr zwei Millionen DDR-Bürger ihren Staat und flohen über West-Berlin und die grüne Grenze in den Westen, was allerdings von der DDR durch den Bau verstärkter Grenzanlagen zunehmend erschwert wurde. Bei einer Bevölkerung von 17 Millionen entwickelte sich diese Situation für den DDR-Staat zu einem nicht verkraftbaren Exodus. Dieser Situation bereitete die DDR-Regierung am 13. August 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer und der weiteren Befestigung der gesamten Grenze zur Bundesrepublik mit Selbstschussanlagen ein gewaltsames Ende.6 Damit wurde die Fluchtmöglichkeit in den Westen fast ganz unmöglich gemacht und eine absolute Trennung der beiden deutschen Staaten voneinander vollzogen. Zu einem Höhepunkt der Spannungen zwischen den politischen Blöcken kam es 1962 in der so genannten Kuba-Krise. Die Absicht der Sowjetunion, auf der Insel Kuba Raketen zu stationieren, bewertete die US-Regierung als Bedrohung ihrer eigenen Sicherheit. Für den Fall der Realisierung dieser Pläne drohte die USA mit einem militärischen Gegenschlag. Die Welt stand am Rande eines Atomkrieges. Dass die Sowjetunion die Stationierungspläne dann doch aufgab, führte in den folgenden Jahren in eine neue Phase der Politik, in der Begriffe wie Entspannung und Entschärfung des OstWest-Konfliktes politisch an Bedeutung gewannen. Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre kam es zu Fortschritten in der Entspannungspolitik zwischen Ost und West.7 In der Bundesrepublik begann mit der Gro6 Weber, Hermann (2004). Geschichte der DDR. Erftstadt: area (S. 292ff.). 7 Schroeder, Klaus (1998). Der SED-Staat. Partei, Staat und Gesellschaft 1949-1990. München: Hanser (S. 223ff.).
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Kapitel 2
ßen Koalition zwischen CDU und SPD und mit Willy Brandt als Außenminister ein Umdenken in der Ostpolitik. Mit einer Politik der „kleinen Schritte“ sollte ein „Wandel durch Annäherung“ und damit auch „menschliche Erleichterungen“ erreicht werden. Diese Ziele wurden in der ab 1969 regierenden sozialliberalen Koalition unter der Führung von Willy Brandt als Kanzler umgesetzt. Als erste symbolische Handlung kam es am 19. März 1970 in Erfurt in der DDR zu einem Treffen zwischen den Regierungschefs beider deutschen Staaten: Willy Brandt als Kanzler der Bundesrepublik und Willi Stoph als Vorsitzender des Ministerrats der DDR. Innerhalb von nicht mehr als drei Jahren wurden Ostverträge mit Warschau, Moskau und Prag ausgehandelt und abgeschlossen, ein Viermächteabkommen über den Status Berlins regelte den Zugangsverkehr nach West-Berlin nun vertraglich. Zusätzlich wurden von der Bundesrepublik Gewaltverzichtserklärungen gegenüber osteuropäischen Staaten abgegeben und als politisches Kernstück kam es zum Abschluss eines Grundlagenvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR am 21. Dezember 1972. Die beiden deutschen Staaten erkannten gegenseitig ihre Souveränität sowie die bestehenden Grenzen an, womit die Hallstein-Doktrin mit dem Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik endgültig ad acta gelegt wurde. Ebenfalls gesichert wurde in diesem Vertrag der Status von West-Berlin. Diese Politik der „Normalisierung“ zwischen den beiden deutschen Staaten hatte auch Einfluss auf die internationale Außenpolitik. Ab 1972 kam es zu Verhandlungen über die Obergrenzen für strategische Atomwaffen, den so genannten SALT-Gesprächen zwischen den USA und der Sowjetunion. Diese Verhandlungen SALT I (1972) und SALT II (1979) schlossen jedoch die Mittelstreckenraketen nicht mit ein, die als Abschreckungssysteme eine immer größere Bedeutung gewannen. Gerade aber dieses Auslassen von Vereinbarungen über die modernen Mittelstreckenraketen führte später zu dem so genannten NATO-Doppelbeschluss von 1979. Ein wirklicher Durchbruch in der Entspannungspolitik wurde 1972 nach der Zustimmung der beiden Großmächte USA und Sowjetunion zur Einberufung einer Sicherheitskonferenz erreicht. Diese „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ verabschiedete am 1. August 1975 in Helsinki eine Schlussakte mit Vereinbarungen über Menschenrechte, über Kooperationen in Wissenschaft, Wirtschaft, Technik und Umwelt, über Sicherheitsfragen sowie über die humanitäre Zusammenarbeit zwischen den Unterzeichnerstaaten.8 Das Ziel dieser Schlussakte sollte es sein, die beiden Blöcke aus dem Westen und Osten in Europa zu einem geregelten und friedvollen Miteinander zu veranlassen. Als Ergebnis dieser Verhandlungen musste allerdings auch festgestellt werden, dass der bis dahin bestehende politische und staatsrechtliche Status quo zwischen den beiden deutschen Staaten nun endgültig zementiert wurde. Konsequenterweise konnten nun auch die Bundesrepublik und die DDR 1973 Mitglieder der UNO werden. Trotz der erreichten vertraglich fixierten Vereinbarungen über ein geregeltes Miteinander in den innerdeutschen Beziehungen blieb in der DDR-Politik die Überzeugung bestehen, dass die mit der Helsinki-Schlussakte erzielte Übereinkunft den Klas8 Bredow, Wilfried von (1992). Der KSZE-Prozess. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
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senkampf zwischen den beiden unterschiedlichen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen beider deutscher Staaten nicht überflüssig mache und er deshalb fortzusetzen sei. Damit war zwischen den beiden deutschen Staaten von einer Aussöhnung auch weiterhin keine Rede. Die Bundesrepublik wurde weiterhin als politischer Gegner gebrandmarkt, der bekämpft werden musste. Umgekehrt hielt die Bundesrepublik politisch an dem Ziel einer Vereinigung beider deutscher Teilstaaten zu einem gesamtdeutschen Staat fest. Die DDR-Politik rührte auch wohl aus der Gefährdung der inneren Stabilität ihres Staates her, die zunehmend aus der Unzufriedenheit der DDR-Bürger wegen der Einschränkungen der persönlichen Freiheit und aus dem im Vergleich mit der Bundesrepublik beobachtbaren Zurückbleiben der Versorgung und der stagnierenden wirtschaftlichen Entwicklung in der DDR erwuchs. Trotz der durch Verträge geregelten Koexistenz zwischen den Blöcken kam es Ende der 1970er Jahre erneut zu erheblichen Spannungen zwischen den unterschiedlichen politischen Systemen. Auslöser waren der zum Jahresende 1979 erfolgte Einmarsch der sowjetischen Armee in Afghanistan, der von den Westmächten scharf verurteilt wurde und von westlichen Ländern zum Boykott der Olympischen Spiele 1980 in Moskau führte. Noch belastender wurde jedoch der zeitlich fast gleichzeitig gefasste so genannte NATO-Doppelbeschluss9 vom Dezember 1979. Hintergrund war ein aus westlicher Sicht entstandenes Ungleichgewicht bei der Aufrüstung mit Atomwaffen tragenden Mittelstreckenraketen. Diese Lage entstand durch den Austausch veralteter Mittelstreckenraketen auf östlicher Seite gegen neue moderne mobile SS-20-Raketen, die auch Atomsprengköpfe tragen konnten und auf Ziele in Westeuropa gerichtet waren. Man befürchtete westlicherseits, dass damit die fest stationierten Atomraketenbasen in Westeuropa bedroht wurden, womit die Sowjets das Rüstungsgleichgewicht zu ihren Gunsten einseitig verändern wollten. Der NATO-Doppelbeschluss sah deshalb vor, dem Warschauer Pakt Verhandlungen über die beidseitige Begrenzung von Mittelstreckenraketen anzubieten. Verhandlungen über dieses Waffensystem waren in den vorausgegangenen SALT-Gesprächen ausdrücklich ausgeklammert worden. Der zweite Teil des Doppelbeschlusses sah vor, für den Fall des Misslingens der vorgeschlagenen Rüstungsbegrenzungen, Pershing-II-Raketen und Cruise Missiles in Westeuropa zu stationieren, wozu es ab 1983 – gegen massive Proteste aus den Bevölkerungen der Bundesrepublik und anderen europäischen Ländern – auch tatsächlich gekommen ist, als die Verhandlungen mit den Sowjets erfolglos blieben. So herrschten erhebliche Spannungen zwischen den Blöcken, in die auch unverhohlene militärische Drohungen eingeschlossen waren. Zieht man ein Fazit aus der vorangegangenen Darstellung, ergibt sich bis zum Jahr des Internationalen Kongresses 1980 in Leipzig ein politisch vielschichtiges und zeitweise unfriedliches Bild über die Koexistenz der beiden Blöcke. Aus einer seit 1949 durch die Gründung zweier deutscher Staaten herbeigeführten Trennung mit sich politisch diametral gegenüberstehenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systemen entstanden konfliktträchtige Spannungen zwischen Ost und West. Diese Entwicklung
9 NATO-Doppelbeschluß (12. 12. 1979), URL: http://www.documentArchiv.de/in/natodb.html.html.
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Kapitel 2
mündete in einen Wettlauf der Systeme, aus dem zwischen Ost und West eine verhärtete Blockbildung hervorging. Beide Seiten, Ost und West, begegneten sich zunehmend feindseliger und wurden zunehmend zu unversöhnlichen Gegnern im Kalten Krieg. Mit dem Bau der Mauer 1961 kam es zu einer Abschottung und Isolierung der DDRBevölkerung und einer Erschwerung für innerdeutsche Kontakte und Austausche. Erst mit Beginn der 1970er Jahre wurden Regelungen für das friedliche Nebeneinanderleben vereinbart, die zwar Erleichterungen brachten, gleichzeitig aber Feindseligkeiten nicht beseitigen konnten und ein politisches und gesellschaftliches Gegeneinander auch weiterhin bestehen ließen. So machte sich ein Prozess der Entfremdung zwischen dem Ost- und dem Westblock, einschließlich der beiden deutschen Staaten, breit, verbunden mit einem Wettstreit um wirtschaftlichen Erfolg und militärischer Überlegenheit, bei dem die DDR immer weiter ins Hintertreffen geriet. Vor diesem politischen Hintergrund des Kalten Krieges, der Blockbildung zwischen Ost und West und unter Berücksichtigung des zunehmenden Werbens um Partnerschaft mit blockfreien Staaten müssen die etwa 20 Jahre der Verselbständigung der Psychologie in der DDR mit ihrem Streben, auf der internationalen Bühne erfolgreich zu agieren, betrachtet werden. MOTIVE ZUR BEWERBUNG UM DIE AUSRICHTUNG DES XXII. INTERNATIONALEN KONGRESSES FÜR PSYCHOLOGIE Die psychologischen Fachvertreter in der DDR, von welchen die Initiative zur Kongresseinladung in die DDR ausging, bewegten ihre eigenen fachlichen und fachpolitischen Motive. Doch in einem sozialistischen Staat war auch Wissenschaft stets in die herrschende Politik einzuordnen. So waren fachliche Begründungen unter strenger Berücksichtigung und im Rahmen marxistisch-leninistischer Prinzipien und aktueller politischer Zielsetzungen zu formulieren. Ein internationaler Kongress musste sich darüber hinaus durch unmittelbaren Nutzen für die Politik – insbesondere für die Außen- und Wirtschaftspolitik – auszeichnen. Der Wunsch der Fachvertreter nach Genehmigung und Unterstützung des Kongresses war als Notwendigkeit progressiver Politik darzustellen. Den Fachvertretern war klar, dass sich der Schwerpunkt der Psychologieentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg in die westlichen, insbesondere in die anglophonen Länder verschoben hatte. Maßgebende neue Paradigmen und Methoden waren dort entwickelt worden. Die leistungsfähige Wirtschaft und Technik jener Länder hatte viel zu deren Wissenschaftsentwicklung beigetragen. Schließlich hatte ein kräftiges Wachstum der Forschungs- und Ausbildungsinstitutionen dafür gesorgt, dass westliche Wissenschaftler eine personelle Übermacht bildeten und dass ihre Beiträge in der Buchund Zeitschriftenliteratur dominierten. Die maßgeblichen Fachvertreter in der Gesellschaft für Psychologie in der DDR sahen sich zu Recht in der Weltgemeinschaft der Psychologen isoliert. Der Internationale Kongress in Leipzig sollte helfen, einen besseren Anschluss an die Entwicklung der Psychologie in der westlichen Welt zu gewinnen. Man erhoffte sich davon einen intensiveren und regelmäßigen Austausch sowie
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Zugang zu Ressourcen – nicht zuletzt die Beschaffung von Literatur und von technischen Geräten.10 Überhaupt ging es der DDR-Psychologie um einen Gewinn an Anerkennung – internationale wie auch nationale. Der langjährige Vorsitzende der Gesellschaft für Psychologie der DDR, Adolf Kossakowski, formulierte es so: Wir hatten eine Aussprache in der Vorbereitung auf den Weltkongreß mit höchsten Parteivertretern, da wurde die Frage gestellt, na, ist denn so ein Kongreß in der DDR überhaupt sinnvoll, hat denn die Psychologie eine solche Bedeutung? Man hat also von der Psychologie in der DDR in den höchsten Spitzen kaum Kenntnis genommen. Gerade deshalb waren wir bestrebt, den Kongreß für Psychologie hier in der DDR zu machen, um dem Fach national und international ein größeres Ansehen und um uns selbst bessere Entwicklungsbedingungen zu verschaffen. Das haben wir uns davon versprochen und das ist ja auch eingetreten: durch diesen Kongreß haben wir erreicht, daß die Sektionen sich vergrößern konnten, daß sie mehr Stellen und materielle Zuwendungen bekamen.11
Kossakowski nannte also zwei wichtige Motive für die Psychologie, sich um die Einladung für einen Internationalen Kongress zu bemühen: Einmal war es die Erwartung, dass das Fach sich dadurch aus dem Zustand eines unbedeutenden und weitgehend unbekannten Status befreien konnte, zum anderen die erhoffte Chance, so ein großes Ereignis zur Entwicklung und zum kräftigen Ausbau der Psychologie nutzen zu können. Beide Veränderungen hatte die Psychologie der 1960er Jahre in der DDR dringend nötig. Die Aussicht auf Zugewinne in materieller Hinsicht teilte zudem auch die KarlMarx-Universität in Leipzig, die sich als gastgebende Institution zusätzlich dringend benötigte Baumaßnahmen erhoffte. Schließlich war es für die DDR-Psychologie attraktiv und erstrebenswert, internationale Kontakte, insbesondere in den Westen, zu knüpfen und damit einer drohenden Isolierung zu entgehen. Verbunden damit war auch der dringende Wunsch, Zugang zu internationaler Fachliteratur zu bekommen sowie die Möglichkeit, Fremdsprachen, in allererster Linie Englisch, erlernen zu können.12 Im Rückblick reflektiert Stefan Busse (1996), Mitte der 1970er Jahre bis Anfang der 1980er Jahre Student der Psychologie in Leipzig, später Assistent am dortigen Psychologischen Institut, die Situation der Psychologie und die sie leitenden Motive zur Ausrichtung des Internationalen Kongresses folgendermaßen: ... als die Psychologie der DDR mit Blick auf das magische Jahr 1980 ihrem absoluten Höhepunkt zustrebte – dem XXII. Weltkongreß für Psychologie in Leipzig. Sie war dabei, ihr tatsächliches oder vermeintliches Bedeutungsmaximum in diesem Lande durch die Präsenz an nationaler wie internationaler Öffentlichkeit zu erreichen. ... Daß dies zugleich auch der Höhepunkt eines problematischen
10 Hacker, Winfried. Mündliche Mitteilung vom 15. 2. 2008. Kossakowski, Adolf. Mündliche Mitteilung vom 23. 7. 2007. Rösler , Hans-Dieter. Mündliche Mitteilung vom 29. 11. 2007. Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007. Schaarschmidt, Uwe. Mündliche Mitteilung vom 3. 12. 2007. 11 Busse, Stefan (1996). Psychologie im Real-Sozialismus. DDR-Psychologen im Interview. Pfaffenweiler: Centaurus (S. 159). 12 Rösler, Hans-Dieter. Mündliche Mitteilung vom 29. 11. 2007.
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Kapitel 2 Bündnisses zwischen Psychologie und der politischen Elite war, wird vielleicht erst heute in der Distanz deutlich. So wurde hier den jahrzehntelangen Einwerbungen der akademischen Psychologie um Anerkennung und Zuwendung von Seiten der politischen Macht entsprochen. Ein solcher Kongreß – immerhin bis dato der größte internationale Wissenschaftskongreß in der DDR – entsprach genau dem selbstgefälligen Drang des politischen Establishments nach internationaler, das hieß in dieser Zeit vor allem westlicher Anerkennung. Dem lag lange schon ein wechselndes Verhältnis bzw. die politisch zirkulierte Balance zwischen Angebot und Nachfrage an Psychologie, zwischen Einforderung und Zurückweisung ihrer Leistungen und Beiträge, wie zwischen offener Identifikation und heimlichem Unterlaufen des politisch-ideologischen Systems zugrunde. Die Psychologie, wie auch andere Einzelwissenschaften, hatten sich in einen bipolaren und widersprüchlichen politischen Raum quasi einkonditioniert.13
Für Partei und Regierung waren innenpolitische Zwecke bedeutsam. Die Wissenschaftspolitik der DDR war in den 1960er Jahren damit beschäftigt gewesen, den Sozialismus sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich zu institutionalisieren. Für die Wissenschaften war damit das Loslösen von allem „bürgerlichen“, „idealistischen“ und „imperialistischen“ Gedankengut verbunden zu Gunsten eines uneingeschränkten Materialismus marxistisch-leninistischer Provenienz. Konkret profitieren sollten davon die Produktion in Wirtschaft und Industrie der DDR sowie die Entstehung einer neuen Gesellschaftsordnung eines Arbeiter- und Bauernstaates. Es war auch die offizielle Überzeugung der SED, die Erfolge ihres Aufbaus beim Sozialismus am Beispiel der DDR der Welt konkret vor Augen führen zu müssen. Hierzu sah man in der Einladung an die International Union of Psychological Science ein geeignetes Mittel. Es war dies ein großer Schritt auf die internationale Bühne der Wissenschaften; denn bis dahin hatte es in der DDR auch noch keinen internationalen Kongress von vergleichbarer Größe und vergleichbarer globaler Beteiligung gegeben. Was die Außenpolitik anbelangt, dominierten in der DDR-Politik die Probleme mit der Frage und Überwindung der internationalen Nichtanerkennung ihres Staates. Die DDR sehnte sich geradezu in dieser Zeitperiode nach internationaler Anerkennung. Zum Vorankommen mit diesem Wunsch waren von der DDR-Politik verschiedene Handlungsfelder in den Vordergrund gestellt worden. Das wichtigste Verlangen war das nach voller und weltweiter diplomatischer Anerkennung, was bis zu jener Zeit noch keineswegs gelungen war. Dazu hatte die Bundesrepublik den Verhinderungsmechanismus der Hallstein-Doktrin in Gang gesetzt, der bis Ende der 1960er Jahre wirksam blieb. Gegen den daraus resultierenden Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik für das ganze Deutschland kämpfte die DDR mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Deshalb konnte aus Sicht der DDR ein großer internationaler Kongress als Baustein oder sogar als ein erster Schritt für eine internationale Anerkennung gewertet werden.14 Es steht außer Frage, dass es sich hierbei sogar um ein sehr starkes Motiv handelte, das die DDR zur Einladung und Durchführung des internationalen Kongres13 Busse, Stefan (1996). Psychologie im Real-Sozialismus. DDR-Psychologen im Interview. Pfaffenweiler: Centaurus (S. 13f.). 14 Eckardt, Georg & Dumont, Kitty (2004). Das Verhältnis zwischen der Gesellschaft für Psychologie der DDR und der Deutschen Gesellschaft für Psychologie als Abgrenzung und Annäherung. Psychologische Rundschau, 55 (Suppl. 1), 72-77.
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ses bewogen haben mag.15 Im Dienste der Internationalisierung und damit dem Entgegenarbeiten gegen die Hallstein-Doktrin waren von der DDR-Politik der Sport und die Wissenschaften auserkoren worden. Damit sollten die Wissenschaften nun in einer doppelten Funktion wirken: Einmal nach innen gerichtet als Hilfe beim Aufbau des Sozialismus in der Gesellschaft, vor allem aber auch in der Industrie und in der Produktion. Zum anderen kamen nach außen gerichtet weitere internationale Funktionsbestimmungen hinzu, bei denen es einerseits um das „Anschlusshalten“ an internationale wissenschaftliche Entwicklungen in der Forschung ging. Das wurde, wie aus den ausgegebenen Direktiven an DDR-Besucher ausländischer Kongresse klar hervorgeht, als Wissensimport verstanden. Andererseits wollte die DDR weltweit demonstrieren, dass sie über eine sehr produktive Wissenschaft in ihrem eigenen Staate verfügte und damit in der Lage war, auf der internationalen Bühne der Wissenschaften eine wichtige Rolle einzunehmen. Diese Selbstdarstellung sollte sich bis in die UNO und deren Unterorganisationen, wie z. B. in die UNESCO, erstrecken. Denn bis zum Jahr 1973, als sowohl die Bundesrepublik als auch die DDR Vollmitglieder der UNO wurden, war es der DDR im Gegensatz zur Bundesrepublik noch nicht einmal gelungen, Mitglied in einer einzigen Unterorganisation der UNO, wie z. B. in der UNESCO, zu werden.16 Diese Ausklammerung der DDR war insbesondere das Ergebnis der bundesrepublikanischen Deutschlandpolitik auf der Grundlage der Hallstein-Doktrin. Weiterhin ist auch ein rein wirtschaftliches Motiv für die Durchführung eines internationalen Kongresses nachweisbar. Die DDR-Wirtschaft war stark nach Osten hin ausgerichtet und Mitglied in einem Wirtschaftsblock kommunistischer Staaten, in dem sie Liefervereinbarungen für Industrieprodukte abgeschlossen und auch einzuhalten hatte. Auf der Einfuhrseite konnten wirtschaftliche Lieferschwierigkeiten aus dem Ostblock nicht durch Handel mit westlichen Ländern ausgeglichen werden. Der Grund dafür ist in der permanenten Knappheit an westlichen Zahlungsmitteln in der DDR zu finden. So wurde es für die DDR-Wirtschaft immer schwieriger, in dem von der Politik verkündeten „Wettlauf der Systeme“, also mit den westlichen Ländern, auch nur mitzuhalten. An ein „Überflügeln“ der westlichen Marktwirtschaften, wie es die sozialistische Ideologie politisch weiterhin verbreitete, war gar nicht zu denken. Deshalb wurde von der Politik alles unterstützt und begünstigt, was westliche Devisen einbringen konnte. Der internationale Kongress in Leipzig war damit auch ein Unternehmen, das als „Devisenbringer“ einzuplanen war. Der Leipziger Psychologe Harry Schröder beschreibt die Erwartungen an die Psychologie als Devisenbeschafferin folgendermaßen: Interessant wurde es dann, wenn sich Psychologen selbst andienten und Versprechungen machten, dass man vielleicht soundsoviel Hunderttausend oder Millionen an Devisen erwirtschaften könnte, oder dass man bei bestimmten Systemlösungen, vielleicht, – ich sag es bloß so mal als Beispiel, im arbeitspsy15 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007. 16 Stein, Mathias (2010). Der Konflikt um Alleinvertretung und Anerkennung in der UNO. Ein Beitrag zur Entwicklung der deutsch-deutschen Beziehungen von 1949-1973. Unveröffentlichte Dissertation, Fachbereich Geschichte und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin.
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Kapitel 2 chologischen Bereich oder im Bereich der Konstruktion etwa von Hard- und Software oder beim Aufbau von Expertensystemen, etwas Sensationelles oder Substantielles leisten könne. Dann hat man beeindruckt und zugehört. Mir hat mal der Sekretär für Wissenschaft der Kreisleitung der SED der Universität Leipzig den Vorschlag gemacht, als Gesamtsektion [Anmerkung: die Sektion Psychologie in der Karl-Marx-Universität Leipzig] die Aufgabe zu übernehmen, die Lehrermorbidität in der DDR in einem Fünfjahreszeitraum um 2,5% (sic!) zu senken. Das wäre doch endlich mal ein Beitrag, der sich sehen lassen könnte und wo die Psychologie doch begeistert sein müsste, dass sie praktisch was hervorbringe.17
Die vorangegangenen Darstellungen lassen den Schluss zu, dass es durchaus eine Reihe von politischen und wirtschaftlichen Motiven gab, die zur Begründung und Planung einer Einladung eines internationalen Kongresses in die DDR verwendet werden konnten. Man kann sogar unterstellen, dass diese Motive bei Partei und Regierung im Vordergrund standen. Wie weit psychologische Fachvertreter sich die parteiliche und staatliche Motivierung zu Eigen machten, ist eine offene Frage. DIE EINLADUNG IN TOKIO 1972 ZUM XXII. INTERNATIONALEN KONGRESS FÜR PSYCHOLOGIE NACH LEIPZIG IM JAHR 1980 Es gibt Hinweise darauf, dass es im Wissenschaftlichen Beirat schon in den 1960er Jahren erste Gespräche über die Möglichkeit der Durchführung eines internationalen Kongresses für Psychologie in der DDR gegeben hat.18 In der neu gegründeten Gesellschaft für Psychologie in der DDR soll es schon frühzeitig eine Diskussion über das bevorstehende Wundt-Jubiläum im Jahre 1979 gegeben haben. Überhaupt sollen viele Themen, die im Vorstand der Gesellschaft für Psychologie in der DDR verhandelt wurden, schon im Wissenschaftlichen Beirat „vorbesprochen“ worden sein.19 Der Anstoß zu diesem Thema soll von den Leipziger Psychologen ausgegangen sein; im Hinblick auf das kommende 100jährige Jubiläum der Institutsgründung in Leipzig durch Wilhelm Wundt sollen sie die Aufforderung an die DDR-Gesellschaft gerichtet haben, „...da müsse etwas gemacht werden“.20 Ein Faktum ist es jedoch auch, dass zuvor auf dem Internationalen Kongress für Psychologie 1960 in Bonn der damalige Kongress-Präsident, Wolfgang Metzger, in seiner Eröffnungsansprache auf das hundertjährige Jubiläum des ersten eigentlichen Standardwerkes der Psychologie, Theodor Fechners „Elemente der Psychophysik“, eingegangen war. Das mochte auch in Erinnerung gerufen habe, dass die Hundertjahrfeier der Eröffnung des ersten Psychologischen Laboratoriums 1879 in Leipzig durch Wilhelm Wundt in absehbarer Zeit bevorstehen würde. Man befürchtete wohl auch, das Jubiläum, das erneut einem Leipziger Gelehrten gelten sollte, könnte wieder von westdeutschen Psychologen beansprucht werden, wie sie schon Fechners Jubiläum, der e17 Busse, Stefan (1996). Psychologie im Real-Sozialismus. DDR-Psychologen im Interview. Pfaffenweiler: Centaurus (S. 237). 18 Rösler, Hans-Dieter. Mündliche Mitteilung vom 29. 11. 2007. 19 Hacker, Winfried. Mündliche Mitteilung vom 15. 2. 2008. 20 a. a. O.
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benfalls Professor in Leipzig war, in Bonn 1960 „vereinnahmt“ hatten.21 Natürlich gab ein solches historisches Datum auch ein sehr plausibles Argument ab, das man sowohl dem eigenen Staat gegenüber als auch nach außen hin in die internationale wissenschaftliche Öffentlichkeit der Psychologie hinein vertreten konnte. Damit war nach vielen Seiten hin nachvollziehbar zu begründen, weshalb man sich für den XXII. Internationalen Kongress für Psychologie im Jahre 1980 in Leipzig bewerben sollte. Dieses Datum würde dem Jubiläum der Gründung der wissenschaftlichen Psychologie in Leipzig zeitlich am nächsten kommen. War es wirklich zwingend, das hundertjährige Jubiläum der Psychologie genau im Jahre 1979 zu begehen? Der Stand der historischen Forschung lässt an der Gültigkeit dieses Datums begründete Zweifel aufkommen. Ohne Zweifel gehört Wilhelm Wundt zu den Wegbereitern und Pionieren der modernen Psychologie. Das von ihm in Leipzig gegründete Laboratorium für psychologische Experimente war ein Vorbild für ähnliche Einrichtungen in der ganzen Welt. Die Vorstellung, das Leipziger Psychologische Laboratorium sei an einem Tag eröffnet worden und dieser habe im Jahre 1879 gelegen, hat sich zwar inzwischen im Gedächtnis des Faches festgesetzt – nicht zuletzt aufgrund einflussreicher Werke zur Psychologiegeschichte.22 Doch was sagen dazu die historischen Quellen? Wilhelm Wundt hat 1875 einen Ruf an die Universität Leipzig angenommen. In seinem Besitz befand sich eine Sammlung von Geräten, die er während seiner Heidelberger Dozentenzeit für die Medizinerausbildung beschafft hatte. Zur Unterbringung dieser Geräte überließ die Leipziger Universitätsverwaltung Wundt einen vorher für Seminare genutzten Raum. 1877 hat Wundt (privatissime und gratis) im Vorlesungsverzeichnis zu einer „Psychologischen Gesellschaft“ eingeladen, 1881 hat er „Psychophysische Übungen für Vorgerückte“ durchgeführt. Diese Übungen regten Studierende zu eigenen Experimenten an. Im Winter 1979/1980 führte Max Friedrich im Rahmen seiner Dissertation Versuche durch, und zwar mit Geräten aus der Wundtschen Sammlung und wohl auch im Depotraum selbst.23 Darauf bezog sich Wundt wohl, als er berichtete, er habe 1879 ein „Privatinstitut“ gegründet. Im Vorlesungsverzeichnis sowie im Haushalt der Universität wurde ein Institut für experimentelle Psychologie erst ab Wintersemester 1883/1884 geführt. Das geschah aufgrund von Bleibeverhandlungen, nach denen die Universität Leipzig Wundt einen Hörsaal mit zwei Experimentalräumen zuwies; erst dann erhielt das Institut einen Etat für Geräte sowie für die Anstellung eines Assistenten. Danach ist das Laboratorium stetig gewachsen.24 Es ist also festzustellen: Die Einrichtung des Leipziger Psychologischen Laboratoriums war ein über mehrere Jahre sich hinziehender Prozeß. Will man einen Gründungstermin bestimmen,
21 Hacker, Winfried. Mündliche Mitteilung vom 15. 2. 2008. 22 Z.B. Boring, Edwin G. (1957). A history of experimental psychology. New York: Appleton-CenturyCrofts (S. 323). 23 Friedrich, Max (1883). Über die Apperceptionsdauer bei einfachen und zusammengesetzten Vorstellungen. Philosophische Studien, 1, 39-77. 24 Auszüge aus zeitgenössischen Schriften zur Einrichtung des Psychologischen Laboratoriums befinden sich als Materialie A auf S. 313.
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an dem das Laboratorium unstrittig zu einer Einrichtung der Universität wurde, so müsste das der Zeitpunkt der Etatisierung zum Wintersemester 1883/1884 sein.25 Das Jahr 1883 wäre wohl als Termin für ein Jubiläum triftiger zu begründen gewesen; aber dann hätte der Leipziger Kongress noch bis 1984 auf sich warten lassen müssen. Auch den historisch bewanderten Fachvertretern blieb übrigens die Fragwürdigkeit der Fixierung auf das Gründungsjahr 1879 nicht verborgen. Selbst die Veranstalter des Internationalen Kongresses in Leipzig 1980 verhehlten nicht den korrekten historischen Sachverhalt. In der von Hiebsch verfassten Broschüre über Wundt, welche allen Kongressteilnehmern mit den Kongressmaterialien übergeben wurde, sind die Vorgänge im Jahre 1879 völlig korrekt dargestellt.26 Dies alles tat jedoch der eingebürgerten Vorstellung von dem Gründungsdatum des Leipziger Labors als Geburtsstunde der modernen Psychologie keinen Abbruch, umso mehr, als sich diese als politisch opportun erwies. Eine Zentenarfeier im Jahre 1979 passte den Wortführern der DDR nur zu gut in eine Gedenkpolitik, welche die Besinnung auf Wundt zur Stärkung der eigenen Identität nutzte. Stimmen aus der Gesellschaft für Psychologie in der DDR würdigten sogar aufgrund der Wundtschen Laborgründung die „DDR als … Ursprungsgebiet der wissenschaftlichen Psychologie in der ganzen Welt (Wundt-Institut).“27 Die Vereinnahmung Wundts durch die DDR vertrug sich übrigens gut mit einem selbstdienlichen Wundt-Gedenken in den USA. Zwar haben dort Bringmann, Bringmann und Ungerer die Gründungsgeschichte mit beispielhafter Genauigkeit recherchiert.28 Doch ungeachtet ihrer skeptischen Einschätzung des Gründungsdatums hielt man an diesem fest. Die sich daraus ergebende Gelegenheit zur Zentenarfeier nahm man dann gern zum Anlass, sich alsbald auf die eigene Psychologietradition zu besinnen, welche amerikanische Schüler Wundts begründet hatten.29 Die Aufnahme der Gesellschaft für Psychologie in der DDR in die International Union of Psychological Science war 1966 beim XVIII. Internationalen Kongress für Psychologie in Moskau 1966 gerade vollzogen (siehe Kapitel 1, S. 38), da begannen schon die ersten uns bekannt gewordenen Aktivitäten von DDR-Psychologen, einen Internationalen Kongress in ihr Land zu holen. Ein Teilnehmer der ungewöhnlich großen DDR-Delegation von 80 Personen am Moskauer Kongress hat von einem Gespräch berichtet, das schon damals den Leipziger Kongress zum Thema hatte. Winfried Hacker war in Moskau Zeuge bei diesem Gespräch, das zwischen Friedhart Klix und Alexej N.
25 Bringmann, Wolfgang G., Bringmann, Norma J. & Ungerer, Gustav A. (1980). The establishment of Wundt´s laboratory: An archival and documentary study. In Wolfgang G. Bringmann & Ryan D. Tweney (Eds.), Wundt Studies (pp. 123-157). Toronto: Hogrefe. 26 Hiebsch, Hans (1980). Wilhelm Wundt und die Entstehung der Psychologie, herausgegeben von der Gesellschaft für Psychologie der DDR (Privatbesitz). 27 HUBA GPs-DDR 785a. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Aufgabenstellung. Veranstaltung: 20. Internationaler Kongreß für Psychologie 13.-19. August 1972 in Tokio/Japan vom 7. 2. 1972. 28 Bringmann, Wolfgang G., Bringmann, Norma J. & Ungerer, Gustav A. (1980). The establishment of Wundt´s laboratory: An archival and documentary study. In Wolfgang G. Bringmann & Ryan D.Tweney (Eds.), Wundt Studies (pp. 123-157). Toronto: Hogrefe. 29 Rieber, Robert W. (Ed.). (1980). Wilhelm Wundt and the making of a scientific psychology. New York: Plenum.
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Leontjew geführt wurde.30 Leontjew war gerade auf dem Moskauer Kongress zum Vize-Präsidenten der International Union of Psychological Science für die Periode 1966 bis 1969 gewählt worden. Später, von 1969 bis 1976, wurde er Mitglied im ExekutivKomitee der Union. Klix habe bei dieser Gelegenheit Leontjew gefragt, ob ein Internationaler Kongress für Psychologie wohl auch in der DDR denkbar wäre. Leontjew habe diese Anfrage positiv beantwortet und auch seine Unterstützung für ein derartiges Projekt zugesagt. Weiterhin hatte Klix schon vorher in den beginnenden 1960er Jahren engen wissenschaftlichen Kontakt zu Boris Lomow von der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften in Moskau aufgenommen, dessen Unterstützung bei der Vorstellung der Idee einer Kongresseinladung bei den politischen und staatlichen Stellen in der DDR zusätzlich sehr hilfreich sein konnte. Lomow hat das DDR-Projekt nach seiner Wahl in das Exekutiv-Komitee der Union im Jahre 1972 sehr unterstützt, vermutlich aber auch schon vor dieser Amtsübernahme seinem DDR-Kollegen bei seinen Plänen für einen Internationalen Kongress in der DDR unter die Arme gegriffen. Auch Adolf Kossakowski verfügte über ein Vertrauensverhältnis zu Boris Lomow. Nicht zufällig dürften die DDR-Psychologen schon 1969 auf dem Londoner Kongress Lomow zur Wahl in das Exekutivkomitee der Union vorgeschlagen haben, woraus der sowjetische Kandidat allerdings noch nicht erfolgreich hervorgegangen war. Mit solchem „Rückenwind“ vom „großen Bruderstaat“ ausgestattet mußten die DDR-Psychologen nun bei zwei sehr wichtigen weiteren Adressaten Zustimmung für ihr Projekt erreichen: bei der politischen Führung der DDR und bei der International Union of Psychological Science als der Institution, die die Kongressorte vergab. In der eigenen Fachgesellschaft, der Gesellschaft für Psychologie in der DDR, durfte schnell die Zustimmung für derartige Pläne erreichbar gewesen sein; ergab sich daraus doch die Möglichkeit, das kleine und schlecht ausgestattete Fach Psychologie in der DDR auf diesem Wege entscheidend voran zu bringen. Im Übrigen ist wohl davon auszugehen, dass im Wissenschaftlichen Beirat das Thema eines solchen Projektes vorher, wenn auch nur ohne Erwähnung im Protokoll, angesprochen worden ist. 31 Wie im Kapitel 1 dargestellt wurde, war es für die Gesellschaft für Psychologie in der DDR vor dem Einbringen offizieller Anfragen bei staatlichen und politischen Stellen zunächst wichtig, die Psychologie der DDR auf dem nächsten Internationalen Kongress 1969 in London mit einer starken zehnköpfigen und wissenschaftlich angesehenen Delegation, von Friedhart Klix als neuem Vorsitzenden der Gesellschaft angeführt, zu präsentieren. Das war, wie aus dem im vorangegangenen Kapitel zitierten Bericht hervorgeht, von der wissenschaftlichen Seite her gesehen auch sehr erfolgreich verlaufen. Wie zurückhaltend die westliche Welt der DDR gegenüber damals allerdings noch war, zeigte der im Kapitel 1 (S. 45) beschriebene Kampf der DDR-Delegation in London um die Staatsbezeichnung „DDR“. Mit dieser von den Psychologen aufgeführten politischen Demonstration in London um die Abkürzungen „DDR“ bzw. „GDR“ auf den Namensschildern der Kongressteilnehmer konnte jedoch dem DDR-Staat gegenüber auch die Staatstreue der entsandten Delegation vor Augen geführt werden. Eine 30 Hacker, Winfried. Mündliche Mitteilung vom 15. 2. 2008. 31 Rösler, Hans-Dieter. Mündliche Mitteilung vom 29. 11. 2007.
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solche ganz offen vorgeführte Haltung dem eigenen Staat gegenüber konnte nur vorteilhaft sein für die weiterhin zu verfolgenden Pläne der Einladung des Internationalen Kongresses nach Leipzig. Nach ebenfalls geglückter wissenschaftlicher Darstellung der DDR-Psychologie auf dem Londoner Kongress und mit der Unterstützung wichtiger sowjetischer Kollegen galt es nun, die politische Unterstützung der Partei und der Regierung der DDR zu gewinnen. Diesen Schritt beschreibt Klix in seiner „Selbstdarstellung“ ausführlich: Die Überlegungen dahin begannen im Vorstand der Gesellschaft für Psychologie der DDR. Der hundertste Gründungstag des ersten Psychologischen Instituts in Leipzig stand bevor. Da müssten wir zur Würdigung Wilhelm Wundts eine größere Veranstaltung durchführen, so die Vorstandsmeinung. Sie sollte repräsentativ werden für die experimentelle Psychologie. Und wir müssten es ideologiefrei halten. Dazu brauchten wir Rückendeckung durch die lokalen Matadore der Partei und der für psychologische Fragen zuständigen Ministerien. Das ging nur über die Leitung der Abteilung Wissenschaften beim ZK. Das war der Genosse Hannes Hörnig. Ich trug ihm, zusammen mit Adolf Kossakowski, unser Anliegen vor. Aber er hatte das missverstanden. Er hatte das so aufgefasst, als wollten wir einen großen Internationalen Kongress durchführen. Ich ging sofort auf diese Variante ein und sagte, das wäre dann der erste Weltkongress für Psychologie, der außer dem in der Sowjetunion nicht in einem westlichen Land stattfinden würde. Dieser Gedanke begeisterte Hörnig zunächst. „Wenn ihr Euch das zutraut“. Natürlich musste er das „abstimmen“. Wenn dann auch unser Gesellschaftsvorstand zustimmte, dann müssten wir unseren Antrag, so weiter, auf dem nächsten Weltkongress in Tokio vortragen. Dann muss die Vollversammlung der IUPS mit über 40 Mitgliedsländern abstimmen. Hörnig stimmte danach eher zögernd zu, vermutend wohl (vielleicht sogar hoffend), dass diesem Antrag nie zugestimmt werden würde: „Na dann versucht´s doch mal“ waren die Verabschiedungsworte.32
Tatsächlich soll die politische Seite den Psychologen nicht recht zugetraut haben, einen Weltkongress in die DDR zu holen – wie es auch ein anderer Gesprächspartner Hörnigs, Adolf Kossakowski, später eingeschätzt hat. 33 Die zitierte Darstellung von Klix scheint eher von anekdotischem Charakter zu sein und keine genaue Darstellung des tatsächlichen Ablaufes im Kontakt mit den politischen Stellen wieder zu geben. Dennoch lassen sich plausible Vermutungen über den Hergang ableiten. Offensichtlich beschreiben Kossakowski und Klix dasselbe Gespräch mit Johannes Hörnig, Leiter der Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED. Der Zeitpunkt muss nach dem Londoner Kongress im Juli/August 1969 und vor dem Tokioer Kongress im August 1972 gelegen haben. Auch war der Gesprächspartner Hörnig mit Bedacht ausgewählt worden. Eigentlich hätte als ranghöchster Verantwortlicher Kurt Hager gefragt werden müssen. Von Hager war jedoch bekannt, dass er von der Psychologie als Wissenschaft nicht viel hielt und sie mit der in der DDR verpönten Psychoanalyse gleichsetzte. Klix soll allerdings im Umgang mit Hörnig ein sehr unkompliziertes Verhältnis gehabt haben.34
32 Klix, Friedhart (2004). Friedhart Klix. In Helmut E. Lück (Hrsg.), Psychologie in Selbstdarstellungen. (Band 4, S. 168-192). Lengerich: Pabst (S. 178f.). 33 Busse, Stefan (1996). Psychologie im Real-Sozialismus. DDR-Psychologen im Interview. Pfaffenweiler: Centaurus (S. 159). 34 Kossakowski, Adolf. Mündliche Mitteilung vom 23. 7. 2007. Schaarschmidt, Uwe. Mündliche Mitteilung vom 3. 12. 2007.
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Die Vertreter der Gesellschaft für Psychologie der DDR waren wohl mit der Absicht zu Hörnig gegangen, zunächst einmal nur die Aussicht auf eine Genehmigung zur Einladung zu einem internationalen Kongress in die DDR zu eruieren. Mit einer sofort erteilten Genehmigung war nicht zu rechnen. Selbst Hörnig mußte ein solches Begehren „abstimmen“, wie Klix berichtet. Und einzubeziehen in einen solchen Genehmigungsprozeß waren nicht nur die von Klix benannten Ministerien, sondern als höchste Instanz das Zentralkomitee der SED und zusätzlich auch noch die der DDRGesellschaft direkt vorgesetzte Stelle, die Deutsche Akademie der Wissenschaften. Diese hatte gerade mit Beschluß des Ministerrates vom 7. Mai 1969 die Weisungsbefugnis über die Gesellschaft für Psychologie der DDR erhalten (s. Kapitel 1, S. 33).35 Damit waren Abstimmungen sowohl nach „oben“, also mit dem Zentralkomitee der SED, als auch nach „unten“, hier mit der Deutschen Akademie der Wissenschaften, zu treffen, bevor es zu einer grundsätzlichen Genehmigung zur Einladung kommen konnte. Mit der auch wohl anekdotisch von Klix gemeinten Bemerkung: „Na, dann versucht´s doch mal“, war der vorgetragene Plan zur Einladung nach Leipzig noch nicht endgültig auf den Weg gebracht und eine Genehmigung war auch nach dem HörnigGespräch noch keineswegs erteilt worden. Nach den beschriebenen politischen Vorgesprächen im eigenen Land galt es nun, zur Union und ihren einflussreichen Repräsentanten Kontakte zu knüpfen. Dazu nahm Klix Verbindung auf mit dem Präsidenten der Union, Paul Fraisse in Paris. Beide kannten sich von gemeinsamen wissenschaftlichen Symposien, beide vertraten sie die experimentelle Psychologie. Offensichtlich gewann Klix seinen französischen Kollegen für die Kongresspläne der DDR.36 Zusätzlich muss es viele weitere Kontaktaufnahmen gegeben haben, primär wohl mit Unions-Mitgliedern aus blockfreien Entwicklungsländern (siehe hierzu auch Kapitel 1, S. 54), denen die politische Sympathie der sozialistischen Länder galt und denen man sehr wahrscheinlich auch die Unterstützung bei einer Einladung zu einem Folgekongress nach Leipzig zusagte. Und tatsächlich folgte auch dem Internationalen Leipziger Kongress 1980 der nächste in Mexiko 1984. Offenbar gab es auch Absprachen mit den sozialistischen Ländern und vor allem mit der Sowjetunion über das Vorgehen bei der Generalversammlung in Tokio, wie man aus der Beantragung von der Gesellschaft für Psychologie der DDR vom 14.7.1970 für die Reise nach Tokio für die fünf vorgesehenen Delegationsmitglieder, für die auch Symposiumsbeiträge vorgesehen waren, beim Ministerium für das Hoch- und Fachschulwesen entnehmen kann. In diesem Antrag, der über den Vizepräsidenten der Deutschen Akademie der Wissenschaften, Prof. Dr. Hartke gestellt wurde, wurde auch von einer Kontaktnahme mit Prof. Lomow aus Moskau, Präsident der Alluniongesellschaft Sowjetischer Psychologen, berichtet. Mit der sowjetischen Delegation könne man per Schiff von Wladiwostok nach Tokio fahren, dort auf dem Schiff wohnen und somit Devisen sparen. Von der Überbringung der Einladung nach Leipzig sowie von der Kandidatur 35 BArch DR 3 2. Schicht B 684d. Brief des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen, Rechtsstelle, an die Gesellschaft für Psychologie in der DDR vom 16. 7. 1969. 36 Klix, Friedhart (2004). Friedhart Klix. In Helmut E. Lück (Hrsg.), Psychologie in Selbstdarstellungen (Band 4, S. 168-192). Lengerich: Pabst (S. 179).
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von Klix für das Exekutivkomitee der International Union of Psychological Science ist mit keinem Wort die Rede.37 Zu diesem Zeitpunkt lag auch noch von höchster politischer Seite keine endgültige Antwort auf die an Hörnig gestellte Frage zur Genehmigung der Einladung nach Leipzig vor. Die Reisegenehmigung nach Tokio zum Internationalen Kongress erhielten schließlich lediglich drei DDR-Psychologen: Friedhart Klix (Delegationsleiter), Adolf Kossakowski und Winfried Hacker. Die Genehmigung zur Teilnahme am Tokioer Kongress mit der Bestätigung der Einladung zum Leipziger Kongress 1980 wurde vom Zentralkomitee der SED am 2. August 1972 beschlossen. Die hierzu notwendige Vorlage wurde vom Ministerium für das Hoch- und Fachschulwesen zusammen mit der Abteilung Wissenschaften am 27. Juli 1972 erstellt.38 Vor der Abreise erhielt diese Delegation eine „Direktive“ (ohne Datum, wahrscheinlich aber kurz vor der Abreise nach Tokio verfaßt), in der einzuhaltende Aufgaben und Verhaltensmaßnahmen zu folgenden Überschriften zusammengestellt waren: „Wissenschaftliche Aufgabenstellung“; „Außenpolitische Aufgabenstellung“; „Hochschul- und wissenschaftspolitische Aufgabenstellung“; „Individuelle Aufgabenstellungen“. Erst unter dem letztgenannten Punkt wurde festgelegt, dass „der Gen. [Genosse] Klix zum 22. Kongress 1980 nach Leipzig einlädt und er auch diese Einladung begründet“. In einem weiteren Punkt „Besprechung“ wurde ein Termin mit Datum und Uhrzeit [unlesbar] mitgeteilt, zu dem die Reisenden beim Ministerium für das Hoch- und Fachschulwesen zur Besprechung der Direktive zu erscheinen hätten. Schließlich wurde die Delegation zur Berichterstattung über den Kongress an diverse DDR-Behörden und Ministerien verpflichtet.39 Zusammen mit der Entsendung der DDR-Delegation beschloss am 2. August 1972 das Zentralkomitee der SED die Einladung zum Internationalen Kongress für Psychologie 1980 in Leipzig.40 Dazu haben die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin und die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED gemeinsam die Vorlage erstellt.41 Der Beschluss des höchsten Parteigremiums der DDR lautete:
37 HUBA GPs-DDR 785a. Brief der Gesellschaft für Psychologie der DDR an das Ministerium für Hochund Fachschulwesen, HA Internationale Verbindungen, vom 14. 7. 1970. 38 BArch DY 30 2208 Bl. 1-10. Protokoll Nr. 78 der Sitzung des Sekretariats der ZK der SED vom 2. August 1972. BArch DY 30 5487 Bl. 24. Beschluss: Teilnahme einer Delegation der DDR am 20. Internationalen Kongreß für Psychologie der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaft in Tokio. BArch DY 30 I IV4 2/3A 2208 Bl. 80-99. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen/ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Vorlage für das Sekretariat des ZK der SED. Betr.: Teilnahme einer Delegation der DDR am 20. Internationalen Kongreß für Psychologie der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaft vom 13.-19. August 1972 in Tokio. 39 HUBA GPs-DDR 785a. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Direktive XX. Internationaler Kongreß für Psychologie 13.-19. August 1972 in Tokio. 40 BArch DY 30 2208 Bl. 1-10. Protokoll Nr. 78 der Sitzung des Sekretariats der ZK der SED vom 2. August 1972. BArch DY 30 5487. Bl. 23. Beschluss: Einladung der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaft (IUPS) zur Durchführung des 22. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig. 41 BArch 2208, Bl. 74-79. Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin/Abteilung Wissenschaften des ZK. Vorlage für das Sekretariat des Zentralkomitees der SED. Betreff: Einladung der Internationalen U-
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1. Das Sekretariat des ZK der SED stimmt der Einladung der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaft (IUPS) zur Durchführung ihres 22. Internationalen Kongresses für Psychologie im August 1980 in Leipzig zu. Die Einladung wird im Namen der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin und der Gesellschaft für Psychologie der DDR als nationales Mitglied der IUPS von ihrem Vorsitzenden, Genossen Prof. Dr. Friedhart Klix, anläßlich des 20. Internationalen Kongresses für Psychologie im August 1972 in Tokio ausgesprochen. 2. Nach Annahme der Einladung durch das Exekutivkomitee [sic!] der IUPS: 2.1. ist vom Vorstand der Gesellschaft für Psychologie die wissenschaftliche und politische Konzeption zur Durchführung des Kongresses der Abteilung Wissenschaften des ZK vorzulegen und ein nationales Vorbereitungskomitee zu bilden. 2.2. Für die Anleitung und Kontrolle der Vorbereitungen und der Durchführung ist der Generalsekretär der DAW [Anmerkung: Deutsche Akademie der Wissenschaften] verantwortlich. Die erforderlichen Zuschüsse der DDR in Höhe von 480.000 M sind im Haushaltsplan der DAW für die Jahre 1979 bzw. 1980 vorzusehen. 42
In zeitlich vorangegangenen Schriftstücken an die Union ist eine solche doppelte Einladung von den zwei Institutionen Deutsche Akademie der Wissenschaften und Gesellschaft für Psychologie der DDR nicht aufgetaucht. Sie ging auch nicht aus den Einladungstelegrammen hervor, die schon vor dem Beschluss des Zentralkomitees der SED an die International Union of Psychological Science versandt worden waren. Akademien der Wissenschaften haben im Verständnis der westlichen Welt immer ein hohes Ansehen gehabt und wurden deshalb auch als hochrangige Wissenschaftsorganisationen bezeichnet und gewertet. Möglicherweise ist aus diesem Grunde die Tatsache einer Doppeleinladung bei der Präsentation in der Generalversammlung der Union nicht diskutiert und problematisiert worden. Wäre allerdings schon damals bekannt gewesen, dass die Akademie der Wissenschaften der DDR Aufsichtsbehörde für die Gesellschaft für Psychologie der DDR war – also vorgesetzte Entscheidungsinstitution mit Weisungsbefugnis über dem eigentlichen Unions-Mitglied Gesellschaft für Psychologie der DDR, wäre weiterhin bekannt gewesen, dass die Akademie auch als politische Aufsichtsbehörde für die Wissenschaftliche Gesellschaft der Psychologen fungierte, hätte diese Tatsache wohl Diskussionen und auch damit verbundene Bedenken ausgelöst. Denn auch der Beschluss des Zentralkomitees der SED machte eindeutig klar, dass die Akademie als Kontrollorgan für die Vorbereitungen und die Durchführung des Kongresses verantwortlich eingesetzt worden war. Darüber hinaus war der Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees die „politische und wissenschaftliche Konzeption vorzulegen.“ Damit reiste eine Delegation des zweiten deutschen Staates und nicht nur Repräsentanten der Gesellschaft für Psychologie der DDR mit klaren Anweisungen und im Auftrage des Staates der DDR nach Tokio, um eine Einladung „von Staatswegen“ zu überbringen.
nion der Psychologischen Wissenschaft (IUPS) zur Durchführung des 22. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig vom 27. 7. 1972. 42 BArch 2208, Bl. 74-79. Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin/Abteilung Wissenschaften des ZK. Vorlage für das Sekretariat des Zentralkomitees der SED. Betreff: Einladung der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaft (IUPS) zur Durchführung des 22. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig vom 27. 7. 1972.
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Trotz des zeitlich spät gefassten Beschlusses des Zentralkomitees der SED – erst kurz vor Kongressbeginn – wurden der Union schon viel früher Einladungen zum Kongress nach Leipzig übermittelt. Dieses Faktum legt nahe, dass es zuvor schon mündliche Absprachen und Einverständniserklärungen von staatlicher und Parteiseite gegeben haben musste. So versandte der Wissenschaftliche Sekretär der Gesellschaft für Psychologie der DDR schon am 16. März 1972 (also rund 4 ½ Monate vor dem Beschluss des Zentralkomitees der SED) ein Telegramm mit folgendem Text an den Generalsekretär der International Union of Psychological Science, Eugene H. Jacobson: „We hope to obtain teh [sic!] 22. Internationale [sic] Congress in 1980 at Leipzig on the occasion of the Wundt-Jubilee. Would you put this topic in the agenda of the assembly? Psychologische Gesellschaft of GDR Siebenbrodt.“ 43 Eine Woche später bestätigte Jacobson den Eingang der Einladung und setzte sie auf die Tagesordnung der Generalversammlung in Tokio. Am 30. Juni 1972, also schon kurz vor dem Kongressbeginn in Tokio, erwähnt Jacobson die Einladung der DDR zum Internationalen Kongress 1980 nach Leipzig in einem Brief an den Vizepräsident der Union Nuttin und teilt ihm gleichzeitig mit, dass ihm bis dahin keine weitere Einladung vorliege.44 Und noch ein weiteres Einladungstelegramm wurde am 17. Juli 1972 von Klix an Generalsekretär Jacobson abgesandt: „May we invite the Roemisch22 Congress to Leipzig in 1980? F Klix Berlin GDR.“ 45 Die Genehmigungsprozedur, die für Einladungen zu internationalen Kongressen im Auftrage der International Union of Psychological Science zu durchlaufen ist, wurde bereits in Kapitel 1 (S. 19) beschrieben. In Tokio tagte die Generalversammlung der International Union of Psychological Science in zwei Sitzungen. Die erste fand am 13. August, die zweite am 16. August 1972 statt. Üblicherweise werden bei der Union in der ersten Sitzung die vorliegenden Einladungen präsentiert, in der zweiten Sitzung findet dann erst die Abstimmung darüber statt. So geschah es auch in Tokio: Professor Klix issued a formal invitation on behalf of the Psychological Association of the German Democratic Republic to hold the IUPS 1980 Congress in Leipzig. During that period there will be observations in Leipzig of the founding of Wundt´s laboratory in 1879. Following an extended discussion in which there were numerous expressions of appreciation to Klix for the invitation and questions about technical issues related to holding the meeting in the German Democratic Republic, there was informal consensus that the invitation should be accepted with thanks, but that a formal vote should be postponed until the second session of the Assembly, when a larger number of delegates would be present. Professor Amir reported that the Israel Psychological Association had been considering the possibilities of inviting the IUPS to hold a Congress in Israel. 46
43 Arch IUPsS III. Telegramm von Jürgen Siebenbrodt an Eugene H. Jacobson vom 16. 3. 1972. 44 Arch IUPsS IV. Brief von Eugene H. Jacobson an Joseph Nuttin vom 30. 6. 1972. 45 Arch IUPsS III. Telegramm von Friedhart Klix an Eugene H. Jacobson vom 17. 7. 1972. 46 Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly at Tokyo Japan August 13 and August 16, 1972.
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Den Verlauf der Diskussion in der ersten Sitzung der Generalversammlung in Tokio schilderte Klix als Vorsitzender der Gesellschaft für Psychologie der DDR in dem Bericht, den die zitierte Direktive von ihm abforderte, detaillierter: Dieser Antrag [Anmerkung: Einladung aus der DDR] wurde durch die Delegierten der UdSSR, durch Australien, England und Frankreich unterstützt. Insbesondere zeigten ... Vertreter von Entwicklungsländern, eine starke Sympathie für diesen Vorschlag. ... Es gab auch Widerstand gegen diesen Vorschlag. Die DDR gehört nicht der UNO an. UNESCO ist als Organisation der UNO Geldgeber dieser Kongresse. Wir haben darauf verwiesen, daß die UNO-Mitgliedschaft der DDR auf der Tagesordnung steht. Diesem Argument konnte sich niemand verschließen. Es gab mehrfach Interventionen durch den Vertreter Israels, der auf die Einladung seines Landes verwies, der andeutete, daß die ungehinderte Einreise von Wissenschaftlern aus Israel in die DDR möglicherweise in Frage gestellt sei. Wir waren unsererseits nicht bereit, eine gesonderte Erklärung für Israel abzugeben und haben erklärt, daß alle wissenschaftlich arbeitenden Psychologen, alle Wissenschaftler, die auf diesem Kongreß auftreten, die während des Kongresses sprechen wollen, im Namen der einladenden Organe, d. h. zugleich auch im Namen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, an diesem Kongreß teilnehmen können. ... Am Morgen [Anmerkung: die zweite Generalversammlung] begannen die Verhandlungen. Nach einigen Fragen und Antworten über Ausrichtungs- und Organisationsbedingungen, nach einer unterstützenden Bemerkung der sowjetischen Delegation erklärte auch der Präsident der amerikanischen Gesellschaft für Psychologie, daß die USA den Kongressort Leipzig befürworten. Großbritannien, die Niederlande und andere Länder folgten diesen Erklärungen.47
Auch die zweite Sitzung der Generalversammlung am 16. August 1972 ist im Sitzungsprotokoll der Union dokumentiert. Dieser Text enthält eine bisher nicht erwähnte Neuigkeit: Die Akademie der Wissenschaften der DDR tritt als mit einladende Institution erstmalig in Erscheinung: The first item of business considered at the second session of the Assembly was the invitation of the Society for Psychology in the German Democratic Republic to hold the 1980 International Congress of Psychology in Leipzig. Professor Klix remarked that the Academy of Science was associating itself with the Psychological Society in be host for the 1980 Congress. He anticipated no problems in entry visas. There was a favorable discussion and acceptance with thanks of the offer of the GDR. 48
Die zitierte Protokollnotiz weist zum ersten Mal dokumentarisch im Schriftverkehr mit der Union die Doppeleinladung von Akademie und der DDR-Gesellschaft aus, von der vorher der Union gegenüber in keinem Schriftstück die Rede war, übrigens auch nicht in der ersten Sitzung der Generalversammlung, als die DDR-Einladung präsentiert wurde. Auch die von Klix verwandte Formulierung, dass die „Academy of Science was associating itself with the Psychological Society“, verschleiert den wahren Sachverhalt, der im Beschluss des Zentralkomitees formuliert worden war: „Für die Anleitung und Kontrolle der Vorbereitungen und der Durchführung ist der Generalsekretär der DAW [Anmerkung: Deutsche Akademie der Wissenschaften] verantwortlich.“ In seiner
47 HUBA GPs-DDR 785a. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Bericht über die Teilnahme am XX. Kongreß für Psychologie in Tokio vom 13.-19. August 1972. 48 Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly at Tokyo, Japan, August 13 and August 16, 1972.
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„Selbstdarstellung“ berichtete Klix auch das Abstimmungsergebnis: 42 Ja-Stimmen für Leipzig, zwei Gegenstimmen – ein wahrhaft eindeutiges Votum. 49 Zum Abschluss dieses Abschnittes ist noch auf Reaktionen einzugehen, die aus der bundesrepublikanischen Psychologie kamen. Dazu ist es notwendig, sich in Erinnerung zu rufen, dass die erfolgte Trennung der beiden deutschen Staaten voneinander durch Mauerbau und Grenzsicherung mit bestehendem Befehl zum Töten von flüchtigen DDR-Bürgern (sog. „Schießbefehl“) die Kommunikation zwischen Wissenschaftlern aus dem Osten Deutschlands mit westdeutschen Kolleginnen und Kollegen zwar nicht ganz beendet, aber doch stark reduziert hatte. Der Generalsekretär der International Union of Psychological Science, Jacobson, fragte mit Brief vom 29.11.1971 an deren Schriftführer Reinert bei der Deutschen Gesellschaft für Psychologie an, welche Vertreter sie in die Generalversammlung in Tokio entsenden werde.50 Dabei handelte es sich wohl um eine Routineabfrage, damit den entsandten Delegierten Ausweise zum Eintritt zu den Generalversammlungen zugesandt werden konnten. Der Vorstand der westdeutschen Deutsche Gesellschaft für Psychologie beschloss dazu Anfang Januar 1972, ihren Vorsitzenden Theo Herrmann sowie dessen Vorgänger im Amt, Carl-Friedrich Graumann, als Delegierte zu entsenden.51 Da Graumann die Reise nach Tokio absagen musste, wurde Carl-Jürgen Hogrefe, Schatzmeister der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, als neuer Vertreter benannt. Wie aus dem Protokoll der Generalversammlung hervorgeht, dem auch eine Anwesenheitsliste52 beiliegt, haben an der ersten Sitzung der Generalversammlung am 13. August 1972, als Klix die Einladung zum Internationalen Kongress 1980 nach Leipzig überbrachte und begründete, keine Vertreter Westdeutschlands teilgenommen. Wie oben geschildert, wurde in dieser Versammlung zwar noch nicht abgestimmt, den Dokumenten ist jedoch zu entnehmen, dass es schon zu diesem ersten Termin eine breite Zustimmung zur DDR-Einladung gegeben hatte. In der darauf folgenden zweiten Sitzung der Generalversammlung waren die beiden westdeutschen Vertreter laut Anwesenheitsliste zugegen. Von dieser Sitzung berichtete Theo Herrmann in einem Gespräch folgendes: Die Sitzung wurde von dem Belgier Joseph R. Nuttin, der zum neuen Präsidenten der International Union of Psychological Science gewählt worden war, geleitet. Er führte sehr ausgleichend durch die Tagesordnung. Weder Theo Herrmann noch CarlJürgen Hogrefe wussten vor der Sitzung, dass Klix die Einladung der DDR nach Leipzig überbringen würde, die nun auch schon zur Abstimmung stand. Die Versammlung wurde von zwei unterschiedlichen Fronten dominiert: USA und Kanada einerseits, Sowjetunion und Ostblock andererseits. Westeuropa war völlig unorganisiert und spielte keine Rolle. „Wir nahmen zur Kenntnis, dass bereits alles gelaufen war“, berichtete Herrmann. Vorher musste es bereits eine Abstimmung zwischen den beiden Blöcken gegeben haben. „Wir hatten keinerlei Einfluss auf die Entscheidung, die Amerikaner 49 Klix, Friedhart (2004). Friedhart Klix. In Helmut E. Lück (Hrsg.), Psychologie in Selbstdarstellungen (Band 4, S. 168-192). Lengerich: Pabst (S. 179). 50 AWZ DGPs. Brief von Eugene H. Jacobson an Günter Reinert vom 29. 11. 1971. 51 AWZ DGPs. Brief von Theo Herrmann an Carl F. Graumann vom 17. 1. 1972. 52 Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly at Tokyo, Japan, August 13 and August 16, 1972.
Die Einladung zum Kongress in Leipzig
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redeten gar nicht mit uns. Wir Deutschen hatten zu der Zeit noch gar kein Ansehen bei den Amerikanern“ – so Herrmann. 53 Hier nun rundet sich ein Bild über den fast kometenhaft zu nennenden Aufstieg der DDR-Psychologie unter Führung von Friedhart Klix in der International Union of Psychological Science ab, der mit dem Doppelerfolg von Tokio durchaus noch nicht sein Ende gefunden hatte. Auch als Wissenschaftler konnte sich Klix in die Weltelite vorarbeiten. Auf dem Tokioer Kongress wurde ihm einer von insgesamt nur sieben Plenarvorträge angeboten, der ihn damit als prominenten Wissenschaftler herausstellte.54 Sowohl das Ausnutzen der politischen Situation der DDR, die so dringend nach internationaler Anerkennung suchte und der ein allererster wissenschaftlicher Weltkongress im eigenen Lande so gut in die politische Landschaft passte als auch das Bündnis mit der sowjetischen Psychologie unter Einbeziehung von blockfreien Entwicklungsländern, die selber einen internationalen Kongress gern durchführen wollten und es dann nach Leipzig in Mexiko auch konnten, muss aus heutiger Sicht als eine sehr gut durchdachte strategische Leistung bewertet werden.
53 Herrmann, Theo. Mündliche Mitteilung vom 24. 1. 2007. 54 Klix, Friedhart (1972). Interrelationships between information content, cognitive efficiency and internal activation state: Experiments on the significance of a non-Shannonian information measure. XX. International Congress of Psychology in Tokio. Abstract Guide (p. 5).
KAPITEL 3 ENTSCHEIDUNGSTRÄGER UND ENTSCHEIDUNGSSTRUKTUREN Die Einordnung des Faches Psychologie in den Parteistaat der DDR war bereits Thema der vorangehenden Kapitel 1 und 2. Im vorliegenden Kapitel soll nun beschrieben werden, welche weiteren Entscheidungsstrukturen in Erwartung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie in Leipzig aufgebaut wurden. Komitees und Räte bildeten ein Netzwerk, das die Machtverhältnisse der DDR ebenso widerspiegelte wie deren zentralistische Verwaltungsstruktur. Die Partei der SED hatte darin einen dominierenden Einfluss; staatliche Dienststellen waren in die Organisation eingebunden. Das Zentralkomitee der SED übertrug die zentrale Leitung des Kongresses zunächst dem für wissenschaftliche Gesellschaften zuständigen Sekretariat der Akademie der Wissenschaften der DDR. Gerade dieses Sekretariat hat durch doktrinäre und bürokratische Vorgaben die Vorbereitungen außerordentlich erschwert. Das zuständige Sekretariat des Zentralkomitees der SED selbst sorgte 1976 dafür, dass der Akademie die Verantwortung für den Kongress genommen und diese dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen übertragen wurde. Die Partei, vor allem vertreten durch die Abteilung Wissenschaften im Zentralkomitee der SED, und die Regierung, vor allem repräsentiert durch das Ministerium für Hochund Fachschulwesen, förderten die Kongressvorbereitungen mit Wohlwollen, freilich zunächst oft unter Verkennung des Charakters eines internationalen Wissenschaftlertreffens. (Mehr über politische Forderungen, welche die Wissenschaftlichkeit des Kongresses bedrohten und damit die Gefahr eines Boykotts von westlicher Seite heraufbeschworen, im folgenden Kapitel 4.) In den sich anbahnenden Auseinandersetzungen wurden den Vertretern der Politik ihre Grenzen durchaus klar. Die westliche Welt, die man zu Gast nach Leipzig eingeladen hatte, war ihnen fremd; mit den fachlichen Kriterien, nach denen ein Wissenschaftlertreffen von internationalem Rang auszurichten war, waren sie nicht vertraut. Damit wuchs der Einfluss der Gesellschaft für Psychologie der DDR sowie der in ihr maßgeblichen Fachwissenschaftler. In ihren eigenen wissenschaftlichen Komitees gewannen sie, obwohl formell stets der staatlichen Leitung unterworfen, Freiräume für eine Kongressgestaltung nach wissenschaftlichen Maßstäben. Sie konnten sogar wirkungsvoll in die Arbeit der parteilichen und staatlichen Institutionen eingreifen. Dass Beschlussvorlagen für Partei und Regierung von Seiten der Gesellschaft für Psychologie der DDR entworfen wurden, war eine mehrfach bestätigte Regel. Die Zahl an der Kongressvorbereitung beteiligter Gremien und Personen war recht groß. Trotz unterschiedlich definierter Zielsetzungen der verschiedenen Komitees gab es deutliche Überschneidungen in den Tagesordnungen. Das Netz der Entscheidungsstrukturen war somit breit gespannt, um zahlreiche Verantwortliche aus verschiedenen Aufgabenbereichen einzubinden. Zugleich ermöglichte es, Informationen von zentralem Interesse einer großen Zahl von Beteiligten zukommen zu lassen. Freilich könnte man vermuten, eine derart aufgefächerte, hierarchisch geführte Organisation arbeite zu schwerfällig; sie bringe Kompetenzkonflikte und Kommunikationsschwierigkeiten hervor. Dass die Kongressvorbereitung sich trotz der aufwändigen Organisationsstruktur effektiv und ab 1976 ohne Reibungsverluste gestaltete, lag wohl vor allem daran, dass innerhalb des Netzes von Verantwortlichen eine Kerngruppe von Mitgliedern der Gesellschaft für Psychologie tätig war, welche die Übersicht und ein geordnetes Fortschreiten der Vorbereitungen gewährleistete. W. Schönpflug, G. Lüer, Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik: Wissenschaft zwischen Ideologie und Pragmatismus, DOI 10.1007/978-3-531-93057-2_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Kapitel 3
KONGRESSVORBEREITUNG IM SPANNUNGSFELD ZWISCHEN DER INTERNATIONAL UNION OF PSYCHOLOGICAL SCIENCE UND DEM PARTEISTAAT DER DDR Der XXII. Internationale Kongress für Psychologie war eine Veranstaltung der International Union of Psychological Science (s. Kapitel 1, S. 19). Die Generalversammlung der International Union of Psychological Science hatte die Gesellschaft für Psychologie der DDR während ihres XX. Internationalen Kongresses in Tokio 1972 mit der Durchführung des XXII. Kongresses im Jahre 1980 beauftragt (s. Kapitel 2, S. 70). Sie folgte dabei der Sektion I, 2 ihrer Geschäftsordnung, die lautete: „International Congresses of Psychology shall be held under the auspices of the Union, which shall delegate the detailed organization of each Congress to the member Society in whose country it is held“.1 Die mit der Satzung der Internationalen Union verbundene Geschäftsordnung verlangte in Sektion I von dem Veranstalter die Bildung eines Programmkomitees (Program Committee), vorzugsweise zu bilden aus Mitgliedern des mit der Kongressorganisation beauftragten Nationalen Verbandes. Die zusätzliche Einrichtung eines Organisationskomitees war üblich, jedoch kein in der Satzung verankertes Erfordernis. Das Exekutivkomitee der International Union of Psychological Science (s. Kapitel 1, S. 21) sollte über die örtlichen Kongressvorbereitungen laufend informiert werden und Anteil an den Beratungen des Programmkomitees nehmen können. Zur ständigen Kommunikation mit dem Programmkomitee bestimmte der Präsident laut Geschäftsordnung ein Mitglied des Exekutivkomitees (nach Beratung mit diesem) als Verbindungsperson. Im Übrigen gehörte die Befassung mit der Kongressvorbereitung zu den Amtspflichten des Präsidenten, des Generalsekretärs sowie des Exekutivkomitees als Ganzem.2 Wie alle wissenschaftlichen Gesellschaften in der DDR unterstand die Gesellschaft für Psychologie der Deutschen Demokratischen Republik der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Der Partei kam nach der Verfassung der DDR von 1968 die führende Rolle in der DDR zu. Eine führende Rolle beanspruchte die Partei auch in den Unternehmungen wissenschaftlicher Gesellschaften (s. Kapitel 1, S. 34). Dies galt in besonderem Maße für internationale Zusammenkünfte. Internationale Kongresse sollten außenpolitischen Zwecken dienen; insbesondere sollten sie das Bild der DDR im Ausland verbessern und der politische Anerkennung des Staates zugute kommen. Von internationalen Veranstaltungen versprach sich die Partei nicht nur dringend benötigte Deviseneinnahmen, sondern auf Dauer auch eine Förderung ihres Außenhandels. Zugleich war die Unterstützung von Partei und Regierung eine unerlässliche Voraussetzung für das Gelingen kleinerer wie größerer Veranstaltungen. Dank ihrer Planungsund Weisungsbefugnisse in der Wirtschaft und im Verkehrswesen war die Partei die maßgebliche Instanz in der DDR, um trotz durchweg schwieriger Versorgungslage die benötigten Waren und Dienstleistungen zu beschaffen und zuzuteilen. Das Regime 1 ArchIUPsS I. International Union of Psychological Science (1975). Statutes and Rules of Procedure. 2 a. a. O.
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konnte seine innenpolitische Macht sowohl zur Kontrolle als auch zur Förderung wissenschaftlicher Veranstaltungen einsetzen. Die Vertreter der Gesellschaft für Psychologie der Deutschen Demokratischen Republik waren auf das Einvernehmen mit der SED, ja sogar auf ihre Hilfe angewiesen, sollte der Internationale Kongress in Leipzig ein Erfolg werden, ja überhaupt stattfinden können. Bevor sie vor der Generalversammlung der International Union of Psychological Science ihre Einladung nach Leipzig aussprachen, haben sie die Zustimmung und den Auftrag des ZK-Sekretariats hierzu erwirkt (s. Kapitel 2, S. 73). Der Beschluss sicherte die personelle, finanzielle und organisatorische Unterstützung von Partei und Regierung. Er eröffnete den beiden Instanzen allerdings auch Möglichkeiten zur politischen Intervention in den wissenschaftlichen Teil der Kongressvorbereitung und -durchführung. Zwischen dem Zentralkomitee der SED und der Gesellschaft für Psychologie der Deutschen Demokratischen Republik war im Machtgefüge der DDR die Akademie der Wissenschaften angesiedelt. Daher war es die Akademie gewesen, die dem Zentralkomitee der SED den Antrag auf Einladung zum Leipziger Kongress zugeleitet hatte (s. Kapitel 2, S. 77). Das Zentralkomitee der SED seinerseits übertrug der Akademie gegenüber der Gesellschaft die Weisungsvollmacht in Angelegenheiten des Kongresses. Dazu hatte das Zentralkomitee der SED im Zusammenhang mit seinem Einladungsbeschluss ausdrücklich beschlossen: „Für die Anleitung und Kontrolle der Vorbereitungen und der Durchführung ist der Generalsekretär der DAW zuständig“.3 In der Tat wurden zunächst alle den Kongress betreffenden Anträge bei anderen Instanzen, insbesondere an das Zentralkomitee der SED, und dessen Abteilung Wissenschaften von der Akademie vorgelegt. Im Namen der Akademie zeichnete – wie schon beim Antrag auf Zustimmung zur Einladung – deren Generalsekretär Prof. Dr. C. Grote. Allerdings hatte auch das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen eine Zuständigkeit für das Fach Psychologie. Zumeist war im Ministerium dessen Abteilung Gesellschaftswissenschaften mit dem Fach befasst, doch gelegentlich auch dessen Abteilungen Mathematik/Naturwissenschaften sowie Philosophie/Geschichte. Im Unterschied zur Akademie, welche die psychologische Forschung leiten sollte, sollte das Ministerium für die psychologische Lehre Sorge tragen. Die Trennung von Forschung und Lehre und die darauf beruhende doppelte Zuordnung zur Akademie und zum Ministerium erwies sich für das Fach Psychologie wohl von Anfang an als unglücklich. Denn die psychologische Forschung der DDR, für welche die Akademie die erste Zuständigkeit hatte, wurde so gut wie ausschließlich in Universitätsinstituten betrieben, für deren Entwicklung wiederum das Ministerium die erste Zuständigkeit besaß. Die Gesellschaft für Psychologie der DDR unterstand zwar gänzlich dem Büro für Wissenschaftliche Gesellschaften bei der Akademie, kooperierte jedoch, da im Wesentlichen
3 BArch DY 30 2208 Bl. 1-10. Protokoll Nr. 78 der Sitzung des Sekretariats der ZK der SED vom 2. 8. 1972. BArch DY 30 2208 Bl. 74-79. Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Vorlage für das Sekretariat des Zentralkomitees der SED vom 27. 7. 1972.
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Kapitel 3
durch Universitätsangehörige getragen und sich der Weiterbildung der Kader widmend, vorwiegend mit dem Ministerium; sie wurde überwiegend von diesem finanziell und organisatorisch unterstützt (s. Kapitel 1, S. 36). Prof. Klix, der damalige Vorsitzende der Gesellschaft für Psychologie der DDR, hat, als sich bereits kurz nach der Einladung zum Kongress Zuständigkeitskonflikte zwischen Akademie und Ministerium abzeichneten, eine Konzentration der Verantwortung beim Ministerium angemahnt, indem er zu Protokoll gab, die DDR-Psychologie erhalte ohnehin 90% ihrer Forschungsmittel vom Ministerium.4 Immerhin hätte sich die zweifache Zuständigkeit bei der Kongressvorbereitung günstig auswirken können. Vor der großen Herausforderung, die auch als eine nationale empfunden wurde, hätte die doppelte Zuordnung doppelte Verantwortung und Unterstützung bedeuten können. Die führenden Fachvertreter setzten große Hoffnungen auf die Macht und die Finanzkraft der Akademie.5 Gerade die Akademie, der die erste Zuständigkeit für den Internationalen Kongress zukam, erwies sich jedoch für diesen nicht als förderlich; ja, sie drohte sogar den Erfolg des Kongresses zu gefährden. Die erhofften Mittel aus dem Haushalt der Akademie blieben aus. Doch wohl noch schlimmer: Der Generalsekretär stellte sich an die Spitze der Parteimitglieder, welche den Kongress zu einer Demonstration der Überlegenheit marxistisch-leninistischer Wissenschaft nutzen und Teilnehmern aus politisch unerwünschten Ländern die Teilnahme am Kongress verwehren wollten (hierzu mehr in Kapitel 4, S. 125 und S. 141). Dies hätte Konflikte mit der International Union of Psychological Science heraufbeschworen, welche sogar eine Absage des Kongresses vonseiten der Union hätten zur Folge haben können. Das Büro für wissenschaftliche Gesellschaften belastete seinerseits das Kongresssekretariat mit bürokratischen Forderungen, welche den notwendigen Fortgang der Vorbereitung in Frage stellten.6 Selbst der frühere Parteisekretär Mäder – ein der ungerechtfertigten Systemkritik bis heute unverdächtiger Zeitzeuge – gelangte zu dem Urteil: „Allerdings hat sich die Akademie der Wissenschaften völlig ungenügend um die Vorbereitung des 22. Internationalen Kongresses gekümmert, so daß die Durchführung des Kongresses gefährdet war.“7 Die Einsicht, dass mit der Akademie der Wissenschaften der Internationale Kongress für Psychologie nicht erfolgreich zu gestalten war, teilte sich schließlich auch der Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED mit. Dabei drängte die Zeit: Es blieben nur noch drei Jahre bis zum Kongress. In einer Stellungnahme vom 22. Juli 1977 räumte das Sekretariat „gewisse Schwierigkeiten bei der einheitlichen Leitung 4 BArch DR 3 2.Schicht 2880. Aktennotiz von Stellvertretendem Minister Groschupf für Minister Böhme über eine Beratung mit dem Vorsitzenden der Gesellschaft für Psychologie der DDR, Prof. Klix, am 18. 7. 1972 vom 9. 8. 1972. 5 Klix, Friedhart (2004). Friedhart Klix. In Helmut E. Lück (Ed.), Psychologie in Selbstdarstellungen (Band 4, S. 168-192). Lengerich: Pabst. Kossakowski, Adolf. Mündliche Mitteilung am 23. 07. 2007. 6 a. a. O. Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 10. 12. 2007. Schaarschmidt, Uwe. Mündliche Mitteilung vom 3. 12. 2007. 7 Mäder, Walter. Schriftliche Mitteilung vom 28. 11. 2007.
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und Planung der Entwicklung der Psychologie“ ein. Zur Behebung der Schwierigkeiten schlug die Abteilung vor, die Verantwortung für die Gesellschaft für Psychologie der DDR dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen zu übertragen. Dem folgte die Erklärung: „Die Konsequenz dieser Festlegung ist, daß das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen federführend verantwortlich ist für die Vorbereitung des Internationalen Kongresses.“ 8 Die Stellungnahme der Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED hat den Wechsel der Zuständigkeit für Gesellschaft und Kongress von der Akademie zum Ministerium eingeleitet. Am 20.7.1977 befasste sich das Präsidium des Ministerrats mit der Angelegenheit und verabschiedete die beiden Beschlüsse: Für die einheitliche staatliche Leitung der politischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Kongressvorbereitung ist der Minister für Hoch- und Fachschulwesen verantwortlich. … Die Verantwortung für die Gesellschaft für Psychologie der DDR wird dem Minister für Hoch- und Fachschulwesen übertragen.9
In aller Form wurde damit der Minister für Hoch- und Fachschulwesen, Prof. Böhme, zum politisch Verantwortlichen für Gesellschaft und Kongress. Die Übertragung der Verantwortung war von der Erwartung geleitet, dort wohlwollende und tatkräftige Unterstützung zu finden. Diese Erwartung wurde nicht enttäuscht. Böhme hat die mit dem Kongress verbundenen Aufgaben weitgehend an seinen Stellvertreter, Prof. Engel, delegiert. Im Ministerium beteiligt haben sich weiterhin der Leiter der Abteilung Gesellschaftswissenschaften, Groschupf, sowie der Sektorleiter Burkhardt. Sowohl der damalige Psychologie-Referent des Ministeriums als auch der Sekretär des Kongresses haben insbesondere das Engagement des stellvertretenden Ministers Engel bei der Kongressvorbereitung sowie während der Kongresswoche gewürdigt.10 DAS NATIONALE VORBEREITUNGSKOMITEE Die Bildung eines Nationalen Vorbereitungskomitees war bereits 1972 Teil des Beschlusses, mit dem das Zentralkomitees der SED der Einladung zum Leipziger Kongress zustimmte.11 Im September 1975 haben Vertreter der Gesellschaft für Psychologie (Klix, Kossakowski, Vorweg [sic!], Mäder, Rückert) der DDR im Namen der Abteilung Wissenschaften eine Vorlage für das Sekretariat des Zentralkomitees verfasst, in welcher ein Nationales Vorbereitungskomitee unter der Leitung der Akademie der
8 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Stellungnahme betr. Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie in der DDR vom 22. 4. 1977. 9 BArch DC 20/I 4, 3837, Bl. 13-16, 52-53. Präsidium des Ministerrats der DDR. Beschluß über die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in der DDR vom 20. 7. 1977. 10 Schaarschmidt, Uwe. Mündliche Mitteilung vom 3. 12. 2007. Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007. 11 BArch DY 30 2208 Bl. 1-10. Protokoll Nr. 78 der Sitzung des Sekretariats der ZK der SED vom 2. August 1972.
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Kapitel 3
Wissenschaften vorgesehen war.12 Die Abteilung Wissenschaften erneuerte in ihrer Stellungnahme vom 22. April 1977 den Vorschlag zur Einrichtung eines Nationalen Vorbereitungskomitees.13 Mit der Übertragung der Zuständigkeit für den Kongress an das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen war jedoch der Vorschlag, mit der Leitung des Komitees die Akademie zu betrauen, hinfällig geworden. Entsprechend sah die Abteilung Wissenschaften den Minister für Hoch- und Fachschulwesen als Vorsitzenden und den Stellvertreter des Ministers als stellvertretenden Vorsitzenden vor.14 Das Präsidium des Ministerrats stimmte den Vorschlägen der Abteilung Wissenschaften in seiner Sitzung vom 20.7.1977 zu.15 Die Dringlichkeit des Beginns der Kongressorganisation kam in der ausdrücklichen Bestimmung zum Ausdruck, das Komitee solle noch im laufenden Jahr 1977 gebildet werden. Im Komitee sollten alle Kräfte der Republik vertreten sein, die zur Vorbereitung des Kongresses beizutragen hatten: Ministerien, Verwaltungen, die Stadt und der Bezirk Leipzig, die Karl-Marx-Universität Leipzig und selbstverständlich auch Fachwissenschaftler.16 Auch das hatten die Fachvertreter im Prinzip vorgeschlagen, und das Präsidium des Ministerrats hat es in seiner Sitzung vom 20.7.1977 im Einzelnen so bestätigt. Die Zusammensetzung des Nationalen Vorbereitungskomitees bei seiner Konstituierung gibt Tabelle 3.1 wieder. Den Vorsitz im Nationalen Vorbereitungskomitee führte Prof. Hans-Joachim Böhme, der Minister für Hoch- und Fachschulwesen, stellvertretender Vorsitzender war Prof. Dr. Walter Engel, Stellvertreter des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen. Ein Mitarbeiter des Ministeriums wurde dem Komitee als Sekretär zugeteilt.17 Der Generalsekretär der Akademie der Wissenschaften der Wissenschaften erhielt ebenfalls einen Sitz im Nationalen Vorbereitungskomitee – protokollarisch hoch angesiedelt, nämlich an dritter Stelle sogleich hinter dem vorsitzenden Minister und seinem Stellvertreter. Die Mitwirkung der Akademie der Wissenschaften war eine politisch heikle Angelegenheit, nachdem dieser kurz vorher die Zuständigkeit für den Kongress entzogen worden war. Der Minister – nach einer handschriftlichen Notiz offenbar ver-
12 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Ausarbeitung der Sekretariatsvorlage zur Ausrichtung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 18. 9. 1975. HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliche Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR (bestätigt am 12. 7. 1977). Revidierte Fassung: BArch DC 20/I 4, 3837, Bl. 17-29. Wissenschaftspolitische Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR. (Ein längerer Auszug befindet sich als Materialie C auf S. 316.) 13 Mäder, Walter. Schriftliche Mitteilung vom 28. 11. 2007. 14 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Stellungnahme betr. Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie in der DDR vom 22. 4. 1977. 15 a. a. O. 16 BArch DC 20/I 4, 3837, Bl. 13-16. Präsidium des Ministerrats der DDR. Beschluß über die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in der DDR vom 20. 7. 1977. 17 BArch DR 3 2. Schicht 3052. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Konstituierung des NVK zur Vorbereitung des XXII. Weltkongresses für Psychologie (23. 11. 1977). BArch DC 20/I 4, 3837 Bl. 13-16. Präsidium des Ministerrats der DDR. Beschluß über die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in der DDR vom 20. 7. 1977.
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treten durch Prof. Engel – ging in seiner Rede zur Konstituierung des Komitees diplomatisch auf diesen Vorgang ein: Weiterhin wurde die Gesellschaft für Psychologie der DDR dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen unterstellt, wobei die Akademie der Wissenschaften weiterhin der Entwicklung der Psychologie in der DDR ihr Augenmerk schenken wird. So sind bessere Voraussetzungen für die Koordination aller Kräfte und Aktivitäten der begrenzten Zahl der Psychologen in der DDR gegeben.18
Es fällt auf, dass bei der Konstituierung des Komitees keine unmittelbaren Repräsentanten der SED auftraten (s. Tabelle 3.2). Diese ergänzten das Komitee offenbar erst später. Das Protokoll der 3. Sitzung des Nationalen Vorbereitungskomitees am 26. Oktober 1979 führte unter den Teilnehmern auch ein Mitglied der Abteilung Wissenschaf19
Tabelle 3.1. Mitglieder des Nationalen Vorbereitungskomitees. Die Reihenfolge ist dieselbe wie in der Rede des vorsitzenden Ministers bei der Konstituierung. Das Protokollmerkmal der Reihenfolge der Nennung gibt hier wohl interne Rangverhältnisse wieder.
1. 2.
Prof. Böhme, Minister für Hoch- und Fachschulwesen, Vorsitzender Prof. Dr. Engel, Stellvertreter des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen, Stellvertretender Vorsitzender 3. Prof. Dr. Grote, Generalsekretär der Akademie der Wissenschaften 4. Staatssekretär für Arbeit und Löhne 5. Stellvertreter des Ministers für Gesundheitswesen 6. Vizepräsident der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften 7. Erster Prorektor der Karl-Marx-Universität 8. Generaldirektor des Reisebüros der DDR 9. Leiter der Abteilung Kulturelle Auslandsbeziehungen, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten 10. Stellvertretender Leiter der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel, Ministerium für Kultur 11. Ministerium für Post- und Fernmeldewesen 12. Rat der Stadt Leipzig, Stellvertreter für Inneres beim Oberbürgermeister 13. Rat des Bezirkes Leipzig, Stellvertreter für Inneres 14.-22. Vertreter der Gesellschaft für Psychologie der DDR (Klix, Vorwerg, Kossakowski, Hacker, Hiebsch, Rösler, Mäder, Sydow, Rückert) 24. Dr. Gentner, Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, als Sekretär
18 BArch DR 3 2. Schicht 3052. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Konstituierung des NVK zur Vorbereitung des XXII. Weltkongresses für Psychologie (23. 11. 1977). 19 a. a. O. BArch DC 20/I 4 3837 Bl. 13-16. Präsidium des Ministerrats der DDR. Beschluß über die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in der DDR vom 20. 7. 1977.
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ten sowie zwei SED-Vertreter aus Leipzig (Bezirksleitung, Kaderleitung Karl-MarxUniversität) auf. Die Position des Sekretärs des Nationalen Vorbereitungskomitees hatte inzwischen Dr. Schaarschmidt übernommen.20 Schaarschmidt war ein Absolvent der Humboldt-Universität, der nach Abschluss seines Studiums der Psychologie in Kuba tätig gewesen war und nach seiner Rückkehr von dort die Stelle eines Referenten für Psychologie im Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen angenommen hatte.21 Psychologische Fachvertreter waren offenbar protokollarisch nachgeordnete Mitglieder des Nationalen Vorbereitungskomitees. Sie sind nicht ausdrücklich in ihrer Eigenschaft als Funktionäre der Gesellschaft für Psychologie der DDR ins Komitee berufen worden; für Organe der Gesellschaft waren offenbar keine Mitwirkungsrechte vorgesehen. Mit der Übertragung der Zuständigkeit „für die einheitliche staatliche Leitung der politischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Kongressvorbereitung“ an den Minister für Hoch- und Fachschulwesen (s. o.), hat die Gesellschaft innerhalb des Gastlandes jedwede Gestaltungsbefugnis verloren. Sie spielte nur noch eine Rolle in der Außenbeziehung zur International Union of Psychological Science. So war es vermutlich auch als wohlwollende Aufwertung der Gesellschaft gemeint, dass der Minister in seiner oben zitierten Eröffnungsrede der Hoffnung Ausdruck gab, „daß es uns in gemeinsamer Arbeit und unter Mitwirkung der Psychologen der DDR gelingen möge, alle Voraussetzungen zu schaffen, daß der XXII. Weltkongreß für Psychologie ein Erfolg wird …“. 22 Das Komitee trat zu seiner Konstituierenden Sitzung am 23. November 1977 zusammen. Aus dieser Sitzung ist der Entwurf der Eröffnungsrede des Vorsitzenden erhalten, aus der die obigen Zitate stammen. Engel (als Vertreter von Böhme) stimmte dabei das Komitee auf seine verantwortungsvolle Arbeit ein. Er erinnerte „an die vielfältige politische Anerkennung, an die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft, an politische Erfolge und wissenschaftliche Spitzenleistungen“ der DDR und wies auf die Gelegenheit hin, „zu zeigen, welche Bedeutung der Psychologie in einem sozialistischen Lande zukommt und wie die Psychologie in wahrhaft humanistischem Sinn praxiswirksam wird“. Am Ende seiner Rede übergab der Vorsitzende das Wort an Klix als „vorgeschlagenen Präsidenten des XXII. Weltkongresses für Psychologie“, mit der Bitte, die inhaltliche Konzeption des Kongresses zu erläutern.23 Bis zum November 1979 hat das Nationale Vorbereitungskomitee drei Sitzungen abgehalten. Es gibt keine Anzeichen, dass es danach noch einmal getagt hätte. Die Arbeit des Komitees ist allein dokumentiert im Protokoll der dritten Sitzung. Fragen der technisch-organisatorischen Vorbereitung (unter anderem Baumaßnahmen in Leipzig, Vertrag mit dem Reisebüro der DDR, Unterstützung durch die Post) nahmen einen breiten Raum ein. Doch begann die Tagesordnung mit dem Punkt „Stand der wissenschaftlichen und politischen Kongreßvorbereitung“. Protokollierte Beschlüsse hat das 20 HUBA GPs DDR 787. Protokoll der 3. Sitzung des Nationalen Vorbereitungskomitees für den XXII. Internationalen Psychologiekongreß am 26. 10. 1979 vom 29. 10. 1979. 21 Schaarschmidt, Uwe. Mündliche Mitteilung vom 3. 12. 2007. 22 BArch DR 3 2. Schicht 3052. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Konstituierung des NVK zur Vorbereitung des XXII. Weltkongresses für Psychologie (23.11.1977). 23 a.a.O.
Entscheidungsträger und Entscheidungsstrukturen
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Nationale Vorbereitungskomitee jedenfalls in seiner dritten Sitzung nicht gefasst.24 Es hat wohl mehr als Informations- und Koordinationsgremium gedient. DER WISSENSCHAFTLICHE RAT FÜR PSYCHOLOGIE Das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen hat noch ein zweites Gremium eingerichtet, den Wissenschaftlichen Rat für Psychologie. Dieser Rat hatte die Aufgabe, die Entwicklung der Psychologie voranzutreiben. Dies betraf vor allem die Forschungsförderung, die Planung von Publikationen, die Ausbildung von Studierenden und den Einsatz von Studenten, den Ausbau von Universitätssektionen, die Entwicklung internationaler Beziehungen. Wissenschaftliche Räte wurden in der DDR jeweils für die als bedeutsam erachteten Fächer gebildet, erstellten Zustandsberichte und Perspektivpläne. In dem hoch politischen Prozess der Planung gaben die Räte ihrem Fach Stimme und Gewicht. Die Psychologie war ein kleines Fach und besaß bis in die 1970er Jahre keine Vertretung in Form eines Wissenschaftlichen Rates. Aus der Sicht des Faches war dies ein Nachteil; für die Entwicklung der Psychologie in der DDR war eine solche Vertretung fachpolitisch wünschenswert; des bevorstehenden Kongresses hätte es dazu als Begründung nicht bedurft. Doch erst das politische Bestreben, die DDR-Psychologie beim Kongress im Jahre 1980 in vorbildlichem Zustand zu präsentieren und einen eigenen leistungsfähigen Kader an Kongressteilnehmern heranzubilden, schuf die Bereitschaft bei Partei und Regierung, der Psychologie einen eigenen Wissenschaftlichen Rat zuzubilligen. Die Perspektive des Vorstandes der Gesellschaft für Psychologie der DDR ging freilich über das Jahr 1980 hinaus. Die Psychologie in der DDR sollte auf Dauer ein mit Autorität ausgestattetes Instrument behalten, um die Lage ihrer Forschung und Lehre zu evaluieren, bestehenden Bedarf festzustellen und qualitätsvolle Pläne für die Fortentwicklung zu entwerfen. Der Erfolg des Leipziger Kongresses diente vielmehr nach dessen Abschluss als ein stets wiederkehrendes Argument für die Fortsetzung der Arbeit des Wissenschaftlichen Rates und für die Verwirklichung seiner Pläne.25 Wissenschaftliche Räte sind in der DDR sowohl für die Naturwissenschaften als auch für die Gesellschaftswissenschaften gebildet worden. Sie hatten ihren Sitz bei Ministerien, Akademien, Zentralinstituten und parteinahen Hochschulen. Ihre Anbindung
24 HUBA GPs-DDR 787. Protokoll der 3. Sitzung des Nationalen Vorbereitungskomitees für den XXII. Internationalen Psychologiekongreß am 26. 10. 1979 vom 29. 10. 1979. 25 BArch DR 3 2. Schicht 1248/BArch DY 30 7478. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Einschätzung zur Entwicklung der Psychologie in den Jahren 19761980 vom 17. 12. 1980. BArch DY 30 7478. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Konzeption zum weiteren Ausbau der materiell-technischen Grundlagen der psychologischen Forschungseinrichtungen im Bereich des Hochschulwesens der DDR vom 3. 5. 1980. BArch DR 3 2. Schicht B 1495-5c. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hochund Fachschulwesen. Entwicklungskonzeption für das Fachgebiet Psychologie im Hochschulwesen für den Zeitraum bis 1990.
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an politisch gewichtige Einrichtungen verschaffte ihnen selbst Macht und Einfluss.26 Die Einrichtung eines Wissenschaftlichen Rats bedeutete allerdings für das Fach Psychologie ein Privileg, das nur mit zeitlicher Verzögerung und gegen erhebliche Widerstände zu erkämpfen war. Die Widerstände rührten wohl von der Akademie her, und das Ministerium war zunächst nicht geneigt, sich in dieser Angelegenheit für die Psychologie und gegen die Akademie einzusetzen. Die wichtigsten Bedenken, die das Ministerium selbst noch im Juni 1976 hegte, brachte Prof. Schirmer als Stellvertreter des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen in einem Gespräch mit Adolf Kossakowski, dem damaligen Vorsitzenden der Gesellschaft für Psychologie der DDR, und Manfred Vorwerg zum Ausdruck. Die Argumente des Ministers sind in einer fünf Monate später erstellten Vorlage festgehalten: Ein „Zentraler Rat für Psychologie“ könne die Forschung nicht besser fördern als bereits bestehende Beratungsgruppen; die Einrichtung eines solchen Rates werfe Fragen der materiellen, technischen, räumlichen und personellen Ausstattung auf. Und: „Mit der Übernahme von Aufgaben eines Zentralen Rates wäre der WB Psychologie zwangsläufig verpflichtet, den Hauptanteil bei der Vorbereitung des XXII. Int. Kongresses für Psychologie zu leisten. Die für das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen besonders wichtigen Aufgaben (Lehre) würden sekundär“.27 Den Hintergrund der Argumentation des Ministeriums bildete sicherlich die bereits erwähnte, fest etablierte Teilung von Zuständigkeiten zwischen der Akademie der Wissenschaften und dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen: Der Akademie oblag die Kontrolle über die Forschung der Psychologie, dem Ministerium die Kontrolle über deren Lehre (s. Kapitel 1, S. 36). Der Internationale Kongress war aber überwiegend als Forschungstätigkeit zu werten. Ob sich also eher ein Wissenschaftlicher Rat für Psychologie bei der Akademie der Wissenschaften empfohlen hätte? Vielleicht hätte sich das Ministerium gegen einen bei der Akademie angesiedelten Wissenschaftlichen Rat nicht gesträubt. An eine solche Gründung war jedoch wahrscheinlich wegen des mangelnden Interesses der Akademie nicht zu denken. Angesichts dieser Schwierigkeiten schlug Friedhart Klix, damals noch Vorsitzender der Gesellschaft für Psychologie der DDR, kurz nach der erfolgreichen Einladung zum Leipziger Kongress einen Kompromiss vor: Die Gründung eines Wissenschaftlichen Beirats beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Ein solches Gremium war nicht völlig neu. Schon in früheren Jahren hatte nämlich der Vorgänger des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen, das damalige Staatssekretariat für Hoch- und Fachschulwesen, einen Beirat für Psychologie eingerichtet. 1954 war der Beirat nach Erledigung seines letzten Auftrags, im Rahmen der Hochschulreform neue Aus- und Weiterbildungsprogramme sowie neue Berufsbilder für die Psychologie zu erarbeiten, aufgelöst worden (s. Kapitel 1, S. 32). Eine Neubelebung des Wissenschaftlichen Beirats, die auch mit einer Neubesetzung seiner Mitglieder verbunden war, fand im Jahre 26 Zimmermann, Hartmut (1984). DDR Handbuch (Band 2). Köln: Verlag Wissenschaft und Politik (S. 1522-1524). 27 BArch DR 3 2. Schicht 2880. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Neuzusammensetzung des wissenschaftlichen Beirates für Psychologie beim MHF vom 10. 11. 1976.
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1959 statt. Er initiierte die sog. Meinungsstreite zur Überwindung der „bürgerlichen Psychologie“ mit dem Ziel einer marxistisch-leninistischen Neuausrichtung des Faches. (siehe hierzu auch Kapitel 1, S. 56). Der neue Beirat sollte freilich nach der Vorstellung von Klix erweiterte Kompetenzen haben. Über die unmittelbaren Anforderungen der wissenschaftlichen Zusammenkunft hinaus seien Probleme der Ausbildung, der Forschung und der Praxis zu lösen; eine langfristige Planung sei für die Psychologie zu leisten. Am 9. August 1972 erwirkte Klix in einem Gespräch im Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen die Zusage zur Bildung des Beirats im Oktober des gleichen Jahres. Er begründete seine Forderung nach unverzüglicher Einrichtung des Gremiums mit den Aufgaben, die mit der Einwerbung des Internationalen Kongresses die Psychologie und die DDR erwarteten.28 Die Zusage des Ministeriums wurde freilich nicht umgesetzt. Am 21. Februar 1973 war es dann Johannes Hörnig von der Abteilung Wissenschaften, der in einem Brief an den Minister die Bildung des Beirats anmahnte. Diese Mahnung hatte schnellen Erfolg. Am 18. Mai 1973 wurde der Wissenschaftliche Beirat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen gegründet. Vorsitzender wurde Prof. Vorwerg, als weitere Mitglieder wurden im Protokoll der Gründungssitzung benannt: Hoffmann, Gentner, Schmidt, Klix, Petzold. Nicht namentlich genannt wurden Mitglieder aus den Akademien und dem Zentralinstitut für sozialistische Wirtschaftsführung der SED.29 Der im Gründungsprotokoll wiedergegebene Arbeitsplan des Beirats nahm allgemein Bezug auf den Kongress, wies aber ausdrücklich nur fünf Punkte aus, und diese betrafen die Ausbildung und Qualifikation sowie die politische Bildung der Studierenden und Lehrenden. Der Beirat des Jahres 1973 stellte also personell eine völlige Neugründung dar; konzeptionell schloss er aber an die Arbeit der vorangegangen Beiräte an. Die Beschränkung auf die Lehre machte allerdings den Beirat als Instrument der Kongressvorbereitung und überhaupt der Entwicklung der DDR-Psychologie zu einer international anerkannten wissenschaftlichen Gemeinschaft so gut wie wertlos. Dies erkannten die Vertreter der Gesellschaft für Psychologie der DDR und versuchten eine Aufwertung des Beirats. Kossakowski als neuer Vorsitzender der Gesellschaft und Vorwerg als Vorsitzender des Beirats trugen in dem oben erwähnten Gespräch mit dem Ministerium im Juni 1976 den Vorschlag vor, den Beirat zu einem Zentralen Rat aufzustufen. Diese sonst unübliche Bezeichnung sollte wohl den eingeführten Begriff des Wissenschaftlichen Rats umgehen und den drohenden Unwillen der Akademie beschwichtigen. Doch auch diese semantische Wendung brachte keinen Fortschritt. Das Kongressjahr rückte also näher, und die von der Gesellschaft für Psychologie der DDR
28 BArch DR 3 2. Schicht 2880. Aktennotiz des Stellvertretenden Ministers Groschupf an Minister Böhme über eine Beratung mit dem Vorsitzenden der Gesellschaft für Psychologie der DDR, Prof. Klix, am 18.7.1972 vom 9. 8. 1972. 29 BArch DR 3 2. Schicht 2880. Brief von Johannes Hörnig an Minister Böhme vom 21. 2. 1973. BArch DR 3 2. Schicht 1250. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Information für die Mitglieder der Dienstbesprechung des Ministers - Gründung des Wissenschaftlichen Beirates für Psychologie beim MHF. Mai 1973.
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erstrebte Bildung eines politisch wirkungsvollen Planungsgremiums für die gesamte DDR-Psychologie war gescheitert. Ein Befreiungsschlag war in dieser Situation die Übertragung der Zuständigkeit von der Akademie zum Ministerium (s. S. 86). Die Abteilung Wissenschaften verwarf in ihrer Stellungnahme vom 22. April 1977 zudem – übrigens unter ausdrücklicher Nennung des früher von Klix vorgebrachten Arguments (s. wieder S. 86), „die psychologische Forschungskapazität liegt … vorwiegend im Bereich des Hochschulwesens“30 – den Kompromissvorschlag, das Aufgabengebiet des bestehenden Beirats zu erweitern. Gefordert wurde vielmehr die Einrichtung eines Wissenschaftlichen Rates für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen.31 Dem stimmt das Präsidium des Ministerrats in seiner Sitzung vom 20. Juli 1977 zu. Es beschloss „unter der Verantwortung des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen ein[en] Wissenschaftlichen Rat für Psychologie“, der „nach den vom Sekretariat des ZK bestätigten Grundsätzen für die Tätigkeiten der gesellschaftswissenschaftlichen Forschung arbeitet“.32 Damit erhielt die Psychologie ein Planungsgremium, das gleichen Rang beanspruchen konnte wie andere gewichtige Wissenschaftliche Räte in den Natur- und Gesellschaftswissenschaften. Nach diesem Machtwort handelte das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen schnell. Es löste den bestehenden Beirat auf 33 und ersetzte ihn durch einen Wissenschaftlichen Rat. Am 29. September 1977 trat der Wissenschaftliche Rat zu seiner Eröffnungssitzung zusammen. Bereits im Januar 1977 hatten die Mitglieder des aufgelösten Beirats ihre Entlassungsbriefe erhalten. Die Zusammensetzung des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie zeigt Tabelle 3.2. Im Gegensatz zum Nationalen Vorbereitungskomitee bestand der Rat weit überwiegend aus Fachvertretern. Mit 29 Mitgliedern war der Rat recht groß. Um seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen, wurde ein Vorstand aus sieben Personen gebildet. Zum Vorsitzenden wurde Prof. Klix berufen. Sogleich in der Gründungssitzung trug der Stellvertreter des Ministers für Hochund Fachschulwesen, Prof. Engel, eine lange Liste von Aufgaben vor, die auf dem Arbeitsplan des Wissenschaftlichen Rates standen. Der Minister nahm die Psychologie als Wissenschaft vom „subjektiven Faktor“ in die Pflicht für die „weitere Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft und der Schaffung grundlegender Voraussetzungen für den Übergang zum Kommunismus“ und nannte dabei Schwerpunkte der Psychologie, in denen er besondere Beiträge zu diesem Ziel erwartete: Arbeitspsychologie, Erziehungspsychologie, Diagnostik und Therapie.
30 BArch DR 3 2. Schicht 2880. Aktennotiz des Stellvertreters des Ministers Groschupf für Minister Böhme über eine Beratung mit dem Vorsitzenden der Gesellschaft für Psychologie der DDR, Prof. Klix, am 18.7.1972 vom 9. 8. 1972. 31 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Stellungnahme betr. Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie in der DDR vom 22. 4. 1977. 32 BArch DC 20/I 4, 3837, Bl. 13-16, 52-53. Präsidium des Ministerrats der DDR. Beschluß über die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in der DDR vom 20. 7. 1977. 33 BArch DR 3 2. Schicht 2880. Briefe von Minister Böhme an ausscheidende Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirates für Psychologie vom 25. 1. 1977.
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Tabelle 3.2. Mitglieder des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und 34 Fachschulwesen. Die sieben Erstgenannten bildeten den Vorstand des Wissenschaftlichen Rates
Prof. Klix, Berlin, Vorsitzender Prof. Hacker, Dresden, Stellvertretender Vorsitzender Prof. Kossakowski, Berlin, Stellvertretender Vorsitzender Prof. M. Vorwerg, Leipzig, Stellvertretender Vorsitzender Prof. Mäder, Rahnsdorf, Vorstandsmitglied Dr. Rückert, Berlin, Sekretär des Rates und Vorstandsmitglied Burkhardt, Berlin, Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, Vorstandsmitglied 8.- 19. Dr. Hoffmann, Berlin; Prof. Rosenfeld, Berlin; Dr. Kasielke, Berlin; Dr. Schröder, Leipzig; Prof. Hiebsch, Jena; Dr. Eckardt, Jena; Prof. G. Vorwerg, Jena; Dr. Matern, Dresden; Prof. Clauß, Leipzig; Prof. Rösler, Rostock; Dr. Trommer, Rostock 20.- 22. Prof. Lompscher, Akademie für Pädagogische Wissenschaften; Prof. Klemm, Pädagogische Hochschule Potsdam; Dipl. Psych. Bachmann, Zentralinstitut für Arbeitsmedizin 23. Oberst Grosse, Nationale Volksarmee 24. - 26. Prof. Kunath, Sporthochschule Leipzig; Dr. Sydow, Akademie der Wissenschaften Berlin; Dr. Richter-Heinrich, Akademie der Wissenschaften Berlin 27. – 29. Schäfer, Staatssekretär für Arbeit und Löhne; Hertzfeld, Verlag der Wissenschaft (Lektor); Medizinalrat Dr. Barleben, Ministerium für Gesundheitswesen Zentrales Anliegen sollte die Erarbeitung von Entwicklungsplänen sein. Auch die Vorbereitung des bevorstehenden Leipziger Kongress befand sich unter den dem Rat zugedachten Aufgaben. Es war klar: Dem Rat wurde ein denkbar breites Aufgabenfeld eingeräumt; die dem früheren Beirat auferlegten Beschränkungen waren damit aufgehoben. Mit emotionaler Bewegung, die der Sprecher wohl mit den Anwesenden teilte, die sich jahrelang für diese Aufwertung eingesetzt hatten, sagte der Minister: „Wir spüren sicher alle hier im Raum, daß damit eine qualitativ neue Stufe der Entwicklung der Psychologie in der DDR eingeleitet wird.“35 WISSENSCHAFTLICHES VORBEREITUNGSKOMITEE, KONGRESSLEITUNG Nach Abschluss des Pariser Kongresses stand der Leipziger Kongress als gewaltige Herausforderung für die DDR allen Beteiligten vor Augen. Es wurde klar, dass es zur Bewältigung dieser Herausforderung dringend der Fach- und Personalkenntnisse der psychologischen Fachvertreter bedurfte. Auch Partei und Regierung waren sich dessen wohl bewusst und daher durchaus bereit, Psychologen aus dem eigenen Lande Verant34 BArch DR 3 2. Schicht 1249. Arbeitsplan 1978 des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. 35 BArch DR 3 2. Schicht 1249. Zur Gründung des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie (29. September 1977 - Dresden) vom 26. 9. 77 (als Materialie D auf S. 323).
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wortung zu übertragen und ihnen Freiheiten zu gewähren – umso mehr, als sie sich deren Loyalität sicher waren. Minister Böhme wurde in diesem Zusammenhang der Ausspruch zugeschrieben: „Das sind Genossen, das sind Wissenschaftler, die sind international bekannt, die müssen wissen, was notwendig ist.“36 Schon das damals noch zuständige Generalsekretariat der Akademie der Wissenschaften befürwortete in einem Gespräch am 14. September 1976 den Vorschlag einer „offizielle Benennung“ eines Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitees. Dem Komitee war offensichtlich eine zentrale Funktion zugedacht, sollte es doch die bisher am stärksten hervorgetretenen Protagonisten der DDR-Psychologie vereinen: Prof. Dr. Klix als Vorsitzenden, Dr. Rückert als Sekretär, dazu die Professoren Dr. Vorwerg und Dr. Kossakowski sowie Dr. Mäder als Parteisekretär. Es handelte sich dabei um dieselben Personen, die schon ein Jahr zuvor (s.o. S. 87) als „Initiativgruppe des Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitees“ innerhalb der Gesellschaft hervorgetreten waren.37 Die Akademie hatte sich ihrerseits über den Vorschlag mit der Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED verständigt.38 Eine offizielle Berufung der von der Akademie vorgesehenen Mitglieder des Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitees wurde vorbereitet. Doch die Akademie konnte ihre Personalvorschläge nicht mehr umsetzen, weil sie die Zuständigkeit für den Kongress verlor. Vielmehr beauftragte das Präsidium des Ministerrats in seiner Sitzung vom 20. Juli 1977 Minister Böhme in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Nationalen Vorbereitungskomitees (s. o.) auch mit der Bildung eines Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitees. Als Leiter des Komitees benannte das Präsidium Prof. Klix, fasste darüber hinaus aber keine Beschlüsse zur personellen Besetzung des Gremiums.39 Die Berufung der weiteren Mitglieder erfolgte durch Minister Böhme zusammen mit der Konstituierung des Komitees im November 1977. In seiner Zusammensetzung wich dann das vom Minister berufene Wissenschaftliche Vorbereitungskomitee von dem von der Akademie der Wissenschaften vorgesehenen ab: Der Parteisekretär Mäder gehörte dem Komitee nicht an; als fünftes Mitglied wurde Prof. Dr. Sydow, Berlin, aufgenommen. Klix sollte den Vorsitz führen und Präsident des Kongresses werden. Im Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitee erhielten auch die anderen Mitglieder feste Funktionen: Kossakowski war für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, Sydow für das Programm,
36 Kossakowski, Adolf. Mündliche Mitteilung vom 23. 07. 2007. 37 HUBA GPs-DDR 786a/191.1 Gesellschaft für Psychologie der DDR. Protokollnotiz über die Ergebnisse des Gesprächs am 14. 9. 1976 beim Generalsekretär der Akademie der Wissenschaften zur Auswertung des XXI. Internationalen Kongresses für Psychologie und Vorbereitung des XXII. ICP vom 15. 9. 1976. HUBA GPs-DDR 787. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Aktennotiz aus der Sitzung der Initiativgruppe des WVK 22. ICP vom 28. 10. 1975. 38 BArch DR 3 2. Schicht 2880. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Neuzusammensetzung des wissenschaftlichen Beirates für Psychologie beim MHF vom 10. 11. 1976. 39 BArch DC 20/I 4 3837, Bl. 13-16, 52-53. Präsidium des Ministerrats der DDR. Beschluß über die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in der DDR vom 20. 7. 1977.
Entscheidungsträger und Entscheidungsstrukturen
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Vorwerg für die Organisation; Rückert wirkte als Generalsekretär des Kongresses (s. Tabelle 3.3).40 Das Wissenschaftliche Vorbereitungskomitee wurde damit dem Nationalen Vorbereitungskomitee unterstellt. Ihm sollten „die Aufgaben der wissenschaftlichen und wissenschafts-politischen Kongreßvorbereitungen einschließlich der Abstimmung mit den Psychologen der UdSSR und der anderen sozialistischen Länder“ übertragen werden.41 Sechs Wochen vor Beginn des Kongresses, am 30. Mai 1980, erweiterte sich das Wissenschaftliche Vorbereitungskomitee zur Kongressleitung (s. wiederum Tabelle 3.3). Zu den fünf Mitgliedern des Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitees traten bei der Erweiterung hinzu: Prof. W. Mäder, Dr. H. Well, Vertreter des Ministeriums für Hochund Fachschulwesen, Vertreter des Rates der Stadt Leipzig, Vertreter der Karl-MarxUniversität. Die Kongressleitung war ebenfalls dem Nationalen Vorbereitungskomitee unterstellt. Zum Arbeitsplan der Kongressleitung gehörten zwei Beratungen vor dem Kongress sowie ein Treffen am 15. Juli zur Auswertung des Kongresses.42 Tabelle 3.3. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee (Positionen 1-5). Das Wissenschaftliche Vorbereitungskomitee erweiterte sich am 30. Mai 1980 um fünf weitere Personen (Positionen 6-10) zur Kongresslei43 tung
Prof. F. Klix Präsident des Kongresses Dr. J. Rückert Generalsekretär des Kongresses Prof. H. Sydow Vorsitzender des Programmkomitees Prof. M. Vorwerg Vorsitzender des Organisationskomitees Prof. A. Kossakowski Vorsitzender der Kommission Öffentlichkeitsarbeit Prof. W. Mäder Dr. H. Well Ein Vertreter des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen Ein Vertreter des Rates der Stadt Leipzig Ein Vertreter der Karl-Marx-Universität
40 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee XXII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Entwurf: Plan zur Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) vom 29. 6.-7. 7. 1980 in Leipzig vom 11. 11. 1977. 22nd International Conference of Psychology. (1980). Proceedings, Leipzig. (Vorblatt). 41 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliche Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR (bestätigt am 12. 7. 1977). Revidierte Fassung: BArch DC 20/I 4, 3837, Bl. 17-29. Wissenschaftspolitische Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR. (Ein längerer Auszug befindet sich als Materialie C auf S. 316.) 42 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee (WVK) XXII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Maßnahmenplan zur Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6. bis 12. Juli 1980 in Leipzig vom 22. 1. 1980. 43 a. a. O..
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WISSENSCHAFTLICHES KOMITEE, PROGRAMM- UND ORGANISATIONSKOMITEE, KOMMISSION ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Bereits als das Zentralkomitees der SED im Jahre 1972 seine Zustimmung zur Einladung des Internationalen Kongresses nach Leipzig erklärte, bestätigte es eine Liste von acht Fachvertretern der Psychologie, bestehend aus den Leitern der Universitätssektionen sowie den Vorsitzenden der Sektionen der Gesellschaft für Psychologie der DDR, als Vertreter der DDR im „internationalen Vorbereitungskomitee“. Die Geschäftsordnung der International Union of Psychological Science hat freilich die Bildung eines internationalen Komitees nicht verlangt. Zur Abstimmung mit der Union war lediglich eine Verbindung ihres Exekutivkomitees zu dem Programmkomitee am Kongressort herzustellen. Diese Verbindung nahm Prof. Paul Fraisse wahr, der Präsident des vorangegangenen Pariser Kongresses und Mitglied des Exekutivkomitees von 1972 bis 1976. Darüber hinaus konnten sich Mitglieder des Präsidiums der Union an die örtlichen Veranstalter wenden. Das Zentralkomitee der SED meinte wohl, als es DDR-Vertreter für ein Internationales Vorbereitungskomitee bestimmte, das nach den Regeln der Internationalen Union erforderliche Programmkomitee, das in der Regel mit Mitgliedern des gastgebenden nationalen Verbandes besetzt sein sollte.44 Tatsächlich hat sich ein internationales Komitee zur Kongressvorbereitung nie konstituiert. Protokolle von Sitzungen eines solchen Komitees waren in den benutzten Archiven jedenfalls nicht zu finden. Es fällt auch auf: Es wurde kein Vorsitzender benannt. Vielmehr dürfte eine Transformation stattgefunden haben. Drei prominente Personen aus der ursprünglich für das Internationale Komitee vorgesehenen Besetzung (Klix, Kossakowski, Vorwerg) sind in das Wissenschaftliche Vorbereitungskomitee (s. o.) eingetreten und waren zugleich Mitglieder des Nationalen Vorbereitungskomitees. Die fünf Verbleibenden, ergänzt um sieben weitere Fachleute, bildeten ein Wissenschaftliches Komitee, wie es auf dem Vorblatt der Proceedings vorgestellt wurde. An der gleichen Stelle wird ein Scientific Committee, bestehend aus zwölf Mitgliedern, vorgestellt. Die Mitglieder des Scientific Committee sind in Tabelle 3.4 aufgeführt. Zehn von ihnen waren in psychologischer Forschung und Lehre tätig. Mit Walter Mäder war wiederum der Parteisekretär der Gesellschaft für Psychologie der DDR beteiligt. Gisela Jordanov war als Verwaltungskraft kooptiert.45 Das so gebildete Komitee ist wohl vom Kongresspräsidenten eingeladen worden, um Berichte über den Stand der Kongressvorbereitungen entgegenzunehmen und über aktuelle Probleme zu beraten. Vor allem aber ist es als örtliches Programmkomitee tätig geworden.46 Der Begriff „Programmkomitee“ wiederum taucht in den Unterlagen mehrfach auf, ohne dass genauere Angaben über dessen Zusammensetzung und dessen Arbeit gemacht werden. Als Beauftragter für das Kongressprogramm ist ausdrücklich Hubert 44 ArchIUPsS I. International Union of Psychological Science (1975). Statutes and Rules of Procedure. 45 22nd International Conference of Psychology. (1980). Proceedings, Leipzig. 46 Hacker, Winfried. Mündliche Mitteilung vom 15. 2. 2008. Rösler, Hans-Dieter. Mündliche Mitteilung vom 29. 11. 2007.
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Tabelle 3.4. Mitglieder des Wissenschaftlichen Komitees/Programmkomitees
G. Clauss G. Eckardt W. Hacker H. Hiebsch
J. Hoffmann J. Lompscher W. Mäder E. Richter-Heinrich
47
H.-D. Rösler H.-D. Schmidt R. Sinz G. Jordanov
Sydow in das Wissenschaftliche Vorbereitungskomitee berufen worden (s. o.), ohne selbst vorher als Mitglied des internationalen Komitees benannt zu sein. In späteren Dokumenten wurde er jedoch als Vorsitzender des Programmkomitees bezeichnet. Das äußere Bild ist also verwirrend: Sydow erscheint nicht als Mitglied des Wissenschaftlichen Komitees, jedoch als Vorsitzender des Programmkomitees, als welches das Wissenschaftliche Komitee fungierte. Praktisch dürfte die terminologische Unklarheit keine Schwierigkeiten bereitet haben. Sydow trug als Programmbeauftragter und als Komiteevorsitzender zweifellos hauptsächlich die Verantwortung für die Programmerstellung. Er selbst berichtet, er sei nicht ausdrücklich vom zuständigen Minister in dieses Amt berufen worden. Klix habe ihn jedoch in einem persönlichen Gespräch um diesen Dienst gebeten; es sei ihm klar gewesen, dass dies ein mit dem Ministerium für Hochund Fachschulwesen abgesprochener Auftrag gewesen sei.48 Sydow hat zu seiner unmittelbaren Unterstützung eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Herbert Hagendorf, Winfried Hentschke, Fred Kugler und Werner Krause, gebildet. Zudem wurde ihm mit Gisela Jordanov eine Verwaltungskraft zugeteilt. Das Programmkomitee bzw. das Wissenschaftliche Komitee tagte in Abständen von mehreren Wochen. Seine Mitglieder wurden über alle Anmeldungen unterrichtet und berieten über deren Annahme. Ein wichtiger Punkt war die Programmstruktur, insbesondere die Besetzung der Symposien sowie der Thematischen Sitzungen. Insbesondere haben die Mitglieder des Komitees die Betreuung der Symposien sowie der Thematischen Sitzungen unter sich aufgeteilt.49
47 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee (WVK) XXII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Maßnahmenplan zur Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6. bis 12. Juli 1980 in Leipzig vom 22. 1. 1980. 22nd International Conference of Psychology. (1980). Proceedings, Leipzig. (Vorblatt). 48 Sydow, Hubert. Mündliche Mitteilung vom 16. 11. 2007. Sydow, Hubert. Mündliche Mitteilung vom 7. 1. 2009. 49 Hacker, Winfried. Mündliche Mitteilung vom 15. 2. 2008. Rösler, Hans-Dieter. Mündliche Mitteilung vom 29. 11. 2007. Sydow, Hubert. Mündliche Mitteilung vom 16. 11. 2007. BArch DY 30 7481. Programmkomitee. Bericht über das wissenschaftliche Programm des 22. ICP vom 7. 8. 1980. HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee (WVK) XII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Maßnahmeplan zur Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6. bis 12. Juli 1980 in Leipzig vom 22. 1. 1980.
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Mit der Organisation des Kongresses war im Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitee der Leipziger Professor Manfred Vorwerg befasst. Das Präsidium des Ministerrats hatte zudem die Bildung eines Organisationskomitees beschlossen.50 Dieses berief Minister Böhme als Vorsitzender des Nationalen Vorbereitungskomitees und betraute Vorwerg mit dessen Vorsitz. Damit unterstand das Organisationskomitee dem Nationalen Vorbereitungskomitee. Das Komitee konstitutierte sich am 20.12.1977. Stellvertreter des Vorsitzenden war Dr. Harry Schröder, Leipzig. Das Komitee gliederte sich in neun Arbeitsgruppen. Den Arbeitsgruppen oblag die langfristige Vorbereitung der folgenden Teilvorhaben: (1) Geräte- und Buchausstellung, (2) Historische Geräteausstellung, (3) Wundt-Ehrungen/Ausstellungen, (4) Buchverkaufsaustellungen, (5) Wissenschaftliches Besichtigungsprogramm, (6) Begleiterprogramm, (7) Jugendprogramm, (8) Ordnung, Sicherheit, Sauberkeit, (9) Protokoll und Empfänge. Die Vorhaben 5 und 9 teilte das Organisationskomitee mit dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. 51 Schließlich wurde eine Kommission Öffentlichkeitsarbeit unter dem Vorsitz von Adolf Kossakowski – auch er Mitglied der Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitees und dort zuständig für Öffentlichkeitsarbeit – gebildet. Kossakowskis Stellvertreter war Walter Mäder. Dies war offenbar eine Entscheidung des Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitees selbst. Es gab dazu weder Beschlüsse von Partei- und Regierungsgremien, noch eine Berufung durch den zuständigen Minister. Die Kommission Öffentlichkeitsarbeit gliederte sich in zwei Arbeitsgruppen: (1) Pressebüro und (2) Kongressbulletin.52 Die bisher beschriebenen Vorbereitungsgremien bildeten ein Netzwerk, das in Abbildung 3.1 dargestellt ist. KONGRESSSEKRETARIAT/O PERATIVGRUPPE, KOORDINIERUNGSGRUPPEN, PRESSEZENTRUM Als im Januar 1980 die „heiße Phase“ der Kongressvorbereitung anbrach, nahm eine weitere Gruppe ihre Arbeit auf. Sie sollte während der Kongresswoche den planmäßigen Ablauf an den Kongressorten sichern und für die Betreuung der Teilnehmer sorgen. In einem Plan vom November 1977 hatte das Wissenschaftliche Vorbereitungskomitee diese Gruppe als „Kongreßsekretariat“ konzipiert. Dem Kongresssekretariat 50 BArch DC 20/I 4 3837, Bl. 13-16, 52-53. Präsidium des Ministerrats der DDR. Beschluß über die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in der DDR vom 20. 7. 1977. 51 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee XII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Maßnahmeplan zur Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6. bis 12. Juli 1980 in Leipzig vom 22. 1. 1980. HUBA GPs-DDR 789/181.9. Organisations-Komitee XXII. ICP. Arbeitskonzeption des Organisationskomitees. 52 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee (WVK) XII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Maßnahmeplan zur Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6. bis 12. Juli 1980 in Leipzig vom 22. 1. 1980. HUBA GPs-DDR 786/46.7. Vorbereitungskomitee zum 22. Internationalen Kongress [sic!] für Psychologie 1980. Konzeption zur inhaltlichen Gestaltung der „congress news“ vom März 1980.
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zugedacht waren die „Aufgabenbereiche, die von staatlichen Organen und Einrichtungen verantwortlich übernommen wurden: (1) Unterbringung; (2) Kulturangebot; (3) Touristisches Angebot; (4) Verpflegung; (5) Übersetzungstechnik; (6) Ausländerformalitäten; (7) Transport; (8) Raumvorbereitung, Sichtwerbung, Beschilderung; (9) Kongreßpost; (10) Kassen und Wechselstellen; (11) Krankenversorgung; 12 (Individuelle Dolmetscher und Betreuer)“.53 Im Januar 1980 war im Maßnahmenplan des Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitees von einem Kongresssekretariat nicht mehr die Rede. Mit gleicher Funktion wurde jedoch eine „Operativgruppe“ eingeführt.54 Es war offenbar die gleiche Gruppe, die sich später „Operativstab“ nannte. Die Gruppe war einerseits verantwortlich für die Kongressveranstaltungen und die Kongressräume, andererseits diente sie der Zusammenarbeit mit den städtischen Diensten und den staatlichen Behörden. Vermutlich
Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen
Wissenschaftlicher Rat
Kongressleitung
Programmkomitee
Nationales Vorbereitungskomitee
Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee
Organisationskomitee
Komitee Öffentlichkeitsarbeit
Abbildung 3.1. Gremien zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig
53 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee XXII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Entwurf: Plan zur Vorbereitung und Durchführung des XII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) vom 29. 6. - 7. 7. 1980 in Leipzig vom 11. 11. 1977. 54 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee (WVK) XXII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Maßnahmenplan zur Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6. bis 12. Juli 1980 in Leipzig vom 22. 1. 1980.
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wurde die ursprüngliche Bezeichnung „Kongreßsekretariat“ aufgegeben, um Verwechslungen mit dem Sekretariat der Gesellschaft für Psychologie der DDR vorzubeugen, das seinen Sitz für die Zeit des Kongresses ebenfalls nach Leipzig verlagert hatte. Innerhalb des Operativstabes wurden zwei Büros gebildet: x Ein Organisationsbüro mit den Arbeitsgruppen Finanzen, EDV, Verkehrsorganisation, Studentenreserve, Fahrzeugeinsatz, Vervielfältigung und Schreibbüro. x Ein Kongressbüro mit den Arbeitsgruppen Anmeldestrasse, Kulturveranstaltungen, Allgemeiner Service, Kongresspost und Gaststättenservice. Hinzu kamen zwei Einsatzbereiche: x Ein Einsatzbereich für Koordinierung/Arbeitsorganisation (Raum- und Ausstattungsplanung im Seminargebäude, Einsatz der Studenten, Unterbringung der Mitarbeiter und Studenten, Empfang Hauptbahnhof, Eröffnungsveranstaltung u. Ä.) x Ein Einsatzbereich für Ausländerangelegenheiten, Dolmetscher u. Ä. Darüber hinaus standen den Mitgliedern des Organisationskomitees Mitarbeiter für besondere Aufgaben (u. a. Geräteausstellung, Besichtigungsprogramm, Wundt-Ausstellung) zur Verfügung. Im Kongressbüro waren 16 wissenschaftliche und technische Mitarbeiter beschäftigt, im Organisationsbüro sieben. Die dreizehn Mitglieder des Organisationskomitees wurden unterstützt von 38 Mitarbeitern. Dazu kamen insgesamt 680 Studierende. Die Mitarbeiter wurden teils sechs Monate, teils vier Monate vor Kongressbeginn eingearbeitet. Der Großteil der Studenten wurde erst kurz vor dem Kongress in seine Aufgaben eingewiesen. 55 Mitarbeiter aus verschiedenen Universitätssektionen wurden mit voller Dienstzeit zur Operativgruppe delegiert. Die Gruppe stand unter der unmittelbaren Leitung von Generalsekretär Rückert, war jedoch in der Leitungshierarchie dem Organisationskomitee, dem Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitee und letztlich dem Nationalen Vorbereitungskomitee unterstellt. Die beschriebenen Gremien und Gruppen waren – mit Ausnahme des Organisationskomitees – überregional besetzt und erst zum Kongress in Leipzig aktiv. Um die Kooperation mit der Stadt und der Universität Leipzig zu gewährleisten, wurden zwei Koordinierungsgruppen gebildet: Eine Koordinierungsgruppe der Karl-Marx-Universität unter Leitung ihres Ersten Prorektors, Prof. Stein, und unter Kontrolle einer Arbeitsgruppe der SED-Kreisleitung der Karl-Marx-Universität Leipzig sowie eine Koordinierungsgruppe des Rats der Stadt unter der Leitung des Stellvertreters des Oberbürgermeisters für Inneres, Sabatowska. Interessant ist die Zusammensetzung der letzteren Gruppe. Ihr gehören an Vertreter aus folgenden Dienststellen: Stadtbauamt, Wohnungspolitik, Reisebüro, Handel und Versorgung, Örtliche Versorgungswirtschaft, Verkehr, Kultur, Internationale Arbeit/Presse/Protokoll, Gesundheitswesen, Stadtbezirk Mitte, Volkspolizei-Kreisamt, Kreisdienststelle Ministerium für Staatssicherheit.56 55 HUBA GPs-DDR 789/181.9. Abschlußbericht Operativstab (außer Ausländerangelegenheiten). 1980. 56 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitungen des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6. - 12. Juli 1980 in Leipzig (Ergänzung zur Information vom 23. 11. 1978) vom 16. 7. 1979.
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Für die Zeit des Kongresses wurde zudem ein Pressezentrum eingerichtet. Zum Leiter dieses Zentrums wurde Prof. Witzlack aus Leipzig bestimmt. Es sollte in Abstimmung mit der Pressestelle des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen sowie dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten tätig sein. 57 WEITERE ÖRTLICHE ORGANISATIONEN Der Ministerrat hat in seinem Beschluss vom 23. März 1978 die „Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit bei der Vorbereitung und Durchführung des Kongresses“ dem Minister für Hoch- und Fachschulwesen zusammen mit dem Minister des Inneren übertragen.58 Damit war auch die örtliche Polizei für die Durchführung des Internationalen Kongresses für Psychologie in Leipzig zuständig. Welche Aufgaben diese Zuständigkeit umfasste, ist nicht mehr zu ermitteln. Vermutlich handelte es sich um städtische Ordnungsaufgaben wie die Regelung des Verkehrs bei größeren Veranstaltungen. Die Leipziger Parteiorganisation befasste sich ebenfalls mit dem bevorstehenden Kongress. Die SED-Bezirksleitung Leipzig (Abteilung Schulen, Fach- und Hochschulen) beanspruchte jedenfalls die „politisch-ideologische Führung der Kommunisten der Karl-Marx-Universität in Vorbereitung auf den XXII. Weltkongreß für Psychologie“. Das Sekretariat der Kreisleitung mahnte sie zur „politisch verantwortungsbewußten Auswahl der während des Kongresse zum Einsatz kommenden Personengruppen, darunter 1.000 Studenten“ an. Die Bezirksleitung beauftragte die Kreisleitung zudem zu „weitere[n] Führungsschritte[n] zur Wahrnehmung der Gesamtverantwortung der KMU [Karl-Marx-Universität] in Vorbereitung und Durchführung des Kongresses“. Insbesondere verlangte die Bezirksleitung: Die Führung der GO [Grundorganisation] Psychologie und die weitere Umsetzung der strategischen Konzeption der Sektion Psychologie in Vorbereitung des Kongresses sind unter Parteikontrolle des Sekretariats der KL [Kreisleitung] zu stellen. Dabei sind die Beziehungen zur Sowjetpsychologie zu verstärken. 59
Die SED-Kreisleitung der Leipziger Universität betonte ihrerseits die starke Beteiligung Leipziger Universitätsangehöriger an der Kongressvorbereitung, insbesondere der
57 HUBA GPs-DDR 787. Protokoll zur Beratung der Kommission Öffentlichkeitsarbeit am 8. 6. 79. 58 BArch DC 20/I4 4036, Bl. 1-7. Protokoll der 67. Sitzung des Präsidiums des Ministerrates der DDR vom 23. 3. 1978. BArch DC 20/I4 4036, Bl. 8-16. Präsidium des Ministerrates. Beschluß zur Sicherung der politischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 23. 3. 78. 59 BArch DY 30 IV B 2/5 1115. SED-Bezirksleitung Leipzig Abt. Schulen Fach- und Hochschulen. Stellungnahme vom 24. 10. 1979. Betreff: Bericht über die politisch-ideologische Führung der Kommunisten der Karl-Marx-Universität in Vorbereitung auf den XXII. Weltkongreß für Psychologie.
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Leipziger Psychologen im Organisationskomitee sowie des Rektorats in der Kongressleitung.60 Mit Befriedigung stellte die Kreisleitung fest: Im Ergebnis der bisherigen Durchführung der Beschlüsse der Kreisleitung und ihres Sekretariats konnten Fortschritte in der Wahrnehmung der Verantwortung der Karl-Marx-Universität für die Vorbereitung dieses Kongresses erreicht werden. Das Verständnis für seine politische und wissenschaftliche Bedeutung in der internationalen Klassenauseinandersetzung, verbunden mit der wachsenden Bereitschaft für hohen persönlichen Einsatz zur Erfüllung aller übertragenen Aufgaben ist bei Leitungen der Grundorganisationen, staatlichen Leitern, Wissenschaftlern, Studenten und wissenschaftliche technischen Mitarbeitern gewachsen. Vorhandene Tendenzen zur Unterschätzung der Verantwortung der Karl-Marx-Universität für die Vorbereitung des Kongresses wurden in dem Maße zurückgedrängt, wie es gelang, das Bewußtsein von der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung der Universität und jedes ihrer Mitglieder zu erhöhen und das politisch-wissenschaftliche Anliegen des Kongresses stärker in die Partei- [sic!] und massenpolitische Arbeit einzubeziehen.61
Wie sind diese Äußerungen der Leipziger Parteiorganisationen zu deuten? Stellte die von ihnen behauptete Führungsrolle eine Realität dar oder war sie eine Illusion, mit der die örtlichen Funktionäre ihren Lokalpatriotismus pflegten? War die Führungsrolle eine Realität, so ist weiterhin zu fragen, wie weit die örtliche Parteiorganisation sich förderlich in die Kongressvorbereitungen einschaltete und wie weit sie ihre Machtposition nutzte und mit ideologischen Forderungen die Vorbereitung behinderte. Auffallend ist, dass weder in Dokumenten des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen noch in denen der Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees die Leipziger Untergliederungen der SED erwähnt werden. Besondere Aufgaben waren ihr von Partei und Regierung jedenfalls nicht zugewiesen. Man könnte also vermuten: Die SED im Bezirk Leipzig hat sich des Kongresses angenommen, weil dieser für die Stadt ein herausragendes Ereignis darstellte, weil die Partei ihm erhebliche politische Implikationen zuschrieb und weil die Mitwirkung zahlreicher örtlicher Parteimitglieder sowie weiterer in Leipzig Ansässiger bei der Kongressvorbereitung und -durchführung nahe legten, Informationen zu beschaffen und Einfluss zu suchen. WER NIMMT DIE ZENTRALPOSITIONEN EIN – POLITIK ODER WISSENSCHAFT? Die formellen Entscheidungsstrukturen, wie sie unter den in der DDR herrschenden Bedingungen zur Vorbereitung auf den XXII. Internationalen Kongress für Psychologie in Leipzig eingerichtet wurden, hatten drei hervorstechende Merkmale. Erstens waren sie streng hierarchisch organisiert. Zweitens waren die oberen Ebenen in der Entschei60 BArch DY 30 IV B 2/5 1115. SED-Bezirksleitung Leipzig. Information an das Sekretariat der Bezirksleitung zum XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie (ICP) vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 24. 10. 1979. 61 BArch DY 30 IV B 2/5 1115. SED-Kreisleitung KMU. Vorlage für das Sekretariat der Bezirksleitung. Betreff: Bericht über die politisch-ideologische Führung der Kommunisten der Karl-Marx-Universität in Vorbereitung auf den XXII. Weltkongreß für Psychologie vom 22. 10. 1979.
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dungshierarchie durch Vertreter von Partei und Regierung besetzt. Drittens verzweigten sich die Zuständigkeiten in den zahleichen Dienststellen und Komitees auf den verschiedenen Ebenen der Hierarchie. Kritik an dieser Organisation liegt nahe. Zum einen lässt die Dominanz von Partei- und Staatsvertretern wissenschaftsfremde, ja wissenschaftsfeindliche Einflüsse befürchten, die dem Kongress zum Nachteil gereichen. Zum anderen lässt die Zersplitterung von Zuständigkeiten Kommunikationsschwierigkeiten und Konflikte erwarten, welche geeignet sind, die Kongressvorbereitung zu beeinträchtigen. Der Eindruck einer erdrückenden Dominanz der Politik, der sich aus den verfügbaren Dokumenten ergibt, wird freilich gemindert durch Äußerungen aus Gesprächen mit Zeitzeugen. Danach zeichnete sich die Beziehung von Wissenschaftlern zu Parteienund Regierungsvertretern durchaus durch eine egalitäre Haltung aus. Man war sich zwar dessen gewärtig, dass einige Gesprächspartner – wie es offenbar im Jargon hieß – „den Hut auf hatten“, betrachtete aber alle Beteiligten eher als Arbeitsgruppe mit einem gemeinsamen Anliegen: „ … das mit der vorgesetzten Behörde … das [waren] für mich zunächst mal Kollegen. Und das war dann sehr in zweiter Linie das Ministerium, also dort der Zuständige für Psychologie.“62 Da zwischen Partei und Regierung die Grenzen fließend waren, konnten wohl „Kollegen“ in diesem Sinne Parteifunktionäre ebenso sein wie Ministeriumsmitarbeiter. Hinzu kam: Als der Sommer des Jahres 1980 heranrückte, taten Sorgen um das Gelingen des Kongresses, ja Angst vor seinem Scheitern ein Übriges, um die politischen Gewichte zugunsten der Fachvertreter zu verschieben. Wirtschaftliche Schwierigkeiten im Lande und außenpolitische Konflikte drohten den Ablauf des Kongresses zu belasten; nicht einmal ein Boykott durch westliche Wissenschaftler war auszuschließen (s. Kapitel 4, S.141). Vertreter von Partei und Regierung hatten hohe Erwartungen an das Gelingen des Kongresses geknüpft und mussten umso mehr ein Versagen fürchten, das sie als politische Blamage einschätzten. Noch drei Jahrzehnte später schrieb der frühere Parteisekretär Mäder: Eine „dilettantische“ und mangelhafte Durchführung derartiger Kongresse konnte sich die DDR niemals erlauben, weil unter den Bedingungen des kalten Krieges das gnadenlos ausgenutzt worden wäre. … Zugleich muß man sagen, welcher Staat nutzt es nicht im Interesse seines Ansehens, wenn derartige Veranstaltungen auf seinem Boden durchgeführt werden. 63
Zum Teil ist den obigen Ausführungen ohne weiteres zuzustimmen: Internationale wissenschaftliche Zusammenkünfte tragen durchaus bei zu dem Bild eines Landes; Veranstalter überall pflegen das zu bedenken. Doch dürften die Verantwortlichen, welche die von Mäder ausgedrückte Auffassung teilten, sowohl die westliche Feindseligkeit gegenüber der DDR als auch die in westlichen Demokratien herrschende Enge der Beziehung zwischen Wissenschaft und Politik überschätzt haben. Andere Zeitzeugen aus der DDR haben sich die zitierte Einschätzung Mäders nicht zu Eigen gemacht. Doch bestä-
62 Hacker, Winfried. Mündliche Mitteilung vom 15. 2. 2008. 63 Mäder, Walter. Schriftliche Mitteilung vom 28. 11. 2007.
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tigen sie, dass sich darin durchaus das Denken von Meinungsführern in der DDR widerspiegelt.64 In dieser Situation ruhte die Hoffnung auf der Expertise der Fachvertreter aus dem Kreis der Gesellschaft für Psychologie der DDR. Ihr Urteil setzte Maßstäbe. Ja, sie konnten sogar die politische Führung mit der Frage unter Druck setzen, ob diese bereit sei, ein Scheitern des Kongresses zu verantworten. Hinweise auf ein drohendes Scheitern und daraus erwachsende politische Konsequenzen dürften für Fachvertreter ein Mittel gewesen sein, um bei ihren Verhandlungen mit politischen Instanzen ihre Anliegen durchzusetzen und insbesondere dogmatische Hindernisse zu überwinden.65 Aus diesen Gründen ist wohl die informelle und effektive Entscheidungsstruktur von der formellen zu trennen, wie sie oben in Abb. 3.1 wiedergegeben ist. Betrachtet man nämlich die personelle Besetzung der dort wiedergegebenen Gremien, so stößt man auf eine Gruppe, bestehend aus fünf Personen: Klix, Kossakowski, Rückert, Sydow und Vorwerg. Es waren dies fünf Protagonisten der Gesellschaft für Psychologie der DDR, und sie gehörten allen drei für die Kongressvorbereitung maßgeblichen Komitees an, dem Nationalen Vorbereitungskomitee, dem Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitee und dem Wissenschaftlichen Rat für Psychologie. Man könnte also auch argumentieren: Das Wissenschaftliche Vorbereitungskomitee bildete den Kern der Organisationsstruktur, eine zentrale Gruppe, die sich fallweise – vor allem um Regierungs- und Behördenvertreter – zum Nationalen Vorbereitungskomitee ergänzte oder – vor allem um Regierungs- und Fachvertreter – zum Wissenschaftlichen Rat für Psychologie oder – um lokale Organisatoren – zur Kongressleitung. So gesehen, war eine Sternstruktur wirksam, wie sie Abbildung 3.2 darstellt. Die zentrale Gruppe umfasste neben dem Generalsekretär des Kongresses die Leiter der drei wichtigen wissenschaftlichen Vorbereitungsgremien, des Programm-, des Organisations- und des Öffentlichkeitskomitees. Sie verfügte damit über die jeweils aktuellen Informationen, hielt Kontakt mit der International Union of Psychological Science und überhaupt mit allen Interessenten am Kongress, insbesondere den angemeldeten Teilnehmern. Sie war dadurch in der Lage, den jeweiligen Stand der Vorbereitungen einzuschätzen, Erfordernisse zu artikulieren und Entscheidungen anzumahnen. Offenbar ist mit ihrer Kompetenz der genannten Kerngruppe Autorität zugewachsen. Entsprechend dürften die politischen Vertreter und mit ihr das Nationale Vorbereitungskomitee mit dem Minister als Vorsitzenden an Einfluss eingebüßt haben. Das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen mag dann von seiner Anordnungskompetenz weniger Gebrauch gemacht haben, als ihm formell zustand; gleichwohl oder umso mehr hat es sich in seiner Unterstützungsfunktion in Anspruch nehmen lassen. Das Gleiche mag für andere Ministerien sowie der Partei im Ganzen gelten. Auf diese Weise konnten von der formell unteren Ebene Vorgaben für die formell höhere Entschei64 Hacker, Winfried. Mündliche Mitteilung vom 15. 2. 2008. Rösler, Hans-Dieter. Mündliche Mitteilung vom 29. 11. 2007. Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007. Schaarschmidt, Uwe. Mündliche Mitteilung vom 3. 12. 2007. 65 Klix, Friedhart (2004). Friedhart Klix. In Helmut E. Lück (Ed.), Psychologie in Selbstdarstellungen (Band 4, S. 168-192). Lengerich: Pabst.
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dungsebene gemacht werden. Unterschiede innerhalb der Hierarchie schwanden oder die Hierarchieebenen tauschten die ihnen zugedachte Wirksamkeit: … da ist ja manches, was man als Parteivorgabe zurückkriegt, das Produkt der eigenen Vorbereitung. Und so war Vieles zu sehen. Dass da viel eingespeist wurde, und es von der Qualität des Eingespeisten … abhing, was als Parteivorgabe zurückkam. Die Parteivorgabe war nichts Externes, sondern das war ein Stück selbst gestaltete Realität.66
Nationales Vorbereitungskomitee Kongressleitung
Wissenschaftlicher Rat
Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee
Programmkomitee
Organisationskomitee
Komission Öffentlichkeitsarbeit
Abbildung 3.2. Das Wissenschaftliche Vorbereitungskomitee als Zentrum der Entscheidungsstruktur.
66 Hacker, Winfried. Mündliche Mitteilung vom 15. 2. 2008.
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Unter den fünf genannten Protagonisten aus der Gesellschaft für Psychologie der DDR sticht eine Person besonders hervor: Der Kongresspräsident Friedhart Klix. Er zeichnete sich nicht nur durch eine bemerkenswerte Multipräsenz in den Kongresskomitees aus, sondern besaß als Mitglied des Exekutivkomitees der Internationalen Union auch eine Vorzugsstellung, was internationale Verbindungen anbelangte. Zudem genoss er – darin sind sich alle Zeitzeugen einig – sowohl bei seinen Kollegen als auch bei den Partei- und Regierungsvertretern der DDR hohes Ansehen, als Wissenschaftler ebenso wie als diplomatisch geschickter Organisator und Kommunikator. Mit zahlreichen Schlüsselpositionen betraut und mit außergewöhnlicher persönlicher Autorität ausgestattet wurde Klix – auch darin stimmen alle Zeitzeugen überein – zur Zentralfigur im verzweigten Netz der Entscheidungsgremien. Ihm ist wohl zweierlei zu verdanken: die erfolgreiche Koordination der verschiedenen Komitees und das einvernehmliche Zusammenwirken von Partei und Staat auf der einen Seite sowie der Wissenschaft auf der anderen. So wurde Friedhart Klix zum Hauptgestalter, ja zum Erfolgsgaranten des Leipziger Kongresses.67
67 Kossakowski, Adolf. Mündliche Mitteilung vom 23. 7. 2007. Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007. Schaarschmidt, Uwe. Mündliche Mitteilung vom 3. 12. 2007. Sydow, Hubert. Mündliche Mitteilung vom 16. 11. 2007.
KAPITEL 4 DIE KONGRESSVORBEREITUNG: AUFGABEN, PROBLEME, LEISTUNGEN Nachdem die Generalversammlung der International Union of Psychological Science die Einladung der Gesellschaft für Psychologie der DDR, den XXII. Internationalen Kongress für Psychologie im Jahre 1980 nach Leipzig zu vergeben, angenommen hatte, setzten die Vorbereitungen nur zögerlich ein. Ein Grund waren anhaltende Behinderungen durch die Leitung der Akademie der Wissenschaften der DDR, die im Leitungssystem der DDR zunächst zentrale Verantwortung für den Kongress in Leipzig trug. Ein anderer Grund war wohl der Mangel an eigenen Erfahrungen mit wissenschaftlichen Treffen der avisierten Größenordnung. Im Jahre 1977 ging jedoch die Verantwortung für den Kongress von der Akademie der Wissenschaften an das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen über. Mit Hilfe des Ministeriums konnte nun ein leistungsfähiges Netzwerk zur Vorbereitung des Kongresses aufgebaut werden (s. Kapitel 3, S.107). Erfahrungen in der Kongressorganisation zu sammeln, bot 1976 der XXI. Internationale Psychologenkongress in Paris. Hatte die DDR-Delegation vier Jahre zuvor in Japan lediglich drei Personen umfasst,1 wurden nach Frankreich 11 Delegierte entsandt, davon zwei Mitglieder politischer Leitungsgremien (s. Kapitel 2, S. 52).2 Die Erfahrung des Pariser Kongresses gab den Delegierten nicht nur Anregungen für die Gestaltung des Leipziger Kongresses, sondern führte ihnen auch den Umfang der zu leistenden Organisationsaufgaben vor Augen.3 Die tatsächlich verfügbare Zeit zur Kongressvorbereitung betrug damit knapp vier Jahre. Für ein sozialistisches Land wie die DDR war dieses eine kurze Zeit. Denn die Planwirtschaft orientierte sich an Fünfjahresplänen. Bedarfsanmeldungen, die einen kürzeren Vorlauf hatten, mussten also in die laufenden Pläne eingebracht werden und konkurrierten dort mit früheren Anmeldungen. Zuweisungen im Kongressjahr 1980 waren daher in der Regel nur außerplanmäßig zu erreichen; sie bedurften der hochrangigen Intervention, und zwar von Seiten des Ministeriums oder – besser noch – der Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED.4 Bei der Vorbereitung waren Versorgungsengpässe zu überwinden und drohende Konflikte mit der Internationalen Union abzuwenden, in deren Namen der Kongress veranstaltet wurde. Hatte man bei der Bewerbung um den Kongress im Jahre 1972 noch ein stetes Wirtschaftswachstum erwartet, mit dem die DDR bis 1980 wirtschaftlich zu den westlichen Ländern aufschließen würde, hielten – trotz erkennbaren Wirtschaftswachstums – Mängel an. Sie betrafen nicht zuletzt die Lebensmittelversorgung und die Verkehrssysteme, deren Sicherung für eine Großveranstaltung von erheblicher Bedeutung war. Auf diese wirtschaftlichen Engpässe hatte sich die Kongressvorbereitung einzustellen. Die Knappheit drückte sich nicht in finanziellen Begrenzungen aus. Vielmehr zeigten sie sich als Schwie1 HUBA GPs-DDR 785a, Gesellschaft für Psychologie der DDR. Bericht über die Teilnahme am XX. Internationalen Kongreß für Psychologie in Tokio vom 13.- 19. August 1972. 2 HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Akademie der Wissenschaften der DDR/Abteilung Wissenschaften des ZK der SED. Vorlage für das Sekretariat des ZK der SED, Betr.: Teilnahme einer Delegation der DDR am 21. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 18. - 25. Juli 1976 in Paris.. 3 HUBA GPs-DDR 788a/191.3. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Bericht der DDR-Delegation über den XXI. Internationalen Kongreß für Psychologie (Paris, 18. – 25. Juli 1976) vom 24. 8. 1976. 4 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 28. 10. 2008.
W. Schönpflug, G. Lüer, Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik: Wissenschaft zwischen Ideologie und Pragmatismus, DOI 10.1007/978-3-531-93057-2_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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rigkeiten bei der Planung und bei der Planerfüllung. Die Zuteilung von Diensten und Waren (z. B. Papier, Druckkapazitäten) hing von der Zuweisung zentralistisch organisierter Instanzen ab. Insofern waren die Kongressveranstalter nicht wie Akteure auf einem Markt, auf dem sie Teilnehmergebühren und andere Einnahmen in Waren und Dienstleistungen umsetzten. Sie betätigten sich vielmehr als Antragsteller in einer staatlich organisierten Planwirtschaft. Es wurden zwar Teilnehmergebühren erhoben. Diese waren jedoch nicht für Aufträge einzusetzen; sie waren vielmehr unverzüglich an die Staatsbank abzuführen. (Der Frage der Finanzierung des Leipziger Kongresses ist das Kapitel 6 gewidmet.) Die Bereitschaft von Partei und Regierung der DDR, den Kongress in wirtschaftlichorganisatorischer Hinsicht großzügig zu unterstützen, fußte auf dem Gedanken, den Leipziger Kongress – nach dem XIX. Internationalen Kongress für Psychologie 1966 in Moskau den zweiten in einem sozialistischen Land – politisch zu nutzen. Er sollte für marxistischleninistische Positionen in der Wissenschaft werben, für die Anerkennung der DDR und überhaupt für ihre Außenpolitik (s. Kapitel 2, S. 66). Politisch motiviert waren demnach mindestens drei Forderungen: Erstens, eine Dominanz marxistisch-leninistisch orientierter Beiträge zum Programm; zweitens, eine Parität zwischen Teilnehmern aus Ost und West; drittens, ein Ausschluss von Teilnehmern aus den in der DDR missliebigen Staaten. Die Realisierung dieser Forderungen hätte zu einer Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit im westlichen Sinne sowie zu einer Diskriminierung westlicher Teilnehmer und damit zu einer Verletzung fundamentaler Prinzipien der International Union of Psychological Science geführt. Ihre Durchsetzung hätte bis zu einem Boykott des Kongresses vonseiten westlicher Teilnehmer oder gar zur völligen Absage durch die Internationale Union führen können. Der Erfolg der Veranstaltung verlangte also das diplomatische Geschick, politische Unzumutbarkeiten abzuwehren, aber gleichwohl die Unterstützung von Partei und Regierung zu erhalten. Vertreter von Politik und Fachwissenschaft trafen sich in der Absicht, die DDRPsychologie international als leistungsfähig darzustellen. Hierfür war allerdings beträchtliche Aufbau- und Entwicklungsarbeit zu leisten. Das Bestreben war, bis zum Kongressjahr 1980 Forschungseinrichtungen und Kader der DDR dem Niveau Westeuropas und Nordamerikas nahe zu bringen. Doch die Entwicklungsperspektive reichte über den Kongress hinaus – bis ins Jahr 1990. So wurden Vorkongresse, Nachwuchsförderungen und Schulungen durchgeführt, für welche letztlich dieselben Personen Verantwortung trugen, die auch für die Kongressvorbereitung zuständig waren. So entstand eine nicht unerhebliche Doppelbelastung. Doch die Bemühungen um die Kaderentwicklung ließen sich aus Sicht der DDR nicht auf die Zeit nach dem Kongress verschieben. Aus politischen Gründen sollten Früchte der Entwicklungsarbeit bereits beim Kongress zu ernten sein. Aus fachlichen Gründen musste die Phase des Kongresse genutzt werden, um die Aufmerksamkeit und das Wohlwollen von Partei und Regierung auf das Fach Psychologie zu ziehen. (Den Programmen der der Kaderbildung dienenden wissenschaftlichen Vorbereitungstreffen und politisch-ideologischen Schulungen ist das folgende Kapitel 5 gewidmet.). Die International Union of Psychological Science als Trägerin des Kongresses hat sich nur in einer Frage energisch in die Vorbereitungen eingeschaltet: Die ungehinderte Teilnahme aus allen Mitgliedsländern. Diese Frage war für den internationalen Verband von zentraler Bedeutung. Von den anderen politischen Schwierigkeiten – insbesondere bei der
Kongressvorbereitung: Aufgaben, Probleme, Leistungen
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Programmplanung – und den bestehenden Engpässen (mit Ausnahme bei der Beschaffung von Bürogeräten) hat die Union wohl keine Kenntnis gehabt; die örtlichen Fachvertreter mussten selbst damit zurechtkommen. Zustatten kam ihnen dabei das Bedürfnis der Politik, durch den Erfolg des Kongresses an internationalem Ansehen zu gewinnen – oder negativ: die Furcht vor einem Ansehensverlust durch einen Misserfolg, ja gar durch das Scheitern des Kongresses. Das Bedürfnis, an Ansehen zu gewinnen, hat wohl – mehr als andernorts – dazu motiviert, den Kongress mit einem prächtigen Rahmenprogramm aufzuwerten: Vor allem mit Betriebsbesichtigungen, gesellschaftlichen Veranstaltungen und einem reichen Angebot an Konzerten und anderen kulturellen Veranstaltungen. Im Übrigen ließen sich die Vertreter der Politik in ihrem Streben nach internationaler Anerkennung vergleichsweise leicht von dem Argument beeindrucken, von den Fachvertretern bevorzugte Regelungen sei international üblich oder gar verbindlich. So wurden schließlich Gelegenheiten zur Selbstdarstellung genutzt. Doch Ansätze, in dem Programm deutliche Akzente im Sinne des politisch präferierten MarxismusLeninismus zu setzen, kamen nicht zum Zuge. Sogar die ursprünglichen Pläne einer starken Einreisekontrolle wichen einer Praxis der großzügigen, unbürokratisch erteilten Einreisegenehmigung. Nach umsichtigen, oft aufreibenden Vorbereitungen der Veranstalter erwartete die Teilnehmer ein glänzend organisierter Kongress mit einem allen berechtigten Ansprüchen genügendem wissenschaftlichen Programm, einem stattlichen Gesellschaftsprogramm und einem nicht zu übertreffenden Kulturprogramm. KONGRESSORT, KONGRESSTERMIN Zum Ort des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie hat die Generalversammlung der International Union of Psychological Science Leipzig bestimmt. Sie folgte damit der vom Vorsitzenden der Gesellschaft für Psychologie der DDR ausgesprochenen Einladung. Zuvor hatte das Sekretariat des SED-Zentralkomitees zusammen mit der Einladung auch der Wahl von Leipzig als Kongressort zugestimmt (s. Kapitel 2, S. 70). Aus Sicht der DDR gab es in der Tat zu Leipzig als Kongressort kaum eine Alternative. Denn als Platz alljährlich stattfindender internationaler Wirtschaftsmessen war die Stadt auf die Unterbringung und Versorgung von größeren Mengen von Besuchern besser vorbereitet als jede andere Stadt der DDR. Im Zweiten Weltkrieg zerstörte oder beschädigte Gebäude in der Innenstadt waren wieder hergestellt oder durch Neubauten ersetzt. So erwartete das Zentralkomitee der SED von der Wahl des Kongressortes auch einen Gewinn an politischem Ansehen: „Leipzig zeigt als Tagungsort den Teilnehmern eindringlich den Aufbau der DDR.“5
5 BArch DY 30 2208, Bl. 74-79. Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin/Abteilung Wissenschaften des ZK. Vorlage für das Sekretariat des Zentralkomitees der SED vom 27. 7. 1972. Betreff: Einladung der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaft (IUPS) zur Durchführung des 22. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig.
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Kapitel 4
Die Stadt blickte auf eine reiche Kulturgeschichte zurück, die sich in zahlreichen Gebäuden der Innenstadt widerspiegelte. Als Treffpunkt für Wissenschaftler bot sich die örtliche Universität an. Sie war – 1409 gegründet – eine der ältesten im Bereich der deutschen Sprache. Besonderen Anlass für eine Einladung bildete jedoch ein Jubiläum. An der Leipziger Universität war im Jahre 1879 – nach allgemeinem Bekunden – von Wilhelm Wundt das erste Psychologische Laboratorium eröffnet worden, und der Kongress im Jahre 1980 sollte sich zur Zentenarfeier seiner Gründung versammeln 6 (s. wieder Kapitel 2, S. 70). Die Beschlusslage im Jahre 1972 erscheint somit völlig klar. Doch dürften damals die Voraussetzungen für eine Realisierung noch nicht völlig gesichert gewesen sein. Im September 1975 forderte jedenfalls die Abteilung Wissenschaften des ZK-Sekretariats: In Leipzig muß durch Vertreter der Akademie der Wissenschaften (Generalsekretär), des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen (Gen. Schirmer), des Ministeriums für Wissenschaft und Technik und der Gesellschaft noch im Oktober geprüft werden, ob die organisatorischen Voraussetzungen für die Durchführung des Kongresses mit einer Teilnehmerzahl von 4 - 5.000 real bestehen (Unterkunft, Saal für Plenum, Kulturveranstaltung, Empfang, Räume für Symposien, Verkehrsmöglichkeiten, Exkursionen usw.), welcher Zeitpunkt günstig wäre, welche Kosten entstehen. Zu überlegen ist, ob in Dresden oder Berlin die Probleme leichter zu lösen sind.7
Ob und wie die angesprochenen Einrichtungen diesem Prüfauftrag nachgekommen sind, ist nicht belegt. Doch rückten die Planer von ihrer Schätzung von bis zu fünftausend erwarteten Teilnehmern ab; spätere Papiere nannten deutlich geringere Zahlen erwarteter Teilnehmer. Damit waren die Probleme der Unterbringung und Versorgung weniger gravierend. Doch erst am 20. Juli 1977 nannte das Präsidium des Ministerrats Leipzig als Ort des Kongresses und benannte drei Vertreter der Stadt und der Universität Leipzig als Mitglieder des Nationalen Vorbereitungskomitees.8 Auch der Kongresstermin veränderte sich mit den Planungen. Das Zentralkomitee der SED hatte in seinem Beschluss vom 2. August 1972 noch den August 1980 genannt. Das Präsidium des Ministerrats beauftragte in seinem oben genannten Beschluss vom Juli 1977 noch das zu bildende Nationale Vorbereitungskomitee mit der Festlegung des Kongresstermins. Das Wissenschaftliche Vorbereitungskomitee sah dagegen im Jahre 1977 die Zeit vom 29. Juni bis zum 7. Juli vor,9 das Ministerium für Hochund Fachschulwesen eine Woche später vom 7. bis 14. Juli.10 Gegen diese Termine 6 ArchIUPsS II. International Union of Psychological Science. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly at Tokyo, Japan, August 13 and August 16, 1972. 7 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Ausarbeitung der Sekretariatsvorlage zur Ausrichtung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 18. 9. 1975. 8 BArch DC 20/I 4, 3837, Bl. 13-16, 52-53. Präsidium des Ministerrats der DDR. Beschluß über die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in der DDR vom 20. 7. 1977. 9 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee XXII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Entwurf: Plan zur Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) vom 29.6. - 7.7. 1980 in Leipzig vom 11. 11. 1977. 10 BArch DR 3 2.Schicht B 1473-3a . Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Information zum Stand der Vorbereitungen auf den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 7. – 14. 7. 1980 in Leipzig vom 19. 5. 1978.
Kongressvorbereitung: Aufgaben, Probleme, Leistungen
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Tabelle 4.1. Wichtige Stationen auf dem Wege zum XXII. Internationalen Kongress für Psychologie 1980. An der Vorbereitung des Kongresses waren mehrere Gremien beteiligt, die vor allem die Planungen des Programms und des Kongressablaufs verfolgten und auf die Rahmenbedingungen des Kongresses Einfluss nahmen. Besonders wichtige Rollen spielten das Exekutivkomitee der IUPS sowie aufseiten der DDR der Ministerrat und das vom Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen geführte Nationale Vorbereitungskomitee. Entwürfe des Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitees wurden grundsätzlich dem Exekutivkomitee sowie dem Nationalen Vorbereitungskomitee vorgelegt, das sich seinerseits auch der Unterstützung durch den Ministerrat versicherte. Das vorliegende Kapitel wird den Gang einzelner Vorlagen durch die Gremien nicht exakt rekonstruieren, sondern sich auf die Darstellung der bei der Vorbereitung aufgetretenen Probleme sowie der für den Kongress erbrachten Leistungen konzentrieren. Um gleichwohl den Fortgang der Beratungen und Beschlussfassungen zu zeigen, sind in der Tabelle die für die Kongressvorbereitung wichtigen Gremiensitzungen zusammengestellt, auf welche das vorliegende Kapitel Bezug nimmt.
02.8.1972
Sitzung des Sekretariats des Zentralkomitees der SED (Einladung der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaft (IUPS) zur Durchführung des 22. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig) 13. und 16.8.1972 Tagungen der Generalversammlung der IUPS in Tokio, Japan 25.-28.7.1974 Sitzung des Exekutivkomitees der IUPS in Quebec, Kanada 19./22.7.1976 Tagung der Generalversammlung der IUPS in Paris 18.7.1976 Sitzung des Exekutivkomitees der IUPS in Paris 10.-13.10.1977 Tagung des Exekutivkomitees der IUPS in Windsor, England 12.7.1977 Sitzung des Sekretariats des Zentralkomitees der SED 20.7.1977 Sitzung des Präsidiums des Ministerrates (Beschluß über die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in der DDR) 23.3.1978 Sitzung des Präsidiums des Ministerrates (Beschluß zur Sicherung der politischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980) 28.6.1978 Sitzung des Nationalen Vorbereitungskomitees 26.-29.7.1978 Sitzung des Exekutivkomitees der IUPS in Weimar 6.2.1979 Sitzung des Wissenschaftlichen Rats für Psychologie 30.5.1979 Sitzung des Wissenschaftlichen Rats für Psychologie 15.-18.7.1979 Sitzung des Exekutivkomitees der IUPS in Mexico City 26.10.1979 Sitzung des Nationalen Vorbereitungskomitees
äußerte jedoch das Exekutivkomitee der Internationalen Union Bedenken.11 Nach dessen Sitzung im Juli 1978 wurde deshalb die Zeit vom 6.7. bis zum 12.7. als Kongresstermin festgelegt.12 11 Arch IUPsS I. Minutes of the IUPS Assembly´s Executive Committee at Wachsenburg Castle, Weimar, GDR, July 26-29, 1978. 12 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig vom 13. 12. 1978.
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DIE EINRICHTUNG LEIPZIG
Kapitel 4
EINER
SEKTION PSYCHOLOGIE
IN DER
KARL-MARX-U NIVERSITÄT
Zum Ruhm der traditionsreichen Leipziger Universität hatte nicht zuletzt der Philosophieprofessor Wilhelm Wundt (1832-1920) mit seiner Physiologischen Psychologie sowie mit seiner Völkerpsychologie beigetragen. Sein Nachfolger Felix Krueger (18741945) genoss Ansehen und Einfluss durch seine Konzeption einer Ganzheitspsychologie. Kruegers Eintreten für eine völkische Erneuerung brachte jedoch sein Amt in Verruf, obwohl er persönlich mit nationalsozialistischen Verbänden und Behörden in Konflikt geriet. Nach 1945 wurde seine Professur zunächst nicht wieder besetzt. Das Institut in der Leipziger Schillerstrasse versammelte die verbliebenen Mitarbeiter. Ihre Leitung übernahm – damals war Leipzig noch eine Stadt in der amerikanischen Besatzungszone – Johannes Rudert. Nachdem die USA entsprechend der Viermächtevereinbarung Sachsen der Sowjetunion zur Verwaltung übergeben hatten, wurde Rudert im Zuge einer zweiten Entnazifizierung entlassen. Die Psychologie gelangte dann in wechselnde Obhut, freilich nicht von psychologischen Fachvertretern, wenn auch teilweise von so prominenten Philosophen wie Hans Georg Gadamer und Ernst Bloch. 1954 wurde dann mit Werner Fischel ein Tierpsychologe an die gerade mit dem Namen „Karl-Marx-Universität“ versehene Leipziger Hochschule berufen und danach auch zum Leiter des Instituts ernannt. Das Institut hatte inzwischen neue Räume durch Umzug in die Otto-Schill-Str.1 gewonnen. Als Fischel 1965 emeritiert wurde, wurde Adolf Kossakowski als sein Nachfolger berufen und zum Direktor des Instituts ernannt. Das Institut wurde gleichzeitig zu einer Sektion für Pädagogische Psychologie umgewandelt. Kossakowski verließ 1970 Leipzig und nahm in Berlin eine Professur an der Akademie für Pädagogische Wissenschaften an. Sein Nachfolger Günter Clauß wurde aus dem Kreis der Institutsmitarbeiter berufen. Es gab also zu Beginn der Siebzigerjahre an der Karl-Marx-Universität lediglich einen Diplomstudiengang für Pädagogische Psychologie. Im Übrigen widmete sich das Fach der Nebenfachausbildung, insbesondere der Lehrerbildung. Die Leipziger Psychologie litt nicht nur unter personellen Engpässen. Hinzu kamen wissenschaftliche Nöte, verursacht einerseits durch anhaltende Bemühungen zur Reform des Studiums, zum anderen durch hartnäckige politische Eingriffe in Lehre und Forschung.13
13 Friedrich, Walter (2009). Das erste Psychologie-Institut der Welt. Die Leipziger Universitätspsychologie 1879 - 1980. Leipzig: Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen. Guski-Leinwand, Susanne (2007). Wissenschaftsforschung zur Genese der Psychologie in Deutschland vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Dissertation, Universität Heidelberg. (www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/7667) Hammer, Steffi (1993). Felix Krueger. In Helmut E. Lück & Rudolf Miller (Hrsg.), Illustrierte Geschichte der Psychologie (S. 103-105). München: Quintessenz. Witruk, Evelin (2006). Geschichte der Pädagogischen Psychologie an der Universität Leipzig. In Klaus Udo Ettrich (Hrsg.), 125 Jahre Psychologie an der Universität Leipzig (S. 87-124). Leipzig: Leipziger Universitätsverlag. www.uni-leipzig.de/~psycho/hist2.html
Kongressvorbereitung: Aufgaben, Probleme, Leistungen
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Das Resümée der drei Jahrzehnte Leipziger Psychologie nach dem zweiten Weltkrieg zieht Hans-Jürgen Lander, der 1972 von der Humboldt-Universität Berlin als Professor an die Leipziger Universität berufen wurde, folgendermaßen: Leipzig hat sich von dem Schlag, den der Faschismus der Leipziger Psychologie zugefügt hat, nach 45 schwer erholt. … Die ganze Periode vor 1968, das sind ja mit der Besetzung der Institutsleitung, bis auf Fischel, alles Interimslösungen gewesen. Aber es gab kein richtiges Profil, was der Vorzeit der Psychologie in Leipzig entsprochen hätte.14
In Leipzig wieder ein Psychologisches Institut aufzubauen, das den Psychologiesektionen in Berlin, Jena und Dresden gleich kam, war also ein fachpolitisches Ziel der Gesellschaft für Psychologie der DDR, wollte sie dem Fach an sämtlichen vier Universitäten des Landes – und insbesondere an der altehrwürdigsten von ihnen – angemessene Kapazitäten sichern. Dringlich und sogar politisch besonders schlüssig begründbar wurde das Anliegen durch den bevorstehenden Kongress. Den Geburtsort der modernen Psychologie der internationalen Fachwelt ohne eine eigenständige Psychologie vorzuführen, ein hundertjähriges Jubiläum an einem Erinnerungsort abzuhalten, an dem die Tradition vor 35 Jahren abgebrochen war – das hätte die Rhetorik ad absurdum geführt, die Psychologie kehre an ihren Ursprung zurück („psychology returns to its origins“).15 Die Neugründung der Sektion Psychologie an der Universität Leipzig gehörte zu den Aufgaben, die am frühesten in Angriff genommen und am schnellsten erledigt wurden. Im Juli 1972, unmittelbar vor dem Kongress in Tokio, bei dem die International Union of Scientific Psychology über die Einladung zum Leipziger Kongress zu entscheiden hatte, wurde Friedhart Klix in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Gesellschaft für Psychologie der DDR beim Stellvertreter des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen vorstellig und schlug vor, „durch eine den zukünftigen Aufgaben der Sektion Pädagogik/Psychologie der Karl-Marx-Universität Leipzig angemessene, aber strenge Berufungspolitik auf dem Wissenschaftsgebiet Psychologie die Sektion (auch in Vorbereitung auf den Kongreß) quantitativ und qualitativ zu stärken“.16 Am 17.12.1973 entschied der Minister für Hoch- und Fachschulwesen, „noch im Jahre 1974 an der Karl-Marx-Universität Leipzig eine Sektion Psychologie zu gründen, die bis 1980 zu einem leistungsfähigen Zentrum der pädagogischen Psychologie zu entwickeln ist“. Der Beschluss wurde schnell umgesetzt. Bereits am 14.2.1974 teilte der Minister dem Rektor der Friedrich-Schiller-Universität in Jena seine Entscheidung mit und führte zur Begründung aus:
14 Busse, Stefan (1996). Psychologie im Real-Sozialismus. DDR-Psychologen im Interview. Pfaffenweiler: Centaurus (S. 181). 15 Rosenzweig, Mark, Holtzman, Wayne H., Sabourin, Michel & Bélanger, David (2000). History of the International Union of Psychological Science. Hove, East Sussex: Psychology Press (S. 166). 16 BArch DR 3 2. Schicht 2880. Aktennotiz des Stellvertretenden Ministers Groschupf an Minister Böhme über eine Beratung mit dem Vorsitzenden der Gesellschaft für Psychologie der DDR, Prof. Klix, am 18.7.1972 vom 9. 8. 1972.
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Kapitel 4 Damit wird sowohl der Entwicklung der Wissenschaftsdisziplin Psychologie in der DDR als auch der historischen Tradition der Leipziger Universität bei der Entwicklung der Psychologie entsprochen und gleichzeitig ein wirkungsvoller Beitrag zur Vorbereitung des 20. (sic!) Internationalen Psychologischen Kongresses in Leipzig geleistet.
Der Minister richtete sein Schreiben an den Rektor der Universität Jena, um seine Unterstützung für den schnellen Aufbau der neuen Sektion zu gewinnen: Der Aufbau dieser Sektion mit einer breiten psychologischen Grundlagenausbildung an der Karl-MarxUniversität Leipzig erfordert vor allem von seiten der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Humboldt-Universität Berlin eine gezielte Kaderzuführung. Außerdem müssen an den bestehenden Sektionen Psychologie geeignete Kader für den Einsatz in Leipzig langfristig über die planmäßige Aspirantur und das Forschungsstudium qualifiziert werden.17
Tatsächlich wurde 1975 aus Jena Manfred Vorwerg als Professor nach Leipzig berufen und dort zum Institutsdirektor ernannt. Die Zahl der Forschungsstudenten in Jena wurde erhöht, um aus ihrem Kreis bald qualifizierte Mitarbeiter für Leipzig zu gewinnen. Gleich lautende Schreiben mit der Bitte um Unterstützung der Kaderzuführung gingen wahrscheinlich auch an andere Universitäten. Mit Hans-Jürgen Lander, der bereits 1972 von der Humboldt-Universität Berlin als Professor nach Leipzig gewechselt war (s. o.) und sowie den aus dem vorangehenden Leipziger Institut übernommenen Professoren und Dozenten Günther Clauß, Jürgen Guthke und Harry Schröder hatte ab der Mitte der Siebzigerjahre die Gruppe der psychologischen Fachvertreter in Leipzig eine ansehnliche Größe erreicht. Zum Internationalen Kongress im Jahre 1980 konnte die DDR-Psychologie ihre Leipziger Sektion als eingearbeitetes Ausbildungs- und Forschungsinstitut vorstellen. 18 BAUMAßNAHMEN IN LEIPZIG, GEDENKSTÄTTEN Die Versammlung tausender Wissenschaftler aus aller Welt zum Gedenken an Wilhelm Wundt und sein Laboratorium nahmen Stadt und Universität Leipzig zum Anlass für Bauten und Umbauten. Im Einzelnen standen an: x Die Herrichtung von Räumen der Karl-Marx-Universität. x Die Renovierung des Gebäudes Tieckstrasse 2, in welchem die Sektion Psychologie der Karl-Marx-Universität inzwischen untergebracht war. x Die Einrichtung eines Wundt-Gedenkzimmers. x Ausstellung des Wundt-Archivs. x Neugestaltung der Grabstätte Wundts auf dem Leipziger Südfriedhof. x Anbringen von Erläuterungsschildern an den nach Fechner und Wundt benannten Straßen. 17 BArch DR 3 2. Schicht 2880. Brief des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen an den Rektor der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Prof. Dr. sc. med. Franz Bolck, vom 14. 2. 1974. 18 Friedrich, Walter (2009). Das erste Psychologie-Institut der Welt. Die Leipziger Universitätspsychologie 1879 - 1980. Leipzig: Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen.
Kongressvorbereitung: Aufgaben, Probleme, Leistungen
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Die Renovierung des Sektionsgebäudes war in diesem Katalog das zentrale und aufwändigste Unternehmen, und die Akten belegen langwierige Schwierigkeiten bei dessen Abwicklung. Das Präsidium des Ministerrats selbst verfügte auf Vorschlag des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen am 23.3.1978 die Baumaßnahme: Im Sektionsgebäude Psychologie der Karl-Marx-Universität Leipzig, Tieckstraße (einschließlich des Wundt-Archivs und des Wundt-Gedenkzimmers) sind notwendige Rekonstruktions- und Instandsetzungsarbeiten durchzuführen. … Durch das örtliche Bauwesen des Bezirkes und der Stadt Leipzig sind die Projektierungs- und Baukapazitäten termin- und gewerkgerecht bereitzustellen.19
Dem Beschluss war eine Kontroverse vorausgegangen, ob die Zuständigkeit für den Umbau lediglich bei der Stadt Leipzig oder auch beim Bezirk Leipzig liegen sollte.20 Überdies hatte der Vorsitzende des Rats des Bezirkes zu bedenken gegeben, dass „bauleistungen fuer das jahr 1978 .. aufgrund der situation in der stadt Leipzig zusaetzlich nicht mehr einzuordenen (sic!)“ seien.21 Der Finanzminister hatte seinerseits darauf bestanden, die Verantwortung für die Finanzierung nicht tragen zu müssen.22 Tatsächlich litt der Bau unter dem in der DDR herrschenden Materialmangel. Die Abteilung Wissenschaften stellte in ihrer Information zum Stand der Kongressvorbereitung vom 23.11.1978 fest: Die für das Jahr bilanzierten Reparaturarbeiten (Dach-, Installations-, Elektro- und Telefonarbeiten) am Gebäude der Sektion Psychologie der Karl-Marx-Universität wurden nicht in Angriff genommen, da kein Gerüst und kein elektrischer Leitungsdraht zu beschaffen waren. Damit konnte die Einrichtung des Wundt-Gedenkzimmers und die Einlagerung des Wundt-Archivs nicht in Angriff genommen werden.23
Dabei hatte schon fünf Monate zuvor das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen erwogen, den Bau zur Chefsache zu machen: „Wenn sich bis zum 01.09.1978 keine Fortschritte zeigen, sind Maßnahmen des Genossen Minister erforderlich.“24 Erst im Juli 1979 meldete die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED den Baubeginn:
19 BArch DC 20 I/4 – 4036 Bl. 1-6, 7-10, 11-16. Präsidium des Ministerrats. Beschluß zur Sicherung der politischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 23. 3. 1978. 20 BArch DC 20/I4 4036 Bl. 18. Brief des Oberbürgermeisters der Stadt Leipzig an Minister Böhme vom 24.1.1978. 21 BArch DC 20/I4 4036 Bl. 19. Fernschreiben des Vorsitzenden des Rats des Bezirkes Leipzig an Minister Böhme vom 24. 1. 1978. 22 BArch DC 20/I4 4036 Bl. 35. Schreiben des Ministeriums für Finanzen an Minister Böhme vom 2. 2. 1978. 23 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 23. 11. 1978. 24 BArch DR 3 2. Schicht B 1473-3a. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Information zum Stand der Vorbereitungen auf den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 7. – 14. 7. 1980 in Leipzig vom 19. 5. 1978.
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Kapitel 4 Die Instandsetzungsarbeiten (Dachdecker, Dachklempner, Elektroinstallation) am Gebäude der Sektion Psychologie der Karl-Marx-Universität Leipzig sind angelaufen, da nun ein Gerüst zur Verfügung steht. Allerdings gehen die Bauarbeiten nur sehr zögernd voran, da es jetzt oft an Material fehlt (Zinkblech, Kabel, Installationsmaterial).25
Zu Beginn des Winters 1979 meldeten dann zwei örtliche Gremien, die SED-Kreisleitung der Karl-Marx-Universität und die SED-Bezirksleitung Leipzig, dass der Bau in der Tieckstrasse Ende März 1980 abgeschlossen sein werde.26 Tatsächlich lud die Sektion Psychologie der Karl-Marx-Universität die Teilnehmer des Kongresses zum Besuch ihrer fertig gestellten Räume ein. KONGRESSVERWALTUNG Bei der Vorbereitung des Leipziger Kongresses gab es zwei Schwerpunkte: x Kommunikation mit Teilnehmern, Bearbeitung von Anfragen und Anmeldungen, Planung des gesamten Programms, Abstimmung mit Partei- und Regierungsstellen. x Raumplanung am Kongressort, Planung und Vorbereitung des Kongressablaufs, Betreuung der Teilnehmer am Kongressort, Kommunikation mit Dienststellen der Stadt und des Bezirks Leipzig sowie mit Instanzen der örtlichen Parteiorganisation. Dem ersten Schwerpunkt widmete sich vorwiegend ein Kongresssekretariat in Berlin, das sich erst 1980 nach Leipzig verlagerte. Für den zweiten Schwerpunkt war ab 1978 zusammen mit dem Organisationskomitee sowie dem Operativstab eine Außenstelle in Leipzig tätig (s. Kapitel 3, S. 96).27 Die personelle Besetzung des Kongresssekretariats gestaltete sich nach Auskunft der Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED nicht ganz einfach. Es stocke die Rekrutierung „fachlich und politisch geeigneter Kader für die Bearbeitung von Aufgaben des Kongreßsekretariats, besonders für die Fremdsprachenkorrespondenz“. Die Unterbringung des Kongresssekretariats war ebenfalls unbefriedigend. Für etwa zehn Beschäftigte, darunter auch den Mitarbeitern des Wissenschaftlichen Rates, standen nur 2 ½ Räume zur Verfügung. Das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen stellte fest: „Unter diesen Bedingungen ist die ordnungsgemäße Arbeit des Sekretariats
25 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitungen des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6. - 12. Juli 1980 in Leipzig (Ergänzung zur Information vom 23. 11. 1978) vom 16. 7. 1979. 26 BArch DY 30 IV B 2/5 1115. SED-Kreisleitung KMU. Vorlage für das Sekretariat der Bezirksleitung. Betreff: Bericht über die politisch-ideologische Führung der Kommunisten der Karl-Marx-Universität in Vorbereitung auf den XXII. Weltkongreß für Psychologie vom 22. 10. 1979. BArch DY 30 IV B 2/5 1115. SED-Bezirksleitung Leipzig. Information an das Sekretariat der Bezirksleitung zum XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie (ICP) vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 24. 10. 1979. 27 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee XII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Entwurf: Plan zur Vorbereitung und Durchführung des XII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) vom 29. 6. - 7. 7. 1980 in Leipzig vom 11. 11. 1977.
Kongressvorbereitung: Aufgaben, Probleme, Leistungen
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nicht zu gewährleisten“.28 Die Schwierigkeiten dürften jedoch nicht lange angehalten haben. Der damalige Generalsekretär des Kongresses erinnert sich jedenfalls nicht an Personalengpässe und Raumnöte, welche die Arbeit erschwert hätten.29 Das Personal für die Leipziger Arbeitsgruppen wurde wahrscheinlich vorwiegend aus dem örtlichen Umfeld rekrutiert und von den dortigen Dienststellen – besonders von der Karl-Marx-Universität – delegiert. Es gab keinen erheblichen Zusatzbedarf an Räumen und Geräten. Die zu erledigenden Aufgaben waren pragmatisch bestimmt und insofern aus politisch-ideologischer Sicht weniger problematisch. Die Zusammenarbeit mit der Stadt und dem Bezirk Leipzig gestaltete sich in dem gemeinsamen Bemühen, den reibungslosen Ablauf der internationalen Großveranstaltung zu gewährleisten und dem Gastgeberland sowie der Stadt Leipzig die Anerkennung des internationalen Publikums zu verschaffen. Im Übrigen genossen die am Kongressort tätigen Organisatoren die Aufmerksamkeit, aber auch die Unterstützung von Regierung und Partei, einschließlich der Parteiorganisation des Bezirks und der Universität Leipzig.30 Die neuen Aufgaben stellten an alle Beteiligten hohe Anforderungen, ihr Einsatz wurde im Abschlussbericht hervorgehoben. Die Organisation war offenbar straff. Zugleich hob der Bericht des Organisationskomitees die „selbständige, verantwortungsbewußte und initiativenreiche Arbeit“ seiner Mitglieder sowie die gute Motivierung der Mitarbeiter hervor. Der Kongress scheint weitgehend wie geplant und ohne Störungen und Pannen abgelaufen zu sein; auf kurzfristig aufgetretene Probleme – z. B. bei starker Nachfrage von Veranstaltungen oder Umdispositionen bei Ausstellungen – wurde schnell reagiert. So hatte das Organisationskomitee in seinem Abschlussbericht als erschwerend lediglich Verzögerungen bei der Übertragung von Aufgaben sowie Kompetenzunsicherheiten moniert. Der Abschlussbericht des Organisationskomitees hob weiterhin die gute Zusammenarbeit mit der Stadt und dem Bezirk Leipzig hervor.31 Ein ernsthaftes Problem stellte dagegen die mangelnde Ausstattung des Kongresssekretariats mit Bürogeräten dar. Im Jahre 1976, als die Akademie der Wissenschaften 28 BArch DR 3 2. Schicht B 1473-3a. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Festlegungen des Ministers in der Dienstbesprechung vom 7. Juni 1978. BArch DR 3 2. Schicht B 1473-3a. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Information zum Stand der Vorbereitungen auf den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 7. - 14. 7. 1980 in Leipzig vom 19. 5. 1978. 29 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 28. 10. 2008. 30 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitungen des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6. - 12. Juli 1980 in Leipzig (Ergänzung zur Information vom 23.11.1978) vom 16. 7. 1979. BArch DR 3 2.Schicht B 1473-3a. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Information zum Stand der Vorbereitungen auf den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 7. - 14. 7. 1980 in Leipzig vom 19. 5. 1978. BArch DY 30 IV B 2/5 1115. SED-Bezirksleitung Leipzig. Information an das Sekretariat der Bezirksleitung zum XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie (ICP) vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 24. 10. 1979. 31 HUBA GPs-DDR 789/181.9. Abschlußbericht Operativstab (außer Ausländerangelegenheiten usw.), ohne Datum. BArch DY 30 7481. Organisationskomitee für den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie. Abschlußbericht vom 1. 9. 1980.
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Kapitel 4
noch für den Kongress verantwortlich war, wandte sich Adolf Kossakowski als Vorsitzender der Gesellschaft für Psychologie der DDR an den Akademie-Generalsekretär Grote mit der Bitte um „Unterstützung … durch Übernahme der Anschaffung hochwertiger Arbeitsgeräte (z. B. Importkopiergerät … ) für die Vorbereitung von internationalen Veranstaltungen der wissenschaftlichen Gesellschaften“. Gedacht war an einen Gerätebestand, den sich mehrere von der Akademie betreute wissenschaftliche Gesellschaften, ja auch Einrichtungen der Akademie selbst teilen sollten.32 Die Eingabe hat wohl nicht gefruchtet. Als das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen die Verantwortung für den Kongress übernommen hatte, forderte im darauf folgenden Jahr das Wissenschaftliche Vorbereitungskomitee (zugleich mit dem Wissenschaftlichen Rat) für das Berliner Sekretariat sieben und für das Leipziger Sekretariat elf Geräte, darunter je ein Xerox-Kopierer und elektrische Schreibmaschinen, zumindest ersterer aus „KA-Import [Anmerkung: Einfuhr aus dem kapitalistischen Ausland]“. Eine „Rückgabe … der materiellen Ausstattung“ hat das Wissenschaftliche Vorbereitungskomitee für 1980 nach dem Kongress zugesichert.33 Noch im Sommer 1978 war nicht abzusehen, wie die Sekretariate die umfängliche Korrespondenz erledigen und Kopien in größerer Zahl herstellen sollten. Das Präsidium des Ministerrats hatte dazu am 23.3.1978 zwei Beschlüsse gefasst: Für die Kongreßvorbereitung sind die bewährten Erfahrungen, Methoden und Einrichtungen der Leipziger Messe zu nutzen. Die im Bereich des Leipziger Messeamtes vorhandenen Messeausstattungen werden für die Durchführung des Kongresses zur Verfügung gestellt. Die materiell-technische Sicherung der Vorbereitung, Durchführung und Gesamtorganisation des Kongresses sowie die damit im Zusammenhang stehende Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Gesellschaft für Psychologie der DDR erfolgt durch zeitweilige Nutzung der im Bereich des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen vorhandenen Schreib- und Kopiertechnik sowie durch Aufnahme entsprechender Geräte aus der DDR-Produktion in die Volkswirtschaftspläne 1979/80 und des notwendigen Papierkontingents in die zu bestätigende Staatsbilanz 1979/80. 34
Die Beschlüsse folgten den vorher von dem Leiter der Hauptabteilung Wissenschaft und Bildung der Staatlichen Planungskommission getroffenen Festlegungen: Erstens, es dürften keine NSW-Importmittel [Anmerkung: Devisen für Einfuhren aus dem nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet] für die Beschaffung von Bürogeräten verwandt werden. Zweitens sei „eine zusätzliche Einordnung von Kontingenten aus dem Eigenaufkommen in die Bilanz des Planjahres 1978 ... nicht möglich. Für die Jahre 1979 und 1980 sollten die Anforderungen mit dem Planentwurf vorgelegt werden.“35 Dem Vor32 HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Schreiben von Adolf Kossakowski an den Generalsekretär der Akademie der Wissenschaften der DDR, Prof. Dr. habil. Grote, vom 25. 8. 1976. 33 HUBA, GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee XII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Entwurf: Plan zur Vorbereitung und Durchführung des XII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) vom 29.6. - 7.7. 1980 in Leipzig vom 11. 11. 1977. 34 BArch DC 20 I/4 – 4036 Bl. 1-6, 7-10, 11-16. Präsidium des Ministerrats. Beschluß zur Sicherung der politischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 23. 3. 1978. 35 BArch DC 20 I/4 4036 Bl. 31-32. Staatliche Planungskommission, Hauptabteilung Wissenschaft und Bildung. Brief von Prof. Dr. Steinitz an Minister Böhme vom 31. 1. 1978.
Kongressvorbereitung: Aufgaben, Probleme, Leistungen
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schlag des Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitees, „für den KA-Import eines hochwertigen Xeroxkopiergeräts“ (s. o.) Valutamittel vorzuschießen, die „dann über die Kongreßeinnahmen zurückerstattet werden“36, sind Ministerien und Behörden offenbar nicht gefolgt. Wie knapp die Versorgung mit Bürotechnik am Ende der Siebzigerjahre in der DDR war, zeigt ein Schreiben des Ministers für Elektrotechnik und Elektronik, in dem dieser zu einem großzügiger bemessenen Beschlussentwurf des Ministers für Hochund Fachschulwesen Stellung nahm: In Ihrem Schreiben vom 17.1.1978 informierten Sie über den Bedarf an Bürotechnik im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie im Jahre 1980. Dazu teile ich Ihnen mit, daß eine Einordnung des Bedarfs aus NSW-Import nicht vorgenommen werden kann. Das betrifft die Positionen Kugelkopfschreibmaschine, elektrostatische Fotokopiergeräte und das Kopiergerät Rank-Xerox. Die Bereitstellung von Schreibmaschinen erfolgt im Rahmen der Bilanzdirektive der Staatlichen Planungskommission. Für das Jahr 1978 sind darin für das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen 150 elektrische und 100 mechanische Großschreibmaschinen enthalten. Bei Diktiergeräten besteht trotz Einordnung in das langfristige Handelsabkommen kein verfügbares Aufkommen wegen fehlender Lieferbereitschaft der SW-Partner [Anmerkung: Geschäftspartner aus dem sozialistischen Wirtschaftsgebiet]. Der VEB Robotron-Vertrieb Dresden erhält den Auftrag zum Angebot von Ausweichlösungen für die geforderten NSW-Importe [s. o.] entsprechend den vorhandenen Möglichkeiten sowie zur Bereitstellung von 2 Taschen- bzw. Tischrechnern.37
Nur zwei Einzelheiten aus diesem Dokument seien hervorgehoben. Die erste: Selbst die Bereitstellung von zwei Taschen- bzw. Tischrechnern wurde zu einer zwischen Staatsministerien verhandelten Angelegenheit. Die zweite: Die für das Hoch- und Fachschulwesen vorgesehene Lieferung von 250 Schreibmaschinen war wohl nicht allein für die Sekretariate des Ministerium selbst bestimmt, sondern für dessen gesamten Verantwortungsbereich – dazu gehörten sämtliche Universitäten und Fachhochschulen des Landes. Zweieinhalb Jahre vor dem Internationalen Kongress in Leipzig war also der Schluss zu ziehen: Vor 1979 waren mit Sicherheit von Seiten des Staates keine Bürogeräte zu erwarten. Man bot lediglich eine Mitnutzung von Geräten anderer Einrichtungen an. Dieses Angebot von Seiten der Regierungsspitze nutzte den Veranstaltern vermutlich wenig. Denn die Bürotechnik war überall knapp; Reparaturen waren – schon wegen fehlender Ersatzteile – langwierig; Ausfälle waren nur schwer zu ersetzen. Die Mitnutzung von Geräten durch Auswärtige stieß wohl in der Regel auf erhebliche Widerstände vonseiten der Hauptnutzer. Und gering war die Hoffnung, wenigstens ein
36 HUBA Bestand GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee XXII Internationaler Kongreß für Psychologie. Entwurf: Plan zur Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) vom 29.6. - 7.7. 1980 in Leipzig vom 11. 11. 1977. 37 BArch DC 20 I/4 4036 Bl. 38. Brief des Ministeriums für Elektrotechnik und Elektronik an Minister Böhme vom 15. 2. 1978.
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Kapitel 4
Jahr vor dem Kongress für die Endphase der Kongressvorbereitung eine ausreichende Lieferung zu erhalten; denn dafür stand die endgültige Bewilligung aus. Dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, das für die Beschlüsse des Ministerrats im März 1978 selbst die Vorlage eingereicht hatte, blieb im Juni desselben Jahres nichts anderes übrig, als auf die anhaltenden technischen Probleme hinzuweisen: In der Bereitstellung von Bürotechnik und eines Pkw für die Kongreßvorbereitung und -durchführung treten Schwierigkeiten auf, weil die entsprechenden Dispositionen im Plan 1978 des MHF nicht enthalten sind. Um die 1978 voll angelaufene Kongreßvorbereitung technisch absichern zu können, sind dringend einige Soforthilfen erforderlich. … Die Bereitstellung der Bürotechnik für 1979/80 ist von ROBOTRON vorbehaltlich der Bestätigung durch die staatliche Planungskommission zugesagt worden.38
Nach dem Sommer 1978 endeten jedoch die Klagen über mangelnde Büroausstattung, und aus der Erinnerung wird sogar mit Stolz von den vorzüglichen Schreib- und Kopiermöglichkeiten des Berliner Sekretariats berichtet. 39 Dafür gibt es folgende Erklärung: Die International Union of Psychological Science gewährte nach ihrer Geschäftsordnung (Sektion 1, 2c) dem Kongressveranstalter ein Darlehen als Starthilfe. Die Zahlung einer Starthilfe an die Leipziger Veranstalter ist insofern belegt, als später im Finanzbericht der International Union of Psychological Science unter „Einnahmen“ die Rückzahlung eines reimbursement loan von 4.750 US-Dollar verbucht wurde.40 Am 30. Juni 1978 hatte der Generalsekretär des Kongresses, Jürgen Rückert, den Generalsekretär der Internationalen Union, Wayne H. Holtzman gebeten, ihm das Darlehen in München während des dortigen Internationalen Kongresses für Angewandte Psychologie zu übergeben – zur Anschaffung von Bürogeräten. Tatsächlich hat der Schatzmeister der Union, der Kanadier David Bélanger, bei einer Bank eine Summe von 10.000 DM abgehoben und an Rückert ausgezahlt, und zwar in München während des vom 30. Juli bis 6. August 1978 stattfindenden 19. Internationalen Kongresses für Angewandte Psychologie. Bélanger und Rückert sowie Holtzman und Klix waren unmittelbar nach dem Treffen des Exekutivkomitees Ende Juli in Weimar nach München gereist. Von dem überlassenen Geld hat der Generalsekretär in München zwei elektrische Schreibmaschinen und ein Kopiergerät erworben. Die Schreibmaschinen hat er anschließend selbst in die DDR eingeführt, das Kopiergerät ist mit Fracht nachgekommen.41
38 BArch DR 3 2. Schicht B 1473-3a. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Festlegungen des Ministers in der Dienstbesprechung vom 7. Juni 1978. BArch DR 3 2. Schicht B 1473-3a. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Information zum Stand der Vorbereitungen auf den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 7. - 14. 7. 1980 in Leipzig vom 19. 5. 1978. 39 Kossakowski, Adolf. Mündliche Mitteilung vom 23. 7. 2007. Sydow, Hubert. Mündliche Mitteilung vom 16. 11. 2007. 40 Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science (1975). Statutes and Rules of Procedure . Arch IUPsS VI. Finanzbericht der International Union of Psychological Science für das Jahr 1980 vom 10. 2. 1981. 41 ArchIUPsS I. Brief von Jürgen Rückert an Wayne H. Holtzman vom 30. 6. 1978. Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007.
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Rückert erinnert sich nicht an besondere Genehmigungen für seinen Import gewichtiger Geräte der Informationstechnik aus der Bundesrepublik in die DDR. Doch habe er eine Bestätigung der Internationalen Union vorgezeigt; daraufhin erfolgte die Einfuhr mit Billigung der Grenzbehörden.42 Vermutlich waren alle Transfers bei den zuständigen Behörden beantragt und von ihnen genehmigt. Entsprechend müsste das Ministerium für Außenwirtschaft die genannten Bürogeräte zuvor als NSW [nichtsozialistisches Währungsgebiet]-Importe registriert haben. Für diese Annahme spricht jedenfalls der Bericht eines Zeitzeugen, nach dem das Ministerium für Außenwirtschaft der DDR die Geräte nach Abschluss des Kongresses für sich reklamierte – ein Ansinnen, dessen sich Klix mit Hilfe einer hochrangigen Intervention zu erwehren wusste.43 Über den Stand der Planungen und den Fortgang der Vorbereitungsarbeiten wurde von den Veranstaltern regelmäßig Bericht erstattet: dem Nationalen Vorbereitungskomitee, dem Wissenschaftlichen Rat und dem Exekutivkomitee des Internationalen Union. Die Berichte fanden durchweg Zustimmung. Besonders wichtig war das Einverständnis mit den Planungen, welches das Exekutivkomitee in seiner Sitzung am 26.29.7.1978 zum Ausdruck brachte.44 WISSENSCHAFTLICHES PROGRAMM Es gibt wissenschaftliche Kongresse, bei denen sich zahlreiche Fachleute treffen, um Vorträge einer kleinen Zahl ausgewählter Experten zu hören. Höhepunkte internationaler Psychologentreffen können ebenfalls Veranstaltungen mit großem Publikum sein: Plenumsveranstaltungen mit Vortragenden, die von den Veranstaltern eingeladen wurden. Doch überwiegend melden Teilnehmer eigene Beiträge für das Programm an und machen nicht selten ihr Kommen von der Annahme ihrer Anmeldung abhängig. Auf diese Weise nähert sich die Menge der Vorträge der Menge der Teilnehmer an. Im Jahre 1980 in Leipzig waren es 1636 Autoren, die rund 1300 Vorträge zum Programm beisteuerten (bei 3396 angemeldeten Teilnehmern – Begleitpersonen und Studierende nicht eingeschlossen).45 Um die Menge individueller Vorträge zu bewältigen, waren auch für den XXII. Internationalen Kongress für Psychologie Parallelveranstaltungen anzusetzen. Der Aufwand für die Programmgestaltung stieg damit erheblich. Für das Wissenschaftliche Programm des Kongresses war der Programmbeauftragte des Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitees, Prof. Hubert Sydow, sowie das Wissenschaftliche Komitee zuständig, das als Programmkomitee fungierte (s. Kapitel 3).46 Der Beauftragte sowie das Komitee standen in ständigem Austausch mit dem Kon42 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007. 43 Kossakowski, Adolf. Mündliche Mitteilung vom 23. 07. 2007. 44 Arch IUPsS I. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly´s Executive Committee at Wachsenburg Castle, Weimar, GDR, July 26-29, 1978. 45 González Solaz, J. (1998). Los congresos internacionales de psicologia (1963-1984). Tesis doctoral. Universitat de Valencia, Facultat de Psicologia (S. 534). 46 Unterlagen zur Arbeit des Programmkomitees befinden sich im Archiv der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Adolf-Würth-Zentrum für Geschichte der Psychologie der Universität Würzburg.
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Kapitel 4
gresspräsidenten. Wie nach der Geschäftsordnung der Internationalen Union (Sektion I., 2b) erforderlich,47 bat der Kongresspräsident Klix in einem Schreiben vom 20. Mai 1975 namens der Gesellschaft für Psychologie der DDR die Vorsitzenden der in der Union vertretenen Landesverbände um die Übermittlung von Anregungen und Wünsche für das Programm. Insbesondere erkundigte er sich, „which specific developments in your country would seem to you worthwhile presenting at the congress“ und „which issues does your society regard as of special importance for basic psychological research“. 48 Die Reaktionen auf seinen Brief waren wohl wenig ergiebig; die Deutsche Gesellschaft für Psychologie aus der Bundesrepublik Deutschland verzichtete jedenfalls auf eigene Vorschläge.49 Das Exekutivkomitee selbst äußerte lediglich einen Vorschlag, dem das Programmkomitee entsprach, indem es ein Symposium „Die Rolle der Frau“ in das Programm aufnahm. Die Veranstaltung, die später auf großes Interesse stieß, bereitete den Veranstaltern Schwierigkeiten, denn hierfür waren „erhebliche Bemühungen … erforderlich, Vorträge aus den sozialistischen Ländern zu gewinnen“.50 Die Anmeldefrist für Vorträge beim Leipziger Kongress endete am 1. Mai 1979. Wegen langer Postwege wurden jedoch auch später noch Anmeldungen entgegengenommen. Die Fertigstellung des wissenschaftlichen Programms war für Februar 1980 vorgesehen. Über den Stand der Programmvorbereitung wurde das Exekutivkomitee der Internationalen Union regelmäßig unterrichtet. In seinen Sitzungen am 10.-13. Oktober 1977, am 26.-29. Juli 1978 sowie am 15.-18. Juli 1979 war dem Kongressprogramm jeweils ein eigener Tagesordnungspunkt gewidmet.51 Innerhalb der DDR ließen sich die politischen Instanzen sowie das unter der Leitung des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen stehende Nationale Vorbereitungskomitee in seinen Sitzungen am 28. 6.1978 und 26.10.1979 Entwürfe zur Programmkonzeption und zum Programmablauf vorlegen.52 Weiterhin nahm der Wissenschaftliche Rat Anteil an der Erarbeitung des Programms. 53 47 ArchIUPsS I. International Union of Psychological Science (1975). Statutes and Rules of Procedure. 48 AWZ DGPs. Brief von Friedhart Klix an den Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Psychologie vom 20. 5. 1977. 49 AWZ DGPs. Deutsche Gesellschaft für Psychologie. Protokoll der Vorstandssitzung vom 16./17. 6. 1978. 50 BArch DY 30 7481. Sydow, Hubert/Programmkomitee. Bericht über das wissenschaftliche Programm des 22. ICP vom 7. 8. 1980. 51 Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly´s Executive Committee at Windsor, England, October 11-13, 1977. ArchIUPsS I. International Union of Psychological Science. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly´s Executive Committee at Wachsenburg Castle, Weimar, GDR, July 26-29, 1978. Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science. Minutes of the IUPS Assembly´s Executive Committee at Holiday Inn, Zona Rosa, Mexico City, Mexico, July 15-18, 1979. 52 BArchDR 3 2. Schicht B 1473-3a. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Information zum Stand der Vorbereitungen auf den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 7. - 14. 7. 1980 in Leipzig vom 19. 5 .1978. HUBA GPs-DDR 787. Protokoll der 3. Sitzung des Nationalen Vorbereitungskomitees für den XXII. Internationalen Psychologiekongreß am 26. 10. 1979 im MHF vom 29. 10. 1979. 53 BArch DR 3 2. Schicht 1249. Arbeitsplan 1978 des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen.
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Was die Programmstruktur anbelangte, übernahmen die Veranstalter die bereits vorher, insbesondere beim vorangegangenen Pariser Kongress eingeführte Einteilung in Einzelvorträge, Symposien, Thematische Sitzungen und Filmvorführungen. Eine weitere Kategorie bildeten die „Freien Vorträge“ (free papers). Schon die Veranstalter des Pariser Kongresses hatten bis zu drei Leitungsfunktionen für Symposien eingeführt (président/chairman, organisateur/organizer, recenseur/reviewer).54 Eine Vorzugsstellung bei der Programmvorbereitung genossen die Symposien. Es fällt auf, dass – folgt man der Information der Abteilung Wissenschaften vom 16. Juli 1979 – die wissenschaftlichen Symposien bereits zum Ablauf der Anmeldefrist weitgehend konzipiert waren und deren personelle Leitung feststand.55 Hier dürfte die Kongressleitung direktiv tätig geworden sein. Sie hat vor allem über die Themenwahl von Symposien dem Leipziger Kongress eine Ausrichtung gegeben, welche mit der im Wissenschaftlichen Rat gepflegten Entwicklungskonzeption für die Psychologie im Einklang stand. Den größten Anteil an dem wissenschaftlichen Programm nahmen Ergebnisse der experimentell betriebenen Grundlagenforschung ein sowie Anwendungen im Bereich der Pädagogischen und der Arbeitspsychologie.56 Es wurde somit ein thematischer Rahmen geschaffen, innerhalb dessen abzusehende DDR-Beiträge die Breite und die Qualität der DDR-Forschung zu demonstrieren vermochten. Es war dies wohl eine Strategie, welche vonseiten der Vertreter der Gesellschaft für Psychologie der DDR entwickelt wurde, die zudem den Vorzug hatte, den Beifall der Parteiverantwortlichen zu finden. Die Frage stellt sich: Wie weit haben die Vorlagen lediglich der Kenntnisnahme der übergeordneten Gremien gedient? Wie weit ist aus diesen Gremien – vor allem auf Druck politischer Kräfte – Einfluss auf die Programmgestaltung ausgeübt worden? Dabei ist vor allem zu denken an die Forcierung als marxistisch-leninistisch eingestufter Beiträge sowie überhaupt von Beiträgen aus sozialistischen Ländern. Es fehlte ja durchaus nicht an Forderungen, die Gelegenheit des Kongresses zur Propagierung sozialistischer Wissenschaft und Politik zu nutzen. Bereits 1972 hatte das Zentralkomitee der SED der Einladung zum Kongress in der Absicht zugestimmt, „den Psychologen der DDR, der UdSSR und der anderen sozialistischen Länder Gelegenheit zu geben, die Positionen der dialektisch und materialistisch begründeten Psychologie auszubauen und die Ergebnisse ihrer Forschungen zu demonstrieren“57 (s. Kapitel 2, S. 76). In der der Gesellschaft für Psychologie der DDR vorgegebenen Wissenschaftlichen Konzeption des Leipziger Kongresses aus dem Jahre 1977 hieß es ausdrücklich:
54 Actes du XXIe congrès international de psychologie /proceedings of the XXIst international congress of psychology (1978). Paris: Presses universitaires de France. 55 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitungen des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6. - 12. Juli 1980 in Leipzig (Ergänzung zur Information vom 23.11.1978) vom 16. 7. 1979. 56 González Solaz, J. (1998). Los congresos internacionales de psicologia (1963-1984). Tesis doctoral. Universitat de Valencia, Facultat de Psicologia (S. 534). 57 BArch DY 30 2208, Bl. 1-10. Protokoll Nr. 78 der Sitzung des Sekretariats des ZK der SED vom 2. August 1972.
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Kapitel 4 Die Gesellschaft für Psychologie der DDR hat mit dieser Aufgabe [Anmerkung: die Vorbereitung des Internationalen Kongresses 1980] eine große politische und wissenschaftliche Verpflichtung übernommen. Sie wird alle Kräfte daran setzen zu dokumentieren, wie auf der Grundlage der Weltanschauung der Arbeiterklasse, der marxistisch-leninistischen Philosophie, die großen progressiven Traditionen in der Wissenschaftsgeschichte bewahrt, aufgehoben und in Einheit mit den gesellschaftlichen Zielen des sozialistischen Aufbaus und seiner kommunistischen Perspektive weiterentwickelt werden.
Dieser missionarischen Passage folgte eine durchaus feindselige Formulierung: Sozialistische Wissenschaftspolitik und marxistisch-leninistische Grundorientierung der Psychologie sind jenen psychologischen Strömungen diametral entgegengesetzt, die mehr oder weniger offen im antihumanistischen Dienste imperialistischer Politik oder der Verschleierung der kapitalistischen Ausbeuterverhältnisse stehen. Die offensive und kompromißlose Auseinandersetzung mit derartigen Richtungen und Strömungen ist ein wesentliches Prinzip der ideellen Vorbereitung des Kongresses.58
Wie stark der interne Druck war, der von der „Wissenschaftlichen Konzeption“ ausging, ist nicht mehr zu ermitteln. Der im Namen der Gesellschaft für Psychologie der DDR eingereichte Text dürfte von der Akademie der Wissenschaften entworfen worden sein; möglicherweise hat Adolf Kossakowski – damals Vorsitzender der Gesellschaft – daran mitgewirkt. Es war vermutlich die Abteilung Wissenschaften, die ihn – wie in der Vorlage vermerkt – bestätigt hat; das Präsidium des Ministerrats hat ihn in seiner Sitzung im Juli 1977 „zustimmend zur Kenntnis“ genommen.59 Zumindest innerhalb der Parteiorganisation hat man auf die Formulierungen der „Wissenschaftlichen Konzeption“ zurückgegriffen – so etwa in der Information der Bezirksleitung Leipzig: Den Wissenschaftlern aus kapitalistischen Staaten oder Entwicklungsländern muß deutlich werden, daß im Sozialismus unter der Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei eine kontinuierliche und schöpferische Entwicklung der Wissenschaft gesichert ist. … Es ist die produktive Rolle der marxistisch-leninistischen Weltanschauung und Methodologie bei der Erforschung psychologischer Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten aufzuzeigen und offensiv darzulegen, insbesondere auch in der Auseinandersetzung mit Positionen, die auf der bürgerlichen Ideologie und ihrer klassenmäßigen Beschränktheit beruhen.60
Berichtet wird ebenfalls von Stimmen aus anderen Ländern des Ostblocks, die ein starkes ideologisches Profil forderten.61 (Dazu mehr in Kapitel 5, S. 174).
58 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliche Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR (bestätigt am 12. 7. 1977). Revidierte Fassung: BArch DC 20/I 4, 3837, Bl. 17-29. Wissenschaftspolitische Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR. (Ein längerer Auszug befindet sich als Materialie C auf S. 316.) 59 BArch DC 20/I 4 3837 Bl. 13-16. Präsidium des Ministerrats der DDR. Beschluß über die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in der DDR vom 20. 7. 1977. 60 BArch DY 30 IV B 2/5 1115. SED-Bezirksleitung Leipzig. Information an das Sekretariat der Bezirksleitung zum XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie (ICP) vom 6. - 12. Juli 1980 in Leipzig vom 24. 10. 1979. 61 Klix, Friedhart (2004). Friedhart Klix. In Helmut E. Lück (Hrsg.), Psychologie in Selbstdarstellungen (Band 4, S. 168-192). Lengerich: Pabst.
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Ein wissenschaftlicher Kongress mit ideologischem Profil hätte durch zwei Merkmale gekennzeichnet sein sollen: x Eine deutlich marxistisch-leninistische Ausrichtung des Programms. x Ein Proporz von Beiträgen aus sozialistischen und nicht-sozialistischen Ländern. Das erste Merkmal einer ideologischen Schwerpunktbildung hätte die Programmgestaltung auf zweifache Weise verwirklichen können: Erstens, durch Ablehnung von politisch unerwünschten Anmeldungen – vor allem aus westlichen Ländern – und, zweitens, durch Forcierung von politisch erwünschten Beiträgen – vor allem aus dem Ostblock. Eine verstärkte Repräsentation der Parteidoktrin wäre insbesondere durch Einbeziehung ideologisch ausgewiesener Vertreter anderer Disziplinen – insbesondere von Mitgliedern der im Sinne der SED ausgerichteten Akademie für Gesellschaftswissenschaften – zu erreichen gewesen. Die Kongressleitung hat sich offenbar allen ideologischen Tendenzen bei der Programmgestaltung widersetzt. Es gab weder politische Einschränkungen bei der Einladung von Vortragsanmeldungen (call for papers) noch bei der Aufnahme angemeldeter Vorträge in das Programm; auch Einladungen zu Einzelvorträgen litten nicht unter politischen Restriktionen. Eine gezielte Mobilisierung parteigebundener Autoren hat ebenfalls nicht stattgefunden. Nur verschwindend wenige Beiträge mit ideologischer Bindung fanden sich in dem Programm. Als Beispiele namhaft gemacht werden können hier überhaupt nur zwei Vorträge von Christina Fritsche (Karl-Marx-Universität Leipzig) und Horst Kühn (Akademie der Pädagogischen Wissenschaften, Berlin), einem Autor, der noch im Kongressjahr als Kritiker der von ihm „bürgerlich“ genannten Psychologie (insbesondere in der deutschen Bundesrepublik) hervorgetreten war.62 Die beiden Autoren thematisierten ihre Ablehnung kapitalistischer Tendenzen in der westlichen Psychologie – freilich recht abgehoben – in dem von Manfred Vorwerg organisierten Symposium „Theory and methods in the history of psychology“. 63 Warum sind die Fachvertreter der Psychologie in der Kongressleitung für eine Ideologiefreiheit des von ihnen organisierten Kongresses eingetreten? Möglicherweise hatten bei ihnen die Zweifel an der Parteidoktrin überhand genommen. Es fehlte zwar nicht an (oft genug aufgenötigten) Lippenbekenntnissen in Parteiorganen und in Einleitungen zu eigenen Schriften. Doch das sozialistische System erschien ihnen nicht mehr als Zukunftsmodell, das für die Wissenschaftsentwicklung die gewünschten Fortschritte versprach. Zum anderen kannten sie ihre westlichen Kollegen gut genug, um zu wissen: Eine Ideologisierung hätte die meisten Gäste aus dem Westen befremdet, zu denen man gerade die Beziehungen verstärken und verbessern wollte. Eine Ideologisierung des Kongresses hätte wahrscheinlich Absagen vor dem Kongress und Unmutsäußerun-
62 Kühn, Horst (1980a). Bürgerliche Psychologie in der BRD. Berlin: Volk und Wissen. Kühn, Horst (1977). Zur gesellschaftlichen Funktion der Psychologie in der BRD. Probleme und Ergebnisse der Psychologie, 63, 5-17. 63 Fritsche, Christina (1980). Zur Herausbildung der Krise der Psychologie unter dem Einfluß spekulativer Philosophien. 22nd International Conference of Psychology. Abstract Guide, Leipzig (p. 19). Kühn, Horst (1980b). Methodologische Probleme der kritischen Analyse von theoretischen Konzeptionen der Psychologie. 22nd International Conference of Psychology. Abstract Guide, Leipzig (p. 19).
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Kapitel 4
gen während des Kongresses zur Folge gehabt; beides hätte den gewünschten Erfolg des Kongresses aufs Höchste gefährdet. Es war eine schwierige diplomatische Aufgabe, Partei- und Ministeriumsvertretern diese Einschätzung nahe zu bringen. „Dann musste dem Minister vor allem klar gemacht werden, dass es keine sozialistische Psychologie gibt, sondern dass es nur eine Psychologie gibt, und die muss wissenschaftlich gut sein“ – erinnert sich einer der Zeitzeugen.64 Die Veranstalter hatten übrigens vorgebaut. Im Text der „wissenschaftliche Konzeption“, welche – wie oben zitiert – massive Parteilichkeit befürwortete, befand sich auch der Satz: „In jedem Falle kommt es bei den Vorträgen, Symposiumsgestaltungen oder Diskussionsbeiträgen auf die Realisierung hoher methodischer Standards, tiefer theoretischer Durchdringung sowie fachkundiger Berücksichtigung der international herausragenden Ergebnisse auf den einzelnen Gebieten an.“65 Die Überzeugungsarbeit der Vertreter der Gesellschaft für Psychologie der DDR hatte Erfolg. Alle Zeitzeugen stimmen darin überein, dass die Auswahl von Beiträgen allein nach wissenschaftlicher Qualität erfolgte und keinerlei ideologische Diskriminierung stattfand. Besonders gewichtig sind in diesem Zusammenhang die Aussagen des damaligen Programmbeauftragten, Hubert Sydow, sowie des damaligen Referenten für Psychologie im Hoch- und Fachschulwesen, Uwe Schaarschmidt. Laut Sydow war das Programmkomitee innerhalb der DDR keinem politisch motivierten Einfluss ausgesetzt: „Es gab … kein Junktim zwischen der Art des Kongresses und der Politik.“66 Schaarschmidt bekräftigte zur Frage des Einflusses seines Ministeriums auf Struktur und Inhalt des Programms ebenfalls: „Da wurde wirklich klar gesagt: Das ist Sache der Wissenschaft.“67 Die verfügbaren Sitzungsprotokolle bestätigen diese Äußerungen; sie enthalten keine Anhaltspunkte für politische Eingriffe in die Programmthematik. Freilich ist zu vermerken: Die Kongresse der International Union of Psychological Science haben traditionell eine Eigendynamik, welche Veranstaltern einen offenen Dirigismus schwer machen würde. Die Rückweisungsquote von Vortragsanmeldungen ist eher gering. Der Respekt vor kultureller Diversität sowie das Bedürfnis nach hohen Teilnehmerzahlen bringen es mit sich, dass nur Beitragsanmeldungen nicht in das Programm aufgenommen werden, welche wissenschaftliche Standards grob verletzen. Der damalige Vorsitzende des Programmkomitees, Hubert Sydow, hat bestätigt, dass auch vor dem Leipziger Kongress nach diesem Grundsatz vorgegangen wurde. Da nach einem fachöffentlichen Call for Papers aus aller Welt Anmeldungen eintrafen, die ein breites Meinungsspektrum repräsentierten, war also schon durch großzügige Annahme die Programmvielfalt gesichert, wollte man nicht die Mehrzahl der Anmelder brüskieren. 64 Hacker, Winfried. Mündliche Mitteilung vom 15. 2. 2008. 65 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliche Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR (bestätigt am 12. 7. 1977). Revidierte Fassung: BArch DC 20/I 4, 3837, Bl. 17-29. Wissenschaftspolitische Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR. (Ein längerer Auszug befindet sich als Materialie C auf S. 316.) 66 Sydow, Hubert. Mündliche Mitteilung vom 16. 11. 2007. 67 Schaarschmidt, Uwe. Mündliche Mitteilung vom 3. 12. 2007.
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Der zweite kritische Punkt war der Anteil von Teilnehmern aus östlichen und westlichen Ländern. Dominierten die Letzteren nach ihrer Zahl, wenn ein Treffen in einem westlichen Land stattfand, so schien es politisch wünschenswert, bei einem Treffen in einem Land des Ostblocks wenigstens eine Parität zwischen Besuchern aus beiden Lagern herzustellen. Dies wäre auf zweierlei Weise zu bewerkstelligen gewesen: Durch Steigerung der Zahl östlicher oder durch Minderung der Zahl westlicher Teilnehmer. Für beide Tendenzen gibt es Belege. So berichtete der Leipziger Professor Günter Clauß von der Absicht des Amerikaners Bringmann, durch Anzeigen in den USA für die Teilnahme am Leipziger Kongress zu werben: „Wir bestärkten ihn in dieser Absicht nicht, weil nach bisherigem Überblick die USA ohnehin 80 [Anmerkung: im Jahr 1980] überrepräsentiert sein werden.“68 Auch sonst klingt in den Dokumenten mehrfach das Thema des Ost-West-Proporzes an. Für eine Quotierung in Frage kam die Teilnehmerzahl als ganze ebenso wie die Besetzung von Symposien. Durch eine hohe Repräsentation sollte die DDR-Psychologie zusammen mit psychologischer Forschung aus anderen sozialistische Ländern als vorbildlich vorgestellt werden. Doch herrschte bald eine gewisse Enttäuschung über die Beiträge aus anderen sozialistischen Ländern. Dies kam im Vorstand des Wissenschaftlichen Rates am 6.2.1979 zur Sprache: „Die DDR- und UdSSR-Beteiligung am XXII. ICP ist als zufriedenstellend zu charakterisieren. Ungenügend ist die Beteiligung der anderen sozialistischen Länder. Zur Verbesserung der Situation werden Kontakte aufgenommen und Dienstreisen durchgeführt.“ Der Vorstand des Wissenschaftlichen Rates benannte daraufhin „Verantwortliche .., die im Auftrag des Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitees und des Programmkomitees Absprachen mit den entsprechenden Stellen in sozialistischen Ländern treffen sollen, um eine möglichst repräsentative Vertretung der sozialistischen Länder auf dem XXII. ICP zu erreichen“. Verantwortliche wurden sodann benannt für die folgenden Länder (in dieser Reihenfolge): Sowjetunion, Polen, Bulgarien, Ungarn, Vietnam, Kuba.69 In der am 30.5.1979 nachfolgenden Sitzung des Wissenschaftlichen Rates wurde diese Liste noch um drei Länder verlängert: CSSR, Jugoslawien, Rumänien. Sorge bereitete zudem die geringe Beteiligung „der jungen Nationalstaaten“. Es sollten Möglichkeiten erkundet werden, „progressive Psychologen dieser Staaten“ finanziell zu unterstützen, um ihnen die Teilnahme am Kongress zu ermöglichen.70 Der Gedanke eines Proporzes von Teilnehmern aus verschiedenen Ländern, insbesondere aus sozialistischen Ländern, zumindest der Gedanke einer angemessenen Repräsentation der Vertreter des sozialistischen Lagers hatte bereits bei der Vorbereitung 68 HUBA GPs-DDR 783/BArch DR 3 2. Schicht 2896. Günter Clauß. Auswertung des Wundt-Symposiums (31. 10. bis 2. 11. 79) und Schlußfolgerungen für die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses vom 10. 11. 1979. 69 BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 6. 2. 1979 vom 21. 2. 1979. 70 BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 30.5.1979 in Greifswald vom 30. 5. 1979.
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Kapitel 4
früherer Veranstaltungen eine Rolle gespielt. Auch gab es Arbeitsbeziehungen zu Kollegen aus den Ländern des Ostblocks, welche auch die DDR-Veranstalter veranlassten, diesen bevorzugte Plätze im Programm zuzuweisen, insbesondere ihnen Plätze in den Symposiumsleitungen anzutragen. Doch war man sich im Programmkomitee wohl einig, dass eine einseitige Bevorzugung von Anmeldungen östlicher Teilnehmer nicht in Frage komme. Denn einerseits reichten westliche Teilnehmer ihre Anmeldungen in größerer Zahl ein, und andererseits garantierten westliche Teilnehmer in höherem Maße die gewünschten Qualitätsstandards.71 Verhängnisvoll wäre es aus Sicht des Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitees sowie des Programmkomitees gewesen, den Anteil der Teilnehmer aus östlichen Staaten durch eine Verringerung von Teilnehmern aus dem Westen zu erhöhen. Dass es einschlägige Vorstellungen gab, bezeugt eine Äußerung vonseiten der Abteilung Wissenschaften: „Der Anteil der Psychologen aus den USA wurde gegenüber früheren Kongressen erheblich reduziert. In dieser Hinsicht sind von seiten der USA-Gesellschaft noch Diskussionen zu erwarten.“72 Es sollte also bei der Parteiführung der Eindruck erzeugt werden, der Einfluss der USA sei durch bewusstes Betreiben der DDR eingedämmt worden. Davon konnte jedoch keine Rede sein. Vielmehr hatten sich Amerikaner wegen der angespannten politischen Lage und wegen irritierender Einreisebestimmungen nur zögerlich zur Anmeldung entschlossen. (Es gab nur in einem Fall Sonderwünsche vonseiten der American Psychological Association, denen übrigens entsprochen wurde; hierzu mehr auf S. 146.) Tatsächlich dürfte es keine Erschwerung von Anmeldungen aus den traditionell teilnahmefreudigen westlichen Ländern wie den USA, Großbritannien und der Bundesrepublik gegeben haben. Ein Jahr vor dem Kongress teilte die Abteilung Wissenschaften freilich mit, von den bis zum Stichtag eingegangenen 1.141 Vortragsanmeldungen stammten 698 – also die Mehrheit – aus sozialistischen Ländern, und es sei damit zu rechnen, „daß aus der Sowjetunion noch eine große Zahl von Referaten eingeht“. 73 Die Symposien bildeten für Partei und Staat hervorgehobene Programmteile, in welchem nicht nur der wissenschaftliche, sondern auch der politische Anspruch am erkennbarsten zu verwirklichen war. Was die Thematik der Symposien anbelangt, äußerte sich die Abteilung Wissenschaften im November 1978: „Die Auswahl der Symposienthemen bietet die Gewähr, daß die sozialistischen Länder in starkem Umfang das Profil des Kongresses mitbestimmen werden.“74 Was die Organisation von Symposien anbelangt, herrschte die Sicht vor, dass die Leitung einen bedeutsamen Einfluss auf deren personelle Besetzung und deren Inhalt ausübte. So war es der Abteilung Wissen71 Rösler, Hans-Dieter. Mündliche Mitteilung vom 29. 11. 2007. 72 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 23. 11. 1978. 73 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitungen des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6. - 12. Juli 1980 in Leipzig (Ergänzung zur Information vom 23.11.1978) vom 16. 7. 1979. 74 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 23. 11. 1978.
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schaften offenbar eine Befriedigung, ein Jahr vor dem Kongress feststellen zu können: „Die Leitung der über 50 Symposien ist entsprechend unseren Vorstellungen weitestgehend geklärt.“75 Zuvor hatte die Abteilung Wissenschaften bereits mitgeteilt: „Bei der Leitung der Symposien (Vorsitzender, Organisator, Koorganisator) wurde eine hohe Zahl der Wissenschaftler aus sozialistischen Ländern erreicht, insbesondere aus der DDR (18%) und der UdSSR (14,5%). Der Anteil der sozialistischen Länder beträgt 45%.“76 Einigkeit herrschte zwischen den Vertretern der Politik und der DDR-Psychologie, dass während des Kongresses das Profil der Letzteren geschärft und deutlich dargestellt werden sollte. So sollten nicht nur zahlreiche Programmbeiträge aus der DDR stammen, sondern Teilnehmer aus dem gastgebenden Land sollten auch repräsentativ an den Leitungsfunktionen beteiligt sein. Tatsächlich waren die Funktionen der Vorsitzenden und Organisatoren bei den meisten Symposien mit einem Vertreter der DDR besetzt. Insofern stellte das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen befriedigt fest: Der stärkere Einfluß des Gastgeberlandes wird u. a. dadurch gesichert, daß zu jedem Symposium ein DDR-Betreuer benannt wird, der den Symposiumsleiter bei allen inhaltlichen und organisatorischen Fragen der Symposiumsgestaltung berät und unterstützt. Zur Zeit erfolgt die Vorauswahl der dafür in Frage kommenden Kader.77
Gleichwohl ist eine politisch-ideologische Motivierung nur sehr begrenzt für die Besetzung der Symposiumsleitungen verantwortlich zu machen. Die verstärkte Beteiligung von Vertretern des Gastlandes an den Symposiumsleitungen hatte durchaus Tradition. Auch beim vorangegangenen Pariser Kongress hatten Mitglieder der französischen Gesellschaft bevorzugt Leitungs- und Organisationspositionen inne.78 Dies lässt sich gut begründen mit den praktischen Vorzügen einer Organisation vor Ort. Denn Symposiumsverantwortliche aus dem Land des Veranstalters sind nun einmal von den Kongresskomitees leichter zu erreichen; sie können auf Änderungen schneller reagieren als über die ganze Welt verstreute Verantwortliche. Im Falle des Leipziger Kongresses ist allerdings hinzuzufügen: Die Beteiligung von DDR-Bürgern an der Leitung von Symposien erschien aus der Perspektive des in der DDR mächtigen Ministeriums für Staatssicherheit wohl auch deshalb wünschenswert, weil dieses über Landsleute Auskünfte über ausländische Teilnehmer zu gewinnen hoffte. Ein Beispielfall hierzu wird später (Kapitel 7, S. 220) zu schildern sein. 75 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitungen des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6. - 12. Juli 1980 in Leipzig (Ergänzung zur Information vom 23.11.1978) vom 16. 7. 1979. 76 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 23. 11. 1978. 77 BArch DR 3 2. Schicht B 1473-3a. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Festlegungen des Ministers in der Dienstbesprechung vom 7. Juni 1978. 78 Actes du XXIe congrès international de psychologie/proceedings of the XXIst international congress of psychology (1978). Paris: Presses universitaires de France. Sydow, Hubert. Mündliche Mitteilung vom 16. 11. 2007.
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Kapitel 4
Eine starke Beteiligung von DDR-Wissenschaftlern wurde im Übrigen durch planmäßige Förderung erreicht (s. Kapitel 5, S. 162). Die Dienstbesprechung des Hochund Fachschulwesen nahm am 7. August 1978 dazu die folgenden Informationen entgegen: Für die psychologischen Lehr- und Forschungseinrichtungen der DDR wurden entsprechend ihrem wissenschaftlichen Profil Schwerpunkte für die Vorbereitung von Beiträgen gesetzt. Gegenwärtig erfolgt eine detaillierte Analyse des Standes dieser Vorbereitungsarbeiten, die bereits genaueren Aufschluß über mögliche DDR-Beiträge geben soll.79
Die Beiträge der DDR-Wissenschaftler waren also von langer Hand vorbereitet, und ihre Anmeldung lag nicht allein im Ermessen der Autoren. Der gewünschte Anteil von Kongressbeiträgen, welche den Leistungsstand der DDR-Psychologie günstig darzustellen versprachen, war allein durch Präsentation der bereits in den frühen Siebzigerjahren betriebenen Projekte aus dem eigenen Land nicht zu erzielen. Denn damals war die Zahl wissenschaftlich ausgewiesener und international erfahrener DDR-Psychologen klein. Das Planziel von 120 international vorzeigbaren Kongressbeiträgen aus der DDR war durch Auswahl von Forschungsprojekten aus der Zeit der Kongresseinladung nicht zu erreichen. Um das Planziel zu erfüllen und sogar noch zu übertreffen, bedurfte es der Qualifizierung von Nachwuchskräften, der Aktivierung von Kadern mit noch nicht voll entwickeltem Potenzial sowie überhaupt der Förderung neuer Forschungsprojekte (dazu wieder Kapitel 5). Tatsächlich zeigte bereits im Juli 1979 die erste Übersicht: Die DDR-Psychologie hatte ihre Planzahl von 120 Anmeldungen – etwa 10% des gesamten Programms – um 35 Anmeldungen übertroffen.80 Ein politisch motivierter Eingriff in die Befugnisse des Programmkomitees ist lediglich in einem Fall festzustellen; er ereignete sich freilich außerhalb des Verantwortungsbereichs der Kongressveranstalter – und zwar in der Sowjetunion. Anmeldungen aus der gesamten Sowjetunion waren auf dem Postweg bei den Kongressveranstaltern eingegangen und wurden auf die übliche Weise registriert, diskutiert sowie zur Annahme oder Ablehnung vorgesehen. Im Zuge der Kooperation mit der Sowjetunion war der Programmbeauftragte, Prof. Sydow, jedoch gehalten, nach Moskau zu fahren und dort in einer mehrtägigen Sitzung in den Räumen der Akademie der Wissenschaften die von sowjetischen Wissenschaftlern eingereichten Anmeldungen (und nur diese) vorzulegen. Im November 1979 erschien er – begleitet von Gisela Jordanov, der Mitarbeiterin des Programmkomitees – vor einer Gruppe aus der Gesellschaft für Psychologie der Sowjetunion mit ihrer Generalsekretärin, Prof. Faraponowa. Anwesend war auch der Sicherheitsbeauftragte der Akademie; er hatte über die Genehmigung der Reisen sowjetischer Wissenschaftler zu befinden. Sydow trug die aus der Sowjetunion eingereichten
79 BArch DR 3 2. Schicht B 1473-3a. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Festlegungen des Ministers in der Dienstbesprechung vom 7. Juni 1978. 80 BArch DY 30 7481. ZK-Komitee der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitung des XII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6. - 12. Juli 1980 in Leipzig (Ergänzung zur Information vom 23. 11. 1978) vom 16. 7. 1979.
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Vortragsanmeldungen mit seiner Beurteilung vor. Schlug er eine Aufnahme in das Programm vor, wurde in seiner Anwesenheit über die Annahme jedes Beitrags abgestimmt. Die Besonderheit dieses Verfahrens war, dass zunächst der Sicherheitsbeauftragte sein Urteil abgab. Lautete es „leider nein“, so sprach sich auch die Gruppe dagegen aus. Diese Entscheidung war für den Programmbeauftragten verbindlich – schon deshalb, weil er annahm, er könne nicht mit der Anreise eines abgelehnten Anmelders rechnen. Es kam auch vor, dass Sydow erhebliche Einwände gegen eine Annahme eines Vortrags äußerte, den die gesamte sowjetische Gruppe befürwortete. In solchen Fällen wurde dem Programmbeauftragten das letzte Wort zugestanden; jedoch hat er mitunter als Kompromiss den von ihm nicht sonderlich erwünschten Beitrag als „freien Vortrag“ außerhalb des thematisch organisierten Programms eingeordnet. Hinzuzufügen ist freilich: Die in das Programm aufgenommenen Personen aus der UdSSR sind zu einem auffallend hohen Anteil nicht zum Kongress gereist. Dafür erschienen andere sowjetische Teilnehmer, deren Beiträge das im November 1979 in Moskau stattgefundene Auswahlverfahren nicht durchlaufen hatten; unter denen, die schließlich mit Vortragsentwürfen anreisten, waren sogar einige, die vorher in der Akademiesitzung abgelehnt worden waren. Zwanzig der im Programm gar nicht vorgesehenen Teilnehmer aus der Sowjetunion wurde dann kurzerhand und ohne weitere Prüfung ein Platz im Programm zugewiesen. (Mehr über Komplikationen mit nicht erwarteten russischen Teilnehmern in Kapitel 7, S. 228.) Das geschilderte Verfahren der Auslese im Herkunftsland der Anmelder war spezifisch für die Sowjetunion. In anderen sozialistischen Ländern wurde es nicht angewandt.81 Ablehnungen von Vortragsanmeldungen erfolgten nur auf der Grundlage der eingereichten Zusammenfassungen und durch den Programmbeauftragten Prof. Sydow, unterstützt durch das Programmkomitee. Gründe für die Ablehnung waren lediglich das offensichtliche Verfehlen der fachwissenschaftlichen Thematik des Kongresses, die Missachtung wissenschaftlicher Maßstäbe sowie schwerwiegende Zweifel an der Seriosität der angemeldeten Beiträge. Im Übrigen gewährleisteten die Veranstalter bei der Aufstellung des Programms ein hohes Maß an Fairness, indem sie – wie bereits erwähnt – das bei internationalen Psychologenkongressen übliche Prinzip der großzügigen Annahme von Vortragsanmeldungen beachteten. Die Kategorie der „freien Vorträge“ nutzten sie zur wohlwollenden Behandlung von Anmeldungen fraglicher Qualität und Einschlägigkeit. Die großzügige Annahme von Anmeldungen war zudem eine Bedingung, eine hohe Teilnehmerzahl zu erzielen. Zudem beugte eine großzügige Annahmepolitik Absagen und Konflikten vor. All dies war aus der Sicht der Veranstalter wünschenswert.82
81 Sydow, Hubert. Mündliche Mitteilung vom 16. 11. 2007. BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Zur Teilnahme der sowjetischen Delegation am XXII. Internationalen Psychologenkongreß vom 15. 7. 1980. 82 Hacker, Winfried. Mündliche Mitteilung vom 15. 02. 2008. Rösler, Hans-Dieter. Mündliche Mitteilung vom 29. 11. 2007. Sydow, Hubert. Mündliche Mitteilung vom 16. 11. 2007.
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Kapitel 4
Zusätzlich zu den angemeldeten Beiträgen haben die Veranstalter selbst zu Abendvorträgen eingeladen; diese sollten repräsentativen Charakter haben. Als angesehene Vertreter ihres Landes wie ihres Fachgebiets wurden als Vortragende vorab genannt: (Vermutlich: Evgenij) N. Sokolov, UdSSR, und Herbert Simon, USA. Abendvorträge sollten weiterhin dazu dienen, Länder, „die bei der bisherigen Programmgestaltung nur ungenügend berücksichtigt werden konnten“, aufzuwerten. Als solche zu fördernde Länder wurden genannt (in dieser Reihenfolge): China, Norwegen, Ungarn, Italien und Japan.83 Auch in dieser Liste ist keine politische Tendenz festzustellen. Zum Schluss war das Programm den Raumkapazitäten anzupassen; Symposien wurden dabei vorrangig vor Thematischen Sitzungen behandelt.84 Einer Auflage des Exekutivkomitees folgend, reiste der Programmbeauftragte Anfang 1980 nach Paris zu Prof. Paul Fraisse, der von der International Union of Psychological Science benannten Kontaktperson. Sydow legte Fraisse den fertig gestellten Programmentwurf vor und war beeindruckt von der Sorgfalt, mit welcher Fraisse den umfangreichen Text prüfte. In der Beurteilung gab es keinerlei Dissens. Damit konnte das Programm zum Druck gegeben werden. Übrigens wurde Sydow bei seinem Besuch in Paris von Heinz Burkhardt, dem für die Psychologie zuständigen Sektorleiter im Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, begleitet. Burkhardt war bei den Konsultationen mit Fraisse anwesend, aber er hat sich nicht daran beteiligt. Auch vorher hat er nicht in die Programmgestaltung eingegriffen.85 Die überwiegend herrschende Freizügigkeit bei der Programmgestaltung schloss freilich nicht aus, dass die Veranstalter mitunter Beiträge westlicher Autoren mit Sorge betrachteten und ihnen Hemmnisse entgegenstellten. So war der gesprächstherapeutische Ansatz der Hamburger Psychologieprofessoren Reinhard und Anne-Marie Tausch wohl vielen Fachvertretern – nicht nur in der DDR – aus wissenschaftlicher Sicht problematisch. Unter klinischen Psychologen – offenbar auch in der DDR – erfreute er sich jedoch großer Beliebtheit. Die Tauschs meldeten zwei Vorträge an, die für die „Thematic Session 55“ über Gruppentherapie angenommen wurden. Zudem wollten sie im Rahmen des Filmprogramms zwei Demonstrationen mit den Titeln „Wege zum unbekannten Ich“ und „Auf dem Wege zu uns selbst und anderen“ vorführen.86 Es handelte sich dabei um Dokumentationen von gruppentherapeutischen Sitzungen, in denen Teilnehmer starke Emotionen zum Ausdruck brachten. Die Filme waren bereits vorher in der Bundesrepublik gezeigt worden und hatten breite Aufmerksamkeit geweckt; aber sowohl das gezeigte Verfahren wie dessen Vorführung im Fernsehprogramm waren im Fach wie in der Öffentlichkeit umstritten. Man war in der DDR nicht geneigt, einem
83 BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rats für Psychologie am 4. 7. 1979 in Berlin vom 30. 7. 1979. 84 BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 6. 12. 1979 in Berlin vom 4. 1. 1980. 85 Sydow, Hubert. Mündliche Mitteilung vom 16. 11. 2007. 86 22nd International Conference of Psychology. (1980). Proceedings, Leipzig.
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derartigen Ansatz auf dem Kongress ein Forum zu bieten. Worauf man sich dann besann und was tatsächlich geschah, beschreibt der Generalsekretär folgendermaßen: Es lag … nicht im Interesse der Programmverantwortlichen, einen Therapieansatz-Vortrag in den Vordergrund (bezüglich der Zuhörerzahl und möglicherweise auch des öffentlichen Interesses) eines Kongresstages zu rücken. [Es] … wurden die Interessenten beschieden, dass ein großer Hörsaal, den man dafür brauchen würde, nicht zur Verfügung stehe, dass also ein solcher Vortrag leider nicht stattfinden könne. … Wir waren mit der entstandenen Lage nicht recht zufrieden. Da sind wir auf die „geniale“ Idee gekommen, Tausch anzubieten, den Vortrag vor dem Beginn des Kongressgeschehens zu halten, und zwar, damit genügend Zeit bleibe, um 6 Uhr. Prof. Tausch stimmte erstaunlicherweise zu. Der Vortrag fand in einem Hörsaal statt, der 600 Leute fasste. Der Hörsaal war trotz der Herrgotts-Frühe zu einem Dreiviertel gefüllt.
Gegenüber Prof. Engel, den stellvertretenden Minister, habe er erklärt: „Wir haben … verhindert, dass ein westdeutscher Professor mit einem Vortrag, der zudem einen Großteil der DDR-Kongressteilnehmer als Zuhörer gehabt hätte, in den Mittelpunkt eines Kongresstages rückt.“87 In seinem Abschlussbericht hat der Programmbeauftragte festgehalten, das Programm sei weitgehend wie geplant realisiert worden. Es umfasste: x 37 Einzelvorträge x 57 Symposien x 62 Thematische Sitzungen x 10 Filmveranstaltungen x 36 freie Diskussionen. Von der insgesamt positiven Würdigung der Beiträge hat der Vorsitzende des Programmkomitees übrigens die Filmvorführung der Tauschs ausgenommen. Die hohen Besucherzahlen dieser Veranstaltung habe nicht ihrem wissenschaftlichen Gehalt entsprochen.88 GESELLSCHAFTLICHES UND KULTURELLES PROGRAMM Für den Kongress hat das Wissenschaftliche Vorbereitungskomitee im November 1977 ein höchst anspruchsvolles gesellschaftliches und kulturelles Programm entworfen.89 Sicherlich waren hochrangige Instanzen der Kulturverwaltung an der Verpflichtung von Künstlern beteiligt. Den Plan eines Kulturprogramms hat das Präsidium des Ministerrats bereits im Juli 1977 grundsätzlich gut geheißen und einen Entwurf hierzu am 23. 3. 1978 beschlossen.
87 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 10. 12. 2007. 88 BArch DY 30 7481. Sydow H./Programmkomitee. Bericht über das wissenschaftliche Programm des 22. ICP vom 7. 8. 1980. 89 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee XXII Internationaler Kongreß für Psychologie. Entwurf: Plan zur Vorbereitung und Durchführung des XII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) vom 29. 6. - 7. 7. 1980 in Leipzig vom 11. 11. 1977.
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Kapitel 4
Geplant und durchgeführt wurden im Rahmen des XXII. Internationalen Kongresses in Leipzig sechs gesellschaftliche Veranstaltungen: x Eröffnungsveranstaltung im Opernhaus Leipzig x Cocktail des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen im Konzertfoyer des Opernhauses (nach der Eröffnungsveranstaltung) x Großer Begrüßungsempfang in der Mensa (nach der Eröffnungsveranstaltung) x Empfang des Oberbürgermeisters der Stadt Leipzig im Neuen Rathaus x Mittagessen auf Einladung des Rektors der Karl-Marx-Universität x Schlussbankett in der Mensa. Der Begrüßungsempfang war für alle Teilnehmer frei, und 2000 von ihnen nahmen die Gelegenheit wahr. Für das Schlussbankett waren Eintrittskarten zu erwerben. Zu den anderen Veranstaltungen waren wohl Einladungen nötig, über deren Verteilung keine Angaben verfügbar sind. Insgesamt bewertete das Organisationskomitee die Veranstaltungen mit Prädikaten wie „sinnvoll“, „niveauvoll“ und „voller Erfolg“. Lediglich der Ministercocktail habe bezüglich der „technischen und gastronomischen Voraussetzungen nicht den Anforderungen entsprochen“. Außerordentlich lobend sprach sich das Komitee insbesondere über die Mitwirkung der Studierenden aus.90 Nicht weniger repräsentativ war das kulturelle Programm. Seine Höhepunkte waren ein Konzert des Gewandhausorchesters unter der Leitung von Kurt Masur sowie ein Konzert des Thomanerchors in der Thomaskirche, das wegen starker Nachfrage wiederholt werden musste. Die Kongressleitung versäumte nicht, namens der Teilnehmer am Grab des früheren Thomaskantors Johann Sebastian Bach vor der Thomaskirche einen Kranz niederzulegen. An jedem Kongresstag luden das Alte Rathaus, die Alte Börse und andere Orte zu Konzerten, Rezitationen und Führungen ein, im Gohliser Schlößchen waren Theateraufführungen zu erleben; von besonderem Reiz waren für westdeutsche Besucher die beiden politischen Kabaretts „academixer“ und „Pfeffermühle“. 91 Neben Stadt- und Museumsführungen gab es Führungen zu den örtlichen WundtGedenkorten: dem Wundt-Zimmer in der Universitätssektion Psychologie, dem WundtGrab am Leipziger Südfriedhof und der Wundt-Eiche. Für Begleitpersonen entwarf das Organisationskomitee ein eigenes „Begleiterprogramm“. Das Begleiterprogramm – vorher „Damenprogramm“ genannt – war offensichtlich auf Frauen zugeschnitten. Es bot neben den oben beschriebenen touristischen Unternehmungen Besichtigungen in Leipziger Kindergärten, Schulen und Gesundheitseinrichtungen sowie eine Modeschau und ein Gespräch mit der Direktorin des „Verlags für die Frau“ an.92 Die Ambitionen für das Kulturprogramm sind wohl während der Vorbereitung gewachsen. Mitglieder der Kongressleitung haben durch eigene Initiative hervorragende 90 HUBA GPs-DDR 789/181.9. Organisations-Komitee XXII. ICP. Arbeitskonzeption des Organisationskomitees. BArch DY 30 7481. Organisationskomitee für den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie. Abschlußbericht vom 1. 9. 1980. 91 Cultural Program/Kulturprogramm/Programme Culturel, herausgegeben vom Psychologiekongreß. 92 BArch DY 30 7481. Organisationskomitee für den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie. Abschlußbericht vom 1. 9. 1980.
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Künstler zu Auftritten vor Kongressteilnehmern gewonnen. So berichtet der frühere Generalsekretär des Kongresses, Jürgen Rückert: Klix habe selbst den Generalmusikdirektor des Leipziger Gewandhausorchesters Kurt Masur (und wahrscheinlich auch die Pianistin Annerose Schmidt) aufgesucht, Rückert die bekannte und beliebte Schauspielerin und Sängerin Gisela May; beide Besuche sind offensichtlich erfolgreich gewesen.93 WISSENSCHAFTLICHES BESICHTIGUNGSPROGRAMM, JUGENDPROGRAMM Einen großen Raum bei den Kongressvorbereitungen nahm ein wissenschaftliches Besichtigungsprogramm ein. Angestrebt waren Besuche in den großen Industriezweigen der DDR (Chemische Industrie, Elektrotechnik, Elektronik, Bauwesen, Allgemeiner Maschinen-, Landmaschinen- und Fahrzeugbau) sowie in Einrichtungen des Gesundheits- und Verkehrswesens und der Volksbildung. Das breite Engagement für das Besichtigungsprogramm speiste sich wohl aus mehreren Motiven. Zum einen war es der Stolz über die Aufbauleistungen der DDR, gepaart mit der Absicht, den auswärtigen Besuchern an ausgewählten Beispielen die Leistungsfähigkeit der verstaatlichten Industrie sowie öffentlicher Einrichtungen, deren Nutzen für die Bevölkerung und deren Förderlichkeit für die Beschäftigten zu demonstrieren. Zum anderen sollten der Besuch der Einrichtungen die in einem führenden sozialistischen Land erreichte Verzahnung von Theorie und Praxis zeigen. Die Pläne für ein Besichtigungsprogramm waren jedoch zugleich Teil eines Entwicklungsprogramms für die psychologische Praxis in der DDR. Der Kongress im Jahre 1980 sollte für Betriebe zum Anlass werden, psychologische Arbeitsgruppen aufzubauen. Entsprechend sollte die Ausbildung mehr Absolventen für die Arbeit in Betrieben qualifizieren. Die von der Gesellschaft für Psychologie der DDR vorgelegte Konzeption für den Leipziger Kongress von 1977 sah ausdrücklich vor: Beauftragung der Leiter der betreffenden staatlichen Organe mit Maßnahmen zur Erhöhung der Praxiswirksamkeit der Psychologie in der Industrie, im Gesundheitswesen und im Bereich der Volks- und Berufsbildung durch die Bildung von psychologischen Arbeitsgruppen in einigen ausgewählten Schwerpunktbetrieben bzw. -einrichtungen. Sie sollten dann innerhalb des üblichen Rahmenprogramms des Kongresses besichtigt werden können.94
Das Präsidium des Ministerrates griff in seinem Beschluss vom Juli 1977 diese Formulierung auf: „Einige psychologische Arbeitsgruppen sind so auszustatten, daß sie in das
93 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007. 94 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliche Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR (bestätigt am 12. 7. 1977). Revidierte Fassung: BArch DC 20/I 4, 3837, Bl. 17-29. Wissenschaftspolitische Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR. (Ein längerer Auszug befindet sich als Materialie C auf S. 316.)
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Besichtigungsprogramm des internationalen Kongresses 1980 aufgenommen werden können.“95 Im folgenden Jahr fügte der Ministerrat hinzu: In der Industrie, im Gesundheitswesen und im Bereich der Berufsbildung sind langfristig leistungsfähige Arbeitsgruppen von Psychologen auf- bzw. auszubauen. … Dazu sind Konzeptionen zu erarbeiten. Der daraus resultierende Bedarf an Kadern der Psychologen für den Zeitraum 1981-85 ist dem Minister für Hoch- und Fachschulwesen zu übergeben. Der Minister für Hoch- und Fachschulwesen sichert in Abstimmung mit der Staatlichen Plankommission die bevorzugte Zuführung von Absolventen für diese Arbeitsgruppen. 96
Allerdings war bis zum Jahr 1978 das Besucherprogramm noch nicht weit gediehen. Einer der Gründe: Betriebe sträubten sich gegen die Beteiligung.97 Erst im Juli 1979 nahm das Besucherprogramm klarere Strukturen an. Die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED führte eine Reihe von Betrieben, Erziehungs- und Forschungseinrichtungen auf, für die Besichtungen angestrebt wurden. Zu diesem Zeitpunkt waren „die bestehenden Kontakte … über die zuständigen staatlichen Leitungen … noch weiter vertieft“ worden.98 Erst das Protokoll der 3. Sitzung des Nationalen Vorbereitungskomitees vom 26. 10. 1979 belegt zunehmend erfolgreiche Schritte bei der Gewinnung geeigneter Plätze für Besichtigungen im Umkreis von Leipzig, Dresden und Berlin.99 Koordiniert werden sollten die Vorbereitungen des Besichtigungsprogramms vom Organisationskomitee. An der Suche nach geeigneten Objekten und das Werben um Unterstützung durch die jeweiligen Leitungen sollten sich zahlreiche Personen beteiligen, auch solche, denen die fachspezifischen Teile der Kongressvorbereitung eher fremd waren; insbesondere Vertreter der Ministerien, die dem Nationalen Vorbereitungskomitee angehörten, sollten ihre Verbindungen für Beiträge zum Besichtungsprogramm nutzen. Angesichts des Zögerns, vielleicht sogar der Abneigung in Frage kommender Einrichtungen bedurfte es des entschiedenen Einsatzes einzelner Personen, um Einrichtungen zur Beteiligung zu gewinnen.100 Wirkungsvolle Initiativen gingen vom Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen aus, in dem sich insbesondere der Stellver95
BArch DC 20/I 4, 3837, Bl. 13-16. Präsidium des Ministerrats der DDR. Beschluß über die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in der DDR vom 20. 7. 1977. 96 BArch DC 20/IV 4036, Bl. 11-16. Präsidium des Ministerrates der DDR. Beschluß zur Sicherung der politischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 23. 3. 1978. 97 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 23. 11. 1978. BArch DR 3 2.Schicht B 1473-3a. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Festlegungen des Ministers in der Dienstbesprechung vom 7. 6. 1978. 98 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitungen des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6. - 12. Juli 1980 in Leipzig (Ergänzung zur Information vom 23.11.1978) vom 16. 7. 1979. 99 HUBA GPs-DDR 787. Nationales Vorbereitungskomitee. Protokoll der 3. Sitzung am 26. 10. 1979 im MHF vom 29. 10. 1979. 100 HUBA GPs-DDR 789/181.9. Organisations-Komitee XXII. ICP. Arbeitskonzeption des Organisationskomitees.
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tretende Minister, Prof. Engel, für das Programm engagierte. Uwe Schaarschmidt, damals Referent für Psychologie, erinnert sich: Da bin ich immer zusammen mit dem Engel … von Ort zu Ort gefahren. Ich habe die Verbindung gesucht und habe gesagt: Wir haben da einen Kongress, und wir möchten da ein Besuchsprogramm machen, und wir möchten zeigen, was euer Betrieb alles geleistet hat. So haben wir das mit einer Reihe von Betrieben gemacht, und der Engel ist mitmarschiert.101
Letztlich enthielt das Rahmenprogramm des Kongresses ein Besichtigungsprogramm von dreizehn Stationen. Angesichts der intensiven Vorbereitung erscheint dieses Angebot mager, umso mehr als darin acht Institute der Universitäten sowie der Akademie enthalten waren. Das Angebot wurde freilich ergänzt durch die Besichtigung von Kindereinrichtungen und zwei Gesprächen über die Psychologieausbildung in der DDR sowie über die Rolle der Frau in der sozialistischen Gesellschaft (mit Modenschau durch den VEB Bekleidungswerke). Die Liste der besuchten Orte ist als Tabelle 4.2 dargestellt. Die Angebote wurden jeweils von einem bis drei Dutzend Kongressteilnehmern und ihren Begleitungen wahrgenommen; die Veranstaltung zur Rolle der Frau soll sogar überfüllt gewesen sein. Nach Einschätzung des Organisationskomitees sei das Ziel erreicht worden, „bei Teilnehmern aus dem westlichen Ausland ein realistisches DDR- und Sozialismusbild auszuprägen“.102 An junge Wissenschaftler wandte sich – wie bei Kongressen der Internationalen Union üblich – ein Jugendprogramm. Siebzig Teilnehmer aus 36 nationalen Gesellschaften wurden dazu eingeladen. Nach anfänglichem Zögern soll der Zuspruch lebhaft gewesen sein. Das Programm sollte jungen Wissenschaftlern Gelegenheit zum zwanglosen Kennenlernen verschaffen und ihnen fachliche Diskussionen mit arrivierten Wissenschaftlern ermöglichen. Ein zentrales Thema war die Psychologie in der DDR, insbesondere das Ausbildungs- und Beschäftigungssystem der DDR. Das Jugendprogramm wurde ebenfalls maßgeblich vom Organisationskomitee vorbereitet und von diesem als Erfolg verbucht.103 GASTRONOMIE UND TOURISMUS Nachdem das Präsidium des Ministerrates der DDR im Juli 1977 „die Sicherung der Unterbringungskapazität für ca. 3000 Teilnehmer, des kulturellen und touristischen Rahmenprogramms, der Versorgung und des Transportes der Kongressteilnehmer“ be-
101 Schaarschmidt, Uwe. Mündliche Mitteilung vom 3. 12. 2007. 102 BArch DY 30 7481. Organisationskomitee für den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie. Abschlußbericht vom 1. 9. 1980. 103 BArch DY 30 7481. Organisationskomitee für den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie. Abschlußbericht vom 1. 9. 1980. HUBA, GPs-DDR 789/181.9. Organisations-Komitee XXII. ICP. Arbeitskonzeption des Organisationskomitees.
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Tabelle 4.2. Stationen des Besichtigungsprogramms 104
Akademie der Wissenschaften, Zentralinstitut für Herz-Kreislauf-Regulationsforschung Sektion Psychologie der Humboldt-Universität Berlin Sonderheim Borgsdorf (Heim für verhaltensgestörte Kinder) Zentralinstitut für Arbeitsmedizin Berlin Chemische Werke „Walter Ulbricht“ Leuna Stoßdämpferwerk Hartha Kombinat Pentacon Dresden Psychiatrische Klinik Dösen der Karl-Marx-Universität Leipzig Paul-Flechsig-Institut der Karl-Marx-Universität Leipzig (Verhaltensphysiologie) Zentralinstitut für Jugendforschung Leipzig Deutsche Hochschule für Körperkultur Leipzig Abteilung Psychotherapie und Neurosenforschung der Karl-Marx-Universität Leipzig Sektion Psychologie der Karl-Marx-Universität Leipzig
schlossen hatte,105 übertrug es mit einem weiteren Beschluss vom März 1978 die Verantwortung für die Unterbringung und Verpflegung der Teilnehmer sowie für das touristische Programm dem Reisebüro der DDR. Der Ministerrat legte Wert darauf, dass eine Unterbringung lediglich in Hotelbetrieben stattfand und die staatliche Kontrolle gewährleistet blieb. Da die Bettenzahl in Leipzig begrenzt war, wurde auch eine Unterbringung in Halle (aber nur in Halle) gestattet: Die Unterbringung der Kongressteilnehmer sowie der technischen Mitarbeiter erfolgt in den Interhotels und Beherbungseinrichtungen in Leipzig und Halle sowie in Kongreßhotels (Studentenheime). Die gastronomische Versorgung sowie die touristische Betreuung der Teilnehmer ist gemeinsam mit den örtlichen Staatsorganen festzulegen und zu sichern.106
Am 20. Oktober 1979 schloss die Gesellschaft für Psychologie der DDR mit dem Reisebüro der DDR einen Vertrag über die Vermittlung von 2.295 Betten in Leipzig sowie von 150 Betten in Halle ab. Ein zusätzliches Kontingent von 150 Hotelbetten in Berlin wurde für die Woche nach dem Kongress reserviert. Außerdem übernahm das Reisebüro „die Disposition von 4 als Kongreß-Hotels zu nutzenden Studentenheimen“.107 104 BArch DY 30 7481. Organisationskomitee für den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie. Abschlußbericht vom 1. 9. 1980. 105 BArch DC 20/I 4, 3837, Bl. 13-16. Präsidium des Ministerrats der DDR. Beschluß über die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in der DDR vom 20. 7. 1977. 106 BArch DC 20 I/4 – 4036 Bl. 1-6, 7-10, 11-16. Präsidium des Ministerrats. Beschluß zur Sicherung der politischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 23. 3. 78. 107 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Vertrag zwischen dem Reisebüro der DDR und der Gesellschaft für Psychologie der DDR vom 20. 10. 1979.
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Die Verpflegung der Kongressteilnehmer bereitete doppelte Schwierigkeiten. Zum einen war in der DDR die Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln Ende der Siebzigerjahre immer noch unsicher. Zum anderen verlangte die Verköstigung von etwa 3.000 Teilnehmern einen hohen Personalaufwand. Überlegungen, die Studenten der Leipziger Fachschule für Gastronomie und Hotelwesen zur Dienstleistung heranzuziehen, wurden verworfen „wegen der wiederholten Belastung dieser Schule durch derartige Anforderungen“. Der Rektor der Handelshochschule Leipzig wurde um „Prüfung der Unterstützungsmöglichkeiten durch seine Einrichtung“ ersucht. Man einigte sich jedoch darauf, „vorrangig ... die Versorgungsaufgaben mit Kräften aus der Gastronomie selbst zu lösen“.108 Ein touristisches Programm ermöglichte den Kongressteilnehmern Exkursionen nach Leipzig und Meißen, Weimar, Naumburg und Potsdam. Die Exkursionen wurden ausschließlich vom Reisebüro der DDR organisiert und zwar „in eigener Regie“. Auch An- und Abtransporte von den „Flughäfen Berlin (Schönefeld) und Berlin-West (Tegel)“ besorgte das Reisebüro. Dafür stellte das Reisebüro Busse vom Typ Ikarus 250 und 255 zur Verfügung.109 EINREISEBESTIMMUNGEN, AKTUELLE POLITISCHE S PANNUNGEN Für die Einreise in die DDR wurde von den DDR-Behörden bis kurz vor Kongressbeginn ein Visum verlangt, das im Herkunftsland zu beantragen war.110 Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR war für die Erteilung der Visa zuständig. Das Präsidium des Ministerrates mahnte die Kongressorganisatoren mit einem ausdrücklichen Beschluss, sich an diese Regelungen zu halten: „Die Einladungen für ausländische Teilnehmer sind mit dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten abzustimmen.“111 Das genannte Ministerium verhielt sich jedoch bei der Vergabe von Einreisevisa restriktiv. Insbesondere Bürgern aus Ländern, deren Politik Partei und Regierung der DDR verurteilten, wurde in der Regel die Einreise verweigert. Dazu gehörten die Länder Israel, Südafrika, Südkorea und Taiwan. Israel war wegen des PalästinaProblems vom Boykott betroffen, Südafrika wegen der damals dort noch herrschenden Rassentrennung. Südkorea und Taiwan galten im Ostblock als abtrünnige Provinzen Koreas und Chinas. Auch Chile soll betroffen gewesen sein, da dessen damalige dikta-
108 HUBA GPs-DDR 787. Nationales Vorbereitungskomitee. Protokoll der 3. Sitzung am 26. 10. 1979 im MHF vom 29. 10. 1979. 109 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Vertrag zwischen dem Reisebüro der DDR und der Gesellschaft für Psychologie der DDR vom 20. 10. 1979. 110 Privatbesitz. Circular 3. XXII. Internationaler Kongreß für Psychologie Leipzig, DDR, 6.-12. Juli 1980 vom März 1980. 111 BArch DC 20/I4, 3837, Bl. 13-16. Präsidium des Ministerrates der DDR. Beschluß über die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in der DDR vom 20. 7. 77.
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Kapitel 4
torische Führung die diplomatischen Beziehungen zu den Staaten des Ostblocks abgebrochen hatte.112 Die Psychologieverbände der genannten Länder waren jedoch Mitglieder in der International Union of Psychological Science. So ergab sich eine schwer wiegende Konfliktsituation. Die DDR-Behörden durften – bei Anwendung ihrer außenpolitischen Prinzipien – Bürgern aus den genannten Staaten, die zur Teilnahme am Kongress anreisten, die Einreise nicht gestatten. Die Internationale Union konnte ihrerseits einen Kongress nicht zulassen, an dem nicht die Mitglieder aller ihr angehörenden Verbände teilnehmen konnten. Sowohl den Veranstaltern in der DDR als auch den Verantwortlichen in der Internationalen Union war gewärtig, dass von der Lösung des Einreiseproblems das Stattfinden des Kongresses abhing. Das Zentralkomitee der SED wollte 1972 die Annahme der Einladung zum Kongress nicht gefährden, als sie der DDRDelegation folgende Direktive mit auf den Weg nach Tokio gab: Wird seitens der IUPS eine Erklärung über die ungehinderte Teilnahme aller Vertreter der Mitgliedergesellschaften gefordert, so wird mitgeteilt, daß diese ungehinderte Teilnahme gemäß den internationalen Regeln und Gepflogenheiten gewährleistet wird. Damit soll die Möglichkeit offengelassen werden, Vertretern solcher Staaten wie Südafrika die Teilnahme zu verweigern. 113
Die gewählte Formulierung ließ eine gewisse Kompromissbereitschaft erkennen. Doch der letzte Satz behielt ausdrücklich die Möglichkeit einer restriktiven Entscheidung vor. Tatsächlich kam das Einreiseproblem 1972 in der Generalversammlung der Internationalen Union in Tokio zur Sprache. Klix und die anderen DDR-Vertreter haben sich zweifellos an die ihnen erteilte Direktive gehalten. In ihrem Bericht schreiben sie jedenfalls: Wir waren unsererseits nicht bereit, eine gesonderte Erklärung abzugeben und haben erklärt, daß alle wissenschaftlich arbeitenden Psychologen, alle Wissenschaftler, die auf diesem Kongreß auftreten, die während des Kongresses sprechen wollen, im Namen der einladenden Organe, d. h. zugleich auch im Namen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, an diesem Kongreß teilnehmen können.114
Noch vier Jahre später, während des Pariser Kongresses, wiederholte Klix – weiterhin wohl mit innerer Reserve – vor dem Exekutivkomitee die Auskunft, die Einreiseerlaubnis werde nicht eingeschränkt. Heimgekehrt, berichtete die DDR-Delegation: 112 Busse, Stefan (1996). Psychologie im Real-Sozialismus, DDR-Psychologen im Interview. Pfaffenweiler: Centaurus (S. 133). BArch DY 30 IV B 2/5 1115. SED Bezirksleitung Leipzig. Information an das Sekretariat der Bezirksleitung zum XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie (ICP) vom 6.-12. Juli in Leipzig vom 24. 10. 1979. 113 BArch DY 30 2208, Bl. 74-79. Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin/Abteilung Wissenschaften des ZK. Vorlage für das Sekretariat des Zentralkomitees der SED. Betreff: Einladung der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaft (IUPS) zur Durchführung des 22. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig vom 27. 7. 1972. 114 HUBA GPs-DDR 785a. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Bericht über die Teilnahme am XX. Internationalen Kongreß für Psychologie in Tokio vom 13. - 19. August 1972.
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Bei der Bestätigung der Einladung für den XXII. ICP wurde von Prof. Klix formuliert, daß sie nach den allgemein gültigen Regeln erfolgen werde. Es wurde jedoch nicht ausgesprochen, daß dies den Ausschluß von Teilnehmern aus einzelnen Ländern zur Konsequenz haben könnte.
Dass Klix die heimischen Absichten, einzelne Länder auszuschließen, im Ausland nicht offensiv vertrat, konnte ihm in der DDR verübelt werden. Wohl deshalb fügte zu seinem Schutz die Delegation ihrem Bericht den Satz hinzu: „Der Leiter der UdSSRDelegation hatte dringend von einer explizit ausschließenden Formulierung abgeraten.“115 Die westlichen Mitglieder der Versammlung haben offenbar die Möglichkeit eines Hintersinns nicht erkannt oder zumindest selbst nicht zur Sprache gebracht. Vielmehr vermerkte das Versammlungsprotokoll aus Tokio schlicht: „He [Klix] anticipated no problems in entry visas.“116 Das Problem der ungehinderten Einreise kam allerdings vonseiten der Internationalen Union immer wieder auf die Tagesordnung. Einerseits wurde politische Willkür befürchtet, andererseits schreckten bürokratische Komplikationen ab. Von den Veranstaltern wurden offenbar einvernehmliche Lösungen in Aussicht gestellt. So vermerkte das Protokoll der Sitzung des Exekutivkomitees, die im Juli 1978 in Weimar stattfand: It was agreed that a special office should be established to handle any visa or passport problems that might unexpectedly arise. The Executive Committee was assured that psychologists from any country could obtain visa for attending the Congress.117
Im Herbst 1978 soll ein DDR-Vertreter sich gleichwohl bei einem Vertreter der American Psychological Association erkundigt haben, welche Folgen der Ausschluss eines einreisewilligen Kongressteilnehmers hätte, mit dessen Herkunftsland die DDR keine diplomatischen Beziehungen unterhalte.118 Wie restriktiv sollte die Einreise wirklich geregelt werden? Dies blieb in der DDR lange umstritten. Befürworter von Einreisebeschränkungen befanden sich wohl verstärkt in der Akademie der Wissenschaften. Das Protokoll eines Gesprächs mit dem Generalsekretär der Akademie, Prof. Grote, das unmittelbar nach dem Pariser Kongress stattfand, vermerkte unmissverständlich: Die Position der DDR gegenüber dem IUPS-Exekutivkomitee in Hinblick auf unsere Einladungspolitik für den XXII. ICP entsprechend den UNO-Beschlüssen (betr. nach dem gegenwärtigen Stand den Teilnahmeausschluß südafrikanischer Psychologen) ist dem Präsidenten des IUPS darzulegen. Gen. Prof. Grote schlägt vor, daß Gen. Prof. Klix zu diesem Zweck vor der nächsten Sitzung des IUPS-
115 HUBA GPs-DDR 788a/191.3. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Bericht der DDR-Delegation über den XXI. Internationalen Kongreß für Psychologie (Paris, 18.-25. Juli 1976) vom 24. 8. 1976. 116 Arch IUPsS II. International Union of Psychological Science. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly at Tokyo, Japan, August 13 and August 16, 1972. 117 Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly´s Executive Committee at Wachsenburg Castle, Weimar, GDR, July 26-29, 1978. 118 David, Henry P. & Buchanan, Joan (2003). International Psychology. Reflections and chronology. In Donald K. Freedheim (Ed.), Handbook of psychology: History of psychology (vol. 1, pp. 509-533). Hoboken, NJ: Wiley.
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Kapitel 4 Exekutivkomitees im Rahmen eines kurzen Studienbesuchs eine entsprechende Aussprache mit dem Präsidenten der IUPS führt. 119
Sofern von der Akademie der stärkste Widerstand gegen eine liberale Einreiseregelung ausging, war die Übertragung der Zuständigkeit für den Leipziger Kongress von der Akademie auf das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen (s. S. 86) der Lösung des Visaproblems förderlich. Tatsächlich begann Ende 1978 die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED einzulenken: Mit dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, Abteilung für kulturelle Auslandsbeziehungen, sind Vorabsprachen über die Einreiseformalitäten getroffen worden. Bei dieser Gelegenheit wurde nochmals auf die Situation aufmerksam gemacht, daß Südafrika und Israel Mitglied der IUPS sind. Bei Israel werden keine Schwierigkeiten gesehen. 120
Chile, Südkorea und Taiwan wurden in der hier zitierten Information sowie in den folgenden Auseinandersetzungen, soweit sie belegbar sind, überhaupt nicht mehr erwähnt. Zu ergänzen ist: Es waren offenbar nicht nur außenpolitische Erwägungen, die bei der Frage der Einreise eine Rolle spielten. Es herrschte bei einigen Beteiligten auch die Angst, mit Teilnehmern aus Konfliktregionen zugleich die Konflikte aus ihren Ländern zu importieren. Als scheinbar einschlägiges abschreckendes Beispiel wurde das Attentat auf die Mannschaft Israels bei den Olympischen Spielen in München im Jahre 1972 genannt. So erinnert sich der frühere Parteisekretär Walter Mäder: „ ... Vertreter von Israel und Südafrika … mußten … sicher untergebracht und beschützt werden. Ein Vorgang wie in München zur Olympiade durfte nicht passieren.“121 Freilich dürften bei weitem nicht alle Beteiligten diese Bedenken geteilt haben, so dass das Einreiseproblem im Wesentlichen doch ein politisches war.122 Der Fortgang der Beratungen innerhalb der DDR zur Frage der Einreise ist mangels einschlägiger Dokumente nicht mehr vollständig nachzuvollziehen. Klix berichtete jedenfalls nachträglich von „harten Kontroversen“ über die „Einreisegenehmigungen für Wissenschaftler aus Israel, Südafrika und Chile“.123 Dass die Teilnahme von Personen aus Südafrika noch ein Jahr vor dem Kongress nicht endgültig geklärt war, geht aus der Information der Abteilung Wissenschaften vom 16. Juli 1979 hervor. Danach sei aus Südafrika um die Zusendung eines Circulars zum Kongress gebeten worden. Der Leiter des Kongresssekretariats habe jedoch in Abstimmung mit der Abteilung für Internationale Verbindungen des Zentralkomitees der SED sowie dem Ministerium für Auswärti-
119 HUBA, GPs-DDR 786a/191.1 Gesellschaft für Psychologie der DDR. Protokollnotiz über die Ergebnisse des Gesprächs am 14. 9. 1976 beim Generalsekretär der AdW zur Auswertung des XXI. Internationalen Kongresses für Psychologie und Vorbereitung des XXII. ICP vom 15. 9. 1976. 120 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 23. 11. 1978. 121 Mäder, Walter. Schriftliche Mitteilung vom 28. 11. 2007. 122 Rückert, Jürgen. Mündliche Miteilung vom 17. 12. 2007. 123 Busse, Stefan (1996). Psychologie im Real-Sozialismus. DDR-Psychologen im Interview. Pfaffenweiler: Centaurus (S. 133).
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ge Angelegenheiten den Auftrag erhalten, auf die Bitte nicht zu reagieren.124 Ebenfalls Bedeutung beizumessen war einem Protokollproblem, das hinzugekommen war: Die Flaggen der am Internationalen Kongress beteiligten Länder sollten in der Innenstadt von Leipzig gezeigt werden. Wenn die DDR also Teilnehmer aus Staaten einreisen ließ, die sie boykottierte, hätte sie ihre Flaggen zeigen müssen – eine diplomatisch prekäre Situation. Das Kongressjahr 1980 war somit angebrochen, und eine verbindliche Zusage über die freie Einreise für Kongressteilnehmer lag immer noch nicht vor. Dabei hatte sich die Lage durch neu entstandene Ost-West-Spannungen weiter kompliziert. Sowjetische Truppen waren im Dezember 1979 in Afghanistan einmarschiert. Die Westmächte hatten sich scharf von diesem Vorgehen distanziert und unterstützten den bewaffneten Widerstand im Land. Intellektuelle empörten sich über die Behandlung des Physikers, Bürgerrechtlers und Friedensnobelpreisträgers Andrej Sacharow. Er hatte in Moskau gegen den Einmarsch in Afghanistan protestiert, wurde verhaftet und in der Stadt Gorki festgesetzt. Die Westmächte leiteten gegen die UdSSR Wirtschaftssanktionen ein; besonderes Aufsehen erregte der westliche Boykott der Olympischen Spiele, die am 19. Juli 1980 – eine Woche nach Abschluss des Leipziger Kongresses – in Moskau beginnen sollten. Überhaupt hatte der Kalte Krieg zwischen Ost und West eine neue Phase des Wettrüstens erreicht; erst im Dezember 1979 hatte das westliche Verteidigungsbündnis NATO einen neuen Beschluss zum Ausbau seines Raketensystems gefasst (siehe Kapitel 2, S. 65). Das erste Halbjahr 1980 war also voll von politischen Spannungen, die sicherlich einige Mitglieder der in der Internationalen Union vereinigten Landesverbände von der Teilnahme hätten abhalten können, die aber darüber hinaus hätten dazu führen können, dass Landesverbände – insbesondere die mitgliederstarke American Psychological Association – zum Boykott des Leipziger Kongresses insgesamt aufriefen. Der schlimmste denkbare Fall für die Veranstalter wäre die Absage des gesamten Kongresses durch die International Union of Psychological Science gewesen. Wenn schon die politischen Spannungen allein nicht den Erfolg des Kongresses gefährdet hätten, so hätte sie es doch im Verein mit den im Westen als schikanös empfundenen Einreisebeschränkungen tun können. In dieser Situation begab sich Henry David nach Berlin (Ost) und traf dort am 27. Februar 1980 den Kongresspräsidenten Klix sowie den Generalsekretär des Kongresses, Rückert. Henry David war Mitglied der Delegiertenversammlung der American Psychological Association und deren Delegierter in der Generalversammlung der Internationalen Union.125 Über seine Reise hatte er vorab den Generalsekretär der Union, Wayne Holtzman, in Kenntnis gesetzt. Bei seinem Treffen mit den Kollegen aus der DDR, für das sich David später am 21. März 1980 bedankte, kam neben dem Af-
124 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitungen des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig (Ergänzung zur Information vom 23. 11. 1978) vom 16. 7. 1979. 125 Conger, John J. (1979). Proceedings of the American Psychological Association, Incorporated, for the year 1978: Minutes of the annual meeting of the council of representatives. American Psychologist, 34, 535-501.
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Kapitel 4
ghanistanproblem auch das Einreiseproblem zur Sprache. Mit Erleichterung hörten die Veranstalter, dass David für die Märzausgabe des Organs Monitor der American Psychological Association einen Leitartikel geschrieben habe, in dem er die Meinung kund tat, die DDR sei ein unabhängiger Staat und die Afghanistan-Invasion sei allein von der UdSSR zu verantworten; es gäbe daher keinen Grund, sich wegen des Krieges von der DDR fern zu halten. Bezüglich eines von der American Psychological Association während des Kongresses geplanten Empfangs sicherte er sogar Einladungen an sowjetische Kollegen zu, „since we were in Leipzig and not in Moscow.“ Das Einreiseproblem kam ebenfalls zur Sprache, und Klix habe ihm die Erteilung von Visa für Teilnehmer aus Israel zugesichert.126 David hat in einem Brief an Holtzman (für die International Union of Psychological Science) und an Lowman (für die American Psychological Association) über seine Gespräche in Berlin berichtet, worauf Holtzman in einem Brief an Klix vom 20. März 1980 seine Befriedigung über das erzielte Einverständnis zum Ausdruck gebracht hat. 127 Hans-Dieter Rösler war als Mitglied des Wissenschaftlichen Komitees an den Gesprächen mit David beteiligt, und er erinnert sich, dass dieser auch den Wunsch nach zusätzlichen Symposien – nach Vorstellungen seiner amerikanischen Kollegen – vorgebracht habe. Dieser Wunsch sei ihm – sozusagen in Anerkennung seiner entgegenkommenden politischen Haltung – erfüllt worden.128 Wie weit es die Intervention von Henry David war, welche die entscheidende Wendung brachte, ist mangels Protokollen und anderen Belegen zur unmittelbaren Reaktion auf Seiten der DDR nicht eindeutig zu ermitteln. Jedenfalls sollen die Kongressorganisatoren bei mehreren Instanzen der DDR vorstellig geworden sein: im Innenministerium, im Außenministerium, im Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, bei der Leipziger Universität und selbstverständlich bei der Abteilung Wissenschaften.129 Schließlich stimmten die politisch Verantwortlichen Regelungen zu, welche Personen aus allen Mitgliedländern der International Union of Psychological Science die Teilnahme am Internationalen Kongress in Leipzig erlaubte: x Wissenschaftler aus Israel und ihre Begleitung durften offiziell einreisen; sie wurden auch in der nach Nationalitäten gegliederten Teilnehmerliste des Leipziger Kongresses – in Übereinstimmung mit der Teilnehmerstatistik im Abschlussbericht des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen – unter der Überschrift „Israel“ aufgeführt. x Das gleiche gilt für zwei Teilnehmer aus Chile. x Wissenschaftlern aus Südafrika und vermutlich weiteren vom Boykott bedrohten Ländern sowie ihren Begleitungen wurde ebenfalls die Einreise gestattet. 126 Arch IUPsS III. Brief von Henry P. David an Wayne H. Holtzman vom 21. 1. 1980. Arch IUPsS III. Brief von Henry P. David an Friedhart Klix vom 21. 3. 1980. David, Henry P. Mündliche Mitteilung vom 9. 8. 2004. David, Henry P. & Buchanan, Joan (2003). International Psychology. Reflections and chronology. In Donald K. Freedheim (Ed.), Handbook of Psychology: History of Psychology (vol. 1, pp. 509-533). Hoboken, NJ: Wiley. 127 Arch IUPsS III. Brief von Henry P. David an Wayne H. Holtzman und Lowman. Arch IUPsS III. Brief von Wayne H. Holtzman an Friedhart Klix vom 20. 3. 1980. 128 Rösler, Hans-Dieter. Mündliche Mitteilung vom 29. 11. 2007. 129 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007.
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x Die Veranstalter verzichteten während des Kongresses auf das Zeigen von Flaggen aller teilnehmenden Länder. Namen südafrikanischer, südkoreanische und taiwanesischer Teilnehmer sind allerdings weder in der Rednerliste des Abstract Guides noch in der Teilnehmerliste der Proceedings zu finden; sie sind auch nicht in der erwähnten Teilnehmerstatistik des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen aufgeführt. Doch wird von Mitgliedern des Wissenschaftlichen Komitees versichert, es habe zumindest Teilnehmer aus Südafrika gegeben. Sie seien als Mitglieder der britischen Delegation geführt worden.130 Zumindest einer von ihnen könnte S. Biesheuvel gewesen sein, den die Congress News – übrigens mit voller Nennung seiner Herkunft – als Kandidaten für den Posten eines Vizepräsidenten bei den bevorstehenden Wahlen in der Generalversammlung der Internationalen Union nannte.131 Ob Biesheuvel bei der Versammlung anwesend war oder in absentia kandidierte, ist leider nicht mehr festzustellen, da das Protokoll der Versammlung keine Anwesenheitsliste enthält.132 In der Liste der Kongressteilnehmer ist sein Name ebenfalls nicht enthalten. Bleibt noch die Teilnahme von Vertretern der ebenfalls vom Ausschluss bedrohten Länder (Süd-)Korea und Taiwan zu klären. In der nach Nationen geordneten Teilnehmerliste fehlen Namen aus ihren Landesverbänden. Es ist ebenfalls nicht festzustellen, ob Teilnehmer aus diesen Ländern anwesend waren oder ob von dort keine Anmeldungen eingegangen sind.133 Um Irritationen westlicher Teilnehmer wegen der für sie ungewohnten Einreiseformalitäten vollends zuvorzukommen, haben sich schließlich kurz vor Kongressbeginn die DDR-Behörden zu einem Schritt von einer – unter damaligen Verhältnissen geradezu unglaublicher – Freizügigkeit entschlossen: Sie verzichteten auf einen sonst unabdingbaren förmlichen Visumsantrag vor Beginn der Reise, der bei einer ausländischen Vertretung der DDR zu stellen war. Vielmehr durften Reisende, die sich als Besucher des Kongresses auswiesen, ohne Vorlage einer Einreisegenehmigung die Grenze passieren, um nach Leipzig zu fahren.134
130 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007. Schaarschmidt, Uwe. Mündliche Mitteilung vom 3. 12. 2007. Sydow, Hubert. Mündliche Mitteilung vom 16. 11. 2007. 131 Congress News, Donnerstag 10. Juli 1980. 132 Arch IUPsS II. International Union of Psychological Science (1980). Minutes of the General Assembly of the IUPS Leipzig, July 9, 1980. 133 22nd International Conference of Psychology. (1980). Abstract Guide, Leipzig. 22nd International Conference of Psychology. (1980). Proceedings, Leipzig. 134 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007. Schaarschmidt, Uwe. Mündliche Mitteilung vom 3. 12. 2007. Sydow, Hubert. Mündliche Mitteilung vom 16. 11. 2007.
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Kapitel 4
DAS PROBLEM DER KONGRESSSPRACHEN Die Kongresse der International Union of Psychological Science sehen traditionell drei Sprachen vor: Englisch, Französisch sowie die Sprache des Kongressortes – im Falle des Leipziger Kongresses also Deutsch. Teilweise sind Simultanübersetzungen innerhalb dieser Sprachen vorgesehen. Nach dieser traditionellen Regel war Russisch als Kongresssprache ausgeschlossen. Dies benachteiligte Teilnehmer aus slawischen Sprachgebieten. Insbesondere widersprach es der erklärten Absicht der politischen Führung, den Teilnehmern aus der Sowjetunion eine bevorzugte Stellung bei der Vorbereitung und der Durchführung des Kongresses einzuräumen. Zudem widersprach die Nichtberücksichtigung des Russischen der Absicht, den Kongress als Gelegenheit zur Darstellung marxistisch-leninistischer Wissenschaft zu nutzen (s. S. 125). Denn Beiträge mit derartiger politisch-ideologischer Ausrichtung waren einerseits stärker auf Begriffe der russischen Sprache angewiesen, andererseits vorwiegend von Autoren zu erwarten, die zwar die russische Sprache beherrschten, aber nicht Englisch, Französisch oder Deutsch. Nicht zuletzt aufgrund des Bestrebens einiger Fachvertreter sowie der SED, den Internationalen Kongress in Leipzig stärker ideologischen auszurichten, entstand der Wunsch, Russisch als vierte Kongresssprache zuzulassen. Gegen dieses Begehren regte sich Widerstand vonseiten der Kongressleitung, da zu befürchten war, dass ideologische Beiträge den wissenschaftlichen Charakter des Kongresses in Frage stellen könnten. Es war der Kongresspräsident selbst, der sich Wünschen nach Zulassung des Russischen als vierter Kongresssprache widersetzte. Darin wurde er möglicherweise von den sowjetischen Vertretern in der Internationalen Union unterstützt; jedenfalls sind keine Initiativen von sowjetischer Seite belegt oder erinnerlich, das Russische als vierte Kongresssprache anzuerkennen.135 Klix berief sich in internen Beratungen auf verbindliche Regelungen der Internationalen Union, übernahm es jedoch, das Anliegen im November 1977 dem Exekutivkomitee bei seiner Tagung im englischen Windsor vorzutragen. In seinem Bericht über die Tagung vermerkte er ein abschlägiges Ergebnis: „Das Sprachenproblem bei der Simultanübersetzung wurde angesprochen. Dabei ist festgestellt worden, daß wir an die Dreisprachigkeit des Kongresses (Englisch, Französisch und Landessprache des Tagungsortes) nach dem Statut der IUPS gebunden sind.“ Später in dem gleichen Bericht wiederholte Klix seine Auskunft: „Bis auf das Sprachenproblem wurden alle Vorschläge des DDR-Vertreters begrüßt und bekräftigt.“ 136 Diese Version nahm das Wissenschaftliche Vorbereitungskomitee zur gleichen Zeit in seinen Entwurf für einen Plan zur Kongressvorbereitung und Durchführung auf. Dabei wurde zu „Englisch“ sogar ein Klammerausdruck ergänzt: „(Vorwiegende Sprache).“137 135 Hacker, Winfried. Mündliche Mitteilung vom 15. 2. 2008. 136 BArch DR 3 2.Schicht 3052. Klix, Friedhart. Bericht über die Tagung des Exekutiv-Komitees der IUPS in Cumberland-Lodge, Windsor, Großbritannien, vom 10.-13. 10. 1977. 137 HUBA, GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee XXII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Entwurf: Plan zur Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) vom 29. 6. - 7. 7. 1980 in Leipzig vom 11. 11. 1977.
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Der Bericht über die unnachgiebige Haltung der Internationalen Union beeindruckte auch die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED. Der frühere Generalsekretär Rückert erinnert sich noch an eine Besprechung in der Abteilung Wissenschaften, und zwar bei dessen stellvertretenden Leiter, Prof. Schirmer. Klix habe zunächst seine Darstellung der üblichen Regelung bei internationalen Kongressen vorgetragen; Schirmer habe diese mit Unmut zur Kenntnis genommen. Da habe Klix als Kompromiss vorgeschlagen, „daß in einigen Symposien, in denen Sowjets eine größere Rolle spielten – speziell im päd.-psychol. Themenbereich – inoffiziell ja vielleicht auch russisch übersetzt werden könne“. Auf diesen Vorschlag sei Schirmer eingegangen.138 Entsprechend stellte die Abteilung Wissenschaften in ihrer Information zum Stand der Kongressvorbereitung vom 23. November 1978 fest: „Offizielle IUPS-Sprachen sind Englisch, Französisch und Deutsch. Zusätzlich übersetzt wird in Russisch, wofür die DDR die Chefdolmetscher stellt und weitere Dolmetscher von der sowjetischen Delegation mitgebracht werden.“139 Nach dieser Kompromisslösung, welche die angenommene „offizielle“ Regelung der International Union of Psychological Science akzeptierte, jedoch daneben auch Beiträge in russischer Sprache ermöglichte, wurde später verfahren. Das gedruckte Programm sowie die Zusammenfassungen waren freilich nur in den drei offiziell genannten Sprachen abgefasst. Der weitaus größte Teil der Beiträge (79%) war englisch; der kleinere Teil deutsch und französisch (17% bzw. 4%). Die Zusammenfassungen russischer Autoren sind ebenfalls nicht in russischer Sprache abgedruckt, sondern zumeist auf Englisch.140 Jedoch wurden Vorträge offenbar auch in russischer Sprache gehalten und simultan in die offiziellen Kongresssprachen übersetzt.141 Was freilich die Vertreter der Partei und des zuständigen Ministeriums nicht wussten, ja was wohl auch den Fachkollegen in der DDR entgangen war: Die Statuten der International Union of Psychological Science enthielten überhaupt keine Vorschriften über Kongresssprachen.142 Vor dem Exekutivkomitee in Windsor hat Klix das Sprachenproblem tatsächlich zur Diskussion gestellt. Zum Verlauf und Ergebnis der Diskussion hält das Protokoll allerdings fest: After considerable discussion of the pros and cons of various languages presented at the Congress, it was agreed that whatever languages were finally chosen by the German Democratic Republic, it was
138 Rückert, Jürgen. Schriftliche Mitteilung vom 13. 10. 2008. 139 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 23. 11. 1978. 140 González Solaz, J. (1998). Los congresos internacionales de psicologia (1963-1984). Tesis doctoral. Universitat de Valencia, Facultat de Psicologia (p. 430). 141 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Zur Teilnahme der sowjetischen Delegation am XXII. Internationalen Psychologenkongreß vom 15. 7. 1980. Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007. 142 Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science. Statutes of the IUPS (1975).
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Kapitel 4 important to announce these languages in advance so that all speakers could adapt their presentations to the language limitations. 143
Klix’s Darstellung war also eine Zweckbehauptung, ein Bluff. Die Darstellung konnte nur den Zweck haben, einerseits der Weltläufigkeit des Kongresses durch demonstrative Öffnung zur amerikanischen Fachwelt Vorschub zu leisten und andererseits weniger qualitätsvolle und ideologisch exponierte Beiträge, wie man sie aus dem Bereich der russischen Sprache erwartete, abzuwehren. Frei von Risiken war die Sprachpolitik des Kongresspräsidenten nicht. Konnte er wirklich sicher sein, dass seine Gegner weder Einblick in die Statuten der Internationalen Union nehmen würden noch in die Protokolle des Exekutivkomitees? Dass Klix das Risiko der Widerlegung auf sich nahm, kann als Beleg dafür gewertet werden, dass ihm die Wendung zur westlichen Wissenschaft ein hochrangiges Anliegen war. DIE SCHIRMHERRSCHAFT Die Statuten der International Union of Psychological Science sehen für ihre Internationalen Kongresse keine Schirmherrschaft vor, schließen diese aber auch nicht aus. So hat die französische Gesellschaft 1976 für den von ihr in Paris veranstalteten XXI. Kongress sogar eine mehrköpfige, hierarchisch gestufte Schirmherrschaft aufgeboten, bestehend aus dem Staatspräsidenten Giscard d´Estaing (haut patronage), den Ministern für Erziehung und Arbeit Haby und Dourafour, der Gesundheitsministerin Veil und der Staatsekretärin für Universitäten Saunier-Seité sowie dem UNESCOGeneraldirektor M´Bow (patronage). 144 Die DDR übernahm die Idee einer Schirmherrschaft, wenn auch nur mit einfacher Besetzung. In der Vorlage der Akademie der Wissenschaften sowie der Abteilung Wissenschaften für das Zentralkomitee der SED aus dem Jahre 1972, die Einladung zum Leipziger Kongress betreffend, war von einer Schirmherrschaft noch nicht die Rede.145 Später dürfte sich ein Konsens gebildet haben, den Kongress unter die Schirmherrschaft eines staatlichen Vertreters zu stellen. Über die Person und den Rang dieses Vertreters gingen die Meinungen jedoch auseinander. Die noch unter starkem Einfluss der Akademie der Wissenschaften entworfene Konzeption für den Kongress schlug als Schirmherrn den „Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates, Gen. Dr. Herbert Weiz“ vor; der Vorschlag wurde zunächst am 12. Juli 1977 – von der Abteilung Wissenschaf-
143 Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly´s Executive Committee at Windsor, England, October 11-13, 1977. 144 Actes du XXIe congrès international de psychologie/proceedings of the XXIst international congress of psychology (1978). Paris: Presses universitaires de France. 145 BArch DY 30 2208, Bl. 74-79. Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin/Abteilung Wissenschaften des ZK. Vorlage für das Sekretariat des Zentralkomitees der SED. Betreff: Einladung der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaft (IUPS) zur Durchführung des 22. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig vom 27. 7. 1972.
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ten oder dem ganzen Zentralkomitee – bestätigt.146 Weiz war nicht nur stellvertretender Vorsitzender des Ministerrats, sondern auch seit 1974 Minister für Wissenschaft und Technik.147 Als solcher hatte er zwar eine gewisse Zuständigkeit für das Fach Psychologie, war aber sonst – den vorliegenden Dokumenten nach zu schließen – im Zusammenhang mit der Psychologie nicht in Erscheinung getreten. Überdies war die Benennung eines der vielen Stellvertreter des Ministerratsvorsitzenden als Schirmherr eines Weltkongresses in der protokollbewussten DDR kein Ausdruck besonders hoher Wertschätzung. So regte sich in der Gesellschaft für Psychologie der DDR Widerstand gegen die Benennung. Maßgebliche Vertreter der Gesellschaft, nämlich Klix, Kossakowski, Vorwerg, Mäder und Rückert, die als Arbeitsgruppe der Abteilung Wissenschaften firmierten, hatten schon zuvor mit Datum vom 18. September 1975 einen anderen Vorschlag vorgelegt: Der Vorsitzende des Ministerrates selbst – das war damals und blieb bis 1980 Willi Stoph – sollte die Schirmherrschaft des Kongresses übernehmen. 148 Die Frage blieb zunächst offen. Erst im April 1977 gab die Abteilung Wissenschaften eine Stellungnahme ab, die den aktuellen Konflikt mit der Akademie der Wissenschaften nicht verhehlte und sich dem Vorschlag der Fachvertreter annäherte. Darin hieß es: Mit der Übernahme der Schirmherrschaft für den internationalen Kongreß … sollte der Genosse Horst Sindermann, Mitglied des Politbüros und Präsident der Volkskammer (oder [Hervorhebung im Original] Genosse Willi Stoph, Mitglied des Politbüros und Vorsitzender des Ministerrates) an Stelle des Genossen Dr. H. Weiz, Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates, beauftragt werden. 149
Schon die Benennung des Volkskammerpräsidenten bedeutete gegenüber dem Vorschlag der Akademie eine protokollarische Aufwertung des Kongresses. Doch stand der Volkskammerpräsident im Rang hinter dem Vorsitzenden des Ministerrates zurück, den der oben genannte Entwurf aus der Gesellschaft für Psychologie der DDR als Schirmherr vorgeschlagen hatte. Immerhin war die Benennung des Vorsitzenden des Ministerrats wenigstens als Alternative in den Entwurf der Abteilung Wissenschaft aufgenommen worden. Diesem Alternativvorschlag ist das Präsidium des Ministerrats im Juli 1977 gefolgt. Es beschloss: „Der Vorsitzende des Ministerrates, Willi Stoph, übernimmt die Schirmherrschaft für den internationalen Kongress.“150 Die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED nahm den Beschluss in ihre Information vom
146 Wissenschaftliche Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR (bestätigt am 12. 7. 1977). Revidierte Fassung: BArch DC 20/I 4, 3837, Bl. 1729. Wissenschaftspolitische Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR. (Ein längerer Auszug befindet sich als Materialie C auf S. 316.) 147 www.munzinger.de/search/portrait/Herbert+Weiz/0/11815.html. 148 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Ausarbeitung der Sekretariatsvorlage zur Ausrichtung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 18. 9. 1975. 149 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Stellungnahme betr. Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie in der DDR vom 22. 4. 1977. 150 BArch DC 20/I 4, 3837, Bl. 13-16. Präsidium des Ministerrats der DDR. Beschluß über die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in der DDR vom 20. 7. 1977.
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13. Dezember 1978 auf.151 Damit war dem XXII. Internationalen Kongress für Psychologie in Leipzig ein hoher protokollarischer Rang gesichert. Übrigens scheint Stoph weder von den Kongressorganisatoren noch von der Abteilung Wissenschaften wegen der Übernahme der Schirmherrschaft konsultiert worden zu sein. Es war vielmehr Dr. Kurt Kleinert, der Leiter des Sekretariats des Ministerrats, der Stoph eine Woche vor der Sitzung, bei der diese zum Beschluss anstand, eine Notiz schickte: „In Punkt 3 wird vorgeschlagen, daß Du die Schirmherrschaft für den Kongreß übernimmst.“ Schon einen Tag später reichte Stoph die Notiz zurück. Handschriftlich hatte er hinzugefügt: „Einverstanden – W. Stoph.“152 KONGRESSMATERIALIEN, FACHLITERATUR, BUCHAUSSTELLUNG, ÜBERSETZUNGEN, POSTDIENSTE Für jeden Kongressteilnehmer war eine Tagungsmappe mit verschiedenen Druckeinlagen vorgesehenen. Für die Zwecke des Kongresses zu drucken waren auch Formulare und Hinweisschilder. Schließlich bot der Kongress die Gelegenheit, vor einem internationalen Fachpublikum wissenschaftliche Schriften, die den Leistungsstand der DDRPsychologie vor Augen führen sollten, auszustellen und zum Kauf anzubieten. Den wissenschaftlich tätigen Psychologen in der DDR verschaffte daher der Kongress die Förderung für die Veröffentlichung von Buchmanuskripte, deren Erscheinen sonst aus wirtschaftlichen Gründen unterblieben wäre oder sich zumindest verzögert hätte. So unterschiedlich die Inhalte und Zwecke dieser Erzeugnisse waren, sie hatten eines gemeinsam: Es waren Drucksachen. Für alle waren Papierkontingente und Druckkapazitäten bereitzustellen. Dieselben Gremien verhandelten darüber, und oft waren es die gleichen Beschlüsse, welche das Erscheinen der unterschiedlichen Druckerzeugnisse sichern sollten. So gab das Präsidium des Ministerrats am 23. 3.1978 in ein und demselben Beschluss den Weg für die Herstellung sämtlicher Drucksachen frei: „Die Herausgabe der zur Vorbereitung des Kongresses erforderlichen Literatur sowie der Kongreßmaterialien ist termingerecht und in hoher Qualität durchzuführen.“153 Im November 1978 bestätigte die Abteilung Wissenschaften „Vereinbarungen mit der Staatlichen Plankommission … im Hinblick auf die erforderliche Druckkapazität und das benötigte Papierkontingent“.154 An den Druckaufträgen war der Wissenschaftliche Rat be-
151 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig vom 13. 12. 1978. 152 BArch DC 20/I 4, 3877, Bl. 51. Maschinenschriftliche Notiz von Kurt Kleinert an Willi Stoph vom 14. 7. 1977, mit handschriftlichem Vermerk von Stoph vom 15. 7. 1977. 153 BArch DC 20 I/4 – 4036 Bl. 1-6, 7-10, 11-16. Präsidium des Ministerrats. Beschluß zur Sicherung der politischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 23. 3. 78. 154 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 23. 11. 1978.
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teiligt.155 Die Herstellung der Proceedings sowie des Abstract Guide wurde der Druckerei der Akademie der Wissenschaften übertragen. Diese hat ihren Auftrag – Druck und Einband eines kameragerechten Schreibmaschinenmanuskripts – letztlich rechtzeitig und in der gewünschten Qualität erledigt. Ohne Schwierigkeiten und Widerstände, die den Veranstaltern Sorgen bereiteten, ist das nicht abgegangen. Jedenfalls erinnert der damalige Sekretär des Kongresses, es habe der Intervention durch die Abteilung Wissenschaften des Sekretariats der SED bedurft, um die Lieferung der Bände zum Kongress zu gewährleisten.156 Für die Teilnehmer wurde eine Kongressmappe mit folgenden Einlagen vorbereitet: x Proceedings157 x Abstract Guide158 x Kulturprogramm159 x Broschüre „Psychologische Einrichtungen in der DDR“160 x Broschüre „Wilhelm Wundt und die Entstehung der Psychologie“161 x Ein Poster „Wilhelm Wundt 1832-1920“ mit Abbildungen bekannter deutscher Psychologen (auf der Rückseite Stadtplan).162 Für die Proceedings und der Abstract Guide wurde eine Auflage von 5.000 in Aussicht genommen. Sie sollten über den Kongress hinaus auch Bibliotheken und andere Interessenten zum Kauf angeboten werden. Verhandlungen über eine Kooperation zur Herausgabe der beiden Bände mit dem holländischen Verlag North Holland wurden vom Vorstand des Wissenschaftlichen Rates empfohlen; 163 sie haben aber wohl nicht stattgefunden oder sind nicht erfolgreich abgeschlossen worden. Nach vorheriger Abstimmung mit den zuständigen Ministerien hatte der Ministerrat in seinem Beschluss vom 23. März 1978 eine Reihe von weiteren Vorkehrungen getroffen: x Bereitstellung von Flächen und Standelementen für die internationale Buchausstellung und die internationale Geräteausstellung durch das Leipziger Messeamt (verantwortlich: Minister für Außenhandel). 155 BArch DR 3 2.Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 20. 9. 1979 in Berlin vom 6. 11. 79. 156 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 15. 12. 2007. 157 22nd International Conference of Psychology. (1980). Proceedings, Leipzig. 158 22nd International Conference of Psychology. (1980). Abstract Guide, Leipzig. 159 Cultural Program/Kulturprogramm/Programme cultural, herausgegeben von der Gesellschaft für Psychologie der DDR. 160 Schaarschmidt, Uwe (1980). Psychologische Einrichtungen in der Deutschen Demokratischen Republik, herausgegeben von der Gesellschaft für Psychologie der DDR, Berlin 1980, anlässlich des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie in Leipzig vom 6.-12. Juli 1980. 161 Hiebsch, Hans (1980). Wilhelm Wundt und die Entstehung der Psychologie, herausgegeben von der Gesellschaft für Psychologie der DDR. 162 Privatbesitz. Poster Wundt, herausgegeben von der Gesellschaft für Psychologie der DDR. 163 BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rats für Psychologie am 4. 7. 1979 in Berlin vom 30. 7. 79.
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x Einsatz von Simultandolmetschern vom Fremdsprachendienst der DDR, INTERTEXT (verantwortlich: Minister für Hoch- und Fachschulwesen). x Einsatz von Simultandolmetschanlagen (verantwortlich: Minister für Post- und Fernmeldewesen). x Einrichtung eines Sonderpostamts während des Kongresses, Sonderstempel, Fernmeldeverbindungen (verantwortlich: Minister für Post- und Fernmeldewesen).164 Auch diese Beschlüsse des Ministerrates stellten keine Machtworte dar, die allein ausreichten, die rechtzeitige Erledingung zu sichern. So beklagte Ende des Jahres 1978 die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED „Schwierigkeiten durch kommerzielle Erwägungen beim ‚Buchexport’ und beim AHB [Außenhandelsbetrieb] Intermed“. 165 Vermutlich hatte das Ministerium für Außenhandel – wie der zuständige Minister Sölle seinem Kollegen Böhme schrieb – eine internationale Buch- und Geräteausstellung in eigener Regie im Sinn, die lediglich dem Kongress angegliedert, auf dem Messegelände stattfinden sollte. Im Mittelpunkt sollte wohl eine „Buchverkaufsausstellung“ stehen, „in der den Kongressteilnehmern besonders ein breites Sortiment von Psychologie-Literatur der DDR-Verlage zum Kauf angeboten wird“.166 Das Ministerium sah den Kongress also vor allem als Gelegenheit zur Einnahme von Devisen; dabei wurde es übrigens vom Minister für Kultur, Hans-Joachim Hoffmann, unterstützt.167 Über den Fortgang der entsprechenden Auseinandersetzungen war nichts in Erfahrung zu bringen. Jedoch ist die Absicht, die Ausstellungen in das Messegelände auszugliedern, nicht verwirklicht worden. Vielmehr wurden dafür Räume der Universität genutzt. Was die Buchproduktion anbelangt, plante der VEB [Volkseigener Betrieb] Deutscher Verlag der Wissenschaften zwölf Titel, die zum Kongress neu oder in überarbeiteter Auflage erscheinen sollten.168 Die folgenden Titel wurden benannt: 1. Psychologie in der DDR, 2. Psychologie im Sozialismus (Beiträge der Potsdamer Konferenz „Psychologie in den sozialistischen Ländern“), 3. Psychologie in der gesellschaftlichen Praxis.169 Der erstgenannte Titel ist 1980, ediert von Klix, Kossakowski und Mäder, als Produkt des Verlages der Wissenschaften herausgekommen.170 Nicht als Teil des 164 BArch DC 20 I/4 – 4036 Bl. 1-6, 7-10, 11-16. Präsidium des Ministerrats. Beschluß zur Sicherung der politischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 23. 3. 78. 165 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 23. 11. 1978. 166 BArch DC 20/I4 4036 Bl. Brief von Minister Sölle an Minister Böhme vom 26. 1. 1978. 167 BArch DC 20/I4 4036 Bl. 25. Brief von Minister Hoffmann an Minister Böhme vom 26. 1. 1978. 168 HUBA GPs-DDR 787. Nationales Vorbereitungskomitee. Protokoll der 3. Sitzung am 26. 10. 1979 im MHF vom 29. 10. 1979. 169 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED Abteilung, Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 23. 11. 1978. HUBA GPs-DDR 787. Protokoll zur Beratung der Kommission Öffentlichkeitsarbeit am 8. 6. 1979. 170 Klix, Friedhart, Kossakowski, Adolf & Mäder, Walter (Hrsg.). (1980). Psychologie in der DDR. Berlin: VEB Verlag der Wissenschaften.
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Buchprogramms genannt, aber wahrscheinlich ebenfalls zu dieser Reihe gehörig ist die ebenfalls im Verlag der Wissenschaften erschienene, von Klix und Krause edierte Schrift über die Forschungen an der Psychologiesektion der Berliner HumboldtUniversität.171 Die beschlossenen Postdienste wurden in späteren Berichten nicht mehr erwähnt. Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Dolmetschern beklagte die Abteilung Wissenschaften in ihrer oben angeführten Information vom 23.11.1978. Bis zum Beginn des Kongresses scheinen jedoch sämtliche kommunikativen Dienste gesichert gewesen zu sein. ENTWICKLUNGSAUFGABEN Die Gründung der Sektion Psychologie an der Karl-Marx-Universität Leipzig (s. S. 114) war einer der Schritte zur Entwicklung der Psychologie in der DDR. Die Gesellschaft für Psychologie der DDR war jedoch nicht nur bestrebt, in Leipzig neue Lehrund Forschungskapazitäten aufzubauen; die schon bestehenden Universitätssektionen in Berlin, Dresden und Jena sollten ausgebaut werden. Friedhart Klix hat in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Gesellschaft für Psychologie der DDR dieses Anliegen im Juli 1972 bei seinem Besuch im Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen vorgetragen. Die Aktennotiz des Ministeriums über die damals geführten Beratungen räumte „unabhängig von den Aufgaben, die sich aus der Vorbereitung des Kongresses für die Psychologie in der DDR ergeben, … viele Probleme in der Ausbildung und Forschung auf dem Wissenschaftsgebiet der Psychologie“ ein.172 Den Verantwortlichen war klar: Die Entwicklung der DDR-Psychologie war eine Aufgabe mit langer Perspektive. Zur Bedarfsfeststellung und Planung bedurfte es des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Dieser wurde tatsächlich ins Leben gerufen (s. Kapitel 3, S. 91) und arbeitete eine Statusbeschreibung173 sowie einen Entwicklungsplan174 aus, der über kurzfristige Verbesserungen hinaus auf den weiteren Ausbau nach 1980 bedacht war. Für einzelne Forschungsgebiete wurden Konzeptionen beraten (z. B. „Persönlichkeitspsychologische Grundlagen der Verhaltensformung“). Ein Ziel war die Beschaffung von Forschungsgeräten – vermutlich vorzugsweise aus dem westlichen Ausland. Im Jahre 1975 gibt es eine Initiative, Mittel für die „notwendige materiell-technische Ausrüstung der psychologischen Laboratorien … in den Haushaltsplänen 1976/78 der 171 Klix, Friedhart & Krause, Bodo (Hrsg.). (1980). Psychological Research. Humboldt-Universität Berlin 1960-1980. Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften. 172 BArch DR 3 2. Schicht 2880. Aktennotiz des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen über eine Beratung mit Prof. Klix am 18. 7. 1972 vom 9. 8. 1972. 173 BArch DR 3 2. Schicht 1248/DY 30 7478. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie. Einschätzung zur Entwicklung der Psychologie in den Jahren 1976-1980 vom 17. 12. 80. 174 BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rats für Psychologie am 4. 7. 1979 in Berlin vom 30. 7. 79.
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Medizinischen Akademie Magdeburg und der Akademie der Wissenschaften zur Verfügung zu stellen“.175 Aus den verfügbaren Dokumenten ist das Schicksal dieser Initiative jedoch nicht zu verfolgen. Trotz gesteigerter Ansprüche ist die psychologische Forschung der DDR wohl weiterhin aus dem Normalhaushalt finanziert worden, und zwar nicht aus dem großzügiger bemessenen Haushalt der Akademie der Wissenschaften, sondern aus dem bescheideneren Etat des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen. Ein weiteres Ziel war die Entwicklung von Lehrmaterialien und insbesondere Lehrbüchern. In diesem Rahmen wurden die folgenden Projekte diskutiert und gefördert: Hacker, W.: Spezielle Arbeits- und Ingenieurpsychologie; Sprung, L.: Einführung in die Methodologie und Methodik der marxistisch-leninistischen Psychologie.176 Mit besonderem Nachdruck verfolgt wurden zwei Projekte: Die Einrichtung eines Psychologischen Instituts an der Akademie der Wissenschaften der DDR als herausragende Forschungsstelle sowie die Einrichtung eines Diagnostischen Zentrums, das sich der Entwicklung und Anwendung psychologischer Tests widmen sollte. Diese beiden Themen beschäftigten mehrfach den Wissenschaftlichen Rat.177 Ein Psychologisches Institut an der Akademie der Wissenschaften versprach nicht nur eine verstärkte interdisziplinäre Zusammenarbeit, sondern auch einen verbesserten Zugang zu Forschungsmitteln. Es bestanden zwar bereits an der Akademie zwei Forschungsgruppen, an denen Psychologen beteiligt waren – eine für Kybernetik und Informationsverarbeitung und eine andere für Herz- und Kreislaufforschung. Doch war die Beteiligung an diesen Gruppen kein Ersatz für ein eigenes Institut. Zudem schien das internationale Ansehen der DDR-Psychologie unter dem Fehlen eines eigenen Akademie-Instituts zu leiden. In fast allen sozialistischen Ländern – vor allem aber in der Sowjetunion und in Polen – war die Psychologie mit einflussreichen Instituten an den nationalen Akademien vertreten. Dass dies in der DDR nicht der Fall war, ließ – aus der Sicht eines sozialistischen Landes – eine internationale Abwertung der DDRPsychologie befürchten. Daher erschien der bevorstehende Kongress als geeigneter Anlass, die Aufnahme der Psychologie in die Akademie mit verstärktem Nachdruck zu betreiben. So war es die von Mitgliedern der Gesellschaft für Psychologie der DDR erarbeitete Vorlage der Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED aus dem Jahre 1975, die als Teil der Kongressvorbereitungen forderte, „Voraussetzungen zu schaffen,
175 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Ausarbeitung der Sekretariatsvorlage zur Ausrichtung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 18. 9. 1975. 176 BArch DR 3 2. Schicht 1249. Arbeitsplan 1978 des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. 177 BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 6. 2. 1979 vom 21. 2. 1979. BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 30. 5. 1979 in Greifswald vom 30. 5. 1979.
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damit bis 1980 an der Akademie der Wissenschaften schrittweise ein Institut für Psychologie aufgebaut wird“. Es wurde sogar erwogen, zusammen mit der Sowjetunion ein RGW [Anmerkung: Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe]-Institut für Psychologie und Physiologie zu gründen.178 Die Planungen machten allerdings kaum Fortschritte. Bis 1979 lag lediglich die Zusage der Abteilung Wissenschaften vor, nach 1980 „die Möglichkeit der Errichtung eines Akademie-Institutes für Psychologie“ zu prüfen.179 Tatsächlich ist ein arbeitsfähiges Institut für Psychologie bei der Akademie der Wissenschaften der DDR nie zustande gekommen. Erfolgreich war dagegen die Initiative zur Errichtung eines Diagnostischen Zentrums (mehr dazu in Kapitel 8, S. 249). Die Pläne zur Kaderentwicklung erstreckten sich ausdrücklich auch auf die psychologische Praxis. Hierzu forderte das Präsidium des Ministerrates in seinem bereits oben (S. 138) wiedergegebenen Beschlusses nicht nur den Auf- und Ausbau von Arbeitsgruppen in der Industrie, im Gesundheitswesen und im Bereich der Berufsbildung, die geeignet waren, in das Besichtigungsprogramm des Leipziger Kongresses aufgenommen zu werden. Er sah darüber hinaus „langfristig arbeitsfähige Arbeitsgruppen von Psychologen“ vor, deren personeller Bedarf … für den Zeitraum 1981-85 … dem Minister für Hoch- und Fachschulwesen zu übergeben“ sei. 180 Der Forderung des Ministerrats nach Bedarfsschätzungen und deren Konsequenzen für die Bereitstellung von Studienplätzen ist der Wissenschaftliche Rat in seinen oben genannten Entwicklungsplänen nachgekommen. ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Die Öffentlichkeitsarbeit hatte zwei Schwerpunkte: x Die Publizität des Internationalen Kongresses innerhalb und außerhalb der DDR, verbunden mit einer Werbung für die DDR-Psychologie. x Die Kommunikation mit den Teilnehmern während des Kongresses. Für die Öffentlichkeitsarbeit gab das Nationale Vorbereitungskomitee ebenfalls die Zielsetzung vor: Wesentliche Bedeutung kommt einer breiten und qualitativ guten Öffentlichkeitsarbeit zu, die sich im Verlauf der Kongreßvorbereitungen steigern sollte und deren Anliegen vor allem sein muß, über die Aufgaben und Leistungsmöglichkeiten der Psychologie in der sozialistischen Gesellschaft zu informieren. Wissenschaftler und Hochschullehrer, die zur erfolgreichen Entwicklung der Psychologie in unse-
178 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Ausarbeitung der Sekretariatsvorlage zur Ausrichtung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 18. 9. 1975. 179 BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 30. 5. 1979 in Greifswald vom 30. 5. 1979. 180 BArch DC 20 I/4 – 4036 Bl. 1-6, 7-10, 11-16. Präsidium des Ministerrats. Beschluß zur Sicherung der politischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 23. 3. 1978.
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Kapitel 4 rer Republik maßgeblich beigetragen haben, sollten verstärkt in der Öffentlichkeit vorgestellt werden.181
Die Kommission Öffentlichkeitsarbeit suchte Publikationsmöglichkeiten in Zeitungen und Zeitschriften zu erschließen; ihre Mitglieder verfassten selbst Beiträge über den bevorstehenden internationalen Kongress sowie über die DDR-Psychologie im Allgemeinen. Die Publikationen ergänzten die oben (s. S. 153) genannten in Buchform erschienenen Schriften von Klix und Krause (1980) und Schaarschmidt (1980). Weitere Beiträge in Universitätszeitungen sowie in Fachzeitschriften von benachbarten Disziplinen sollten die interdisziplinäre Aufmerksamkeit für die DDR-Psychologie fördern.182 Geplant war weiterhin eine Reihe auf die Psychologie bezogener Artikel in der Deutschen Zeitschrift für Philosophie (Heft 4, 1980). Drei Artikel sollten der internationalen Fachöffentlichkeit die DDR-Psychologie nahe bringen.183 Ähnliche Darstellungen waren vorgesehen in Voprosi Psichologii und German Journal of Psychology. Bereits die Aufnahme von Beiträgen über die DDR-Psychologie sowie über den Kongress in renommierte internationale Zeitschriften sowie in Publikationsorgane der SED wurde als Prestigegewinn verzeichnet.184 Im Übrigen waren Fachzeitschriften aus der Bundesrepublik als Medien nur bedingt willkommen: Der Anforderung der Zeitschrift „Psychological Research“ nach Beiträgen für ein Wundt-Heft wird nicht nachgekommen, da psychologiehistorische Beiträge von DDR-Autoren für die Vorbereitung des XXII. ICP vorrangig in DDR-Publikationen erscheinen. Der Zeitschrift „Psychologie heute“ wird möglicherweise empfohlen, sich mit dem Verlag der Wissenschaften zwecks Übernahme eines Überblicksbeitrags aus der PEP über die Psychologie in der DDR in Verbindung zu setzen. 185
Psychologie heute ist ein in der Bundesrepublik erscheinendes, populärwissenschaftliches und auflagenstarkes Magazin. Mit der dort für den Nachdruck ins Auge gefassten Schrift war wohl der oben aufgeführte Artikel Kossakowskis „30 Jahre Psychologie in der DDR“ aus Probleme und Ergebnisse der Psychologie gemeint. Zur Kommunikation mit den Kongressteilnehmern während der Veranstaltungswoche war zunächst ein Kongressbulletin mit drei Ausgaben geplant. Es sollte Auszüge aus den Eröffnungsreden und Abendvorträgen, Berichte über Symposien, Mitteilungen über die International Union of Psychological Science sowie überhaupt Informationen 181 HUBA GPs-DDR 787. Nationales Vorbereitungskomitee. Protokoll der 3. Sitzung am 26. 10. 1979 im MHF vom 29. 10. 1979. 182 Kossakowski, Adolf (1979). 30 Jahre Psychologie in der DDR. Probleme und Ergebnisse der Psychologie, 69, 5-22. Sydow, Hubert (1979/1980). Gut vorbereitet zum Weltkongreß. Zeitung Humboldt Universität, 38/39, S. 8. 183 Kossakowski, Adolf (1980). Psychology in the German Democratic Republic. American Psychologist, 35, 450-460. Kossakowski, Adolf (1980). Research in developmental psychology in the GDR. Acta Psychologica Fennica, 9, 59-72. Schmidt, Hans-Dieter (1979). Psychology in the German Democratic Republic. Annual Review of Psychology, 31, 195-209. 184 Schaarschmidt, Uwe. Mündliche Mitteilung vom 3. 12. 2007. 185 HUBA GPs-DDR 787. Kommission Öffentlichkeitsarbeit. Protokoll zur Beratung am 8. 6. 79.
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zum Kongress enthalten. Tatsächlich kam das Bulletin unter dem Namen „Congress News“ heraus und erreichte die Zahl von fünf Ausgaben. Dafür wurde eine Redaktion aus fünf Fachwissenschaftlern und drei Journalisten gebildet. Bereits lange vor dem Kongress lagen minutiöse Entwürfe für die einzelnen Ausgaben vor. Es war eine Auflage von 5.000 Exemplaren vorgesehen. Die Beiträge waren alle in englischer Sprache abgefasst.186 (Zum Inhalt der Congress News s. Kapitel 7, S. 243). Zu den Druckpublikationen kamen Auftritte im DDR-Fernsehen sowie Rundfunkinterviews. Die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED stellte dazu unter anderem fest: Die Veröffentlichung von Artikeln über die Entwicklung der Psychologie in der DDR sowie über die Durchführung des XXII. ICP in wissenschaftlichen und Wochenzeitschriften hat sich erhöht. Im Rundfunk gibt es eine größere Zahl von populärwissenschaftlichen Sendungen zu psychologischen Fragen der Medizin, der Arbeitswissenshaften und der Pädagogik. Geplant ist eine Sendung innerhalb der Fernseh-Urania. 187
186 HUBA GPs-DDR 786/46.7. Vorbereitungskomitee zum 22. Internationalen Kongress für Psychologie 1980. Konzeption zur inhaltlichen Gestaltung der "congress news" vom März 1980. 187 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitungen des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6. – 12. Juli 1980 in Leipzig (Ergänzung zur Information vom 23. 11. 1978) vom 16. 7. 1979.
KAPITEL 5 FACHLICHE UND POLITISCH-IDEOLOGISCHE VORBEREITUNGEN: KADERAUFBAU, VORKONGRESSE UND SCHULUNGEN Wissenschaftliche Kongresse dienen dem Austausch von Erkenntnissen; sie können zum Schauplatz von Richtungskämpfen werden; sie bieten Gelegenheit zur Profilierung von Individuen und Gruppen. War der XXII. Internationale Kongress für Psychologie darüber hinaus ein weltweiter Wettbewerb, vergleichbar den Weltmeisterschaften des Sports, bei denen Nationalmannschaften miteinander um Rangplätze ringen? Waren die beim Internationalen Kongress vertretenen nationalen Psychologenverbände nationalen Sportverbänden vergleichbar, welche ihre Mannschaften auswählen und trainieren, dafür die Förderung ihrer Regierungen genießen und dabei mitunter Weisungen von Regierungsvertretern befolgen müssen? Die einschlägigen Akten bekunden jedenfalls die in den DDR-Organen offenkundige Annahme: Kongressteilnehmer aus verschiedenen Ländern bilden Delegationen, deren Mitglieder von den Landesverbänden der International Union of Psychological Science nominiert sind; eher stillschweigend wurde diese Annahme um die Vermutung ergänzt, hinter den Landesverbänden stünden die nationalen Regierungen, die um eine angemessene Repräsentation ihres Landes bemüht seien. Wie inzwischen im Hochleistungssport üblich, sahen es daher Partei und Staat der DDR als ihre Aufgabe, die Teilnehmer aus dem eigenen Land als einheitlich auftretenden Kader zu organisieren und auf den anstehenden Wettbewerb vorzubereiten. So gingen dem Leipziger Kongress Fördermaßnahmen und Konferenzen zur Entwicklung des eigenen Kaders voraus. Der nationale Wettbewerb war – aus der Sicht von Partei und Staat der DDR – eingebettet in einen Wettbewerb zwischen Gesellschaftssystemen. Insofern erstreckte sich die Förderung auch auf die verbündeten Staaten des Ostblocks. Die Koordination der DDRPsychologie mit den sozialistischen Staaten des Warschauer Paktes sowie – so weit erreichbar – mit den sozialistisch orientierten Staaten der Dritten Welt war ein stetes Anliegen der Abteilung Wissenschaften der SED, der Akademie der Wissenschaften und des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen. Daher gehörte zur Kongressvorbereitung auch die Pflege der Kontakte zu psychologischen Forschungseinrichtungen in anderen Ländern des Ostblocks sowie Treffen von Psychologen aus sozialistischen Ländern in der DDR. Die vorbereitenden Veranstaltungen waren zum einen auf die wissenschaftliche Leistung ausgerichtet. Sie zielten auf die Auslese geeigneter Referenten und auf die Unterstützung ihrer Forschungen. Zum anderen war sie politisch-ideologisch orientiert. Sie hatten das Ziel, die Teilnehmer auf die Begegnung mit Vertretern anderer politischer Systeme vorzubereiten. Was die Leistungsförderung anbelangt, hat sportlicher Ehrgeiz im Kampf um internationale Spitzenplätze nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Es war in der DDR bekannt und anerkannt, dass die DDR-Psychologie – wie überhaupt Wissenschaft und Technik des Landes – im Allgemeinen gegenüber westlichen Vergleichspartnern einen Rückstand aufzuholen hatte. Zum Kongress im Jahre 1980 einen hinreichend großen Kader aufbieten und mit diesem im internationalen Wettbewerb mithalten zu können, erschien daher als wissenschaftspolitisch ausreichendes Ziel der Nachwuchs- und Forschungsförderung. Sozusagen als „Probeläufe“ für den großen Kongress wurden nationale und internationale Vorkonferenzen mit fachlichen Schwerpunkten veranstaltet. Der Einstimmung der eigenen Mitglieder auf den Internationalen Kongress dienten die Nationalen Kongresse für W. Schönpflug, G. Lüer, Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik: Wissenschaft zwischen Ideologie und Pragmatismus, DOI 10.1007/978-3-531-93057-2_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Kapitel 5
Psychologie, insbesondere der 5. Kongress der Gesellschaft für Psychologie der DDR im Jahre 1979. Zu einigen Konferenzen wurde öffentlich eingeladen. Es kamen daher Teilnehmer aus dem Ausland, aus dem Westen ebenso wie aus dem Osten. Daneben gab es mindestens ein Treffen, zu dem lediglich Teilnehmer aus sozialistischen Ländern eingeladen waren. Was die ideologisch-politische Vorbereitung des Kaders anbelangte, herrschte eine zweistufige Zielstellung vor. Vordergründig sollten die Teilnehmer aus der DDR in der Lage sein, ihre westlichen Kollegen sowie die Kollegen aus neutralen Staaten von den Vorzügen des sozialistischen Systems zu überzeugen, ja sie dafür sogar einzunehmen. Doch war auch eine defensive Zielsetzung unverkennbar: Die Teilnehmer aus dem eigenen Land, ja aus dem eigenen Lager, immun zu machen gegenüber westlichen Einflüssen, sie möglichst gut zu rüsten gegen eine vermutete, ja vielfach befürchtete Propaganda eines Klassenfeindes. Die ideologisch-politische Vorbereitung des eigenen Kaders war ständige Aufgabe der örtlichen Grundorganisationen der SED. Doch legte die Partei auch Wert auf zentrale Veranstaltungen, die diesem Zweck dienten. Der Wissenschaftliche Rat für Psychologie sowie teilweise die Gesellschaft für Psychologie der DDR waren auch an der Organisation der politischen Schulungen beteiligt. Freilich war es nicht die Gesellschaft für Psychologie der DDR, aus der sich für die Schulungen dezidiert politisch orientierte Dozenten rekrutierten; diese stammten vielmehr aus Parteiorganisationen, vor allem aus der Akademie für Gesellschaftswissenschaften des Zentralkomitees der SED. Es ist nicht ersichtlich, dass die psychologischen Fachvertreter der DDR die Sorge von Partei und Staat vor ideologischen Auseinandersetzungen während des Leipziger Kongresses teilten und bei Schulungen ein besonderes Engagement an den Tag legten. Es ist aber ebenso wenig ersichtlich, dass sie sich gegen die Verpflichtungen, solche Treffen zu organisieren und ihre Mitglieder zur Teilnahme anzuhalten, gesträubt hätten. FORSCHUNGSPROGRAMME Zu den ersten Schritten bei der Vorbereitung des Internationalen Kongresses in Leipzig gehörte die Intensivierung der Forschungsplanung. Die von der Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED bestätigte und vom Präsidium des Ministerrats zustimmend zur Kenntnis genommene Wissenschaftspolitische Konzeption des Kongresses enthielt ein Schwerpunktprogramm für die psychologische Forschung der DDR.1 Berücksichtigt waren dabei alle bestehenden psychologischen Forschungseinrichtungen und Schwerpunkte an den Hochschulen: x Humboldt-Universität Berlin: Geistige Prozesse, psychische Beanspruchung, klinisch-psychologische Forschungen, 1 Wissenschaftliche Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR (bestätigt am 12. 7. 1977). Revidierte Fassung: BArch DC 20/I 4, 3837, Bl. 1729. Wissenschaftspolitische Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR. (Ein längerer Auszug befindet sich als Materialie C auf S. 316.)
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x Karl-Marx-Universität Leipzig: Allgemeine Psychologie, Persönlichkeit, Lernen, Geschichte der Psychologie, x Technische Universität Dresden: Psychische Regulation von Tätigkeiten, Analyse von Anforderungen, Arbeitsbelastung, Arbeitsgestaltung, x Friedrich-Schiller-Universität Jena: Soziales Verhalten, Arbeitskollektive, Geschichte der Psychologie, x Universitäts-Nervenklinik Rostock: Entwicklung geistig und sozial gefährdeter Kinder, Abbau der Lernfähigkeit im Alter, x Bereich Pädagogische Psychologie der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften: Entwicklung politisch-weltanschaulicher und moralisch-sittlicher Einstellungen und Verhaltensweisen, Entwicklung von geistigen Fähigkeiten. Das Schwerpunktprogramm war erklärtermaßen mathematisch-naturwissenschaftlich angelegt und verfolgte zwei Ziele. Zum einen sollte die bestehende DDRForschung möglichst schnell an den internationalen Forschungsstand herangeführt werden, so dass bei dem während des Kongresses erwarteten Leistungsvergleich die vorgestellten Projekte aus der DDR den Vergleich mit Vorhaben anderer Länder bestehen konnten. Ja, es wurde zur Begründung der Mittelanforderungen sogar argumentiert, vom Leistungsstand der DDR-Forschung würde es überhaupt abhängen, wie stark das Land mit eigenen Beiträgen im Kongressprogramm vertreten sein werde. Zugleich sollte die Förderung der Projekte der wissenschaftlichen Qualifikation der eigenen Kader zugute kommen. Die Teilnehmer aus der DDR sollten auch befähigt werden, im Leistungsvergleich der vortragenden Personen günstig abzuschneiden. In der anstehenden Aufbruchsituation wurden sämtliche Ziele ehrgeizig und umfassend formuliert. Die lokalen Forschungsgruppen sollten sich nicht allein in technischer Perfektion und theoretischer Raffinesse üben. Sie sollten darüber hinaus firm werden in der internationalen und die interdisziplinären Zusammenarbeit – nicht zuletzt durch Übung der innerhalb der Natur- und Sozialwissenschaften dominierenden englischen Sprache. Für die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED hatte schon 1973 deren Abteilungsleiter Hörnig gegenüber dem Minister für Hoch- und Fachschulwesen seine Unterstützung für das geplante Forschungs- und Qualifikationsprogramm erklärt.2 Doch eine praktische Umsetzung der beabsichtigten Forschungsförderung ist – jedenfalls im Rahmen der Kongressvorbereitung – nicht erkennbar (s. bereits Kapitel 4, S. 155. Vielmehr dürften in der Folge die mit der Organisation des Kongresses verbundenen Probleme die aktuellen Anliegen der Forschungsförderung verdrängt haben. Was jedoch – unter der Regie des Wissenschaftlichen Rates – veranstaltet werden konnte, waren Vorkonferenzen, Nachwuchstreffen und Sprachschulungen; davon sollen die folgenden Abschnitte handeln.
2 BArch DR 3, 2. Schicht 2880. Brief von Johannes Hörnig an Minister Böhme vom 21. 2. 1973.
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Kapitel 5
VORKONFERENZEN Der Parteistaat der DDR sammelte also – in der Annahme, einen nationalen Wettbewerb bestehen zu müssen – seine Kräfte, um zum XXII. Internationalen Kongress für Psychologie in Leipzig eine Delegation zu entsenden, die ihr Land würdig vertreten sollte. War die DDR-Delegation bei den vorangegangenen internationalen Kongressen nur eine kleine Gruppe gewesen, so sollte sie beim Leipziger Kongress die bei weitem größte nationale Vertretung darstellen. Freilich fehlte den meisten der als Delegierte in Frage Kommenden internationale Erfahrung; insbesondere jüngeren DDR-Teilnehmern fehlte es an Fähigkeiten zur Darstellung und Diskussion von Forschungen, überhaupt an Selbstvertrauen im Auftreten vor internationalem Publikum. Langfristige Anstrengungen galten daher der Steigerung von Quantität und Qualität der von DDRTeilnehmern gehaltenen Kongressvorträge, ihrer Gewandtheit in Diskussionen. Der Übung und Prüfung von Vortragenden dienten zunächst institutsinterne Präsentationen. Doch wurden zunehmend überregionale Treffen veranstaltet wie die Nachwuchstagung der Gesellschaft für Psychologie im Mai 1979 in Greifswald und der vom Wissenschaftlichen Rat für Psychologie zum 30. Jahrestag der DDR ausgeschriebene Wettbewerb. Der 5. Kongress der DDR-Gesellschaft wurde 1979 – ein Jahr vor dem Leipziger Kongress – geradezu zur „Generalprobe“ für das große internationale Treffen. Das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen teilte dazu im Mai 1978 mit: Der V. Kongreß der Gesellschaft für Psychologie im Februar 79, der ohne internationale Beteiligung stattfinden wird, hat vor allem die Funktion, eine Bilanz der in der DDR in Vorbereitung des Internationalen Kongresses erbrachten wissenschaftlichen Leitungen zu ziehen und auf die bis zum Kongreß noch notwendigen Arbeiten hinzuweisen.3
Und die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED informierte im Juli 1979: Einen wichtigen Abschnitt in der Vorbereitung auf den Weltkongreß bildete der 5. Kongreß der Gesellschaft für Psychologie in der DDR. Er wurde zur umfassenden Information über die Programmgestaltung genutzt und zeigte, daß die Psychologen unserer Republik mit theoretisch guten und praxiswirksamen Leistungen aufwarten können. Der weiteren inhaltlichen und kollektiven Kongreßvorbereitung dienen … die Tagungen des Wissenschaftlichen Rates. … Im September werden auf der Tagung des Wissenschaftlichen Rates Forschungsleistungen vorgestellt, die im Wettbewerb zum 30. Jahrestag der DDR abzurechnen sind. 4
Sogleich nach Annahme der Kongresseinladung im Jahre 1972 wurden die Fachsektionen der Gesellschaft für Psychologie der DDR ermuntert, auf ihren Gebieten Sympo-
3 BArch DR 3 2. Schicht B 1473-3a. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Information zum Stand der Vorbereitungen auf den XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 07. - 14. Juli 1980 in Leipzig vom 19. 5. 1978. 4 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitungen des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6. - 12. Juli 1980 in Leipzig (Ergänzung zur Information vom 23. 11. 1978) vom 16. 7. 1979.
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sien u. Ä. zu organisieren.5 Die Folge waren Fachkonferenzen mit internationaler Beteiligung, die einen weiteren Schwerpunkt der fachlichen Vorbereitung bildeten. Prinzipiell sollte die Teilnahme eine aktive sein; alle Teilnehmer der Symposien sollten selbst vortragen. Maximal die Hälfte der Plätze war für Teilnehmer aus dem westlichen Ausland vorgesehen. So wurden gegenüber der Internationalen Union aufgeführt:6 x Symposium „Organismische Informationsverarbeitung“ x Symposium „Biochemische, neurologische und physiologische Grundlagen des Gedächtnisses“ x Symposium „Sprachproduktion und Sprachverstehen“ x Symposium „Emotion, Motivation und Verhalten“ x Internationales Wundt-Symposium. Die Fachgruppe Klinische Psychologie, die in der DDR mit mancherlei ideologisch bedingten Hemmnissen zu kämpfen hatte, nahm mit besonderer Bereitwilligkeit die Gelegenheit zu Treffen war, bei denen sie sich – auch unter Mitwirkung von Experten aus dem Westen – mit neu aufkommenden und im Westen inzwischen verbreiteten Therapierichtungen auseinandersetzen konnte. Dazu gehörte die Verhaltens- und Gesprächstherapie, ja sogar die sonst im Ostblock verpönte Psychoanalyse. Zu nennen sind demnach aus dem Bereich der Klinischen Psychologie weiterhin die folgenden Veranstaltungen: x Psychotherapiekongress in Erfurt 1974 x Ostseesymposium in Warnemünde 1974 x Tagung zu theoretischen und ideologischen Problemen der Klinischen Psychologie in Kühlungsborn 1978 x Ostseesymposium 1978. Diese Tagungen führten fort, was im Jahre 1970 in der DDR bei der Psychotherapietagung in Kühlungsborn begonnen hatte. Sie widmeten sich „Studien, die sich vorrangig mit den weltanschaulichen und persönlichkeitstheoretischen Voraussetzungen bestimmter Richtungen des psychotherapeutischen Vorgehens auseinandersetzen“ sowie die „eingehende Analyse sowohl der theoretischen Implikationen als auch der methodischen Hauptrichtungen in der Psychotherapie in kapitalistischen Ländern“.7 Die Verantwortung für die fachliche Kadervorbereitung lag bei der Gesellschaft für Psychologie der DDR, die die Aufgabe der Weiterbildung hatte. So stellte das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen fest: … finden unter Verantwortung der Gesellschaft für Psychologie der DDR auf psychologischen Teilgebieten (Arbeits- und Ingenieurpsychologie, Klinische Psychologie, Allgemeine Psychologie und Psychophysiologie) weitere kleinere Tagungen mit Beteiligung ausgewählter Gäste aus sozialistischen und kapitalistischen Ländern statt, die vor allem dem Ziel dienen, den Nachwuchskadern in Vorbereitung
5 Rösler, Hans-Dieter. Mündliche Mitteilung vom 29. 11. 2007. 6 Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly´s Executive Committee at Mont Gabriel, Quebec, Canada, July 25-28, 1974. 7 Thom, A. (1980). Weltanschauliche Aspekte der klinischen Psychologie. Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 28, 473-482 (S. 480).
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Kapitel 5 des Kongresses Bewährungsmöglichkeiten in politischer, fachwissenschaftlicher und sprachlicher Hinsicht zu schaffen.8
Die geringen Fremdsprachenkenntnisse der DDR-Teilnehmer wurden ebenfalls als Problem gesehen. Zwar war Deutsch als Kongresssprache zugelassen. Doch eine Verständigung mit zahlreichen ausländischen Teilnehmern, welche die DDR nicht nur als guten Gastgeber, sondern auch als Modell eines zukunftsweisenden Staates erleben sollten, war nur über das Englische möglich. Die überwiegend geringe Vertrautheit der Teilnehmer aus der DDR mit dieser Sprache trug zur Sorge um das Gelingen des Kongresses bei. Es wurden daher Sprachlehrgänge angeboten – vorwiegend wohl für herausragende Mitglieder der Kongressleitung, aber auch für deren Ehefrauen, denen Repräsentationsaufgaben zugedacht waren. Das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen stellte hierzu in seinen oben genannten Kongressinformationen vom Juni 1978 fest: Für einen Teil der in die Vorbereitung und Durchführung verantwortlich einbezogenen Kader ist eine zusätzliche sprachliche Qualifizierung erforderlich (insbesondere in Englisch). Es ist zu sichern, daß für die Durchführung von 2-3 Intensivlehrgängen im Jahre 1979 im Bereich des Hochschulwesens die dafür erforderlichen Plätze zur Verfügung gestellt werden (20-30 Plätze).9
Tatsächlich bestätigte die Abteilung Wissenschaften im November 1978 die Verfügbarkeit von „ca. 35 Plätze[n] für die Sprachintensivausbildung“.10 In der Reihe der Vorkonferenzen nahm das Wundt-Symposium eine herausragende Stellung ein. Deshalb ist dieser Veranstaltung nachfolgend ein eigener Abschnitt gewidmet. Es fand zum hundertsten Jahrestag der Gründung des Leipziger Psychologischen Laboratoriums vom 31.10. - 2.11.1979 in Leipzig statt. WUNDT-SYMPOSIUM Das Internationale Wundt-Symposium fand vom 31. Oktober bis 2. November 1979 an der Karl-Marx-Universität in Leipzig statt. Mit dem Symposium sollte des hundertsten Jahrestages der Eröffnung des Psychologischen Laboratoriums an der Universität Leipzig im Jahre 1879 gedacht werden. Das Problem der Terminierung jener Laborgründung auf das Jahr 1879 blieb dabei außer Betracht (s. Kapitel 2, S. 71). Der Veranstaltung fiel eine wichtige Rolle im Vorfeld des Leipziger Kongresses zu. War doch der Kongress für 1980 nach Leipzig mit der Begründung eingeladen worden, es sei mit je-
8 BArch DR 3 2. Schicht B 1473-3a. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Information zum Stand der Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 19. Mai 1978. 9 a. a. O. 10 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 23. 11. 1978. Kossakowski, Adolf. Mündliche Mitteilung vom 23. 7. 2007.
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nem Jubiläum die Gründung des ersten psychologischen Instituts der Welt, ja das hundertjährige Bestehen der modernen Psychologie zu feiern. Der Gedanke an das gemeinsame fachhistorische Jubiläum mag im Westen politische Bedenken gegen Leipzig als Austragungsort im Ostblock zurückgedrängt haben; die Erinnerung an Wundts epochale Tat hat der Einladung aus der DDR wohl breite Unterstützung gesichert. Für Parteigänger der SED war die weltweite Solidarisierung mit der von Wundt begründeten Tradition freilich ambivalent. Auf der einen Seite konnte der neu entstandene Staat die daraus erwachsende Sympathie als Anerkennung für sich selbst in Anspruch nehmen. Auf der anderen Seite verwies die internationale Solidarität auf historische Gemeinsamkeiten des sozialistischen Staates mit anderen, ihm politisch nicht gewogenen Staaten. Dieser Ambivalenz suchte die sozialistische Ideologie zu entgehen, indem sie ihr „progressives Erbe“ geltend machte. Der Begriff des progressiven Erbes bedeutete zweierlei: Erstens, die Annahme fortschrittlicher Komponenten in historischen Personen und Ereignissen, derer sich Sozialisten bewusst sind, während sie Anderen entgehen. Zweitens, die im Sozialismus den gesellschaftlichen Fortschritten gemäße Fortentwicklung historischer Ansätze, die außerhalb des sozialistischen Einflussbereiches nicht gelungen sind. Der Leipziger Professor Hans Hiebsch erklärte jedenfalls an hervorgehobener Stelle: „Wir zählen … WILHELM WUNDT [Anmerkung: Kapitälchen im Original] unabdingbar zu unseren Ahnen.“11 Das Wundt-Symposium war organisiert von Wolfram Meischner und Annerose Metge, die im Interdisziplinären Arbeitskreis „Wundt-Forschung“ der Universität Leipzig zusammenarbeiteten. Der Arbeitskreis hatte bereits drei interdisziplinäre Kolloquien veranstaltet, das letzte am 2. Juni 1977.12 Auch der Wissenschaftliche Rat für Psychologie war an der Vorbereitung des Symposiums beteiligt. Dozent Dr. Meischner erstattete dem Vorstand des Rates in seinen Sitzungen am 6.2. und 30.5.1979 Bericht, und der Rat diskutierte die „Wundt-Ehrung“ sowie die „Darstellung des Wundt-Bildes auf dem Kongreß“. Das geplante Wundt-Symposium in Leipzig erklärte der Rat zum „Schwerpunkt der kommenden Anstrengungen“.13 Für den 27.9.1979 war zur Vorbereitung des Wundt-Symposiums ein gemeinsames Kolloquium der Sektion Psychologie
11 Hiebsch, Hans (1979). W ILHELM W UNDT und die Anfänge der experimentellen Psychologie – Zur Jahrhundertfeier des ersten psychologischen Laboratoriums der Welt in Leipzig. Probleme und Ergebnisse der Psychologie, 71, 5-18 (S. 18). 12 Rektor der Karl-Marx-Universität (Hrsg.). (1978). Beiträge zur Wundt-Forschung I und II. Leipzig: Wissenschaftliche Beiträge der Karl-Marx-Universität. HUBA GPs-DDR 783. III. Interdisziplinäres Kolloquium des Arbeitskreises Wundt-Forschung an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Einladung vom Mai 1977. 13 BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 6. 2. 1979 vom 21. 2. 1979. BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 30. 5. 1979 in Greifswald vom 30. 5. 1979.
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Kapitel 5
der Karl-Marx-Universität sowie des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates angesetzt.14 In seiner Sitzung am 6. 12. 1979 nahm dann der Vorstand des Wissenschaftlichen Rates „eine Würdigung des Internationalen Wundt-Symposiums“ vor.15 Welche Konsequenzen die Befassung des Rates für die Planung und Durchführung für die Veranstaltung im Jahre 1979 hatten, welche Konsequenzen aus den Erfahrungen mit dem Symposium für den nachfolgenden Internationalen Kongress im Jahre 1980 gezogen wurden, ist den vorliegenden Dokumenten nicht zu entnehmen. Im Übrigen trat der Wissenschaftliche Rat mit seinen maßgeblichen Mitgliedern beim Symposium selbst nicht mehr in Erscheinung. An dem Internationalen Wundt-Symposium 1979 haben etwa 120 Personen teilgenommen. Sie kamen aus der DDR und vierzehn weiteren Ländern; sechs Teilnehmer aus den USA bildeten die größte ausländische Delegation. Der Tagungsband enthält vierzig Beiträge in deutscher, englischer und russischer Sprache. Die Beiträge gliedern sich in drei Themenkreise: x Wilhelm Wundt und die Psychologie x Wilhelm Wundt und die nationale Entwicklung der Psychologie x Wilhelm Wundt und die Wissenschaften. In ihrem Vorwort zum Tagungsband erläuterten die Organisatoren ihre Zielsetzung: Dem progressiven Erbe unserer Wissenschaft verpflichtet, einte die Teilnehmer das Bestreben, im schöpferischen Meinungsstreit historisch Gültiges und Bleibendes herauszuarbeiten und so einen Beitrag zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig zu leisten.16
Die Lektüre des Tagungsbandes vermittelt den folgenden Eindruck: Es war eine Reihe von Fachleuten versammelt, die, aus unterschiedlichen Fachrichtungen stammend, sich mit unterschiedlichen Forschungsinteressen dem Tagungsthema genähert haben. Kontroversen wurden nicht dokumentiert; es ergibt sich das Bild eines toleranten Nebeneinanders. Was die Autoren des Vorworts als „schöpferischen Meinungsstreit“ bezeichnet haben mögen, erschließt sich lediglich aus anderen Quellen (s. u.). Jedenfalls verbergen sich unter dem Begriff „Meinungsstreit“ kontroverse Deutungen der Person und des Werks von Wundt. Dabei ist kein Ost-West-Gegensatz erkennbar, der zu irgendwelchen offenen Konflikten Anlass gegeben hätte. Wer also mit Bangen der Begegnung von Wissenschaftlern aus den beiden politischen Lagern entgegen gesehen haben mochte, konnte sich angesichts des akademisch-sachlichen Ablaufs des Symposiums
14 BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rats für Psychologie am 4. 7. 1979 in Berlin vom 30. 7. 1979. 15 BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 6. 12. 1979 in Berlin vom 4. 1. 1980. 16 Rektor der Karl-Marx-Universität (Hrsg.). (1980). Wilhelm Wundt – Progressives Erbe, Wissenschaftsentwicklung und Gegenwart. Leipzig: Wissenschaftliche Beiträge der Karl-Marx-Universität.
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beruhigen – insofern im Hinblick auf das bevorstehende große Treffen im Jahre 1980 ein gutes Omen. Die Person und das Denken Wundts waren durchaus geeignet, die Geister zu scheiden. Die Konflikte, die daraus erwuchsen, beschwerten niemanden mehr als die am Marxismus-Leninismus Orientierten unter den Gastgebern. Zwar gab es im Leben und Werk Wundts Anteile, welche das Land mit seiner neuen marxistisch-leninistischen Staatsdoktrin stolz seinem eigenen Erbe zurechnen konnte: Die politische Orientierung des jungen Wundt – sein Eintreten als liberaler Politiker für die deutsche Demokratie, die Sozialbewegung, die Arbeiterbildung; die wissenschaftstheoretische Orientierung, die in Wundts experimenteller und physiologischer Psychologie zutage trat – sein Eintreten für die empirische Methodik, für den Monismus, Materialismus und Evolutionismus. Doch dann gab es in Leben und Werk Wundts weitere Anteile, und die vertrugen sich nicht mit einem marxistisch-leninistischen Ansatz: Schon mit seinen Vorlesungen zur Menschen- und Tierseele, ganz entschieden aber mit seiner Völkerpsychologie, hatte sich Wundt der idealistischen Seelenauffassung zugewandt. Seele analysierte er als ein Einzelwesen, das sich gemäß eigener Logik bis hin zu kollektiven Erscheinungsformen entfaltet. Der späte Wundt vertrat öffentlich nationalistische Thesen – so zur Schuld Englands am Ersten Weltkrieg und zur Schuld der Sozialdemokratie an der Niederlage des Deutschen Reiches. Und schließlich: Wundt wollte Psychologie als Disziplin der Grundlagenforschung bewahren; er wandte sich mehrfach gegen Unternehmungen zu ihrer praktischen Anwendung, insbesondere im Schulunterricht. Wissenschaftstheoretisch und weltanschaulich begründete Kritik an Wundt ist DDR-intern offen geäußert worden.17 Während des Wundt-Symposiums enthielten sich freilich die Vertreter des Faches Psychologie jedweder fundamentaler Kritik. Alle Gastgeber einte der Willen, Wundt als historische Geistesgröße, die mit der Stadt Leipzig, die nun zur DDR gehörte, eng verbunden war und die in der Welt hohes Ansehen genoss, für die DDR zu reklamieren; vorrangig war also das Motiv, das Ansehen der DDR zu mehren. Es blieb einem Mitarbeiter des Zentralinstituts für Philosophie der Akademie der Wissenschaften vorbehalten, mit Wundts Denken hart ins Gericht zu gehen: Wundts spekulative psychologistisch-voluntaristische Metaphysik gab der Psychologie keine wissenschaftliche Orientierung, wie sie der Verfasser beabsichtigt hatte, sie negierte oder ignorierte das Wesen des Psychischen: den Widerspiegelungscharakter, das Wesen psychischer Erscheinungen als Entwicklungsprodukt und Funktion des Zentralnervensystems und des Gehirns, den reflektorischen Charakter des Psychischen und nicht zuletzt die Funktion des Psychischen als Tätigkeitsregulation. 18
17 Meischner, Wolfram & Eschler, Erhard (1979). Wilhelm Wundt. Leipzig: Urania Verlag. Sprung, Lothar (1979). Wilhelm Wundt – Bedenkenswertes und Bedenkliches aus seinem Lebenswerk. In Georg Eckardt (Hrsg.), Zur Geschichte der Psychologie (S. 73-84). Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften. Arnold, A. & Meischner, Wolfram (1980). Wilhelm Wundt – Psychologie und Philosophie im Widerstreit. Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 28, 496-504. 18 Arnold, A. (1980). Wundts Philosophie und Psychologie im Widerstreit. In Rektor der Karl-MarxUniversität Leipzig (Hrsg.), Wilhelm Wundt – Progressives Erbe, Wissenschaftsentwicklung und Gegenwart (S. 316 -322). Leipzig: Wissenschaftliche Beiträge der Karl-Marx-Universität (S. 322).
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An die Kritik schloss sich aus dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen der Leiter der Abteilung Gesellschaftswissenschaften, Heinz Burkhardt, an, als er gegenüber dem Stellvertreter des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen, Prof. Gerhard Engel, nach der Veranstaltung eine Klärung anmahnte: Das Symposium wies ein insgesamt gutes Niveau auf. Die DDR-Beiträge hielten diesem Niveau stand, ließen aber auch erkennen, daß die Entwicklung eines marxistischen Wundt-Bildes noch weiterer Verstärkung der interdisziplinären Arbeit von Psychologen, Philosophen und Historikern unserer Republik sowie des Meinungsstreits unter den DDR-Psychologen selbst bedarf. (Die aktive Teilnahme einiger DDR-Philosophen an den Diskussionen des ersten Tages ließ erkennen, daß von dieser Seite wirksame Unterstützung zu erwarten ist.) 19
Der Leipziger Professor Günter Clauß hat in seiner Eigenschaft als Stellvertretender Direktor für Forschung der Leipziger Psychologiesektion am 10. 11. 1979 über das Wundt-Symposium einen Bericht geschrieben. Darin betonte er – mit Blick auf den bevorstehenden Internationalen Kongress 1980 – das Gelingen der Organisation und das gute Einvernehmen mit den ausländischen Teilnehmern: Die Leipziger Veranstaltungen zur Wundt-Ehrung waren ein voller Erfolg und berechtigen zu optimistischer Zuversicht für den Weltkongreß. … Es gab keinerlei Provokationen. Bei den Gästen aus kapitalistischen Staaten wurde Verständnis, teils bewundernde Anerkennung für Errungenschaften unseres sozialistischen Staates geweckt. 20
Dem Auftreten der Referenten aus der DDR schenkte der Bericht von Clauß besondere Aufmerksamkeit. Ihre Sachkenntnis hat er gelobt; doch zugleich hat er auf Schwächen ihrer Referate und insbesondere ihrer Diskussionsbeiträge hingewiesen. Um diesen Schwächen bis zum Weltkongress abzuhelfen, schlug Clauß vor: Weitere Sprachkurse, einen Fragenkatalog, „um Argumentationen zu diskutieren, die für Ausländer überzeugend wirken“. Überhaupt: „Wir müssen lernen, unsere Ideologie noch geschickter zu verpacken, und dadurch wirksamer zu verbreiten. Dabei allerdings müssen wir uns davor hüten, aus lauter Rücksicht auf die Ausländer unsere Positionen zu verschweigen oder gar aufzugeben.“ 21 Dem Bericht ist weiterhin zu entnehmen: Die Leipziger Fachvertreter betrachteten das Wundt-Vermächtnis als ihre Domäne und fürchteten dabei die Gründung einer Stiftung für Wundt-Forschung an der Universität Heidelberg. Bereits im Mai 1979 hatte der Vorstand des Wissenschaftliches Rates die „Tatsache, daß in der BRD ein WundtBuch erscheint“22 zum Anlass genommen, auf die Notwendigkeit hinzuweisen, dass
19 BArch DR 3 2. Schicht 2896. Schriftliche Mitteilung von Heinz Burkhardt an Prof. Engel. Information über das Internationale Wundt-Symposium vom 31. 10.-2. 11. 79 an der KMU vom 5. 11. 1979. 20 BArch DR 3 2. Schicht 2896/HUBA GPs-DDR 783. Clauß, Günter. Auswertung des Wundt-Symposiums (31. 10. bis 2. 11. 1979) und Schlußfolgerungen für die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses vom 10. 11. 1979. 21 a. a. O. 22 Gemeint ist vermutlich das 1979 in Druck befindliche englischsprachige, jedoch von einem Verlag mit Hauptsitz in Göttingen herausgebrachte Werk: Bringmann, Wolfgang G. & Tweney, Ryan D. (1980). Wundt Studies. Toronto: Hogrefe.
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„die DDR-Psychologen auf beiden internationalen Veranstaltungen ein verteidigungsfähiges Wundt-Bild vortragen können“ müssten.23 In der Tat hatte sich an der Heidelberger Universität um den Psychologieprofessor Carl Friedrich Graumann ein Kreis von psychologiehistorisch Interessierten gebildet. Diskutiert wurde in diesem Kreis die Wünschbarkeit eines Psychologiearchivs und von Gerätesammlungen; Graumann hat selbst Arbeiten zu Wundt vorgelegt.24 Zudem bestand eine enge Beziehung zwischen Wundt und Heidelberg. Wundt hatte dort das Gymnasium besucht und den Beginn seiner akademischen Karriere absolviert. Die Heidelberger Pläne konkretisierten sich auch unter der Bezeichnung „Archiv für die Geschichte der Psychologie“. In einem Aufruf der Deutschen Gesellschaft für Psychologie zur Archivierung von Nachlässen deutschsprachiger Psychologen aus dem Jahre 1982 ist das Heidelberger Archiv mit dem Zusatz „mit einer Sammelstelle für alte Geräte“ erwähnt. Doch hat das Unternehmen keine finanzielle Förderung erhalten – etwa vonseiten der Heidelberger Universität oder der Deutschen Forschungsgemeinschaft – und wurde nach wenigen Jahren aufgegeben. Zu keiner Zeit hat es in Heidelberg Pläne für ein historisches Forschungszentrums gegeben, erst recht nicht für ein auf die Person und das Werk von Wundt fixiertes Zentrum.25 Die Vorstellung von einem Heidelberger Wundt-Forschungszentrum war demnach unrealistisch. Möglicherweise entstand sie aus einer generell herrschenden Furcht vor einem Verdrängungswettbewerb mit der Bundesrepublik, wie sie schon bei der Einladung zum Internationalen Kongress nach Leipzig eine Rolle gespielt hatte (s. Kapitel 2, S. 70). In der Annahme jedenfalls, es habe ein Wettbewerb zwischen Forschungsstätten stattgefunden, erkannte Clauß in seinem oben genannten Bericht über das WundtSymposium der Leipziger Forschungsgruppe den Sieg über die Heidelberger Kollegen zu; das habe das Treffen in allseits überzeugender Weise ergeben: Ein sehr bedeutsames politisch-ideologisches Ergebnis des Symposiums besteht darin, daß die Gäste aus dem kapitalistischen Ausland, insbesondere aus der BRD, klar erkannt haben, daß Leipzig der einzige Ort ist, in dem aktiv und gegenwartsbezogen das klassische Erbe und die Tradition Wilhelm Wundts bewahrt und gepflegt wird. Heidelberg als potentielle Konkurrenz ist praktisch ausgeschieden. Vielen Gästen wurde erst hier bewußt, was sozialistische Traditionspflege bedeutet. 26
23 BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 30. 5. 1979 in Greifswald vom 30. 5. 1979. 24 Graumann, Carl Friedrich (1980). Experiment, Statistik, Geschichte: Wundts erstes Heidelberger Programm einer Psychologie. Psychologische Rundschau, 31, 73-83. 25 Deutsche Gesellschaft für Psychologie (1982). Nachlaßarchive der deutschsprachigen Psychologen: Ein Aufruf. Psychologische Rundschau, 33, 322-323. Kruse-Graumann, Lenelies. Mündliche Mitteilung vom 24. 11. 2008. Gundlach, Horst Ulrich. Schriftliche Mitteilung vom 25. 11. 2008. 26 BArch DR 3 2. Schicht 2896/HUBA GPs-DDR 783. Clauß, Günter. Auswertung des Wundt-Symposiums (31. 10. bis 2. 11. 1979) und Schlußfolgerungen für die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses vom 10. 11. 1979.
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Kapitel 5
TREFFEN VON PSYCHOLOGEN AUS SOZIALISTISCHEN LÄNDERN Die „gute und ständige Abstimmung mit den leitenden Psychologen der Gesellschaft für Psychologie in der UdSSR“ sowie die Verbindung „zu allen anderen Gesellschaften für Psychologie in den sozialistischen Ländern“27 war eine ständige Sorge der Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED. Bereits seinen Beschluss zur Einladung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 nach Leipzig hatte das Zentralkomitee der SED mit der Erwartung begründet, „den Psychologen der DDR, der UdSSR und der anderen sozialistischen Länder Gelegenheit zu geben, die Positionen der dialektisch und historisch materialistisch begründeten Psychologie auszubauen und die Ergebnisse ihrer Forschungen zu demonstrieren“.28 Die gewünschte Abstimmung mit der Sowjetunion erfolgte wohl vorwiegend informell zwischen den Professoren Klix und Lomow, die ein freundschaftliches und kollegiales Verhältnis verband. Lomow hatte noch vor Erscheinen von „Information und Verhalten“ (Klix, 1971) für dessen Übersetzung ins Russische gesorgt; Lomows „Ingenieurpsychologie“ war an der Berliner Sektion Psychologie ins Deutsche übersetzt worden. 29 Im Übrigen diente Sydows Besuch an der Akademie der Wissenschaften in Moskau (s. Kapitel 4, S. 132) im November 1979 als Beleg für die gute Zusammenarbeit.30 Über die sowjetisch-deutsche Sonderbeziehung hinaus gab es ständige Kontakte zu Psychologen aus sozialistischen Ländern. Über persönliche Begegnungen hinaus gab es mindestens drei größere organisierte Treffen: x Beratung der Leiter psychologischer Einrichtungen sozialistischer Länder im Dezember 1976 in Moskau, x Beratung der Leiter psychologischer Einrichtungen sozialistischer Länder im Oktober 1979 in Warschau, x Arbeitsberatung von Psychologen sozialistischer Länder in Potsdam im März 1978. Die beiden Treffen der Institutsleiter sind im Bericht über die Potsdamer Tagung erwähnt. Protokolle oder andere Berichte darüber liegen aber nicht vor. Bereits beim ersten Treffen der Institutsleiter 1976 in Moskau sollen regelmäßige Konsultationen vereinbart worden sein. Ihre Ziele bestanden in x der Erörterung grundlegender theoretischer und methodologischer Probleme der Weiterentwicklung der Psychologie in den sozialistischen Ländern,
27 BArch DY 30 741. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitungen des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6. - 12. Juli 1980 in Leipzig (Ergänzung zur Information vom 23.11.1978) vom 16. 7. 79. 28 BArch DY 30 2208, Bl. 74-79. Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin/Abteilung Wissenschaften des ZK. Vorlage für das Sekretariat des Zentralkomitees der SED. Betreff: Einladung der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaft (IUPS) zur Durchführung des 22. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig vom 27. 7. 1972. 29 Klix, Friedhart (1971). Information und Verhalten. Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften. Lomow, Boris F. (1964). Ingenieurpsychologie. Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften. 30 BArch DY 30 7481. SED-Sekretariat Abt. Wissenschaften. Zur Teilnahme der sowjetischen Delegation am XXII. Internationalen Psychologenkongreß vom 15. 7. 1980.
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x der Darstellung von Ergebnissen und Methoden der psychologischen Forschung, die insbesondere die Wirksamkeit der Psychologie beim weiteren Aufbau der sozialistischen Gesellschaft verstärken können, und x der Beratung von Möglichkeiten für die Intensivierung der Zusammenarbeit und für eine Koordinierung der Forschung von Psychologen sozialistischer Länder. 31 Die Arbeitstagung in Potsdam stand in einer langfristigen Perspektive. Sie setzte nicht nur die früheren Treffen fort, sondern diente auch der weiteren Terminplanung. Arbeitsberatungen von Psychologen aus sozialistischen Ländern sollten auch nach 1980, d. h. nach dem Leipziger Kongress, fortgesetzt werden. Geplant wurden während des Potsdamer Treffens Wiederholungen im Fünf-Jahres-Turnus. Gegenüber der sowjetischen Delegation wurde der Wunsch geäußert, die zweite Konferenz 1982 oder 1983 in der Sowjetunion durchzuführen. Dazwischen sollten Symposien zu ausgewählten Themen (u. A. Persönlichkeitsentwicklung im Kollektiv, methodologische Probleme der Sozialpsychologie) stattfinden. Zugleich hatte die Arbeitsberatung in Potsdam eine kurze Perspektive. Sie war ein fester Bestandteil der Kongressvorbereitung. Bereits die Kongresskonzeption vom 12. 7.1977 kündigt eine Erste Konferenz von Psychologen sozialistischer Länder in Potsdam an – „im brüderlichen Zusammenwirken sozialistischer Länder unter Führung der Sowjetunion“.32 Am 7.6.1978 nahm das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen einen Bericht über das Potsdamer Treffen auch daher mit Befriedigung entgegen, weil dadurch „erste Voraussetzungen geschaffen“ worden seien, „daß die Psychologie der sozialistischen Länder ein größeres Gewicht erhalten wird als auf den vorangegangenen Kongressen“.33 Die Arbeitsberatung der Psychologen sozialistischer Länder fand vom 13. bis 17. März 1978 in Potsdam statt. Laut Abschlussbericht haben 118 Wissenschaftler aus neun Ländern daran teilgenommen, und zwar aus dem Gastgeberland und den Sowjetrepubliken sowie den Republiken Bulgarien, Kuba, Polen, Rumänien, Tschechoslowakei, Ungarn und Vietnam. Vertreter der Mongolischen Volksrepublik waren korrespondierend beteiligt. Das wissenschaftliche Programm umfasste Plenarvorträge, Podiumsgespräche sowie acht Symposien. Daneben gab es ein Konzert im Schlosstheater, eine Besichtigung der Gedenkstätte Cecilienhof sowie einen Empfang des Vizepräsidenten der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR.
31 Institut für Pädagogische Psychologie der APW. Abschlußprotokoll zur Arbeitsberatung von Psychologen sozialistischer Länder vom 13. bis 17. März 1978 in Potsdam (DDR). 32 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliche Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR (bestätigt am 12. 7. 1977). Revidierte Fassung: BArch DC 20/I 4, 3837, Bl. 17-29. Wissenschaftspolitische Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR. (Ein längerer Auszug befindet sich als Materialie C auf S. 316.) 33 BArch DR 3 2. Schicht B 1473-3a. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Festlegungen des Ministers in der Dienstbesprechung vom 7. Juni 1978. BArch DR 3 2. Schicht B 1473-3a. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Information zum Stand der Vorbereitungen auf dem XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 7.-14. 7. 1980 in Leipzig vom 19. 5. 1978.
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Verantwortlich für die Organisation der Arbeitsberatung zeichnete die Gesellschaft für Psychologie der DDR. Doch ruhte die Last der Organisationsarbeiten auf dem Vorsitzenden der Gesellschaft, Prof. Kossakowski, sowie auf Prof. Lompscher, die beide dem Institut für Pädagogische Psychologie der Akademie für Pädagogische Wissenschaften angehörten. Praktisch hat also das Akademieinstitut die Tagung ausgerichtet.34 Das Programm bot offensichtlich einen Querschnitt durch die Forschungsaktivitäten der beteiligten Länder. Es gab einige Beiträge mit programmatischer Zielsetzung, etwa Lomows Einleitungsreferat „Über Entwicklungswege der Psychologie“. In der Regel berichteten die Teilnehmer über ihre aktuellen Forschungsprojekte und -interessen. Dabei waren Probleme der Anwendung stärker vertreten als Grundlagenprobleme; einen deutlichen Schwerpunkt bildeten Unterrichts- und Erziehungsprobleme. So befanden sich beispielsweise im Programm die folgenden Vortragstitel: x Psychologische Faktoren der Kraftfahrerzuverlässigkeit x Ausbildung der Lerntätigkeit durch Aufsteigen vom Abstrakten zum Konkreten x Selbstsicherheit und Rückinformation als Motivierungsfaktor des Schullernens x Über die Beziehungen zwischen Psychodiagnostik und Psychotherapie x Semantische Relationen und Gedächtnisstrukturen.35 Zu den von politischer Seite der Veranstaltung zugedachten Zielen gehörte die ideologische Zurüstung von Kongressteilnehmern aus dem sozialistischen Lager, ihre Verpflichtung auf einen gemeinsamen „Kampfauftrag“. War die DDR-Psychologie innerhalb des Ostblocks eine eher weltoffene und liberale Gemeinde, so konnte man aus den kleineren Psychologenverbänden des Ostblocks mehr engstirnige Parteiorthodoxie erwarten. Tendenzen zur stärkeren Politisierung des Internationalen Kongresses in Leipzig hätten dessen Veranstalter durchaus in Verlegenheit gebracht. Denn die Kongressleitung verfolgte im Interesse einer breiten internationalen Akzeptanz das Ziel der Entpolitisierung (s. Kapitel 2, S. 66, Kapitel 4, S. 148). Bestand ein solcher Interessengegensatz, drohte die Potsdamer Arbeitsberatung zu einem Forum zu werden, das eine Politisierung des Internationalen Kongresses einleitete und damit Risiken für seine Akzeptanz im Westen heraufbeschwor. Wollte man dann eine solche Politisierung verhindern, drohte dagegen ein offener Konflikt unter den in Potsdam Versammelten, welcher der Akzeptanz des Internationalen Kongresses in östlichen Ländern unzuträglich gewesen wäre. War in Potsdam tatsächlich ein politischer Eklat zu befürchten gewesen? Friedhart Klix legt diese Vermutung in seinen Erinnerungen nahe. Er beschreibt eine „kritische Sitzung des Vorbereitungskomitees“ unter Anwesenheit von Vertretern „aus allen östlichen sozialistischen Ländern“. Dabei habe sich Folgendes ereignet:
34 Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR (Hrsg.). Beiträge zur Entwicklung der marxistisch-leninistischen Psychologie in der DDR (2 Teile) (Informationsmaterial zur Arbeitsberatung von Psychologen sozialistischer Länder im März 1978 in Potsdam). Institut für Pädagogische Psychologie der APW. Abschlußprotokoll zur Arbeitsberatung von Psychologen sozialistischer Länder vom 13. bis 17. März 1978 in Potsdam (DDR). 35 Arbeitsberatung der Psychologen sozialistischer Länder, Potsdam 12. – 18. 3. 1978. Programm.
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Da nahm der Vertreter Bulgariens das Wort. Etwa so: Jetzt sei der Augenblick für die marxistischleninistische Psychologie gekommen. Der Kongress müsse den Weg zu einer kommunistischen Psychologie weisen. Das muss allen Anwesenden aus Ländern des Klassengegners klar gemacht werden. Es war ein etwa 20minütiger „Klassenkampftext“. Ich saß neben Boris Lomow, dem Vorsitzenden der Sowjetischen Gesellschaft für Psychologie. Er sah mich fragend an. … Lomow: „Was machen wir jetzt?“ Meine Antwort: Wir müssen jetzt am gleichen Strang ziehen und sagen: „So nicht“. Psychologen … sollen ihre Ergebnisse vortragen und die anwesende wissenschaftliche Kompetenz wird das bewerten. Und so kam es: Lomow ergriff als erster das Wort, ich folgte ihm, der Minister nickte. 36
Im Anschluss an diese Auseinandersetzung soll es – so Klix in seinen Erinnerungen weiter – zu einer erfolglos gebliebenen Intrige gekommen sein, welche seine Ablösung im Amt des Kongresspräsidenten betrieb. Das Zusammentreffen der Mitglieder des Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitees mit Vertretern sämtlicher sozialistischer Psychologen kann sich nur während des Potsdamer Treffens ereignet haben. Bei dem zum Schluss erwähnten Minister handelt es sich wohl um Prof. Engel, den Stellvertreter des Ministers Böhme. Engel war am Eröffnungstag zur Begrüßung der Teilnehmer nach Potsdam gekommen.37 In der Eröffnungssitzung hat laut Programm der Leiter der bulgarischen Delegation, Prof. Pirjow – gleich nach Prof. Lomow, dem Leiter der sowjetischen Delegation – einen Vortrag „Die Psychologie – eine Grundlagenwissenschaft vom Menschen“ gehalten. Enthält dieser Vortrag Hinweise auf Kritik an dem Kongresspräsidenten und die von ihm betriebene Programmplanung? Eine Druckfassung von Pirjows Vortrag ist im Tagungsband enthalten.38 Der Autor bekennt sich darin zur dialektisch-materialistischen Philosophie als methodologische Grundlage „für unsere marxistische Psychologie“. Sodann ergeht er sich in einer peniblen Taxonomie psychologischer Gebiete (darunter z. B. Taubstummenpsychologie). Ein Bezug zum bevorstehenden Internationalen Kongress, gar ein Aufruf zu einer Missionierung der zu erwartenden westlichen Besucher fehlt völlig. Damit ist Pirjows Beitrag repräsentativ für viele der in dem Sammelband abgedruckten Beiträge zum Potsdamer Treffen. Sie beginnen oft demonstrativ mit Maximen aus den Werken von Marx und Lenin; deutlich ist insbesondere bei pädagogisch-psychologischen Referaten die Anlehnung an sowjetische Autoren. Der ideologische Tenor des gesamten Bandes wird zudem in einem von Kossakowski verfassten Vorwort zum Ausdruck gebracht. Eine Textprobe: Natürlich gibt es auch wissenschaftsinterne Faktoren, die die wachsende Rolle der Psychologie bedingen. Eine ganz wesentliche Bedingung ist sicher darin zu sehen, daß die Psychologie in den sozialistischen Ländern ganz bewußt auf der Grundlage des dialektischen und historischen Materialismus, also auf der Grundlage einer Philosophie entwickelt wird, die auf Grund ihrer Bindung an den fortschrittli-
36 Klix, Friedhart (2004). Friedhart Klix. In Helmut E. Lück (Hrsg.), Psychologie in Selbstdarstellungen (Band 4, 168-192). Lengerich: Pabst (S. 180f.) 37 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007. 38 Pirjow, G. (1980). Die Psychologie – eine Grundlagenwissenschaft vom Menschen. In Adolf Kossakowski (Hrsg.), Psychologie im Sozialismus (S. 291-299). Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften.
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Kapitel 5 chen Kampf der Arbeiterklasse an echter Erkenntnis der Gesetzmäßigkeiten in Natur und Gesellschaft interessiert ist und die der Entwicklung der Wissenschaft keine klassenbedingten Schranken setzt.39
Keiner der gedruckten Beiträge, erst recht nicht das programmatische Vorwort Kossakowskis, verweist jedoch unmittelbar auf den Leipziger Kongress; es gibt keine Aufforderung, das bevorstehende wissenschaftliche Treffen zu sozialistischer Propaganda zu nutzen. Philosophisch-ideologischen Einleitungen lassen die Autoren vielmehr fachspezifische Ausführungen folgen, die sie als Vorfassungen für spätere Kongressvorträge zur Diskussion stellten. Erhalten ist überdies eine handschriftliche Aufzeichnung einer Plenumsdiskussion, die während des Potsdamer Treffens, vermutlich zu dessen Abschluss, stattgefunden hat. Auch dieses Dokument enthält keine Hinweise auf Einlassungen auswärtiger Teilnehmer zu ideologischen Fragen sowie auf Kontroversen hierüber.40 Hinweise auf Debatten über die Politisierung des Leipziger Kongresses, gar auf Initiativen zur Ablösung des auf parteipolitische Neutralität bedachten Kongresspräsidenten, fehlen schließlich auch in dem Abschlussprotokoll des Potsdamer Treffens. So mögen einige Fachvertreter der Psychologie aus sozialistischen Ländern, insbesondere solche, die (wie Rumänien unter Ceausescu) weitgehend in Isolation von der internationalen Fachwelt und unter ständigem Druck der Erziehungsministerien ihrer Länder ihrer Tätigkeit nachgingen, die marxistische Lehre oder zumindest die materialistisch-dialektische Rhetorik verinnerlicht haben (oder letztere dürfte zumindest Teil ihrer Selbstdarstellung geworden sein). Doch hat das Potsdamer Treffen sie offenbar nicht zu einer Gruppe geeint, die stark genug war, den Internationalen Kongress in Leipzig in ein Forum für weltanschauliche Propaganda zu verwandeln. Insofern dürfte eine mündliche Einlassung Pirjows, wie sie Klix erinnerte, allenfalls eine Einzelepisode gewesen sein, die keine weiteren Kreise gezogen hat. Insgesamt vermitteln die verfügbaren Dokumente den Eindruck: Die ausländischen Gäste waren erfreut von der Perfektion der Organisation und der Großzügigkeit des Begleitprogramms. Im Übrigen war das Treffen von Psychologen aus sozialistischen Ländern in erster Linie wirklich, was ihr offizieller Titel aussagte, eine Arbeitstagung. Die Teilnehmer waren mehr auf Selbstdarstellung bedacht und auf die Herstellung persönlich vorteilhafter Kontakte. Hinzuzufügen ist: In seiner Heterogenität war das Programm überhaupt wenig geeignet, Solidarisierungen und Kooperationen zu fördern. Das internationale Treffen in Potsdam bot also neben der Darstellung eigener Forschungsprojekte wenig Gelegenheit für den Austausch über politische und gesellschaftliche Anliegen; Kontroversen aller Art war damit vorgebeugt. Die gute Atmosphäre erleichterte es den Veranstaltern wohl, für eine rege Teilnahme am Internationalen Kongress im kommenden Jahr 1980 vonseiten der Volksrepubliken Bulgariens, Polens, Rumäniens, der Tschechoslowakei, selbstverständlich auch der UdSSR und anderer sozialistischer Staaten zu werben. Zu dem im gleichen Jahr 39 Kossakowski, Adolf (1980). Vorwort. In Adolf Kossakowski (Hrsg.), Psychologie im Sozialismus (S. 912). Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften (S. 10). 40 BArch DR 3 2. Schicht 3069. Handschriftliche Aufzeichnungen einer Diskussion während der Arbeitsberatung von Psychologen sozialistischer Länder vom 13. bis 17. März 1978 in Potsdam.
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1979 stattfindenden Wundt-Symposium erging, wie der Entwurf des Abschlussprotokolls ausweist, ebenfalls eine dringende Einladung: Die Vertreter der DDR baten die Vertreter der anderen Länder, eine repräsentative Teilnahme sozialistischer Länder an der Jubiläumskonferenz 1979 anläßlich des 100. Jahrestags der Gründung des psychologischen Laboratoriums an der Leipziger Universität durch Wilhelm Wundt zu gewährleisten. 41
Der Satz wurde allerdings in die Endfassung des Abschlussprotokolls nicht übernommen. Denkbar ist schließlich, dass anlässlich des Potsdamer Treffens vonseiten der Veranstalter Angebote gemacht worden sind, den Besuch des Kongresses durch Erlass von Kongressgebühren oder weitergehende Einladungen zu erleichtern. Derartige Einladungen und Gebührenreduktionen für „assoziierte Teilnehmer“ hat es tatsächlich gegeben (s. Kapitel 7, S. 192). Jedoch waren diese, falls es sie gab, keine offiziellen Themen während des Potsdamer Treffens; in den verfügbaren Unterlagen sind sie jedenfalls nicht dokumentiert. Das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen zeigte sich in seiner Information, die dem Minister bei der Dienstbesprechung am 3. März 197842 vorgelegt wurde, höchst befriedigt über den Ablauf und die Ergebnisse des Potsdamer Treffens. Das Ministerium lobte die hervorragende Organisation vonseiten der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften, das hohe wissenschaftliche Niveau der Symposien und Podiumsgespräche sowie die offene und freundliche Beratungsatmosphäre. Zur Würdigung verwies das Ministerium auf Stellungnahmen von Teilnehmern: Die Arbeitsberatung wurde von einigen Mitgliedern der internationalen Konferenzleitung als historisches Ereignis in der Entwicklung der Psychologie in den sozialistischen Ländern, als Ausdruck für die bereits gut entwickelte internationale Zusammenarbeit der Psychologen sozialistischer Länder, als konkreter Ausdruck ihres internationalistischen Geistes gewertet.
Betont wurden also in erster Linie Organisations- und Leistungsfähigkeit, nicht politische Kampfaufträge. Es wurde der Zusammenhang mit dem Internationalen Kongress in Leipzig hervorgehoben. Die erste Schlussfolgerung lautete, das sozialistische Lager könne und solle mit seiner gewachsenen wissenschaftlichen Effizienz der Begegnung mit den westlichen Teilnehmern selbstbewusst entgegensehen. Erst an zweiter Stelle ist von der Macht der eigenen politischen Grundüberzeugung die Rede: Von allen Delegationen wurde die Auffassung vertreten, daß auf dem Internationalen Kongreß 1980 das gestiegene Leistungsniveau der Psychologie in den sozialistischen Ländern, die einheitliche marxistische Grundposition sowie die enge Verbindung der Psychologieentwicklung mit den gesamtgesellschaftlichen Aufgabenstellungen in unseren Ländern zum Ausdruck kommen müssen.43
41 BArch DR 3 2. Schicht 1247. Institut für Pädagogische Psychologie der APW. Abschlußprotokoll zur Arbeitsberatung von Psychologen sozialistischer Länder vom 13. bis 17. März 1978 in Potsdam (DDR) (1. Entwurf). 42 BArch DR 3 2. Schicht B 1473-2c. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Tagesordnung der 13. Dienstbesprechung beim Minister am 3. 4. 1978. 43 BArch DR 3 2. Schicht B 1473-2c/BArch DR 3 2. Schicht 3068. Information über die Arbeitsberatung von Psychologen sozialistischer Länder vom 13. bis 17. März 1978 in Potsdam (DDR).
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POLITISCHE SCHULUNG Zum Vokabular der SED gehörten die Vokabeln „Klassenstandpunkt“ und „Kampfauftrag“. DDR-Wissenschaftler sollten als parteitreue oder zumindest – das galt für die Parteilosen – als parteikonforme Repräsentanten ihres Landes die ideologischen Prinzipien und politischen Ziele der DDR offensiv vertreten. Zumindest sollten sie davor gefeit sein, sich durch Kongressteilnehmer aus nicht-sozialistischen Ländern für deren Prinzipien und Ziele vereinnahmen zu lassen. Daher wurden Anstrengungen unternommen, die Parteidoktrin bei den DDR-Teilnehmern durch eigene Schulungsveranstaltungen zu stärken. Die Bemühungen konzentrierten sich auf zwei Aufgaben: Erstens, die beschleunigte Entwicklung sozialistischer, „nicht-bürgerlicher“ Ansätze in der Psychologie; zweitens die politisch-ideologische Schulung von Kongressteilnehmern aus der DDR. Die erste Aufgabe war von der SED vor allem den oben beschriebenen Fachkonferenzen zugedacht. Der zweiten waren eigene Schulungsveranstaltungen gewidmet. Nachweisbar sind im Zusammenhang mit dem Internationalen Kongress für Psychologie im Jahre 1980 die folgenden Schulungen: x Politische Schulung für Hochschullehrer, veranstaltet von der Akademie für Gesellschaftswissenschaften im Jahre 1975. x Lehrgang für Kader der Psychologie zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie, 4.-15. Februar 1980 an der Parteischule „Karl Liebknecht“ des Zentralkomitees der SED in Kleinmachnow. x Lehrgänge bzw. andere Veranstaltungen für Angehörige von Universitätssektionen. Hinzuzufügen ist: Für Wissenschaftler in der DDR waren – auch vor und noch ohne Bezug auf den Internationalen Kongress – ideologisch-politische Schulungen verpflichtend. Dazu gehörte auch die in Abständen von fünf Jahren stattfindende Abendschule für Hochschullehrer. Die erste Schulung für Psychologen, die mit der Vorbereitung des Leipziger Kongresses befasst waren, wurde 1975 in den Räumen der Akademie der Wissenschaften am Gendarmenmarkt in Berlin abgehalten. Ein Programm dieser Schulung war nicht mehr aufzufinden. Ein Teilnehmer erinnert sich jedoch: Die Veranstaltung erstreckte sich über drei Wochen; die Teilnehmer waren über die Werktage der Woche in Zweibettzimmern untergebracht. Unterwiesen wurden die Teilnehmer durch Angehörige der Akademie für Gesellschaftswissenschaften, einer Parteiorganisation. Der Zeitzeuge erinnert die Unterweisung als sehr intensiv und direktiv. Einzelne Teilnehmer wurden zu bekennerhaften Beiträgen aufgefordert. Dies sei besonders dann belastend gewesen, wenn man gerade eine berufliche Besserstellung anstrebte und diese nicht durch eine unliebsame Äußerung gefährden wollte.44 Der Lehrgang in Kleinmachnow bei Berlin ist gut dokumentiert. Er fand in den Räumen der Parteischule, Am Hochwald 30, 1532 Kleinmachnow, statt. Der Lehrgang gliederte sich in zwei Abschnitte vom 4.-9. Februar und vom 11.-15. Februar. Über das Wochenende von Freitag, 8. Februar, 12 Uhr bis Montag, 11. Februar, 13 Uhr war eine 44 Rösler, Hans-Dieter. Mündliche Mitteilung vom 29. 11. 2007.
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Heimfahrt vorgesehen. Während ihres Aufenthalts in der Parteischule waren die Teilnehmer in Dreibettzimmern mit WC und Dusche untergebracht; auch die Verpflegung erfolgte in der Schule. Die Unterbringung war kostenlos. Es haben 101 Psychologen teilgenommen, die an der Vorbereitung und Durchführung des Internationalen Kongresses beteiligt waren. Für diese Gruppe bestand die Pflicht zur Teilnahme.45 Die Ziele einer Schulung für ideologische Auseinandersetzungen wurden inhaltlich bereits in der Wissenschaftlichen Konzeption von 1977 dargelegt.46 Doch konkrete Pläne für eigene Veranstaltungen im Zusammenhang mit der Kongressvorbereitung wurden erst im Mai 1978 im Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen erörtert und am 7. Juni 1978 in einer Dienstbesprechung mit Minister Böhme beschlossen.47 Geplant war – nach der entspechenden Mitteilung des Ministeriums – sowohl eine Unterweisungen für Studierende und Assistenten als auch ein Lehrgang für die an der Kongressvorbereitung beteiligten Kader: Es werden Maßnahmen zur gezielten politisch-ideologischen Vorbereitung auf den Kongreß eingeleitet. In Auswertung der guten Erfahrungen der Sektionen für Psychologie der KMU [Anmerkung: KarlMarx-Universität] und HUB [Anmerkung: Humboldt-Universität Berlin] sollen auch an den übrigen Lehreinrichtungen für Mitarbeiter und Studenten Konferenzen und Kolloquien zu weltanschaulichen Grundfragen der marxistischen Psychologie sowie zur Auseinandersetzung mit Grundströmungen der bürgerlichen Psychologie durchgeführt werden. Es ist eine enge Zusammenarbeit mit den Lehrkräften des ML [Anmerkung: Marxismus-Leninismus]-Grundlagenstudiums vorgesehen. … Neben den genannten Maßnahmen sind weitere Schritte zur politisch-ideologischen Qualifizierung der Psychologen in Vorbereitung des Kongresses zu unternehmen. Mit dieser Zielstellung ist geplant, für einen größeren Kreis von Wissenschaftlern, die als Referenten, Betreuer von Symposia und ausländischen Delegationen eingesetzt sind …, im Jahre 1979 einen zentralen Lehrgang unter Verantwortung der Abteilung Gesellschaftswissenschaften des MHF durchzuführen. 48
Die SED hat bis in ihre Untergliederungen insbesondere auf die Schulungsveranstaltung 1980 in Kleinmachnow große Hoffnungen gesetzt und diese in ihren Verlautbarungen stets herausgestrichen. So kündigte das Sekretariat der Bezirksleitung Leipzig am 24. Oktober 1979 an: „Die gezielte politische und wissenschaftspolitische Vorberei-
45 HUBA GPs-DDR 784. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie am Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Schreiben an die Teilnehmer des Lehrgangs an der Parteischule „Karl Liebknecht“ vom 17. Januar 1980. HUBA GPs-DDR 784. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Abschlußeinschätzung des Lehrgangs vom 4. bis 15. Februar 1980 an der Parteischule "Karl Liebknecht" beim ZK der SED vom 15. 2. 1980. 46 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliche Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR (bestätigt am 12. 7. 1977). Revidierte Fassung: BArch DC 20/I 4, 3837, Bl. 17-29. Wissenschaftspolitische Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR. (Ein längerer Auszug befindet sich als Materialie C auf S. 316.) 47 BArch DR 3 2. Schicht B 1473-3a. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Festlegungen des Ministers in der Dienstbesprechung vom 7. Juni 1978. 48 BArch DR 3 2. Schicht B 1473-3a. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Information zum Stand der Vorbereitungen auf dem XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 7.-14. 7. 1980 in Leipzig vom 19. 5. 1978.
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tung auf den Kongreß wird Anfang 1980 mit einem 14tägigen Lehrgang für Kader der Kongreßvorbereitung in Kleinmachnow ihren Höhepunkt finden.“49 Das Ministerium benannte sich in der oben wiedergegebenen Information selbst als verantwortlich. In späteren Dokumenten wurde zusätzlich die Abteilung Wissenschaften beim Zentralkomitee der SED für zuständig erklärt. Darin braucht man keinen Widerspruch zu sehen, da das Ministerium dem Zentralkomitee unterstellt war. Tatsächlich hatte der Wissenschaftliche Rat für Psychologie die Federführung bei der Organisation. Ein Programmentwurf, zu dem noch Ergänzungen angemahnt wurden, lag dem Vorstand des Rates in seiner Sitzung am 6. Februar 1979 vor.50 Eine ausführliche Beratung eines bis dahin fortgeschrittenen Programmentwurfs erfolgte in der Vorstandssitzung am 20. September 1979.51 Festgelegt wurde bei dieser Sitzung die Zuordnung der ersten Lehrgangswoche zur Akademie für Gesellschaftswissenschaften sowie der zweiten Lehrgangswoche zum Wissenschaftlichen Rat. Zum anderen erfolgten weitere Einladungen von Vortragenden mit Themenvorschlägen zur ersten, von der Akademie zu bestreitenden Lehrgangswoche. Die Einladung an die Teilnehmer – man könnte sie auch als Weisung zum Erscheinen deuten – erging vom Wissenschaftlichen Rat für Psychologie.52 Die Vorträge der ersten Woche, an die sich – mit Ausnahme des Eröffnungsvortrags – Aussprachen anschlossen, deckten weite Bereiche der Innen- und Außenpolitik der DDR ab; bildungs- und hochschulpolitische Themen nahmen einen breiten Raum ein. Es schlossen sich außenpolitische und weltanschauliche Themen an; es fehlte auch nicht an Polemik gegenüber politischen Gegnern. Einen Eindruck von dem Spektrum der Vorträge in der ersten Woche sollen die folgenden Beispiele geben: x Ideologische Fragen und aktuelle Aufgaben bei der weiteren Verwirklichung der Hoch- und Fachschulpolitik der SED. x Fragen der weiteren Entwicklung des sozialistischen Bewußtseins und des ideologischen Klassenkampfes. x Der Kampf der kommunistischen und Arbeiterparteien in kapitalistischen Ländern unter den Bedingungen der allgemeinen Krise. x Neue Tendenzen nationalistischer Manipulation der deutschen Geschichte in der BRD. Die erste Woche des Lehrgangs wurde von Dozenten der Akademie für Gesellschaftswissenschaften des Zentralkomitees der SED bestritten. Für einen Vortrag „Zur 49 BArch DY 30 IV B 2/5 1115. SED Bezirksleitung Leipzig. Information an das Sekretariat der Bezirksleitung zum XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie (ICP) vom 6.-12. Juli in Leipzig vom 24. 10. 1979. 50 BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 6.2.1979 vom 21. 2. 79. 51 BArch D R3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 20. 9. 1979 vom 6. 11. 1979. 52 HUBA GPs-DDR 784. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie am Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Schreiben an die Teilnehmer des Lehrgangs an der Parteischule „Karl Liebknecht“ vom 17. Januar 1980.
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Problematik der ‚Menschenrechte’´“ wurden Vertreter des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten hinzugezogen.53 Der Abschlussbericht, den Parteisekretär Mäder verfasste und dem Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Rates über den Sekretär der Gesellschaft für Psychologie der DDR, Jürgen Rückert, zur Gegenzeichnung zuleitete, 54 beschrieb die erste Lehrgangswoche folgendermaßen: Im Zentrum der politisch-ideologischen Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses stand die gründliche Auswertung der Materialien der 11. Tagung des ZK der SED und der Rede des Generalsekretärs der SED, Genossen Honecker, vor den ersten Sekretären der Kreisleitungen. Die Teilnehmer des Lehrgangs haben sich gründlich mit der Verschärfung der internationalen Lage durch die Politik der USA, mit der Notwendigkeit der weiteren Durchsetzung der Politik der friedlichen Koexistenz und mit Grundproblemen des weiteren Aufbaus der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der DDR beschäftigt. In diesem Zusammenhang waren die Lehrveranstaltungen zur weiteren Verwirklichung der Hoch- und Fachschulpolitik der SED, zu Problemen des ideologischen Klassenkampfes, zum nationalen und sozialen Befreiungskampf der Völker Asiens, Afrikas und Lateinamerikas, zu den gegenwärtigen Kampfbedingungen der kommunistischen und Arbeiterparteien in den kapitalistischen Ländern, zur Menschenrechtsdiskussion, zur Manipulierung der deutschen Geschichte in der BRD und zur wachsenden Bedeutung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts für die Verwirklichung der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik eine wertvolle Hilfe für unsere politischideologische Vorbereitung auf die Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie in Leipzig.55
In der zweiten Lehrgangswoche verlagerte sich die Thematik zum Fach Psychologie. Das Wissenschaftliche Vorbereitungskomitee berichtete über die Vorbereitung des Leipziger Kongresses, und der Wissenschaftliche Rat für Psychologie hielt eine Tagung ab. Es gab Zustandsanalysen für ausgewählte, in der DDR favorisierte Anwendungs- und Forschungsgebiete (Klinische Psychologie, Arbeits- und Ingenieurpsychologie, Persönlichkeitspsychologie, Sozialpsychologie, Lernpsychologie) sowie kritische Auseinandersetzungen mit verschiedenen, in der DDR nicht präferierten theoretischen Richtungen (Behaviorismus, Kritische Psychologie, Psychoanalyse). Wohl nur einzelne der als Psychologie-Kritiker auftretenden Dozenten gehörten der Gesellschaft für Psychologie der DDR an; jedoch sind sie alle im Programm als Parteigenossen ausgewiesen. Die Veranstaltung hat bei den Teilnehmern viel Reaktanz erzeugt. Dafür gab es mehrere Gründe. Schon die Verpflichtung zu einer Anwesenheit an zehn Werktagen mag die Arbeitsplanung und das Familienleben vieler Teilnehmer belastet haben. Erschwerend hinzu kam die direktive Ausrichtung insbesondere der ersten Woche, die bereits in den häufig wiederholten Begriffen „Schulung“, „Lehrgang“, „Lehrveranstal53 Programm: Lehrgang in Kleinmachnow mit Kadern der Psychologie zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie. (Das vollständige Programm befindet sich als Materialie F auf S. 329.) 54 HUBA GPs-DDR 784. Brief von Walter Mäder an Jürgen Rückert vom 18. 2. 1980. 55 HUBA GPs-DDR 784. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim MHF und Parteigruppe des Lehrgangs. Abschlußeinschätzung des Lehrgangs vom 4. bis 15. Februar 1980 an der Parteischule "Karl Liebknecht" beim ZK der SED vom 15. 2. 1980.
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tung“ ihren Ausdruck fand. Der Bezug auf die Materialien des Zentralkomitees sowie auf die Grundsatzrede des Generalsekretärs ließ geringen Spielraum für Interpretationen und Diskussionen und schloss die offene Befürwortung alternativer politischer Ansätze völlig aus. Es war dies eine Situation voller Konformitätszwänge und Argumentationsverbote, die nur allzu geeignet war, den Teilnehmern die Macht der Partei und die eigene Ohnmacht vor Augen zu führen. Die aus der Situation erwachsende Reaktanz mag sich selbst dann eingestellt haben, wenn sich die Parteilehre mit eigenen Überzeugungen deckte. Verstärkt wurde sie erst recht durch Zweifel an der Parteidoktrin, gar durch Gegnerschaft dazu. Zwar befanden sich unter den Teilnehmern kaum entschiedene Regimegegner. Doch die Unterweisung durch Parteitheoretiker musste den Parteilosen oder gar oppositionell Gesinnten als schwer erträgliche Indoktrinationsübung erscheinen. Zudem standen einige Beiträge im Gegensatz zu der damals in der DDR aufkommenden Bürgerrechtsbewegung. Die von einem der Redner erläuterte Parteimeinung etwa, Menschenrechte seien nur im Sozialismus zu gewährleisten, ja seien im realen Sozialismus bereits vorbildlich verwirklicht, mag kritisch oder eher oppositionell eingestellte Teilnehmer zum inneren Widerspruch gereizt und nur mit Widerwillen unwidersprochen gelassen haben. Ebenso mag die Aburteilung der „bürgerlich“ genannten Psychologie sowie der Psychoanalyse Manchen missfallen haben, die ein Interesse daran hatten, im Westen erfolgreiche Theorie und Praxis besser kennen zu lernen und im eigenen Land zuzulassen. Es ist nicht zu ermitteln, welchen Einfluss der Lehrgang in der Parteischule in Kleinmachnow auf die Überzeugungen der Teilnehmer ausgeübt hat. Nach Einschätzung von Zeitzeugen haben die Unterweisungen wenig an Meinungsänderung erreicht. Dafür hat sich der Lehrgang vielen Teilnehmer als quälende Zwangsübung eingeprägt. Doch gab es auch Einschätzungen und Relativierungen, welche die Erfahrung der Zwangsunterweisung erträglich machten. Als DDR-Wissenschaftler war man an den Stil von Parteiveranstaltungen geübt und hatte deren geduldiges „Absitzen“ gelernt. Man konnte den Lehrgang als eine unumgängliche Etappe auf dem Weg zu einem erfolgreichen Kongress betrachten. Im Vergleich mit früheren Veranstaltungen für Hochschullehrer – etwa dem ersten Lehrgang von 1975 oder Abendschulen für Hochschullehrer – soll der Lehrgang in Kleinmachnow sich sogar durch eine gewisse Liberalität ausgezeichnet haben. Zudem bot das Treffen Gelegenheit zum geselligen Zusammentreffen mit Kollegen und Freunden.56 Kurz: Die Schulung verlief ohne auffällige Komplikationen und gab der Partei die Befriedigung, das Nötige getan zu haben, um die für die am Internationalen Kongress mitwirkenden Kader zur dort unvermeidlichen Begegnung mit Systemgegnern zu rüsten. Interessant ist die Rollenteilung zwischen den Dozenten aus der Akademie für Gesellschaftswissenschaften und den Vortragenden aus dem Vorstand der Gesellschaft für Psychologie der DDR sowie aus dem Wissenschaftlichen Rat. Die ausgesprochen politisch-ideologischen Themen waren eine Domäne der ersteren. Es wird auch berichtet, 56 Rösler, Hans-Dieter. Mündliche Mitteilung vom 29. 11. 2007. Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007. Sprung, Lothar und Helga. Mündliche Mitteilung vom 12. 11. 2007.
Kaderaufbau, Vorkongresse, Schulungen
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dass der Lehrgang überwiegend als Instruktionsveranstaltung ablief. SED und Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen verzichteten auf die explizite Erteilung klassenkämpferischer Aufträge, auf öffentliche Selbstverpflichtungen und auf Ergebenheitsadressen. Mit dieser Ausrichtung war die Schulung vonseiten der Dozenten aus der Akademie allgemeinpolitisch angelegt; sie war nicht speziell auf den bevorstehenden Kongress oder gar auf einzelne seiner Teilnehmer – etwa auf zu erwartende Besucher aus westlichen Ländern – zugeschnitten. Entsprechende Schulungen in den Universitätssektionen sind nicht im Einzelnen dokumentiert. Jedoch maß die SED den Grundorganisationen eine nicht unbeträchtliche Bedeutung zu. Überhaupt waren aus der verlautbarten Sicht der Partei sämtliche Vorbereitungsveranstaltungen einschließlich der Fachkonferenzen der ideologisch-politischen Bildung zu widmen. Universitätsübergreifende Veranstaltungen sollten mit der Parteiarbeit in den Universitäten verzahnt sein. So verbreitete die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees im November 1978 die Mitteilung: In Abstimmung mit den Kreisleitungen bzw. den UPL [Anmerkung: Universitätsparteileitungen] von den GO [Anmerkung: Grundorganisationen] bzw. APO [Anmerkung: Abteilungsparteiorganisation] Analysen mit Schlußfolgerungen zur politisch-ideologischen Arbeit, zur Forschungsstrategie und zur Erziehung und Bildung erarbeitet, um den Aufgaben, die der IX. Parteitag der SED stellt, gerecht zu werden. Das geschah insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Vorbereitung auf den XXII. Weltkongreß, der von den Mitarbeitern, Hochschullehrern und Studenten der psychologischen Einrichtungen einen hohen Grad an politischer Reife und ideologischer Klarheit sowie hohe wissenschaftliche Leistungen verlangt. Die Auswertung des Standes der Realisierung dieser Aufgaben ist Bestandteil der gegenwärtigen Rechenschaftslegungen und Wahlen in den Parteiorganisationen. … Zur Einschätzung der Qualität dieser Beiträge dienen u.a. im Jahre 1979 der 5. Kongreß der Gesellschaft für Psychologie der DDR „Psychologie und sozialistische Gesellschaft“, die Tagung des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie „Lehre und Forschung auf den Gebieten der Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologie und ihre weitere Entwicklung im Rahmen der Hauptforschungsrichtung Psychologie“, das Kolloquium „Wilhelm Wundt – progressives Erbe, Wissenschaftsentwicklung und Gegenwart“ (100 Jahre Institut für experimentelle Psychologie an der Universität Leipzig) und internationale Symposien zu ausgewählten Forschungsrichtungen der allgemeinen und angewandten Psychologie sowie Kolloquien zu weltanschaulichen Grundfragen der marxistisch-leninistischen Psychologie, die schon regelmäßig in den letzten Jahren an den psychologischen Einrichtungen und von der Gesellschaft für Psychologie durchgeführt wurden.57
Die Vorgabe eines ideologischen Erziehungsprogramms für Kongressteilnehmer aus der DDR ist von der Parteispitze bis zu den lokalen Parteiorganisationen gedrungen. Dies bezeugt der Bericht des Ersten Sekretärs der SED-Kreisleitung der Karl-MarxUniversität, Dr. Werner Fuchs, vom 22. Oktober 1979:
57 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 23. 11. 1978.
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Kapitel 5 Die wissenschaftliche Vorbereitung des Kongresses durch die Psychologen der Karl-Marx-Universität stützt sich auf weltanschauliche und fachliche Diskussionen, die seit zwei Jahren entsprechend einer langfristigen Konzeption an der Sektion geführt werden. Hinzu kommen die ideologisch-theoretischen Diskussionen im interdisziplinären Arbeitskreis „Wundt-Forschung“, im Interdisziplinären Neurowissenschaftlichen Zentrum der Karl-Marx-Universität, … die mit der weiteren Kongreßvorbereitung intensiviert werden. 58
58 BArch DY 30 IV B 2/5 1115. SED Bezirksleitung Leipzig. Information an das Sekretariat der Bezirksleitung zum XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie (ICP) vom 6.-12. Juli in Leipzig vom 24. 10. 1979.
KAPITEL 6 HAUSHALT UND FINANZEN Die Verantwortung für den Haushalt der Kongresse der International Union of Psychological Science trägt die jeweils mit der Organisation beauftragte nationale Gesellschaft. Im Falle des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig war dies die Gesellschaft für Psychologie der DDR. Nach der Satzung der Union musste die Gesellschaft nach Abschluss des Kongresses über dessen finanzielle Bilanz Bericht erstatten. Etwaige Defizite waren von der veranstaltenden Gesellschaft zu tragen, Überschüsse dem Schatzmeister der Union zu überweisen.1 Verantwortung für den Haushalt eines wissenschaftlichen Kongresses setzt die finanzielle Selbständigkeit des Veranstalters voraus. Eine solche Selbständigkeit war jedoch im Falle der Gesellschaft für Psychologie der DDR nie gegeben. Vielmehr war die Gesellschaft auch in wirtschaftlicher Hinsicht anderen Institutionen unterstellt, zunächst der Akademie der Wissenschaften, später dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen (s. Kapitel 3, S. 35). Nachdem das Ministerium die Aufsicht über den Kongress übernommen hatte, erfolgte die Finanzierung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig ausschließlich über das Ministerium. Das Ministerium seinerseits erhielt die für die Kongressvorbereitung und -durchführung benötigten Mittel überwiegend in Form gesonderter Zuweisungen durch den Ministerrat der DDR. Beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen wurde für den Leipziger Kongress ein eigener Haushaltstitel mit Unterkonten eingerichtet. Die Unterkonten waren gegenseitig deckungsfähig und durften, als der Kongresstermin nahe rückte, bei dringendem Bedarf überzogen werden. Derart staatlich versorgt, sind weder der Gesellschaft für Psychologie der DDR noch der Kongressleitung bzw. dem Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitee unmittelbar Ausgaben entstanden. Sie konnten jedoch auch nicht über erzielte Einnahmen verfügen; diese flossen in den Staatshaushalt. Als Einnahmen infrage kamen wohl ausschließlich Teilnehmergebühren. Die Teilnahmegebühren wurden zwar vom Kongressbüro erhoben; doch von dort wurden sie noch am Tag des Eingangs an die Staatsbank der DDR weitergeleitet.2 Der zentralistisch geführte Staat der DDR stand somit als Generalunternehmer über den wissenschaftlichen Organisatoren des Kongresses. Weil dieser Staat unter seinem sozialistischen Regime jedoch mit dem Kongress als wissenschaftlicher Veranstaltung eine Reihe weiterer Aufgaben verband – wie in den Kapiteln 2 und 4 ausführlich dargelegt wurde – und für diese Aufgaben ebenfalls universelle Zuständigkeit in Anspruch nahm, wuchs der Kongress in wirtschaftlicher Hinsicht zu einem Unternehmen mit vier Geschäftsbereichen: 1. Bereich internationale Wissenschaft: Vorbereitung und Durchführung einer wissenschaftlichen Kongressveranstaltung von knapp einwöchiger Dauer – unter der besonderen Verantwortung von Fachvertretern aus der Gesellschaft für Psychologie der DDR.
1 Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science (1975). Statutes and Rules of Procedure (Rules of Procedure, Section I, c). 2 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007.
W. Schönpflug, G. Lüer, Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik: Wissenschaft zwischen Ideologie und Pragmatismus, DOI 10.1007/978-3-531-93057-2_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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2. Bereich Hotellerie und Gastronomie: Unterbringung und Verpflegung (im Einzelund Bedarfsfall die medizinische Versorgung) der Teilnehmer für die Dauer des Kongresses – unter der besonderen Verantwortung des Reisebüros der DDR. 3. Bereich Touristik und Kultur: Selbstdarstellung und Werbung für die DDR als Staat und Gesellschaft mit einer Reihe von kulturellen, politischen und wissenschaftlichen Rahmen- und Vorprogrammen: Das kulturelle und soziale Begleitprogramm, Besichtigungen, Ausstellungen, nationale und internationale wissenschaftliche Symposien (vor allem das Wundt-Symposium 1979 in Leipzig), Treffen von Psychologen aus sozialistischen Ländern. 4. Nationale Fördermaßnahmen und Investitionen, Ausbau der DDR-Psychologie und Qualifizierung ihrer Kader: Renovierung des Gebäudes der Karl-Marx-Universität, in welchem die Sektion Psychologie untergebracht war, Nachwuchsförderung, politisch-ideologischen Schulungen, Sprachkurse (auch die unter 3 erwähnten Vorbereitungskonferenzen sind teilweise hier zuzurechnen). Jedem Geschäftsbereich war ein eigener Haushalt zuzuordnen. Alle verursachten sie Kosten; Einnahmen erzielt wurden jedoch nur in den ersten drei genannten Bereichen. Sofern alle Bereiche in einer Hand, nämlich der Hand des Staates als Generalunternehmer, vereint waren, zählte für die Bilanz des Kongresses letztlich nur der Gesamthaushalt, in dem Einnahmen und Ausgaben aus allen vier Bereichen zusammenflossen. Etwaige Überschüsse aus einzelnen Geschäftsbereichen ließen sich dann mit etwaigen Defiziten aus anderen verrechnen. Im Folgenden sollen mehrere Ansätze für eine Bilanzierung versucht werden, einerseits getrennt nach den genannten Geschäftsbereichen, andererseits – über die Geschäftsbereiche hinweg – für den Gesamthaushalt. Dabei wird nicht nur die Höhe von Einnahmen und Ausgaben sowie ihr Verhältnis von Interesse sein, sondern auch die Herkunft der Einnahmen sowie die Zwecke der Ausgaben. Die Ausweitung des Haushalts über die wissenschaftlich gebotenen Belange eines Kongresses hinaus ist ein Spezifikum der staatlichen Übernahme der Kongressorganisation und bedarf daher einer gesonderten kritischen Betrachtung. So soll aus verschiedenen Perspektiven der Frage nachgegangen werden: Wie ist der XXII. Internationale Kongress für Psychologie 1980 in Leipzig in finanzieller Hinsicht zu beurteilen? SCHWIERIGKEITEN DER BILANZIERUNG IN EINEM SOZIALISTISCHEN SYSTEM Indem der Staat der DDR die Leitung des Leipziger Kongresses übernahm, gliederte er ihn in die Planwirtschaft des Landes ein. Die Eigenart der Planwirtschaft ist, dass Dienstleistungen und Waren nicht frei nach Marktwert ausgetauscht, sondern nach Verfügbarkeit und anerkanntem Bedarf von Behörden zugeteilt werden. Für die Haushaltsführung und Bilanzierung in einem sozialistischen Land ergibt sich somit ein grundsätzliches Problem. Haushalte und Bilanzen beruhen auf der Festsetzung von Geldwerten. Solche Festsetzungen können in jedwedem gesellschaftlichen System unter Informationsmängeln und Willkür leiden. Doch im sozialistischen Staat der DDR waren es in besonderem Maße opportunistische und politische Motive, welche monetäre Bewer-
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tungen bestimmten. Anders als in der Marktwirtschaft, die gerechte Preise und damit einen steten Ausgleich von Leistungen und Gegenleistungen durch freie Verhandlung zwischen Anbietern und Abnehmern zu erreichen trachtet, werden in der Planwirtschaft Preise durch Behörden festgesetzt. Die behördlichen Verfahren sind aber erfahrungsgemäß oft realitätsfern und anfällig für Wünschbarkeiten. Die Einbettung des Leipziger Kongresses in die Planwirtschaft der DDR war dabei eine vollkommene. Die Organisatoren konnten nur in den Grenzen des eigenen Wirtschaftsgebiets wirtschaften. Selbst in Fällen eigener Knappheit konnten sie keine Aufträge in den Westen vergeben; sie konnten keine Waren und Dienste von dort beziehen. Selbst die im Kongressbüro aus dem westlichen Ausland eingehenden Devisen durften nicht zur Einfuhr der in nicht-sozialistischen Ländern reicher vorhandenen Güter verwendet werden. Die einzige Ausnahme bildete die Beschaffung von Bürogeräten im Jahre 1978, die jedoch über die International Union of Psychological Science vorfinanziert wurde (s. Kapitel 4, S. 122). Eine marktwirtschaftliche Beurteilung der für den Leipziger Kongress benötigten Leistungen und Waren ist also nicht möglich. Anzusetzen sind vielmehr Entgelte, die unter den Augen von Partei und Regierung eher nach subjektiven und politischen Kriterien festgelegt wurden. Ein Beispiel: Wenn die Druckerei der Akademie der Wissenschaften als Staatsbetrieb der DDR den Auftrag zum Druck der Proceedings erhielt, waren die Aufnahme des Papierkontingents in den Wirtschaftsplan sowie die Bereitstellung der benötigten Arbeitszeit die wesentlichen Voraussetzungen für die Erledigung. Nach welchen Kriterien hätte die Druckerei als konkurrenzlos beauftragtes Unternehmen eine Kostenkalkulation durchführen sollen? Welche Möglichkeiten hätten die Kongressveranstalter gehabt, ein Angebot der ihr zugewiesenen Druckerei zu überprüfen? Welche Alternativangebote hätten sie nach der staatlichen Zuweisung einholen können? Kurz: Kalkulation und Preisvereinbarung mögen in diesem Falle eine formale Pflichtübung am Rande der Auftragserteilung und -erledigung gewesen sein. Veranschlagte Preise sind in der damaligen Situation nach politisch-administrativen Kriterien für Lieferanten wie für Kunden wohl gleichermaßen opportun gewesen. Ihre Angemessenheit nach weiteren Kriterien ist im Nachhinein kaum mehr einzuschätzen. Noch ein weiterer Umstand dürfte einer Kostenkalkulation entgegengestanden haben. In mehreren Fällen hat ein Geldfluss von Kunden an Lieferanten gar nicht tatsächlich stattgefunden, so dass es der formellen Rechnungslegung und der Zahlungsbestätigung nicht bedurfte. Unter den Bedingungen der zentralisierten Planwirtschaft haben sich Wirtschaftspartner nicht selten damit begnügt, in ihre jeweiligen Jahresberichte die einerseits miteinander vereinbarten, andererseits von den jeweiligen Kontrollinstanzen genehmigten Einnahme- und Ausgabenposten einzutragen. Haben also – unbefangen gefragt – die Kongressveranstalter über alle erhaltenen Leistungen tatsächlich Rechnungen erhalten und diese bezahlt? Insbesondere dürften es Leistungen der unmittelbar an der Durchführung des Kongresses beteiligten Einrichtungen gewesen sein, für deren Leistungen Kosten veranschlagt, aber nicht durch tatsächliche finanzielle Transaktion beglichen wurden. Solche Einrichtungen waren in erster Linie die Universität Leipzig und das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Fahrdienste etwa, die das Personal des Ministeriums mit Wagen aus dessen Fuhrpark leisteten, wurden nicht vom Mi-
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nisterium der Kongressleitung zur tatsächlichen Zahlung in Rechnung gestellt. Gleichwohl wurden Kosten für diese Dienste geschätzt und in die Finanzpläne eingetragen.3 Entsprechend wäre etwa zu prüfen, ob die Veranstalter der großen Konzerte, das Gewandhausorchester und der Thomanerchor, tatsächlich ein gesondertes Honorar für ihren Auftritt erhalten haben. Möglicherweise waren ihre Konzerte für den Kongress Teil ihrer Dienstverpflichtungen und wurden ohne zusätzliches Honorar gegeben. Das planwirtschaftliche System der DDR war also mehr auf Beschaffung und Verteilung von Waren und Dienstleistungen ausgerichtet und weniger auf Finanzkontrolle. Entsprechend ist die Haushaltsplanung während der Kongressvorbereitung ebenso zurückgetreten wie die Abrechnung von Finanzmitteln nach dessen Abschluss. Dies spiegelt sich in der Beleglage. Die Archive enthalten nur wenige Haushaltspläne und Abrechnungen, und diese gehen nur stellenweise in Details. Es fehlt völlig an Belegen wie Kalkulationen und Angeboten, Rechnungen und Empfangsquittungen. Genehmigungsverfahren für Haushaltspläne und Prüfungen von Abrechnungen sind jedenfalls nicht dokumentiert. Ist angesichts des Mangels an aussagekräftigen Dokumenten eine Bilanzierung des Leipziger Kongresses möglich? Ist eine solche Bilanzierung angesichts der Zweifel an den angewandten Bewertungsmaßstäben überhaupt gerechtfertigt? Interessanterweise haben die Kongressveranstalter und die ihnen vorgeordneten Instanzen diese Fragen selbst nicht aufgeworfen. Dabei sind „Rechenschaftslegung“ und „Bilanzierung“ im sozialistischen System durchaus gebräuchliche Begriffe. So hat das Wissenschaftliche Vorbereitungskomitee – grundsätzlich nicht anders als in einem marktwirtschaftlichen System – Finanzpläne entworfen, in denen sich Einnahmen und Ausgaben die Waage hielten. Nach Abschluss des Kongresses wurden zumindest Ansätze einer finanziellen Bilanz erkennbar. Die verfügbaren Unterlagen lassen eine Rekonstruktion von Umfang und Struktur des Kongresshaushalts durchaus zu. Die Rekonstruktion, wie sie im Folgenden vorgenommen wird, ist jedoch mit Unsicherheiten behaftet, auf die bereits vorab hingewiesen werden sollte. Vor allem die Kostenschätzungen werden in hohem Maße die Perspektive der Veranstalter widerspiegeln sowie in hohem Maße auch die Sicht des zuständigen Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen. Die Ermittlung der Einnahmen wird ebenfalls nicht vollkommen gelingen, dürfte jedoch dank Einzelberichten und Teilnehmerstatistiken verlässlicher sein. Trotz der genannten Einschränkungen sollten die folgenden Rekonstruktionsversuche für das Verständnis der wirtschaftlichen Aspekte des Internationalen Kongresses von 1980 hilfreich sein. Nicht zuletzt sollten sie erhellen, inwiefern der Kongress für Partei und Staat der DDR auch in wirtschaftlicher Hinsicht von Interesse war.
3 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007.
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DER HAUSHALT DER GESELLSCHAFT FÜR PSYCHOLOGIE DER DDR Die Aufwendungen für Zwecke der Gesellschaft für Psychologie der DDR dürften hoch gewesen sein, insbesondere in den Jahren 1977-1980, als sich Aufgaben der Kongressvorbereitung häuften. Es wurde in Berlin (in dem historischen Magnus-Haus am Kupfergraben gegenüber der Museumsinsel) eine Verwaltung eingerichtet, der gemeinsam die Aufgaben des Kongresssekretariats, der Geschäftsstelle der Gesellschaft und des Sekretariats des Wissenschaftlichen Rats für Psychologie oblagen. Die für die Vorbereitung des Leipziger Kongresses geschaffenen Dienststellen waren somit mit der Gesellschaft für Psychologie der DDR räumlich vereinigt, ohne ihnen formell eingegliedert zu sein. Die Geschäftsstelle wurde von einem Sekretär geleitet – bis 1977 von Dipl.Psych. Joachim Siebenbrodt, danach von Dr. Jürgen Rückert. Bereits 1973 war Rückert für die Gesellschaft mit halber Arbeitszeit tätig. Zur anderen Hälfte wurde er auf Antrag der Gesellschaft im Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen beschäftigt; er betreute dort das Fachgebiet Psychologie. Ab 1977 übte Rückert mit voller Arbeitszeit zusammen mit dem Amt des Sekretärs der Gesellschaft das Amt eines Generalsekretärs des Internationalen Kongresses aus.4 Seine Referentenstelle im Ministerium wurde zu einer Vollzeitstelle aufgestockt und mit Dr. Uwe Schaarschmidt besetzt. Schaarschmidt war in erster Linie für den Wissenschaftlichen Rat für Psychologie zuständig, übernahm aber auch Aufgaben der Kongressorganisation; insbesondere bereitete er das Besucherprogramm vor.5 Neben den leitenden Mitarbeitern waren sechs Verwaltungsmitarbeiter – darunter eine Fremdsprachenkorrespondentin und eine Ökonomiesachbearbeiterin – vorgesehen.6 (Zumindest die aufgeführte Stelle einer Ökonomin ist freilich nicht besetzt worden.) 7 Eine besonders wichtige Rolle spielte die für die Programmgestaltung zuständigen Mitarbeiterin, Frau Gisela Jordanov; ihre Beteiligung wurde so hoch eingeschätzt, dass sie sogar als Mitglied des Wissenschaftlichen Komitees geführt wurde (s. Kapitel 3, S. 99).8 Dazu wurde in Leipzig eine örtliche Organisation zur Vorbereitung und Durchführung des Kongresses (z. B. Kongressbüro, Ausstellungen, Einlasskontrolle) aufgebaut. Ihr gehörten 38 Universitätsmitarbeiter aus Leipzig sowie 283 Studierende an.9
4 BArch DR 3 2. Schicht 2880. Brief von Friedhart Klix an Minister Böhme vom 2. 1. 1973. Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007. 5 Schaarschmidt, Uwe. Mündliche Mitteilung vom 3. 12. 2007. 6 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee XXII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Entwurf: Plan zur Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) vom 29. 6. - 7. 7. 1980 in Leipzig vom 11. 11. 1977. 7 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 28. 10. 2008. 8 BArch DY 30 7481. Sydow, Hubert/Programmkomitee. Bericht über das wissenschaftliche Programm des 22. ICP vom 7. 8. 1980. 22nd International Conference of Psychology. (1980). Proceedings, Leipzig (Vorblatt). 9 BArch DY 30 7481. Organisationskomitee für den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie. Abschlußbericht vom 1. 9. 1980.
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Eine derart große Zahl von Mitarbeitern und Helfern sowie die für sie bereitzustellende Infrastruktur dürften erhebliche Kosten verursacht haben. In den Voranschlägen und Abrechnungen zur Finanzierung des Kongresses wurde freilich nur ein vergleichbar kleiner Posten berücksichtigt – eine Vergütung von 2,60 - 4,00 M pro Stunde für Hilfs- und Facharbeiten – insgesamt 22 000 M.10 Hinzu kamen Kosten für Gremien, einerseits für die sich der Kongressvorbereitung widmenden Komitees, andererseits für die nicht nur, aber auch mit dem Kongress befassten Kommissionen, vor allem den Wissenschaftlichen Rat für Psychologie. Nach ihrem Statut hatte die Gesellschaft Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen und Veröffentlichungen. Doch liegen Haushaltspläne und -berichte nicht vor. (In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen: Die Satzung der Gesellschaft sieht weder einen Schatzmeister noch Kassenberichte vor.) 11 Den weitaus höchsten Anteil machten die Personalkosten aus. Diese wurden vom Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen getragen.12 Entsprechend waren die zugehörigen Stellen wohl unmittelbar beim Ministerium verbucht. Die Gesellschaft für Psychologie der DDR hat ihre Abhängigkeit von staatlicher Finanzierung übrigens selbst in der Schlussbestimmung ihrer Statuten indirekt zum Ausdruck gebracht. Der §11 der Satzung der Gesellschaft für Psychologie der DDR, welcher die Verwendung des Vermögens der Gesellschaft bei ihrer Auflösung regelt, legte nämlich fest: „Bei Auflösung der Gesellschaft fällt ihr Vermögen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik zu.“13 FINANZPLANUNG FÜR DEN XXII. INTERNATIONALEN KONGRESS FÜR PSYCHOLOGIE 1980 IN LEIPZIG
Bereits vor der Einladung an die International Union of Psychological Science ist der Finanzbedarf eines in der DDR stattfindenden Kongresses abgeschätzt worden. Bedacht wurden dabei auch die zu erzielenden Einkünfte. Einzelheiten dazu enthält die Begründung zum Beschluss des Zentralkomitees der SED vom 2. August 1972, mit welchem die Partei der Kongresseinladung zugestimmt hat. Danach rechnete man mit 4.500 - 5.000 Teilnehmern, die jeweils 50 Dollar Tagungsgebühr und 15 Dollar für ein Empfangsbankett zahlen sollten, dazu Begleitpersonen.14 Dies versprach Einnahmen in 10 HUBA GPs-DDR 789/181.9. Abschlußbericht Operativstab (außer Ausländerangelegenheiten usw.) (1980). HUBA GPs-DDR 785/181.5. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Finanzierungsplan für den XII. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 15. 4. 1980. 11 BArch DR 3 2. Schicht B 684d. Gesellschaft für Psychologie der Deutschen Demokratischen Republik. Statut (gültig 31. 3. 1969). 12 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 10. 12. 2007. Schaarschmidt, Uwe. Mündliche Mitteilung vom 3. 12. 2007. 13 BArch DR 3 2.Schicht B 684d. Gesellschaft für Psychologie der Deutschen Demokratischen Republik. Statut (gültig 31. 3. 1969). 14 BArch DY 30 2208, Bl. 1-10. Protokoll Nr. 78 der Sitzung des Sekretariats des ZK der SED vom 2. August 1972.
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Höhe von rund 300.000 US-Dollar – zum damaligen offiziellen Umtauschkurs der DDR 750.000 DDR-Mark. Zusätzlich bewilligte das Zentralkomitee „Zuschüsse der DDR in Höhe von 480.000 M“. Addiert man diese Beträge, so gelangt man zu einem Haushaltsansatz von 1.230.000 DDR-Mark. Das Zentralkomitee sah vor, die Zuschüsse in den Jahren 1979 und 1980 in den Haushaltsplan der Akademie der Wissenschaften einzuordnen. Sechs Jahre später, am 23. März 1978, folgte der Ministerrat der DDR dem Beschluss des Zentralkomitees, was die Höhe der Haushaltsposten anbelangt. Doch da in der Zwischenzeit die Zuständigkeit für den Kongress von der Akademie der Wissenschaften auf das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen übergegangen war (s. Kapitel 3, S. 87), sah der Ministerrat vor, den „Staatszuschuß in Höhe von 480 TM im Haushaltsplan des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen für die Jahre 1979/80 zu planen und zweckgebunden aus dem Staatshaushalt bereitzustellen“.15 Erst im November 1977 legte das Wissenschaftliche Vorbereitungskomitee in seinem Entwurf eines Planes zur Vorbereitung und Durchführung des Internationalen Kongresses eine detailliertere Ausgaben- und Einnahmenrechnung vor. Das Komitee schätzte nunmehr einen Ausgabenumfang von 1.035.000 Mark. Die erwarteten Ausgaben gibt Tabelle 6.1 wieder, die erwarteten Einnahmen Tabelle 6.2. Die Ausgaben betrafen die Standardanforderungen moderner Konferenzen sowie ein umfangreiches soziales Begleitprogramm. Ungewöhnlich war ein hoher Posten für kulturelle Veranstaltungen, berechnet auf der Grundlage normaler Eintrittspreise. Für großzügig bemessene Einladungen an fünfzig Gäste war ein weiterer Betrag vorgesehen. Die Einnahmen aus Tagungsgebühren waren nunmehr mit größerer Vorsicht kalkuliert. Es wurden nur noch 3.400 zahlende Teilnehmer angenommen; die Gebühr je Teilnehmer wurde mit 150 M angesetzt. Dabei wurden Beitragsermäßigungen für „assoziierte Teilnehmer“ in Aussicht genommen. Mit weiteren Einnahmen rechneten die Veranstalter durch Verkauf von Literatur sowie einer Gedenkplakette. Die Gesamteinnahmen in Valutamark wurden gesondert geschätzt. Einschließlich der Zahlungen für Unterbringung und Verpflegung wurden nunmehr „Einnahmen von über 500.000 Valutamark“ veranschlagt.16 Der Entwurf des Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitees aus dem Jahre 1977 befindet sich im Archiv der Gesellschaft für Psychologie der DDR. Wie weit er über die Gesellschaft hinaus zur Kenntnis genommen oder zur Genehmigung vorgelegt wur-
BArch DY 30 2208, Bl. 74-79. Deutsche Akademie der Wissenschaften/Abteilung Wissenschaften des ZK. Vorlage für das Sekretariat des Zentralkomitees der SED. Betreff: Einladung der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaft (IUPS) zur Durchführung des 22. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig vom 27. 7. 1972. 15 BArch DC 20 I4 4036, Bl. 1 - 2. 67. Sitzung des Präsidiums des Ministerrates vom 23. März 1978. BArch DC 20 I4 4036, Bl. 3- 16. Präsidium des Ministerrats. Beschluß zur Sicherung der politischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 23. März 1978. 16 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee XXII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Entwurf: Plan zur Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) vom 29. 6. - 7. 7. 1980 in Leipzig vom 11. 11. 1977.
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de, ist nicht mehr zu ermitteln. Er dürfte aber insbesondere für die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED und das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen bestimmt gewesen sein und ist wohl nicht auf den Widerspruch der beiden Instanzen gestoßen. Wenige Monate vor dem Kongress, am 18. März 1980, reichte der Sekretär des Kongresses, Dr. Jürgen Rückert, dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen einen aktualisierten und weiter aufgeschlüsselten Plan ein, der vom 21. Januar 1980 datiert ist.17 Das Ministerium bestätigte den Eingang des Plans in einem Brief vom 15. April 1980 und genehmigte zugleich die darin vorgesehenen Ausgaben.18 Der Haushaltsplan aus dem Jahre 1980 hatte ein Volumen von 1.297.200 M. Die darin veranschlagten Ausgaben gibt Tabelle 6.3 wieder, die veranschlagten Einnahmen Tabelle 6.4. Tabelle 6.3 ist zu entnehmen, welche Kosten für Kongressveranstaltungen sowie für das zusätzlich eingestellte Personal erwartet wurden. Weiterhin war vorgesehen, fünfzig Gäste – vorwiegend oder ausschließlich Mitglieder des Exekutivkomitees sowie der General Assembly der Internationalen Union – für neun Tage einzuladen; sie sollten unentgeltlich in Hotels untergebracht werden und dazu ein Tagegeld von 25 M erhalten. Den größten Einnahmeposten bildeten die Beiträge der Teilnehmer. Es wurde eine Zahl von 3.500 Teilnehmern zugrunde gelegt – 800 aus der DDR, 700 aus dem sozialistischen Ausland und 2.000 aus dem nichtsozialistischen Ausland (davon 400 aus der Bundesrepublik und 40 aus dem Westen Berlins). In diesen Zahlen waren 200 Begleitpersonen eingeschlossen. Es wurden nach ihrer Herkunft Teilnehmergruppen unterschieden, die zu verschieden hohen Beitragzahlungen verpflichtet waren: 180 M für 2.200 Teilnehmer – darunter wohl alle aus westlichen Ländern angereisten, 100 M für weitere 300 Teilnehmer – vermutlich die im Plan von 1977 als „assoziiert“ benannten, 140 M für Teilnehmer aus der DDR sowie für Begleitpersonen. Insgesamt errechneten die Organisatoren einen Eingang von 566.000 M an Kongressgebühren. Vergleicht man die Haushaltspläne von 1977 und 1980 (Tabellen 6.1-6.4), so stellt man vor allem fest: Die Positionen von 1977 wurden 1980 weitgehend beibehalten. In der Aufstellung von 1980 sind einige Posten genauer aufgeschlüsselt. Wohl auch durch Berücksichtigung weiterer Dienste (u. A. Transportleistungen) erhöhten sich die Organisationskosten um etwa 100.000 Mark. Der sprunghafte Anstieg der Kosten für kulturelle Veranstaltungen kam durch die Einbeziehung eines Jugendprogramms sowie der beiden großen Konzerte im Gewandhaus sowie in der Thomaskirche zustande. Kräftig erhöht haben sich die Ansätze für Einnahmen. Die geschätzten Einnahmen aus Tagungsgebühren sind bei annähernd gleicher Teilnehmerzahl 1980 gegenüber 1977 um etwa 10% angehoben. Auch wurden etwa 90.000 Mark mehr an Einnahmen aus dem Verkauf der Kongressbände erwartet. Erhöht war außerdem der in der Finanzplanung 1980 vorgesehene Staatszuschuss. Er sollte nunmehr 575.200 M betragen – anstatt der
17 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Finanzierungsplan für den XII. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 21. 1. 1980. 18 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Brief des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen an Jürgen Rückert vom 15. 4. 1980.
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1972 vom Zentralkomitee und 1977 vom Ministerrat bewilligten Summe von 480.000 M. Wie sind die Veränderungen, insbesondere die Erhöhung des Staatszuschusses, zustande gekommen? Sind sie stillschweigend erfolgt? Entsprechende Anträge und Bewilligungen sind jedenfalls nicht dokumentiert. Tabelle 6.1. Ausgaben für den Internationalen Kongress für Psychologie 1980 (DDR-Mark), veranschlagt vom Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitee im November 1977
1 1.1 1.2. 1.3 1.4 2 3 3.1 1.2
5
Organisation Dolmetscher, Betreuer, Simultananlagen Tagungsmappen à 35,- M einschließlich zwei Broschüren Druck von Tagungsvorträgen (Kurzfassungen) Sonstiges Gästebetreuung Tagegeld und Übernachtung für 50 Gäste Empfänge Cocktailempfang à 10,- M und großer Kongreßempfang bzw. Kongreßball à 20,- M für 3000 Teilnehmer Diverse Empfänge für internationale Repräsentanten und Repräsentationsausgaben Kulturelle Veranstaltungen Sicherheitsreserve
115.000 140.000 300.000 194.500 40.000
90.000 15.000 80.000 60.500
Tabelle 6.2. Einnahmen aus dem Internationalen Kongress für Psychologie 1980 (DDR-Mark), veranschlagt vom Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitee im November 1977
Tagungsgebühren Verkäufe von 1.000 zusätzlichen Tagungsbänden Staatszuschuß
510.000 45.000 480.000
Die Höhe der Tagungsbeiträge verdient besondere Beachtung. Sie lagen bereits 1977 im ersten Ansatz deutlich über den bei den vorangegangenen Kongressen in Tokio und Paris erhobenen Gebühren. Der Finanzplan vom Januar 1980 sah weiter gestiegene Gebühren vor; noch höher waren dann die später tatsächlich geforderten (s. Tabelle 6.5). Allerdings berechtigte die Teilnahme am Kongress zum Besuch zweier großer Konzer-
194
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te (des Gewandhausorchesters und des Thomanerchors); auch sollte der Besuch des Kongressempfangs für zahlende Kongressteilnehmer unentgeltlich sein.19 EINNAHMEN UND AUSGABEN IN DER ZUSTÄNDIGKEIT DER KONGRESSLEITUNG Das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen hat anlässlich der Bestätigung des am 15. April 1980, d. h. sechs Monate vor Kongressbeginn, eingereichten Finanzierungsplans den Generalsekretär des Kongresses, Dr. Jürgen Rückert, darum gebeten, „die Abrechnung bis 31. Oktober 1980 an die Abt. Finanzen des Ministeriums für Hochund Fachschulwesen“ vorzulegen.20 Die Kenntnis einer solchen Gesamtabrechnung für den Verantwortungsbereich des Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitees wäre für die Bilanzierung des Leipziger Kongresses sehr hilfreich. Tatsächlich befindet sich ein solches Zahlenwerk aber weder unter den verfügbaren Dokumenten des Ministeriums noch unter denjenigen der Gesellschaft für Psychologie der DDR. Der frühere Generalsekretär meint sich zu erinnern, dass er der Abteilung Finanzen des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen die angeforderte Gesamtabrechnung termingerecht abgeliefert hat. Jedoch habe es sich dabei um eine eher informelle Aufstellung gehandelt, die der zuständigen Abteilung noch erläutert worden sei; eine weitergehende Prüfung oder gar formelle Billigung des Ministeriums sei nicht erwartet worden, und es habe diese auch nicht gegeben.21 Die Lücken in der Dokumentation ließen sich auch in Gesprächen mit Mitgliedern der Kongressleitung nicht mehr füllen. Die mit dem Kongress befassten Dokumente enthalten dazu lediglich pauschale Angaben. Damit ist insbesondere der für den Kongress tatsächlich betriebene Aufwand nicht mehr verlässlich zu bestimmen. Es sind allerdings auch keine Äußerungen zum Überschreiten oder Unterschreiten der Kalkulationsansätze dokumentiert. Der für die Abrechnung verantwortliche Generalsekretär des Kongresses erinnert sich nicht an erhebliche Abweichungen von dem ein halbes Jahr vor dem Kongress zusammen mit dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen gemeinsam veranschlagten Kosten.22 So bleibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine andere Wahl, als die tatsächlichen Ausgaben für die Vorbereitung und Durchführung des Leipziger Kongresses mit den im Frühjahr 1980 veranschlagten gleichzusetzen.
19 Privatbesitz. Circular 3, etwa März 1980. HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee XXII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Entwurf: Plan zur Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) vom 29 .6. - 7. 7. 1980 in Leipzig vom 11. 11. 1977. HUBA GPs-DDR 785/181.5. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Finanzierungsplan für den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 21. 1. 1980. 20 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Brief des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen an Jürgen Rückert vom 15. 4. 1980. 21 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilungen vom 17. 12. 2007 und 28. 10. 2008. 22 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007.
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Tabelle 6.3. Ausgaben für den Internationalen Kongress 1980 (DDR-Mark), veranschlagt vom Kongresssekretariat im Januar 1980 und bestätigt vom Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen im April 1980
1a 1b 1c 2 3 4 5 6 7 8 9a 9b 9c 10a 10b 11a 11b 12 13
Druck der Einladungen und Programme Druck von 5.000 Tagungsbänden Weitere Druckaufträge (u. a. Kongresszeitung) Tagungsmappen (3.500 Mappen, Broschüren, Informationsmaterialien) Nutzungsgebühren (u. a. Opernhaus, Kongresshalle) Ausgestaltung (u. a. Stadtgestaltung, Beschilderung) Ausstellungsgestaltung (Geräte-, Buch-, Wundtausstellung) Wundt-Gedenk-Medaillen (500 Stück mit Etui) Dolmetscher, Sonderpostamt u. Ä. Reisebüro, Verkehrsbetriebe Einsatz von PKW vor und während des Kongresses, Mietfahrzeuge Honorare (u. a. Kongressvorträge, Übersetzungen) Repräsentation (Abschlussbankett, Präsidienversorgung, Exekutivkomittee, Assembly, Presse) Prämien für Studenten Vergütungen für Sonderleistungen (u. a. Garderobe) Tagegeld für 50 Gäste (9 Tage) Übernachtungskosten für 50 Gäste (9 Tage) Empfänge (u. a. Eröffnungsempfang) Kulturelle Veranstaltungen Gewandhausorchester Thomaner-Chor Konzert bei Eröffnung und Empfang Kulturveranstaltung auf dem Leipziger Markt Kabaretts (Pfeffermühle, Akademixer) Begleiter- und Jugendprogramm
60.000 280.000 75.000 140.000 100.000 65.000 43.000 15.000 125.000 70.000 12.500 30.000 10.000 22.000 8.000 11.250 36.000 94.400 35.000 15.000 10.000 5.000 80.000 20.000
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Kapitel 6
Tabelle 6.4. Einnahmen aus dem den Internationalen Kongress für Psychologie 1980 (in Mark der DDR), veranschlagt vom Kongresssekretariat im Januar 1980 und bestätigt vom Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen im April 1980
1 2 3 4
Teilnehmergebühren Verkauf von Tagungsbänden (1700 Stück zu 80 M) Karten für Kulturveranstaltungen Verkauf von Wundt-Gedenk-Medaillen
566.000 136.000 15.000 5.000
Tabelle 6.5. Teilnehmergebühren beim XX. und XXI. Internationalen Kongress für Psychologie 1972 und 1976 in Tokio und Paris (US-Dollar), Ansätze bei der ersten Finanzplanung 1977 sowie tatsächlich fällige Zahlungen beim Internationalen Kongress für Psychologie 1980 (US-Dollar/DDR-Mark)
Tokio 1972
Paris 1976
Voranschlag 1977
Leipzig 1980
Frühe Anmeldung
42
50
60/150
72/180
Anmeldung Vor Kongress
50
60
70/175
84/210
Anmeldung beim Kongress
50
60
80/200
84/210
Eine erste Gruppe von Ausgaben sind dem Kongressprogramm im engeren Sinne (wissenschaftliche und soziale Veranstaltungen) zurechnen. Dafür kommen die folgenden Positionen aus Tabelle 6.3 in Frage: x 1-4 (Druckmaterialien, Nutzungsgebühren, Beschilderung, Schmuck) x 7 (Dolmetscher) x 9b (Honorare, Übersetzungen), 9c (Repräsentation) x 10 (Studentische Hilfskräfte) x 12 (Empfänge). Die Kosten für diese Aufwendungen summieren sich zu einem Betrag von 809.400 M. Als weitere Ausgabenposten führt Tabelle 6.3 die folgenden aus, die zu drei Gruppen zusammengefasst werden: x 5 (Ausstellungsgestaltung), 6 (Wundt-Gedenkmedaille) – im Folgenden als „Ausstellung und Verkäufe“ zusammengefasst – mit insgesamt 58.000 M, x 13 (Kulturelle Veranstaltungen, Begleiter- und Jugendprogramm) – im Folgenden als „Kulturprogramm“ zusammengefasst – mit insgesamt 165.000 M,
Haushalt und Finanzen
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x 9a (PKW, die überwiegend für Ehrengäste eingesetzt wurden)23, 11a (Tagegeld für Gäste, 11b (Übernachtungskosten für Gäste) – im Folgenden als „Einladungen von Ehrengästen“ zusammengefasst - mit insgesamt 59.750 M. Den Ausgaben im Zuständigkeitsbereich der Kongressleitung stehen Einnahmen gegenüber. Zu diesen sind verlässlichere Schätzungen möglich, die sich auf mehr und genauere Angaben aus Berichten über den Kongress stützen können. Dies gilt insbesondere für die Kongressbeiträge, welche den größten Teil der Einnahmen im Zuständigkeitsbereich der Kongressleitung ausmachen. Das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen hat kurz nach Kongressende eine Mitteilung über die Teilnehmerzahlen herausgebracht. Es nannte in Übereinstimmung mit dem Teilnehmerverzeichnis der Proceedings eine Zahl von 3.986 Kongressteilnehmern. In dieser Zahl enthalten waren 268 Psychologiestudenten, die wohl unentgeltlich den Kongress besuchten. Neben 3.437 Teilnehmern wurden 281 als Begleitpersonen ausgewiesen. Von den Teilnehmern stammten 1.604 aus der DDR.24 Es sei – dem Haushaltsentwurf von 1980 folgend – angenommen: Von den verbleibenden 1.833 auswärtigen Teilnehmern waren 50 als Gäste eingeladen. Nach Auskunft des früheren Generalsekretärs des Kongresses waren aus der DDR rund 50 Organisatoren, Sekretariatsmitglieder sowie Ministeriums- und Parteiangehörige von der Zahlung eines Beitrags befreit. Im Übrigen hätten die Teilnehmer aus der DDR ihre Gebühr (gegebenenfalls über ihre Dienststellen) tatsächlich eingezahlt.25 Daraus ergibt sich eine Zahl von rund 1.550 zahlenden Teilnehmern aus der DDR sowie von 1.783 Teilnehmern aus anderen Ländern. Es sei angenommen, an dem im Januar 1980 veranschlagten Beitrag von 140 M für DDR-Teilnehmer habe sich nichts geändert. Für Teilnehmer aus dem Ausland habe die durchschnittliche Bezahlung 190 M betragen. Es werden also 20 M weniger angesetzt, als zuletzt wohl tatsächlich fällig war (vgl. Tab. 6.5). Damit seien einerseits etwaige Ermäßigungen aufgrund früher Registrierung berücksichtigt, andererseits etwaige Nachlässe für „assoziierte Teilnehmer“ (s. o.). Für Begleitpersonen – sie zahlten vor dem 15. Februar 140 M, danach 160 M – seien durchschnittlich 150 M veranschlagt. Weiterhin mögen am Schlussbankett 1.500 Personen teilgenommen haben, wofür jede – wieder nach Circular (s.o.) – 25 M zu entrichten hatte. Nach dieser – zugegebenermaßen unsicheren, doch angesichts der Beleglage nicht verlässlicher anzustellenden – Berechnung, hätte der Kongress, wie dies Tabelle 6.6 in größerer Übersichtlichkeit zeigt, bei der Anmeldung vonseiten der Teilnehmer 597.920 M an Gebühren sowie 37.500 M an Eintritt zum Bankett eingenommen, insgesamt also 635.420 M. Die Abrechnungen der Veranstalter umfassen ebenfalls das Kulturprogramm – laut Abschlussbericht des Operativstabs (s. o.)26 42 Veranstaltungen mit 15.000 Plätzen, laut dem oben erwähnten Abschlussbericht des Ministeriums 39 Veranstaltungen mit 19.000 Besuchern. Der Operativstab meldete in seinem Abschlussbericht einen Karten23 Mäder, Walter. Schriftliche Mitteilung vom 28. 11. 2007. Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007. 24 BArch DR 3 2. Schicht B 1495-4c. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Abschlußinformation Internationaler Psychologenkongreß vom 6.-12. 7. 1980 in Leipzig vom 12. 7. 1980. 25 Rückert, Jürgen. Schriftliche Mitteilung vom 17. 6. 2009. 26 HUBA, GPs-DDR 789/181.9. Abschlußbericht Operativstab (außer Ausländerangelegenheiten usw.).
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bestand von 64.307 Mark, von denen Karten für 38.272 Mark verkauft worden seien. Karten für 12.895 Mark seien kostenlos an Gäste und Helfer verteilt worden. In dieser Berechnung sind offensichtlich die aufwändigen Konzerte des Gewandhauses und der Thomaner nicht enthalten; tatsächlich dürften – wie vom Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitee vorgesehen27 – die Karten für diese Veranstaltungen unentgeltlich an die Kongressteilnehmer verteilt worden sein.
Tabelle 6.6. Geschätzte Einnahmen aus Kongressgebühren (DDR-Mark)
Anzahl von Personen Teilnehmer aus der DDR Weitere Teilnehmer Begleitpersonen Bankettgäste Insgesamt
1.550 1.783 281 1.500
Zahlung pro Person 140 190 150 25
Summe 217.000 338.770 42.150 37.500 635.420
Weiterhin erwähnte das Organisationskomitee in seinem Abschlussbericht Buchverkäufe in den Ausstellungen, die mit 50.000 M zu Buche geschlagen haben sollen.28 Hinzu zu rechnen sind Einnahmen aus dem Verkauf von Wundt-Plaketten sowie aus dem Vertrieb von Tagungsbänden über den Buchhandel. Für diese beiden Posten sei zusammen ein Betrag von weiteren 30.000 M angesetzt. Während freilich die Kosten für die Herstellung der Plaketten im Kongresshaushalt berücksichtigt sind, sind die Herstellungskosten verkaufter Bücher außerhalb des Kongresshaushalts bei den Verlagen verbucht. Diese Kosten – sie seien hier zugegebenermaßen recht willkürlich auf 30.000 M geschätzt – mindern den oben genannten Ertrag der Buchverkäufe. Insgesamt seien also durch die genannten Verkäufe 50.000 M erlöst worden. Abschließend zu erwähnen ist die Summe von 4.750 US-Dollar, die vom Schatzmeister der International Union of Psychological Science dem Kongresspräsidium zur Vorfinanzierung überlassen wurde.29 Dieser Posten spielte wegen seiner unkonventionellen Behandlung eine bemerkenswerte Sonderrolle. Es war nämlich die einzige Deviseneinnahme, die nicht von der Außenhandelsbank der DDR verbucht wurde. Der Betrag blieb vielmehr als Handgeld zur Verfügung des Präsidiums. Er wurde – wie oben 27 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee XXII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Entwurf: Plan zur Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) vom 29.6. - 7.7. 1980 in Leipzig vom 11. 11. 1977. 28 BArch DY 30 7481. Organisationskomitee für den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie. Abschlußbericht vom 1. 9. 1980. 29 Arch IUPsS VI. Finanzbericht der International Union of Psychological Science für das Jahr 1980 vom 10. 2. 1981.
Haushalt und Finanzen
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(S. 187) erwähnt - in der Bundesrepublik übergeben und dort für den Kauf dringend benötigter Bürogeräte verausgabt. Eine solche Transaktion, durch einen drohenden Notstand zu rechtfertigen, setzte wohl die Kenntnis und die Duldung der Aufsicht führenden Behörden der DDR voraus. Die Behandlung des Vorgangs vonseiten der DDRBehörden ist allerdings nicht mehr schriftlich dokumentiert und nur durch das Gedächtnis der unmittelbar Beteiligten überliefert.30 Für die spätere Abrechnung ist diese Summe insofern von Belang, als sie nach Abschluss des Kongresses zurückgezahlt werden musste. Wegen der Geringfügigkeit des Betrages werden der Empfang und die Rückzahlung in den hier versuchten Modellrechnungen vernachlässigt. WEITERE EINNAHMEN KONGRESS
UND
AUSGABEN
IM
ZUSAMMENHANG
MIT DEM
LEIPZIGER
Der letzte Abschnitt hat die Einnahmen und Ausgaben im Zuständigkeitsbereich der Kongressleitung behandelt. Doch wie bereits eingangs dargelegt: Der Kongress hat weitere Unterstützung erfahren, und es waren ihm weitere Aufgabenbereiche angegliedert, deren Bilanz mit seinem finanziellen Ergebnis in Zusammenhang gesehen werden kann. Es handelte sich dabei – wie oben ausgeführt – um Kosten für Verwaltungskräfte, für Symposien, Konferenzen und Kurse zur Vorbereitung der eigenen DDR-Kader sowie zur Abstimmung mit Fachvertretern aus anderen sozialistischen Ländern, weiterhin um Investitionen in die Infrastruktur sowie um Erlöse aus und Kosten für Unterbringung und Verpflegung der Teilnehmer sowie touristische Aktivitäten. Alle diese Aktivitäten wurden unter staatlicher Leitung geplant und aus dem gleichen Staatshaushalt bestritten. Aus staatlicher Sicht der DDR lässt sich somit für den Leipziger Kongress ein Gesamthaushalt bilden, welcher die den Kongress als wissenschaftliches Treffen begleitenden sowie die ihm vorausgehenden Unternehmungen einbezieht. Einen größeren Posten stellen die Kosten für das Personal der Geschäftsstelle, insbesondere die eigens für die Kongressvorbereitung eingestellten Mitarbeiter dar. Die Kongressleitung hat diese in ihre Rechnungen nicht aufgenommen, offenbar weil diese für die Gesellschaft für Psychologie der DDR bereits im Etat des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen verbucht und damit der Zuständigkeit der Kongressorganisatoren entzogen waren.31 Um die Höhe der anderweitig verbuchten Personalkosten gleichwohl bei späteren Berechnungen berücksichtigen zu können, sei hierfür wenigstens ein Betrag von 100.000 M eingesetzt. Völlig im Unklaren bleiben die Haushalte für Vorbereitungskurse, Konferenzen und Symposien im Vorfeld des Kongresses. Es handelte sich dabei um mehrtägige oder gar zweiwöchige Zusammenkünfte von bis zu hundert Teilnehmern. Größere Einnahmen waren bei diesen Weiterbildungs- und Freundschaftstreffen wohl nicht zu erzielen. Dafür fielen Kosten für die eigenen Kader und vermutlich auch Aufenthaltskosten für 30 Kossakowski, Adolf. Mündliche Mitteilung vom 23. 7. 2007. Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007. 31 a. .a. O.
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Kapitel 6
Gäste aus dem sozialistischen Ausland an. Die Ausgaben dürften sich auf eine sechsstellige Summe in DDR-Mark summiert haben. 300.000 M sind hierfür wohl nicht zu viel angesetzt. Hohe Investitionen waren schließlich in die Infrastruktur zu tätigen, in erster Linie für Baumaßnahmen in Leipzig. Das Wundt-Jubiläum hatte einen willkommenen Anlass für die Einladung zum Kongress geboten. Um aber diesem Anlass gerecht zu werden, war an der Karl-Marx-Universität die Sektion Psychologie auszubauen und die WundtTradition zu beleben (s. Kapitel 4, S. 114 und 116). Dringlich war vor allem die Renovierung des Universitätsgebäudes in der Leipziger Tieckstraße, in welchem die Sektion untergebracht war; dies schloss die Herrichtung eines Wundt-Gedenkraums sowie eines Wundt-Archivs ein. Das Präsidium des Ministerrats bewilligte für diesen Zweck am 23. März 1978 zusätzliche Mittel in Höhe von 450.000 Mark. Diese Summe belastete aber nicht den Kongresshaushalt. Sie wurde vielmehr gesondert als Werterhaltungsfonds in die Volkswirtschaftspläne 1979 und 1980 eingestellt. 32 Die meisten Einnahmen – mehr als die Kongressgebühren – erbrachte die Unterbringung in Hotels. Noch einmal sei eingeräumt: Die Hinweise auf das wirtschaftliche Geschehen im Umfeld des Kongresses – vor allem Einnahmen und Ausgaben der Hotellerie und Gastronomie – sind spärlich. Trotzdem sei erneut eine Überschlagsrechnung angestellt. Das Reisebüro der DDR hat allein in Leipzig und allein im Bereich der gehobenen Hotellerie 2.295 Betten bereitgestellt, die sicherlich alle belegt waren. Die Gäste seien dort sechs Nächte vom 6.-12. Juli untergebracht gewesen. Je Nacht und Bett (mit Frühstück) seien 70 Mark berechnet worden. Das ergäbe eine Summe von 963.900 Mark.33 Einige Gäste nahmen auch die Gelegenheit zu Fahrten ins Umland wahr. Laut Abschlussbericht der Abteilung Wissenschaften führte das Reisebüro der DDR 19 Kulturfahrten mit 623 Teilnehmern durch.34 Die bereits mehrfach genannte Abschlussinformation des Ministeriums für Hochund Fachschulwesen enthält eine Aussage über Zahlungseingänge beim Reisebüro der DDR. Danach sind bis zum 12. Juli insgesamt 1.062.000 M eingegangen. Die Information bemerkt hierzu: „Einnahmen der Hotels sind hier nicht enthalten“. Daraus könnte man schließen, die Hotelkosten seien gesondert abgerechnet worden. Realistischer ist die Annahme, es seien gerade die Kosten der Unterbringung in Hotels – da vorab mit der Kongressgebühr zu entrichten – in die Berechnung eingegangen. Mit „Einnahmen der Hotels“ sind wahrscheinlich nur die in der Kongresswoche von den Hotels zusätzlich abgerechneten Kosten für Verzehr und andere Dienste gemeint. Allerdings ist die Zusammensetzung des Betrags aus Kongressgebühren und Hotelkosten nicht befriedigend nachzuvollziehen. Der Betrag ist zwar von der gleichen Größenordnung wie die oben geschätzte Summe der Hotelkosten. Dabei ist freilich nicht berücksichtigt, dass 32 BArch DC 20 I4 4036, Bl. 3-16. Präsidium des Ministerrats. Beschluß zur Sicherung der politischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 23. März 1978. 33 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Vertrag zwischen dem Reisebüro der DDR und der Gesellschaft für Psychologie der DDR vom 20. 10. 1979. 34 BArch DR 3 2. Schicht B 1495-4c. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Abschlußinformation Internationaler Psychologenkongreß vom 6.-12. 7. 1980 in Leipzig vom 12. 7. 1980.
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einige Ehrengäste unentgeltlich untergebracht waren. Es verbleibt also ein nicht gedeckter Differenzbetrag von schätzungsweise 200.000 Mark. Hier könnte es sich um Einnahmen des Reisebüros für Touren und Transporte handeln. Schlägt man diesen Betrag der oben genannten beim Reisebüro verbuchten Summe von 1.062.000 M zu, so gelangt man zu Deviseneinnahmen in Höhe von 1.262.000 M. Mangels einschlägiger Kostenbelegen vonseiten der mit der Betreuung der Teilnehmer beauftragten Hotels sowie des Reisebüros sind die Ausgaben, die diesen Unternehmen entstanden sind, nicht mehr zu ermitteln. Will man gleichwohl auf eine Kalkulation nicht verzichten, könnte man eine Gewinnspanne von 30% für diese Unternehmen ansetzen. Man käme damit, bezogen auf die Einnahmen von 1.262.000 M, auf einen Gewinnanteil von 378.600 M und einen Kostenanteil von 883.400 M. EIN WEITERES ERSCHWERNIS DER BILANZIERUNG: DIE VALUTIERUNG VON DEVISENZAHLUNGEN Sämtliche Voranschläge und Abrechnungen vonseiten der Kongressveranstalter sowie der ihnen vorgeordneten Behörden erfolgten in Mark der Deutschen Demokratischen Republik (M), der Binnenwährung der DDR. Dies ist unproblematisch, was Ausgaben anbelangt, da diese tatsächlich und ausschließlich in der DDR getätigt wurden. Recht problematisch ist es jedoch, jenen Teil der Einnahmen, die als Devisen aus dem westlichen Ausland überwiesen wurden, unbesehen in DDR-Mark gut zu schreiben. Diese Einzahlungen erfolgten nämlich an das Kongressbüro und wurden umgehend der Außenhandelsbank der DDR zugeführt.35 Dort wurden Devisen nach einem rigiden wirtschaftspolitischen Kalkül in Mark der DDR umgetauscht. Der Umtauschkurs war vom Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe, der Wirtschaftsgemeinschaft sozialistischer Länder, festgelegt. Außerhalb dieser Wirtschaftsgemeinschaft – auf den freien Finanzmärkten der westlichen sowie der politisch neutralen Länder der sogenannten Dritten Welt – galten freilich andere Kurse. Wie wäre die Bilanz des Kongresses ausgefallen, hätte man die DDR-Perspektive verlassen und eine Valutierung nach den Umtauschsätzen der Länder vorgenommen, aus denen Zahlungen wegen des Kongresses stammten? Die Außenhandelsbank der DDR schrieb eine Deutsche Mark aus der Bundesrepublik Deutschland (DM) mit einer Mark der DDR gut, d. h. sie tauschte West- zu OstMark im Verhältnis 1:1. Für die Bewertung anderer westlicher Währungen galt der Rubel der Sowjetunion als Leitwährung. Auf diesen bezogen wurde in der DDR im Jahre 1980 ein US-Dollar mit 2,5 DDR-Mark gut geschrieben. Entsprechend wurden Britische Pfund, Schweizerische Franken u. Ä. umgetauscht. Im freien Devisenhandel waren Mark der DDR wesentlich günstiger erhältlich, westliche Devisen erlösten auf den freien Märkten wesentlich mehr Mark der DDR. Anfang Juli 1980 wurden im freien Devisenhandel 100 Mark der DDR für 18 Deutsche Mark der Bundesrepublik angekauft und für etwa 21 DM verkauft. Zur gleichen Zeit notierte auf dem freien Markt der
35 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007.
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Kapitel 6
US-Dollar zu durchschnittlich 1,75 DM.36 Entsprechend kostete auf dem freien Markt ein US-Dollar etwa 8,75 DDR-Mark. Legt man also zur Valutierung der Kongresseinnahmen freie Wechselkurse zugrunde, so sind Einzahlungen in West-Mark mit etwa dem Fünffachen ihres Wertes in Ost-Mark gutzuschreiben (Umtauschkurs 1:5), Einzahlungen in US-Dollar etwa mit dem Neunfachen in Ost-Mark (Umtauschkurs 1:9). Die Gründe für die unterschiedlichen Umtauschkurse waren diese: Freie Märkte existierten nur außerhalb des sozialistischen Wirtschaftsgebiets, und ein Umtausch westlicher Währungen innerhalb des sozialistischen Gebiets war staatlichen Stellen vorbehalten. Überhaupt war die Einfuhr von DDR-Mark, die auf freien Märkten billiger zu erstehen waren, in die DDR streng verboten. Dies belastete den Wechselkurs der DDRMark auf den freien Märkten. Es gibt andere Bewertungsansätze, die anhand von Modellen, welche Parameter wie Kaufkraft, Einkommen und Produktivität schätzen, zu Umtauschraten kommen, die zwischen den Freihandelskursen und den Kursen der DDR-Staatsbank liegen.37 Solche finanzwirtschaftlichen Erwägungen hätten jedoch die vorliegende Untersuchung überfordert. Unter den gegebenen wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen war es den Kongressteilnehmern verwehrt, das Gefälle zwischen dem staatlich festgelegten Wechselkurs und den freien Kursen zu nutzen. Darüber hinaus verlangten die Behörden bei der Einreise einen Mindestumtausch von Devisen. Die Höhe des Mindestumtauschs betrug seit 1974 bis zum 13. Oktober 1980 13,- DDR-Mark pro Tag, eingewechselt zu den Kursen der DDR. Für zusätzlichen Reisebedarf waren Devisen nur über die Außenhandelsbank zu den staatlichen Kursen erhältlich. Der Internationale Kongress wurde von Beginn an von den Veranstaltern als eine willkommene Quelle der Devisenbeschaffung betrachtet. So vermerkte die Begründung zum Beschluss des Präsidiums des Ministerrates zur Sicherung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie ausdrücklich: Bei Gewährleistung eines entsprechenden kulturellen und touristischen Angebots für die ausländischen Kongressteilnehmer sind einschließlich der offiziellen Teilnehmergebühren und dem Verkauf von Druckerzeugnissen und Andenken Einnahmen aus dem kapitalistischen Ausland in Höhe von etwa 1 Mio. Valutamark zu erwarten. 38
Welche Deviseneinnahmen sind tatsächlich erzielt worden? Nach der Teilnehmerstatistik des Ministeriums39 stammten aus dem nicht-sozialistischen Ausland 1.244 Teilnehmende und 217 Begleitpersonen; rechnet man von den Teilnehmern 44 Personen ab, in der Annahme, dass sie zu den eingeladenen Gästen zählten, so kommt man zu einer geschätzten Menge von 1.200 zahlenden Teilnehmern mit 217 Begleitpersonen aus Län36 DIE WELT, 1. Juli 1980, #150. 37 Schwarzer, Oskar (1999). Sozialistische Zentralplanwirtschaft in der SBZ/DDR. Stuttgart: Steiner. 38 BArch DC 20 I4 4036, Bl. 3-16. Präsidium des Ministerrats. Beschluß zur Sicherung der politischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 23. März 1978. 39 BArch DR 3 2. Schicht B 1495-4c. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Abschlußinformation Internationaler Psychologiekongreß vom 6.-12. 7. 1980 in Leipzig vom 12. 7. 1980.
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203
dern mit westlichen Währungen – insgesamt also 1.417 Personen. Von dieser Personengruppe waren Einzahlungen stets in der Währung ihres Herkunftslandes zu leisten. Setzt man – wie bereits oben – für jeden in westlichen Devisen zahlenden Teilnehmer eine Gebühr von 190 M und für jede zugehörige Begleitperson 150 M an, dann ergeben sich nach den von der DDR festgelegten Umtauschkursen Einnahmen von 260.550 Devisenmark. Nimmt man weiterhin an, eintausend Personen aus der Gruppe hätten für das Bankett je 25 M eingezahlt, so kommt eine Summe von 25.000 Devisenmark hinzu. Für Kongressveranstaltungen im engeren Sinne hätten nach dieser Rechnung westliche Ausländer 285.550 Mark beigetragen. Dies wäre die knappe Hälfte des oben (Tab. 6.6, S. 198) auf 635.420 M geschätzten Aufkommens an Gebühren – etwa entsprechend dem Anteil westlicher Teilnehmer. Es ist anzunehmen, dass Gäste aus dem „nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“ durchweg in den vom Reisebüro der DDR reservierten Hotels untergebracht waren. Wie viel haben ausländische Teilnehmer insgesamt für ihre Unterbringung gezahlt? Wieder einen Aufenthalt von sechs Nächten und einen Tagespreis von 70 M je Person vorausgesetzt40 (s. bereits S. 200), ergibt sich für 1.417 Personen eine Summe von insgesamt 595.140 M. Dies ist – vergleicht man diesen Betrag mit dem gesamten Aufkommen an Hotelkosten von 963.900 M – mehr, als es dem Anteil westlicher Ausländer an den Kongressteilnehmern anbelangt. Doch ist der überproportional hohe Anteil mit dem Umstand zu erklären, dass Teilnehmer aus Ländern mit frei konvertierbaren Währungen – anders als Bürger aus dem Ostblock – keine Privatquartiere nutzen konnten bzw. durften. Hinzu kommen weitere Einnahmen in Devisen. Besucher aus westlichen und blockfreien Staaten hatten ja noch ihren täglichen Bedarf zu bestreiten. Das Kultur- und das Touristikprogramm lockten, die Stadt Leipzig hatte viel an Geselligkeit zu bieten, die Buchausstellung des Kongresses sowie örtliche Buchhandlungen und Antiquariate luden zum Kauf ein. Für diesen Posten ist zumindest der Betrag des Mindestumtauschs anzusetzen. Bei einem Tagessatz von 13 M und einem Aufenthalt von sechs Tagen ergibt das pro Person einen Betrag von 78 M, für insgesamt 1.417 Personen 110.526 M. Die Ergebnisse der obigen Rechnungen lassen sich mit Angaben der Veranstalter vergleichen. Das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen meldete in seinem oben erwähnten Abschlussbericht zum 12. Juni als Stichtag Einzahlungen an das Reisebüro von 812.000 Valutamark. 41 In dieser Summe müsste auf jeden Fall der oben berechnete Betrag von 595.140 M an Hotelkosten enthalten sein. Es verbleibt eine Differenz von rund 200.000 M, die noch aufzuklären ist. Eine solche Differenz ist bereits oben (S. 201) bei der Betrachtung der gesamten Einzahlungen aufgefallen. Es sei weiterhin angenommen, dass in diesem Teil Zahlungen für Touren und andere Transporte enthalten sind, die über das Reisebüro abgerechnet wurden.
40 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Vertrag zwischen dem Reisebüro der DDR und der Gesellschaft für Psychologie der DDR vom 20. 10. 1979. 41 BArch DR 3 2. Schicht B 1495-4c. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Abschlußinformation Internationaler Psychologiekongreß vom 6.-12. 7. 1980 in Leipzig vom 12. 7. 1980.
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Kapitel 6
Für die Fülle angebotener kultureller Veranstaltungen, für den Erwerb von WundtMedaillen und von Büchern aus der Kongressausstellung sowie den örtlichen Buchhandlungen mag dieser Betrag nicht ausgereicht haben. Deshalb sei angenommen: Besucher aus dem Westen haben auch den zusätzlichen Geldumtausch der Außenhandelsbank genutzt; sie haben zumindest den Betrag von 50.000 M zum offiziellen Kurs umgetauscht. Je 25.000 M haben sie dann – sei angenommen – für kulturelle Veranstaltungen und für Käufe verwendet. Die nunmehr – mit welcher Verlässlichkeit auch immer – festgestellten Einnahmen und Ausgaben, die im Zusammenhang des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig getätigt wurden, sind in Tab. 6.7 zusammengefasst. Gesondert weist die Tabelle den oben bestimmten Anteil von Einnahmen in Valutamark aus. Die in der letzten Spalte der Tabelle eingetragenen Einnahmen in Valutamark lassen sich nunmehr nach ihrem Wert auf den freien Märkten neu bestimmen. Zu einem Umtauschkurs von 4 Ost-Mark zu 1 West-Mark kann man dann die aus dem „nichtsozialistischen Währungsgebiet“ stammenden Kongressbeiträge, einschließlich Eintritt zum Bankett (Tab. 6.7, Zeile 1) mit rund 1,14 Millionen DDR-Mark bewerten, die Zahlungen für Übernachtungen (Tab. 6.7, Zeile 8) mit rund 3,2 Millionen DDR-Mark und weitere Zahlungen (Tab. 6.7 Zeilen 2 und 3) mit rund 0,2 Millionen DDR-Mark. Insgesamt ist dann der Betrag, den westliche Kongressteilnehmer in der DDR hinterlassen haben, nach den Umtauschkursen der freien Märkte mit etwa 4,5 Millionen DDR-Mark zu beziffern. Mit gutem Grund hat das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen in seiner Abschlussinformation hervorgehoben, der XXII. Internationale Kongress für Psychologie in Leipzig habe „zu den valutaintensivsten Kongressen der letzten Jahre“42 gehört. ANSÄTZE ZUR BILANZIERUNG In welchem Verhältnis standen die finanziellen Aufwendungen für den Leipziger Kongress und seine finanziellen Erträge? Haben sich Einnahmen und Ausgaben die Waage gehalten? Hat sich ein Defizit ergeben? Oder ein Überschuss? Noch in der Kongresswoche hat der Kongresspräsident Klix vor dem Exekutivkomitee der International Union of Psychological Science über die finanzielle Bilanz des Leipziger Kongresses Auskunft gegeben. Das Sitzungsprotokoll vermerkte:
42 BArch DR 3 2. Schicht B 1495-4c. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Abschlußinformation XXII. Internationaler Psychologiekongreß vom 6.-12. 7. 1980 in Leipzig vom 12. 7. 1980.
Haushalt und Finanzen
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Tabelle 6.7. Soll- und Habenposten für die Bilanzierung des Internationalen Kongresses 1980
Ausgaben (DDR-Mark) 1 2 3 4 5 6 7 8
Kongressprogramm Ausstellung, Verkäufe Kulturprogramm Einladungen von Ehrengästen Personal für Kongresssekretariat Vorkonferenzen, Schulungen Investitionen Unterbringung und Versorgung
809.400 58.000 165.000
Einnahmen insgesamt (DDR-Mark) 635.420 50.000 38.272 -
Anteil der Einnahmen aus dem NSW (Valutamark) 285.550 25.000 25.000 -
-
-
59.750 ca. 100.000 -
-
ca. 300.000 450.000
-
-
883.400
1.062.000
812.000
Klix pointed out that the total cost of the Congress is about one million marks. Roughly one-half of this amount comes from the registration of participants in the Congress while the other half is supported by subsidy from the German Democratic Republic Government.43
Ein Jahr später hat Klix diese Version in seinem Abschlussbericht vor dem Exekutivkomitee bekräftigt. 44 Mit seinen Berichten hat Klix wohl der nach den Regeln der Union bestehenden Auskunftspflicht Genüge getan und dem Schatzmeister zu verstehen gegeben, dass keine Gewinne angefallen seien, auf welche die Union Anspruch erheben könne. Das Protokoll der Sitzung lässt vermuten, Klix habe seinen Bericht mündlich gegeben und keine detaillierteren schriftlichen Aufstellungen vorgelegt. Die Auskunft ist von einer Prägnanz, welche ihren Eindruck auf die anwesenden Mitglieder des Exekutivkomitees sicher nicht verfehlt hat. Sie gibt annähernd den Bilanzierungsansatz wieder, wie er dem Zentralkomitee der SED vorgeschwebt hat, als dieses im August 1972 der Einladung der Union nach Leipzig zustimmte (s. Kapitel 2, S. 77) und wie er 1977 vom Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitee fortgeschrieben wurde (s. Tab. 6.2). In dem genannten Rahmen hat offenbar das Kongresssekretariat im Einvernehmen mit dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen gewirtschaftet. Allerdings hat bereits der Voranschlag des Kongresssekretariats vom Januar 1980 (s. Tabellen 6.3 und 6.4) den
43 ArchIUPsS I. International Union of Psychological Science (1980). Minutes of the Meetings of the IUPS Assembly´s Executive Committee in Leipzig, German Democratic Republic, July 5-6 and July 12, 1980. 44 ArchIUPsS I. International Union of Psychological Science (1981). Minutes of the Meetings of the IUPS Assembly´s Executive Committee in Caracas, Venezuela, September 8-11, 1981.
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Kapitel 6
Rahmen überschritten. Das knappe Fazit des Kongresspräsidenten kann jedenfalls nicht den Anspruch buchhalterischer Genauigkeit erheben; zudem überging es völlig das aus der Währungspolitik der DDR erwachsende Problem der Valutierung von Teilnehmergebühren aus dem Ausland. Eine ökonomische Beurteilung, wie sie hier versucht werden soll, verlangt vorab die Entscheidung, welche Posten überhaupt in eine Bilanz einbezogen werden sollen. Nahe liegt eine „kleine“ Bilanz, die von den folgenden minimalen Voraussetzungen ausgeht: x Das Kongressgeschehen umfasst die wissenschaftlichen Veranstaltungen innerhalb der Kongresswoche, dazu eine festliche Abendveranstaltung. x Die Vorbereitung wird von Personal aus den beteiligten örtlichen Einrichtungen geleistet, welches hierfür von seinen üblichen Dienstaufgaben freigestellt wird. x Alle Kongressteilnehmer tragen durch Zahlung von Gebühren die Kosten des Kongresses. Die kleine Bilanz gibt die Perspektive des von der Internationalen Union gemäß ihrer Satzung intendierten Ausrichters ihres Kongresses wieder: die Sicht einer unabhängigen nationalen Gesellschaft mit wissenschaftlichen, jedoch keinen politischen und wirtschaftlichen Interessen und Kompetenzen. Die wohl besten verfügbaren Schätzungen der Ausgaben und Einnahmen für den Teil des Kongressprogramms, das den genannten minimalen Voraussetzungen entspricht, enthält die erste Zeile der Tabelle 6.7. Zur kleinen Bilanz sind zunächst die Soll- und Haben-Werte aus der ersten Zeile der Tabelle 6.7 zu vergleichen. In Mark der DDR gerechnet, ergibt der Vergleich eine Unterdeckung von 173.980 M. Die Bilanz ändert sich freilich dramatisch, wenn man dem Haben die Deviseneinnahmen mit ihrem Wert auf den freien Märkten zurechnet. Dann kommt man zu dem Ergebnis: Mit einem Gegenwert von 1.142.220 DDR-Mark für 285.550 Valutamark an Kongressgebühren sowie für Eintrittskarten zum Bankett haben die Teilnehmer aus dem „nichtsozialistischen Währungsgebiet“ den Leipziger Kongress nicht nur allein finanziell getragen, sondern ihm sogar noch einen kräftigen Überschuss beschert. Zählt man zu dem neu errechneten Wert der Valutamark noch die verbleibenden Gebühreneinnahmen von 349.870 M aus dem „sozialistischen Währungsgebiet“, erhält man eine Summe von 1.492.090 M. Insgesamt schließt die kleine Bilanz nach diesem Rechenansatz mit einem Gewinn von 682.690 Mark der DDR. Man kann die Ansätze der kleinen Bilanz um sämtliche Posten, die über diejenigen des Kongressprogramms im engeren Sinne hinausgehen, erweitern. So gelangt man zu einer „großen Bilanz“. Die große Bilanz gibt die Perspektive eines Generalunternehmers wieder, der in umfassender Weise die Ausgaben übernommen hat, die im Zusammenhang mit dem Kongress entstanden sind, dafür aber auch sämtliche Einnahmen beansprucht. Alle bisher veranschlagten – teils belegten, teils geschätzten – Soll- und Haben-Posten sind in der Tabelle 6.7 (Zeilen 1-8) aufgeführt. Die Ausgaben ergeben eine Summe von 2.685.550 M, die Einnahmen eine Summe von 1.785.692 M – jeweils in DDR-Mark. Daraus errechnet sich ein Defizit von 899.858 M. Auch dieser Abschluss ändert sich dramatisch, wenn man die Einnahmen in Valutamark mit ihrem Wert bei freiem Umtausch verrechnet. Der Wert der Einnahmen aus dem „nichtsozialistischen Währungsgebiet“ – 1.147.550 Valutamark – beträgt dann 4.590.200 DDR-
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Mark und übersteigt allein die Summe aller ermittelten Kosten bei Weitem. Zählt man zum Gegenwert der Valutamark noch die Gebühreneinnahmen von 638.142 M aus den sozialistischen Ländern, so kommt man zu Einnahmen von insgesamt 5.228.342 M – das Doppelte der ermittelten Kosten. Die Kongressleitung hat in ihre Finanzplanung neben dem Kongressprogramm im engeren Sinne noch die Ausstellung, die Verkäufe, das Kulturprogramm und die Einladungen von Ehrengästen einbezogen. Aus der Perspektive der Kongressleitung dürfte also eine „mittlere Bilanz“, welche die Ausgaben und Einnahmen aus den Zeilen 1-4 der Tabelle 6.7 berücksichtigt, zur Bestimmung der Wirtschaftlichkeit des Leipziger Kongresses am besten geeignet sein. Nach diesem Ansatz stehen Ausgaben in Höhe von insgesamt 1.102.150 M Einnahmen in Höhe von insgesamt 723.692 M gegenüber. Das Defizit beträgt demnach 378.458 M – jeweils bewertet in DDR-Mark. An Valutamark sind in diesem Teil der Abrechnung 335.550 M eingegangen, nach freiem Umtausch wären das 1.342.200 M. Zusammen mit den verbleibenden Einnahmen von 388.142 M aus dem sozialistischen Wirtschaftsgebiet errechnet man dann Gesamteinnahmen von 1.730.342 M – ein Überschuss von rund 60%. Nun ist es ein guter Grundsatz, die Buchhaltung von der Rechnungsprüfung zu trennen. Erstere beschränkt sich auf die Erfassung und den Vergleich von Soll- und Habenposten und enthält sich deren Beurteilung. Die Rechnungsprüfung darf schon, ja soll zur kritischen Betrachtung übergehen. Aus der Sicht der Rechnungsprüfung darf, ja muss man fragen, ob alle Aufwendungen im Rahmen einer Unternehmung angemessen oder gar statthaft waren. In der Tat hat der XXII. Internationale Kongress für Psychologie in Leipzig seinen Teilnehmern ungewöhnliche zusätzliche Leistungen geboten. Waren dies angemessene Zugaben von Kongressveranstaltern, waren es mäzenatische Vergünstigungen oder waren es gar politische Verlockungen? Was den Leipziger Kongress anbelangt, sei das Motiv der Gastfreundschaft in einer Zeit weltpolitischer Spannungen ausdrücklich anerkannt. Doch unverkennbar ist auch das Motiv der Selbstdarstellung eines Staates, der um seine internationale Anerkennung ringt. Da sich Partei und Regierung der DDR die Lenkung des Kongresses vorbehalten haben und da sie es selbst waren, die mehrfach intern zum Ausdruck gebracht haben, den Kongress zur Förderung ihrer außenpolitischen Ziele nutzen zu wollen, ist es gerechtfertigt, die Posten der großen Bilanz nach ihrer Zurechenbarkeit zum Etat eines wissenschaftlichen Kongresses zu überprüfen. So mag man manche Anteile der im obligatorisch genannten Programm enthaltenen Repräsentationsveranstaltungen als allzu aufwändig bemängeln und für den bemängelten Mehraufwand politische Motive geltend machen. Doch mag es bei dieser kritischen Anmerkung bleiben – ohne Konsequenzen für eine Anrechnung. Der strenge Rechnungsprüfer wird weiterhin geneigt sein zu fragen, ob das gewaltige Aufgebot an Vollzeitstellen notwendig war. Zwar ist zu vermuten, dass im Vergleich zu ihren Vorgängern die Kongressleitung recht reich mit Verwaltungskräften ausgestattet war. Doch ist zugleich festzustellen: Der Kongress fand in einer Phase statt, in welcher die Zahl der Teilnehmer kräftig anzusteigen begann. Mit 3.396 angemeldeten Personen lag die Teilnehmerzahl lediglich unter derjenigen des Moskauer Kongresses im Jahre 1966 (3.897), weit über der des ersten 1963 von der Internationalen Union veranstalteten
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Kapitel 6
Kongresses in Washington (1.903); sogar gegenüber der Zahl registrierter Teilnehmer bei den vorangegangenen Internationalen Kongressen für Psychologie in Tokio und Paris (2.562 bzw. 3.355) war die Zahl der Anmeldungen in Leipzig gestiegen. Geradezu sprunghaft war die Zahl der Programmbeiträge in Leipzig (1.300) gegenüber den vorangehenden Kongressen in Washington und Paris (242 bzw. 801) gewachsen; sie lag sogar knapp über der Zahl der Beiträge zum Moskauer Kongress (1.275) (s. Kapitel 1, S. 18).45 Die Bereitstellung an Personal zur Vorbereitung des Kongresses im Jahre 1980 mag somit als Vorgriff auf die inzwischen übliche Delegierung der Kongressorganisation an kommerzielle Agenturen durchaus zu begründen sein. Auf jeden Fall vom Kongresshaushalt zu trennen ist das Kulturprogramm. Mit glänzenden Angeboten, deren wertvollste – ein Konzert des Gewandhausorchesters und zwei Konzerte des Thomanerchors – unentgeltlich waren, stand es in engem Zusammenhang mit der gastgebenden Stadt Leipzig und dem Gastland. Sie dienten der Öffentlichkeitsarbeit sowie der politischen Werbung, jedoch nicht den Zwecken eines wissenschaftlichen Kongresses. Daher müssten es auch wieder die Stadt oder der Ministerrat der DDR sein, welche die nicht durch Eintrittspreise gedeckten Kosten in ihren Etats zu verbuchen haben. Ebenfalls sollte die Buchausstellung vom Kongresshaushalt getrennt verrechnet werden. Sie hatte eindeutig kommerzielle Absichten und ist besser in die Außenhandelsbilanz der DDR einzuordnen. Erhebliche Aufwendungen sind in den Jahren 1977 bis 1980 aus Anlass des Leipziger Kongresses getätigt worden, die ohne den Kongress vermutlich unterblieben wären, jedoch nicht den Zwecken des Kongresses dienten und wohl auch ohne den Kongress erforderlich oder mindestens wünschenswert gewesen sind. Unter diesen nimmt die Investition in das Sektionsgebäude in Leipzig wohl den vordersten Platz ein. Die Renovierung des Gebäudes ist ja tatsächlich aus einem Sonderfond für Werterhaltung bestritten worden (s. S. 200) und sollte nicht zusätzlich in den Kongresshaushalt eingeordnet werden. Als erheblich sind ebenfalls die Aufwendungen für Vorkonferenzen und Schulungen einzuschätzen. Aus der Sicht der DDR-Führung wäre es verständlich, die Kosten für diese in Erwartung des Kongresses durchgeführten Veranstaltungen als Subventionen für den Kongress selbst zu verrechnen. Dem wäre freilich entgegenzuhalten, dass das Vorprogramm, vor allem die auf die sozialistischen Länder beschränkten Treffen sowie die ideologisch geprägten Schulungen, nicht dem Auftrag der Internationalen Union entsprachen, ja sogar Sonderinteressen der DDR geschuldet waren, die Grundsätzen der Union widersprachen. Aus dieser kritischen Sicht dürften die entsprechenden Ausgaben in der finanziellen Bilanz des Kongresses ebenfalls nicht erscheinen. Ein besonderes Problem stellen die Einladungen für ausländische Teilnehmer dar – insbesondere für Amtsträger der Internationalen Union. Zur Erinnerung: Sie wurden die gesamte Kongresswoche frei gehalten und erhielten zusätzlich Tagegeld; eigene Fahrzeuge standen ihnen zur Verfügung (s. o.). Dafür sei – dies sei noch einmal betont 45 González Solar. J. (1998). Los congresos internacionales de psicologia (1963-1984). Tesis doctoral. Universitat de Valencia, Facultat de Psicologia (pp. 492, 497, 534).
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– Gastfreundlichkeit als Motiv durchaus anerkannt, und Wertschätzung für die als hochrangig eingestuften Gäste verdient als Motiv ebenfalls Verständnis. Doch sollte die Rechnungsprüfung nicht versäumen, die Grundsätze der politischen Transparenz auf diesen Vorgang anzuwenden. Insofern sind die Fragen angemessen: War die Vorzugsbehandlung politisch neutral? Sollten die als politisch einflussreich erachteten Besucher nicht in verstärktem Maße für die Ziele der DDR eingenommen werden? Sollte sie eingestimmt werden auf ein günstiges Urteil über den Kongress in der DDR? Und insbesondere: In der Generalversammlung der International Union of Psychological Science am Ende des Leipziger Kongresses stand die Wahl eines neuen Präsidenten an. Ein aussichtsreicher (und tatsächlicher erfolgreicher) Kandidat war der Kongresspräsident Klix (s. Kapitel 2, S. 56). Partei und Regierung der DDR zeigten ein außergewöhnliches Interesse an seiner Wahl. War die großzügige Behandlung von Amtsträgern der Internationalen Union etwa Teil einer Werbestrategie für den eigenen Kandidaten? So lange diese Fragen nicht verneint werden können, sind finanzielle Zuwendungen oder geldwerter Vergünstigungen an Amtsträger kritisch zu beurteilen, und die Verbuchung derartiger Ausgaben im Haushalt eines wissenschaftlichen Kongresses erscheint recht bedenklich. Freilich sind die Kosten von Einladungen an Amtsträger der Internationalen Union zu deren Kongressen als Teil der Kongresshaushalte hinzunehmen, da sie offenbar lange geübtem Gebrauch bei der Union entsprechen. Es sind keine Belege vorhanden, aus denen hervorgeht, dass die Internationale Union die gewährten Vergünstigungen zur formellen Bedingung für die Abhaltung des Leipziger Kongresses gemacht hat. Gegenwärtig pflegt – wie der Präsident des 2008 in Berlin stattgefundenen XIX. Internationalen Kongresses für Psychologie bestätigt hat – das Präsidium der Internationalen Union mit den Ausrichtern ihrer internationalen Kongresse sogar ausgehandelte Verträge abzuschließen, welche die Kongressorganisatoren verpflichten, zu Lasten des Kongresshaushalts Amtsträgern (und teilweise ihren Partnern) die kostenlose Teilnahme zu ermöglichen und darüber hinaus finanzielle oder geldwerte Vergünstigungen einzuräumen.46 In der Annahme, dass diese Auskunft in die Vergangenheit zu verallgemeinern ist, richten sich Bedenken wegen Einladungen an Gäste aus den Gremien der Internationalen Union gegen die Union selbst, und man darf gegenüber den Veranstaltern des Leipziger Kongresses die Aufnahme der hierfür entstehenden Kosten in den Kongresshaushalt nicht beanstanden. Grundsätzliche Bedenken sind schließlich gegen eine Einbeziehung der Tourismuswirtschaft in den Kongresshaushalt anzumelden. Dass inzwischen in der ganzen Welt enge Verbindungen zwischen jenem Wirtschaftszweig und dem Wissenschaftsbetrieb bestehen, sei nicht verkannt. Im Falle des Leipziger Kongresses ist dies umso offensichtlicher, als das Erzielen von Deviseneinnahmen ein erklärtes Ziel von Partei und Regierung der DDR war. Die Angebote zum Zwecke der Devisenbeschaffung waren dann recht heterogen. Die Zusammenfassung ihrer Erträge führt zu einer Verquickung von Haushaltsposten mit und ohne Relevanz für das wissenschaftliche Gelingen eines Kongresses. Zu bedenken ist zudem die Größenordnung der Erträge: Die Einnahmen 46 Frensch, Peter. Schriftliche Mitteilung vom 17. 6. 2009.
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aus touristischen Geschäften überstiegen – allein in Mark der DDR gerechnet – die Kongressgebühren um etwa das Doppelte. Eine gemeinsame Bilanzierung von Einnahmen und Ausgaben für Zwecke der wissenschaftlichen Zusammenkunft sowie für dessen touristischen Rahmen würde deshalb den Blick für die Wirtschaftlichkeit des eigentlichen Kongressunternehmens verstellen. Nach diesen Bewertungen sei ein vierter Bilanzierungsansatz vorgestellt, der nur die Positionen enthält, welcher der oben angestellten „Rechnungsprüfung“ standgehalten haben. Sie finden sich in den Zeilen 1, 4 und 5 der Tabelle 6.7. Auf das Kongressprogramm im engeren Sinne, auf das Personal des Kongresssekretariats sowie auf die Versorgung von Gästen beschränkt, ergibt sich dann – in der Inlandswährung der DDR gerechnet – ein Soll von 969.150 M gegenüber einem Haben von 635.420 – ein Defizit von 333.730 M. Jedoch schlagen hier erneut die Deviseneinnahmen von 285.550 Valutamark – bei freiem Umtausch 1.142.200 Mark der DDR wert – beträchtlich zu Buche. Zusammen mit den geschätzten Einnahmen von 349.870 M aus sozialistischen Ländern ergeben sich Einnahmen von insgesamt 1.492.070 M – bei diesem Ansatz etwa 50% mehr als die Ausgaben. Eine Übersicht über die verschiedenen vorgestellten Bilanzierungsansätze gibt Tabelle 6.8. In ihrer Variation veranschaulichen sie den Spielraum für die ökonomische Bewertung des Kongresses. Bemerkenswert ist, dass sich die für den Kongress Verantwortlichen zu keiner der Optionen eindeutig geäußert haben. Aus den Dokumenten ergibt sich lediglich der Eindruck: Entsprechend der oben skizzierten Zuständigkeiten und Interessenlagen neigte das Wissenschaftliche Vorbereitungskomitee zu einer eher kleinen Bilanzierung, Partei und Ministerium zu einer großen. Die Uneindeutigkeit hat die Abstimmung zwischen beiden Gruppen wohl nicht sonderlich belastet, da – worauf oben mehrfach hingewiesen wurde – eine explizite gemeinsame Rechnungslegung aller Beteiligten unterblieben ist. So mögen sich schließlich zwei unscharfe Vorstellungen über die Wirtschaftlichkeit des XXII. Internationalen Kongresses in Leipzig herausgebildet haben, die heute noch in der Erinnerung dominieren: x Erstens, der Internationale Psychologenkongress hat der DDR hohe wirtschaftliche Anstrengungen abverlangt. 47 x Zweitens, der Internationale Psychologenkongress hat der DDR reiche Deviseneinnahmen beschert.48 So erinnert sich der damalige Generalsekretär: Insgesamt war es ja … ein Verlustgeschäft, weil es ja soviel gekostet hat zu DDR-Zeiten. Was da alles nicht hätte sonst gemacht werden können! Es ist dann sehr teuer geworden. Aber es sind eben Devisen gewesen, die reingekommen sind. Insofern war es unterm Strich eine sehr positive Geschichte für die DDR.49
47 Kossakowski, Adolf. Mündliche Mitteilung vom 23. 7. 2007. Mäder, Walter. Schriftliche Mitteilung vom 28. 11. 2007. 48 Schaarschmidt, Uwe. Mündliche Mitteilung vom 3. 12. 2007. 49 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007.
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Hohe Deviseneinnahmen von einem wissenschaftlichen Kongress – das war schon vorab eine hoffnungsvolle Erwartung des Ministerrats der DDR gewesen.50 Doch dass sich die Erwartung erfüllte, ja Vorausschätzungen sogar übertroffen wurden, hat im Gastland Aufsehen erregt. Mangels früherer internationaler Wissenschaftlertreffen gleicher Größenordnung war dies zudem eine neue Erfahrung. Dazu Uwe Schaarschmidt, der damalige Fachreferent im Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen: „Wenn da ein paar tausend Leute …, dann kommen Devisen rein. … Das war für die DDR das erste Mal, dass von einem Kongress solche Einnahmen erzielt wurden.“51 Die hohen Einnahmen sind vermutlich ganz im Staatshaushalt verblieben. Es spricht nichts dafür, dass diese später ganz oder teilweise dem Fach Psychologie zur Aufstockung seiner Mittel zugeflossen sind.52
Tabelle 6.8. Vier Ansätze für die Bilanzierung des Internationalen Kongresses 1980
Kleine Bilanz (1) Ausgaben in DDR-Mark (2) Einnahmen in DDR-Mark (3) Einnahmen in Valutamark (4) Einnahmen in Valutamark, Umtausch 1:4 (5) Gesamteinnahmen, Umtausch 1:1 (6) Gesamteinnahmen, Umtausch 1:4
Große Bilanz
Bilanz nach Finanzplanung
Bilanz nach ‚Rechnungsprüfung’
809.400
2.685.550
1.102.150
969.150
349.870
638.142
388.142
349.870
285.550
1.147.550
335.550
285.550
1.142.200
4.590.200
1.342.200
1.142.200
635.420
1.785.692
723.692
635.420
1.492.690
5.228.342
1.730.342
1.492.070
50 BArch DC 20 I4 4036, Bl. 3-16. Präsidium des Ministerrats. Beschluß zur Sicherung der politischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 23. März 1978. 51 Schaarschmidt, Uwe. Mündliche Mitteilung vom 3. 12. 2007. 52 Rösler, Hans-Dieter. Mündliche Mitteilung vom 29. 11. 2007.
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Kapitel 6
Zu denken geben schließlich Äußerungen – wie die oben zitierte des Generalsekretärs – zu den hohen Kosten. Möglicherweise sind diese in den verfügbaren Aufstellungen unterschätzt. Da manche Güter und Dienste – wie bereits erwähnt (s.S. 186) – eher zugewiesen als mit finanziellen Mitteln erworben wurden, sind diese vielleicht nicht oder unter ihrem Wert in Berechnungen berücksichtigt. Es sind also letztlich die Maßstäbe, welche innerhalb der DDR anzulegen waren, nicht mehr zu rekonstruieren. Angesichts dieser Bedenken ist es bemerkenswert, dass dem Leipziger Kongress auch in finanzieller Hinsicht einhellig eine positive Bilanz bescheinigt wird.
KAPITEL 7 DIE FURCHT VOR PROVOKATIONEN UND DER „SCHUTZ“ DURCH DAS MINISTERIUM FÜR STAATSSICHERHEIT
DES
KONGRESSES
Der Staat der DDR war – wie der gesamte Ostblock – stets heftiger Kritik aus dem westlichen Ausland, jedoch auch aus dem eigenen Land ausgesetzt. Beklagt wurden vornehmlich die Verletzungen von Menschenrechten und die Verweigerung demokratischer Freiheiten, Militarisierung und Bürokratisierung, eine rücksichtslose Industrialisierung auf Kosten der Umwelt, Mängel in der Versorgung mit Konsumgütern und Medikamenten. Angesichts vielfältiger Kritik barg ein Treffen von mehreren tausend Wissenschaftlern aus aller Welt – davon etwa die Hälfte aus dem nichtsozialistischen Ausland – aus der Sicht von Partei und Regierung erhebliche Risiken. Sie fürchteten, der XXII. Internationale Kongress für Psychologie 1980 könnte als öffentliches Podium für Anschuldigungen gegen die DDR und ihre Bundesgenossen genutzt werden; von dem Kongress ausgehende Appelle könnten zur Destabilisierung im eigenen Land beitragen. In der Überzeugung, der Leipziger Kongress sei durch Übernahme seiner Leitung durch das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen zu einem Staatsunternehmen der DDR geworden (s. Kapitel 3, S. 86), wandelte sich die Vorstellung von der Gefährdung des Staates durch den Kongress zur Idee der Gefährdung des Kongresses selbst. Der Staat sah sich somit zum „Schutz“ des Kongresses berufen. Die zentrale Einrichtung zur Abwehr von Gefahren für das politische System der DDR war das für den geheimen Nachrichtendienst zuständige Ministerium für Staatssicherheit – im Jargon verkürzt zu „Stasi“. Über die Macht und die Wirksamkeit des Ministeriums in der Zeit des Leipziger Kongresses schreibt Jens Gieseke: Anfang der achtziger Jahre stand das Ministerium für Staatssicherheit im Zenit seiner Macht. Nach der massiven Expansion der siebziger Jahre war es mit mehr als 80 000 Mitarbeitern der „öffentlichen“ Volkspolizei mehr als ebenbürtig und hatte in einem ambitionierten Programm seinen Anspruch „flächendeckender“ Kontrolle in bislang ungekannter Weise realisiert. … Doch diese Erfolge hatten eine Kehrseite: Der Sicherheitsapparat reagierte mit seiner Hypertrophie auf die Systemdefizite, … doch konnte er diese Defizite nicht beheben, sondern lediglich mit immer aufwendigeren Mitteln verhindern, daß sie öffentlich artikuliert werden. 1
Das Ministerium erkundete die Gegner der DDR im Ausland. Mit erheblichem personellen Aufwand spähte es auch die eigenen Bürger aus, um Opposition im eigenen Lande schon im Entstehen zu unterdrücken. Der Internationale Kongress, der die Gelegenheit zur Begegnung zwischen zahlreichen DDR-Bürgern und ausländischen Teilnehmern bot, wurde dem Ministerium für Staatssicherheit zum hochrangigen Aufgabenfeld. Selbst als militärische Organisation geführt, warnte das Ministerium in marti-
1 Gieseke, Jens (1999). „Genossen erster Kategorie“: Die hauptamtlichen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatsicherheit als Elite. In Peter Hübner (Hrsg.), Eliten im Sozialismus (S. 201-240). Köln: Böhlau (S. 231).
W. Schönpflug, G. Lüer, Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik: Wissenschaft zwischen Ideologie und Pragmatismus, DOI 10.1007/978-3-531-93057-2_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Kapitel 7
alischer Sprache vor einem „Feind“, der den Kongress bedrohe, und gab sich selbst den Auftrag zum „Kampf“ gegen diesen Feind.2 Die Sitzungsprotokolle, Aktionspläne und Rechenschaftsberichte wissenschaftlicher, staatlicher und parteilicher Gremien, die mit dem Kongress befasst waren, enthalten freilich keinerlei Hinweise auf die Anwesenheit oder gar die Mitwirkung von Angehörigen oder informellen Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit. Lediglich ein einziges Mal ist in einem Dokument die Beteiligung einer örtlichen Dienststelle des Sicherheitsdienstes erwähnt.3 Doch ist allein aus den fehlenden Aufzeichnungen in den genannten Dokumenten weder auf die Abwesenheit noch auf die Untätigkeit des Ministeriums zu schließen. Vielmehr sei „die Stasi immer dabei“ gewesen – berichtet ein Zeitzeuge; aus Gründen der Geheimhaltung durfte deren Anwesenheit nur nicht protokolliert werden. Es sei vorweggeschickt: Die Untersuchungen, über welche im Folgenden berichtet wird, ergaben keine Hinweise auf schwer wiegende, politisch bedeutsame Zwischenfälle während des Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig. Eingriffe von Staatsorganen (Inhaftierungen, Ausweisungen o. Ä.) sind nicht bekannt geworden und haben sich wohl auch nicht ereignet. Es fanden sich lediglich einige Berichte über den Veranstaltern unliebsame Vorkommnisse, die jedoch außer der Meldung keine Folgen hatten. Im Übrigen haben Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit vor dem Kongress und während des Kongresses Erkundungen von Teilnehmern durchgeführt; auch diese Ermittlungen haben den Ablauf und die Teilnehmer des Kongresses nur wenig belastet. Freilich hatte die Führung des Ministeriums weit reichende Maßnahmen geplant. Wurden die Pläne nicht umgesetzt oder ist ihre Umsetzung inzwischen nicht mehr nachweisbar? Was zur Tätigkeit des Sicherheitsdienstes in Erfahrung zu bringen war, stammt aus drei Quellen: Erstens, aus Berichten von Beteiligten bzw. Betroffenen; zweitens, aus Archivalien, insbesondere Dokumenten aus dem Zentralarchiv für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik; drittens, aus Dokumenten aus Privatbesitz. Die erhaltenen Dokumente des Ministeriums für Staatssicherheit – gegenwärtig von der Beauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik verwaltet – sind nunmehr vorzugsweise Personen zugeordnet, über die Berichte angefertigt worden sind. Darüber hinaus waren nur wenige für den Leipziger Kongress relevante Dokumente zu finden. Recherchen in dem Archiv sind der genannten Bundesbeauftragten vorbehalten; sie wird auf Antrag tätig. Was die Personenakten anbelangt, musste sich die vorliegende Untersuchung auf zehn Anträge beschränken; von den zehn Anträgen führte lediglich einer zu einem verwertbaren Fund. Wenn also die Ausbeute an ein2 BStU, MfS, Nr. 7267. Ministerium für Staatssicherheit - Der Minister. Politisch-operative Sicherung der Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 25. 6. 1980. (Der vollständige Text befindet sich als Materialie G auf S.331.) 3 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitungen des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6. - 12. Juli 1980 in Leipzig (Ergänzung zur Information vom 23. 11. 1978) vom 16. 7. 1979.
Der „Schutz“ des Kongresses durch das Ministerium für Staatsicherheit
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schlägigen Dokumenten aus dem Zentralarchiv gering war, so kann das einerseits an der geringen Menge vorhandenen Materials liegen, andererseits an der Begrenztheit des angewandten Suchverfahrens. GEFÜRCHTETE PROVOKATIONEN Es waren Zwischenfälle vorstellbar, bei denen Dissidenten in Kongressräume oder gar Kongressveranstaltungen eindringen, um die Aufmerksamkeit der Teilnehmer auf ihre Anliegen zu lenken. Dass solche Aktionen 1976 beim Internationalen Psychologenkongress in Paris zumindest versucht wurden, berichteten die DDR-Teilnehmer nach ihrer Rückkehr: Bei der Vorbereitung und Durchführung des Kongresses hat es Versuche politischer Aktionen rechter und ultralinker Kräfte gegeben. Antisowjetische Aktionen sind von der Leitung der IUPS und von den französischen Organisatoren zurückgewiesen worden (z. B. ausdrückliches Verbot, in den Kongreßgebäuden Materialien zu verteilen und Meetings zu veranstalten). Die einzige von der IUPS- und der Kongreßleitung gestattete politische Aktion war die Vertreibung von Materialien über psychologische Repressalien in Chile und eine Unterschriftensammlung gegen den Einsatz psychologischer Methoden im Bereich der chilenischen Junta. 4
Noch bedenklicher als Aktionen am Rande des Kongresses erschienen Veranstaltungen im Rahmen des Kongresses, die politische Proteste zum Ziel hatten. Auch hierfür gab es 1976 in Paris Initiativen. Sowohl der Generalversammlung der International Union of Psychological Science als auch deren Exekutivkomitee lagen Anträge vor, über welche die DDR-Delegation folgendermaßen Bericht erstattete: Den Assembly-Mitgliedern wurden von Vertretern der psychologischen Gesellschaften der USA und der Niederlande Resolutionen gegen den Mißbrauch psychologischer und psychiatrischer Begutachtungen in politischen Prozessen vorgelegt. Während die amerikanische Resolution eindeutig antisowjetischen Charakter trug, war die niederländische global gehalten. Sie konnte jedoch auch als gegen die Sowjetunion gerichtet aufgefaßt werden.5
Die DDR-Vertreter betonten die heftigen Auseinandersetzungen in den befassten Gremien über die beantragten Resolutionen. Der amerikanische Verband habe seine Fassung zugunsten der niederländischen zurückgezogen. Einzig der Widerstand der sozialistischen Länder habe „unterstützt durch taktische Manöver des Präsidiums der IUPS, eine Abstimmung über diese Resolution schließlich verhindert“.6 Erhebliche Besorgnis löste eine Initiative einer Arbeitsgruppe der Société francaise de Psychologie aus, geführt von Gérard Lemaine von der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales in Paris. Die Gruppe legte einen Appell gegen die Verfolgung politischer Opposition und gegen psychiatrische Internierung sowie einen Antrag an die 4 HUBA GPs-DDR 788a/191.3. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Bericht der DDR-Delegation über den XXI. Internationalen Kongreß für Psychologie (Paris, 18.-25. Juli 1976) vom 24. 8. 1976. 5 a. a. O. 6 a. a. O.
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sowjetischen Gesellschaften für Psychologie und Psychiatrie vor. Beide Texte wurden vor dem Pariser Kongress – offenbar in mehreren Sprachen – versandt. Psychologen wurden aufgefordert, den Appell sowie den Antrag durch ihre Unterschrift zu unterstützen. Die Papiere wurden in ein Kongresssymposium zu ethischen Fragen der Psychologie eingebracht; sie gelangten von da in die oben dargestellten Beratungen der Generalversammlung der Internationalen Union und schließlich auf die Tagesordnung der Sitzung des Exekutivkomitees im Oktober 1977.7 Die Texte beruhten auf eigenen Erhebungen der französischen Arbeitsgruppe und richteten sich klar gegen die Rechtspraxis der Sowjetunion. So hatte der oben genannte Antrag (in deutscher Übersetzung) den folgenden Wortlaut: Wir wissen unwiderlegbar, daß seit mehreren Jahren die Psychiatrie in der Sowjetunion benutzt wird, um politische Oppositionelle zu unterdrücken. Wir verurteilen diese Art von Praktiken, die im Widerspruch zum Wesen unserer Berufe und der Moral stehen. Wir möchten erfahren: Welche Aktionen habt Ihr, sowjetische Psychologen und Psychiater, unternommen, um etwa öffentlichen Einfluß auf Spezialisten auszuüben, die bereit sind, ihre Autorität und ihre Funktion im Dienste der Unterdrückung einzusetzen, damit sie diese Machenschaften umgehend einstellen? 8
Ausführlicher ging der Appell auf die Menschenrechtsprobleme in der Sowjetunion ein. Jürgen Siebenbrodt, der Sekretär der Gesellschaft für Psychologie der DDR, übersandte beide Texte in französischer Originalfassung und deutscher Übersetzung an das Büro für Wissenschaftliche Gesellschaften der Akademie der Wissenschaften der DDR.9 So waren auch die politischen Instanzen der DDR über den Fall informiert. Klix hat als Präsident des Leipziger Kongresses und als Mitglied des Exekutivkomitees der International Union of Psychological Science zweifach auf die Vorlagen aus der französischen Gesellschaft reagiert. Zum einen suchte er die Besorgnis über die Menschenrechtsinitiative zu mildern, zum anderen hat er seinen Einfluss ausgeübt, um einer Fortführung der Initiative in 1980 in Leipzig vorzubeugen. In einem Bericht über die Tagung des Exekutivkomitees im Oktober 1977, der sich im Bestand des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen befindet, wertete er die Menschenrechtsinitiative der französischen Gesellschaft ab. Er berief sich dabei auf den Unionspräsidenten Summerfield und den Kongresspräsidenten Fraisse. Ersterer habe die „politischprovokativen Aktivitäten … eine[r] sehr kleine[n] Gruppe agiler französischer Psychologen“ als „Entgleisungen“ bezeichnet, die in der Gesamtbeurteilung „so schwer nicht ins Gewicht fiele[n]“. Da das Papier auf der Tagesordnung stehe, müsse es behandelt werden; dies solle jedoch in einer Veranstaltung mit geladenen Gästen geschehen, und zwar zeitlich vor dem Leipziger Kongress. Bezüglich Leipzig berichtete der Kongress-
7 BArch DR 3 2. Schicht 3052. Klix, Friedhart. Bericht über die Tagung des Exekutiv-Komitees der IUPS in Cumberland-Lodge, Windsor, Großbritannien, vom 10.-13. 10. 1977. 8 HUBA GPs-DDR, 786a/191.1. Lemaine, Gerard, Cohen-Salmon, Charles, Mathon, Tanis, Netchine, Gaby, Netchine, Serge. Antrag an die sowjetischen Gesellschaften für Psychologie und Psychiatrie vom 10. 7. 76. (Der vollständige Textbefindet sich als Materialie E auf S. 327.) 9 HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Brief von Jürgen Siebenbrodt an das Büro für Wissenschaftliche Gesellschaften der Akademie der Wissenschaften vom 26. 8. 1976.
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präsident: „Es ist festgelegt worden, in persönlichen Gesprächen, daß diese Akzente und Fragen nicht Beratungspunkt während des Leipziger Kongresses 1980 sein können. Dies wurde sowohl vom Generalsekretär als auch vom Präsidenten des IUPS akzeptiert.“10 Neben rechtsradikal genannten Gruppen wurden als ultralinks eingeordnete zu den Risiken gezählt. Vom Pariser Kongress wurde berichtet: „Trotz der Schutzmaßnahmen kam es vereinzelt zu Aktionen ultralinker Kräfte, die bis zur Zerstörung von Versuchsanlagen bei Besuchen psychologischer Laboratorien gingen.“11 Solche als ultralinks bezeichnete Gruppierungen traten in mehreren Ländern Europas auf. Unter ihnen befanden sich auch studentische Fachschaften westdeutscher Universitäten, die bereits – mit ihrem Protest gegen die „Mainstream-Psychologie“ Aufsehen erregend – psychologische Zusammenkünfte an den Rand des Abbruchs gebracht hatten.12 Die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED meinte sogar, eine besonders gefährliche studentische Gruppe innerhalb der Bundesrepublik entdeckt zu haben und sandte offenbar dramatische Warnungen vor dieser Gruppe an mehrere psychologische Einrichtungen in der DDR: Alle Parteisekretäre und staatlichen Leiter psychologischer Sektionen oder Bereiche, die Leitung des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie und die Kommission Öffentlichkeitsarbeit wurden über die von der Ruhr-Universität Bochum ausgehenden Aktivitäten zum Aufbau einer konterrevolutionären Oppositionsbewegung besonders unter Psychologiestudenten informiert, um die revolutionäre Wachsamkeit zu verstärken und keine Verletzung der Informationspflicht zu dulden. 13
Gegenstand dieser Warnung kann nur die als studentische Fachschaft der RuhrUniversität Bochum organisierte Gruppe von Studierenden der Psychologie gewesen sein. Diese Gruppe verfolgte einen radikalen marxistischen Kurs in Anschluss an den Hannoveraner Psychologieprofessor Peter Brückner. Die Angehörigen der Gruppe verurteilten vehement die Wirtschaftsordnung und das politische System der Bundesrepublik, jedoch auch den in der DDR praktizierten Sozialismus. Die bestehende Psychologie – auch die in der DDR betriebene – lehnten sie ab, da sie sich der politischen Praxis enthalte und so zum Instrument der Herrschenden werde. Mit anderen – teilweise der DDR freundlicher gesonnenen Gruppen – trafen sich die Bochumer 1969 in Hannover zum „Kongreß kritischer und oppositioneller Psychologen“.14 Die heftigen Auseinan10 BArch DR 3 2. Schicht 3052. Klix, Friedhart. Bericht über die Tagung des Exekutiv-Komitees der IUPS in Cumberland-Lodge, Windsor, Großbritannien, vom 10.-13. 10. 1977. 11 HUBA GPs-DDR 788a/191.3. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Bericht der DDR-Delegation über den XXI. Internationalen Kongreß für Psychologie (Paris, 18.-25. Juli 1976) vom 24. 8. 1976. 12 Graumann, Carl F. (1969). Symposion II: Psychologie und politisches Verhalten. In Martin Irle (Hrsg.), Bericht über den 26. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie Tübingen 1968 (S. 106-132). Göttingen: Hogrefe. 13 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitungen des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6. - 12. Juli 1980 in Leipzig (Ergänzung zur Information vom 23. 11. 1978) vom 16. 7. 1979. 14 Bosshardt, Hans-Georg. Schriftliche Mitteilung vom 8. 2. 2009. Zurek, Adam. Schriftliche Mitteilung vom 10. 3. 2009. Organ der Basisgruppen Psychologie in der BRD. Nr.1 (Bochum 1970).
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dersetzungen zwischen marxistischen Gruppen, ja deren Vorwürfe gegen das DDRRegime mag die Abteilung Wissenschaft betroffen gemacht haben. In ihrer Empörung über die „konterrevolutionäre Oppositionsbewegung“ dürfte es den Angehörigen der Abteilung jedoch entgangen sein, dass die radikalen marxistischen Gruppierungen unter den westdeutschen Studenten nur in den frühen Siebzigerjahren florierten und im Jahre 1980, zur Zeit des Internationalen Kongresses, schon längst an Bedeutung verloren hatten. EIN PLAN ZUR KONTROLLE DES LEIPZIGER KONGRESSES Jedenfalls war der Internationale Kongress für Psychologie 1980 in Leipzig ein Großereignis, welches eine Herausforderung für das Ministerium für Staatssicherheit darstellte. Es war der für Staatssicherheit der DDR zuständige Minister, Armeegeneral Erich Mielke, selbst, der am 25. Juni 1980 eine umfassende Weisung zur „politischoperativen Sicherung“ des Kongresses erließ.15 Die Tätigkeit des Ministeriums sollte sich danach vor allem erstrecken auf x die „ständige enge Verbindung zu den Vorbereitungs- und Leitungsgremien des Kongresses … zur Wahrnehmung und Durchsetzung der Interessen des Ministeriums für Staatssicherheit“; x die „umfassende vorbeugende … Überprüfung der … am Kongreß teilnehmenden Personen und des gesamten sicherstellenden Personals“; x die „Sicherheit und Ordnung im Territorium der Stadt Leipzig“; x die „Sicherung aller Veranstaltungen, an denen führende Repräsentanten der DDR teilnehmen“; x die „Einleitung vorbeugender Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung des Auftretens … von Demonstrativtätern sowie zur Unterbindung mündlicher und schriftlicher Hetze“; x den „Aufbau eines funktionsfähigen Systems unter den Betreuern und Dolmetschern zur Sicherung der ausländischen Teilnehmer“; x „gesonderte … Sicherungsmaßnahmen für gefährdete Delegationen“; x die „Verhinderung von Sympathiebekundungen bzw. von unkontrollierten Kontakten zu Teilnehmern aus dem NSW“; x die „Auswahl und … Sicherung der zum Einsatz kommenden Dolmetscher“; x die „Sicherung der … zum Einsatz kommenden Kader bzw. Teilnehmer“. Es war dies ein breit gefächertes Programm, das nicht weniger beabsichtigte, als die vollständige Überprüfung und Lenkung aller am Kongress beteiligten Personen – der Organisatoren, ihrer Mitarbeiter sowie der Teilnehmer. Einbezogen waren nicht nur Kongressveranstaltungen selbst, sondern auch die Verkehrswege, welche die Teilnehmer benutzten – beginnend beim Grenzübertritt. 15 BStU, MfS, Nr. 7267. Ministerium für Staatssicherheit - Der Minister. Politisch-operative Sicherung der Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 25. 6. 1980. (Der vollständige Text befindet sich als Materialie G auf S. 331.)
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Die Zuständigkeit für die Aufgaben wurde auf vier Diensteinheiten verteilt: x Hauptverwaltung A: Maßnahmen gegen terroristische, extremistische und anarchistische Organisationen. x Hauptabteilung II: Kontrolle von bevorrechteten Personen und Korrespondenten nichtsozialistischer Staaten. x Hauptabteilung VI: Einreise und Reisen ausländischer Teilnehmer. x Hauptabteilung VII: Kurzfristige Ermittlung und Erkundung – vermutlich von Einzelpersonen. x Hauptabteilung XX: Überprüfung von Dolmetschern, Kadern, Teilnehmern. Die Mitarbeiter der genannten Abteilungen waren wohl zum Teil – unterstützt von so genannten Informellen Mitarbeitern und Gesellschaftlichen Mitarbeitern des Ministeriums – selbständig tätig. Mitarbeiter der Abteilungen II, IV und XX wirkten aber auch teilweise im Rahmen eines Operativen Einsatzstabes mit der Bezirksverwaltung Leipzig des Sicherheitsdienstes zusammen. Deren Leiter war vor allem auch für die Überprüfung von Personen verantwortlich. Ausdrücklich erwähnte der Minister in seiner Weisung die Kongressleitung und das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Zu ihnen sollte eine ständige Verbindung gehalten werden; kritische Vorkommnisse sollte die Kongressleitung unverzüglich melden. Es war also eine Verflechtung zwischen der Kongressleitung und anderer Organisatoren mit dem Staatssicherheitsdienst beabsichtigt. Verbindungspersonen und Verbindungswege wurden freilich nicht bezeichnet. Zudem beabsichtigte das Ministerium, sich auch bei den normalen Aufgaben der Volkspolizei (z. B. bei der Verkehrsregelung vor und nach Großveranstaltungen) und bei der Kongressvorbereitung (z. B. bei der Auswahl von Dolmetschern) einzuschalten. Das waren Aufgaben von beträchtlichem Umfang. Im Vorfeld des Kongresses wäre – hätte man die Pläne vollständig in die Tat umgesetzt – eine Überprüfung von tausenden von Personen zu leisten gewesen, während des Kongresses eine Überwachung von hunderten, zum Teil zeitlich parallelen Veranstaltungen und Zusammenkünften. Man mag dem Staatssicherheitsdienst eine intensive Tätigkeit zutrauen und doch Zweifel hegen, ob das aufwändige Sicherheitsprogramm tatsächlich sorgsam durchgeführt wurde. Die Zweifel werden bestärkt durch das Datum der Weisung Mielkes – 25. Juni 1980, zwei Wochen vor Kongressbeginn. Es gibt zwei Möglichkeiten: Erstens, die Weisung Mielkes kam zu spät, um noch umfassend wirksam zu werden. Zweitens, die Weisung wurde zwar spät verkündet, war aber schon lange vorher in Kraft. Für Letzteres spricht, dass die in der Weisung enthaltenen Regelungen wohl nicht besonders für den Kongress entworfen zu werden brauchten. Sie entsprachen vermutlich einer Übung, die in Leipzig zweimal im Jahr stattfand: der politischen Absicherung der dortigen Internationalen Mustermesse.
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VORBEUGENDE MAßNAHMEN 16 Die Hauptabteilung XX/3 des Ministeriums für Staatsicherheit hat spätestens ab 1977 Informationen zur Kongressvorbereitung zusammengestellt. Blätter vom Dezember 1977 enthielten eine Übersicht der Vorbereitungen innerhalb der DDR.17 Unter den Beständen des Ministeriums befinden sich außerdem Materialien des Organisationskomitees. 18 Dass der spät datierten Anweisung des Generals Mielke lange Aufklärungsbemühungen vorangingen, belegen die Aufzeichnungen über Kontakte mit dem DDRWissenschaftler A.19 Die protokollierten Kontakte mit A, der bereits unter einem Decknamen geführt wurde, dauerten vom Februar 1977 bis Mai 1981. Mitarbeiter des Ministeriums für Staatsicherheit, davon einer im Rang eines Leutnants, besuchten A in seiner Dienststelle und in seiner Privatwohnung. Als Ziel der Gespräche wurde zu Beginn „die Sicherung des Psychologenkongresses 1980 in Leipzig“ angegeben. Zu den letzten von A erledigten Aufträgen gehörte ein umfängliches Schriftstück „zum wissenschaftlichen Teil des Kongresses“ mit Datum vom 18.7.1980, also unmittelbar nach dem Leipziger Kongress angefertigt. A war als Organisator eines Kongresssymposiums tätig. Zudem hatte er Kontakte zu Fachkollegen in Westeuropa und den USA. Seine Gesprächspartner waren an Auskünften über Wissenschaftler aus der Bundesrepublik und der USA interessiert, welche die DDR besuchten – während und bereits vor dem Leipziger Kongress. Aber sie forderten auch Berichte über DDR-Kollegen von A an, insbesondere über Nachwuchswissenschaftler. Offenbar gab A Einzelheiten aus Lebensläufen (z. B. Studienorte) sowie Kontaktdaten (wie Adressen) weiter, die ihm persönlich bekannt waren; gesonderte Nachforschungen hat er hierzu nicht angestellt. Die Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes notierten auch persönliche Charakterisierungen (z. B. „ist unentschlossen“). Insgesamt machen die vorliegenden Berichte nicht den Eindruck von Geheimdienstprotokollen; ihre Inhalte sind beschaffen, als stammten sie aus informellen Gesprächen im Kollegenkreis. Die Erkundung ist wohl nicht über eine Exploration hinausgegangen. Die Wahl behandelter Personen erfolgte unsystematisch; der häufigste Anlass der Anfragen war eine bevorstehende Einreise in die DDR – sei es zum Leipziger Kongress
16 In den folgenden Abschnitten, die von Tätigkeiten des Staatsicherheitsdienstes der DDR oder verwandten Angelegenheiten handeln, werden (mit einer Ausnahme) die Namen der Beteiligten durch laufende Großbuchstaben ersetzt. Damit soll – auch nach strengen Maßstäben – in allen Fällen ein vollkommener Persönlichkeitsschutz gewährleistet sein. Aus der Anonymisierung ist nicht zu schließen, einer oder mehrere der Beteiligten seien in juristisch relevanter Weise belastet. Auch waren es die Autoren, die sich zur Anonymisierung entschlossen haben; sie sind nicht oder nicht zuvor von Beteiligten dazu veranlasst worden. 17 BStU, MfS-HA XX/3, Nr. 3877. Information XXII. Internationaler Kongreß für Psychologie (ICP) vom 29. 6.-7. 7. 1980 in Leipzig vom 12. 6. 77. 18 BStU, MfS-HA XX, Nr. 14966. Organisationskomitee für den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie. Information zur Teilnahme am XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 vom 15. 4. 1980. 19 BStU, ohne Registernummer, MfS-HA, Abteilung II/1.
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oder davor. Auch war der Zweck der Anfragen recht unspezifisch; nachteilige Folgen der Auskünfte (z. B. Ablehnung der Einreise) sind in keinem Fall bekannt. Die Mitarbeiter versuchten, A zu einer dauerhaften Kooperation zu veranlassen. Ihre erklärte Absicht war, ihn als „Gesellschaftlichen Mitarbeiter für Sicherheit“ anzuwerben. Doch A entzog sich der Verpflichtung als informeller Mitarbeiter, und die Vertreter des Ministeriums beendeten die Kontakte mit ihm am 28.5.1981, „da für die KP [Kontaktperson] unter den gegebenen Umständen keine effektive operative Perspektive besteht“. Hat das Ministerium auch zu anderen mit der Vorbereitung des Kongresses Befassten, insbesondere zu anderen Organisatoren von Symposien Kontakt gesucht? A, zu dem die Kontaktnahme belegt ist, weist kein Alleinstellungsmerkmal auf. Das rechtfertigt die Vermutung, er sei nicht die einzige Kontaktperson aus dem Kreis der an der Kongressvorbereitung Beteiligten. Beachtung verdient in diesem Zusammenhang die unklare Konzeption der Mitarbeiter des Ministeriums. Nur vage bestimmt war die Personengruppe, über welche Informationen beschafft werden sollten. Ebenso blieb weitgehend offen, welche Informationen zu welchem Zweck gesucht wurden. Offenbar befanden sich die Erkundungen über alle Jahre in einem Stadium der breiten Exploration. Da weder der zu bearbeitende Personenkreis noch die zu erhebenden Informationen enger zu fassen waren, musste eine große Zahl von Personen in die Beobachtung einbezogen werden. Eine solche Strategie verlangte allerdings auch eine große Zahl von Informanten. Es sei eingeräumt: Aus einem einzigen dokumentierten Fall kann nicht ohne weiteres auf eine größere Menge von – unterschiedlich kooperationswilligen – Informanten aus dem Kreis der an der Programmvorbereitung Beteiligten geschlossen werden. Dass lediglich ein einziger Fall eines Kontaktes des Ministeriums für Staatsicherheit mit einer Person belegbar ist, die an der Kongressvorbereitung beteiligt war, mag für den Schluss sprechen, das Ministerium habe nur mit einer zu vernachlässigenden kleinen Zahl weiterer Personen aus dem gleichen Kreis Kontakte unterhalten. Doch mag die Knappheit an Belegen wiederum ein Spezifikum des untersuchten Sachverhalts sein. Sie mag nämlich von den Schweigeverpflichtungen herrühren, welche die Mitarbeiter des Ministeriums ihren Kontaktpersonen abverlangt haben – wie dies auch im Falle von A geschah. Und weiterhin: Will man an dem Schluss von dem Fall A auf die Existenz weiterer ähnlicher Fälle festhalten, wird man möglicherweise eine weitere Verallgemeinerung gelten lassen: „Operative Kontakte“ des Ministeriums zur frühzeitigen Erkundung von Kongressteilnehmern dürften – anders als im Fall A – seltener schriftlich festgehalten worden sein; waren sie doch recht unergiebig, weil die gehegten Befürchtungen wohl unrealistisch waren. Es waren wohl kaum Fachvertreter aus dem Westen zu verzeichnen, die sich mit missgünstigen Absichten zum Kongress angemeldet haben, ja gar mit Plänen zur Störung des Kongresses nach Leipzig gereist sind.
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DER STAATSSICHERHEITSDIENST WÄHREND DES KONGRESSES Hat der Staatssicherheitsdienst bis zum Beginn des Kongresses Dossiers über Teilnehmer angelegt (z. B. über Mitglieder des Exekutivkomitees der International Union of Psychological Science)? Hat er Dossiers über Veranstalter angelegt (z. B. über Mitglieder der Kongressleitung)? Hat er Beobachtungen über Kongressveranstaltungen angestellt? Hat er Beobachtungen von Kongressteilnehmern angestellt? Sind aufgrund etwaiger Dossiers und etwaiger aktueller Beobachtungen Eingriffe in den Kongress erfolgt? Sind gar Personen dadurch zu Schaden gekommen? Hinweise zu diesen Fragen sollten Recherchen im Zentralarchiv für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes ergeben. Es haben sich jedoch keine Personenakten gefunden, welche die Existenz von Dossiers, Beobachtungen von Teilnehmern oder Eingriffe in den Kongress belegen. Hat also das Ministerium für Staatssicherheit der DDR bezüglich des Kongresses äußerste Zurückhaltung geübt? Dieser Schluss sollte – insbesondere mit Rücksicht auf die umfängliche Anweisung des zuständigen Ministers – nicht vorschnell gezogen werden. Der Mangel an aufgefundenen Belegen könnte ja – wie oben bereits erwähnt – der kleinen Zahl im Rahmen dieses Projekts durchführbarer Prüfungen geschuldet sein. Dass hier die Untersuchung nicht vorschnell abgeschlossen werden sollte, zeigt ein Fall, der in einer nach dem Kongress angelegten Akte belegt ist. Sie betrifft einen DDR-Wissenschaftler B, der maßgeblich bei der Kongressvorbereitung mitgewirkt hat; er wurde später von der Hauptabteilung XX/Abteilung 8 als Informeller Mitarbeiter angeworben. In der Begründung des Ministeriums für die Anwerbung dieses Wissenschaftlers hieß es: Der Kandidat wurde bereits Ende der 70er Jahre im Zusammenhang mit der Erfüllung von Aufgaben zur politisch-operativen Sicherung der Vorbereitung, Organisation und Durchführung des XXII. Weltkongresses für Psychologie 1980 in Leipzig als Person bekannt, die als ehrlicher, einsatzbereiter und selbstbewußter Genosse engagiert die Arbeit des Ministerium für Staatsicherheit zu unterstützen bereit ist und dies bisher in einer Vielzahl von Kontaktgesprächen auch nachwies. 20
Wie weit der Staatssicherheitsdienst der DDR im Jahre 1980 den Leipziger Kongress überwacht hat, sollte man auch von den damaligen Mitarbeitern des Dienstes erfahren können. Es war möglich, mit Dr. C einen derartigen sachverständigen Zeitzeugen zu befragen. C wurde in der DDR als Diplompsychologe ausgebildet und war nach seinem Studium mehrere Jahre als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem Ausbildungs- und Forschungsinstitut einer Universität in der DDR tätig. Bereits in den frühen Siebzigerjahren ist er eine Verpflichtung als Informeller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit eingegangen und hat seine Tätigkeit für das Ministerium bis in die späten Achtzigerjahre fortgesetzt; kurz vor der Wende hat er von sich aus die Mitarbeit aufgekündigt. Seine Tätigkeit im Bereich der Universität konzentrierte sich zunächst auf Wissenschaftliche Mitarbeiter und Studierende. Später wandte er sich Wissenschaftlern aus der Bundesrepublik zu, welche die DDR besuchten. Er hat in der DDR an mehreren 20 BStU, MfS XV 7069/88, 9157/91.
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wissenschaftlichen Treffen mit internationaler Beteiligung teilgenommen. Im Jahre 1980 hatte er gerade sein Studium in Leipzig aufgenommen. Zum Internationalen Kongress für Psychologie war er zwar nicht als Teilnehmer angemeldet; er hat aber an dessen Rand Kontakte mit Teilnehmern gepflegt. C hatte vor allem den Auftrag, Persönlichkeitsbilder zu erstellen und politische Einstellungen zu ermitteln; erkunden sollte er zudem – nicht zuletzt bei westdeutschen Besuchern – die Bereitschaft zur Kooperation mit dem DDR-Sicherheitsdienst. Die Auskünfte von C lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:21 Die Informellen Mitarbeiter waren einem Führungsoffizier, d. h. einem hauptamtlichen Mitarbeiter des Dienstes, zugeordnet, mit dem sie sich in Abständen von mehreren Wochen konspirativ trafen. Bei diesen Treffen berichtete C über seine jeweiligen Beobachtungen und Einschätzungen; sein Führungsoffizier entschied dann, welche Teile seines mündlichen Berichts schriftlich abgefasst und ihm eingereicht werden sollten. Im Übrigen traf der Führungsoffizier keine Auswahl der zu beobachtenden Personen. Vielmehr lag ihre Auswahl im Ermessen des Inoffiziellen Mitarbeiters und hing auch von den sich bietenden Gelegenheiten der Kontaktaufnahme sowie der Entwicklung persönlicher Beziehungen ab. In dem Verhalten des Führungsoffiziers war keine gezielte Strategie erkennbar. Er erhielt offenbar selbst von seiner Dienststelle keine speziellen Aufträge, folgte keinem übergreifenden Beobachtungsplan und war vermutlich vonseiten seiner Dienststelle auch nicht mit Vorabinformationen (z. B. über politische Orientierungen von Kongressbesuchern) ausgestattet. Die Organisation und Arbeitsmethode des Dienstes wurde zunehmend zu einer Quelle von Frustration und Demotivierung. Der Informelle Mitarbeiter erhielt weder klare Beobachtungsaufträge noch Rückmeldungen über die Beurteilung und Verwertung seiner Berichte. Sein Eindruck war, dass diese lediglich die wachsende Aktenmenge vermehrten, im Übrigen aber ohne Folgen blieben. Zwischen den Informellen Mitarbeitern gab es keine Kooperation, da die Zugehörigkeit zum Sicherheitsdienst der Geheimhaltungspflicht unterlag, die sich auch auf die Informellen Mitarbeiter untereinander erstreckte. Obwohl die hauptamtlichen Mitarbeiter sich untereinander kannten, scheint es auch zwischen ihnen nur wenig Kooperation und Abstimmung gegeben haben; ein Austausch von Akten scheint eher die Ausnahme gewesen zu sein. C vermisste also sowohl Unterstützung durch das Ministerium als auch Austausch mit Teampartnern. Zu Klagen Anlass gab die Qualifikation und Einstellung der Führungsoffiziere. Vor allem die Mitarbeiter aus den Aufbaujahren des Dienstes waren wegen ihrer sozialen Herkunft und ihrer politischen Zuverlässigkeit eingestellt worden – als „Arbeiterveteranen“. Es habe ihnen an Bildung und Ausbildung gefehlt; dafür zeichneten sie sich durch die Pflege von Feindbildern aus, durch Fremdenfeindlichkeit sowie durch Abneigung gegenüber Intellektuellen. Die Unzufriedenheit mit dem hauptamtlichen Kader des Staatssicherheitsdienstes sei zunehmend zu einem Generationenproblem innerhalb des Dienstes geworden. C erinnert sich an Gespräche mit einem jungen Führungsoffizier, dem er zu Beginn der Achtzigerjahre zugeordnet worden war. Darin klagte der 21 C. Mündliche Mitteilung vom 17. 4. 2009.
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hauptamtliche Mitarbeiter über die Inkompetenz seiner Kollegen sowie die mangelnde Flexibilität und Reformfähigkeit des Dienstes. Unter diesen Umständen waren wohl nur wenige hauptamtliche Mitarbeiter des Dienstes geeignet, Kontakte zu auswärtigen Kongressteilnehmern herzustellen. C nimmt an, dass sie – falls sie sich unter einer Legende, d. h. dem Anschein einer Zugehörigkeit zu einer wissenschaftlichen Institution und einem wissenschaftlichen Fach, unter die Kongressteilnehmer mischten – kaum Anschluss an DDR-Ausländer fanden; sie seien allenfalls zur Beobachtung von DDR-Bürgern einsetzbar gewesen. Zur Überwachung von Teilnehmern aus dem Ausland, insbesondere aus dem westlichen Ausland, eigneten sich demnach nur fachwissenschaftlich qualifizierte Mitarbeiter. Es konnte sich vorwiegend nur um Angehörige der Psychologiesektionen der Universitäten in der DDR handeln, vielleicht verstärkt durch Fachkräfte der „Juristischen Hochschule“, der Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit in Potsdam. Wie viele können das gewesen sein? C schätzt den Anteil von Informellen Mitarbeitern in den wissenschaftlichen Kadern auf höchstens 10%. Bei einer Zahl von 1500 Kongressteilnehmern aus der DDR ergäbe das eine Zahl von höchstens 150 Informellen Mitarbeitern. Vernachlässigt man, dass diese ebenfalls mit der Beobachtung ihrer eigenen DDR-Kollegen befasst gewesen sein könnten, und bezieht man die Zahl von 150 Mitarbeitern auf eine Menge von rund 1800 ausländischen Besuchern – davon rund 1400 aus westlichen Ländern, so kommt man auf eine Quote von 12 bzw. 8 „Objekten“ – so der einschlägige Terminus im Jargon des Sicherheitsdienstes – je Mitarbeiter. Ein zusätzliches Kontingent von Informellen Mitarbeitern dürfte in den Hotels tätig gewesen sein. Ihren Anteil an den Beschäftigten in der Messestadt Leipzig schätzt C auf etwa 20%. Jedoch dürften Berichte aus den internationalen Hotels nicht ergiebig gewesen sein, da dort westliche Ausländer weitgehend unter sich waren und den Hotelangestellten wohl die nötigen Personen- und Sachkenntnisse fehlten, um kritische Ereignisse (z. B. politisch bedeutsame Verabredungen zwischen Personen) als solche zu erkennen. Sowohl die Dokumentenlage als auch die Auskünfte des befragten Zeitzeugen begünstigen also die Schlussfolgerung, die Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit während der Kongresswoche habe sich in engen Grenzen gehalten; weder die Kongressveranstaltungen noch deren Besucher hätten wesentlich darunter gelitten. Die oben wiedergegebene umfassende Anweisung von General Mielke ist demnach nur in geringem Umfang praktisch umgesetzt worden. Insbesondere dürfte der tatsächlichen Überwachungstätigkeit die Systematik und Dichte gefehlt haben, welche die Anweisung fordert. Hierfür mangelte es an unabdingbaren Voraussetzungen: Der rechtzeitigen Bereitstellung von Material über die zu beobachtenden Personen, der klaren Zielstellung für Observationen und vor allem der Abstimmung zwischen den eigenen Mitarbeitern. Für die schwache Umsetzung des Mielkeschen Plans gibt es weiterhin eine Erklärung, die sich wiederum auf die Auskünfte des befragten Zeitzeugen C aus dem Kreis des Sicherheitsdienstes selbst stützt: Überforderung und mangelnde Motivation der Mitarbeiter des Dienstes. Schon die oben geschilderten Umstände haben den Einsatz der Berichter-
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statter durchaus gemindert. Zudem entstand durch die persönliche Begegnung mit den auswärtigen Kongressbesuchern eine völlig neue Ausgangslage. Die im Dienste der Staatssicherheit als Informelle Mitarbeiter tätigen Fachwissenschaftler kamen oft nicht umhin, im kollegialen Austausch Gefühle der Gemeinsamkeit zu entwickeln. Hinzu kam die Erfahrung, dass viele westliche Besucher den Verhältnissen in der DDR mit Verständnis entgegenkamen und sich abwertender politischer Einlassungen enthielten. Solche Erfahrungen waren geeignet, bei den Informellen Mitarbeitern Feindbilder aufzulösen und Misstrauen zu beseitigen. Ihren Führungskräften im Innendienst blieben solche Erfahrungen jedoch versagt, weshalb diese an ihren Feindbildern festhielten. So mag sich eine Kluft zwischen den (überwiegend jungen) informellen Mitarbeitern und ihren (überwiegend älteren) Führungsoffizieren eröffnet haben, welche den Fluss der Berichterstattung ins Stocken gebracht hat. Es gibt noch eine weitere Erklärung für die geringen Aktivität des Sicherheitsdienstes: Der Dienst könnte sich einer Stillhaltestrategie bedient haben, die er sich, dem Interesse der Organisatoren nach politischer Neutralität des Kongresses entgegenkommend, selbst auferlegt hat. Aus Sicht der Veranstalter: „Wir hatten Absprachen mit der Staatssicherheit. Die haben sich da eigentlich ziemlich zurückgehalten.“22 Vielleicht war diese Strategie sogar von der Partei empfohlen, die möglicherweise selbst für die Dauer des Kongresses auf Repressalien verzichtete, um Aufsehen bei den auswärtigen Besuchern oder gar öffentliche Proteste zu vermeiden. Für diese Vermutung spricht der Fall des Psychologieprofessors Böttcher23 von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, über den im August 1980 der Minister für Hoch- und Fachschulwesen Böhme von seinem Stellvertreter Engel unterrichtet wird: Nach politischem Fehlverhalten des Gen. Prof. Dr. Böttcher während der Leipziger Frühjahrsmesse 1980 waren an der FSU [Friedrich-Schiller-Universität] ein Parteiverfahren und ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, die dann in Vorbereitung des Psychologiekongresses eingestellt wurden. Inzwischen ist nach unserer Information das Parteiverfahren wieder aufgenommen worden. Über die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens liegen noch keine Informationen vor. 24
Böttcher hatte – so seine spätere Darstellung – einen westdeutschen Fachverlag, der im März 1980 bei der Leipziger Messe ausstellte, um die unentgeltliche Überlassung von vier Büchern gebeten, die er zur Aktualisierung seines Wissens benötigte und in einer DDR-Zeitschrift zu rezensieren beabsichtigte. Seine mündlich vorgetragene Bitte wiederholte er in einem Brief, der die vier gewünschten Titel enthielt. Ein Student, der bei dem Verlagsstand als Helfer arbeitete und gleichzeitig für den Staatsicherheitsdienst tätig war, meldete den Vorgang. Böttcher verlor sofort seine Leitungsämter in der Universität; er erhielt Lehr- und Publikationsverbot. Dem Parteiverfahren folgte ein Disziplinarverfahren. Erschwerend kam hinzu, dass die Parteiführung an der Jenenser Uni22 Schaarschmidt, Uwe. Mündliche Mitteilung vom 3. 12. 2007. 23 Böttcher, Hans R. (2001). Verstrickt ins 20. Jahrhundert. Bucha bei Jena: quartus-Verlag (S. 245-254). (Abweichend von der sonstigen Regelung in diesem Abschnitt, wird hier der Name des Betroffenen genannt, weil dieser in der genannten veröffentlichten Autobiografie seinen Fall selbst offen gelegt hat.) 24 BArch DR 3 2. Schicht 2871. Mitteilung des Stellvertreters des Ministers, Prof. Engel, an Minister Prof. Böhme vom 29. 8. 1980.
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versität ihn schon zwei Monate zuvor wegen ablehnender Äußerungen zum Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan vorgeladen hatte. Nach Darstellung Böttchers habe jedoch Kurt Hager selbst, der im Zentralkomitee der SED für Wissenschaft zuständige Sekretär, darauf gedrungen, die Verfolgung Böttchers abzubrechen, um Aufsehen bei dem bevorstehenden internationalen Kongress zu vermeiden. Das Disziplinarverfahren sei auch nach dem Kongress nicht wieder aufgenommen. In seine alten Funktionen u. A. als Forschungsgruppenleiter und Leiter der Psychologischen Beratungsstelle konnte er jedoch ein Jahrzehnt nicht zurückkehren, was mit erheblichen Gehaltseinbußen verbunden war.25 POLITISCH BEDEUTSAME ZWISCHENFÄLLE Der Internationale Kongress für Psychologie 1980 in Leipzig hat offensichtlich sein Programm (einschließlich der geselligen Zusammenkünfte) planmäßig abgearbeitet. Über politisch bedeutsame Zwischenfälle gibt es nur wenige Aufzeichnungen, und was an Zwischenfällen mit westlichen Teilnehmern aufgezeichnet ist, vollzog sich eher am Rand des Kongressgeschehens. So weigerte sich ein Teilnehmer aus Berlin (West), das für ihn vorbereitete Namensschild anzulegen. Hintergrund war der Dissens zwischen den deutschen Staaten – und damit auch zwischen dem West- und dem Ostblock – über die Drei-Staaten-Theorie der DDR, nach der die DDR, die Bundesrepublik Deutschland und „Westberlin“ drei unabhängige politische Einheiten bildeten. Für die Gesellschaft für Psychologie der DDR war die Auffassung ihres Staates verpflichtend. Zum Kongress im eigenen Land hatten die Veranstalter Verzeichnisse und Namensschilder mit den Kategorien „Deutsche Demokratische Republik“, „Bundesrepublik Deutschland“ und „Berlin (West)“ vorbereitet. Der Teilnehmer D aus Berlin (West) wollte dem Eindruck nicht Vorschub leisten, er stimme mit Anlegen des vorbereitenden Namensschildes der Auffassung zu, er sei Bürger der „selbständigen politischen Einheit Westberlin“. Über ihn wurde der folgende Eintrag angefertigt: Durch operative Kräfte der Operationsgruppe der Abt. XX der BV Leipzig wurde am 6. 7. 80 bekannt, daß der Psychologe der [Universität] [Name, Vorname] während der Eröffnungsveranstaltung des 22. Weltkongresses der Psychologen provokatorisch in Erscheinung trat. [Name] hatte auf dem Kongressnamensschild, das auf dem Revers der Oberbekleidung getragen wird u. auf dem sich der Name u. das Herkunftsland des Teilnehmers befindet, das Wort Berlin (West) mit Kugelschreiber durchgestrichen u. dafür „Germany“ auf das Schild geschrieben. In einem Gespräch mit dem [Name von BStU geschwärzt] äußerte [Name] des weiteren, daß für ihn nur die Staatsbürgerschaft deutsch zähle, andere Fragen, was Gesamtdeutschland betreffe, akzeptiere er nicht.26
25 Böttcher, Hans R. (2001). Verstrickt ins 20. Jahrhundert. Bucha bei Jena: quartus-Verlag (S. 245-254). 26 BStU, MfS XV/7608/8, Bd.1, Blatt 160.
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Der gleiche Teilnehmer D fiel später während einer Besichtigung des Stoßdämpferwerks Hartha auf, was ihm – diesmal als Bürger der Bundesrepublik bezeichnet – eine Erwähnung im Abschlussbericht des Organisationskomitees eintrug: Insgesamt konnten keine Provokationen registriert werden. Lediglich bei der Besichtigung in Hartha vertrat Prof. D (BRD) konvergenztheoretische Auffassungen, bezeichnete den Betrieb als nicht DDRtypisch. Die BRD-Teilnehmer entschuldigten sich durch Prof. E bei der Betriebsleitung.27
Der als Provokateur benannte D erinnert den Vorfall folgendermaßen: Das Stoßdämpferwerk sei als vorbildlicher Betrieb der DDR vorgestellt worden. Wie in allen Betrieben des Landes – wurde erläutert – seien Gesundheit und Zufriedenheit hoch, weil die Arbeiter – im Gegensatz zu ihren Kollegen in kapitalistischen Ländern – in dem Bewusstsein tätig seien, ihr Werk befinde sich in Volkseigentum, gehöre also auch ihnen selbst. Der Benannte habe dem eine These aus der Literatur gegenübergestellt, nach welcher die Komplexität moderner Produktionsabläufe ein mittleres Management stärke – und zwar sowohl zu Lasten der Arbeiterschaft als auch zu Lasten der Unternehmer; da diese Entwicklung technisch bedingt sei, vollziehe sie sich in beiden politischen Systemen und trage so zu deren Konvergenz bei.28 Offensichtlich ganz der DDR-Perpektive geschuldet ist in dem Bericht der Zusatz, die Teilnehmer aus der Bundesrepublik seien während der Betriebsbesichtigung geschlossen – sozusagen als Delegation – aufgetreten und hätten anschließend durch eine Person – sozusagen den Delegationsleiter – eine Stellungnahme zu der Äußerung des D abgegeben. Dazu äußert sich heute der damals als Delegationsleiter in Anspruch genommene Professor E: Der Satz, in dem ich genannt werde, ist nicht zutreffend. Es gab keinerlei Kontakte zwischen mir und der Betriebsleitung, abgesehen vielleicht von einer förmlichen Begrüßung aller Teilnehmer durch diese. Die erwähnten Äußerungen von Herrn D habe ich zwar wahrgenommen, aber nicht mitgehört, da ich zu dieser Zeit im Gespräch mit anderen Personen war. Bei der Rückreise fragte mich jedoch einer der Psychologenkollegen aus der DDR (wer es war, ist mir nicht erinnerlich), ob es sich bei Herrn D um einen „Agenten“ handle. Ich antwortete (vermutlich lachend), Agenten würden sich nicht so verhalten, sondern unauffällig bleiben. 29
Solche Ereignisse waren individueller Natur. Gruppenaktionen, vor allem die befürchteten vorbereitete Protestaktionen, ereigneten sich nicht. Nachdem offenbar allgemeinpolitische Konfliktthemen wie die sowjetische Intervention in Afghanistan aus dem Kongressgeschehen verdrängt waren, blieb nur das Thema der Reisefreiheit für Wissenschaftler, dessen Aktualität sich ja gerade in der Zeit der Kongressvorbereitung erwiesen hatte. Die Kongressveranstalter und das Präsidium der International Union of Psychological Science fanden allerdings einen Weg, um dieses Thema zu behandeln, ohne dass es den laufenden Kongress belastete: Sie machten es zu einem Tagesord-
27 BArch DY 30 7481. Organisationskomitee für den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie. Abschlußbericht vom 1. 9. 1980. 28 D. Mündliche Mitteilung vom 20. 8. 2008. 29 E. Schriftliche Mitteilung vom 26. 8. 2008.
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nungspunkt der Generalversammlung – jedoch erst in der Sitzung am Ende der Kongresswoche. So verabschiedete die Generalversammlung am 11. Juli 1980 nach vorheriger Beschlussfassung des Exekutivkomitees einmütig eine Resolution on Free Circulation of Scientists, deren Kernsatz lautete: The IUPS affirms the right of the scientists of any country or territory to adhere to or to associate with international scientific activity without regard to race, religion, political philosophy, ethnicity or sex and confirms its basic policy of political non-discrimination.30
Vermutlich dank einer behutsamen Regie ist die Beschlussvorlage außerhalb der beteiligten Gremien nicht bekannt geworden; die Kongressöffentlichkeit hat sie jedenfalls nicht kontrovers diskutiert und Einlassungen sind unterblieben, die von DDR-Behörden als Provokationen hätten aufgefasst werden können. Nach ihrer Verabschiedung ist die Resolution schließlich im Abschiedstrubel untergegangen; für eine retrospektive Kritik an den Auseinandersetzungen, die ihren Anlass gebildet hatten, blieb keine Zeit. Schließlich war auch nach letztlich großzügiger Einreiseregelung für harte Kritik an der DDR-Regierung der Grund entfallen. Noch einmal: Nicht alle Zwischenfälle, die sich ereignet haben, mögen den Weg in die Akten gefunden haben; einschlägige Akteneinträge mögen den gegenwärtigen Autoren entgangen sein. Gleichwohl dürfte der Schluss gerechtfertigt sein: Der XXII. Internationale Kongress ist nicht zu einer Woche der Konflikte zwischen Ost und West geworden. Da war es eher ein Ost-Ost-Konflikt, der die Kongressveranstalter und mit ihnen Partei und Regierung beunruhigte. Er betraf die sowjetische Delegation, auf deren Rat und Vorbild man in den Jahren der Vorbereitung so ungemein viel Wert gelegt hatte. Das Problem war ein Zweifaches: Zum einen waren von den etwa 140 angemeldeten Teilnehmern aus der Sowjetunion rund fünfzig nicht erschienen; dafür waren zwanzig nicht Angemeldete angereist. Zum anderen fühlten sich die sowjetischen Teilnehmer – vor allem gegenüber den Teilnehmern aus dem Westen – benachteiligt. Das Ministerium für Staatssicherheit zog die Angelegenheit an sich und ließ Bericht erstatten über die Gründe und Auswirkungen der Absagen. Es wurde festgestellt, dass die Ausfälle im Programm sowie der mangelnde Ersatz fehlender Repräsentanten von der sowjetischen Seite zu verantworten seien. Die Ausfälle wögen umso schwerer, „da diese sowjetischen Vertreter in Schwerpunktveranstaltungen des Kongresses eingesetzt waren und durch ihren ersatzlosen Ausfall echte Lücken in der Darstellung von sozialistischen Forschungsergebnissen gegenüber repräsentativen Vertretern nichtsozialistischer Staaten entstehen.“ Bedauert hat das Ministerium besonders die ersatzlose Streichung des „mit großem internationalen Interesse erwartete[n] Vortrag[s] des sowjetischen Fliegerkosmonauten Beregowoi“. Beunruhigt haben auch „10 wissenschaftliche Veranstaltungen, wo sowjetische Kongreßteilenehmer (sic!) mit Leitungsfunktio30 Arch IUPsS II. International Union of Psychological Science. Minutes of the Meetings of the IUPS Assembly at Leipzig, German Democratic Republic, July 9 and July 11, 1980. Resolution on Free Circulation of Scientists. (Der vollständige Text befindet sich als Materialie K auf S. 339.)
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nen beauftragt wurden“. Besondere Erwähnung fand eine Veranstaltung im Filmtheater „Capitol“, einem der großen Vortragssäle, „wo die Veranstaltungsleitung an einen Vertreter der BRD übergeben wurde, da die sowjetischen Präsidiumsteilenehmer (sic!) – einschließlich dem vorgesehenen Leiter – nicht anwesend waren“.31 Die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED hat sogleich nach Abschluss des Kongresses den Fall dokumentiert. Es bestätigte die umsichtigen Bemühungen der Veranstalter um die sowjetische Delegation und mancherlei Schwierigkeiten im Umgang mit den dortigen Partnern. Erst bei Eintreffen der sowjetischen Delegation sei deren Größe und Zusammensetzung zu ermitteln gewesen. Sie habe 36 offizielle Delegierte und 60 Touristen umfasst, dazu Teilnehmer, die nicht der offiziellen Delegation zugerechnet wurden. Man habe auch für die neu Hinzugekommenen einen Platz im Programm gefunden, jedoch – zum Bedauern der Kongressteilnehmer – habe man die Fehlenden nur teilweise „durch den Einsatz führender DDR-Wissenschaftler“ ersetzen können. Heftige Beschwerden vonseiten der sowjetischen Gäste habe es aus zwei Gründen gegeben. Einige hätten von den Veranstaltern die Finanzierung ihres Aufenthaltes und der Kongressgebühr gefordert, obwohl dies vorher ausgeschlossen worden sei. Dagegen erhoben die Angereisten Protest. Zum anderen fühlte sich die sowjetische Delegation benachteiligt, weil sie – anders als die in den Interhotels in der Leipziger Innenstadt wohnenden westlichen Teilnehmer – in Studentenheimen am Rande der Stadt untergebracht waren, lediglich mit einer Straßenbahnverbindung zum Kongressgebäude. Das Finanzierungsproblem endete mit einem Kompromiss. Der Delegation wurden darüber hinaus 25 Betten in einem Interhotel in der Stadt zur Verfügung gestellt. Für die in dem Studentenheim Verbleibenden wurde eine zusätzliche Busverbindung zum Kongressort eingerichtet. Obwohl man vonseiten der DDR offenbar allen Grund hatte, den sowjetischen Gästen einschließlich ihrer Funktionäre ihr Verhalten zu verübeln, gab es große Anstrengungen, sie zufrieden zu stellen und die Beziehungen zur Sowjetunion nicht zu belasten. So stellte am Ende ihres Untersuchungsberichts die Abteilung Wissenschaften ausdrücklich fest: Alle genannten Probleme konnten im Laufe der ersten zwei Tage soweit geklärt werden, daß die sowjetischen Teilnehmer der Kongreßleitung ihren Dank für die Unterstützung, das entgegengebrachte Verständnis und die freundschaftliche Atmosphäre in der Zusammenarbeit aussprachen.32
Es verdient festgehalten zu werden: Der Konflikt mit der sowjetischen Delegation hat unverzüglich die beiden am stärksten ideologisch eingebundenen Einrichtungen der DDR auf den Plan gerufen: den Staatsicherheitsdienst und das Zentralkomitee der SED. Hier handelte es sich also um eine aus der Sicht der SED politisch brisante Angelegen31 BfStU, MfS ZAIG, Nr. 3051. Ministerium für Staatssicherheit. Information über beachtenswerte Probleme im Zusammenhang mit dem XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie in Leipzig vom 29. 7. 1980. 32 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Zur Teilnahme der sowjetischen Delegation am XXII. Internationalen Psychologenkongreß vom 15. 7. 1980.
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heit, weil dabei ein tragendes Prinzip des DDR-Regimes bedroht schien, nämlich die auch in der DDR-Verfassung verbürgte „unerschütterliche Freundschaft zur Sowjetunion“. Die Kongressorganisatoren mussten bestrebt sein, den Konflikt wegen seiner Brisanz innerhalb der DDR möglichst zu entschärfen. Die nicht unmittelbar betroffenen Kongressteilnehmer und wohl auch die Funktionäre der Internationalen Union dürften ihn nicht sonderlich beachtet haben, da sie seine Hintergründe nicht einschätzen konnten.
KAPITEL 8 DIE RESONANZ AUF DEN LEIPZIGER KONGRESS UND SEINE NACHWIRKUNGEN IN DER DDR Der XXII. Internationale Kongress für Psychologie im Jahre 1980 in Leipzig mag manchem Teilnehmer lediglich als eines jener routinemäßigen Treffen erschienen sein, die Fachwissenschaftlern Gelegenheit zur Präsentation eigener Forschungsergebnisse verschaffen. Doch für die meisten von ihnen hob sich der XXII. Internationale Kongress wohl doch aus der Reihe von Fachkongressen heraus. Bot er doch eine der damals seltenen Gelegenheiten zur Begegnung zwischen Ost und West, und dies in einer Zeit, welche langfristig auf eine Entspannung hinarbeitete, aktuell aber von neuen Spannungen getrübt war. Mit welchen persönlichen Erinnerungen die westlichen Teilnehmer Leipzig nach dem Kongress verließen, welche Beziehungen sie in Leipzig geknüpft hatten und welchen Einfluss ihre Erfahrungen in der Kongresswoche auf ihre Einschätzungen der Forschung in den sozialistischen Ländern sowie überhaupt auf ihre politische Einstellungen ausübten, wäre eine eigene Untersuchung wert; ebenso wäre nach Auswirkungen des Leipziger Kongresses in anderen Ländern des Ostblocks und der Dritten Welt zu fragen. Doch nicht die internationale Resonanz auf den Kongress soll Thema dieses Kapitels sein. Thema dieses Kapitels ist vielmehr die Resonanz auf den Kongress in der DDR selbst sowie die Nachwirkungen, die er in seinem Gastland auslöste. Unter den in der DDR vorherrschenden Umständen hatten Partei und Regierung den Kongress zu ihrer eigenen Sache gemacht. Aus ihrer Sicht war der Kongress zum einen eine Leistungsschau; das sozialistische Lager und insbesondere das eigene Land sollten daraus mit guten Ergebnissen hervorgehen. Zum anderen sollten der Kongress und sein Begleitprogramm für die eigene Politik und Gesellschaftsordnung werben. Mit Genugtuung stellten nicht nur die Veranstalter, sondern auch die politische Führung das Gelingen des Kongresses und die Zufriedenheit seiner Besucher fest. Von den gezeigten organisatorischen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und künstlerischen Leistungen versprachen sich die Amtsträger die Bestätigung des Regimes außerhalb wie innerhalb des Landes. Von den Besuchern aus dem westlichen Lager erwarteten sie wachsendes Verständnis für die Innenpolitik der DDR sowie mehr Unterstützung für deren Außenpolitik. Die eigene Bevölkerung sollten sie von der Stärke und Fortschrittlichkeit ihres Landes überzeugen. Das Fach Psychologie in der DDR gewann durch den Leipziger Kongress an Anerkennung bei der politischen Führung. Oft findet man die Behauptung, das gewonnene Ansehen habe während der Achtzigerjahre auch zu einem Aufschwung des Faches geführt. Eine genauere Betrachtung zeigt freilich: Die Zuwächse an Personal und an Sachmitteln blieben gering; die Zahl von Studienplätzen erhöhte sich nicht. Beträchtlich war aber die Zunahme von internationalen Kontakten, für einige Fachvertreter wohl verbunden mit einer Ausweitung ihres Freiraums auch im Lande selbst.
W. Schönpflug, G. Lüer, Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik: Wissenschaft zwischen Ideologie und Pragmatismus, DOI 10.1007/978-3-531-93057-2_8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Kapitel 8
EIN DOPPELTER PRESTIGEGEWINN Die Psychologie war nicht das einzige Fach gewesen, das bis 1980 in der DDR ein internationales Treffen veranstaltet hatte. Doch offensichtlich hat der Leipziger Kongress der Psychologen, nicht nur was die Zahl der Teilnehmer anbelangt, eine Ausnahmestellung eingenommen. Das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen hat dem Kongress auch nach seinem Abschluss – vermutlich wegen der Verknüpfung der veranstaltenden International Union of Psychological Science mit der Weltorganisation UNESCO – eine hohe politische Bedeutung beigemessen.1 Wie weit der Kongress tatsächlich einen bedeutsamen Beitrag zur Entspannung und als einen Ausdruck internationaler Anerkennung darstellte, sei dahingestellt. Jedenfalls sahen die politisch Verantwortlichen in der DDR durch das Psychologentreffen ihre Friedenspolitik und ihre Wissenschaftspolitik bestätigt; sie betrachteten die Beteiligung von Wissenschaftlern aus aller Welt als einen Vorgriff auf die erstrebte Anerkennung ihrer Legitimität und Souveränität. Partei und Staat der DDR haben somit durch den Kongress einen Prestigegewinn zu verzeichnen geglaubt. Dabei hat die politische Führung den Erfolg keineswegs sich allein zugeschrieben. Man war sich durchaus der Leistung der Fachvertreter im eigenen Land bewusst. So konnte auch die Gesellschaft für Psychologie der DDR mit allen dort vertretenen Fachleuten im Gastland einen bedeutsamen Prestigegewinn verbuchen. Der Kongress war noch kaum zu Ende gegangen, da zog bereits das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen ein positives Resumée, in dem es insbesondere auf lobende Stimmen aus dem westlichen Lager hinwies: Der Kongreß kann als bedeutsamer politischer, wissenschaftlicher und organisatorischer Erfolg gewertet werden. Die wissenschaftspolitische Konzeption wurde in vollem Umfang durchgesetzt. Es gelang, eine Kongreßatmosphäre zu schaffen, die durch den Willen der Teilnehmer aller Länder zur Völkerverständigung, friedlicher Zusammenarbeit, Sicherung und Bewahrung der erreichten Fortschritte in der friedlichen Koexistenz geprägt war. … Vom Exekutivkomitee und dem bisherigen Präsidenten des IUPS, A. Summerfield, wurde wiederholt betont, daß die Kongreßorganisation vorzüglich sei. Die Teilnehmer äußerten sich lobend über das Einreise- und Anmeldeverfahren, über Unterbringung, Versorgung und die verfügbaren Dienstleistungen. … Zum Gesamterfolg des Kongresses trug auch das hochwertige Kulturprogramm bei, von dem sich insbesondere die ausländischen Kongreßteilnehmer sehr beeindruckt zeigten.2
Die Abschlussberichte des Programmkomitees3 und des Organisationskomitees4 taten das ihre, um den gelungenen Ablauf und die harmonische Atmosphäre herauszustellen. Das Organisationskomitee widmete sogar einen eigenen Abschnitt der „Bildung/Änderung des DDR- und Sozialismusbildes bei ausländischen Kongressteilnehmern“. Das 1 BArch DR 3 2. Schicht 2845. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen: Jahresanalysen über die internationalen Beziehungen im Bereich des MHF 1978-1984. 2 BArch DR 3 2. Schicht B 1495-4c. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Abschlußinformation Internationaler Psychologenkongreß vom 6.-12. 7. 1980 in Leipzig vom 12. 7. 1980. 3 BArch DY 30 7481. Sydow, Hubert/Programmkomitee. Bericht über das wissenschaftliche Programm des 22. ICP vom 7. 8. 1980. 4 BArch DY 30 7481. Organisationskomitee für den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie. Abschlußbericht vom 1. 9. 1980.
Resonanz und Nachwirkungen
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Organisationskomitee, das seine Tätigkeit „zu einem bedeutenden Teil“ darauf gerichtet habe, „Ausländern ein realistisches Bild unserer Gesellschaftsordnung zu vermitteln“, habe ihnen „nahezu alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens“ nahe gebracht, „wie z. B. Preispolitik (Mieten, Gaststättenpreise) …, soziale Sicherheit, …, Bildungsund Gesundheitspolitik, Stellung der Frau in der sozialistischen Gesellschaft“. Die Teilnehmer hätten oft – so weiter der Bericht – Vergleiche mit ihren Heimatländern und deren Problemen (Jugendkriminalität, Rauschgift, Arbeitslosigkeit) angestellt. Ja, sie hätten sich sogar von dort herrschenden Meinungen distanziert – etwa bezüglich des Olympiaboykotts, der ZDF-Sendungen von Gerhard Löwenthal und des möglichen Wahlsiegs von Franz Josef Strauß. Die Rückbesinnung auf den Kongress wurde in der Folge zu einem Standard von Positions- und Planungspapieren zur DDR-Psychologie. Der Wissenschaftliche Rat für Psychologie knüpfte in seinen Planungspapieren gern an den Leipziger Kongress von 1980 an. „Für die Entwicklung der Psychologie in der DDR war der XXII. Internationale Kongreß ein Markstein“5 – so lautete noch im Jahre 1983 ein Satz, der eines seiner Positionspapiere einleitete. Die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED wurde nicht müde, den Leipziger Kongress als Beweis der Fortschrittlichkeit der Parteidoktrin darzustellen. Noch knapp zwei Jahre nach dem Kongress leitete die Parteispitze einen Bericht über die Psychologie in der DDR mit den Sätzen ein: Der XXII. Internationale Psychologenkongreß 1980 war ein bedeutsamer politischer und wissenschaftlicher Erfolg. … Der Kongreß war vor allem durch den Entwicklungsfortschritt der marxistischleninistischen Psychologie geprägt. Er verdeutlichte die gewachsene wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Psychologie in der DDR. … wurde erneut sichtbar, welche großen Impulse sich für die Wissenschaftsentwicklung und welche Möglichkeiten sich für die gesellschaftliche Einflußnahme der Psychologie unter den Bedingungen der planmäßigen Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft ergeben.6
Die Vertreter der Gesellschaft für Psychologie der DDR wiederum haben den Kongress als Beleg für die Fortschrittlichkeit ihrer Entwicklungsplanung in Anspruch genommen, insbesondere für deren naturwissenschaftliche Ausrichtung. Offenbar haben sie diese Auffassung mit großem Geschick der Politik vermittelt. Die Abteilung Wissenschaften machte sich diese Auffassung zu Eigen und verlautbarte im Rückblick auf den Leipziger Kongress:
5 BArch DY 30 7478. Klix, Friedhart. Ausarbeitung zu einigen aktuellen Ergebnissen und Problemen der Psychologie aus der Arbeit des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie vom 10. 10. 1983. 6 Privatbesitz. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information über Ergebnisse und Entwicklungsprobleme der marxistisch-leninistischen Psychologie nach dem XXII. Internationalen Psychologiekongress vom 20. 5. 1982. (Entwurf vom 13. 5. 1982: BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften.)
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Kapitel 8 Kennzeichnend für das Gebiet der Psychologie ist, daß der Trend der engeren Verflechtung zwischen Grundlagen- und Anwendungsforschung international zunimmt und daß gerade in dieser Hinsicht starkes Interesse für DDR-Beiträge im Ausland gezeigt wurde. 7
Berichte über Verdienste um den Kongress wurden lokal fortgeschrieben. Die KarlMarx-Universität Leipzig machte geltend, sie habe am Kongressort selbst die Organisation gestaltet.8 Doch die Humboldt-Universität zu Berlin hat ihren Anteil an der Vorbereitung selbstbewusst zum Ausdruck gebracht und sogar die Exzellenz betont, die ihre Psychologiesektion dadurch erlangt habe. In einer repräsentativen Monografie, die auch offiziellen Gästen der Universität als Geschenk überreicht wurde, schrieb der Rektor der Humboldt-Universität: Zu den markanten Merkmalen der Forschung der Sektion Psychologie gehörte in den siebziger Jahren die langfristige Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie, der 1980 in Leipzig durchgeführt worden ist. … Die Vorbereitung und Durchführung des Kongresses bedingte eine konsequente Orientierung der Forschungen auf den wissenschaftlichen Weltstand und auf Problemgebiete, die sowohl den internationalen Erkenntnisstand als auch die Anwendung der Psychologie in der DDR voranbringen konnten. 9
Große Beachtung fand die Wahl des Kongresspräsidenten Klix zum Vorsitzenden der International Union of Psychological Science. Wie war diese Wahl zu beurteilen? Als Vertrauensbeweis für eine Persönlichkeit, die ihre Eignung zuletzt durch den allseits gelobten Kongress unter Beweis gestellt hatte, als Aufwertung der DDR-Psychologie, deren Leistungskraft der Kongress offenbart hatte, oder als Reverenz an das Gastgeberland? Gerüchte wollen wissen, das Politbüro habe in Berlin mit Spannung auf das Wahlergebnis aus Leipzig gewartet und auf die Wahl des Landsmanns in das internationale Amt angestoßen.10 Für den um Ansehen in der Welt strebenden Staat lag es in der Tat nahe, die Präsidiumswahlen der Internationalen Union zum außenpolitischen Erfolg zu erklären. In seiner Stellungnahme äußerte sich das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen auch zu sich neu eröffnenden politischen Einflussmöglichkeiten: Der politische Erfolg kommt auch in der Wahl von Genossen Prof. Dr. Klix zum neuen Präsidenten und des polnischen Wissenschaftlers Tomaszewski zu einem der zwei Vizepräsidenten der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaft (IUPS) zum Ausdruck. In diesem Ergebnis schlägt sich die international gewachsene Anerkennung für die Psychologie der sozialistischen Länder nieder. Zugleich wachsen damit die Einflußmöglichkeiten der sozialistischen Länder auf die Arbeit dieser Gesellschaft, die im internationalen wissenschaftlichen Leben eine wesentliche Rolle spielt.11
7 BArch DR 3 2. Schicht 2845. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen: Jahresanalyse 1980 der Internationalen Hochschulbeziehungen (S. 56). 8 BArch DY 30 7481. Organisationskomitee für den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie. Abschlußbericht vom 1. 9. 1980. 9 Klein, Helmut (Hrsg.). (1985). Humboldt-Universität zu Berlin. Überblick 1810-1985. Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften (S. 154). 10 Sydow, Hubert. Mündliche Mitteilung vom 16. 11. 2007. 11 BArch DR 3 2. Schicht B 1495-4c Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Abschlußinformation Internationaler Psychologenkongreß vom 6.-12. 7. 1980 in Leipzig vom 12. 7. 1980.
Resonanz und Nachwirkungen
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BERICHTERSTATTUNG IN DEN MEDIEN Die Demonstration internationaler Wettbewerbsfähigkeit und der Gewinn an Ansehen in der Welt waren nicht nur Anliegen der Außenpolitik. Sie waren auch innenpolitisch von enormer Bedeutung. Der Kongress war geeignet, der Propaganda im eigenen Land Argumente zu liefern, um einer mit ihren Lebensbedingungen überwiegend unzufriedenen Bevölkerung den Glauben an sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt zu vermitteln. Die Frage stellt sich daher: Wie wurde der Internationale Kongress für Psychologie in den Medien der DDR dargestellt? Das Nationale Vorbereitungskomitee hatte ein Komitee für Öffentlichkeitsarbeit unter der Leitung des Vorsitzenden der Gesellschaft für Psychologie der DDR, Prof. Adolf Kossakowski, eingerichtet (s. Kapitel 3, S. 100). Mit dieser Funktion hängt es wohl zusammen, dass Kossakowski selbst als Interviewpartner am häufigsten in Erscheinung trat; das größte Publikum fand er wohl in einer Fernsehsendung des in der DDR überaus populären Moderators Heinz Florian Oertel am 9. September 1980. Dass bei den publizistisch aufbereiteten Forschungsthemen die Pädagogische Psychologie und die Entwicklungspsychologie dominierten, geht vermutlich ebenfalls auf die Regie von Kossakowski zurück. Die Medien der DDR haben den Leipziger Kongress einem breiten Publikum innerhalb der DDR nahe gebracht. Bereits im ersten Halbjahr 1980 sind dem bevorstehenden wissenschaftlichen Ereignis mehrspaltige Artikel zu aktuellen und populären Forschungsthemen vorangegangen: Über die Förderung produktiven Denkens und Handelns12, über die Anwendung von Psychologie13, über Persönlichkeitsentwicklung und Erziehungsstile14, über Lernen im Alter15. Während der Kongresswoche sendete der örtliche Rundfunk laufend Nachrichten aus dem Kongressgeschehen. Die Bürger Leipzigs und die Besucher der Stadt konnten Berichte über den Kongress sogar auf dem Leipziger Ring verfolgen, auf dem Lautsprecher installiert waren. Auch in der Tagespresse war zu dieser Zeit der Kongress ein vorrangiges Thema – wie die folgende Analyse der Berichterstattung in „Neues Deutschland“, dem in der gesamten DDR verbreiteten Organ der SED, sowie in der „Leipziger Volkszeitung“, dem für Leipzig bestimmten Organ der Bezirksleitung Leipzig der SED, zeigen soll. Das täglich erscheinende Organ des Zentralkomitees der SED „Neues Deutschland“ schenkte dem Kongress – meist unter der Bezeichnung „Weltkongreß“ – große Aufmerksamkeit. In der Berichterstattung des „Neues Deutschland“ dominierten wiederum die in der DDR favorisierten Forschungsthemen: Lernen und Gedächtnis, Persönlichkeit und Entwicklung.16 Insgesamt nannte „Neues Deutschland“ 32 Wissenschaftler, 12 Kossakowski, Adolf. Die Gedanken sind die besten Vorarbeiter. Berliner Zeitung, # 104, 3./4. Mai 1980. 13 Kossakowski, Adolf. Psychologie im Dienste der Wissenschaft. Berliner Zeitung, 27. Juni 1980. 14 Kossakowski, Adolf. Hauptthema: Entwicklung der Kinderpersönlichkeit. Tribüne, 10. Juli 1980. 15 Rösler, Hans-Dieter. Ein Vorurteil über das Lernen wurde widerlegt. Neues Deutschland, 28./29. Juni 1980. 16 Neue Ergebnisse der Psychologie. Neues Deutschland, 35. Jahrgang, #159, 8. Juli 1980. Diskussion über Ergebnisse der Gedächtnisforschung. Neues Deutschland, 35. Jahrgang, #160, 9. Juli 1980.
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Kapitel 8
die am Kongress teilnahmen, namentlich. Ihre Herkunft zeigt Tabelle 8.1. Etwa ein Drittel der genannten Wissenschaftler stammten aus der DDR, je knapp zwei Drittel aus Ländern des Warschauer Pakts sowie aus „befreundeten sozialistischer Staaten“. Eingehend berichtete „Neues Deutschland“ über die Eröffnungsveranstaltung sowie die International Union of Psychological Science, ihren Präsidenten und ihre Beschlüsse. Die Eröffnung des Kongresses am 6. Juli wurde am folgenden Tag, dem 7. Juli, dreispaltig auf der ersten Seite gemeldet (mit Fortsetzung auf S. 2). Der von Brigitte Hering und Wolfgang Spickermann verfasste Bericht rückte in die erste Spalte ein Grußwort des (nicht anwesenden) Schirmherrn des Kongresses, des Vorsitzenden des Ministerrates Willi Stoph, ein – mit zwei wörtlichen Zitaten.17, 18 Die Proceedings enthalten dieses Grußwort allerdings nicht. Auch befragte Teilnehmer können sich an das Grußwort nicht erinnern. Gegen die Verlesung oder Verteilung des Grußwortes spricht auch die Passage in der Rede des Ministers, in der er – ohne weitere Botschaft – Grüße des Vorsitzenden überbringt. Ob also das Grußwort lediglich für die DDR-Bürger gedacht war? Ob es der internationalen Versammlung der Kongressteilnehmer nicht mitgeteilt wurde, um die staatliche Repräsentanz zu beschränken? Erst am folgenden Tag konnten die Kongressteilnehmer in den Congress News Stophs Grußwort lesen. Ob die verspätete Übermittlung der Botschaft des Schirmherrn an die Kongressteilnehmer ebenfalls einer Strategie des Kongresspräsidenten entsprang, der später angab, durch Tabelle 8.1. Namentliche Nennung von Kongressteilnehmern in „Neues Deutschland“ und „Leipziger Volkszeitung“, geordnet nach Herkunftsländern
Herkunftsland DDR USA CSSR, Polen, Ungarn Belgien, Großbritannien, Frankreich UdSSR BR Deutschland Finnland, Schweden Australien, Indien, Japan, Kanada, Mexiko Kuba, Nigeria, (Nord-)Vietnam
Neues Deutschland 11 5 3 3 2 2 2 2 2
Leipziger Volkszeitung 36 3 5 9 8 0 2 7 3
Vorträge zur Effektivität der Lerntätigkeit von Schülern, Neues Deutschland, 35. Jahrgang, #161, 10. Juli 1980. Diskussion zu Aspekten der Persönlichkeitsforschung. Neues Deutschland, 35. Jahrgang, #162, 11. Juli 1980. 17 Hering, Brigitte & Spickermann, Wolfgang. Leipzig: Psychologie-Weltkongreß. Neues Deutschland, 35. Jahrgang, #158, 7. Juli 1980. 18 Das Grußwort des Vorsitzenden des Ministerrats, Willi Stoph, befindet sich als Materialie I auf S. 338.
Resonanz und Nachwirkungen
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persönliche Intervention die Politik bei der Eröffnungssitzung zur Zurückhaltung bewegt zu haben?19 Dem Bericht über das Grußwort folgten Wiedergaben der Ansprache des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen, Prof. Böhme,20 des Plenarvortrags des Kongresspräsidenten Klix sowie der Begrüßung durch den Präsidenten der Internationalen Union, Arthur Summerfield – in dieser Reihenfolge. Protokollarisch richtig hatte der Verbandspräsident nach dem Minister vor dem Plenarvortrag gesprochen – so auch abgedruckt in den Proceedings.21 Dass er in dem Zeitungsbericht an die letzte Stelle gerückt wurde, diente wohl dem politisch motivierten Bedürfnis nach gehobener Selbstdarstellung. Im Übrigen wurde Summerfields Mitwirkung mehrfach herausgestrichen. Sogar ein Interview mit ihm druckte „Neues Deutschland“.22 Bei dieser Gelegenheit wurde Summerfield nicht nur als Präsident der International Union of Psychological Science, sondern auch als Präsident des Internationalen Rates für Gesellschaftswissenschaften bei der UNESCO vorgestellt. Der Hervorhebung Summerfields mag durchaus die Absicht zugrunde gelegen haben, den Lesern in der DDR die hohe Bedeutung der Unionspräsidentschaft zu vermitteln. Denn zum Abschluss des Kongresses standen Neuwahlen für das Präsidium der Internationalen Union an, und Kongresspräsident Klix war für den Vorsitz hoher Favorit. Bereits am Morgen des Wahltags hat „Neues Deutschland“ seine Leser auf die Neuwahl eingestimmt.23 Am Tag danach hat es dann auf seiner ersten Seite – zusammen mit dem erfolgreichen Abschluss des „Psychologie-Weltkongresses“ – die Wahl von Friedhart Klix zum neuen Präsidenten der International Union of Psychological Science gemeldet.24 Der Meldung folgte die Erklärung des Wahlsiegers, er sehe darin eine Anerkennung für die Leistungen der psychologischen Wissenschaften in der DDR, die zu deren weiteren Aufschwung beitragen werde. Ein Fazit zum wissenschaftlichen Ertrag des Kongresses zog Brigitte Hering nach dessen Abschluss in einem dreispaltigen Artikel. Es sei x ein Jubiläumskongress zur Hundertjahrfeier der Eröffnung des Wundtschen Labors gewesen, x eine Besinnung auf die progressiven Traditionen und großen Fortschritte der wissenschaftlichen Psychologie, x nach Moskau 1966 die zweite Konferenz der International Union of Psychological Science in einem sozialistischen Land, ausgerichtet von marxistisch-leninistischen Psychologen. x Unter den 4000 Gästen aus 57 Staaten seien auch Delegationen aus ehemaligen Kolonialstaaten wie Nikaragua und Angola gewesen. 19 Klix, Friedhart (2004). Friedhart Klix. In Helmut E. Lück (Hrsg.), Psychologie in Selbstdarstellungen (Band 4, S. 168-192). Lengerich: Pabst (S. 180). 20 Die Begrüßungsansprache von Minister Böhme befindet sich als Materialie H auf S. 335. 21 22nd International Conference of Psychology (1980). Proceedings (S. 1f.) 22 Neues Deutschland, 35. Jahrgang, #163, 12./13. Juli 1980. 23 Neues Deutschland, 35. Jahrgang, #162, 11. Juli 1980. 24 Erfolgreicher Abschluß des Psychologie-Weltkongresses. Neues Deutschland, 35. Jahrgang, #163, 12./13. Juli 1980.
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x Die Grundlagenforschung habe als Motor des wissenschaftlichen Fortschritts im Programm dominiert. x Die Anwendung psychologischer Erkenntnis, für welche die sozialistische Gesellschaft über die besten Voraussetzungen verfüge, sei eingehend diskutiert worden. x Die psychologische Forschung bedürfe des dialektischen und historischen Materialismus als ihrer theoretischen, weltanschaulichen und methodologischen Basis, worüber der Meinungsstreit bei zukünftigen Kongressen fortzusetzen sei. x Der Kongress sei ein voller Erfolg für die Psychologen des Landes gewesen, die sich mit der Ausrichtung des Kongresses und ihren wissenschaftlichen Beiträgen unter ihren Kollegen aus aller Welt verstärkte Anerkennung erworben hätten.25 Das Fazit von Brigitte Hering im Zentralorgan der SED ist sicherlich ein wertvolles Dokument, das die Parteilinie – in seiner Systematik wohl klarer als andere verfügbare Dokumente – getreu widerspiegelt. Als Lokalzeitung ging die „Leipziger Volkszeitung“ noch ausführlicher auf den Kongress ein. Das Kulturprogramm wurde stärker gewürdigt – vor allem das Konzert des Gewandhausorchesters – sowie die für die Bücherstadt Leipzig bedeutsamen Verlagsausstellungen; erwähnt wurden zudem medizinisch-technische Ausstellungen von Außenhandelsunternehmen.26 Besonderes Interesse fanden die Unternehmungen zur örtlichen „Erbepflege“ – die auf Wundt und sein Institut zurückgehenden Ausstellungen von Geräten und Räumen. Der Erinnerung an Wilhelm Wundt war zum Kongressauftakt eine ganze Seite gewidmet; neben einer Biografie des Gelehrten sowie Äußerungen Wundts über die Stadt Leipzig enthielt die Seite Hinweise auf Neuerscheinungen über Wundt, die Aktivitäten der historischen Arbeitsgruppe der Karl-MarxUniversität, den Wilhelm-Wundt-Preis der Leipziger Universität und ihren WilhelmWundt-Lehrstuhl für Psychologie.27 25 Hering, Brigitte. Produktiver Disput unter Fachleuten aus aller Welt. Neues Deutschland, 35. Jahrgang, #163, 12./13. Juli 1980. 26 Psychologietitel aus polnischen Verlagen. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 154, 2. Juli 1980. Neue DDR-Titel zum Psychologen-Kongreß. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 157, 5./6. Juli 1980. Buchkunst-Raritäten in Leipzigs Altem Rathaus. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 159, 8. Juli 1980. Glanzvolles Gewandhauskonzert. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 159, 8. Juli 1980. Bücher aus 11 Ländern. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 162, 11. Juli 1980. 19 000 Besucher erlebten Kongreßkulturprogramm. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 164, 14. Juli 1980. Technischer Fortschritt zum Nutzen der Menschen. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 164, 14. Juli 1980. 27 Geräteausstellung für Weltkongreß Psychologie. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 154, 2. Juli 1980. Im Experiment die Seele ermessen. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 157, 5./6. Juli 1980. Ausstellungen, Film, Preise, Gastprofessur. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 157, 5./6. Juli 1980. Neuerscheinungen. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 157, 5./6. Juli 1980. Geräte aus Wundts Labor. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 162, 11. Juli 1980.
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Bereits in der Wochenendausgabe der Leipziger Volkszeitung vor Kongressbeginn wurde auf die bevorstehende Kongresseröffnung hingewiesen. Der Bericht über die Eröffnungsfeier am Sonntag erschien auf der ersten Seite der Montagsausgabe.28 Wie bereits in „Neues Deutschland“ (s. S. 236) erhielt in dem Bericht das Grußwort des Ministerpräsidenten Stoph eine bevorzugte Stelle. Anders als im Zentralorgan des Landes gab das Leipziger Blatt die Ansprachen in der tatsächlichen, protokollarisch korrekten Reihenfolge – mit Unionspräsident Summerfield unmittelbar nach dem Minister. Zudem verzeichnete die Leipziger Volkszeitung namentlich die anwesenden lokalen Würdenträger, den Sekretär der SED-Bezirksleitung, den Oberbürgermeister der Stadt Leipzig und den Universitätsrektor (in dieser Reihenfolge). In der Kongresswoche hielt die Leipziger Volkszeitung ihre Leser über die wissenschaftlichen Veranstaltungen sowie die Höhepunkte des Kulturprogramms auf dem Laufenden. Ausgewählte Symposien und Einzelvorträge wurden mit Nennung von Autoren referiert; hinzu kamen Meldungen über Betriebsbesichtungen sowie über das Programm für Nachwuchswissenschaftler. Wissenschaftliche Beiträge, die aus Leipzig stammten oder das Leipziger Institut betrafen, wurden in der Berichterstattung hervorgehoben. So war die Meldung über das Gedenksymposium für Wilhelm Wundt auf der ersten Seite der nachfolgenden Tageszeitung platziert.29 Die Berichterstattung war jeweils informativ und in ihrer Tendenz durchweg positiv. Ein Mitarbeiter der Zeitung, Rolf Möbius, begleitete zudem den Kongress mit drei Kommentaren, welche ein weiterer Kommentar von Jürgen Grubitzsch ergänzte.30 Möbius hat zudem drei längere Interviews durchgeführt, und zwar mit dem amerikanischen Professor Mark Rosenzweig, Beachtete Leipziger Strategien für das Verhaltenstraining. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 163, 12./13. Juli 1980. 28 Leipzig erwartet zum Weltkongreß 4000 Gäste. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 157, 5./6. Juli 1980. Weltkongreß für Psychologie am Sonntag in Leipzig eröffnet. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 158, 7. Juli 1980. 29 Gelehrte aus aller Welt ehrten Wilhelm Wundt. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 159, 8. Juli 1980. Produktive Wissenschaftsgeschichte. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 159, 8. Juli 1980. Exkursionen im Programm des Weltkongresses. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 160, 9. Juli 1980. Angewandte Psychologie in Hartha. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 161, 10. Juli 1980. Am Ende ist es wirklich ihre eigene Maschine geworden … Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 162, 11. Juli 1980. Viele Aufgaben für Afrikas Psychologen. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 162, 11. Juli 1980. Psychologen stellen sich der Philosophie. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 163, 12./13. Juli 1980. 30 Möbius, Rolf. Forschungen für eine menschenwürdige Zukunft. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 158, 7. Juli 1980. Möbius, Rolf. Die Zukunft der Psychologie. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 164, 14. Juli 1980. Möbius, Rolf. Gewinn für die Wissenschaft und fürs gegenseitige Verstehen. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 164, 14. Juli 1980. Grubitzsch, Jürgen. Lernen und Kennenlernen. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 164, 14. Juli 1980.
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der auch Mitglied im Exekutivkomitee der Internationalen Union war, dem sowjetischen Akademiemitglied Boris Lomow, auch er Mitglied des Exekutivkomitees, sowie dem Präsidenten der Internationalen Union, Arthur Summerfield.31 Weitere Kongressteilnehmer aus aller Welt kamen in redaktionellen Beiträgen zu Wort.32 Zu den Standardthemen der Kommentare sowie der Interviews in dem Leipziger Blatt gehörten: Organisation und Ertrag des Kongresses, Einschätzung der DDRPsychologie, Frieden und Völkerverständigung, die Perspektiven der psychologischen Forschung und Praxis, die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Kooperation. Die wiedergegebenen Äußerungen der Teilnehmer waren ebenfalls ausnahmslos positiv. Die Leser vernahmen hohes Lob über den Kongress und seine Veranstalter, respektvolle Äußerungen über die Forschungsleistungen der DDR-Psychologie, Bekenntnisse zur Völkerfreundschaft; im Gegenzug lobten DDR-Wissenschaftler ihre Gäste, insbesondere ihre sowjetischen Kollegen. Alle befragten Teilnehmer beschworen die Fruchtbarkeit wissenschaftlicher Zusammenarbeit und ihre Bereitschaft zu weiterem Austausch. Die Psychologie wurde als fortschrittliche Wissenschaft charakterisiert – nicht zuletzt durch ihre Zuwendung zur Computertechnik. Ihr Nutzen für den Menschen sei bereits beträchtlich, doch verspreche die Forschung für die Zukunft noch weitere Erkenntnis zum Wohle von Arbeit, Erziehung und Therapie. In ihren Kommentaren griffen die Mitarbeiter der Zeitung diese Themen auf. Sie unterstrichen insbesondere die glänzenden Perspektiven der Psychologie, den hohen Wert ihrer Praxis und ihre vorzügliche Rolle bei der Völkerverständigung. Mit offensichtlicher Genugtuung nahmen die Kommentare die anerkennenden Worte der auswärtigen Teilnehmer über die Veranstalter und Gastgeber auf. In der Leipziger Volkszeitung genoss der Unionspräsident Summerfield ebenfalls auffallend starke Aufmerksamkeit; seine Eröffnungsansprache, sein Plenumsvortrag und sein Interview gaben Gelegenheit, ihn dem Publikum bekannt zu machen. Sein Interview bot zudem Gelegenheit, die Beziehung der International Union of Psychological Science zur UNESCO sowie die Funktionen des Präsidenten in der UNESCO zu er-
31 Alles tun, damit es möglich bleibt, miteinander zu sprechen. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 160, 9. Juli 1980. Internationale Projekte und 44 nationale Gesellschaften. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 161, 10. Juli 1980. Unsere Wissenschaft hat eine reizvolle Perspektive. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 162, 11. Juli 1980. 32 Intensive Entwicklung der Psychologie in der DDR. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 159, 8. Juli 1980. Wir nutzen die Ergebnisse der sowjetischen Kollegen. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 159, 8. Juli 1980. Eine gute Gelegenheit, Kontakte enger zu knüpfen. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 161, 10. Juli 1980. Angebote für mehr Kooperation. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 162, 11. Juli 1980. „Ich käme gern an die Leipziger Universität“. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 162, 11. Juli 1980. Psychologie in Vietnam. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 163, 12./13. Juli 1980. Meinungen von Kongressteilnehmern. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 164, 14. Juli 1980.
Resonanz und Nachwirkungen
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läutern. Dies kann man als Überleitung zum Thema der bevorstehenden Vorstandswahlen innerhalb der Internationalen Union deuten, der das Leipziger Blatt – wie schon „Neues Deutschland“ – große Beachtung schenkte. Am Tag nach Erscheinen des Interviews mit Summerfield kündigte eine neue Schlagzeile die „Wahl des neuen Leitungsgremiums“ an.33 Am folgenden Tag konnte die Leipziger Volkszeitung mit dem erfolgreichen Abschluss des Kongresses melden: „Prof. Dr. Friedbert (sic!) Klix (DDR) neuer Präsident der IUPS.“34 Mit der Meldung seiner Wahl zum Präsidenten der International Union of Psychological Science wurde Klix vollends zur dominierenden Figur in der lokalen Berichterstattung, nachdem er vorher als Kongresspräsident und Teilnehmer an verschiedenen Kongressveranstaltungen in Erscheinung getreten war. Seine Stellung in der – zumindest lokalen – Öffentlichkeit entsprach es, dass am Ende der Kongresswoche in der Leipziger Volkszeitung eine Wiedergabe seines Eröffnungsvortrags zur Evolutionspsychologie erschien, welche eine ganze Druckseite füllte.35 Insgesamt war Klix die in der Leipziger Kongressberichterstattung am häufigsten genannte Persönlichkeit – mit zwölf namentlichen Nennungen – vor dem Leipziger Fachvertreter Manfred Vorwerg sowie dem sowjetischen Vertreter Lomow mit je sieben Nennungen. Im Vergleich zu „Neues Deutschland“ hat die Leipziger Volkszeitung eine größere Textmenge zum Kongress gedruckt und dabei mehr Namen von beteiligten Wissenschaftlern genannt. Die Präferenz für Namen aus der DDR – knapp die Hälfte aller Nennungen – hängt dabei mit der stärkeren Beachtung der Wissenschaftler aus der Region zusammen. Die Verteilung der Nennungen auf Ländergruppen zeigt Tabelle 8.1. Dabei fällt auf, dass die USA und die deutsche Bundesrepublik in der Leipziger Presse noch schwächer repräsentiert waren als in „Neues Deutschland“. Die Berichterstattung der Leipziger Volkszeitung über die große Zusammenkunft erfahren, die eine Woche lang das Straßenbild der Innenstadt bestimmt hatte sowie über die gelungene Präsentation der Stadt sowie ihrer Kultur- und Bildungseinrichtungen sollte sicherlich auch das Selbstbewusstsein der eigenen Bürger stärken. Überhaupt war die Tendenz unverkennbar, die einheimischen Leser mit ihrer Lage zu versöhnen und ihnen Hoffnung auf baldige Verbesserungen zu machen. Das wiedergegebene Lob der Besucher über die gute Organisation sowie über die vielfältigen Beiträge der Gastgeber mag ein Gegenmittel gegen die herrschende Unzufriedenheit im Lande gewesen zu sein. Insbesondere mag der Hinweis auf das zufriedene Nebeneinander von Wissenschaftlern aus West und Ost die Zuversicht genährt haben, dass die Lebensbedingungen in den beiden Wirtschaftssystemen doch nicht so stark auseinanderklafften, wie oft empfunden, und dass die eigenen Bemühungen, gegenüber dem westlichen Wirtschaftssystem aufzuholen, nicht zuletzt dank der Fortschritte der DDR-Wissenschaft in absehbarer Zeit von Erfolg gekrönt sein könnten.
33 Vorschläge für neue Leitung der IUPS. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 162, 11. Juli 1980. 34 XXII. Psychologiekongreß erfolgreich beendet. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 163, 12./13. Juli 1980. 35 Wie der Mensch das Denken lernte. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 163, 13./14. Juli 1980.
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Was Thematik und Tendenz anbelangt, folgte die Berichterstattung der Leipziger Zeitung – offenbar vermittelt durch die Kommission für Öffentlichkeitsarbeit – den Vorgaben der Organisatoren. Die thematischen Schwerpunkte der Berichte lagen bei der Kognitionsforschung sowie der Erziehungs- und Arbeitspsychologie; zurückgetreten sind vor allem Diagnostik und Klinische Psychologie. Die Tendenz der Berichterstattung war durchweg eine affirmative. So befleißigten sich die Kommentare einer humanistischen Deutung der Psychologie, ja des wissenschaftlichen Treffens überhaupt. Auf Ost-West-Konfrontationen wurde verzichtet. Unparteiisch war der vorgetragene Humanismus freilich nicht, da er ja der erklärten Meinung der herrschenden Partei entsprach, eine menschenwürdige Gesellschaft sei nur auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus zu erreichen. In die Kommentare der Leipziger Zeitung fand dann die Parteimeinung doch wieder Einlass. So schrieb Rolf Möbius zur Kongresseröffnung: „Wir freuen uns, unseren Gästen aus allen Kontinenten in unseren Vorträgen und bei Besichtigungen von Betrieben, Forschungs- und Sozialeinrichtungen der DDR den Standpunkt und die Möglichkeiten des Sozialismus … zeigen zu können.“36 Und zum Abschluss des Kongresses zog derselbe Autor das Fazit: „Die Fruchtbarkeit des Marxismus-Leninismus als theoretischer, weltanschaulicher und methodologischer Grundlage auch der psychologischen Forschung hinterließ großen Eindruck.“37 Im Übrigen haben die Fachvertreter, nachdem sie vor dem Kongress die Öffentlichkeit sowie Leser anderer Disziplinen auf das Welttreffen eingestimmt hatten, nach dem Kongress Berichte und Einschätzungen über die Veranstaltung in Fachzeitschriften der DDR verbreitet. Zwei Artikel richteten sich dabei vorzugsweise an Lehrer und Pädagogen.38 Ein weiterer Beitrag, verfasst von Uwe Schaarschmidt und Hubert Sydow, erschien in der Parteizeitschrift Einheit.39 Ähnlich wie die für die breitere Öffentlichkeit bestimmten Publikationen verbanden die drei Schriften die Berichterstattung über das Kongressprogramm mit Hinweisen auf den großen Anteil von Autoren aus der DDR; insbesondere die beiden für Pädagogen bestimmten Beiträge betonten die weltanschauliche Fundierung der DDR-Psychologie und deren Stellung in der internationalen Forschung, insbesondere deren Abstimmung mit der Forschung in der Sowjetunion. 36 Möbius, Rolf. Forschungen für eine menschenwürdige Zukunft. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 158, 7. Juli 1980. 37 Möbius, Rolf. Gewinn für die Wissenschaft und fürs gegenseitige Verstehen. Leipziger Volkszeitung, 35. (86.) Jahrgang, # 164, 14. Juli 1980. 38 Jantos, Wolfgang, Jülisch, Bernd, Lompscher, Joachim, Metz, Elke, Scholz, Günter & Wagner, Christine (1980). Weltforum der Psychologen in der DDR. Zeitschrift für Pädagogik, 35, 984-997. (Dazu Entwurf: BArch DY 30 7481. Weltforum der Psychologen in der DDR oder Psychologische Wissenschaft und gesellschaftliche Praxis. Ein Bericht von W. Jantos, B. Jülisch, J. Lompscher, E. Metz, G. Scholz & Chr. Wagner.) Götz, Heide, Kühn, Horst, Lompscher, Joachim, Metz, Elke, Scholz, Günter & Wagner, Christine (1981). XXII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Pädagogische Forschung, 22, 7-28. (Dazu Entwurf: BArch DY 30 7481. XXII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Ein Bericht von H. Götz, H. Kühn, J. Lompscher, E. Metz, G. Scholz und Chr. Wagner.) 39 Schaarschmidt, Uwe & Sydow, Hubert (1980). XXII. Internationaler Kongress der Psychologen. Einheit, 35, 1308-1311. (Dazu Entwurf: Privatbesitz. Schaarschmidt, Uwe. Zum Weltkongreß der Psychologie in der DDR: Ergebnisse und Schlussfolgerungen.)
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MITTEILUNGEN FÜR KONGRESSTEILNEHMER : DIE CONGRESS NEWS Die in englischer Sprache erschienenen Congress News – fünf Ausgaben vom 7. bis 11. Juli 1980 – wurden unentgeltlich an die Kongressteilnehmer verteilt und waren vor allem für die Ausländer unter ihnen bestimmt.40 Die Berichterstattung der Congress News hat stärker die internationale Sicht berücksichtigt. So streuten die namentlich genannten Teilnehmer gleichmäßiger über Nationen. Die aus der DDR stammenden namentlich Benannten machten weiterhin die größte Nationengruppe aus, jedoch betrug ihr Anteil nur noch rund 20%. Dafür wurden die aus westlichen Ländern – insbesondere den USA und der deutschen Bundesrepublik stammenden – Teilnehmer häufiger als in den DDR-Medien namentlich erwähnt (Tabelle 8.2). Die überwiegende Zahl der in die Congress News aufgenommenen Beiträge waren Berichte über Kongressveranstaltungen (vor allem über Symposien, Plenumsvorträge des Vortages) sowie Ankündigungen zum Programm (Programmänderungen, Versammlungen, Buchverkäufe etc.). In längeren Interviews kamen der Rektor der Leipziger Universität (No. 2), der Unionspräsident Summerfield (No. 3), der Vietnamesische Professor Pham Minh Hac und der Kongresspräsident Klix (No. 4) sowie Prof. DiazGuerrero (No. 5) zu Wort, letzterer als Vorsitzender der Sociedad Mexicana de Psicologia, die den nächsten Kongress der International Union of Psychological Science ausrichten sollte. Neben kurzen – stets lobenden – Äußerungen von Kongressteilnehmern waren Mitteilungen über die Stadt Leipzig und den Gründervater Wundt eingestreut. Politisch akzentuierte Beiträge spiegelten die DDR-Perspektive wider; hier ähnelte die Berichterstattung der Congress News derjenigen der DDR-Tagespresse. Mit dem Grußwort des Ministerpräsidenten Stoph (s. o.) begann gleich die erste Nummer, gefolgt von den Kernsätzen aus der Rede des Ministers Böhme bei der Kongresseröffnung (s. o.). In der dritten Nummer war ein Glückwunschtelegramm zum 66. Geburtstag von Ministerpräsident Willi Stoph abgedruckt, verbunden mit Dankesworten für die Unterstützung des Kongresses und unterzeichnet von Unionspräsident Summerfield und Kongresspräsident Klix. Wie die Tagespresse kündigten die Congress News am Donnerstag (No.4) die bevorstehenden Wahlen in der Generalversammlung der International Union of Psychological Science an; erwähnt wird dabei bereits die Kandidatur von Klix. Es mag Zufall sein, könnte aber auch als Rückhalt für den genannten Kandidaten gedacht gewesen sein, dass unmittelbar unter der Ankündigung der Wahlen ein längerer Artikel über die Gesellschaft für Psychologie der DDR eingerückt war. Unverkennbar ist in allen Nummern der Kongresszeitung eine positive Grundhaltung; insbesondere wird die starke Beteiligung am Kongress hervorgehoben, sein gutes Gelingen sowie die Anerkennung des guten Gelingens durch die Besucher. Ein feuille-
40 Congress News, No. 1, 7. Juli 1980. Congress News, No. 2, 8. Juli 1980. Congress News, No. 3, 9. Juli 1980. Congress News, No. 4, 10. Juli 1980. Congress News, No. 5, 11. Juli 1980.
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tonistischer Einschub (No. 3), mehrere karikaturistische Zeichnungen und spaßige Fotos (z. B. No. 5: eine nur mit einem Hut bekleidete Frau betrachtet mit einer Lupe auf dem Globus das Land Mexico, in dem der nächste Kongress stattfinden soll) bezeugen das Bemühen der Herausgeber, die Congress News nicht nur als Informationsmedium zu gestalten, sondern auch als Instrument zur Hebung von Stimmung und Solidarität. STAATLICHE AUSZEICHNUNGEN Die DDR war ein sozialistischer Staat, der seine Bürger nicht nur mit ausufernden Kontrollen überzog, sondern auch ihre Leistungen und ihre Solidarität mit einer Fülle von Auszeichnungen belohnte. Diese Auszeichnungen hatten einen symbolischen Wert, wurden in Form von Ordenszeichen verliehen und mit wohlklingenden Namen versehen. Zugleich kam den Auszeichnungen ein materieller Wert zu; sie waren meist mit beträchtlichen materiellen Prämien verbunden und – bei höheren Auszeichnungen – sogar mit der Aufnahme in die Nomenklatur, die weitere Privilegien verschaffte.41
Tabelle 8.2. Namentliche Nennung von Kongressteilnehmern in den „Congress News“, geordnet nach Herkunftsländern
DDR
23
USA
14
Bulgarien, CSSR, Polen, Ungarn
10
Belgien, Großbritannien, Frankreich, Niederlande
27
UdSSR
14
BR Deutschland
15
Finnland, Österreich, Schweden, Schweiz
7
Kanada, Mexiko
11
Äthiopien, Indien
2
Kuba, (Nord-)Vietnam
1
41 Bartel, Frank (1979). Auszeichnungen der Deutschen Demokratischen Republik von den Anfängen bis zur Gegenwart. Berlin: Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik. http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der _staatlichen_Auszeichnungen_der_DDR.
Resonanz und Nachwirkungen
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Auch die wichtigsten Organisatoren des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie sind mit hohen staatlichen Auszeichnungen bedacht worden. Ein knappes Jahr nach dem Kongress, anlässlich des „Tages der Arbeit“ am 1. Mai 1981, erhielten die Mitglieder des Wissenschaftlichen Vorbereitungskomitees – Friedhart Klix, Adolf Kossakowski, Jürgen Rückert, Hubert Sydow und Manfred Vorwerg - sowie der zur Zeit der Kongressvorbereitung für die Psychologie zuständige Referent im Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, Uwe Schaarschmidt aus der Hand des Volkskammerpräsidenten Sindermann den Orden „Banner der Arbeit“ (Stufe I).42 Drei Jahre später, anlässlich des 35. Jahrestages der DDR wurde Friedhart Klix mit dem Karl-MarxOrden geehrt.43 Der Orden „Banner der Arbeit“ wurde an Einzelpersonen, Kollektive und Betriebe vergeben, „insbesondere für hohe Arbeitsergebnisse in der Volkswirtschaft“. Der Orden wurde in drei Stufen verliehen. Pro Jahr gab es rund 250 Verleihungen der ersten Stufe, 500 der zweiten sowie 1000 der dritten Stufe. Der Orden war in der ersten Stufe mit einem Geldbetrag von mehreren tausend Mark dotiert.44 Der Karl-Marx-Orden war die höchste staatliche Auszeichnung, welche die DDR zu vergeben hatte. Er war nicht nur finanziell hoch dotiert, sondern eröffnete auch den Zugang zu einer Reihe weiterer materieller wie immaterieller Vergünstigungen.45 Dass der Kongresspräsident Klix in dem ausgezeichneten Kollektiv eine herausragende Rolle gespielt hatte, war völlig unstrittig und ist vielfach gerühmt worden (s. Kapitel 3, S. 108). Mit gutem Grund hätte man ihn also bereits 1981 aus dem Kollektiv herausheben können, um ihn mit dem höchsten Orden der Republik auszuzeichnen. Tatsächlich geschah das erst 1984, am Ende seiner Amtszeit als Präsident der International Union of Psychological Science. War also die Verleihung des Karl-Marx-Ordens mehr als nur die Auszeichnung eines Spitzenwissenschaftlers der DDR und mehr als der Dank für die brillante organisatorische und diplomatische Leistung der Kongressvorbereitung? Es wurde bereits oben erwähnt: Klix war einer der ersten DDR-Bürger, dem in einer internationalen, sogar einer von anglophonen Mitgliedern beherrschten Organisation ein führendes Amt übertragen wurde. Partei- und Regierungsvertreter sahen in ihm einen Botschafter, der seinem Land den Weg in die internationale Staatengemeinschaft ebnete. Sollten also Partei und Regierung zu der Auffassung gelangt sein, Klix habe sich – über seine wissenschaftlichen und organisatorischen Leistungen hinaus – mit und während seiner Präsidentschaft Verdienste um das eigene Land erworben, welche zum Abschluss der Präsidentschaft mit der höchsten Auszeichnung des Landes belohnt werden sollte? Aus dieser Sicht ist es die doppelte Präsidentschaft, nämlich die Kongresspräsidentschaft gefolgt von der Präsidentschaft in der International Union of Psychological Science, der Klix den höchsten Orden der DDR verdankte.
42 Zeitung Humboldt Universität (1981/82), Jahrgang 25, Heft 32. Sydow, Hubert. Mündliche Mitteilung vom 16. 11. 2007. Schaarschmidt, Uwe. Mündliche Mitteilung vom 3. 12. 2007. 43 Zeitung Humboldt Universität (1984/85), Jahrgang 29, Heft 5. 44 http://de.wikipedia.org/wiki/Banner_der_Arbeit. 45 http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Marx_Orden.
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Es gibt freilich noch eine andere mögliche Erklärung: Die hohe Auszeichnung war bereits 1980 beschlossene Sache. Jedoch war es eine Auszeichnung, deren politischer Gehalt bereits in ihrem Namen überaus deutlich zum Ausdruck kam. In aller Welt war offensichtlich: Der Karl-Marx-Orden wurde keinen regimefernen oder gar regimefeindlichen Personen zuerkannt. Und seine Annahme bedeutete (mit welchen inneren Vorbehalten auch immer) eine Solidarisierung mit dem Staat der DDR und mit seinem sozialistischen Gesellschaftsmodell. Ein derart demonstratives Einverständnis mit einem Staat, der sich auf die politische Philosophie von Karl Marx berief, war freilich geeignet, außerhalb des sozialistischen Einflussbereiches Anstoß zu erregen. Um also die Position von Klix in der stark westlich geprägten Internationalen Union nicht zu schwächen, hat man also die Auszeichnung von Klix mit dem Karl-Marx-Orden auf die Zeit nach seiner Unionspräsidentschaft verschoben. War also die Karriere von Klix in einer internationalen Organisation der Grund oder zumindest einer der maßgeblichen Gründe für seine hohe Auszeichnung in der DDR? Und war Rücksicht auf die laufende Präsidentschaft der Grund, die Ordensverleihung bis Ende 1984 aufzuschieben? Zu diesen Fragen wurden Archivrecherchen angestellt, jedoch keine einschlägigen Dokumente gefunden. DER AUSBAU DER DDR-PSYCHOLOGIE IN DEN ACHTZIGERJAHREN Die Annahme liegt nahe, der Gewinn an Ansehen und die Argumente für seine gesellschaftliche und wirtschaftliche Nützlichkeit habe sich auch in der staatlichen Förderung für das Fach niedergeschlagen. Führende Fachvertreter aus der DDR haben bestätigt, dass ein Motiv zur Einladung des Kongresses nach Leipzig die Hoffnung gewesen sei, die Entwicklung der DDR-Psychologie zu fördern; diese Hoffnung habe sich erfüllt (siehe Kapitel 2, S. 66). So äußerte der damalige Vorsitzende der Gesellschaft für Psychologie der DDR, Adolf Kossakowski, 1996 in einem Interview mit Stefan Busse: Gerade deshalb waren wir bestrebt, den Kongreß für Psychologie hier in der DDR zu machen, um … uns selbst bessere Entwicklungsbedingungen zu verschaffen. Das haben wir uns davon versprochen und das ist ja dann auch eingetreten; durch diesen Kongreß haben wir erreicht, daß die Sektionen sich vergrößern konnten, daß sie mehr Stellen und materielle Zuwendungen bekamen.46
Ähnlich äußerte sich Kossakowski noch einmal zehn Jahre später.47 Entsprechend erklärte Harry Schröder, langjähriger Vertreter der Leipziger Psychologie: … mit der Perspektive des Kongresses 1980, gab es dann einen deutlichen Aufschwung. Das sah man in verschiedenen Bereichen der Weiterbildung, am quantitativen Anstieg der Psychologen in der Praxis und vor allem in der Ausstrahlung im öffentlichen Bewußtsein, alles verbunden mit diesem Kongreß. ..
46 Busse, Stefan (1996). Psychologie im Real-Sozialismus. DDR-Psychologen im Interview. Pfaffenweiler: Centaurus (S. 159). 47 Kossakowski, Adolf. Mündliche Mitteilung vom 23. 7. 2007.
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Also das würde ich auch als einen Markstein betrachten, weil damals die wissenschaftlichen Einrichtungen ausgebaut wurden. 48
Und erst jüngst schrieb Walter Friedrich, ebenfalls lange Jahre Professor in Leipzig: „Das gewaltige Vorhaben erwies sich tatsächlich bald als ein Glücksfall für die gesamte DDR-Psychologie. … Der Kongress … hat zweifellos das Prestige und die Entwicklungsperspektiven der Psychologie in der DDR für die folgenden Jahre wesentlich erhöht.“ 49 Diese Äußerungen wecken Erwartungen, welche die gefundenen Dokumente nicht einlösen. Der Wissenschaftliche Rat für Psychologie befasste sich zwar regelmäßig mit Fragen der Weiterentwicklung der Psychologie. Strategisch wurde dabei die theoretische wie praktische Bedeutung der Grundlagenforschung sowie der gesellschaftliche Bedarf an Angewandter Psychologie hervorgehoben. Ministerium und Abteilung Wissenschaften ließen es hierfür an Zustimmung nicht fehlen. Bis 1980 gab es jedoch keine langfristige Strukturplanung für einzelne Sektionen und die gesamte DDRPsychologie.50 Erst im Jahre 1980 fertigte der Wissenschaftliche Rat Statistiken über Beschäftigte an und machte erste Vorschläge für eine Entwicklung des Kaderpotentials bis 1990. Tabelle 8.3 fasst das Zahlenwerk kurz zusammen. Die vorgesehenen Steigerungen im Bereich der Professuren waren bescheiden. Der Schwerpunkt der Personalplanung lag offensichtlich bei der Nachwuchsförderung. Durch erhebliche Steigerung der Mitarbeiterzahlen wollte man wohl erst die Voraussetzungen für eine Expansion von Hochschullehrerstellen schaffen. Im Übrigen beschränkten sich die Planungen auf die vier bestehenden Universitätssektionen und hielten an den lokalen Schwerpunkten in Berlin (Grundlagen, Klinische Psychologie, Arbeits- und Ingenieurpsychologie), Leipzig (Grundlagen, Pädagogische Psychologie, Klinische Psychologie), Jena (Grundlagen, Sozialpsychologie) und Dresden (Grundlagen, Arbeits- und Ingenieurpsychologie) fest. Von eher grundsätzlicher Natur waren lediglich Beratungen und Beschlüsse zur Einrichtung oder Förderung unterrepräsentierter Richtungen wie Klinische Psychologie, Forensische Psychologie, Psychologiegeschichte.51 Im Jahre 1988 hat das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen ein neues Zahlenwerk vorgelegt, das die bisherige Personalentwicklung sowie die Planungen für
48 Busse, Stefan (1996). Psychologie im Real-Sozialismus. DDR-Psychologen im Interview. Pfaffenweiler: Centaurus (S. 233). 49 Friedrich, Walter (2009). Das erste Psychologie-Institut der Welt. Die Leipziger Universitätspsychologie 1879 - 1980. Leipzig: Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen (S. 249, 258 f.) . 50 BArch DR 3 2. Schicht 1248/BArch DY 30 7478. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Einschätzung zur Entwicklung der Psychologie in den Jahren 19761980 vom 17. 12. 1980. 51 BArch DR 3 2. Schicht B 1495-5c. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hochund Fachschulwesen. Entwicklungskonzeption für das Fachgebiet Psychologie im Hochschulwesen für den Zeitraum bis 1990. BArch DR 3 2. Schicht 2875. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Entwicklungskonzeptionen des Fachgebietes Psychologie 1976-1985.
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Kapitel 8
1990 wiedergab. Tabelle 8.4 fasst das Zahlenwerk zusammen.52 (Nicht berücksichtigt sind dabei Stellungnahmen von Universitäten, welche Kritik an einzelnen Posten angemeldet haben.53) Die wiedergegebenen Zahlen belegen eine Zunahme an wissenschaftlichem Personal. Die bis 1988 tatsächlich eingetretene Zunahme ist bescheiden ausgefallen; jedoch bleibt sie nicht weit hinter der Projektion des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie von 1980 zurück. Erst für 1990 ist ein beträchtlicher Zuwachs geplant, der sich mit den Planzahlen des Wissenschaftlichen Rates fast völlig deckt. Der Realisierung dieses Zuwachses dürfte das Ende der DDR zuvorgekommen sein. Eine wesentliche Vermehrung der Zahl von Studienplätzen war mit den geplanten oder vollzogenen Personalaufstockungen nicht verbunden. Über die gesamte Berichtszeit hielt die dafür zuständige Staatliche Plankommission an der Zahl von durchschnittlich 600 Studienplätzen bei einer Jahreszulassung von 120 Studierenden fest. Ab 1986 wurde sogar eine Reduzierung der Zulassungszahlen angedroht. Dies verwundert, da doch grundsätzlich von allen Beteiligten der hohe gesellschaftliche Nutzen der Psychologie und die Wünschbarkeit des zunehmenden Einsatz qualifizierter Psychologen beteuert wurde. Allerdings erwies sich die Realität als widrig. Betriebe und Verwaltungen wehrten sich gegen die Einstellung von Absolventen. Nur die kleine Gruppe Klinischer Tabelle 8.3. Personal an dem vier Sektionen für Psychologie zum 1. 5. 1979 sowie Planzahlen für 1990 nach Angaben des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie
Lehrstühle 1979 1990
17 22
Dozenten 20 38
Wissenschaftliche Mitarbeiter 116 155
Tabelle 8.4. Wissenschaftliches Personal an den vier Universitätssektionen für Psychologie
Lehrstühle 1980 1985 1988 1990
17 21 22 22
Dozenten 20 24 21 37
Wissenschaftliche Mitarbeiter 105 105 116 154
52 BArch DR 3 2. Schicht 2886. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Kaderentwicklungsprogramm für die Psychologie an Universitäten und Hochschulen der DDR vom 18. 6. 1988. 53 BArch DR 3 2. Schicht 2886. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Kaderentwicklungsprogramme für die Psychologie 1982, 1985, 1988.
Resonanz und Nachwirkungen
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Psychologen ließ sich ohne Rest vermitteln. Zur Verstimmung trug bei, dass die Sektionen von 1977 bis 1981 durchschnittlich 140 Diplompsychologen je Studienjahr entließen – 20 mehr als nach Plan zugelassen waren.54 Prof. Timpe, Direktor der Sektion Psychologie der Humboldt-Universität Berlin, musste sich daher von Dr. Hensel, dem Abteilungsleiter Planung und Statistik der Staatlichen Planungskommission, Vorwürfe wegen „nicht eingehaltener Plandisziplin“ gefallen lassen.55 Die unzureichenden Bedarfsanmeldungen für Diplompsychologen waren ein Politikum. War es doch das Präsidium des Ministerrats gewesen, das 1978 in seinem Beschluss „zur Sicherung der politischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980“ den „Auf- und Ausbau von Psychologengruppen in ausgewählten volkswirtschaftlichen Bereichen für den Zeitraum 81-85“ vorgesehen hatte56 (s. Kapitel 4, S. 138, S. 157). Insbesondere die Bereiche der chemischen und der elektrotechnischen Industrie, des Bau- und des Verkehrswesens sträubten sich gegen die Umsetzung des Beschlusses. Unmittelbar nach Abschluss des Leipziger Kongresses musste Minister Böhme dem Vorsitzenden des Präsidiums des Ministerrates und Schirmherrn des Kongresses, Willi Stoph, mitteilen: „In Abrechnung des Beschlusses des Präsidiums des Ministerrates … kann festgestellt werden, daß 13 der insgesamt 14 Beschlußpunkte voll erfüllt sind“ – aber dass eben die ebenfalls beschlossenen Arbeitsgruppen nicht in ausreichender Zahl zustande kamen. Der Minister befürwortete weitere „Kontrollberatungen mit Verantwortlichen“.57 Das Ministerium forderte auch den Vorsitzenden der Gesellschaft für Psychologie der DDR auf, einen Beitrag zur Beseitigung des „unbefriedigenden Realisierungsstandes“ zu leisten.58 Einzelne Universitätssektionen suchten nach Abhilfe – etwa durch Einrichtung spezialisierter Studiengänge wie „Diplomlehrer für Psychologie“. Doch gerade Spezialisierungen im pädagogischen Bereich stießen bei der Gesellschaft für Psychologie auf Bedenken, weshalb sich Klix namens des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie an den Minister für Volksbildung wandte.59 Alle Bemühungen scheinen nichts gefruchtet zu haben. Mit einem gesteigerten Bedarf an Absolventen war der Ausbau der Psychologie in der DDR daher nicht zu begründen. Zu einer Bereicherung der DDR-Psychologie wurde die Einrichtung einer Psychodiagnostischen Zentralstelle an der Berliner Humboldt-Universität (s. Kapitel 4, S. 156). Die Psychodiagnostik hatte in den sozialistischen Ländern einen schweren Stand gehabt. Auch in der DDR fehlte es an Forschung, Entwicklung und Praxis zu psychologischen Tests. Die Lücke versprach das neue Zentrum zu füllen. Der Wissenschaftliche 54 BArch DR 3 2. Schicht 2889. Statistik und Beratungen über die Anzahl der Zulassungen, Absolventen und den wissenschaftlichen Nachwuchs an den Sektionen. 55 BArch DR 3 2. Schicht 2889. Brief von Dr. Hensel an Prof. Timpe vom 5. 12. 1984. 56 BArch DC 20/I4 4036, Bl. 11-16. Präsidium des Ministerrates der DDR. Beschluß zur Sicherung der politischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 23. 3. 1978. 57 BArch DR 3 2. Schicht 2889. Brief von Minister Böhme an Willi Stoph, vom 21. 8. 1980. 58 BArch DR 3 2. Schicht 2889. Brief von Heinz Burkhardt an Adolf Kossakowski vom 17. 11. 1981. 59 BArch DR 3 2. Schicht 2889. Brief von Friedhart Klix an Minister (sic!) Margot Honecker vom 6. 4. 1981.
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Kapitel 8
Rat für Psychologie und das Ministerium erwiesen sich als entschlossene Geburtshelfer. Ein Jahr vor dem Leipziger Kongress entwarf eine Arbeitsgruppe des Rates eine Konzeption für das Zentrum, und der Rat befürwortete dessen Einrichtung mit Nachdruck.60 Das Ministerium stimmte der Konzeption zu61 und legte bereits im September des folgenden Jahres einen detaillierten Einrichtungsvorschlag vor. Der Vorschlag sah eine großzügig bemessene Ausstattung mit sechs Personalstellen (davon zwei Hochschulkadern) bis 1982 und ab 1983 sechs bis acht weitere Stellen (davon drei bis fünf Hochschulkader) vor; etwa ein Dutzend Räume sollten bereitgestellt werden. Der Vorschlag benannte sogleich einen Kandidaten für die Leitung: den Generalsekretär des Kongresses, Dr. Jürgen Rückert. 62 In seiner Eigenschaft als Leiter des Gemeinsamen Büros der Gesellschaft für Psychologie der DDR und des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie erklärte Rückert gegenüber dem Stellvertreter des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen, Prof. Engel, umgehend seine Unterstützung für das Unternehmen, indem er sechs Stellen aus dem Kongressbüro nachwies, die nach nunmehrigem Abschluss des Kongresses zum Zentrum verlagert werden konnten.63 Das Psychodiagnostische Zentrum wurde tatsächlich eingerichtet. Es beschäftigte zeitweise zwölf Mitarbeiter. Die Leitung des Zentrums übernahm schließlich Dr. Uwe Schaarschmidt, der während der Vorbereitung des Kongresses Referent für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen gewesen war. Die Übernahme der Leitung führte zur Berufung auf eine Professur.64 Die zügige Gründung und großzügige Ausstattung waren beachtlich. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass beides dem engagierten Zusammenspiel interessierter Fachvertreter im akademischen und im ministeriellen Bereich zu verdanken ist. Maßgebliche Vertreter der DDR-Psychologie haben sich stets für eine empirische, ja experimentelle Ausrichtung der Psychologie eingesetzt. Dies erforderte kostspielige Anschaffungen von Geräten, die jeweils rasch wachsenden technischen Standards gerecht werden mussten. Die Produktion im Ostblock war nur teilweise auf diesen Bedarf eingestellt, so dass man, wollte man mit der internationalen Entwicklung Schritt halten, Bestellungen für Devisen tätigen musste. Im März 1980 gab der Wissenschaftliche Rat 60 BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rats für Psychologie am 4. 7. 1979 in Berlin vom 30. 7. 1979. BArch DR 3 2. Schicht 581. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie. Auszug aus der Konzeption zur Schaffung einer Psychodiagnostischen Zentralstelle vom Juni 1980. BArch DR 3 2. Schicht B 1495-5c. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hochund Fachschulwesen. Entwicklungskonzeption für das Fachgebiet Psychologie im Hochschulwesen für den Zeitraum bis 1990. 61 BArch DR 3 2. Schicht B 1495-5c. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Stellungnahme der Abteilung Gesellschaftswissenschaften zur Entwicklungskonzeption Psychologie für den Zeitraum bis 1990. BArch DR 3 2. Schicht B 1495-5c. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Vorlage Nr. 131/80 zur Dienstbesprechung vom 5. 12. 1980. 62 BArch DR 3 2. Schicht 581. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Vorschlag zur Schaffung eines Forschungs- und Entwicklungszentrums für psychodiagnostische Verfahren vom 18. 9. 1980. 63 BArch DR 3 2. Schicht 581. Brief von Jürgen Rückert an Prof. Engel vom 26. 9. 1980. 64 Schaarschmidt, Uwe. Mündliche Mitteilung vom 3. 12. 2007.
Resonanz und Nachwirkungen
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für Psychologie eine Übersicht über die apparative Ausstattung der vier Universitätssektionen für Psychologie. Das Ergebnis: Das Berliner und das Dresdener Institut verfügten über psychophysiologische Meßeinrichtungen (wie Elektrokardiograph, Elektromygraph) sowie Geräte zur Datenaufnahme und -speicherung (z. B. Magnetbandspeicher). Es gab optische und akustische Reizgeber (z. B. Projektionstachistoskope) und in Dresden sogar ein Gerät zur Registrierung von Augenbewegungen. Alle Sektionen hatten Rechnerkapazitäten, jedoch eher auf dem Niveau von Tischrechnern. Systeme zur Versuchssteuerung wurden vermisst. Aus dem Bestand waren viele „überalterte und unzuverlässig arbeitende Geräte“ zu ersetzen. Überhaupt wurde eine Effizienzsteigerung zum Desiderat erklärt. Der Rat stellte eine Wunschliste der von 1981 bis 1985 anzuschaffenden Geräte auf. Die Liste enthielt u. a. Laborrechner, Magnetbandspeicher, Videogeräte, Anlagen zur Versuchssteuerung, eine Zwei-Weg-Kommunikationsanlage (für die Leipziger Sozialpsychologie). Ein besonderer Wunsch war die Anschaffung einer leistungsfähigen Blickbewegungskamera. Kosten für die gewünschten Anschaffungen waren nicht aufgeführt; doch hätten sich die Einzelposten zu einem beträchtlichen Betrag aufsummiert. Der Rat verwies auf Bezugsmöglichkeiten im Ostblock; doch einige Anlagen waren nur für West-Devisen erhältlich. So plädierte man für den Ausbau von Werkstattkapazitäten, um neben der Wartung auch einen Nachbau zu leisten. Möglichkeiten der gemeinsamen Nutzung wurden erörtert – der gemeinsamen Nutzung von mehreren Psychologiesektionen sowie von anderen Fächern der Universitäten und der Akademie.65 Was war das Schicksal dieser Wunschliste? Bis zum Jahre 1983 hat sich an der apparativen Ausstattung der Psychologiesektionen wohl nicht viel geändert. In einer Ausarbeitung für den Wissenschaftlichen Rat beklagte dessen Vorsitzender Klix erneut die Knappheit an Räumen und an Geräten. Als erzielten Fortschritt auf diesem Gebiet nannte er nicht etwa den Zugang von Geräten aus der Wunschliste von 1980, sondern lediglich die erfolgreiche Herstellung einer „Kleinserie von hoch mechanisierten und automatisierten Projektorsteuerungsanlagen“ in der eigenen Werkstatt.66 Erst danach gelangen hochwertige Beschaffungen für die Berliner Sektion – dem Vernehmen nach eines Laborrechners sowie einer Augenbewegungskamera aus westlicher Produktion.
65 BArch DY 30 7478. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Konzeption zum weiteren Ausbau der materiell-technischen Grundlagen der psychologischen Forschungseinrichtungen im Bereich des Hochschulwesens der DDR vom 3. 5. 1980. 66 BArch DY 30 7478. Klix, Friedhart. Ausarbeitung zu einigen aktuellen Ergebnissen und Problemen der Psychologie aus der Arbeit des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie vom 10. 10. 1983.
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Kapitel 8
BUCHEXPORT UND ZEITSCHRIFTENPUBLIKATIONEN Ein vordringliches Ziel des Leipziger Kongresses war die Überwindung der Isolation der DDR-Psychologie. Das Gelingen des Kongresses war eine wichtige Etappe auf dem Weg zu diesem Ziel gewesen. Doch musste die erreichte Anerkennung sowie überhaupt die Aufmerksamkeit für die psychologische Forschung in der DDR verstetigt werden. Dazu sollte eine Buchproduktion dienen, welche auf dem westlichen Buchmarkt konkurrenzfähig war. Träger war dabei vor allem der (Ost)berliner Verlag der Wissenschaften, der vorzugsweise mit dem in der Schweiz ansässigen Verlag Huber kooperierte. Nicht zuletzt aufgrund dieser Kooperation haben zwei bereits vor dem Kongress veröffentlichte Standardwerke von DDR-Autoren im Westen Verbreitung gefunden.67 Aus dem Kongressprogramm wurden zehn Sammelbände entwickelt, die – überwiegend mit Herausgebern aus der DDR – Beiträge aus der DDR zusammen mit westlichen Beiträgen in englischer Sprache bekannt machen sollten.68 Über das Fach Psychologie und über den deutschen Sprachraum hinaus sollte das im Kongressjahr erschienene, multidisziplinär angelegte Werk von Friedhart Klix zur Evolution der Intelligenz wirken.69 Der Export eigener Literatur sollte nicht nur den Anschluss der DDR-Forschung an den Westen gewährleisten. Er diente auch der Beschaffung von Valutamark, der begehrten westlichen Devisen. Drei Jahre nach dem Leipziger Kongress unterstrich daher Klix in seinem Zwischenbericht aus dem Wissenschaftlichen Rat für Psychologie die Produktivität psychologischer Autoren sowie die wirtschaftliche Bedeutung psychologischer Literatur aus der DDR: 67 Hacker, Winfried (1978). Allgemeine Arbeits- und Ingenieurspsychologie. Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften. Klix, Friedhart (1971). Information und Verhalten. Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften. 68 Bachmann, Wolfgang & Udris, Ivars (Eds.). (1982). Mental load and stress in activity. Berlin: VEB Deutscher Verlag für Wissenschaften. Geißler, Hans-Georg & Petzold, Peter (Eds.). (1982). Psychophysical judgment and the process of perception. Berlin: VEB Deutscher Verlag für Wissenschaften. Glaser, Robert & Lompscher, Joachim (Eds.). (1982). Cognitive and motivational aspects of instruction. Berlin: VEB Deutscher Verlag für Wissenschaften. Groner, Rudolf & Fraisse, Paul (Eds.). (1982). Cognition and eye movements. Berlin: VEB Deutscher Verlag für Wissenschaften. Hacker, Winfried, Volpert, Walter & von Cranach, Mario (Eds.). (1982). Cognitiver and motivational aspects of action. Berlin: VEB Deutscher Verlag für Wissenschaften. Hiebsch, Hans, Brandstätter, Hermann & Kelley, Harold H. (Eds.). (1982). Social psychology. Berlin: VEB Deutscher Verlag für Wissenschaften. Kossakowski, Adolf & Obuchowski, Kazimierz (Eds.). (1982). Progress in psychology of personality. Berlin: VEB Deutscher Verlag für Wissenschaften. Klix, Friedhart, Hoffmann, Joachim & van der Meer, Elke (Eds.). (1982). Cognitive research in psychology. Berlin: VEB Deutscher Verlag für Wissenschaften. Richter-Heinrich, Elisabeth & Miller, Neal E. (Eds.). (1982). Biofeedback. Basic problems and clinical applications. Berlin: VEB Deutscher Verlag für Wissenschaften. Schmidt, Hans-Dieter & Tenbrock, Günter (Eds.). (1982). Evolution and determination of animal and human behavior. Berlin: VEB Deutscher Verlag für Wissenschaften. 69 Klix, Friedhart (1980). Erwachendes Denken. Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften.
Resonanz und Nachwirkungen
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Im übrigen sind zahlreiche Veröffentlichungen von Psychologen der DDR in Lizenzen im NSWBereich verkauft worden; in den Jahren 1981 – 1982 betrugen die NSW-Lizenzen ca. 580.000,- Valutamark. Die Sektion Psychologie [Anmerkung: vermutlich allein der Humboldt-Universität] erarbeitet im Jahr 1984 zwischen 140- und 160.000,- Valutamark in Lizenzen und Publikationen. 70
Dieser Darstellung ist zu entnehmen, psychologische Literatur aus der DDR habe in wenigen Jahren nach dem Leipziger Kongress Deviseneinnahmen von der gleichen Größenordnung erzielt wie der gesamte Kongress (s. Kapitel 6). Die Einträglichkeit der Psychologie war sicherlich ein Argument, das in der innenpolitischen Diskussion beeindruckt hat. Nicht zuletzt mit dem Hinweis auf die Exporterfolge des Faches konnte der Wissenschaftliche Rat Geräteanschaffungen befürworten, die in westlichen Währungen zu bezahlen waren. Die genannten Beträge erscheinen recht hoch. Eine genauere Überprüfung ihres Zustandekommens anhand von Verlagsunterlagen ist wünschenswert. So wäre etwa zu klären, wie weit es sich bei den Einnahmen um Autorenhonorare handelte und bei den Publikationen um Werke, die im Westen verlegt und gedruckt wurden. Die Angaben könnten sich auch auf Verkaufserlöse des Verlags der Wissenschaften beziehen, der seine Druckprodukte westlichen Verlagen zum Weiterverkauf geliefert hatte. Das schnelle Wachstum der psychologischen Forschung hatte im Westen zur Ausbreitung von psychologischen Fachzeitschriften geführt, und die Berichterstattung über rezente Forschungsergebnisse hatte sich in diese Fachzeitschriften verlagert. Den DDR-Psychologen musste daran gelegen sein, regelmäßig Zugang zur Zeitschriftenliteratur zu erhalten. Wollten sie am internationalen Fortschritt der Forschung teilhaben, waren zudem regelmäßige eigene Beiträge in diesen Zeitschriften wünschenswert. Die Verfügbarkeit ausländischer Zeitschriften dürfte tatsächlich mit dem Kongress zugenommen haben, und die Öffnung zur aktuellen Forschung haben DDR-Forscher als stimulierend empfunden. So bekundet Harry Schröder: … mit der Perspektive des Kongresses 1980, … weil eigenständige Konzeptionen und Publikationen entstanden sind. Wir erhielten dann durch die internationale Öffnung auch eine umfangreichere Informationen (sic!) darüber, was sich in der Psychologie der Welt vollzog. Man konnte sich daran orientieren und man konnte eigenständige Beiträge, entweder im Rahmen vorgedachter konzeptioneller Räume … entwickeln, oder eben eigenständige Sachen versuchen. Man konnte den Kontakt in sogenannte sozialistische Länder zumindest pflegen, und auch mit den westlichen Wissenschaftlern, die dorthin und eben nach Leipzig kamen. … Also diese internationale Verflechtung hat existiert. Publikationsmöglichkeiten, wenn auch beschränkt, hat es gegeben, auch in westlichen Ländern. 71
Besondere Beachtung verdient der Hinweis Schröders auf Publikationen von DDRAutoren in westlichen Fachzeitschriften. Eine entsprechende Suche anhand einer Stichprobe von Autoren hat freilich keine nennenswerten Resultate gebracht. Es bleibt zu prüfen, ob dieses vorläufige Ergebnis Bestand hat. Falls tatsächlich festzustellen ist, 70 BArch DY 30 7478. Klix, Friedhart. Ausarbeitung zu einigen aktuellen Ergebnissen und Problemen der Psychologie aus der Arbeit des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie vom 10. 10. 1983. 71 Busse, Stefan (1996). Psychologie im Real-Sozialismus. DDR-Psychologen im Interview. Pfaffenweiler: Centaurus (S. 233).
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Kapitel 8
dass der Austausch westlicher Autoren mit der DDR einseitig verlaufen ist, bleibt zu klären, ob zu wenige Manuskripte aus der DDR zu westlichen Herausgebern gelangt sind, oder Manuskripte aus der DDR zu selten im Begutachtungsprozess erfolgreich waren. INTERNATIONALE BEZIEHUNGEN Dass in den 1970er Jahren das Eis in den Ost-West-Beziehungen zu schmelzen begann, kam auch dem Leipziger Kongress zugute, und vielleicht – sei erneut erwogen – hatte der Kongress seinerseits einen günstigen Einfluss auf die Verbesserung der Beziehung. Der Wunsch nach Ausweitung internationaler Kontakte war ein zentrales Motiv der Wissenschaftler bei ihrer Bewerbung um den Internationalen Kongress gewesen, und der Erfolg des Kongresses schuf wichtige Voraussetzungen für die weitere Zusammenarbeit mit Fachvertretern vornehmlich aus dem Westen. Der Austausch wissenschaftlicher Publikationen war ein wichtiges Ziel. Doch besonders stark war das Bedürfnis von DDR-Wissenschaftlern nach regelmäßigen persönlichen Kontakten mit Forschern aus anderen Ländern, insbesondere aus Westeuropa und den USA; solche Kontakte verlangten Reisen zu Forschungseinrichtungen und Kongressen sowie längere Gastaufenthalte. Partei und Regierung der DDR konnten sich dem Drängen der Wissenschaftler nicht verschließen. Das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen selbst trug dem Bedürfnis nach mehr Kontakten Rechnung und warb für einen stärkeren Austausch von Wissenschaftlern unter Einbeziehung westlicher Länder. Es begründete dies freilich weniger mit den unmittelbaren Interessen wissenschaftlicher Forschung und Lehre, sondern mit den nationalen Interessen der Außenpolitik und der Exportförderung. In dieser Absicht solle das Kongresswesen im eigenen Lande ausgebaut, mehr DDRStudenten und Wissenschaftler ins Ausland geschickt, mehr Stipendien für ausländische Studenten in der DDR angeboten und zunehmend Verträge mit ausländischen Hochschulen abgeschlossen werden.72 Ein fälliger Schritt war der Eintritt von DDR-Wissenschaftlern in internationale wissenschaftliche Vereinigungen mit Sitz in westlichen Ländern. Im Bereich der Psychologie bestand – gemäß den eigenen Schwerpunkten – ein besonderes Interesse an folgenden Vereinigungen: Cheiron - International Society for the History of Behavioral and Social Sciences, European Association of Personality Psychology, European Association of Experimental Social Psychology, European Society for Cognitive Psychology, International Association for Applied Psychology. Es waren dies alles Vereinigungen mit Einzelpersonen als Mitglieder. Für Wissenschaftler aus der DDR ergaben sich daher zwei Probleme: Wie sollten sie die in Devisen zu zahlenden Mitgliedsbeiträge aufbringen? Und wie sollten sie die Teilnahme an den regelmäßigen Treffen im Ausland sichern? Das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen behielt sich daher die Genehmigung von Aufnahmeanträgen vor. Doch bewilligte es ausgewählten Perso72 BArch DR 3 2. Schicht 2845. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Jahresanalysen über die internationalen Beziehungen im Bereich des MHF 1978-1984.
Resonanz und Nachwirkungen
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nen die Mitgliedschaft und gewährte dafür die Zahlungsmittel sowie die Befürwortung von Kongressreisen. Nachdem DDR-Bürger Mitglieder spezialisierter Fachvereinigungen und regelmäßige Teilnehmer ihrer Konferenzen geworden waren, konnten sie auch selbst in der DDR zu Gastgebern der Fachkonferenzen werden.73 Die DDR wurde auf diese Weise in den Achtzigerjahren zum Austragungsland mehrerer internationaler Konferenzen: 1984 Seminar „Man-Computer Interaction Research MACINTER“ in Berlin 1985 Symposium „In Memoriam Hermann Ebbinghaus“ in Berlin 1986 Konferenz der European Association for Personality Psychology in Leipzig. Diese Konferenzen erfreuten sich eines starken Zuspruchs aus westlichen Ländern. Meist wurden die Konferenzbeiträge in eigenen Sammelbänden dokumentiert. In englischer Sprache abgefasst, boten sie sich zur Verbreitung auch in westlichen Ländern an. DDR-Autoren erhielten dadurch eine zusätzliche Möglichkeit der Darstellung eigener Forschungen. 74 Nachdem der Erfolg des Internationalen Kongresses von 1980 sich in mehreren kleineren Konferenzen fortgesetzt hatte, reifte der Plan zu einem weiteren Weltkongress. Neben der International Union of Psychological Science gab es noch eine zweite weltweite Psychologenvereinigung, die abwechselnd mit dieser ebenfalls im Vierjahresturnus internationale Kongresse veranstaltete: die International Association of Applied Psychology (s. Kapitel 1, S. 15). Geplant war, die International Association zu ihrem XXIII. Internationalen Kongress 1994 in die DDR einzuladen – diesmal nach Berlin. Für die Gesellschaft für Psychologie der DDR bereitete deren Vorsitzender Adolf Kossakowski bereits die Einladung vor und verwies darin zur Begründung auf ihre Bewährung beim XXII. Kongress der International Union of Psychological Science in Leipzig.75 Formelle Austauschverträge zwischen Hochschulen der DDR und Hochschulen westlicher Ländern wurden vorbereitet, gelangten jedoch nicht zum Abschluss. Gleichwohl nahm die Reisetätigkeit der DDR-Wissenschaftler zu. Den einschlägigen Dokumenten ist zu entnehmen: Die Stärke der „Reisekader“, d. h. die Zahl der zur Ausreise berechtigten DDR-Bürger ist im Jahrzehnt um den Leipziger Kongress kräftig angestiegen. Von besonderem Interesse sind hier die „A-Kader“, die zur Ausreise in nicht-sozialistische Länder berechtigt waren. Waren im Jahre 1976 noch 2.069 DDRBürger bestätigte A-Kader, so stieg diese Zahl bis 1983 auf 3.666. Eindrucksvoll war dabei die Zahl der Anträge auf Aufnahme in den Reisekader, die wohl nur zu einem geringen Teil abgelehnt wurden, wegen der langen Bearbeitungsdauer aber oft lange auf Genehmigung warten mussten. Um Härten zu vermeiden, wurden in Einzelfällen auch 73 BArch DR 3 2. Schicht 2893. Internationale Zusammenarbeit der DDR auf dem Gebiet der Psychologie 1985-1989. 74 Klix, Friedhart & Wandke, Hartmut (Eds.). (1986). Man-computer interaction research MACINTER-I. Amsterdam: North-Holland. Klix, Friedhart & Hagendorf, Herbert (Eds.). (1986). Human memory and cognitive capabilities (Part A, part B). Amsterdam: North-Holland. 75 BArch DR 3 2. Schicht 2893. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Bewerbung für die Ausrichtung des 23. Internationalen Kongresses für Angewandte Psychologie 1994 in Berlin vom 25. 11. 1986.
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Kapitel 8
Auslandsreisen von Personen erlaubt, die noch nicht in den Reisekader aufgenommen waren. Der Anteil der Wissenschaftler an dem Kader ist auf etwa 20% zu schätzen.76 Spezielle Aufstellungen von Reisekadern der Psychologen und deren Reisen waren nicht zu finden. Doch hatten Fachvertreter der Psychologie an den sich erweiterten Reisemöglichkeiten sicherlich ihren Anteil. Bekannt ist, dass sie individuelle Einladungen zu Vorträgen insbesondere in der Bundesrepublik, Österreich und der Schweiz erhalten haben und annehmen konnten. Gegeneinladungen ausländischer Wissenschaftler in die DDR folgten, und zwar nicht nur zu den oben erwähnten Konferenzen, sondern auch zu Einzelvorträgen. Wieder gibt es keine speziellen Dokumente zur Einreise von Psychologen in die DDR, erst recht keine Aufstellungen, die Kongressbesuche von individuellen Vortragsreisen trennen. Dokumentiert ist jedoch die Zahl dienstlicher Einreisen ausländischer Wissenschaftler insgesamt. Auch diese Zahl ist ab 1975 stetig angestiegen. Es waren zwar stets mehr Besucher aus sozialistischen als aus nichtsozialistischen Ländern, welche Einladungen zu wissenschaftlichen Veranstaltungen folgten, doch wuchs die Zahl der Letzteren schneller als die Zahl der Ersteren (s. Tabelle 8.5). 77 Zu beachten ist: In die Statistik sind die Besucher der internationalen Treffen der Psychologie eingegangen, darunter 1980 die rund 1.200 westlichen Besucher des Leipziger Kongresses. Selbst wenn man diese Zahl abzieht, ergibt sich immerhin noch eine Verdreifachung der Besucher aus westlichen Ländern in den Jahren 1975 bis 1980. Die Statistik zeigt im Übrigen einmal mehr die Bedeutung des Psychologenkongresses für die Wissenschaftsbeziehungen der DDR. Von den westlichen Wissenschaftlern, welche 1980 in die DDR eingereist sind, war rund ein Viertel Psychologen. So wichtig den DDR-Wissenschaftlern und insbesondere den Psychologen unter ihnen die Kontakte im westlichen Europa sein mochten, das „gelobte Land“ der Naturwissenschaften waren zu dieser Zeit nun einmal unbestreitbar die USA. Die DDR strebte ungeachtet bestehender Reserven gegenüber der Gesellschaftsordnung der USA „aufgrund der Schlußakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit“ eine Verbesserung der Wissenschaftsbeziehungen zu diesem Land an. 1987 wurden Stipendien der Stanford Universität sowie der Firma Honeywell eingeworben. Der Durchbruch gelang jedoch im gleichen Jahr durch Aufnahme – zunächst von je 14 Studierenden und Wissenschaftlern – in das Fulbright-Programm. 1988 folgte ein Abkommen – zunächst über die Entsendung von zwanzig Stipendiaten je Studienjahr – mit dem International Research and Exchanges Board (IREX). Wiederum ist nicht festzustellen, wie weit Vertreter der Psychologie an dem Austauschprogrammen beteiligt waren.78 Doch hat die Einrichtung solcher Programme der DDR-Psychologie sicherlich zur 76 BArch DR 3 2. Schicht 339. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Erfahrungen und Ergebnisse bei der Auswahl, Bestätigung und Vorbereitung von Auslandskadern 1979-1984. BArch DR 3 2. Schicht 1127. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Informationen und Verordnungen über die Entsendung von Reisekadern. 77 BArch DR 3 2. Schicht 2845. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen: Jahresanalyse 1980 der Internationalen Hochschulbeziehungen. 78 BArch DR 3 2. Schicht 1973. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Zusammenarbeit zwischen der DDR und den USA 1984-1989.
Resonanz und Nachwirkungen
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Rechtfertigung ihres Strebens nach Internationalisierung gedient. Wenn schon Partei und Staat wissenschaftliche Beziehungen zu den USA auf ihre Tagesordnungen gesetzt hatten, schützte das die Fachvertreter insbesondere dann vor ideologischen Vorbehalten, wenn sie Kontakte zu amerikanischen Fachkollegen pflegten. Tabelle 8.5 Zahl von einreisenden Wissenschaftlern aus dem sozialistischen und dem nichtsozialistischen Ausland in die DDR in den Jahren 1975-1980
1975 Besucher aus sozialistischen Ländern Besucher aus nichtsozialistischen Ländern
1976
1977
1978
1979
1980
6.130
7.382
7.939
8.296
10.980
10.560
1.588
2.030
3.588
3.612
4.185
6.1823
HAT DER KONGRESS ZUR LIBERALISIERUNG DER DDR BEIGETRAGEN? Politische Implikationen wissenschaftlicher Projekte sind oft schwer zu ermitteln und umstritten. Dem Bemühen um ihre Aufklärung darf dies keinen Abbruch tun. War doch der XXII. Internationale Kongress für Psychologie – wie im Überblick wie in vielen Details zu zeigen war – tief eingebettet in die Innenpolitik des Gastgeberlandes. Zu den hervorstechendsten Erscheinungen gehörte die Immunität des wissenschaftlichen Unternehmens gegenüber (partei)politischen Vorgaben. Zwei Fragen schließen sich nun an: Erstens, hat die Liberalität, welche sich im wissenschaftlichen Unternehmen durchsetzte, sich ausgebreitet über den Bereich der Wissenschaft hinaus? Zweitens, hat der offensichtliche, von allen Seiten begrüßte Erfolg der Liberalisierung einen über den Bereich der Wissenschaft hinausreichenden Lernprozess verstärkt? Hat also – um beide Fragen zusammenzuführen – der Leipziger Kongress zu einem (im Vergleich zu anderen Einflussfaktoren wie gering auch immer zu veranschlagenden Anteil) an einem Prozess der Liberalisierung in der DDR beigetragen? Drei Voraussetzungen für eine mögliche innenpolitische Wirkung des Kongresses sind namhaft zu machen: Das gewachsene Selbstbewusstsein des Gastlandes, die steigende Solidarisierung mit westlichen Ländern, die schwindende Solidarität mit sozialistischen Ländern. Zum Ersten: Wie mehrfach zu zeigen war, hat der Kongress seinen Gastgebern Anerkennung und Ansehen eingebracht. Da Partei und Staat die Leitung des Kongresses beansprucht hatten, konnten sie sich selbst den Prestigezuwachs zuschreiben. Zum Zweiten: Die Begegnung von DDR-Bürgern mit westlichen Besuchern dürfte den Abbau der von der DDR-Propaganda gepflegten Vorurteile gegenüber nichtsozialistischen Ländern beschleunigt haben. Bei den Kongressbesuchern aus dem Wes-
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ten handelte es sich vorzugsweise um fachlich versierte, politisch tolerante, offen argumentierende und für neue Erfahrungen aufgeschlossene Wissenschaftler, die meist durch ihre Sprachkenntnisse, ihre Weltläufigkeit und ihre finanziellen Möglichkeiten beeindruckten. Zudem bemerkten viele beteiligte DDR-Wissenschaftler: Der Prozess der Öffnung der DDR gegenüber der westlichen Welt war kein einseitiger Vorgang. Anders als erwartet, legten Kongressbesucher aus dem Westen ein lebhaftes Interesse an der DDR an den Tag, äußerten unbefangen Kritik an Schwächen der eigenen liberalen Systeme und bekundeten Verständnis für Zielsetzungen des sozialistischen Systems. Unter diesen Erfahrungen schwand im Osten das lange Zeit von der Partei dogmatisch vorgegebene Feindbild des Westens.79 Zum Dritten: Im Vergleich mit Besuchern aus dem Westen hatten Kollegen aus sozialistischen Ländern oft enttäuscht. Teilnehmer aus dem sozialistischen Ausland bildeten trotz der besonderen Bemühungen der Veranstalter im Vorfeld des Kongresses mit etwa 10% nur eine der Minderheit unter den Kongressteilnehmern. Besonders verstimmte das undisziplinierte Verhalten der sowjetischen Delegation, der man – getreu dem Grundsatz von der unverbrüchlichen Freundschaft und der Führerschaft der Sowjetunion – stets eine Sonderrolle eingeräumt hatte (s. Kapitel 7, S. 228). Dass westliche Vertreter Anerkennung für Errungenschaften und Verständnis für Politik aus dem sozialistischen Land der DDR aufbrachten, vermerkten Parteitreue mit unverhohlener Befriedigung. Dass eigene Kader sich mit Vertretern und Standpunkten der westlichen Seite anfreunden könnten, hat sie anhaltend beunruhigt. Drohte eine solche Annäherung doch, die Parteidoktrin ins Wanken zu bringen. Umso stärker beharrte die Parteiführung auf dem Standpunkt, ihr Kurs habe ihre marxistisch-leninistische Position gestärkt, ja sogar deren Ausbreitung in der nichtsozialistischen Welt gefördert. In dem Konflikt, vor und während des Leipziger Kongresses Begegnungen zu gestatten, die einerseits das Bild der DDR im Ausland verbesserten, zugleich aber im Inland die Regimetreue zu untergraben drohten, bemühte das Ministerium für Hochund Fachschulwesen in seinem Rechenschaftsbericht beschwichtigende Formulierungen: Zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses der Psychologen 1980 in Leipzig wurden 1979 Konferenzen im Ausland besucht, die dazu dienten, Positionen der Hauptvertreter der Psychologie vor allem in westeuropäischen Ländern kennenzulernen und sich mit ihnen offensiv auseinanderzusetzen. 80
Zugleich beugte das Ministerium dem Vorwurf vor, es habe die eigenen Kader dem Einfluss des Klassenfeindes überantwortet. Vielmehr hob es umgekehrt die Durchsetzungskraft der sozialistischen Ideen und die Vorbildlichkeit der im Namen des Sozialismus betriebenen Wissenschaft hervor: In der Diskussion um die Programmgestaltung für den Leipziger Kongreß war den Vertretern dieser [Anmerkung: westlichen] Länder gegenüber die Position der sozialistischen Bruderländer durchzusetzen und so weitgehend abzusichern, daß der XXII. ICP 1980 im Sinne sozialistischer Wissenschaftspo79 C. Mündliche Mitteilung vom 16. 4. 2009. 80 BArch DR 3 2. Schicht 2845. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen: Jahresanalyse 1980 der Internationalen Hochschulbeziehungen (S. 56).
Resonanz und Nachwirkungen
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litik und der Darstellung der Wissenschaftsentwicklung in den sozialistischen Ländern ein voller Erfolg wird. 81
Die politische Führung der DDR wappnete sich also einerseits mit der Zuversicht, ihre eigenen Positionen gefestigt zu haben und sich der Loyalität der eigenen Kader sicher sein zu können. Auf der anderen Seite wird der Wunsch nach Annäherung an den Westen zu einer Realität, der sie in Zukunft verstärkt Rechnung zu tragen hat und dem sie – wie oben zu zeigen war – zumindest, durch häufigere Reise- und Publikationsgenehmigungen Rechnung getragen hat. Es mag auch Wissenschaftler entlastet haben, dass im Interesse des internationalen Austausches die Orientierung an westlicher Forschung und Praxis freigegeben oder jedenfalls nicht mehr sanktioniert wurde. Aufgrund solcher Überlegungen und Befunde könnte man also zwei Hypothesen für die weitere Prüfung beibehalten: Erstens, es habe sich in den Achtzigerjahren in der DDR ein Prozess der fortschreitenden Liberalisierung ereignet; zweitens, es sei der Leipziger Kongress gewesen, der – wie immer gering, aber doch erkennbar – zu diesem Prozess beigetragen habe. In diesem Zusammenhang sei auch noch ein Satz von Dr. C (s. bereits Kapitel 7, S. 222) festgehalten: „Die DDR war nie so frei wie in den Jahren nach dem Leipziger Kongress“.82 Gegen beide der zuletzt formulierten Hypothesen sind erhebliche Einwände möglich. So will ein Zeuge jener Zeit, der Jenaer Psychologieprofessor Georg Eckardt, schon die erste These nicht gelten lassen. Freizügigkeit sei lediglich in Bezug auf die Außenbeziehungen gewachsen, und es sei nur eine kleine Gruppe gewesen, die in ihren Genuss gekommen sei. Das Leben innerhalb der DDR habe dabei nicht an Freiheitlichkeit gewonnen. Vielmehr sei an alten Strukturen festgehalten worden – politisch und wirtschaftlich. 83 Einige in diesem Kapitel wiedergegebenen Befunde unterstützen diese Beurteilung aus der Sicht eines wissenschaftlichen Faches: In der psychologischen Lehre und Forschung der 1980er Jahre waren Veränderungen gering; es gab keine wesentlichen Veränderungen in der Berufs- und Personalpolitik des Faches. Immerhin wurden Reisen von DDR-Wissenschaftlern ins Ausland häufiger. Doch zugleich ist nicht zu bestreiten: Die Ausreise bildete ein Privileg, an dem nicht alle teil hatten. Wenn es jedoch in den 1980er Jahren keine wesentlichen politischen Veränderungen im Inneren der DDR gegeben hat, ist es müßig, nach der liberalisierenden Wirkung einer wissenschaftlichen Veranstaltung zu fragen. Allerdings hat es in den 1980er Jahren gerade angesichts verfestigter Strukturen und anhaltend unbefriedigender Lebensbedingungen einen Wandel von politischen Stimmungen und Einstellungen bei einem Teil der Bevölkerung ergeben. Er äußerte sich in Bekundungen der Unzufriedenheit, in Ausreiseanträgen und in einer sich zunehmend politisch artikulierten Opposition zum herrschenden Regime. Es entstand eine dissidente Bewegung, die letztlich mit offenem Protest das Ende der DDR herbeiführte. Diese dissidente Bewegung wird freilich von einem breiten Spektrum unterschiedlich 81 BArch DR 3, 2. Schicht 2845. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen: Jahresanalyse 1980 der Internationalen Hochschulbeziehungen (S. 56). 82 C. Mündliche Mitteilung vom 16. 4. 2009. 83 Eckardt, Georg. Mündliche Mitteilung vom 14. 5. 2009.
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orientierter Gruppen, vor allem religiösen, ökologischen und pazifistischen Vereinigungen, getragen. Überdies ist die dissidente Bewegung der DDR eingebettet in einen die sozialistischen Länder ergreifenden Reformprozess, in ihrem späten Stadium sogar gestützt durch die Führung der Sowjetunion. Man wird daher gut daran tun, die bis zur Revolution führende Dissidenz in der DDR als einen breit gefächerten, weitgehend sich selbst tragenden, innenpolitischen Prozess zu verstehen. Man darf sie nicht missverstehen als eine Liberalisierung des Parteistaates der DDR. Partei und Staat hatten keinen aktiven Anteil daran. Einflüsse aus dem Westens dürften dabei lediglich Randbedingungen dargestellt haben. Überhaupt dürfte in der Dramatik der Volksbewegung einem elitären Ereignis, wie es der Leipziger Internationale Kongress für Psychologie war – so auch der oben genannte Zeitzeuge Georg Eckart84 – keine oder allenfalls eine verschwindend geringe Bedeutung zugekommen sein.
84 Eckardt, Georg. Mündliche Mitteilung vom 14. 5. 2009.
KAPITEL 9 ZWEI POLITISCHE SYSTEME – EINE WISSENSCHAFT Die vorangehenden acht Kapitel haben ein Stück der Psychologiegeschichte in doppeltem Zusammenhang darzustellen versucht: Im Kontext des (westlichen) freiheitlichen politischen Systems sowie im Kontext des (östlichen) sozialistischen Systems. Die Betrachtung der Kooperation von Fachvertretern aus dem östlichen und dem westlichen Bereich sowie die Analyse der dabei auftretenden Spannungen und Konflikte haben einen weiteren Zugang zu den beiden Systemen eröffnet; insbesondere erhellen sie die mit dem Sozialismus verbundenen Kontrollansprüche, geben jedoch auch Aufschluss über die soziale Realität der sozialistischen Führung. Dramatische Umbrüche haben seit dem Ende der 1980er Jahre zu einer weitgehenden, jedoch nicht restlosen Aufhebung des Ost-West-Gegensatzes geführt, und in der gegenwärtigen Diskussion über die beiden Systeme verwischen sich leicht die Trennlinien zwischen ihnen. Dieses Kapitel beginnt daher mit einem Systemvergleich; als Teil des Vergleichs werden auch Konsequenzen der Systemzugehörigkeit für die Wissenschaft erörtert. Auf der Grundlage dieser Standortbestimmungen werden die Befunde zum Internationalen Kongress für Psychologie 1980 in Leipzig weiter analysiert. War der Kongress doch ein gemeinsames Projekt westlicher und östlicher Fachvertreter mit einer heiklen Gemengelage – einerseits nach den Grundsätzen wissenschaftlicher Liberalität gestaltet, andererseits unter der beanspruchten Regie der DDR-Führung. Antworten werden gesucht zu den folgenden Fragen: Wie gestaltete sich die Kommunikation zwischen Ost und West, und wie weit war die Kommunikation zwischen Ost und West geeignet, ein wechselseitiges Verständnis von Vertretern aus beiden Blöcken zu fördern? Wie gestaltete sich das Verhältnis von Wissenschaftlern und Führungspersonen aus Partei und Regierung der DDR? Ist der unbestreitbare Erfolg des Kongresses der beanspruchten sozialistischen Führung zuzuschreiben? Es wird zu zeigen sein, dass eine wirkungsvolle Kommunikation zwischen Vertretern aus Ost und West nicht stattfand, ja dass sich beide Seiten mitunter geradezu voneinander abschirmten. Innerhalb der DDR sind zwischen Wissenschaftlern und politischen Führung Generationenunterschiede festzustellen, die durch formale Loyalität und Pragmatismus überbrückt wurden. Die Spannung zwischen Ideologie und Pragmatismus soll zurückverfolgt werden bis in die in den beiden ersten Kapiteln behandelte Zeit der 1960er Jahre, in welcher die psychologischen Fachvertreter ihre Aufnahme in Internationale wissenschaftliche Gesellschaften betrieben haben. Schließlich wird argumentiert, dass der Erfolg des Kongresses zwar der Leistungsfähigkeit des Gastlandes zuzurechnen ist, nicht jedoch spezifischen Vorzügen des Sozialismus. Wo möglich, sucht dieses Kapitel über die fachhistorische Perspektive hinauszugehen und Anschluss an die aktuelle zeitgeschichtliche Diskussion von Wissenschaft und Politik in der DDR zu gewinnen. Herausgearbeitet werden vor allem die Überlagerung von Ideologie durch Pragmatik sowie die Dissoziation zwischen der Partei als Machtelite und der Wissenschaft als Sammelbecken von Funktionseliten. Über die Fach- und Wissenschaftsgeschichte hinaus soll die Diskussion einen Beitrag zur Analyse des sozialen Wandels leisten, dem die DDR in der zweiten Hälfte ihres Bestehens unterworfen war. W. Schönpflug, G. Lüer, Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik: Wissenschaft zwischen Ideologie und Pragmatismus, DOI 10.1007/978-3-531-93057-2_9, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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ZWEI SICH KONTRÄR GEGENÜBERSTEHENDE GESELLSCHAFTSORDNUNGEN Die europäisch-atlantisch geprägte westliche Gesellschaftsordnung basiert auf der grundlegenden Idee der Freiheit des Individuums. Individuen genießen einen großen Freiraum, den sie nach eigenen Vorstellungen und Überzeugungen selber ausgestalten können. Das betrifft die Mitgliedschaft in einer politischen Partei ebenso wie die Assoziation mit einer Kirche oder Weltanschauungsgemeinschaft. Diese Freiheit ist verbunden mit einer Meinungsfreiheit, die Individuen ebenso wie die Presse und alle Kommunikationsmedien sowohl im privaten wie auch im öffentlichen Leben ausüben können. Hinzu kommt die Bewegungsfreiheit, die es jedem Individuum erlaubt, an Ziele seiner Wahl zu reisen oder die eigene Staatsbürgerschaft zu Gunsten einer anderen abzugeben. Dieselbe Freiheit kann im wirtschaftlichen Leben in Anspruch genommen werden, wenn es z. B. darum geht, Marktteilnehmer in einem bestimmten Sektor werden zu wollen. Die Garantie der individuellen Freiheit führt in einer Gesellschaftsordnung zu einer großen Meinungsvielfalt, die nicht nur ein Recht des Bestehens erhält, sondern auch das Anrecht auf Schutz hat. Für eine derartig demokratisch ausgerichtete Gesellschaftsordnung eignet sich nach westlicher Überzeugung am besten ein Staat mit einer repräsentativen parlamentarischen Demokratie. Das Parlament geht aus freien und geheimen Wahlen hervor. Um die Sitze im Parlament bewerben sich mehrere politische Parteien, die nach den länderspezifisch gültigen Wahlgesetzen Abgeordnete als Repräsentanten des Volkes in das Parlament entsenden. Aus den Mehrheitsverhältnissen im Parlament geht durch geheime Wahlen der Parlamentsmitglieder eine Regierung hervor, die entweder von einer Partei mit absoluter Mehrheit oder aus der Koalition mit mehreren Parteien gebildet wird. Damit wählt das Parlament nicht nur die Regierung, sondern kontrolliert sie auch während einer gesamten Legislaturperiode. Ein typisches Merkmal der parlamentarischen Demokratie ist demnach ein Mehrparteiensystem, das oft auch Mehrparteienregierungen hervorbringt. Das Parlament wird im Idealfall zu einem getreuen Abbild der in der Bevölkerung bestehenden Meinungsvielfalt mit ihren unterschiedlichen politischen Strömungen. Meinungs- und Bewegungsfreiheit, wirtschaftliches und politisches Verhalten sind auch im freiheitlich-demokratischen System nicht unbegrenzt. Sie können im öffentlichen Interesse eingeschränkt werden. Hierfür bedarf es freilich eigener Gesetze, und für deren Beschluss bedarf es parlamentarischer Mehrheiten. Das Gesetzgebungsverfahren ist ein andauernder Prozess der Selbstkontrolle. Es versteht sich, dass die dadurch erzielte Einschränkung der Freiheitlichkeit selbst wieder zum Gegenstand frei geführter politischer Auseinandersetzungen wird. Über die Rechtmäßigkeit des Handelns und Entscheidens von Parlament und Regierung wacht eine unabhängige Gerichtsbarkeit; sie kann sowohl von Bürgern des Staates als auch von Organisationen, z. B. von Parteien und Gewerkschaften, angerufen werden. Damit besteht in einer parlamentarischen Demokratie eine Gewaltenteilung zwischen Legislative (Parlament), Exekutive (Regierung) und Judikative (unabhängige Gerichtsbarkeit). Grundlage für derartige Gerichtsentscheidungen ist ein Grundgesetz oder die Verfassung, in dem bzw. der sowohl individuelle als auch Rechte von Organen festgelegt sind. Verfassungsge-
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richte können sowohl individuelle Rechte schützen als auch bereits parlamentarisch verabschiedete Gesetze korrigieren oder für ungültig erklären, wenn sie der Verfassung widersprechen. Im Bereich der Wirtschaft haben westlich orientierte Staaten das Modell der Marktwirtschaft präferiert. Es folgt der Idee eines freien Marktes, auf dem sich durch Mechanismen des Angebots und der Nachfrage ein Marktgeschehen einpendelt, das für Anbieter reelle Gewinnmöglichkeiten und für Käufer faire Preise hervorbringt. Ein staatlicher Dirigismus auf die Wirtschaft soll in einer Marktwirtschaft auf das Notwendigste beschränkt bleiben. Eingriffe des Staates werden z. B. im Kartellrecht nötig, um Monopole und damit marktbeherrschende Stellungen von Anbietern zu vermeiden, die Auswirkungen auf ungünstige Preisgestaltungen für Konsumenten haben. Bürgern in parlamentarischen Demokratien wird also ein hohes Maß an Freiheit des Denkens und Handelns zugebilligt. Umgekehrt werden Individuen für ihre Meinungsäußerungen und ihr Handeln verantwortlich gemacht. Jedwede Leistung wird grundsätzlich individuell angerechnet und – sei es bei Verstoß gegen geltende Gesetze, sei es bei fehlerhaften Entscheidungen – sanktioniert. Unter den Bedingungen der individuellen Verantwortlichkeit, der parlamentarischen Demokratie und der Marktwirtschaft nahmen Länder der westlichen Welt nach den Wirren und Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs einen beträchtlichen Aufschwung. Mit stetigen technischen und sozialen Fortschritten erreichten sie weltweit den höchsten Lebensstandard und zumeist beachtliche politische Stabilität.1 Eine ganz andersartiges politisches System und damit auch eine ganz andersartige Gesellschaftsordnung bestanden bis 1989 in der Deutschen Demokratischen Republik. Vorbild war das kommunistische Herrschaftssystem der stalinistischen Sowjetunion. Dieses Vorbild wurde den Staatsgründern der DDR durch die sowjetische Besatzungsmacht vorgegeben. Als wichtigster Machtfaktor in dieser kommunistischen Gesellschaftsordnung galt die Masse der proletarischen Arbeiter und Bauern. Die aus dieser Masse hervorgehenden Überzeugungen und Willensbildungen sollten in einer politischen Partei zur Ausbildung gebracht werden. Diese Rolle übernahm in der DDR die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED). Sie definierte sich als Repräsentantin der Arbeiter- und Bauernklasse und damit der Masse der Bevölkerung und verstand sich als Besitzerin und Hüterin einer gesellschaftspolitischen Wahrheit, die strikt auf Dogmen des Marxismus-Leninismus gründete. Unter Berufung auf diese Doppellegitimation begründete die SED ihr Credo, dass es in einem sozialistischen Staat nur eine Partei geben könne. Zwar entstanden gleich nach Kriegsende auf dem Gebiet der späteren DDR verschiedene Parteien. Unter dem Druck der sowjetischen Militärregierung vereinigten sich jedoch schon 1946 die sozialdemokratische Partei und die kommunistische Partei zur SED; eine christliche und eine liberale Partei blieben als Organisationen zwar bestehen, wurden aber planmäßig von der SED unterwandert sowie „Säuberungen“ unterzogen und schließlich mit der SED gleichgeschaltet. Zusammen mit den so genannten Massenorganisationen des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes und 1 Birke, Adolf M. (1998). Die Bundesrepublik Deutschland. Verfassung, Parlament und Parteien. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag.
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der Freien Deutschen Jugend bildete die SED eine so genannte Nationale Front, in die die verbliebenen kleinen Parteien einverleibt wurden. Die Nationale Front stellte nach einem von der SED vorgegebenen Schlüssel für Wahlen die Einheitsliste von Kandidaten für die Parlamentswahlen zur Volkskammer auf. Damit war jedweder Pluralismus in der politischen Landschaft der DDR verloren gegangen zu Gunsten einer Einparteienherrschaft. Durch die Verabschiedung eines Wahlgesetzes wurde zudem sichergestellt, dass die SED zusammen mit den Massenorganisationen, die ihrerseits der Kontrolle der SED unterlagen, immer über eine absolute Mehrheit der Parlamentssitze verfügte. Wie effektiv im Sinne der SED dieses System funktionierte, wird schon aus der Tatsache ersichtlich, dass die Volkskammer als oberstes DDR-Parlament in ihrer gesamten Geschichte bis auf einen einzigen Fall immer einstimmig abgestimmt hat. (Bei dem Ausnahmefall ging es um die Zustimmung zum gesetzlich legitimierten Schwangerschaftsabbruch.) Eine weitere Festigung der Vorherrschaft der SED erfolgte mit der Formulierung im Artikel 1 der Verfassung von 1968, mit der der SED die Führungsrolle im Staate der DDR zugeschrieben wurde. Diese Vorherrschaft wurde auch auf allen Ebenen der Politik, der Rechtsprechung und der Verwaltung durchgesetzt.2 Im Wirtschaftssystem folgte die DDR ebenfalls eigenen Prinzipien: Die staatlich gelenkte Planwirtschaft war das bestimmende Element. In Fünf-Jahresplänen wurde die Produktion im Voraus festgelegt. Fast alle Unternehmen waren verstaatlicht. Die Produktivität blieb dauerhaft hinter dem Bedarf zurück. Im Außenhandel konnte die DDR ebenfalls zu wenige Erfolge verbuchen. Der Warenaustausch mit dem sozialistischen Ausland war nicht sonderlich ergiebig. Der Handel mit westlichen Ländern krankte an der geringen Konkurrenzfähigkeit des DDR-Exports. Zudem erschwerte die Devisenpolitik der DDR ihren Außenhandel mit westlichen Ländern. Der Umtauschkurs der Mark war festgelegt, Ein- und Ausfuhr von Ost-Mark untersagt; damit sollte der Handel auf den freien Devisenmärkten verhindert werden. (Tatsächlich gelangten Ost-Mark in den Westen und wurden dort mit erheblichen Abschlägen gegenüber dem von der DDR festgesetzten Wechselkursen in westliche Währungen getauscht.) Unter diesen Bedingungen litten Wirtschaft und Handel. Obwohl sich die Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern in den 1970er Jahren besserte, blieben Versorgungsengpässe in der DDR gravierend; an westlichen Devisen herrschte in der DDR chronische Knappheit. Für DDR-Bürger ergaben sich aus der skizzierten politischen Situation drastische Beschränkungen ihrer Freiheit. Sie erstreckten sich sowohl auf die freie Meinungsäußerung als auch auf persönliche Entscheidungen. Über politisches, weltanschauliches und gesellschaftliches Wohlverhalten wachte ein fein verästeltes Überwachungssystem; Abweichungen wurden verfolgt und geahndet. Dasselbe galt für Rundfunk, Fernsehen und Presse sowie alle anderen Kommunikationsmedien. Durch eine restriktive Ausrei2 Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ (Hrsg.). (1970). Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (6. April 1968) (S. 156-186). Berlin: Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik.
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sepolitik sowie die fast völlige Unterbindung illegaler Ausreise durch Mauerbau und durch Befestigung der Grenze zur Bundesrepublik war die Bewegungsfreiheit der DDR-Bürger äußerst eingeschränkt. Obwohl in der Verfassung formal vorgegeben, existierte in der DDR keine unabhängige Justiz. Sie wurde vielmehr von der Partei gelenkt und folgte dem Prinzip der Gewalteneinheit und des demokratischen Zentralismus. Höhere Richter- und Justizämter zählten zur Nomenklatura, also den von der Partei beschlossenen und kontrollierten Besetzungsregeln. Damit war eine unabhängige Kontrolle von Politik und Staat ausgeschlossen. Das Einklagen von Rechten, selbst wenn sie in der Verfassung genannt waren oder im Rahmen der Abkommen der Helsinki-Konferenz aufgeführt waren, war nicht möglich; der Versuch wurde sogar als staatsfeindlich sanktioniert. Ein Privileg zur Wahrnehmung individueller Rechte und Freiheiten sah der DDR-Staat somit nicht vor. Die Gesellschaft war nicht auf das Individuum ausgerichtet, sondern immer auf Gruppen und (Massen-) Organisationen, die wiederum von der Partei geführt, gelenkt und kontrolliert wurden. Eine individuelle Freiheit für den Einzelnen hatte in der kommunistischen Gesellschaftsordnung der DDR keinen Platz und wurde deshalb weder gewährt noch geduldet. Das Kollektiv hatte immer Vorrang. Und auf jedes Kollektiv bis in die unterste Arbeitsebene hinein hatte sich die Partei den Durchgriff durch dort tätige Parteisekretäre gesichert. Ebenso reichte auch der von der Staatssicherheit installierte Kontrollapparat bis in alle Ebenen der Arbeit und des Lebens hinein, so dass Abweichungen von Parteivorgaben sofort erkannt und geahndet werden konnten.3 DIE AUSWIRKUNGEN DER UNTERSCHIEDLICHEN GESELLSCHAFTSORDNUNGEN WISSENSCHAFT UND IHRE ORGANISATIONEN
AUF DIE
Länder mit westlicher Gesellschaftsordnung haben der Wissenschaft stets ein hohes, durch ihre Verfassung garantiertes Maß an Freiheit eingeräumt. Wichtig dabei ist das verbriefte Recht, sich gegen die Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit vor unabhängigen Gerichten zur Wehr setzen zu können. So verpflichtet in der Bundesrepublik Deutschland das Grundgesetz in seinem Artikel 5,3 die Regierung: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ Der Artikel vervollständigt den vorangehenden Artikel 5,1, der das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung sowie auf ungehinderte Unterrichtung aus öffentlich zugänglichen Quellen feststellt. Zusätze in Artikel 5,3 „Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung“ sowie Artikel 5,2: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht auf persönliche Ehre“ setzen der Wissenschaftsfreiheit Grenzen. Doch alle Einschränkungen bedürfen der gesetzlichen Regelung, und die Verabschiedung von Gesetzen verlangt eine parlamentarische Mehrheit. Gegen Gesetze, welche die Wissenschaftsfreiheit beschränken, können unabhängige Gerichte angerufen werden, welche das Recht auf
3 Schroeder, Klaus & Alisch, Steffen (1998). Der SED-Staat. München: Hanser.
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Wissenschaftsfreiheit gegen andere Grundrechte (Recht auf Gesundheit und Leben, Menschenwürde usf.) abzuwägen haben.4 Die Wissenschaftsfreiheit erstreckt sich sowohl auf Forschung und Lehre als auch auf die Bildung wissenschaftlicher Vereinigungen und ihre Aktivitäten. Die Aktivitäten der Vereinigungen richten sich nach innen und nach außen. Zwischen ihren eigenen Mitgliedern fördern sie den wissenschaftlichen Austausch, für sie betreiben sie Weiterbildung; dies geschieht vorzugsweise durch Kongresse und die Herausgabe von Fachzeitschriften. Nach außen werden sie als Fachverbände tätig, indem sie die Interessen ihrer Mitglieder sowie überhaupt ihres Faches in öffentlichen Stellungnahmen und politischen Initiativen wahrnehmen. Von einzelnen Wissenschaftlern wie von den Amtsträgern in ihren Vereinigungen wird im freiheitlich-rechtlichen System ein hohes Maß an Initiative und Verantwortung erwartet. Mit dem Wachstum der Wissenschaft, insbesondere mit der Zunahme ihrer sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung hat sich allerdings das Verhältnis von Staat und Wissenschaft verändert. Einerseits setzte eine staatliche Reglementierung der Wissenschaft ein, andererseits eine erhebliche finanzielle Förderung vonseiten der Regierungen und öffentlicher Stiftungen. Den freiheitlichen Grundsätzen folgend, sollten Wissenschaftler oft über die Zuteilung von Zuwendungen selbst entscheiden können; doch wurden auch zweckgebundene Mittel für politisch favorisierte Programme ausgeworfen. Der wissenschaftlichen Meinungsfreiheit hat dies wohl keinen Abbruch getan, doch drohten durch gesetzliche Eingriffe wie durch wirtschaftliche Opportunitäten Einschränkungen bei der Wahl von Lehr- und Forschungsaufgaben. Diese Entwicklung war vor allem gegen Ende des letzten Jahrhunderts zu beobachten und zwar insbesondere in Europa. In den 1960er und 1970er Jahren, auf welche diese Untersuchung fokussiert, spielte sie noch keine bedeutsame Rolle. Wissenschaftliche Gesellschaften sind von staatlicher Reglementierung sowie von öffentlicher Förderung nicht betroffen. Sie unterliegen lediglich dem Vereinsrecht, müssen also ihre Mitgliedschaft und die Wahl ihres Vorstandes sowie Rechte und Pflichten von Mitgliedern und Vorstand nach landesüblichen Gesetzen regeln. Die Kosten ihrer Verbandsarbeit decken sie durch Mitgliedsbeiträge; überwiegend erhalten sie keine staatlichen Zuschüsse. Als eine Dachgesellschaft nationaler Psychologischer Gesellschaften wurde die International Union of Scientific Psychology 1951 in Stockholm gegründet. Bis zum Jahr 1992 wanderte der Sitz der Union mit dem Arbeitsort des Generalsekretärs, beginnend 1951 an der Princeton University. 1992 erfolgte dann eine gerichtsmäßige Eintragung der Union in Montréal, Kanada.5 Die Union war also eine Institution mit Sitz im Westen. Nach ihrem Selbstverständnis hat sie sich nicht ausdrücklich einem der politischen Blöcke zugeordnet. Vielmehr hat sie an die Globalität der Wissenschaft der Psychologie geglaubt. Sie konnte sich dabei auf die von UNO und UNESCO vorgegebene Zielvorstellung weltweiter Vereinigungen berufen, die Unterschiede von politischen Sys4 Düring, Günter (Hrsg.). (1991). Grundgesetz. München: Beck-Texte im dtv. 5 Rosenzweig, Mark R., Holtzman, Wayne H., Sabourin, Michel & Bélanger, David (2000). History of the International Union of Psychological Science (IUPsyS). Hove, East Sussex: Psychology Press (p. 61).
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temen, religiösen Ausrichtungen und ethnischen Zugehörigkeiten überbrücken. So heißt es im Artikel 1 ihrer Satzung: The International Union of Scientific Psychology is a group uniting the National Societies and Associations of the adhering countries, having for their aim the development of studies and scientific researches in psychology, whether biological or social, normal or pathological, pure or applied.6
Personell und organisatorisch war die International Union of Psychological Science ebenfalls westlich dominiert. Diese Tatsache lässt sich an zwei Fakten demonstrieren: An der personellen Besetzung von Leitungs- und Vorstandspositionen sowie an der Vergabe ihrer internationalen Kongresse. Als die Union 1951 gegründet wurde, kamen die damals elf als Gründungsmitglieder auftretenden nationalen Gesellschaften ausschließlich aus westlich orientierten Ländern. Ostblockländer oder auch blockfreie Länder traten erst später der Union bei. Auffälliger ist noch die Besetzung von Leitungs- und Vorstandspositionen. Teilt man diese Positionen in zwei Kategorien, die Leitungspositionen mit den Ämtern President, Vice-President, Treasurer, Secretary General und Deputy Secretary General sowie die weiteren Mitglieder des Vorstands (Executive Committee), ergeben sich folgende Verteilungen über die drei Kategorien westliche Länder, Ostblockländer und Blockfreie: In den ersten fünf Wahlperioden von 1951 bis 1966 wurden die Leitungspositionen ausschließlich von Personen aus westlich orientierten Herkunftsländern besetzt. In diesen 15 Jahren gab es im Exekutivkomitee in zwei Wahlperioden jeweils einen Vertreter und in einer weiteren Wahlperiode zwei Personen aus dem Ostblock. Vertreter aus blockfreien Ländern gab es in dieser Periode nicht. Ab 1966 (in der Generalversammlung des Moskauer Kongresses) wurde eine zweite Vizepräsidenten-Position in der Union eingeführt. In den folgenden vier Wahlperioden von 1966 bis 1980 wurden dreimal neben einem Vizepräsidenten aus dem Westen jeweils einer aus dem Ostblock gewählt. Die Anzahl von Vorstandsmitgliedern aus dem Ostblock betrug dreimal zwei Mitglieder und einmal vier Personen von insgesamt zehn. Kandidaten aus blockfreien Ländern kamen erstmals in der Wahlperiode 1976 bis 1980 mit zwei Vorstandsposten zum Zuge. Ein Kandidat aus dem Ostblock kam erstmals 1980 in ein hohes Führungsamt, als Friedhart Klix aus der DDR zum Präsidenten der Union gewählt wurde. Die Einladungspraxis sollte, dem Statut der Union folgend, Internationale Kongresse in jeweils unterschiedlichen Orten, Ländern und Erdteilen stattfinden lassen. Sieht man sich jedoch die Verteilung der stattgefundenen Kongresse auf die Länder der Welt an, ergibt sich ein sehr einseitiges Bild. Bis zum Jahre 1976, d. h. bis unmittelbar vor dem Leipziger Kongress in der DDR, verteilten sich die bis dahin durchgeführten 21 Internationalen Kongresse geographisch gesehen folgendermaßen: Westeuropäische Länder: 16 (76%); USA 2 (10%); Kanada 1 (5%); UdSSR 1 (5%); Asien 1 (5%). Diese Zahlen machen deutlich, dass von einer weltweiten Verteilung der Kongressorte durch
6 Rosenzweig, Mark R., Holtzman, Wayne H., Sabourin, Michel & Bélanger, David (2000). History of the International Union of Psychological Science (IUPsyS). Hove, East Sussex: Psychological Press (p. 265).
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die International Union of Psychological Science bzw. durch deren Vorgänger keine Rede sein konnte. Zusammenfassend ist also festzustellen: Die Union wurde bis zum Leipziger Kongress fast ausschließlich von Vertretern aus westlich orientierten Ländern geführt, die mit einem Exekutivkomitee zusammenarbeiteten, das ausschließlich oder überwiegend mit westlichen Vertretern besetzt war. Zudem waren es weit überwiegend westlich orientierte Länder, die Internationale Kongresse für Psychologie ausrichten durften. Man kann aus den beiden Feststellungen wohl ableiten: Die International Union of Psychological Science war eine nach westlichen Werten und Überzeugungen agierende internationale wissenschaftliche Gesellschaft. Ganz anders war die Stellung der Wissenschaft im sozialistischen System. Musste sie doch den in Artikel 1 der Verfassung verankerten Führungsanspruch der Staatspartei und ihrer marxistisch-leninistischen Weltanschauung anerkennen. Zudem war in Artikel 6(2) die bevorzugte Beziehung zur Sowjetunion festgeschrieben.7 Ausdrücklich für die Wissenschaft bestimmte die Verfassung von 1968 in Artikel 17 (1). Die Deutsche Demokratische Republik fördert Wissenschaft und Bildung mit dem Ziel, die Gesellschaft und das Leben der Bürger zu schützen und zu bereichern, die wissenschaftlich-technische Revolution zu meistern sowie den ständigen Fortschritt der sozialistischen Gesellschaft zu gewährleisten.
Dazu folgten Einschränkungen in den Artikeln 17 (3) und 18 (4): Jeder gegen den Frieden, die Völkerverständigung, gegen das Leben und die Würde des Menschen gerichteter Missbrauch der Wissenschaft ist verboten. Die Deutsche Demokratische Republik bekämpft die imperialistische Unkultur, die der psychologischen Kriegsführung und der Herabwürdigung des Menschen dient. 8
Man kann den Verfassungstext durchaus im Sinne eines humanitären Wissenschaftsideals deuten. Doch spricht aus Artikel 17 (1) das Bestreben, Wissenschaft in den Zusammenhang der herrschenden Politik einzuordnen, während Artikel 17 (3) und 18 (4) die Möglichkeit für staatliche Eingriffe in die Wissenschaft eröffnet. Dabei ist zu bedenken: Die Verfassung der DDR war nach ihrem Artikel 107 „unmittelbar geltendes Recht“.9 Sie konnte von der SED ohne wirksame Kontrolle gegen ihre Bürger eingesetzt werden. Nach dem Prinzip „Einheit von Politik und Recht“ war es dann der Willkür der Partei überlassen, Begriffe der Verfassung wie „Völkerverständigung“ im Einzelfall zu bestimmen und danach Abweichungen einzuklagen und zu sanktionieren; ein unabhängiges Gericht zur Überprüfung der Anklagen und Sanktionen gab es nicht. Die Artikel 17 und 18 der DDR-Verfassung wurde so zu Disziplinierungsinstrumenten, die von Partei und Staat jederzeit und institutionell ungehindert zur Durchsetzung sozialistischer Ideologie in der Wissenschaft eingesetzt werden konnte. Wissenschaftlern bot 7 Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ (Hrsg.). (1970). Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (6. April 1968) (S. 156-186). Berlin: Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik. 8 a. a .O. 9 a. a. O.
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der Artikel keinen Schutz von Meinungsfreiheit; vielmehr mussten sie erfahren oder mindestens befürchten, wegen Abweichungen von der Parteilinie öffentlich zur Rede gestellt oder gemaßregelt zu werden. Wissenschaft wurde somit vollständig in das Partei- und Staatssystem der DDR eingebunden. Die dabei für die Psychologie entstehenden Organisationsstrukturen und Abhängigkeitsverhältnisse wurden bereits in Kapitel 1 (S. 33) dargestellt. Innerhalb der Universitätssektionen, die über das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen der Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED untergeordnet waren, bildeten sich zudem Parteigruppen mit einem Parteisekretär aus den eigenen Reihen. Noch deutlicher war die Unterordnung der Gesellschaft für Psychologie (in) der DDR unter die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED. Anhand der Gründungsgeschichte der Gesellschaft lässt sich deren Beziehung zur Politik noch eingehender, als in Kapitel 1 bereits geschehen, rekonstruieren. Die Gesellschaft für Psychologie (in) der DDR hat sich zu ihrer Gründung einer Genehmigungsprozedur unterziehen müssen, in deren Verlauf die Abteilung Wissenschaften des Sekretariats des Zentralkomitees der SED politisch-ideologische Inhalte in das Gründungsstatut hineingeschrieben hat. Die Gründungsmitglieder haben sich in einem Schreiben an den Minister für Hoch- und Fachschulwesen vom 28. 3. 1969 um Registrierung als Verein bemüht, und zwar unter dem Betreff „Registrierung der Gesellschaft für Psychologie in der DDR (Gesetzblatt Teil II, 122/1967)“.10 Nach Mitteilung der Mitgliederzahl (226) und der Aufstellung über die Besetzung der Vorstandsämter sowie nach Übersendung des Statuts heißt es dann weiter: „Wir bitten, den Antrag um Registrierung der Gesellschaft an das Ministerium des Innern weiterzuleiten und uns baldmöglichst die Registriernummer mitzuteilen.“ Offensichtlich handelt es sich hier nicht um die Eintragung in ein Vereinsregister, sondern um die Zulassung durch ein Ministerium. Die Behandlung des Antrags geht aus einer handschriftlichen Notiz von U. Joseph mit Datum vom 18.6.69 auf dem genannten Brief der Gesellschaft für Psychologie in der DDR hervor: Beschl. Prot. MR [Ministerrat] 7.5 über Grundsätze für die Tätigkeit der wiss. Gesell. der DDR Schreiben durch telef. Mitteilung an Herrn Siebenbrodt erledigt. Von uns keine Registrierung, da Gesell. nun unterstellt werden. Registrierung für alle außerdem nicht notwendig.
U. Joseph war die Leiterin der Rechtsstelle des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen. Am 16. 7. 1969 schrieb sie der Gesellschaft: Ihren Antrag auf Registrierung der Gesellschaft für Psychologie in der DDR gemäß Verordnung der Registrierung von Vereinigungen vom 9.7.1969 haben wir erhalten. Dazu teilen wir Ihnen mit, daß die Durchführung des Ministerratsbeschlusses vom 7.5.1969, der die Unterstellungen von Vereinigungen regelt, gegenwärtig Übergabeverhandlungen mit dem Ministerium für Wissenschaft und Technik, der Deutschen Akademie der Wissenschaften und anderen zentralen Organen geführt werden. Die Regist-
10 BArch DR 3 2. Schicht, B 684d. Schreiben der Gesellschaft für Psychologie an das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, Minister Prof. Gießmann, vom 28. 3. 1969.
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rierung wird erst nach Abschluß der Verhandlungen und vollständig erfolgter Übergabe durch das zuständige zentrale Organ erfolgen, dem die Gesellschaft für Psychologie unterstellt wird. 11
Der Schriftwechsel dokumentiert: Laut Ministerratsbeschluss wurden wissenschaftliche Gesellschaften „unterstellt“; damit konnten sie keine vereinsrechtlich geregelte Autonomie beanspruchen. Sie wurden in der DDR weisungsgebunden vorgesetzten „zentralen Organen“ untergeordnet. Für die Gesellschaft für Psychologie in der DDR war es zunächst die Akademie der Wissenschaften – insbesondere ein für wissenschaftliche Gesellschaften zuständiger Vizepräsident mit dem ihm unterstehenden Büro für wissenschaftliche Gesellschaften, welche die Kontrolle übernahmen. Die Gesellschaft wurde somit in die unterste Ebene der Parteihierarchie eingeordnet. Die politische Abhängigkeit verstärkte sich noch durch Einflussnahme auf die Wahl eines Wissenschaftlichen Sekretärs in den Vorstand der Gesellschaft. In § 6 ihres Statuts vom 2. November 1970 ist die Besetzung des Vorstandes folgendermaßen geregelt: Die Gesellschaft wird vom Vorstand geleitet. Ihm gehören an: der Vorsitzende, mehrere stellvertretende Vorsitzende, weitere Vorstandsmitglieder, die Vorsitzenden der Sektionen und der wissenschaftliche Sekretär. Der Vorstand wird alle vier Jahre gewählt. Wiederwahl ist zulässig. Der wissenschaftliche Sekretär wird vom Vorstand im Einvernehmen mit dem zuständigen Vizepräsidenten der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin bestellt.12
Nicht im Statut ist aufgeführt, dass seit 1964 ein Parteisekretär ständig anwesendes Mitglied bei den Vorstandssitzungen war.13 Seit 1968 war dies Prof. Walter Mäder (s. bereits Kapitel 1, S. 35), der zugleich in der Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED für das Fach Psychologie verantwortlich war. Auf diese Weise war die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED über die Vorgänge im Vorstand der Gesellschaft informiert und konnte auf deren Beschlüsse Einfluss nehmen. Zusätzlich wurde im Vorstand der Gesellschaft für Psychologie ein Prozedere praktiziert, welches das Gewicht der Parteimitglieder erhöhte. Unter den gewählten Mitgliedern im Vorstand gab es nämlich auch Parteilose – in den 1960er Jahren wohl noch vier Mitglieder. Ein Zeitzeuge berichtet: Wegen uns vier Männeken mußte dann immer die Parteigruppe des Vorstandes vorher tagen und die richtigen Beschlüsse fassen, die dann eigentlich vor uns dann noch mal vorgetragen wurden und von uns dann natürlich auch bestätigt wurden. Später hat man, ich war dann nachher bloß noch der einzige Parteilose – dann hat man das gelassen.14
11 BArch DR 3 2.Schicht B 684d. Brief der Rechtsstelle des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen an die Gesellschaft für Psychologie in der DDR vom 16. 7. 1969. 12 BArch DR 3 2. Schicht B 684d. Statut der Gesellschaft für Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik. (Beschlossen von der Mitgliederversammlung am 2. November 1970). 13 Nach Strocka, Cordula (2001). Die Gesellschaft für Psychologie der DDR im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichem Anspruch und politisch-ideologischer Ausrichtung. Eine Analyse der Kongresse 1964-1972. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Psychologie (S. 29f.). 14 Rösler, Hans-Dieter. Mündliche Mitteilung vom 29. 11. 2007.
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Bedenkt man, dass die Parteigruppe wie auch der Gesamtvorstand immer unter den Augen des Parteisekretärs tagte und seinen Widerspruch vermeiden musste, so erkennt man eine parteiliche Sicherungsstrategie, welche stets zu den „richtigen Beschlüssen“ führen sollte. Innerhalb der DDR wurde deren Gesellschaft für Psychologie zu einem Ausführungsorgan, dessen Aufgabe der wissenschaftliche Austausch zwischen seinen Mitgliedern und deren Weiterbildung war. Diesem Ziel dienten die Herausgabe von Schriften sowie ein regelmäßig stattfindender Kongress.15 Der Kontrollanspruch der Partei erstreckte sich auch auf internationale Vereinigungen, in denen die nationalen Gesellschaften der DDR vertreten waren. Die Delegierten der DDR-Gesellschaft in der Union erhielten für ihre Argumentation und ihr Abstimmungsverhalten Direktiven mit auf den Weg, die von der Abteilung Wissenschaften zu bestätigen waren. Die Direktiven waren teilweise allgemein gefasst. So hieß es zum Internationalen Kongress 1976 in Paris: In den Beratungen des Exekutivkomitees der IUPS, … , und der Delegiertenversammlung der nationalen Gesellschaften, …, vertreten unsere Delegierten marxistisch-leninistische Klassenpositionen, die den Interessen der Psychologen aus den sozialistischen Ländern und der fortschrittlichen Psychologen aus den nichtsozialistischen Ländern dienen. … Diese Aktivitäten sind im Einvernehmen mit den Delegierten aus der Sowjetunion und den anderen sozialistischen Ländern zu entwickeln. 16
Im Einzelfall – etwa zur Abstimmung über die Kongresseinladung der Psychologischen Gesellschaft Israels für 1984 nach Jerusalem – wurden den DDR-Vertretern genaue Vorschriften über ihre Diskussionsbeiträge und ihre Stimmabgabe gemacht: Die DDR-Vertretung spricht sich für die Vergabe des Kongresses nach Mexiko aus. Sie tritt auf jeden Fall gegen eine Vergabe des Kongresses nach Israel auf und begründet ihre Haltung damit, daß die Durchführung eines so wichtigen Kongresses nicht in einem Land, das sich im Kriegszustand befindet und einen internationalen Spannungsherd darstellt, erfolgen sollte. 17
Als wissenschaftliche und berufsständische Interessenvertretung der Psychologen in der DDR ist die Gesellschaft eher nicht tätig gewesen. Diese Aufgabe übernahm dagegen ab 1976 der Wissenschaftliche Rat für Psychologie. Maßgebliche Fachvertreter hatten lange auf die Einrichtung eines solchen Gremiums gedrängt, um dem Fach Psychologie gegenüber der Politik eine Stimme zu geben (s. Kapitel 3, S. 91). Der Wissenschaftliche Rat konnte Berichte über den Stand des Faches anfertigen und langfristige Planungen für seine Entwicklung vorlegen. Er war zwar angebunden an das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, und seine Mitglieder waren vom Minister berufen. 15 Strocka, Cordula (2001). Die Gesellschaft für Psychologie der DDR im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichem Anspruch und politisch-ideologischer Ausrichtung. Eine Analyse der Kongresse 1964-72. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Psychologie. 16 HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Akademie der Wissenschaften der DDR/ZK der SED Abteilung Wissenschaften. Vorlage für das Sekretariat des ZK der SED, Betr.: Teilnahme einer Delegation der DDR am 21. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 18. - 25. Juli 1976 in Paris. 17 HUBA GPs-DDR 788a/191.3. Akademie der Wissenschaften der DDR. Ergänzung der Direktive für die Delegation der DDR zur Teilnahme am XII. Internationalen Kongreß für Psychologie 18. – 25. Juli 1976 in Paris/Frankreich vom 18. 6. 76.
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Doch war er überwiegend mit den Mitgliedern des Vorstandes der Gesellschaft besetzt und teilte sich mit der Gesellschaft die Geschäftsstelle. Nach diesem Wissenschaftsverständnis und in dieser Organisationsform sollte auch die Psychologie ganz zu einem Instrument der Parteipolitik werden. In diesem Sinne stellte etwa die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED in einem Rückblick mit Befriedigung fest: „Der Beitrag der Psychologie zur Verwirklichung der auf das Wohl des Volkes gerichteten Politik der Partei konnte in den vergangenen Jahren gesteigert werden.“ 18 AUSWIRKUNGEN AUF DIE VORBEREITUNG DES INTERNATIONALEN KONGRESSES Die Durchführung von Kongressen gehört zu den wichtigsten Aufgaben wissenschaftlicher Gesellschaften. Im westlichen System sind wissenschaftliche Kongresse eigenverantwortlich durchzuführen; dank ungehinderter Kommunikation und Einreise genießen wissenschaftliche Gesellschaften im Westen viel Freiheit bei der Gestaltung nationaler wie internationaler Zusammenkünfte. Die Folge ist traditionell ein breit gefächertes Programm und eine bunt zusammengesetzte Teilnehmerschaft. Im Programm spiegelt sich traditionell ein hohes Maß an Individualität. Die Teilnahme erfolgt aufgrund individueller Anmeldung. Einzelbeiträge dienen nicht zuletzt der Selbstdarstellung, und Forscher aus gleichen oder ähnlichen Gebieten schließen sich oft selbst zu Arbeitsgruppen zusammen. Die Gesellschaften erhalten nur selten öffentliche Unterstützung für ihre Kongresse; dies schließt freilich kleinere öffentliche Zuschüsse nicht aus, die oft auch im Hinblick auf die erwarteten Einnahmen aus dem mit Kongressen verbundenen Tourismus gewährt werden. Den Großteil der Kongresskosten müssen jedoch die Teilnehmer selbst aufbringen. Die International Union of Psychological Science hat ihre internationalen Kongresse wohl immer in der Erwartung der Einhaltung dieser Modalitäten vergeben. Sie sollten einen freien Zugang für jeden interessierten Wissenschaftler garantieren und frei bleiben von politischen und ideologischen Beeinflussungen. Die Unabhängigkeit ihrer Kongresse sollte zudem dadurch gewährleistet werden, dass sie sich im Wesentlichen durch Beiträge der Kongressteilnehmer selbst finanzierten. Die politische Kontrolle, denen der für 1980 nach Leipzig vergebene Internationale Kongress für Psychologie unterworfen wurde, widersprach zwar ausdrücklich keinem Passus in der Satzung der Internationalen Union. Die Möglichkeit staatlicher Eingriffe war in der Satzung überhaupt nicht bedacht. Daraus ist weniger zu folgern, dass staatliche Eingriffe den Gründungsmitgliedern der Union unbedenklich erschienen, sondern dass sie diese gar nicht erst in Betracht gezogen haben. Die politische Intervention verletzte also den (freiheitlichen) Geist der Satzung. Bereits die Einladung zum Leipziger 18 Privatbesitz. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information über Ergebnisse und Entwicklungsprobleme der marxistisch-leninistischen Psychologie nach dem XXII. Internationalen Psychologiekongress vom 20. 5. 82. (Entwurf vom 13. 5. 1982: BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED Abteilung Wissenschaften.)
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Kongress musste vom Zentralkomitee der SED genehmigt werden, und das Zentralkomitee legte gleich zu Beginn fest, dass die Gesellschaft für Psychologie nur nachrangig als Einladende auftreten durfte; vorrangig war die Einladung im Namen der Akademie der Wissenschaften auszusprechen. Auch wurde die Gesellschaft vom Zentralkomitee der SED nicht als organisatorisch verantwortlich bestätigt. Mit der Leitung wurden vielmehr parteinahe Einrichtungen beauftragt – zunächst die Akademie der Wissenschaften und später, nach deren eindeutigem Versagen, das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen (s. Kapitel 3, S. 86). Die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED hat es sich – ungeachtet der Übertragung der Leitung an untergeordnete Instanzen – nicht nehmen lassen, die Vorbereitung des Kongresses laufend zu verfolgen und sich alle Eingriffe vorzubehalten. Das Netz der Kontrollgremien wurde sogar noch erweitert um ein Nationales Vorbereitungskomitee, dem Vertreter mehrerer Ministerien angehörten. In diesem Zusammenhang wurde auch der Wissenschaftliche Rat für Psychologie gegründet. Neben seinen oben beschriebenen Planungsaufgaben kam ihm für die Jahre der Kongressvorbereitung noch die Aufgabe der Auswahl und Vorbereitung von Teilnehmern aus der DDR zu. Dies schloss einerseits die Forschungsförderung sowie die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ein, andererseits auch die politische Schulung, wie sie im Lehrgang in Kleinmachnow betrieben wurde (s. Kapitel 5, S. 178). In der SED hegte man eine Reihe eindeutig ideologisch begründeter Erwartungen an den Kongress (s. bereits Kapitel 2, S. 68): x Er sollte die Fortschrittlichkeit des sozialistischen Systems erweisen und den Anspruch der DDR auf internationale völkerrechtliche Anerkennung untermauern. x Er sollte die Leistungsfähigkeit marxistisch-leninistisch ausgerichteter Wissenschaft demonstrieren. x Teilnehmer aus sozialistischen Ländern sollten zumindest paritätisch mit westlichen Teilnehmern am Kongressprogramm beteiligt sein. x Personen aus politisch missliebigen Staaten sollten überhaupt ausgeschlossen bleiben. Der ideologische Ansatz baute also nicht auf individuelle Initiativen und Wünsche von Teilnehmern. Vielmehr beruhte er – wie bereits oben (Kapitel 5, S. 161) begründet – auf einem kollektivistischen Konzept. Der Kongress wurde als Aufeinandertreffen nationaler (und dann nach politischen Lagern einzuteilender) Kader begriffen. Hochrangige Sportwettkämpfe sind – in Ost und West – nach diesem Muster durchgeführt worden. Teilnehmer sind dabei zunächst nationale Sportverbände, die in Verbindung mit staatlichen Stellen stehen. Zu internationalen Wettbewerben entsenden die Verbände nationale Mannschaften. Entsprechend hatten auch Amtsträger der DDR die Vorstellung, Gastgeber eines Wettbewerbs für nationale Kader zu sein. Zwei weitere Ziele der Partei waren ebenfalls politischer Natur: x Der Kongress sollte die internationale Anerkennung des Staates der DDR fördern. x Der Kongress sollte dem Staat der DDR die Einnahme von westlichen Devisen bringen.
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Schließlich machte sich die Partei im Namen ihrer marxistisch-leninistischen Weltanschauung Ziele zu Eigen, die auch ohne Berufung auf den Marxismus-Leninismus wissenschaftlich erstrebenswert waren: x Eine hohe methodische Qualität von Kongressbeiträgen und x eine hohe Beteiligung ausgewiesener Experten. Offensichtlich waren nicht alle Ziele gleichzeitig zu erreichen; ideologische und wissenschaftliche Ziele standen miteinander in Konflikt. Ein ideologisch geprägtes Programm, eine Bevorzugung von Teilnehmern aus sozialistischen Ländern und eine Abweisung von Teilnehmern aus nicht-sozialistischen Ländern hätte einen empfindlichen Rückgang von Teilnehmern zur Folge gehabt; das Ausbleiben von Teilnehmern aus dem Westen, der nun einmal die stärksten Psychologengemeinden mit den reichsten Forschungsmitteln auswies, hätte die Qualität der Kongressbeiträge in Mitleidenschaft gezogen, das Devisenaufkommen drastisch reduziert und den erhofften außenpolitischen Erfolg des Kongresses gefährdet. Die Zielkonflikte im Gastland des Kongresses trafen dort auf Lenkungsstrukturen, die zwar formal völlig politisch waren, tatsächlich aber Raum für ideologisch unbelastetes, pragmatisches Agieren ließen. Insbesondere unter den Wissenschaftlern, die in der Gesellschaft für Psychologie der DDR zusammengeschlossen waren, dürften sich pragmatisch Gesonnene befunden haben. Sie waren es, die vor allem im Nationalen Vorbereitungskomitee sowie dem ihm unterstellten Wissenschaftlichen Komitee die Initiative ergriffen und Verständnis bei ebenfalls pragmatisch aufgeschlossenen Vertretern der Politik weckten. So blieb ihnen – wenn auch gegen erhebliche Widerstände – tatsächlich eine beachtliche Gestaltungskompetenz. Ein Beispiel für pragmatisches Einlenken vonseiten der Politik findet sich bereits in den ersten Jahren des Bestehens der DDR-Gesellschaft für Psychologie: Die offen gegen die deutsche Bundesrepublik gerichteten Vorgaben der Partei für die Satzung der Gesellschaft wurden nach Einspruch aus der International Union of Psychological Science kurzerhand gestrichen – freilich mit dem geradezu zynischen Argument, die darin erklärten Absichten seien bereits verwirklicht (s. Kapitel 1, S. 41). Dass Fachvertreter ihre Entscheidungen und Handlungen stets unter Berufung auf den verantwortlichen Minister rechtfertigen mussten, mag man lediglich als Formalität betrachten. Darüber hinaus ist zu bedenken: Im sozialistischen System war die verantwortliche Beteiligung von Partei und Ministerien eine unentbehrliche Hilfe, um bürokratische Hürden sowie bestehende Versorgungsengpässe zu überwinden. Insofern wäre es falsch, Parteiinstanzen und Ministerien lediglich als Machtstrukturen zur Durchsetzung systembedingter Ziele zu betrachten; aus pragmatischer Sicht dienten sie vielmehr auch als „Türöffner“ zur wünschenswerten Realisierung ideologiefreier, im vorliegenden Falle wissenschaftlicher Vorhaben. PRAGMATISMUS UND KONFLIKTVERMEIDUNG IN DER INTERNATIONALEN UNION Die Unterschiede zwischen den beiden politischen Systemen waren also beträchtlich und schlugen sich in bedeutsamer Weise in wissenschaftlichen Organisationen und Ak-
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tivitäten nieder. Wenn Vertreter aus beiden Systemen sich in der International Union of Psychological Science trafen, so hätten sich die Spannungen zwischen dem Ost- und dem Westblock leicht auf die Union übertragen können. Die aus dem West- und dem Ostblock stammenden Vertreter in den Gremien der Union hätten durchaus in einem Grundsatzstreit verfallen können. Hätten die einen Freiheit und Recht als ihre politischen Leitideen propagiert, hätten die anderen die soziale Utopie als Maxime ihrer Politik ins Feld geführt. Der Grundsatzstreit hätte sich bis in die Theorie- und Methodendiskussion ausweiten lassen. Besonderen Anstoß hätten westliche Vertreter am Charakter der Verbände aus sozialistischen Ländern und an Bestimmungen für den gemeinsam veranstalteten Kongress nehmen können. Erfüllte die Gesellschaft für Psychologie (in) der DDR in den Augen westlicher Vertreter überhaupt die Voraussetzungen für die Aufnahme in die International Union of Psychological Science? War sie doch im westlichen Sinne gar kein selbständiger Verein. Vielmehr stand die Gesellschaft unter der Führung eines ideologisch geführten Staatsapparats und in wirtschaftlicher Abhängigkeit von diesem. Sollte die Union Delegierte an ihren Beratungen und Abstimmungen beteiligen, die hierfür mit staatlichen Direktiven ausgestattet waren? Konnten die westlichen Mitglieder zulassen, dass im Gastland in die Programmgestaltung eines ihrer Kongresse politisch einseitig eingegriffen und die Teilnahme von der Regierung nach politischem Belieben geregelt wurde? Konnten sie zusehen, dass ihre Kongressgebühren vom Gastland – mit welcher Kompensation auch immer – den Veranstaltern entzogen wurden? Wie war zu verstehen, dass nach dem Leipziger Kongress kein abzuführender Überschuss entstanden sei, obwohl gegenüber früheren Kongressen sowohl die Teilnehmerbeiträge als auch der angegebene Staatszuschuss ungewöhnlich stark gestiegen waren? Im Übrigen hätte politisches Engagement zusätzlich die Frage nahe gelegt, welche Implikationen der Staatszuschuss, falls er tatsächlich in der angegebenen Höhe gewährt worden war, gehabt habe oder hätte haben können. Wo immer in den 1970er Jahren politische Grundsatzdiskussionen tobten, in der Union fanden sie jedenfalls nicht statt. Keines der Dokumente zur Arbeit des Vorstandes, des Exekutivkomitees sowie der Generalversammlung belegt, dass Delegierte für ihr heimisches System geworben hätten oder gar die Verbandsarbeit als Mission zur Bekämpfung des jeweils anderen Systems betrieben hätten. Berichte von Zeitzeugen widersprechen der Annahme grundsätzlicher politischer Auseinandersetzung ausdrücklich. Danach gab es keine fundamentale Polarisierung der Union zwischen westlichen und östlichen Vertretern. Insbesondere verzichteten die in der Union dominierenden Fachpsychologen aus westlichen Ländern auf eine Fundamentalkritik an den Verhältnissen in den sozialistisch geführten Ländern.19 Politische und weltanschauliche Friedfertigkeit war von Anfang an ein Konstruktionsprinzip der International Union of Psychological Science gewesen. Die Union hatte sich der UNESCO assoziiert (s. Kapitel 1, S. 19) und sich damit einem Kosmopolitismus verschrieben, der seinen Beitrag zur Überwindung der aktuellen Ost-West-
19 Pawlik, Kurt. Mündliche Mitteilung vom 18. 5. 2007.
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Spannungen zu leisten trachtete.20 Sie hat sich als politische Präferenzen zu deutender Bekenntnisse zu Regierungsformen sowie zu Idealen wie Frieden und Freiheit enthalten. Ihr Statut beschränkte sich ausdrücklich auf die fachpolitischen Ziele, „to develop the exchange of ideas and scientific information between psychologists of different countries“ sowie „to collaborate with other international and national organizations in matters of mutual interest“.21 Die unter den Mitgliedern der Verbandsgremien vorherrschende Haltung dürfte Wayne H. Holtzman, der Generalsekretär der Union, in seinem Bericht aus dem Jahre 1976 zum Ausdruck gebracht haben: „ … it must be remembered that the main strength of the Union has been achieved by seeking a common purpose among psychologists from many different political-social systems, cultures, and personal views. Politicization of IUPS must clearly be avoided.“ 22 Tatsächlich scheint in der Union eine pragmatische Haltung vorgeherrscht zu haben, die auf eine spannungsfreie Arbeit in den Gremien ausgerichtet war; man suchte Konflikte, wo immer möglich, zu vermeiden. Unterschiede zwischen politischen Systemen wurden tunlichst nicht thematisiert, da sie als Konfliktherde erlebt wurden, welche die Verbandsarbeit zu erschweren und Unternehmungen der Union zu gefährden drohten. Das Vermeiden von „politicization“, das der Generalsekretär empfahl, war danach offenbar eine Strategie, die Gremien, insbesondere das Präsidium, handlungsfähig und effektiv zu erhalten. Was war die Einstellung zu den politischen Systemen, auf welcher der Pragmatismus der Delegierten und des Vorstands der Union und ihre Konfliktvermeidungsstrategie beruhten? Haben sie im Interesse der ungestörten Verbandsarbeit ihr sonstiges Engagement für eines der politischen Systeme unterdrückt? Standen sie einem oder beiden Systemen indifferent gegenüber? Nahmen sie gar eine skeptische, ja ablehnende Haltung gegenüber einem oder beiden politischen Systemen ein? Indifferenz wäre eine gute Voraussetzung für Funktionärspragmatismus. Die Indifferenz mag noch mit Ignoranz unterfüttert gewesen sein, die Unkenntnis der Eigenarten, der Vorzüge wie der Nachteile des eigenen wie des fremden Systems. Das Vermeiden von „politicization“ mag durchaus einhergegangen sein mit einem Desinteresse für politische Verhältnisse. Noch mehr: Es mag mit dem Glauben einhergegangen sein, die Welt der Wissenschaft und der wissenschaftlichen Praxis sei autonom und global; es sei immun gegen Einflüsse des politischen Umfelds. Doch auch Distanzierung vom eigenen System, Sympathien für das jeweils andere sind in Betracht zu ziehen. Das gilt für westliche wie für östliche Mitglieder der Union. Intellektuelle nicht nur aus östlichen, sondern auch aus westlichen sowie aus blockfreien Staaten haben nicht selten heftige Kritik an den bestehenden freiheitlichdemokratischen Gesellschaften geübt, dagegen die mit dem Sozialismus verbundenen 20 Montoro, L., Banuls, R. & González-Solaz, M. J. (1981). The international unification of psychology: Its background in international committees and the initial development of the International Union of Scientific Psychology. In Marc Richelle & Helio Carpintero (Eds.). (1981). Contributions to the history of the international congresses of psychology (p. 91-100). Leuven: University Press. 21 Arch IUPsS I. IUPS Statutes and Rules of Procedure (1975) (Article 2). 22 Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science. Report of the Secretary-General (June, 1, 1976).
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Ideale des Humanismus und des Antifaschismus so sehr gewürdigt, dass sie sogar für kollektivistische und menschenrechtswidrige Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Ideale Verständnis gezeigt haben. In diesem Sinne haben etwa einige Gruppen in England und Frankreich insbesondere die DDR der westlichen Bundesrepublik vorgezogen; schien ihnen in letzterer noch der autoritäre und nationalistische Geist verhängnisvoller deutscher Geschichte zu herrschen, während sie in der DDR einen Neuanfang zur Überwindung jenes Geistes gesehen haben.23 Umgekehrt kann man selbst einflussreichen Mitgliedern aus sozialistischen Ländern wie den aus der Sowjetunion und Polen stammenden Professoren Leontiew und Tomaszewski Sympathien für die westliche Lebensweise und Kultur nachsagen. Wohl noch in bürgerlichen Familien aufgewachsen, dürften sie die im Westen herrschende Freizügigkeit geschätzt haben. Überhaupt ist Wissenschaftlern aus dem Osten nicht entgangen, dass im Westen Wohlstand nicht nur ein angenehmeres und gesünderes Leben ermöglichte, sondern auch der Wissenschaft überlegene Ressourcen verschaffte. Die pragmatische, dem politischen Streit abgeneigte Grundhaltung der Union zeigte sich bereits lange vor Aufnahme der Gesellschaft für Psychologie in der DDR. Sechs Jahre vor Gründung der Gesellschaft – d. h. ohne den konkreten Anlass eines vorliegenden Aufnahmeantrags – ließ die Union erkennen, die Frage der völkerrechtlichen Anerkennung der DDR sei für sie irrelevant und daher „were no reasons why two societies [nämlich eine west- und eine ostdeutsche] should not exist, and invitations should be received and accepted from either“ (s. Kapitel 1, S. 38).24 Vonseiten der Bundesrepublik ist Widerspruch zu dieser Erklärung nicht bekannt. Als freilich die Gesellschaft für Psychologie in der DDR im Jahre 1963 tatsächlich ihre Aufnahme beantragte, war sie es selbst, welche die herrschenden Regeln der politischen Neutralität verletzte, indem sie eine Satzung mit hoch ideologischen sowie gegenüber der westdeutschen Psychologie feindseligen Artikeln vorlegte. Paradox oder nicht: Es waren mit den angesehenen Professoren Leontiew (Moskau) und Tomaszewski (Warschau) Vertreter aus sozialistischen Ländern, welche die DDR-Vertreter zur Revision mahnten, während der hinzugezogene Präsident der westdeutschen Gesellschaft für Psychologie erklärte, er sähe in den belastenden Passagen des DDR-Statuts keinen Hinderungsgrund für eine Aufnahme (Kapitel 1, S. 39).25 Als dann 1966 die beanstandeten Passagen gestrichen waren und die Aufnahme der DDR-Gesellschaft in die Union auf der Tagesordnung der Generalversammlung stand, äußerte ein einziger Delegierter öf-
23 Bauerkämper, Arnd (Ed.). (2002). Britain and the GDR. Relations and perceptions in a divided world. Berlin: Philo. Pfeil, Ulrich (Ed.). (2001). Die DDR und der Westen: Transnationale Beziehungen 1949-1989. Berlin: Links. Pfeil, Ulrich (2004). Die „anderen" deutsch-französischen Beziehungen. Die DDR und Frankreich 19491990. Köln: Böhlau. 24 Rosenzweig, Mark R., Holtzman, Wayne H., Sabourin, Michel & Bélanger, David (2000). History of the International Union of Psychological Science (IUPsyS). Hove, East Sussex: Psychology Press (p. 83). 25 Dumont, Kitty & Louw, Johann (2001). The International Union of Psychological Science and the politics of membership: Psychological associations in South Africa and the German Democratic Republic. History of Psychology, 4, 388-404 (p. 398).
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fentlich Bedenken gegen die Aufnahme eines zweiten Verbandes aus Deutschland. Es war der Würzburger Professor Wilhelm Arnold, der den Verband der Bundesrepublik vertrat. Arnold war prominentes Mitglied der CSU und in der bayerischen Landespolitik aktiv;26 in der Deutschlandpolitik war er im Sinne der Bundesregierung engagiert. Doch gab er seinen Widerstand auf, als er feststellte, dass in der Versammlung die Mehrheit der Delegierten den DDR-Antrag unterstützte (Kapitel 1, S. 42).27 Die westlichen Delegierten waren – wie oben bereits erwähnt – mit dem sozialistischen System in der Regel nicht recht vertraut. Noch 1984 befasst sich der verdienstvolle Bericht des westdeutschen Professors Bernd Gasch über die Psychologie in der DDR mit Forschungsinstitutionen und -projekten, Praxiszweigen und Publikationen, ja er beschreibt und kommentiert sogar ideologische Kontroversen aus der DDRLiteratur; allerdings enthält er keine Informationen über die politische Infrastruktur.28 Erst recht geben für westliche Leser bestimmte Selbstdarstellungen der Psychologie aus der DDR hierüber keine Auskunft.29 Mangels einschlägiger Information konnten die westlichen Mitglieder der Internationalen Union die Einbindung der Gesellschaft für Psychologie der DDR in den Staat der DDR und überhaupt den Einfluss der sozialistischen Partei auf das Fach Psychologie nicht einschätzen. So wurde ihnen die politische Abhängigkeit der DDR-Psychologie nicht als Problem bewusst, das zu kontroversen Debatten oder gar fachpolitischen Initiativen hätte Anlass geben können. Zur Aufmerksamkeit der internationalen Fachöffentlichkeit kam nur, was deren unmittelbare Angelegenheiten betraf: Die jahrelange Absichten des Gastlandes, Angehörigen von Gesellschaften, die Mitglieder der Union waren, die Kongressteilnahme zu verweigern. Die Frage der Einreiseerlaubnis war zugleich systemrelevant und verbandsintern bedeutsam. Ihre verbandsinterne Bedeutsamkeit – es hätte ernsthafte Konflikte innerhalb der Union heraufbeschworen, hätte deren Vorstand eine politische Auslese der Teilnehmer geduldet – verdrängte das sonst dominierende Bemühen um Vermeiden von Auseinandersetzungen über Systeme. In Kapitel 4 (S. 146) ist dargestellt, wie der Vorstand der Internationalen Union seinen Anspruch auf freie Einreise zum Kongress durchsetzte, und zwar mit geduldiger Unterstützung der örtlichen Fachvertreter und persönlicher Diplomatie. Eine spektakuläre Konfrontation mit den DDR-Oberen – etwa durch eine öffentliche Boykottandrohung – hat der Vorstand jedenfalls nicht gesucht. Man gab den DDR-Behörden Gelegenheit zum eher stillschweigenden Einlenken und beugte so einer Verstimmung mit dem Gastland vor. Erneut hatte sich der Vorstand pragmatisch verhalten und eine Strategie der Konfliktminimierung gewählt. 26 http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Karl_Arnold. 27 BArch DY 30 IV A2/9.04 Nr. 215. Mäder, Walter. Informationsbericht über den XVIII. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 23. 8. 1966. 28 Gasch, Bernd (1984). Psychologie in der DDR. Erlangen: Institut für Gesellschaft und Wissenschaft. 29 Klix, Friedhart, Kossakowski, Adolf & Mäder, Walter (Hrsg.). (1980). Psychologie in der DDR. Berlin: VEB Verlag der Wissenschaften. Schaarschmidt, Uwe (1980). Psychologische Einrichtungen in der Deutschen Demokratischen Republik, herausgegeben von der Gesellschaft für Psychologie der DDR, Berlin 1980, anlässlich des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie in Leipzig vom 6.-12. Juli 1980.
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Dabei waren Reisebeschränkungen sozialistischer Regierungen für Wissenschaftler (und andere Personen) ein Ärgernis, das die Union auch über den anstehenden Leipziger Kongress hinaus beschäftigte. Der International Social Science Council hatte dazu eine Resolution über den freien Reiseverkehr von Wissenschaftlern entworfen; es war zu befürchten, dass sie auf die Tagesordnung der Generalversammlung der Union 1976 in Paris gelangen würde (s. bereits Kapitel 1, S. 53).30 Partei und Regierung der DDR sahen in dem Text, der ihnen offensichtlich vor der Beratung in der Union schon zur Kenntnis gelangt ist, zu Recht einen Angriff auf ihre Visapolitik. Sie befürchteten, dass aus einer derartigen Deklaration Ansprüche für die Einreise zum Leipziger Kongress hergeleitet werden könnten, denen man nicht nachkommen wollte. Die Union, insbesondere deren Vorstand waren im Zwiespalt. Eine Verabschiedung der Resolution hätte den Standpunkt der Union unmissverständlich zum Ausdruck gebracht; zugleich hätte sie die Beziehung zur DDR-Regierung belastet, was zumindest der Vorstand wiederum zu vermeiden trachtete. Als der Pariser Kongress nahte, erhielt die Delegation der DDR eine Direktive, in der neben anderen Aufgaben und Verhaltensmassregeln die folgenden Anweisungen für die Generalversammlung aufgeführt waren: Es besteht die Möglichkeit, daß von westlicher Seite eine Resolution über den so genannten freien Verkehr der Wissenschaftler vorgeschlagen wird. Die Delegation versucht, gemeinsam mit den Vertretern der anderen sozialistischen Länder, in entsprechenden Einzelgesprächen zu erreichen, daß eine solche Resolution nicht zur Abstimmung gelangt. Ist dies nicht möglich, so ist zu erwirken, daß in die Resolution Formulierungen aufgenommen werden, die die Visaerteilung durch die einzelnen Länder als innere Angelegenheit dieser Länder charakterisiert, die in Übereinstimmung mit den internationalen Gepflogenheiten und den einschlägigen Empfehlungen der UN handeln sollten. 31
Tatsächlich kam es in der Generalversammlung der Union in Paris 1976 gar nicht zur Behandlung des Resolutionstextes; die Verabschiedung wurde vielmehr bis zur nächsten Versammlung aufgeschoben. Dies war offensichtlich das Ergebnis einer Regie. Mit der Verschiebung war für die DDR Zeit gewonnen, denn die nächste Generalversammlung der Union fand erst 1980 statt. Das war aber ausgerechnet in Leipzig. Da hatten sich die DDR-Behörden bereits zu einer großzügigen Regelung der Einreise für Kongressteilnehmer durchgerungen, die alle Klagen über aktuelle Beschwernisse verstummen ließen. Der Beschluss hatte also für die DDR keine unmittelbare Relevanz mehr; die Partei gab ihren Widerstand dagegen auf. Der Text wurde auf der Generalversammlung der Union in Leipzig beraten und – von Kontroversen wird im Sitzungsprotokoll nicht berichtet – verabschiedet.32 Wieder hatte sich das pragmatische Herangehen zur Konfliktminderung bewährt.
30 Rosenzweig, Mark R., Holtzman, Wayne H., Sabourin, Michel & Bélanger, David (2000). History of the International Union of Psychological Science (IUPsyS). Hove, East Sussex: Psychology Press (p. 169). 31 HUBA GPs-DDR 788a/191.3. Gesellschaft für Psychologie der DDR und Akademie der Wissenschaften der DDR. Direktive für die Delegation der DDR zur Teilnahme am XXI. Internationalen Kongreß für Psychologie 18.-25. Juli 1976 in Paris/Frankreich. 32 Rosenzweig, Mark R., Holtzman, Wayne H., Sabourin, Michel & Bélanger, David (2000). History of the International Union of Psychological Science (IUPsyS). Hove, East Sussex: Psychology Press (p. 169).
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KOMMUNIKATION ZWISCHEN DER INTERNATIONALEN UNION UND DER DDR Mangelnde Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen der jeweils anderen Seite haben es Vertretern aus West und Ost erleichtert, eine pragmatische Haltung einzunehmen und Grundsatzstreit zu vermeiden. Die Frage stellt sich: Hätte es nicht gerade die Vorbereitung und Durchführung eines Internationalen Kongresses sein können, der beiderseits zur besseren Kenntnis der politischen Verhältnisse verholfen hätte? Hätten nicht einige Kongressmodalitäten Anlässe zu grundsätzlichen politischen Auseinandersetzungen werden können? Die Antwort ist: Die Kommunikation blieb auf wenige Delegierte und Funktionsträger beschränkt. Sollte ihr Inhalt nicht weit über das Maß hinausgegangen sein, das in den vorliegenden Dokumenten festgehalten ist, so hat es keinen regen und vertrauensvollen Austausch gegeben. Die Information floss in beide Richtungen nur beschränkt; sie war oftmals im Interesse einer Vermeidung von Konflikten strategisch gestaltet. So gab es keinen Streit, jedoch auch keine Positionsbestimmungen und keine Grundsatzdiskussionen. Vertreter der SED und der Regierung der DDR sowie der Akademie der Wissenschaften sind dem Vorstand sowie dem Exekutivkomitee der Union frühestens bei der Tagung des Exekutivkomitees 1978 in Weimar begegnet, dann wieder während der Kongresswoche in Leipzig. Diese Begegnungen waren vermutlich nicht zahlreich, eher formell und durch Sprachunterschiede erschwert; zumindest offiziell wurde vonseiten der DDR der Kontakt mit „befreundeten“ Delegationen bevorzugt. So vermerkte der Abschlussbericht des Kongresses: … wurde die Kongreßwoche zu Gesprächen mit führenden Vertretern der Psychologie anderer Länder genutzt, … . Der Stellvertreter des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen, Gen. Prof. Dr. Engel, führte u. a. Gespräche mit den Delegationsleitungen der UdSSR und Frankreichs, der Delegation Vietnams sowie Vertretern der Psychologie Kubas, Nikaraguas, Äthiopiens, Mocambiques und Afghanistans.33
Originalunterlagen aus der und über die Internationale Union wie deren Satzung oder Sitzungsprotokolle haben Partei, Regierung und Akademie vermutlich weder beschafft noch verwendet – jedenfalls fehlen diese in deren gegenwärtigen Aktenbeständen. Östliche und westliche Wissenschaftler haben sich in größerer Zahl erst während der Kongresswoche in Leipzig getroffen und sich dabei eher über Fachliches und Persönliches ausgesprochen als über Politisches. Im Wesentlichen lief die Kommunikation zwischen Union (Präsidium, Exekutivkomitee und Generalversammlung) sowie den in der DDR befassten Gremien nur über eine einzige Person. Es war der Kongresspräsident Klix, der gleichzeitig als Mitglied des Exekutivkomitees und als Delegierter der einladenden Gesellschaft für Psychologie der DDR tätig war. Die westlichen Mitglieder der Union verharrten bei ihrer stillschweigenden Annahme, die Tätigkeit der einladenden Gesellschaft für Psychologie vollziehe sich unter den gleichen politischen Bedingungen wie im Westen. So blieb die Einordnung der Ge33 BArch DR 3 2. Schicht B 1495-4c. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Abschlußinformation XXII. Internationaler Psychologiekongreß vom 6.-12. 7. 1980 in Leipzig vom 12. 7. 1980.
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sellschaft in den Parteistaat der DDR westlichen Fachvertretern überhaupt verborgen. Das Zentralkomitee hatte nämlich die erstrangige Verantwortlichkeit der Akademie für „die Anleitung und Kontrolle der Vorbereitungen und der Durchführung“ des Kongresses beschlossen – und dieses stets unter der Aufsicht des Zentralkomitees selbst.34 Die Ankündigung der Kongresseinladung war allerdings nur im Namen der Gesellschaft für Psychologie der DDR erfolgt, und bei der Aussprache über die Einladung in der Generalversammlung der International Union of Psychological Science in Tokio im Jahre 1972 sind die Delegierten aus der DDR offensichtlich so aufgetreten, als handelten sie ausschließlich im Auftrag ihrer Gesellschaft. Erst kurz vor der Beschlussfassung der Generalversammlung ergänzte der Delegationsleiter Friedhart Klix, „that the Academy of Science was associating itself with the Psychological Society in offering to be host for the 1980 Congress“.35 Es sei unterstellt, dieser Protokollsatz sei richtig; jedenfalls ist eine nachträgliche Protokollberichtigung nicht bekannt. Dann hatte Klix mit der bloßen Nennung der Akademie der Wissenschaften zwar weniger getan, als das Zentralkomitee verlangt hatte; doch die bloße Nennung reichte der DDR-Delegation, um in der Heimat zu berichten, sie hätte den Auftrag erfüllt, die Einladung auch im Namen der Akademie auszusprechen. Dabei gibt der protokollierte Satz bezüglich der der Akademie zugedachten Rolle keinesfalls den Beschluss des Zentralkomitees wieder. „Association“ bedeutet ja lediglich eine unterstützende Partnerschaft, welche die einladende Gesellschaft keineswegs in ihren Pflichten und Rechten schmälert. Wäre den Delegierten das Ausmaß der in der DDR zu erwartenden Staats- und Parteikontrolle klar geworden, hätte das Versammlungsprotokoll nachfolgend wohl kaum eine „favorable discussion“ feststellen können. Auch in der Folge ist die Abhängigkeit der DDR-Psychologie von der Einheitspartei des Landes nicht offen gelegt worden. Noch Jahre später, nach Ende des DDRRegimes, nimmt Klix nicht die Gelegenheit wahr, in diesem Punkt Klarheit zu schaffen. In seinen Erinnerungen schreibt er: Herbst 1972. Wir saßen im Vorstand der Gesellschaft für Psychologie der DDR zusammen. Erst langsam dämmerte es, was wir uns da aufgeladen hatten. … Nun wurde eine organisierende staatliche Instanz als Ausrichter mit geeigneten finanziellen Vollmachten gesucht. Die Deutsche Akademie der Wissenschaften sollte das übernehmen. Doch der Akademiepräsident, Prof. Hermann Klare, lehnte ab. Die großen Kongresse brächten nichts mehr, und außerdem hätte die Akademie kein Geld und kein Institut für Psychologie in ihren Reihen.36
Man vergleiche diese Darstellung mit dem dokumentierten Sachverhalt: Die Gesellschaft für Psychologie der DDR war der Akademie unterstellt; die Akademie hatte bereits durch ihren Generalsekretär beim Zentralkomitee der SED die Einladung zum 34 BArch DY 30 5487. ZK der SED. Protokoll Nr. 78 der Sitzung des Sekretariats des ZK der SED vom 2. August 1972, dazu Vorlage: Einladung der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaft (IUPS) zur Durchführung des 22. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig. 35 Arch IUPsS II. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly at Tokyo, Japan, August 13 and August 16, 1972. 36 Klix, Friedhart (2004). Friedhart Klix. In Helmut E. Lück (Ed.), Psychologie in Selbstdarstellungen (Band 4, S. 168-192). Lengerich: Pabst (S. 179 f.).
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Kongress beantragt; das Zentralkomitee hatte mit seiner Zustimmung den Etat des Kongresses bereitgestellt; die Akademie hatte im Herbst 1972 mit allen politischen Machtbefugnissen die Kontrolle des Kongresses übernommen. Wie soll da der Akademiepräsident die Befassung mit dem Psychologenkongress abgelehnt haben? Eine Finanzknappheit der Akademie kam als Grund für eine Ablehnung ebenfalls nicht in Betracht, da die Finanzierung schon durch die Regierung gesichert war. Was aber im gegenwärtigen Zusammenhang vor allem zählt: Der Hinweis auf eine „organisierende staatliche Instanz als Ausrichter mit geeigneten finanziellen Vollmachten“ verweist zwar durchaus korrekt auf das Vorhandensein politischer Kontrollstrukturen in der DDR, bleibt für den mit dem DDR-System unvertrauten Leser aber in seiner Unschärfe völlig unverständlich. Die Strategie der verkürzten, unscharfen und irreführenden Information findet sich auch an anderen Stellen. Hatte Klix die Generalversammlung der Union über die Rolle der Akademie im Unklaren gelassen, so erfuhr – jedenfalls laut Sitzungsprotokoll – das Exekutivkomitee über den Übergang der Zuständigkeit von der Akademie zum Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen im Jahre 1976 lediglich Folgendes: „The general secretary and core staff are now being appointed, and the Minister of Higher Education in the German Democratic Republic has agreed to assist with the Congress.“ 37 Hat hier ein nachlässiger Protokollant einen brisanten Sachverhalt unzureichend zu Papier gebracht, und hat man im Zuge der Protokollgenehmigung eine Klarstellung versäumt? Oder hat Klix der Union die Mitteilung vorenthalten, die Zuständigkeit für die Vorbereitung des Kongresses sei einem staatlichen Komitee unter Vorsitz eines Regierungsmitglieds übertragen worden? Man muss Letzteres annehmen. Denn etwa zur gleichen Zeit schrieb Klix in einem Brief mit dem Kopf „Steering Committee XXIInd ICP“ an den Unionspräsidenten Summerfield (mit Kopie an Generalssekretär Holtzman), „that the Executive Committee (Vorstand) of our Society proposes that the following persons will be assigned to the following tasks“. Es folgten dann die Namen von Klix, Sydow, Vorwerg, Kossakowski und Rückert mit den ihnen zugedachten Funktionen, die nach dem in der DDR geltenden Organisationsschema das Wissenschaftliche Vorbereitungskomitee bildeten (s. Kapitel 3, S. 97). Als Funktion für Klix war „steering committee“ angegeben. Den Brief beschloss die Mitteilung, „that the ministery responsible for our discipline has promised its support for the organisation of the Congress“.38 Die Einsetzung des Nationalen Vorbereitungskomitees, mit welcher die Entmachtung der Gesellschaft für Psychologie der DDR ihren Höhepunkt erreichte, hat Klix also in Form eines Halbsatzes zur Kenntnis gegeben, der die Aufmerksamkeit auf die gewonnene Unterstützung lenkte, aber den politischen Preis hierfür verschwieg. Die mündliche Mitteilung an das Exekutivkomitee, wie sie im Protokoll festgehalten wurde, und der Brief an den Präsidenten verschleierten also den wahren und fachpolitisch 37 Arch IUPsS I. Minutes of the Meetings of the IUPS Assembly´s Executive Committee at Windsor, England, October 11-13, 1977. 38 Arch IUPsS I. Brief von Friedhart Klix an Arthur Summerfield (ohne Datum).
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gravierenden Sachverhalt: Der Vorstand der Gesellschaft für Psychologie war nicht mehr handlungsfähig; an seine Stelle trat ein DDR-Minister, der seinerseits an Parteidirektiven gebunden war. Der neue Begriff „steering committee“, der nunmehr gegenüber der Union das Wissenschaftliche Vorbereitungskomitee als eine Arbeitsgruppe von Fachvertretern bezeichnete, war geeignet, von dem fundamentalen Sachverhalt abzulenken, dass der Kongress als wissenschaftliches Unternehmen völlig der Macht von Partei und Staat unterworfen und somit auf deren Wohlwollen angewiesen war. Weder der Unionspräsident Summerfield noch Generalsekretär Holtzman haben die Tragweite der knappen, für den Außenstehenden unverständlichen und harmlos klingenden Formulierung erkannt. Es blieb ihnen verborgen, dass spätestens mit der Einrichtung der Nationalen Vorbereitungskomitees der Kongresspräsident selbst weisungsabhängig geworden war. Entsprechend hat weder der Brief an den Präsidenten noch der Bericht vor dem Exekutivkomitee Reaktionen innerhalb der Union oder gar Interventionen gegenüber der DDR ausgelöst. Nebenbei bemerkt: Die westlichen Angehörigen des Präsidiums und des Exekutivkomitees dürften sich ebenfalls nicht vor Augen geführt haben, dass sie, nachdem die Leitung der Kongressvorbereitung in die Hände eines DDR-Ministers gelangt war, die großzügige Gastfreundschaft, welche sie bei der Tagung des Exekutivkomitees 1978 auf der Wachsenburg bei Weimar (s. Kapitel 4, S. 113) sowie 1980 während der Kongresswoche selbst (s. Kapitel 5, S. 207) genossen, eher der Regierung der DDR verdankten als der Gesellschaft für Psychologie der DDR.39 Westlichen Vorstellungen angepasst, jedoch bis zur Irreführung selektiv waren weiterhin Berichte über wissenschaftliche Vorbereitungstreffen in der DDR an die Union. Klix hielt das Exekutivkomitee regelmäßig über die Symposien im Vorfeld des Kongresses auf dem Laufenden, zu denen auch westliche Teilnehmer eingeladen waren. Bereits 1973 kündigte er „a series of symposia being held in Leipzig that would lead up to the XXII Congress in 1980” an. Als Themen der Symposien nannte er organismic information processing, pattern recognition sowie problem solving.40 1974 folgten Ankündigungen von Symposien zu den biologischen Grundlagen des Gedächtnisses, zur Sprachproduktion und zum Sprachverständnis sowie zu Emotion und Motivation.41 Für 1977, 1978 und 1979 wurden drei weitere Vorbereitungssymposien angekündigt, und zwar zu interdisziplinären Themen wie Langzeitgedächtnis und Mensch-UmweltBeziehungen.42 Dagegen fehlten Hinweise auf die speziell für Teilnehmer aus sozialistischen Staaten veranstalteten Treffen, vor allem die mehrtätige und aufwendig organisierte „Arbeitsberatung von Psychologen sozialistischer Länder“ in Potsdam. Erst recht findet sich in den Protokollen der Union kein Wort über die von Parteiinstanzen der
39 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007. 40 Arch IUPsS I, Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly´s Executive Committee at Chateau de Rosny, France, September 3-6, 1973. 41 Arch IUPsS I. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly´s Executive Committee at Mont Gabriel, Quebec, Canada, July 25-28, 1974. 42 Arch IUPsS I. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly´s Executive Committee at Windsor, England, October 11-13, 1977.
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DDR hoch eingeschätzten politischen Schulungen der DDR-Kader (s. Kapitel 4, S. 155, Kapitel 5, S. 178). Was die Erteilung von Einreisevisa an Kongressbesucher anbelangte, bestand – wie mehrfach behandelt – ein brisanter Konflikt. Auf der einen Seite hatte die Generalversammlung der Union 1972 den freien Zugang zum Kongress zur Voraussetzung für die Annahme der Einladung nach Leipzig gemacht. Auf der anderen Seite behielt sich die DDR-Administration, maßgeblich unterstützt vom Generalsekretär der DDR-Akademie der Wissenschaften, die Zurückweisung von Teilnehmern aus politisch verurteilten Ländern vor (s. Kapitel 4, S. 141). So oft die Frage in der Generalversammlung und im Exekutivkomitee aufgeworfen wurde, beschwichtigte Klix: Es werde keine Einreisebeschränkungen für Kongressteilnehmer geben.43 Derart unkonditional und uneingeschränkt ist dies jedenfalls in sämtlichen einschlägigen Sitzungsprotokollen verzeichnet. Dabei war – wie schon in Kapitel 4 (S. 142) dargelegt – dem DDR-Delegierten bereits 1972 im Zentralkomitee der SED ausdrücklich aufgetragen worden, sich einer absichtlich missverständlichen Formulierung zu bedienen: Wird seitens der IUPS eine Erklärung über die ungehinderte Teilnahme aller Vertreter der Mitgliedgesellschaften gefordert, so wird mitgeteilt, daß diese ungehinderte Teilnahme gemäß den internationalen Regeln und Gepflogenheiten gewährleistet wird. Damit soll die Möglichkeit offen gelassen werden, Vertretern solcher Staaten wie Südafrika die Teilnahme zu verweigern. 44
Der Ausdruck „internationale Regeln und Gepflogenheiten“ ist insofern missverständlich, als die DDR bei deren Definition von ihrer eigenen restriktiven Praxis ausging, während westliche Teilnehmer die ihnen geläufige Reisefreiheit als gültige Norm betrachteten. Diese westliche Version hat jeweils Eingang in die Sitzungsprotokolle gefunden. Ob Klix vorher – wie aufgetragen – die mehrdeutige verwendet hat, ist somit nicht mehr feststellbar; er selbst hat dies in seinem für die DDR bestimmten Reisebericht jedoch so bestätigt.45 Tatsächlich hat sich ganz am Ende Klixens Aussage bewahrheitet: Allen Teilnehmern wurde die Einreise gewährt. Zumindest ist jedoch die Feststellung berechtigt, dass der Union über Jahre hinweg Informationen über den jeweils aktuellen Stand vorenthalten blieben, denen für die Annahme oder den Widerruf der Einladung entscheidende Bedeutung zukam; durch die beschwichtigende Informationspolitik wurde der Union die Möglichkeit genommen, Konsequenzen aus der lange währenden Verzögerung eines positiven Beschlusses zu ziehen. 43 Arch IUPsS II. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly at Tokyo, Japan, August 13 and August 16, 1972. Arch IUPsS I. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly´s Executive Committee at Mont Gabriel, Quebec, Canada, July 25-28, 1974. Arch IUPsS I. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly´s Executive Committee at Wachsenburg Castle, Weimar, GDR, July 26-29, 1978. 44 BArch DY 30 5487. ZK der SED. Protokoll Nr. 78 der Sitzung des Sekretariats des ZK der SED vom 2. August 1972, dazu Vorlage: Einladung der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaft (IUPS) zur Durchführung des 22. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig. 45 HUBA GPs-DDR 788a/191.3. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Bericht der DDR-Delegation über den XXI. Internationalen Kongreß für Psychologie (Paris, 18.-25. Juli 1976) vom 24. 8. 1976.
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Nur im Zusammenhang mit dem Haushalt des Kongresses hat Klix vor der Generalversammlung und dem Exekutivkomitee das besondere Engagement des Staates der DDR hervorgehoben. Die Gesamtkosten des Kongresses hätten etwa eine Million Mark betragen; davon sei rund die Hälfte aus dem Staatshaushalt zugeschossen worden46 (s. Kapitel 6, S. 204). Damit hätte die wirtschaftlich eher schwache DDR für den Kongress in ihrem Lande eine beträchtliche Summe zur Verfügung gestellt. Zum Vergleich: Vier Jahre zuvor hatte die französische Regierung zum XXI. Internationalen Kongress in Paris lediglich 80.000 US-Dollar beigesteuert.47 Dabei wurde stillschweigend der Eindruck erweckt, die Kongressleitung habe voll über die eingezahlten Gebühren verfügt; der Staatszuschuss sei den Gebühreneinnahmen aus dem öffentlichen Haushalt hinzugefügt worden. Gegenüber der Union gab es keine Begründungen für den erheblichen Anstieg der Teilnehmergebühren in Leipzig; sie lagen mehr als 30% über den 1976 in Paris erhobenen, mehr als 60% über denen in Tokio im Jahre 1972 (s. Kapitel 6, Tabelle 6.5). Erst recht hat der Kongresspräsident aus der DDR seine internationalen Kollegen nicht in das Inkasso der DDR-Staatsbank eingeweiht; die Probleme der Valutierung beim Umtausch von Währungen aus dem westlichen Wirtschaftsraum blieben völlig unerörtert (s. Kapitel 6, S. 201). Die Auskünfte zur Finanzierung des Leipziger Kongresses waren also ungewöhnlich spärlich. Im Übrigen ist weder aus den Sitzungsprotokollen der Union noch aus deren Korrespondenz ersichtlich, dass der Kongresspräsident seinen Haushalt näher erläutert hätte. Freilich legten die Delegierten der Union ein offensichtliches Desinteresse an den Tag, indem sie – jedenfalls den vorliegenden Dokumenten zufolge – auf Nachfragen und Belege verzichteten. Dabei hätte es schon Gründe für kritische Erörterungen gegeben. Vor allem stand ja am Ende jedes Kongresses die Frage eines Überschusses an, der nach Satzung an den Schatzmeister der Union abzuführen war. Wiederum zum Vergleich: Vier Jahre zuvor hatte die Union noch von den Veranstaltern des Pariser Kongresses den Überschuss von 80.000 US-Dollar für sich beansprucht – delikater Weise genau jene Summe, welche die französische Regierung als Zuschuss beigesteuert hatte (s. o.). Die Darstellung der finanziellen Bilanz des Leipziger Kongresses schloss eine Überweisung an die Union aus. Dies nahmen ihre Funktionäre ohne Rückfragen hin. Zur Informationspolitik gegenüber der Union ist also zusammenfassend festzustellen: Erstens, die Unterrichtung der International Union of Psychological Science erfolgte praktisch durch eine einzige Person, nämlich Klix in Personalunion Kongresspräsident, Mitglied des Exekutivkomitees und Repräsentant der Gesellschaft für Psychologie der DDR. Zweitens, die übermittelten Informationen waren auf ein Minimum verkürzt. Drittens, die in Mitteilungen verwendeten Begriffe und Formulierungen waren mangels weiterer Erläuterungen – zumindest für westliche Empfänger – oft unver46 Arch IUPsS I. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly´s Executive Committee in Leipzig, German Democratic Republic, July 5-6 and July 12, 1980. Arch IUPsS I. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly´s Executive Committee in Caracas, Venezuela, September 8-11, 1981. 47 Rosenzweig, Mark R., Holtzman, Wayne H., Sabourin, Michel & Bélanger, David (2000). History of the International Union of Psychological Science (IUPsyS). Hove, East Sussex: Psychology Press (p. 161).
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ständlich oder missverständlich; so lag es für die Empfänger nahe, ihr Verständnis ihrem im eigenen System gebildeten Vorverständnis anzupassen. Was die Delegierten der Union anbelangt, so lassen die verfügbaren Sitzungsprotokolle und Korrespondenzen keine Anstrengungen erkennen, die Kommunikation – etwa durch Hinzuziehung von Experten oder Dokumenten – zu verbessern und den Inhalt von Mitteilungen zu vervollständigen oder zu überprüfen. Die Informationspolitik war offensichtlich erfolgreich. Die Unionsdelegierten nahmen die DDR als wissenschaftsfreundlichen Staat wahr; die Abhängigkeit, in welche ihre dortigen Fachkollegen geraten waren, erkannten sie nicht; die Risiken für den Kongress wollten sie wohl nicht recht wahrhaben. Die selbstständige Orientierung über die Verhältnisse in der DDR sowie die kritische Auseinandersetzung mit ihren diplomatisch agierenden Repräsentanten mag sogar als inopportun unterdrückt worden sein, in der Sorge, die entstehende gute Beziehung zu den Veranstaltern zu belasten und den Fortgang der Kongressvorbereitungen zu gefährden. Vorstand und Delegierte der Union hatten zweifellos die Vergabe des Kongresses in ein Land des Ostblocks mit einigen Besorgnissen getroffen; so waren ihnen vor allem Botschaften willkommen, welche geeignet waren, ihre Besorgnisse zu zerstreuen. Was erfuhren umgekehrt Partei und Regierung der DDR über die Union? Auch die politischen Instanzen in der DDR erhielten alle ihre Informationen über eine einzige Person; dies war wiederum der Kongresspräsident Klix, gleichzeitig Mitglied des Exekutivkomitees der Union. Die Informationspolitik, die Klix gegenüber den politischen Amtsträgern der DDR verfolgte, lässt sich aus drei Berichten erschließen, die er verfasst oder zumindest abgezeichnet hat: Zwei Berichte über die Internationalen Kongresse in Tokio und Paris sowie einer über die Sitzung des Exekutivkomitees 1977 in England.48 Diese Berichte waren vermutlich für die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees und das Ministerium bestimmt oder befinden sich jedenfalls in deren Aktenbeständen. (Etwaige Berichte von Klix über weitere Sitzungen der Union, an denen er teilgenommen hat, waren nicht aufzufinden.) In mehreren Passagen nahm der Berichterstatter die Gelegenheit wahr, die Organe der Union – Generalversammlung, Präsidium, Exekutivkomitee – vorzustellen. Betont wurde die Beziehung des Verbandes zur UNESCO; der Hervorhebung dieser Beziehung dienten wohl längere Ausführungen über Forschungsprojekte der UNESCO, an denen die Union beteiligt war. Der Internationalität der Union gegenübergestellt wurde die Herkunft ihrer Repräsentanten aus den verschiedenen, miteinander in Spannung lebenden Machtblöcken. Klix ließ keinen Zweifel an der Dominanz der Vertreter aus dem westlichen Block, strich aber zugleich das Ansehen und den Einfluss der Vertreter aus den sozialistischen Ländern heraus. Insbesondere der freundschaftliche Umgang 48 HUBA GPs-DDR 785a. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Bericht über die Teilnahme am XX. Internationalen Kongreß für Psychologie in Tokio vom 13. - 19. August 1972. HUBA GPs-DDR 788a/191.3. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Bericht der DDR-Delegation über den XXI. Internationalen Kongreß für Psychologie (Paris, 18.-25. Juli 1976) vom 24. 8. 76. BArch DR 3 2. Schicht 3052. Klix, Friedhart. Bericht über die Tagung des Exekutiv-Komitees der IUPS in Cumberland-Lodge, Windsor, Großbritannien, vom 10.-13. 10. 1977.
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mit den sowjetischen Kollegen sowie der hohe Grad der Abstimmung mit ihnen war ein wiederkehrendes Thema. Daneben verwies der Berichterstatter auf Tendenzen, den Ostblock zu stärken und die Westdominanz zu mindern, vor allem auf Annäherungen an Delegierte aus Lateinamerika und aus Afrika, überhaupt aus blockfreien „jungen Nationalstaaten“. Zu den ungebundenen Ländern, mit denen eine wissenschaftliche und politische Kooperation angebahnt sei, rechnete er auch die skandinavischen Staaten, namentlich Schweden, Finnland und Dänemark. Dabei war die Charakterisierung der amerikanischen und anderen westlichen Delegierten keineswegs negativ. Im Gegenteil: Der Berichterstatter registrierte bei ihnen zunehmende Kritik an den Verhältnissen in ihrem eigenen Land und wachsendes Verständnis für sozialistische Ansätze. So etwa in dem Bericht über den Pariser Kongress 1976: Psychologen aus den USA und anderen kapitalistischen Ländern sprachen sich wiederholt positiv über die Entwicklung in den sozialistischen Ländern und für die Unterstützung der Psychologen in den jungen Nationalstaaten bei der Entwicklung ihrer eigenen Psychologie aus … . Es wurde – speziell von amerikanischen Psychologen – Genugtuung über die progressiven Entwicklungen in Lateinamerika, über die Beendigung des Vietnamkrieges, über die Entwicklung der Psychologie in Kuba und die sich entwickelnde Zusammenarbeit mit kubanischen Psychologen geäußert. Das Bestreben, in internationale Forschungsgruppen der UNESCO (in denen gegenwärtig Vertreter aus den USA, England und Frankreich dominieren) in stärkerem Maße Vertreter aus sozialistischen Ländern einzubeziehen, wächst deutlich an.49
Die Berichterstattung über die Union hatte zwei Stoßrichtungen: Zum einen sollte sie die Union den DDR-Funktionären als einen auch politisch gewichtigen, internationalen Verband nahe bringen; zum anderen sollte sie die Überzeugung stärken, die Union biete eine ergiebige Plattform für die Verbreitung der so genannten Friedenspolitik der DDR. Auf dem Hintergrund eines solchen politisch positiv getönten Bildes wurde nun das Auftreten der Repräsentanten der DDR in den Gremien und bei den Kongressen der Union behandelt. Klix hatte ja als Vertreter der DDR-Gesellschaft für Psychologie in wenigen Jahren in der Union einen ungewöhnlichen Aufstieg vollzogen (s. bereits Kapitel 1, S. 54). Die Wahlvorgänge, aus denen er als Gewinner hervorging, wurden in den Berichten recht detailliert behandelt, teilweise auch die Niederlagen seiner Widersacher (darunter die erfolglosen Kandidaturen von Kandidaten aus der deutschen Bundesrepublik). Klix legte in vielen Einzelheiten sein Vorgehen vor und in den Sitzungen dar, wobei er häufig Wert auf die Feststellung legte, in Abstimmung mit politischen Instanzen der DDR gehandelt zu haben. Eingehend wurden dann die Organisation und die wissenschaftlichen Programme von Kongressen beschrieben. Diese Beschreibungen fielen gemäßigt positiv aus. Doch fehlte es nicht an kritischen Einschränkungen. Die Organisation wurde allgemein gelobt, doch wurde ebenso auf Schwächen hingewiesen – wie einseitige Auswahl von Referenten und unzureichende Gelegenheiten für Aussprachen. Beanstandet wurde insbe49 HUBA GPs-DDR 788a/191.3. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Bericht der DDR-Delegation über den XXI. Internationalen Kongreß für Psychologie (Paris, 18.-25. Juli 1976) vom 24. 8. 1976.
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sondere im Falle des Pariser Kongresses, dass man so genannten linksradikalen Teilnehmern – vor allem einer Menschenrechtsinitiative aus Frankreich – zu viel Raum für so genannte provokante Beiträge gewährt habe (s. bereits Kapitel 7, S. 215). Das wissenschaftliche Programm der Kongresse, Vorträge und Symposien, wurden ebenfalls anerkennend besprochen; doch auch in diesem wurden Schwächen – vor allem methodischer Art – ausgemacht, welche den guten Gesamteindruck schmälerten. Insgesamt herrschte wohl der Tenor vor, die Teilnahme an den internationalen Veranstaltungen lohne sich, weil man damit „Vergleichsmöglichkeiten hinsichtlich der theoretischen und materiellen Grundlagen der Forschung, der inhaltlichen Entwicklungstendenzen, Probleme usw.“50 erhalte. Doch sollte nicht der Eindruck entstehen, die eigene Wissenschaft könne vor der internationalen nicht bestehen; daher die Einschränkung, man dürfe den Vorsprung der anderen Länder, insbesondere der so genannten kapitalistischen, nicht überschätzen. Auf diesem Hintergrund wurde jeweils die Mission der DDR-Delegation erläutert. Es wurden Einzelbeiträge aufgeführt, mit denen die psychologische Forschung aus der DDR den Kongress bereichert habe. Wichtig war in diesem Zusammenhang die Feststellung, mit ihren Beiträgen hätten die DDR-Forscher auch Anerkennung im Ausland gefunden. Mit Befriedigung stellte der Bericht über den Pariser Kongress fest, „daß die Beiträge der DDR-Teilnehmer durchweg positiv eingeschätzt wurden. Die Leistungen der DDR-Psychologie finden zunehmend Anerkennung, was auch mit hohen Erwartungen hinsichtlich des XXII. Kongresses 1980 in Leipzig verbunden wird.“ 51 Eine ausführliche Erläuterung der bei den Kongressen erörterten Themen sollte wohl nicht allein wegen ihrer wissenschaftlichen Seriosität beeindrucken. Sie sollten auch den Eindruck vermitteln, dass die Forschungsplanung in der DDR mit den Entwicklungstendenzen in der Welt übereinstimme und somit die DDR am internationalen Fortschritt beteiligt sei. In diesem Sinne wurden naturwissenschaftliche Ansätzen sowie Grundlagenforschung, wie sie in der DDR dominierten, bevorzugt behandelt. Die an den DDR-Universitäten bearbeiteten Fragestellungen der Psychobiologie und -physiologie, der Kognitiven Psychologie, der Sozial- und Entwicklungspsychologie erhielten dabei den Vorrang vor Praktischer, insbesondere Klinischer Psychologie. Das starke Interesse der DDR-Wissenschaftler nach Zugang zur internationalen Fachliteratur spiegelte sich in längeren Berichten über Buch- und Zeitschriftenprojekte der International Union of Psychological Science wider. Die Berichte über den Inhalt wissenschaftlicher Tagungen warben so bei Lesern aus Partei und Regierung um Unterstützung für die eigenen Forschungskonzeptionen. Ob Klix freilich in heiklen Fragen die ihm vorgeordneten heimischen Instanzen stets zuverlässig informiert hat, daran sind erhebliche Zweifel anzumelden. Eine dieser Fragen betraf die staatliche Lenkung des Kongresses. Wie oben (S. 382) dargelegt wurde, sind die Unionsdelegierten darüber nicht angemessen informiert worden. Diese Strategie konnte Klix jedoch im eigenen Land nicht vermitteln. Als „selbstbewusster 50 HUBA GPs-DDR 788a/191.3. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Bericht der DDR-Delegation über den XXI. Internationalen Kongreß für Psychologie (Paris, 18.-25. Juli 1976) vom 24. 8. 1976. 51 a. a. O.
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Bürger“ der DDR – so die Parteidirektive – hätte Klix die tatsächliche Verteilung von Entscheidungskompetenzen in seinem Land mitteilen und sich damit zu der Verfassung der DDR bekennen müssen. Das hat er aber nicht getan. Wie sollte er sich gegenüber den ihm Vorgeordneten dafür rechtfertigen? Er entzog sich der Notwendigkeit einer Rechtfertigung, indem er das Unterlassene als geschehen ausgab. Aus der Sitzung des Exekutivkomitees im Jahre 1976 berichtete er: Es wurde darüber informiert, daß die Gründung eines Nationalen Vorbereitungskomitees in Vorbereitung ist. Die Verantwortung des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen wurde erläutert, die Gesichtspunkte, die gegenwärtig bei der Vorbereitung der Gründung für die Zusammensetzung des Nationalen Vorbereitungskomitees von Belang sind, wurden erläutert. Die vom Minister für Hoch- und Fachschulwesen benannten Verantwortlichen wurden namentlich genannt.
In Fortsetzung des Berichts fügte der Autor sogar noch hinzu: „ … dazu sind vom Unterzeichneten die Prinzipien für die Gestaltung des Kongresses erläutert worden, wie sie der von uns erarbeiteten wissenschaftlichen Konzeption entsprechen.“52 Tatsächlich hat Klix vor dem Exekutivkomitee bei seiner Sitzung in Windsor über die Organisation der Symposien und das geplante Rahmenprogramm gesprochen. Doch der Begriff der „von uns erarbeiteten wissenschaftlichen Konzeption“ legte für die zuständigen Angehörigen der Partei und des Ministeriums wohl eher die Deutung nahe, der Kongresspräsident habe der Union die noch mit der Akademie der Wissenschaften erarbeitete „Wissenschaftlichen Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses (ICP) 1980 in der DDR“ vermittelt. Dieses Dokument umfasst die ideologischen Vorgaben der SED für den Leipziger Kongress (s. Kapitel 4, S. 125).53 Selbst die stillschweigende Kenntnisnahme der darin enthaltenen Vorstellungen über die gesellschaftliche Rolle der Psychologie bei der Herausbildung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft sowie der politisch-ideologischen Schwerpunktsetzung für den Kongress durch die Union wäre als spektakulärer Erfolg der DDR-Propaganda zu verbuchen gewesen; der Bericht konnte die Funktionäre in der DDR an einen solchen Erfolg glauben lassen. In die Reihe der gezielten Fehlinformationen gegenüber dem eigenen Land gehörte weiterhin der Bericht über die Behandlung des Sprachproblems. Wie in Kapitel 4 (S. 148) bereits ausführlich geschildert, hegte Klix die Befürchtung, Sprecher aus dem Ostblock könnten durch ideologische Beiträge das wissenschaftliche Niveau des Kongresses mindern. Da sich diese Sprecher vorwiegend der russischen Sprache bedient hätten, konnte man ihren Auftritt leicht verhindern oder marginalisieren, indem man Russisch als Kongresssprache ausschloss. Tatsächlich war in Leipzig – nach den Usancen der Union – Russisch als vierte Sprache neben dem Englischen, dem Französi52 BArch DR 3 2.Schicht 3052. Klix, Friedhart. Bericht über die Tagung des Exekutiv-Komitees der IUPS in Cumberland-Lodge, Windsor, Großbritannien, vom 10.-13. 10. 1977. 53 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliche Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR (bestätigt am 12. 7. 1977). Revidierte Fassung: BArch DC 20/I 4, 3837, Bl. 17-29. Wissenschaftspolitische Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR. (Ein längerer Auszug befindet sich als Materialie C auf S. 316.)
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schen sowie dem Deutschen als der Sprache des Kongressortes nicht vorgesehen. Auf dieser Regelung beharrte Klix gegenüber den Vertretern von Partei und Regierung, indem er sich auf die Satzung der Union sowie auf einen verpflichtenden Beschluss des Exekutivkomitees berief. Tatsächlich enthielt die Satzung keine derartige Bestimmung, und das Exekutivkomitee hatte den Kongressveranstaltern für die Zulassung des Russischen freie Hand gegeben. In diesem Fall wurde also nicht nur ein vorhandener Sachverhalt verschwiegen, sondern ein nicht vorhandener behauptet. Der Zweck dieser Fehlinformation war offensichtlich: Eine angestrebte Maßnahme, die der Kongresspräsident in der DDR nicht hätte durchsetzen können, sollte als unabänderliche äußere Vorgabe der Entscheidung im eigenen Land entzogen werden. Zusammenfassend wird man feststellen können: Klix hat sein Informationsmonopol gegenüber Vertretern von Partei und Staat nur teilweise zur wahrheitsgetreuen Vermittlung genutzt. Maßgebend waren ihm zwei Zwecke: Erstens, die Bestätigung des politischen Selbstverständnisses von Partei und Regierung, die Stärkung ihrer Überzeugung, den Kongress als Mittel der Außenpolitik nutzen zu können, und die Beschwichtigung von Ängsten, das Wissenschaftlertreffen könne zur Destabilisierung im eigenen Lande beitragen. Zweitens, die Darstellung der Union als internationales Zentrum von Ansehen und Einfluss. Ersteres diente der Festigung ihrer Kooperationsbereitschaft der politisch Verantwortlichen, letzteres ermöglichte, im Namen der Union Druck auf sie auszuüben. MACHTELITE INTELLIGENZ“
UND
F UNKTIONSELITEN
IN
DER
DDR: PSYCHOLOGIE
ALS
„NEUE
Die Vorstellung der Partei, sich der Wissenschaft als politisch loyalen, weltanschaulich konformen und personell integrierten Teil der sozialistischen Gesellschaft sicher sein zu können, entsprach offenbar nicht der Realität. Die herrschende Doktrin verlangte jedoch: Im sozialistischen Staat der DDR sollte die Einheitspartei alle gesellschaftlichen Bereiche besetzen. Zur Durchsetzung ihres Anspruchs bildete sie eine Hierarchie, die sich von Zentralgremien bis zu Grundorganisationen erstreckte; Wissenschaft war in diese Hierarchie eingeordnet. Wissenschaft und Politik sollten aus sozialistischer Sicht eine Einheit sein – die Wissenschaft politisch ausgerichtet, die Politik wissenschaftlich. Die Partei sollte mit der Arbeiterschaft auch die Intelligenz repräsentieren. Sie sollte somit Macht- und Kompetenzzentrum zugleich sein. Tatsächlich litt die Partei an mangelnder Kompetenz, Effizienz und Akzeptanz bei einem großen Teil der Bevölkerung. Ein nicht geringer Teil ihrer Probleme ging auf ihre Rekrutierungspolitik und auf die Alterung ihrer Führungskräfte zurück. Maßgebliches Personal war bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in einfluss- und aussichtsreiche Parteistellungen gelangt. Die Funktionäre der Nachkriegsjahre hatten sich der Partei durch ihre Beteiligung am Widerstand gegen den Nationalsozialismus und ihre frühere Unterstützung kommunistischer Gruppen empfohlen. Der für Wissenschaft, Volksbildung und Kultur zuständige Sekretär des Zentralkomitees der SED, Kurt Hager, (s. bereits Kapitel 1, S. 35) hat später auf die Journalistenfrage, wo denn die hohen
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DDR-Funktionäre studiert hätten, geantwortet, „daß die alten Kommunisten aus ganz anderen Universitäten kamen, aus Illegalität, KZ, Emigration … . Wir waren fast alle Autodidakten.“54 Entscheidend waren die so genannte antifaschistische Haltung sowie die Loyalität zur sozialistischen Partei. Hager selbst ist ein vorzügliches Beispiel für eine Parteikarriere. Geboren 1912, übte er nach dem Abitur publizistische und politische Tätigkeiten aus, nahm am spanischen Bürgerkrieg teil und emigrierte nach England, wo er sich auch als Forstarbeiter und Schweißer durchschlug. 1947 wurde er in der DDR leitender Redakteur, durchlief eine Parteischulung, wurde 1949 zum Ordentlichen Professor für Philosophie ernannt und 1955 als Sekretär in das Zentralkomitee berufen.55 Eine Parteikarriere hat ebenfalls der oben vielfach genannte Leiter der Abteilung Wissenschaften im Zentralkomitee der SED Johannes Hörnig (s. Kapitel 1, S. 35) durchlaufen. 1921 geboren, war er deutlich jünger als Hager. Er arbeitete als Karosserieschlosser, bis er nach 1945 zum Lehrer ausgebildet und in der Parteischule „Karl Marx“ unterwiesen wurde. 1955 wurde er Leiter der Abteilung Wissenschaften.56 Nach den so genannten Arbeiterveteranen, Altkommunisten und Remigranten rückten Jüngere in die Führung auf, welche die existentiellen Erfahrungen von Widerstand, Exil und Krieg nicht teilten, jedoch im Geiste der Älteren geschult waren. Zu ihnen gehörte der für die Psychologie zuständige Minister für Hoch- und Fachschulwesen, Hans-Joachim Böhme (s. Kapitel 1, S. 37). 1931 geboren, absolvierte er ein Studium der Pädagogik und wurde 1968 Stellvertretender Minister, 1970 Minister im neu geschaffenen Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Zugleich erhielt er 1970 eine Professur an der Berliner Humboldt-Universität. 1971 wurde er Kandidat, 1973 Mitglied des Zentralkomitees der SED.57 Hager, Hörnig und Böhme blieben bis zum Ende der DDR 1989 in ihren Ämtern – wie zahlreiche hochrangige Parteifunktionäre. Ash unterscheidet vier Phasen der DDR: Eine Mobilisierungsphase unmittelbar nach Kriegsende, ab etwa 1950 eine Aufbauphase mit versuchter Konsolidierung stalinistischer Herrschaft, eine Modernisierungsphase in den 1960er Jahren sowie seit den 1970er Jahren eine Öffnung zum Westen.58 Die in den beiden ersten Phasen dominierende marxistisch-leninistische Ideologie, die Bindung an die Sowjetunion, die so genannten antifaschistischen Aktivitäten wurden in der dritten und vierten Phase überlagert von Bemühungen um wirtschaftlich-technischen Fortschritt, um Verbesserung der Versorgung sowie um Förderung internationaler Beziehungen. Die Führungsschicht der Partei vermochte in den beiden ersten Phasen ihre Macht zu festigen. Doch den Aufgaben der dritten und vierten Phase zeigte sie sich nur begrenzt gewachsen. Ihr antifaschistischer Nimbus verblasste, ihre Realitätsferne wuchs. Ältere Parteikader verloren 54 Neues Deutschland vom 15. 11. 1996. Nach Hübner, Peter (1999), Einleitung: Antielitäre Eliten (S. 935). In Peter Hübner (Hrsg.), Eliten im Sozialismus. Köln: Böhlau (S. 11). 55 Müller-Enbergs, Helmut, Wielgohs, Jan & Dieter Hofmann, Dieter (Hrsg.). (2000). Wer war wer in der DDR. Berlin: Links (S. 303). 56 a.a.O. (S. 378). 57 a.a.O. (S. 91). 58 Ash, Mitchell G. (1997). Wissenschaft, Politik und Modernität in der DDR – Ansätze zu einer Neubetrachtung. In Weisemann, Karin, Kröner, Peter & Toellner, Richard (Hrsg.). Wissenschaft und Politik – Genetik und Humangenetik in der DDR (1949-1989) (S. 1-25). Münster: LIT-Verlag.
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an Autorität und Legitimation, hielten aber gleichwohl an ihren Ämtern fest.59 Mag sich die Partei auch während des Bestehens der DDR durch Eintritt neuer Mitglieder verjüngt haben, eine zweite, durchsetzungsfähige Generation von Parteiführern ist dabei nicht entstanden. Bis zum 40. Jahrestag der DDR konnte die Parteiführung ihre politischen Schlüsselstellungen mit dem Argument verteidigen, ihre Mission sei die Vollendung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung. So blieb sie Machtelite; doch als Funktionselite konnte sie nicht überzeugen. Neben der Partei behaupteten sich Wissenschaftsdisziplinen und Berufsgruppen, deren Expertise vor allem Fortschritte in der Wirtschaft und im Gesundheitswesen versprach; es etablierten sich Funktionseliten neben der Machtelite der Partei. Besonders die Wissenschaft war ein Sammelbecken für Funktionseliten. Die Partei erkannte ihre Unentbehrlichkeit. In den frühen Phasen der DDR fehlten Leiter und Mitarbeiter von Universitäten und Forschungsinstituten – aufgrund von Verfolgung im Nationalsozialismus, Krieg, Gefangenschaft und Zwangsverpflichtung von Wissenschaftlern in der Sowjetunion, aufgrund der Dienstenthebung von Mitgliedern der früheren Nationalsozialistischen Partei (NSDAP) sowie aufgrund von Abwanderung in den Westen. Dabei stieg der Bedarf an wissenschaftlicher Forschung und Praxis sowie an Lehre. Um den Bedarf zu decken, war die Partei zu Kompromissen in ihrer Wissenschaftspolitik bereit. Insbesondere in den Bereichen der Medizin und Technik wurden sogar frühere NSDAP-Mitglieder wieder in Dienst genommen. Die Partei legte zwar Wert darauf, ihren Einfluss auf Forschung und Lehre durch die Einstellung ihrer eigenen Mitglieder zu sichern. Doch reichte die Zahl benötigter Parteimitglieder, die zugleich als Wissenschaftler hoch qualifiziert waren, nicht aus. Die Praxis, weniger qualifizierte Personen mit Parteizugehörigkeit zu entsenden, zog Leistungsminderungen und Klagen nach sich. So war man dann auch bereit, Wissenschaftler ohne Parteibindung einzustellen.60 Die Hoffnung der Partei galt einer neuen Generation von Wissenschaftlern, die ihre gesamte akademische Ausbildung in der DDR (gelegentlich in einem anderen sozialistischen Land) genossen hatten. Die politische Führung wähnte sie frei von überkommenen, „bürgerlichen“ Vorstellungen und rühmte sie als „neue Intelligenz“. Mit der „Zweiten Generation“, der „Neuen Intelligenz“, hoffte die Partei, das Problem des Auseinanderklaffens von Parteitreue und Expertise überwunden zu haben. Der Nachwuchs werde, so wie er sein Fachwissen von Grund auf neu erwerbe, sich auch die Staatsdok-trin aneignen. Im Bewusstsein der neuen Generation würden dann die beiden für Ältere noch disparaten Lerninhalte – fachwissenschaftlich entwickelte Paradigmen und politisch verbindliche sozialphilosophische Prinzipien – zu einer Einheit verschmelzen. Es dürfte tatsächlich das ernsthafte Streben nicht weniger Nachwuchskräfte gewesen sein, Fachtheorien im Rahmen eines – noch dazu parteikonform interpretierten – Marxismus-Leninismus zu konstruieren. Eine stete Befriedigung für die Partei waren ausdrückliche Beteuerungen aus der Wissenschaft, die Verbindung mit der ge59 Wentker, Hartmut (2003). Die Staatsräson der DDR. In Günther Heydemann & Eckart Klein (Hrsg.), Staatsräson in Deutschland (S. 143-161). Berlin: Duncker & Humblot. 60 Jessen, Ralph (1999). Akademische Elite und kommunistische Diktatur. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht.
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forderten Weltanschauung sei tatsächlich gelungen und habe zu einer Überlegenheit der Forschung im Sozialismus geführt.61 Die Psychologie an den Universitäten der DDR war in den ersten Phasen der DDR durch Verfolgung im Nationalsozialismus, Entnazifizierung und Abwanderung dezimiert. Die aus der Vorkriegsgeneration verbliebenen ordentlichen Professoren hatten bis zum Jahre 1962 ihre Plätze geräumt; Angehörige der „Zweiten Generation“ haben ihre Nachfolge angetreten. Vier Fachvertreter haben schon früh die Führung übernommen und bis zum Ende der DDR behalten: Hans Hiebsch (geboren 1922), Friedhart Klix (geboren 1927), Adolf Kossakowski (geboren 1928) und Manfred Vorwerg (geboren 1933). Alle vier sind sogleich nach dem Krieg unter dem neuen Regime zu „Neulehrern“ ausgebildet worden, haben also ein Kurzprogramm zur Schulreform im Sinne der Sowjetischen Militäradministration absolviert.62 Nach kurzem Schuldienst habe sie sich dann zum Studium der Psychologie entschlossen und anschließend die wissenschaftliche Laufbahn eingeschlagen. Hiebsch führte sie nach Jena, Vorwerg nach Leipzig, Klix und Kossakowski nach Berlin, den ersten an die Humboldt-Universität und die Akademie der Wissenschaften, den zweiten an die Akademie der Pädagogischen Wissenschaften, einer Einrichtung, die besonders stark in die staatliche Bildungspolitik eingebunden war.63, 64 Alle vier Genannten sind früh der SED beigetreten. Ihre Wissenschaft stellten Hiebsch, Kossakowski und Vorwerg ausdrücklich unter die Prinzipien des MarxismusLeninismus – mit Schwerpunkten in der Entwicklungs-, Persönlichkeits- und Sozialpsychologie und deren praktischen Perspektiven in der Pädagogischen Psychologie sowie in der Organisationspsychologie.65 Klix widmete sich vorwiegend der Kognitiven Psychologie – mit Schwerpunkten in der Forschung zur Wahrnehmung, zum Gedächtnis und zum Denken. Seine Methodik orientierte sich an Vorbildern aus den Naturwissenschaften und der Mathematik; aus diesen Bereichen rekrutierte er auch mehrere Mitarbeiter. Innerhalb der DDR wurde diese Richtung unter zwei Bezeichnungen pro61 Jessen, Ralph (1999). Akademische Elite und kommunistische Diktatur. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht. Malycha, Andreas (2003). Geplante Wissenschaft. Leipzig.: Akademische Verlagsanstalt. Rexin, Manfred (1971). Die Entwicklung der Wissenschaftspolitik in der DDR. In Rüdiger Thomas (Hrsg.), Wissenschaft und Gesellschaft der DDR (S. 78-121). München: Hanser. 62 Hohlfeld, Brigitte (1992). Die Neulehrer in der SBZ, DDR 1945-1953. Weinheim: Deutscher StudienVerlag. 63 Baumgartner, Gabriele & Hebig, Dieter (Hrsg.). (1996). Biographisches Handbuch der SBZ/DDR 19451990 (Band 1, S. 319). München: Saur. a. a. O. (S. 405). a. a. O. (S. 427). Friedrich, Walter (2009). Das erste Psychologie-Institut der Welt. Die Leipziger Universitätspsychologie 1879-1980. Leipzig: Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen (S. 314). 64 Malycha, Andreas (2009). Die Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR 1970-1990. Leipzig: Akademische Verlagsanstalt. 65 Hiebsch, Hans & Vorwerg, Manfred (1971). Einführung in die marxistische Sozialpsychologie. Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften. Kossakowski, Adolf & Lompscher, Joachim (1972). Ideologisch-theoretische und methodologische Probleme der Pädagogischen Psychologie. Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften.
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pagiert: Informationspsychologie und Kybernetische Psychologie. Ohne sich weltanschaulich besonders zu exponieren, erwies sich die Richtung als politisch konform, indem sie ihren materialistischen Charakter, insbesondere ihre Übereinstimmung mit der materialistischen Erkenntnistheorie hervorhob. Im Übrigen schloss sich Klix mit dem Begriff der Kybernetik einem in der DDR – nach einigen Einführungsschwierigkeiten – politisch geförderten Trend an.66 Kybernetik versprach nicht nur die Zusammenschau biologischer und sozialer Prozesse, sondern auch eine Grundlegung bevorstehender technischer Umwälzungen durch die Mikroelektronik. Psychologie sollte insbesondere der Software- und Schnittstellengestaltung bei rechnerbasierten Systemen zugute kommen.67 Die Fachvertreter, welche in den 1960er Jahren Führungspositionen in den Universitäten übernommen hatten, waren somit als Mitglieder jener „Neuen Intelligenz“ ausgewiesen, welche so genannte bürgerliche Traditionen überwunden hatte und für die Entwicklung des Sozialismus zu arbeiten versprach. Die Gruppe der vier frühen Protagonisten ergänzte sich schnell durch Mitstreiter gleicher Generation sowie durch Schüler. Es bildete sich ein Netzwerk von qualifizierten Fachwissenschaftlern mit Parteibuch der SED. In eigenen psychologischen Sektionen der Universitäten Berlin, Dresden, Jena und Leipzig etablierte und aktivierte das Netzwerk einen Großteil psychologischer Forschung und Ausbildung. Die Stärke der Parteiorganisation ließ es zu, auch einzelne Parteilose wegen ihrer fachlichen Unentbehrlichkeit in die Sektionen aufzunehmen und ihnen dort Professuren zu übertragen. Auch war die Beziehung der Psychologen zur Parteiführung nicht stets frei von Konflikten. Paradoxerweise waren es eher die ausdrücklich den Marxismus suchenden Entwicklungs- und Sozialpsychologen, die – etwa wegen des Einmarsches der Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei im Jahre 1968 – mit ihrer Partei im Streit lagen, Parteiordnungsverfahren unterworfen wurden, aus der Partei ausgeschlossen wurden oder ihren Austritt erklärten.68 Die Vertreter der naturwissenschaftlichmathematisch arbeitenden Kognitiven Psychologie hielten sich von aktuellen politischen Auseinandersetzungen eher fern. In diesem Zusammenhang sind auch die Bemühungen um Aufnahme und Mitwirkung in der International Union of Psychological Science zu sehen (s. Kapitel 1). Die Protagonisten dieser Bemühungen stammten wohl eher aus den naturwissenschaftlich orientierten Gruppen in Berlin und Dresden als aus den marxistisch ausgerichteten in
66 Ash, Mitchell. G. (1997). Wissenschaft, Politik und Modernität in der DDR – Ansätze zu einer Neubetrachtung. In Weisemann, Karin, Kröner, Peter & Toellner, Richard (Hrsg.). Wissenschaft und Politik – Genetik und Humangenetik in der DDR (1949-1989) (S. 1-25). Münster: LIT-Verlag (S. 15f.). 67 Klix, Friedhart (1969). Über Zusammenhänge zwischen Struktur und Dynamik der Informationsverarbeitung beim Menschen – neue Formen der Wechselwirkung zwischen Grundlagenforschungen und angewandten Forschungen in der Experimentalpsychologie. In Jürgen Siebenbrodt (Hrsg.), Bericht über den 2. Kongreß der Gesellschaft für Psychologie in der DDR (S. 24-53). Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften. 68 Böttcher, Hans Richard (2001). Verstrickt ins 20. Jahrhundert. Jena: quartus. Dumont, Kitty (1999). Die Sozialpsychologie der DDR. Frankfurt a. M.: Lang Schmidt, Hans-Dieter (1997). Texte zwischen Ja und Nein. Selbstbefragung eines DDR-Psychologen. Bielefeld: Kleine Verlag.
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Jena und Leipzig. Die Zuwendung zum Westen bedeutete den – wie immer vorsichtigen und reservierten – Anschluss an ein wissenschaftlich und wirtschaftlich prosperierendes System und damit ein – wie immer durch Rückbindungen und Loyalitätserklärungen abgepuffertes – Heraustreten aus dem eigenen Staat. Die Einbindung der DDRVertreter in die Internationale Union, nicht zuletzt ihre Abstimmungserfolge, stärkte ihre Position gegenüber der Partei. Denn die Partei suchte selbst politische Anerkennung im Westen, hatte sich aber dessen Lebensweise und Personal entfremdet; allein die Sprachbarrieren waren für die Parteifunktionäre beträchtlich. Angehörige der „neuen Intelligenz“ zeigten sich dem etablierten Parteikader also nicht nur in ihrer Fachkompetenz überlegen sondern auch in Sozialkompetenz. Die Partei suchte sich ihrer als Botschafter zu bedienen, um ihren außenpolitischen Zielen näher zu kommen. Die Frage war, wie viel Selbstständigkeit die Partei dann den Fachvertretern in ihren internationalen Aktivitäten und schließlich auch bei ihrem Wirken im eigenen Land zu gewähren hatte. Man darf freilich das Gewicht der Psychologie in der DDR nicht überschätzen. Bei allen Aufbauleistungen und Anerkennungsgewinnen blieb sie eines der kleineren Fächer, das auch gegen Vorurteile zu kämpfen hatte. So soll Kurt Hager als zuständiger Sekretär des Zentralkomitees keine hohe Meinung von der Psychologie gehabt haben; er habe sie stets mit Psychoanalyse gleich gesetzt. 69 Die Psychoanalyse war freilich im Ostblock eher verpönt,70 ihre Praxis in der DDR nicht wohl gelitten.71 Zu erinnern ist auch an die anhaltenden Schwierigkeiten, Berufspsychologen in Betrieben der DDR unterzubringen (s. Kapitel 8, S. 248). Doch mit eigener, unverwechselbarer Expertise sowie mit ihrem selbstbewusst vorgetragenen Verständnis als methodisch und weltanschaulich fundiertes und dabei praktisch ertragreiches Fach fand die Psychologie in der DDR durchaus Anschluss an die bereits etablierten Funktionseliten. Die Gründung der Gesellschaft für Psychologie in der DDR ist offenbar unter starker Einflussnahme der Partei erfolgt, und die Partei hat ihre Kontrolle über die Gesellschaft stets aufrecht erhalten (s. Kapitel 1, S. 32). Gleichwohl hat sich in der Gesellschaft ein Stück Eigenständigkeit des Faches Psychologie in der DDR etabliert. Die Partei hat ihr durchaus Vertrauen geschenkt und sie als operative Gruppe für Fachpolitik gewähren lassen. So hat sie nicht nur international auftreten dürfen, sondern auch die Einrichtung von nationalen Vertretungen, dem Wissenschaftlichen Beirat sowie dem Wissenschaftlichen Rat für Psychologie durchgesetzt (s. Kapitel 3, S. 91). Vertrauen gestärkt hat wohl nicht zuletzt, dass es wiederum die oben genannten vier Fachvertreter Hiebsch, Klix, Kossakowski und Vorwerg waren, die maßgebliche Ämter in der neu gegründeten Gesellschaft einnahmen. Mit ihnen als Mitgliedern der „Neuen Generation“ wurde gleichsam das ganze Fach zum Teil der „Neuen Intelligenz“. Zumindest in eigenen fachlichen Angelegenheiten wurde so den psychologischen Fach-
69 Kossakowski, Adolf. Mündliche Mitteilung vom 23. 7. 2007. 70 Kätzel, Siegfried (1987). Marxismus und Psychoanalyse. Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften. 71 Seidler, Christoph (Hrsg.). (2002). Die DDR-Psychotherapie zwischen Subversion und Anpassung. Berlin: Bodoni.
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vertretern mehr Gestaltungsspielraum gewährt. So soll der zuständige Minister Böhme über die Psychologen, als sie ihren großen Kongress vorzubereiten hatten, geäußert haben: „Das sind Genossen, das sind Wissenschaftler, die müssen wissen, wie man das macht“ (s. bereits Kapitel 3, S. 96)72. Die Situation dürfte freilich ambivalent und instabil gewesen sein. Das von der Partei geschenkte Vertrauen und die von ihr gewährte Freiheit waren begrenzt; sie konnten jederzeit zurückgenommen werden. Sonst hätte die SED nicht zur Führung wissenschaftlicher Gesellschaften eigens ein mit Kadern der Zentrale besetztes Büro eingerichtet, das Büro für Wissenschaftliche Gesellschaften bei der Akademie der Wissenschaften (s. Kapitel 1, S. 36). Sonst hätte die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees nicht in den Vorstand der Gesellschaft für Psychologie der DDR einen Parteisekretär abgeordnet (s. Kapitel 1, S. 35). Sie hätte es auch nicht für nötig befunden, die Wissenschaftler regelmäßig zu Schulungen zu verpflichten und Direktiven zu unterwerfen. Umgekehrt begegneten selbst Parteimitglieder in ihrer Eigenschaft als Wissenschaftler Parteifunktionären mit Misstrauen und Vorbehalten, wie die oben beschriebene Informationspolitik des Kongresspräsidenten gegenüber Ministerium und Abteilung Wissenschaften belegt. Macht- und Funktionselite trennten sich also institutionell, aber auch aufgrund von Lebensschicksal und Ausbildung. Wechselseitige Abhängigkeit und Anerkennung vermochten jedoch eine Vertrauensbasis geschaffen haben, welche die Trennung überbrückte. Insbesondere entstand angesichts gemeinsamer Anforderungen Bereitschaft zur Kooperation. Die dominierende pragmatische Haltung dürfte Konsequenzen für den Umgang von Parteifunktionären und Ministeriumsangehörigen auf der einen Seite und Wissenschaftlern auf der anderen gehabt haben. Formale Positionen und Zuständigkeiten, der Rang in der Hierarchie – alle diese Attribute der Parteistaatlichkeit – mögen in der praktischen Kooperation an Bedeutung verloren haben, das strenge Protokoll sogar einer gewissen Kameradschaftlichkeit gewichen sein. Neugebauer stellt im Allgemeinen in den 1970er Jahren eine wachsende Aufmerksamkeit der Parteioberen für die Parteibasis fest.73 Als Zeitzeuge aus dem Kreis der Psychologen warnt Hacker, die Formalität der Beziehungen von Wissenschaftlern und Politikern zu überschätzen: … wo die Partei nochmal die gleiche Gliederung wie die Regierung hat, die gleichen Referenten und Sachverständigen … . Das sind ja dann eigentlich zwei Behörden … . Dann war das mit der vorgesetzten Behörde so, dass dies für mich zunächst mal Kollegen waren. Und das war dann sehr in zweiter Linie das Ministerium … . Aber als Vorgesetzte habe ich die überhaupt nicht wahrgenommen.74
Kollegialität und Kooperationsbereitschaft unter sozial Gleichgestellten waren also ebenfalls eine Haltung, welche Verantwortliche aus Macht- und Funktionseliten verband. Grundsätzlich war ja das sozialistische Gesellschaftsmodell egalitär ausgerichtet. Eliten waren darin nicht vorgesehen; jedenfalls sollten weder Macht- noch Funktionseliten mit einem Autoritätsanspruch ausgestattet sein. Damit war aber für ein Dilemma 72 Kossakowski, Adolf. Mündliche Mitteilung vom 23. 7. 2007. 73 Neugebauer, Gero (1978). Partei und Staatsapparat in der DDR. Opladen: Westdeutscher Verlag. 74 Hacker, Winfried. Mündliche Mitteilung vom 15. 2. 2008.
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der Grund gelegt: Zum einen hat die Partei sich als ganze aufgrund ihres politischen Führungsanspruch als Elite definiert und innerhalb der Partei eine Funktionärshierarchie etabliert, deren Führungsschicht als Elite eigener Art fungierte. Zum anderen haben sich Funktionseliten behauptet, die ihrerseits noch ihre eigenen, oft traditionell geprägten Hierarchien pflegten. Wissenschaftler nahmen en bloc eine Sonderstellung ein; die Leitungsfunktionen in wissenschaftlichen Institutionen – Instituts-, Abteilungs-, Klinikdirektionen, Lehrstühle – hoben ihre Träger nicht nur wegen tatsächlicher oder vermuteter hervorragender Leistung hervor, sondern auch aufgrund ihres tradierten (und selbst in der DDR ungebrochenen) akademischen Prestiges. Der Widerspruch von Egalitätsdoktrin und elitärer Praxis ist bereits mehrfach erörtert worden. 75 Es ist bekannt, dass die Partei diesem Widerspruch verbal zu begegnen versuchte – etwa indem man selbst die Mächtigsten mit dem Dienstfertigkeit bezeugenden Titel „Sekretär“ versah. Doch die oben beschriebene Kooperation zwischen Vertretern des Faches Psychologie sowie von Partei und Ministerium zeigt ebenfalls egalitäre, in Hackers Worten „kollegiale“ Züge. Auch hier ein Stück Pragmatismus? Um der gemeinsamen Sache willen, möglicherweise in geteilter Sorge, hat man sich der hierarchischen Zwänge entledigt und zu einem egalitären Umgang gefunden. Wo Rang- und Funktionszuordnungen zurücktraten, wurde offenbar auch möglich, was Konrad und Szelenyi „Doppelstaatsbürgerschaft von Partei und Fach“ genannt haben.76 Fachwissenschaftler von hohem Ansehen, denen die Partei Vertrauen entgegenbrachte, erhielten selbst Entscheidungskompetenzen, die sonst Mitgliedern des Parteiapparats vorbehalten waren. Kontrollrechte über Fachwissenschaften – wie zur Erteilung von Reisegenehmigungen oder zur Vergabe von Forschungsmitteln – wurden damit in die Wissenschaften zurückgegeben. Dabei entstand freilich ein anderes Problem: Die autoritär ausgeübte Kontrolle einzelner Fachwissenschaftler über eine Vielzahl ihrer Kollegen, insbesondere ihr Einfluss auf die Laufbahn von Nachwuchskräften. Wenn nun im vorliegenden Untersuchungsfall des Internationalen Psychologenkongresses in Leipzig ein letztlich hohes Maß an Durchsetzung wissenschaftlicher Vorstellungen gegenüber der Partei festzustellen ist, so liegt die Frage nahe, ob dies nicht ebenfalls mit einer de facto Übernahme von Entscheidungsfunktionen, die formell dem Staat vorbehalten waren, durch Fachvertreter zu erklären ist. So weit sollte man angesichts der Bedeutung, welche dem Kongress beigemessen wurde sowie angesichts der Ungewohnheit der damit verbundenen Probleme jedoch nicht gehen. Zweifellos besaß insbesondere der allgegenwärtige Kongresspräsident mit seinen internationalen Ver75 Bauerkämper, Arnd (2005). Die Sozialgeschichte der DDR. München: Oldenbourg. Bauerkämper, Arnd, Danyel, Jürgen, Hübner, Peter & Roß, Sabine (Hrsg.). (1997). Gesellschaft ohne Eliten? Führungsgruppen in der DDR. Berlin: Metropol. Hübner, Peter (1999). Antiautoritäre Eliten. In Peter Hübner (Hrsg.), Eliten im Sozialismus (S. 9-35). Köln: Böhlau. Jessen, Ralph (1999). Zwischen Bildungspathos und Spezialistentum. Werthaltungen und Identitätskonstruktionen der Hochschullehrer in West- und Ostdeutschland nach 1945. In Hübner (1999), a. a. O. (S. 361-380). 76 Konrad, Györgi & Szelenyi, Iván (1978). Die Intelligenz auf dem Weg zur Klassenmacht. Frankfurt a. M.: Suhrkamp (S. 292).
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bindungen gegenüber der Politik eine starke Position. Doch diese musste er im ständigen Dialog mit Partei und Ministerium nutzen, um Einsicht in die fachlichen Notwendigkeiten zu vermitteln und Zustimmung zu erwirken.77 PRAGMATISMUS UND KONFLIKTVERMEIDUNG AUFGABE IDEOLOGISCHER ZIELE
AUCH IN DER
DDR: VERTEIDIGUNG
UND
Die bis tief in die Wissenschaft reichende Ideologie ist unverkennbar. Die wichtigsten ideologischen Ziele anlässlich des Leipziger Kongresses waren: Vorzugsstellung marxistisch-leninistisch fundierter Wissenschaft, Repräsentation sozialistischer Länder und Ausschluss von Teilnehmern aus politisch missliebigen Ländern. Dem standen international vermittelbare wissenschaftliche und organisatorische Ziele entgegen: ein anspruchsvolles Vortragsprogramm, ein reibungsloser Programmablauf, ein eindrucksvolles Kulturprogramm, eine hohe Teilnehmerzahl, die auch gute Einnahmen sicherte. Man täte zwar der marxistischen Ideologie unrecht, würde man bestreiten, dass sie sich auch zur Begründung der zuletzt genannten Ziele eignete. Aber die zuerst genannten waren doch die ideologisch spezifischen. Die Hoffnung und Erwartung der doktrinär eingestellten Funktionäre war wohl, man könne die spezifisch ideologischen Ziele erreichen und zugleich die fachwissenschaftlichen. Diese Hoffnung und diese Erwartung erfüllten sich nicht. Tatsächlich entstand ein Zielkonflikt. Ein Boykott des Kongresses aus dem Westen drohte, falls die Behörden der DDR ein einseitiges Programm und eine restriktive Einreise durchsetzten; nicht einmal eine Absage des Kongresses durch die Internationale Union war dann auszuschließen. Unter dem Druck dieses Zielkonfliktes bestand man nicht mehr auf ideologischen Zielsetzungen und willigte in pragmatische Lösungen ein, die Konflikte beseitigten. Die vorhandenen Dokumente belegen, dass es vorwiegend Vertreter der Partei waren, die ein ideologisch begründetes Vorgehen forderten, während sämtliche maßgeblichen Fachvertreter sich über ein pragmatisches Vorgehen einig waren. So waren es Fachvertreter, die den von dem beschriebenen Zielkonflikt ausgehenden Druck verstärkten, um die Politik zum Einlenken auf die pragmatische Linie zu bewegen. Mehrere Zeitzeugen haben berichtet: Der Kongresspräsident Klix hat in kritischen Situationen an die Abteilung Wissenschaften und das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen appelliert, hat auf ihre Verantwortung für das Gelingen des Kongresses hingewiesen und wohl auch vor den negativen politischen und wirtschaftlichen Folgen eines Misslingens gewarnt.78 Man wird also insgesamt eine ideologische Haltung vorzugsweise den Vertretern der Partei zuweisen und eine pragmatische Haltung vorzugsweise den Vertretern der Wissenschaft. Doch so berechtigt eine solche pauschale Zuweisung sein mag, so sehr ist auch zu betonen: Die Grenzen zwischen Partei und Wissenschaft waren 77 Rückert, Jürgen. Mündliche Mitteilung vom 17. 12. 2007. Schaarschmidt, Uwe. Mündliche Mitteilung vom 3. 12. 2007. 78 Hacker, Winfried. Mündliche Mitteilung vom 15. 2. 2008. Rückert, Jürgen. Mündlíche Mitteilung vom 17. 12. 2007.
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keine strengen. Parteilichkeit gab es unter Wissenschaftlern, und einzelne Politiker konnten von der Parteilinie abweichende Urteile bilden. So zeigt diese Studie nicht nur das Bestehen von Fronten, sondern auch die Überwindung der Ideologie durch Pragmatismus selbst auf der politischen Seite. Konzessionen zu Lasten der strengen Parteilinie hat es in der DDR nicht nur im Falle des Faches Psychologie und nicht nur zugunsten ihres Internationalen Kongresses in Leipzig gegeben. Port hat eine beeindruckende Fülle von Belegen von unorthodoxen Entscheidungen zusammengetragen, mit denen Parteifunktionäre den Bedürfnissen von DDR-Bürgern entgegen gekommen sind. Die Erklärung ist plausibel, dass die von der Partei zu verantwortenden Widersprüche und Mängel das Land schon lange vor der schließlich eintretenden Revolution im Jahre 1989 zu destabilisieren drohten, und deshalb einsichtige Funktionäre Abweichungen von Parteivorgaben zustimmten oder zumindest duldeten.79 Wie schwer der Politik die Aufgabe ideologischer Vorgaben fiel, wird aus der öffentlichen Berichterstattung über den Kongress (Kapitel 8, S. 235) wie aus dem Abschlussbericht des Ministeriums (Kapitel 8, S. 232) deutlich. Beide hielten an der Version fest: Die ideologischen Ziele seien nicht nur beibehalten, sondern auch erreicht worden. Der Kongress – so das offizielle Fazit – habe der Fachwelt einen nachhaltigen Eindruck von der Leistungsfähigkeit, ja sogar von der Überlegenheit der im Geiste des Marxismus-Leninismus betriebenen psychologischen Forschung und Praxis vermittelt. Man zeigte sich hoch befriedigt über die Erfüllung weniger und unerheblicher ideologischer Forderungen – wie der Ost-West-Parität bei der Leitung von Symposien. Bei der einschneidendsten Konzession, der so gut wie freien Einreise für Kongressteilnehmer, konnte man sich mit deren kurzfristigen Geltung rechtfertigen. Es war dieser Regelung keine Dauer zugedacht. Die DDR-Behörden dachten sicherlich nicht daran, sie über die Kongresszeit hinaus zu verlängern. Dass die Partei zudem ihren Widerstand gegen die Verabschiedung der Resolution zur Reisefreiheit für Wissenschaftler aufgab (s. Kapitel 8, S. 228), bedeutete sicher nicht, dass sie in Zukunft ihren eigenen Wissenschaftlern Reisegenehmigungen freigiebiger erteilen würde. Es war nicht einmal auszuschließen, dass die Berufung auf diese Resolution – ebenso wie auf das Helsinki-Protokoll – Antragstellern den Vorwurf der Staatsfeindlichkeit eingetragen hätte. Was kam in der Wende von Ideologie zum Pragmatismus zum Vorschein? Zweifel an der eigenen Ideologie, das Bedürfnis nach Stabilisierung im eigenen Lande, die Bereitschaft zu internationaler Verständigung, politischer und wirtschaftlicher Opportunismus auf der Suche nach internationaler Anerkennung und Deviseneinnahmen? Ein wichtiger Grund war wohl das Verblassen propagierter Feindbilder und ein zunehmend positives Bild des Westens. In der Bevölkerung verbreiteten sich Kenntnisse über das freiere Leben und die bessere Versorgung in westlichen Ländern. Für Wissenschaftler in der DDR wurden westliche Forschungsprojekte und Forschungsmethoden vorbildlich, die im Westen verfügbaren Forschungsmittel erstrebenswert. Überdies sahen sich die DDR-Forscher im Westen nicht ausgegrenzt; ihre Beiträge fanden eine durchaus 79 Port, Andrew I. (2010). Die rätselhafte Stabilität der DDR. Arbeit und Alltag im sozialistischen Deutschland. Berlin: Links.
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freundliche Resonanz in westliche Wissenschaftlergruppen. Politisch genährte Vorurteile schwanden und persönliche Bindungen entstanden. Vertreter der DDR-Politik konnten sich dieser Zuwendung zum Westen nicht entziehen. Selbst wenn sie die westlichen Gesellschafts- und Regierungssysteme grundsätzlich ablehnten, beeindruckte sie doch die wirtschaftliche Leistung westlicher Industriestaaten. Obwohl diese zu Erscheinungsformen des „Klassenfeindes“ erklärt wurden, sammelte man über sie Informationen und suchte mit ihnen Austausch im Handel.80 Mit äußerster Zuvorkommenheit begegnete man den nach Leipzig eingeladenen westlichen Wissenschaftlern. Es war bemerkenswert, wie häufig die Abteilung Wissenschaften und das zuständige Ministerium das Urteil von westlichen Teilnehmern zum Maßstab des Gelingens des Kongresses machten. In der Formulierung des früheren Parteisekretärs der Gesellschaft für Psychologie der DDR, Walter Mäder: „Was die Einschätzung des Kongresses betrifft, so konnte sich die Gesellschaft, die Partei- und Staatsführung rückhaltslos den Einschätzungen der Internationalen Gesellschaft und der internationalen Vertreter auf dem Kongress vollinhaltlich anschließen.“81 Die parteilich gelenkte Berichterstattung hob immer wieder lobende Stimmen aus dem westlichen Ausland hervor (s. Kapitel 8, S. 240). Von Anfang an groß war der Respekt für die Internationale Union. Ungeachtet vorheriger Beschlüsse zur Übertragung der Kongressleitung an die DDR-Akademie und später an das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, räumten die maßgebenden Organe ein: Die thematischen Schwerpunkte des Kongresses sowie die Personen, denen die Gestaltung überlassen wird, liegen in der Zuständigkeit des Exekutivkomitees, … . Man kann aber davon ausgehen, daß die Qualität der Vorbereitung wesentlich darüber mitbestimmt, in welchem Umfang die eingereichten Vorschläge verwirklich werden können.82
Im Verlauf der Kongressvorbereitungen dürfte sich die Aufmerksamkeit der Politik gegenüber der Internationalen Union sowie der westlichen Teilnehmer überhaupt sogar zur Besorgtheit um deren Wohlwollen gesteigert haben, ja sogar zur Angst vor ihrer ablehnenden Kritik. Die Frage ist zudem: Hat sich in der DDR tatsächlich eine marxistisch-leninistische Psychologie entwickelt, die Partei und Wissenschaft international zu propagieren und gegen ihre – nicht zuletzt politisch motivierten – Gegner zu verteidigen gehabt hätten? Es wurde oben bereits berichtet, dass seit den 1960er Jahren in der DDR eine neue Generation psychologische Forschung und Lehre betrieb, die sie entweder ausdrücklich 80 Balbier, Uta A. (Hrsg.). (2006). Umworbener Klassenfeind: das Verhältnis der DDR zu den USA. Berlin: Links. Krewer, Peter (2008). Geschäfte mit dem Klassenfeind. Trier: Kliomedia. 81 Mäder, Walter. Schriftliche Mitteilung vom 28. 11. 2007. 82 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliche Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR (bestätigt am 12. 7. 1977). Revidierte Fassung: BArch DC 20/I 4, 3837, Bl. 17-29. Wissenschaftspolitische Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR. (Ein längerer Auszug befindet sich als Materialie C auf S. 316.)
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als marxistisch bezeichnete oder doch zumindest in die sozialistische Wissenschaftspolitik einordnete. Dabei sind die Schwierigkeiten nicht zu unterschätzen, eine Ideologie wie die sozialistische in der psychologischen Theorie zu verankern. Bemühungen um die Einführung marxistischer Ansätze haben sich mühsam und nicht recht ergiebig gestaltet. Es fehlte in den Texten von sich zum Marxismus bekennenden DDR-Autoren nicht an Bekundungen der Treue zu weltanschaulichen Prinzipien. Ihre Auseinandersetzung mit anders fundierten Theorien aus westlichen Ländern ist aber nicht als ergiebig zu bezeichnen. Einschlägige Forschungen aus dem Westen wurden oft übergangen. Andere, so weit berücksichtigt, wurden oft pauschal als „bürgerlich“ abgewertet; ihnen wurden eine mangelhafte gesellschaftstheoretische und methodologische Grundlage sowie Dienstfertigkeit für Kapital und Militarismus bescheinigt.83 Wieder andere Forschungen wurden ebenso vorschnell als kompatibel mit dem Marxismus vereinnahmt. Es ist nicht schwer, jene ideologisch geprägte Schriften wegen ihrer unzureichenden Charakterisierung der Gesellschaften in Ost und West, ihrer mangelnder Vertrautheit mit dem aktuellen Forschungsstand und ihrer unreflektierten wissenschaftstheoretischen Grundlage abzulehnen. Dabei gibt es in der Psychologie durchaus Platz für empirisch und wissenschaftstheoretisch fundierte Kritik an psychologischer Forschung und Praxis im Namen von Marxismus und Humanismus. Diese ist allerdings eher im Westen erschienen und dort kontrovers diskutiert worden. Sie richtet sich gegen eine diagnostische und intervenierende Praxis, welche ihrer Meinung nach Menschen niederer sozialer Schicht – und zwar die Mehrheit der Bevölkerung – ausbeutet, sowie gegen (insbesondere experimentelle) Forschungsmethoden, die ihren Gegenstand nach dem Muster industrieller Fertigung normierten und entmündigten.84 Zu einer solchen Kritik der experimentellen Psychologie bekannte sich in der DDR jedoch kein einziger prominenter Fachvertreter, und bis zu den politischen Funktionären ist diese wohl gar nicht durchgedrungen. Experimentelle Psychologie wurde in der DDR vielmehr hoch geschätzt; sie galt als Königsweg der praktisch relevanten psychologischen Grundlagenforschung. Was Diagnostik und insbesondere klinische Praxis anbelangt, hörte man in der DDR durchaus politische Vorbehalte. Diese waren in den 1970er Jahren jedoch im Schwinden, wie das Aufkommen der Klinischen Psychologie und die Gründung eines Psychodiagnostischen Zentrums an der Berliner Humboldt-Universität belegen (Kapitel 8, S. 247). Selbst in der DDR dürfte die Psychologie im Interesse eines zügigen Aufbaus der Forschung und der Systematik der Lehre an traditionelle – im DDR-Jargon „bürgerliche“ – Bestände angeknüpft haben. Diese sind dann – zunehmend im Anschluss an die im Westen aufblühende Forschung und Praxis – nach Kräften fortentwickelt worden. Dazu wieder Hacker:
83 Z. B. Kühn, Horst (1980a). Bürgerliche Psychologie in der BRD. Berlin: Volk und Wissen. 84 Z. B. Holzkamp, Klaus (1973). Sinnliche Erkenntnis – Historischer Ursprung und gesellschaftliche Funktion der Wahrnehmung. Frankfurt a. M.: Campus. Jaeger, Siegfried & Staeuble, Irmingard (1978). Die gesellschaftliche Genese der Psychologie. Frankfurt a. M.: Campus.
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. … ich hatte manchmal den Eindruck, dass die DDR-Psychologie eine bürgerlichere Psychologie war als die westdeutsche. Ich muss ehrlich sagen …, dass wir das nicht als Generationensprung erlebt haben, sondern dass der eigentliche Sprung doch in anderen Fächern, also in den philosophischen Disziplinen … . Gottschaldt, Straub, Fischel, das waren für uns sozusagen die Vaterfiguren und die Brücke zu einer bürgerlichen Kulturtradition.85
In anderen sozialistischen Ländern war die Situation keine andere. Welche Psychologie meinten also die Vertreter der Parteilinie, als sie forderten, der Kongress solle der marxistischen Psychologie ein Forum bieten? Welche psychologischen Projekte hätte man aus dem Kongressprogramm ausschließen müssen, weil sie den politischen Anforderungen des Systems nicht entsprachen? Die Partei hat wohl ohne unvoreingenommene Prüfung an die Entstehung einer eigenständigen marxistisch-leninistisch fundierten Psychologie geglaubt. Man erachtete Loyalitäts- und Konformitätserklärungen vonseiten der Fachwissenschaftler als ausreichende Belege für die gewünschte Neuorientierung der Wissenschaft. Parteifunktionäre, eher – wie oben erläutert – ideologisch geschult als wissenschaftlich gebildet, verkannten, dass Zitate aus Klassikern des Sozialismus, Reproduktionen von FreundFeindbildern und Berufungen auf natur- und erkenntnisphilosophische Prinzipien oft nur Zugaben waren, welche den empirischen Gehalt, die theoretische Analyse und die praktische Anwendung nicht wesentlich berührten. Sowohl politische Funktionäre wie weltanschaulich engagierte Wissenschaftler zeigten sich eher hilflos in der fundierten Diskussion anthropologischer Voraussetzungen, sozialer Konsequenzen und wissenschaftstheoretischer Implikationen psychologischer Forschung. Gleichwohl fand die Partei ein probates Kriterium für die Unterscheidung sozialistischer und bürgerlicher Forschung: Die Herkunft der Forscher aus den beiden Systemen. So wurden für die politische Führung Forschungen aus sozialistischen Ländern – vorzugsweise aus der DDR und der Sowjetunion – zur Referenz für fortschrittliche, weil politisch-ideologisch unanfechtbare Wissenschaft, während Forschungen aus westlichen Ländern – allen voran aus den USA und der Bundesrepublik – als bürgerlich oder kapitalistisch abgewertet wurden. Entsprechend richtete die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees ihre Aufmerksamkeit auf die Nationalitäten der Teilnehmer und kam auf die Idee, den Anteil der Vortragenden aus westlichen Ländern sowie deren Anteil an der Leitung von Symposien beschränken zu wollen. Nachdem dann das einfache Kriterium der Personenzahl zufrieden stellend erfüllt war, wurde vonseiten der Partei auf eine inhaltliche Kontrolle des Kongressprogramms kein Wert mehr gelegt. Den Fachvertretern kam diese Vereinfachung entgegen. Hatten sie doch selbst ein starkes Interesse der Profilierung ihrer in der DDR angesiedelten Forschung. Daher betrieben sie intensiv die Entwicklung des eigenen Nachwuchses und die Förderung ihrer eigenen Programme durch Symposien vor dem Internationalen Kongress. Doch dürften sie die Profilierung der regionalen Forschung nur so weit zum Zwecke der weltanschaulichen Missionierung betrieben haben, als sie ideologisch gebunden waren und der Partei bei ihrer Reduktion gesellschaftlicher Zugehörigkeit auf geografische folg85 Hacker, Winfried. Mündliche Mitteilung vom 15. 2. 2008.
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ten. Man darf nicht annehmen, dass dies viele Wissenschaftler ernsthaft taten. Damit löste sich freilich Wissenschaft aus dem ihm von der Partei zugedachten gesellschaftlich-politischen Zusammenhang. Was blieb dann noch von der Einheit von Politik und Wissenschaft, zu der die „Neue Intelligenz“ erzogen werden sollte? Die Schlussfolgerungen waren: „Es sind … zwei Welten, die Welt der Ideologie … und die Welt der Realität; darin spielen verschiedene Akteure.“ Und im Bezug auf die Wissenschaft der Psychologie: „ .. es gibt keine kapitalistische und keine sozialistische … Psychologie, und das Andere ist eben keine.“86 Man darf also „die DDR“ nicht als eine homogene Menge betrachten. Machtverhältnisse und Einstellungen haben sich im Laufe ihres Bestehens differenziert. Es gab ein Neben-, Gegen- und Miteinander von Gruppierungen, die teils mehr der Partei, teils mehr der Wissenschaft und meist beiden zugeordnet waren. Unverkennbar gab es Kräfte, welche die Parteiideologie unvermindert aufrecht zu erhalten trachteten. Doch zumindest unter den in dieser Studie begegnenden Vertretern der Abteilung Wissenschaften sowie des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen gab es die Bereitschaft zu pragmatischen Lösungen unter Zurückstellung von Ideologie. Zu beobachten ist freilich, dass Vertreter der Fachwissenschaft solche Lösungen initiiert, ja dass sie mit den Mitteln der Persuasion, wohl mitunter auch der Manipulation darum gekämpft haben. Über Zuständigkeitsgrenzen hinweg kamen so Koalitionen für Pragmatismus und Konfliktvermeidung zustande. Jene Koalitionen wurden wohl erst möglich, nachdem die Wissenschaft zu einer Elite geworden war, welche die Partei einbinden wollte. Wie weit waren sich die Wissenschaftler der ihnen zugewachsenen gesellschaftlichen Bedeutung bewusst? Jedenfalls gibt es in dem vorliegenden Material keine Anzeichen, Wissenschaft in aller Form aus politischen Abhängigkeiten zu befreien. Zu dem vorherrschenden Pragmatismus gehörte die Befriedigung, Partei und Behörden fallweise Konzessionen abringen zu können – und sei es nur über persönliche Interventionen. Auf informelle Weise vorhandene Gestaltungsspielräume zu erhalten und auf Dauer möglichst noch zu erweitern, erschien als richtige Strategie. Offener Protest und grundsätzliche Forderungen wurden wohl nicht erwogen. Für sie waren jedenfalls in der Psychologie keine Mehrheiten zu beschaffen – sei es aus verbliebener Loyalität zur Partei, sei es aus Angst, deren Wohlwollen zu verlieren. Was speziell die Psychologie anbelangt, war sie als kleines Fach auch über den Kongress hinaus auf die Unterstützung der Partei angewiesen; ohne sie glaubte sie nicht, sich in Forschung und Praxis fortentwickeln zu können. Gute politische Beziehungen schienen dafür die notwendigen Voraussetzungen zu sein und nicht Widerstand gegen politische Bevormundung. So nahm man auf Seiten der Psychologie widerspruchslos Direktiven entgegen und unterzog sich geduldig den Parteischulungen. Manche der Erklärungen waren auf Einordnung in die politische Linie der Partei bedacht – etwa die Verpflichtung von Kongressteilnehmern auf „die Prinzipien der friedlichen Koexistenz einschließlich der Abgrenzung gegenüber allen Beeinflussungsversuchen des westdeutschen Imperialismus und Sozialdemokratismus“. Andere griffen 86 Hacker, Winfried. Mündliche Mitteilung vom 15. 2. 2008.
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unmittelbar in den wissenschaftlichen Austausch ein – zum Beispiel sei „der Informationsabfluß aus eigenen Arbeiten möglichst gering zu halten und Voraussetzungen für einen hohen Informationsgewinn zu schaffen“.87 Sicher gab es Wissenschaftler, die Solidaritätserklärungen aus voller Überzeugung abgaben und sich allen Direktiven willig unterwarfen. Wem Direktiven widerstrebten, der konnte sie wenigstens als unerlässliche Voraussetzungen für gewünschte Genehmigungen oder Förderungen akzeptieren; die Verantwortung hierfür konnte er der Partei zuschreiben, die ihre Anerkennung zur unerlässlichen Voraussetzung gemacht hatte. Zeitzeugen versichern, Solidaritätsbekundungen sowie Zustimmungen zu Direktiven seien zu Routinen geworden, denen man sich in der DDR um des beruflichen Fortkommens und persönlicher Vorteile willen unterzogen habe.88 Die Gesellschaft für Psychologie in der DDR als nationale Vertretung der Psychologen akzeptierte die für das Fach vorgesehenen Kontrollgremien, so lange diese nützlich kooperierten. Mit diesem Einverständnis unterwarf man sich insbesondere der Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED und – bis zum Leipziger Kongress – dem Nationalen Vorbereitungskomitee. Widerstand gab es freilich gegenüber der Akademie der Wissenschaft, welche die Selbstbestimmung des Faches empfindlich einschränkte. Es ist bemerkenswert, dass man sich selbst dieser Instanz nicht im unmittelbaren Konflikt entledigte, sondern durch Anrufung der der Akademie vorgeordneten Abteilung Wissenschaften und in Übereinstimmung mit dieser (s. Kapitel 3, S. 87). Umgekehrt habe die Partei bei der Kontrolle von Wissenschaftlern eine gewisse Großzügigkeit walten lassen. So habe man sich oft mit pro forma abgegebenen Solidaritäts- und Verpflichtungserklärungen zufrieden gegeben. Tatsächlich finden sich unter den geprüften Dokumenten, vor allem aus dem Bereich des Staatssicherheitsdienstes (s. Kapitel 7), keine Beurteilungen der Glaubwürdigkeit abgegebener Erklärungen. Überdies habe die Strenge der parteilichen Unterweisungen über die Jahre abgenommen. Wurde zu Beginn der 1970er Jahre noch viel Wert auf bekennerhafte Rückmeldungen vonseiten der Schulungsteilnehmer gelegt, so beschränkte man sich bei der Schulung für Kongressteilnehmer im Jahre 1980 auf Vorträge, zu denen sich die Zuhörer nicht zu äußern brauchten. Solche Vorträge „abzusitzen“ wurde dann eine gewohnte Strategie.89 Man kann wohl verallgemeinern: Die Kooperation von Partei und Wissenschaft bildete eine Ebene in ihrer Beziehung, eine zweite bildete eine Rhetorik, welche die Illusion eines hohen Konsenses erzeugte. Wie die vorliegenden Dokumente zeigen, stellten sich die politisch beherrschenden Instanzen in den Dienst der Wissenschaft; die Wissenschaft ihrerseits wurde nicht müde, ihre Bereitschaft und Fähigkeit zu gesellschaftlich bedeutsamen Beiträgen zu beteuern. Auf der rhetorischen Ebene lobte die Politik bereitwillig die Wissenschaft, die ihrerseits ihre Loyalität mit Partei und Regierung bekundete. Dabei war der Austausch von Erklärungen weitgehend immun gegen abwei87 HUBA GPs-DDR 785a. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Direktive XX. Internationaler Kongreß für Psychologie 13. - 19. August 1972 in Tokio. 88 Hacker, Winfried. Mündliche Mitteilung vom 15. 2. 2008. 89 Rössler, Hans-Dieter. Mündliche Mitteilung vom 29. 11. 2007. Sprung, Lothar und Helga. Mündliche Mitteilung vom 12. 11. 2007.
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chende Meinungen, die man gerade unter Wissenschaftlern zahlreich vermuten konnte. Wie für andere Bürger der DDR konnte man den äußeren Konsens bekunden und sich ihm zugleich durch innere Reservationen entziehen; man konnte sich davon innerlich ganz distanzieren oder der äußeren Bekundung eine eigene, von der Parteilinie abweichende Deutung geben. So schloss Kritik gegenüber der Partei Treue zu einer – dann eben individuellen – sozialistischen Weltanschauung nicht aus; Kritik am Staat ließ immer noch Loyalität gegenüber dem Land und seinen Bürgern zu.90 Aus den erhobenen Befunden zum Fach Psychologie lässt sich also zusammenfassend verallgemeinern: Bis zum Jahre 1980 war die Dissoziation zwischen der Partei als Machtelite und wissenschaftlichen Funktionseliten weit fortgeschritten. Interessant ist am untersuchten Fall, dass eine Wissenschaft zum Widerpart der Partei wurde, die sich offen auf Kräfte aus dem von der Partei vorher zum Gegner erklärten westlichen Lager stützte. Es war freilich eine Dissoziation ohne Rebellion; beide Eliten suchten die Symbiose. Auf einer rhetorischen Ebene wurde noch die überkommene sozialistische Ideologie gepflegt, während man auf der Handlungsebene um international anrechenbaren Erfolg und die Meidung von Konflikten bemüht war. Unter diesen Umständen blieb die Machtelite in ihrem Anspruch auf Kontrolle grundsätzlich unangefochten; gleichwohl war unübersehbar, dass die Funktionselite sich Gehör verschaffte und ein Stück Selbstbestimmung verwirklichte. WAR DER ERFOLG DES LEIPZIGER KONGRESSES EIN SIEG DES SOZIALISMUS? Das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen der DDR hatte dem Leipziger Kongress unmittelbar nach dessen Abschluss einen überaus erfolgreichen Verlauf bescheinigt (s. Kapitel 8, S. 232). Noch über Jahre sollte in der DDR der Ruf des überaus gelungenen Kongresses nachhallen (s. Kapitel 8). Tatsächlich dürfte die Wirksamkeit der Organisation die Standards des Gastlandes übertroffen haben. So erinnert sich der (sonst eher als Dissident auftretende) Jenenser Professor Böttcher: Der riesige Kongress klappte so gut wie sonst wenig in der DDR. … Der Kongreßband „Proceedings“ … und die beiden Abstracts-Bände … lagen pünktlich vor – etwas ganz Ungewöhnliches im Publikationswesen der DDR, das sonst immer, wenn es sich nicht um Parteitags- und Schulungsliteratur handelte, mit quälend großen, vieles veralten lassenden Zeitverschiebungen „arbeitete“.91
Über den organisatorischen Erfolg hinaus wurde die Internationalität der Teilnehmer sowie die strenge Wissenschaftlichkeit des Programms gerühmt (s. Kapitel 4, S. 123 und 141). Tatsächlich dürften nicht nur die Veranstalter, sondern auch die zahlreichen Teilnehmer aus aller Welt mit dem Kongress überwiegend zufrieden gewesen sein. Wer mit Befürchtungen über ideologische Verzerrungen, unzureichende Organisation oder 90 Vgl. Böttcher, Hans Richard (2001). Verstrickt ins 20. Jahrhundert. Jena: quartus (S. 244). Geulen, Dieter (1998). Politische Sozialisation in der DDR. Opladen: Leske & Budrich. Lindenberger, Thomas (Hrsg.). (1999). Herrschaft und Eigen-Sinn in der Diktatur. Köln: Böhlau. 91 Böttcher, Hans Richard (2001). Verstrickt ins 20. Jahrhundert. Jena: quartus (S. 244f.).
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mangelhafte Versorgung in das Ostblockland gereist war, ließ sich schnell eines Besseren belehren. War der Leipziger Kongress also ein Härtetest für den sich konsolidierenden Sozialismus gewesen, und hatte sich das System in diesem Test bewährt? Bei der Auseinandersetzung mit dieser Frage sind zwei Aspekte zu unterscheiden: Erstens, inwiefern waren es staatliche Kompetenz und sozialistische Strukturen, die dem Kongress seinen Erfolg sicherte? Zweitens, falls es nicht der sozialistische Staat war, dem der Erfolg zuzuschreiben ist: auf welchen Voraussetzungen beruhten dann die organisatorische und wissenschaftliche Leistung? Zur ersten Frage: Kapitel 3 schildert das Netzwerk von Gremien, mit denen die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED der Gesellschaft für Psychologie der DDR die Zuständigkeit für den Kongress entzog, um diesen seiner eigenen politischen Kontrolle zu unterwerfen. Zugleich stellt das Kapitel dar, wie ein Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee, das ausschließlich die wichtigsten Vertreter der Gesellschaft vereinte, zur Zentrale der Kongressvorbereitung wurde. Dies bedeutete praktisch: Den maßgeblichen Fachvertretern war letztlich die Zuständigkeit für den Kongress nicht zu nehmen gewesen. Indem sie mit dem gleichen Personal unter dem Namen eines untergeordneten Organs agierten, erhielten sie leichteren Zugang zu Ressourcen, die sämtlich unter staatlicher Kontrolle waren. Zum Beispiel konnte der Generalsekretär die rechtzeitige Fertigstellung von Druckereiprodukten unter Berufung auf die Abteilung Wissenschaften und den Minister für Hoch- und Fachschulwesen anmahnen (s. Kapitel 4, S. 153). Es herrschte eine systembedingte Dialektik: Mit den Machtansprüchen der SED hatten sich in der DDR sowohl eine Mangelwirtschaft als auch eine bürokratische Verwaltung ausgebreitet; unter beiden drohte die Kongressvorbereitung zu leiden, ja sogar zu scheitern. Nachdem die SED jedoch den Kongress zu ihrem eigenen Projekt gemacht hatte, konnten die Fachvertreter sich der Autorität der Partei und ihres Staates zur Überwindung der Hindernisse in Wirtschaft und Verwaltung bedienen. Vertreter von Partei und Staat meinten wohl, mit der Delegation ihrer Macht an die Fachvertreter diese auch in ihre Politik einzubinden. Das Erfolgsrezept der Veranstalter war jedoch eher umgekehrt, sich politischer Macht zu bedienen, um internationale wissenschaftliche Standards zu verwirklichen. Die oben gestellte zweite Frage ist nach mehreren Aspekten zu differenzieren, die den Erfolg des Kongresses ausmachten. Ein traditionell wichtiges Erfolgskriterium für öffentlich stattfindende wissenschaftliche Kongresse ist die Zahl der Teilnehmer. Die Veranstalter des Leipziger Kongresses konnten mit namentlichen Teilnehmerlisten belegen: Sie hatten mehr Teilnehmer angezogen als alle Internationale Kongresse für Psychologie im Westen je zuvor. Lediglich der Moskauer Kongress 1966 hatte eine größere Teilnehmerzahl gemeldet. Was immer so viele Fachleute nach Leipzig geführt hat, ist nicht mehr zu ermitteln – die zentrale Lage der Stadt in Europa, die leichte Zugänglichkeit aus den Ländern des Ostblocks oder was auch immer. Auf jeden Fall übte die Kongressveranstaltung selbst aufgrund ihrer Tradition und ihrer Alleinstellung als internationale Leistungsschau für die gesamte Psychologie eine hohe Anziehungskraft aus. Die Attraktivität der DDR als sozialistisches Land wird nur wenige zur Kongressteilnahme bewegt haben. Im Gegenteil: Misstrauen gegenüber dem Land, bekräftigt
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durch eine lange praktizierte diskriminierende Einreisepolitik, beeinträchtigten die Werbung für den Kongress. So bedurfte es erst der Aufgabe der restriktiven Einreisepolitik, um einen zentralen Hinderungsgrund für die Teilnahme zu beseitigen. Die letztlich konstruktive Haltung der Regierung der DDR war einer der Schlüssel zum Erfolg, bedeutete allerdings nicht gängige sozialistische Praxis, sondern deren zeitweilige von außen erzwungene Rücknahme; als spezifisch sozialistischer Beitrag zum Gelingen des Kongresses ist die Liberalisierung der Einreise für die Dauer des Kongresses nicht zu verbuchen. Ein weiteres wichtiges Erfolgskriterium ist die Zufriedenheit der Teilnehmer mit ihrer Versorgung und Unterhaltung. In der DDR war das eine Frage der Zuteilung knapper Ressourcen. Für Zwecke des Kongresses zeitgerecht zuzuteilen waren vor allem die Ressourcen für die Versorgung der Teilnehmer und für das Kulturprogramm – Hotelkapazitäten, Nahrungs- und Transportmittel, Konzerttermine und Ähnliches. Eigens für den Kongress sind wohl keine neuen Ressourcen geschaffen worden; auch Sonderimporte für diesen Zweck sind nicht bekannt. Vielmehr ist anzunehmen: Man griff auf vorhandene Hotelbetten zurück, leitete vorhandene Lebensmittelkontingente aus der Republik nach Leipzig um, zog Fahrzeuge aus dem Fuhrpark des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen und vermutlich auch aus dem Öffentlichen Personennahverkehr ab u. A. Es ist nicht einmal zu ersehen, dass Künstler in bedeutendem Umfang für Kongressteilnehmer Sonderveranstaltungen durchgeführt hätten. Vor allem was das Gewandhausorchester und den Thomanerchor anbelangt, welche die größten und denkwürdigsten Beiträge zum Kulturprogramm leisteten, ist anzunehmen, dass sie die Zahl ihrer Auftritte nicht zugunsten des Kongresses erhöhten, sondern Termine ihres Pflichtprogramms in die Kongresswoche legten. (Möglich ist freilich, dass die Wiederholung des Konzerts des Thomanerchors zunächst nicht vorgesehen war und diese nun doch als Sonderkonzert zu veranschlagen ist.) Sofern keine neuen Ressourcen geschaffen wurden, erfolgten bevorzugte Zuteilungen an Kongressteilnehmer zu Lasten der eigenen Bevölkerung. Partei und Staat hatten damit einmal mehr in die Verteilung von Gütern eingegriffen. Einmal mehr hatten partikulare Interessen – in diesem Falle der Kongressbesucher und -veranstalter – über das Interesse breiter Schichten der Bevölkerung den Vorzug erhalten. Hotellerie und Gastronomie sowie Orchester und Ausstellungen knüpften dabei an die örtlichen Traditionen an – mit Häusern am ehemals prächtigen Leipziger Ring, mit Musik von Bach und Beethoven und Schätzen der in Leipzig befindlichen Sammlungen. Die Stadt nahm die Besucher eher mit den wiederhergestellten historischen Bauten der Altstadt (wie dem alten Rathaus und der Börse) ein als mit Neubauten (wie dem weithin sichtbaren Universitätshochhaus). Die gut besuchten Leipziger politischen Kabaretts boten zwar aktuelle Programme, doch deren Reiz für die Besucher war die Regimekritik. Kräftige sozialistische Akzente sollte das Besichtigungsprogramm setzen (s. Kapitel 4, S. 137). Freilich hinterließen die Betriebsbesichtigungen eher einen zwiespältigen Eindruck, und die aufwändige Veranstaltung zur Rolle der Frau in der DDR (verbunden mit einer Modenschau) enttäuschte vor allem die auf Emanzipation bedachten Frauen aus dem Westen.
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Die zeitliche und räumliche Organisation des Kongressprogramms sowie die Betreuung der Kongressteilnehmer verdiente viel Anerkennung; durch hohen Personaleinsatz und umsichtiger Vorbereitung hat die Kongressleitung für einen weithin reibungslosen Ablauf gesorgt. Aus der Sicht der örtlichen Parteiorganisation kamen in diesen Leistungen sozialistische, ja kommunistische Tugenden zum Tragen (vgl. dazu Kapitel 3, S. 103). Doch der Systemvergleich widerspricht dieser Deutung. Denn in sozialistischen Ländern war Planwirtschaft einer effektiven Organisation oft im Wege, während westliche Länder über eine hohe Organisationskultur ohne staatliche Regie verfügten. Die effektive Organisation mit hohem Personaleinsatz ist nicht den Vorgaben von Staat und Partei zu verdanken, sondern dem Geschick und der Motivation der unmittelbar an der Vorbereitung und Durchführung Beteiligten – von der Kongressleitung bis zu den studentischen Hilfen, ihrer Gastfreundschaft und Kollegialität, ihrem Bedürfnis nach internationaler Profilierung und persönlicher Bewährung. Grundlage des wirtschaftlichen und organisatorischen Gelingens des Kongresses war also nicht eine nur dem Sozialismus zuzuschreibenden Infrastruktur und Versorgungslage, sondern die Verfügbarkeit traditioneller Ressourcen sowie der Einsatz und das Geschick zahlreicher Organisatoren. Dies mag regional- und fachtypisch gewesen sein; es war jedoch nicht systemspezifisch. Das herrschende System lieferte eher spezifische Schwachpunkte und Defizite, welche durch die Organisatoren zu kompensieren waren. Schließlich steht und fällt der Erfolg eines Kongresses mit seinem wissenschaftlichen Programm. Das Programm des Leipziger Kongresses folgte in seiner Struktur dem Vorbild seiner Vorgänger. Insbesondere die formale Strukturierung nach Symposien, thematischen Sitzungen und Einzelvorträgen wurde von dem Pariser Kongress 1976 übernommen. Was den Inhalt des Programms anbelangte, spiegelte sich darin die thematische Vielfalt der internationalen psychologischen Forschung. Die vielen Teilnehmer konnten zufrieden sein. Sie erlebten ein buntes Kaleidoskop des Standes der Psychologie in aller Welt, dabei eine gute Mischung aus bewährten Beständen (und namhaften Gelehrten) sowie neuen Forschungsergebnissen (und innovativen Nachwuchskräften). Wichtig für viele Teilnehmer: Mit eigenen, im Kongressbericht dokumentierten Beiträgen konnten sie sich der internationalen Fachöffentlichkeit präsentieren und damit ihre heimische Karriere unterstützen. In der Menge frei eingereichter Anmeldungen setzten die Fachvertreter aus der DDR Schwerpunkte im Bereich der von ihnen präferierten Forschung. Es war dies ein Mittel, um eigene Beiträge einem internationalen Publikum bekannt zu machen und im eigenen Land die Förderungswürdigkeit der eigenen Projekte zu demonstrieren. Die präferierten Themen – experimentelle Grundlagenforschung, insbesondere zur Kognitionspsychologie, Anwendungen in Erziehung und Arbeit – fügten sich zwanglos in das Spektrum der Anmeldungen aus aller Welt ein. Was dieses Spektrum zu überschreiten drohte, war der Wille der Partei, den Kongress explizit als Forum für marxistischleninistische Positionen zu nutzen. Mit ihren weiter gehenden ideologisch geprägten Vorstellungen ist die Partei bei der Programmgestaltung nicht zum Zuge gekommen. Der Grund hierfür war das oben beschriebene, von der International Union traditionell gepflegte Verfahren der weltweiten Ausschreibung und individuellen Anmeldung von Programmbeiträgen. Das Verfah-
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ren brachte eine Fülle von Angeboten aus aller Welt hervor, das durch aktuelle theoretische und methodische Vorlieben sowie durch die Förderpolitik staatlicher oder gemeinnütziger Institutionen bestimmt war; zudem zeigte sich darin die internationale Verteilung von Psychologen sowie deren Unterschiede in Ressourcenausstattung, Berufspraxis und Mobilität. Schließlich waren ausgesprochen marxistisch orientierte psychologische Forscher in den 1970er Jahren in der Minderzahl. Sie bildeten im Westen nur lokal stärkere Gruppen. Unterstellt man im Osten einen größeren Anteil, so ist immerhin zu berücksichtigen, dass die Zahl psychologischer Forscher in den sozialistischen Ländern weitaus niedriger lag als in nichtsozialistischen, und ihre Forschungsmittel waren geringer. Die Folge war: Für die Realisierung ideologischer Erwartungen vonseiten der Partei fehlte schlicht das erforderliche Angebot an Vortragsanmeldungen. Die Zahl von angemeldeten Beiträgen, die offen marxistisch-leninistische Positionen propagierten, war weit in der Minderzahl. Was die Partei an Ideologisierung angestrebt hatte – die Ausweitung des früher in der DDR selbst angeordneten „Meinungsstreits“92 auf die internationale Ebene – fiel also sozusagen mangels Masse aus. Überhaupt war es ein weltfremdes Unterfangen, ausgerechnet den Kongress der Internationalen Union zu einem Forum weltanschaulicher Demonstrationen und Auseinandersetzungen machen zu wollen. Der internationale Kongress war stets durch empirisch arbeitende Forscher dominiert, die unter Theoriediskussion die Erörterung datennaher Modelle verstanden, jedoch der darüber hinausgehenden philosophischpolitischen Grundsatzdiskussion abgeneigt waren. Vorreiter dieser Ausrichtung waren Forscher in den USA und in Großbritannien, was zur Folge hatte, dass als Kongresssprache sich immer stärker das Englische durchsetzte. Psychologen in aller Welt erwarben zwar schnell ausreichende Kenntnisse der englischen Sprache, um über Ergebnisse und Methoden der vorherrschenden Forschung zu kommunizieren; doch das englische Vokabular politischer Theorien blieb ungeübt. Theorieansätze und Fragestellungen, die gesellschaftspolitische Voraussetzungen thematisierten, waren daher bei großen Psychologentreffen marginal. Überwiegendes Desinteresse und Sprachbarrieren entmutigten somit die Anmeldung weltanschaulich und politisch exponierter Beiträge von allen Seiten. Als Forum für ideologische Propaganda waren Internationale Kongresse für Psychologie denkbar ungeeignet. Auch an spezifischer ideologischer Programmatik bot also der Kongress nichts, was man dem Sozialismus zuschreiben konnte, was dessen Repräsentation diente und dessen Leistungsfähigkeit demonstrierte. Die Partei hat schließlich die internationalen Maßstäben genügende Leistung als spezifisch sozialistische Errungenschaft gewertet. Der Begriff „sozialistisch“ bedeutete schließlich lediglich die Herkunft aus einem sozialistischen Land, vielleicht sogar nur die Herkunft aus der DDR selbst. Insofern maßen Partei und Behörden – wie bereits bemerkt (s. S. 302) – das Gelingen des Kongresses unter Anderem an der Menge von Teilnehmern aus dem Ostblock sowie an der achtbaren Darstellung von Forschungsprojekten aus dem eigenen Land. Dass nur die wenigsten Teilnehmer aus Ländern des Ostblocks dem Sozialismus das Wort redeten und die 92 Dumont, Kitty (1999). Die Sozialpsychologie der DDR. Frankfurt a. M.: Lang (S. 174 f., 201f.).
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beachteten Forschungsprojekte sich wissenschaftlichen Ansätzen aus dem Westen anschlossen, blieb dabei außer Betracht. Wiederum zusammenfassend: Nach so gut wie allen Kriterien wurde der Internationale Kongress für Psychologie 1980 in Leipzig ein Erfolg, weil er nach internationalen Regeln und damit traditionell und konventionell organisiert war. Die Traditionalität, Konventionalität und Internationalität des Umfeldes, der Organisation und des Programms waren das Erfolgsrezept des Leipziger Kongresses; Sozialismus war nicht sein Erfolgsrezept. Dem Kongress als wissenschaftlicher Veranstaltung kam kein Alleinstellungsmerkmal zu, das sich daraus ergab, dass er in einem sozialistischen Land sowie unter der Obhut einer sozialistischen Partei und deren Regierung stattfand. Die Feststellung, der Kongress sei als Ganzer ebenso gut gelungen wie seine westlichen Vorgänger und möglicherweise in Einzelheiten sogar besser als diese, berechtigt zwar zur Einschätzung, unter den spezifischen Bedingungen sozialistischer Systeme sei es möglich gewesen, dem Westen ebenbürtige Leistungen hervorzubringen. Eine Überlegenheit des Sozialismus als Gesellschaftssystem ist mit dem Gelingen des Leipziger Kongresses freilich nicht zu begründen. Dabei mögen Unterstützern aus Partei und Regierung der DDR ihre persönlichen Verdienste nicht abgesprochen sein. Doch was Partei und Regierung im Namen des Sozialismus an politischen Ideen und Institutionen ins Spiel brachten, hat das Gelingen des Kongresses eher gefährdet als gefördert. Erfolge im Sozialismus sind nicht notwendig Erfolge des Sozialismus. ABSCHLIEßENDE BEMERKUNGEN: FACHGESCHICHTE UND ZEITGESCHICHTE Die vorliegende Untersuchung konzentrierte sich auf empirisches Material – Archivalien und Zeitzeugenberichte – aus einer einzigen Disziplin, der Psychologie. Eingehend fokussierte sie auf einen einzigen Vorgang, den Internationalen Psychologenkongresses 1980 in Leipzig und dessen Vorgeschichte in dem Internationalen Verband, welcher den Kongress in Auftrag gab. Der Versuch der Interpretation führte schließlich in diesem Kapitel zu Fragen, die sich über die Psychologie hinaus überhaupt in der Wissenschaftspolitik der DDR stellen: Der Charakter der Staatspartei und ihr Auftreten als Machtelite, die Entwicklung der Wissenschaft und deren Ansprüche als Funktionselite, der Widerstreit von Wissenschaft und Politik sowie deren Kooperation in gemeinsamem Interesse. Wertvolle Gesichtspunkte zu der abschließenden Analyse hat die Zeitgeschichtsforschung beigesteuert, so dass das im Jahre 2003 gezogene Fazit von Burrichter und Malycha zum Stand der Erforschung der Wissenschaft in der DDR inzwischen als zu skeptisch erscheint: Es scheint überfällig, ein gravierendes Defizit in der Zeitgeschichtsforschung auszugleichen und mit einer übergreifenden Darstellung zum Verhältnis von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft zu beginnen. Es gilt, das Politische und das Wissenschaftliche als Komplex ineinander verwoben zu begreifen
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und vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Entwicklung historisch zu analysieren. Dabei könnte die Verbindung von personeller, institutioneller und kognitiver Ebene eine zentrale Rolle spielen … .93
Eine universell anwendbare Rahmentheorie wäre in der Tat wünschenswert. Fachhistorikern wäre sie hilfreich zur Gewinnung, Einordnung und Deutung ihrer Befunde. Die Frage ist jedoch, wie weit Fachgeschichten, deren Gesamtheit erst die Zeitgeschichte der Wissenschaft ausmacht, konvergieren und damit in den Rahmen einer einzigen Theorie passen. Zu Recht nennen Burrichter und Malycha Wissenschaft und Politik einen – insbesondere in der DDR auffällig verwobenen – Komplex aus personellen, institutionellen und kognitiven Elementen (s. o.). Es ist ihnen zuzustimmen, wenn sie sich gegen die Vorstellung wehren, Politik habe in der DDR Wissenschaft einseitig instrumentalisiert. Im Anschluss an Kocka und Mayntz 94 stellen sie vielmehr ein „symbiotisches Verhältnis gegenseitiger Beeinflussung und Durchdringung“ fest. Dieses Verhältnis mag stark variieren nach Fächern, nach Orten und Institutionen sowie nach Vorgängen; die Persönlichkeit der jeweils Beteiligten mag dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Formelle und informelle Ebenen mögen unterschiedliche Bilder zeigen. So ist man in der vorliegenden Studie aufgrund der formellen Organisation und der offiziellen Vorgaben geneigt, eine erhebliche Dominanz der Politik über die Wissenschaft anzunehmen, während die tatsächlichen Abläufe darauf schließen lassen, dass die Vertreter der Wissenschaft das Heft in der Hand hatten. Dominanzbeziehungen beruhen freilich auf Kommunikation und Interaktion, sie haben individuelle Eigenschaften der Beteiligten zur Voraussetzung. Insofern waren die hier berichteten Befunde zu Informationsstrategien gegenüber Zentralkomitee und Ministerium sowie Einschätzungen der Motivation und Leistungsfähigkeit von Zentralkomiteemitgliedern und Ministeriumsvertretern für den Untersuchungsfall aufschlussreich; auf andere Fälle übertragbar sind sie wohl nur recht bedingt. Hervorzuheben ist schließlich: Für die hier zentral behandelten Vorgänge – die Gründung einer nationalen Fachgesellschaft und deren Kongresseinladung an einen internationalen Dachverbandes – hatten als Referenz stets die internationale, nach westlichem Muster verfasste und von Personen aus dem Westen dominierte Wissenschaftlergemeinschaft; aus der Beziehung entstanden Konflikte – wie das Einreiseproblem, aber auch Anreize – wie Deviseneinnahmen; Funktionäre standen unter erheblichem Druck, Forderungen von westlicher Seite zu genügen. Eine derart unmittelbare Referenz zum Westen dürfte bei anderen Episoden der Wissenschaftspolitik in der DDR nicht bestanden haben. Wissenschaft und Politik dürften dort wohl lange und weitgehend als Teile eines geschlossenen Gesellschaftssystems operiert haben. Internationale Referenz ist also ein ausgeprägtes Merkmal in Studien wie der vorliegenden fachhistorischen. In ein universelles Rahmenmodell wäre dieses Merkmal als Moderatorvariable einzufügen. 93 Burrichter, Clemens & Malycha, Andreas (2003). Wissenschaft in der DDR. In Rainer Eppelmann, Bernd Faulenbach & Ulrich Mählert (Hrsg.), Bilanz und Perspektiven der DDR-Forschung (S. 300-307). Paderborn: Schöningh (S. 306). 94 Kocka, Jürgen & Mayntz, Renate (Hrsg.). (1998). Wissenschaft und Wiedervereinigung. Berlin: Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Wissenschaften und Wiedervereinigung.
MATERIALIEN A. FRÜHE Q UELLEN ZUR ERÖFFNUNG DES WUNDTSCHEN LABORATORIUMS 1. An den vier Universitäten des Deutschen Reichs bestehen zur Zeit Institute für experimentelle Psychologie: in Berlin, Bonn, Göttingen und Leipzig. An einigen anderen Universitäten, namentlich in Breslau, Halle a. S. und München, verfügen die Docenten der Psychologie über eine Sammlung psychophysischer Apparate zum Zweck der Demonstration in der Vorlesung. Das älteste der genannten Institute ist das zu Leipzig, welches von dem jetzigen Director desselben im Herbst 1879 zunächst als Privatinstitut gegründet, und dann drei Jahre später unter die öffentlichen Universitätsinstitute aufgenommen wurde. Neben dem Umstand, daß es das älteste seiner Art ist, verdankt das Leipziger Institut hauptsächlich der nicht genug anzuerkennenden Bereitwilligkeit, mit der die Königlich Sächsische Staatsregierung demselben Arbeitsräume und Mittel zur Verfügung stellte und diese dem wachsenden Bedürfnisse entsprechend vermehrte, seine größere Ausdehnung gegenüber den anderen ähnlichen Anstalten an Deutschen Universitäten. … Das Leipziger Institut für experimentelle Psychologie hat sich aus sehr kleinen Anfängen entwickelt. In den Jahren 1879-1883 bestand es aus einem einzigen, in einem Auditoriengebäude der Universität geliehenen Zimmer. Dann wurde es zunächst um zwei weitere kleine Zimmer und ein für optische Zwecke unerläßliches Dunkelzimmer nebst dazu gehörigem nach Süden gelegenem Vorraum vergrößert. Im Sommer 1889 kamen dann noch zwei größere Zimmer, und endlich im Herbst 1892 bezog das Institut seine jetzigen Räume, … .1 2. Institut für experimentelle Psychologie. Zur Teilnahme an einer „psychologischen Gesellschaft“ lud Prof. Wundt im Lektionsverzeichnis erstmalig im S.-S. 1877 ein. „Psychophysische Übungen für Vorgerückte“ veranstaltete er zum ersten Male im S.-S. 1881. Seit W.-S. 1883/84 kam dann das Institut für experimentelle Psychologie unter Wundts Leitung zustande. Es fand zunächst seinen Platz im Konviktsgebäude, wurde später nach dem Grimmaischen Steinweg 12 übergeführt und gelangte im Jahre 1897 in den neu hergerichteten Umbau des Paulinums.2 3. … glaubte ich schon in den bisherigen bescheidenen Ergebnissen der experimentellen Psychologie Aufforderungen genug für die Weiterverfolgung der in ihnen bearbeiteten und aus ihnen neu entspringenden Probleme zu finden. So begann ich zuerst in dem kleinen Raum, der mir in der Universität zur Unterbringung meines mitgebrachten 1 Wundt, Wilhelm (1893). Philosophische Fakultät. II. Psychophysik und experimentelle Psychologie. In Wilhelm Lexis (Hrsg.), Die Deutschen Universitäten. Für die Universitätsausstellung in Chicago 1893 (Band 1, S. 450-457). Berlin: Asher (S. 451-452). 2 Stieda, Wilhelm (1904). Die Königlich Sächsische Universität Leipzig. In Wilhelm Lexis (Hrsg.), Das Unterrichtswesen im Deutschen Reich. Band 1. Die Universitäten (S. 503-534). Berlin: Asher (S. 525).
W. Schönpflug, G. Lüer, Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik: Wissenschaft zwischen Ideologie und Pragmatismus, DOI 10.1007/978-3-531-93057-2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Instrumentariums durch die Güte der Universitätsverwaltung angewiesen war, mit einer Anzahl treuer Arbeitsgenossen aus der Zahl meiner älteren Zuhörer einige der, wie mir schien, brennenden Fragen zum Thema unserer Untersuchungen zu nehmen. Da war es zunächst die Gründung der großen medizinischen und naturwissenschaftlichen Institute, die in der Universität selbst, in der sie bisher untergebracht waren, neuen Arbeitsgebieten Platz schafften. Ein glücklicher Zufall war es, daß eines dieser Institute an unseren Experimentierraum angrenzte. Ein weiteres Entgegenkommen der Regierung gewährte dann der experimentellen Psychologie den Zugang zu den von der Pharmakologie verlassenen Räumen, woran auch bald die Anerkennung des psychologischen Instituts als eines der Seminare der Philosophischen Fakultät und die Anstellung eines Assistenten sich anschloß. … In der Zwischenzeit bot jenes von der Medizin geräumte Gebäude, das alte „Trieranum“ … eine willkommene Aushilfe … . In diesem Interimsgebäude hat das psychologische Institut fünf Jahre lang, 1892-1897, zugebracht.3
3 Wundt, Wilhelm (1920). Erlebtes und Erkanntes. Stuttgart: Kröner (S. 304-306).
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B. INTERNATIONAL UNION OF PSYCHOLOGICAL SCIENCE: RULES OF PROCEDURE 4 Section I. Organization of International Congresses. 1) Beginning with the Congress in 1972, the interval between two International Congresses shall normally be four years unless the Assembly decides otherwise. 2) International Congresses will be held under the auspices of the Union, which will delegate the detailed organization of each Congress to the member society in whose country it is held, in accordance with the following procedure: a) The president of an International Congress shall be a psychologist who, except under special circumstances, is a national of the country in which the Congress is held. The choice of President shall be made after consultations between representatives of the national society or association and the President, Vice-President(s) and Secretary-General of the Union. b) In advance of each International Congress all member societies and associations should be consulted regarding the psychological problems which they would like to have discussed. The choice among the topics suggested will be made by the Program Committee, which normally will be composed of members of the host society or association. The President of the Union, in consultation with the Executive Committee, shall appoint a delegate to have advisory or liaison functions on the Program Committee of an International Congress. c) The Union should aid in the preliminary financing of each International Congress by advancing funds where necessary. Such funds should be repaid as far as possible when the financial accounts of the Congress have been finally audited. Any surplus which is left over after this audit must be transferred to the Treasurer of the Union, and should be used primarily to help finance future International Congresses and other meetings of scientific nature. The Union should be consulted on the nature of the expenditure involved and the delegate appointed by the Union should participate in the planning of the Congress. d) The reports of the International Congress should be published in a uniform manner. e) Individual psychologists from countries where there are no member societies can be invited by the Executive Committee to attend the Assembly meetings as observers and consultants.
4 Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science/Union Internationale de Psychologie Scientifique. Statutes and Rules of Procedure, as amended by the Assembly, September 1975 (p. 6).
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C. WISSENSCHAFTSPOLITISCHE KONZEPTION ZUR VORBEREITUNG DES XXII. INTERNATIONALEN KONGRESSES FÜR PSYCHOLOGIE (ICP) 1980 IN DER DDR Die „Wissenschaftspolitische Konzeption“ hat in ihrer dritten und endgültigen Fassung dem Präsidium des Ministerrates der DDR in seiner Sitzung am 20. 7. 1977 vorgelegen. Im Folgenden wiedergegeben ist deren programmatischer Teil (Bl. 17-26). Ihr weiterer Text (Bl. 26-29) behandelt die „leitungsmäßige, politische und organisatorische Vorbereitung des Kongresses“. 5 Das Präsidium des Ministerrats hat die gesamte Vorlage in der genannten Sitzung „zustimmend zur Kenntnis genommen“. 6 Eine erste Fassung unter der Bezeichnung „Wissenschaftliche Konzeption“7 wurde bereits im November 1975 innerhalb der Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED vorbereitet, und zwar unter Mitwirkung von Mitgliedern der Gesellschaft für Psychologie der DDR; der Generalsekretär der Akademie der Wissenschaften sollte den Entwurf als Vorlage einreichen.8 Eine zweite Fassung hat – immer noch unter der Bezeichnung „Wissenschaftliche Konzeption“ – der Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED zur Stellungnahme vorgelegen; sie hat am 22. April 1977 deren Zustimmung gefunden.9 In ihrem hier wiedergegebenen programmatischen Teil stimmen die zweite und die dritte Fassung wörtlich überein; beide sind stärker ausgearbeitet als die erste Fassung.
1. Der XXII. Weltkongreß der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaft (IUPS) wurde im Zusammenhang mit dem 100. Jahrestag der Gründung des 1. Instituts für Psychologie in Leipzig an die DDR vergeben. Dies geschah auf Grund einer Bewerbung, die die Delegierten der Gesellschaft für Psychologie anläßlich des XX. Internationalen Kongresses 1972 in Tokio eingereicht hatten. Der in Tokio mit großer Mehrheit gefaßte Beschluß der Vollversammlung aller Mitgliedsländer stellt auch eine große Anerkennung der Ergebnisse und der Entwicklung der Psychologie in der DDR dar. Die Weltkongresse der IUPS finden alle 4 Jahre statt. Sie werden an eine nationale Gesellschaft vergeben. Ihr obliegt die Planung, Durchführung und Organisation des Kongresses im Auftrag der IUPS. Er ist seinem Inhalt nach der psychologischen Grundlagenforschung gewidmet. Die thematischen Schwerpunkte des Kongresses sowie die Personen, denen die Gestaltung überlassen wird, liegen in der Zuständigkeit des Exekutivkomitees, das auch einen Berater für die Vorbereitung benennt. Für den Fall des XXII. ICP ist dies Prof. Dr. P. Fraisse, Paris. Man kann aber davon ausgehen, daß die Qualität der Vorbereitung wesentlich darüber mitbestimmt, in welchem Umfang die eingereichten Vorschläge verwirklich werden können. Sehr wesentlich ist in diesem Zusammenhange die systematische Erarbeitung einer gemeinsamen Position der Psychologen sozialistischer Länder und besonders die enge Beratung mit den Genossen 5 BArch DC 20/I 4, 3837, Bl. 17-29. Wissenschaftspolitische Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR. 6 BArch DC 20/I 4, 3837, Bl. 13–16, sowie 52-53. Präsidium des Ministerrates der DDR. Beschluß über die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in der DDR vom 20. Juli 1977. 7 BArch DY 30 7481. Wissenschaftliche Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in der DDR. 8 BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Stellungnahme betr. Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie in der DDR vom 22. 4. 1977. 9 HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliche Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR (bestätigt am 12. 7. 1977).
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des Präsidiums der Gesellschaft für Psychologie der UdSSR. Erste, wesentliche Schritte dazu sind eingeleitet. Die Gesellschaft für Psychologie der DDR hat mit dieser Aufgabe eine große politische und wissenschaftliche Verpflichtung übernommen. Sie wird alle Kräfte daran setzen zu dokumentieren, wie auf der Grundlage der Weltanschauung der Arbeiterklasse, der marxistisch-leninistischen Philosophie, die großen progressiven Traditionen in der Wissenschaftsgeschichte bewahrt, aufgehoben und in Einheit mit den gesellschaftlichen Zielen des sozialistischen Aufbaus und seiner kommunistischen Perspektive weiterentwickelt werden. 3. Die gesellschaftliche Rolle der Psychologie hat mit der Herausbildung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft erheblich zugenommen. Dies zeigt sich vor allem in der Fülle und Bedeutsamkeit gesellschaftlicher Anforderungen, an Inhalt und Ziel der psychologischen Forschungsarbeit. Im Ergebnis hat dies zu einer neuen Qualität im Praxisbezug der Psychologie geführt. Im Vordergrund stehen dabei Beiträge - zur Steigerung der Arbeitsproduktivität durch Gestaltung von Arbeitsbedingungen, Arbeitsmitteln und Arbeitsprozessen; - zur Rationalisierung geistiger Arbeit, zur Verminderung von Belastungswirkungen bei gleichzeitiger Steigerung der Effektivität; - zur persönlichkeitsfördernden Gestaltung von Lehr-, Lern- und Arbeitsprozessen in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens: von der Kindergarten- und Schulerziehung bis zu den Fragen der Qualifizierung und Weiterbildung, ja bis zu Aspekten der Gestaltung eines aktiven Alters. Besondere Bedeutung kommt dabei jenen Ergebnissen zu, die als Beiträge zur sozialistischen und kommunistischen Persönlichkeitsbildung angesehen werden können; - zur Erkennung von Bedingungen, die psychische Schädigungen hervorrufen, zur Therapie und Rehabilitation psychischer Störungen oder Krankheiten. Die kontinuierliche Weiterentwicklung dieser Orientierung erfordert eine langfristige Planung der psychologischen Grundlagenforschung. Dabei bestehen enge interdisziplinäre Verflechtungen sowohl mit gesellschaftswissenschaftlichen als auch mit naturwissenschaftlichen Wissenschaftsgebieten. Dem trägt die gegenwärtige Forschungsplanung Rechnung. Perspektivische Aufgabenstellungen für die Psychologie sind sowohl Bestandteil des Plans der gesellschaftswissenschaftlichen Forschung der DDR 1976 – 1980 als auch der Konzeption zur langfristigen Entwicklung der mathematischnaturwissenschaftlichen Grundlagenforschung bis 1990, wie sie vom Politbüro des ZK der SED beschlossen wurde. In der weiteren Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft erhöht sich die Rolle des subjektiven Faktors in vielen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens. Damit erhöhen sich auch die Ansprüche an die Ergebnisse der psychologischen Forschung und ihre praktische Wirksamkeit. Vor diesem Hintergrund ist klar, daß die Gestaltung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie auch bedeutsame Möglichkeiten enthält, die Leistungsfähigkeit der Psychologie für die Deutsche Demokratische Republik zu erhöhen und dabei zu ihrer Stärkung beizutragen.
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3. Politisch-ideologische Schwerpunktsetzung für den Kongreß Den Prinzipien der politisch-ideologischen Orientierung der Kongreßgestaltung kommt entscheidende Bedeutung für die Sicherung eines erfolgreichen Ablaufs zu. Unsere Verantwortung für eine wirkungsvolle politische Konzeption wird auch dadurch unterstrichen, daß ein internationaler Kongreß für angewandte Psychologie 1978 in der BRD (München) stattfindet. Die politisch-ideologischen Grundsätze der Kongreßvorbereitung sollen unter folgenden Schwerpunkten konzipiert und gestaltet werden: (1) Das grundlegende Merkmal des Kongresses besteht darin, daß er in einem entwickelten sozialistischen Lande stattfindet. Den Wissenschaftlern aus kapitalistischen Staaten oder Entwicklungsländern muß deutlich werden, daß im Sozialismus unter der Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei eine kontinuierliche und schöpferische Entwicklung der Wissenschaft gesichert ist. Es muß kenntlich gemacht werden, wie sich die Entwicklung und Förderung der Wissenschaft im Sozialismus mit den Interessen des Volkes verbindet, wie durch aktive Friedenspolitik unseres Staates sowie durch die Hauptaufgabe als langfristige strategische Orientierung unserer Politik die Wissenschaft einen zutiefst humanistischen Auftrag zu erfüllen hat; daß sie ihre Perspektive aus der gesicherten Zukunft unserer sozialistischen Entwicklung ableitet, daß ihre Ergebnisse dem sozialen Fortschritt, dem Wohle aller dienen. Unsere sozialistische Wissenschaftspolitik ist aus der Grundlinie der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik abgeleitet. Dies verbindet die sozialistische Wissenschaftsentwicklung in unserem Lande untrennbar mit der in der Sowjetunion und in anderen sozialistischen Ländern. (2) Die wissenschaftliche Weltanschauung der Arbeiterklasse umfaßt Verallgemeinerungen von Gesetzen der Natur, der Gesellschaft und des Denkens. Der dialektische und historische Materialismus, die marxistisch-leninistische Philosophie, ist methodologisches Fundament für die fruchtbare Entwicklung aller Einzelwissenschaften und so auch der Psychologie. Dies ist darzulegen durch den Nachweis der produktiven Rolle der marxistisch-leninistischen Philosophie für weltanschauliche und methodologische Fragestellungen bei der Erforschung psychologischer Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten; und es ist offensiv darzulegen auch in der Auseinandersetzung mit Positionen, die auf der bürgerlichen Ideologie und ihrer klassenmäßigen Beschränktheit beruhen. (3) Wissenschaftsentwicklung in der sozialistischen Gesellschaft beruht auf der Einheit von Theorie und Praxis. Im besonderen geht es darum nachzuweisen, wie aus den Zielstellungen der gesellschaftlichen Praxis Fragen an die Psychologie entstehen, die zu anspruchsvollen Problemen der Grundlagenforschung hinführen und somit zugleich zur disziplinären Vertiefung beitragen. Es ist dann im Einzelfalle nachzuweisen, wie die Bearbeitung derartiger Probleme sowohl zur Erkenntnisgewinnung als auch zu einer Erhöhung des gesellschaftlichen Rangs der Psychologie beiträgt. Darin dokumentiert sich letztlich auch der produktive Zusammenhang von Politik und Wissenschaft im Sozialismus. Schwerpunktmäßig gilt das für Beiträge, die der Bildung und Erziehung sozialistischer und kommunistischer Persönlichkeiten dienen, die auf die psychologische Mitgestaltung gesellschaftlicher und sozialer Prozesse der Kollektivbildung bzw. der
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kollektiven, sozialistischen Gemeinschaftsarbeit gerichtet sind oder die unmittelbar zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität beitragen. (4) Sozialistische Wissenschaftsentwicklung ist ein integrativer Prozeß, der im brüderlichen Zusammenwirken sozialistischer Länder unter Führung der Sowjetunion gestaltet wird. Dem wurde in der bisherigen Periode der Kongreßvorbereitung bereits Rechnung getragen. So fand Anfang 1976 in Moskau ein Treffen von Leitern psychologischer Institute sozialistischer Länder statt, an dem von der DDR-Seite erste Gedanken für eine thematische Schwerpunktbildung vorgetragen wurden. Führende sowjetische Psychologen haben sich neben anderen Leitern aus sozialistischen Ländern sehr zustimmend zu diesem Konzept geäußert. Eine zweite Beratung soll im Juli 1977 anläßlich einer Internationalen Konferenz von Vertretern psychologischer Gesellschaften sozialistischer Länder am Psychologischen Institut der AdW der CSSR in Prag stattfinden. Eine differenzierte und eingehende Beratung wird 1978 anläßlich der 1. Konferenz von Psychologen sozialistischer Länder in Potsdam stattfinden. Darüber hinaus sind bereits Vorbereitungen für bilaterale Gespräche eingeleitet worden, in denen über die Beteiligung von Psychologen sozialistischer Länder an dem Kongreß beraten werden soll. Auch haben bereits mehrfach persönliche Beratungen mit den führenden sowjetischen Wissenschaftlern in allen problemhaltigen Einzelfragen stattgefunden. Es ist vereinbart, diese Gespräche systematisch fortzuführen. (5) Sozialistische Wissenschaftspolitik und marxistisch-leninistische Grundorientierung der Psychologie sind jenen psychologischen Strömungen diametral entgegengesetzt, die mehr oder weniger offen im antihumanistischen Dienste imperialistischer Politik oder der Verschleierung der kapitalistischen Ausbeuterverhältnisse stehen. Die offensive und kompromißlose Auseinandersetzung mit derartigen Richtungen und Strömungen ist ein wesentliches Prinzip der ideologischen Vorbereitung des Kongresses. Probleme der „Humanisierung der Arbeit“ unter den Bedingungen der verschärften kapitalistischen Ausbeutung, imperialistischer Ziele in der Manipulierung der öffentlichen Meinung, idealistische Konzeptionen bei der Einschätzung historischer Prozesse oder wissenschaftsgeschichtlicher Phänomene, tiefenpsychologische (psychoanalytische) Strömungen in der Entwicklungspsychologie können zu Kristallisationspunkten ideologischer Auseinandersetzungen werden. Dazu ist konzeptionelle Vorbereitungsarbeit erforderlich. Diese politisch-ideologische Grundorientierung muß verbunden werden mit der Dokumentation eines hohen Leistungsstandes der psychologischen Forschung in der DDR, ihrer gesellschaftlichen Einbettung und Wirkung. Die Förderung der Wissenschaftsentwicklung durch Partei und Regierung muß in konkreten Ergebnissen der DDR-Psychologie auf ausgewählten Schwerpunktgebieten seinen Ausdruck finden. Das erfordert intensive inhaltliche und thematische Arbeit, besonders bei der breiten Qualifizierung der Kader; denn die methodischen und theoretischen Anforderungen sind hoch und kompromißlos. 4. Schwerpunktsetzungen für die DDR-Beiträge Die psychologischen Lehr- und Forschungseinrichtungen bereiten sich systematisch auf ihre Schwerpunkte in der Kongreßgestaltung vor. Alle Lehr- und Forschungseinrich-
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tungen für Psychologie in der DDR gehen in ihren Beiträgen auf dem Kongreß von den politisch-ideologischen Prinzipien der Kongreßgestaltung aus und beziehen sich (sic!) als methodologische Basis je nach Schwerpunktlage ihrer Thematik in die Vorträge und Berichte ein. Im Rahmen der in der langfristigen Planung festgelegten Forschungsthemen sind, entsprechend dem Charakter des 22. ICP als Kongreß der psychologischen Grundlagenforschung, die Schwerpunkte für die Vorbereitung der Beiträge der DDR wie folgt anzusetzen: - Persönlichkeitspsychologische Grundlagen der Verhaltensformung; Persönlichkeitsdiagnostik und Fragen der Persönlichkeitsentwicklung (Sektion Psychologie der KMU Leipzig, Institut für Pädagogische Psychologie der APW) - Funktionsprinzipien der organismischen Informationsverarbeitung und -nutzung unter Einschluß psychophysiologischer Analysen; Arbeiten zur Psychophysik kognitiver Prozesse (Sektion Psychologie der HUB, Bereich Psychologie der Sektion Arbeitswissenschaften der TUD) - Psychologische Grundlage der Persönlichkeitsentwicklung im pädagogischen Prozeß, unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung kommunistischer Überzeugungen und Verhaltensweisen sowie disponibler Kenntnisse und geistiger Fähigkeiten in der Lerntätigkeit, in der gesellschaftspolitischen und in der Arbeitstätigkeit (Institut für Pädagogische Psychologie der APW, Sektion Psychologie der KMU Leipzig) - Grundlagen der psychischen Regulation von Arbeitstätigkeiten; Beiträge zur effektivitätssteigernden und persönlichkeitsfördernden Gestaltung der Arbeitstätigkeit und Arbeitsbedingungen in der sozialistischen Volkswirtschaft (Bereich Psychologie der Sektion Arbeitswissenschaften der TUD, Sektion Psychologie der HUB) - Psychologische Grundlagen der Rationalisierung der geistigen Arbeit in produktionsvorbereitenden und in Produktionsprozessen; mathematische Modellierung formalisierbarer geistiger Prozesse und ihrer Umsetzung als Mittel zur Steigerung der Arbeitsproduktivität bei Rationalisierungs- und Automatisierungsvorhaben (Bereich künstliche Intelligenz des ZKI der AdW, Sektion Psychologie der HUB) - Aspekte der psychischen Regulation sozialen Verhaltens und der Entstehung sozialistischer Verhaltensnormen als Beitrag zur effektiven Leitung und Entwicklung sozialistischer Arbeitskollektive (Sektion Psychologie der FSU Jena) - Aspekte der normalen und krankhaft veränderten psychischen Persönlichkeitsentwicklung; Erkennung und Behandlung psychischer Fehlentwicklungen und psychopathologischer Zustände und Prozesse (Bereich für klinische Psychologie der Nervenklinik der WPU, Sektion Psychologie der HUB) - Arbeiten zur Geschichte der Psychologie, Einschätzung von Strömungen, Schulen und Persönlichkeiten vom Standpunkt der historisch-materialistischen Geschichtsauffassung
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(Sektionen Psychologie der KMU, FSU, HUB). Die genannten Einrichtungen sind verantwortlich für diese Forschungsaufgaben. Sie arbeiten damit auch mit anderen, hier nicht erwähnten Einrichtungen zusammen, die auf gleichen oder ähnlichen Gebieten forschen. In jedem Falle kommt es bei den Vorträgen, Symposiumsgestaltungen und Diskussionsbeiträgen auf die Realisierung hoher methodischer Standards, tiefer theoretischer Durchdringung sowie fachkundiger Berücksichtigung der international herausragenden Ergebnisse auf den einzelnen Gebieten an. Da der Kongreß schwerpunktmäßig der psychologischen Grundlagenforschung gewidmet ist, kommt es im Rahmen der jeweiligen Themengestaltung darauf an, damit zugleich Beiträge zur mathematisch-statistischen Durchdringung der psychologischen Forschung, zur Entwicklung mathematischer Modelle unter Beachtung ihrer realen Leistungsfähigkeit, zur biologischen und psychophysiologischen Methodenentwicklung in der Psychologie sowie für die Nutzung automatischer Datengewinnungs- und EDV-gerechter Experimentiertechniken in der Psychologie zu leisten. Nur so ist es möglich, im Rahmen der internationalen Entwicklung der Psychologie Beiträge zu leisten, die den gültigen Normen an exakte und damit verbindliche Forschungsergebnisse gerecht werden. Ohne diese Voraussetzungen besteht keine Möglichkeit, den erzielten Forschungsergebnissen auf dem Kongreß Geltung zu verschaffen. Obwohl die thematischen Schwerpunkte des Kongresses und die Symposien vom Exekutivkomitee der IUPS festgelegt werden, sind nachfolgend einige Grundorientierungen genannt, deren Berücksichtigung angestrebt wird. 5. Zu Aspekten der thematischen Schwerpunktsetzung des Kongresses Auf der Grundlage eingehender Diskussionen und voller Einmütigkeit mit den sowjetischen Genossen wurden bestimmte inhaltlich-thematische Schwerpunktsetzungen für den Kongreß vereinbart. Ihre weitere Ausgestaltung soll g e m e i n s a m (im Original gesperrt) und in ständiger Konsultation mit den Genossen anderer sozialistischer Bruderländer angestrebt werden. Als Prinzipien für die inhaltlich-thematische Programmgestaltung sind folgende Aspekte anzusehen: (1) Herausarbeitung großer Schwerpunkte in der internationalen psychologischen Grundlagenforschung vor allem unter dem Aspekt ihrer möglichen grundsätzlichen Bedeutsamkeit für die weitere Entwicklung der Psychologie in der DDR und den sozialistischen Ländern. Dabei kommt als Auswahlgesichtspunkt dem Zusammenhang von Gesellschaftsentwicklung und daraus resultierenden Anforderungen an die Wissenschaftsentwicklung große Bedeutung zu. Themenkomplexe, wie die Analyse organismischer informationsverarbeitender Prozesse und ihr Einfluß auf kognitive Leistungen des Menschen sowie die Rolle und Funktion psycho-physiologischer Erkenntnisse für die Persönlichkeitsentwicklung sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie die Analyse individueller und kollektiver Bewusstseins- und Verhaltenseigenschaften des Menschen, die experimentelle Untermauerung entwicklungspsychologischer, persönlichkeits- und sozialpsychologischer Aussagen oder Theorien und die Schaffung allgemeinpsychologischer und methodischer Grundlagen der Psychodiagnostik.
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(2) Ausgehend von der gesellschaftlichen Funktion praktischer Anforderungen an die Psychologie soll der Zusammenhang zwischen bedeutsamen angewandten Fragestellungen und daraus resultierenden Anforderungen an die psychologische Grundlagenforschung einen weiteren Gesichtspunkt für die Programmgestaltung bilden. Arbeiten für Beiträge der Psychologie zur Steigerung der Arbeitsproduktivität, psychologische Probleme bei der Rationalisierung von Arbeitsprozessen, Kontrolle- und Steuerhandlungen, rationelle Formen der Kenntnisvermittlung und des Kenntniserwerbs, Probleme der Erkennung psychischer Krankheiten und ihrer Bestimmung und Heilung können als Beispiele für auswählbare Problemkomplexe angesehen werden. (3) Neben dem disziplinären Aspekt muß auf dem Kongreß die hohe interdisziplinäre Verflechtung psychologischer Forschung zum Ausdruck gebracht werden. Dabei soll sowohl den Verflechtungen der Psychologie mit gesellschaftswissenschaftlichen Disziplinen als auch mit mathematisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen Rechnung getragen werden. Einen ersten Schwerpunkt wird die psychologiehistorische Problematik bilden. Die psychologiehistorische Kommission des Beirats erarbeitet eine Konzeption für diese Seite der Kongreßgestaltung. Einen zweiten Akzent für eine interdisziplinäre Veranstaltung sollen Grundlagen und Perspektiven der experimentellen Gedächtnisforschung bilden. Aspekte der Molekularbiologie, der Genetik, der Neurowissenschaften, der Psychologie, der Linguistik und der Mathematik gehen in die Behandlung dieses Problemkomplexes ein. Es sollte ferner geprüft werden, ob psychologische Beiträge zur Lösung von Problemen und Aufgaben der Umweltgestaltung, besonders in Verbindung mit der Herausbildung sozialistischer Lebensweise einen interdisziplinären Themenaspekt tragen können. Diese drei Aspekte sollen Ordnungsgesichtspunkte für die inhaltlich-thematische Gestaltung des Kongresses sein. Eine genaue Themenplanung wird zur Beratung des Exekutivkomitees im Juli 1978 vorgelegt.
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D. REDE DES STELLVERTRETENDEN MINISTERS FÜR HOCH- UND FACHSCHULWESEN, PROF. DR. GERHARD ENGEL, ZUR GRÜNDUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN RATES FÜR PSYCHOLOGIE AM 29. SEPTEMBER 1977 IN DRESDEN 10 Werte Genossinnen und Genossen, meine Damen und Herren! Verfolgt man die Entwicklung des Fachgebietes Psychologie in den Jahren des Bestehens unserer Republik und versucht, auch einen Blick in die Zukunft zu werfen, dann kann man wohl mit Recht sagen, daß gegenwärtig ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Psychologie der DDR beginnt. In der letzten Zeit – darunter vor allem auf der bekannten Konferenz des ZK über die Aufgaben der Gesellschaftswissenschaften nach dem X. Parteitag der SED – wurden weitreichende Aufgaben an die Psychologie der DDR formuliert. Ich will das nicht im einzelnen zitieren. Nur so viel sei gesagt: Mit der weiteren Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft und der Schaffung grundlegender Voraussetzungen für den allmählichen Übergang zum Kommunismus erhöht sich die Bedeutung subjektiver Faktoren in allen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens. Damit auf das engste verbunden sind wachsende Ansprüche und Erwartungen an die Ergebnisse der psychologischen Forschung und ihre gesellschaftliche Wirksamkeit. Folgende Schwerpunkte stehen dabei nach unserem heutigen Erkenntnisstand im Mittelpunkt: 1. die weitere, kontinuierliche Steigerung der Arbeitsproduktivität durch die Gestaltung entsprechender Arbeitsbedingungen, Arbeitsmittel und Arbeitsprozesse; 2. die Rationalisierung geistiger Arbeit, eine Erhöhung ihrer Effektivität bei gleichzeitiger Verminderung möglicher Belastungsfaktoren; 3. die persönlichkeitsfördernde Gestaltung von Lehr-, Lern und Arbeitsprozessen bei Kindern aller Altersstufen, bei Jungendlichen und Erwachsenen und – nicht zuletzt – 4. die Diagnostik und Therapie psychischer Störungen und Krankheiten mit besonderen Schwerpunkten der Prophylaxe, der Früherkennung und der Rehabilitation. Schon diese bloße Aufzählung der wichtigsten Erwartungen, die unsere sozialistische Gesellschaft an die Psychologie und ihre Arbeitsergebnisse knüpft, zeigt sowohl deren Gewichtigkeit für die weitere Ausgestaltung der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik, die der IX. Parteitag beschlossen hat, als auch die Breite des Spektrum gesamtgesellschaflicher Aufgaben, der sich die Psychologie zu stellen hat. Als 1972 in Tokio die Bewerbung der Delegierten der Gesellschaft für Psychologie der DDR, den XXII. Kongreß der IUPS in der DDR durchzuführen, mit großer Mehrheit angenommen wurde, dann sicher nicht nur, weil 1879 von Wilhelm Wundt in Leipzig das erste psychologische Laboratorium der Welt gegründet wurde, sondern auch, weil die Entwicklung und die vorliegenden Ergebnisse der DDR-Psychologie internationale Anerkennung gefunden haben und – vielleicht auch das – aus einer gewissen „Neugier“ heraus, wie sich in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft der DDR die Psychologie entwickelt und wirksam wird. Welche Gründe den einzelnen 10 BArch DR 3, 2. Schicht 1249, Bl. 28-37. Zur Gründung des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie (29. September 1977 – Dresden). Eröffnungsansprache von Prof. Dr. Engel (Entwurf vom 26. 9. 1977 mit handschriftlichen Korrekturen).
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Vertreter anderer Länder auch immer zu seiner Zustimmung bewogen haben mögen, für uns ist völlig klar: Partei und Regierung erwarten von den Psychologen der DDR, daß sie in knapp drei Jahren im Ergebnis intensiver und gut organisierter eigener Arbeit und in enger Zusammenarbeit mit den Psychologen anderer sozialistischer Länder, insbesondere der Sowjetunion, vor der Welt bestehen in - der Demonstration dessen, was die Psychologie in einem sozialistischen Land bei der Erfüllung ihrer wahrhaft humanistischen Auftrages zu leisten in der Lage ist, - der Verdeutlichung der methodologischen Grundlagen und methodischen Prinzipien psychologischer Forschung in der DDR eng verbunden mit der kritischen Auseinandersetzung mit entsprechenden nichtmarxistischen und reaktionären Konzeptionen, - der Darstellung unserer Position vom Verhältnis von Theorie und Praxis, d. h. davon, wie in unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit Fragestellungen an die Psychologie „reifen“, wie dieselben in die Grundlagenforschung Eingang finden und wie dabei erreichten Erkenntnisse dann wieder in die gesellschaftliche Praxis umgesetzt werden. Es liegt völlig auf der Hand, daß die Lösung der hier skizzierten Aufgaben, deren Maßstäbe alles übertreffen, was bisher von unseren Psychologen zu leisten war, eine Konzentration und Koordinierung a l l e r [gesperrt im Original] vorhandenen Kräfte verlangt, der des Hochschulwesens, der der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften, der Akademie der Wissenschaften, der im Gesundheitswesen, im Bereich der Volksund Berufsbildung und der in der Industrie tätigen Psychologen sowie der entsprechenden zentralen Staatsorgane. Deshalb beschloß die Regierung der DDR, einen Wissenschaftlichen Rat für Psychologie zu bilden, der zugleich auch die Funktionen des Wissenschaftlichen Beirats für die psychologische Hochschulausbildung ausübt. Der Minister für Hoch- und Fachschulwesen, Genosse Professor Böhme, dem die Verantwortung für den Rat übertragen wurde, hat mich beauftragt, in seinem Namen heute hier die Konstituierung des Wissenschaftlichen Rates beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen vorzunehmen sowie seinen Vorsitzenden, dessen Stellvertreter und die Mitglieder des Wissenschaftlichen Rates zu berufen. Wir spüren sicher alle hier im Raum, daß damit eine qualitativ neue Stufe der Entwicklung der Psychologie in der DDR eingeleitet wird. Wir wissen aber ebenso sicher, daß wir uns dabei auf gute Voraussetzungen stützen können. Sie liegen einmal in der Arbeit der Gesellschaft für Psychologie, die – jetzt auch dem Ministerium für Hochund Fachschulwesen unterstellt – eine gute Bilanz aufweist in ihren vielfältigen Aktivitäten wissenschaftlichen Lebens in Form von Kongressen, Tagungen und Symposien, ihrer beispielhaften öffentlichen Darstellung von Arbeitsergebnissen des wissenschaftlichen Nachwuchses, wirksamer Öffentlichkeitsarbeit in den Massenmedien, der Erarbeitung des Psychologischen Wörterbuchs, vor allem aber auch der Entwicklung und Pflege kontinuierlicher Zusammenarbeit mit unseren Freunden und Genossen aus der Sowjetunion und anderen sozialistischen Ländern. Aber auch der Wissenschaftliche Beirat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen hat in den Jahren seines Bestehens seit 1973 eine hervorragende Arbeit geleistet.
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Das Entwicklungsprogramm für das Fachgebiet Psychologie im Hochschulwesen im Zeitraum bis 1980 sowie der Studienplan für die Grundstudienrichtung Psychologie und die fast 40 bestätigten Lehrprogramme zeugen von der verantwortungsbewußten, hochschulpolitischen Arbeit des Beirates, in die eine große Zahl von Wissenschaftlern einbezogen sind. Zu den gewichtigen Aktiva des Beirates gehören ferner die Kaderentwicklungskonzeption Psychologie, die sich als wirksames politischer Führungsinstrument bereits bewährt hat, erste Ergebnisse zeitigen die Bemühungen um eine stärkere Praxiswirksamkeit der Absolventen des Psychologiestudiums, Bemühungen um eine Verbesserung der apparativen Ausrüstung der Sektionen und anderes mehr, das sich im Prozeß der praktischen Realisierung befindet. Es ist mir ein besonderes Bedürfnis, der Gesellschaft für Psychologie und dem Wissenschaftlichen Beirat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, ihren Vorsitzenden und dem großen Kreis aktiv mitwirkender Genossen und Freunde recht herzlich für ihre geleistete Arbeit zu danken. Mit dem Beschluß über die Bildung des Wissenschaftlichen Rates wurde festgelegt, daß er nach den gültigen Grundsätzen für die Tätigkeit der Wissenschaftlichen Räte der gesellschaftwissenschaftlichen Forschung arbeitet. Gestatten Sie mir bitte, der zukünftigen Arbeit des Rates dazu einige Worte mit auf den Weg zu geben. Diese Räte, wie sie z. B. auch für die Wirtschaftswissenschaften, die Philosophie, die außenpolitische Forschung, die Geschichtswissenschaften, die Soziologie und andere Gebiete bestehen, sind zentrale beratende Organe dieser Disziplinen und gestalten ihre Tätigkeit auf der Grundlage der Beschlüsse des Zentralkomitees der SED und des Ministerrates der DDR sowie des zentralen Planes der marxistisch-leninistischen Gesellschaftswissenschaften der DDR. Dabei gilt das Prinzip der engen Verbindung der zentralen Leitung und Planung der Forschung mit der Eigenverantwortung und Initiative der wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen. Die Arbeit der Räte ist auf die Sicherung eines hohen theoretischen Niveaus, die höchstmögliche Wirksamkeit der gesellschaftswissenschaftlichen Forschung und auf die ständige Festigung der marxistisch-leninistischen Positionen auf allen Gebieten der Gesellschaftswissenschaften gerichtet. Dies geschieht insbesondere durch - die Diskussion politisch-ideologischer und theoretischer Grundfragen, die sich aus den Parteibeschlüssen und aus dem Forschungsprozeß ergeben; - die Verteidigung von Konzeptionen und Ergebnissen entscheidender Forschungs- und Publikationsvorgaben vor dem Rat und seiner Leitung; - Aktivitäten zur Diskussion der Ergebnisse der Sowjetwissenschaften; - die inhaltliche Vorbereitung und Auswertung wichtiger Konferenzen und internationaler Tagungen und Kongresse; - Maßnahmen zur Erhöhung der ideologischen Wirksamkeit der vorliegenden Forschungsergebnisse und Publikationen bei der weiteren Entwicklung des sozialistischen Bewußtseins der Werktätigen der DDR sowie - die Förderung der zielgerichteten Auseinandersetzung mit allen Spielarten der reaktionären bürgerlichen Ideologie.
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In diesem Sinne wirken die Wissenschaftlichen Räte wesentlich mit, langfristige Forschungspläne der entsprechenden Disziplinen zu erarbeiten, Forschungsthemen und -kapazitäten auf die Lösung der Hauptaufgaben und zur Sicherung der erforderlichen Breite der gesellschaftswissenschaftlichen Forschung zu koordinieren, die interdisziplinäre Forschung zu koordinieren sowie auch die verschiedenen Wissenschaftsgebiete übergreifende Diskussion komplexer von der Wissenschaft zu lösender gesellschaftlicher Probleme. Sie unterstützen ferner die Informations- und Dokumentationstätigkeit in ihrer Wissenschaftsdisziplin, geben Empfehlungen zur effektiveren Nutzung und schnelleren Überleitung von Forschungsergebnissen, einschließlich der Unterstützung der Arbeit der Literaturarbeitsgemeinschaften des Buchhandels. Ich bin sicher, daß die qualifizierte Zusammensetzung des Rates alle Potenzen enthält, dieser weitgesteckten, in keiner Weise etwa nur an das Jahr 1980 geknüpften Aufgabenstellung Schritt für Schritt gerecht zu werden. Dabei wird sich sicher in der praktischen Arbeit ein enges Zusammenwirken mit der Gesellschaft für Psychologie entwickeln, eine Art Arbeitsteilung, die ich nicht im einzelnen vorzuschreiben die Absicht habe. Die Verbindung der konstituierenden Beratung des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie mit einer durch die Gesellschaft organisierten Vortragstagung heute und morgen beweist mir, daß alle Voraussetzungen und auch die Bereitschaft für ein erfolgreiches Zusammenwirken gegeben sind. Erlauben Sie mir noch ein Wort zu Fragen der psychologischen Hochschulausbildung. Ich betonte eingangs bereits, daß der Wissenschaftliche Rat zugleich die Funktion des bisherigen Wissenschaftlichen Beirates für Psychologie beim MHF wahrnimmt. Das ist eine Spezifik gegenüber anderen Wissenschaftlichen Räten der Gesellschaftswissenschaften. Als Stellvertreter des Hochschulministers möchte ich Ihnen diese Seite Ihrer zukünftigen Arbeit besonders ans Herz legen. Es konnte bereits sehr positiv vermerkt werden, was auf diesem Gebiet in den letzten Jahren geleistet wurde. Das erwarten wir auch weiterhin, wobei das entscheidende Kriterium ist und bleibt, hochqualifizierte Diplompsychologen auszubilden und politisch-ideologisch zu erziehen, die unerschütterlich an der Seite der Partei der Arbeiterklasse ihre ganze Kraft und ihr fachliches Können in den Dienst der weiteren Stärkung unserer Deutschen Demokratischen Republik entsprechend den Beschlüssen des IX. Parteitages stellen. Auch dafür wird das Jahr 1980 eine wichtige politische Bewährungsprobe sein. Die Vorbereitung und Durchführung der Studentenkonferenz 1979 gibt uns – neben anderem – die Gelegenheit zu prüfen, wie weit wir dazu gerüstet sind. [Es folgen Ausführungen über das Statut und die Organisation des Wissenschaftlichen Rates, die Konstituierung des Rates, die Überreichung der Dankschreiben an die Mitglieder des früheren Beirats sowie der Berufungsurkunden an den Vorsitzenden, den stellvertretenden Vorsitzenden sowie an die weiteren Mitglieder des neu konstituierten Rates.]
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E. APPELL AN DIE PSYCHOLOGEN POLITISCHE OPPOSITION UND PSYCHIATRISCHE INTERNIERUNG 11 In letzter Zeit sind unter internationalem Druck oppositionelle sowjetische Politiker befreit worden, die seit Jahren in psychiatrischen Kliniken interniert waren: Victor Feinberg, Natalie Gorbanewskaja, Leonid Plionchtch. Niemand wird künftig das Zeugnis des letzteren ignorieren können. Viele sowjetische Oppositionelle bleiben nach wie vor interniert, wie es unter anderem der jüngste Bericht von Amnesty International „Gefangene des Gewissens in der UdSSR“, London 1976, bestätigt. In Frankreich haben zahlreiche humanitäre und politische Organisationen, wie beispielsweise die Vereinigten Gewerkschaftsverbände, zu diesem Problem Stellung genommen. Für Plionchtch war die Intervention von Wissenschaftler-Gruppen und des Internationalen Komitees der Mathematiker ausschlaggebend. Die durch ihren Beruf unmittelbar betroffenen Psychologen müssen sich an der laufenden Aktion zum Stop (sic!) psychiatrischer Internierungen von politischen Oppositionellen, in welchem Lande sie auch immer vorkommen, beteiligen. Im März 1974 bildete die Französische Gesellschaft für Psychologie eine Kommission mit dem Auftrag, in bestimmten Ländern das mit der Anwendung der Psychiatrie zu Zwecken politischer Unterdrückung gestellte Problem zu prüfen. Die Kommission legte nach einjähriger Arbeit im Februar 1975 ihren Bericht vor. Der Bericht bestätigte aus Angaben von früher Internierten nachdrücklich die Anwendung der Psychiatrie zum Zwecke der politischen Unterdrückung in der UdSSR und wies eine direkte Beziehung zu einer geheimen Anweisung des Staatsapparates nach. Gewiß, die Anwendung psychologischer und neuropsychologischer Disziplinen bei der Unterdrückung politischer Vergehen ist nicht auf die Sowjetunion beschränkt, und unsere Aktivität ist keinesfalls begrenzt. Die gesammelten Fakten zeigen aber, was die UdSSR betrifft, eine Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, daß sie legalisierten und offiziellen Charakter hat. Es handelt sich nicht wie in den Vereinigten Staaten z. B. um „Therapien“, die zur „Behandlung“ „aggressiver“ Personen bestimmt sind (die für Gewalttätigkeiten in den Gettos [sic!] verantwortlich sein sollen); es handelt sich nicht, und nichts geht darüber hinaus, wie in Chile oder Brasilien, um die Anwendung von Techniken durch den Polizeiapparat, die aus dem psychologischen Arsenal entliehen wurden. In der UdSSR ist die psychiatrische Untersuchung codifiziert, zentral organisiert und wird in Spezialkrankenanstalten angewandt, die ausschließlich dem Innenministerium (MVD) unterstehen. Es ist also wirklich ein psychiatrischer Dienst, der offiziell wie das Räderwerk einer Staatspolizei funktioniert.
11 HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Aufruf einer Arbeitsgruppe der Société francaise de Psychologie vor und bei dem 21. Internationalen Kongress für Psychologie 1976 in Paris. Die vorliegende deutsche Übersetzung befindet sich als Beilage (zusammen mit einem französischen Orginal) zu einem Brief des Sekretärs der Gesellschaft für Psychologie der DDR, Jürgen Siebenbrodt, an das Büro für Wissenschaftliche Gesellschaften der Akademie der Wissenschaften vom 26. 8. 1976.
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Deshalb sind die unterzeichneten Psychologen der Ansicht, daß es nötig ist, sich als Psychologen unzweideutig auszusprechen und seinen Beitrag zu einem internationalen Druck, der sich als wirksam erweist, zu leisten und seine Zustimmung zu dem folgenden Antrag, der an die sowjetischen Gesellschaften für Psychologie und Psychiatrie gerichtet ist, zu geben: Antrag an die sowjetischen Gesellschaften für Psychologie und Psychiatrie „Wir wissen unwiderlegbar, daß seit mehreren Jahren die Psychiatrie in der Sowjetunion benutzt wird, um politische Oppositionelle zu unterdrücken. Wir verurteilen diese Art von Praktiken, die im Widerspruch zum Wesen unserer Berufe und der Moral stehen. Wir möchten erfahren: Welche Aktionen habt Ihr, sowjetische Psychologen und Psychiater, unternommen, um etwa öffentlichen Einfluß auf Spezialisten auszuüben, die bereit sind, ihre Autorität und ihre Funktion im Dienste der Unterdrückung einzusetzen, damit sie diese Machenschaften umgehend einstellen?“
Name: Vorname: Funktion: Unterschrift: Die Unterschriften sind einzusenden an: Gérard LEMAINE Groupe dÉtudes et de Recherches sur la Science, ECOLE DES HAUTES ETUDES EN SCIENCES SOCIALES, 10 rue Monsieur le Princé, 75005 PARIS
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F. LEHRGANG AN DER PARTEISCHULE „KARL LIEBKNECHT“ BEIM ZK DER SED IN KLEINMACHNOW MIT KADERN DER PSYCHOLOGIE ZUR VORBEREITUNG DES XXII. INTERNATIONALEN KONGRESSES FÜR PSYCHOLOGIE, 4. – 16. 2. 1980 12 Titel der Vorträge 4. 2. 1980 Eröffnungsvortrag: Theoretische Probleme und praktische Aufgaben bei der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der DDR 5. 2. 1980 Ideologische Fragen und aktuelle Aufgaben bei der weiteren Verwirklichung der Hoch- und Fachschulpolitik der SED. Der Einfluß des Sozialismus auf die Entwicklung des revolutionären Weltprozesses und des internationalen Kräfteverhältnisses. Die Entwicklung der internationalen Hochschul- und Wissenschaftsbeziehungen in Verbindung mit der Außenpolitik der DDR. 6. 2. 1980 Fragen der weiteren Entwicklung des sozialistischen Bewußtseins und des ideologischen Klassenkampfes. Zu einigen weltanschaulichen Grundpositionen und gegenwärtigen bürgerlichen Strömungen der Philosophie und Ideologie. Staatsmonopolistischer Kapitalismus und Opportunismus. 7. 2. 1980 Aktuelle Probleme des nationalen und sozialen Befreiungskampfes der Völker Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. Fragen der nationalen Befreiungsbewegung der Völker Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. Der Kampf der kommunistischen und Arbeiterparteien in kapitalistischen Ländern unter den Bedingungen der allgemeinen Krise. Zur Problematik der „Menschenrechte“. 8. 2. 1980 Neue Tendenzen nationalistischer Manipulation der deutschen Geschichte in der BRD. 11. 2. 1980 Information über den neuesten Stand der Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie. 12. 2. 1980 Theoretische und methodologische Probleme der kritischen Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Psychologie. Dialektik von Erkennen, Werten und Handeln.
12 Privatbesitz
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Beiträge zur Einschätzung und Wirksamkeit einzelner Richtungen und Zweige der Psychologie: Behaviorismus - Kritische Psychologie - Betriebs- und Organisationspsychologie – Lernpsychologie 13. 2. 1980 Über marxistisch-leninistische Grundpositionen in der Psychologie (mit Diskussionsbeiträgen aus der Sicht einzelner Fachrichtungen: Persönlichkeitspsychologie, Sozialpsychologie, Klinische Psychologie, Arbeits- und Ingenieurpsychologie, Tätigkeitsprinzip in der Psychologie. Weltanschauliche Entwicklungsprobleme in der Klinischen Psychologie und Therapie. Zur marxistisch-leninistischen Einschätzung der Psychoanalyse. 14. 2. 1980 Auseinandersetzung mit dem gegenwärtigen Wundt-Bild in der bürgerlichen Psychologie. Information über die Beratung der Leiter psychologischer Einrichtungen sozialistischer Länder im Oktober 1979 in Warschau. Stand und Probleme der Psychologie in ausgewählten Ländern und Gebieten (Podiumsgespräch). Erfahrungen aus bisherigen internationalen Kongressen (Podiumsgespräch). Abschlussvortrag: Zur perspektivischen Entwicklung der Psychologie in der DDR.
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G. POLITISCH-OPERATIVE SICHERUNG DER VORBEREITUNG UND DURCHFÜHRUNG XXII. INTERNATIONALEN KONGRESSES FÜR PSYCHOLOGIE 1980 13
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DES
Vom 6. Juli 1980 bis 12. Juli 1980 findet in Leipzig der XXII. Internationale Kongreß für Psychologie 1980 statt. Die DDR ist das zweite sozialistische Land nach der Sowjetunion (1966), in dem ein Internationaler Kongreß für Psychologie stattfindet. An diesem Kongreß werden ca. 3 500 Personen aus etwa 60 Staaten teilnehmen. Darunter befinden sich ca. 1 500 Teilnehmer aus dem NSW; die BRD und die USA beabsichtigen mit etwa 250 bzw. 150 Personen am Kongreß teilzunehmen. Des weiteren wollen China und Israel mit Delegationen erscheinen. Parallel zum Kongreß finden verschiedene kulturelle und touristische Veranstaltungen statt. Zur vorbeugenden Aufklärung und konsequenten Verhinderung aller gegen den Kongreß gerichteten feindlichen Pläne, Absichten und Maßnahmen sowie zur Gewährleistung der störungsfreien Durchführung des Kongresses sowie der damit im Zusammenhang stehenden Veranstaltungen w e i s e i c h a n [Anmerkung: Sperrung im Original] : 1. Der Leiter der Bezirksveraltung Leipzig hat eigenverantwortlich und unter Beachtung des Materials „Politisch-operative Sicherung von Veranstaltungen“ vom 12.5.1979, VVS MfS 0008-28/79 alle erforderlichen politisch-operativen Maßnahmen zur störungsfreien Durchführung des Kongresses und der damit im Zusammenhang stehenden Veranstaltungen einzuleiten und durchzusetzen. Dazu ist ein Maßnahmeplan zu erarbeiten, der meinem Stellvertreter, Genossen Generalleutnant Mittig, zur Bestätigung vorzulegen ist. Für die Zeit vom 5. Juli bis 12. Juli 1980 ist ein operativer Einsatzstab zu bilden, dessen Zusammensetzung in eigener Zuständigkeit festzulegen ist. Dem OES sind verantwortlich operative Mitarbeiter der HVA sowie der Hauptabteilungen II, VI und XX zuzuordnen. 2. Der Leiter der Bezirksverwaltung Leipzig ist verantwortlich für - die Herstellung und Aufrechterhaltung einer ständigen engen Verbindung zu den Vorbereitungs- und Leistungsgremien des Kongresses im Verantwortungsbereich zur Wahrnehmung und Durchsetzung der Interessen des MfS; - die umfassende vorbeugende politisch-operative Überprüfung der aus dem Verantwortungsbereich am Kongreß teilnehmenden Personen und des gesamten sicherstellenden Personals; - die Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung im Territorium der Stadt Leipzig;
13 MfS BdL Dok.Nr. 7267. Ministerium für Staatssicherheit - Der Minister. Politisch-operative Sicherung der Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 25. 6. 1980.
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- die Realisierung aller sich aus meinem Befehl Nr. 15/71 und der hierzu erlassenen 2. Durchführungsbestimmung ergebenden politisch-operativen Aufgaben für die konsequente Sicherung aller Veranstaltungen, an denen führende Repräsentanten der DDR teilnehmen, in Abstimmung und Zusammenarbeit mit dem Leiter der Hauptabteilung PS; - die Einleitung vorbeugender Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung des Auftretens und Wirksamwerdens von Demonstrativtätern sowie zur Unterbindung mündlicher und schriftlicher Hetze, insbesondere massenwirksamer feindlicher Aktionen, wie Flugblattverteilungen, Anbringen oder Zeigen antisowjetischer Losungen bzw. anderer gegen den Kongreß gerichteter provokatorischer Handlungen; es sind alle Anstrengungen zu unternehmen, daß im Verantwortungsbereich bisher ungeklärte Vorkommnisse kurzfristig einer Klärung zugeführt werden; - die Gewährleistung der Sicherung aller Veranstaltungs-, Unterkunfts- und anderweitig genutzter Objekte und Durchsetzung vorbeugender Maßnahmen zur Verhinderung von Bränden, Störungen und anderen, besonders öffentlichkeitswirksamen, negativen Vorkommnissen unter Beachtung der Rechtsvorschriften sowie der von mir erlassenen dienstlichen Weisungen; - die politisch-operative Sicherung des Transportes der Teilnehmer, einschließlich der Bereitstellung und Sicherung der erforderlichen Parkräume, sowie Einflußnahme auf die Erarbeitung einer Verkehrskonzeption für die Stadt Leipzig; - den Aufbau eines funktionsfähigen Systems unter den Betreuern und Dolmetschern zur Sicherung der ausländischen Teilnehmer, welches der rechtzeitigen Aufdeckung und Verhinderung geplanter und gegen den Kongreß gerichteten Aktivitäten entspricht; - die Vorbereitung gesonderter operativer Sicherungsmaßnahmen für gefährdete Delegationen und einzelne Teilnehmer in Zusammenarbeit mit den Leitern der zuständigen Diensteinheiten; - die Einleitung politisch-operativer Maßnahmen zur Gewährleistung des störungsfreien Ablaufes der im Verantwortungsbereich stattfindenden kulturellen und anderen Rahmenveranstaltungen; es ist zu gewährleisten, daß nur überprüfte Personen zum Einsatz kommen; - die Einleitung politisch-operativer Maßnahmen zur Verhinderung von Sympathiebekundungen bzw. von unkontrollierten Kontakten zu Teilnehmern aus dem NSW bzw. anderen politisch-operativ interessierenden Staaten in Zusammenarbeit mit den Leitern der zuständigen Diensteinheiten; - die Organisierung des engen Zusammenwirkens mit dem Chef der BDVP Leipzig zur Gewährleistung des effektiven Einsatzes der Kräfte der Deutschen Volkspolizei. 3. Der Leiter der Hauptabteilung XX ist verantwortlich für - die Herstellung und Aufrechterhaltung einer ständigen Verbindung zum Vorbereitungskomitee im Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen; es ist die umgehende Weiterleitung aller die Vorbereitung und Durchführung des Kongresses betreffenden Informationen an den Leiter der Bezirksverwaltung Leipzig und die Leiter der anderen zuständigen Diensteinheiten zu gewährleisten;
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- die zielgerichtete Auswahl und politisch-operative Sicherung der zum Einsatz kommenden Dolmetscher des Fremdsprachendienstes der DDR, INTERTEXT und der Mitarbeiter der Massenmedien der DDR; - die politisch-operative Sicherung der im Zusammenhang mit dem Kongreß zum Einsatz kommenden Kader bzw. Teilnehmer des Verantwortungsbereiches. 4. Der Leiter der Hauptabteilung PS ist für die Realisierung der sich aus meinem Befehl Nr. 15/71 und der hierzu erlassenen 2. Durchführungsbestimmung ergebenden politisch-operativen Aufgaben für den zuverlässigen Schutz der führenden Repräsentanten der DDR bei deren Teilnahme an Veranstaltungen im Rahmen des Kongresses verantwortlich. 5. Die Leiter aller Diensteinheiten sind für die Einflußnahme auf die Auswahl der aus dem Verantwortungsbereich am Kongreß teilnehmenden Personen verantwortlich. Alle Ergebnisse der sicherheitspolitischen Überprüfungen sind dem Leiter der Bezirksverwaltung Leipzig mitzuteilen. Die zeitweilige Übernahme der zum Einsatz kommenden IM/GMS ist gesondert zu vereinbaren. 6. Der Leiter der Bezirksverwaltung Dresden hat die reibungslose Durchführung der touristischen Exkursionen nach Dresden und Meißen in enger Zusammenarbeit mit dem Leiter der Bezirksverwaltung Leipzig und den Leitern der anderen zuständigen Diensteinheiten zu gewährleisten. 7. Die Leiter nachfolgend aufgeführter Diensteinheiten haben folgende Aufgaben zu realisieren: Hauptverwaltung A Einleitung erforderlicher politisch-operativer Maßnahmen zum rechtzeitigen Erkennen beabsichtigter Aktionen der Zentren terroristischer, extremistischer und anarchistischer Organisationen und anderer potentieller Gegner gegen den Kongreß. Hauptabteilung II Durchführung politisch-operativer Maßnahmen zur Kontrolle der Aktivitäten bevorrechteter Personen und der Korrespondenten nichtsozialistischer und anderer politischoperativ interessierender Staaten auf der Grundlage meiner Befehle Nr. 16/74 und 17/74. Hauptabteilung VI [Anmerkung: Unterstreichung im Original] Gewährleistung der reibungslosen Grenzpassage der ausländischen Teilnehmer; Einflußnahme auf das Reisebüro der DDR zur Gewährleistung des reibungslosen organisatorischen Ablaufes des Kongresses. Hauptabteilung VIII [Anmerkung: Unterstreichung im Original] Bereitstellung der erforderlichen Kräfte für die kurzfristige Realisierung der für den Einsatz erforderlich Auftragsersuchen zur operativen Beobachtung, Ermittlung und Erkundung sowie zur Durchführung anderer operativer Maßnahmen. 8. Die Leiter der Diensteinheiten mit spezifischen Aufgabenstellungen haben zu sichern, daß bei Notwendigkeit entsprechende Kräfte und Mittel zum Einsatz gelangen können. 9. Alle Informationen und operativen Hinweise auf feindliche Aktivitäten und Störungen, die sich gegen den Kongreß oder dessen Teilnehmer richten bzw. damit im Zu-
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sammenhang stehen können, sind dem Leiter der Bezirksverwaltung Leipzig zu übermitteln. 10. Der Leiter der Bezirksverwaltung Leipzig hat politisch-operativ bedeutsame Vorkommnisse, Handlungen und Erscheinungen im Zusammenhang mit dem Kongreß in Form von Sofort- und Ergänzungsmeldungen an den Leiter des Zentralen Operativstabes zu übermitteln. Unabhängig davon sind politisch-operativ besonders bedeutsame Hinweise und Vorkommnisse unverzüglich meinem Stellvertreter, Genossen Generalleutnant Mittig, zu melden.
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H. BEGRÜßUNGSANSPRACHE DES MINISTERS FÜR HOCH- UND FACHSCHULWESEN, PROF. HANS-JOACHIM BÖHME, AUF DER ERÖFFNUNGSVERANSTALTUNG 14 DES XXII. INTERNATIONALEN PSYCHOLOGIEKONGRESSES Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Freunde und Genossen! Gestatten Sie mir, Ihnen und allen Teilnehmern am XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie die herzlichsten Grüße der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik zu übermitteln und diese mit den besten Wünschen für einen erfolgreichen Verlauf Ihrer Arbeit zu verbinden. Der Vorsitzende des Ministerrates der DDR, Herr Willi Stoph, der Schirmherr des Kongresses, hat mich beauftragt, Ihnen seine persönlichen Grüße und besten Wünsche auszusprechen. Verehrte Anwesende! Sie sind – viele erstmals – zu Gast in unserem Land, das nach der Befreiungstat der Sowjetunion und der anderen Völker der Antihitlerkoalition einen tiefgreifenden ökonomischen und kulturellen Erneuerungsprozeß durchlaufen hat. Wir sind uns der Schwere dieses Weges bewusst und stolz auf das Erreichte. Unser Staat widerspiegelt die Schöpferkraft und den Fleiß unserer Bürger und die zielstrebige und kontinuierliche Politik von Partei und Regierung zur Gestaltung des neuen Lebens. Soll ich eines hervorheben, so dies: Wir haben seit der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik alles in unseren Kräften Stehende getan, damit von deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgeht. Darin sahen und sehen wir unsere größte, man kann sagen, unsere historische Verantwortung. Ein Krieg im Herzen Europas wäre zwangsläufig ein nuklearer Weltkrieg, der die Existenz der ganzen Menschheit bedrohen würde. Man kann natürlich die Frage stellen, ob es zu so festlicher Stunde angemessen ist, an diese Situation zu erinnern. Doch wir sollten und dürfen die Augen nicht davor verschließen, daß die Spannungen in der Welt in der jüngsten Zeit nicht abgenommen haben, sondern im Gegenteil verschärft wurden. Deshalb setzt die Deutsche Demokratische Republik ihre konsequente Friedenspolitik im Herzen Europas gerade in diesen Wochen und Monaten zielstrebig fort. Zur Weiterführung der Entspannungspolitik, zur Politik der friedlichen Koexistenz von Völkern und Staaten mit unterschiedlicher gesellschaftlicher Ordnung gibt es keine annehmbare Alternative. Darum betonen wir auch immer wieder die Einhaltung aller internationalen Verträge, die im Dienste der Entspannungspolitik abgeschlossen wurden. Gemeinsam mit allen sozialistischen Ländern stehen wir fest zu den Vereinbarungen von Helsinki, die unsere Staatengemeinschaft über viele Jahre hindurch und vielen Widerständen zum Trotz angestrebt hat. Dies alles geschah und geschieht in der Überzeugung, daß eine Politik, die dem Menschen dient, zuerst und vor allem den Frieden erhalten und sichern muß. Die weitere Eskalation des Wettrüstens bindet gewaltige materielle und geistige Ressourcen und Kräfte. Sie könnten sozialen, geistig-kulturellen und vor allem auch wissenschaftlichen Aufgaben zugute kommen, könnten, statt Menschen zu bedrohen, 14 22nd International Congress of Psychology, Proceedings (S. 2-4).
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die wichtigsten Aufgaben zur Gestaltung einer menschenwürdigen Zukunft in allen Ländern der Erde sichern helfen. Und dazu gehört in besonderem Maße die Nutzung wissenschaftlicher Forschungen zum Wohle der Menschen. Ich darf unserer Hoffnung Ausdruck geben, daß sich die auf diesem Weltkongreß für Psychologie versammelten Wissenschaftler aus nahezu 50 Ländern unterschiedlicher sozialer Ordnung einig sind in der Überzeugung, daß ihre Wissenschaft den Frieden braucht, um zu gedeihen, und daß es geboten ist, in seinem Dienste wirksam zu werden. Wir, die Bürger, und die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, sind gewillt, weitere große Anstrengungen zu unternehmen, um im Bündnis mit allen friedliebenden und fortschrittlichen Kräften eine gemeinsame Zukunft in Frieden zu sichern. Auf dieser politischen Basis bereiten sich die Werktätigen unserer Republik auf ein bedeutendes gesellschaftliches Ereignis vor, den X. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, der führenden politischen Kraft dieses Landes. In der Phase seiner Vorbereitung kommen die Angehörigen unserer Hochschulen, Wissenschaftler aus Akademien und anderen Forschungseinrichtungen sowie Vertreter der gesellschaftlichen Praxis im September dieses Jahres zur V. Hochschulkonferenz unseres Landes zusammen. Sie werden über Mittel und Wege beraten, durch die Wissenschaft und Hochschulpolitik planmäßig weiterzuentwickeln sind, damit sie den gestiegenen und weiter steigenden Ansprüchen unserer Gesellschaft im Verlaufe der achtziger Jahre gerecht werden. Es geht uns darum, den realen Einfluß wissenschaftlicher Erkenntnisse auf die stete Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen unseres Landes auszuschöpfen, ihre Wirkung in unserer Volkswirtschaft zu erhöhen sowie ihren Beitrag für Bildung und Kultur unserer Bevölkerung systematisch auszugestalten. Wir haben in unserem Land das Recht auf Arbeit verwirklicht. Die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik kennen keine Arbeitslosigkeit. Alle Studenten, die an unseren Universitäten und Hochschulen studieren, wissen, daß sie nach Abschluß ihres Studiums einen ihrer Ausbildung gemäßen Arbeitsplatz erhalten werden. Wir haben das Recht auf Bildung gesichert, dem das Prinzip der Leistung zugrunde liegt und das, von den Befähigungen ausgehend und die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung berücksichtigend, jedem den Platz sichert, der seinen Fähigkeiten und seinem Leistungswillen entspricht. Auch die Psychologen unseres Landes sind in dem Prozeß der weiteren Gestaltung der gesellschaftlichen Entwicklung in hohem Maße gefordert, ihre Forschungsergebnisse und die Anwendung ihrer Kenntnisse gewinnen eine zunehmende Bedeutung. Es gibt kaum einen Bereich unseres gesellschaftlichen Lebens, in dem keine Anforderungen an die Psychologen entstehen. Die weitere Gestaltung der ökonomischen Basis unseres Landes, die Erhöhung ihres Leistungsvermögens, ist ein Schlüsselproblem unserer weiteren Entwicklung. Psychologisch begründete Beiträge zur Steigerung der Arbeitsproduktivität sind dafür von grundlegender Bedeutung. Dabei verbinden wir, das möchte ich nachdrücklich hervorheben, die Leistungssteigerung, die Erhöhung der Arbeitsproduktivität, mit der Gestaltung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen.
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Das Ziel von Bildung und Erziehung in der sozialistischen Gesellschaft, unser Erziehungsideal sind allseitig gebildete Persönlichkeiten, die als bewusste Gestalter ihrer eigenen Lebensumstände aktiven Anteil an der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft nehmen. Im aktuellen Rahmen dieser Aufgabenstellungen werden auch Fragen der Erhaltung und Wiederherstellung der psychischen und physischen Gesundheit unserer Menschen sowie der Gestaltung ihrer Sozialbeziehungen zum Nutzen des einzelnen wie der Gesellschaft eine hervorragende Rolle spielen. Sie sehen, und dies wollte ich mit meinen wenigen Beispielen andeuten, daß die Psychologie, wie auch die anderen Wissenschaften, als integrativer Bestandteil des wissenschaftlichen Lebens und der wissenschaftlichen Forschung in unserem Lande eingebettet ist in die Ziele und Aufgaben unserer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung. Verehrte Anwesende! Die Entscheidung der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaften, den Psychologen der Deutschen Demokratischen Republik die Ausrichtung dieses XXII. Internationalen Psychologie-Kongresses zu übertragen, betrachten wir als einen Ausdruck der Wertschätzung für die Leistungen der Psychologen unseres Landes. Zugleich verstehen wir die Durchführung des Kongresses an diesem Ort, vor dem vor 100 Jahren, vor allem verbunden mit dem Wirken Wilhelm Wundts, die eigenständige Entwicklung der Psychologie ihren Ausgang nahm, als Würdigung des Bemühens unserer Psychologen, sich der großen geistigen Tradition der Psychologie würdig zu erweisen und die fruchtbarsten Erkenntnisse und Denkansätze ihrer namhaftesten Vertreter, wie Wilhelm Wundt, Hermann Ebbinghaus, Wolfgang Köhler, Kurt Lewin, Max Wertheimer, Karl Duncker und vieler anderer aufzugreifen und in der heutigen und künftigen Entwicklung der psychologischen Wissenschaft weiterzuführen. Ich wünsche Ihnen, verehrte Teilnehmer des XXII. Internationalen PsychologieKongresses, wissenschaftliche fruchtbare Konferenztage und einen angenehmen, erlebnisreichen Aufenthalt in der Deutschen Demokratischen Republik. Möge Ihnen dieser Aufenthalt ein Bild von der gesellschaftlichen Entwicklung in unserem Lande vermitteln, möge er Sie davon überzeugen, daß insbesondere auch unsere Jugend in den Idealen des Friedens und der Freundschaft zwischen den Völkern erzogen wird.
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I. GRUßADRESSE DES VORSITZENDEN DES MINISTERRATES DER DDR, WILLI S TOPH Ein Dokument mit der vollständigen Originalversion der Grußadresse des Schirmherrn des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 ist nicht erhalten. Im Folgenden wiedergegeben ist der Bericht über die Grußadresse in Neues Deutschland .15
Der Vorsitzende des Ministerrates der DDR, Willi Stoph, Schirmherr des Kongresses, brachte in einem Grußschreiben an die Teilnehmer die Gewissheit zum Ausdruck, „daß diese Begegnung von Wissenschaftlern aller Kontinente ihren Beitrag leisten wird zur Lösung der dringlichsten Aufgabe unserer Gegenwart – der Sicherung und Bewahrung des Friedens als Grundvoraussetzung für das weitere Gedeihen der Wissenschaften zum Wohle des Menschen.“ In der Grußadresse heißt es weiter: „Wir schätzen uns glücklich, die Vertreter einer wissenschaftlichen Disziplin bei uns versammelt zu sehen, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, für den Fortschritt der Menschheit und die Durchsetzung humanistischer Ideale zu wirken. Das steht in voller Übereinstimmung mit dem Wesen unseres sozialistischen Staates.“ Hierzu ist die nachfolgende englische Version in den Congress News 16 erschienen:
On the occasion of the XXII International Congress of Psychology I should like to welcome all participants most heartily to the German Democratic Republic. May this congress lead to a substantial enlargement of scientific knowledge and promote international cooperation in the field of psychology. It is both an honor and a responsibility for our republic and its scientists that this congress, at the wish of the IUPS, takes place in the GDR. We consider ourselves fortunate to see gathered here in our country the representatives of a scientific discipline which has set itself the task of working for the progress of humanity and the realization of humanist ideals. That is fully in consonance with the nature of our socialist state. I extend my best wishes for a successful congress and at the same time express the hope that you will make use of your stay in our country to acquaint yourselves with the German Democratic Republic, a state which consistently, at all times, champions human rights, dignity and self-realization, which strives for peace and friendship with all nations. Permit me to express the certainty that this meeting of scientists of all continents will contribute to the fulfilment of the most urgent task of our time – the safeguarding and preservation of peace as the basic precondition for the prospering of the sciences for the benefit of mankind. Berlin, July 6, 1980 Willi Stoph Chairman of the Council of Ministers
15 Neues Deutschland (1980, 35. Jahrgang, Nr. 158, S. 1-2). 16 Congress News #1 (S.1).
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K. FREE CIRCULATION OF SCIENTISTS 17 Resolution approved by the I. U. P. S. Assembly July 11, 1980, Leipzig CONSIDERING that IUPS is a non-political organization strongly adhering to the principle that scientists from all parts of the world have the right to participate in its activities and in those of Member Associations without regard to race, religion, political philosophy, ethnic origin, citizenship language or sex, CONSIDERING that IUPS exists in order to promote active co-operation in scientific matters among scientists from all parts of the world, regardless of the political structure of their governments and it is a well established principle that scientific meetings shall not be disturbed by political statements or by any activities of political nature, NOTING that invaluable work carried out by the International Council of Scientific Unions (ICSU) to improve scientific communication and co-operation, also reflected in the Resolution on Political Non-Discrimination adopted by ICSU in 1958, in the Resolutions on the Free Circulation of Scientists adopted by ICSU in 1963, 1972, 1974, and 1976, and in the Resolution on the Free Circulation of Scientists adopted by the International Social Science Council in 1979, The General Assembly of IUPS has unanimously adopted at Leipzig, GDR, the following Resolution: 1) The IUPS affirms the right of the scientists of any country or territory to adhere to or to associate with international scientific activity without regard to race, religion, political philosophy, ethnicity or sex and confirms its basic policy of political nondiscrimination. 2) Such adherence or association has no implication with regard to recognition of the government of the country or its policies. 3) The IUPS is prepared to recognize the academy, research council, national committee, or other bona fide scientific group representing scientific activity of any country or territory acting under a government de facto or de jure that controls it, subject only to payment of subscription and submission of required reports. 4) Meetings or assemblies of IUPS or of its dependent organisms such as its special committees and commissions shall be held in countries which permit participation of every national member of IUPS or of the dependent organism of IUPS concerned, and allow free discussion and prompt dissemination of information related to such meetings. 5) In holding IUPS meetings and meetings of IUPS scientific and special committees, the Union shall take all measures within its powers to ensure the fundamental right of participation, without any discrimination, of the representatives of every member of IUPS concerned and of invited observers.
17 Arch IUPsS II. Minutes of the Meetings of the IUPS Assembly at Leipzig, German Democratic Republic July 9 and July 11, 1980 (Anlage).
ARCHIVALIEN Im Folgenden sind die Dokumente aus Archiven aufgeführt, auf welche in den vorangehenden Kapiteln sowie bei den Materialien verwiesen wird, nicht jedoch weitere oben ebenfalls berücksichtigte Schriften in Privatbesitz.
ADOLF-WÜRTH-ZENTRUM FÜR GESCHICHTE DER PSYCHOLOGIE DER UNIVERSITÄT WÜRZBURG – ARCHIV (AWZ), DARIN: BESTAND DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR PSYCHOLOGIE (DGPS) AWZ DGPs. Protokoll der 3. Sitzung des Vorstandes 1973/74 der Deutschen Gesellschaft für Psychologie am 21. und 22. 9. 1973. AWZ DGPs. Brief von Eugene H. Jacobson an Günter Reinert vom 29. 11. 1971. AWZ DGPs. Brief von Friedhart Klix an den Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Psychologie vom 20. 5. 1977. AWZ DGPs. Brief von Theo Herrmann an Carl F. Graumann vom 17. 1. 1972. AWZ DGPs. Deutsche Gesellschaft für Psychologie. Protokoll der Vorstandssitzung vom 16./17. 6. 1978. AWZ DGPs. Föderation deutscher Psychologenvereinigungen. Protokoll der Sitzung der gemeinsamen Vorstandschaft am 23. 3. 1970. AWZ DGPs. Protokoll der 3. Sitzung des Vorstandes 1974-76 der Deutschen Gesellschaft für Psychologie am 18. und 19. 2. 1975. AWZ DGPs. Protokoll der 4. Sitzung des Vorstandes 1974-76 der Deutschen Gesellschaft für Psychologie am 6. 5. 1975. AWZ Nachlass Wilhelm Peters, BA1. Brief von Helmut von Bracken an Wilhelm Peters vom 26. 2. 1960. AWZ Nachlass Wilhelm Peters, BA1. Brief von Helmut von Bracken an Wilhelm Peters vom 19.3.1960. AWZ. Nachlass Wilhelm Peters, B2, BA14 II. Brief von Helmut von Bracken an Wilhelm Peters vom 20. 4. 1956.
ARCHIVES - INTERNATIONAL UNION IUPSS)
OF
PSYCHOLOGICAL SCIENCE, MONTRÉAL (ARCH
Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science (1975). Statutes and Rules of Procedure. Arch IUPsS. I. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly´s Executive Committee at Chateau de Rosny, France, September 3-6, 1973. Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science (1981). Minutes of the Meetings of the IUPS Assembly´s Executive Committee in Caracas, Venezuela, September 8-11, 1981. Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly´s Executive Committee at Mont Gabriel, Quebec, Canada, July 25-28, 1974. Arch IUPsS I. Brief von Friedhart Klix an Arthur Summerfield (ohne Datum). Arch IUPsS I. Brief von Jürgen Rückert an Wayne H. Holtzman vom 30. 6. 1978. Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly´s Executive Committee at Windsor, England, October 11-13, 1977. Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science. Minutes of the IUPS Assembly´s Executive Committee at Holiday Inn, Zona Rosa, Mexico City, Mexico, July 15-18, 1979. Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly´s Executive Committee at Wachsenburg Castle, Weimar, GDR, July 26-29, 1978. Arch IUPsS I. International Union of Psychological Science. Report of the Secretary-General (June, 1, 1976). Arch IUPsS I. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly´s Executive Committee in Leipzig, German Democratic Republic, July 5-6 and July 12, 1980.
W. Schönpflug, G. Lüer, Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik: Wissenschaft zwischen Ideologie und Pragmatismus, DOI 10.1007/978-3-531-93057-2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Arch IUPsS II. International Union of Psychological Science. Minutes of the Meeting of the IUPS Assembly at Tokyo Japan, August 13 and August 16, 1972. Arch IUPsS II. International Union of Psychological Science. Minutes of the Meetings of the IUPS Assembly at Leipzig, German Democratic Republic, July 9 and July 11, 1980. Arch IUPsS III. Telegramm von Jürgen Siebenbrodt an Eugene H. Jacobson vom 16. 3. 1972. Arch IUPsS III. Telegramm von Friedhart Klix an Eugene H. Jacobson vom 17. 7. 1972. Arch IUPsS III. Brief von Paul Fraisse an George C. Drew vom 14. Mai 1969. Arch IUPsS III. Brief von Henry P. David an Friedhart Klix vom 21. 3. 1980. Arch IUPsS III. Brief von Henry P. David an Wayne H. Holtzman und Lowman. Arch IUPsS III. Brief von Henry P. David an Wayne H. Holtzman vom 21. 1. 1980 Arch IUPsS III. Brief von Wayne H. Holtzman an Friedhart Klix vom 20. 3. 1980. Arch IUPsS IV. Statut der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik (mit englischer Übersetzung). Arch IUPsS IV. Brief von Eugene H. Jacobson an Joseph Nuttin vom 30. 6. 1972. Arch IUPsS IV. Brief von Eugene H. Jacobson an Friedhart Klix vom 6. 6. 1967. Arch IUPsS IV. Brief von James Drever an Roger W. Russell vom 16. 3. 1965. Arch IUPsS V. Brief von Eugene H. Jacobson an Theo Herrmann vom 28. 6. 1972. Arch IUPsS V. Brief von Joseph Nuttin an Kurt Pawlik (ohne Datum). Arch IUPsS V. Brief von Joseph Nuttin an Kurt Pawlik vom 8. 8. 1973. Arch IUPsS V. Brief von Kurt Pawlik an Joseph Nuttin vom 6. 7. 1973. Arch IUPsS V. Brief von Theo Herrmann an Eugene H. Jacobson vom 17. 5. 1972. Arch IUPsS V. International Union of Psychological Science. Minutes of the meeting of the IUPS Assembly at Moscow, U.S.S.R, August 4, 6 and 8, 1966. Arch IUPsS VI. Finanzbericht der International Union of Psychological Science für das Jahr 1980 vom 10. 2. 1981.
BUNDESARCHIV BERLIN (BARCH) BArch DC 20 I 4 – 4036, Bl. 1-6, 7-10, 11-16. Präsidium des Ministerrats. Beschluß zur Sicherung der politischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 23. 3. 1978. BArch DC 20 I 4 3837, Bl. 13-16, 52-53. Präsidium des Ministerrats der DDR. Beschluß über die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in der DDR vom 20. 7. 1977. BArch DC 20 I 4 4036, Bl. XX. Brief von Minister Sölle an Minister Böhme vom 26. 1. 1978. BArch DC 20 I 4 4036, Bl. 11-16. Präsidium des Ministerrates der DDR. Beschluß zur Sicherung der politischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 23. 3. 1978. BArch DC 20 I 4 4036, Bl. 1-2. 67. Sitzung des Präsidiums des Ministerrates vom 23. März 1978. BArch DC 20 I 4 4036, Bl. 1-7. Protokoll der 67. Sitzung des Präsidiums des Ministerrates der DDR vom 23. 3. 1978. BArch DC 20 I 4 4036, Bl. 18. Brief des Oberbürgermeisters der Stadt Leipzig an Minister Böhme vom 24.1.1978. BArch DC 20 I 4 4036, Bl. 19. Fernschreiben des Vorsitzenden des Rats des Bezirkes Leipzig an Minister Böhme vom 24. 1. 1978. BArch DC 20 I 4 4036, Bl. 25. Brief von Minister Hoffmann an Minister Böhme vom 26. 1. 1978. BArch DC 20 I 4 4036, Bl. 31-32. Staatliche Planungskommission, Hauptabteilung Wissenschaft und Bildung. Brief von Prof. Dr. Steinitz an Minister Böhme vom 31. 1. 1978. BArch DC 20 I 4 4036, Bl. 3-16. Präsidium des Ministerrats. Beschluß zur Sicherung der politischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 23. März 1978.
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BArch DC 20 I 4 4036, Bl. 38. Brief des Ministeriums für Elektrotechnik und Elektronik an Minister Böhme vom 15. 2. 1978. BArch DC 20 I 4 4036, Bl. 35. Schreiben des Ministeriums für Finanzen an Minister Böhme vom 2. 2. 1978. BArch DC 20 I 4 4036, Bl. 8-16. Präsidium des Ministerrates. Beschluß zur Sicherung der politischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 23. 3. 78. BArch DC 20 I 4, 3837, Bl. 17-29. Wissenschaftspolitische Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR. BArch DC 20 I 4, 3877, Bl. 51. Maschinenschriftliche Notiz von Kurt Kleinert an Willi Stoph vom 14. 7. 1977, mit handschriftlichem Vermerk von Stoph vom 15. 7. 1977. BArch DR 3 2. Schicht 1127. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Informationen und Verordnungen über die Entsendung von Reisekadern. BArch DR 3 2. Schicht 1247. Institut für Pädagogische Psychologie der APW. Abschlußprotokoll zur Arbeitsberatung von Psychologen sozialistischer Länder vom 13. bis 17. März 1978 in Potsdam (DDR) (1. Entwurf). BArch DR 3 2. Schicht 1248/BArch DY 30 7478. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Einschätzung zur Entwicklung der Psychologie in den Jahren 19761980 vom 17. 12. 1980. BArch DR 3 2. Schicht 1249, Bl. 28-37. Zur Gründung des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie (29. September 1977 - Dresden). Eröffnungsansprache von Prof. Dr. Engel (Entwurf mit handschriftlichen Notizen vom 26. 9. 77). BArch DR 3 2. Schicht 1249. Arbeitsplan 1978 des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 20. 9. 1979 vom 6. 11. 1979. BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 6. 2. 1979 vom 21. 2. 1979. BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 30.5.1979 in Greifswald vom 30. 5. 1979. BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 4. 7. 1979 in Berlin vom 30. 7. 1979. BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 6. 12. 1979 in Berlin vom 4. 1. 1980. BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 6. 2. 1979 vom 21. 2. 1979. BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 4. 7. 1979 in Berlin vom 30. 7. 1979. BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 6. 12. 1979 in Berlin vom 4. 1. 1980. BArch DR 3 2. Schicht 1249. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Sitzung des Vorstandes des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie am 6.2.1979 vom 21. 2. 79.
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BArch DR 3 2. Schicht 1250. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Information für die Mitglieder der Dienstbesprechung des Ministers – Gründung des Wissenschaftlichen Beirates für Psychologie beim MHF. Mai 1973. BArch DR 3 2. Schicht 1973. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Zusammenarbeit zwischen der DDR und den USA 1984-1989. BArch DR 3 2. Schicht 2845. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen: Jahresanalysen über die internationalen Beziehungen im Bereich des MHF 1978-1984. BArch DR 3 2. Schicht 2845. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen: Jahresanalyse 1980 der Internationalen Hochschulbeziehungen. BArch DR 3 2. Schicht 2871. Mitteilung des Stellvertreters des Ministers, Prof. Engel, an Minister Prof. Böhme vom 29. 8. 1980. BArch DR 3 2. Schicht 2875. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Entwicklungskonzeptionen des Fachgebietes Psychologie 1976-1985. BArch DR 3 2. Schicht 2880. Aktennotiz des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen über eine Beratung mit Prof. Klix am 18. 7. 1972 vom 9. 8. 1972. BArch DR 3 2. Schicht 2880. Aktennotiz des Stellvertretenden Ministers Groschupf an Minister Böhme über eine Beratung mit dem Vorsitzenden der Gesellschaft für Psychologie der DDR, Prof. Klix, am 18.7.1972 vom 9. 8. 1972. BArch DR 3 2. Schicht 2880. Brief des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen an den Rektor der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Prof. Dr. sc. med. Franz Bolck, vom 14. 2. 1974. BArch DR 3 2. Schicht 2880. Brief von Friedhart Klix an Minister Böhme vom 2. 1. 1973. BArch DR 3 2. Schicht 2880. Brief von Johannes Hörnig an Minister Böhme vom 21. 2. 1973. BArch DR 3 2. Schicht 2880. Briefe von Minister Böhme an ausscheidende Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirates für Psychologie vom 25. 1. 1977. BArch DR 3 2. Schicht 2880. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Neuzusammensetzung des wissenschaftlichen Beirates für Psychologie beim MHF vom 10. 11. 1976. BArch DR 3 2. Schicht 2886. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Kaderentwicklungsprogramm für die Psychologie an Universitäten und Hochschulen der DDR vom 18. 6. 1988. BArch DR 3 2. Schicht 2886. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Kaderentwicklungsprogramme für die Psychologie 1982, 1985, 1988. BArch DR 3 2. Schicht 2889. Brief von Dr. Hensel an Prof. Timpe vom 5. 12. 1984. BArch DR 3 2. Schicht 2889. Brief von Friedhart Klix an Minister Margot Honecker vom 6. 4. 1981. BArch DR 3 2. Schicht 2889. Brief von Heinz Burkhardt an Adolf Kossakowski vom 17. 11. 1981. BArch DR 3 2. Schicht 2889. Brief von Minister Böhme an Willi Stoph, vom 21. 8. 1980. BArch DR 3 2. Schicht 2889. Statistik und Beratungen über die Anzahl der Zulassungen, Absolventen und den wissenschaftlichen Nachwuchs an den Sektionen. BArch DR 3 2. Schicht 2893. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Bewerbung für die Ausrichtung des 23. Internationalen Kongresses für Angewandte Psychologie 1994 in Berlin vom 25. 11. 1986. BArch DR 3 2. Schicht 2893. Internationale Zusammenarbeit der DDR auf dem Gebiet der Psychologie 1985-1989. BArch DR 3 2. Schicht 2896. Clauß, Günter. Auswertung des Wundt-Symposiums (31. 10. bis 2. 11. 1979) und Schlußfolgerungen für die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses vom 10. 11. 1979. BArch DR 3 2. Schicht 2896. Schriftliche Mitteilung von Heinz Burkhardt an Prof. Engel. Information über das Internationale Wundt-Symposium vom 31. 10.-2. 11. 79 an der KMU vom 5. 11. 1979. BArch DR 3 2. Schicht 3052. Klix, Friedhart. Bericht über die Tagung des Exekutiv-Komitees der IUPS in Cumberland-Lodge, Windsor, Großbritannien, vom 10.-13. 10. 1977. BArch DR 3 2. Schicht 3052. Klix, Friedhart. Bericht über die Tagung des Exekutiv-Komitees der IUPS in Cumberland-Lodge, Windsor, Großbritannien, vom 10.-13. 10. 1977. BArch DR 3 2. Schicht 3052. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Konstituierung des NVK zur Vorbereitung des XXII. Weltkongresses für Psychologie (23.11.1977). BArch DR 3 2. Schicht 3069. Handschriftliche Aufzeichnungen einer Diskussion während der Arbeitsberatung von Psychologen sozialistischer Länder vom 13. bis 17. März 1978 in Potsdam.
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BArch DR 3 2. Schicht 339. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Erfahrungen und Ergebnisse bei der Auswahl, Bestätigung und Vorbereitung von Auslandskadern 1979-1984. BArch DR 3 2. Schicht 581. Brief von Jürgen Rückert an Prof. Engel vom 26. 9. 1980. BArch DR 3 2. Schicht 581. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Vorschlag zur Schaffung eines Forschungs- und Entwicklungszentrums für psychodiagnostische Verfahren vom 18. 9. 1980. BArch DR 3 2. Schicht 581. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie. Auszug aus der Konzeption zur Schaffung einer Psychodiagnostischen Zentralstelle vom Juni 1980. BArch DR 3 2. Schicht B 1473-2c. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Tagesordnung der 13. Dienstbesprechung beim Minister am 3. 4. 1978. BArch DR 3 2. Schicht B 1473-2c/BArch DR 3 2. Schicht 3068. Information über die Arbeitsberatung von Psychologen sozialistischer Länder vom 13. bis 17. März 1978 in Potsdam (DDR). BArch DR 3 2. Schicht B 1473-3a. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Protokoll der Festlegungen des Ministers in der Dienstbesprechung vom 7. Juni 1978. BArch DR 3 2. Schicht B 1473-3a. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Information zum Stand der Vorbereitungen auf den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 7.-14. 7. 1980 in Leipzig vom 19. 5. 1978. BArch DR 3 2. Schicht B 1495-4c. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Abschlußinformation XXII. Internationaler Psychologiekongreß vom 6.-12. 7. 1980 in Leipzig vom 12. 7. 1980. BArch DR 3 2. Schicht B 1495-5c. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Stellungnahme der Abteilung Gesellschaftswissenschaften zur Entwicklungskonzeption Psychologie für den Zeitraum bis 1990. BArch DR 3 2. Schicht B 1495-5c. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Vorlage Nr. 131/80 zur Dienstbesprechung vom 5. 12. 1980. BArch DR 3 2. Schicht B 1495-5c. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Entwicklungskonzeption für das Fachgebiet Psychologie im Hochschulwesen für den Zeitraum bis 1990. BArch DR 3 2. Schicht B 684d. Brief des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen, Rechtsstelle, an die Gesellschaft für Psychologie in der DDR vom 16. 7. 1969. BArch DR 3 2. Schicht B 684d. Gesellschaft für Psychologie der Deutschen Demokratischen Republik. Statut (gültig ab 31.3.1969). BArch DR 3 2. Schicht B 684d. Statut der Gesellschaft für Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik. (Beschlossen von der Mitgliederversammlung am 2. November 1970). BArch DR 3 2. Schicht, B 684d. Schreiben der Gesellschaft für Psychologie an das Ministerium für Hochund Fachschulwesen, Minister Prof. Gießmann, vom 28. 3. 1969. BArch DR 3 2. Schicht B 684d. Gesellschaft für Psychologie der Deutschen Demokratischen Republik. Statut (gültig 31. 3. 1969). BArch DY 30 2208, Bl. 1-10. Protokoll Nr. 78 der Sitzung des Sekretariats des ZK der SED vom 2. August 1972. BArch DY 30 5487, Bl. 23. Beschluss: Einladung der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaft (IUPS) zur Durchführung des 22. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig. BArch DY 30 5487, Bl. 24. Beschluss: Teilnahme einer Delegation der DDR am 20. Internationalen Kongreß für Psychologie der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaft in Tokio. BArch DY 30 5487. ZK der SED. Protokoll Nr. 78 der Sitzung des Sekretariats des ZK der SED vom 2. August 1972, dazu Vorlage: Einladung der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaft (IUPS) zur Durchführung des 22. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig. BArch DY 30 741. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitungen des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig (Ergänzung zur Information vom 23.11.1978) vom 16. 7. 79. BArch DY 30 7478. Klix, Friedhart. Ausarbeitung zu einigen aktuellen Ergebnissen und Problemen der Psychologie aus der Arbeit des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie vom 10. 10. 1983. BArch DY 30 7478. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Konzeption zum weiteren Ausbau der materiell-technischen Grundlagen der psychologischen Forschungseinrichtungen im Bereich des Hochschulwesens der DDR vom 3. 5. 1980.
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BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED Abt. Wissenschaften. Zur Teilnahme der sowjetischen Delegation am XXII. Internationalen Psychologenkongreß vom 15. 7. 1980. BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 23. 11. 1978. BArch DY 30 7481. Organisationskomitee für den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie. Abschlußbericht vom 1. 9. 1980. BArch DY 30 7481. Sydow H./Programmkomitee. Bericht über das wissenschaftliche Programm des 22. ICP vom 7. 8. 1980. BArch DY 30 7481. Weltforum der Psychologen in der DDR oder Psychologische Wissenschaft und gesellschaftliche Praxis. Ein Bericht von W. Jantos, B. Jülisch, J. Lompscher, E. Metz, G. Scholz & Chr. Wagner. BArch DY 30 7481. Wissenschaftliche Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in der DDR. BArch DY 30 7481. XXII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Ein Bericht von H. Götz, H. Kühn, J. Lompscher, E. Metz, G. Scholz und Chr. Wagner. BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 23. 11. 1978. BArch DY 30 7481. ZK-Komitee der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zum Stand der Vorbereitung des XII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig (Ergänzung zur Information vom 23. 11. 1978) vom 16. 7. 1979. BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information über Ergebnisse und Entwicklungsprobleme der marxistisch-leninistischen Psychologie nach dem XXII. Internationalen Psychologiekongress vom 20. 5. 1982 vom 13. 5. 1982. BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Stellungnahme betr. Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie in der DDR vom 22. 4. 1977. BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Ausarbeitung der Sekretariatsvorlage zur Ausrichtung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 18. 9. 1975. BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Zur Teilnahme der sowjetischen Delegation am XXII. Internationalen Psychologenkongreß vom 15. 7. 1980. BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Information zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig vom 13. 12. 1978. BArch DY 30 7481. ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Ausarbeitung der Sekretariatsvorlage zur Ausrichtung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 18. 9. 1975. BArch DY 30 I IV 2/3A 2208, Bl. 74-79. Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin/Abteilung Wissenschaften des ZK. Vorlage für das Sekretariat des Zentralkomitees der SED. Betreff: Einladung der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaft (IUPS) zur Durchführung des 22. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 in Leipzig vom 27. 7. 1972. BArch DY 30 I IV 4 2/3A 2208, Bl. 80-99. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen/ZK-Sekretariat der SED, Abteilung Wissenschaften. Vorlage für das Sekretariat des ZK der SED. Betr.: Teilnahme einer Delegation der DDR am 20. Internationalen Kongreß für Psychologie der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaft vom 13. – 19. August 1972 in Tokio. BArch DY 30 IV A2/9.04/215. Mäder, Walter. Informationsbericht über den XVIII. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 23. 8. 1966. BArch DY 30 IV A2/9.04/216. Abteilung Wissenschaften. Stellungnahme zur Vorlage des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen an das Sekretariat des Zentralkomitees der SED vom 24. 6. 1969. BArch DY 30 IV A2/9.04/216. Aktennotiz von Egon Weigl vom 2. Juli 1969. BArch DY 30 IV A2/9.04/216. Bericht der Delegation der Gesellschaft für Psychologie in der DDR über die Teilnahme am XIX. Internationalen Kongreß für Psychologie, 27. 7. -2. 8. 1969 in London. BArch DY 30 IV A2/9.04/216. Brief von Friedhart Klix an Gen. Gutsmann, mit beigelegter Kurznotiz über einige wissenschaftspolitische Aspekte in Zusammenhang mit dem 19. Internationalen Kongreß für Psychologie in London, 27. 7. - 2. 8. 1969, vom 7. 8. 1969.
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BArch DY 30 IV A2/9.04/216. Brief von Georg C. Drew an Friedhart Klix vom 30. 6. 1969 (deutsche Übersetzung). BArch DY 30 IV A2/9.04/216. Brief von Paul Fraisse an Friedhart Klix vom 14. 5. 1969 (deutsche Übersetzung). BArch DY 30 IV A2/9.04/216. Direktive XIX. Internationaler Kongreß für Psychologie 27. 7. - 2. 8 . 69 in London. BArch DY 30 IV A2/9.04/216. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Vorlage für das Sekretariat des ZK der SED vom 2. Mai 1969. Betrifft: Teilnahme einer Delegation der DDR am XIX. Internationalen Kongreß für Psychologie der Internationalen Union der Psychologischen Wissenschaften (IUPS) vom 27. 7. - 2. 8. 1969 in London. BArch DY 30 IV B2/5 1115. SED-Bezirksleitung Leipzig Abt. Schulen Fach- und Hochschulen. Stellungnahme vom 24. 10. 1979. Betreff: Bericht über die politisch-ideologische Führung der Kommunisten der Karl-Marx-Universität in Vorbereitung auf den XXII. Weltkongreß für Psychologie. BArch DY 30 IV B2/5 1115. SED-Bezirksleitung Leipzig. Information an das Sekretariat der Bezirksleitung zum XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie (ICP) vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 24. 10. 1979. BArch DY 30 IV B2/5 1115. SED-Kreisleitung KMU. Vorlage für das Sekretariat der Bezirksleitung. Betreff: Bericht über die politisch-ideologische Führung der Kommunisten der Karl-Marx-Universität in Vorbereitung auf den XXII. Weltkongreß für Psychologie vom 22. 10. 1979.
BERLIN-BRANDENBURGISCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN, ARCHIV (BBA ARCH) BBA Arch AKL (1945-1968) Nr. 91. Akademieleitung Naturwissenschaftliche Einrichtungen, Arbeitsstelle für experimentelle und angewandte Psychologie.
BUNDESBEAUFTRAGTE FÜR DIE UNTERLAGEN DES STAATSSICHERHEITSDIENSTES DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK, MINISTERIUM EHEMALIGEN STAATSSICHERHEIT (BSTU, MFS)
DER FÜR
BStU, MfS, Nr. 7267. Ministerium für Staatssicherheit - Der Minister. Politisch-operative Sicherung der Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 25. 6. 1980. BfStU, MfS ZAIG, Nr. 3051. Ministerium für Staatssicherheit. Information über beachtenswerte Probleme im Zusammenhang mit dem XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie in Leipzig vom 29. 7. 1980. BStU, MfS XV 7069/88, 9157/91. BStU, MfS XV/7608/8, Bd.1, Blatt 160. BStU, MfS, Nr. 7267. Ministerium für Staatssicherheit - Der Minister. Politisch-operative Sicherung der Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 25. 6. 1980. BStU, MfS-HA XX, Nr. 14966. Organisationskomitee für den XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie. Information zur Teilnahme am XXII. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 6.-12.Juli 1980 vom 15. 4. 1980. BStU, MfS-HA XX/3, Nr. 3877. Information XXII. Internationaler Kongreß für Psychologie (ICP) vom 29. 6.-7. 7. 1980 in Leipzig vom 12. 6. 77. BStU, ohne Registernummer, MfS-HA, Abteilung II/1. MfS BdL Dok.Nr. 7267. Ministerium für Staatssicherheit - Der Minister. Politisch-operative Sicherung der Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie 1980 vom 25. 6. 1980.
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GEORG-AUGUST-UNIVERSITÄT GÖTTINGEN, ARCHIV Personalakte Johannes von Allesch.
HUMBOLDT-UNIVERSITÄT ZU BERLIN – UNIVERSITÄTSARCHIV (HUBA), DARIN: BESTAND GESELLSCHAFT FÜR PSYCHOLOGIE DER DDR (GPS-DDR) HUBA GPs-DDR 783. Günter Clauß. Auswertung des Wundt-Symposiums (31. 10. bis 2. 11. 79) und Schlußfolgerungen für die Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses vom 10. 11. 1979. HUBA GPs-DDR 783. III. Interdisziplinäres Kolloquium des Arbeitskreises Wundt-Forschung an der KarlMarx-Universität Leipzig. Einladung vom Mai 1977. HUBA GPs-DDR 784. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Abschlußeinschätzung des Lehrgangs vom 4. bis 15. Februar 1980 an der Parteischule "Karl Liebknecht" beim ZK der SED vom 15. 2. 1980. HUBA GPs-DDR 784. Brief von Walter Mäder an Jürgen Rückert vom 18. 2. 1980. HUBA GPs-DDR 784. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie am Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Schreiben an die Teilnehmer des Lehrgangs an der Parteischule „Karl Liebknecht“ vom 17. Januar 1980. HUBA GPs-DDR 784. Wissenschaftlicher Rat für Psychologie beim MHF und Parteigruppe des Lehrgangs. Abschlußeinschätzung des Lehrgangs vom 4. bis 15. Februar 1980 an der Parteischule "Karl Liebknecht" beim ZK der SED vom 15. 2. 1980. HUBA GPs-DDR 785/181.5. Brief des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen an Jürgen Rückert vom 15. 4. 1980. HUBA GPs-DDR 785/181.5. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Finanzierungsplan für den XII. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 15. 4. 1980. HUBA GPs-DDR 785/181.5. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Finanzierungsplan für den XII. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 6.-12. Juli 1980 in Leipzig vom 21. 1. 1980. HUBA GPs-DDR 785/181.5. Vertrag zwischen dem Reisebüro der DDR und der Gesellschaft für Psychologie der DDR vom 20. 10. 1979. HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliche Konzeption zur Vorbereitung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) 1980 in der DDR (bestätigt am 12. 7. 1977). HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee (WVK) XXII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Maßnahmenplan zur Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie vom 6. bis 12. Juli 1980 in Leipzig vom 22. 1. 1980. HUBA GPs-DDR 785/181.5. Wissenschaftliches Vorbereitungskomitee XXII. Internationaler Kongreß für Psychologie. Entwurf: Plan zur Vorbereitung und Durchführung des XXII. Internationalen Kongresses für Psychologie (ICP) vom 29. 6. - 7. 7. 1980 in Leipzig vom 11. 11. 1977. HUBA GPs-DDR 785a. Brief der Gesellschaft für Psychologie der DDR an das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, HA Internationale Verbindungen, vom 14. 7. 1970. HUBA GPs-DDR 785a. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Bericht über die Teilnahme am XX. Internationalen Kongreß für Psychologie in Tokio vom 13.-19. August 1972. HUBA GPs-DDR 785a. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Aufgabenstellung. Veranstaltung: 20. Internationaler Kongreß für Psychologie 13.-19. August 1972 in Tokio/Japan vom 7. 2. 1972. HUBA GPs-DDR 785a. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Bericht über die Teilnahme am XX. Internationalen Kongreß für Psychologie in Tokio vom 13.-19. August 1972. HUBA GPs-DDR 785a. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Direktive XX. Internationaler Kongreß für Psychologie 13.-19. August 1972 in Tokio. HUBA GPs-DDR 785a. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Vorlage für das Sekretariat des Zentralkomitees der SED. Betr.: Teilnahme einer Delegation der DDR am 20. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 13.-19. August 1972 in Tokio. HUBA GPs-DDR 786/46.7. Vorbereitungskomitee zum 22. Internationalen Kongress für Psychologie 1980. Konzeption zur inhaltlichen Gestaltung der "congress news" vom März 1980.
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HUBA GPs-DDR 786a/ 191.1. Aufruf einer Arbeitsgruppe der Société francaise de Psychologie vor und bei dem 21. Internationalen Kongress für Psychologie 1976 in Paris (deutsche Übersetzung). HUBA GPs-DDR 786a/ 191.1. Brief von Adolf Kossakowski an Paul Fraisse vom 28. 10. 1975. HUBA GPs-DDR 786a/191.1 Gesellschaft für Psychologie der DDR. Protokollnotiz über die Ergebnisse des Gesprächs am 14. 9. 1976 beim Generalsekretär der Akademie der Wissenschaften zur Auswertung des XXI. Internationalen Kongresses für Psychologie und Vorbereitung des XXII. ICP vom 15. 9. 1976. HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Akademie der Wissenschaften der DDR/Abteilung Wissenschaften des ZK der SED. Vorlage für das Sekretariat des ZK der SED, Betr.: Teilnahme einer Delegation der Deutschen Demokratischen Republik am 21. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 18. - 25. Juli 1976 in Paris.. HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Akademie der Wissenschaften der DDR/ZK der SED, Abteilung Wissenschaften. Vorlage für das Sekretariat des ZK der SED, Betr.: Teilnahme einer Delegation der DDR am 21. Internationalen Kongreß für Psychologie vom 18.- 25. Juli 1976 in Paris. HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Brief der Gesellschaft für Psychologie der DDR an den Generalsekretär der Akademie der Wissenschaften der DDR vom 25. 8. 1976. HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Brief des Wissenschaftlichen Sekretärs der Gesellschaft für Psychologie der DDR an die Akademie der Pädagogischen Wissenschaften, Direktor für Kader und Bildung, vom 3. 7. 1975. HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Brief von Adolf Kossakowski an den Generalsekretär der Akademie der Wissenschaften der DDR vom 28. 1. 1976. HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Brief von Adolf Kossakowski an die Abteilung Wissenschaften des ZK der SED vom 28. 10. 1975. HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Brief von Jürgen Siebenbrodt an das Büro für Wissenschaftliche Gesellschaften der Akademie der Wissenschaften vom 26.8.1976. HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Empfehlungen der vom Vorstand beauftragten Kaderkommission an die Leiter der delegierenden zentralen staatlichen Organe und das zentrale delegationsbildende Organ zur Zusammensetzung der Delegation der DDR für die Teilnahme am 21. Internationalen Kongreß für Psychologie in Paris vom 18. bis 25. Juli 1975. HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Lemaine, Gerard, Cohen-Salmon, Charles, Mathon, Tanis, Netchine, Gaby, Netchine, Serge. Antrag an die sowjetischen Gesellschaften für Psychologie und Psychiatrie vom 10. 7. 76. HUBA GPs-DDR 786a/191.1. Schreiben von Adolf Kossakowski an den Generalsekretär der Akademie der Wissenschaften der DDR, Prof. Dr. habil. Grote, vom 25. 8. 1976. HUBA GPs-DDR 787. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Aktennotiz aus der Sitzung der Initiativgruppe des WVK 22. ICP vom 28. 10. 1975. HUBA GPs-DDR 787. Kommission Öffentlichkeitsarbeit. Protokoll zur Beratung am 8. 6. 79. HUBA GPs-DDR 787. Nationales Vorbereitungskomitee. Protokoll der 3. Sitzung am 26. 10. 1979 im MHF vom 29. 10. 1979. HUBA GPs-DDR 787. Protokoll zur Beratung der Kommission Öffentlichkeitsarbeit am 8. 6. 1979. HUBA GPs-DDR 788a/191.3. Akademie der Wissenschaften der DDR. Ergänzung der Direktive für die Delegation der DDR zur Teilnahme am XII. Internationalen Kongreß für Psychologie 18..-25. Juli 1976 in Paris/Frankreich vom 18. 6. 76. HUBA GPs-DDR 788a/191.3. Gesellschaft für Psychologie der DDR und Akademie der Wissenschaften der DDR. Direktive für die Delegation der DDR zur Teilnahme am XXI. Internationalen Kongreß für Psychologie 19.-25. Juli 1976 in Paris/Frankreich vom 18. 6. 1976. HUBA GPs-DDR 788a/191.3. Gesellschaft für Psychologie der DDR. Bericht der DDR-Delegation über den XXI. Internationalen Kongreß für Psychologie (Paris, 18.-25. Juli 1976) vom 24. 8. 1976. HUBA GPs-DDR 789/181.9. Abschlußbericht Operativstab (außer Ausländerangelegenheiten usw.) (1980). HUBA GPs-DDR 789/181.9. Organisations-Komitee XXII. ICP. Arbeitskonzeption des Organisationskomitees.
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PERSONENREGISTER Das Register enthält die Namen aller Personen aus den Kapiteln 1-9 sowie zu den Materialien A-I. Die Buchstaben A-E bezeichnen Personen, deren Namen aus den auf S. 220 genannten Gründen nicht mitgeteilt werden. A 220-223, Alisch 265 Amir 78 Arnold, A. 169 Arnold, Wilhelm 25, 28, 42, 278 Ash 291 B 222 Bach 136, 308 Bachmann 95, 252 Balbier 300 Banuls 17, 276 Barleben 95 Bartel 245 Bauerkämper 12, 277, 297 Baumgarten-Tramer 26-28, 31 Baumgartner 293 Bélanger 13-24, 38, 39, 44, 115, 122, 266-279, 285 Beregowoi 228 Bergler 26, 27, 31 Bertelson 20 Bianchi 18 Biesheuvel 147 Birke 263 Bloch 114 Blumenfeld 26, 28 Böhme 37, 86-96, 100, 115, 117, 121, 154, 163, 175, 179, 189, 225, 237, 243, 249, 291, 296, 324, 335 Bolck 116 Boring 20, 71 Bott 20 Böttcher 225, 226, 294, 305, 306 Bracken 25, 27, 28 Brandstätter 252 Brandt 64 Bredow 64 Bringmann, Norma J. 72 Bringmann, Wolfgang G. 72, 129, 170 Brückner 217 Bruner 22 Bühler 20, 24 Burkhardt 37, 87, 95, 134, 170, 249 Burrichter 311 Busse 30, 67-70, 74, 115, 141-145, 246, 247, 253 C 222-224, 258, 259 Carpintero 17, 276 Cattell 18 Ceausescu 176 Charcot 18 Claparède 18
Clauß 95, 114, 116, 129, 170, 171 Cohen-Salmon 216 Conger 146 Cranach 252 D 226, 227 Danyel 297 Daub 26, 27, 28, 31 David 13-24, 38, 39, 44, 115, 122, 144, 146, 266, 267, 277, 279, 285 Diaz-Guerrero 20, 22, 243 Dourafour 150 Drever 18, 41, 42 Drew 20, 45, 46, 47 Düker 29 Dülmen 62 Dumont 32, 38, 39, 57, 68, 277, 294, 309 Duncker 292, 337 Düring 266 Durojaiye 22 E 227 Ebbinghaus 255, 337 Ebisch 12, 30 Eckardt 32, 33, 58, 68, 95, 99, 169, 259, 260 Engel 37, 87-90, 94, 135, 139, 170, 175, 225, 250, 280, 323 Eppelmann 311 Eschler 169 Ettrich 114 Faulenbach 311 Fechner 70, 116 Feinberg 327 Fischel 32, 114, 115, 302 Flournoy 18 Fraisse 20, 22, 41, 45-48, 75, 98, 134, 216, 252, 316 Frankenhaeuser 22 Freedheim 144, 146 Frensch 20, 209 Fricke 35 Friedrich, Max 71 Friedrich, Walter 29, 31, 114, 116, 247, 293 Fritsche 127 Fuchs 183 Gadamer 114 Gasch 278 Geißler 252 Gentner 89, 93 Geulen 305 Geuter 26, 28
W. Schönpflug, G. Lüer, Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik: Wissenschaft zwischen Ideologie und Pragmatismus, DOI 10.1007/978-3-531-93057-2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
358 Gibson 42 Gieseke 213 Gießmann 269 Glaser 252 González-Solaz 17, 276 Gorbanewskaja 327 Gottschaldt 29, 30, 302 Götz 242 Graumann 24, 43, 80, 171, 217 Groner 252 Groschupf 37, 86, 87, 93, 94, 115 Grosse 95 Grote 53, 85, 89, 120, 144 Grubitzsch 239, 240 Guevara 22 Gundlach 171 Guski-Leinwand 114 Guthke 116 Gutsmann 48 Haby 150 Hacker 33, 49, 67, 70-76, 89, 95-99, 105-107, 128, 134, 148, 156, 252, 296, 299, 302-304 Hagendorf 99, 255 Hager 35, 41, 57, 74, 226, 291, 295 Hallstein 13, 28, 33, 38-40, 60-64, 68, 69 Hammer 114 Hartke 30, 75 Haupt 26, 27, 31 Hebig 293 Heckhausen 43 Heller 26-28, 31 Hensel 249 Hentschke 99 Hering 236-238 Herrmann 43, 45, 80, 81 Hertzfeld 95 Heydemann 292 Heymans 18 Hiebsch 32, 36, 59, 60, 72, 89, 95, 99, 153, 167, 252, 293, 296 Hitler 26, 29, 61 Höffding 18 Hoffmann 93, 95, 99, 154, 252 Hofmann 291 Hogrefe 15, 72, 80, 170, 217 Hohlfeld 293 Holtzman 13-24, 38, 39, 44, 115, 122, 146, 266, 267, 276-279, 282-285 Holzkamp 301 Holzner 26 Honecker 35, 181, 249 Hörnig 35, 74-76, 93, 163, 291 Hübner 213, 291, 297 Hudemann 62 Irle 217
Personenregister Jacobson 22, 42, 43, 78, 80 Jaeger 301 Janet 18 Jantos 242 Jessen 292, 293, 297 Jing 20 Jordanov 98, 99, 133, 189 Joseph 269 Jülisch 242 Kasielke 95 Katz 18 Kätzel 295 Katzenstein 28 Kazimierz 252 Kelley 252 Klare 281 Klein, Eckart 292 Klein, Helmut 234 Kleinert 152 Klemm 95 Klineberg 20, 28 Klix 14, 20, 22, 30-36, 40-59, 72- 81, 86-99, 106, 108, 115, 122- 127, 137, 142-158, 172-176, 189, 204, 205, 209, 216, 217, 233-237, 241-246, 249255, 267, 278-290, 293-298 Kocka 36, 311 Köhler 337 Konrad 28, 31, 32, 297 Kossakowski 29-35, 48-54, 67, 73-76, 86, 87, 92100, 106, 108, 114, 120-126, 151, 155, 158, 166, 174-176, 199, 210, 235, 245-255, 278, 282, 293296 Krause, Bodo 155, 158 Krause, Werner 99 Krewer 300 Kröner 291, 294, 314 Krueger 29, 114 Kruse-Graumann 171 Kugler 99 Kühn 127, 242, 301 Kulka 32, 38, 39 Kunath 95 Lander 115, 116 Langfeld 18, 19 Lemaine 215, 216 Lenin 175 Leontjew 20, 22, 38-42, 47, 50, 73 Lersch 23, 29 Lewin 337 Lexis 313 Liebknecht 9, 178-181, 329 Lindenberger 305 Link 61 Lomow 22, 45, 50, 54, 73, 75, 172, 175, 240, 241 Lompscher 29, 31, 95, 99, 174, 242, 252, 294
Personenregister Louw 38, 39, 277 Löwenthal 233 Lowman 146 Lück 14, 40, 56, 74, 75, 80, 86, 106, 114, 127, 175, 237, 281 Lüer 15 Lüning 31, 32 M´Bow 151 Mäder 33, 35, 39-42, 54, 57, 58, 86-89, 95-100, 105, 144, 151, 155, 181, 197, 210, 270, 278, 300 Mählert 311 Mailloux 22 Malycha 293, 311 Marx 6, 35, 59, 67, 70, 88-90, 97, 102-104, 114119, 127, 136, 140, 155, 163, 166-169, 175, 179, 183-186, 200, 234, 238, 245, 246, 291 Masur 136, 137 Matern 95 May 137 Mayntz 311 Meer 252 Meischner 167, 169 Mertsching 51 Merz 25, 26, 31 Metge 167 Metz 242 Metzger 20, 23, 28, 39-41, 70 Michotte 20 Mielke 218, 220, 224 Miller, Neal E. 252 Miller, Rudolf 114 Mittig 331, 334 Möbius 239, 242 Mond 36, 52 Montmollin 22, 44 Montoro 17, 276 Müller 14 Müller-Enbergs 291 Myers 18 Netchine 216 Neugebauer 36, 296 Nilsson 20 Noack 59 Nötzold 36 Nuttin 22, 43, 44, 78, 80 Obuchowski 252 Ochorowicz 16 Oertel 235 Pawlik 22, 43, 44, 275 Peters 25, 26-28, 31 Petzold 93, 252 Pfeil 277 Pham Minh Hac 243
359 Piéron 18, 26 Pirjow 175 Plionchtch 327 Popper 62 Port 299 Prinz 24 Rammsayer 15 Reinert 43, 80 Rektor der Friedrich-Schiller-Universität Jena 115, 116 Rektor der Handelshochschule Leipzig 141 Rektor der Humboldt-Universität Berlin 234 Rektor der Karl-Marx-Universität Leipzig 167-169, 243 Rexin 293 Ribot 16, 18 Richelle 17, 276 Richter-Heinrich 95, 99, 252 Rieber 72 Rosenfeld 28, 31, 32, 95 Rosenzweig 13, 14, 17-24, 38, 39, 44, 115, 240, 266, 267, 277, 279, 285 Rösler 12, 34, 67, 70, 73, 89, 95, 98, 99, 106, 130, 134, 146, 165, 178, 182, 211, 235, 270 Roß 297 Roth 43 Rubin 18 Rückert 12, 34, 37, 67, 69, 86- 89, 95-97, 102, 106109, 119, 122, 123, 135, 137, 145-153, 175, 181, 182, 185, 188-194, 197, 199, 201, 210, 245, 250, 282, 283, 298, 299 Rudert 29, 114 Russell 22, 41 Sabatowska 102 Sabourin 12-14, 17-24, 38, 39, 44, 115, 266, 267, 277, 279, 285 Sacharow 145 Sagara 20 Sander 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31 Sato 41 Saunier-Seité 150 Schaarschmidt 12, 37, 67, 74, 86, 87, 90, 106, 108, 128, 139, 147, 148, 153, 158, 159, 189, 190, 210, 211, 225, 242, 245, 250, 278, 298 Schäfer 95 Schirmer 37, 92, 112, 149 Schmidt, Annerose 137 Schmidt, Hans-Dieter 29, 158, 252, 294 Scholz 242 Schröder 69, 95, 100, 116, 246, 253 Schroeder 62, 63, 265 Schwarzer 202 Seidler 295 Sergi 18 Sheehan 20
360 Sidgwick 18 Siebenbrodt 38, 39, 51-54, 59, 78, 189, 216, 269, 294, 327 Simon 134 Sindermann 151, 245 Sinz 99 Sokolov 134 Sölle 154 Sommer 14 Spickermann 236 Sprung, Helga 182, 305 Sprung, Lothar 58, 156, 169, 182, 305 Staeuble 301 Stein, Mathias 69 Stein, N. 102 Steinitz 120 Stern 28 Stieda 313 Stoph 64, 151, 152, 236, 239, 243, 249, 335, 338 Straub 32, 33, 58, 59, 302 Strauß 233 Strocka 32, 34, 36, 41, 57, 270, 271 Stumpf 17, 18 Summerfield 22, 216, 232, 237- 240, 243, 282, 283 Sydow 89, 95-99, 106, 108, 122-124, 128, 131-135, 147, 148, 158, 189, 232, 234, 242, 245, 282 Szelenyi 297 Szewczyk 32 Tanaka 22 Tausch, Anne-Marie 134 Tausch, Reinhard 134, 135 Tenbrock 252 Thomae 26 Thomas 15, 293, 305 Timpe 249 Toellner 291, 294 Tolman 20
Personenregister Tomaszewski 22, 39, 40, 234, 277 Traxel 26 Troche 15 Trommer 95 Tweney 72, 170 Udris 252 Ulbricht 35, 59, 140, 264, 268 Undeutsch 27, 31 Ungerer 72 Volpert 252 Vorwerg 34, 89, 92-100, 106, 116, 127, 151, 241, 245, 282, 293, 296 Vukovich 40 Wagner 242 Walther 36 Wandke 255 Weber 62, 63 Weigl 46 Weisemann 291, 294 Weiz 150, 151 Well 97 Wellek 23, 27-31 Wentker 292 Wertheimer 337 Westlund 22 Wielgohs 291 Winnefeld 30 Witruk 114 Witzlack 103 Wundt 7, 70-72, 78, 100, 102, 112-117, 129, 137, 153, 154, 159, 165-171, 177, 183-186, 195-198, 200, 204, 238, 239, 243, 313, 314, 323, 330, 337 Zimmermann 37, 92 Zurek 218