Jan Janssen Rechnungslegung im Mittelstand
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Jan Janssen
Rechnungslegung im Mittelstand ...
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Jan Janssen Rechnungslegung im Mittelstand
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Jan Janssen
Rechnungslegung im Mittelstand Eignung der nationalen und internationalen Rechnungslegungsvorschriften unter Berücksichtigung der Veränderungen durch den IFRS for Private Entities und das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Matthias Wolz
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Technische Universität Dortmund, 2008
1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Frauke Schindler / Nicole Schweitzer Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1603-7
Geleitwort
V
Geleitwort Die Eignung der International Financial Reporting Standards (IFRS) für die Rechnungslegung mittelständischer Unternehmen wird in Deutschland seit Jahren diskutiert. Auslöser dieser Diskussion war die verpflichtende Einführung der International Financial Reporting Standards (IFRS) für Konzernabschlüsse kapitalmarkorientierter Unternehmen innerhalb der EU. Zusätzliche Brisanz gewinnt die Diskussion um die Internationalisierung der mittelständischen Rechnungslegung durch das Vorhaben des IASB, im ersten Quartal 2009 mit dem IFRS for Private Entities einen eigenen Rechnungslegungsstandard für mittelständische Unternehmen zu veröffentlichen. Der deutsche Gesetzgeber antwortete auf diese Internationalisierungstendenzen mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, welches die Stellung des deutschen Bilanzrechts als dauerhafte Alternative zu den Rechnungslegungsnormen des IASB festigen soll. Herr Janssen hat sich zum Ziel gesetzt, die Eignung der IFRS für die mittelständische Rechnungslegung unter Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse der Unternehmen und ihrer Adressaten aus informationstheoretischer Perspektive durch Vergleich mit den Rechnungslegungsvorschriften des deutschen Bilanzrechts zu würdigen. Dabei finden sowohl der vom IASB als Entwurf publizierte IFRS for Private Entities als auch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Beachtung. Herr Janssen präsentiert eine sehr solide recherchierte Analyse, in der er der zunächst undankbaren, da schlecht greifbaren Frage nachgeht, welches der zur Zeit im Hinblick auf die speziellen Bedürfnisse mittelständischer Unternehmen diskutierten Rechnungslegungssysteme das am besten geeignete ist. Seine Mittelstandsdefinition ist dabei ebenso praktikabel und transparent begründet wie die Charakterisierung der möglichen Motive, als mittelständisches Unternehmen freiwillig zu den IFRS zu wechseln. Gleiches gilt für die Ableitung der verwendeten Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen. In seinem Hauptteil wendet der Autor die zuvor herausgearbeiteten Kriterien in einer bestechenden Konsequenz auf ausgewählte Einzelsachverhalte an. Hier überzeugt Herr Janssen durch seine analytischen Fähigkeiten. In jedem Teilkapitel kommt er nach einer prägnanten Gegenüberstellung der Rechnungslegungsnormen zu einer spannenden und gut begründeten Würdigung, welches der untersuchten Systeme angesichts der Beurteilungskriterien zu bevorzugen ist. Es ist ihm dabei hoch anzurechnen, dass er nicht in eine gebetsmühlenhafte Abarbeitung verfällt, sondern jederzeit eine gut lesbare Analyse mit deutlichem Fokus auf wichtige Erkenntnisse anbietet. Es ist dem Autor zu attestieren, mit einem deutlichen Fokus auf einer aktuellen und interessanten Fragestellung eine sehr solide Aufarbeitung des State of the Art zu liefern, auf Basis
VI
Geleitwort
derer er eine recht tief gehende und ebenso konsistente wie auch konsequente Analyse mit teilweise originellen Ergebnissen anbietet, die der Diskussion um eine angemessene Rechnungslegung für mittelständische Unternehmen eine interessante Facette hinzufügt. Matthias Wolz
VII
Vorwort
Vorwort Mit der Publikation der vorliegenden Arbeit endet ein Projekt, das mein Leben in den vergangenen Jahren geprägt und in vielerlei Hinsicht bestimmt hat. Sie wurde im Dezember von der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Technischen Universität Dortmund unter dem Titel "Rechnungslegung im Mittelstand - Kritische Würdigung der nationalen und internationalen Rechnungslegungsvorschriften unter Berücksichtigung des IFRS for Private Entities und des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes" als Dissertation angenommen. Mein Dank gilt meinem akademischen Lehrer Herrn Prof. Dr. Matthias Wolz, der mir die Möglichkeit zur Promotion geboten und das Erstgutachten übernommen hat. Sein regelmäßiges Feedback und seine Zuversicht in das gute Gelingen der Arbeit gaben mir die Sicherheit auf dem richtigen Weg zu sein und haben mich sehr motiviert. Für die sofortige Übernahme des Zweitgutachtens möchte ich mich bei Prof. Dr. Andreas Hoffjan bedanken. Ohne die unbürokratische und flexible Unterstützung meines Arbeitgebers, der PricewaterhouseCoopers AG WPG, hätte ich die externe Promotion nicht so in die Tat umsetzen können. Mein besonderer Dank gilt in diesem Zusammenhang dem Power-Audit-Team, das mich stets motiviert hat. Ganz besonders bedanken möchte ich mich bei meiner Freundin, Karoline Knop. Ihr Anteil am erfolgreichen Abschluss des Projekts ist immens. Sie hat mit mir diverse Diskussionen geführt, die nicht selten in minutenlangen Monologen meinerseits mündeten. Trotzdem hat sie geduldig zugehört und oftmals entscheidend zur Lösung von Problemen beigetragen. Darüber hinaus hat sie die Arbeit unter großem Zeitaufwand akribisch Korrektur gelesen. Mein guter Freund Roman auf der Lake hat die Arbeit ebenfalls durch seine konstruktiven Kommentare verbessert. Auch ihm gilt mein Dank. Dass die letzten verbleibenden sprachlichen Fehler und allzu komplexen Satzstrukturen vermieden wurden, ist meiner Mutter zu verdanken. Meinem Vater danke ich für die fachliche Korrektur. Unabhängig von jeglichen Korrekturleistungen gebührt meiner Familie der größte Dank. Ihr Rückhalt und ihre großzügige Unterstützung insbesondere in der Zeit meiner Promotion haben den erfolgreichen Abschluss erst ermöglicht. Ihr widme ich diese Arbeit.
Jan Janssen
Inhaltsverzeichnis
IX
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis..................................................................................................................... IX Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................... XV Tabellenverzeichnis..............................................................................................................XVII Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................................... XIX
I
Einleitung ...................................................................................................... 1 1
Problemstellung und Zielsetzung................................................................................ 1
2
Gang der Untersuchung............................................................................................... 5
II 1
Grundlagen ................................................................................................ 8 Mittelstand in Deutschland ......................................................................................... 8 1.1 Definition................................................................................................................ 8 1.1.1 Definition anhand quantitativer Kriterien ...................................................... 8 1.1.2 Definition anhand qualitativer Kriterien ...................................................... 10 1.1.3 Definition im Rahmen der Untersuchung .................................................... 12 1.2 Bedeutung und Struktur........................................................................................ 13 1.2.1 Bedeutung..................................................................................................... 13 1.2.2 Struktur......................................................................................................... 14
2
Grundlagen der internationalen Rechnungslegung ................................................ 15 2.1 Konzeptionelle Grundlagen.................................................................................. 16 2.1.1 Rechnungslegungszweck ............................................................................. 16 2.1.2 Rechnungslegungsgrundsätze ...................................................................... 17 2.1.2.1 Grundlegende Annahmen......................................................................... 17 2.1.2.2 Qualitative Anforderungen....................................................................... 18 2.1.2.3 Nebenbedingungen................................................................................... 19 2.1.3 Abschlusselemente ....................................................................................... 20 2.2 Allgemeine Bilanzierungsvorschriften ................................................................. 22 2.2.1 Ansatzvorschriften ....................................................................................... 22 2.2.1.1 Aktiva ....................................................................................................... 23 2.2.1.2 Passiva...................................................................................................... 27 2.2.2 Bewertungsvorschriften ............................................................................... 30 2.2.2.1 Anschaffungskosten ................................................................................. 30 2.2.2.2 Herstellungskosten ................................................................................... 31 2.2.2.3 Fair Value ................................................................................................. 32 2.2.3 Ausweisvorschriften..................................................................................... 34
X
Inhaltsverzeichnis
3
IFRS for Private Entities ........................................................................................... 35 3.1
Projektverlauf....................................................................................................... 35
3.2 Konzeptionelle Grundlagen des IFRS for SMEs .................................................. 37 3.2.1 Ziel und Entwicklungsmethodik des IASB .................................................. 37 3.2.2 Struktur des Standards.................................................................................. 39 3.2.3 Anwendungsbereich des Standards .............................................................. 40 3.2.4 Grundprinzipien der Rechnungslegung........................................................ 41 3.2.4.1 Funktion der Grundprinzipien.................................................................. 41 3.2.4.2 Zweck und Grundsätze............................................................................. 43 3.2.4.3 Allgemeine Ansatz- und Bewertungsvorschriften ................................... 43 3.2.5 Abschlusselemente ....................................................................................... 44
III
Zunehmende Relevanz der IFRS im Mittelstand ................................ 45
1
Vorbemerkungen........................................................................................................ 45
2
Wandel der rechtlichen Rahmenbedingungen ........................................................ 46 2.1
Harmonisierung der Rechnungslegung innerhalb der EU .................................. 46
2.2 IAS-Verordnung der EU....................................................................................... 47 2.2.1 Inhalt............................................................................................................. 47 2.2.2 Umsetzung in Deutschland........................................................................... 48 2.3 Rechnungslegungsrichtlinien der EU................................................................... 50 2.3.1 Inhalt............................................................................................................. 50 2.3.2 Umsetzung in Deutschland........................................................................... 52 2.4 3
Folgen für den Mittelstand................................................................................... 54
Wandel der ökonomischen Rahmenbedingungen ................................................... 56 3.1
Internationalisierung............................................................................................ 56
3.2 Unternehmensfinanzierung .................................................................................. 58 3.2.1 Finanzierungsstruktur................................................................................... 58 3.2.2 Fremdfinanzierung ....................................................................................... 61 3.2.3 Eigenfinanzierung ........................................................................................ 65 3.3
Unternehmenssteuerung....................................................................................... 69
3.4
Folgen für den Mittelstand................................................................................... 72
4
Kosten der IFRS-Anwendung ................................................................................... 73
5
Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse......................................................... 75
IV
Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen ............... 78
1
Vorbemerkungen........................................................................................................ 78
Inhaltsverzeichnis
2
Zweck der Rechnungslegung..................................................................................... 79 2.1
3
4
XI
Abhängigkeit der Rechnungslegung von der Unternehmenstheorie .................... 79
2.2
Das mittelständische Unternehmen als Koalition ................................................ 81
2.3
Informationsvermittlung als Zweck der Rechnungslegung .................................. 82
2.4.
Erfordernis der Adressatenorientierung .............................................................. 83
Methoden zur Ableitung der Anforderungskriterien ............................................. 84 3.1
Logisch-deduktive Methode.................................................................................. 84
3.2
Empirisch-induktive Methode .............................................................................. 85
3.3
Hermeneutische Methode ..................................................................................... 87
Rechnungslegungsadressaten und deren Informationsinteressen ......................... 89 4.1
Mittelständische Rechnungslegungsadressaten ................................................... 89
4.2 Informationsinteressen mittelständischer Rechnungslegungsadressaten ............ 90 4.2.1 Eigentümer und Unternehmensleitung......................................................... 90 4.2.1.1 Informationsinteressen ............................................................................. 90 4.2.1.2 Bedeutung von Rechnungslegungsinformationen.................................... 91 4.2.2 Kreditinstitute............................................................................................... 92 4.2.2.1 Informationsinteressen ............................................................................. 92 4.2.2.2 Bedeutung von Rechnungslegungsinformationen.................................... 93 4.2.3 Marktpartner................................................................................................. 95 4.2.3.1 Informationsinteressen ............................................................................. 95 4.2.3.2 Bedeutung von Rechnungslegungsinformationen.................................... 95 4.2.4 Arbeitnehmer................................................................................................ 96 4.2.4.1 Informationsinteressen ............................................................................. 96 4.2.4.2 Bedeutung von Rechnungslegungsinformationen.................................... 96 4.2.5 Fiskus ........................................................................................................... 97 4.2.5.1 Informationsinteressen ............................................................................. 97 4.2.5.2 Bedeutung von Rechnungslegungsinformationen.................................... 97 4.2.6 Allgemeine Öffentlichkeit............................................................................ 98 4.2.6.1 Informationsinteressen ............................................................................. 98 4.2.6.2 Bedeutung von Rechnungslegungsinformationen.................................... 98 4.3 5
Folgen für die inhaltliche Konkretisierung der Anforderungskriterien............... 99
Inhaltliche Konkretisierung der Anforderungskriterien ..................................... 101 5.1 Primäranforderung ............................................................................................ 101 5.1.1 Relevanz ..................................................................................................... 101 5.1.1.1 Begriff .................................................................................................... 101 5.1.1.2 Prognosefunktion ................................................................................... 102 5.1.1.3 Kontrollfunktion..................................................................................... 104 5.1.2 Notwendigkeit ergänzender Anforderungskriterien................................... 105 5.2
Sekundäranforderungen ..................................................................................... 106
XII
Inhaltsverzeichnis
5.2.1 Verlässlichkeit ............................................................................................ 106 5.2.1.1 Verlässlichkeit und Relevanz ................................................................. 106 5.2.1.2 Verlässlichkeit und Vorsicht .................................................................. 107 5.2.1.3 Objektivität............................................................................................. 109 5.2.2 Verständlichkeit ......................................................................................... 112 5.2.3 Vergleichbarkeit ......................................................................................... 112 5.2.4 Vollständigkeit ........................................................................................... 114 5.3 Restriktion .......................................................................................................... 114 5.3.1 Wesentlichkeit............................................................................................ 114 5.3.2 Operationalisierung .................................................................................... 116 5.3.3 Wirtschaftlichkeit ....................................................................................... 117 6
System der Anforderungskriterien......................................................................... 119
7
Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse....................................................... 120
V
Würdigung der Rechnungslegungssysteme........................................ 122
1
Vorbemerkungen...................................................................................................... 122
2
Identifikation der wesentlichen Bilanzierungssachverhalte................................. 123 2.1
3
Internationale Rechnungslegungsstandards als Ausgangspunkt ....................... 123
2.2
Ausschluss nicht relevanter Rechnungslegungsstandards ................................. 124
2.3
Systematisierung der relevanten Rechnungslegungsstandards.......................... 126
2.4
Folgen für das weitere Vorgehen ....................................................................... 128
Immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens .......................................... 128 3.1 Unterschiede in der bilanziellen Abbildung....................................................... 128 3.1.1 Abbildung nach IFRS und HGB ................................................................ 129 3.1.2 Abbildung nach IFRS for SMEs ................................................................ 133 3.1.3 Abbildung nach BilMoG ............................................................................ 135
4
3.2
Würdigung der bilanziellen Abbildung .............................................................. 136
3.3
Zusammenfassung und Empfehlungen ............................................................... 144
Sachanlagen .............................................................................................................. 145 4.1 Unterschiede in der bilanziellen Abbildung....................................................... 145 4.1.1 Abbildung nach IFRS und HGB ................................................................ 145 4.1.2 Abbildung nach BilMoG ............................................................................ 147
5
4.2
Würdigung der bilanziellen Abbildung .............................................................. 148
4.3
Zusammenfassung und Empfehlungen ............................................................... 154
Leasingverhältnisse .................................................................................................. 155 5.1
Unterschiede in der bilanziellen Abbildung....................................................... 155
Inhaltsverzeichnis
5.1.1 5.1.2
6
XIII
Abbildung nach IFRS und HGB ................................................................ 155 Abbildung nach IFRS for SMEs ................................................................ 157
5.2
Würdigung der bilanziellen Abbildung .............................................................. 157
5.3
Zusammenfassung und Empfehlungen ............................................................... 160
Vorräte ...................................................................................................................... 161 6.1 Unterschiede in der bilanziellen Abbildung....................................................... 161 6.1.1 Abbildung nach IFRS und HGB ................................................................ 161 6.1.2 Abbildung nach BilMoG ............................................................................ 165
7
8
6.2
Würdigung der bilanziellen Abbildung .............................................................. 166
6.3
Zusammenfassung und Empfehlungen ............................................................... 173
Langfristige Fertigungsaufträge ............................................................................. 174 7.1
Unterschiede in der bilanziellen Abbildung....................................................... 174
7.2
Würdigung der bilanziellen Abbildung .............................................................. 176
7.3
Zusammenfassung und Empfehlungen ............................................................... 179
Finanzinstrumente ................................................................................................... 180 8.1 Unterschiede in der bilanziellen Abbildung....................................................... 180 8.1.1 Abbildung nach IFRS und HGB ................................................................ 180 8.1.2 Abbildung nach IFRS for SMEs ................................................................ 185 8.1.3 Abbildung nach BilMoG............................................................................ 186
9
8.2
Würdigung der bilanziellen Abbildung .............................................................. 188
8.3
Zusammenfassung und Empfehlungen ............................................................... 196
Latente Steuern ........................................................................................................ 197 9.1 Unterschiede in der bilanziellen Abbildung....................................................... 197 9.1.1 Abbildung nach IFRS und HGB ................................................................ 197 9.1.2 Abbildung nach BilMoG ............................................................................ 199 9.2
Würdigung der bilanziellen Abbildung .............................................................. 201
9.3
Zusammenfassung und Empfehlungen ............................................................... 205
10
Eigenkapital .......................................................................................................... 206 10.1 Unterschiede in der bilanziellen Abbildung....................................................... 206 10.1.1 Abbildung nach HGB................................................................................. 206 10.1.2 Abbildung nach IFRS................................................................................. 208 10.1.2.1 Abbildung nach IAS 32 (rev. 2003) ......................................................... 208 10.1.2.2 Abbildung nach IAS 32 (rev. 2008) ......................................................... 210 10.2
Würdigung der bilanziellen Abbildung .............................................................. 211
10.3
Zusammenfassung und Empfehlungen ............................................................... 216
XIV
Inhaltsverzeichnis
11
Rückstellungen ..................................................................................................... 217 11.1 Unterschiede in der bilanziellen Abbildung....................................................... 217 11.1.1 Abbildung nach IFRS und HGB ................................................................ 217 11.1.2 Abbildung nach BilMoG ............................................................................ 219 11.2
12
Würdigung der bilanziellen Abbildung .............................................................. 220 Pensionsrückstellungen........................................................................................ 227
12.1 Unterschiede in der bilanziellen Abbildung....................................................... 227 12.1.1 Abbildung nach IFRS und HGB ................................................................ 227 12.1.2. Abbildung nach IFRS for SMEs ................................................................ 229 12.1.3. Abbildung nach BilMoG ............................................................................ 230
13
VI
12.2
Würdigung der bilanziellen Abbildung .............................................................. 230
12.3
Zusammenfassung und Empfehlungen ............................................................... 237 Zusammenfassung der Ergebnisse ..................................................................... 238
Fazit und Ausblick ................................................................................ 245
Literaturverzeichnis................................................................................................................ 247
Abbildungsverzeichnis
XV
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Gang der Untersuchung ....................................................................................... 7 Abbildung 2: Einteilung der Unternehmen nach Umsatzklassen............................................. 14 Abbildung 3: Einteilung der KMU nach Rechtsformen........................................................... 14 Abbildung 4: Rechnungslegungsgrundsätze der IFRS............................................................. 20 Abbildung 5: Ermittlung der Anschaffungskosten nach HGB und IFRS ................................ 30 Abbildung 6: Umfang der Herstellungskosten nach HGB und IFRS ...................................... 32 Abbildung 7: Ermittlung des Fair Value .................................................................................. 33 Abbildung 8: Verlauf des SME-Projektes des IASB ............................................................... 35 Abbildung 9: Struktur des Exposure Draft des IFRS for SMEs .............................................. 39 Abbildung 10: Regelungshierarchie im Falle von Regelungslücken ....................................... 42 Abbildung 11: Umsetzung der IAS-Verordnung im Rahmen des BilReG .............................. 49 Abbildung 12: Bedeutung einzelner Finanzierungsquellen für den Mittelstand...................... 59 Abbildung 13: Hauptfinanzierungsquellen für Investitionen im Mittelstand .......................... 60 Abbildung 14: System der Anforderungskriterien ................................................................. 119
Tabellenverzeichnis
XVII
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Definition von KMU gemäß Europäischer Kommission.......................................... 8 Tabelle 2: Mittelstandsdefinition des IfM Bonn ........................................................................ 9 Tabelle 3: Umschreibung der Größenklassen nach § 267 HGB .............................................. 10 Tabelle 4: Einteilung der KMU nach Branchen....................................................................... 15 Tabelle 5: Informationsinteressen mittelständischer Rechnungslegungsadressaten ................ 99 Tabelle 6: Erste Stufe des Selektionsprozesses...................................................................... 124 Tabelle 7: Zweite Stufe des Selektionsprozesses ................................................................... 126 Tabelle 8: Dritte Stufe des Selektionsprozesses..................................................................... 127 Tabelle 9: Würdigung der bilanziellen Abbildung immaterieller Vermögenswerte des Anlagevermögens................................................................................................. 144 Tabelle 10: Würdigung der bilanziellen Abbildung von Sachanlagen .................................. 154 Tabelle 11: Würdigung der bilanziellen Abbildung von Leasingverhältnissen ..................... 160 Tabelle 12: Würdigung der bilanziellen Abbildung von Vorräten ........................................ 173 Tabelle 13: Würdigung der bilanziellen Abbildung langfristiger Fertigungsaufträge ........... 179 Tabelle 14: Würdigung der bilanziellen Abbildung von Finanzinstrumenten ....................... 196 Tabelle 15: Würdigung der bilanziellen Abbildung von latenten Steuern............................. 205 Tabelle 16: Würdigung der bilanziellen Abbildung des Eigenkapitals.................................. 216 Tabelle 17: Würdigung der bilanziellen Abbildung von Rückstellungen .............................. 226 Tabelle 18: Würdigung der bilanziellen Abbildung von Pensionsrückstellungen ................. 237 Tabelle 19: Zusammenfassung der Ergebnisse ...................................................................... 238 Tabelle 20: Zusammenfassung der Empfehlungen ................................................................ 244
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis AblEG………………Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Abs………………….Absatz Abschn……………...Abschnitt abzgl……………….. abzüglich AfA…………………Absetzung für Abnutzung AfaA……………….. Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung AG…………………. Aktiengesellschaft AH…………………. Accounting Horizons (Zeitschrift) AiE………………… Accounting in Europe (Zeitschrift) AK…………………. Arbeitskreis AktG……………….. Aktiengesetz Anm………………... Anmerkung AR…………………. The Accounting Review Art…………………..Artikel Aufl…………………Auflage BaFin………………. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BB…………………..Betriebs-Berater (Zeitschrift) BBK………………...Betrieb und Rechnungswesen (Zeitschrift) BBK………………...Buchführung, Bilanzen, Kostenrechnung (Zeitschrift) BC…………………..Basis for Conclusions BC…………………..Bilanzbuchhalter und Controller (Zeitschrift) BdB…………………Bundesverband deutscher Banken Begr………………... Begründung BewG……………….Bewertungsgesetz BFH………………... Bundesfinanzhof BFuP………………..Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) BGBl………………..Bundesgesetzblatt BGH……………….. Bundesgerichtshof BilMoG……………..Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz BMF……………….. Bundesministerium der Finanzen BMJ………………... Bundesministerium der Justiz BMWi ……………... Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie bspw……………….. Beispielsweise BetrAVG…………... Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung
XIX
XX
Abkürzungsverzeichnis
BuW……………….. Betrieb und Wirtschaft (Zeitschrift) bzw………………… beziehungsweise ca………………….. circa d.h………………….. das heißt DB…………………. Der Betrieb (Zeitschrift) DBW………………..Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift) DCF………………... Discounted Cash Flow Diss…………………Dissertation DK…………………. Der Konzern (Zeitschrift) DRSC……………… Deutsches Rechnungslegungs Standard Committee DStR……………….. Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) DStV………………..Deutscher Steuerberaterverband e.V. DSWR……………... Zeitschrift für Datenverarbeitung - Steuer - Wirtschaft - Recht DVFA……………… Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management e.V…………………. eingetragener Verein EAR………………... European Accounting Review ED…………………..Exposure Draft EDV………………...Elektronische Datenverarbeitung EFRAG……………..European Financial Reporting Advisory Group EG…………………..Europäische Gemeinschaft EGHGB……………. Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch EStG……………….. Einkommensteuergesetz et al………………… et alii (und andere) EU…………………..Europäische Union EuGH……………….Europäischer Gerichtshof EuGVO……………..Verordnung der Europäischen Union EUR………………... Euro f……………………..folgende FAZ………………... Frankfurter Allgemeine Zeitung FB………………….. Finanz-Betrieb (Zeitschrift) ff…………………… fortfolgende FG…………………..Finanzgericht Fn…………………...Fußnote FS………………….. Festschrift
Abkürzungsverzeichnis
XXI
gem………………… gemäß GmbH ……………... Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHR……………. GmbH-Rundschau GoB………………... Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung HB…………………. Handelsblatt HGB……………….. Handelsgesetzbuch Hrsg………………... Herausgeber i.d.R………………... in der Regel i.e.S…………………im engeren Sinne i.S.v…………………im Sinne von i.V.m………………..in Verbindung mit IAS………………… International Accounting Standards IASB………………..International Accounting Standards Board IASFC……………....International Accounting Standards Committee Foundation ICAEW……………..Institute of Chartered Accountants in England and Wales IFRS for SMEs…….. International Financial Standard for Small and Medium-sized Entities IFRS.......................... International Financial Reporting Standards inkl………………….inklusive IRZ………………… Zeitschrift für internationale Rechnungslegung JAAF………………. Journal of Accounting, Finance and Auditing JAR…………………Journal of Accounting Research JEBO………………. Journal of Economic Behavior and Organization JMS…………………Journal of Management Studies JoFE………………...Journal of Financial Economics KG…………………. Kommanditgesellschaft KoR………………... Zeitschrift für kapitalmarktorientierte Rechnungslegung m.w.N……………… mit weiteren Nachweisen Mio……………….... Millionen No………………….. Number Nr…………………...Nummer o.V…………………. ohne Verfasserangabe
XXII
Abkürzungsverzeichnis
P…………………….Preface PiR………………….Praxis der internationalen Rechnungslegung (Zeitschrift) PwC………………... PricewaterhouseCoopers RefE………………...Referentenentwurf RegE……………….. Regierungsentwurf rev…………………..revised RK…………………. Rahmenkonzept Rn………………….. Randnummer S…………………….Seite SMP………………...Sparkassen Management Praxis (Zeitschrift) StB…………………. Der Steuerberater (Zeitschrift) StuB………………... Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) TEUR……………… Tausend Euro Tz…………………...Textziffer u.a………………….. unter anderem u.U…………………. unter Umständen u……………………. und usw………………… und so weiter v……………………. von, vom vgl…………………..vergleiche wisu………………... Das Wirtschaftsstudium (Zeitschrift) WPg………………... Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) z.B…………………. zum Beispiel z.T…………………..zum Teil ZfB………………….Zeitschrift für Betriebswirtschaft ZfbF………………... Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung ZfC………………… Zeitschrift für Controlling ZfCM………………. Zeitschrift für Controlling & Management ZfgK……………….. Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen ZGR………………... Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR………………... Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht
1 Problemstellung und Zielsetzung
I
Einleitung
1
Problemstellung und Zielsetzung
1
Die Frage nach der Eignung der International Financial Reporting Standards (IFRS) für die Rechnungslegung mittelständischer Unternehmen wird in Deutschland seit Jahren kontrovers diskutiert. Befürworter der IFRS preisen sie als den „richtige[n] Weg für den Mittelstand“1 und prognostizieren, dass mittelständische Unternehmen langfristig an einer „Bilanzierung nach IFRS nicht vorbeikommen“2. Kritiker bezeichnen die internationale Rechnungslegung als „Gift für den Mittelstand“3 und kommen zu dem Ergebnis, dass der „Mittelstand […] vor einer verpflichtenden IAS/IFRS Anwendung zu schützen“4 sei. Zusätzliche Brisanz gewinnt die Diskussion um die Internationalisierung der mittelständischen Rechnungslegung durch die Ankündigung des IASB, mit dem International Financial Reporting Standard for Private Entities im ersten Quartal 2009 einen speziell auf die Bedürfnisse mittelständischer Unternehmen zugeschnittenen Rechnungslegungsstandard zu veröffentlichen. 5 Der entsprechende Standardentwurf wurde vom IASB im Februar 2007 publiziert. Während Befürworter den Standardentwurf zumindest als einen „wichtigen Schritt in die richtige Richtung“6 anerkennen, verurteilen die Gegner das Projekt als „gescheitert“7 und sehen in ihm ein „unsinniges Unterfangen“8 oder gar einen „Schildbürgerstreich“9. Doch sind die IFRS bzw. der IFRS for Private Entities tatsächlich so ungeeignet für die mittelständische Rechnungslegung oder ist das HGB ein Auslaufmodell? Eine fundierte Beantwortung dieser Frage erfordert, die Gründe der zunehmenden Relevanz der IFRS näher zu betrachten und die Argumente ihrer Befürworter und Gegner kritisch zu hinterfragen. Zum entscheidenden Durchbruch verhalf den IFRS die EU-Verordnung Nr. 1606/2002 (IAS-Verordnung),10 durch welche die IFRS für Konzernabschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen innerhalb der Europäischen Union verbindlich eingeführt
1 2 3 4 5
6 7 8 9 10
BDI/Ernst & Young (2004), S. 20. Wulf/Klein/Azaiz (2005), S. 304. Eschbach (2004), S. 35. Hillmer (2007), S. 170. Vgl. IASB (2008b), S. 2. Das IASB-Projekt zur Entwicklung des Standards und der bereits veröffentlichte Standardentwurf liefen unter dem Titel „IFRS for Small and Medium-sized Entities“ (IFRS for SMEs). Die Bezeichnung des endgültigen Standards wurde vom IASB im Mai 2008 in „IFRS for Private Entities“ geändert. Vgl. IASB (2008a), S. 2. Wiedmann/Beiersdorf/Schmidt (2007), S. 333. Ballwieser (2006a), S. 29. Baetge (2006), S. I. Küting (2007a), S. 10. Vgl. EuGVO Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, AblEG Nr. L 243 v. 11.9.2002, S. 1-4.
2
I Einleitung
wurden.1 Die Verordnung enthielt in Art. 5 darüber hinaus ein Mitgliedstaaten-Wahlrecht, das eine verpflichtende oder freiwillige Anwendung der IFRS auch für Konzern- und Einzelabschlüsse nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen gestattete. Die Transformation des Wahlrechts in deutsches Recht erfolgte durch das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG),2 welches nicht kapitalmarktorientierten Mutterunternehmen die Option eines befreienden Konzernabschlusses nach IFRS zugestand und bezüglich des Einzelabschlusses eine befreiende Wirkung für die Veröffentlichung im Bundesanzeiger kodifizierte.3 Entsprechend der obigen Regelungen sind in Deutschland knapp 1.300 kapitalmarktorientierte Unternehmen zur Aufstellung eines IFRS-Konzernabschlusses verpflichtet.4 Die verbleibenden der 3,6 Mio.5 deutschen Unternehmen - zumeist mittelständische Unternehmen - stehen vor der Entscheidung einer freiwilligen Anwendung der IFRS im Konzern- oder Einzelabschluss. Als ausschlaggebend für ihre Entscheidung können sich Veränderungen der ökonomischen Rahmenbedingungen erweisen. In den vergangenen Jahren ist im Zuge der Globalisierung eine zunehmende Internationalisierung mittelständischer Unternehmen festzustellen. Gleichzeitig ist die Unternehmensfinanzierung einem anhaltenden strukturellen Wandel unterzogen. Befürworter einer freiwilligen Anwendung der IFRS betonen den potentiellen Nutzen der IFRS-Rechnungslegung in Bezug auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Geschäftspartnern oder Kapitalgebern und argumentieren mit einer Senkung der Finanzierungskosten durch Vorteile beim Rating im Rahmen von Basel II und bei der Aufnahme alternativer Finanzierungsformen (z.B. Private Equity oder Mezzanine-Kapital). Darüber hinaus wird angeführt, dass die IFRS aufgrund ihrer Zielsetzung, entscheidungsnützliche Informationen zu vermitteln, eine adäquate Grundlage für das interne Rechnungswesen darstellen und eine kostensparende Harmonisierung des internen und externen Rechnungswesens ermöglichen.6 In die Entscheidung über eine freiwillige Anwendung der IFRS sind neben den oben skizzierten Nutzenpotenzialen auch die entstehenden Kosten einzubeziehen. Kosten werden durch die Umstellung selbst und durch die nachfolgende Anwendung der IFRS verursacht. Von besonderer Bedeutung sind die Folgekosten, die den Aufwand der handelsrechtlichen Rechnungsle-
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6
Im Folgenden werden unter dem Begriff der internationalen Rechnungslegung wie in Art. 2 der EUVerordnung 1606/2002 stets die vom International Accounting Standards Board herausgegebenen International Financial Reporting Standards und deren Interpretationen verstanden. Vgl. Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz - BilReG) v. 4.12.2004, BGBl I 2004, S. 3166-3182. Vgl. Kapitel III 2.2.2. Die befreiende Wirkung ist auf die Offenlegung begrenzt. Somit besteht weiterhin die Verpflichtung, einen handelsrechtlichen Einzelabschluss aufzustellen und beim elektronischen Bundesanzeiger einzureichen. Vgl. Burger/Fröhlich/Ulbrich (2006), S. 113-122; PwC/Kämpfer/Pape (2004), S. 6f. Unternehmensbestand in 2007 gemäß Schätzungen des IfM Bonn. Die jeweils aktuellen Zahlen können unter www.ifm-bonn.org abgerufen werden (Stand: 01.07.2008). Zum Wandel der ökonomischen Rahmenbedingungen und den hieraus resultierenden Motiven zur Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards siehe Kapitel III 3.
1 Problemstellung und Zielsetzung
3
gung aufgrund der höheren Veränderungsdynamik der internationalen Standards und der deutlich umfangreicheren und komplexeren Regelungen erheblich übersteigen. Für mittelständische Unternehmen stellt der Aufwand im Vergleich zu größeren Unternehmen eine überproportional hohe Belastung dar, da sie nur über begrenzte personelle Ressourcen und ein zumeist geringes Know-how verfügen. Zudem enthalten die IFRS keine größenabhängigen Erleichterungen.1 In der jüngeren Vergangenheit ist im deutschen Schrifttum zu beobachten, dass den IFRS unter Verweis auf ein mangelhaftes Kosten-Nutzen-Verhältnis zunehmend die Eignung für die mittelständische Rechnungslegung abgesprochen wird.2 Wie die vorliegende Arbeit zeigen wird, kann allein auf Basis der oben dargestellten potenziellen Vor- und Nachteile, die mit einer Anwendung der IFRS verbunden sind, jedoch keine belastbare Aussage über die Zielkonformität der internationalen Rechnungslegungsstandards getroffen werden. Kosten- und Nutzeneffekte lassen sich kaum quantifizieren; ihr empirischer Nachweis steht vielfach noch aus. Inwieweit die internationalen Standards den Spezifika mittelständischer Unternehmen und den daraus resultierenden Anforderungen an die Rechnungslegung gerecht werden, kann ausschließlich mittels einer theoretisch fundierten und detaillierten Würdigung auf der Basis einzelner Rechnungslegungsnormen beurteilt werden. Diese Würdigung bedingt logisch zwingend den Vergleich mit einem Referenzsystem. Da eine vollständige Zielerreichung im Sinne der Verwirklichung einer normativ optimalen Rechnungslegung ausgeschlossen ist,3 würde die Würdigung des Untersuchungsobjektes ohne Vergleich mit einem Referenzsystem zu nicht interpretationsfähigen Resultaten führen. Nur der Vergleich mit zumindest einem weiteren Rechnungslegungssystem kann dem Ergebnis der Würdigung einen Aussagegehalt verleihen. Um die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Unternehmenspraxis zu gewährleisten, ist ein Vergleich mit den aktuell maßgeblichen Rechnungslegungsvorschriften erforderlich. Das primäre Ziel dieser Arbeit besteht darin, die Eignung der IFRS für die mittelständische Rechnungslegung vor dem Hintergrund der spezifischen Anforderungen mittelständischer Unternehmen und ihrer Adressaten durch Vergleich mit den handelsrechtlichen Rechnungslegungsnormen zu würdigen. Im Rahmen der Würdigung werden auch die Modifikationen der IFRS durch den Entwurf des IFRS for Private Entities berücksichtigt. Die Würdigung erfolgt aus informationstheoretischer Perspektive. Die Informationsvermittlung ist sowohl internatio-
1 2
3
Vgl. Kapitel III 4.1. Vgl. Kahle/Dahlke (2007), S. 318; Oehler (2005), S. 246; Mandler (2004), S. 95; Kahle (2003b), S. 273f.; Schildbach (2002a), S. 271; Haller (2003), S. 415; Kußmaul/Henkes (2006), S. 2235f.; Coenenberg (2005a), S. 111; Kußmaul/Tcherveniachki (2005), S. 621; Küting (2004b), S. 1; Wolz/Jungen (2005), S. 100; Krähenhorst/Wallau (2005), S. 179; Kleinmanns (2005), S. 1289; Hüttche (2004), S. 1192; Hirsch (2006), S. 270; Roth (2006), S. 20; Littkemann/Schulte/Kraft (2005b), S. 340; Dallmann/Ull (2004), S. 321f.; Bernhard/Reuss (2004), S. 22; Förschle (2001), S. 271; Weber (2006a), S. 18; Ernst (2005), S. 87. Vgl. Pellens et al. (2008), S. 17; ähnlich: Böcking (1998), S. 31.
4
I Einleitung
nal als auch national als primärer Rechnungslegungszweck anerkannt. 1 Mit fortschreitender Verbreitung der IFRS, die seit je her die entscheidungsnützliche Informationsvermittlung als alleinigen Rechnungslegungszweck verfolgen, hat die Informationsfunktion der Rechnungslegung in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Auch national erfährt die Informationsfunktion der handelsrechtlichen Rechnungslegung mit der Novellierung durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) eine bisher nicht vorstellbare Aufwertung.2 Die zukünftige Entwicklung des deutschen Bilanzrechts wird entscheidend durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzt geprägt. Damit die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung für die nähere Zukunft Bestand haben, ist die Berücksichtigung des BilMoG unabdingbar. Das sekundäre Ziel der vorliegenden Arbeit liegt deshalb in der Würdigung der mit dem BilMoG einhergehenden Änderungen der nationalen Rechnungslegungsvorschriften. Die Analyse liefert wertvolle Erkenntnisse, die die aktuelle Modernisierungsdiskussion des deutschen Bilanzrechts bereichern. Die Würdigung von Rechnungslegungssystemen kann entweder anhand der Abbildungsziele und -grundsätze des jeweiligen Systems oder alternativ anhand systemunabhängiger Ziele und Anforderungen erfolgen. Die von außen herangetragenen, systemunabhängigen Ziele und Anforderungen entsprechen nicht zwingend den Zielen und Anforderungen der zu beurteilenden Rechungslegungssysteme. Da für die vorliegende Untersuchung kein Soll-Objekt im Sinne eines für mittelständische Unternehmen optimalen Rechnungslegungssystems mit einem konsistenten System von Grundsätzen vorliegt, kann im Rahmen dieser Untersuchung nur die Verwendung systemunabhängiger Ziele und Anforderungen zweckmäßig sein. Dementsprechend stellt sich zunächst die Herausforderung, die spezifischen Anforderungen mittelständischer Unternehmen und ihrer Adressaten an eine adäquate Rechnungslegung zu eruieren und in Form eines Kriterienkatalogs zu operationalisieren. Erste Ansätze zur Entwicklung eines Kriterienkatalogs finden sich mit Bezug auf kapitalmarktorientierte Unternehmen bei Solomons3, Krönert4 und Bentele5 sowie im Hinblick auf eine mittelstandsadäquate Rechnungsle-
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2
3 4 5
Vgl. Kapitel IV 2.3. Die weiteren mit der handelsrechtlichen Rechnungslegung assoziierten Zwecke der Ausschüttungs- und Steuerbemessung stellen keine originären Aufgaben der Rechnungslegung dar, sondern können mit Hilfe alternativer Instrumente außerhalb der Rechnungslegung erfolgen. Für alternative Konzepte zur steuerlichen Gewinnermittlung vgl. stellvertretend: Spengel (2006), S. 681-687; Herzig (2004a), S. 4382; Herzig (2004b), S. 173-200; Herzig/Hausen (2004), S. 1-10; Herzig (2005a), S. 211-235; Herzig (2005b), S. 99-112; Herzig (2006), S. 71-92; Hillmer (2006), S. 342-344; Winkeljohann (2006c), S. 415-429. Bzgl. der Ausschüttungsbemessung vgl. Pellens/Jödicke/Schmidt (2007), S. 427-435; Pellens/Crasselt/Sellhorn (2007), S. 264-283; Fuchs/Stibi (2007), S. 93-98; Pellens/Jödicke/Richard (2006), S. 93-120; Pellens/Brandt/Richard (2006), S. 2021-2027. So wird in der Gesetzesbegründung zum BilMoG festgehalten, dass „Die Informationsfunktion der Handelsbilanz […] in den Vordergrund“ tritt. BilMoG-RegE Begr. A. Allgemeiner Teil. Vgl. Solomons (1986). Vgl. Krönert (2001). Vgl. Bentele (2004).
2 Gang der Untersuchung
5
gung bei Ull1, wobei der von Ull entwickelte Kriterienkatalog im Wesentlichen aus einer unkritischen Übernahme der qualitative characteristics aus dem IFRS-Rahmenkonzept besteht, welche um die mittelstandsspezifischen Kriterien des IASB-Projektes zur Entwicklung des IFRS for Private Entities ergänzt werden. Bestandteil der wissenschaftlichen Diskussion waren bisher zahlreiche empirische Studien zur Akzeptanz der IFRS und den potenziellen Nutzen- und Kosteneffekten ihrer Anwendung aus Sicht mittelständischer Unternehmen und verschiedener Experten. 2 Oehler3 hat die mit einer Umstellung der Rechnungslegung auf die vollumfänglichen IFRS verbundenen Auswirkungen auf mittelständische Unternehmen aus theoretischer und empirischer Perspektive dargestellt sowie die in der Diskussion stehenden wesentlichen Umstellungsmotive beurteilt. Empfehlungen zur inhaltlichen Ausgestaltung einer mittelstandsorientierten IFRS-Rechnungslegung wurden von Ull exemplarisch für bestimmte Problemfelder entwickelt. Seine Arbeit ist jedoch auf die Analyse der Anhangangaben begrenzt. Eine umfassende wissenschaftliche Beurteilung der Zielkonformität der internationalen und nationalen Rechnungslegungsnormen auf Basis mittelstandsspezifischer Anforderungskriterien wurde bisher nicht vorgenommen. Die vorliegende Arbeit soll zu einer Beseitigung des vorhandenen Forschungsdefizits durch die Ableitung eines adäquaten Kriterienkatalogs und anschließender vergleichender Würdigung der IFRS und des IFRS for Private Entities mit den aktuellen und zukünftigen handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften beitragen. Es handelt sich um eine normative Betrachtung der betriebswirtschaftlichen Bilanztheorie. 2
Gang der Untersuchung
Die vorliegende Arbeit besteht aus sechs Teilen. Da jeder Teil mit einer Erläuterung der Vorgehensweise beginnt, wird der Gang der Untersuchung an dieser Stelle lediglich grob skizziert. Im ersten Teil wurde die Problemstellung thematisiert und die Zielsetzung der Untersuchung formuliert. Im zweiten Teil ist es zunächst erforderlich, den Begriff des mittelständischen Unternehmens für den weiteren Verlauf der Untersuchung zu definieren. Anschließend wird die Bedeutung des Mittelstands für die deutsche Volkswirtschaft hervorgehoben. Das zweite Kapitel des zweiten Teils beinhaltet eine kurze Darstellung der konzeptionellen Grundlagen der internationalen Rechnungslegung, die mit denen der handelsrechtlichen Rechnungslegung verglichen 1 2
3
Vgl. Ull (2006b). Als grundlegend kann in diesen Zusammenhang die Arbeit von Mandler (2004) bezeichnet werden. Für weitere empirische Untersuchungen vgl. stellvertretend: Keitz/Stibi/Stolle (2007); Ochs/Leibfried (2006); PwC/DIHK (2005); BDI/Ernst & Young (2005); KPMG/Keitz/Reinke (2004); Deloitte (2004). Vgl. Oehler (2005).
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I Einleitung
werden. Darauf folgend wird das Projekt des IASB zur Entwicklung mittelstandsspezifischer IFRS vorgestellt. Der Fokus der Ausführungen liegt auf der Erläuterung der konzeptionellen Grundlagen des Exposure Draft des IFRS for SMEs. Im dritten Teil wird der Wandel der rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen untersucht, der die zunehmende Relevanz der IFRS für die Rechnungslegung mittelständischer Unternehmen begründet. Hierzu werden die rechtlichen Entwicklungen, die durch die Harmonisierungsbestrebungen der Europäischen Union ausgelöst wurden sowie Veränderungen in den ökonomischen Rahmenbedingungen und den damit einhergehenden in der Literatur kontrovers diskutierten Vorteilen der freiwilligen Anwendung internationaler Rechnungslegungsstands dargestellt. Die hieraus folgenden Konsequenzen für die mittelständische Rechnungslegung werden kritisch hinterfragt. Die Ausführungen belegen die Notwendigkeit einer detaillierten und theoretisch fundierten Analyse der Rechnungslegungsstandards. Im vierten Teil erfolgt die Entwicklung eines theoretischen Konzepts zur Würdigung der Zielkonformität von Rechnungslegungssystemen in der mittelständischen Rechnungslegung. Zur Messung der Zielkonformität ist ein Kriterienkatalog abzuleiten. Dabei wird zunächst der Rechnungslegungszweck bestimmt, da er den Ausgangspunkt für die Entwicklung des Kriterienkatalogs darstellt und die Anforderungskriterien determiniert. Anschließend werden der Adressatenkreis der mittelständischen Rechnungslegung und die aus den finanziellen Zielen der Adressaten resultierenden Anforderungen an die Rechnungslegung ermittelt. Die Anforderungen der Adressaten bestimmen die inhaltliche Konkretisierung der Beurteilungskriterien. Nach der inhaltlichen Konkretisierung werden die Kriterien in Form eines Systems zusammenfassend dargestellt. Der fünfte Teil der Untersuchung beinhaltet die Würdigung der verschiedenen Rechnungslegungssysteme. Aufgrund der Komplexität der Rechnungslegungssysteme hat die Beurteilung anhand der wesentlichen Bilanzierungssachverhalte zu erfolgen. Entsprechend wird zu Beginn eine systematische Selektion der Bilanzierungssachverhalte vorgenommen. Anschließend werden die Unterschiede in der bilanziellen Abbildung der jeweiligen Sachverhalte nach IFRS und IFRS for Private Entities sowie deutschem Handelsrecht und gegebenenfalls BilMoG dargestellt. Im Falle einer divergierenden bilanziellen Abbildung werden die Abweichungen mit Hilfe des im vierten Teil der Arbeit abgeleiteten Kriterienkatalogs kritisch gewürdigt. Darüber hinaus werden Empfehlungen für die inhaltliche Ausgestaltung der Rechnungslegung gegeben.
7
2 Gang der Untersuchung
Der sechste Teil der Untersuchung besteht aus einer Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und gibt einen kurzen Ausblick auf zu erwartende Entwicklungen.
Teil I
Einleitung
Teil II
Mittelstand in Deutschland, Grundlagen der internationalen Rechnungslegung nach IFRS, IFRS for Private Entities
Grundlagen
Zunehmende Relevanz der IFRS im Mittelstand
Teil III
Wandel der rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen, Kosten und Nutzen der IFRS im Mittelstand
Teil IV
Zweck der Rechnungslegung, Rechnungslegungsadressaten und deren Informationsinteressen, inhaltliche Konkretisierung der Anforderungskriterien, System der Anforderungskriterien
Anforderungskriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
Würdigung der internationalen und nationalen Rechnungslegungssysteme
Teil V
Immaterielle Vermögenswerte, Sachanlagen, Leasingverhältnisse, Vorräte, Langfristige Auftragsfertigung, Finanzinstrumente, Latente Steuern, Eigenkapital, Pensionsrückstellungen und sonstige Rückstellungen
Teil VI
Zusammenfassung und Ausblick
Abbildung 1: Gang der Untersuchung
8
II Grundlagen
II
Grundlagen
1
Mittelstand in Deutschland
1.1
Definition
Bislang hat sich weder international noch national eine einheitliche Definition des Mittelstandes bzw. eine Definition kleiner und mittelgroßer Unternehmen (KMU) durchgesetzt.1 Eine Abgrenzung ist sowohl anhand qualitativer als auch quantitativer Kriterien möglich. Im Folgenden werden zunächst verschiedene Definitionen vorgestellt. Anschließend erfolgt die Ableitung einer Begriffsbestimmung, die die Grundlage für den weiteren Verlauf der Untersuchung darstellt. 1.1.1
Definition anhand quantitativer Kriterien
Die Begriffe „klein“, „mittel“ oder „mittelständisch“ implizieren eine quantitative Abgrenzung. Sie bezeichnen das Ausmaß der potentiellen oder effektiven wirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmens.2 Zu ihrer Bestimmung bedarf es jedoch bestimmter Maßstäbe. 3 Als Maßstäbe werden - auch aufgrund des Fehlens weiterer typisierender Daten - in der Regel die Zahl der Beschäftigten, der Jahresumsatz sowie zum Teil ergänzend die Bilanzsumme herangezogen. Die Europäische Union kategorisiert die Unternehmen anhand der folgenden quantitativen Kriterien: Unternehmensgröße
Zahl der Beschäftigten < 10
Jahresumsatz
Bilanzsumme
Mio. €
0LR€
klein
< 50
0LR€
0LR€
mittelgroß
< 250
0LR€
0io. €
mikro
Tabelle 1: Definition von KMU gemäß Europäischer Kommission
1
2 3
Vgl. Beiersdorf/Zeimes (2005), S. 115; Europäische Kommission (2003), S. 70. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden die in Deutschland gebräuchlichen Bezeichnungen Mittelstand, mittelständische Unternehmen sowie kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) und die international übliche Bezeichnung Small and Medium-sized Entities (SME) synonym verwendet. Vgl. Busse von Colbe (1974), Sp. 567. Vgl. Mugler (1998), S. 19; Pfohl (2006), S. 3; ein umfassender Kriterienkatalog findet sich bei Pfohl (2006), S. 18-21.
9
1 Mittelstand in Deutschland
Die Empfehlung der EU zur Definition der KMU gilt seit dem 1. Januar 2005 und ersetzt die Definition von 1996, die hinsichtlich der Schwellenwerte für den Umsatz und die Bilanzsumme angepasst wurde. Die Mitarbeiterzahl bildet das Hauptkriterium zur Klassifikation der Unternehmen. Es bedarf laut EU einer Ergänzung um finanzielle Kennzahlen. Da der Umsatz als finanzielle Kennzahl aufgrund seiner Branchenabhängigkeit nicht als alleiniges Merkmal geeignet ist, wird er mit der Bilanzsumme kombiniert. Nur wenn die Grenzwerte beider Kriterien übertroffen werden, ist das Unternehmen der jeweiligen Kategorie zuzuordnen.1 Eine alternative Abgrenzung stammt vom Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn. Das IfM Bonn klassifiziert mittelständische Unternehmen anhand der Zahl der Beschäftigen sowie des Umsatzes pro Jahr und ergänzt diese quantitativen Kriterien gegebenenfalls durch zusätzliche qualitative Merkmale. Unternehmensgröße klein
Zahl der Beschäftigten < 10
Jahresumsatz < 1 Mio. €
mittel
< 500
< 50 Mio. €
groß
0LR€
Tabelle 2: Mittelstandsdefinition des IfM Bonn2
Unternehmen mit einer Mitarbeiterzahl unter 500 und einen Jahresumsatz von weniger als 50 Mio. Euro werden als KMU eingestuft. Für seine Mittelstandsdefinition verzichtet das IfM explizit auf die Angabe einer Obergrenze, da teilweise auch als groß bewertete Unternehmen aufgrund ihrer Charakteristika dem Mittelstand zugerechnet werden.3 Für die handelsrechtliche Rechnungslegung sind die Werte der Vierten EG-Richtlinie,4 die im Jahr 2003 angepasst wurden,5 maßgeblich. Der deutsche Gesetzgeber plant, die in § 267 HGB kodifizierten Schwellenwerte noch in diesem Jahr im Rahmen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes um ca. 20% anzuheben.6
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2
3 4
5
6
Vgl. Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen K(2003) 1422, AblEU Nr. L 124 v. 20.05.2003, S. 36-41. Die jeweils aktuellen Schwellenwerte der Abgrenzung des IfM Bonn können unter www.ifm-bonn.org abgerufen werden (Stand: 01.07.2008). Vgl. Kayser/Wallau (2006), S. 31. Vgl. Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsform, AblEG Nr. L 222 v. 14.08.1978, S. 11-31. Vgl. Richtlinie 2003/38/EG des Rates vom 13. Mai 2003 zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsform hinsichtlich der in Euro ausgedrückten Beträge, AblEU Nr. L 120 v. 15.05.2003, S. 22-23. Der Gesetzgeber nimmt damit eine von der EU vorgesehen Anpassung der Schwellenwerte vorweg. Darüber hinaus macht er von der in Artikel 12 Abs. 2 der Bilanzrichtlinie eingeräumten Möglichkeit einer weiteren Erhöhung der Schwellenwerte um 10% Gebrauch. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu § 267 HGB.
10
II Grundlagen
Unternehmensgröße klein
Zahl der Beschäftigten < 50
Jahresumsatz
Bilanzsumme
< 9.680 T€
< 4.840 T€
mittelgroß
< 250
< 38.500 T€
< 19.250 T€
groß
.500 T€
.250 T€
Tabelle 3: Umschreibung der Größenklassen nach § 267 HGB
Jede der drei Definitionen greift auf die Kriterien „Zahl der Beschäftigten“ und „Umsatz pro Jahr“ zurück. Aufgrund ihrer Zweckmäßigkeit und einfachen Zugänglichkeit für Externe haben sich diese Kriterien in der Literatur mittlerweile weitgehend durchgesetzt. Eine höhere Anzahl an Kriterien ermöglicht zwar eine differenziertere Zuordnung der Unternehmen, macht aber eine Gewichtung der Kriterien erforderlich und verschärft die Problematik der Messbarkeit und Erfassbarkeit.1 Kritisch zu bewerten ist, dass die Festlegung der Schwellenwerte für die jeweiligen Abgrenzungskriterien einer gewissen Willkür unterliegt.2 Zudem erlaubt die quantitative Abgrenzung keinerlei Aussagen über Charakteristika der Unternehmen, wie bspw. Eigentumsverhältnisse, Qualifikation des Managements oder Ressourcenausstattung. Kausalzusammenhänge zum Erfolg des Unternehmens lassen sich weit besser mit Hilfe dieser qualitativen Kriterien nachweisen.3 Letztlich muss man konstatieren, dass „die rein formalistische Erfassung bestimmter Größenkriterien dem Wesen des Mittelstandes nicht gerecht wird“.4 1.1.2
Definition anhand qualitativer Kriterien
Demnach lassen sich der Mittelstand und seine Charakteristika am treffendsten mit Hilfe qualitativer Kriterien beschreiben.5 In der Literatur wird eine Vielzahl verschiedener Kriterien genannt.6 Im Folgenden werden nur die wesentlichen, für den weiteren Verlauf der Untersuchung relevanten Merkmale aufgegriffen. Mittelständische Unternehmen zeichnen sich durch eine enge Verknüpfung zwischen Eigentum und Unternehmensleitung aus, das heißt die Eigentümer bzw. ihre Familien treffen unternehmensrelevante - in der Regel strategische - Entscheidungen eigenverantwortlich. Man spricht deshalb oft von Eigentümer- bzw. Familienunternehmen.7
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Vgl. Pfohl (2006), S. 12. Vgl. Lüdenbach/Hoffmann (2004a), S. 598; Pfohl (2006), S. 17. Vgl. Kayser/Wallau/Adenäuer (2006), S. 4. Wolter/Hauser (2001), S. 27. Vgl. Pfohl (2006), S. 16; Wallau (2005), S. 4. Vgl. Mugler (1998), S. 20. Vgl. Backes-Gellner/Kayser (2006), S. 54f.; Hamer (2006), S. 30; Scherff/Willeke (2005), S. 61.
1 Mittelstand in Deutschland
11
Voraussetzung für eigenverantwortliches Handeln des Eigentümers ist die wirtschaftliche und rechtliche Eigenständigkeit des Unternehmens.1 Die wirtschaftliche Eigenständigkeit gewährleistet, dass Unternehmen eines Konzernverbundes von der Mittelstandsdefinition ausgeschlossen sind.2 Aufgrund der rechtlichen Eigenständigkeit sind Filialen und Betriebsstätten nicht dem Mittelstand zuzurechnen. Charakteristisch für mittelständische Unternehmen ist zudem die Verbindung der wirtschaftlichen Existenz des Eigentümers mit der des Unternehmens.3 Dieses Kriterium gilt auch bei haftungsbeschränkten Kapitalgesellschaften als erfüllt, da die Finanzierung der Kapitalgesellschaften zumindest teilweise auf dem Privatvermögen des Unternehmers beruht, so dass seine wirtschaftliche Existenz im Regelfall von der Entwicklung des Unternehmens abhängt.4 Der Begriff des Mittelstandes ist nicht auf Unternehmen einer bestimmten Rechtsform oder Größe beschränkt. Aufgrund der engen Verflechtung von Eigentum und Leitung weisen mittelständische Unternehmen jedoch oft Management- und Finanzierungsrestriktionen auf, die die Unternehmensgröße begrenzen. Dementsprechend ist die unterdurchschnittliche Unternehmensgröße ein weiteres konsekutives Merkmal.5 Dies verleitet dazu, den Mittelstand generell mit dem Begriff der kleinen und mittleren Unternehmen gleichzusetzen. Denkbar ist aber auch der Fall, dass große Unternehmen die qualitativen Kriterien erfüllen und damit als mittelständisch zu klassifizieren sind.6 Nachteilig ist, dass die aufgezählten qualitativen Kriterien wenig konkret sind und somit Interpretationsspielräume eröffnen. Qualitative Merkmale sind statistisch kaum erfassbar, so dass die ehemals als Hilfskriterium verwendete quantitative Definition im Laufe der Zeit die bedeutsamen qualitativen Merkmale in den Hintergrund gedrängt hat. 7 Im Rahmen empirischer Erhebungen oder Rechtsanwendungen ist aufgrund des Erfordernisses verlässlicher Daten und nachvollziehbarer Quantifizierung eine Orientierung an festen Grenzmarken unabdingbar.8
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3 4 5 6 7 8
Vgl. Gantzel (1962), S. 177. Vgl. Wolter/Hauser (2005), S. 29f.; Gemäß der Definition der EU-Kommission ist ein Unternehmen nicht wirtschaftlich eigenständig, wenn sich 25% oder mehr seines Kapitals oder seiner Stimmrechte in Besitz eines Unternehmens bzw. miteinander verbundener Unternehmen befinden, vgl. K(2003) 1422, Art. 3. Vgl. Günterberg/Kayser (2004), S. 2. Vgl. Gantzel (1962), S. 190-192; Ull (2006), S. 22. Vgl. Mandler (2004), S. 14; Böcking/Herold/Müßig (2004a), S. 665. Vgl. Kayser/Wallau/Adenäuer (2006), S. 4-6. Vgl. Wallau (2006), S. 15. Vgl. Lüdenbach/Hoffmann (2004a), S. 598; Günterberg/Kayser (2004), S. 3.
12
II Grundlagen
1.1.3 Definition im Rahmen der Untersuchung Entscheidend für die Wahl eines Mittelstandsbegriffs ist der damit verfolgte Zweck. 1 Im Hinblick auf die Zielsetzung der Arbeit kommt den Charakteristika der Unternehmen eine besondere Bedeutung zu, da gerade diese Merkmale sie von großen kapitalmarktorientierten Unternehmen differenzieren und die Anforderungen an die Rechnungslegung maßgeblich determinieren. Für die Zwecke dieser Arbeit kann eine quantitative Abgrenzung deshalb nicht überzeugen. Sie kann nur als Richtwert dienen, da sie keine Rückschlüsse auf die zur Beurteilung der Zielkonformität eines Rechnungslegungssystems bedeutsamen Eigenheiten der mittelständischen Unternehmen zulässt.2 Zudem handelt es sich bei der vorliegenden Untersuchung um eine normative Betrachtung, so dass eine praxisorientierte betriebswirtschaftliche Abgrenzung mittelständischer Unternehmen anhand aussagebezogener Merkmale einer präzisen, für statistische Zwecke geeigneten, quantitativen Abgrenzung vorzuziehen ist. Erforderlich ist eine Nominaldefinition,3 die mittelständische Unternehmen anhand qualitativer Kriterien beschreibt und sie dadurch zugleich von anderen Unternehmen abgrenzt. Eine zuvor thematisierte Besonderheit mittelständischer Unternehmen ist die enge Verflechtung zwischen Eigentum und Unternehmensleitung. Zur Operationalisierung dieses Kriteriums ist eine pragmatische Vorgehensweise unerlässlich. Demnach gilt das Kriterium als erfüllt, sobald der Inhaber oder ein Mitglied der Eigentümerfamilie in die Geschäftsführung involviert ist bzw. der Eigentümer oder die Eigentümerfamilie offensichtlich einen faktischen Einfluss auf die Geschäftsführung ausübt. 4 Die Verknüpfung von Eigentum und Unternehmensleitung gewährleistet eine Beteiligung des Eigentümers an unternehmensrelevanten Entscheidungen. Als weitere Merkmale müssen die rechtliche und wirtschaftliche Eigenständigkeit gegeben sein, so dass Konzernunternehmen oder Betriebsstätten von der Mittelstandsdefinition ausgeschlossen sind. Die Abstützung auf qualitative Kriterien erlaubt es, auch diejenigen Unternehmen in die Untersuchung mit einzubeziehen, welche die Größenkriterien der gängigen quantitativen Mittelstandsdefinitionen nicht erfüllen. In Deutschland existiert eine Vielzahl von Unternehmen, die die quantitativen Schwellenwerte überschreiten, aber dennoch den Charakter mittelständischer Unternehmen aufweisen. So bezeichnen sich in einer Befragung des IfM Bonn ca. 55% der Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten als mittelständisch.5
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3
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Vgl. Mugler (1998), S. 19; Pfohl (2006), S. 5. Vgl. Gantzel (1962), S. 279; Kayser/Wallau/Adenauer (2006), S. 4. Auch das IDW definiert KMUs ausschließlich anhand qualitativer Kriterien, vgl. PH 9.100.1. Tz. (3). Für Nominaldefinitionen gilt, dass sie mehr oder weniger zweckmäßig, nicht jedoch wahr oder falsch sein können. Vgl. Ull (2006), S. 24f. Vgl. Kayser/Wallau/Adenauer (2006), S. 6.
1 Mittelstand in Deutschland
13
Im Sinne der vorliegenden Untersuchung wird ein Unternehmen als mittelständisch klassifiziert, wenn der Eigentümer der Geschäftsführung angehört oder einen faktischen Einfluss auf diese besitzt und das Unternehmen rechtlich und wirtschaftlich selbständig ist. 1.2
Bedeutung und Struktur
1.2.1 Bedeutung Im Jahr 2006 erzielten ca. 89,8% aller deutschen Unternehmen einen Umsatz von weniger als 1 Mio. Euro. Weitere 9,9% der Unternehmen wiesen einen Jahresumsatz zwischen 1 und 50 Mio. Euro aus.1 Nach Berechnungen des IfM Bonn existieren ca. 3,6 Mio. mittelständische Unternehmen, die ungefähr 20 Mio. Arbeitnehmer beschäftigen. Damit stellte der Mittelstand im Jahr 2006 70,7% aller Arbeitsplätze in Deutschland. Bei den Ausbildungsplätzen war dieser Anteil mit 82,7% sogar noch höher. Im Jahr 2006 wurden 47,2% der gesamten Nettowertschöpfung deutscher Unternehmen durch den Mittelstand geleistet.2 Vor dem Hintergrund dieser Fakten ist es verständlich, dass der Mittelstand oft als "Rückgrat der deutschen Wirtschaft"3 oder "Kern und Wachstumsmotor"4 bezeichnet wird. Der Mittelstand hat jedoch nicht nur in Deutschland, sondern auch innerhalb der EU eine enorme Bedeutung. In der EU sind 99% der Unternehmen klein oder mittelgroß. Sie stellen zwei Drittel aller Arbeitsplätze.5 Die Europäische Kommission sieht in mittelständischen Unternehmen eine der „Hauptquellen für Arbeitsplätze“6 und den „wichtigsten Motor der EUVolkswirtschaft“.7
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6
7
Eigene Berechnungen auf Basis der Daten der Umsatzsteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2006. Die jeweils aktuellen Zahlen können unter www.ifm-bonn.org abgerufen werden (Stand: 01.07.2008). Vgl. Walther (2006), S. 350; Wallau (2006), S. 30. BdB (2005), S. 6; ähnlich: Ohoven (2002), S. 1167. Vgl. Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen KOM(2005) 551 v. 10.11.2005, Umsetzung des LissabonProgramms der Gemeinschaft eine zeitgemäße KMU-Politik für Wachstum und Beschäftigung. Mitteilung der Kommission an den Rat und das europäische Parlament. „Thinking Small“ in einer größer werdenden Union KOM(2003) 26 v. 21.01.2003, S. 1. Ebenda, S. 7.
14
II Grundlagen
1.2.2 Struktur Der deutsche Mittelstand ist eine sehr heterogene Unternehmensgruppe. Dies wird durch die Aufteilung der Unternehmen nach Umsatzklassen und Rechtsformen deutlich. 3,2% 2,2%
17 500 - 100 000
4,6% 7,4%
100 000 - 500 000 500 000 - 1 000 000 49,4%
1 000 000 - 2 000 000 2 000 000 - 5 000 000
33,2%
5 000 000 - 50 000 000
Abbildung 2: Einteilung der Unternehmen nach Umsatzklassen1
Einzelunternehmen
3,9% 2,2% 8,8%
GmbH
OHG einschl. GbR
15,3%
KG einschl. GmbH & Co. KG 69,8%
Sonstige
Abbildung 3: Einteilung der KMU nach Rechtsformen2
Die vorstehenden Abbildungen zeigen die Verteilung der Unternehmen nach Umsatz und Rechtsform auf Basis der Daten des statistischen Bundesamtes. Berücksichtigt sind hierbei nur Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz zwischen 17.500 Euro und 50 Mio. Euro, die im Statistikjahr 2006 eine Umsatzsteuervoranmeldung eingereicht haben.3 Insgesamt weisen ungefähr 50% der KMU in Deutschland einen Jahresumsatz von unter 100.000 Euro und fast 83% einen Umsatz von unter 500.000 Euro aus. Vorherrschend ist die 1
2
3
Eigene Berechnungen auf Basis der Daten der Umsatzsteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2006. Eigene Berechnungen auf Basis der Daten der Umsatzsteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2006. Dies erklärt Abweichungen im Vergleich zu den Zahlen des IfM Bonn, das bei der Schätzung der Anzahl mittelständischer Unternehmen ergänzende Informationsquellen hinzuzieht.
15
2 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung
Rechtsform des Einzelunternehmens mit fast 70% vor der GmbH mit 15% und der OHG mit ca. 9%. Schlüsselt man den Mittelstand nach Branchen auf, so wird deutlich, dass die größten Wirtschaftszweige aus Dienstleistungen für Unternehmen (27,89%), Einzelhandel (13,27%), Baugewerbe (10,44%) und verarbeitendem Gewerbe (9,28%) bestehen. Branche Land-, Forst- und Fischwirtschaft Bergbau Verarbeitendes Gewerbe Energie und Wasserversorgung Baugewerbe Handel: - Kfz-Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz, Tankstellen - Handelsvermittlung und Großhandel (ohne Handel mit Kfz) - Einzelhandel (ohne Handel mit Kfz und Tankstellen), Reparatur von Gebrauchsgütern Gastgewerbe Verkehr und Nachrichtenübermittlung Kredit- und Versicherungsgewerbe Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen Erziehung / Unterricht Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen Sonstige öffentl. und persönliche Dienstleistungen Gesamt
Anteil 2,7% 0,1% 8,7% 0,7% 10,8% 3,7% 5,8% 13,2% 7,9% 4,2% 0,5% 28,5% 1,1% 1,6% 10,5% 100,0%
Tabelle 4: Einteilung der KMU nach Branchen1
2
Grundlagen der internationalen Rechnungslegung
Das folgende Kapitel führt die wesentlichen Begriffe und grundlegenden Vorschriften der internationalen Rechnungslegung ein. Auf sie wird an späterer Stelle zurückgegriffen. Da die Untersuchung einen Vergleich der internationalen Rechnungslegungsnormen mit dem für mittelständische Unternehmen maßgeblichen deutschen Handelsrecht bedingt, werden den Grundlagen der internationalen Rechnungslegung kurz die der handelsrechtlichen Regelungen gegenübergestellt.
1
Eigene Berechnungen auf Basis der Daten der Umsatzsteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2006.
16
II Grundlagen
2.1
Konzeptionelle Grundlagen
2.1.1
Rechnungslegungszweck
Die theoretische Basis der IFRS-Rechnungslegung ist im Rahmenkonzept verankert. Hier werden der Zweck, die konzeptionellen Grundlagen und die wesentlichen Prinzipien der Rechnungslegung thematisiert. Das Rahmenkonzept ist kein Standard, steht demzufolge in der Rangordnung unter den verabschiedeten Standards und ist nicht verbindlich für die Anwender (RK.12 und IAS 1.1.4). Es dient als Deduktionsgrundlage zur Interpretation bzw. Klärung von Regelungslücken und zur Entwicklung neuer IFRS sowie Überarbeitung bestehender Standards.1 Im Gegensatz zum HGB, dessen Regelungen allgemeingültig sind (code law), sind die IFRS durch das Gewohnheitsrecht (common law) und eine Orientierung an einzelnen Fällen (case law) geprägt. Es wird versucht, möglichst alle in der Praxis auftretenden Probleme umfassend zu regeln, wobei keiner inhaltlichen Systematik gefolgt wird.2 Der übergeordnete Zweck der Rechnungslegung nach IFRS liegt darin, entscheidungsnützliche Informationen (decision usefulness) zu vermitteln. Dies bedeutet, den Adressaten für ökonomische Entscheidungen relevante Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie den Cash Flow eines Unternehmens zur Verfügung zu stellen (RK.12 und IAS 1.7).3 Das Problem divergierender Informationsbedürfnisse aufgrund des weit gefassten Adressatenkreises, löst das IASB, indem es sich primär an den Informationsbedürfnissen der Investoren (Anteilseigner) orientiert. Damit rückt der Kapitalmarkt in den Mittelpunkt der IFRS-Rechnungslegung.4 Das IASB vertritt die Auffassung, dass die Informationsbedürfnisse der Eigenkapitalgeber vorrangig seien, da diese den Unternehmen Risikokapital zur Verfügung stellen. Zugleich würden die Informationsansprüche der verbleibenden Adressaten durch die Befriedigung der Informationsbedürfnisse der Eigenkapitalgeber in hohem Maße erfüllt (RK.10).5 Eine detaillierte Begründung dieser Hypothese bietet das IASB nicht.6 Konflikte aufgrund der zum Teil antinomen Zahlungsbemessungs- und Informationsinteressen7 werden durch eine ausschließliche Fokussierung auf die Informationsfunktion überwunden. 8 Der Zahlungsbemessungsfunktion kommt in IFRS-Abschlüssen keine Bedeutung zu.9 Außerdem exis-
1 2
3
4 5 6 7 8 9
Vgl. Hayn (1994), S. 713; Bieg et al. (2006b), S. 65-67. Vgl. Schönbrunn (2005), S. 99; Küting (2006a), S. 2f. Für eine umfassende Analyse der Prinzipienbasierung der IFRS vgl. Preißler (2005), insbes. S. 297-304. Zu den Adressaten der IFRS-Rechnungslegung zählen potenzielle und aktuelle Investoren, Arbeitnehmer, Kreditgeber, Lieferanten, Kunden, staatliche Einrichtungen und die Öffentlichkeit (RK.9) Vgl. Schildbach (2005), S. 59; Ballwieser (2006b), S. 25; Wiedmann/Beiersdorf/Schmidt (2007), S. 329. Vgl. Bieg et al. (2006b), S. 12f; Lüdenbach (2004), S. 41; Scheffler (1999), S. 1286. Vgl. Bieker (2006), S. 26. Vgl. Bieg (1999), S. 6-30. Vgl. Reuther (2007), S. 317; Schildbach (2004b), S. 168. Vgl. Winkeljohann (2006a), S. 33; Wolz (2005), S. 11; Kußmaul/Tcherveniachki (2005), S. 619.
17
2 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung
tiert, wie in der angloamerikanischen Rechnungslegung üblich, eine strikte Trennung von Handels- und Steuerbilanz.1 Im deutschen Bilanzrecht dient der handelsrechtliche Jahresabschluss hingegen als Instrument der Interessenregelung zwischen den verschiedenen Rechnungslegungsadressaten.2 Er stellt den Schutz der Fremdkapitalgeber in den Vordergrund. Dieser soll zum einen durch Kapitalerhaltung und zum anderen durch Vermittlung unternehmensbezogener Informationen gewährleistet werden.3 Die handelsrechtliche Rechnungslegung ist durch eine vorsichtige, am Schuldendeckungspotential orientierte Bilanzierung geprägt. 4 Zudem besteht durch das Maßgeblichkeitsprinzip eine enge Verknüpfung zwischen Handels- und Steuerbilanz. 2.1.2 Rechnungslegungsgrundsätze Um dem Anspruch einer entscheidungsnützlichen Informationsvermittlung gerecht zu werden, sind im Rahmenkonzept der IFRS sowie in IAS 1 Grundsätze der Rechnungslegung festgelegt, die in grundlegende Annahmen, qualitative Anforderungen und Nebenbedingungen unterteilt werden. 2.1.2.1 Grundlegende Annahmen Zu den grundlegenden Annahmen gehören die Grundsätze der Unternehmensfortführung (going-concern, RK.23 und IAS 1.23f.) und der periodengerechten Erfolgsermittlung (accrual basis, RK.22 und IAS 1.25f.). Der Grundsatz der Fortführung der Unternehmenstätigkeit stimmt im Wesentlichen mit den Vorschriften gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB der handelsrechtlichen Rechnungslegung überein. Das Prinzip der periodengerechten Erfolgsermittlung im Sinne der IFRS besagt im Gegensatz
zu
den
Regelungen
des
handelsrechtlichen
Imparitätsprinzips
nach
§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, dass sowohl zukünftige Erträge als auch Aufwendungen, sofern ihre Realisierung wahrscheinlich oder sicher ist, der Periode zugeordnet werden, in der sie wirtschaftlich verursacht wurden. Nach IFRS ist nicht „die erfolgte Realisation entscheidend, sondern die Realisierbarkeit am Bilanzstichtag“.5 Hier wird die zuvor thematisierte höhere Gewichtung des Vorsichtsprinzips in der handelsrechtlichen Rechnungslegung besonders deutlich.
1 2 3 4
5
Vgl. Schönbrunn (2004), S. 101; Haunerdinger/Probst (2004), S. 31. Vgl. stellvertretend: Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 94-104. Vgl. Bieker (2006), S. 25. Nach Beisse ist der Gläubigerschutz das maßgebende Gestaltungsprinzip des deutschen Bilanzrechts. Vorsicht stellt das Leitprinzip des GoB-Systems dar. Vgl. Beisse (1993), S. 77-97. Ergänzend: Pellens et al. (2008), S. 22; Lüdenbach (2004), S. 42f.; Bieg (2006b), S. 10-12. Wolz (2005), S. 16.
18
II Grundlagen
2.1.2.2 Qualitative Anforderungen Ergänzt werden die grundlegenden Annahmen durch die qualitativen Anforderungen Verständlichkeit (understandability, RK.25), Relevanz (relevance, RK.26-28), Verlässlichkeit (reliability, RK.31f.) und Vergleichbarkeit (comparability, RK.39-42). Der Grundsatz der Verständlichkeit fordert, die im Abschluss enthaltenen Informationen so zu vermitteln, dass ein sachverständiger Adressat innerhalb eines angemessenen Zeitraumes in der Lage ist, die Informationen zu verstehen (RK.25). Der Grundsatz entspricht in etwa dem Grundsatz der Klarheit gemäß § 243 Abs. 2 HGB, der „einen ‚mehrdeutigen’ und insofern irreführenden Berichtsinhalt“ verbietet.1 Der Grundsatz der Relevanz wird durch die Art (nature, RK.29) und die Wesentlichkeit (materiality, RK.29f.) einer Information determiniert. Während die Art der Information die qualitative Bedeutung dieser beschreibt, bezieht sich die Wesentlichkeit auf die quantitative Bedeutung. Wesentlich und damit relevant ist eine Information nur, wenn ihre Veröffentlichung die wirtschaftlichen Entscheidungen der Adressaten beeinflusst. Der Grundsatz der Wesentlichkeit ist zwar nicht im HGB kodifiziert, aber auch hier gilt, dass Sachverhalte von untergeordneter Bedeutung, die keinen wesentlichen Einfluss auf Jahresergebnis und Rechnungslegung haben, vernachlässigt werden können.2 Der Grundsatz der Verlässlichkeit wird durch eine Reihe weiterer Sekundärgrundsätze gewährleistet. Im Einzelnen sind dies: glaubwürdige Darstellung (faithful representation, RK.33f.), wirtschaftliche Betrachtungsweise (substance over form, RK.35), Willkürfreiheit bzw. Neutralität (neutrality, RK.36), sachgerechtes Maß an Vorsicht (prudence, RK.37) und Vollständigkeit (completeness, RK.38). Der Grundsatz der Verlässlichkeit weist große Ähnlichkeit zum handelsrechtlichen Grundsatz der Richtigkeit gemäß § 239 Abs. 2 HGB auf. Dieser fordert
Willkürfreiheit (Neutralität)
und Vollständigkeit ein. Dem
IFRS-
Sekundärgrundsatz der Vorsicht kommt im Vergleich zum HGB ein deutlich geringerer Stellenwert zu. Er ist nicht im Sinne einer asymmetrischen Abbildung von Chancen und Risiken zu interpretieren, sondern soll lediglich gewährleisten, dass bei unsicheren Erwartungen Vermögenswerte nicht überbewertet sowie Verbindlichkeiten und Rückstellungen unterbewertet werden.3
1 2
3
Moxter (1976b), S. 93. Vgl. Winkeljohann/Geißler (2006), § 252 HGB Rn. 70f. Laut BGH-Urteil tritt die Nichtigkeit des Jahresabschlusses bei festgestellten Bilanzierungsverstößen nur ein, wenn diese wesentlich, d.h. „ihrem Umfang nach nicht bedeutungslos“ sind; vgl. BGH-Urteil vom 12.01.1998 - II ZR 82/93, in: DB (1998), S. 569. Vgl. hierzu auch Kapitel IV 5.3.1. Vgl. Moxter (2003), S. 233; Buchholz (2005), S. 48f.
2 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung
19
Die Vergleichbarkeit der Informationen umfasst zum einen die zeitliche Vergleichbarkeit, das heißt den Vergleich von Abschlüssen eines Unternehmens im Zeitablauf, und zum anderen die zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit, das heißt den Vergleich der Abschlüsse verschiedener Unternehmen. Voraussetzung für die intertemporale Vergleichbarkeit von Informationen ist Stetigkeit in Ansatz, Bewertung und Ausweis ähnlicher Sachverhalte (consistency, RK.39). Auch im Handelsrecht gilt der Grundsatz der Stetigkeit gemäß §§ 252 Abs. 1 Nr. 6 und 265 Abs. 1 Satz 1 HGB. 2.1.2.3 Nebenbedingungen Die Relevanz und Verlässlichkeit von Informationen werden gemäß RK.43 bis RK.45 durch verschiedene Nebenbedingungen eingeschränkt. Hierzu zählt die zeitnahe Berichterstattung (timeliness, RK.43). Sie kann unter Umständen einen Kompromiss zwischen der höheren Relevanz aufgrund der Aktualität der Informationen und einer eingeschränkten Verlässlichkeit der Informationen erfordern. Auch nach HGB hat die Aufstellung des Jahresabschlusses innerhalb der einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entsprechenden Zeit zu erfolgen (§ 243 Abs. 3 HGB). Weitere Nebenbedingung ist die Wirtschaftlichkeit der Informationsbereitstellung, das heißt das Abwägen von Nutzen und Kosten (balance between benefit and cost, RK.44). Der Grundsatz ist zwar handelsrechtlich nicht kodifiziert; der Aspekt der Wirtschaftlichkeit kommt aber auch im HGB zum Ausdruck.1 Die letzte Nebenbedingung stellt die Ausgewogenheit der Anwendung der primären Grundsätze dar (balance between qualitative characteristics, RK.45). Somit sind im Fall von Zielkonflikten zwischen den Anforderungen der einzelnen Adressatengruppen sinnvolle Kompromisse zu finden.2
1
2
Bspw. sind die Bewertungsvereinfachungsverfahren gem. § 256 HGB im Wesentlichen durch den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit begründet, vgl. Ellrott (2006), § 256 HGB, Rn. 9. Für weitergehende Erläuterungen der einzelnen Grundsätze, siehe: Winkeljohann (2006a), S. 35-39; Bieg et al. (2006c), S. 67-74.
20
II Grundlagen
Die Rechnungslegungsgrundsätze der IFRS werden in nachfolgender Abbildung zusammengefasst.
Periodenabgrenzung und Unternehmensfortführung
Verständlichkeit
Relevanz - Art - Wesentlichkeit
Verlässlichkeit - glaubwürdige Darstellung - wirtschaftl. Betrachungsweise - Neutralität - Vorsicht - Vollständigkeit
Vergleichbarkeit
Einschränkende Nebenbedingungen - zeitnahe Berichterstattung - Wirtschaftlichkeit - Ausgewogenheit der qual. Anforderungen
Abbildung 4: Rechnungslegungsgrundsätze der IFRS1
2.1.3
Abschlusselemente
Ein vollständiger IFRS-Abschluss besteht gemäß IAS 1.8 unabhängig von der Größe und Rechtsform des Unternehmens sowohl für den Einzel- als auch für den Konzernabschluss aus folgenden Bestandteilen: -
Bilanz (balance sheet),
-
Gewinn- und Verlustrechnung (income statement),
-
Eigenkapitalveränderungsrechnung (statement of changes in equity),
-
Kapitalflussrechnung (cash flow statement) und
-
Anhang (notes).
Eine vorgeschriebene Gliederung der Bilanz - wie nach HGB - existiert für die IFRS nicht. Die Vermögenswerte und Schulden sind lediglich nach ihrer Fristigkeit oder Liquidität zu gliedern (IAS 1.51). IAS 1.68 und IAS 1.68A umfassen eine Aufzählung bestimmter Posten, die mindestens in der Bilanz enthalten sein müssen. Auch in der Gewinn- und Verlustrechnung sind gewisse Positionen zu berücksichtigen (IAS 1.81). Eine Aufgliederung der Erträge und Aufwendungen ist wahlweise in der Gewinnund Verlustrechnung oder im Anhang durchzuführen. Zulässig ist das Umsatzkostenverfahren und das Gesamtkostenverfahren (IAS 1.88). 1
Entnommen: Winkeljohann (2006a), S. 41.
21
2 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung
In
der
Eigenkapitalveränderungsrechnung
sind
gemäß
IAS 1.96f.
entweder
alle
eigenkapitalverändernden Buchungen oder alternativ alle Sachverhalte darzustellen, die das Eigenkapital in seiner Höhe verändern, aber nicht aus Transaktionen mit den Eigentümern resultieren. Anders als im HGB kommt der Eigenkapitalveränderungsrechnung in den IFRS aufgrund der zum Teil direkten Buchungen ins Eigenkapital eine höhere Bedeutung zu.1 Die Kapitalflussrechnung stellt gemäß IAS 7 die Entwicklung der flüssigen Mittel und cash equivalents2 in der Berichtsperiode dar. In der Kapitalflussrechnung sind die betriebliche Geschäftstätigkeit, die Investitionstätigkeit und die Finanzierungstätigkeit gesondert darzustellen (IAS 7.10). Der Anhang enthält Informationen zu den Grundlagen der Erstellung des Jahresabschlusses, Angaben zu spezifischen Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden und explizit in den einzelnen Standards geforderte Informationen (IAS 1.103). Darüber hinaus sind für kapitalmarktorientierte und zukünftig kapitalmarktorientierte Konzerne eine Segmentberichterstattung gemäß IAS 14 und die Angabe des Ergebnisses je Aktie gemäß IAS 33 obligatorisch. Nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen können freiwillig eine Segmentberichterstattung veröffentlichen (IAS 14.5). Der Segmentbericht ist kein eigenständiger Bestandteil des Abschlusses, sondern Teil des Anhangs. Das Ergebnis je Aktie wird in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen.3 Ein Lagebericht ist nach den Vorschriften der IFRS nicht erforderlich. Für deutsche Unternehmen besteht jedoch nach § 315a HGB bzw. § 325 Abs. 2a HGB die Pflicht zur Aufstellung eines den Abschluss nach HGB und IFRS erklärenden Lageberichts. Der handelsrechtliche Jahresabschluss ist sowohl von der Rechtsform als auch von der Unternehmensgröße abhängig. Zudem wird zwischen Konzern- und Einzelabschluss differenziert. Nach § 242 Abs. 3 HGB besteht der Jahresabschluss für alle Kaufleute aus Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung. Kapitalgesellschaften haben zusätzlich einen Anhang und Lagebericht aufzustellen (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB). Kleine Kapitalgesellschaften im Sinne des § 267 Abs. 1 HGB
sind
(§ 264 Abs. 1 Satz 3 HGB).
von Ein
der
Erstellung
Konzernabschluss
eines ist
nach
Lageberichts den
befreit
Vorschriften
des
§ 297 Abs. 1 Satz 1 HGB zusätzlich um eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel zu ergänzen. Eine Segmentberichterstattung ist optional (§ 297 Abs. 1 Satz 2 HGB). Die handelsrechtliche Rechnungslegung enthält zahlreiche größenabhängige Erleichterungen
1 2
3
Vgl. Ull (2006a), S. 365. Unter cash equivalents werden gem. IAS 7.7 kurzfristige, risikolose Wertpapiere mit einer maximalen Laufzeit von drei Monaten verstanden. Vgl. Winkeljohann (2006a), S. 43.
22
II Grundlagen
für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften im Sinne des § 267 HGB. Sie betreffen in erster Linie Erläuterungen und Angaben im Anhang (§§ 274a, 276, 288 HGB). Nach IFRS existieren keine größenabhängigen Erleichterungen oder Schutzklauseln, die kleine und mittelgroße Unternehmen von umfangreichen Angabe- und Erläuterungspflichten im Anhang befreien. Zudem sind für den IFRS-Abschluss im Gegensatz zum HGB auch im Einzelabschluss eine Eigenkapitalveränderungsrechnung und eine Kapitalflussrechnung obligatorisch. Für mittelständische Unternehmen, die regelmäßig nach § 267 HGB als klein oder mittelgroß zu klassifizieren sind und in der Regel nur einen Einzelabschluss aufstellen, ist ein IFRS konformer Jahresabschluss wesentlich umfangreicher als ein handelsrechtlicher Jahresabschluss. 2.2
Allgemeine Bilanzierungsvorschriften
2.2.1 Ansatzvorschriften Der Ansatz von Vermögenswerten1 und Schulden beruht sowohl in der internationalen als auch in der handelsrechtlichen Rechnungslegung auf einer zweistufigen Konzeption, nach der zunächst die abstrakte und anschließend die konkrete Bilanzierungsfähigkeit zu prüfen ist.2 Die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit gilt als erfüllt, wenn ein Objekt oder Vorgang als Vermögenswert oder Schuld zu klassifizieren ist.3 Grundsätzlich sind gemäß dem Vollständigkeitsprinzip alle Vermögenswerte und Schulden in der Bilanz anzusetzen, es sei denn, abweichende gesetzliche Vorschriften untersagen oder erlauben die Aktivierung bzw. Passivierung eines abstrakt bilanzierungsfähigen Vermögenswertes oder einer Schuld im Einzelfall (konkrete Bilanzierungsfähigkeit). Die konkrete Bilanzierungsfähigkeit erfordert somit eine differenzierte Betrachtung in Abhängigkeit von den verschiedenen Vermögenswerten und Schulden.4
1
2 3
4
Während in der internationalen Rechnungslegung die Bezeichnung Vermögenswert üblich ist, wird handelrechtlich von Vermögensgegenständen gesprochen. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird in Fällen, in denen gleichzeitig auf Vermögenswerte als auch auf Vermögensgegenstände Bezug genommen wird, aus Vereinfachungsgründen der Begriff des Vermögenswerts verwendet. Vgl. stellvertretend: Heinhold (1996), S. 70; Heyd/Lutz-Ingold (2005), 25. In der internationalen Rechnungslegung müssen darüber hinaus zwei ergänzende Kriterien erfüllt sein. Vgl. Kapitel II 2.2.1.1. Die konkrete Bilanzierungsfähigkeit wird deshalb im vierten Teil der Arbeit thematisiert, in welchem die bilanzielle Abbildung der einzelnen Vermögenswerte und Schulden detaillierter erläutert wird.
2 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung
23
2.2.1.1 Aktiva ƒIFRS Ein Vermögenswert ist in der internationalen Rechnungslegung abstrakt aktivierungsfähig, wenn er die im Rahmenkonzept RK.49(a) verankerten allgemeinen Vermögenswerteigenschaften und die in RK.83 genannten konkretisierenden Ansatzkriterien erfüllt. Nach RK.49(a) ist ein Vermögenswert eine Ressource, die -
aufgrund vergangener Ereignisse
-
in der Verfügungsmacht des Unternehmen steht und
-
einen künftigen wirtschaftlichen Nutzenzufluss erwarten lässt.
Unerheblich ist, ob die den Vermögenswert darstellende Ressource materieller Natur oder immaterieller Natur ist (RK.56). Ein Vermögenswert ist nach obiger Definition stets das Resultat vergangener Geschäftsvorfälle oder anderer Ereignisse der Vergangenheit. Allein die Erwartung, dass ein Geschäftsvorfall oder Ereignis zukünftig eintritt, begründet keinen Vermögenswert. Auch die Absicht, eine Ressource zu erwerben, rechtfertigt nicht den Ansatz eines Vermögenswertes. Die Ressource muss dem Unternehmen, ausgelöst durch ein vergangenes Ereignis, bereits zugegangen sein (RK.58). Die Verfügungsmacht über einen Vermögenswert besitzt ein Unternehmen, wenn es den aus dem Vermögenswert resultierenden zukünftigen wirtschaftlichen Nutzen sicherstellen und Dritte vom Zugriff auf diesen Nutzen ausschließen kann. Die Verfügungsmacht hat nicht zwingend auf juristisch durchsetzbaren Ansprüchen zu beruhen, sondern kann auch auf eine faktische Durchsetzbarkeit zurückzuführen sein (RK.57).1 Die Erwartung eines zukünftigen Nutzens kann sich direkt in Form eines Zuflusses von Zahlungsmitteln bzw. Zahlungsmitteläquivalenten, z.B. hervorgerufen durch Produktinnovationen, oder indirekt in Form einer Reduzierung der Aufwendungen zur Leistungserbringung, z.B. durch Prozessinnovationen, manifestieren (RK.53). Eine exakte Quantifizierung des zukünftigen Nutzenpotenzials ist nicht erforderlich. Es genügt vielmehr die Plausibilisierung eines zukünftigen Nutzens, der die zur Anschaffung oder Herstellung geleisteten Aufwendungen übertrifft. Die Plausibilisierung ist ausreichend, da die bilanzielle Bewertung des Vermögenswerts nicht mit dem Wert des zukünftigen Vorteils, sondern in Höhe der angefallenen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten erfolgt.2
1 2
Vgl. hierzu auch Keitz (1997), S. 183. Vgl. Küting/Dawo (2003), S. 403; Lutz-Ingold (2005), S. 158.
24
II Grundlagen
Wird ein Sachverhalt den erläuterten Eigenschaften gerecht, liegt nach den IFRS ein Vermögenswert vor. Zur Aktivierung des Vermögenswertes sind zusätzlich die in RK.83 genannten Kriterien zu erfüllen, welche die -
hinreichende Wahrscheinlichkeit eines zukünftigen Nutzenzuflusses aus dem Vermögenswert und die
-
zuverlässige Ermittelbarkeit seiner Anschaffungs- und Herstellungskosten verlangen.
Die Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses ist auf Grundlage aller zum Zeitpunkt der Aufstellung des Abschlusses verfügbaren substanziellen Hinweise einzuschätzen (RK.85). Die erforderliche Wahrscheinlichkeit wird im Rahmenkonzept nicht weiter quantifiziert. Im Schrifttum hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit vorliegt, wenn die Nutzenzuflusswahrscheinlichkeit größer als ihre Gegenwahrscheinlichkeit ist. 1 In der Praxis kann von einem hinreichend wahrscheinlichen Nutzenzufluss ausgegangen werden, wenn ein Unternehmen rechtlich oder faktisch über einen Vermögenswert verfügt und diesen seiner Zweckbestimmung entsprechend einsetzt oder eine Veräußerung des Vermögenswertes möglich erscheint.2 Das Ansatzkriterium der zuverlässigen Bestimmbarkeit der Anschaffungs- oder Herstellungskosten dient der Objektivierung. Eine weitere Konkretisierung des Kriteriums findet nicht statt. Das IASB weist jedoch in RK.86 explizit darauf hin, dass hinreichend genaue Schätzungen einer zuverlässigen Bestimmbarkeit von Anschaffungs- und Herstellungskosten nicht entgegenstehen und die Aktivierungspflicht entsprechender Vermögenswerte unberührt bleibt. Sind die Kriterien des RK.83 nicht erfüllt, ist ein Ansatz in der Bilanz untersagt und eine sofortige Verrechnung als Aufwand vorgeschrieben (RK.90). ƒHGB Nach den handelsrechtlichen Vorschriften ist die abstrakte Aktivierungsfähigkeit gegeben, wenn das betreffende Objekt oder der Vorgang als Vermögensgegenstand zu klassifizieren ist.3 Mangels gesetzlicher Definition des Begriffs Vermögensgegenstand müssen Kriterien, welche die entscheidenden Eigenschaften eines Vermögensgegenstandes näher beschreiben, durch Auslegung gewonnen werden.4
1
2 3 4
Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 165; Wolz (2005), S. 40; Dorenkamp (2006), S. 65. Grünberger fordert hingegen eine Erfolgswahrscheinlichkeit von über 90%, vgl. Grünberger (2006), S. 32. Vgl. Dawo (2003), S. 200. Vgl. Freericks (1976), S. 141; Fasselt/Brinkmann (2004), Rn. 2. Vgl. Tiedchen (1991), S. 9. Niemann (2006), S. 33. Für eine ausführliche Darstellung und Würdigung der im Schrifttum diskutierten Kriterien vgl. stellvertretend Kußmaul (1995), Rn. 384-394.
2 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung
25
Die Informationsvermittlung mittels handelsrechtlichen Jahresabschlusses dient vorrangig dem Gläubigerschutz. Von Interesse sind deshalb die Werte, die im Falle einer Zwangsvollstreckung oder Insolvenz zur Deckung der Schulden des Unternehmens beitragen. 1 Vermögensgegenstände können folglich nur diejenigen Objekte oder Vorgänge sein, die eine solche Fähigkeit zur Schuldendeckung aufweisen. Die Schuldendeckungsfähigkeit ist davon abhängig, ob das betreffende Gut gegenüber Dritten in Zahlungsmittel transformierbar ist und so der Befriedigung der Ansprüche der Gläubiger dienen kann. 2 Nach Maßgabe des in § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB kodifizierten Grundsatzes der Unternehmensfortführung ist in der handelsrechtlichen Rechnungslegung jedoch nicht das Zerschlagungsvermögen, sondern das Fortführungsvermögen darzustellen. Dementsprechend ist nicht die selbständige Veräußerbarkeit oder Verkehrsfähigkeit eines Gutes, sondern bereits die „Existenz eines wirtschaftlich verwertbaren Potentials zur Deckung der Schulden des Unternehmens“ ausreichend für das Vorliegen eines Vermögenswertes.3 Konkretisiert wird diese Anforderung durch das Kriterium der selbständigen Verwertbarkeit, welches nach mittlerweile herrschender Meinung zentrales Merkmal eines Vermögensgegenstandes und damit Voraussetzung der abstrakten Aktivierungsfähigkeit ist.4 Wie bereits angedeutet, erfordert die selbständige Verwertbarkeit nicht, dass ein Vermögensgegenstand als solches veräußerbar sein muss. Hinreichend ist, wenn der aus ihm resultierende wirtschaftliche Vorteil gegenüber Dritten verwertet, also in Einzahlungen transformiert werden kann. Unter den Begriff der Verwertung fallen die Veräußerung, Gewährung von Nutzungsrechten gegen Entgelt oder der bedingte Verzicht.5 Das Kriterium der selbständigen Verwertbarkeit ist um das Kriterium der Einzelvollstreckbarkeit eines Objektes zu ergänzen.6 Gemäß der Einzelvollstreckbarkeit ist von einem Vermögensgegenstand auszugehen, wenn die Möglichkeit einer Verwertung des Gutes in Form
1 2 3 4
5
6
Vgl. Lamers (1981), S. 205. Vgl. Tiedchen (1991), S. 41f Baetge/Kirsch zitiert in: Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 158. Vgl. Lamers (1981), S. 205-216; Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 155; Baetge/Kirsch (1995), Rn. 327; Fasselt/Brinkmann (2004), Rn. 8; Federmann (2000), S. 199; Keitz (1997), S. 31; Kußmaul (1995), Rn. 394. Vgl. Lamers (1981), insbes. S. 216; Unter einem bedingten Verzicht versteht man, wenn der Inhaber eines Rechtes von seinem Recht zurücktritt unter der Bedingung, dass das Recht einem Dritten zuerkannt wird. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 157. Vgl. Keitz (1997), S. 31; Baetge/Kirsch/Thiele (2005), 159. Während über die selbständige Verwertbarkeit als zentrales Kriterium Einigkeit besteht, ist das ergänzend hinzu zuziehende Kriterium im Schrifttum umstritten. Adler/Düring/Schmaltz (2007a), § 246 HGB, Rn. 26-30 stellen neben der selbstständigen Verwertbarkeit auf die abstrakte Einzelveräußerbarkeit ab. Fasselt/Brinkmann (2004), Rn. 9 präferieren die selbstständige Bewertbarkeit als zusätzliches Kriterium. Unabhängig vom ergänzenden Kriterium gelangt man in der praktischen Anwendung zu einem vergleichbaren Ergebnis.
26
II Grundlagen
der Zwangsvollstreckung besteht.1 Ohne Berücksichtigung der Einzelvollstreckbarkeit sind diejenigen wirtschaftlich verwertbaren Potenziale von der Aktivierung ausgeschlossen, deren Veräußerung oder Nutzungsüberlassung aufgrund vertraglicher Regelungen nicht zulässig ist und die nicht durch bedingten Verzicht übertragen werden können.2 Demnach ist zusammenfassend davon auszugehen, dass ein Gut abstrakt aktivierungsfähig ist, wenn es selbständig verwertbar ist, das heißt durch -
Veräußerung,
-
Nutzungsüberlassung,
-
bedingten Verzicht oder
-
Zwangsvollstreckung
in Zahlungsmittel transformiert werden kann.3 Das
Kriterium
der
selbständigen
Verwertbarkeit
impliziert
das
aus
dem
in
§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB kodifizierten Grundsatz der Einzelbewertung abgeleitete Kriterium der selbstständigen Bewertbarkeit,4 welches verlangt, dass dem wirtschaftlichen Vorteil im Zugangszeitpunkt und den darauffolgenden Bilanzstichtagen ein „ermessensbeschränkter Wert“ beigelegt werden kann.5 Demnach ist die selbständige Bewertbarkeit als eigenständiges Kriterium zur Bestimmung des Begriffs Vermögensgegenstand zu vernachlässigen. Beim Vergleich der dargestellten Konzeptionen zur abstrakten Aktivierungsfähigkeit wird deutlich, dass die IFRS im Gegensatz zum HGB zur Definition eines Vermögenswertes nicht auf das Schuldendeckungspotenzial des Vermögenswertes, sondern auf sein Nutzenpotenzial abstellen. Deshalb geht der Umfang der nach IFRS abstrakt aktivierungsfähigen Vermögenswerte über den der handelsrechtlichen Rechnungslegung hinaus. 6
1
2 3 4
5 6
Zum Kriterium der selbständigen Vollstreckungsfähigkeit (Einzelvollstreckungsfähigkeit) vgl. Tiedchen (1991), S. 44-59, insbes. S. 58. Baetge/Kirsch/Thiele führen als Beispiel Softwareverträge an. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 159. Vgl. Keitz (1997), S. 31. Vgl. Lamers (1981), S. 217. Ähnlich auch Tiedchen (1991), S. 63 in Bezug auf das Kriterium der selbständigen Vollstreckungsfähigkeit. Vgl. Ballwieser (2002a), Rn. 22. Vgl. IDW (2006), Abschn. N. Rn. 67; Bieg et al. (2006b), S. 79; Zingel (2006), S. 45; Haunerdinger/Probst (2004), S. 36. Im HGB sind jedoch zahlreiche Ansatzgebote bzw. Ansatzwahlrechte für nicht abstrakt aktivierungsfähige Aktiva enthalten. Zu nennen sind hier z.B. aktivische Rechnungslegungsabgrenzungsposten (§ 250 Abs. Satz 1), Disagios (§ 250 Abs. 3), aktivische latente Steuern (§ 274 Abs. 2) und derivative Geschäfts- oder Firmenwerte (§ 255 Abs. 4).
2 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung
27
2.2.1.2 Passiva ƒIFRS Analog zur abstrakten Aktivierungsfähigkeit von Vermögenswerten nach IFRS erfordert die abstrakte Passivierungsfähigkeit von Schulden die Erfüllung der in RK.49(b) kodifizierten Definition und der ergänzenden Ansatzkriterien gemäß RK.83. Nach RK.49(b) ist eine Schuld -
eine gegenwärtige Verpflichtung,
-
aufgrund vergangener Ereignisse,
-
deren Erfüllung für das Unternehmen voraussichtlich einen Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen nach sich zieht.
Wesentliches Merkmal einer Schuld ist die ihr zu Grunde liegende Verpflichtung. Eine Verpflichtung wird definiert als „Pflicht oder Verantwortung, in bestimmter Weise zu handeln oder eine Leistung zu erbringen“ (RK.60). Verpflichtungen können juristisch oder wirtschaftlich, z.B. durch das übliche Geschäftsgebaren begründet sein (RK.60).1 Bei einer Schuld handelt es sich stets um eine Außenverpflichtung (Verpflichtung gegenüber Dritten).2 Zu unterscheiden sind gegenwärtige und zukünftige Verpflichtungen (RK.61). Ausschließlich gegenwärtige Verpflichtungen, die aus vergangenen Geschäftsvorfällen oder anderen Ereignissen der Vergangenheit resultieren, stellen Schulden dar (RK.63). Potenzielle zukünftige Verpflichtungen aufgrund von Absichtserklärungen erfüllen die Definitionskriterien nicht (RK.61). Die Erfüllung einer gegenwärtigen Verpflichtung ist im Regelfall durch einen Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen gekennzeichnet. Dieser kann durch Zahlung flüssiger Mittel, Übertragung von Vermögenswerten, Erbringung von Dienstleistungen, Ersatz der Verpflichtung durch eine andere Verpflichtung oder Umwandlung der Verpflichtung in Eigenkapital erfolgen (RK.62). Entsprechend dem Konzept zur Aktivierung von Vermögenswerten müssen zur Passivierung von Schulden zusätzlich die in RK.83 genannten Kriterien der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des zukünftigen Nutzenabflusses und der verlässlichen Ermittelbarkeit des Erfüllungsbetrags gegeben sein.3 Durch die Aufnahme des Wahrscheinlichkeitskriteriums umfasst der Schuldbegriff nach IFRS auch solche Verpflichtungen, deren Höhe nur mit Hilfe von 1
2 3
Als Beispiel für eine Verpflichtung, die aus üblichem Geschäftsgebaren resultiert, führt das IASB Rückstellungen für Gewährleistungen ohne rechtliche Verpflichtung (Kulanzrückstellungen) an. Diese stellen Schulden dar, wenn es der Unternehmenspolitik entspricht, Fehler an Produkten auch nach Ablauf der Garantierzeit zu beheben. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2007b), Abschn. 1, Rn. 161; Ballwieser (2006b), S. 72. Für detaillierte Ausführungen bzgl. Kriterien des RK.83 wird auf das vorherige Kapitel verwiesen.
28
II Grundlagen
Schätzungen quantifizierbar ist bzw. deren Existenz und Leistungszeitpunkt ungewiss sind. Unter den Begriff der Schuld sind demnach nicht nur Verbindlichkeiten, sondern ebenso Rückstellungen zu subsumieren (RK.64). ƒHGB Handelsrechtlich lässt sich aus dem Wortlaut der §§ 246 Abs. 1 und 247 Abs. 1 HGB ableiten, dass alle Passivposten, die weder Eigenkapital noch passivische Rechnungsabgrenzungsposten darstellen, unter den Begriff der Schuld fallen. Somit umfasst der handelsrechtliche Schuldbegriff in Überstimmung mit der IFRS-Rechnungslegung sowohl Verbindlichkeiten als auch Rückstellungen.1 In Ermangelung einer Legaldefinition ist analog zum Begriff des Vermögensgegenstandes auch der Schuldbegriff durch Auslegung zu konkretisieren.2 Bezüglich der Kriterien, die zur Beschreibung einer Schuld und damit korrespondierend zur Bestimmung der abstrakten Passivierungsfähigkeit heranzuziehen sind, besteht im Schrifttum mittlerweile weitgehend Einigkeit. Demnach erfordert die abstrakte Passivierungsfähigkeit: -
eine Verpflichtung des bilanzierenden Unternehmens zu einer Leistung,
-
mit der eine wirtschaftliche Belastung am Abschlussstichtag einhergeht,
-
die quantifizierbar ist.3
Die Verpflichtung ist wie in der internationalen Rechnungslegung auch im Handelsrecht zentrales Merkmal einer Schuld. Eine Verpflichtung ist stets mit einem Zwang zur Leistungserbringung verbunden.4 Der Zwang kann juristisch oder wirtschaftlich begründet sein. Rechtlich noch nicht entstandene Verpflichtungen sind Schulden, wenn ihre Entstehungsursache wirtschaftlich dem abzuschließenden Geschäftsjahr zuzurechnen ist. 5 Somit stellen vergleichbar mit den IFRS nur gegenwärtige Verpflichtungen Schulden dar. Strittig ist, ob die Verpflichtung zwingend gegenüber Dritten bestehen muss (Außenverpflichtung) oder, ob auch Innenverpflichtungen den Schuldbegriff erfüllen.6 Im Gegensatz zu Außenverpflichtungen betreffen Innenverpflichtungen Sachverhalte, aus denen eine wirtschaftliche Ver-
1 2 3
4 5 6
Vgl. Federmann (2000), S. 201; Kußmaul (1995), Rn. 408. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2007a), § 246 HGB, Rn. 102. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 168; Hüttemann (1970), S. 7f.; IDW (2006), Abschn. E. Rn. 21; Coenenberg (2005b), S. 76; Wolz (2005), S. 38; Adler/Düring/Schmaltz (2007a), § 246 HGB, Rn. 103-106; Kußmaul ergänzt die Aufzählung um das Kriterium der selbständigen Bewertbarkeit, vgl. Kußmaul (1995), Rn. 409. Freericks (1976), S. 226-231. Vgl. Hüttemann (1970), S. 6; Ballwieser (2002a), Rn. 86. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2007a), § 246 HGB, Rn. 105; Reinhard (1995), Rn. 112. Nach Ansicht von Baetge/Kirsch/Thiele erfüllen auch Innenverpflichtungen die Definition einer Schuld, vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 168f.; Baetge/Kirsch (1995), Rn. 333. Dem widerspricht die herrschende Meinung, vgl. Hoyos/Ring (2006a), Rn. 202; Ballwieser (2002a), Rn. 86, 88; Kußmaul (1995), Rn. 410; Moxter (2003), S. 113-115; Moxter (1999a), S. 82f.
2 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung
29
pflichtung des bilanzierenden Unternehmens sich selbst gegenüber resultiert.1 Die Rechtssprechung verweigert Innenverpflichtungen die Anerkennung als Schuld.2 Darüber hinaus verlangen die Kriterien der abstrakten Passivierungsfähigkeit, dass aus der Verpflichtung eine wirtschaftliche Belastung für das Unternehmen resultiert. Eine wirtschaftliche Belastung ist gleichbedeutend mit einer künftigen Bruttovermögensminderung, 3 die bspw. durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen des bilanzierenden Unternehmens entstehen kann. Diese Leistungen führen jedoch nur zu einer wirtschaftlichen Belastung, wenn die Gegenleistung bereits erbracht ist oder das Unternehmen für die Leistungen keine Gegenleistung erhält.4 Die Passivierung von Verpflichtungen aus schwebenden Geschäften ist grundsätzlich untersagt.5 Zudem muss der Eintritt der wirtschaftlichen Belastung hinreichend wahrscheinlich sein. Moxter spricht in diesem Zusammenhang von einer „objektivierten Mindestwahrscheinlichkeit“, nach der mit der Verpflichtung „ernsthaft zu rechnen“ sein müsse.6 Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dürfte vorliegen, "wenn mehr Gründe für als gegen das Beoder Entstehen“ der Verpflichtung sprechen, wobei die Einschätzung auf objektiv nachvollziehbaren Tatsachen beruhen muss.7 Das Kriterium der Quantifizierbarkeit erfordert, dass die Höhe der Verpflichtung am Bilanzstichtag bestimmbar ist.8 Verbindlichkeiten sind stets exakt quantifizierbar, das heißt, die Höhe der Verpflichtung ist am Bilanzstichtag zweifelsfrei feststellbar. 9 Ist die Höhe der Verpflichtung hingegen nur durch Schätzung, also innerhalb einer gewissen Bandbreite ermittelbar, liegt eine Rückstellung vor. Zudem unterscheiden sich Verbindlichkeiten von den Rückstellungen dadurch, dass die Existenz und Inanspruchnahme der ihr zu Grunde liegenden Verpflichtung sicher ist. Bei Rückstellungen kann das Bestehen oder Entstehen einer Verpflichtung hingegen ungewiss sein.10 Wie die Ausführungen belegen, weist der Begriff der Schuld nach IFRS und HGB erhebliche Gemeinsamkeiten auf. Die Definitionskriterien der internationalen Rechnungslegung sind je-
1 2 3 4 5 6 7
8 9 10
Vgl. Moxter (2003), S. 113. Vgl. Moxter (1999a), S. 92 m.w.N. Vgl. Baetge/Kirsch (1995), Rn. 333. Vgl. Hüttemann (1970), S. 14-18; Hoyos/Ring (2006a), Rn. 205f. Vgl. Ballwieser (2002a), Rn. 89; IDW (2006), Abschn. E. Rn. 22. Alle Zitate Moxter (1999a), S. 83. Moxter (1999a), S. 83. Ähnlich: Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 172. Dem widersprechend: Adler/Düring/Schmaltz, die die Passivierung einer Rückstellung bereits für geboten halten, wenn stichhaltige Gründe für eine Inanspruchnahmen gegeben sind. Adler/Düring/Schmaltz (2007a), § 249, Rn. 75. Auch Hoyos/Ring warnen davor die Aussage im Sinne einer mathematischen Wahrscheinlichkeit zu verstehen, vgl. Hoyos/Ring (2006b), Rn. 33. Vgl. Kußmaul (1995), Rn. 409. Vgl. Hüttemann (1970), S. 7f., 13f. Vgl. Ballwieser (2002a), Rn. 88; Reinhard (1995), Rn. 112.
30
II Grundlagen
doch weiter gefasst als die des Handelsrechts, so dass der Umfang der zu passivierenden Schulden nach IFRS den Umfang nach HGB übersteigt.1 2.2.2 Bewertungsvorschriften 2.2.2.1 Anschaffungskosten Die Anschaffungskosten sind in der internationalen und in der nationalen Rechnungslegung elementarer Bewertungsmaßstab für entgeltlich erworbene Vermögenswerte. 2 Nach IFRS entsprechen die Anschaffungskosten dem Betrag an Zahlungsmitteln oder Zahlungsmitteläquivalenten, der für den Erwerb eines Vermögenswertes aufgewendet wurde (IAS 16.6). Die Anschaffungskosten umfassen den Kaufpreis einschließlich Einfuhrzölle und nicht erstattungsfähiger Umsatzsteuern sowie die Anschaffungsnebenkosten. Anschaffungsnebenkosten sind alle direkt zurechenbaren Kosten, die angefallen sind, um den Vermögenswert an den gewünschten Ort und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. In Abzug zu bringen sind Anschaffungspreisminderungen, wie z.B. Rabatte, Boni und Skonti (IAS 16.6; IAS 38.27; 2.11).3
+ + + =
Anschaffungspreis Anschaffungspreisminderungen Anschaffungsnebenkosten nachträgliche Anschaffungskosten Fremdkapitalkosten (IFRS: Pflicht; HGB: Verbot)4 Anschaffungskosten
Abbildung 5: Ermittlung der Anschaffungskosten nach HGB und IFRS
Nachträgliche Anschaffungskosten erhöhen den Buchwert eines Vermögenswertes, wenn sich die geleisteten Aufwendungen dem Vermögenswert zuordnen lassen und durch die Aufwendungen zusätzlicher Nutzen entsteht. Damit gelten die gleichen Ansatzkriterien, die zur Aktivierung des ursprünglichen Vermögenswertes geführt haben (IAS 16.13; IAS 38.68).5
1
2 3 4
5
Vgl. IDW (2006), Abschn. N. Rn. 71; Adler/Düring/Schmaltz (2007b), Abschnitt 1, Rn. 258. Im Handelsrecht bestehen jedoch zahlreiche Vorschriften, die die Passivierung nicht abstrakt passivierungsfähiger Passiva erlauben oder vorschreiben. Bspw. sei hier Rechnungsabgrenzungsposten (§ 250 Abs. 2 HGB), Aufwandsrückstellungen (§ 249 Abs. 1 Nr. 1, 3, Abs. 2 HGB), latente Steuern (§ 274 Abs. 1 HGB). Vgl. Wolz (2005), S. 41f.; Coenenberg (2005b), S. 91. Dies entspricht im Wesentlichen den in § 255 Abs. 1 HGB enthaltenen handelsrechtlichen Vorschriften. Der für die Berücksichtigung von Fremdkapitalkosten maßgebliche IAS 23 wurde vom IASB im März 2007 in neuer Fassung publiziert. Das Endorsement durch die EU wird für Ende 2008 erwartet. Nach IAS 23.11 sind Fremdkapitalkosten, die dem Erwerb oder der Herstellung eines qualifying asset zugeordnet werden können, zwingend zu aktivieren. Ein qualifying asset ist ein Vermögenswert, dessen Versetzung in einen gebrauchs- oder verkaufsfähigen Zustand einen längeren Zeitraum erfordert (IAS 23.4). Im Handelsrecht dürften Fremdkapitalkosten in den Anschaffungskosten nicht berücksichtigt werden. Vgl. Ellrott/Brendt (2006), § 255 HGB, Rn. 500. Vgl. Bieg et al. (2006b), S. 99.
31
2 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung
Der Umfang der Anschaffungskosten nach IFRS und HGB ist - abgesehen von der unterschiedlichen Berücksichtigung der Fremdkapitalkosten - kongruent.1 2.2.2.2 Herstellungskosten Die Herstellungskosten sind der zentrale Maßstab zur Bewertung der vom Unternehmen selbst hergestellten Vermögenswerte. 2 Gemäß IAS 2.10 setzen sich die Herstellungskosten aus den Kosten des Erwerbs, der Produktion sowie den sonstigen Kosten zusammen, die erforderlich waren, um die Vermögenswerte an ihren vorgesehenen Ort und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Nach IFRS sind alle den Produktionseinheiten direkt zurechenbaren Kosten (Einzelkosten) sowie alle fixen und variablen Gemeinkosten, soweit diese die Produktion betreffen, in die Herstellungskosten einzubeziehen (IAS 2.12). Handelsrechtlich besteht der Mindestumfang der Herstellungskosten hingegen nur aus den Einzelkosten (§ 255 Abs. 2 Satz 2 HGB). Material-
und
Fertigungsgemeinkosten
können
wahlrechtlich
aktiviert
werden
(§ 255 Abs. 2 Satz 3 HGB). Die IFRS untersagen die Aktivierung von Kosten der allgemeinen Verwaltung und sozialer Kosten, da diese keinen Bezug zur Produktion aufweisen (IAS 2.16). Im Handelsrecht dürfen diese Kosten gemäß § 255 Abs. 2 Satz 4 HGB angesetzt werden. Für Vertriebskosten gilt in beiden Rechnungslegungssystemen ein Aktivierungsverbot (IAS 2.16; § 255 Abs. 2 Satz 6 HGB). Sowohl handelsrechtlich als auch nach IFRS ist die Berücksichtigung der Gemeinkosten auf angemessene Teile zu begrenzen. Die Zurechnung der fixen Gemeinkosten hat sich an der Normalbeschäftigung zu orientieren, wobei unter Normalauslastung das durchschnittliche Produktionsvolumen der vergangenen Perioden zu verstehen ist (IAS 2.13).3 Da die Ermittlung der Herstellungskosten nach IFRS im Gegensatz zu den handelsrechtlichen Vorschriften zwingend auf Basis der produktionsbedingten Vollkosten erfolgt, kann der Umfang der Herstellungskosten in beiden Rechnungslegungssystemen deutlich divergieren.4 Eine vergleichende Übersicht über die Bestandteile der Herstellungskosten nach IFRS und HGB bietet die nachfolgende Abbildung.
1 2 3 4
Vgl. Coenenberg (2005b), S. 92; Wolz (2005), S. 42; Federmann (2000), S. 315. Vgl. Wohlgemuth/Ständer (2003), S. 204. Bzgl. der handelsrechtlichen Regelungen vgl. Moxter (1999a), S. 190; Wohlgemuth/Ständer (2003), S. 207. Vgl. Wolz (2005), S. 44.
32
II Grundlagen
Bestandteile der Herstellungskosten
HGB
IFRS
Materialeinzelkosten
Pflicht
Pflicht
Fertigungseinzelkosten
Pflicht
Pflicht
Sondereinzelkosten der Fertigung
Pflicht
Pflicht
Material- und Fertigungsgemeinkosten
Wahlrecht
Pflicht
Allgemeine Verwaltungskosten (produktionsbezogen)
Wahlrecht
Pflicht1
Allgemeine Verwaltungskosten (nicht produktionsbezogen)
Wahlrecht
Verbot
Fremdkapitalkosten
Wahlrecht2
Pflicht3
Sondereinzelkosten des Vertriebs
Verbot
Verbot
Vertriebskosten
Verbot
Verbot
Abbildung 6: Umfang der Herstellungskosten nach HGB und IFRS
2.2.2.3 Fair Value Der Fair Value (beizulegender Zeitwert) ist ein weiterer bedeutender Bewertungsmaßstab in der internationalen Rechnungslegung.4 Im Gegensatz zum HGB kommt dem beizulegenden Zeitwert in der IFRS-Rechnungslegung nicht nur die Aufgabe des niedrigeren Korrekturwertes zu. Er wird zunehmend zentraler Bewertungsmaßstab für die Zugangs- und Folgebewertung bestimmter Vermögenswerte und Schulden.5 Der Fair Value wird im Rahmenkonzept nicht explizit genannt und somit nicht standardübergreifend definiert. Nach IAS 32.11 ist er „der Betrag, zu dem zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern ein Vermögenswert getauscht oder eine Schuld beglichen werden könnte“.6 Das Konzept des Fair Value basiert auf dem theoretischen Ideal vollkommener und vollständiger Märkte im Gleichgewicht.7 Realiter sind diese Idealvorstellungen hingegen nicht existent, so dass im Rahmen der Ermittlung des Fair Value lediglich eine bestmögliche Approximation durch Fair Value-Surrogate angestrebt werden kann.8 Um die bestmögliche Approximation im Einzelfall verwirklichen zu können, 1
2
3 4
5
6
7 8
Für die Herstellungskosten von Sachanlagen besteht ein Aktivierungsverbot. Vgl. IASB (2002), S. 4; Ellrott/Pastor (2006), § 255 HGB, Rn. 586. Handelsrechtlich besteht für Fremdkapitalzinsen grundsätzlich ein Aktivierungsverbot (§ 255 Abs. 3 Satz 1 HGB). Wenn die Fremdkapitalkosten der Herstellung eines Vermögensgegenstandes unmittelbar zugeordnet werden können und auf den Herstellungszeitraum entfallen, dürfen sie aktiviert werden (§ 255 Abs. 3 Satz 2 HGB). Die mit Bezug auf die Anschaffungskosten dargestellten Regelungen gelten analog. Der Fair Value entspricht in seiner Konstruktion in etwa dem beizulegenden Wert gem. § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB. Vgl. Coenenberg (2005b), S. 105. Dem widersprechen Küting/Trappermann/Ranker (2007), S. 17091716, insbes. S. 1716. Vgl. Baetge/Matena/Zülch (2002), S. 80; Streim/Bieker/Esser (2003), S. 459; Heintges (2006), S. 1571; Ewert (2006), S. 21; Bieker (2006), S. 7. Ähnlich hierzu spricht Schildbach von einem schrittweisen Übergang zur vollständigen Fair Value-Bewertung, vgl. Schildbach (2006b), S. 8f. In ähnlicher Weise wird der Fair Value an anderer Stelle definiert. Vgl. IAS 16.6; IAS 17.4; IAS 18.7; IAS 19.7; IAS 21.8; IAS 38.8; IAS 39.9; IAS 40.5; IAS 41.8; IFRS 3.A; IFRS 4.A; IFRS 5.A. Vgl. Olbrich/Brösel (2007), S. 1544; Schildbach (2006b), S. 9f. Vgl. Küting/Trappmann/Ranker (2007), S. 1712; Wagenhofer (2006a), S. 34.
33
2 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung
ist der Fair Value in Abhängigkeit der individuellen Gegebenheiten zu spezifizieren. 1 Er ist kein eigenständiger Bewertungsmaßstab, sondern fungiert als „bewertungstechnischer Oberbegriff“,2 für dessen Ermittlung die Regelungen in den einzelnen Standards maßgeblich sind. Die Berechnung des Fair Value kann je nach Bewertungsobjekt divergieren.3 Während der Fair Value im Rahmen der Zugangsbewertung grundsätzlich den Anschaffungsoder Herstellungskosten entspricht,4 ist im Rahmen der Folgebewertung eine differenzierte Betrachtung auf Grundlage der einzelnen Standards erforderlich. Die nachfolgende Abbildung vermittelt einen Überblick über die einschlägigen Vorschriften zur Berechnung des Fair Value in den wesentlichen Standards. Ermittlung des Fair Value IAS 16 1) Preis auf Basis marktbasierter Begutachtung (IAS 16.32)
2) Ertragswertverfahren oder fortgeführte Wiederbeschaffungskosten (IAS 16.33)
IAS 36 1) Preis aus bindendem Vertrag (IAS 36.25)
2) Preis auf aktivem Markt (IAS 36.26)
3) Schätzung auf
IAS 38 1) Preis auf aktivem Markt (IAS 38.39)
2) Schätzung auf Basis jüngster Transaktionen (IAS 38.39f.)
Basis jüngster Transaktionen (IAS 36.26f.)
3) Anwendung von
4) Barwert der zu-
4) Barwert der zu-
künftigen CashFlows (IAS 36.30ff.)
künftigen CashFlows (IAS 38.41(b))
Multiplikatoren (IAS 38.41(a))
IAS 39 1) Preis auf aktivem Markt (IAS 39.AG71)
2) Schätzung auf Basis jüngster Transaktionen (IAS 39.AG72)
3) Transaktionen ähnlicher Instrumente, Barwert der zukünftigen Cash-Flows oder Optionspreismodelle (IAS 39.AG74)
IAS 40 1) Preis auf aktivem Markt (IAS 40.45)
2) Schätzung auf Basis aktueller oder früherer Preise ähnlicher Immobilien (IAS 40.46 (a) u. (b))
3) Barwert der zukünftigen CashFlows (IAS 40.46(c))
Abbildung 7: Ermittlung des Fair Value5 Obwohl sich auf Basis der obigen Übersicht kein allgemein gültiges Fair Value-Konzept ableiten lässt, werden einige Parallelen in der Ermittlung deutlich. Grundsätzlich folgt die Ermittlung des Fair Value einer dreistufigen Hierarchie: 1. Marktwert: Bei Existenz eines aktiven Marktes6 wird unterstellt, dass der dort gebildete aktuelle Preis den Fair Value am besten repräsentiert.
1 2 3 4 5 6
Vgl. Ballwieser/Küting/Schildbach (2004), S. 531; Pfaff/Kukule (2006), S. 544f. Bieker (2006), S. 9. Vgl. Olbrich/Brösel (2007), S. 1544f.; Schildbach (2006b), S. 13f. Vgl. Ewert (2006), S. 23; Bieker (2006), S. 9. In Anlehnung an Ballwieser/Küting/Schildbach (2004), S. 533. Ein aktiver Markt ist ein Markt, auf dem die gehandelten Produkte homogen sind, vertragswillige Käufer und Verkäufer existieren und dessen Preise der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, vgl. IAS 38.8.
34
II Grundlagen
2. Vergleichswert: Ist kein aktueller Marktpreis für das Bewertungsobjekt vorhanden, so ist entweder ein aus der zeitnahen Vergangenheit stammender Preis für das Bewertungsobjekt oder ein aktueller Preis eines ähnlichen Bewertungsobjektes heranzuziehen. 3. Schätzwert: Liegt kein aktiver Markt vor, wird der Fair Value in der Regel auf Basis alternativer Bewertungsverfahren berechnet. Hier kommen Discounted Cash-FlowVerfahren, Multiplikator- oder Optionspreismodelle zum Einsatz. Diese dürfen jedoch nur die "objektivierten und für jeden (sachverständigen) Dritten zugänglichen Nutzungsmöglichkeiten" des Bewertungsobjektes berücksichtigen,1 da die Schätzung des Fair Value aus Sicht des Marktes zu erfolgen hat, also ohne Einbezug unternehmensindividueller Synergie- und Portfolioeffekte.2 Mit jeder Hierarchiestufe entfernt sich die Ermittlung des Fair Value weiter vom Idealfall des Marktpreises eines aktiven Marktes. Je stärker der Wertansatz vom Idealfall abweicht, desto höher sind die Ermessensspielräume des Bilanzierenden und desto stärker entziehen sich die ermittelten Werte der Nachprüfbarkeit.3 2.2.3 Ausweisvorschriften Die IFRS geben im Gegensatz zum HGB keine zwingende Bilanzgliederung vor. IAS 1.68 umfasst eine Aufzählung bestimmter Posten, die in der Bilanz enthalten sein müssen.4 Zur Gewährleistung einer realistischen Darstellung der Vermögens- und Finanzlage ist es in der Regel erforderlich, zusätzliche Posten in die Bilanz aufzunehmen (IAS 1.69). Vermögenswerte und Schulden sind gemäß ihrer Fristigkeit in kurz- und langfristige Vermögenswerte (current und non-current assets) sowie kurz- und langfristige Schulden (current und non-current liabilities) einzuordnen, es sei denn, die Gliederung nach ihrer Liquidität ist zuverlässiger oder aussagekräftiger (IAS 1.51 und 1.71). Die Differenzierung der Posten nach Fristigkeit ist mit der handelsrechtlichen Gliederung in Anlage- und Umlaufvermögen vergleichbar.5 Kurzfristig sind gemäß IAS 1.57 Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente sowie zu Handelszwecken gehaltene Vermögenswerte. Zudem sind Vermögenswerte als kurzfristig zu klassifizieren, die zum Verkauf oder Verbrauch innerhalb des normalen Geschäftszyklus bestimmt sind und Vermögenswerte, deren Realisierung innerhalb der nächsten zwölf Monate erwartet wird. Alle anderen Vermögenswerte gelten als langfristig. Die Einordnung der Verbindlichkeiten ist derjenigen der Vermögenswerte ähnlich. Nach IAS 1.60 sind für
1 2 3 4
5
Küting/Trappmann/Ranker (2007), S. 1713f. Vgl. Ewert (2006), S. 23; Jäger/Himmel (2003), S. 430. Vgl. Kley (2001), S. 2261; Dawo (2004), S. 73; Schruff (2005), S. 131; Wagenhofer (2006), S. 34. Zusätzlich ist gem. IAS 1.68A ein gesonderter Ausweis der zur Veräußerung gehaltenen Vermögenswerte und Schulden vorzunehmen. Vgl. Wolz (2005), S. 110.
35
3 IFRS for Private Entities
Handelszwecke aufgenommene Verbindlichkeiten, solche aus Lieferungen und Leistungen sowie Rückstellungen für personalbezogene Aufwendungen und Verbindlichkeiten, deren Tilgung im Geschäftszyklus zu erwarten ist oder deren Fälligkeit 12 Monate unterschreitet, als kurzfristig einzustufen (IAS 1.60). 3
IFRS for Private Entities
Im nachfolgenden Kapitel wird das Projekt des IASB zur Entwicklung des IFRS for Private Entities thematisiert. Die Darstellung der Regelungen des Standardentwurfs, der noch unter der offiziellen Bezeichnung des IFRS for Small and Medium-sized Entities publiziert wurde,1 erfordert zunächst eine kurze Betrachtung des Entstehungsprozesses. Die Kenntnis des Projektverlaufs erleichtert das Verständnis der endgültigen inhaltlichen und konzeptionellen Ausgestaltung des Standards und hilft, diese nachzuvollziehen. Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt auf der Erläuterung der konzeptionellen Grundlagen des Exposure Draft. Auf eine Erörterung der bilanziellen Behandlung spezifischer Rechnungslegungssachverhalte wird an dieser Stelle verzichtet, da sie Bestandteil des fünften Teils der Arbeit ist. 3.1
Projektverlauf
Bereits seit 1998 befasst sich das damalige IASC, später das IASB, mit der Entwicklung internationaler Rechnungslegungsstandards für kleine und mittelgroße Unternehmen. Aktiv verfolgt wird das Projekt seit September 2003, nachdem die nationalen Standardsetter und die IASC Foundation dem IASB in einer Anhörung die hohe Nachfrage nach speziellen Standards für mittelständische Unternehmen bestätigt und ihre Unterstützung für das Projekt signalisiert hatten.2
1998
Juni 2004
April 2005
August 2006
Februar 2007
Projektbeginn
Diskussionspapier
Fragebogen
Arbeitsentwurf Exposure Draft
Exposure Draft
Einstufung als „Agenda Project“ in 2003
„Vorläufige Beschlüsse zum SME-Projekt“
Überarbeitung im November 2007
Kommentierung bis 30.11.2007 Feldstudien während der Kommentierungsfrist
„Ansatz- u. Bewertungsvereinfachungen“
1. Quartal 2009 Final Standard
Abbildung 8: Verlauf des SME-Projektes des IASB3
1
2 3
Wie bereits zu Beginn der Arbeit dargelegt, hat das IASB das Projekt zur Entwicklung mittelstandsspezifischer IFRS überraschend im Mai 2008 in „IFRS for Private Entities“ umbenannt. Da der Standardentwurf offiziell den Titel „IFRS for SMEs“ trägt, wird dieser im Folgenden verwendet. Vgl. Poll (2006), S. 83f.; Böcking/Herold/Müßig (2004b), S. 789. In Anlehnung an Beiersdorf (2005), S. 5; überarbeitet und aktualisiert gem. IASB (2008b).
36
II Grundlagen
Im Juni 2004 thematisierte das IASB mit dem Diskussionspapier „Preliminary Views on Accounting Standards for Small and Medium-sized Entities“1 erstmals grundsätzliche bei der Entwicklung und konzeptionellen Ausgestaltung des Standards auftretende Problembereiche, erläuterte Lösungs- und Gestaltungsalternativen und stellte seine aus dem aktuellen Diskussionsstand resultierenden Auffassungen und Sichtweisen hierzu vor.2 Konkrete Vorschläge zur inhaltlichen Ausgestaltung der Rechnungslegung enthielt das Papier nicht.3 Bis zum Ende der Kommentierungsfrist wurden 120 Stellungnahmen eingereicht, die einen erheblichen Bedarf an modifizierten Standards beurkundeten.4 Auf Grundlage der eingegangen Stellungnahmen beschloss das IASB einen speziellen Standard für SMEs zu entwickeln, der zum einen die divergierenden Bedürfnisse der mittelständischen Rechnungslegungsadressaten berücksichtigen und zum anderen zu einer Reduzierung der Kosten beitragen soll.5 Der Anwendungsbereich des Standards wird auf Unternehmen begrenzt, die keiner öffentlichen Rechenschaftspflicht unterliegen.6 Konzeptionellen Ausgangpunkt der Entwicklung des IFRS for SMEs bilden das Rahmenkonzept des IASB sowie die originären IFRS und ihre Interpretationen. Angesichts der in den Stellungnahmen vielfach geforderten Vereinfachung von Ansatz- und Bewertungsvorschriften zog das IASB nun erstmals zusätzlich zu den ursprünglich angestrebten Erleichterungen im Ausweis und Anhang auch Modifikationen der Ansatz- und Bewertungsvorschriften in Erwägung.7 Zur Identifikation potenzieller Ansatz- und Bewertungsvereinfachungen wurde im April 2005 der „Staff Questionnaire on Possible Recognition and Measurement Modifications for Small and Mediums-sized Entities“8 veröffentlicht. Dieser ging der Frage nach, in welchen Bereichen potenzielle Ansatz- und Bewertungserleichterungen für SMEs sinnvoll sind und welche IFRS für SMEs eine geringe Relevanz aufweisen. Das IASB erhielt als Antwort auf den Fragebogen 101 Stellungnahmen. Die Auswertung der Fragebögen wurde in der Arbeitsgruppe des IASB und in so genannten „round-table meetings“ mit potenziellen Anwendern und Nutzern des IFRS for SMEs diskutiert.9
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Vgl. IASB (2004a). Vgl. für detailliertere Informationen zum Diskussionspapier stellvertretend: Haller/Eierle (2004), S. 18381845; Dallmann/Ull (2004), S. 322-331; Kleinmanns (2005), S. 1290f. Vgl. Ull (2006c), S. 432. In mehr als 90% der Stellungnahmen wurde die Entwicklung eines IFRS-Regelwerks für KMU befürwortet. Die Stellungnahmen sind abrufbar unter: http://www.iasb.org/Archive+Information/Archive+IASB+Project+-+Comment+Letters.htm (Stand: 01.06.2007). Vgl. hierzu ausführlich IASB (2004c), S. 5; Knorr/Zeimes (2005), S. 20; Ull (2006c), S. 435. Zum Begriff der öffentlichen Rechenschaftspflicht vgl. Kapitel II 3.2.3. Das IASB war zunächst der Ansicht, Erleichterungen in Ausweis- und Angabepflichten seien wahrscheinlich, ging aber von der widerlegbaren Vermutung aus, dass Modifikationen der Ansatz- und Bewertungsvorschriften nicht erforderlich seien. Vgl. IASB (2004a), Tz. 67f. Vgl. IASB (2005a), S. 1-11. Vgl. Bruns/Beiersdorf (2006), S. 56.
3 IFRS for Private Entities
37
Daran anschließend publizierte das IASB im August 2006 eine Arbeitsversion zu dem noch in der Entwicklung befindlichen Standardentwurf. Dies gilt als Novum in der Geschichte des IASB-Standardsetting.1 Im November wurde eine überarbeitete Fassung der Arbeitsversion zur Verfügung gestellt. Der endgültige Exposure Draft des IFRS for Small and Medium-sized Entities (im Folgenden: ED-SME) wurde im Februar 2007 veröffentlicht.2 Die ursprüngliche Frist zur Kommentierung des Entwurfs, die am 1. Oktober 2007 endete, wurde bis zum 30. November 2007 verlängert, so dass auch denjenigen Unternehmen, die sich an den vom IASB initiierten Feldtests beteiligten, ausreichend Zeit für eine Kommentierung des ED-SME zur Verfügung stand.3 Insgesamt erreichten das IASB 162 Stellungsnahmen zum Standardentwurf. Über hundert Unternehmen aus 20 Ländern nahmen an den Feldtests teil.4 Die Beratungen über die Stellungsnahmen und Feldtest nehmen das gesamte Jahr 2008 in Anspruch. Der endgültige Standard wird für das erste Quartal 2009 avisiert.5 3.2
Konzeptionelle Grundlagen des IFRS for SMEs
3.2.1 Ziel und Entwicklungsmethodik des IASB Das IASB verfolgt das Ziel mit dem vorgelegten ED-SME ein auf dem Rahmenkonzept basierendes, eigenständiges und leicht anwendbares Regelwerk zu präsentieren, das sich an den spezifischen Bedürfnissen der Adressaten mittelständischer Rechnungslegung orientiert und die Kosten der Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards im Mittelstand reduziert.6 Als Leitbild zur inhaltlichen Ausgestaltung dient ein Unternehmen mit etwa 50 Mitarbeitern (ED-SME BC 45).7 Zum Erreichen dieses Ziels leitet das IASB die Inhalte des neuen Standards mit Hilfe eines Top-Down-Ansatzes, ausgehend von den originären IFRS ab.8 Die Komplexität und Kostenintensität der originären IFRS soll mit Hilfe folgender Maßnahmen gemindert werden:9
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Vgl. Beiersdorf (2006), S. 1898; Zülch (2006), S. 233. Vgl. IASB (2007a), S. 1. Vgl. IASB (2007c), S. 3. Der Feldtest in Deutschland wurde vom DRSC in Kooperation mit dem BDI und PwC durchgeführt. Die Ergebnisse sind unter www.drsc.de abrufbar. Vgl. IASB (2008b), S. 2. Vgl. Beiersdorf (2006), S. 1898; Pottgießer (2006), S. 7. Das IASB weist in ED-SME BC 46 explizit darauf hin, dass der Standard trotz des Leitbildes gleichwohl den Anforderungen von Unternehmen mit zwei oder drei Mitarbeitern gerecht wird. Auch der Projektleiter des IASB bestätigt diese Ansicht. Siehe Hillmer (2008), S. 197. Vgl. Haller/Beiersdorf/Eierle (2007), S. 541; Gross/Steiner (2004), S. 878. Vgl. nachfolgend: Haller/Beiersdorf/Eierle (2007), S. 541.
38
II Grundlagen
- Ausgliederung nicht relevanter Sachverhalte: Sachverhalte, die aus Sicht des IASB für die Rechnungslegung kleiner und mittelgroßer Unternehmen nicht relevant sind, wurden aus dem Standard eliminiert. An entsprechender Stelle wird auf die jeweiligen originären IFRS verwiesen. - Beschränkung der im Standard dargestellten Wahlrechte: Alle in den full IFRS vorhandenen Wahlrechte werden auch den SMEs gewährt. Die Darstellung der komplexen Handlungsalternative eines Wahlrechts findet sich jedoch ausschließlich in den originären IFRS. - Neugestaltung von Regeln: Die Inhalte der originären IFRS wurden zur leichteren Verständlichkeit teilweise neu formuliert. Zudem werden den SMEs zusätzliche Wahlrechte eingeräumt, die Erleichterungen schaffen sollen. - Prinzipienbasierte Standardgestaltung: Der Standardentwurf enthält bis auf wenige Ausnahmen keine erläuternden Ausführungen oder Beispiele.1 - Vermeidung von Definitionswiederholungen: Begriffe werden entgegen der üblichen Vorgehensweise der originären IFRS nur einmal bei ihrer erstmaligen Verwendung definiert. - Impraktikabilitätsklausel: Gemäß der Impraktikabilitätsklausel müssen Anwender eine Regelung nicht befolgen, wenn sie „impracticable“, das heißt ihre Anwendung nicht durchführbar oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist. Die Impraktikabilitätsklausel wird im Vergleich zu den full IFRS deutlich öfter angewendet.2 - Überarbeitungsmodus des Standards: Damit die mittelständischen Unternehmen nicht durch die hohe Veränderungsdynamik des IFRS-Regelwerks überfordert werden, ist für den IFRS for SMEs eine Überarbeitung in zweijährigem Abstand vorgesehen. Durch die vorgestellten Maßnahmen ist es gelungen, den Umfang des Standards gegenüber dem vollständigen IFRS-Regelwerk um 85% zu reduzieren.3 Preis dieser quantitativen Redu-
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Zu den Vorteilen einer prinzipienbasierten Standardsetzung vgl. Preißler (2004), S. 22-25. Ihre Ausgestaltung im Rahmen des ED-SME ist in Kapitel II 3.2.4 dargestellt; kritisch zur Umsetzung der Prinzipienbasierung im ED-SME durch das IASB äußern sich Lüdenbach/Hoffmann (2007), S. 547. Vgl. hierzu auch: Zülch/Burghardt (2007), S. 112. Vgl. IASB (2007a), S. 1; kritisch hierzu: Lüdenbach/Hoffmann (2007), S. 545.
3 IFRS for Private Entities
39
zierung ist das Auftreten von Regelungslücken und eine geringere Verständlichkeit des Standards. Zudem enthält der IFRS for SMEs zahlreiche Verweise auf die full IFRS. 3.2.2 Struktur des Standards Der Standard besteht aus vier Teilen: Vorwort, Hauptteil, Glossar und Herleitungstabelle. Hinzu kommt die übliche Begründung in Form der Basis for Conclusions und eine Implementation Guidance, die einen Musterabschluss samt Erläuterungen beinhaltet. Das Vorwort enthält grundlegende Ausführungen zur Organisation der IASCF sowie den Aufgaben und Zielen des IASB. Darüber hinaus werden Anwendungsbereich, Verbindlichkeitswirkung, Aufbau und Überarbeitungsmodus des Standards kurz thematisiert. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38
Preface (Vorwort) Scope (Anwendungsbereich) Concepts and Pervasive Principles (Konzepte und Basisgrundsätze) General Standards of Financial Statement Presentation (Darstellung des Abschlusses) Balance Sheet (Bilanz) Income Statement (Gewinn- und Verlustrechnung) Statement of Changes in Equity and Statement of Income and Retained Earnings (Eigenkapitalveränderungsrechnung und Gewinnverwendungsrechnung) Cash Flow Statement (Kapitalflussrechnung) Notes to the Financial Statements (Anhang) Consolidated and Separate Financial Statements (Konzern- und separater Einzelabschluss) Accounting Policies, Estimates and Errors (Bilanzierungsmethoden, Schätzungen und Fehler) Financial Assets and Financial Liabilities (Finanzielle Vermögenswerte und finanzielle Schulden) Inventories (Vorräte) Investments in Associates (Anteile an assoziierten Unternehmen) Investments in Joint Ventures (Anteile an Joint Ventures) Investment Property (Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien) Property, Plant and Equipment (Sachanlagen) Intangible Assets other than Goodwill (Immaterielle Vermögenswerte mit Ausnahme des Goodwill) Business Combinations and Goodwill (Unternehmenszusammenschlüsse und Goodwill) Leases (Leasing) Provisions and Contingencies (Rückstellungen und Eventualschulden/-forderungen) Equity (Eigenkapital) Revenue (Erträge) Government Grants (Zuwendungen der öffentlichen Hand) Borrowing Costs (Fremdkapitalkosten) Share-Based Payment (Anteilsbasierte Vergütung) Impairment of Non-Finacial Assets (Wertminderung nicht finanzieller Vermögenswerte Employee Benefits (Leistungen an Arbeitnehmer) Income Taxes (Ertragsteuern) Financial Reporting in Hyperinflationary Economies (Rechnungslegung in Hochinflationsländern) Foreign Currency Translation (Währungsumrechnung) Segment Reporting (Segementberichterstattung) Events After the End of the Reporting Periode (Ereignisse nach dem Ende der Berichtperiode) Related Party Disclosure (Angaben über Beziehungen zu nahe stehenden Unternehmen und Personen) Earnings Per Share (Gewinn je Aktie) Specialised Industries (spezifische Branchen) Discontinued Operations and Assets Held for Sale (Aufgegebene Geschäftsbereiche und zur Veräußerung gehaltene langfristige Vermögenswerte) Interim Financial Reporting (Zwischenberichterstattung) Transition to IFRS for SMEs (Übergang auf IFRS for SMEs) Glossary (Glossar) Derivation Table (Überleitungstabelle)
Abbildung 9: Struktur des Exposure Draft des IFRS for SMEs
40
II Grundlagen
Der Hauptteil des Standards besteht aus 38 weitgehend thematisch angeordneten Abschnitten, deren Überschriften und Aufbau große Ähnlichkeit zu den originären IFRS aufweisen. 1 Im ersten Abschnitt wird auf den Anwendungsbereich des Standards und im zweiten Abschnitt auf die Prinzipien des IFRS for SMEs eingegangen. Es folgen Ausführungen zur formellen Darstellung des Jahresabschlusses und den einzelnen Abschlusselementen (Abschnitt 3 bis 8). Abschnitt 9 behandelt Besonderheiten des konsolidierten Abschlusses. In Abschnitt 10 werden die Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sowie Schätzungen und Fehler besprochen. Anschließend werden Rechnungslegungsnormen zur bilanziellen Behandlung spezifischer Sachverhalte dargestellt. Der finale Abschnitt enthält Regelungen zur erstmaligen Anwendung des Standards. Der Standard endet mit einem Glossar und einer Überleitungstabelle, in der die einzelnen Abschnitte den thematisch verwandten full IFRS zugeordnet werden. 3.2.3
Anwendungsbereich des Standards
Der IASB verfolgt obgleich der in die Irre führenden Bezeichnung „SME“ keine größenabhängige Definition,2 sondern grenzt SMEs in ED-SME 1.1 rein qualitativ und negativ ab: „SMEs are entities that: (a) do not have public accountability; and (b) publish general purpose financial statements for external users.“. Als öffentlich rechenschaftspflichtig gelten Unternehmen, die kapitalmarktorientiert sind oder treuhänderisch Vermögenswerte verwalten (EDSME 1.2).3 Der IFRS for SMEs dient nicht der Ausschüttungsbemessung oder steuerlichen Gewinnermittlung (ED-SME P.11f.). Gleichwohl weist das IASB daraufhin, dass der nach den Vorschriften des IFRS for SME erzielte Gewinn als Ausgangspunkt der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens nach den jeweiligen nationalen Normen herangezogen werden kann (ED-SME BC 28-30). Der Standard ist zudem nicht anzuwenden, wenn Unternehmen Abschlüsse ausschließlich zur Information von Eigentümern erstellen, die in die Geschäftsführung involviert sind, da diese in der Lage sind, auf ihre Bedürfnisse ausgerichtete Berichte anzufordern (ED-SME P.11 und BC 31). Dessen ungeachtet ist es möglich, Informationen, die zur Abschlusserstellung erhoben werden, im Rahmen der Unternehmensführung zu benützen.4
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3 4
Vgl. Zülch/Burghardt (2007), S. 111. Vgl. hierzu auch: Ballwieser (2006a), S. 27; Zwischenzeitlich änderte das IASB zur sprachlichen Klarstellung die Bezeichnung des Projektes von SME zu „non-publicly accountable entities” (NPAE), vgl. IASB (2005b), S. 1. Nachfolgend verwendete das IASB jedoch kommentarlos wieder den Begriff „SME“. Eine treuhänderische Verwaltung liegt z.B. bei Banken oder Versicherungen vor. Vgl. Kapitel III 3.3.
3 IFRS for Private Entities
41
Die weitere Differenzierung des Anwenderkreises ist Aufgabe der nationalen Gesetzgeber. Dementsprechend hätten der deutsche Gesetzgeber oder die EU die Entscheidung zu treffen, für welche nicht öffentlich rechenschaftspflichtigen Unternehmen und für welche Abschlüsse (Konzern- und/oder Einzelabschluss) die Anwendung des IFRS for SME obligatorisch bzw. gestattet ist (ED-SME P.13).1 3.2.4
Grundprinzipien der Rechnungslegung
3.2.4.1 Funktion der Grundprinzipien Im Gegensatz zu den originären IFRS werden im ED-SME Konzepte und Prinzipien (concepts and pervasive principles) aufgeführt, auf denen die Rechnungslegung mittelständischer Unternehmen basiert.2 Den pervasive principles kommt eine besondere Bedeutung zu, da sie im Falle von Regelungslücken heranzuziehen sind, um den verpflichtenden Rückgriff auf die full IFRS (mandatory fallback) zu verhindern und die Eigenständigkeit des Standards sicherzustellen.3 In der Vergangenheit wurde vielfach kritisiert, dass sich SMEs durch den verpflichtenden Rückgriff auf die full IFRS sowohl mit dem IFRS for SMEs als auch mit den originären IFRS auseinandersetzen müssten, wodurch die Anwendung des SME-Standards eher zu einer zusätzlichen Belastung als einer Entlastung der Unternehmen führen würde.4 Der Standard sieht zu Interpretationszwecken und zur Schließung von Regelungslücken eine mehrstufige Regelungshierarchie vor (ED-SME 10.3f.): Auf der ersten Ebene sind zunächst Vorschriften innerhalb des Standards maßgeblich, die vergleichbare Sachverhalte regeln. Trägt dies nicht zur Lösung des Problems bei, sind die concepts and pervasive principles aus Abschnitt 2 zu berücksichtigen. Erweisen sich die pervasive principles ebenfalls als unzureichend zur Entwicklung adäquater Bilanzierungsregelungen, ist auf der dritten Ebene auf die Vorschriften der originären IFRS und ihre Interpretationen sowie Verlautbarungen anderer Standardsetter zurückzugreifen.
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Vgl. Haller/Beiersdorf/Eierle (2007), S. 544; Beiersdorf (2006), S. 1899. Die Rechnungslegungsgrundsätze sind damit erstmals nicht nur Bestandteil des unverbindlichen Rahmenkonzeptes, sondern werden explizit in einem Standard aufgeführt. Vgl. Bieker (2007), S. 1208. Vgl. Beiersdorf (2006), S. 1899. „Im Gegensatz zu dem Anwender der full IFRS werden dem ‚kleinen Mann’ also zwei Druckstücke verordnet“. Hoffmann/Lüdenbach (2006a), S. 1907; ähnlich: Baetge/Klaholz (2006), S. 36; Bruns/Beiersdorf (2006), S. 59.
42
II Grundlagen
Sachverhalt ist im IFRS for SME nicht explizit geregelt
1. Ebene
Regelung ähnlicher Sachverhalte im IFRS for SMEs
Ja
analoge Anwendung auf ungeregelten Sachverhalt
Ja
Anwendung selbst entwickelter Regelung
Ja
Anwendung der Regelung der full IFRS
nein
2. Ebene
Entwicklung einer Regelung durch Rückgriff auf pervasive principles nein
3. Ebene
Regelung (ähnlicher Sachverhalte) in full IFRS, IFRIC und Verlautbarungen anderer Standardsetter
Abbildung 10: Regelungshierarchie im Falle von Regelungslücken
Bei Betrachtung der Vorgehensweise zur Schließung von Regelungslücken zeigt sich, dass zwar formal auf den mandatory fallback verzichtet wurde, er faktisch hingegen nach wie vor existent ist. Die auf der ersten Hierarchieebene geforderte analoge Anwendung der Vorschriften ähnlicher Sachverhalte auf den ungeregelten Sachverhalt dürfte nur in Ausnahmefällen durchführbar sein.1 Die auf der folgenden Ebene heranzuziehenden pervasive principles erlauben keine fundierte Ableitung von Bilanzierungsregeln, da sie kein geschlossenes und konsistentes System von Rechnungslegungsgrundsätzen darstellen. Zudem stimmen die im IFRS for SMEs formulierten Rechnungslegungsgrundsätze mit denen der full IFRS überein. 2 Ein SME wird eine von einem Anwender der full IFRS abweichende Bilanzierung ein und desselben Sachverhalts unter Berücksichtigung identischer Rechnungslegungsgrundsätze nicht überzeugend begründen können. Die zweite Hierarchieebene erfordert somit die Kenntnis der originären IFRS und mündet im Ergebnis zwangläufig in die dritte Hierarchieebene, nach der ein Rückgriff auf die originären IFRS obligatorisch ist. Dementsprechend ist der „Rückgriff auf die full IFRSs […] nach den Vorgaben des ED-SME zwingend“.3
1 2 3
Vgl. Lüdenbach/Hoffmann (2007), S. 547. Vgl. hierzu Kapitel II 3.2.4.2. Lüdenbach/Hoffmann (2007), S. 548; ähnlich: Kalina-Kerschbaum/Steggewentz (2007), S. 216; Bömelburg/Hecking (2007), S. 3; Reuther (2007), S. 319.
3 IFRS for Private Entities
43
3.2.4.2 Zweck und Grundsätze Der Zweck der SME-Abschlüsse stimmt mit dem in den full IFRS formulierten Zweck überein. Nach ED-SME 2.1 sollen die Abschlüsse einem breiten Adressatenkreis für ökonomische Entscheidungen nützliche Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie den Cash Flow des Unternehmens zur Verfügung stellen. Der Adressatenkreis wird im Standard selbst nicht weiter bestimmt. In der Basis for Conclusions werden beispielhaft nicht geschäftsführende Eigentümer, bestehende und potenzielle Gläubiger, Lieferanten, Kunden sowie Ratingagenturen genannt (ED-SME BC55). Die Darstellung der Rechnungslegungsgrundsätze im Standard ist im Wesentlichen auf die im Rahmenkonzept formulierten qualitativen Anforderungen begrenzt, ohne die darin enthaltene Hierarchiebildung und Strukturierung der Grundsätze erkennen zu lassen.1 Den Grundsatz der periodengerechten Erfolgsermittlung und ein grundsätzliches Saldierungsverbot von Vermögenswerten und Schulden sowie Erträgen und Aufwendungen finden sich erst innerhalb der grundlegenden Ansatz- und Bewertungsprinzipien (ED-SME 2.33 und 3.45). Andere Abschlusserstellungsgrundsätze wie z.B. der der Unternehmensfortführung oder der Fair Presentation werden im dritten Abschnitt aufgeführt (ED-SME 3.1 und 3.7). Vor dem Hintergrund der Funktion der pervasive principles im zweiten Abschnitt als Grundlage zur Schließung von Regelungslücken erscheint es konzeptionell und sachlogisch unverständlich, dass bedeutsame Grundsätze erst im dritten Abschnitt aufgegriffen werden. Gleiches gilt für weitere grundlegende Regelungsbereiche, wie bspw. die Behandlung von Methodenänderungen, Schätzungen und Fehlern oder Wertminderungen nicht finanzieller Vermögenswerte.2 3.2.4.3 Allgemeine Ansatz- und Bewertungsvorschriften Die Definitionen der Abschlussposten und die zweistufige Ansatzkonzeption der originären IFRS wurden unverändert in den IFRS for SMEs übernommen.3 Im Gegensatz zum Rahmenkonzept enthält der ED-SME zusätzliche Erläuterungen zu den allgemeinen Ansatz- und Bewertungsvorschriften. Hinsichtlich des Bilanzansatzes handelt es sich im Wesentlichen um eine Wiederholung der bereits zuvor dargestellten Kriterien (EDSME 2.34-2.39). Für die Bewertung von Vermögenswerten und Schulden sind die Ausführungen hingegen deutlich umfangreicher. In ED-SME 2.31 werden die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten und der beizulegende Zeitwert als Bewertungsmaßstäbe definiert. Die Zu1 2 3
Vgl. Zülch/Burghardt (2007), S. 112; Bieker (2007), S. 1208. Vgl. Haller/Beiersdorf/Eierle (2007), S. 545. Siehe ED-SME 2.12-2.29. An dieser Stelle wird unter Verweis auf Kapitel II 2.2.1 auf eine Darstellung verzichtet.
44
II Grundlagen
gangsbewertung von Vermögenswerten und Schulden erfolgt gemäß ED-SME 2.40 grundsätzlich mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten, es sei denn, im Standard wird explizit die Anwendung eines anderen Bewertungsmaßstabs gefordert. Zur Folgebewertung ist indes zwischen finanziellen und nicht finanziellen Vermögenswerten sowie Schulden zu differenzieren. Finanzielle Vermögenswerte und Schulden werden nach den Regelungen des ED-SME 2.41 grundsätzlich mit dem beizulegenden Zeitwert bewertet. Für nicht finanzielle Vermögenswerte besteht kein einheitlicher Bewertungsmaßstab. Die Folgebewertung wird anhand des Sachanlage- und Vorratsvermögens exemplifiziert. Sachanlagen sind mit dem niedrigeren Wert aus fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten und Nettoveräußerungswert zu bewerten. Vorräte werden zum niedrigeren Wert aus Anschaffungs- oder Herstellungskosten und Verkaufserlös abzüglich der Kosten bis zur Fertigstellung und der Veräußerung angesetzt. Diese Verfahrensweise soll gewährleisten, dass ein Vermögenswert nicht mit einem Betrag bewertet wird, der über dem aus Nutzung oder Verkauf erzielbaren Betrag liegt (ED-SME 2.42).1 Für bestimmte nicht finanzielle Vermögenswerte besteht eine Pflicht bzw. ein Wahlrecht zur Folgebewertung zum beizulegenden Zeitwert. 3.2.5
Abschlusselemente
In Übereinstimmung mit IAS 1.8 besteht der Abschluss von SMEs gemäß ED-SME 3.15 aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Kapitalflussrechnung, Eigenkapitalveränderungsrechnung und Anhang. Die eigenständige Gewinn- und Verlustrechnung sowie Eigenkapitalveränderungsrechnung können nach ED-SME 3.16 zu einer kombinierten Aufstellung des Periodenergebnisses und der Gewinnrücklagen zusammengeführt werden, wenn sämtliche Eigenkapitalveränderungen der Berichtsperiode in der Gewinn- und Verlustrechnung abgebildet sind oder auf Dividendenzahlungen, Fehlerkorrekturen oder Änderungen von Bilanzierungsund Bewertungsmethoden gründen.2
1
2
Diese Erklärung erstaunt, da der Nutzwert kein relevanter Wertmaßstab für die Folgebewertung ist, vgl. Haller/Beiersdorf/Eierle (2007), S. 545. Die weiteren Regelungen zur Gliederung, Präsentationsform und Pflichtangaben der jeweiligen Abschlussbestandteile decken sich weitgehend mit den bereits vorgestellten Normen der originären IFRS. So auch Kirsch (2007), S. 46; Bieker (2007), S. 1210f. Auf eine detaillierte Darstellung wird deshalb an dieser Stelle verzichtet.
1 Vorbemerkungen
III
Zunehmende Relevanz der IFRS im Mittelstand
1
Vorbemerkungen
45
Um die Eignung der IFRS für die mittelständische Rechnungslegung beurteilen zu können, ist zunächst zu untersuchen, welche Gründe für ihre zunehmende Relevanz verantwortlich sind. Neben dem Wandel der rechtlichen Rahmenbedingungen, durch den die Voraussetzungen für eine Anwendung der IFRS geschaffen wurden, sind auch Veränderungen der ökonomischen Rahmenbedingungen anzuführen. Der Wandel der rechtlichen Rahmenbedingungen war in den vergangenen Jahren durch Harmonisierungsbestrebungen der EU auf dem Gebiet der europäischen Rechnungslegung in Form der IAS-Verordnung sowie der Fair-Value- und Modernisierungsrichtlinie gekennzeichnet. Ihre Umsetzung erfolgte bzw. erfolgt in Deutschland durch das Bilanzrechtsreformgesetz und das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz. Inwieweit sich hieraus Konsequenzen für die mittelständische Rechnungslegung ergeben, wird zu Beginn des dritten Teils geprüft. Der Wandel der ökonomischen Rahmenbedingungen betrifft in erster Linie die zunehmende Internationalisierung mittelständischer Unternehmen, strukturelle Veränderungen in der Unternehmensfinanzierung und den Trend zu einer Konvergenz von internem und externem Rechnungswesen. Befürworter der IFRS leiten aus den Entwicklungen der mittelständischen Unternehmensumwelt diverse Motive zur Anwendung der IFRS ab. Diese werden nachfolgend analysiert und gewürdigt. Um eine Aussage über die Eignung der IFRS für die Rechnungslegung mittelständischer Unternehmen treffen zu können, reicht es indes nicht aus, nur den potenziellen Nutzen einer IFRS-Anwendung zu betrachten. Vielmehr sind auch die mit einer Anwendung einhergehenden Kosten in die Analyse einzubeziehen. Die Darstellung der Umstellungskosten und eine Abwägung von Kosten und Nutzen erfolgen zum Ende des dritten Teils.
46
III Zunehmende Relevanz der IFRS im Mittelstand
2
Wandel der rechtlichen Rahmenbedingungen
2.1
Harmonisierung der Rechnungslegung innerhalb der EU
Die ersten Schritte zur Harmonisierung der Rechnungslegung wurden durch die Umsetzung der Vierten1 und Siebenten2 EU-Richtlinie in deutsches Handelsbilanzrecht im Rahmen des Bilanzrichtlinien-Gesetzes vom 19. Dezember 1985 vollzogen.3 Ziel der Harmonisierungsstrategie der EU war nicht die vollständige Vereinheitlichung der Rechnungslegung, sondern vielmehr die Gewährleistung einer Mindestvergleichbarkeit der Abschlüsse innerhalb der EU.4 Bis 1995 versuchte die EU, ihre Harmonisierungsbestrebungen durch eine Reihe von weiteren Richtlinien zu verwirklichen.5 Der Erfolg der Richtlinien war aufgrund ihrer Kompromisscharakter und zahlreicher Wahlrechte so gering, dass die EU-Kommission in einer Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament feststellte, dass der aktuelle Harmonisierungsgrad unzureichend sei und nicht den Anforderungen der Marktteilnehmer entspreche.6 Seit 1995 verfolgt die EU eine neue Strategie, die im Jahr 2000 weiter konkretisiert wurde. Sie besteht darin, das IASB als internationalen Standardsetter in der Entwicklung der IFRS zu unterstützen und gleichzeitig die Vereinbarkeit der Standards mit den EU-Richtlinien sicherzustellen.7 Ziel ist es, erhöhte Transparenz und Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen innerhalb der Europäischen Union zu erreichen und so eine effiziente Funktionsweise des Kapitalmarktes sicherzustellen.8 Im Rahmen der Umsetzung dieser Strategie verabschiedete das EUParlament am 27. Mai 2002 die Verordnung Nr. 1606/2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (IAS-Verordnung). 9 Hiermit setzte die EU zur Durchsetzung ihrer Harmonisierungsziele erstmals nicht auf eine Richtlinie, sondern eine Verordnung, die keiner Transformation in nationales Recht bedarf.10
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Vgl. Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsform, AblEG Nr. L 222 v. 14.08.1978, S. 11-31. Vgl. Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juli 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluß, AblEG Nr. L 198 v. 18.07.1983, S. 1-17. Vgl. Haller (2002), S. 155; Kußmaul/Tcherveniachki (2005), S. 616. Vgl. Van Hulle (2003), S. 969; ausführlich: Wagenhofer (2003), S. 26-29. Vgl. Stahl (2004), S. 42. Vgl. Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament KOM(2000) 359 v. 13.06.2000, Rechnungslegungsstrategie der EU: Künftiges vorgehen. Vgl. darüber hinaus: Haller (2002), S. 157-159; Wüstemann/Kierzek (2006), S. 14f.; Daske (2005a), S. 6. Vgl. Mitteilung der Kommission KOM(95) 508 v. 11.1995, Harmonisierung auf dem Gebiet der Rechnungslegung: eine neue Strategie im Hinblick auf die internationale Harmonisierung; KOM(2000) 359; ergänzend: Van Hulle (2003), S. 973-975. Vgl. KOM(2000) 359; Busse von Colbe (2002), S. 1530. Vgl. EuGVO Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, AblEG Nr. L 243 v. 11.09.2002, S. 1-4. Vgl. Beiersdorf/Davis (2006), S. 987f.; Stahl (2004), S. 45.
2 Wandel der rechtlichen Rahmenbedingungen
2.2
47
IAS-Verordnung der EU
2.2.1 Inhalt Die IAS-Verordnung besteht aus einem Pflichtteil, der unmittelbar zu geltendem Recht in den Mitgliedsstaaten wird und einem Wahlteil, der durch die Mitgliedsstaaten in nationales Recht transformiert werden muss. Artikel 4 der Verordnung enthält die Verpflichtung für alle börsennotierten Konzerne innerhalb der EU, ihren Konzernabschluss für Geschäftsjahre, die nach dem 1. Januar 2005 oder später beginnen, nach den IFRS zu erstellen. Damit gilt für die betroffenen Konzerne in Deutschland erstmals eine Pflicht zur Anwendung internationaler Rechnungslegungsnormen. Schon zuvor hatte sich der deutsche Gesetzgeber dem Druck der EU und der Öffentlichkeit gebeugt und mit dem Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz (KapAEG)1 seit 1998 die Aufstellung eines befreienden Konzernabschlusses nach internationalen Normen für börsennotierte Mutterunternehmen durch ein in § 292a HGB verankertes Wahlrecht gestattet.2 Diese als Übergangslösung gedachte Regelung war bis zum 31. Dezember 2004 begrenzt und wurde dementsprechend durch die Vorschriften der IAS-Verordnung ersetzt. In Artikel 9 der Verordnung wird den Mitgliedsstaaten ein Wahlrecht zugestanden, die Frist zum Übergang auf die IFRS auf den 1. Januar 2007 zu verlängern. Das Wahlrecht ist begrenzt auf Unternehmen, die einzig durch Schuldtitel an der Börse eines Mitgliedsstaates vertreten sind oder aufgrund der Zulassung zum Handel in einem Drittstaat die US-GAAP anwenden. Weiterhin steht es den Mitgliedsstaaten gemäß Artikel 5 der IAS-Verordnung offen, die Anwendung der IFRS auf freiwilliger oder verpflichtender Basis auf die Einzelabschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen auszudehnen. Auch nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen kann die Anwendung der IFRS bei der Erstellung ihrer Konzernabschlüsse und / oder Einzelabschlüsse vorgeschrieben oder gestattet werden. Die Wahlrechte verdeutlichen, dass die Europäische Kommission langfristig alle Mitgliedsstaaten dazu bewegen möchte, die IAS in Einzelabschlüssen zumindest zuzulassen bzw. sogar vorzuschreiben.3 Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Verordnung betrifft die Anerkennung (Endorsement) der IFRS. In Artikel 6 wird festgelegt, dass die Legitimation der Standards und deren Interpretationen mit Hilfe des so genannten Komitologieverfahrens erfolgt, da die EU keine hoheitlichen Aufgaben an eine privatrechtliche Organisation übertragen darf und der dynami1
2
3
Vgl. Gesetz zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Konzerne an Kapitalmärkten und zur Erleichterung der Aufnahme von Gesellschafterdarlehen (Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz - KapAEG) v. 20.04.1998, BGBl I 1998, S. 707-709. Zunächst konnten nur börsennotierte Mutterunternehmen das Wahlrecht eines befreienden Konzernabschlusses in Anspruch nehmen. Durch das KapCoRiLiG im Jahr 2000 wurde der Anwenderkreis auf alle kapitalmarktorientierten Unternehmen ausgeweitet, vgl. Stahl (2004), S. 53f. Vgl. Böcking (2004b), S. 109; KOM(2000) 359, Tz. 17.
48
III Zunehmende Relevanz der IFRS im Mittelstand
sche Entwicklungsprozess der internationalen Rechnungslegung die Gesetzgebung überfordern dürfte.1 2.2.2 Umsetzung in Deutschland Zur Umsetzung der in der IAS-Verordnung enthaltenen Wahlrechte hat der deutsche Gesetzgeber im Oktober 2004 das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) verabschiedet.2 Nach dem BilReG sind kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen für nach dem 1. Januar 2005 beginnende Geschäftsjahre zur Konzernbilanzierung nach IFRS verpflichtet.3 Gleiches gilt für den Konzernabschluss von Unternehmen, die bis zum jeweiligen Abschlussstichtag die Notierung eines Wertpapiers an einem organisierten Markt beantragt haben (§ 315 Abs. 2 HGB i.V.m. § 11 Abs. 6 Nr. 2 PublG). Der deutsche Gesetzgeber nutzt die in Artikel 9 der IAS-Verordnung verankerte Option, die Übergangsfrist für Unternehmen, die nur durch Schuldtitel an einer Börse eines Mitgliedsstaates vertreten sind oder die US-GAAP anwenden, auf den 1. Januar 2007 zu verlängern. Nicht kapitalmarktorientierten Konzernen wird gemäß § 315a Abs. 3 Satz 1 HGB ein Wahlrecht zur befreienden Anwendung der IFRS im Konzernabschluss zugestanden. Voraussetzung ist, dass sämtliche Standards der IFRS vollständig berücksichtigt werden. Ferner sind einige in § 315a Abs. 1 HGB genannte handelsrechtliche Vorschriften zu beachten. Hervorzuheben ist die Verpflichtung zum Konzernlagebericht. Für den Einzelabschluss gewährt das BilReG großen Kapitalgesellschaften i.S.d. § 267 Abs. 3 HGB unabhängig von ihrer Kapitalmarktorientierung das Wahlrecht, anstelle eines HGB-Abschlusses einen Einzelabschluss nach IFRS für Zwecke der Offenlegung im Bundesanzeiger zu veröffentlichen (§ 325 Abs. 2a HGB). Weiterhin muss ein Jahresabschluss nach HGB, der für die Ausschüttungsbemessung, die steuerliche Gewinnermittlung und weitere gesellschaftsrechtliche Sachverhalte
maßgeblich
ist,
erstellt
und
beim
Handelsregister
eingereicht
werden
(§ 325 Abs. 1 HGB).4 Kleinen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften sowie Personengesellschaften, die nicht der Verpflichtung des § 325 Abs. 2 HGB zur Bundesanzeigerpublizität un-
1
2
3
4
Vgl. Beiersdorf/Bogajewskaja (2005), S. 7f.; Mandler (2004), S. 106; für eine detaillierte Darstellung des Komitologieverfahrens wird auf Buchheim/Gröner/Kühne (2004), S. 1783-1788 und Van Hulle (2003), S. 977-981 verwiesen. Vgl. Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetzt - BilReG) v. 4.12.2004, BGBl I 2004, S. 3166-3182. Hierzu bedarf es keiner Regelung durch den deutschen Gesetzgeber, da es sich gem. Artikel 4 um einen verpflichtenden Bestandteil der IAS-Verordnung handelt. Die Verpflichtung zur Erstellung eines Einzelabschlusses nach HGB wurde damit begründet, dass die IFRSRechnungslegung der heterogenen Zielsetzung des HGB-Abschlusses nicht gerecht würde. Siehe: Deutscher Bundestag (2004), S. 23f; detaillierte Erläuterungen zur befreienden Offenlegung des IFRSEinzelabschlusses: Fey/Deubert (2006), S. 93-100.
49
2 Wandel der rechtlichen Rahmenbedingungen
terliegen, verbleibt nach Umsetzung des BilReG – wie schon zuvor – die Option, freiwillig einen Einzelabschluss nach internationalen Standards zu veröffentlichen.1 Die Transformation der IAS-Verordnung im Rahmen des Bilanzrechtsreformgesetztes ist nachfolgender Abbildung zu entnehmen.
Rechtsform
Konzernabschluss
Kapitalgesellschaften (ca. 5.500 AG, 450.000 GmbH) kapitalmarktorientiert
nicht kapitalmarktorientiert
IFRS Pflicht
IFRS Wahlrecht
Personengesellschaften & Einzelunternehmen (ca. 360.000 PersG, 2 Mio. EU) kapitalmarktorientiert
IFRS Pflicht
HGB Pflicht
Einzelabschluss
nicht kapitalmarktorientiert
IFRS Wahlrecht
HGB Pflicht
Zusätzlicher IFRS-Einzelabschluss zu Informationszwecken zulässig
Abbildung 11: Umsetzung der IAS-Verordnung im Rahmen des BilReG2
Mit dem Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG)3 werden die Offenlegungspflichten im November 2006 verschärft, so dass nun sämtliche Kapitalgesellschaften und ihnen rechtlich gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften dazu verpflichtet sind, ihren Jahresabschluss beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers einzureichen und in diesem bekannt machen zu lassen (§ 325 Abs. 1 und 2 HGB). Gleichzeitig wird das Wahlrecht zur befreienden Offenlegung des IFRS-Einzelabschlusses
auf
alle
offenlegungspflichtigen
Unternehmen
ausgedehnt
(§ 325 Abs. 2a HGB). Insgesamt gewährt das nationale Bilanzrecht mit Hilfe der Wahlrechte gerade mittelständischen Unternehmen eine hohe Flexibilität in der Anwendung der internationalen Rechnungslegungsstandards.4 Die Option eines befreienden IFRS-Konzernabschlusses eröffnet zumindest größeren Mittelständlern die Möglichkeit, einen Konzernabschluss nach internationalen Normen zu veröffentlichen, ohne zusätzlich einen Konzernabschluss nach HGB aufzustellen. 1 2 3
4
Vgl. Hüttemann (2004), S. 204; Wolz (2005), S. 23. Entnommen: Winkeljohann/Ull (2006), S. 21. Vgl. Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) v. 10.11.2006, BGBl I 2006, S. 2553-2586. Vgl. Ernst (2003), S. 1488; ähnlich: Steiner/Gross (2004), S. 553.
50
III Zunehmende Relevanz der IFRS im Mittelstand
Dies vermeidet Wettbewerbsnachteile im Vergleich zu kapitalmarktorientierten Konkurrenten.1 2.3
Rechnungslegungsrichtlinien der EU
2.3.1 Inhalt Die EU-Richtlinien zur Rechnungslegung haben großen Einfluss auf die Rechnungslegung aller Unternehmen in Deutschland. Der Gesetzgeber ist zur Transformation der europäischen Richtlinien in nationale Gesetze verpflichtet. Die Richtlinien bilden die Rechtsgrundlage für diejenigen Unternehmen, die nicht nach IFRS bilanzieren und dienen darüber hinaus der Regelung von Sachverhalten, die durch die IAS-Verordnung nicht erfasst werden.2 Durch die IAS-Verordnung entstand die Notwendigkeit, die bestehenden europäischen Richtlinien so anzupassen, dass sie den Regelungen der IFRS entsprechen oder zumindest nicht zuwiderlaufen.3 Die Anerkennung neuer IFRS setzt deren Konformität mit den Richtlinien voraus. Ein erster Schritt zur Annäherung der Richtlinien an die IFRS war die Verabschiedung der Fair-Value-Richtlinie am 27. September 2001.4 Sie erlaubt den Unternehmen in Abweichung vom Anschaffungskostenprinzip eine Bewertung bestimmter Finanzinstrumente mit einem über den historischen Anschaffungskosten liegenden Fair Value.5 Hierdurch wird eine Anpassung an IAS 39 (Bilanzierung und Bewertung von Finanzinstrumenten) erreicht. Den Mitgliedsstaaten steht es dabei offen, die Fair Value-Bewertung für alle Unternehmen oder nur bestimmte Gruppen von Unternehmen einzuführen, sie auf den Konzernabschluss zu beschränken oder auch den Einzelabschluss mit einzubeziehen. Außerdem ist die Frage, ob die Fair Value-Bewertung verpflichtend anzuwenden ist oder, ob sie eine alternative Methode neben der Bewertung zu Anschaffungskosten darstellt, von den Mitgliedsstaaten individuell zu entscheiden.6 Die Fair-Value-Richtlinie enthält zusätzlich zu den Bewertungsvorschriften verpflichtende Bestimmungen zu Angabe- und Berichtspflichten über Finanzinstrumente.7
1 2 3 4
5 6 7
Vgl. Winkeljohann/Ull (2006), S. 20; Heuser/Theile (2005), S. 201, 204. Vgl. Böcking/Herold/Wiederhold (2003), S. 396. Vgl. Niehus (2002), S. 1385; Kahle (2003b), S. 263; Bieg et al. (2006b), S. 28. Vgl. Richtlinie 2001/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG und 86/635/EWG des Rates im Hinblick auf die im Jahresabschluss bzw. im konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsform und von Banken und anderen Finanzinstituten zulässigen Wertansätze, AblEG Nr. L 283/28 v. 27.10.2001, S. 28-32. Vgl. Böcking (2004a), S. 181; Niehus (2002), S. 1387. Vgl. Hommel/Berndt (2002), S. 90. Vgl. Hüttemann (2004), S. 208; Schildbach (2003), S. 1076.
2 Wandel der rechtlichen Rahmenbedingungen
51
Ein weiterer Schritt zur Herstellung der Konformität zwischen den Rechnungslegungsrichtlinien und den IFRS stellt die Modernisierungsrichtlinie dar.1 Sie beseitigt bestehende Konflikte der europäischen Bilanzrichtlinien mit den IFRS und soll die Flexibilität der Mitgliedsstaaten bei der Anpassung des nationalen Rechts erhöhen. So enthält die Modernisierungsrichtlinie Wahlrechte, die es den Mitgliedsstaaten ermöglichen, die Neubewertung aller Vermögenswerte des Anlagevermögens sowohl im Konzern- als auch im Einzelabschluss oder die Gliederung der Bilanz nach der international üblichen Aufteilung in kurz- und langfristige Posten einzuführen. Neben den Wahlrechten weist die Modernisierungsrichtlinie auch verpflichtende Änderungen zur Erhöhung des Informationsgehaltes von Lage- und Konzernlagebericht sowie zur besseren Vergleichbarkeit der Bestätigungsvermerke auf. Mit Hilfe dieser Maßnahmen versucht die EU, gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle europäischen Unternehmen zu schaffen, unabhängig davon, ob die IFRS oder die EURichtlinien Grundlage ihrer Bilanzierung sind. Gleiche Wettbewerbsbedingungen können nach Ansicht der Europäischen Kommission nur erreicht werden, indem grundsätzlich allen Unternehmen die nach IFRS vorhandenen Rechnungslegungsoptionen gewährt werden.2 Die EU bestätigt damit abermals ihr langfristiges Ziel einer einheitlichen auf den IFRS basierenden Rechnungslegung für alle Unternehmen.3 Darüber hinaus wurden mit Hilfe der Schwellenrichtlinie die Größenkriterien zur Klassifizierung von kleinen und mittelgroßen Unternehmen turnusgemäß an aktuelle Entwicklungen angepasst.4 Anzumerken ist, dass die Richtlinien die zahlreich existierenden Wahlrechte nicht reduziert, sondern erhöht haben. Es ist deshalb fraglich, ob sie zu einer verbesserten Transparenz der Abschlüsse beitragen und die Vergleichbarkeit der Abschlüsse nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen untereinander sowie die Vergleichbarkeit der Abschlüsse nicht kapitalmarktorientierter mit denen kapitalmarktorientierter Unternehmen erhöhen.5
1
2 3
4
5
Vgl. Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2003 zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG, 83/349/EWG und 86/635/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen, AblEU Nr. L 178 v. 17.07.2003, S. 16-22. Vgl. Böcking/Herold/Wiederhold (2003), S. 395-400; Jacob/Berner (2005), S. 184f. Vgl. Böcking (2004b), S. 109; Haller (2003), S. 413. Dieser Ansicht widerspricht Schulze-Osterloh (2004), S. 2568. Vgl. Richtlinie 2003/38/EG des Rates vom 13. Mai 2003 zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsform hinsichtlich der in Euro ausgedrückten Beträge, AblEU Nr. L 120 v. 15.05.2003, S. 22-23. Vgl. Köhler (2007), S. 6; Niehus (2002), S. 1389.
52
III Zunehmende Relevanz der IFRS im Mittelstand
2.3.2 Umsetzung in Deutschland Die Umsetzung der EU-Richtlinien erfolgte in Deutschland durch das bereits angesprochene BilReG, das auch die Ausübung der Mitgliedsstaatenwahlrechte der IAS-Verordnung regelt. Im Rahmen des BilReG wurden die Schwellenwerte zur Klassifizierung von Kapitalgesellschaften erhöht, wobei die Größenkriterien der EU-Schwellenrichtlinie um ca. 10% überschritten wurden.1 Darüber hinaus setzte der Gesetzgeber die Pflichtbestandteile der FairValue-Richtlinie und der Modernisierungsrichtlinie der EU um. Sie betreffen vornehmlich Lagebericht und Anhang sowie Regelungen zur Gestaltung des Bestätigungsvermerks.2 Die in den europäischen Richtlinien enthaltenen Mitgliedsstaatenwahlrechte werden erst durch das bereits lang zuvor avisierte Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) in deutsches Recht überführt.3 Die Transformation bezieht sich primär auf Vorschriften zur externen Abschlussprüfung und Corporate Governance.4 Im Mittelpunkt des BilMoG stehen jedoch die Eliminierung von Ansatz-, Bewertungs- und Konsolidierungswahlrechten sowie die Einführung neuartiger Ansatz- und Bewertungskonzeptionen. Durch diese im Schrifttum mitunter als „Änderungen [der] Grundfeste der bisherigen HGB-Bilanzierung“5 titulierte Novellierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung soll das deutsche Bilanzrecht zu einer im Verhältnis zu den IFRS gleichwertigen, aber einfacheren und kostengünstigeren Alternative werden.6 Mit dem BilMoG rückt der Gesetzgeber die „Informationsfunktion der Handelsbilanz […] in den Vordergrund“.7 Gleichwohl soll der handelsrechtliche Jahresabschluss weithin als Grundlage der Ausschüttungs- und Steuerbemessung dienen. Im BilMoG ist nicht nur eine Reaktion des Gesetzgebers auf die IAS-Verordnung und die EU-Richtlinien, sondern insbesondere eine Antwort auf das IASB-Projekt zur Entwicklung eines IFRS for Private Entities zu sehen.8 Verwirklicht werden soll das Reformziel durch Deregulierung und Stärkung der Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses. Die Deregulierung soll durch folgende Maßnahmen erreicht werden:9
1 2
3
4 5 6 7 8 9
Vgl. Stahlschmidt (2004), S. 993. Vgl. Ernst/Gabriel (2004), S. 109; Jacob/Berner (2005), S. 180, 185; Peemöller/Oehler (2004), S. 1159; insbes. zu den Veränderungen der Lageberichts- und Anhangangeben durch das BilReG, vgl. Hoffmann/Lüdenbach (2004a), S. 147-149; Heuser/Theile (2005), S. 202f., 205f. Das Gesetzesvorhaben wurde bereits in der Begründung zum BilReG für das Jahr 2004 angekündigt. Vgl. Deutscher Bundestag (2004), S. 21. Vgl. Velte (2008), S. 63. Fülbier/Gassen (2007), S. 2608. Vgl. BilMoG-RegE Begr. A. Allgemeiner Teil. BilMoG-RegE Begr. A. Allgemeiner Teil. Vgl. BilMoG-RegE Begr. A. Allgemeiner Teil. Vgl. nachfolgend: BMJ (2008). Bzgl. einer detaillierten Würdigung der neuen Rechnungslegungsvorschriften wird auf den fünften Teil dieser Arbeit verwiesen.
2 Wandel der rechtlichen Rahmenbedingungen
-
53
Befreiung von Buchführung und Bilanzierung nach handelsrechtlichen Vorschriften für Einzelkaufleute, die bestimmte Schwellenwerte (500 TEUR Umsatz und 50 TEUR Gewinn pro Geschäftsjahr) nicht überschreiten.
-
Anpassung der für die Rechnungslegung von Kapitalgesellschaften maßgeblichen handelsrechtlichen Größenklassen durch Anhebung der in § 267 HGB kodifizierten Schwellenwerte für Bilanzsumme und Umsatzerlöse um 20 Prozent, so dass eine größere Anzahl von Unternehmen die Erleichterungen für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften in Anspruch nehmen kann.
Die Informationsfunktion der handelsrechtlichen Abschlüsse soll im Wesentlichen durch Änderung der folgenden Rechnungslegungsvorschriften gestärkt werden: -
Aktivierung selbstgeschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens bei gleichzeitiger Einführung einer Gewinnausschüttungssperre.
-
Bewertung aller Finanzinstrumente des Handelsbestands mit dem zum Bilanzstichtag beizulegenden Marktwert (Fair Value). Wertänderungen der Zeitwerte sind erfolgswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung abzubilden. Noch unrealisierte Gewinne werden mit einer Ausschüttungssperre belegt.
-
Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungen (Lohn-, Preis- und Personalentwicklungen) im Rahmen der Bewertung von Pensionsrückstellungen. Darüber hinaus sind zukünftig sämtliche Rückstellungen abzuzinsen. Das Wahlrecht zur Bildung steuerlich nicht anerkannter Aufwandsrückstellungen wird abgeschafft.
-
Einbezug von Zweckgesellschaften in den Konzernabschluss, wenn diese unter der einheitlichen Leitung des Mutterunternehmen stehen. Zudem ist im Anhang über Art, Zweck und finanzielle Auswirkungen von Geschäften mit Zweckgesellschaften Bericht zu erstatten, sofern diese bilanziell nicht erfasst werden, ihre Kenntnis jedoch zur Beurteilung der Finanzlage erforderlich ist.
Der überwiegende Teil der neuen Vorschriften ist erstmals für Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2008 beginnen. Erleichterungen, wie z.B. die angehobenen Schwellenwerte können bereits im Geschäftsjahr 2008 in Anspruch genommen werden. Im Ergebnis dürfte das BilMoG zu einer deutlichen Annäherung der handelsrechtlichen Vorschriften an die IFRS führen.1
1
Vgl. stellvertretend: Stibi/Fuchs (2008), S. 7.
54
III Zunehmende Relevanz der IFRS im Mittelstand
2.4
Folgen für den Mittelstand
Durch die oben geschilderten Entwicklungen auf europäischer und deutscher Ebene sind „die rechtlichen Rahmenbedingungen der IAS-Anwendung auch im Mittelstand geschaffen worden“.1 Um die Konsequenzen der rechtlichen Änderungen für den Mittelstand abschätzen zu können, ist eine differenzierte Betrachtung notwendig. Von einer obligatorischen Anwendung der IFRS ist der weit überwiegende Teil der mittelständischen Unternehmen nicht betroffen, da er als nicht kapitalmarktorientiert gilt. 2 Die Möglichkeit zur befreienden Anwendung der IFRS im Konzernabschluss gemäß § 315a Abs. 3 Satz 1 HGB steht ebenfalls nur einer begrenzten Gruppe von Unternehmen offen. Nach einer Studie von PricewaterhouseCoopers sind ca. 200.000 der nichtkapitalmarktorientierten Unternehmen konsolidierungspflichtig. 3 Den verbleibenden fast 3,6 Mio. mittelständischen Unternehmen, die weder kapitalmarktorientiert noch konsolidierungspflichtig sind, ermöglicht die IAS-Verordnung und ihre Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber die
befreiende
Offenlegung
eines
IFRS-Einzelabschlusses
im
Bundesanzeiger
(§ 325 Abs. 2a HGB). Die Pflicht zur Erstellung eines Jahresabschlusses nach HGB und Einreichung des selbigen beim elektronischen Bundesanzeiger bleibt hiervon unberührt (§ 325 Abs. 1 HGB).
Für
Unternehmen,
die
nicht
den
Offenlegungspflichten
des
§ 325 Abs. 2 HGB unterliegen, ändert sich nichts. Sie können wie bereits in der Vergangenheit zusätzlich zu ihrem HGB-Abschluss einen Einzelabschluss nach internationalen Standards erstellen und veröffentlichen. Während der direkte Einfluss der IFRS auf die Rechnungslegung mittelständischer Unternehmen durch die IAS-Verordnung eingeschränkt ist, ist der indirekte von den EURechnungslegungsrichtlinien ausgehende Einfluss wesentlich ausgeprägter. Die Rechnungslegungsrichtlinien der EU sind zwingend richtlinienkonform für alle Kaufleute umzusetzen, das heißt sie dürfen nicht durch nationale Auslegungsgrundsätze begrenzt werden. Demnach ist die Auslegung der nationalen Gesetzte fest mit der Interpretation der europäischen Richtlinien unter Beachtung der von der EU verfolgten Zielsetzung verbunden.4 Auf Ersuchen des FG Hamburg um eine Vorabentscheidung zu Fragen bezüglich der Auslegung der handelsrechtlichen GoB mit Beschluss vom 29. April 1999 bestätigte der EuGH diese Sicht und verwies darauf, dass sich die nationale Rechnungslegung im Laufe der Jahre immer stärker an die IFRS angleichen würde. Die IFRS seien außerdem als Grundlage zur Auslegung nationalen 1 2
3
4
Heuser/Theile (2005), S. 201. Vgl. PwC/Kämpfer/Pape (2004), S. 29; Krähenhorst/Wallau (2005); S. 130; Winkeljohann/Ull (2004), S. 430; Keitz/Stibi stellten in einer Befragung fest, dass nur ca. 7% der mittelständischen Unternehmen mit mehr als 20 Mio. EUR Umsatz als kapitalmarktorientiert einzustufen sind; vgl. Keitz/Stibi (2004), S. 424. Vgl. PwC/Kämpfer/Pape (2004), S. 29; auch Busse von Colbe spricht von etwa 200.000 Konzernen in Deutschland, vgl. Busse von Colbe (2004), S. 2064. Vgl. Böcking/Herold/Müßig (2004a), S. 666.
2 Wandel der rechtlichen Rahmenbedingungen
55
Rechts und im Falle von Regelungslücken oder fehlenden Detailregelungen heranzuziehen.1 Daran anschließend entschied das FG Hamburg am 28. November 2003, dass die handelsrechtlichen Vorschriften unter Zuhilfenahme der EU-Rechnungslegungsrichtlinien und gegebenenfalls der IFRS zu interpretieren seien.2 Damit wird der heute schon erhebliche Einfluss der IFRS auf die Rechnungslegung aller deutschen Kaufleute offensichtlich. Die IFRS sind zum einen bei der Interpretation des deutschen Rechts von Bedeutung und werden zum anderen im Rahmen der Umsetzung der EURichtlinien ins deutsche Recht übernommen, da die Richtlinien von der EU an die IFRS angepasst werden. Im Schrifttum wird deshalb behauptet, dass der „Weg zu IFRS als europäischer Rechnungslegungssprache […] mittelfristig vorgezeichnet“3 sei, da die „IFRS […] durch eine unmittelbare Anwendung faktisch die nationale Gesetzgebung zur Rechnungslegung“ ersetzen würden.4 Mittelständische Unternehmen seien somit unabhängig von den angewandten Normen von zukünftigen Änderungen der IFRS betroffen.5 Auch wenn diese Aussage etwas weit gehen mag, wird sie durch die aktuellen Entwicklungen um das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz doch tendenziell bestätigt. Der Gesetzgeber sieht sich offensichtlich einem so hohen Druck durch die zunehmende Bedeutung der IFRSRechnungslegung ausgesetzt, dass er eine umfassende Modernisierung des Handelsrechts durchsetzt und dabei gezwungen ist, zahlreiche Formulierungen der IFRS zu übernehmen oder zu referenzieren. In der Folge könnten die detaillieren Regelungen und Anwendungshilfen der IFRS zukünftig direkt zur Auslegung handelsrechtlicher Regelungslücken herangezogen werden.6 Die in den vergangenen Jahren stetig zunehmende Relevanz der internationalen Rechnungslegungsstandards für die mittelständische Rechnungslegung ist vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen zumindest aus rechtlicher Perspektive geradezu evident.
1 2 3
4 5 6
Vgl. EuGH-Urteil vom 07.01.2003, C-306/99, Rn. 77 , 118; IDW (2006), Abschn. E. Rn. 6. Vgl. Böcking/Herold/Müßig (2004c), S. 629f.; Kußmaul/Tcherveniachki (2005), S. 617. Beiersdorf/Schreiber (2006), S. 480. Auch Reuther spricht von einer „schrittweise[n] Übernahme von IFRSVorschriften in das deutsche Bilanzrecht“. Reuther (2007), S. 314. Böcking/Herold/Müßig (2004a), S. 667. Vgl. Vater (2005), S. 69; Bruns/Beiersdorf (2006), S. 66. Vgl. Fülbier/Gassen (2007), S. 2612; Stibi/Fuchs (2008), S. 13.
56
III Zunehmende Relevanz der IFRS im Mittelstand
3
Wandel der ökonomischen Rahmenbedingungen
3.1
Internationalisierung
Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften haben in den vergangenen Jahren aufgrund von Fortschritten im Bereich der Kommunikations- und Transporttechniken sowie durch die Liberalisierung des Welthandels und gesunkener Transaktionskosten erheblich zugenommen. Offenkundig wird dies anhand der Entwicklung des internationalen Waren- und Dienstleistungsverkehrs, der in den zurückliegenden Jahrzehnten deutlich schneller als die globale Wirtschaftsleistung angestiegen ist.1 Von 1990 bis 2006 ist das Exportvolumen deutscher Unternehmen von 348 Mrd. Euro auf über 896 Mrd. Euro und das Importvolumen von 293 Mrd. Euro auf 731 Mrd. Euro angewachsen.2 Der Bestand deutscher Direktinvestitionen im Ausland erhöhte sich zwischen 1990 und 2005 um das Sechsfache. Im gleichen Zeitraum vervierfachte sich der Betrag ausländischer Direktinvestitionen in Deutschland.3 Diese Entwicklungen machen auch vor mittelständischen Unternehmen nicht halt.4 Im Mittelstand ist in den vergangenen Jahren eine zunehmende Internationalisierung festzustellen, die sich in Exporten und Direktinvestitionen sowie Kooperationen mit ausländischen Partnern manifestiert. Der Grad der Internationalisierung wird von der Größe des Unternehmens und seiner Branchenzugehörigkeit beeinflusst. Größere Unternehmen sind tendenziell stärker international ausgerichtet.5 Zudem weisen insbesondere Branchen, in denen die Beziehung zwischen Abnehmer und Lieferant häufig durch eine strategische Zusammenarbeit geprägt ist, einen überdurchschnittlichen Internationalisierungsgrad auf.6 Die dominierende Form der Internationalisierung ist der reine Exporthandel. 7 Knapp ein Viertel der mittelständischen Unternehmen exportiert und trägt damit einen Anteil von ungefähr 20% zum gesamten deutschen Exportumsatz bei.8 Es wird prognostiziert, dass sich die Exportquote, das heißt der Anteil des Exportumsatzes am Gesamtumsatz, in den nächsten Jahren
1 2
3 4
5
6
7 8
Vgl. Bley (2007), S. 3. Die Angaben basieren auf Daten des Statistischen Bundesamtes, elektronisch veröffentlicht: http:// www.destatis.de/download/d/aussh/gesamtentwicklung.pdf (Stand: 15.04.2007). Vgl. Deutsche Bundesbank (2006), S. 47. Vgl. Backes-Gellner/Kayser (2005), S. 56f.; Krähenhorst/Wallau (2005), S. 126; Schmidt (2005), S. 14. In einer Befragung mittelständischer Unternehmen durch Ernst & Young gaben 61% der Respondenten an, dass die Globalisierung für sie von Bedeutung sei (2006: 48% und 2005: 29%), vgl. Ernst & Young (2007), S. 20; Ernst & Young (2006), S. 17; Ernst & Young (2005), S. 15. Der Anteil der im Export tätigen Unternehmen steigt von 14% bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 250 und 500 TEUR auf über 20% bei Unternehmen mit einem Umsatz von 500 TEUR bis 1 Mio. EUR, vgl. Günterberg/Kayser (2004), S. 29. So z.B. in den Industriebranchen Chemie, Metall/Fahrzeug und Elektro/Feinmechanik, vgl. Lo et al. (2007), S. 104, 106. Vgl. DIHK (2006), S. 19; Bamberger/Wrona (2006), S. 394. Vgl. Brenken (2006), S. 10; Wallau (2006), S. 22.
3 Wandel der ökonomischen Rahmenbedingungen
57
weiter stark erhöht.1 Schon heute wächst bei vielen Mittelständlern das Auslandsgeschäft stärker als das Inlandsgeschäft.2 Eine weitere Ausprägung der Internationalisierung stellen Direktinvestitionen dar, die für Unternehmen des Mittelstands bspw. in Form von Vertriebs- und Servicestätten, Beteiligungen oder Produktionsstätten an Bedeutung gewinnen.3 Zwischen 2001 und 2005 hat sich der Anteil mittelständischer Unternehmen mit Tochterunternehmen im Ausland verdoppelt.4 Der Einstieg in Auslandsaktivitäten erfolgt aufgrund begrenzter Ressourcen vielfach durch den Abschluss von Kooperations- und Managementverträgen mit ausländischen Partnern. Diese sind in erster Linie Kunden, Zulieferer und Vertriebspartner. Wettbewerber oder ausländische Kapitalgeber spielen hingegen eine unbedeutende Rolle.5 Die wichtigsten Handelspartner stammen aus den Mitgliedsstaaten der alten EU, gefolgt von denen aus Mittelund Osteuropa.6 Die Erweiterung der EU nach Osteuropa hat den Prozess der Internationalisierung im Mittelstand forciert, da hier ein Engagement aufgrund der geringen kulturellen Unterschiede und der geographischen Nähe mit vergleichsweise geringem Aufwand verbunden ist.7 Die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards kann im Rahmen der zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung Wettbewerbsnachteile im Vergleich zu ausländischen Konkurrenten verhindern. Ausländische Abnehmer fordern von ihren Lieferanten vor Aufnahme langfristiger Geschäftsbeziehungen teilweise die Einreichung von Jahresabschlüssen, um die Solvenz des Unternehmens einzuschätzen. Insbesondere bei angelsächsischen Geschäftspartnern ist es deshalb für die Auftragsakquisition dienlich, dem Partner durch Anwendung der IFRS einen für ihn verständlichen und nachvollziehbaren Jahresabschluss vorzulegen, der mit denen der Konkurrenten vergleichbar ist.8 Außerdem erleichtert eine einheitliche, auf internationalen Standards basierende Rechnungslegung die Abwicklung von Akquisitionen im Ausland und Kooperationen mit ausländischen Unternehmen, da die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Partners auf Basis der Jahresabschlüsse erheblich vereinfacht wird. Die Integration einer neuen Beteiligung ist mit geringeren Kosten verbunden, wenn beide Unternehmen zuvor nach den gleichen Rechnungsle-
1
2 3 4 5 6 7 8
Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, elektronisch veröffentlicht: http://www. bmwi.de/BMWi/Navigation/Mittelstand/auslandsgeschaefte.html (Stand: 01.04.2007). Vgl. Ernst & Young (2007), S. 22. Vgl. Wallau (2006), S. 23. Vgl. Bley (2007), S. 6. Vgl. Lo et al. (2007), S. 107f. Vgl. DIHK (2007), S. 9. Vgl. Brenken (2006), S. 14f., 22-24; Europäische Kommission (2004b), S. 30. Vgl. Winkeljohann/Ull (2006), S. 17f.; Weißenberger/Stahl/Vorstius (2004b), S. 7.
58
III Zunehmende Relevanz der IFRS im Mittelstand
gungsstandards bilanziert haben.1 Auch der Verkauf des Unternehmens oder von Teilen des Unternehmens an ausländische Investoren wird vereinfacht.2 Im Konzernabschluss wird bei einheitlicher Anwendung der IFRS der Aufwand zur Erstellung der Handelsbilanz II auf Ebene der ausländischen Tochterunternehmen erheblich reduziert, da aufwendige Anpassungsarbeiten entfallen. Die entsprechenden Daten können schneller geliefert werden. Besonders umfangreiche Einsparpotenziale ergeben sich, sofern im jeweiligen Sitzstaat des Tochterunternehmens die Bilanzierung nach IFRS anstelle der nationalen Rechnungslegungsstandards zulässig ist. Empirische Untersuchungen, die den Nutzen der IFRS im Rahmen einer verstärkten internationalen Ausrichtung belegen, existieren bisher nicht. Die Vorteile der IFRS-Anwendung dürften auf größere Mittelständler begrenzt sein, da die Exporttätigkeit mit der Unternehmensgröße korreliert.3 Zudem weisen mittelständische Unternehmen nur selten Konzernstrukturen auf und tätigen im Regelfall keine Akquisitionen im Ausland.4 Auch kann die Vorlage eines IFRS-Abschlusses nur bei Geschäftspartnern zu Vorteilen führen, die die IFRS selbst anwenden oder über ausreichend Know-how zur Interpretation solcher Abschlüsse verfügen.5 3.2
Unternehmensfinanzierung
3.2.1
Finanzierungsstruktur
Die Finanzierung mittelständischer Unternehmen ist seit einigen Jahren einem strukturellen Wandel unterzogen. Um die daraus resultierenden Motive zur Anwendung internationaler Rechnungslegungsnormen darstellen zu können, ist es zunächst erforderlich, die Besonderheiten der Unternehmensfinanzierung im Mittelstand zu analysieren. Anschließend werden die in Bezug auf die Außenfinanzierung diskutierten Motive zur Anwendung der IFRS differenziert nach Fremd- und Eigenfinanzierung dargestellt.6 Die Finanzierung mittelständischer Unternehmen basiert traditionell auf der Innen- und Kreditfinanzierung.7 Empirische Studien bestätigen die unverändert hohe Bedeutung dieser Finanzierungsformen. Laut einer Erhebung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) von Sep1 2 3
4
5
6 7
Vgl. PwC/DIHK (2005), S. 21f; Marten et al. (2002), S. 2010f. Vgl. Winkeljohann/Ull (2006), S. 17; Krähenhorst/Wallau (2005), S. 153. Zum Zusammenhang zwischen Exporttätigkeit und Unternehmensgröße vgl. Wagner (2004), S. 254; Günterberg/Kayser (2004), S. 29. Nach einer Befragung mittelständischer Unternehmen durch Ochs/Leibfried erwartet kein Unternehmen im Rahmen von M&A-Transaktionen Vorteile durch die Bilanzierung nach IFRS, vgl. Ochs/Leibfried (2006), S. 186. Vgl. Krähenhorst/Wallau (2005), S. 153. Jüngere empirische Studien belegen, dass dem Jahresabschluss zur Information von Kunden und Lieferanten nur eine geringe Bedeutung zukommt. Vgl. DRSC/Haller/Eierle (2007), S. 10, 15. Zur Systematisierung der Finanzierungsformen, siehe Perridon/Steiner (2004), S. 360. Vgl. Kayser/Wallau (2006), S. 46.
59
3 Wandel der ökonomischen Rahmenbedingungen
tember 2006 stellt die Innenfinanzierung aus einbehaltenen Gewinnen und Abschreibungen weiterhin die mit Abstand bedeutendste Finanzierungsquelle dar. 1 Danach folgen kurz- und langfristige Bankkredite sowie Leasing und Lieferantenkredite. Leasing und Lieferantenkredite sind als ergänzende Finanzierungshilfen einzustufen und stellen keine vollwertigen Alternativen zum Bankkredit dar.2 Ihre Aufgabe liegt vornehmlich im Bereich der kurzfristigen Finanzierung. Die Bedeutung alternativer Finanzierungsformen wie Beteiligungs- und Mezzanine-Kapital ist zwar im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, wird aber aktuell als untergeordnet beurteilt. Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht die Ergebnisse der Untersuchung, wobei hohe Werte eine im Durchschnitt hohe Bedeutung der Finanzierungsquelle indizieren. Innenfinanzierung
4,2
kurzfristige Bankkredite
3,8
langfristige Bankkredite
3,8
Leasing
2,2
Lieferantenkredite
2,1
konzerninterne Finanzierung
1,6
Beteiligungskapital
0,8
Factoring
0,7
Mezzanine-Kapital
0,6
Unternehmensanleihen u.ä.
0,2 0
1
2
3
4
Bedeutung
5
Abbildung 12: Bedeutung einzelner Finanzierungsquellen für den Mittelstand3 Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine im Juli und August 2006 vom IfM Bonn im Auftrag des Unternehmermagazins impulse und dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband durchgeführte Studie.4 Hiernach stellen das Eigenkapital bzw. einbehaltene Gewinne für 65,2% der mittelständischen Unternehmen die Hauptfinanzierungsquelle für Investitionen dar. 26,3% der Unternehmen finanzieren Investitionen durch Kredite und 5,7% durch Leasing. Mezzanineund Beteiligungskapital sind hingegen von geringer Bedeutung.
1
2 3
4
In der Erhebung wurden die befragten Unternehmen gebeten, die aktuelle und die erwartete zukünftige Bedeutung einzelner Finanzierungsformen auf einer Skala von 1 bis 6 einzustufen. Vgl. Plattner/Plankensteiner (2006), S. 68-76. Für weitere Ausführungen zur Innenfinanzierung siehe: Perridon/Steiner (2004), S. 475495. Vgl. Fischl (2006), S. 20. In Anlehnung an: Plattner/Plankensteiner (2006), S. 69. Zur besseren Verständlichkeit werden die Ergebnisse im Gegensatz zur Visualisierung durch Plattner/Plankensteiner (2006), S. 69 so dargestellt, dass hohe Werte eine im Durchschnitt hohe Bedeutung, geringe Werte eine geringe Bedeutung der Finanzierungsquelle signalisieren. Befragt wurden 1.080 Unternehmen, die mindestens 100.000 EUR Jahresumsatz tätigen und weniger als 500 Mitarbeiter beschäftigen. Vgl. Grunner + Jahr/DSGV (2006), S. 18f.
60
III Zunehmende Relevanz der IFRS im Mittelstand
Innenfinanzierung
65,2
Kredite
26,3
Leasing
5,7
Beteiligungskapital
1,5
Mezzanine-Kapital
0,1
Sonstiges
0,4 0
10
20
30
40
50
60
70
%
Abbildung 13: Hauptfinanzierungsquellen für Investitionen im Mittelstand1
Die hohe Bedeutung der Innen- und Kreditfinanzierung ist darauf zurückzuführen, dass den Kapitalgebern dieser Finanzierungsformen keinerlei Einflussmöglichkeiten bzw. Mitspracherechte in Bezug auf die Geschäftspolitik zugestanden werden und dementsprechend die unternehmerische Unabhängigkeit gewahrt bleibt.2 Zudem werden Bankkredite durch die steuerliche Abzugsfähigkeit der Zinsen als Betriebsausgabe begünstigt.3 Die Kreditaufnahme erfolgt im Mittelstand traditionell über die Hausbank, zu der eine enge und langfristige Beziehung besteht. Die Hausbank erhält vertrauliche Informationen oftmals direkt vom Unternehmen und kann aufgrund der langfristigen und intensiven Geschäftsverbindung einen hohen Informationsstand über das Unternehmen aufbauen. Dies reduziert Informationsasymmetrien zwischen kreditgebender Bank und Kunde und ermöglicht vorteilhaftere Kreditkonditionen und flexibler gestaltete Kreditverträge.4 Aufgrund der stark bankenbasierten Finanzierung weisen deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich geringe Eigenkapitalquoten auf.5 Creditreform hat im Rahmen einer halbjährlich durchgeführten Untersuchung im Frühjahr 2008 festgestellt, dass ungefähr 30% der mittelständischen Unternehmen eine Eigenkapitalquote (Eigenkapitalausstattung im Verhältnis zur Bilanzsumme) von weniger als 10% aufweisen und damit als unterkapitalisiert gelten. Bei weiteren 28,4% liegt die Eigenkapitalquote unter 20%.6
1 2
3
4 5 6
Entnommen: Grunner + Jahr/DSGV (2006), S. 18. Vgl. Müller/Brackschulze/Matija (2006), S. 190; zum Vergleich der Rechte von Eigen- und Fremdkapitalgebern, vgl. Perridon/Steiner (2004), S. 390f. Fremdkapitalzinsen sind bei der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer als Betriebsausgaben abziehbar. Auf kurzfristige Kredite entfallende Entgelte sind nicht Bestandteil der Gewerbesteuer. Bei Dauerschulden ist die Hälfte der Zinsen dem Gewerbeertrag zuzurechnen. Vgl. Perridon/Steiner (2004), S. 391. Vgl. Hommel/Schneider (2004), S. 578; Börner (2006), S. 307. Vgl. Becker/Müller (2003), S. 534. Vgl. Creditreform (2008), S. 17f.
3 Wandel der ökonomischen Rahmenbedingungen
3.2.2
61
Fremdfinanzierung
Seit einigen Jahren ist eine restriktivere Kreditvergabe durch die Hausbanken zu beobachten, die den stark kreditfinanzierten Mittelstand besonders belastet.1 Diese Entwicklung ist darauf zurückzuführen, dass sich die Ertragslage deutscher Kreditinstitute in den vergangenen Jahren aufgrund des zunehmenden internationalen Bankenwettbewerbs und wachsender Kreditausfälle erheblich verschlechtert hat. Im internationalen Vergleich liegt die Eigenkapitalrentabilität deutscher Kreditinstitute deutlich unter dem Durchschnitt. Als Konsequenz sind die Banken zu einer stärkeren Risikoorientierung und einer Neustrukturierung ihrer Kreditportfolios und Kreditkonditionen gezwungen.2 Das klassische, von einer engen Beziehung zwischen Kreditinstitut und Kunden geprägte, Hausbanksystem ist einem Umbruch unterworfen.3 Im Gegensatz zu den in der Vergangenheit oft informellen Kreditverhandlungen und einem relativ großen Spielraum des Kundenbetreuers, basieren die Kreditentscheidungen zunehmend auf vorgegebenen standardisierten Kriterien, die objektiv nachprüfbar sind. Damit einhergehend steigen die Anforderungen der Banken an die Offenlegung und Dokumentation von Geschäftszahlen und -strategien.4 Beschleunigt wird diese Entwicklung durch die zum 1. Januar 2007 in Kraft getretene neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II)5.6 Nach Basel II orientiert sich die Eigenkapitalunterlegung von Krediten durch die Banken an der Bonität des jeweiligen Kreditnehmers. Während die Regelungen der ersten Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel I) stets eine Risikogewichtung von 100% vorsehen, die mit 8% Eigenkapital unterlegt werden muss,7 wird die Risikogewichtung im Basel II-Konzept individuell durch eine Bonitätsprüfung quantifiziert. Dies kann bei guter Bonität des Kreditnehmers zu deutlich geringeren Eigenkapitalunterlegungen seitens der Banken und damit zu besseren Konditionen für das Unternehmen führen.8 Die Bonität des Kreditnehmers wird durch externe Ratings oder bankinterne Verfahren ermittelt.9 Dabei sind sowohl quantitative als auch qualitative Kriterien zu berücksichtigen. 10 Da externe Ratings mit hohen Kosten für die Kreditnehmer verbunden sind und bankinterne Ratingverfahren im Vergleich zu externen Ratings tendenziell eine geringere Eigenkapitalunterlegung seitens der Banken erfordern, werden im Rahmen der Bonitätsbeurteilung vornehm-
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Vgl. Zimmermann (2006), S. 69f; Paul (2006), S. 312; Schöning (2004), S. 418. Vgl. Schöning (2004), S. 409-414; Nitschke/Brockmann (2004), S. 57-59; Rehbock (2007), S. 33. Vgl. Hommel/Schneider (2004), S. 577. Vgl. Plattner/Plankensteiner (2006), S. 17f. Vgl. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (2004). Vgl. Reize (2005), S. 17. Vgl. Füser/Rödl (2002), S. 275. Vgl. Übelhör/Warns (2004), S. 21; Bisani (2004), S. 126f. Vgl. Müller (2006), S. 59-63; Egbers (2003), S. 457; Winkeljohann/Solfrian (2003), S. 88-90. Vgl. Everling (2004), S. 179; Börner (2006), S. 308.
62
III Zunehmende Relevanz der IFRS im Mittelstand
lich bankinterne Verfahren zum Einsatz kommen.1 Die Bonitätsbeurteilung der internen Verfahren basiert aufgrund des Massengeschäftes der Kreditinstitute zum überwiegenden Teil auf quantitativen Kriterien, die auf Grundlage des Jahresabschlusses der Unternehmen gewonnen werden.2 Massenberg/Borchardt bezeichnen die detaillierte Analyse des Jahresabschlusses als „Herzstück eines jeden Rating-Prozesses“.3 Die hohe Gewichtung der Jahresabschlussinformationen wird zudem durch gesetzliche Vorgaben gestärkt, nach denen die Kreditinstitute verpflichtet sind, sich vor Gewährung eines Kredits die wirtschaftlichen Verhältnisse mittels Vorlage der Jahresabschlüsse offenlegen zu lassen. 4 Eine empirische Untersuchung von Oehler bestätigt die hohe Bedeutung quantitativer Daten im Rahmen des Ratings.5 Als Quelle für qualitative Informationen dienen Lagebericht und Anhang.6 Rechnungslegungsinformationen kommt folglich im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung eine zentrale Bedeutung zu. Sie beeinflussen somit direkt die Finanzierungskosten der Unternehmen. Im Schrifttum wird teilweise die Ansicht geäußert, dass von Basel II eine faktische Verpflichtung zur Bilanzierung nach IFRS ausgeht7 oder dass Kreditinstitute die Unternehmen in der Zukunft zur Bilanzierung nach IFRS drängen könnten.8 Dem widerspricht der Bundesverband deutscher Banken (BdB). Demnach besteht „seitens der Banken keinerlei Interesse daran, eine IFRS-Bilanzierung zu forcieren.“9 Befragungen von Kreditinstituten und Unternehmen belegen die Gültigkeit dieser Aussage in der Unternehmenspraxis.10 Unabhängig hiervon wird im Schrifttum vielfach die Auffassung vertreten, dass eine Umstellung der Rechnungslegung auf die IFRS insbesondere vor dem Hintergrund von Basel II zu Vorteilen beim Rating und damit geringeren Fremdkapitalkosten führt. Dabei werden im Wesentlichen zwei Argumente genannt:
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Interne Verfahren ermöglichen im Vergleich zu externen Ratings eine differenziertere und individuellere Abbildung des Ausfallrisikos, vgl. Winkeljohann (2003), S. 389; Groß/Lohfing (2004), S. 173; Brezski/Kinne (2004), S. 198; Becker/Müller (2003), S. 536. Vgl. Winkeljohann (2003), S. 390; Grabau/Hundt/Wiedenhöft (2004), S. 359; Volk (1987), S. 724. Ehlers beziffert das Gewicht quantitativer Kriterien im Gesamturteil auf 60% bis 80%, vgl. Ehlers (2005), S. 46; Guthoff spricht von einer Gewichtung zwischen 60% und 70%, vgl. Guthoff (2006), S. 187. Massenberg/Borchardt (2007), S. 349. Das Gesetz über das Kreditwesen (KWG) verpflichtet Kreditinstitute gem. § 18 Satz 1 KWG, sich im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung ab einem Kreditvolumen von mehr als 750.000 Euro die wirtschaftlichen Verhältnisse mittels Vorlage der Jahresabschlüsse offen legen zu lassen, vgl. Deutsche Bundesbank (2007), S. 80; Gamm (1999), S. 279. Vgl. Oehler (2005), S. 176. Vgl. Maier (2004), S. 408. Vgl. Baums (2001), S. 283. Vgl. Pellens et al. (2008), S. 965; Winkeljohann/Ull (2004), S. 430; Ballwieser zitiert nach Bernhard/Reuss (2004), S. 23; Dücker (2003), S. 451. BdB (2005), S. 26. Vgl. Kajüter et al. (2007), S. 1880; Oehler (2005), S. 181; PwC/DIHK (2005), S. 27; KPMG/Keitz/Reinke (2004), S. 9; Mandler (2003a), S. 684.
3 Wandel der ökonomischen Rahmenbedingungen
-
63
eine im Vergleich zur handelsrechtlichen Rechnungslegung betriebswirtschaftlich ausgerichtete Bewertung, die zu einer realistischeren Darstellung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und verbesserter Transparenz führe sowie
-
eine höhere Eigenkapitalquote nach Umstellung auf die IFRS-Rechnungslegung.1
Das erste Argument stützt sich darauf, dass der internationalen Rechnungslegung durch ihre betriebswirtschaftliche Ausrichtung und Orientierung an der Entscheidungsnützlichkeit der Informationen im Vergleich zum Handelsrecht eine höhere Transparenz und realistischerer Einblick in die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zugesprochen wird.2 Dies dient dem Abbau von Informationsasymmetrien zwischen Kapitalgeber und -nehmer. Als Folge könnten der aus Informationsdefiziten der Kreditinstitute resultierende Risikozuschlag reduziert und somit die Kreditkonditionen verbessert werden. 3 Entscheidend hierfür ist, dass die durch IFRSAbschlüsse vermittelten Informationen zur Bonitätsbeurteilung besser geeignet sind als die Informationen der handelsrechtlichen Rechnungslegung. Die Eignung der IFRS für das quantitative Rating wird in der Literatur kontrovers diskutiert, da die Fokussierung der internationalen Rechnungslegung auf die Relevanz der Informationen mit einer Zurückdrängung des Vorsichtsprinzips und einer geringeren Objektivität der vermittelten Informationen einhergeht.4 In Bezug auf das weniger bedeutende qualitative Teilrating können die wesentlich umfangreicheren und detaillierteren Anhangangaben der internationalen Rechnungslegungsstandards zwar als Vorteil gegenüber der handelsrechtlichen Rechnungslegung gewertet werden. Die erforderlichen Informationen können bei HGB-Bilanzierern jedoch mit geringem Aufwand ebenso durch ein Kundengespräch eingeholt werden.5 Das zweite Argument basiert auf der Hypothese, dass eine Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS eine Erhöhung der Eigenkapitalquote bewirkt. Sowohl theoretische Überlegungen
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Vgl. Winkeljohann/Ull (2006), S. 8; Weißenberger/Stahl/Vorstius (2004b), S. 173; Pawelzik (2006a), S. 795; Steiner (2004), S. 552; Hoffmann/Lüdenbach (2005b), S. 97; Carstensen/Leibfried (2004), S. 866; Bernhard/Reuss (2004), S. 23; Dücker (2003), S. 451; Krumnow (2002), S. 420; Barth/Stehr/Allmendinger (2002), S. 1259; Wohldorf (2006), S. C14; eine gegensätzliche Auffassung vertreten: BdB (2005), S. 25f.; Niehus (2006), S. 2530; Oehler (2006a), S. 119; Küting/Ranker/Wohlgemuth (2004), S. 101f.; Guthoff (2006), S. 193; Kruth (2006), S. 175f. Vgl. Winkeljohann/Ull (2004), S. 430; Carstensen/Leibfried (2004), S. 865; Weißenberger/Stahl/Vorstius (2004a), S. 6; Keitz/Stibi (2004), S. 426; Dücker (2003), S. 451; Böcking (2001), S. 1433; Haller (2003), S. 414f. Vgl. Carstensen/Leibfried (2004), S. 866. Böcking verweist in diesem Zusammenhang auf den informationellen Gläubigerschutz durch die IFRS. Schildbach hält dem entgegen, dass in den USA bei Kreditverhandlungen i.d.R. weitere jahresabschlussbezogene Beschränkungen der Ausschüttungen und Rechnungslegungsregeln vereinbart werden, die die vorsichtige Bilanzierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung noch übertreffen und so eindrucksvoll bestätigen, dass Vorsicht im Interesse der Gläubiger liegt. Vgl. stellvertretend für die Diskussion: Böcking (2001), S. 1436f.; Böcking (2002), S. 926 und Schildbach (2002b), S. 15f. Vgl. Massenberg/Borchardt (2007), S. 351; Guthoff (2006), S. 189.
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III Zunehmende Relevanz der IFRS im Mittelstand
als auch empirische Untersuchungen erhärten diese Annahme. 1 Die Eigenkapitalquote ist das zentrale Kriterium des Ratingverfahrens und hat somit entscheidenden Einfluss auf die Kreditkonditionen.2 Bedacht werden muss jedoch, dass eine Umstellung der Rechnungslegung nicht die wirtschaftliche Realität verändert, sondern nur ihre Abbildung. Geschäftsmodell, Ertragserwartungen oder Schuldendeckungsfähigkeit des Unternehmens entsprechen denen vor Umstellung der Rechnungslegung, so dass faktisch keine Verbesserung der Bonität eintreten kann.3 Ausschlaggebend für die Relevanz des Arguments ist die Ausgestaltung der Ratingsysteme und damit verbunden die Frage, ob die Banken die jeweiligen Unterschiede in den Rechnungslegungssystemen adäquat berücksichtigen. Basel II beinhaltet eine Verpflichtung zur jährlichen Validierung der bankinternen Ratingansätze, die gegebenenfalls eine Anpassung der Ratingverfahren erforderlich macht.4 Zudem dürfte der Wettbewerb im Bankensektor die Effizienz der Ratingsysteme sicherstellen. Denn eine fehlende Differenzierung nach HGBund IFRS-Abschlüssen würde zu einer Fehlsteuerung in der Kreditvergabe führen, so dass IFRS-Bilanzierer trotz faktisch schlechterer Bonität HGB-Bilanzierern vorgezogen würden. Dies hätte ein suboptimales Kreditportfolio und somit Wettbewerbsnachteile zur Folge, die die Existenz des Kreditinstituts langfristig bedrohen würden.5 Letztendlich werden Divergenzen zwischen HGB- und IFRS-Rechnungslegung schon heute im Rahmen des Ratings korrigiert.6 Sollte eine Gleichstellung von HGB- und IFRS-Bilanzierern durch diese Anpassungen nicht sichergestellt werden können, würde eine pauschale Anpassung der prognostizierten Ausfallwahrscheinlichkeiten erfolgen.7 Ausgelöst durch kontroverse öffentliche Diskussionen und politischen Druck, wurden entgegen der ursprünglichen Entwürfe Erleichterungen für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von unter 50 Mio. Euro in das Basel II-Konzept integriert. Demnach werden Darlehen an diese Unternehmen sowie an Privatpersonen einem so genannten Retail-Portfolio zugeordnet, so1
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Vgl. Burger/Fröhlich/Ulbrich ermittelten in einer empirischen Untersuchung eine Erhöhung der Eigenkapitalquote um durchschnittlich 8%, vgl. Burger/Fröhlich/Ulbrich (2004), S. 366; eine Studie des DSR aus dem Jahr 2002 ermittelte einen durchschnittlichen Anstieg des Eigenkapitals um 34%, wobei je nach Branche sogar eine Zunahme von 90% beobachtet wurde, vgl. Zeimes (2002), S. 1635; für eine theoretische Betrachtung der Auswirkungen einer Rechnungslegungsumstellung auf das Eigenkapital: Krähenhorst/Wallau (2005), S. 140-147; Wolf (2004), S. 707-714. Vgl. Rödl (2006), S. 115; Winkeljohann/Diekel (2004), S. 82; Pawelzik (2006b), S. 153. Vgl. Massenberg/Borchardt (2007), S. 349; Oehler (2006a), S. 114. Vgl. Fleck/Knaak (2006), S. 50f. Vgl. Ranker/Küting/Wohlgemuth (2004), S. 101; Mandler (2007), S. 2192; Kahle (2006), S. 88; Pawelzik widerspricht dieser Aussage, vgl. Pawelzik (2006a), S. 795. Vgl. BdB (2005), S. 26; auch Kruth kommt zu den Ergebnis, dass eine Umstellung der Rechnungslegung nicht zu gravierenden Veränderungen des Ratings führt, vgl. Kruth (2006), S. 176; Guthoff zeigt am Beispiel der IKB Deutsche Industriebank AG wie die Effekte einer Rechnungslegungsumstellung neutralisiert werden, so dass die Ratingergebnisse letztlich nicht vom verwendeten Rechnungslegungssystem abhängig sind, vgl. Guthoff (2006), S. 184-189. So der Bundesverband deutscher Banken, vgl. BdB (2005), S. 26.
3 Wandel der ökonomischen Rahmenbedingungen
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fern die Kredite den Betrag von einer Mio. Euro nicht überschreiten.1 Begründet durch die breitere Risikodiversifikation des Portfolios wird unabhängig von einem Rating ein Risikogewicht von 75% unterstellt, wodurch sich die Eigenkapitalunterlegung durch die Kreditinstitute auf 6% reduziert.2 Übersteigt ein Darlehen den Betrag von einer Mio. Euro, ist zwar eine Erfassung im Retail-Portfolio nicht gestattet, aber trotzdem eine Senkung des Risikogewichts in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße um bis zu 20% möglich.3 Mittelständische Unternehmen werden deshalb zu einem großen Teil von der Basel II-Einführung profitieren und unabhängig vom verwendeten Rechnungslegungssystem günstigere Konditionen als bisher erhalten.4 Unstrittig ist aber auch, dass insbesondere für mittelständische Unternehmen die zwingende Notwendigkeit zu einer erhöhten Transparenz und verbesserten Informationenvermittlung besteht.5 3.2.3 Eigenfinanzierung Aufgrund der ausgeprägten Kreditfinanzierung im Mittelstand ist die Abhängigkeit der Unternehmen von der Kreditvergabepraxis der Banken weiterhin hoch. Die mangelhafte Eigenkapitalausstattung der Unternehmen ist hierbei auch vor dem Hintergrund von Basel II problematisch, da das Eigenkapital im Rahmen der Kreditvergabe eine wesentliche Determinante der Kreditwürdigkeit darstellt. Eine geringe Eigenkapitalquote kann zum Engpassfaktor beim Zugang zu externem Fremdkapital werden.6 Mittelständische Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihr Finanzierungsverhalten zu verändern und vermehrt nach Möglichkeiten zu suchen, ihre Eigenkapitalausstattung zu verbessern, um so ihre unternehmerische Unabhängigkeit zu bewahren und den Zugang zur Kreditfinanzierung sowie attraktiven Kreditkonditionen sicherzustellen. In jüngster Zeit zeigen sich erste Anzeichen dafür, dass die Unternehmen diese Notwendigkeit erkannt haben. In einer Befragung durch die KfW gaben 43% der Unternehmen an, ihre Eigenkapitalquote bereits erhöht zu haben. Weitere 45% planten eine Erhöhung. 7 Zur Stärkung der Eigenkapitalbasis kommt neben der Gewinnthesaurierung in erster Linie die Beteiligungsfinanzierung in Form von Private Equity oder Mezzanine-Kapital in Frage.
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Laut der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) fallen 95% der deutschen Unternehmen unter das Retailgeschäft, vgl. BaFin (2002). Vgl. Paul (2004), S. 26; Ehlers (2005), S. 11. Vgl. Übelhör/Warns (2004), S. 30; Winkeljohann/Solfrian (2003), S. 90. Vgl. Egbers (2003), S. 460; Bisani (2004), S. 138f.; im Retail-Segment beträgt die Eigenkapitalentlastung beim Standardansatz bis zu 25% bei IRB-Ansatz bis zu 38,5%, vgl. Paul (2006), S. 309. Vgl. Müller (2006), S. 67f.; Arhweiler/Börner/Rühle (2004), S. 256; Paul (2004), S. 50; Rödl (2006), S. 132; Wehrmann/Schöneis (2004), S. 92; Baxmann (2004), S. 450. Reize konnte zwischen der Eigenkapitalquote und dem Erfolg von Kreditverhandlungen einen signifikanten Zusammenhang nachweisen, vgl. Reize (2005), S. 31. Vgl. Zimmermann/Schuhmacher (2005), S. 63.
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III Zunehmende Relevanz der IFRS im Mittelstand
ƒPrivate Equity Als Private Equity-Finanzierung wird die außerbörsliche Aufnahme von Eigenkapital über Beteiligungsgesellschaften bezeichnet. In Abhängigkeit vom Lebenszyklus des finanzierten Unternehmens spricht man in der Frühphase der Unternehmensentwicklung von Venture Capital und in späteren Phasen von Private Equity im engeren Sinne. 1 Die Investition ist zeitlich begrenzt. Ziel der Investoren ist es, durch den späteren Verkauf der Beteiligung (Exit) einen Wertzuwachs zu realisieren.2 Voraussetzung für die Bereitstellung des Eigenkapitals ist in der Regel die Gewährung umfangreicher Mitsprache- und Kontrollrechte im Unternehmen.3 Für die Beteiligungsgesellschaften ist die Investition mit hohen Risiken verbunden, die eine umfangreiche Due-Diligence erfordern, so dass eine Private Equity-Finanzierung erst ab einem bestimmten Mindestumsatz der Unternehmen bzw. Mindestvolumen der Investition wirtschaftlich ist. Hinsichtlich der Mindestanforderungen ist zwischen den Phasen der Finanzierung zu differenzieren. Wie eine Befragung durch die KfW ergab, unterliegt die Bereitstellung von Venture Capital kaum Beschränkungen hinsichtlich des Mindestumsatzes oder -volumens. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Venture Capital-Finanzierungen bei jungen, wachstumsstarken Unternehmen mit hohen Renditeaussichten erfolgen. Im Bereich der Spätphasenfinanzierung tätigen hingegen nur 39% der Beteiligungsgesellschaften Engagements in Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als fünf Mio. Euro.4 So kann zwar konstatiert werden, dass Private Equity-Finanzierungen in den vergangenen Jahren für den Mittelstand an Bedeutung gewonnen haben.5 De facto ist der Kreis der potenziellen Zielunternehmen aufgrund der Unternehmensgröße mittelständischer Unternehmen begrenzt. Weite Teile des etablierten Mittelstands in Deutschland bleiben von der Private Equity-Finanzierung ausgeschlossen.6 ƒMezzanine-Kapital Eine weitere Möglichkeit zur Erhöhung des Eigenkapitals bietet Mezzanine-Kapital. In der betriebswirtschaftlichen Finanzierungstheorie existiert keine einheitliche Definition von Mezzanine-Kapital.7 Es stellt vielmehr einen Sammelbegriff für hybride Finanzierungsinstrumente dar, die wirtschaftlich betrachtet zwischen Eigen- und Fremdkapital stehen und sehr flexibel
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Vgl. Börner (2006), S. 319f.; für eine Übersicht der verschiedenen Finanzierungsphasen, vgl. Achleitner/Nathusius (2004), S. 10. Vgl. Perridon/Steiner (2004), S. 372; Schefczyk (2006), S. 10. Vgl. Burkhart (2006), S. 199; Winkeljohann/Diekel (2004), S. 89f.; In vergangenen 15 Jahren fand eine deutliche Ausweitung der Mitspracherechte von Beteiligungsgebern statt, vgl. Zimmermann/Bienz/Hirsch (2005), S. 84f. Vgl. Achleitner et al. (2006), S. 538f. Vgl. Burkhart (2006), S. 197; Tykvová (2005), S. 465. Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 33; Schefczyk (2006), S. 167; o.V. (2007), S. 22. Vgl. Küting/Dürr (2005), S. 1531; zur Abgrenzung von Mezzanine-Kapital: Müller-Känel (2004), S. 13-22.
3 Wandel der ökonomischen Rahmenbedingungen
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ausgestaltet werden können.1 Zentrales Merkmal ist die Nachrangigkeit gegenüber Fremdkapital und damit ein eigenkapitalähnliches Risiko.2 Zu den häufigsten Ausprägungsformen mezzaniner Finanzierung zählen stille Beteiligungen, Nachrangdarlehen sowie Genussrechte.3 Bei entsprechender Ausgestaltung verbinden mezzanine Finanzierungsformen die Vorteile einer Eigenkapitalfinanzierung mit der steuerlichen Vorteilhaftigkeit einer Fremdkapitalfinanzierung.4 Zur Optimierung der Finanzierungsstruktur ist die bilanzielle Behandlung als Eigenkapital nicht zwingend erforderlich, da die meisten Kreditinstitute Mezzanine-Kapital aufgrund seines eigenkapitalähnlichen Charakters in ihren Ratings unabhängig von der bilanziellen Behandlung als Eigenkapitalsurrogat klassifizieren. 5 Die Verzinsung ist zumeist erfolgsabhängig oder besteht aus einer Kombination von festen und erfolgsvariablen Bestandteilen. Sie liegt zwischen der üblichen Verzinsung von Eigen- und Fremdkapital.6 Die im Vergleich zur Kreditfinanzierung höhere Verzinsung führt dabei nicht zwangsläufig zu höheren Kosten für die Gesamtfinanzierung, da sich die verbesserte Bilanzstruktur und erhöhte Bonität in niedrigeren Kreditkonditionen niederschlägt.7 Der Markt für Mezzanine-Kapital hat sich in den letzten Jahren positiv entwickelt. Auch für die Zukunft wird ein weiter ansteigendes Marktvolumen prognostiziert, wobei mezzanine Finanzierungsformen auch für den Mittelstand an Bedeutung gewinnen.8 Aufgrund des ausgeprägten Wettbewerbs und der zunehmenden Standardisierung der Angebote, bspw. durch Programme zur Verbriefung von Genussscheinen, ist zu beobachten, dass sowohl die Zugangsvoraussetzungen (Mindestbetrag und Mindestjahresumsatz) als auch die Konditionen sinken.9 Im Vergleich zu Private Equity hat Mezzanine-Kapital zudem den Vorteil, dass die Gesellschaftsstruktur unverändert bleibt und den Kapitalgebern nur eingeschränkte Informations- und Kontrollrechte gewährt werden, so dass die für mittelständische Unternehmen bedeutende unternehmerische Unabhängigkeit erhalten werden kann. 10 Zur Unternehmensfinanzierung mittelständischer Unternehmen dürften sie folglich besser geeignet sein als Private Equity.11
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Vgl. Plankensteiner/Rehbock (2005), S. 790; Walther (2006), S. 360; Fehr (2006), S. 11. Vgl. Müller-Känel (2004), S. 19f. Vgl. Ehrhart/Plankensteiner (2006), S. 26. Vgl. Harrer/Janssen/Halbig, (2005), S. 4; Köhler (2006), S. 29; detailliertere Ausführungen zu den Anforderungen an eine steuereffiziente Ausgestaltung des Mezzaninekapitals bei: Elser/Jetter (2005), S. 625-635. Vgl. Plankensteiner/Rehbock (2005), S. 791f.; Guthoff (2006), S. 192. Vgl. Kamp/Solmecke (2005), S. 621; Vater (2006), S. 48. Vgl. Plankensteiner/Rehbock (2005), S. 791; Dörscher/Hinz (2003), S. 609. Vgl. Harrer/Janssen/Halbig (2005), S. 1; Küting/Dürr (2005), S. 1533. Vgl. Plattner/Plankensteiner (2006), S. 74; Rosenbauer/Ryl (2006), S. 35; Hollasch/Osing (2006), S. C06; Fehr (2006), S. 11. Vgl. Börner (2006), S. 323; Fehr (2006), S. 11. Vgl. Engel et al. (2006), S. 187.
68
III Zunehmende Relevanz der IFRS im Mittelstand
Sowohl die Bereitstellung von Private Equity als auch Mezzanine-Kapital ist für den Kapitalgeber im Vergleich zur klassischen Fremdkapitalfinanzierung mit einem erheblich höheren Risiko verbunden. Dementsprechend sind die Kapitalgeber im Rahmen der Due-Diligence auf eine umfangreiche Bereitstellung relevanter Informationen, insbesondere solcher zukunftsbezogener Art, durch die Unternehmen angewiesen. Die Anwendung der IFRS könnte von Vorteil sein, wenn sie die Informationsasymmetrien zwischen Kapitalgeber und -nehmer reduziert und so das Risiko der Investoren verringert. Dadurch würde sich die Wahrscheinlichkeit für den Abschluss eines Deals erhöhen und würden zugleich die Eigenkapitalkosten aufgrund des geringeren Risikozuschlags sinken. Eine Befragung von Kapitalmarktexperten und Banken durch Köhler/Marten ergab,1 dass die potenziellen Eigenkapitalgeber Vorteile der IFRS insbesondere im grenzüberschreitenden Vergleich zwischen Unternehmen und einer höheren Transparenz der Abschlüsse sehen.2 Zudem vertraten die Eigenkapitalgeber die Auffassung, dass mit einer Umstellung auf IFRS langfristig eine Reduktion des Risikos und damit der Renditeforderungen einhergeht.3 Des Weiteren wird das Argument angeführt, Kapitalgeber seien daran interessiert, Investitionsalternativen weltweit miteinander zu vergleichen. Sie würden demnach von einer international einheitlichen Rechnungslegung profitieren. Jahresabschlüsse nach deutschem Handelsrecht könnten hingegen aufgrund ihres negativen Images im Ausland und der geringeren Erfahrung internationaler Investoren bei der Interpretation der Abschlüsse hinderlich für ein Engagement sein.4 Aus den aufgezeigten Gründen wird in Teilen der Literatur abgeleitet, dass die Bilanzierung nach IFRS die Aufnahme alternativer Finanzierungsformen erleichtere bzw. sogar Voraussetzung zur Kapitalaufnahme sei.5 Empirische Untersuchungen konnten das Argument einer Reduktion der Eigenkapitalkosten durch die Anwendung internationaler Standards bisher nicht bestätigen.6 In der jüngsten Studie von Daske wurden für die nach internationalen Standards bilanzierenden Unternehmen im Vergleich zu den nach handelsrechtlichen Vorschriften bilanzierenden Unternehmen tendenziell sogar leicht höhere Kapitalkosten nachgewiesen. 7 Zudem wächst die Zahl derjenigen, die die Qualität der Informationsvermittlung durch die IFRS
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In der Studie wurden ohne Anspruch auf Repräsentativität schriftlich 1.200 Mitglieder der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management e.V. (DVFA) und im Rahmen eines strukturierten Telefoninterviews Experten der Firmenkundenbetreuung von acht deutschen Banken befragt. Vgl. Köhler/Marten (2005), S. 12f. Vgl. Marten et al. (2002), S. 2010. Vgl. Burkhart (2006), S. 203f.; Oehler (2005), S. 193. Vgl. Winkeljohann/Ull (2006), S. 11; Burkhart (2006), S. 207; PwC/DIHK (2005), S. 18; Wohldorf (2006), S. C14; o.V. (2003), S. R03; im Gegensatz hierzu bestreiten Kahle/Dahlke Vorteile beim Zugang zu alternativen Finanzierungsformen durch die Anwendung der IFRS, vgl. Kahle/Dahlke (2007), S. 316. Daske kommt nach Auswertung der bisher vorliegenden Studien zu diesem Ergebnis. Vgl. Daske (2005b), S. 469. Vgl. Daske (2005a), S. 21, 23, 311.
3 Wandel der ökonomischen Rahmenbedingungen
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in Frage stellen.1 Außerdem ist der Markt für Beteiligungskapital auf innovative wachstumsstarke Unternehmen sowie größere Mittelständler begrenzt. 2 Auch muss zwischen öffentlich geförderten und renditeorientierten unabhängigen Kapitalgebern differenziert werden. 3 Die Marktsegmente für mittelständische Unternehmen werden vornehmlich durch Kapitalgeber mit staatlichem Förderungsauftrag bedient, die im Vergleich zu unabhängigen Gesellschaften erheblich geringere Anforderungen bezüglich des Mindestumsatzes der Zielunternehmen und der Due-Diligence haben.4 Es erscheint fraglich, ob eine IFRS-Bilanzierung zu Vorteilen bei der Finanzierung durch förderungsorientierte Gesellschaften führen kann.5 3.3
Unternehmenssteuerung
Das deutsche Rechnungswesen besteht traditionell aus zwei getrennten Kreisläufen (Zweikreissystem). Auf der einen Seite das Controlling, welches die Informationen für die Unternehmensführung zur internen Steuerung bereitstellt und auf der anderen Seite die Rechnungslegung, die unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben die Informationen für externe Adressaten liefert.6 Begründet wird die Zweiteilung durch unterschiedliche Zielsetzungen. Das externe Rechnungswesen hat im deutschen Handelsrecht vorrangig die Funktion der Ausschüttungs- und Steuerbemessung. Es ist durch das Vorsichtprinzip und ein nominelles Kapitalerhaltungskonzept geprägt.7 Aufgabe des internen Rechnungswesens ist hingegen die Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen zur Planung, Steuerung und Kontrolle des Unternehmens.8 Voraussetzung hierfür sind möglichst aktuelle bzw. zukunftsorientierte Daten auf Grundlage einer Substanzerhaltungskonzeption.9 Dementsprechend weichen die Wertansätze im internen Rechnungswesen in vielen Fällen von denen des externen Rechnungswesens ab.10 Diese Divergenz wird darüber hinaus aufgrund der engen Verbindung von Handelsbilanz und Steuerbilanz durch das in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG kodifizierte Maßgeblichkeitsprinzip verstärkt. Der überwiegende Teil der mittelständischen Unternehmen erstellt anstatt einer Han1
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Vgl. stellvertretend: Mandler (2007), S. 2193; Schildbach (2007a), S. 9-16; Schildbach (2007b), S. 91-97; Paulitschek/Wiese (2006), S. 634-638; Küting (2004), S. 683-686. Ähnlich: Engel et al. (2006), S. 180f.; Krähenhorst/Wallau (2005), S. 152. Eine Übersicht zur Struktur des Private Equity-Markts in Deutschland bzw. den wesentlichen Förderungsprogrammen findet sich bei Schefczyk (2006), S. 123-126 bzw. S. 111-116. Vgl. Achleitner et al. (2006), S. 548. Eine Befragung von Oehler aus dem Jahr 2005 ergab eine klare Präferenz der Private Equity oder Mezzanine-Kapital anbietenden Kreditinstitute für HGB-Abschlüsse. Vgl. Oehler (2005), S. 209. Vgl. Zirkler/Nohe (2003), S. 222; Schmidt (2005), S. 13. Im Folgenden werden die Begriffe Controlling und internes Rechnungswesen sowie die Begriffe Rechnungslegung und externes Rechnungswesen synonym verwendet. Vgl. Kapitel II 2.1.1. Vgl. Coenenberg (1995), S. 2078 und zur Begriffabgrenzung des Controllings insbes. Reichmann (2001), S. 41; Baum/Coenenberg/Günther (2004), S. 3f. Vgl. PwC/DIHK (2005), S. 19. Vgl. Carstensen/Leibfried (2004), S. 866.
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III Zunehmende Relevanz der IFRS im Mittelstand
dels- und einer Steuerbilanz eine kostengünstigere Einheitsbilanz für steuerliche und handelsrechtliche Zwecke.1 Bedingt durch die umgekehrte Maßgeblichkeit sind viele Wertansätze der handelsrechtlichen Bilanz steuerlich motiviert und entsprechen nicht der ökonomischen Realität. Die durch das Steuerecht verzerrte Darstellung erfordert wiederum eine Korrektur für interne Zwecke.2 Ausgelöst durch einen Aufsatz Zieglers über die Neustrukturierung des internen Rechnungswesens der Siemens AG,3 entstand Mitte der Neunziger Jahre eine wissenschaftliche Diskussion um die Vorteilhaftigkeit und die Ausgestaltung einer Konvergenz des internen und externen Rechnungswesens.4 Eine solche Harmonisierung führt zu einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit durch Zeit- und Kostenersparnisse, da Doppel- und Abstimmarbeiten sowie Überleitungen zwischen interner und externer Ergebnisrechnung vermieden werden. Damit einhergehend wird die Gefahr von Fehlbuchungen reduziert.5 Die weitgehende Übereinstimmung von intern und extern ermittelten Zahlen erleichtert die Kommunikation sowohl innerhalb des Unternehmens als auch nach außen. Die Veröffentlichung abweichender Ergebnisse führt hingegen regelmäßig zu Irritationen und Erklärungsbedarf.6 Gleichzeitig weisen die im internen Rechnungswesen verwendeten Daten eine höhere Objektivität auf, da sie aus dem größtenteils auf pagatorischen Größen aufbauenden externen Rechnungswesen stammen und keine kalkulatorischen Elemente enthalten.7 Informationen können bei gemeinsamer Datenbasis zeitnäher bereitgestellt werden, so dass sich die Effizienz der Unternehmensführung erhöht und die Abschlusserstellung beschleunigt.8 Ziel einer solchen Harmonisierung ist nicht eine vollständige Verschmelzung der Rechnungssysteme, sondern vielmehr eine gewisse Annäherung unter Nutzung einer gemeinsamen Datenbasis.9 Ausgeschlossen von den Überlegungen werden die Teile der entscheidungsorientierten Kostenrechnung, die aufgrund der verursachungsgerechten Zuordnung von Kosten und Leistungen zu einer Vielzahl von Bezugsobjekten (z.B. Produkte, Aufträge, Kunden, Kosten-
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Vgl. Schmidt (2005), S. 14; Mandler (2003a), S. 681; empirische Studien belegen die weiterhin hohe Bedeutung der Einheitsbilanz. Sowohl Oehler als auch Bertl/Greimel/Klostermann kommen zu dem Ergebnis, dass über zwei Drittel der mittelständischen Unternehmen eine Einheitsbilanz aufstellt und die Ausübung handelsrechtlicher Wahlrechte von steuerlichen Überlegungen abhängig macht. Vgl. Oehler (2006b), S. 24; Bertl/Greimel/Klostermann (2004), S. 111. Vgl. Franz/Winkler (2005), S. 16; Beiersdorf/Zeimes (2005), S. 117. Vgl. Ziegler (1994), S. 175-188. Vgl. Coenenberg (1995), S. 2077; Weißenberger (2006), S. 50; Haring/Prantner (2005), S. 147. Vgl. Zirkler/Nobach (2006), S. 739; Wagenhofer (2006b), S. 12f. Vgl. Wagenhofer (2006b), S. 13; Franz/Winkler (2005), S. 52f. Vgl. Kahle (2003a), S. 773, 775; Oehler (2005), S. 230f. Vgl. PwC/DIHK (2005), S. 20f. Vgl. Küting/Lorson (1999), S. 54; Wulf (2005), S. 15; Haring/Prantner (2005), S. 147f.
3 Wandel der ökonomischen Rahmenbedingungen
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stellen) wesentlich detaillierterer Informationen bedürfen als in der externen Rechnungslegung vorhanden.1 Die in Deutschland vorherrschende strikte Zweiteilung des Rechnungswesens ist im angelsächsischen Raum unbekannt, da die internationalen Rechnungslegungsnormen die Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen zum Ziel haben und somit im Wesentlichen eine zum internen Rechnungswesen korrespondierende Zielsetzung besteht. Nach herrschender Meinung stellen die IFRS deshalb eine adäquate Grundlage für das interne Rechnungswesen dar und ermöglichen eine weitgehende Harmonisierung des internen und externen Rechnungswesens.2 Wie verschiedene empirische Untersuchungen belegen, verfügen mittelständische Unternehmen größtenteils nur über ein unzureichendes Controlling,3 so dass der Jahresabschluss bzw. die Daten des externen Rechnungswesens eine bedeutende Entscheidungsgrundlage für die Unternehmensführung darstellen.4 Gerade für mittelständische Unternehmen ist deshalb die Möglichkeit, ein Controllingsystem zu implementieren, das überwiegend auf Daten des externen Rechnungswesens basiert, von hoher Relevanz.5 Darüber hinaus entsteht durch die Anwendung der IFRS die Möglichkeit einer einheitlichen Konzernrechnungslegung, auf deren Basis interne Reportingstrukturen implementiert werden können. Von Vorteil ist dieser Aspekt für Unternehmen, die Tochterunternehmen oder Beteiligungen im Ausland besitzen und oft das Problem haben, dass die auf den jeweiligen nationalen Vorschriften basierenden Rechnungslegungsdaten nicht direkt in das Controlling des Mutterunternehmens übernommen werden können. Beruhen die Daten des Controllings auf einem international anerkannten Rechnungslegungssystem, dürften zudem Akzeptanz- und Verständnisprobleme bei ausländischen Tochterunternehmen vermieden werden. Insgesamt sinkt der Koordinationsaufwand, so dass die Daten bei geringerem Aufwand schneller zur Verfügung stehen und eine frühzeitigere Reaktion auf sich abzeichnende Fehlentwicklungen, die oftmals mit erheblichen Kosten verbunden sind, möglich ist.6 Ein konzerneinheitliches Rechnungswesen und Reporting erhöht die Vergleichbarkeit der einzelnen Unternehmen und lässt somit eine effektivere und effizientere Konzernführung zu. 7
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Vgl. Coenenberg (1995), S. 2079; Weißenberger (2006), S. 68; Franz/Winkler (2005), S. 12. Vgl. Zirkler/Nobach (2006), S. 737; Heintges (2006), S. 1574; Mandler (2004), S. 82f.; Wenning (2001), S. 42; Littkemann/Schulte/Kraft (2005a), S. 289; hierzu kritisch: Schildbach (2007b), S. 95; Kahle (2004), S. 314. Vgl. Ossadnik/Barklage/van Lengerich (2004), S. 626; Berens/Püthe/Siemes (2005), S. 190; Oehler (2005), S. 212. Vgl. Keitz/Stibi (2004), S. 427. Vgl. Böcking (2001), S. 1437. Laut Mandler empfinden mittlere und kleine Unternehmen die durch HGBAbschlüsse vermittelten Informationen als ausreichend zur Unternehmenssteuerung, vgl. Mandler (2007), S. 2190. Vgl. Lüdenbach (2004), S. 22f.; Kley (2006), S. 157. Vgl. Winkeljohann/Ull (2004), S. 433.
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III Zunehmende Relevanz der IFRS im Mittelstand
Die Bedeutung einer harmonisierten Konzernrechnungslegung wird jedoch durch die geringe Anzahl mittelständischer Konzerne relativiert. 1 Zudem weist die empirische Untersuchung von Jahnke/Wielenberg/Schumacher von Juni 2006 darauf hin, dass die Konvergenz von internem und externem Rechnungswesen zwar vom überwiegenden Teil der befragten mittelständischen Unternehmen als Motiv zur Einführung der IFRS genannt wird, dies aber eher auf die „Popularität des Themas in der Wirtschaftspresse“ zurückzuführen ist, als auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Unternehmen.2 Die Ergebnisse ihrer Studie „deuten nicht darauf hin, dass die Integration beider Systeme im Alltag von KMU eine große Rolle spielt“.3 3.4
Folgen für den Mittelstand
In den vorangegangen Kapiteln wurden zahlreiche im Schrifttum kontrovers diskutierte Argumente für eine freiwillige Anwendung der IFRS in der Rechnungslegung mittelständischer Unternehmen aufgegriffen. Potenzielle Vorteile betreffen demnach die Themen Internationalisierung, Unternehmensfinanzierung und Unternehmenssteuerung. Die Einschätzung der Vorteile aus Sicht der mittelständischen Unternehmen wurde durch verschiedene empirische Untersuchungen erforscht. 4 In der Befragung mittelständischer Unternehmen durch Mandler im Herbst 2002 lehnten die Unternehmen die Ansicht ab, die Anwendung der IFRS führe zu Vorteilen in der Unternehmenssteuerung und senke die Fremdkapitalkosten.5 In einer im Frühjahr 2005 von Oehler durchgeführten Befragung mittelständischer Unternehmen erwarteten ungefähr 46% der Unternehmen, dass Banken in Zukunft zur Bilanzierung nach IFRS drängen. In diesem Fall wäre eine Anwendung der IFRS gleichbedeutend mit sinkenden Fremdkapitalkosten. Zudem war ein Teil der Unternehmen der Meinung, eine Anwendung der IFRS bewirke eine Verringerung der Eigenkapitalkosten (35%), Vorteile in der Unternehmenssteuerung (29%) sowie Vorteile im Rahmen der Internationalisierung (16%).6 In einer Befragung durch Ochs/Leibfried im Frühjahr 2006 vertraten ca. 52% der Unternehmen die Auffassung, eine Anwendung der IFRS erreiche sinkende Eigenkapitalkosten; fast 54% sahen Vorteile in Bezug auf die Unternehmensteuerung und 46% gingen von Erleichterungen bei der Beschaffung von Fremdkapital aus.7
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Vgl. Kapitel III 2.4. Vgl. Jahnke/Wielenberg/Schumacher (2007), S. 365-376. Jahnke/Wielenberg/Schumacher (2007), S. 365. Im Folgenden werden stellvertretend die Untersuchungen von Mandler (2004), Oehler (2005) und Ochs/Leibfried (2006) zitiert, da diese auf einer vergleichbaren Mittelstands-Definition basieren. Vergleichbare Ergebnisse liefern die Studien von KPMG/Keitz/Reinke (2004), BDI/Ernst & Young (2005) und PwC/DIHK (2005), Keitz/Stibi/Stolle (2007), Kajüter et al. (2007). Vgl. Mandler (2004), S. 99f. Vgl. Oehler (2005), S. 35f. Vgl. Ochs/Leifried (2006), S. 186.
4 Kosten der IFRS-Anwendung
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Die Betrachtung der Untersuchungen im Zeitablauf zeigt, dass eine stetig steigende Anzahl von Unternehmen mit einer freiwilligen Anwendung der IFRS die zuvor thematisierten Vorteile assoziiert. Die IFRS gewinnen für die Rechnungslegung mittelständischer Unternehmen aus Sicht der Betroffenen zunehmend an Relevanz. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen lassen aber zunächst nur den Schluss zu, dass die breite öffentliche Diskussion um den Nutzen einer Anwendung der IFRS und die vielfach propagierten Vorteile einer IFRSBilanzierung in der Einschätzung seitens der mittelständischen Unternehmen Spuren hinterlassen haben. Aussagen über die Qualität der vorgetragenen Argumente sind auf Basis dieser Erkenntnisse nicht möglich. Viele der Argumente erscheinen bei detaillierter Analyse bereits auf theoretischer Basis zweifelhaft. Für keines der dargestellten Argumente liegen empirische Untersuchungen vor, die deren Richtigkeit oder Ausmaß belegen. Somit ist zwar zu konstatieren, dass die IFRS durch den Wandel der ökonomischen Rahmenbedingungen zunehmend an Bedeutung für die Rechnungslegung mittelständischer Unternehmen gewinnen; ihr Nutzen ist aber für den überwiegenden Teil der Unternehmen ungewiss. 4
Kosten der IFRS-Anwendung
Die Entscheidung zur freiwilligen Anwendung der IFRS ist als betriebswirtschaftliche Investition zu betrachten. In die Analyse sind sowohl die oben skizzierten Nutzenpotenziale als auch die entstehenden Kosten einzubeziehen. Die Kosten werden durch eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren1 beeinflusst, die je nach Unternehmen stark variieren und keine allgemeingültige Aussage über den jeweils zu erwartenden Aufwand zulassen. Gleichwohl können bei einer Rechnungslegungsumstellung typischerweise entstehende Kosteneffekte identifiziert und kategorisiert werden. Hierbei ist zunächst hinsichtlich der einmalig auftretenden Umstellungskosten und der durch die anschließende Anwendung der IFRS dauerhaft anfallenden Folgekosten zu differenzieren. Des Weiteren kann zwischen folgenden vier Kostenkategorien unterschieden werden. Kosten für die -
Bereitstellung von Mitarbeitern,
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Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter,
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Unterstützung durch externe Dienstleister sowie
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Anpassungen der EDV-Systeme.2
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Beeinflussende Faktoren sind z.B. Unternehmensgröße, Internationalisierungsgrad, Konzernzugehörigkeit, Art und Ausmaß der Geschäftstätigkeit sowie der umstellungspflichtigen Sachverhalte, vgl. Mandler (2004), S. 93. Bzgl. der Kategorisierung der Kosten vgl. Köhler et al. (2003), S. 2619.
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III Zunehmende Relevanz der IFRS im Mittelstand
Die Umstellung der Rechnungslegung wird aufgrund ihrer Komplexität im Regelfall in Form eines Projektes organisiert.1 Die hierfür erforderliche unternehmensinterne Bereitstellung von Personal bedeutet zeitlichen und finanziellen Aufwand, der für mittelständische Unternehmen aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit personeller Ressourcen zu einer im Vergleich zu größeren Unternehmen überdurchschnittlichen Belastung führt.2 Die Anwendung der IFRS bindet aufgrund der hohen Veränderungsdynamik3 in der internationalen Rechnungslegung auch nach der eigentlichen Umstellung personelle Ressourcen, um die rechtzeitige Umsetzung überarbeiteter und neuer Standards im Unternehmen sicherzustellen.4 Die zweite Kostenkomponente bildet die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter. Ihr kommt eine hohe Bedeutung zu, da die Mitarbeiter mittelständischer Unternehmen oftmals nur über geringe Kenntnisse der internationalen Rechnungslegung verfügen. 5 Auch hier bedingt die hohe Veränderungsdynamik der IFRS Folgekosten in Form kontinuierlicher Aus- und Weiterbildung. Aufgrund personeller und fachlicher Restriktionen sind die meisten Mittelständler zudem auf die Unterstützung durch externe Dienstleister, in erster Linie Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Unternehmensberater und EDV-Spezialisten angewiesen.6 Der Beratungsbedarf wird sich nicht allein auf die Umstellung beschränken, sondern wegen der laufenden Änderung und Entwicklung der Rechnungslegungsstandards regelmäßig auftreten. Die veränderten Anforderungen machen eine Anpassung der vorhandenen EDV-Systeme oder Einführung neuer Systeme erforderlich.7 Der Anpassungsbedarf erstreckt sich sowohl auf die verwendete Hard- als auch Software. Zudem ist die Kompatibilität mit den weiteren tangierten Anwendungen (bspw. Kosten- und Leistungsrechnung, Material- und Warenwirtschaft, Fakturierung) sicherzustellen.8 In kurzen Abständen geänderte oder neu entwickelte Standards erfordern wiederkehrend Anpassungen.
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Vgl. Hirschberger/Karl (2002a), S. 2189; Wulf/Klein/Azaiz (2005), S. 301. Vgl. Littkemann/Schulte/Kraft (2005a), S. 290; Keitz/Stibi (2004), S. 527. Vgl. Kley (2006), S. 156; Weber (2006b), S. 22; Krawitz zitiert nach Hillmer (2005), S. 177. Durch die von IASB und FASB initiierten Projekte zur Konvergenz der IFRS und US-GAAP ist in Zukunft nicht mit einer abnehmenden Veränderungsdynamik zu rechnen. Vgl. Küting (2007a), S. 10; Hirschberger/Karl (2002b), S. 2238. Vgl. Kajüter et al. (2007), S. 1878; Dillerup/Hannss (2004), S. 14; Dücker (2003), S. 450; Küting (2004a), S. 684; Oehler ermittelt in einer Befragung, dass nach eigenen Angaben ca. 65% der Unternehmen über keine bzw. nur geringe IFRS-Kenntnisse verfügen, vgl. Oehler (2006b), S. 26. BDI/Ernst & Young kommen in einer empirischen Untersuchung zu dem Ergebnis, dass 93,8% der kleinen und mittleren Unternehmen im Rahmen der Rechnungslegungsumstellung externe Berater für Bilanzierungsfragen hinzugezogen haben, vgl. BDI/Ernst & Young (2005), S. 32; weitere empirische Studien bestätigen dies: Deloitte (2004), S. 11; Stahl (2004), S. 255. Vgl. Naumann (2005), S. 131; Eine umfassende Darstellung der Auswirkungen einer IFRSRechnungslegungsumstellung findet sich bei Riedel/Rau/Tsanaclidis (2004), S. 505-520. Vgl. Hirschberger/Karl (2002a), S. 2191.
5 Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse
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Die Anwendung der IFRS dürfte im Vergleich zur handelsrechtlichen Rechnungslegung mit dauerhaft höheren Kosten verbunden sein,1 da die Anforderungen der IFRS sowohl qualitativ als auch quantitativ weit über die des deutschen Handelsrechts hinausgehen.2 Die IFRS beinhalten keine größen- oder rechtsformabhängigen Erleichterungen, so dass ein vollständiger IFRS-Abschluss gemäß IAS 1.8 unabhängig von der Größe und Rechtsform des Unternehmens aus einer Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Eigenkapitalveränderungsrechnung, Kapitalflussrechnung und einem umfangreichen Anhang besteht. 5
Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse
Die vorgehenden Ausführungen haben verdeutlicht, dass die internationale Rechnungslegung durch den Wandel der rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingung für den Mittelstand an Bedeutung gewonnen hat. Der mit einer Anwendung der IFRS in mittelständischen Unternehmen einhergehende Nutzen ist jedoch weitgehend ungewiss; er ist weder theoretisch noch empirisch zweifelsfrei nachgewiesen. Gleichwohl ist die Anwendung der IFRS mit einmaligen Umstellungskosten und mit einem dauerhaft erhöhten Aufwand im Rechnungswesen verbunden. Der Aufwand steigt mit der Unternehmensgröße degressiv an und belastet dementsprechend kleine und mittelgroße Unternehmen überproportional.3 In der jüngeren Vergangenheit ist im deutschen Schrifttum zu beobachten, dass eine Bilanzierung nach IFRS in der mittelständischen Rechnungslegung vor dem Hintergrund des ungewissen Kosten-Nutzen-Verhältnisses zunehmend kritisch eingeschätzt wird.4 Als Grund der hohen Kosten und der vermeintlichen Überforderung der mittelständischen Unternehmen wird vielfach die Orientierung der internationalen Rechnungslegungsstandards an den Bedürfnissen der Investoren kapitalmarktorientierter Unternehmen genannt. Aus der einseitigen Fokussierung der internationalen Standards wird geschlossen, dass sie zu komplex seien und die von den Investoren divergierenden Informationsinteressen der mittelständischen Rechnungslegungsadressaten nur unzureichend berücksichtigen würden. Somit blieben die Informationsbedürfnisse der mittelständischen Rechnungslegungsadressa1
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Vgl. Kahle/Dahlke (2007), S. 317; Krähenhorst/Wallau (2005), S. 161f., Köhler/Marten (2005), S. 8; Eschbach (2004), S. 35. Vgl. Schildbach (2002a), S. 264. Siehe hierzu Nair/Rittenberg, die den Zusammenhang zwischen den Kosten der Rechnungslegung und der Unternehmensgröße umfassend untersuchten. Vgl. Nair/Rittenberg (1983), insbes. S. 237, 240f. Bestätigend: Eierle (2005), S. 281; Beiersdorf/Zeimes (2005), S. 127; Littkemann/Schulte/Kraft (2005a), S. 290; Peemöller/Spanier/Weller (2002), S. 1802. Vgl. Kahle/Dahlke (2007), S. 318; Reuther (2007), S. 321; Oehler (2005), S. 246; Mandler (2004), S. 95; Kahle (2003b), S. 273f.; Schildbach (2002a), S. 271; Haller (2003), S. 415; Kußmaul/Henkes (2006), S. 2235f.; Coenenberg (2005a), S. 111; Kußmaul/Tcherveniachki (2005), S. 621; Küting (2004b), S. 1; Wolz/Jungen (2005), S. 100; Krähenhorst/Wallau (2005), S. 179; Kleinmanns (2005), S. 1289; Hüttche (2004), S. 1192; Hirsch (2006), S. 270; Roth (2006), S. 20; Littkemann/Schulte/Kraft (2005b), S. 340; Dallmann/Ull (2004), S. 321f.; Bernhard/Reuss (2004), S. 22; Förschle (2001), S. 271; Weber (2006a), S. 18; Ernst (2005), S. 87.
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III Zunehmende Relevanz der IFRS im Mittelstand
ten weitgehend unbefriedigt, während gleichzeitig mit hohem Aufwand eine Vielzahl von Informationen ermittelt und bereitgestellt würde, die für die Adressaten mittelständischer Unternehmen nicht von Interesse seien.1 Weiterhin wird angeführt, dass zahlreiche Unternehmen durch höhere Transparenz und insbesondere umfangreichere Publizitätspflichten der IFRS-Rechnungslegung konkurrenzinduzierte Wettbewerbsnachteile fürchteten.2 Die Furcht vor Wettbewerbsnachteilen spiegele sich schon heute im zurückhaltenden Publizitätsverhalten der mittelständischen Unternehmen wider.3 Diesem Argument ist indes entgegenzuhalten, dass der Kreis der offenlegungspflichtigen Unternehmen unabhängig vom verwendeten Rechnungslegungssystem durch den nationalen Gesetzgeber festgelegt wird. Ein großer Teil der mittelständischen Unternehmen ist zudem nicht publizitätspflichtig oder profitiert von den großenabhängigen Erleichterungen der §§ 326 und 327 HGB. Darüber hinaus wird sich die Transparenz von Unternehmensdaten in Deutschland in den nächsten Jahren durch das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) 4 und dem damit neu eingeführten und für jeden kostenfrei zugänglichen elektronischen Bundesanzeiger deutlich erhöhen. Mit Inkrafttreten des EHUG dürfte die gesetzeswidrige Unterlassung der Offenlegung von Jahresabschlüssen der Vergangenheit angehören.5 Unternehmen, welche die Publizitätspflichten verletzen, werden an das neu errichtete Bundesamt für Justiz gemeldet, welches von Amts wegen ein kostenpflichtiges Ordnungsgeldverfahren einleitet.6 Das Argument konkurrenzinduzierter Wettbewerbsnachteile durch eine IFRS-Bilanzierung kann somit nicht überzeugen. Unstrittig ist, dass die IFRS-Rechnungslegung eine Vielzahl von Informationen erfordert, die nur unter hohem Aufwand ermittelt und bereitgestellt werden können. Inwieweit von Seiten der Rechnungslegungsadressaten mittelständischer Unternehmen Nachfrage nach diesen Informationen besteht und ob die IFRS die existierenden Informationsbedürfnisse der Rechnungslegungsadressaten ausreichend befriedigen, ist hingegen weitgehend ungewiss. Allein auf Basis der oben thematisierten potenziellen Nutzen- und Kosteneffekten kann keine belastbare Aussage über die Eignung der IFRS für die mittelständische Rechnungslegung getroffen 1 2
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Vgl. stellvertretend: Mandler (2007), S. 2190; Ballwieser (2006a), S. 30; Schildbach (2002a), S. 276. Vgl. Poll (2006), S. 85; Keitz/Stibi (2004), S. 427; Schildbach (2004b), S. 162; Stahl (2004), S. 111; Haller (2003), S. 415; Förschle (2001), S. 271. Laut einer Untersuchung von Marx/Dallmann kommen Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften, bei denen keine natürliche Person unbeschränkt haftet, der gesetzlichen Verpflichtung zur Veröffentlichung ihrer Jahresabschlüsse gemäß § 325 HGB nur unzureichend nach. Vgl. Marx/Dallmann (2004), S. 933-935. Vgl. Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) v. 10.11.2006, BGBl I 2006, S. 2553-2586. Vgl. Schlauß (2007), S. 2193f. Nach bisherigem Recht konnte ein Verfahren nur nach Antrag eingeleitet werden. Für detaillierte Ausführungen zum EHUG wird auf Seibert/Decker (2006), S. 2446-2451 verwiesen.
5 Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse
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werden. Die Kosten- und Nutzeneffekte lassen sich kaum quantifizieren und sind unternehmensindividuell ausgeprägt. Für eine Würdigung der internationalen Rechnungslegungsstandards ist deshalb eine theoretisch fundierte Analyse der konkurrierenden Rechnungslegungssysteme vor dem Hintergrund der spezifischen Anforderungen mittelständischer Unternehmen erforderlich. Der nächste Schritt besteht demnach in der Entwicklung eines Konzeptes zur Beurteilung der Zielkonformität von Rechnungslegungssystemen.
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IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
IV
Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
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Vorbemerkungen
Der vierte und fünfte Teil stellen den Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung dar. Der vierte Teil beinhaltet die Ableitung von Anforderungskriterien zur Beurteilung der Zielkonformität von Rechnungslegungssystemen für die mittelständische Rechnungslegung. Unter einem Rechnungslegungssystem wird im Folgenden „die Menge der Normierungen verstanden, die die Ausgestaltung der externen Rechnungslegung prägen“.1 Die Normierungen müssen nicht gesetzlich kodifiziert sein, sondern können auch von privaten Organisationen ohne Gesetzgebungskompetenz wie bspw. dem IASB erlassen werden.2 Die Rechnungslegung umfasst damit Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Anhang, Kapitalfluss- und Eigenkapitalveränderungsrechnung, Segment- sowie Lagebericht. Angesichts der herausragenden Stellung von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechung in der Rechnungslegung ist die hier durchgeführte Untersuchung auf eben diese Abschlusselemente und die Grundlagen ihrer Erstellung begrenzt.3 Von Rechnungslegung wird gesprochen, wenn Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung erstellt und an potenzielle Vertragspartner wie bspw. Kreditinstitute weitergereicht werden. Die Publizität in Form einer allgemeinen Zugänglichkeit für Dritte ist nicht erforderlich. Aufgrund der Komplexität der einzelnen Rechnungslegungssysteme hat ihre Würdigung anhand der wesentlichen Bilanzierungssachverhalte zu erfolgen. Voraussetzung für die Würdigung der Rechnungslegungsnormen sind geeignete Kriterien, die als Beurteilungsmaßstab herangezogen werden können. Die Kriterien resultieren aus den an die Rechnungslegungsnormen zu stellenden Anforderungen. Bisher wurden im Schrifttum nur vereinzelt Versuche zur Ableitung solcher Kriterien unternommen. 4 Ein allgemein anerkanntes System von Anforderungskriterien für die mittelständische Rechnungslegung existiert nicht. Dementsprechend ist im Folgenden ein Katalog von Anforderungen zur Messung der Zielkonformität der Rechnungslegungsnormen zu entwickeln. Unbestritten ist, dass die externe Rechnungslegung keinem Selbstzweck dient, sondern abhängig vom verfolgten Rechnungslegungszweck bzw. dem System von Rechnungslegungszwecken auszugestalten ist.5 Daraus folgt, dass „der Diskussion über Norminhalte Ausfüh-
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Ballwieser (1997b), S. 374. Vgl. Ballwieser (1997b), S. 374. Ähnlich: Solomons (1995), S. 42. Nach Streim bilden Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung den Kern der Rechnungslegung nach IFRS und HGB. Vgl. Streim (2000), S. 115. Vgl. Kapitel I 1. Vgl. stellvertretend: Baetge (1976), S. 13; Sreim/Bieker/Leippe (2001), S. 179.
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rungen über Normzwecke vorausgehen müssen“. 1 Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Kriterienkatalogs ist demnach die Bestimmung des Rechnungslegungszwecks, da dieser die abzuleitenden Anforderungskriterien determiniert. „Der Rechnungszweck bestimmt über das Rechnungsziel den Rechnungsinhalt“.2 Im nachfolgenden Kapitel wird auf Grundlage des Koalitionsmodells die Informationsvermittlung als Zweck der mittelständischen Rechnungslegung begründet. Somit sind die Anforderungskriterien im Hinblick auf den Rechnungslegungszweck der Informationsvermittlung auszugestalten. Ungeachtet der formalen Übereinstimmung mit dem im IFRS-Rahmenkonzept enthaltenen Rechnungslegungszweck, erscheint jedoch eine unkritische bzw. unreflektierte Übernahme der vom IASB im Rahmenkonzept und im IFRS for SMEs formulierten Grundsätze als Anforderungskriterien an eine mittelständische Rechnungslegung nicht zweckdienlich. Vielmehr gilt es durch die kritische Betrachtung der qualitativen Anforderungen des IASB und der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, einen Kriterienkatalog allgemeiner Anforderungen zu entwickeln, der als Beurteilungsmaßstab der Rechnungslegungsnormen unabhängig vom jeweiligen Regelungskreis fungiert und die Spezifika der mittelständischen Rechnungslegung berücksichtigt. Zusätzlich zu ihrer Funktion als Beurteilungskriterien sollten die Kriterien auch die Entwicklung von Empfehlungen zur inhaltlichen Ausgestaltung einer mittelstandsadäquaten Rechnungslegung unterstützen.3 2
Zweck der Rechnungslegung
2.1
Abhängigkeit der Rechnungslegung von der Unternehmenstheorie
Die Bilanztheorie und die Auffassung über die Zielträger des Jahresabschlusses, deren Festlegung den abzuleitenden Zweck der Rechnungslegung determiniert, werden maßgeblich durch die Unternehmenstheorie geprägt. Mit Bezug auf die externe Rechnungslegung kann grundsätzlich zwischen interessenmonistischen und interessenpluralistischen Unternehmenstheorien differenziert werden.4
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Ballwieser (1993), S. 111; ähnlich formuliert dies Solomons: „Agreement on the objectives of financial reporting must be the starting point for a consideration of the kind of reporting that is needed and of the accounting standards to which that reporting is to conform.“ Solomons (1986), S. 68; Vgl. darüber hinaus: Yoshida (1976), S. 51; Ballwieser (1982), S. 772. Schneider (1997), S. 45. Einschränkend muss darauf hingewiesen werden, dass hier nur die mit Hinblick auf den Untersuchungszweck bedeutsamsten Kriterien thematisiert werden. In Zusammenhang mit anderen Fragestellungen können ergänzende bzw. abweichende Anforderungen an die Rechnungslegung zu stellen sein. Vgl. Coenenberg (2005b), S. 1174; Haller (1997), S. 271f.
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IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
Nach den traditionellen interessenmonistischen Theorien ist das Unternehmen ein Mittel zur Durchsetzung der Ziele Einzelner. Das Unternehmen wird nicht als eigenständige Wirtschaftseinheit aufgefasst, sondern ist vornehmlich Einkommensquelle für die Eigentümer (Shareholder Value-Ansatz).1 Im Mittelpunkt der Ansätze stehen die durch die Trennung von Eigentums- und Verfügungsgewalt auftretenden Principal-Agent-Konflikte.2 Der monistischen Sichtweise wird vorgeworfen, sie vernachlässige durch ihre einseitige Fokussierung, dass ein Unternehmen eine Koalition aus unterschiedlichsten Interessengruppen darstelle und bilde somit das Beziehungsgeflecht der in Verbindung zum Unternehmen stehenden Personen bzw. Personengruppen nur unzureichend ab.3 Die Erhaltung des Unternehmens als übergeordnetes strategisches Ziel könne hingegen nur durch Berücksichtigung aller relevanten Interessengruppen gewährleistet werden.4 Als Antwort auf diese Kritik ist die Koalitionstheorie (Stakeholdertheorie)5 entstanden, der ein interessenpluralistisches Verständnis der Unternehmung zu Grunde liegt. 6 Die Vertreter der Koalitionstheorie sehen in dem Unternehmen als Organisation ein Instrument zur individuellen Zielrealisation der direkt und indirekt mit dem Unternehmen in Beziehung stehenden Individuen (Stakeholder).7 Als Stakeholder gelten Personen oder Personengruppen, die Einfluss auf die Zielsetzung und -erreichung des Unternehmens ausüben können oder von unternehmerischen Aktivitäten tangiert werden und daraus unterschiedlichste Ansprüche gegen das Unternehmen begründen.8 Wesentliche Stakeholder sind Eigentümer, Unternehmensleitung, Fremdkapitalgeber, Kunden, Lieferanten, Arbeitnehmer und der Staat (Fiskus). 9 Im Mittelpunkt des Stakeholder-Modells steht das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung zwischen Unternehmen und den einzelnen Koalitionsteilnehmern.10 Die Koalitionsteilnehmer leisten einen Beitrag zur Organisation und erwerben dadurch Ansprüche, die z.B. in Form von Gewinnbeteiligung, Arbeitsentgelt oder Zinszahlung abgegolten werden. Auf Basis der Befriedigung ihrer Ansprüche entscheiden die Teilnehmer über ihren weiteren Verbleib in der Koalition und damit über die Existenz des Unternehmens.11 Das Unternehmen ist nach dieser
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Vgl. Steiner/Wallmeier (1999), S. 1. Hierzu vertiefend: Akerlof (1970), S. 488-500; Levinthal (1988), S. 153-185; Pfaff/Zweifel (1998), S. 184190. Vgl. stellvertretend: Janisch (1993), S. 105f. Vgl. Janisch (1993), S. 111f. Die Stakeholder- und Koalitionstheorie werden hier trotz geringfügiger Unterschiede synonym verwendet. Für eine detailliertere Darstellung der verschiedenen Theorien vgl. Skrzipek (2005), S. 49-53. Nach Volk und Achleitner entspricht das der Koalitionstheorie zu Grunde liegende interessenpluralistische Unternehmensverständnis der mittlerweile herrschenden Meinung, vgl. Volk (1990), S. 44; Achleitner (1995), S. 37. Vgl. Coenenberg (2005b), S. 1179. Vgl. Hill/Jones (1992), S. 133; Wüstemann (2002), S. 36. Vgl. Skrzipek (2005), S. 48. Vgl. Skrzipek (2005), S. 52. Vgl. Bühner (2004), S. 106; Coenenberg (2005b), S. 1179.
2 Zweck der Rechnungslegung
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Auffassung ein soziales Gebilde, das nur bei Berücksichtigung der Interessen aller Koalitionsteilnehmer bestehen kann.1 2.2
Das mittelständische Unternehmen als Koalition
Zum Verständnis mittelständischer Unternehmen ist das durch die Koalitionstheorie gezeichnete, stärker organisatorisch geprägte Unternehmensbild den interessenmonistischen Konzepten überlegen.2 Die interessenmonistischen Konzepte als Antwort auf die für kapitalmarktorientierte Unternehmen typischen Principal-Agent-Konflikte zwischen Unternehmensleitung und Eigentümern sind für mittelständische Unternehmen nicht adäquat, da diese Konflikte im Mittelstand aufgrund der engen Verknüpfung von Eigentum und Unternehmensleitung und der auf Fremdkapital basierenden Unternehmensfinanzierung nur von marginaler Bedeutung sind. In mittelständischen Unternehmen steht der Inhaber mit seinem Vermögen für eigene Entscheidungen ein. Sein individuelles Zielsystem stimmt somit mit dem des Unternehmens überein.3 Zudem resultiert aus der Mitwirkung des Eigentümers bzw. der Eigentümerfamilie im Unternehmen ein persönlicheres Verhältnis zwischen Shareholdern und Stakeholdern. Die enge Beziehung dürfte sich in den meisten Fällen in einem ausgeprägteren Verantwortungsbewusstsein der Eigentümer niederschlagen. Entscheidungen werden nicht ausschließlich auf Basis ökonomischer Kalküle getroffen, sondern beinhalten auch eine soziale Komponente, die in einer intensiveren Mitarbeiterorientierung, regionaler Verbundenheit usw. zum Ausdruck kommen kann. Das Verständnis der Unternehmung als soziales Gebilde, das die Interessen aller Koalitionsteilnehmer zu berücksichtigen hat, erscheint somit angemessener als eine auf kapitalmarktorientierte Unternehmen zugeschnittene Shareholder Value-Theorie. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass das mittelständische Unternehmen als eine Koalition sämtlicher mit ihr in einer vertraglichen oder faktischen Beziehung befindlichen Interessengruppen mit ihren teilweise antinomen Zielfunktionen zu interpretieren ist, 4 wobei für die einzelnen Gruppen ein tendenziell übereinstimmendes Interesse der sie konstituierenden Individuen fingiert wird.5 Die Entscheidung der Beteiligten über ihre zukünftige Leistungsbeziehung zum Unternehmen, das heißt über ihren Verbleib bzw. Eintritt in die Koalition oder die Dezimie1 2
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Vgl. Haller (1997), S. 275. Nach Niehus ist die Shareholder-Theorie zum Verständnis mittelständischer Unternehmen ungeeignet: Niehus (2006), S. 2535. Ähnlich: Skrzipek (2005), S. 52. Coenenberg (2005b), S. 1179; Kellersmann/Winkeljohann (2007), S. 407. In der Literatur wird teilweise von einer Komplementarität der Stakeund Shareholdertheorie gesprochen. Vgl. stellvertretend: Skrzipek (2005), S. 122-124; Welge/Al-Laham (2003), S. 178; Volkart (1998), S. 38. Herausragendes Charakteristikum mittelständischer Unternehmen ist die enge Verknüpfung von Eigentum und Unternehmensleitung. Vgl. Kapitel II 1.1. Vgl. Schildbach (1975), S. 20; Lange (1989), S. 75; Schmidt (1967), S. 233f. Vgl. March (1990), S. 117.
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IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
rung bzw. Ausweitung ihrer Beteiligungshöhe hängt davon ab, inwieweit ihre individuellen Ziele bzw. Ansprüche durch die Unternehmung realisiert wurden oder zukünftig werden. Zur Beurteilung des Zielerreichungsgrades und damit der Fundierung ihrer Entscheidung sind die Beteiligten auf Informationen von Seiten des Unternehmens angewiesen. 1 Die Rechnungslegung wird zu einem „unternehmungsexternen Informationsinstrument“2. 2.3
Informationsvermittlung als Zweck der Rechnungslegung
Sowohl national als auch international ist die Vermittlung von Informationen zur Unterstützung der Rechnungslegungsadressaten bei ökonomischen Entscheidungen als Rechnungslegungszweck anerkannt.3 Nach Haller ist diese „der Rechnungslegung weltweit beigelegte Zielsetzung, nützliche Informationen für ökonomische Entscheidungen unterschiedlicher Personen und Personengruppen bereitzustellen, […] die zentrale Anforderung, die an jedes Rechnungslegungsinstrument […] zu stellen ist.“4 Gemäß Pellens et al. kann der „grundlegende Zweck einer jeden Rechnungslegung, der Metazweck, […] als gezielte Reduktion der Informationsasymmetrie zwischen Rechnungsleger und Rechnungslegungsadressaten verstanden werden.“5 Während die internationalen Rechnungslegungsstandards die entscheidungsnützliche Informationsvermittlung seit je her als alleinigen Rechnungslegungszweck verfolgen, rückt nach Umsetzung des BilMoG auch im nationalen Bilanzrecht die „Informationsfunktion der Handelsbilanz […] in den Vordergrund“.6 Empirische Studien belegen, dass die Informationsvermittlung auch aus Sicht der mittelständischen Unternehmen zunehmend eine zentrale Funktion der Rechnungslegung darstellt.7 Hierbei ist explizit darauf hinzuweisen, dass der hier auf koalitionstheoretischer Basis abgeleitete Zweck der Informationsvermittlung nicht wie in der internationalen Rechnungslegung oder oftmals in der Literatur üblich mit einer ausschließlich für Investorenentscheidungen nützlichen Bereitstellung von Informationen gleichgesetzt wird. Ihre Aufgaben erfüllen die Rechnungslegungsinformationen immer dann, wenn sie „zweckorientiertes Wissen“8 darstellen und somit für Entscheidungen der Adressaten relevant sind. Die Analyse, für welche Art 1 2 3
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Vgl. Volk (1990), S. 44; Schildbach (1986), S. 7. Achleitner (1995), S. 37; ähnlich: Coenenberg (2005b), S. 1179. Vgl. Baetge (1976), S. 24-30; Moxter (1976b), S. 96f.; Solomons (1986), S. 86; Leffson (1987), S. 98-107; Haller (1997), S. 261; Pellens et al. (2008), S. 3; Wolz (2003), S. 220; Achleitner (1995), S. 36; Volk (1995), S. 32; Wüstemann (2002), S. 16-19; Böcking/Herold/Müßig (2004c), S. 631; Federmann (2000), S. 47; Winnefeld (2006), Einf Rn. 20; Burger/Buchhart (2000), S. 2197. Während über die Informationsfunktion als Rechnungslegungszweck Einigkeit besteht, ist jedoch deren Gewichtung im Vergleich zum Rechnungslegungszweck der Einkommensermittlung in Deutschland umstritten. Vgl. Wüstemann (2002), S. 18; Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 102f. Haller (1997), S. 263. Pellens et al. (2008), S. 3. BilMoG-RegE Begr. A. Allgemeiner Teil. Vgl. DRSC/Haller/Eierle (2007), S. 9f.; Oehler (2006b), S. 24. Wittmann (1959), S. 14.
2 Zweck der Rechnungslegung
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von Entscheidungen sie relevant sein sollen, obliegt den nachfolgenden Kapiteln. Auch resultiert aus der formalen Identität des Rechnungslegungszwecks der mittelstandsadäquaten Rechnungslegung mit dem der originären IFRS und des IFRS for SMEs,1 wie im weiteren Verlauf der Untersuchung deutlich wird, nicht zwingend eine identische inhaltliche Ausgestaltung der spezifischen Rechnungslegungsnormen oder der abzuleitenden Anforderungskriterien.2 Zudem ist die monofunktionale Fokussierung auf die entscheidungsnützliche Informationsvermittlung nicht gleichbedeutend mit einer vollständigen Aufgabe jeglicher kapitalerhaltender Elemente in der Rechnungslegung, da Kapitalerhaltung und Informationsvermittlung nicht zwingend im Widerspruch zueinander stehen.3 2.4.
Erfordernis der Adressatenorientierung
Aus dem Rechnungslegungszweck der Informationsvermittlung resultiert das Erfordernis der Adressatenorientierung,4 da bereitgestellte Informationen nur für Entscheidungen nützlich sein können, wenn sie den Informationsbedürfnissen der Adressaten entsprechen. Die Entscheidungsrelevanz einer Information ist aus informationswissenschaftlicher Perspektive von der individuellen Entscheidungssituation des Adressaten und der von ihm subjektiv empfundenen Nützlichkeit abhängig.5 „Eine von Individuen unabhängige, in diesem Sinne objektive Entscheidungsnützlichkeit gibt es nicht.“6 Voraussetzung für die Entscheidungsrelevanz einer Information ist folglich die Kenntnis des aus den Zielen und Entscheidungssituationen der einzelnen Adressaten resultierenden Informationsbedarfs. Dementsprechend sind zur inhaltlichen Konkretisierung der Anforderungskriterien nach Ermittlung des Rechnungslegungszweckes die Adressaten der mittelständischen Rechnungslegung und die aus ihren finanziellen Zielen resultierenden Informationsbedürfnisse zu analysieren. „The relative desirability of different characteristics can be judged only in the light of the needs the information is to serve“.7 Durch diese Vorgehensweise gelingt es, die Charakteristika mittelständischer Unternehmen und die hieraus folgenden spezifischen Anforderungen an die Rechnungslegungsinformationen bereits während der Ableitung der Anforderungskriterien und damit in der inhaltlichen Ausgestaltung der Kriterien zu berücksichtigen. Somit kann auf eine Zuhilfenahme zusätzli-
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Auch die multifunktionale handelsrechtliche Rechnungslegung umfasst den Zweck der Informationsvermittlung. Vgl. Leffson (1987), S. 55-58; Baetge/Kirsch/Thiele (2001), S. 83-86. Vgl. Kapitel IV 3.3 und 4.1. Ähnlich: Ballwieser (1982), S. 773f.; Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 104. Auch das IASB betont die Bedeutung der Adressatenorientierung im Rahmen der Entwicklung des IFRS for SME. Vgl. ED-SME BC 24-26; IASB (2004a), Tz. 16. Vgl. Grotz-Martin (1983), S. 145; Laux (2005), S. 370f. Ballwieser (2006), S. 15. Solomons (1986), S. 70.
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IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
cher mittelstandsspezifischer Kriterien verzichtet werden. 1 Die Vorgehensweise erscheint im Hinblick auf das Forschungsziel der Untersuchung vorteilhaft, da nicht die Modifikation eines bereits bestehenden Rechnungslegungssystems, sondern die Beurteilung dessen Eignung für die mittelständische Rechnungslegung angestrebt wird. Um im weiteren Verlauf der Arbeit den Adressatenkreis der mittelständischen Rechnungslegung und die daraus resultierenden an die Rechnungslegung zu stellenden Informationsanforderungen ermitteln zu können, sind zunächst die in der ökonomischen Wissenschaftstheorie zur Ableitung der Informationsanforderungen und inhaltlichen Konkretisierung der Anforderungskriterien grundsätzlich in Frage kommenden Methoden zu untersuchen und hinsichtlich ihrer Eignung zu bewerten. 3
Methoden zur Ableitung der Anforderungskriterien
Im Sinne der Erkenntnistheorie ist zunächst die Frage zu klären, welche Methoden zur Gewinnung „objektiver“, „wahrer“ Erkenntnisse geeignet sind. Zur Ableitung der Anforderungen kommen die Deduktion durch Intellektualismus oder die Induktion auf Basis des Empirismus in Frage.2 3.1
Logisch-deduktive Methode
In der deduktiven Forschungslogik werden aus einem gegebenen Axiom nach den Gesetzen der Logik Schlussfolgerungen abgeleitet. 3 Man spricht in diesem Zusammenhang von einem axiomatischen oder deduktiven System.4 In der Rechnungslegungstheorie kann dies als eine sachlogische Ableitung von Folgeprinzipien aus übergeordneten Rechnungslegungszwecken aufgefasst werden.5 Übertragen auf das hier verfolgte Ziel bedeutet es, die Anforderungskriterien „durch Nachdenken“6 ausgehend vom axiomatisch feststehenden Zweck der Rechnungslegung zu deduzieren. Voraussetzung für eine wertungsneutrale Deduktion ist die Homogenität der Informationsinteressen der einzelnen Anspruchsgruppen.7 Wie die Analyse der Informationsinteressen der mittelständischen Abschlussadressaten zeigen wird, sind diese individuell verschieden und stehen teilweise in einer konfliktären Beziehung zueinander. Dies gilt sowohl für die Interessen zwischen den Anspruchsgruppen als auch innerhalb der einzelnen Anspruchsgruppen. Die 1
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Zusätzliche mittelstandsspezifische Kriterien werden bspw. von Ull eingesetzt, vgl. Ull (2006b), S. 100-106. Auch das IASB setzt im Rahmen der Entwicklung des IFRS for SMEs zusätzliche Kriterien zur Modifikation der originären IFRS ein. Vgl. Kapitel II 3. Vgl. Zimmermann/Werner (2004), S. 151. Vgl. Eberhard (1999), S. 29. Vgl. Opp (2002), S. 173. Vgl. Leffson (1987), S. 30; Federmann (2000), S. 130. Döllerer (1959), S. 656. Vgl. Wüstemann (2002), S. 104; Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 107.
3 Methoden zur Ableitung der Anforderungskriterien
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inhomogenen Informationsinteressen der Adressaten beeinflussen die an die Rechnungslegung zu stellenden Informationsanforderungen und somit die inhaltliche Konkretisierung der zu deduzierenden Kriterien. Sie verhindern die Verwirklichung einer normativ optimalen Rechnungslegung1 und schränken die Möglichkeit einer wertungsneutralen Deduktion erheblich ein.2 Die konfligierenden Informationsinteressen können letztlich nicht aufgelöst, sondern nur durch Wertungen legitimiert werden.3 Eine wertfreie Deduktion der Anforderungskriterien aus dem Rechnungslegungszweck unter Berücksichtigung der Informationsanforderungen aller Abschlussadressaten ist ausgeschlossen. Wertungen sind die bei der Ableitung der Anforderungskriterien erforderlichen Abwägungen. Sie können als Wertentscheidungen oder Dezision interpretiert werden.4 Das heißt, die hier abzuleitenden Informationsanforderungen sind zwar deduktiv zu ermitteln, können aber nicht durch reine Deduktion aus dem festgelegten Rechnungslegungszweck gewonnen werden, sondern erfordern eine wertende Konkretisierung.5 Diese Wertungen sind jedoch nicht mit Willkür gleichzusetzen.6 Kritisch ist anzumerken, dass mit der rein auf Rationalität und Plausibilitätsüberlegungen basierenden Vorgehensweise der logisch-deduktiven Methode die Gefahr einer Divergenz der theoretisch deduzierten Informationsanforderungen und der jeweiligen Informationsbedürfnisse in der Praxis einhergeht.7 Diesem Kritikpunkt soll durch Anwendung empirischinduktive Methoden begegnet werden.8 3.2
Empirisch-induktive Methode
Die induktive Forschungslogik besteht in der Schlussfolgerung von empirischer Beobachtung auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten.9 Übertragen auf das hier verfolgte Ziel, bedeutet dies, dass die Ableitung der Informationsbedürfnisse und ihre Operationalisierung in Form der Anforderungskriterien durch empirische Untersuchungen mit Hilfe individueller Befragungen der Adressaten oder auf Basis von Experimenten mit Versuchspersonen geschehen.10 Empirisch-induktive Verfahren weisen den Mangel auf, dass die induktiven Schlüsse nicht logisch zwingend sind, da anhand von empirisch beobachteten Einzelphänomenen nicht allgemeine Gesetzmäßigkeiten nachgewiesen werden können. Die induktive Forschungslogik
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Vgl. Pellens et al. (2008), S. 17; ähnlich: Böcking (1998), S. 31. Vgl. Wüstemann (2002), S. 105; Zimmermann/Werner (2004), S. 152f. Vgl. Moxter (2002), Sp. 1042; Ballwieser (1993), S. 122. Vgl. Beisse (1997), S. 403. Vgl. Beisse (1990), S. 502; Schneider (1997), S. 108. Vgl. Schnell/Hill/Esser (1999), S. 84f.; Larenz (1983), S. 17f. Vgl. Federmann (2000), S. 130; Ballwieser (1997b), S. 387; Ballwieser (1985), S. 28f. Vgl. Zimmermann/Werner (2004), S. 158. Vgl. Eberhard (1999), S. 32. Vgl. Haug (2004), S. 86; Lange (1989), S. 79.
86
IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
eignet sich demnach nicht zur Verifikation, sondern allenfalls zur Falsifikation von Hypothesen bzw. Theorien.1 Zudem weisen die Verfahren zur empirischen Gewinnung der als Grundlage der Induktion dienenden Erkenntnisse methodische Schwächen auf, so dass sie „keine eindeutigen, operationalen Kriterien für die Beurteilung vorhandener bzw. für die Ausgestaltung neuer (verbesserter) externer Jahresabschlussinformationen liefern.“ 2 Dies ist auf eine Vielzahl von Gründen zurückzuführen. So sind Befragte oftmals damit überfordert, ihre Ziele zu formulieren und daraus abgeleitete Informationsbedürfnisse anzugeben. 3 Ihre Antworten können durch die Vorgaben des Fragebogens oder das Bemühen, den Erwartungen zu entsprechen,4 sowie durch die bereits in der Vergangenheit zur Verfügung gestandenen und deshalb benützten Informationen beeinflusst werden.5 Außerdem besteht die Gefahr, dass die Entscheidungsträger ihre Informationsbedürfnisse nicht nennen, weil sie sich von ihrer Geheimhaltung Vorteile versprechen.6 Die Übertragung der individuell geäußerten Informationsbedürfnisse auf die gesamte Gruppe von Adressaten ist ebenfalls kritisch zu sehen, da Informationsbedürfnisse von der individuellen Risikostruktur und dem aktuellen Informationsstand der einzelnen Adressaten abhängen.7 Im Rahmen von Experimenten ist zusätzlich zur externen Validität auch die interne Validität der Ergebnisse kritisch zu beurteilen. Da das Verhalten der Versuchpersonen zumeist vom tatsächlichen Entscheidungsverhalten in der Realität abweicht und die Kontrolle potenzieller Einflussvariablen in der Praxis misslingt, lassen Experimente im Regelfall keine allgemeingültigen Aussagen bezüglich des tatsächlichen Informationsbedarfs zu.8 Aufgrund der dargestellten Nachteile ist die empirisch-induktive Methode zur Ableitung der Informationsanforderungen nur eingeschränkt geeignet. 9 Sie dient eher der Erklärung, ob und in welcher Intensität sich bestimmte zur Verfügung gestellte Informationen auf die Adressaten auswirken.10 Ihr kommt folglich die Aufgabe zu, deduzierte Informationsanforderungen zu bestätigen bzw. zu falsifizieren.11
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Vgl. Eberhard (1999), S. 34f.; Zimmermann/Werner (2004), S. 158. Lange (1989), S. 87. Vgl. Moxter (1964), S. 8. Vgl. Raab/Unger/Unger (2004), S. 102f. Vgl. Busse von Colbe (1968), S. 34. Vgl. Ballwieser (2006b), S. 16. Vgl. Lange (1989), S. 82. Vgl. Wolz (2003), S. 225; Für eine kritische Analyse der internen und externen Validität der Ergebnisse von Experimenten vgl. Gebhardt (1980), S. 73-75. Vgl. Döllerer (1959), S. 653; Opp (2002), S. 168f.; Wüstemann (2002), S. 115; Förschle (2006a), § 243 HGB, Rn. 12-14; Adler/Düring/Schmalz (2007a), § 243 HGB, Rn. 13. Vgl. Möller/Hüfner (2002a), Sp. 442. Vgl. Schnell/Hill/Esser (1999), S. 55-83; Es ist streng zwischen den Begriffen „Bestätigung“ und „Verifikation“ zu trennen. Mittels empirisch-induktiver Methoden können Hypothesen oder Theorien falsifiziert oder
3 Methoden zur Ableitung der Anforderungskriterien
3.3
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Hermeneutische Methode
Die Ableitung der Anforderungskriterien setzt eine methodische Vorentscheidung über die dominierend anzuwendende Ermittlungsmethode voraus.1 Wie die obigen Ausführungen belegen, erscheint weder die reine Induktion durch Empirismus noch die reine Deduktion auf Basis des Intellektualismus hierfür geeignet. Hieraus folgt die Anwendung der hermeneutischen Methode.2 Sie berücksichtigt als interdisziplinäre Methode der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften die Elemente der Induktion und Deduktion, um eine begründete Entscheidung abzuleiten.3 Als anerkanntes Instrument der juristischen Methodenlehre dient die Hermeneutik dem ganzheitlichen Verständnis des Gesetzes durch systematische und im Zusammenhang erfolgende Prüfung bestimmter Auslegungskriterien.4 Neben der Auslegung gesetzlicher Normen kann die hermeneutische Methode auch die Gewinnung von Grundsätzen aus betriebswirtschaftlicher Perspektive unterstützen. Dabei basiert die Hermeneutik nicht zwingend auf einer formalen Logik, sondern stellt eine Methode zur verbalen Textanalyse dar, in welche sowohl Methoden der Induktion als auch Deduktion einfließen.5 Es gilt vom Einzelelement auf das Allgemeine und Ganze zu schließen, um danach erneut die Konsequenzen für das Einzelne zu betrachten. Im Rahmen der ganzheitlichen Betrachtung wird nach einem Vorverständnis verlangt, welches sich als gegebenenfalls „revisionsbedürftige Hypothese“ 6 erweisen kann. Durch Verwerfung der ursprünglichen Hypothese wird eine verbesserte Hypothese gewonnen, die den Erkenntnisprozess bereichert. Die Gewinnung der Erkenntnisse erfolgt quasi durch Herantasten, also eine schrittweise Konkretisierung. Baetge/Kirsch beschreiben den Prozess anschaulich als „hermeneutische Spirale“7. Die Adressaten bzw. Adressatengruppen der Rechnungslegung weisen unterschiedliche Zielfunktionen und Entscheidungssituationen auf, weshalb der Nutzen einzelner Rechnungslegungsinformationen für sie individuell verschieden ist. 8 Wie bereits erwähnt, schränken die daraus resultierenden inhomogenen Informationsinteressen der Adressatengruppen eine wer-
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bestätigt werden. Eine Verifikation, d.h. ein endgültiger Wahrheitsnachweis durch empirisch-induktive Methoden ist jedoch ausgeschlossen. Vgl. Eberhard (1999), S. 42. Vgl. Larenz (1983), S. 45. Vgl. Eberhard (1999), S. 95; Ballwieser (1995), S. 46. Vgl. Förschle (2006a), § 243, Rn. 18; Federmann (2000), S. 132. Dies sind nach Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 108: Wortlaut und Wortsinn, Bedeutungszusammenhang und Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Vorschriften sowie Gesetzesmaterialien und Ansichten des Gesetzgerbers, betriebswirtschaftliche bzw. objektiv-teleologische Gesichtspunkte und Verfassungskonformität. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 110f. Zur Entwicklung der Anforderungskriterien ist zwangsläufig auf die folgenden hermeneutischen Auslegungskriterien zu verzichten: Wortlaut und Wortsinn der jeweiligen gesetzlichen Vorschrift, Entstehungsgeschichte des Gesetzes, die vom Gesetzgeber gesetzten Zwecke. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 110. Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 113. Baetge/Kirsch (1995), Rn. 259f. Vgl. Preißler (2005), S. 44-49; Heumann (1996), S. 20.
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IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
tungsneutrale Deduktion der Anforderungskriterien erheblich ein und verhindern die Realisierung einer normativ optimalen Rechnungslegung. Die Exklusion eines optimalen Resultats stellt jedoch keine Rechtfertigung dafür dar, den Versuch einer Verbesserung zu unterlassen. Sie verdeutlicht vielmehr, dass die Ableitung der an die Rechnungslegung zu stellenden Informationsanforderungen und insbesondere die Ableitung der Kriterien, die der Würdigung der jeweiligen Rechnungslegungsnormen im Hinblick auf die Erfüllung der Informationsanforderungen dienen, aus bilanztheoretischer Perspektive eine Operationalisierung des Adressatenkreises in Form von Eingrenzung und Gewichtung bedingen. Ballwieser warnt in diesem Zusammenhang vor der Gefahr einer einseitigen Konzentration auf nur eine Adressatengruppe, deren Bevorrechtigung zudem nur unzureichend begründbar sei.1 Gleichzeitig kommt er zu dem Ergebnis, dass „relativ restriktive Annahmen über Adressaten und Adressateninteressen unumgänglich sind, wenn man zu eindeutigen Bilanzierungsregeln gelangen will.“2 Die Ableitung der Kriterien erfordert somit eine wertende Konkretisierung der Informationsanforderungen und „folgt im Grundsatz der bilanztheoretischen Erkenntnis, dass es ‚richtige’ Rechnungslegungsregeln und ein ‚richtiges’ Periodenergebnis nicht gibt“.3 Die Rechnungslegung ist kein neutrales Instrument, das die wirtschaftliche Realität objektiv abbildet, sondern immer zweckabhängig definiert.4 Letztlich kann die Ableitung der Kriterien nur auf Plausibilitätsüberlegungen basieren, die heuristisch durch permanente Rekursion auf das eigentliche Ziel und durch Revision der gewonnen Erkenntnisse iterativ verfeinert werden. Die Informationsanforderungen werden somit im Rahmen der teleologischen Methode 5 ermittelt, indem ihre Konkretisierung wertend unter Anwendung der hermeneutischen Methode als Synthese der beiden gegensätzlichen Methoden Induktion und Deduktion erfolgt. 6 Um der von Ballwieser geäußerten Kritik zu begegnen, gilt es „über intersubjektiv nachprüfbare Wertungen zu einem intersubjektiv nachprüfbaren Ergebnis“7 zu gelangen, wobei durch gegebenenfalls abweichende Wertungen auch ein abweichendes Ergebnis begründbar ist. In den folgenden Kapiteln sind demnach die spezifischen Informationsanforderungen der Adressaten der mittelständischen Rechnungslegung unter Berücksichtigung des Rechnungslegungszwecks zu eruieren, zu gewichten und mit Hilfe von Anforderungskriterien zu operationalisieren.
1 2 3 4 5 6 7
Vgl. Ballwieser (1982), S. 775. Ballwieser (1982), S. 791. Pellens/Fülbier (2000), S. 587. Vgl. Achleitner (1995), S. 46. Vgl. Leffson (1987), S. 35; Winnefeld (2006), Einf Rn. 77. Vgl. Beisse (1990) S. 502f.; Beisse (1993), S. 81f.; Moxter (2002), Sp. 1042. Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 108; ähnlich: Leffson (1987), S. 36.
4 Rechnungslegungsadressaten und deren Informationsinteressen
4
Rechnungslegungsadressaten und deren Informationsinteressen
4.1
Mittelständische Rechnungslegungsadressaten
89
Die Rechnungslegung kann ihrer Schutzfunktion gegenüber den einzelnen Adressaten nur durch eine an den Informationsinteressen der Adressaten ausgerichteten Informationsvermittlung gerecht werden.1 Vor der Analyse der Informationsinteressen sind logisch zwingend die Rechnungslegungsadressaten zu bestimmen. „Ohne einen wohldefinierten Adressaten ist keine sinnvolle Rechenschaft denkbar.“ Eine „’adressatenneutrale’ und deshalb sinnentleerte Rechenschaft“ wäre die Folge.2 Die an Rechnungslegungsinformationen interessierten Personen und Institutionen können unabhängig vom Rechnungslegungssystem festgestellt werden. 3 Die Bestimmung der Rechenschaftsadressaten setzt jedoch eine Abgrenzung zu Rechenschaftsempfängern und -interessenten voraus. Adressaten zeichnen sich im Gegensatz zu Empfängern und Interessenten dadurch aus, dass ihnen Rechtsansprüche gegenüber dem Unternehmen zustehen.4 Der Kreis der Adressaten stimmt somit mit der oben definierten Gruppe der Stakeholder überein. Nur die Informationsbedürfnisse der Adressaten determinieren die an die Rechnungslegung zu stellenden Informationsanforderungen. Zu den Rechnungslegungsadressaten zählen:5 -
Eigentümer und Unternehmensleitung,
-
Kreditinstitute,
-
Marktpartner (Lieferanten und Abnehmer),
-
Arbeitnehmer und ihre Vertretungen,
-
Fiskus sowie die
-
allgemeine Öffentlichkeit.
Da die aus den Zielen und Entscheidungssituationen der Rechnungslegungsadressaten resultierenden Informationsbedürfnisse auch innerhalb der jeweiligen Adressatengruppen nicht zwangsläufig homogen sind,6 hat die Analyse der Informationsinteressen typisierend zu erfolgen.7
1
2 3 4 5 6 7
Vgl. Moxter (2002), Sp. 1049; Coenenberg (2005b), S. 1173; Bieg (1983), S. 48; Ballwieser (2005), Rn. 75; Ijiri/Jaedicke (1966), S. 480. Alle Zitate: Moxter (1976b), S. 94f. Vgl. Kapitel IV 2; ergänzend: Bieg (2006b), S. 8. Vgl. Moxter (1976b), S. 95f. Vgl. Baetge/Thiele (1997), S. 13f. Vgl. Wüstemann (2002), S. 105; Ballwieser (1982), S. 785. Vgl. March (1990), S. 117f.
90
IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
Die Zielstruktur der Adressaten umfasst in der Regel sowohl monetäre als auch nichtmonetäre Ziele. Nichtmonetäre Ziele können z.B. in der Verfolgung ökologischer Interessen wie der des Umweltschutzes und des nachhaltigen Wirtschaftens, aber auch in sozialen und insbesondere gesellschaftlichen Zielen, wie bspw. Macht- oder Prestigestreben, bestehen. Das Instrument der Rechnungslegung dient ausschließlich als Maßstab der Realisierung monetärer Zielvorstellungen. Bezüglich der individuellen Präferenzstruktur der Adressaten lässt sich keine objektive Aussage treffen. Eine Messung nichtmonetärer Ziele erscheint - zumindest mit Hilfe der Rechnungslegung - nicht operationalisierbar. Nichtfinanzielle Ziele werden deshalb im weiteren Verlauf der Arbeit vernachlässigt. 1 Die finanziellen Interessen der Adressaten dürften in der Regel eine dominierende Stellung innerhalb der Zielstruktur einnehmen. 2 Als übergeordnetes Ziel aller Adressaten wird die Optimierung ihres als Gegenleistung zum Koalitionsbeitrag zufließenden Zahlungsstroms unterstellt, der ihre Konsumausgaben alimentiert.3 Die finanzielle Zielvorstellung wird folglich „direkt an den letzten finanziellen Werten (den Konsumausgaben) orientiert“ und kann damit als Ausgangspunkt der nachfolgenden Analyse fungieren. Aus dem übergeordneten Ziel können sich für die einzelnen Adressatengruppen divergierende Teilziele ergeben, die wiederum mit einem spezifischen Informationsinteresse verbunden sind. 4.2
Informationsinteressen mittelständischer Rechnungslegungsadressaten
4.2.1
Eigentümer und Unternehmensleitung
4.2.1.1 Informationsinteressen Die Adressatengruppe der Eigentümer besteht in mittelständischen Unternehmen im Gegensatz zu kapitalmarktorientierten Unternehmen nicht aus einer Vielzahl anonymer Investoren, sondern einem kleinen Kreis von Eigentümern, oftmals Familienangehörigen.4 Zurückzuführen ist dies auf die unterschiedlichen Finanzierungsstrukturen der Unternehmen. Mittelständische Unternehmen finanzieren sich nicht über den öffentlichen Kapitalmarkt. Ihre Finanzierung basiert auf Krediten sowie der Innenfinanzierung aus thesaurierten Gewinnen und Abschreibungen. Die für kapitalmarktorientierte Unternehmen typischen Informationsasymmetrien zwischen der Unternehmensführung und einer großen Zahl uninformierter Anteilseigner treffen auf mittelständische Unternehmen demnach nicht zu.5 1 2 3
4
5
Ähnlich: Lang (1989), S. 76; Moxter (1966), S. 37. Vgl. Moxter (1964), S. 11; Streim (1994), 399; Coenenberg (2005b), S. 14. Vgl. Moxter (1966), S. 38; Schildbach (1975), S. 19f.; Ballwieser (1985a), S. 24. Nicht monetäre Interessen der Adressaten bleiben unberücksichtigt: Vgl. Lang (1989), S. 76; Federmann (2000), S. 41. Ein wesentliches Abgrenzungskriterium mittelständischer Unternehmen ist die enge Verknüpfung von Eigentum und Leitung. Vgl. Kapitel II 1.1.3. Vgl. Kapitel III 3.2.1.
4 Rechnungslegungsadressaten und deren Informationsinteressen
91
Die Eigentümer bzw. Eigentümerfamilien sind in die Leitung des Unternehmens integriert und treffen unternehmensrelevante Entscheidungen in der Regel eigenverantwortlich. 1 Sie beziehen ihr laufendes Einkommen in Form von Geschäftsführerbezügen oder Gewinnausschüttungen aus dem Unternehmen.2 Somit interessieren sie sich für die Höhe, zeitliche Struktur und Breite des zukünftig zu erwartenden Einkommensstroms.3 Für die Eigentümer als Empfänger des Residualeinkommens ist der zukünftige Zahlungsstrom maßgeblich von einer positiven Entwicklung des Unternehmens abhängig. Eigenkapitalgeber benötigen deshalb Informationen über die Ertragslage und insbesondere die Ertragspotenziale des Unternehmens,4 um die zukünftigen Überschüsse des Unternehmens zu prognostizieren. Im Gegensatz zu den eher kurzfristigen Informationsbedürfnissen der Adressaten kapitalmarktorientierter Unternehmen stehen für die Eigentümer mittelständischer Unternehmen langfristige Entwicklungen im Vordergrund. Von höchster Priorität ist für die Eigentümer der Erhalt der Einkommensquelle, das heißt die Existenzsicherung des Unternehmens.5 Dementsprechend ist die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens von besonderer Bedeutung. Das Informationsbedürfnis der Eigentümer erstreckt sich folglich nicht nur auf das Erkennen positiver Unternehmensentwicklungen, sondern auch auf die frühzeitige Prognose negativer Unternehmensentwicklungen,6 da diese langfristig ihren Einkommensstrom gefährden. 4.2.1.2 Bedeutung von Rechnungslegungsinformationen Obgleich der Rechnungslegung auch die Aufgabe der Selbstinformation des Kaufmanns zukommt,7 dient sie vornehmlich dem Schutz Dritter, dem der externen Adressaten.8 Leffson interpretiert die Pflicht zur Selbstinformation als einen Akt des Gläubigerschutzes, wenn er feststellt, dass die „rechtzeitige Selbstinformation des Kaufmanns durch einen Jahresabschluß […] Konkursvermeidung zum Schutze der Gläubiger wie des Kaufmanns selbst“ bezwecke.9 Eigentümer und Unternehmensleitung mittelständischer Unternehmen gehören nicht zu den primär schutzwürdigen Adressaten, da sie nicht auf die Informationsvermittlung durch Rechnungslegung angewiesen sind. Die Eigentümer mittelständischer Unternehmen, die zumeist auch in die Unternehmensleitung involviert sind, verfügen aufgrund ihrer Position im Unter1 2 3 4 5
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Vgl. Kapitel II 1.1.3. Vgl. Moxter (1964), S. 11. Vgl. Moxter (1966), S. 38. Vgl. Ballwieser (1987), S. 60. Vgl. Baetge/Kirsch/Thielen (2005), S. 6; Welge/Al-Laham (2003), S. 123; Haller (1997), S. 279; Poll (2006), S. 85. Vgl. Burger/Buchhart (2000), S. 2199. Vgl. Leffson (1987), S. 55f.; Schneider (1997), S. 29; Böcking (2001), S. 1437. Vgl. Ballwieser (2002b), S. 115. Leffson (1987), S. 55f.
92
IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
nehmen regelmäßig über Zugang zu internen Informationen und damit Informationsquellen, die dem Jahresabschluss überlegen sind.1 Aus Sicht der Eigentümer kann somit nur ein eingeschränktes Interesse an der Rechnungslegung als Informationsmedium vermutet werden. Die Rechnungslegung dient nicht der Befriedigung ihrer originären Informationsbedürfnisse,2 weshalb sie in den Informationen der Rechnungslegung oftmals keinen zusätzlichen Nutzen erkennen. Für die Eigentümer ist es vielmehr von Bedeutung, den Anforderungen der normierten Rechnungslegung mit möglichst geringerem Aufwand gerecht zu werden. Die Funktion des externen Rechnungswesens ist im Mittelstand zumeist nur rudimentär ausgebildet. Gewünscht wird deshalb eine weitgehende Annäherung des externen Rechnungswesens an das Controlling, um die gesetzlichen Anforderungen zeit- und kostengünstig erfüllen zu können. 4.2.2 Kreditinstitute 4.2.2.1 Informationsinteressen Kreditinstitute treffen Entscheidungen über die Gewährung von Krediten und deren Prolongation bzw. Kündigung.3 Die Höhe und zeitliche Struktur ihrer Zahlungsansprüche - ihres Einkommensstroms aus dem Schuldnerunternehmen - sind gewöhnlich in Form von Zins- und Tilgungszahlungen vertraglich fixiert,4 so dass die Kreditinstitute vor der Herausforderung stehen, die Bonität, das heißt die Fähigkeit des Unternehmens zur fristgerechten Leistung der vertraglich vereinbarten Zins- und Tilgungszahlungen, zu beurteilen.5 In Rahmen der Bonitätsprüfung prognostizieren die Kreditgeber die Ausfallwahrscheinlichkeit des Kredites, die vom Insolvenzrisiko des Kreditnehmers abhängt, und die Verlustquote, also die Höhe des Kreditverlustes im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers.6 Zur Bestimmung des potenziellen Kreditverlustes sind Informationen über den NettoLiquidationserlös unter Berücksichtigung sämtlicher Vermögenswerte und der gesamten Auszahlungsverpflichtungen des Unternehmens erforderlich. Hierbei sind insbesondere rechtliche oder gesetzliche Auszahlungsprivilegien, die die verfügbare Vermögensmasse vermindern, einzubeziehen.7 Informationen zur Ermittlung des potenziellen Kreditverlustes kann der handelsrechtliche Jahresabschluss aufgrund der going concern-Prämisse nur eingeschränkt lie1 2 3 4 5 6
7
Vgl. Hüttche (2002), S. 1804; Schildbach (2002), S. 271. Vgl. Volk (1987), S. 724; Kußmaul/Henkes (2006), S. 2239. Vgl. Federmann (2000), S. 43; Schildbach (1975), S. 250. Vgl. Schneider (1997), S. 318; Coenenberg (2003), S. 1144. Vgl. Massenberg/Borchardt (2007), S. 348; Streim/Bieker/Leippe (2001), S. 181. Vgl. Streim (2000), S. 120; bzgl. der zu berücksichtigenden Parameter im internen Rating Ansatz gem. Basel II vgl. stellvertretend: Paul (2006), S. 306f. Zu nennen sind hier Eigentumsvorbehalte der Lieferanten, Grundpfandrechte, Sicherungsübereignungen, Forderungsabtretungen, Ansprüche der Arbeitnehmer auf ausstehende Löhne und Gehälter, Steuerschulden etc. Vgl. Lange (1989), S. 145f.
4 Rechnungslegungsadressaten und deren Informationsinteressen
93
fern.1 Sie sind jedoch ohnehin von untergeordnetem Interesse, da den nicht bevorrechtigten Gläubigern im Regelfall nur sehr geringe Konkursquoten zustehen, sofern überhaupt ein Insolvenzverfahren eröffnet wird.2 Das Hauptinteresse der Gläubiger liegt nicht in der Quantifizierung eines möglichen Kreditverlustes, sondern in der Frage mit welcher Wahrscheinlichkeit es überhaupt zu einer Insolvenz des Unternehmens kommt.3 Entscheidend ist folglich die Wahrscheinlichkeit von Vertragsstörungen, die im Extremfall in eine Insolvenz des Unternehmens münden.4 Das Informationsbedürfnis der Gläubiger ist primär auf den frühzeitigen Ausweis negativer Unternehmensentwicklungen gerichtet. Informationen über positive Entwicklungen sind für sie von sekundärer Bedeutung, da sie aufgrund ihrer vertraglich fixierten Zahlungsansprüche im Gegensatz zu den Eigentümern von höheren Erträgen nicht profitieren.5 Gläubiger, die ihr Risiko durch Kreditsicherungsrechte reduziert haben, sind insbesondere an Informationen über den Wert der als Kreditsicherung dienenden Vermögenswerte interessiert.6 Dies befreit sie jedoch nicht vollständig von der laufenden Kreditüberwachung, so dass die Informationsanforderungen der gesicherten Gläubiger weitgehend mit denen der ungesicherten Gläubiger übereinstimmen.7 4.2.2.2 Bedeutung von Rechnungslegungsinformationen Um im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung objektive Aussagen bezüglich des Insolvenzrisikos treffen zu können, sind Informationen, die im Rahmen der retrospektiven Bonitätsanalyse mittels vielfältiger Analysemethoden ausgewertet werden, von entscheidender Bedeutung.8 So lassen sich bspw. durch die Ermittlung von Rentabilitäts-, Liquiditäts- und Kapitalstrukturkennzahlen mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf valide Aussagen über das Insolvenzrisiko eines Unternehmens treffen.9 Oftmals werden die maßgeblichen Fremdkapitalgeber aufgrund ihrer langjährigen und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Unternehmen (Haus1
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3 4 5 6 7
8
9
Vgl. Moxter (1966), S. 53; Coenenberg (2003), S. 1145. Zudem sind ex ante keine realitätsnahen Liquidationswerte ermittelbar. Vgl. Leffson (1987), S. 76. Im Fall der Insolvenz ist zusätzlich zur handels- und steuerrechtlichen Rechnungslegungspflicht im Rahmen einer insolvenzrechtlichen Rechnungslegung ein Masseverzeichnis aufzustellen, in dem alle verwertbaren Gegenstände einzeln zu Liquidationswerten aufzuführen sind. Dies gilt auch für nach Handelsrecht nicht aktivierbare Werte, wie bspw. nicht entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände. Vgl. Förschle/Weisang (2002), S. 651-665, insbes. 13f. Vgl. Cahn (2005), S. 9. Im Jahr 2003 wurden ca. 50% aller Insolvenzverfahren mangels Masse abgewiesen. Vgl. Statistisches Bundesamt (2005), S. 13. Vgl. Leffson (1987), S. 77f.; Moxter (1966), S. 53. Vgl. Streim (2000), S. 120; Baetge/Thiele (1997), S. 15. Vgl. Burger/Buchhart (2000), S. 2199. Vgl. Lange (1989), S. 146. Vgl. Volk (1987), S. 724. Dies gilt insbesondere, wenn der Wert der als Kreditsicherheit dienenden Vermögenswerte nicht zur Schuldendeckung ausreicht. Vgl. Freidank/Paetzmann (2002), S. 1786f.; Hundt/Grabau/Stobinski (2003), S. 38; Baetge (1998), S. 107; Baetge (1989), S. 792. Vgl. Massenberg/Borchardt (2007), S. 349; BdB (2005), S. 21-24; Gleißner/Füser (2003), S. 243; Schumacher (2004), S. 12f.
94
IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
bankbeziehung) oder ihrer Machtposition innerhalb der Geschäftsbeziehung Möglichkeiten besitzen, die erforderlichen Informationen auf informellem Wege, das heißt außerhalb der normierten Rechnungslegung, zu erhalten. Wie institutionenökonomische Analysen belegen, besteht für die Unternehmensleitung in dieser klassischen Principal-Agent-Beziehung jedoch der Anreiz, die Gläubiger bezüglich der Unternehmensentwicklung zu täuschen. 1 Die Verwendung informell vermittelter Informationen birgt für die Kreditinstitute insbesondere aufgrund der engen Verknüpfung von Eigentum und Unternehmensleitung in mittelständischen Unternehmen die Gefahr manipulierten Informationen zu vertrauen. Gläubiger sind deshalb auf ein Instrument angewiesen, das ihnen verifizierbare und damit vertrauenswürdige Informationen liefert.2 Je ausgeprägter der Prozess der Informationsgewinnung und -vermittlung standardisiert ist, desto geringer dürften die Manipulationsmöglichkeiten des Informationslieferanten ausfallen.3 Der Jahresabschluss stellt als institutionalisiertes, normiertes Informationssystem eine Grundlage dar, belastbare Aussagen über die Bonität bestimmter Kreditnehmer zu gewinnen.4 Sofern die entsprechenden Unternehmen prüfungspflichtig im Sinne des § 316 Abs. 1 HGB sind, werden die Informationen der Rechnungslegung zusätzlich der Prüfung durch einen unabhängigen Dritten unterzogen, wodurch sich ihre Vertrauenswürdigkeit weiter erhöht. 5 Rechnungslegungsinformationen versetzen Kreditinstitute in die Lage, ihre Unsicherheit bezüglich vorhandener oder informell vermittelter Informationen durch Kontrolle der Unternehmensleitung zu reduzieren.6 Eine entscheidungsnützliche Informationsvermittlung durch die Rechnungslegung ist für Banken unerlässlich.7 Ebenfalls von hoher Relevanz ist die mit der Normierung der vermittelten Informationen einhergehende Vergleichbarkeit der potenziellen Kreditnehmer. Die Validität der im Rahmen der Bilanzanalyse und insbesondere Insolvenzprognose gewonnen Erkenntnisse wird maßgeblich durch die Trennschärfe der eingesetzten Kennzahlen determiniert. Eine ausreichende Trennschärfe kann unter Zuhilfenahme mathematisch-statistischer Analyseverfahren jedoch nur bei einer umfassenden Datenbasis erreicht werden. Der Rückgriff auf Rechnungslegungsinformationen ermöglicht durch die hohe Vergleichbarkeit der Daten nicht nur signifikant bessere Prognoseergebnisse, sondern erhöht auch die Effizienz der Prognosen und reduziert Kosten,
1
2
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Vgl. Leuz (1996), S. 56-60; Jensen/Meckling (1976), S. 305-360; Franke/Hax (2004), S. 420-438, insbes. S. 431-434. Nach Grotz-Martin ist die mangelnde Glaubwürdigkeit von Informationsquellen eine der Hauptursachen einer mangelnden Akzeptierungsbereitschaft. Vgl. Grotz-Martin (1983), S. 155. Vgl. Grotz-Martin (1983), S. 157. Vgl. Baetge/Lienau (2005), S. 67. Vgl. Päßler (2007), S. 59f. Vgl. Kirsch/Meth (2007), S. 10. Vgl. Rödl (2006), S. 128; Göbel/Kormaier (2007), S. 525f.; BdB (2005), S. 19.
4 Rechnungslegungsadressaten und deren Informationsinteressen
95
da die Kreditinstitute nicht dazu gezwungen sind, divergierende Informationen im Vorfeld aufwendig aufzubereiten. Insgesamt ist festzuhalten, dass Rechnungslegungsinformationen für Fremdkapitalgeber eine hohe Relevanz besitzen, da auf ihrer Grundlage effiziente und valide Prognosen über die zukünftige Zahlungsfähigkeit der potenzieller Kreditnehmer erstellt werden können. Empirisch bestätigt wird diese Schlussfolgerung durch eine Befragung mittelständischer Unternehmen, in der 82% der Respondenten dem Jahresabschluss eine mittlere (19%) oder hohe bis sehr hohe (63%) Bedeutung zur Information ihrer Banken beimessen.1 4.2.3
Marktpartner
4.2.3.1 Informationsinteressen Lieferanten und Abnehmer stehen insbesondere bei der Entscheidung über die Aufnahme einer dauerhaften Geschäftsbeziehung vor der Aufgabe, deren Erfolgsaussichten abzuwägen.2 Abnehmer, die einen großen Teil ihres Bedarfs durch das Unternehmen decken wollen und Lieferanten, für deren Absatz die Kooperation mit dem Unternehmen eine relativ hohe Bedeutung hat, sind an einer langfristigen Sicherung der Lieferquelle bzw. Absatzmöglichkeit interessiert.3 Sie benötigen deshalb Informationen über die wirtschaftliche Lage; insbesondere solche Informationen zur Einschätzung des Fortbestandes des Unternehmens, also des Risikos einer Insolvenz des Geschäftspartners.4 Für die Lieferanten entsteht aus ihrer Stellung als Gläubiger des Unternehmens weiterer Informationsbedarf. Sie sind durch Lieferantenkredite zusammen mit den Kreditinstituten in der Regel die größte Gläubigergruppe.5 Aus beiden skizzierten Entscheidungssituationen resultieren Informationsanforderungen, die im Wesentlichen denen der Kreditinstitute entsprechen.6 4.2.3.2 Bedeutung von Rechnungslegungsinformationen Der Geschäftspartner wird den Marktpartnern keine Informationen des internen Rechnungswesens zur Verfügung stellen, da er durch die Weitergabe dieser sensiblen Daten seine Position insbesondere im Hinblick auf die Verhandlung der Einkaufs- bzw. Verkaufpreise schwächt.7 Die Marktpartner sind somit auf Rechnungslegungsinformationen angewiesen. Insgesamt erscheint ihr Informationsbedarf jedoch begrenzt. So zeigt eine empirische Studie 1 2 3 4 5
6 7
Vgl. DRSC/Haller/Eierle (2007), S. 10. Ergänzend: Göbel/Kormaier (2007), S. 523f. Vgl. Federmann (2000), S. 44. Vgl. Coenenberg (2003), S. 1146. Vgl. Baetge/Thiele (1997), S. 15. Vgl. Volk (1990), S. 47; Kußmaul/Henkes (2006), S. 2239. Eine vergleichbare Stellung ergibt sich für Kunden im Fall von Kundenanzahlungen. Vgl. Pellens et al. (2008), S. 5; Federmann (2000), S. 44. Vgl. Volk (1987), S. 725.
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IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
aus 2007, dass die Bedeutung des Jahresabschlusses zur Information der Marktpartner von dem weitüberwiegenden Teil der mittelständischen Unternehmen als eher gering eingeschätzt wird.1 4.2.4 Arbeitnehmer 4.2.4.1 Informationsinteressen Arbeitnehmer sind am Erhalt ihrer Einkommensquelle und damit der Sicherheit ihres Arbeitsplatzes und der Fähigkeit des Arbeitgebers zur Zahlung markt- und leistungsgerechter Löhne interessiert.2 Sie werden überhaupt nicht oder im Verhältnis zum Gesamtgehalt nur durch eine geringe Prämie am Erfolg des Unternehmens beteiligt. Um ihr Informationsinteresse zu befriedigen oder dem Verlust der Einkommensquelle durch rechtzeitigen Wechsel des Arbeitsplatzes zu begegnen, benötigen sie Informationen über die wirtschaftliche Lage, die insbesondere eine frühzeitige Abschätzung bezüglich des Fortbestandes der Unternehmung zulassen. Zudem werden ihre Einkommensansprüche in der Regel erst nachträglich gezahlt, so dass sie sich gleichsam in einer Gläubigerposition befinden.3 Insgesamt betrachtet sind die Informationsanforderungen der Arbeitnehmer und Kreditinstitute somit weitgehend kongruent.4 4.2.4.2 Bedeutung von Rechnungslegungsinformationen Fraglich ist, inwieweit Arbeitnehmer Informationen der Rechnungslegung zur Grundlage ihrer Entscheidung über den Verbleib im Unternehmen oder den Wechsel des Arbeitsplatzes machen.5 Insbesondere in mittelständischen Unternehmen ist die Einschätzung der Arbeitsplatzsicherheit im Vergleich zu großen kapitalmarktorientierten Konzernen mit einer erheblich geringeren Komplexität behaftet. Die hierzu erforderlichen Informationen werden eher auf informellem Wege eingeholt, so dass der Rechnungslegung nur eine untergeordnete Relevanz zukommt. Auf Seiten der Arbeitnehmervertretungen könnte Interesse an formalisierten, finanziellen Informationen bestehen. Aufgrund ihrer Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte verfügen die Arbeitnehmervertretungen im Regelfall jedoch über interne Informationen, die dem Jahresab-
1
2 3 4 5
Nach Auskunft der mittelständischen Unternehmen hat die Information ihrer Kunden mittels Jahresabschluss für 77% der Unternehmen keine bis eine geringe Bedeutung. Bzgl. der Information von Lieferanten messen 74% der Unternehmen dem Jahresabschluss keine bis eine geringe Bedeutung zu. Vgl. DRSC/Haller/Eierle (2007), S. 10. Vgl. Haller (1997), S. 289; Küting/Reuter (2004), S. 231. Vgl. Lange (1989), S. 141. Vgl. Coenenberg (2003), S. 921. Befragungen deuten darauf hin, dass der Jahresabschluss bei der Information der Arbeitnehmer nur eine untergeordnete Rolle spielt. Vgl. DRSC/Haller/Eierle (2007), S. 10.
4 Rechnungslegungsadressaten und deren Informationsinteressen
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schluss überlegen sind.1 Zudem ist die betriebliche Mitbestimmung in Form von Arbeitnehmervertretungen in mittelständischen Unternehmen nur sehr gering ausgeprägt.2 4.2.5
Fiskus
4.2.5.1 Informationsinteressen Der Fiskus hat in seiner Funktion als Abgabengläubiger ein Interesse an Informationen über die steuerliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens. Maßgröße der Leistungsfähigkeit ist der in einer Periode erwirtschaftete Gewinn. 3 Er stellt die Bemessungsgrundlage zur Ermittlung der gewinnabhängigen Steuern dar. Da dem Fiskus unterstellt werden kann, dass er am Erhalt seiner Steuerquellen interessiert ist, wird er dem Unternehmen nur einen Betrag entziehen, der den Bestand des Unternehmens nicht gefährdet.4 4.2.5.2 Bedeutung von Rechnungslegungsinformationen Für den Fiskus ist der Jahresabschluss das zentrale Dokumentations- und Beweismittel für die Festsetzung der gewinnabhängigen Steuern. In Bezug auf die handelsrechtliche Rechnungslegung kann jedoch nach derzeitiger Rechtslage kein originäres Informationsinteresse der Finanzverwaltung angenommen werden. Es besteht allenfalls ein derivatives Informationsinteresse des Fiskus, da die Bemessungsgrundlage zur Ermittlung des Steueranspruchs auf einer nach steuerlichen Vorschriften aufgestellten Bilanz beruht.5 Ein originäres Informationsinteresse seitens der Finanzverwaltung kann folglich ausschließlich an der Steuerbilanz anknüpfen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist die vergleichende Würdigung der Zielkonformität konkurrierender Rechnungslegungssysteme aus informationstheoretischer Perspektive. 6 Angesichts der Konzentration auf die Informationsfunktion der handelsrechtlichen Rechnungslegung repräsentiert der Fiskus, dessen Informationsinteresse ausschließlich auf die Funktion der Steuerbemessung fokussiert ist, keinen relevanten Rechnungslegungsadressaten. Der Fiskus findet im weiteren Verlauf der Untersuchung infolgedessen keine Berücksichtigung als Adressat der Rechnungslegung.
1 2 3 4 5 6
Vgl. Volk (1987), S. 725. Vgl. Schlömer et al. (2007), insbes. S. 24. Vgl. Spengel (2006), S. 681. Vgl. Coenenberg (2005b), S. 1181. Vgl. Federmann (2000), S. 44. Vgl. Kapitel I 1.
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IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
4.2.6 Allgemeine Öffentlichkeit 4.2.6.1 Informationsinteressen Die allgemeine Öffentlichkeit ist zwar Adressat der Rechnungslegung,1 ihre Informationsanforderungen sind aber im Rahmen der mittelständischen Rechnungslegung zu vernachlässigen. Moxter stellt in Bezug auf die handelsrechtliche Rechnungslegung fest, dass vom Gesetzgeber „nur eine Minimalkontrolle durch die Öffentlichkeit beabsichtigt ist“.2 Zudem „fällt es schwer, sich die Geltendmachung eines Rechtsanspruches auf besondere Information durch Vertreter der Öffentlichkeit vorzustellen“.3 Ein Informations- oder Schutzbedürfnis der allgemeinen Öffentlichkeit ist nicht zu begründen, da mittelständischen Unternehmen im Regelfall weder aufgrund ihrer Größe noch ihrer Geschäftstätigkeit eine besondere volkswirtschaftliche Bedeutung zukommt. 4.2.6.2 Bedeutung von Rechnungslegungsinformationen Die Gruppe derjenigen, die auf der einen Seite keine finanziellen Ziele bezüglich des Unternehmens verfolgen, auf der anderen Seite aber an Rechnungslegungsinformationen interessiert sind, dürfte sehr überschaubar sein, da finanzielle Ziele in der Regel Voraussetzung für das Interesse an Informationen sind. Sofern die Adressaten finanzielle Ziele verfolgen, gehören sie einer der zuvor charakterisierten Gruppen an. Ein Informationsinteresse der allgemeinen Öffentlichkeit ist somit im Folgenden nicht zu berücksichtigen.
1 2 3
Vgl. Ballwieser (2002b), S. 116. Moxter (1976a), S. 400. Ballwieser (2002b), S. 116.
99
4 Rechnungslegungsadressaten und deren Informationsinteressen
4.3
Folgen für die inhaltliche Konkretisierung der Anforderungskriterien
Die nachfolgende Übersicht bietet eine Zusammenfassung der Ergebnisse der in den vorhergehenden Kapiteln durchgeführten Analyse. Adressatengruppe Eigentümer
Kreditinstitute
Marktpartner
Finanzieller Anspruch
Informationsinteresse
Residualanspruch auf Gewinn
Erhalt des Unternehmens / Zahlungsfähigkeit
Zins- und Tilgungszahlungen
Höhe der zukünftigen Cash Flows / Ertragspotenziale Erhalt des Unternehmens / Zahlungsfähigkeit
Kunden: Güter und Dienstleistungen
Erhalt des Unternehmens / Zahlungsfähigkeit
Lieferanten: Entgelt für erbrachte Güter und Dienstleistungen
Arbeitnehmer
Gehaltszahlungen / Leistungsprämien
Erhalt des Unternehmens / Zahlungsfähigkeit Marktgerechte und leistungsabhängige Bezahlung / Ertragspotenziale
Fiskus
Öffentlichkeit
Steuerzahlungen
keine definierbaren Ansprüche
gegenwärtiger Gewinn (steuerliche Leistungsfähigkeit) als Bemessungsgrundlage für Steuerermittlung Erhalt des Unternehmens / Zahlungsfähigkeit kein begründetes Informationsinteresse ableitbar
Relevanz von Rechnungslegungsinformation gering Begründung: Einsicht in interne Informationsquellen, die den Rechnungslegungsinformationen überlegen sind sehr hoch Begründung: Informationsbedarf im Rahmen der Bonitätsbeurtelung/Insolvenz-prognose Erfordernis verifizierbarer, vertrauenswürdiger Daten Bedarf nach normierten, vergleichbaren Daten mittel Begründung: Marktpartner sind auf Rechnungslegungsinformationen angewiesen, da ihnen Zugang zu internen Informationen verwehrt bleibt Informationsbedürfnis ist auf langfristige Partnerschaften/Kooperationen begrenzt gering Begründung: Informationen werden auf informellem Weg eingeholt Arbeitnehmervertretungen verfügen über Einsicht in interne Informationsquellen, die den Rechnungslegungsinformationen überlegen sind sehr hoch Begründung: Fiskus ist im Rahmen der Steuerermittlung auf Rechnungslegungsinformationen angewiesen. Er besitzt jedoch nur ein derivatives Interesse an der handelsrechtlichen Rechnungslegung sehr gering Begründung: Aufgrund der geringen volkswirtschaftlichen Bedeutung einzelner mittelständischer Unternehmen ist ein Informations/Schutzbedürfnis der Öffentlichkeit nicht begründbar
Tabelle 5: Informationsinteressen mittelständischer Rechnungslegungsadressaten
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IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
Wie die Ergebnisse der vorstehenden Kapitel zeigen, setzt sich der Adressatenkreis der Rechnungslegung mittelständischer Unternehmen nicht aus einer Vielzahl anonymer und uninformierter Eigenkapitalgeber, sondern im Wesentlichen aus einem kleinen Kreis von Eigentümern und insbesondere Gläubigern zusammen. 1 Sämtliche Adressaten sind am Erhalt ihrer Einkommensquelle in Form der Existenzsicherung des Unternehmens sowie der Prognose und Optimierung ihres Einkommensstroms interessiert. Gerade aus der im Kern korrespondierenden Zielsetzung der Optimierung des Einkommensstroms ergeben sich zum Teil konfligierende Informationsinteressen der einzelnen Adressatengruppen, die auf ihre differenten Ansprüche gegenüber dem Unternehmen zurückzuführen sind. Im Rahmen der inhaltlichen Ausgestaltung der Anforderungskriterien sind demzufolge Wertungen unumgänglich. In solchen Fällen werden die Informationsanforderungen der Gläubiger bevorrechtigt berücksichtigt. Für eine Hervorhebung der Gläubiger als primärer mittelständischer Rechnungslegungsadressat sprechen verschiedene Argumente: -
Die Unternehmensfinanzierung im Mittelstand basiert traditionell auf Krediten sowie der Innenfinanzierung aus thesaurierten Gewinnen und Abschreibungen. Empirische Studien belegen die unverändert hohe Bedeutung dieser Finanzierungsformen. Die damit einhergehende dominierende Stellung der Kreditinstitute als Teilnehmer an der Koalition der mittelständischen Unternehmung ist evident.2
-
Des Weiteren weisen Rechnungslegungsinformationen für die Gläubiger eine deutlich höhere Bedeutung zur Befriedigung ihrer Informationsbedürfnisse aus als für die übrigen Adressatengruppen. Den verbleibenden relevanten Adressatengruppen ist es möglich, ihre Informationsinteressen entweder auf informellem Wege oder durch alternative interne Informationsquellen (z.B. Controlling) zu erfüllen. Gläubiger sind hingegen auf die Informationsbereitstellung mittels Rechnungslegung angewiesen.
-
Darüber hinaus hat die Analyse der Informationsinteressen gezeigt, dass die Informationsanforderungen der Kreditinstitute denen der übrigen Adressaten in hohem Maße entsprechen. In vielen Fällen kann von einem nahezu identischen Informationsinteresse ausgegangen werden. In den verbleibenden Fällen ist das Informationsinteresse der jeweiligen Adressatengruppen mit dem der Gläubiger zumindest weitgehend kongruent.
Eine bevorrechtigte Stellung der Gläubigerinteressen im Falle konfligierender Informationsanforderungen erscheint zweckgerichtet und angemessen. 1
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Ebenso: DRSC/Haller/Eierle (2007), S. 9; Küting (2007b), S. 1; Pellens/Fülbier (2000), S. 579; Beiersdorf (2005), S. 5; Niehus (2006), S. 2533; Dallmann/Ull (2004), S. 322; Wolz/Jungen (2005), S. 92; Böcking/Herold/Müßig (2004a), S. 667; Buchholz (2002), S. 1282; Baxmann (2004), S. 438; Hirsch (2006), S. 270. Vgl. Kapitel III 3.2.1.
5 Inhaltliche Konkretisierung der Anforderungskriterien
5
Inhaltliche Konkretisierung der Anforderungskriterien
5.1
Primäranforderung
5.1.1
Relevanz
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5.1.1.1 Begriff Wie bereits im Kapitel 2.4 dargelegt, folgt aus dem Zweck, mittels Rechnungslegung Informationen zu vermitteln, zwingend die Forderung nach der Relevanz dieser Informationen. Wären die bereitgestellten Informationen nicht relevant für die Entscheidungsfindung der Adressaten, existierte für sie keine Nachfrage und sie wären letztlich wertlos. Die Relevanz der Informationen ist somit notwendige Bedingung jeder Informationsvermittlung.1 Aus diesem Grund stellt die Relevanz im hier entwickelten System das primäre Anforderungskriterium dar. Der in der internationalen Rechnungslegung gebräuchlichen und in Teilen der Literatur aufgenommenen begrifflichen Differenzierung zwischen den Bezeichnungen Relevanz und Nützlichkeit wird in dieser Untersuchung nicht gefolgt. Die begriffliche Trennung zwischen Nützlichkeit und Relevanz erscheint konstruiert, da die Relevanz in ihrer Bedeutung als Wichtigkeit oder Erheblichkeit dem Begriff der Nützlichkeit entspricht.2 Die Relevanz ist demnach keine Voraussetzung der Nützlichkeit, sondern nach informationstheoretischem Verständnis als Synonym der Nützlichkeit vielmehr Voraussetzung einer erfolgsorientierten Informationsvermittlung. Wird die Rechnungslegung durch die Fokussierung auf ihre Informationsfunktion - wie in dieser Untersuchung - als Instrument der Informationsvermittlung verstanden, so steht sie in Konkurrenz mit anderen Informationssystemen; ihre Wahl ist ökonomisch zu begründen. 3 Nach informationsökonomischem Verständnis besteht der Nutzen eines Informationssystems darin, dass sich eine zu treffende Entscheidung durch die Verarbeitung der gelieferten Information verbessert. Nach dieser im so genannten Informationswertkalkül konkretisierten Erkenntnis ist für die Relevanz von Rechnungslegungsinformationen ausschlaggebend, ob der Adressat aufgrund der Information eine andere Entscheidung trifft, als er in Unkenntnis der Information getroffen hätte.4 Eine Information ist nur dann nützlich, wenn mit ihrer Berück-
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Hoffmann/Lüdenbach zum Relevanzkriterium: „Dem Grunde nach handelt es sich eher um eine Maxime, einen Leitgedanken jeder ergebnisorientierten Kommunikation“. Hoffmann/Lüdenbach (2002), S. 544. Ähnlich: Ballwieser (2006b), S. 13. Vgl. Ballwieser (1982), S. 780. Vgl. Laux (2005), S. 357.
102
IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
sichtigung eine Erwartungsrevision bezüglich der Eintrittswahrscheinlichkeit potenzieller Umweltzustände einhergeht, durch die sich der Zielerreichungsgrad der Entscheidung erhöht.1 Der als Informationswert bezeichnete Nutzen der Information wird anhand der durch die Beachtung der Information hervorgerufenen Erhöhung des Zielerreichungsgrades abgebildet. 2 Dient die Information einzig der Bestätigung einer bereits geplanten Entscheidung, ist sie im Sinne des Informationswertkalküls wertlos, da sich durch ihre Verarbeitung keine Verbesserung des maximalen a posteriori-Gewinnerwartungswertes ergibt.3 Mit Hilfe der Rechnungslegung sind folglich Informationen zu vermitteln, „die von den Adressaten zur Verbesserung ihrer Entscheidungen benötigt werden.“4 Erweitert wird der Relevanzbegriff, wenn über das informationsökonomische Verständnis hinaus auch diejenigen Informationen als relevant erachtet werden, die im Sinne der ebenfalls unter die Informationsfunktion der Rechnungslegung zu subsumierenden Kontrollfunktion der Bestätigung einer Entscheidung dienen.5 Bereits die zur Ableitung des Rechnungslegungszwecks ausgeführten Überlegungen zur Koalitionstheorie haben verdeutlicht, dass die Koalitionäre für ihre Entscheidung über den Verbleib in der Koalition des mittelständischen Unternehmens neben Informationen über die zukünftige Entwicklung des Unternehmens auch Informationen über die wirtschaftliche Leistung des Unternehmens in der Vergangenheit benötigen. Hinsichtlich der Relevanz der vermittelten Informationen ist somit zu differenzieren zwischen vergangenheitsorientierten Informationen, die der Koalitionär zur Kontrolle seines Engagements braucht (Kontrollfunktion) und zukunftsbezogenen Informationen, die ihm eine Einschätzung der Rentabilität seines Engagements in der Zukunft erlauben (Prognosefunktion). 5.1.1.2 Prognosefunktion Rational handelnde Koalitionsteilnehmer werden versuchen, mit Hilfe ihrer Entscheidungen ihren zukünftigen Nutzen zu optimieren. Ihr Informationsinteresse ist deshalb auf zukünftige Entwicklungen gerichtet. Mit der Forderung nach Relevanz der vermittelten Informationen ist somit immer auch das Bedürfnis nach deren Prognoseorientierung verbunden.6 Gemäß dem Ansatz der Prognoserelevanz gelten Informationen als relevant, wenn sie die Einschätzung bestimmter für den Rechnungslegungsadressaten relevanter Ereignisse verbes-
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Vgl. Bieker (2006), S. 64. Vgl. Möller/Hüfner (2002b), S. 414. Vgl. Ballwieser (1985a), S. 26; Laux (1993), S. 353. Moxter (1976b), S. 97. Ähnlich: Schildbach (2004a), S. 54; Moxter (2002), Sp. 1049. Vgl. Kahle (2002), S. 23. Vgl. Wüstemann (2002), S. 22f.
5 Inhaltliche Konkretisierung der Anforderungskriterien
103
sern.1 Eine direkte Prognose auf Basis von Rechnungslegungsinformationen ist indes nicht möglich, da die Rechnungslegung vergangene Sachverhalte durch vergangenheitsorientierte Daten abbildet, deren Repräsentativität für zukünftige Entwicklungen aufgrund der hohen Dynamik der Märkte und des Unternehmensumfeldes fraglich erscheint.2 Moxter spricht in diesem Zusammenhang von einem „Extrapolationsmythos“. 3 In Ermangelung alternativer Informationsquellen kann in der Praxis auf die Verwendung rechnungslegungsbasierter Daten hingegen nicht verzichtet werden.4 Sie sind jedoch bspw. durch Transformation in Kennzahlen aufzubereiten. Aufbereitete Rechnungslegungsinformationen können als Grundlage einer begründeten Prognose alternativer Zukunftslagen und somit als Entscheidungshilfe dienen. Rechnungslegungsinformationen besitzen eine indirekte Prognosekraft. 5 Es ist Aufgabe der Rechnungslegung, Daten offen zu legen, auf deren Grundlage die Adressaten selbständig Analysen und Prognosen, z.B. mit Hilfe von Kennzahlen oder mathematisch-statistischen Modellen vornehmen können.6 „Predictive value means that the information has value as input into a predictive process, not that it necessarily constitutes a prediction itself”.7 In der Praxis besitzen diese Überlegungen eine große Bedeutung für Kreditinstitute zur Ermittlung der Bonität und der Insolvenzprognose potenzieller Kreditnehmer.8 Im Rahmen der Insolvenzprognose wird versucht, durch Vergleiche von Rentabilitäts-, Liquiditäts- und Kapitalstrukturkennzahlen solvente und insolvenzgefährdete Unternehmen zu klassifizieren und so Aussagen über die Insolvenzwahrscheinlichkeit abzuleiten.9 Hierzu werden statistische Verfahren oder künstliche neuronale Netze eingesetzt, die durch Analyse einer repräsentativen Stichprobe von Jahresabschlüssen die relevanten Kennzahlen zur Früherkennung ermitteln und mit richtiger Gewichtung zu einem Gesamtindikator verdichten. 10 Dies erlaubt eine frühzeitige Identifikation insolvenzgefährdeter Unternehmen mit Trefferquoten von über 90%,
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Vgl. Möller/Hüfner (2002b), S. 413. Vgl. Coenenberg (2003), S. 922; Schneider (1997), S. 201f.; Schildbach (1986), S. 8. Moxter (2000), S. 2147. Bzgl. der Mängel von Trendextrapolationen vgl. auch: Schildbach (1975), S. 265f. Vgl. Wolz (2003), S. 248. Vgl. Wüstemann (2002), S. 23f., 74-76; Moxter (2002), Sp. 1051; Coenenberg (2003), S. 1201f.; BdB (2005), S. 22. Auch das IASB betont die Prognosekraft von Rechnungslegungsinformationen (RK.16). Nach Engels (1976), S. 45 gibt „die Eignung zur Extrapolation […] den Maßstab zur Beurteilung der Zweckmäßigkeit von Bilanzkonventionen ab“. Vgl. darüber hinaus: Schildbach (1975), S. 248f., 268; Engels (1976), S. 47; Krönert (2001), S. 52. Kritisch zur Eignung statistischer Jahresabschlussanalysen äußert sich: Schneider (1997), S. 218-232. Solomons (1986), S. 89. Vgl. Möller/Hüfner (2002b), S. 413. Für eine empirische Studie zum Einsatz von Insolvenzprognoseverfahren bei der Kreditwürdigkeitsprüfung siehe Günther/Grüning (2000), S. 41-57. Vgl. Muche (2007), S. 377; Baetge (1998), S. 108. Vgl. Baetge (1989), S. 795. In den letzten Jahren erfolgt die Analyse vermehrt mittels neuronaler Netze. Vgl. Günter/Scheipers (1993), S. 1077f. Eine Übersicht der verschiedenen Insolvenzprognoseverfahren findet sich bei Günther/Grüning (2000), S. 41.
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IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
wobei eine zufriedenstellende Trennschärfe bereits mit wenigen Kennzahlen gewonnen werden kann.1 5.1.1.3 Kontrollfunktion Die kontrollorientierte Informationsfunktion besteht in der Rechenschaft des Rechnungslegenden über seine unternehmerische Tätigkeit in der Vergangenheit. 2 Die vergangenheitsbezogenen Informationen besitzen einen so genannten Feedback Value, da sie die Möglichkeit bieten, bisherige Erwartungen bzw. Prognosen zu kontrollieren.3 Die Bedeutung der Kontrollfunktion ist insbesondere vor dem Hintergrund des mittelständischen Adressatenkreises zu betonen, da sie dazu beiträgt, agency-Konflikte zwischen Unternehmensleitung und Kreditinstituten zu reduzieren. Voraussetzung für eine wirksame Kontrolle der Unternehmensleitung ist die Nachprüfbarkeit der vermittelten Informationen. Eine gezielte Einflussnahme des Bilanzierenden auf die Informationen ist auszuschließen. 4 Die Kontrollfunktion der Rechnungslegungsinformationen ist somit eng mit dem unten dargestellten Sekundärkriterium der Objektivität verbunden. Durch die Notwendigkeit der hohen Objektivität von Rechnungslegungsinformationen, die zu Kontrollzwecken eingesetzt werden, entsteht nach Meinung diverser Autoren ein Konfliktverhältnis zwischen der Kontrollfunktion und der Prognosefunktion der Rechnungslegung, welches letztlich auf das Spannungsverhältnis der Anforderungskriterien Verlässlichkeit und Relevanz zurückgeht.5 Wie die nachfolgenden Ausführungen zum Kriterium der Verlässlichkeit belegen, mündet die endgültige Entscheidung bezüglich der Gewichtung von Relevanz und Verlässlichkeit in einer Wertungsfrage, die vor dem Hintergrund der dominierenden Adressatengruppe zu beantworten ist. Dabei zeigt sich, dass das obige Spannungsverhältnis zwischen Kontroll- und Prognosefunktion bei mittelständischen Unternehmen deutlich geringer ausfällt als bei kapitalmarktorientierten Unternehmen. Die Fokussierung auf die Informationsanforderungen der Kreditinstitute erlaubt eine weitgehende Integration der Kontroll- und Prognosefunktion, da die Prognosefunktion auf die Insolvenzprognose begrenzt ist und nicht der Prognose des Residualeinkommens der Eigentümer dient. Wie die Analyse der Informationsbedürfnisse der Kreditinstitute gezeigt hat, sind Kreditinstitute zur Prognose von Vertragsstörungen auf ein normiertes und verlässliches Informationssystem angewiesen. 6 Dement-
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Sehr gute Ergebnisse können bereits mit vier Kennzahlen erreicht werden. Vgl. Günter/Scheipers (1993), S. 1082. Vgl. ergänzend: Baetge/Huß/Niehaus (1986), S. 610; Baetge (1998) S. 111-113. Vgl. Pellens et al. (2008), S. 6f. Vgl. Ballwieser (2003), S. 342. Vgl. Kahle (2002), S. 57. Vgl. Kapitel IV 5.2.1.1. Vgl. Kapitel IV 4.2.2.
5 Inhaltliche Konkretisierung der Anforderungskriterien
105
sprechend ist von einer weitgehenden Komplementarität der Kontroll- und Prognosefunktion in der mittelständischen Rechnungslegung auszugehen. 5.1.2 Notwendigkeit ergänzender Anforderungskriterien Im Sinne der vorliegenden Untersuchung ist das primäre Anforderungskriterium der Relevanz dann erfüllt, wenn Informationen vom Rechnungslegungsadressaten für Prognose- oder Kontrollzwecke verwendet werden können, weil ihre Vermittlung die Einschätzung zukünftiger Entwicklungen verbessert oder bisherige Erwartungen korrigiert bzw. bestätigt. 1 Dabei stehen die Kontroll- und Prognosefunktion in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis, da die Rechnungslegungsinformationen ihren Kontrollzweck erst durch Vergleich mit Prognosewerten erfüllen können und die Ergebnisse des Kontrollprozesses wiederum die zukünftigen Prognosen beeinflussen. Um sicherzustellen, dass die vermittelten Rechnungslegungsinformationen der Primärforderung der Relevanz gerecht werden, müssen sie weitere ergänzende Eigenschaften erfüllen. Diese ergänzenden Eigenschaften werden im Folgenden als Sekundäranforderungen bezeichnet. Die Sekundärkriterien dienen im Rahmen der Würdigung der Rechnungslegungsinformationen der Operationalisierung des primären Anforderungskriteriums, da die Relevanz einer Information realiter nicht hinreichend exakt bestimmbar ist. Dies ist zum einen durch die kaum ermittelbaren Informationskosten und zum anderen durch die Subjektivität des Informationswertes begründet. Die Subjektivität des Informationswertes ist Folge unterschiedlicher Handlungsmöglichkeiten und differierender Hintergrundinformationen sowie Erfahrungen der Individuen. Die Sekundäranforderungen können sowohl als Maßstab zur Beurteilung bestehender Rechnungslegungsnormen als auch zur Entwicklung von Empfehlungen zur Verbesserung von Rechnungslegungsnormen herangezogen werden.2 Im Einzelnen handelt es sich um die Kriterien Verlässlichkeit, Verständlichkeit, Vergleichbarkeit und Vollständigkeit.
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Vergleichbar hierzu formuliert das FASB in SFAC 2: „Relevance is the capacity of information to make a difference in a decision by helping users to form predictions about the outcomes of past, present and future events or to confirm or correct prior expectations.“ Nach IFRS-Rahmenkonzept gelten Informationen „dann als relevant, wenn sie die wirtschaftlichen Entscheidungen der Adressaten beeinflussen, indem sie ihnen bei der Beurteilung vergangener, derzeitiger oder zukünftiger Ereignisse helfen oder ihre Beurteilungen aus der Vergangenheit bestätigen oder korrigieren“ (RK.26). Vgl. Kapitel IV 1.
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IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
5.2
Sekundäranforderungen
5.2.1
Verlässlichkeit
5.2.1.1 Verlässlichkeit und Relevanz Soweit über Sachverhalte der Vergangenheit berichtet wird, stellt die Verlässlichkeit der Informationen in der Regel kein Problem dar, weil die Daten hinreichend überprüfbar sind. Erheblich problematischer gestaltet sich die Gewährleistung der Verlässlichkeit bei zukunftsorientierten Informationen, die in hohem Maße von Prognosen abhängen. 1 Die Eintrittswahrscheinlichkeit der prognostizierten Umweltzustände ist kaum quantitativ bestimmbar. 2 Adressaten treffen ihre Entscheidungen in der Regel jedoch im Hinblick auf zukünftige Umweltzustände. Die für sie entscheidungsrelevanten Nachrichten sind somit oftmals zukunftsgerichtet. Die beiden Anforderungskriterien Verlässlichkeit und Entscheidungsrelevanz stehen dann in einem Spannungsverhältnis zueinander. Eine vollständige Realisierung beider Ziele erscheint aus bilanztheoretischer Perspektive ausgeschlossen.3 Kirschenheiter belegt diese Aussage aus informationsökonomischer Perspektive exemplifizierend anhand der Fair Value-Bilanzierung, indem er zwischen Verlässlichkeit und Relevanz eines Signals ein Substitutionsverhältnis in Form einer negativen Korrelation nachweist.4 Die geringere Verlässlichkeit einer Information kann demnach durch ein höheres Niveau an Relevanz ausgeglichen werden, so dass sich die Forderung nach einem Mindestmaß an Zuverlässigkeit der durch die Rechnungslegung vermittelten Informationen im Hinblick auf diese abstrakte Beziehung nicht rechtfertigen lässt.5 Aufgrund der informationsökonomischen Erkenntnisse kommt Kuhner zu dem Ergebnis, dass für die einzelnen Rechnungslegungsnormen stets eine konstante Gewichtung von Verlässlichkeit und Relevanz zu fordern ist.6 In der Praxis ist diese Forderung jedoch nicht realisierbar.7 Zudem bedingt die diesem Modell zu Grunde liegende Definition des Verlässlichkeitsbegriffs, dass weder systematische Verzerrungen der Messgröße noch die Möglichkeiten gezielter Manipulation und somit der Grad der Will1 2 3
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Vgl. Moxter (2002), Sp. 1044; Bieker (2007), S. 1208; Ballwieser (2005), Rz. 83. Vgl. Ballwieser (2002b), S. 118. Vgl. Moxter (1983), S. 134; Baetge (1970), S. 169f. Ballwieser bezeichnet die Erfüllung der Kriterien Relevanz und Verlässlichkeit als das „Kernproblem jeglicher Rechnungslegung“. Ballwieser (2006b), S. 39. Obwohl eine vollständige Realisierung der beiden antinomen Kriterien ausgeschlossen ist, erscheint eine „Optimierung“ des Verhältnisses möglich. Hierauf weist Baetge mit Bezug auf die handelsrechtliche Rechnungslegung bereits 1970 hin. Vgl. Baetge (1970), S. 171f. Vgl. Kirschenheiter (1997), S. 43-59. Kirschenheiter definiert Verlässlichkeit als ex ante-Präzision eines Signals (= Kehrwert der Varianz) und Relevanz als Kovarianz zwischen dem Signalwert und der zu schätzenden Wertgröße. Vgl. Kirschenheiter (1997), S. 43f., 50. Vgl. Kuhner (2001), S. 536. Vgl. Kuhner (2001), S. 537. Vgl. Bentele (2004), S. 19. Auch das IASB hält ein gewisses Mindestmaß an Verlässlichkeit für erforderlich (vgl. RK.32).
5 Inhaltliche Konkretisierung der Anforderungskriterien
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kürfreiheit der Informationen berücksichtigt werden.1 Auch das abbildungstheoretische Konzept ist zu hinterfragen, da die Rechnungslegung nicht dazu dient, den „wirtschaftlich richtigen Gewinn“ mit einem möglichst maximalen Grad an Verlässlichkeit oder Unverzerrtheit abzubilden, sondern selbst ein theoretisches Konstrukt bestehend aus zuvor fixierten Messregeln darstellt.2 Das Spannungsverhältnis von Verlässlichkeit und Relevanz der Informationen ist somit auf Basis informationsökonomischer Kenntnisse nicht zufriedenstellend lösbar. Die Gewichtung der beiden antinomen Kriterien bedarf Wertungen. Dabei ist so vorzugehen, dass die Rechnungslegung ihrer Aufgabe gerecht wird, Informationen bereitzustellen, die aus Sicht der Gläubiger eine objektive Indikatorfunktion besitzen und eine Kontrolle der Unternehmensleitung erlauben.3 5.2.1.2 Verlässlichkeit und Vorsicht Die bilanztheoretische Diskussion in Deutschland ist hauptsächlich durch die Forderung nach einer Dominanz der Verlässlichkeit geprägt.4 Nach Beisse ist sie „Leitgedanke aller Rechnungslegung“, und bedeutet im weitesten Sinne die „Ausschaltung alles Subjektiven, aller subjektiven Willkür, […] Nachvollziehbarkeit und im formellen Sinne Kontrollierbarkeit.“ 5 Begründet wird diese Haltung damit, dass die Gewährleistung des Gläubigerschutzes als vorrangiges Ziel des deutschen Gesellschaftsrechts eine vorsichtige Bilanzierung bedingt, die sich wiederum u.a. in der Forderung nach einer hohen Verlässlichkeit der Rechnungslegung konkretisiert.6 Die Argumentation, Gläubiger durch eine vorsichtige Bilanzierung zu schützen, ist - wie sich nachfolgend zeigt - nicht unumstritten. Das Vorsichtsprinzip ist im deutschen Handelsrecht in Form des Imparitäts- und Realisationsprinzips in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB kodifiziert und kommt zudem in diversen handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften zum Ausdruck.7 Es manifestiert sich in einer asymmetrischen bilanziellen Abbildung von Chancen und Risiken, nach der Aktiva im Zweifel eher zu niedrig und Passiva eher zu hoch zu bewerten sind.8 Eine gläubigerschützende Wirkung wird mit dem bei vorsichtiger Gewinnermittlung geringeren Ausschüttungspotenzial
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Vgl. Kuhner (2001), S. 535. Vgl. Schneider (1997), S. 35. Vgl. Baetge/Lienau (2005), S. 75. Vgl. stellvertretend für viele: Beisse (1993), S. 77-97. Beisse (1993), S. 83. Ähnlich: Niehus (1994), S. 629. Vgl. Kuhner (2001), S. 530; Moxter (1997), S. 347; Euler (1997), S. 171. Vgl. Ballwieser (2005), Rz. 25-28; Kübler (1995), S. 552. Vgl. Leffson (1987), S. 466; Wagenhofer (2005), S. 229.
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IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
und der höheren Haftungsmasse des Unternehmens begründet.1 Aus dem Blickwinkel der Informationsvermittlung begrenzt die konservative Bilanzierung zudem die Begehrlichkeiten der Eigentümer. Somit erhöht sich bei positiver Entwicklung des Unternehmens das Polster an Risikokapital. Dieser Effekt ist aus Perspektive der Gläubiger positiv zu bewerten.2 Negativ auswirken können sich hingegen die von der vorsichtigen Bilanzierung und der damit verbundenen Verringerung des maximal ausschüttungsfähigen Betrags potenziell ausgehenden Anreize auf Investitionsentscheidungen der Eigentümer.3 Aus der durch handelsrechtliche Bilanzierungswahlrechte und Ermessensspielräume ermöglichten Überbewertung von Risiken und Unterbewertung von Chancen resultieren stille Reserven, deren Ausmaß für die Rechnungslegungsadressaten nicht feststellbar ist.4 Durch die für den Jahresabschlussadressaten nicht wahrnehmbare Auflösung dieser stillen Reserven kann die Ertragslage des Unternehmens manipuliert und so eine negative Unternehmensentwicklung verschleiert werden.5 Gerät das Unternehmen in eine Krisensituation, ist dies für die Gläubiger aufgrund der entgegenwirkenden Auflösung der stillen Reserven erst zeitverzögert zu erkennen. Darüber hinaus stellt sich die negative Unternehmensentwicklung oftmals in Form einer sprunghaften Ertragsverschlechterung dar, sobald die stillen Reserven aufgezehrt sind.6 Die Gläubiger können dann nicht mehr rechtzeitig auf die Entwicklung reagieren.7 Optionen zur Bildung stiller Reserven reduzieren demzufolge die Aussagekraft der Rechnungslegungsinformationen und schmälern ihre Relevanz für Prognosen der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung. Wie institutionenökonomische Analysen belegen, besteht für die Unternehmensleitung insbesondere in Krisenzeiten der Anreiz, die Gläubiger bezüglich der Unternehmensentwicklung zu täuschen.8 Aus agency-theoretischer Perspektive lässt sich hieraus zwar das Erfordernis von Ausschüttungsbeschränkungen zum Zwecke des Gläubigerschutzes ableiten, bei einer Anknüpfung an den Periodengewinn ist es indes unerheblich, ob die Gewinnermittlung vorsich-
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Vgl. Leuz (1996), S. 3, 24; Schildbach (2004a), S. 43; Hierbei muss darauf hingewiesen werden, dass das Ziel der bilanziellen Kapitalerhaltung grds. unabhängig von der Art der Gewinnermittlung ist. Vgl. Ballwieser (2007), S. 419. An dieser Stelle ist nicht die bilanzielle Kapitalerhaltung an sich Gegenstand der Untersuchung, sondern die „vorsichtige“ Gewinnermittlung als eine mögliche Ausprägung. Vgl. Burger/Buchhart (2000), S. 2199. Vgl. Wagenhofer/Ewert (2003), S. 176-179; Leuz (1996), insbes. S. 89f. Vgl. Pellens/Jödicke/Schmidt (2007), S. 429; Kübler (1995), S. 553. „Stille Reserven werden schließlich genau dann gefährlich, wenn sie sich still auflösen“; Ballwieser (2006a), S. 27; ähnlich: Schneider (1968), S. 7; Leffson (1987), S. 86f.; Niehues (2001), S. 1216. Vgl. Burger/Buchhart (2000), S. 2199; Schildbach (2004a), S. 150f. Vgl. Ballwieser (1997b), S. 390. Kreditinstitute versuchen dieser Gefahr durch eine weitgehende Aufdeckung der stillen Reserven im Rahmen der Aufbereitung der Bilanzen für das Kreditrating zu begegnen. Vgl. BdB (2005), S. 26. Vgl. Leuz (1996), S. 56-60; Jensen/Meckling (1976), S. 305-360; Franke/Hax (2004), S. 420-438, insbes. S. 431-434.
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tig oder neutral erfolgt. Auch aus theoretisch-konzeptioneller Sicht kann keine Überlegenheit des Vorsichtsprinzips für Zwecke des Gläubigerschutzes konstatiert werden.1 Aus Perspektive der Gläubiger steht den gegebenenfalls vorteilhaften Effekten, die sich bei positiver Geschäftsentwicklung des Kreditnehmers aus der konservativen Bilanzierung ergeben, die Verletzung ihres primären Bedürfnisses nach Informationen, die eine frühzeitige Einschätzung negativer Unternehmensentwicklungen zulassen, gegenüber. 2 Kübler fordert deshalb, die Gläubiger sollten „nicht als Objekt paternalistischer Fürsorge, sondern als zu rationaler Entscheidung befähigte Akteure behandelt“ werden, die „an möglichst präziser Information über den finanziellen Zustand des Unternehmens interessiert sind.“3 Baetge/Kirsch/Thiele kommen zu dem Ergebnis, dass „eine derartige Anwendung des Vorsichtsprinzips dem Rechenschaftszweck nicht gerecht werden“ kann.4 Ballwieser fordert die „Unbeachtlichkeit des Vorsichtsprinzips für Zwecke der Information“.5 Auch im Rahmen dieser Arbeit ist explizit darauf hinzuweisen, dass die Forderung nach Verlässlichkeit der vermittelten Rechnungslegungsinformationen nicht mit einer vorsichtigen Bilanzierung im Sinne der asymmetrischen Abbildung von Chancen und Risiken gleichzusetzen ist. Vielmehr verdeutlicht die nachfolgende Konkretisierung des Verlässlichkeitskriteriums, dass eine bewusst asymmetrische Bilanzierung gegen das Verlässlichkeitskriterium verstößt, da sie die Forderungen nach Willkürfreiheit und Neutralität verletzt. 5.2.1.3 Objektivität Nach dem hier zu Grunde gelegten Verständnis entspricht der Begriff der Verlässlichkeit dem der Objektivität.6 Objektivität konkretisiert sich wiederum durch Nachprüfbarkeit, Willkürbzw. Manipulationsfreiheit und Neutralität.7 1
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Vgl. Wagenhofer/Ewert (2003), S. 151-182, insbes. 180f. In jüngster Zeit gab es auch Arbeiten, welche die Vorteilhaftigkeit des Vorsichtsprinzips zeigen konnten. Wagenhofer weist darauf hin, dass es problematisch ist, allgemeingültige Aussagen bzgl. der Vorteilhaftigkeit des Vorsichtsprinzips abzuleiten, da diese Aussagen von zahlreichen Faktoren abhängen und die hinter dem Vorsichtsprinzip stehenden Wirkungsmechanismen weitgehend unbekannt sind bzw. sich kaum formalisieren lassen. Vgl. Wagenhofer (2005), S. 245f. Bzgl. der Informationsbedürfnisse der Gläubiger siehe Kapitel IV 4.2.2. Kübler (1995), S. 555. Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 138. Vgl. Ballwieser (2005), Rz. 77. Auch Moxter stellt eine Gefährdung der vermittelten Information durch das Vorsichtsprinzip fest. Er weist jedoch darauf hin, dass sich auch mit Einschränkung des Vorsichtsprinzips nicht alle Informationsverzerrungen beseitigen lassen. Vgl. Moxter (2000), S. 2145. Ähnlich: Bentele (2004), S. 18. Im Gegensatz hierzu differenzieren Ijiri/Jaedicke zwischen Verlässlichkeit und Objektivität. Verlässlichkeit verstehen sie als Maß der Prognosegenauigkeit („reliability can be thought of as the degree of closeness to being right”), das u.a. von der Verarbeitung durch den Empfänger abhängt. Vgl. Ijiri/Jaedicke (1966), S. 479. Wie im weiteren Verlauf deutlicht wird, weicht dieses Verständnis von dem hier verwendeten Verlässlichkeitsbegriff ab. Vgl. Baetge (1970), S. 16f. Darüber hinaus wird in der Literatur zum Teil Richtigkeit oder Unverzerrtheit der Informationen gefordert (vgl. Krönert (2001), S. 54f.). Auf diese Kriterien wird hier verzichtet, da es sich bei der Rechnungslegung um ein zweckabhängiges Instrument der Informationsvermittlung handelt. Die Vermittlung richtiger und unverzerrter Informationen ist aus bilanztheoretischer Perspektive ausgeschlossen. Es
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IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
Die Objektivität dient der „Zurückdrängung subjektiven Ermessens“1, wobei dies nicht mit einem vollständigen Verbot subjektiver Elemente in der Rechnungslegung gleichzusetzen ist.2 Auch eine Übereinstimmung prognostizierter Größen mit den im Nachhinein realisierten Werten kann a priori nicht verlangt werden.3 Gleichwohl haben Schätzungen frei von Willkür zu erfolgen. Der Grundsatz der Willkürfreiheit bedingt, dass im Rahmen von Schätzungen nicht unsystematisch vorgegangen wird und nur solche Werte vermittelt werden, die auf realitätsnahen und nach persönlicher Überzeugung des Rechnungslegenden für zutreffend gehaltenen Annahmen basieren.4 Willkürfreiheit fordert somit die „Übereinstimmung von Aussage und innerer Überzeugung des Aussagenden.“5 Darüber hinaus verlangt das Kriterium der Objektivität die intersubjektive Nachprüfbarkeit der vermittelten Informationen. Dies setzt einen identischen Informationsstand der Beurteilenden und die Anwendung identischer Ermittlungsverfahren voraus. 6 Dementsprechend sind die Grundlagen der Ermittlung, die eingesetzten Mess- und Abbildungsmethoden sowie ihre Determinanten zu dokumentieren und zu erläutern.7 Die Ergebnisse und die zu ihrer Ermittlung eingesetzten Methoden müssen plausibel und für einen Dritten nachvollziehbar und überprüfbar sein.8 Des Weiteren sind Informationen insoweit neutral zu vermitteln, dass sie nicht darauf zielen dürfen, beim Adressaten bestimmte Entscheidungen auszulösen. 9 Der Grundsatz der Neutralität betrifft auch die Art der Gewinnermittlung. Er verhindert eine asymmetrische bilanzielle Abbildung von Chancen und Risiken. Bei unsicheren Erwartungen ist nicht die untere Grenze bzw. obere Grenze des Schätzintervalls, sondern der arithmetische Mittelwert zu wählen. 10 Sicherlich ist es zutreffend, dass in obigem Sinne objektive Informationen durch ihre Willkürfreiheit und intersubjektive Nachprüfbarkeit zwangsweise auch dem Gebot der Neutralität entsprechen. Mit der Aufnahme des Anforderungskriteriums der Neutralität in den Kriterienkatalog soll explizit daraufhingewiesen werden, dass sich Objektivität nicht in einer vorsichtigen Bilanzierung konkretisiert.
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kann nur von einer den gültigen Abbildungsregeln entsprechenden „relativen“ Richtigkeit oder Unverzerrtheit gesprochen werden. Vgl. Engels (1976), S. 38; Baetge/Kirsch (1995), Rn. 293. Vgl. Moxter (2002), Sp. 1044. Ähnlich bereits Baetge (1970), S. 16. Vgl. Leffson (1987), S. 197; Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 116f. Vgl. Leffson (1987), S. 197-199. Etwas überspitzt formuliert Solomons: „Reliability has little to do with precision“. Solomons (1986), S. 91. Vgl. Coenenberg (2003), S. 38. Leffson (1987), S. 199. Vgl. Baetge (1970), S. 16. Vgl. Baetge/Kirsch (1995), Rn. 296; Krönert (2001), S. 55. Vgl. Moxter (2003), S. 228f.; Kupsch/Achtert (1997), S. 1403. Vgl. Ballwieser (2002b), S. 117. Vgl. Leffson (1987), S. 489. Leffson fordert darüber hinaus, die Differenz zwischen dem arithmetischen Mittelwert und der unteren/oberen Grenze des Schätzintervalls anzugeben.
5 Inhaltliche Konkretisierung der Anforderungskriterien
111
Auch wenn der im Rahmen dieser Arbeit gemäß obigen Ausführungen verwendete Objektivitätsbegriff keine vollständige Eliminierung aller subjektiven Elemente in der Rechnungslegung fordert, gewährleistet die Einhaltung der Grundsätze der Willkürfreiheit, intersubjektiven Nachprüfbarkeit und Neutralität eine maximal mögliche Prognosegenauigkeit zum Zeitpunkt der Schätzung und eine Kontrollierbarkeit der vermittelten Informationen. Objektivität im hier verstandenen Sinne ist Voraussetzung für die Vermittlung einer Information mittels Rechnungslegung. Dies gilt auch, wenn die „objektivierte Abbildung“ aus Sicht der Rechnunglegenden weniger relevant als die „subjektiv richtige Abbildung“ ist.1 Werden die zur Ermittlung der Information unterstellten Annahmen und angewandten Messmethoden offen gelegt, kann der Adressat „für sein individuelles Informationsbedürfnis die ‚objektivierte Abbildung’ (gedanklich) subjektiv modifizieren“.2 Sollten nach Auffassung der Rechnunglegenden Informationen im Regelfall relevant, ein Wert aber im Einzelfall nicht hinreichend objektiv ermittelbar sein, sind alternative Offenlegungsmöglichkeiten zu prüfen.3 Die hohe Gewichtung der Objektivität resultiert aus der Einsicht, dass eine Information für den Empfänger umso wertloser ist, desto weniger er ihren Wahrheitsgehalt einschätzen kann.4 Glaubwürdigkeit ist einer der Hauptfaktoren der Akzeptanz von Informationen. Je stärker die Informationen der Gefahr der Manipulation unterliegen, desto weniger glaubwürdig sind sie.5 Demnach können Informationen für den Adressaten nur relevant sein, wenn sie objektiv und nachprüfbar sind. Die Objektivität der kommunizierten Informationen ist gerade in der mittelständischen Rechnungslegung mit diesem Nachdruck zu betonen, da ihr aus Sicht der Kreditinstitute eine besonders hohe Bedeutung zukommt.6 Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Gläubiger dem Risiko ausgesetzt sind, gerade bei negativer Unternehmensentwicklung getäuscht zu werden und so im Rahmen ihrer Kreditwürdigkeitsprüfung auf objektive und belastbare Informationen angewiesen sind. Unzureichend objektive Informationen, die als Indiz für weit in der Zukunft liegende Ertragspotenziale dienen können, sind für Gläubiger weniger relevant, da ihr Einkommensstrom sowohl zeitlich begrenzt als auch in seiner Höhe auf die Tilgungs- und Zinszahlungen beschränkt ist. Gläubiger partizipieren nicht an den potenziellen Erträgen. Ihr primäres Interesse liegt in Informationen, die eine Prognose der unternehmeri1 2 3
4 5 6
Baetge (1976), S. 29. Ähnlich: Baetge (1970), S. 21; Baetge/Kirsch (1995), Rn. 297. Baetge/Kirsch (1995), Rn. 297. Dies kann z.B. bei Marken oder Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen der Fall sein. Vgl. Solomons (1995), S. 47; Krönert (2001), S. 58. Vgl. Hommel (1997), S. 349; Pfaff/Kukule (2006), S. 548. Vgl. Grotz-Martin (1983), S. 155. Vgl. BdB (2005), S. 22; Ballwieser (2006a), S. 27; Baetge/Lienau (2005), S. 73; Wagenhofer/Ewert (2003), S. 6. Euler spricht von einer objektivierten und moderat vorsichtigen Vermögensermittlung, vgl. Euler (2002), S. 879. Die hohe Bedeutung der Objektivität aus Sicht der Kreditinstitute ist auch durch die Aufbereitung der IFRS-Bilanzen für das Rating erkennbar. Hier werden selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände mit dem Eigenkapital verrechnet. Ähnliches gilt für nach der POC-Methode bilanzierte Fertigungsaufträge. Vgl. BdB (2005), S. 26.
112
IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
schen Risiken erlauben, da sie von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit unmittelbar betroffen sind. Zudem haben Kreditgeber “more to lose by making a bad loan than by rejecting a chance to make a good one“.1 5.2.2
Verständlichkeit
Das Anforderungskriterium der Relevanz bedingt die Verständlichkeit der kommunizierten Berichtsinhalte, da eine für die Adressaten unverständliche Information keine Grundlage darstellen kann, auf deren Basis Entscheidungen getroffen bzw. geändert werden.2 Abzustellen ist auf einen interessierten Adressaten, der über durchschnittliche Kenntnisse in der Rechnungslegung verfügt.3 Die Forderung nach Verständlichkeit der Rechnungslegungsinformationen berechtigt nicht dazu, entscheidungsrelevante Information zu komplexen Themen wegzulassen, nur weil diese für bestimmte Adressaten schwer verständlich sind. 4 Voraussetzung der Verständlichkeit von Informationen ist deren Klarheit. Der Grundsatz der Klarheit beschreibt in erster Linie die Qualität der äußeren Gestaltung des Jahresabschlusses. Es handelt sich somit um einen formellen Grundsatz, der „einen ‚mehrdeutigen’ und insofern irreführenden Berichtinhalt“ verbietet.5 Grundlage hierfür ist ein übereinstimmendes Verständnis zwischen Informationssender und -empfänger bezüglich des Inhalts verwendeter Bezeichnungen. Demnach sind eindeutige Bezeichnungen zu wählen, die im Zweifelsfall inhaltlich näher zu erläutern sind.6 Unterstützt wird die Klarheit durch eine Einschränkung der Darstellungswahlrechte.7 5.2.3 Vergleichbarkeit Informationen sind nur relevant, wenn sie sowohl im Zeitablauf als auch zwischenbetrieblich vergleichbar sind. Voraussetzung für den intertemporalen Vergleich ist eine stetige Bilanzierung. Der Grundsatz der Stetigkeit wird in formelle und materielle Stetigkeit separiert. Formelle Stetigkeit bezieht sich auf den Bilanzausweis, materielle Stetigkeit betrifft die Beibehaltung der angewandten
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Solomons (1986), S. 100. Verständlichkeit in seiner Bedeutung als qualitatives Anforderungskriterium für Rechnungslegungsinformationen bezieht sich auf die Verständlichkeit der mittels Rechnungslegung kommunizierten Informationen für die Nutzer der Informationen, d.h. die externen Adressaten. Davon ist die Verständlichkeit der einzelnen Rechnungslegungsnormen für den Anwender, die bspw. durch deren Komplexität determiniert wird, zu unterscheiden. Die Komplexität der Rechnungslegungsnormen beeinflusst die Kosten der Informationsbereitstellung und wird deshalb im Rahmen der Diskussion des Wirtschaftlichkeitskriteriums aufgegriffen. Vgl. Leffson (1987), S. 209; Krönert (2001), S. 56. Hierauf weist das IASB explizit im Rahmenkonzept (RK.25) hin. Vgl. Moxter (1976b), S. 93. Vgl. Leffson (1987), S. 208f. Vgl. Volk (1990), S. 72.
5 Inhaltliche Konkretisierung der Anforderungskriterien
113
Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden.1 Die Beachtung der Stetigkeit bedingt, dass gleiche Sachverhalte, unabhängig von ihrem zeitlichen Anfall, bilanziell gleich abgebildet werden. Die Vergleichbarkeit der Daten über mehrere Perioden ermöglicht den Adressaten mittels Zeitreihenanalysen Tendenzen der Geschäftsentwicklung zu erkennen und erleichtert die Prognose der zukünftigen Entwicklung.2 Eine hohe Bedeutung besitzt die Stetigkeit auch für die Bilanzanalyse, die oft mittels Kennzahlensystemen erfolgt. Nur bei einer im Zeitablauf konsistenten Rechnungslegung gewinnen Kennzahlenvergleiche und -relationen Aussagekraft.3 Stetige Bilanzierung verringert Manipulationsspielräume des Bilanzierenden und ist Voraussetzung für die Kontrolle von Prognosen und Erwartungen der Vergangenheit. Zudem erhöht sie die Klarheit und Verständlichkeit der vermittelten Informationen. Vom Stetigkeitsgrundsatz sollte abgewichen werden, wenn die Aussagekraft der Informationen durch bessere Bewertungsmethoden oder geänderten Ausweis erhöht werden kann. 4 In diesen Fällen ist aber zu fordern, dass die Adressaten über die Änderung der angewandten Methoden und die damit verbundenen Auswirkungen informiert werden. Dies beinhaltet auch die Angabe von Vergleichsdaten auf Basis der geänderten Bilanzierung.5 Die zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit wird zum einen durch eine stetige Bilanzierung und zum anderen durch eine Begrenzung der Freiheitsgrade des Bilanzierenden erhöht. Zur Reduzierung der Freiheitsgrade bedarf es einer Einschränkung der expliziten Bilanzierungswahlrechte, aber insbesondere der impliziten Wahlrechte, das heißt der Ermessens- und Beurteilungsspielräume.6 Zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit ist bspw. im Rahmen der Bilanzanalyse und insbesondere der Insolvenzprognose erforderlich, da die Qualität des RatingErgebnisses durch die Trennschärfe der eingesetzten Kennzahlen determiniert wird. Eine ausreichende Trennschärfe kann unter Zuhilfenahme mathematisch-statistischer Analyseverfahren jedoch nur bei Rückgriff auf einen umfassenden Datenbestand gewonnen werden. So ist der im Schrifttum vereinzelt vertretenen Behauptung, der zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit der Rechnungslegungsinformationen komme in der mittelständischen Rechnungslegung nur eine untergeordnete Bedeutung zu,7 nicht zuzustimmen. Bezüglich der Fremdkapitalgeber ist - wie oben gezeigt - die Notwendigkeit einer weitgehenden Vergleichbarkeit der Rechnungslegungsdaten evident. Andernfalls wären die Kreditinstitute gezwungen, die Rechnungslegungsdaten zunächst durch umfangreiche Aufbereitung vergleichbar zu
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Vgl. Federmann (2000), S. 158f. Vgl. Engels (1976), S. 45; Möller/Hüfner (2002b), S. 425; vgl. auch RK.39. Vgl. Krönert (2001), S. 68. Vgl. Leffson (1987), S. 437f.; Beatge/Kirsch/Thiele (2005), S. 119. Vgl. Solomons (1986), S. 105; vgl. auch RK.40f. Vgl. Wagenhofer (2003), S. 612; Hoffmann/Lüdenbach (2002), S. 544; Kahle (2003b), S. 268. Vgl. Schön (2000), S. 730; in Bezug auf internationale Vergleichbarkeit: Schildbach (2002), S. 271.
114
IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
machen, wodurch ihnen hohe Kosten entstünden,1 die sie zudem an die Kunden in Form schlechterer Konditionen weitergeben dürften. Insgesamt ist Streim beizupflichten, wenn er anmerkt: „Gewinnermittlungsregeln in der Form von Wahlrechten schützen weder Gläubiger noch Gesellschafter. Sie schaffen lediglich einen gesetzlich legitimierten Manipulationsspielraum für das rechnungslegende Management".2 Intertemporale und zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit der Informationen ist Voraussetzung für ihre Verwendung zu Planungs- und Kontrollzwecken. 5.2.4 Vollständigkeit Damit auf Grundlage der im Abschluss vermittelten Informationen eine optimale Entscheidung getroffen bzw. die Leistung der Unternehmensleitung kontrolliert werden kann, sind grundsätzlich alle Sachverhalte zu erfassen. 3 Bei der Forderung nach Vollständigkeit kann es sich jedoch nur um eine Forderung nach „relativer Vollständigkeit“ unter Berücksichtigung gewisser Restriktionen handeln.4 Zum einen ist die Forderung nach Vollständigkeit angesichts der Primärforderung auf diejenigen Informationen zu beschränken, die relevant für Prognoseund Kontrollzwecke sind. Zum anderen wird die Vollständigkeit durch die Bedingung der Wirtschaftlichkeit der Informationsvermittlung begrenzt. Das Postulat der Wirtschaftlichkeit engt den Umfang der entscheidungsrelevanten Informationen auf diejenigen ein, deren Kommunikation unter Beachtung von Kosten und Nutzen gerechtfertigt erscheint.5 Nach dem Verständnis der vorliegenden Untersuchung gilt das Anforderungskriterium der Vollständigkeit somit als erfüllt, wenn alle relevanten Informationen, deren Bereitstellung wirtschaftlich ist, im Abschluss enthalten sind. Vor diesem Hintergrund erweisen sich Ansatzwahlrechte als unzulässige Einschränkung des Vollständigkeitsgebots und sind möglichst zu eliminieren. 5.3
Restriktion
5.3.1 Wesentlichkeit Eng verbunden mit der Primärforderung nach Relevanz ist das Kriterium der Wesentlichkeit. Informationsökonomisch betrachtet, stimmt der Begriff der Wesentlichkeit mit dem der Relevanz überein. „Entscheidungsrelevantes ist immer wesentlich und Wesentliches ist stets ent-
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Vgl. Wagenhofer/Ewert (2003), S. 13f. Streim (1985), S. 1581. Vgl. Moxter (1976b), S. 92. Siehe hierzu auch: Ballwieser (2002b), S. 121. In ähnlicher Weise wird im Rahmenkonzept der IFRS gefordert, dass die im Abschluss enthaltenen Informationen „in den Grenzen von Wesentlichkeit und Kosten vollständig sein“ müssen (RK.38). Die Restriktion der Wirtschaftlichkeit wird in Kapitel IV 5.3 ausführlich thematisiert.
115
5 Inhaltliche Konkretisierung der Anforderungskriterien
scheidungsrelevant“.1 Die Forderung nach Wesentlichkeit kann demnach informationsökonomisch nicht gerechtfertigt werden. Erforderlich ist eine Analyse der Rechnungslegungspraxis, für welche insbesondere die Interpretation des IASB im Rahmenkonzept der IFRS heranzuziehen ist. Auf den ersten Blick folgt das IASB dem informationsökonomischen Verständnis, da es im Rahmenkonzept festhält, Informationen seien wesentlich, „wenn ihr Weglassen oder ihre fehlerhafte Darstellung die auf der Basis des Abschlusses getroffenen wirtschaftlichen Entscheidungen der Adressaten beeinflussen können“ (RK.30). Verglichen mit der Definition der Relevanz, nach der Informationen dann als relevant gelten, „wenn sie die wirtschaftlichen Entscheidungen der Adressaten beeinflussen“ (RK.26), entsteht der Eindruck einer weitgehenden begrifflichen Kongruenz. Das IASB führt jedoch aus, dass bestimmte Informationen allein durch ihre Art relevant sind, während andere Informationen erst durch ihre Wesentlichkeit relevant werden (RK.29). Der Begriff der Wesentlichkeit ist als quantitativer Maßstab zu interpretieren.2 „Die Wesentlichkeit ist von der Größe des Postens oder des Fehlers abhängig, die sich nach den besonderen Umständen des Weglassens oder der fehlerhaften Darstellung ergibt. Somit ist die Wesentlichkeit eher eine Schwelle oder ein Grenzwert und weniger eine primäre qualitative Anforderung, die eine Information haben muss, um nützlich zu sein“ (RK.30). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass es entscheidungsrelevante Informationen gibt, die aber nicht Bestandteil der Rechnungslegung werden, da sie eine bestimmte Wesentlichkeitsschwelle nicht überschreiten. Das Anforderungskriterium der Wesentlichkeit wird in der Rechnungslegungspraxis als Restriktion des Umfangs der zu vermittelnden Informationen operationalisiert. Es begrenzt die Menge der relevanten Informationen auf den Umfang der wesentlichen Informationen. In ähnlicher Weise wird der Grundsatz der Wesentlichkeit im deutschen Handelsrecht verwendet. Er ist zwar nicht im HGB kodifiziert, aber auch im Handelsrecht gilt, dass Sachverhalte von untergeordneter Bedeutung, die keinen wesentlichen Einfluss auf Jahresergebnis und Rechnungslegung haben, vernachlässigt werden können. Der Gesetzgeber bedient sich hierzu einer Vielzahl von Formulierungen, die denselben Rechtsbegriff umschreiben, in der Regel aber das Wort „wesentlich“ nicht enthalten. Hier sollen nur exemplarisch einige Formulierung aufgelistet werden: „wesentliche Verbesserung“ (§ 255 Abs. 2 Satz 1 HGB), „nicht erheblich“
(§ 265 Abs. 7 Nr. 1 HGB),
„nicht
von
untergeordneter
(§ 277 Abs. 2 Nr. 4 HGB), „nicht unerheblichem Umfang“ (§ 285 Nr. 12 HGB).
1 2
Vgl. Ballwieser (2002b), S. 118. Vgl. Solomons (1986), S. 109.
Bedeutung“
116
5.3.2
IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
Operationalisierung
Da sich die Forderung nach Wesentlichkeit informationsökonomisch nicht rechtfertigen lässt, basiert ihre Begründung in der Literatur zumeist auf Kosten-Nutzen-Überlegungen.1 Demnach muss der aus einer Information resultierende Nutzen die Kosten der Informationsbereitstellung überwiegen. Die Grenzkosten der Informationsvermittlung dürfen den Grenznutzen der Adressaten nicht überschreiten.2 Die Umsetzung dieser theoretischen Forderung gestaltet sich in der Praxis schwierig, ist in der Regel sogar unmöglich, da die mit der Vermittlung der Information verbundenen Kosten und ihr Nutzen kaum quantifizierbar sind. Letztlich kommt die Einschätzung einer Ermessensfrage gleich.3 Dies gilt in besonderem Maße für die Beurteilung des Informationsnutzens aus Sicht der Rechnungslegungsadressaten. Zum einen bedingt die Beurteilung eine abschließende Definition des Adressatenkreises, die in der Praxis kaum möglich ist, zum anderen hängt der Nutzen der Informationen von der individuellen Entscheidungssituation des Adressaten und seiner subjektiv empfundenen Entscheidungsnützlichkeit ab.4 Die Forderung nach einer optimalen Kosten-Nutzen-Relation ist nicht operationalisierbar. Aus diesem Grund werden regelmäßig monetäre Werte herangezogen, die als Wesentlichkeitsgrenze fungieren. In der Literatur existiert eine Vielzahl von Vorschlägen zur Festlegung der Wesentlichkeit. In der Regel wird sie als Prozentsatz in Bezug auf eine aktuelle Jahresabschlussgröße oder ihrem mehrperiodigen Durchschnittswert ermittelt, wobei die verwendete Bezugsgröße wiederum in Abhängigkeit zur Unternehmensgröße stehen sollte.5 Empirische Untersuchungen belegen, dass im Rahmen der Jahresabschlussprüfung6 eine Bestimmung der Wesentlichkeitsgrenze in Bezug auf den Jahresüberschuss vor Steuern in Höhe von 5 bis 10% weit verbreitet ist.7 Darüber hinaus kommen oftmals Methoden zum Einsatz, die verschiedene Bezugsgrößen kombinieren.8
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Vgl. Ballwieser (2002b), S. 118. Vgl. Baetge/Kirsch (1995), Rn. 307f. Vgl. Haller (1997), S. 412; Ballwieser (1982), S. 792; Eierle (2005), S. 283; Lüdenbach/Hoffmann (2004a), S. 612. Auf diese Schwierigkeit weist auch das IASB hin, gleichzeitig betont es jedoch die Notwendigkeit, den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit im Rahmen der Rechnungslegung zu berücksichtigen (RK.44). Baetge/Kirsch fordern die Steigerung der Informationsqualität in Zweifelsfällen höher zu gewichten als die Kosten der Informationsbereitstellung. Vgl. Baetge/Kirsch (1995), Rn. 307. Vgl. Wolz (2003), S. 209. Für eine kritische Analyse potenzieller Bezugsgrößen siehe Wolz (2003), S. 210216. Die im Rahmen der Jahresabschlussprüfung eingesetzten Konzepte der Wesentlichkeit stimmen grds. mit denen der Jahresabschlusserstellung überein. Vgl. Wolz (2003), S. 19. Vgl. Wolz (2004a), S. 136. Gleichwohl kommt Wolz bei einer Befragung von Wirtschaftsprüfern zu dem Ergebnis, dass „eine nicht zu akzeptierende Bandbreite praktizierter Wesentlichkeitsgrenzen zu konstatieren“ ist. Wolz (2004a), S. 140. Nach Erfahrungen des Autors kommt insbesondere der Blended Method als Kombination verschiedener Bezugsgrößen in der Praxis große Bedeutung zu.
5 Inhaltliche Konkretisierung der Anforderungskriterien
117
Eine zwingende wissenschaftliche Rechtfertigung der verschiedenen Konzepte gibt es nicht. 1 Informationsökonomisch kann die quantitative Festlegung von Wesentlichkeitsgrenzen ebenfalls nicht begründet werden.2 Für die Praxis hat die pragmatische Vorgehensweise jedoch eine hohe Bedeutung.3 5.3.3 Wirtschaftlichkeit Nach dem hier zu Grunde gelegten Verständnis wird die Restriktion der Wesentlichkeit trefflicher durch den Begriff der Wirtschaftlichkeit charakterisiert. Das Anforderungskriterium stellt weniger eine qualitative Anforderung an die Rechnungslegungsinformationen, als vielmehr eine Restriktion des Informationsumfangs, begründet durch Kosten-NutzenAbwägungen dar. Entscheidungsrelevante Rechnungslegungsinformationen sollten demnach nur vermittelt werden, wenn der Nutzen der Informationsbereitstellung deren Kosten übertrifft. Zusätzlich zu den betriebswirtschaftlichen Kosten der Informationsbereitstellung sind auch konkurrenzinduzierte Wettbewerbsnachteile zu berücksichtigen, die durch die Offenlegung der Informationen entstehen können.4 Obwohl Kosten und Nutzen der Informationsvermittlung in der Regel kaum quantifizierbar sind, erscheint auch die in der Praxis übliche Vorgehensweise der Verwendung quantitativer Wesentlichkeitsgrenzen für die Zwecke dieser Arbeit nicht geeignet, da die zu betrachtenden Unternehmen sehr heterogen sind und die theoretisch unzureichend fundierten Konzepte zur Ermittlung der Wesentlichkeitsgrenzen erheblich divergieren. Dennoch stellt die Wirtschaftlichkeit ein bedeutsames Beurteilungskriterium dar. Das IASB bezeichnet die Abwägung von Kosten und Nutzen als „vorherrschenden Sachzwang“ (RK.44). Insbesondere im Rahmen einer mittelstandsadäquaten Rechnungslegung kommt ihr eine hohe Bedeutung zu,5 da die mit der Beschaffung und Verarbeitung von Informationen sowie ihrer Vermittlung durch den Jahresabschluss einhergehenden Kosten degressiv mit der 1 2 3 4
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Vgl. Volk (1990), S. 76; Ballwieser (1985b), S. 64. Vgl. Ballwieser (1985b), S. 62-64. Vgl. Federmann (2000), S. 170. Moxter wies bereits 1976 auf die „gefährlichen Nebenwirkungen“ der Offenlegung von Informationen hin und leitete hieraus den Grundsatz der „gefahrenorientierten Rechenschaft“ ab. Vgl. Moxter (1976), S. 97-99. Zur Notwenigkeit der Geheimhaltung von Informationen siehe auch: Schildbach (1975), S. 254-262; Solomons (1995), S. 43; Schön (2000), S. 731. Der Stellenwert des Jahresabschlusses in der Konkurrenzanalyse wird von Hoffjahn ausführlich thematisiert: Hoffjahn (2003), S. 1494-1498. Einschränkend muss angemerkt werden, dass gerade kleinen und mittleren Unternehmen im Handelsrecht weitgehende Erleichterungen in Bezug auf die Offenlegung der Jahresabschlüsse zu gestanden werden. Die Publizitätspflichten sind vom Gesetzgeber unabhängig vom verwendeten Rechnungslegungssystem und seinen spezifischen Rechnungslegungsnormen zu kodifizieren und determinieren demnach nicht die Zielkonformität der einzelnen Rechnungslegungsnormen. Konkurrenzinduzierte Kosten werden im weiteren Verlauf der Arbeit demnach vernachlässigt. Vgl. Pellens/Fülbier (2000), S. 586; Eierle (2005), S. 281. Auch das IASB betont mehrfach die hohe Bedeutung der Wirtschaftlichkeit für die mittelständische Rechnungslegung im Rahmen der Entwicklung des IFRSSME. Vgl. stellvertretend: IASB (2004a), Tz. 66 oder ED-SME BC 25.
118
IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
Unternehmensgröße ansteigen und kleine Unternehmen dementsprechend überproportional belasten.1 Ferner sind die pro Adressat anfallenden Kosten aufgrund der vergleichsweise geringeren Anzahl von Rechnungslegungsadressaten höher.2 Zu berücksichtigen ist auch, dass die Kosten der Informationsbereitstellung stark von der Verständlichkeit der Rechnungslegungsnormen für die Anwender beeinflusst werden. Sehr komplexe und unpraktikable Regelungen, die zudem noch in schwer verständlicher Sprache verfasst sind, erfordern einen enormen Aufwand von Seiten der mittelständischen Unternehmen und konterkarieren eine wirtschaftliche Anwendung der Rechnungslegungsnormen. Gerade mittelständische Unternehmen verfügen oftmals nur über geringere Rechnungslegungskenntnisse und begrenzte personelle Ressourcen.3 Die Wirtschaftlichkeit der Informationsvermittlung kann, wie die vorherigen Ausführungen zeigen, letztlich nur qualitativ unter Betrachtung der Verhältnisse in der Gesamtheit nach bestem Wissen abgeschätzt werden. Eine allgemeingültige oder empirisch verifizierbare Konkretisierung des Kriteriums ist ausgeschlossen.
1
2 3
Dieser Zusammenhang wurde bereits während der Untersuchung der Anwendungskosten der originären IFRS im Mittelstand aufgezeigt. Vgl. insbes. Kapitel III 5. Vgl. Ull (2006b), S. 104. Vgl. Kapitel III 5. Ergänzend: Tomaszewski/Blome (2006), S. 150-153.
119
6 System der Anforderungskriterien
6
System der Anforderungskriterien
Die nachfolgende Abbildung bietet eine zusammenfassende Darstellung des zur Würdigung der Zielkonformität von Rechnungslegungssystemen für mittelständische Unternehmen dienenden Systems von Anforderungskriterien.
Rechnungslegungszweck
Informationsvermittlung
Primäranforderung
Relevanz
Sekundäranforderungen Verständlichkeit
Vergleichbarkeit
Objektivität
Willkürfreiheit
Nachprüfbarkeit
Vollständigkeit
Neutralität
Restriktion
Wirtschaftlichkeit
Abbildung 14: System der Anforderungskriterien
Das primäre Anforderungskriterium einer informationsorientierten mittelstandsadäquaten Rechnungslegung ist die Relevanz. Relevant sind Informationen immer dann, wenn sie vom Adressaten zu Prognose- oder Kontrollzwecken verwendet werden können. Die Relevanz ist Bedingung jeder Informationsvermittlung. Die Vermittlung nicht relevanter Informationen würde den Rechnungslegungszweck der Informationsvermittlung ad absurdum führen. Die Relevanz ist demnach Voraussetzung dafür, dass eine Information überhaupt in der Rechnungslegung abgebildet werden darf. Das primäre Anforderungskriterium bedarf jedoch einer Operationalisierung durch ergänzende Kriterien.
120
IV Kriterien zur Würdigung von Rechnungslegungssystemen
Diese Operationalisierung erfolgt durch die als Sekundäranforderungen bezeichneten Kriterien der Objektivität, Verständlichkeit, Vergleichbarkeit und Vollständigkeit. Die Sekundärkriterien sind dem Primärkriterium der Relevanz untergeordnet. Sie stellen gewissermaßen eine weitere den Abbildungsbereich der Rechnungslegung konkretisierende Nebenbedingung dar. Ihre Stellung im Anforderungssystem begründet sich dadurch, dass sie für die Informationsvermittlung im Gegensatz zum Primärkriterium nicht unerlässlich sind. Die Sekundärkriterien besitzen lediglich notwendigen nicht jedoch hinreichenden Charakter. Da aus ihrer Einhaltung nicht unweigerlich die Relevanz einer Information resultiert, kann auf ihrer Grundlage eine Ablehnungs-, jedoch keine Annahmeentscheidung beruhen. Erfüllt eine Information die Sekundärkriterien nicht, darf sie nicht Bestandteil der Bilanz bzw. Gewinn- und Verlustrechnung werden. Somit sind grundsätzlich jeweils alle Anforderungskriterien zu untersuchen. Sobald ein Anforderungskriterium verletzt ist, kann auf die Prüfung der weiteren Kriterien verzichtet werden, da die Information ohnehin nicht Bestandteil der Rechnungslegung werden darf. Erfüllen Informationen die Sekundärkriterien nicht, wird ihnen dennoch Relevanz beigemessen, ist zu überlegen, ob alternative Offenlegungsmöglichkeiten im Anhang, Lagebericht oder im Rahmen eines Value Reporting in Betracht kommen. Wird eine Information sowohl dem primären Kriterium als auch den sekundären Kriterien gerecht, ist abzuschätzen, inwieweit ihre Abbildung wirtschaftlich ist. Die Restriktion der Wirtschaftlichkeit als weiterer Bestandteil des Kriteriensystems begrenzt den Umfang der vermittelten relevanten Informationen auf diejenigen, deren Bereitstellung unter Berücksichtigung von Kosten-Nutzen-Abwägungen sinnvoll erscheint. Das Kriterium kann auch Einfluss auf die Qualität der Informationsvermittlung nehmen, wenn bspw. die Ermittlung von Werten der Vorperiode zur Gewährleistung der Vergleichbarkeit mit Kosten verbunden ist, die den zusätzlichen Nutzen überwiegen. Auch könnte eine hinreichend objektive Ermittlung bestimmter Werte so hoher Aufwendungen z.B. für Gutachten bedürfen, dass die Anwendung einer alternativen Ermittlungsmethode - obwohl weniger aussagekräftig adäquater erscheint. 7
Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse
Voraussetzung für die Ableitung von Anforderungskriterien zur Beurteilung von Rechnungslegungssystemen ist zunächst die Ermittlung des Rechnungslegungszwecks. Mit Hilfe der Koalitionstheorie als theoretischem Bezugsrahmen konnte gezeigt werden, dass die Informationsvermittlung auch in der mittelständischen Rechnungslegung einen zentralen Zweck darstellt. Ausgehend vom Rechnungslegungszweck sind die Adressaten der Rechnungslegung und ihre Informationsinteressen zu ermitteln. Die Informationsinteressen determinieren die an die Rechnungslegung zu stellenden Anforderungen. Die Analyse der hierfür in Frage kom-
7 Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse
121
menden Methoden machte deutlich, dass die Ableitung der Informationsanforderung und der aus ihnen resultierenden Kriterien nur im Rahmen der hermeneutischen Methode durch eine wertende Konkretisierung erfolgen kann. Die Untersuchung des Adressatenkreises und der Informationsinteressen der einzelnen Adressatengruppen ergab, dass mittelständische Unternehmen im Gegensatz zu kapitalmarktorientierten Unternehmen nur einem kleinen Kreis von Adressaten gegenüberstehen. Hervorzuheben sind dabei die Bedürfnisse der Kreditinstitute, die Informationen fordern, welche eine objektive Indikatorfunktion besitzen und eine Kontrolle der Unternehmensleitung erlauben. Im Konfliktfall sind die Interessen der Kreditinstitute bevorrechtigt zu berücksichtigen. Zur Beurteilung der Zielkonformität der verschiedenen Rechnungslegungssysteme wurde ein System von Anforderungskriterien entwickelt. Das primäre Kriterium des Systems ist die Relevanz der vermittelten Informationen. Das Primärkriterium wird durch die sekundären Kriterien der Objektivität, Verständlichkeit, Vergleichbarkeit und Vollständigkeit operationalisiert. Restriktion der Informationsvermittlung ist deren Wirtschaftlichkeit.
122
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
V
Würdigung der Rechnungslegungssysteme
1
Vorbemerkungen
Die Würdigung eines Rechnungslegungssystems bedingt logisch zwingend den Vergleich mit einem Referenzsystem. Da eine vollständige Zielerreichung im Sinne einer normativ optimalen Rechnungslegung ausgeschlossen ist, führt die Würdigung eines Untersuchungsobjektes ohne Vergleich mit einem Referenzsystem zu nicht interpretationsfähigen Resultaten. Nur der Vergleich mit zumindest einem weiteren Rechnungslegungssystem kann den Ergebnissen der Würdigung einen Aussagegehalt verleihen. Da diese Arbeit dazu dienen soll, die gewonnenen theoretischen Erkenntnisse auf die Unternehmenspraxis zu übertragen, ist ein Vergleich mit den aktuell angewendeten Rechnungslegungsvorschriften des HGB erforderlich. Die zukünftige Entwicklung der handelsrechtlichen Rechnungslegung wird entscheidend durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz geprägt. Der Gesetzesentwurf sieht weitreichende Änderungen im Bilanzrecht vor. Mit dem BilMoG wird das Ziel verfolgt, das Handelsrecht zu einer im Vergleich zu den IFRS gleichwertigen, aber weniger komplexen und kostengünstigeren Alternative zu entwickeln.1 Aus den geplanten Änderungen resultiert eine deutliche Stärkung der Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahres- und Konzernabschlusses.2 Damit die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung für die nähere Zukunft Bestand haben, ist eine Berücksichtigung der neuen Regelungen notwendig. Wie bereits im dritten Teil der Arbeit gezeigt, ist die Würdigung aufgrund der herausragenden Stellung der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechung innerhalb der Rechnungslegung auf eben diese Abschlusselemente und die Grundlagen ihrer Erstellung zu begrenzen. 3 Die Komplexität der verschiedenen Rechnungslegungssysteme erfordert zudem, dass die Beurteilung ihrer Zielkonformität anhand der für die mittelständische Rechnungslegung wesentlichen Bilanzierungssachverhalte zu erfolgen hat.4 Der Identifikation der wesentlichen Bilanzierungssachverhalte ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen, da nur bei einer adäquaten Auswahl der Bilanzierungssachverhalte die Übertragbarkeit der theoretisch hergeleiteten Ergebnisse auf die Rechnungslegungspraxis gelingt.
1 2 3 4
Vgl. BilMoG-RegE Begr. A. Allgemeiner Teil. Vgl. BilMoG-RegE Begr. A. Allgemeiner Teil. Vgl. Kapitel IV 1. Die unterschiedliche konzeptionelle Ausgestaltung (z.B. Aufbau und Darstellung der Rechnungslegungsvorschriften bzw. des Rechnungslegungsstandards) wird vernachlässigt. Untersuchungsgegentand ist ausschließlich die inhaltliche Ausgestaltung der Rechnungslegungsnormen.
2 Identifikation der wesentlichen Bilanzierungssachverhalte
2
Identifikation der wesentlichen Bilanzierungssachverhalte
2.1
Internationale Rechnungslegungsstandards als Ausgangspunkt
123
Die Selektion der Bilanzierungssachverhalte bzw. Einzelnormen unterliegt einem dreistufigen Prozess, in welchem der Umfang der potenziellen Alternativen auf jeder Stufe systematisch verringert wird. Nur diejenigen Bilanzierungssachverhalte, die die Voraussetzungen der einzelnen Stufen kumulativ erfüllen und somit die dritte Stufe erreichen, sind Gegenstand der in den anschließenden Kapiteln folgenden Analyse. Den Ausgangspunkt des Selektionsprozesses bilden die bisher vom IASB publizierten IFRS. Die Vorgehensweise zur Identifikation der wesentlichen Bilanzierungssachverhalte orientiert sich an den veröffentlichen IFRS, da die internationalen Rechnungslegungsregeln inklusive ihrer zum Teil in eigenständigen Standards thematisierten speziellen Bilanzierungsprobleme im Fokus der Untersuchung stehen. Die handelsrechtlichen Regelungen dienen lediglich als Referenzsystem, das der ermittelten Zielkonformität der internationalen Rechnungslegung durch Vergleich einen Aussagegehalt für die Unternehmenspraxis verleiht. Mit Verweis auf die Zielsetzung der Arbeit werden diejenigen Standards eliminiert, die sich weder auf die Posten der Bilanz noch auf die der Gewinn- und Verlustrechnung beziehen. Dies sind im einzelnen IAS 7 (Kapitalflussrechnung), IAS 24 (Angaben über Beziehungen zu nahe stehenden Unternehmen und Personen), IFRS 7 (Finanzinstrumente: Angaben) und IFRS 8 (Operative Segmente). Zudem ist IFRS 1, der die erstmalige Anwendung der IFRS regelt, aus der Betrachtung auszuschließen. Einmalige Effekte, die beim Übergang von der HGB- auf die IFRS-Rechnungslegung entstehen, sind im Rahmen dieser Untersuchung nicht von Interesse, da Sondereffekte nicht auf überlegenen bzw. zielkonformeren Abbildungsregeln beruhen und somit keine dauerhafte Überlegenheit des Rechnungslegungssystems begründen. Das Ergebnis der ersten Stufe des Selektionsprozesses kann mit Hilfe der folgenden Zusammenstellung veranschaulicht werden. Von der Untersuchung ausgeschlossene Standards sind grau unterlegt.
124
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
Standard
Bezeichnung
IAS 1 IAS 2 IAS 7 IAS 8 IAS 10 IAS 11 IAS 12 IAS 16 IAS 17 IAS 18 IAS 19 IAS 20 IAS 21 IAS 23 IAS 24 IAS 26 IAS 27 IAS 28 IAS 29 IAS 31 IAS 32 IAS 33 IAS 34 IAS 36 IAS 37 IAS 38 IAS 39 IAS 40 IAS 41 IFRS 1 IFRS 2 IFRS 3 IFRS 4 IFRS 5 IFRS 6 IFRS 7 IFRS 8
Darstellung des Abschlusses Vorräte Kapitalflussrechnung Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, Änderungen von Schätzungen und Fehler Ereignisse nach dem Bilanzstichtag Fertigungsaufträge Ertragsteuern Sachanlagen Leasingverhältnisse Erträge Leistungen an Arbeitnehmer Bilanzierung und Darstellung von Zuwendungen der öffentlichen Hand Auswirkungen von Änderungen der Wechselkurse Fremdkapitalkosten Angaben über Beziehungen zu nahe stehenden Unternehmen und Personen Bilanzierung und Berichterstattung von Altersversorgungsplänen Konzernabschlüsse und Bilanzierung von Anteilen an Tochterunternehmen Bilanzierung von Anteilen an assoziierten Unternehmen Rechnungslegung in Hochinflationsländern Rechnungslegung über Anteile an Joint Ventures Finanzinstrumente: Angabe und Darstellung Ergebnis je Aktie Zwischenberichterstattung Wertminderung von Vermögenswerten Rückstellungen, Eventualschulden und Eventualforderungen Immaterielle Vermögenswerte Finanzinstrumente: Ansatz und Bewertung Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien Landwirtschaft Erstmalige Anwendung der IFRS Anteilsbasierte Vergütung Unternehmenszusammenschlüsse Versicherungsverträge Zur Veräußerung gehaltene, langfristige Vermögenswerte und aufgegebene Geschäftsbereiche Exploration und Bewertung von mineralischen Ressourcen Finanzinstrumente: Angaben Segementberichterstattung
Tabelle 6: Erste Stufe des Selektionsprozesses
2.2
Ausschluss nicht relevanter Rechnungslegungsstandards
Auf der zweiten Stufe des Selektionsprozesses werden diejenigen Standards identifiziert, die für die mittelständische Rechnungslegung keine bzw. eine nur untergeordnete Relevanz besitzen. Von der nachfolgenden Analyse sind demnach die Vorschriften zur Konzernrechnungslegung auszugrenzen. Mittelständische Unternehmen stellen im Regelfall keinen Konzernabschluss auf und werden somit nicht von den Vorschriften zur Konzernrechnungslegung tangiert.1 Wegen der nicht konzernierten Strukturen und der im Allgemeinen geringen Unternehmensgröße mittelständischer Unternehmen sind spezielle Regelungen für Unternehmensverkäufe und Schließungen von Geschäftsbereichen ebenfalls nicht erforderlich. 2 Nur ca. ein Prozent der 1
2
Vgl. Kapitel II 1.1.3. Betroffen sind hiervon IAS 27 (Konzernabschlüsse und Bilanzierung von Anteilen an Tochterunternehmen), IAS 28 (Bilanzierung von Anteilen an assoziierten Unternehmen), IAS 31 (Rechnungslegung über Anteile an Joint Ventures) und IFRS 3 (Unternehmenszusammenschlüsse). Vgl. DRSC/BDI/PwC (2008), S. 20.
125
2 Identifikation der wesentlichen Bilanzierungssachverhalte
Unternehmen sieht sich mit diesem Sachverhalt häufig bis sehr häufig konfrontiert. 1 Den Ergebnissen entsprechend wird IFRS 5 von der weiteren Begutachtung ausgeschlossen.2 Nicht relevant sind IAS 33 (Ergebnis je Aktie) und IAS 34 (Zwischenberichterstattung), die sich ausschließlich auf kapitalmarktorientierte Unternehmen beziehen. Die Vorschriften zur anteilsbasierten Mitarbeitervergütung gemäß IFRS 2 sind für Mittelständler aufgrund ihrer fehlenden Kapitalmarktorientierung auf die anteilsbasierte Vergütung mit Barausgleich begrenzt. Jedoch kommt auch dieser Form der Mitarbeitervergütung nur eine sehr geringe Bedeutung zu, so dass IFRS 2 im weiteren Verlauf vernachlässigt werden kann.3 Darüber hinaus weisen die branchenspezifischen Standards IAS 41 (Landwirtschaft), IFRS 6 (Exploration und Bewertung von mineralischen Ressourcen), IFRS 4 (Versicherungsverträge) keine Relevanz für mittelständische Unternehmen auf. 4 Die spezifischen Vorschriften des IAS 40 zur Bilanzierung von als Finanzinvestition gehaltenen Immobilien können ebenfalls unberücksichtigt bleiben, da mittelständische Unternehmen nur in Ausnahmefällen mit dieser Anlageform befasst sind.5 Der Grad der Internationalisierung kleiner und mittelgroßer Unternehmen ist vergleichsweise gering. Die Internationalisierung ist im Regelfall auf den reinen Exporthandel beschränkt. Handelspartner sind zumeist Unternehmen innerhalb der Europäischen Union.6 Dementsprechend finden die Regelungen zur Rechnungslegung in Hochinflationsländern nach IAS 29 im Mittelstand keine Anwendung. Der Anwendungsbereich des IAS 21 (Auswirkungen von Änderungen der Wechselkurse) dürfte aufgrund des vorherrschenden Exporthandels auf die unkomplizierten
Sachverhalte
der
Bilanzierung
von
Fremdwährungsforderungen
und
-verbindlichkeiten begrenzt sein. Überdies sind Transaktionen in Fremdwährungen eher selten, da die Handelspartner in erster Linie Unternehmen aus EU-Ländern sind.
1 2
3
4
5
6
Vgl. DRSC/Haller/Eierle (2007), S. 19. IFRS 5 enthält darüber hinaus Regelungen, die sich auf den Verkauf langfristiger Vermögenswerte beziehen. Diese können in Einzelfällen zur Anwendung kommen, werden im Folgenden aufgrund ihrer unwesentlichen Auswirkungen auf den Jahresabschluss vernachlässigt. In einer von DRSC/Haller/Eierle durchgeführten Befragung maßen nur ca. 8% der Respondenten der anteilsbasierten Vergütung durch Barausgleich und ca. 1% dem Ausgleich durch Unternehmensanteile eine hohe Bedeutung zu. Vgl. DRSC/Haller/Eierle (2007), S. 20f. Auch die Field Tests zum ED-IFRS for SMEs verdeutlichen, dass der anteilsbasierten Vergütung im Mittelstand keine Relevanz zukommt. Vgl. DRSC/BDI/PwC (2008), S. 17; DRSC (2008), S. 2. Ca. 2,55% aller mittelständischen Unternehmen in Deutschland sind in der Land-, Forst- oder Fischwirtschaft, 0,55% im Bergbau, Energie- oder Wasserversorgung und ungefähr 0,52% im Kredit- oder Versicherungsgewerbe tätig. Vgl. Kapitel II 1.2.2. Nur 3% der Befragten konstatierten eine hohe bzw. sehr hohe Bedeutung. Vgl. DRSC/Haller/Eierle (2007), S. 24. Diese Einschätzung wird durch die öffentlichen Diskussionen des DRSC zum ED-SME bestätigt. Vgl. DRSC (2007), S. 3. Vgl. Kapitel III 3.1. Für detaillierte Informationen: DIHK (2006), S. 19; Bamberger/Wrona (2006), S. 394; DIHK (2007), S. 9; Wagner (2004), S. 254; Günterberg/Kayser (2004), S. 29.
126
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
Das Ergebnis der zweiten Selektionsstufe wird mit Hilfe der nachfolgenden Abbildung zusammengefasst. Standards, die bereits auf der ersten Stufe ausgeschlossen wurden, sind in der Zusammenstellung nicht mehr enthalten. Standards, die auf der zweiten Stufe eliminiert wurden, sind wiederum grau unterlegt. Standard
Bezeichnung
IAS 1 IAS 2 IAS 8 IAS 10 IAS 11 IAS 12 IAS 16 IAS 17 IAS 18 IAS 19 IAS 20 IAS 21 IAS 23 IAS 26 IAS 27 IAS 28 IAS 29 IAS 31 IAS 33 IAS 34 IAS 36 IAS 37 IAS 38 IAS 39 IAS 40 IAS 41 IFRS 2 IFRS 3 IFRS 4 IFRS 5 IFRS 6
Darstellung des Abschlusses Vorräte Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, Änderungen von Schätzungen und Fehler Ereignisse nach dem Bilanzstichtag Fertigungsaufträge Ertragsteuern Sachanlagen Leasingverhältnisse Erträge Leistungen an Arbeitnehmer Bilanzierung und Darstellung von Zuwendungen der öffentlichen Hand Auswirkungen von Änderungen der Wechselkurse Fremdkapitalkosten Bilanzierung und Berichterstattung von Altersversorgungsplänen Konzernabschlüsse und Bilanzierung von Anteilen an Tochterunternehmen Bilanzierung von Anteilen an assoziierten Unternehmen Rechnungslegung in Hochinflationsländern Rechnungslegung über Anteile an Joint Ventures Ergebnis je Aktie Zwischenberichterstattung Wertminderung von Vermögenswerten Rückstellungen, Eventualschulden und Eventualforderungen Immaterielle Vermögenswerte Finanzinstrumente: Ansatz und Bewertung Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien Landwirtschaft Anteilsbasierte Vergütung Unternehmenszusammenschlüsse Versicherungsverträge Zur Veräußerung gehaltene, langfristige Vermögenswerte und aufgegebene Geschäftsbereiche Exploration und Bewertung von mineralischen Ressourcen
Tabelle 7: Zweite Stufe des Selektionsprozesses
2.3
Systematisierung der relevanten Rechnungslegungsstandards
Die verbleibenden für die Rechnungslegung mittelständischer Unternehmen relevanten Standards sind danach zu differenzieren, ob sie sich auf die bilanzielle Abbildung eines bestimmten Bilanzierungssachverhaltes beziehen oder, ob sie wie bspw. IAS 1 (Darstellung des Abschlusses), IAS 8 (Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, Änderungen von Schätzungen und Fehler) oder IAS 36 (Wertminderung von Vermögenswerten) mehrere oder alle Bilanzierungssachverhalte betreffen.
2 Identifikation der wesentlichen Bilanzierungssachverhalte
127
Die Würdigung dieser „sachverhaltsübergreifenden“ Standards ist nur im Kontext eines bestimmten Bilanzierungssachverhaltes zweckmäßig, da die Beurteilung des sachverhaltsübergreifenden Standards in Abhängigkeit vom betrachteten Bilanzierungssachverhalt variieren kann. Um eine zweckorientierte und systematische Vorgehensweise zu gewährleisten, hat sich die Würdigung der Rechnungslegungsregeln an der Abbildung einzelner Bilanzierungssachverhalte zu orientieren. Sachverhaltsübergreifende Standards werden bei Darstellung und Würdigung der bilanziellen Abbildung der jeweiligen Bilanzierungssachverhalte berücksichtigt. Demgemäß werden die in nachstehender Abbildung grau unterlegten Standards keiner eigenständigen Analyse unterzogen. Standard
Bezeichnung
IAS 1 IAS 2 IAS 8 IAS 10 IAS 11 IAS 12 IAS 16 IAS 17 IAS 18 IAS 19 IAS 20 IAS 23 IAS 26 IAS 36 IAS 37 IAS 38 IAS 39
Darstellung des Abschlusses Vorräte Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, Änderungen von Schätzungen und Fehler Ereignisse nach dem Bilanzstichtag Fertigungsaufträge Ertragsteuern Sachanlagen Leasingverhältnisse Erträge Leistungen an Arbeitnehmer Bilanzierung und Darstellung von Zuwendungen der öffentlichen Hand Fremdkapitalkosten Bilanzierung und Berichterstattung von Altersversorgungsplänen Wertminderung von Vermögenswerten Rückstellungen, Eventualschulden und Eventualforderungen Immaterielle Vermögenswerte Finanzinstrumente: Ansatz und Bewertung
Tabelle 8: Dritte Stufe des Selektionsprozesses
Die Würdigung der internationalen Rechnungslegungsstandards hat somit anhand der folgenden, als wesentlich erachteten, Bilanzierungssachverhalte zu erfolgen: -
Immaterielle Vermögenswerte,
-
Sachanlagen,
-
Leasingverhältnisse,
-
Finanzinstrumente,
-
Vorräte,
-
langfristige Fertigungsaufträge,
-
latente Steuern,
-
Eigenkapital,
-
Rückstellungen und
-
Pensionsrückstellungen.
128
2.4
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
Folgen für das weitere Vorgehen
Die Überlegenheit eines Rechnungslegungssystems kann einzig durch voneinander abweichende Vorschriften begründet werden. Dementsprechend sind im weiteren Verlauf der Untersuchung die Unterschiede in der bilanziellen Abbildung der jeweiligen Sachverhalte durch die einzelnen Rechnungslegungssysteme darzustellen und die Abbildungsalternativen anhand des abgeleiteten Kriteriensystems zu würdigen. In die Untersuchung sind nicht nur Unterschiede zwischen den IFRS und dem deutschen Bilanzrecht einzubeziehen, sondern auch solche Unterschiede, die innerhalb der internationalen Rechnungslegung zwischen den originären IFRS und dem IFRS for SMEs1 auftreten. Die Berücksichtigung der Rechnungslegungsnormen des IFRS for SMEs ermöglicht eine Einschätzung, inwieweit der Rechnungslegungsstandard, durch den die internationale Rechnungslegung zu einer Alternative für den Mittelstand werden soll, eine zweckgerichtete Weiterentwicklung der originären IFRS darstellt. Gleichsam sind Unterschiede zwischen aktuellem Handelsrecht und BilMoG herauszuarbeiten, um die neuen Regelungen hinsichtlich ihrer Eignung für die mittelständische Rechnungslegung einzuschätzen. Das folgende Kapitel ist entsprechend der oben aufgeführten Bilanzierungssachverhalte gegliedert. Zu Beginn werden die Unterschiede zwischen den originären IFRS und dem deutschen Handelsrecht aufgezeigt. Im Falle signifikanter Abweichungen werden darüber hinaus die Regelungen des IFRS for SMEs bzw. des BilMoG erläutert. Anschließend erfolgt die Würdigung der unterschiedlichen Rechnungslegungsregeln mit Hilfe der entwickelten Anforderungskriterien. Zum Ende werden die wesentlichen Ergebnisse zu einem Gesamturteil zusammengefasst und Empfehlungen für die inhaltliche Ausgestaltung der Rechnungslegung gegeben. 3
Immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens
3.1
Unterschiede in der bilanziellen Abbildung
Die bilanzielle Abbildung immaterieller Vermögenswerte des Anlagevermögens divergiert zwischen IFRS und HGB, zwischen originären IFRS und IFRS for SMEs sowie zwischen HGB und BilMoG.
1
Sofern nachfolgend die Bezeichnung „IFRS for SMEs“ verwendet wird, wird immer auf den im Februar 2007 veröffentlichten Exposure Draft des IFRS for SMEs Bezug genommen.
3 Immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens
129
3.1.1 Abbildung nach IFRS und HGB Während die Konzeptionen zur abstrakten Aktivierungsfähigkeit in beiden Regelungskreisen für den Bilanzierungssachverhalt immaterieller Vermögenswerte des Anlagevermögens zu einem übereinstimmenden Ergebnis führen,1 unterscheiden sich die Vorschriften zur konkreten Aktivierungsfähigkeit erheblich. ƒ%LODQ]DQVDW]originärer immaterieller Vermögenswerte Im deutschen Handelsrecht besteht nach § 248 Abs. 2 HGB für immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben wurden, ein Ansatzverbot. Ungeachtet ihrer abstrakten Aktivierungsfähigkeit sind solche immateriellen Vermögensgegenstände somit aufgrund konkreter gesetzlicher Vorschriften von einer Aktivierung ausgeschlossen. Die Voraussetzung der Entgeltlichkeit verlangt im bilanzrechtlichen Sinne, dass eine Gegenleistung für den Übergang des immateriellen Vermögensgegenstandes aus dem Vermögen eines Dritten in das Vermögen des Bilanzierenden in Form von Ausgaben oder Ausgabenäquivalenten erfolgt ist.2 Ein Erwerb bedingt den Übergang der Verfügungsmacht über den Vermögensgegenstand durch Kauf, Tausch oder bestimmte gesellschaftsrechtliche Vorgänge.3 Dabei ist es unerheblich, ob der Vermögensgegenstand bereits vor der Übertragung existiert hat oder im Zuge der Übertragung entstanden ist.4 In Übereinstimmung mit den internationalen Standards sind im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses zugegangene immaterielle Vermögensgegenstände aktivierungspflichtig, auch wenn diese vom Veräußerer selbst geschaffen wurden.5 Erfolgt ein Erwerb nur teilweise entgeltlich, so darf der Vermögensgegenstand nur in Höhe der tatsächlich geleisteten Zahlungen aktiviert werden.6 Im Gegensatz zu den Vorschriften des deutschen Bilanzrechts sind originäre immaterielle Vermögenswerte nach IFRS bei Erfüllung gewisser Kriterien zwingend in Höhe ihrer Herstellungskosten zu aktivieren. Die IFRS knüpfen die konkrete Aktivierungsfähigkeit selbst erstellter immaterieller Vermögenswerte an zusätzliche Kriterien, da sich die Identifikation und Abgrenzung dieser Werte zum Goodwill und die Ermittlung ihrer Herstellungskosten äußerst komplex gestaltet (IAS 38.51). Der Entstehungsprozess eines immateriellen Vermögenswertes ist gemäß IAS 38.52 in eine Forschungs- und eine Entwicklungsphase aufzuteilen. Unter 1
2
3 4 5 6
Zur abstrakten Aktivierungsfähigkeit in der internationalen und nationalen Rechnungslegung siehe Kapitel II 2.2.1.1. Vgl. Richter (1990), Rn. 56; Moxter (1999), S. 29. Der Tatbestand des entgeltlichen Erwerbs ist nicht erfüllt, wenn Aufwendungen lediglich in Zusammenhang mit der Beschaffung des Vermögensgegenstandes angefallen sind oder ausschließlich auf innerbetrieblichen Ausgaben beruhen. Vielmehr muss an Dritte und für den entsprechenden Vermögensgegenstand geleistet werden. Vgl. Förschle (2006b), Rn. 10; Reinhard (1995), Rn. 30. Vgl. Ballwieser (2002a), Rn. 33; Baetge/Fey/Weber (1995), Rn. 25. Vgl. Lamers (1981), S. 238f., Förschle (2006), Rn. 10. Vgl. Moxter (1999), S. 31; Adler/Düring/Schmaltz (2007a), § 248 HGB, Rn. 20. Vgl. Fasselt/Brinkmann (2004), Rn. 29.
130
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
Forschung ist die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen zu verstehen (IAS 38.8). Beispielhaft seien hier die Grundlagenforschung oder die Suche nach Material-, Produkt- oder Verfahrensalternativen genannt (IAS 38.56). Die Entwicklungsphase ist der Forschungsphase zeitlich nachgelagert. Sie dient der Anwendung von Forschungsergebnissen oder anderem Wissen mit Bezug auf ein bestimmtes Objekt oder mehrere Objekte (IAS 38.8).1 Da ein zukünftiger Nutzenzufluss aus Forschungsaktivitäten mit großen Unsicherheiten behaftet ist und eine eindeutige verursachungsgerechte Zuordnung der getätigten Aufwendungen zu einem Vermögenswert kaum möglich erscheint, gilt für Aufwendungen der Forschungsphase ein Aktivierungsverbot. Sie sind im Zeitpunkt ihres Anfalls aufwandswirksam zu erfassen (IAS 38.54). Entwicklungsaufwendungen sind dagegen bis zum Erreichen der Betriebsbereitschaft zu aktivieren, sofern die folgenden in IAS 38.57 aufgeführten Kriterien kumulativ erfüllt und nachgewiesen sind: -
technische Realisierbarkeit der Fertigstellung des immateriellen Vermögenswertes,
-
Absicht zur Fertigstellung und Nutzung oder Veräußerung,
-
Fähigkeit zur Nutzung oder Veräußerung,
-
zukünftiger wirtschaftlicher Nutzen, d.h. Nachweis eines Marktes für die Produkte des immateriellen Vermögenswertes oder des Vorteils bei interner Nutzung,
-
Verfügbarkeit der technischen, finanziellen und sonstigen Ressourcen zur Fertigstellung
-
zuverlässige Bewertungsfähigkeit der während der Entwicklung entstandenen Ausgaben.
und Nutzung oder Verwertung,
Können Forschungs- und Entwicklungsphase nicht voneinander abgegrenzt werden, sind sämtliche Aufwendungen so zu behandeln, als wären sie in der Forschungsphase angefallen (IAS 38.53). Selbst geschaffene Markennamen, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten sowie „ihrem Wesen nach ähnliche Sachverhalte“ sind laut IAS 38.63 explizit von der Aktivierung ausgeschlossen, da sie nicht von den sonstigen Aufwendungen des Unternehmens separiert werden können (IAS 38.64).
1
Beispiele hierfür sind gemäß IAS 38.59 der Entwurf, die Konstruktion und der Test von Prototypen oder Modellen.
3 Immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens
131
ƒ1HXEHZHUWXQJsmethode Im Rahmen der Zugangsbewertung treten zwischen der IFRS-Rechnungslegung und den handelsrechtlichen Vorschriften keine wesentlichen Divergenzen auf. 1 Die Folgebewertung kann sich hingegen deutlich voneinander unterscheiden, da die IFRS zusätzlich zur Bewertung auf Basis fortgeführter Anschaffungs- und Herstellungskosten die Option gewähren, Vermögenswerte unter Anwendung der Neubewertungsmethode mit ihrem Fair Value zu bilanzieren. Im Gegensatz zum Handelsrecht, das nur eine imparitätische Bewertung zum beizulegenden Zeitwert kennt, ist es nach IFRS zulässig, die historischen Zugangswerte als Wertobergrenze zu überschreiten. Wird zur Neubewertungsmethode optiert, ist diese einheitlich für die gesamte Gruppe gleichartiger immaterieller Vermögenswerte und regelmäßig durchzuführen (IAS 38.72 und IAS 38.75).2 Der zur Neubewertung beizulegende Zeitwert ist unter Bezugnahme auf einen aktiven Markt zu ermitteln (IAS 38.75). Ein aktiver Markt existiert nach Ansicht des IASB im Falle immaterieller Vermögenswerte jedoch nur in Ausnahmefällen (IAS 38.78). Ausgeschlossen wird die Existenz aktiver Märkte in IAS 38.78 für Markennamen, Drucktitel, Musik- und Filmverlagsrechte sowie Patente oder Warenzeichen. Die Vermögenswerte sind in Höhe ihrer Fair Values zum Zeitpunkt der Neubewertung abzüglich aller nach der Neubewertung angefallenen planmäßigen und außerplanmäßigen Abschreibungen anzusetzen (IAS 38.75). Liegt der ermittelte Neubewertungsbetrag über dem Buchwert, ist der Vermögenswert mit dem Neubewertungsbetrag zu bilanzieren und der Differenzbetrag erfolgsneutral in das Eigenkapital unter die Position Neubewertungsrücklage einzustellen. Wird durch die Zuschreibung eine zuvor erfolgswirksam erfasste Wertminderung rückgängig gemacht, ist die Zuschreibung zunächst in gleichem Umfang erfolgswirksam vorzunehmen und ausschließlich der über die Wertminderung hinausgehende Betrag erfolgsneutral gegen die Neubewertungsrücklage zu buchen (IAS 38.85). Führt die Neubewertung zu einer Verringerung des Buchwertes, ist die Wertminderung zunächst erfolgsneutral gegen die Neubewertungsrücklage zu verrechnen. Ist die Neubewertungsrücklage vollständig aufgebraucht oder wurde in Vorperioden keine Neubewertungsrücklage gebildet, stellt der verblei-
1
2
Entgeltlich erworbene immaterielle Vermögenswerte werden in Höhe ihrer Anschaffungskosten aktiviert (IAS 38.24; § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB). Für einen Vergleich der Anschaffungskosten wird auf Kapitel II 2.2.2.1 verwiesen. Selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte werden nach IFRS mit ihren Herstellungskosten aktiviert (IAS 38.24). Im Handelsrecht entfällt dieser Bewertungsmaßstab aufgrund des in § 248 Abs. 2 HGB kodifizierten Aktivierungsverbotes. Im Rahmen einer Unternehmensakquisition erworbene immaterielle Vermögenswerte sind sowohl nach IFRS als auch nach HGB mit ihrem beizulegenden Zeitwert anzusetzen. Vgl. IAS 38.33; Moxter (1999), S. 31; Adler/Düring/Schmaltz (2007a), § 248 HGB, Rn. 20. Die Häufigkeit der Neubewertung hängt von der Volatilität des Zeitwertes des zu bewertenden Vermögensgegenstandes ab. Bei Anwendung der Neubewertungsmethode soll gewährleistet sein, dass der Buchwert des Vermögenswertes nicht wesentlich von seinem Fair Value abweicht (IAS 38.79).
132
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
bende Betrag Aufwand der Periode dar (IAS 38.86). Bei Verkauf oder Stilllegung eines neubewerteten Vermögenswertes ist die Neubewertungsrücklage gegen die Gewinnrücklagen aufzulösen (IAS 38.87). ƒ$XHUSODQPlLJH:HUWPLQGHUXQJ Nach IFRS sind immaterielle Vermögenswerte einem Wertminderungstest zu unterziehen, falls Anzeichen auf eine Wertminderung hindeuten.1 Im Rahmen des Wertminderungstests wird der Buchwert des Vermögenswertes mit dem erzielbaren Betrag verglichen. Der erzielbare Betrag ist gemäß IAS 36.6 der höhere der beiden Werte Nettoveräußerungserlös und interner Nutzungswert. Liegt der erzielbare Betrag unterhalb des Buchwerts, ist zwingend eine Wertminderung in Höhe der Differenz zu erfassen (IAS 38.108; 38.110 i.V.m. IAS 36.59). Ist für einen einzelnen Vermögenswert kein erzielbarer Betrag feststellbar, so ist zur Ermittlung der Werthaltigkeit auf die kleinste identifizierbare Gruppe von Vermögenswerten (zahlungsmittelgenerierende Einheit) abzustellen, die den entsprechenden Vermögenswert enthält und unabhängig von anderen Gruppen Mittelzuflüsse aus der laufenden Nutzung erwirtschaftet (IAS 36.66 i.V.m. IAS 36.66). Liegt der erzielbare Betrag der zahlungsmittelgenerierenden Einheit unterhalb ihres Buchwerts, ist die Differenz zwischen Buchwert und erzielbarem Betrag als Wertminderungsaufwand zu erfassen. Die Wertminderung ist zunächst erfolgswirksam zu Lasten des Goodwills zu buchen, sofern der zahlungsmittelgenerierenden Einheit ein Goodwill zugeordnet wurde. Der darüber hinausgehende Betrag mindert die verbleibenden Vermögenswerte der zahlungsmittelgenerierenden Einheit im Verhältnis ihrer Buchwerte. Entfällt der Grund der außerplanmäßigen Wertminderung, besteht ein Gebot zur Wertaufholung auf den erzielbaren Betrag, wobei die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei abnutzbaren Vermögenswerten bzw. die historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei nicht abnutzbaren Vermögenswerten die Obergrenze der Zuschreibung darstellen (IAS 36.114 bis IAS 36.123). Für den Goodwill besteht gemäß IAS 36.124 ein Wertaufholungsverbot. Im deutschen Handelsrecht sind außerplanmäßige Wertminderungen immaterieller Vermögenswerte des Anlagevermögens nach Maßgabe des gemilderten Niederstwertprinzips durchzuführen (§ 253 Abs. 2 Satz 3 HGB). Das gemilderte Niederstwertprinzip gewährt bei voraussichtlich nicht dauernder Wertminderung das Wahlrecht, den immateriellen Vermögensgegenstand auf den niedrigeren beizulegenden Wert außerplanmäßig abzuschreiben oder den höheren Wertansatz beizubehalten.2 Bei dauernder Wertminderung ist die Abschreibung auf 1
2
Immaterielle Vermögenswerte, die eine unbestimmte Nutzungsdauer haben, sind gemäß IAS 36.10 jährlich auf Werthaltigkeit zu untersuchen, unabhängig davon, ob Anzeichen einer Wertminderung vorliegen. Kapitalgesellschaften dürfen bei einer voraussichtlich nicht dauernden Wertminderung nicht abschreiben (§ 279 Abs. 1 Satz 2 HGB).
3 Immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens
133
den niedrigeren beizulegenden Wert verpflichtend.1 Als Korrektivwert der außerplanmäßigen Abschreibung kommen der Wiederbeschaffungswert, Einzelveräußerungspreis und Ertragswert in Betracht.2 Grundsätzlich ist der Wiederbeschaffungszeitwert am Bilanzstichtag in Form eines Börsen- oder Marktpreises heranzuziehen. Ist dieser nicht ermittelbar, ist auf den Wiederbeschaffungsneuwert abzüglich der fiktiv angefallenen planmäßigen Abschreibungen abzustellen.3 Wird der Vermögenswert nicht mehr genutzt oder sein Verkauf angestrebt, stellt in Ausnahmefällen der Einzelveräußerungswert den niedrigeren Korrektivwert dar.4 Sind weder Wiederbeschaffungswert noch Einzelveräußerungswert bestimmbar, ist der Ertragswert in Form der diskontierten zukünftigen Einzahlungsüberschüsse maßgeblich, sofern es gelingt, dem Vermögenswert die erwarteten Einzahlungsüberschüsse zuzuordnen.5 Entfallen die Gründe der außerplanmäßigen Abschreibung, besteht das Wahlrecht, den niedrigeren Wertansatz beizubehalten oder maximal bis zu den fortgeführten Anschaffungskosten, die sich ohne die außerplanmäßige Abschreibung ergeben hätten, zuzuschreiben (§ 253 Abs. 5 HGB). Für Kapitalgesellschaften gilt gemäß § 280 Abs. 1 HGB ein Wertaufholungsgebot, es sei denn, das Steuerrecht macht eine Beibehaltung des niedrigeren Wertes von einer gleichlautenden Behandlung in der Handelsbilanz abhängig (§ 280 Abs. 2 HGB).6 Ferner sind nach § 253 Abs. 4 HGB Abschreibungen „im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung“ zulässig, die über die planmäßigen und außerplanmäßigen Abschreibungen hinausgehen.7 3.1.2
Abbildung nach IFRS for SMEs
Die Ansatzvorschriften des IFRS for SMEs für immaterielle Vermögenswerte, die entgeltlich erworben wurden, sind mit denen der vollumfänglichen IFRS identisch. 8
1
2 3 4 5
6
7
8
Von einer dauerhaften Wertminderung ist auszugehen, wenn der am Stichtag beizulegende Wert einen erheblichen Teil der Restnutzungsdauer unter dem sich bei planmäßiger Abschreibung ergebenden Wert liegt. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2007a), § 253 HGB, Rn. 476f. Nach Baetge/Brockmeyer ist eine Wertminderung dauerhaft, wenn keine Anzeichen für eine Werterhöhung innerhalb der nächsten fünf Jahre bzw. der kürzeren Restnutzungsdauer bestehen. Vgl. Baetge/Brockmeyer (1986) S. 382. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2007a), § 253 HGB, Rn. 454-471. Vgl. Federmann (2000), S. 328. Vgl. Baetge/Brockmeyer (1986), S. 383. Es gilt der Grundsatz der Einzelbewertung nach § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB. Vgl. Hoyos/Schramm/Ring (2006), Rn. 291. Da das bisherige steuerrechtliche Zuschreibungswahlrecht bei Wegfall der Gründe für eine außerplanmäßige Abschreibung im Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes in eine Zuschreibungspflicht umgewandelt wurde (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 und § 7 Abs. 1 Satz 6 EStG), ist das Beibehaltungswahlrecht für Kapitalgesellschaften gem. § 280 Abs. 2 HGB obsolet. Für Kapitalgesellschaften besteht das Wahlrecht gem. § 279 Abs. 1 Satz 1 HGB nicht. Abschreibungen nach § 253 Abs. 4 HGB sind steuerrechtlich unzulässig (§ 5 Abs. 6 EStG). Vgl. ED-SME 2.12, 2.14, 2.24-2.28, 2.34 bzgl. der allgemeinen Aktivierungskriterien. Für die spezifischen Vorschriften zum Ansatz immaterieller Vermögenswerte vgl. ED-SME 17.1-17.6.
134
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
ƒ%LODQ]DQVDW]RULJLQlUHULPPDWHULHOOHU9HUP|JHQVZHUWH Die Ansatzvorschriften für originäre immaterielle Vermögenswerte weichen hingegen von den Vorgaben der full IFRS ab. Nach ED-SME 17.14f. ist es den Unternehmen im Gegensatz zu IAS 38 gestattet, alle im Rahmen der Herstellung des immateriellen Vermögenswertes anfallenden Kosten zu aktivieren oder sofort aufwandswirksam zu erfassen. Im Falle der Aktivierung kommen die Regelungen des IAS 38.51 bis IAS 38.67 zur Anwendung, nach denen der Entstehungsprozess des Vermögenswertes in eine Forschungs- und Entwicklungsphase einzuteilen ist und die Kosten der Entwicklungsphase bei kumulativer Erfüllung der Kriterien in IAS 38.57 aktivierungspflichtig sind (ED-SME 17.16). Selbst geschaffene Markennamen, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten und ihrem Wesen nach ähnliche Sachverhalte sowie Vertriebskosten, Gründungs- und Anlaufkosten, Aus- und Weiterbildungsaufwendungen sind nach ED-SME 17.18 explizit von einer Aktivierung ausgeschlossen. Die weiteren Vorschriften zur Zugangsbewertung nach ED-SME 17.7 bis ED-SME 17.13 entsprechen den Regelungen der full IFRS. Auch die Folgebewertung auf Basis fortgeführter Anschaffungskosten oder der alternativ anwendbaren Neubewertungsmethode wurde nicht modifiziert.1 ƒ$XHUSODQPlLJH:HUWPLQGHUXQJ Für die bilanzielle Behandlung außerplanmäßiger Wertminderungen verweist ED-SME 17.30 auf ED-SME 26 (Impairment of Non-financial Assets). Nach ED-SME 26.5 ist an jedem Berichtsstichtag zu prüfen, ob Anhaltspunkte für eine Wertminderung vorliegen.2 Werden Anhaltspunkte bekannt, ist der Nettoveräußerungswert des Vermögenswertes zu ermitteln (EDSME 26.5 bis ED-SME 26.7). Liegt dieser unterhalb des Buchwertes, ist zwingend außerplanmäßig auf den Nettoveräußerungswert abzuschreiben. Die Wertberichtigung erfolgt ergebniswirksam (ED-SME 26.11f.). Falls der Nettoveräußerungswert eines einzelnen Vermögenswertes nicht geschätzt werden kann, ist er für die kleinste identifizierbare Gruppe von Vermögenswerten zu ermitteln, die den potenziell wertgeminderten Vermögenswert umfasst und deren Fair Value abzüglich Veräußerungskosten bestimmt werden kann (ED-SME 26.9). Entgegen den originären IFRS ist die Referenzgröße einer Wertminderung damit nicht der er-
1
2
Vgl. ED-SME 17.21-17.29; zur Anwendung des Neubewertungsmodells wird auf die einschlägigen Vorschriften des IAS 38.75-38.87, 38.134f. referenziert. In ED-SME 26.6 werden externe und interne Indikatoren aufgeführt, die auf eine Wertminderung hindeuten. Sie sind IAS 36 entnommen, so dass laut ED-SME 26.6 (d) ein Anhaltspunkt für eine Wertminderung dann besteht, wenn der Buchwert des Reinvermögens des Unternehmens größer als seine Marktkapitalisierung ist. Auf die Marktkapitalisierung kann hingegen nur zurückgegriffen werden, wenn das Unternehmen am Kapitalmarkt notiert ist. Gerade diese Unternehmen sind jedoch von der Anwendung des Standards ausgeschlossen.
135
3 Immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens
zielbare Betrag,1 sondern einzig der marktorientierte Wertmaßstab des Nettoveräußerungserlöses. So sollen mittelständische Unternehmen von der kosten- und zeitintensiven Berechnung des internen Nutzungswertes freigestellt werden.2 3.1.3 Abbildung nach BilMoG Der Vergleich zwischen den Normen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes und denen des aktuellen Handelsrechts weist für die Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte erhebliche Divergenzen auf. ƒ%LODQ]DQVDW]originärer immaterieller Vermögenswerte Eines der Kernelemente des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes stellt die Eliminierung des Ansatzverbotes für originäre immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens dar. Durch die Aufhebung des § 248 Abs. 2 HGB tritt an Stelle des Ansatzverbotes für nicht entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände aufgrund des handelsrechtlichen Vollständigkeitsgrundsatzes ein Ansatzgebot, sofern die Anforderungen der abstrakten Aktivierungsfähigkeit erfüllt sind. In Übereinstimmung mit den IFRS ist der Herstellungsprozess des Vermögenswertes in eine Forschungs- und eine Entwicklungsphase zu trennen. Während Entwicklungskosten bei Erfüllung der abstrakten Aktivierungsfähigkeit verpflichtend zu aktivieren
sind,
besteht
für
Forschungskosten
ein
Aktivierungsverbot
gemäß
§ 255 Abs. 2 Satz 4 HGB-E. Unklar bleibt, ob bereits als Aufwand erfasste Entwicklungskosten, die zu Beginn der Entwicklungsphase angefallen sind, nachträglich aktiviert werden müssen, wenn zu späterem Zeitpunkt ein Vermögensgegenstand entsteht.3 Nach den IFRS ist eine nachträgliche Aktivierung aufwandswirksam gewordener Kosten untersagt (IAS 38.71). Kann die abstrakte Aktivierungsfähigkeit, das heißt die Vermögensgegenstandseigenschaft nicht zweifelsfrei bejaht werden, ist eine Aktivierung der Entwicklungskosten verboten. Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder ähnliche immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben wurden, sind wie in IAS 38 explizit von einer Aktivierung ausgeschlossen (§ 248 Nr. 4 HGB-E). Lassen sich Forschungs- und Entwicklungsphase nicht eindeutig voneinander trennen, sind die Kosten einer Aktivierung ebenfalls nicht zugänglich.4 Das im Falle einer Aktivierung erhöhte Eigenkapital unterliegt einer Ausschüttungssperre (§ 268 Abs. 8 HGB-E).
1
2
3 4
Der erzielbare Betrag ist gemäß IAS 36.6 definiert als der höhere der beiden Werte Nettoveräußerungserlös und interner Nutzungswert. Gleichwohl gelten nach ED-SME 26.6 (c) überraschenderweise Veränderungen von Faktoren, die zur Berechnung des Nutzungswertes herangezogen werden, als Indikator einer Wertminderung. Vgl. Laubach/Kraus (2008), S. 18; Stibi/Fuchs (2008), S. 12. Vgl. Henckel/Ludwig/Lüdke (2008), S. 198.
136
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
ƒ$XHUSODQPlLJH:ertminderung Nach § 253 Abs. 3 HGB-E tritt an Stelle des gemilderten Niederstwertprinzips ein Abschreibungsverbot bei voraussichtlich nicht dauernden Wertminderungen.1 Gemäß der Begründung zum Referentenwurf des BilMoG ist eine „voraussichtlich nicht dauernde Wertminderung“ anzunehmen, wenn die Gründe der Wertminderung erwartungsgemäß innerhalb einer Frist von zwölf Monaten entfallen.2 Der Gesetzgeber widerspricht damit der herrschenden Meinung, die von einer dauernden Wertminderung ausgeht, wenn der am Stichtag beizulegende Wert einen erheblichen Teil der Restnutzungsdauer unter dem sich bei planmäßiger Abschreibung ergebenden Wert liegt.3 Im Regierungsentwurf des BilMoG wurde die Befristung auf zwölf Monate ersatzlos gestrichen, so dass wieder eine Auslegung des Rechtsbegriffs im Sinne der herrschenden Meinung geboten erscheint. Nach Maßgabe des BilMoG-Referentenentwurfs waren darüber hinaus zur Ermittlung des Wertminderungsbedarfs einzelne Vermögenswerte in Anlehnung an IAS 36 zusammenzufassen und bewertungstechnisch als ein Vermögenswert zu behandeln, wenn sie „notwendigerweise nur zusammen genutzt werden“ (§ 253 HGB-E). Eine außerplanmäßige Abschreibung sollte in diesen Fällen nur zulässig sein, wenn „der (gesamte) beizulegende Zeitwert des bewertungstechnisch einheitlichen Vermögensgegenstandes unter seinen Buchwert fällt“. 4 Im Regierungsentwurf ist diese, in den Stellungnahmen zum BilMoG massiv kritisierte, Regelung nicht mehr enthalten. Das bisherige Wertaufholungswahlrecht wird mit Neufassung des § 253 Abs. 5 HGB durch ein rechtsformunabhängiges Wertaufholungsgebot für alle außerplanmäßigen Abschreibungen ersetzt. Während sich für Kapitalgesellschaften keine Änderungen ergeben, sind zukünftig auch Genossenschaften, Personenhandelsgesellschaften und Einzelkaufleute zur Wertaufholung verpflichtet. Zudem untersagt der Gesetzgeber zukünftig Abschreibungen im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung. Die entsprechende Vorschrift des § 253 Abs. 4 HGB wird aufgehoben. 3.2
Würdigung der bilanziellen Abbildung
ƒ%LODQ]DQVDW]originärer immaterieller Vermögenswerte Der verpflichtende Bilanzansatz originärer immaterieller Vermögenswerte ist aus Perspektive des Vollständigkeitskriteriums zu begrüßen. Er führt zu einer weitergehenden Abbildung der 1 2 3 4
Vgl. Beys/Melcher (2008), S. 20. Vgl. BilMoG-RefE Begr. zu §§ 253 und 254 HGB. Vgl. stellvertretend: Adler/Düring/Schmaltz (2007a), § 253 HGB, Rn. 476f. BilMoG-RefE Begr., Teil A, II. Modernisierung.
3 Immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens
137
Erfolgspotenziale des Unternehmens. Gleichzeitig verbessert die Aktivierung der zur Herstellung immaterieller Vermögenswerte angefallenen Kosten die periodengerechte Allokation der Aufwendungen, da die Kosten nicht sofort erfolgswirksam erfasst, sondern mittels Abschreibungen den aus ihnen in den zukünftigen Perioden resultierenden Erträgen zugeordnet werden. Hierdurch erhöht sich die intertemporale Vergleichbarkeit des Periodenerfolgs. Die Aktivierung originärer immaterieller Vermögenswerte kann somit die Eignung der Rechnungslegungsinformationen für Kontroll- und Prognosezwecke stärken. Fraglich ist jedoch, ob die Aktivierung immaterieller Vermögenswerte mit dem Objektivitätskriterium vereinbar ist. Die Gewährleistung einer hinreichenden Objektivität stellt die Rechnungslegung im Rahmen der bilanziellen Abbildung immaterieller Vermögenswerte vor große Herausforderungen. Moxter bezeichnete immaterielle Vermögenswerte einst trefflich als „ewige Sorgenkinder des Bilanzrechts“.1 Die im Vergleich zu materiellen und finanziellen Ressourcen höheren Hürden einer objektivierten Berichterstattung über immaterielle Vermögenswerte resultieren aus den sie konstituierenden Charakteristika. So ist die Existenz und Werthaltigkeit immaterieller Vermögenswerte aufgrund ihrer fehlenden physischen Substanz im Regelfall sehr unsicher und kaum nachweisbar. Zudem ist eine objektive Bewertung aufgrund der nicht eindeutig bestimmbaren Herstellungskosten und der mangelnden Verfügungsmacht bzw. Kontrolle über den Nutzen aus immateriellen Vermögenswerten erheblich eingeschränkt.2 Aus diesen Gründen besteht in sämtlichen Rechnungslegungssystemen ein Aktivierungsverbot für Aufwendungen der Forschungsphase. Im Handelsrecht gilt das Aktivierungsverbot darüber hinaus auch für Aufwendungen der Entwicklungsphase. Die IFRS schreiben hingegen die Aktivierung von Entwicklungskosten vor. Das IASB versucht den Ansatz der Entwicklungskosten durch zusätzliche Ansatzkriterien und umfangreiche Nachweispflichten zu objektivieren. Sind die zusätzlichen Ansatzkriterien kumulativ erfüllt, tritt an die Stelle des Aktivierungsverbotes ein Aktivierungsgebot. Gelingt der Nachweis der Kriterien nicht, sind alle Kosten als Aufwand in der Periode zu erfassen, in der sie anfallen. Um eine Aktivierung gänzlich zu vermeiden bzw. den Zeitpunkt der Aktivierung zu manipulieren, reicht es aus, wenn eines der ergänzenden Ansatzkriterien nicht belegt wird. Das Aktivierungsgebot wird deshalb oftmals als faktisches Wahlrecht bezeichnet.3 Die nach IAS 38 erforderliche Abgrenzung von Forschungs- und Entwicklungsphase gestaltet sich in der Praxis schwierig, insbesondere wenn eine trennscharfe sequenzielle Abfolge nicht
1 2
3
Vgl. Moxter (1979), S. 1102. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu § 268 HGB; Moxter (1979), S. 1102; Förschle (2006b), Rn. 7; Niemann (2006), S. 44; Lutz-Ingold (2005), S. 76; Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 298f.; Baetge/Fey/Weber (1995), Rn. 34; Alder/Düring/Sch-maltz (1995), § 248 HGB, Rn. 14. Vgl. Ballwieser (2006b), S. 69; Coenenberg (2005b), S. 147; Schildbach (2005), S. 48; Lutz-Ingold (2005), S. 175; Küting/Dawo (2003), S. 411.
138
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
gegeben ist. In einigen Fällen kommen mehrere Zeitpunkte zur Aktivierung in Frage. 1 Auch die verursachungsgerechte Zuordnung von Kosten zu einzelnen Projekten bzw. Produkten, erweist sich in der Praxis als diffizil und ist mit erheblichen Gestaltungsspielräumen verbunden. Um eine sachgerechte Abgrenzung der Forschungs- und Entwicklungsphase sowie eine verursachungsgerechte Zuordnung der Kosten zu den Vermögenswerten vornehmen und in ausreichendem Maße dokumentieren zu können, ist eine differenzierte projektspezifische Kostenrechnung unabdingbar. Mittelständische Unternehmen verfügen in der Regel nur über ein rudimentäres Controlling.2 Ein großer Teil der Unternehmen dürfte überhaupt nicht oder nur unter prohibitiv hohem Aufwand in der Lage sein, die geforderten Informationen und Nachweise bereitzustellen. Die Ausführungen verdeutlichen, dass sich sowohl beim Ansatz als auch bei der Bewertung immaterieller Vermögenswerte erhebliches Gestaltungspotenzial ergibt. Die bilanzielle Abbildung originärer immaterieller Vermögenswerte entzieht sich der intersubjektiven Nachprüfbarkeit. Sie ist durch Subjektivismen und Ermessensspielräume geprägt, die dem Objektivierungserfordernis zuwiderlaufen. Die impliziten Wahlrechte konterkarieren die zwischenbetriebliche und intertemporale Vergleichbarkeit der Rechnungslegungsinformationen. Im Gegensatz dazu stellen die handelsrechtlichen Regelungen mit dem Aktivierungsverbot des § 248 Abs. 2 HGB einen hohen Grad an Objektivität sicher, in dem sie sowohl zum Ansatz als auch zur Bewertung immaterieller Vermögensgegenstände auf die Bestätigung durch den Markt abstellen. Durch die Vermeidung expliziter und impliziter Wahlrechte ist die Vergleichbarkeit der Informationen gewährleistet. Die für den Adressaten klare und eindeutige Regelung erhöht die Verständlichkeit der publizierten Informationen. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die im Vergleich zum Handelsrecht vollständigere Abbildung immaterieller Vermögenswerte nach IFRS nicht mit einer erhöhten Relevanz der Informationen einhergeht. Darüber hinaus ist zu beachten, dass IAS 38 eine Reihe immaterieller Vermögenswerte explizit von einer Aktivierung ausschließt.3 Durch die zusätzlichen Objektivierungskriterien des IAS 38, die zumeist erst zum Ende des Entwicklungsprozesses nachgewiesen werden können, bleibt einem beträchtlichen Teil der Investitionen in immaterielle Vermögenswerte im Vorhinein eine Abbildung in der Rechnungslegung verwehrt. Ein vollständiger Ausweis des immateriellen Vermögens wird dementsprechend auch durch die inter1 2
3
Vgl. Dawo (2003), S. 300; Fülbier/Gassen (2007), S. 2609. Vgl. Ossadnik/Barklage/van Lengerich (2004), S. 626; Berens/Püthe/Siemes (2005), S. 190; Oehler (2005), S. 212. Die IFRS schließen selbst geschaffene Markennamen, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten sowie „ihrem Wesen nach ähnliche Sachverhalte“ explizit von der Aktivierung aus (IAS 38.63). Darüber hinaus weist das IASB darauf hin, dass Unternehmen in der Regel den zukünftigen Nutzen aus immateriellen Vermögenswerte wie Mitarbeiterfähigkeiten, Marktanteilen, dem Kundenstamm oder der Kundenloyalität nicht hinreichend beherrschen (IAS 38.15f.).
3 Immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens
139
nationalen Rechnungslegungsnormen nicht erreicht. Gleichwohl wird die Aktivierung teuer erkauft, begründet doch die „keine Wertbestätigung durch den Markt bedingende Aktivierung von intangible assets […] die Gefahr des Ausweises von Nonvaleurs“.1 Die negativen Effekte eines drohenden Ausweises von Nonvaleurs dürften zumindest aus Sicht der Fremdkapitalgeber die positiven Effekte durch Informationen über weit in der Zukunft liegende Ertragspotenziale überkompensieren.2 Die Kreditvergabepraxis deutscher Banken bestätigt diese Einschätzung. Kreditinstitute korrigieren die Aktivierung selbst erstellter immaterieller Vermögenswerte im Rahmen des Ratings durch einen Abzug vom Eigenkapital.3 Dementsprechend ist auch die im BilMoG vorgesehene Aktivierungspflicht für originäre immaterielle Vermögenswerte abzulehnen. Angesichts des geringen Detaillierungsgrads der neuen HGB-Normen dürften sich die oben thematisierten Ermessens- und Manipulationsspielräume noch vergrößern.4 Auch der Gesetzgeber sieht in der mangelnden Objektivierbarkeit einen Schwachpunkt, so dass er sich dazu veranlasst sieht, Gläubiger durch eine Ausschüttungssperre zu schützen.5 Die Vorgehensweise des Gesetzgebers, die Information der Rechnungslegungsadressaten nicht über eine Anhangangabe sicherzustellen, sondern ungeachtet seiner eigenen Bedenken die Aktivierung von Entwicklungskosten vorzuschreiben, vermag einzig mit Hinweis auf eine weitere Angleichung an die internationalen Rechnungslegungsstandards nicht zu überzeugen.6 Der Gesetzgeber läuft hier Gefahr, dass die Angleichung an die internationale Rechnungslegung zu Inkonsistenzen im nationalen Regelwerk führt. Im IFRS for SMEs ersetzt das IASB die Aktivierungspflicht von Entwicklungskosten durch ein Aktivierungswahlrecht. Somit wird das implizite Ansatzwahlrecht der full IFRS zu einem expliziten Wahlrecht im IFRS for SMEs. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Begründung des IASB in ED-SME BC81: „Bank lending officers told the Board that information about capitalised development costs is of little benefit to them, and that they disregard those costs in making lending decisions." Bedenkt man nun, das Fremdkapitalgeber als bedeutsamster Rechnungslegungsadressat des Mittelstands gelten und rekurriert auf den Anspruch der IFRS, den Adressaten entscheidungsrelevante Informationen zur Verfügung zu stellen, so erscheint die obige Feststellung des IASB als Eingeständnis, dass eine Aktivierung von Entwicklungskosten für die mittelständische Rechnungslegung nicht angemessen ist. Lei-
1 2 3 4 5 6
Euler (1997), S. 185 Vgl. Kapitel IV 4.2.2 und 5.2.1.3. Vgl. Massenberg/Borchardt (2007), S. 352; Guthoff (2006), S. 184; BdB (2005), S. 26. Vgl. VMEBF e.V. (2008), S. 360; Laubach/Kraus (2008), S. 17f.; Hennrichs (2008), S. 537f. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu § 268 HGB. In der Begründung zum BilMoG verweist der Gesetzgeber auf die Möglichkeit einer Anhangangabe, präferiert aber die Aktivierung der Entwicklungskosten unter Verweis auf eine höhere Vergleichbarkeit mit den IFRS. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu § 248 HGB.
140
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
der folgt das IASB dieser Erkenntnis nicht mit der wünschenswerten Konsequenz, sondern implementiert anstatt eines Aktivierungsverbotes lediglich ein Aktivierungswahlrecht. ƒNeubewertungsmethode Die IFRS gestatten im Rahmen der Folgebewertung immaterieller Vermögenswerte zusätzlich zur Bewertung mit fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten die Bewertung mit Fair Values. Mittels Fair Value-Bewertung soll eine zeitnahe und am Markt orientierte Bewertung und somit ein vollständiger und aktueller Vermögens- und Schuldenausweis realisiert werden.1 Dies soll den Adressaten die Ermittlung des Schuldendeckungspotenzials ermöglichen und die Bildung stiller Reserven und insbesondere ihre gezielte Auflösung verhindern.2 Die im Vergleich zu historischen Kosten höhere Relevanz ist evident. Das Konzept des Fair Value basiert auf dem theoretischen Ideal vollkommener und vollständiger Märkte.3 Im Idealfall entspricht der Fair Value dem objektivierten Marktpreis im Marktgleichgewicht. Realiter sind diese Idealvorstellungen nicht existent, so dass im Rahmen der Ermittlung des Fair Value lediglich eine bestmögliche Approximation durch Fair ValueSurrogate angestrebt werden kann.4 Dabei unterstellt das IASB, dass der Marktwert eines aktiven Marktes den Fair Value am besten repräsentiert. Ist kein Marktpreis ableitbar, ist der Fair Value mit Hilfe marktbasierter Hinweise zu schätzen. Stehen weder ein Marktpreis noch ausreichend Marktinformationen zur Verfügung, wird der Fair Value als Barwert zukünftig erwarteter Cash Flows bestimmt.5 Mit jeder Hierarchiestufe entfernt sich die Ermittlung des Fair Value weiter vom theoretischen Ideal. Je stärker der Wertansatz vom Ideal abweicht, desto höher sind die Ermessensspielräume des Bilanzierenden und desto stärker entziehen sich die ermittelten Werte der Nachprüfbarkeit.6 Das IASB versucht den bei immateriellen Vermögenswerten erhöhten Objektivierungserfordernissen durch restriktive Vorschriften Rechnung zu tragen. Es macht die Zulässigkeit der Neubewertungsmethode von der Existenz eines aktiven Marktes abhängig (IAS 38.75). Aktive Märkte bestehen nach Ansicht des IASB für immaterielle Vermögenswerte jedoch nur in Ausnahmefällen.7 In der Tat ist die eingeschränkte Handelbarkeit ein wesentliches Charakteristikum immaterieller Werte. Sie ist das Resultat der begrenzten Verfügungsmacht und der mangelnden Quantifizierbarkeit immaterieller Vermögenswerte. Markttransaktionen anderer 1 2 3 4
5 6 7
Vgl. Baetge/Lienau (2005), S. 76. Vgl. Wagenhofer (2006a), S. 34. Vgl. Olbrich/Brösel (2007), S. 1544; Schildbach (2006b), S. 9f. Vgl. Küting/Trappmann/Ranker (2007), S. 1712; Wagenhofer (2006a), S. 34. Wäre der theoretische Idealfall gegeben, würde der Rechnungslegung ihre Berechtigung entzogen, da der Marktpreis bereits sämtliche bewertungsrelevanten Informationen inkorporieren würde. Siehe auch Kapitel II 2.2.2.3. Vgl. Kley (2001), S. 2261; Dawo (2004), S. 73; Schruff (2005), S. 131; Wagenhofer (2006a), S. 34. Explizit ausgeschlossen wird die Existenz eines aktiven Marktes für Markennamen, Drucktitel bei Zeitungen, Musik- und Filmverlagsrechte, Patente oder Warenzeichen (IAS 38.78).
3 Immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens
141
Vermögenswerte erlauben in der Regel keine Rückschlüsse auf den Wert eines immateriellen Gutes, da der Wert des Gutes oftmals in seiner Einzigartigkeit und der Anpassung an die spezifischen Bedürfnissen des Unternehmens liegt.1 Die Anwendung der Neubewertungsmethode von den Preisen eines aktiven Marktes abhängig zu machen, ist aus Gründen der Objektivierung notwendig. Gleichzeitig wird durch das Objektivierungserfordernis der weit überwiegende Teil der immateriellen Vermögenswerte von der Neubewertung ausgeschlossen. Die Neubewertung als primäre Bewertungsmethode vorzuschreiben, ist somit nicht umsetzbar. Die Neubewertung in Form eines Wahlrechts zu gestatten, steht dem Ziel der zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit entgegen, insbesondere wenn ihre Anwendung auf wenige Ausnahmen begrenzt ist. Das Nebeneinander verschiedener Bewertungskonzeptionen beeinträchtigt die Verständlichkeit der Rechnungslegungsinformationen. Basiert die Fair Value-Bewertung auf Marktpreisen, geht mit ihr zwangsläufig eine höhere Volatilität der Wertentwicklung einher, die zudem „unsystematisch verläuft und keinem vorhersehbaren Muster folgt“.2 Die unentwegt schwankenden Fair Values korrelieren im Regelfall nicht mit der geschäftlichen Entwicklung und geben keinen belastbaren Hinweis auf zukünftige Cash Flows. Die Prognose zukünftiger Cash Flows wird darüber hinaus erschwert, weil die erfolgswirksame Veränderung der Fair Values nicht zahlungswirksam ist. Die Neubewertung von Vermögenswerten konterkariert die intertemporale Vergleichbarkeit der Rechnungslegungsinformationen und beeinträchtigt ihre Eignung für Kontroll- und insbesondere Prognosezwecke. Die im Handelsrecht verpflichtend anzuwendende Folgebewertung auf Basis fortgeführter Anschaffungskosten ist den internationalen Normen überlegen. Sie dürfte überdies mit geringerem Aufwand verbunden sein.3 Im Hinblick auf eine mittelstandsadäquate Rechnungslegung ist die Abschaffung der Neubewertungsmethode zu empfehlen. Eine Abschaffung würde ohnedies lediglich eine Angleichung an die Bilanzierungspraxis bedeuten.4 ƒ$XHUSODQPlLJH:HUWPLQGHUXQJ Bevor die Wertminderung eines Vermögenswertes zu ermitteln ist, ist zu prüfen, ob die Wertminderung nach den einschlägigen Rechnungslegungsnormen überhaupt erfasst werden muss bzw. darf. Während eine Wertminderung nach IFRS stets zu einer Abschreibung führt, wird im Handelsrecht danach differenziert, ob es sich um eine dauerhafte oder vorübergehen1 2 3
4
Lev (2005), S. 301; Jäger/Himmel (2003), S. 424; Labhart (1999), S. 190. Bieker (2006), S. 198. Vgl. hierzu auch: Schildbach (2006b), S. 17. Dies wird in einer von Danne/Wielenberg/Reuther durchgeführten Unternehmensbefragung bestätigt. Vgl. Danne/Wielenberg/Reuther (2007), S. 585f. Eine vom Institute of Chartered Accountants in England and Wales (ICAEW) im Auftrag der Europäischen Kommission durchgeführte Studie zur Anwendung der IFRS und der Fair Value Richtlinie in Europa belegt, dass von 200 untersuchten kapitalmarktorientierten Konzernen der EU-Mitgliedsstaaten nicht ein einziger Konzern immaterielle Vermögenswerte zum Fair Value bewertet. Vgl. ICAEW (2007), S. 115, 123, 164.
142
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
de Wertminderung handelt. Handelsrechtlich ist für den Fall voraussichtlich nicht dauernder Wertminderungen ein Abschreibungswahlrecht kodifiziert. Das Wahlrecht steht dem Kriterium der Vergleichbarkeit entgegen. Gleichzeitig führt der unbestimmte Rechtsbegriff der „voraussichtlich dauernden“ Wertminderung zu Ermessensspielräumen, die das Objektivitätskriterium verletzen. Durch das BilMoG wird das handelsrechtliche Abschreibungswahlrecht in ein Abschreibungsverbot umgewandelt. Um Ermessensspielräume zu verringern, wurde der Zeitraum einer nicht dauerhaften Wertminderung im Referentenentwurf auf zwölf Monate begrenzt. Aus Gründen der Trendextrapolation ist die Eliminierung vorübergehender Schwankungen durch Abschreibungsverbot zu begrüßen. Die zeitliche Eingrenzung durch den Gesetzgeber objektiviert den Wertansatz. Im Regierungsentwurf des BilMoG wurde die objektivierende zeitliche Befristung der voraussichtlich nicht dauernden Wertminderung verworfen. Das Abschreibungsverbot des BilMoG ist demnach mit erheblichen Ermessensspielräumen verbunden und impliziert die Gefahr der Bildung stiller Lasten. Vor diesem Hintergrund ist das eindeutige Abschreibungsgebot der IFRS den aktuellen und avisierten handelsrechtlichen Normen überlegen. Die Ermittlung des Wertminderungsbedarfs unterscheidet sich in der internationalen und nationalen Rechnungslegung deutlich. Nach IFRS sind für die Ermittlung des Wertminderungsbedarfs der Nettoveräußerungspreis und der interne Nutzungswert maßgeblich. Die Verwendung des internen Nutzungswertes, der mit Hilfe von Barwertverfahren ermittelt wird, ist aufgrund der inhärenten Schätzproblematik kritisch zu beurteilen. Nicht nur die Schätzung und Zuordnung zukünftiger Zahlungsströme, sondern auch die Verwendung vermögenswertspezifischer Diskontierungssätze unterliegt subjektiven Wertungen und Erwartungen, die erhebliche bilanzpolitische Spielräume eröffnen.1 Diese stehen dem Objektivierungserfordernis und der Vergleichbarkeit der Informationen entgegen. Das IASB versucht die Objektivität der Wertermittlung durch detaillierte Vorgaben und Dokumentationspflichten zu gewährleisten,2 welche die bilanzpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten nur geringfügig reduzieren; im Gegenzug aber mit erheblichem Aufwand verbunden sind. Die Objektivierungsschwächen weiten sich aus, wenn für den Werthaltigkeitstest auf zahlungsmittelgenerierende Einheiten zurückgegriffen wird. Die Abgrenzung der Einheiten und die Berücksichtigung von Synergieeffekten eröffnet eine Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten und Spielräumen, 3 die einer objektivierten und vergleichbaren Berichterstattung entgegen stehen. Die Kontrollfunktion der Rechnungslegung wird dadurch beeinträchtigt, dass sich Gewinne und Verluste innerhalb der zahlungsmittelgenerierenden Einheit ausgleichen. Dies trifft insbesondere zu, wenn ein sehr hohes Aggregationsniveau gewählt wird. Aus Gründen der Objektivität und Vergleichbarkeit 1 2 3
Vgl. stellvertretend: Pfaff/Kukule (2006), S. 546f. Siehe hierzu IAS 36.30 bis IAS 36.57. Vgl. Küting (2006b), S. 2761; Für detailliertere Ausführungen siehe Klingels (2005), S. 60-242.
3 Immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens
143
ist eine vom Einzelbewertungsgrundsatz losgelöste Folgebewertung zurückzuweisen. Ferner sollte der Ertragswert - wie in der handelsrechtlichen Rechnungslegung üblich - erst dann als Korrektivwert herangezogen werden, wenn deutliche Anzeichen einer Wertminderung bestehen und weder ein Wiederbeschaffungszeit- oder Wiederbeschaffungsneuwert noch ein Veräußerungspreis ermittelt werden kann. Im IFRS for SMEs werden mittelständische Unternehmen von der Ermittlung des internen Nutzungswerts befreit. Als Korrektivwert einer außerplanmäßigen Abschreibung kommt ausschließlich der Nettoveräußerungserlös zur Anwendung. Die weiterhin erforderliche Zusammenfassung von Vermögenswerten zu Gruppen ist jedoch kritisch einzuschätzen. Der IFRS for SMEs stellt nur eine kleine Verbesserung im Vergleich zu den originären IFRS dar. Nach Vorgabe des Referentenentwurfs des BilMoG waren zum Zwecke der Ermittlung außerplanmäßiger Wertminderungen Bewertungseinheiten zu bilden. Die Regelungen erinnerten im Wesentlichen an die Vorschriften des IAS 36, wobei der Gesetzgeber darauf hinwies, dass der Begriff der zahlungsmittelgenerierenden Einheit und der des bewertungstechnisch einheitlichen Vermögensgegenstandes nicht unmittelbar miteinander vergleichbar seien. 1 Die geringfügigen konzeptionellen Abweichungen hätten zwar die weitreichenden Gestaltungsspielräume der internationalen Standards eingedämmt, gleichwohl hätte die Neuregelung erhebliches bilanzpolitisches Gestaltungspotenzial und Probleme in der praktischen Anwendung hervorgerufen.2 Die im Referentenentwurf des BilMoG enthaltenen Vorschriften verletzen mit der Durchbrechung der Einzelbewertung einen der wesentlichen handelsrechtlichen Grundsätze zur Gewährleistung einer objektivierten Rechnungslegung. 3 Dies würde eine von der prinzipienbasierten handelsrechtlichen Rechnungslegung abweichende Kasuistik einführen, die letztlich zu einer inkonsistenten Bewertungskonzeption führen würde. Die vollständige Rücknahme der angestrebten Neuregelung im Regierungsentwurf des BilMoG ist somit zu begrüßen. Im deutschen Handelsrecht gilt für Personenhandelsgesellschaften, Genossenschaften und Einzelkaufleute bei Wegfall der Gründe einer außerplanmäßigen Wertminderung gemäß § 253 Abs. 5 HGB das Wahlrecht, den niedrigeren Wertansatz beizubehalten. Nach internationalen Normen besteht ein Wertaufholungsgebot. Eine rechtsformunabhängige Pflicht zur Wertaufholung ist auch im BilMoG vorgesehen. Sie ist aus Gründen der Vergleichbarkeit und Objektivität zu begrüßen. 1
2 3
Nach Auffassung des Gesetzgebers unterscheidet sich der bewertungstechnisch einheitliche Vermögensgegenstand von der zahlungsmittelgenerierenden Einheit nach IFRS dadurch, dass die handelsrechtliche Gruppe von Vermögenswerten nur solche umfasst, die „notwendigerweise“ zusammen genutzt werden. Vgl. BilMoG-RefE Begr. zu §§ 253 und 254 HGB. Vgl. Zülch/Hoffmann (2008), S. 48-50. Zur Bedeutung des Grundsatzes der Einzelbewertung siehe stellvertretend: Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 128.
144
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
Die handelsrechtlich zulässige Ermessensabschreibung nach § 253 Abs. 4 HGB ist strikt abzulehnen, da sie das Ziel eines informationsorientierten Gläubigerschutzes durch die willkürliche Bildung und Auflösung stiller Reserven gefährdet. Die Regelung verletzt sämtliche Anforderungskriterien. 3.3
Zusammenfassung und Empfehlungen
Die nachfolgende Übersicht bietet eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der vergleichenden Würdigung der bilanziellen Abbildung immaterieller Vermögenswerte des Anlagevermögens. Bilanzielle Abbildung immaterieller Vermögenswerte des Anlagevermögens Würdigung Aktivierung originärer immaterieller Vermögenswerte Das handelsrechtliche Aktivierungsverbot für nicht entgeltlich erworbene immaterielle Vermögenswerte ist dem Aktivierungsgebot der originären IFRS überlegen. Das Aktivierungswahlrecht des IFRS for SMEs stellt einen ersten Schritt in die richtige Richtung, aber keine konsequente Weiterentwicklung der originären IFRS dar. Die avisierten Regelungen des BilMoG führen zu einer Entobjektivierung der Bilanz. Für eine mittelstandsadäquate Rechnungslegung sind sie nicht angemessen. Neubewertung Das Wahlrecht der IFRS und des IFRS for SMEs zur Neubewertung immaterieller Vermögenswerte ist abzulehnen. Die verpflichtende handelsrechtliche Bewertung zu fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten ist zweckdienlicher. Außerplanmäßige Wertminderung Das Abschreibungsgebot der IFRS und des IFRS for SMEs ist dem handelsrechtlichen Abschreibungswahlrecht und dem Abschreibungsverbot des BilMoG für den Fall nicht dauernder Wertminderungen überlegen. Die Ermittlung des Wertminderungsbedarfs nach IFRS und IFRS for SMEs ist im Hinblick auf eine mittelstandsorientierte Rechnungslegung nicht zielkonform. Ein Festhalten am Grundsatz der Einzelbewertung ist dringend geboten. Das rechtsformunabhängige Wertaufholungsgebot der IFRS und des BilMoG sind den aktuellen handelsrechtlichen Vorschriften vorzuziehen. Ebenso ist die Abschaffung der Ermessensabschreibungen im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung durch das BilMoG zu begrüßen. Gesamturteil Die Würdigung der Rechnungslegungsnormen ergibt kein einheitliches Bild. Insgesamt dürften die handelsrechtlichen Normen den anderen Rechnungslegungssystemen aufgrund des Aktivierungsverbotes für originäre immaterielle Vermögenswerte und der Folgebewertung zu (fortgeführten) Anschaffungskosten überlegen sein. Die Vorschriften des BilMoG sind dem IFRS for SMEs und den originären IFRS vorzuziehen, da sie zur Folgebewertung einzig die (fortgeführten) Anschaffungskosten als zulässig erachten und zur Ermittlung außerplanmäßiger Wertminderungen am Grundsatz der Einzelbewertung festhalten. Zwischen IFRS for SMEs und originären IFRS ergeben sich kaum Unterschiede. Empfehlung Mittelstandsadäquate Rechnungslegungsnormen sollten von einer Aktivierung originärer immaterieller Vermögenswerte absehen. Die Folgebewertung sollte zu (fortgeführten) Anschaffungskosten erfolgen. Zur Ermittlung des Wertminderungsaufwands ist ein Festhalten am Grundsatz der Einzelbewertung zu empfehlen. Bei nicht dauerhaften Wertminderungen sollte auf Abschreibungen verzichtet werden, sofern der Gesetzgeber den Tatbestand einer nicht dauerhaften Wertminderung mittels restriktiver Kriterien konkretisiert. Darüber hinaus ist ein rechtsformunabhängiges Wertaufholungsgebot zu kodifizieren. Ermessensabschreibungen nach § 253 Abs. 4 HGB sind zu eliminieren. Tabelle 9: Würdigung der bilanziellen Abbildung immaterieller Vermögenswerte des Anlagevermögens
4 Sachanlagen
4
Sachanlagen
4.1
Unterschiede in der bilanziellen Abbildung
145
Beim Vergleich der bilanziellen Abbildung von Sachanlagen ergeben sich zwischen originären IFRS und Handelsrecht sowie zwischen Handelsrecht und BilMoG Unterschiede.1 Unterschiede in der bilanziellen Abbildung außerplanmäßiger Wertminderungen wurden bereits für die immateriellen Vermögenswerte des Anlagevermögens dargestellt und gewürdigt. Da die Ergebnisse analog für das Sachanlagevermögen gelten, wird an dieser Stelle auf eine Darstellung und detaillierte Würdigung verzichtet. Im Rahmen der zusammenfassenden Würdigung findet der Sachverhalt der außerplanmäßigen Wertminderungen Berücksichtigung. 4.1.1 Abbildung nach IFRS und HGB Im Gegensatz zu den immateriellen Vermögenswerten existieren beim Bilanzansatz von Sachanlagen keine wesentlichen Unterschiede zwischen IFRS und HGB. Divergenzen treten im Rahmen der Zugangsbewertung auf. Sowohl nach IFRS als auch nach handelsrechtlichen Normen sind Sachanlagen bei Zugang mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu aktivieren (§ 253 Abs. 1 HGB; IAS 16.15). Während der Umfang der Anschaffungskosten in beiden Regelwerken im Wesentlichen kongruent ist,2 unterscheidet sich der Umfang der Herstellungskosten erheblich.3 ƒHerstellungskosten Nach IFRS umfassen die Herstellungskosten alle den Produktionseinheiten direkt zurechenbaren Kosten (Einzelkosten) sowie alle fixen und variablen Gemeinkosten, soweit diese die Produktion betreffen (IAS 2.12).4 Handelsrechtlich besteht der Mindestumfang der Herstellungskosten hingegen nur aus den Einzelkosten (§ 255 Abs. 2 Satz 2 HGB).5 Material- und Fertigungsgemeinkosten können wahlrechtlich aktiviert werden (§ 255 Abs. 2 Satz 3 HGB). Die IFRS untersagen die Aktivierung von Kosten der allgemeinen Verwaltung und von sozialen Kosten (IAS 2.16 i.V.m. IAS 16.19).6 Im Handelsrecht gilt für diese Kosten gemäß § 255 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Satz 5 HGB ein Aktivierungswahlrecht, wenn sie auf den Zeitraum 1
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Zwischen originären IFRS und IFRS for SMEs bestehen mit Ausnahme des Themenkomplexes der außerplanmäßigen Wertminderungen keine wesentlichen Abweichungen. Siehe Kapitel II 2.2.2.1. Mit Verweis auf Kapitel II 2.2.2.2 erfolgt an dieser Stelle eine verkürzte Darstellung. Zur Ermittlung der Herstellungskosten von Sachanlagen wird in IAS 16.22 auf die Regelungen des IAS 2 (Vorräte) verwiesen. Dabei ist auch zulässig, eine direkte Zurechnung mit Hilfe von Zeit- oder Mengenschlüsseln vorzunehmen. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 202 m.w.N. Im Gegensatz zu den Herstellungskosten des Vorratsvermögens sind bei der Ermittlung der Herstellungskosten von Sachanlagen weder allgemeine noch produktionsbezogene Verwaltungskosten zu berücksichtigen. Vgl. IASB (2002), S. 4; Ellrott/Pastor (2006), § 255 HGB, Rn. 586.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
der Herstellung entfallen. Vertriebskosten sind in beiden Rechnungslegungssystemen von einer Aktivierung ausgeschlossen (IAS 2.16; § 255 Abs. 2 Satz 6 HGB). Sowohl handelsrechtlich als auch nach IFRS ist die Berücksichtigung der Gemeinkosten auf angemessene Teile zu begrenzen. Gemeinkosten dürfen ausschließlich berücksichtigt werden, wenn sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Außerordentliche und unangemessen hohe Kosten, das heißt anomale Beträge für Materialausschuss, Fertigungslöhne oder andere Produktionskosten sind zu eliminieren.1 Da die Ermittlung der Herstellungskosten nach IFRS im Gegensatz zu den handelsrechtlichen Vorschriften zwingend auf Basis der produktionsbedingten Vollkosten erfolgt, kann der Umfang der Herstellungskosten in beiden Rechnungslegungssystemen deutlich divergieren. ƒ1HXEHZHUWXQJVPHWKRGH Wie zur Folgebewertung immaterieller Vermögenswerte gewähren die IFRS auch zur Folgebewertung von Sachanlagen die Option, Vermögenswerte unter Anwendung der Neubewertungsmethode mit ihrem Fair Value anzusetzen. Die bilanzielle Abbildung der Neubewertung von Sachanlagen erfolgt grundsätzlich analog zur Neubewertung von immateriellen Vermögenswerten.2 Im Gegensatz zur Neubewertung immaterieller Vermögenswerte ist die Neubewertung von Sachanlagen auch dann zulässig, wenn kein aktiver Markt für die entsprechenden Vermögenswerte existiert (IAS 16.31). Gleichwohl gilt der Marktpreis eines aktiven Marktes gemäß IAS 16.32 auch für Sachanlagen als die beste Approximation des Fair Value. Dabei wird der Fair Value für Grundstücke und Gebäude im Regelfall durch einen Gutachter ermittelt, der sich marktbasierter Nachweise bedient. Für technische Anlagen sowie Betriebsund Geschäftsausstattung wird der Fair Value auf Grundlage von Marktpreisen geschätzt. Liegen keine Marktpreise vor, ist der Fair Value mit Hilfe von Barwertverfahren oder fortgeführten Wiederbeschaffungskosten zu bestimmen (IAS 16.33). ƒKomponentenansatz Eine wesentliche Abweichung zu den handelsrechtlichen Rechnungslegungsnormen stellt der so genannte Komponentenansatz der IFRS zur Folgebewertung komplexer Sachanlagen dar. Nach Maßgabe des Komponentenansatzes sind Bestandteile einer Sachanlage, sofern sie einen im Verhältnis zu den gesamten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Vermögenswertes signifikanten Wert besitzen, separat unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Nutzungsdauer und ihres Nutzenverbrauchs abzuschreiben (IAS 16.43f.). Die Vorgaben des Komponentenansatzes gelten unabhängig davon, ob die Bestandteile in einem einheitlichen
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Vgl. IAS 2.13; bzgl. der handelsrechtlichen Rechnungslegung vgl. Moxter (1999), S. 190; Wohlgemuth/Ständer (2003), S. 207. Auf eine detaillierte Darstellung wird deshalb an dieser Stelle verzichtet.
4 Sachanlagen
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Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen.1 Weisen Bestandteile identische Nutzungsdauern auf und werden mit übereinstimmendem Verfahren abgeschrieben, besteht nach IAS 16.45 das Wahlrecht, sie zusammenzufassen. Die verbleibenden unwesentlichen Bestandteile einer Sachanlage werden einheitlich als Rest-Komponente abgeschrieben (IAS 16.46). Sie dürfen separat als gesonderte Komponente abgeschrieben werden (IAS 16.47). Werden Komponenten einer Sachanlage regelmäßig ersetzt, wird die neue Komponente mit ihren Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten aktiviert, sofern sie die allgemeinen Ansatzkriterien eines Vermögenswertes erfüllt. Der Restbuchwert der alten Komponente wird ausgebucht (IAS 16.13). Gleichsam sind die Kosten für in Intervallen durchzuführende Revisionen, als gesonderte Komponente zu aktivieren und abzuschreiben (IAS 16.14), es sei denn sie stellen Instandhaltungsaufwand dar. Instandhaltungsaufwendungen sind gemäß IAS 16.12 laufende Wartungskosten z.B. in Form von Lohnkosten, Verbrauchsgütern oder Kleinteilen. Aufwendungen für Instandhaltung sind in der Periode erfolgswirksam zu erfassen, in der sie anfallen. 4.1.2 Abbildung nach BilMoG Die zur bilanziellen Abbildung des Sachanlagevermögens maßgeblichen Normen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes und des aktuellen Handelsrechts unterscheiden sich in der Ermittlung der außerplanmäßigen Wertminderungen und der Herstellungskosten. ƒHerstellungskosten Durch das BilMoG wird die bisherige handelsrechtliche Bewertungsuntergrenze der Herstellungskosten erweitert. Nach § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB-E umfassen die aktivierungspflichtigen Herstellungskosten zukünftig zusätzlich zu den Einzelkosten auch angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Werteverzehrs des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung verursacht ist.2 Die bisherige Bewertungsobergrenze bleibt unverändert. Wie zuvor ist es gestattet, angemessene Teile der fixen Gemeinkosten in die Herstellungskosten einzubeziehen, sofern sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen (§ 255 Abs. 2 Satz 3 HGB-E). Zu den fixen Gemeinkosten zählen die Kosten der allgemeinen Verwaltung, Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebes sowie freiwillige soziale
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Vgl. Pellens et al. (2008), S. 312. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu § 255 HGB. Der Gesetzgeber bezeichnet diese Gemeinkosten als „variabel“. Diese Auslegung des Begriffs widerspricht mitunter dem herrschenden Verständnis; siehe Lengsfeld/Wielenberg (2008), S. 322.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
Leistungen und die betriebliche Altersversorgung.1 Vertriebskosten sind weiterhin von einer Aktivierung ausgeschlossen (§ 255 Abs. 2 Satz 4 HGB-E). Durch die Änderungen verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, den handelsrechtlichen Herstellungskostenbegriff an die steuerliche Herstellungskostenuntergrenze anzugleichen und an den produktionsbezogenen Vollkostenbegriff der IFRS anzunähern.2 4.2
Würdigung der bilanziellen Abbildung
ƒHerstellungskosten Nach IFRS umfasst der Umfang der Herstellungskosten verpflichtend die produktionsbedingten Vollkosten. Die Bewertung der selbst hergestellten Sachanlagen gewährleistet damit eine weitgehend erfolgsneutrale Abbildung des Herstellungsvorgangs. Durch die Aktivierung werden die Aufwendungen in Form von Abschreibungen denjenigen Perioden zugeordnet, in denen der hergestellte Vermögenswert eingesetzt wird und die aufwandsverursachenden Leistungen realisiert werden. Die Aktivierung der Vollkosten trägt zu einer periodengerechten Erfolgsermittlung bei, welche die intertemporale Vergleichbarkeit der ausgewiesenen Werte sicherstellt und zugleich aus Perspektive des Vollständigkeitskriteriums zu befürworten ist. Die Vollkostenaktivierung führt tendenziell zu einer Gewinnglättung, während die Teilkostenaktivierung Gewinnschwankungen in Abhängigkeit von der Investitionstätigkeit der Unternehmen verstärkt. Die Teilkostenaktivierung beeinträchtigt die Indikatorfunktion der Rechnungslegung. Im Regelfall resultieren aus hohen Investitionen in den nachfolgenden Perioden steigende Erträge, die sofortige Aufwandsverrechnung der Gemeinkosten führt jedoch zunächst zu einem Ergebnisrückgang und suggeriert eine sich zukünftig verschlechternde Ertragslage. Im Gegensatz zu den IFRS ist im Handelsrecht eine Wertuntergrenze der Herstellungskosten in Höhe der Einzelkosten und eine Wertobergrenze in Höhe der Einzel- und Gemeinkosten kodifiziert. Der Bilanzierende kann zur Bewertung selbst hergestellter Sachanlagen grundsätzlich jeden Wert zwischen Wertunter- und Wertobergrenze wählen.3 Infolgedessen besteht handelsrechtlich ein erheblicher bilanzpolitischer Spielraum, 4 der zur gezielten Bildung stiller Reserven missbraucht werden kann. Stille Reserven sind das Ergebnis der nach Handelsrecht zulässigen Teilkostenaktivierung, da diese durch die sofortige aufwandswirksame Erfassung der Gemeinkosten zu negativen Ergebniseffekten führt, die erst in späteren Perioden aufgrund der geringeren Abschreibungen der Sachanlagen kompensiert werden. Die Teilkostenaktivierung verzerrt die Abbildung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit eines Unternehmens, wo1 2 3
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Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu § 255 HGB. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu § 255 HGB. Die unterschiedliche Ausübung der Aktivierungswahlrechte im Zeitablauf erfährt jedoch durch das Stetigkeitsgebot gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB eine Einschränkung. Vgl. Wöhe (1997), S. 399.
4 Sachanlagen
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durch sich die Vergleichbarkeit des Periodenerfolgs im Zeitablauf vermindert. Gleichzeitig erschwert das großzügige Aktivierungswahlrecht die zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit. Die Eignung der Rechnungslegungsinformationen für Prognose- und Kontrollzwecke ist im Vergleich zur Vollkostenaktivierung nach IFRS deutlich eingeschränkt. Um diese aus informationstheoretischer Perspektive offensichtlichen Schwächen zu beseitigen, wird die bisherige handelsrechtliche Herstellungskostenuntergrenze im Zuge des BilMoG durch die verpflichtende Erfassung der variablen Gemeinkosten erweitert. Das Einbeziehungswahlrecht für fixe Gemeinkosten bleibt nach BilMoG bestehen. Kritisch ist zu hinterfragen, ob die Aktivierung von Vollkosten den an die Rechnungslegung zu stellenden Objektivierungserfordernissen gerecht wird. Sowohl die Aufspaltung der Kosten in produktionsbezogene und nicht produktionsbezogene bzw. variable und fixe Gemeinkosten als auch die unumgängliche Schlüsselung der Fixkosten eröffnen bilanzpolitische Spielräume.1 Hierbei ist jedoch zu beachten, dass auch die Bewertung zu Teilkosten eine Schlüsselung der unechten Gemeinkosten bedingt.2 Die Schlüsselung von Kosten ist somit nicht allein ein Nachteil des Vollkostenansatzes. Soweit sie willkürfrei und intersubjektiv nachprüfbar ist, das heißt auf Basis eines nachvollziehbaren Verfahrens und mittels plausibler Bezuggrößen erfolgt, wird sie den Ansprüchen einer objektivierten Rechnungslegung gerecht.3 Dies dürfte für die Zuordnung allgemeiner Verwaltungskosten und sozialer Kosten regelmäßig mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden sein, da die Kosten keinen oder nur einen indirekten Bezug zum Produktionsvorgang aufweisen.4 Vor diesem Hintergrund ist das vom IASB bestätigte Aktivierungsverbot allgemeiner Verwaltungskosten und sonstiger Gemeinkosten für selbst hergestellte Sachanlagen zu begrüßen. 5 Das Handelsrecht lässt im Gegensatz zu den IFRS auch nach Modernisierung durch das BilMoG weiterhin eine Aktivierung allgemeiner Verwaltungskosten und Kosten sozialer Leistungen zu. Die Bewertungsobergrenze des reformierten handelsrechtlichen Herstellungskostenbegriffs geht somit über den Herstellungskostenumfang der internationalen Rechnungslegung hinaus. Bilanzpolitische Gestaltungsmöglichkeiten werden bei Anwendung des Vollkostenansatzes durch den Angemessenheitsaspekt eingeengt. Der Angemessenheitsaspekt grenzt die Einbeziehung von Gemeinkosten zeitlich und sachlich ein.6 Gemeinkosten dürfen ausschließlich berücksichtigt werden, wenn sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Außerordentliche
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Vgl. Adler/Düring/Schmalz (2007a), § 255 HGB, Rn. 248; Wohlgemuth/Ständer (2003), S. 209. Unechte Gemeinkosten sind nach handelsrechtlichen Vorschriften unabhängig von der Ausgestaltung des Rechnungswesens verpflichtend zu erfassen. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2007a), § 255 HGB, Rn. 137 und 140. Vgl. Baetge (1996), S. 65. Vgl. Küting/Harth (1999), S. 2394f.; Kümpel (2003), S. 2612. Vgl. IASB (2002), S. 4; Pellens et al. (2008), S. 316. Vgl. Wohlgemuth/Ständer (2003), S. 207 und 210f.; BilMoG-RegE Begr. zu § 255 HGB.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
und unangemessen hohe Kosten sind zu eliminieren; das heißt anomale Beträge für Materialausschuss, Fertigungslöhne oder andere Produktionskosten dürfen nicht in die Herstellungskosten einbezogen werden. Im Vergleich zur Teilkostenaktivierung geht mit der Aktivierung von Vollkosten deshalb allenfalls ein geringfügig niedrigerer Grad an Objektivierung einher, der durch die erhebliche Verbesserung der Vergleichbarkeit und Vollständigkeit überkompensiert wird. Gleichwohl ist die Ermittlung der Vollkosten aufwendiger.1 Insgesamt ist zu konstatieren, dass die Zugangsbewertung selbst hergestellter Sachanlagen nach IFRS den handelsrechtlichen Rechnungslegungsnormen überlegen ist. Die internationalen Normen führen zu einer höheren Vergleichbarkeit und Vollständigkeit der Rechnungslegungsinformationen und verbessern somit ihre Eignung für Prognose- und Kontrollzwecke. Das BilMoG stellt eine begrüßenswerte Weiterentwicklung der handelsrechtlichen Vorschriften dar. Die Normen des BilMoG sind den internationalen Rechnungslegungsstandards aufgrund der verbleibenden Aktivierungswahlrechte unterlegen.2 ƒNeubewertungsmethode Wie bereits bei der Neubewertung immaterieller Vermögenswerte thematisiert, bewirkt die Bewertung von Vermögenswerten zum Fair Value im Idealfall eine erhebliche Verbesserung der Entscheidungsrelevanz. Da der theoretische Idealfall realiter nicht gegeben ist, müssen behelfsweise Fair Value-Surrogate herangezogen werden. Der vom IASB zur Approximation des Fair Value präferierte Preis eines aktiven Marktes ist für den überwiegenden Teil der Sachanlagen nicht bestimmbar, da auch Sachanlagen oftmals Unikate sind.3 In Ermangelung aktueller Marktpreise ist der Fair Value auf Basis marktbasierter Nachweise zu schätzen. Die Schätzung gründet logisch zwingend auf subjektiven Erwartungen und Wertungen, so dass sich in der Realität eine große Spanne nicht widerlegbarer Fair Value-Schätzungen ergibt.4 Bei der Schätzung von Grundstückswerten können die ermittelten Werte bis zu 30% um einen rechnerischen Mittelwert oszillieren, ohne das sie als unzulässig gelten. 5 Bei Rückgriff auf einen Gutachter verlagern sich die Ermessensspielräume auf die Wahl des Sachverständigen. Kann der Wert einer Sachanlage weder durch einen Marktpreis abgeleitet noch auf Basis von Markinformationen geschätzt werden, ist er als Barwert der zukünftig erwarteten Einzahlungsüberschüsse zu berechnen. Die so bestimmten Barwerte sind in erheblichem Ausmaß 1 2
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Vgl. Lengsfeld/Wielenberg (2008), S. 327. Im Vergleich zu den IFRS bestehen handelsrechtlich auch nach den Regelungen des BilMoG weiterhin Aktivierungswahlrechte für Aufwendungen der allgemeinen Verwaltung, Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebes, freiwillige soziale Leistungen, Aufwendungen der betrieblichen Altersversorgung und Fremdkapitalzinsen. Ein Marktpreis dürfte in 90% der Fälle nicht zur Verfügung stehen. Vgl. Küting (2006b), S. 2760. Ähnlich äußern sich: Baetge/Lienau (2005), S. 72; Küting/Reuter (2005), S. 707. Hierzu ausführlich: Schildbach (2007a), S. 15; Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 288f. Vgl. Ballwieser/Küting/Schildbach (2004), S. 541; ähnlich äußert sich Baetge, in Paulitschek/Wiese (2006), S. 635.
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von den subjektiven Erwartungen des Bilanzierenden abhängig.1 Sie eröffnen den Bilanzierenden umfangreiche bilanzpolitische Möglichkeiten, deren Ausübung sich der intersubjektiven Nachprüfbarkeit durch Dritte entzieht. Die Neubewertung mit Fair Values, die nicht durch einen Marktpreis bestätigt wurden, verletzt demnach das Objektivitätskriterium. Eine Begrenzung der Neubewertung auf diejenigen Sachanlagen, für die ein Marktpreis zur Verfügung steht, würde hingegen den überwiegenden Teil der Sachanlagen von einer Neubewertung ausschließen. Die Ausgestaltung der Neubewertung als einzig zulässige Bewertungsmethode ist folglich nicht möglich, ihre wahlrechtliche Anwendung ist aufgrund der mangelnden zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit abzulehnen. Darüber hinaus ist die intertemporale Vergleichbarkeit der Informationen aufgrund der volatilen Wertentwicklung der Fair Values und der mangelnden Korrelation ihrer Wertänderungen mit zukünftigen Cash Flows eingeschränkt.2 Insgesamt zeigt sich, dass die Neubewertungsmethode mit ihren zahlreichen impliziten und expliziten Wahlrechten weder das Objektivitätskriterium noch die Forderung nach Vergleichbarkeit und Verständlichkeit in ausreichendem Maße erfüllt. Ihre Anwendung ist insbesondere in denjenigen Fällen, in denen kein aktiver Markt existiert, mit erheblichem zusätzlichem Aufwand verbunden.3 Für eine mittelstandsadäquate Rechnungslegung erscheint ein Wahlrecht zur Neubewertung nicht empfehlenswert. Diese Einschätzung wird durch die aktuelle Kreditvergabepraxis belegt. Im Rahmen des Ratings korrigieren Kreditinstitute die über die historischen Kosten hinausgehende Neubewertung.4 Für eine Abschaffung der Neubewertungsmethode spricht auch ihre geringe Akzeptanz in der Praxis.5 ƒKomponentenansatz Komplexe Vermögenswerte bestehen in der Regel aus einer Vielzahl von Bauteilen, die oftmals individuelle Verschleißbedingungen und individuelle Nutzungsdauern aufweisen. 6 Mit dem Komponentenansatz versuchen die IFRS dieser Tatsache durch eine am Nutzenverzehr der einzelnen Komponenten orientierten Abschreibung, durch die Aktivierung von Kosten für den Ersatz einzelner Komponenten und die Aktivierung der Kosten größerer Revisionen gerecht zu werden. Der Komponentenansatz führt im Vergleich zu den Vorschriften der han-
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Für eine detaillierte Darstellung der entobjektivierenden Elemente der Barwertverfahren siehe Pfaff/Kukule (2006), S. 546-548. Vgl. ergänzend: Wagenhofer (2006a), S. 34; Schildbach (2006b), S. 20f.; Velthuis/Wesner/Schabel (2006), S. 458; Jäger/Himmel (2003), S. 429. Vgl. Kapitel V 3.1.2. Nach Oehler ist die Anwendung der Neubewertungsmethode für mittelständische Unternehmen mit zu hohem Aufwand verbunden. Vgl. Oehler (2005), S. 58. Ähnlich äußern sich Beiersdorf/Schreiber (2006), S. 482. Vgl. Massenberg/Borchardt (2007), S. 352. Nach der Untersuchung des ICAEW nutzen nur 4% der Unternehmen die Neubewertungsmethode. Kein Unternehmen bewertet sein gesamtes Sachanlagevermögen zu Fair Values. Vgl. ICAEW (2007), S. 119. Vgl. Hagemeister (2004), S. 1f.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
delsrechtlichen Rechnungslegung zu einer exakteren Periodenabgrenzung, da die Kosten den durch sie begründeten zukünftigen Erträgen zeitlich zugeordnet werden. Die Aktivierung der Kosten für Ersatzteile und Revisionen verhindert Schwankungen des Periodenerfolgs, da die Kosten nicht zum Zeitpunkt ihres Anfalls, sondern erst in den Folgejahren aufwandswirksam werden. Die Ergebnisglättung erhöht die intertemporale Vergleichbarkeit der Informationen, wodurch sich ihre Eignung für Prognose- und Kontrollzwecke verbessert.1 Der idealtypische Anwendungsbereich des Komponentenansatzes ist jedoch auf wenige sehr komplexe Vermögenswerte (z.B. Flugzeuge oder Kraftwerke) begrenzt. Bei der Mehrheit der Vermögenswerte dürfte der Ausfall einer Komponente unabhängig von einer divergierenden technischen Nutzungsdauer der anderen Komponenten den Untergang des gesamten Vermögenswertes zur Folge haben. Wird die ausgefallene Komponente hingegen ersetzt, kann die Aktivierung der Kosten zu einer verzerrten Darstellung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit führen, wenn sich als Folge der Buchwert des gesamten Vermögenswertes deutlich erhöht, ohne dass sich die Gesamtnutzungsdauer des Vermögenswertes wesentlich verlängert.2 Die Prognose- und Kontrollfunktion wird durch den Komponentenansatz in diesen Fällen eingeschränkt. Darüber hinaus ist die praktische Umsetzung des Komponentenansatzes problembehaftet. Der Komponentenansatz erfordert eine Aufgliederung des komplexen Vermögenswertes in seine wesentlichen Bestandteile. Das Abgrenzungskriterium der Wesentlichkeit wird in IAS 16 nicht weiter spezifiziert. Im Schrifttum wird eine Wesentlichkeitsgrenze in Höhe von mindestens fünf Prozent in Bezug auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des gesamten Vermögenswertes diskutiert.3 Hoffmann/Lüdenbach präferieren eine eher restriktive Auslegung, nach der bewegliche Vermögenswerte und Gebäude im Regelfall von einer Anwendung des Komponentenansatzes ausgenommen werden. Lediglich bei Kraftwerken und ähnlichen Großanlagen wäre eine Aufgliederung in Hauptkomponenten (Maschinengebäude, Kühlturm usw.) erforderlich.4 Die Unbestimmtheit des Signifikanzbegriffs eröffnet den Bilanzierenden bei der Disaggregation der Vermögenswerte erhebliche Freiheitsgrade, die durch das Wahlrecht auch unwesentliche Komponenten gesondert abzuschreiben, noch ausgeweitet werden. Ermessensspielräume ergeben sich auch bei der Festlegung der Nutzungsdauer und der Abschreibungsmethode. Sie begründen jedoch keinen Nachteil des Komponentenansatzes, da sie bei einheitlicher Abschreibung des gesamten Vermögenswertes in ähnlichem Ausmaß auftre1
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Siehe hierzu Hagemeister, die die Entscheidungserheblichkeit des Komponentenansatzes am Beispiel eines Flugzeugs belegt. Hagemeister (2004), S. 25-127. Vgl. Hoffmann/Lüdenbach (2004), S. 376. Vgl. Andrejewski/Böckem (2005), S. 78. Zur Diskussion einer restriktiven oder extensiven Auslegung siehe auch: Küting/Ranker (2007), S. 753f. Vgl. Hoffmann/Lüdenbach (2004), S. 376f.; ähnlich: Zülch (2004), S. 158.
4 Sachanlagen
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ten. Kritischer stellt sich die Aufteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die einzelnen Komponenten dar. Eine direkte Zurechnung der Kosten auf die Komponenten wäre mit dem Objektivierungskriterium vereinbar. Sie scheidet in der Regel aus, da der Bilanzierende nur den Gesamtpreis und nicht die Einzelpreise der Komponenten kennt. 1 Erschwert wird die Zurechnung, wenn im Gesamtpreis bereits eine Abgeltung für Inspektionen oder Generalüberholungen enthalten ist, die es zu separieren gilt. Ist die direkte Zurechnung der Kosten nicht möglich, ist eine Allokation der Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die Komponenten entsprechend dem Verhältnis ihrer Fair Values erforderlich.2 Am besten wird der Fair Value durch den Preis eines aktiven Marktes approximiert, der für Sachanlagen indes nur in Ausnahmefällen vorliegt. Für einzelne Komponenten einer Sachanlage dürften repräsentative Preise kaum ableitbar sein, so dass die Verteilung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten auf Basis von Marktwerten in praxi nur begrenzt realisierbar ist. Existiert kein aktiver Markt, sind die Fair Values durch Schätzung oder als Barwert zukünftiger Cash Flows zu bestimmen. Die hiermit einhergehende Entobjektivierung wurde bereits mehrfach thematisiert. Die Anwendung des Komponentenansatzes wird, abgesehen von wenigen Ausnahmen, in denen eine direkte Zurechenbarkeit der Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die Komponenten gegeben ist, den Objektivierungsanforderungen nicht gerecht. Dem Komponentenansatz kommt bei restriktiver Auslegung in der mittelständischen Rechnungslegung nur geringe Bedeutung zu, da der überwiegende Teil der Vermögenswerte von einer Anwendung ausgeschlossen ist. Der aus der Anwendung des Komponentenansatzes mit Einschränkungen resultierenden höheren Relevanz stehen Objektivierungsschwächen und vermehrter Bilanzierungsaufwand gegenüber. Um von den potenziellen Vorteilen des Komponentenansatzes profitieren zu können, sollte seine Ausgestaltung und praktische Umsetzung durch das IASB weiter konkretisiert werden. In diesem Zusammenhang sind eine eindeutige Definition des Signifikanzbegriffs und verpflichtende Vorschriften zur Allokation der Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die Komponenten unabdingbar. In seiner derzeitigen Ausgestaltung erfüllt der Komponentenansatz die Anforderungen einer mittelstandsorientierten Rechnungslegung nicht.
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Vgl. Küting/Ranker (2007), S. 754. Dies gilt auch für selbst hergestellte Sachanlagen, vgl. Hagemeister (2004), S. 175. Vgl. Hagemeister (2004), S. 176f.
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4.3
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
Zusammenfassung und Empfehlungen
Die nachfolgende Übersicht bietet eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der vergleichenden Würdigung der bilanziellen Abbildung von Sachanlagen. Bilanzielle Abbildung von Sachanlagen Würdigung Herstellungskosten Die von den IFRS und dem IFRS for SMEs vorgeschriebene Zugangsbewertung selbst hergestellter Sachanlagen mit produktionsbezogenen Vollkosten ist den handelsrechtlichen Rechnungslegungsnormen zur Zugangsbewertung überlegen. Die avisierten Regelungen des BilMoG stellen zwar eine begrüßenswerte Modifikation des Handelsrechts dar, erreichen aber aufgrund der verbleibenden Aktivierungswahlrechte nicht die Güte der IFRS. Neubewertung Das Wahlrecht der IFRS und des IFRS for SMEs zur Neubewertung von Sachanlagen ist abzulehnen. Die verpflichtende handelsrechtliche Bewertung zu fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten ist zweckdienlicher. Komponentenansatz Der mit Einschränkungen höheren Relevanz des Komponentenansatzes nach IFRS und IFRS for SMEs stehen Objektivierungsschwächen und zusätzlicher Aufwand gegenüber. Der Komponentenansatz erfüllt in seiner derzeitigen Ausgestaltung nicht die Anforderung einer mittelstandsorientierten Rechnungslegung. Die handelsrechtlichen Rechnungslegungsnormen sind zu präferieren. Außerplanmäßige Wertminderung Das Abschreibungsgebot der IFRS und des IFRS for SMEs ist dem handelsrechtlichen Abschreibungswahlrecht und dem Abschreibungsverbot des BilMoG für den Fall nicht dauernder Wertminderungen überlegen. Die Ermittlung des Wertminderungsbedarfs nach IFRS und IFRS for SMEs erscheint nicht angemessen. Ein Festhalten am handelsrechtlichen Grundsatz der Einzelbewertung ist dringend geboten. Das rechtsformunabhängige Wertaufholungsgebot der internationalen Standards und des BilMoG ist dem Wertaufholungswahlrecht des deutschen Bilanzrechts vorzuziehen. Ebenso ist die Abschaffung der Ermessensabschreibungen im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zu begrüßen. Gesamturteil Ein Gesamturteil ist aufgrund der Heterogenität der Ergebnisse nur eingeschränkt möglich. Während sich die Normen des BilMoG im Bereich der Folgebewertung als deutlich überlegen erweisen, zeigen sich bei der Zugangsbewertung Vorteile der internationalen Rechnungslegungsnormen. Diese werden durch die Anpassung der Herstellungskostenuntergrenze im Rahmen des BilMoG jedoch weitgehend nivelliert. Im Ergebnis dürfte eine geringfügige Überlegenheit der Regelungen des BilMoG vor denen des HGB, der originären IFRS und IFRS for SMEs bestehen. Empfehlung Ein mittelstandsorientiertes Bilanzrecht sollte die Gestaltungsspielräume in der Zugangsbewertung selbst hergestellter Sachanlagen durch den verpflichtenden Ansatz der Vollkosten reduzieren. Dabei sollten allgemeine Verwaltungskosten und Kosten des sozialen Bereichs von einer Aktivierung ausgeschlossen werden. Die Folgebewertung sollte auf (fortgeführten) Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten basieren. Im Falle nicht dauernder Wertminderungen ist ein Abschreibungsverbot vorteilhaft. Hierfür muss der Gesetzgeber den Tatbestand einer nicht dauernden Wertminderung durch restriktive Kriterien konkretisieren. Ferner sind ein rechtsformunabhängiges Wertaufholungsgebot und die Eliminierung der Ermessensabschreibung nach § 253 Abs. 4 HGB zu empfehlen. Überdacht werden sollte auch die handelsrechtliche Abgrenzung von nachträglichen Herstellungskosten und Instandhaltungsaufwendungen. Die Aktivierung von Kosten für Ersatzteile oder Generalüberholungen unter Einhaltung strenger Bedingungen kann zu einer höheren Relevanz der Rechnungslegungsinformationen führen. Tabelle 10: Würdigung der bilanziellen Abbildung von Sachanlagen
5 Leasingverhältnisse
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Leasingverhältnisse
5.1
Unterschiede in der bilanziellen Abbildung
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Unterschiede in der bilanziellen Abbildung von Leasingverhältnissen ergeben sich sowohl zwischen IFRS und HGB als auch zwischen IFRS und IFRS for SMEs. 1 Dargestellt und gewürdigt wird die bilanzielle Abbildung von Leasingverhältnissen beim Leasingnehmer, da mittelständische Unternehmen in der Regel nicht als Leasinggeber fungieren.2 5.1.1 Abbildung nach IFRS und HGB Leasingverhältnisse sind in Operating-Leasing und Finanzierungsleasing zu differenzieren. Beim Operating-Leasing begründet der Leasingvertrag ein Mietverhältnis, das unter Einhaltung bestimmter Fristen jederzeit von beiden Vertragspartnern kündbar ist. Der Leasinggeber trägt das volle Investitionsrisiko. Finanzierungsleasing dient hingegen eher der langfristigen Finanzierung eines bestimmten Vermögenswertes. Die Verträge sind durch eine unkündbare Grundmietzeit gekennzeichnet, die in der Regel einen Großteil der gesamten Nutzungsdauer abdeckt. In diesen Fällen liegt das Investitionsrisiko beim Leasingnehmer.3 Maßgeblich für die bilanzielle Abbildung eines Leasingverhältnisses ist, wer wirtschaftlicher Eigentümer des Leasinggegenstandes ist. Die Frage des wirtschaftlichen Eigentums entscheidet, ob der Leasinggegenstand dem Leasinggeber oder dem Leasingnehmer zuzuordnen ist. Im Fall des Operating-Leasing ist es unstrittig, dass der Leasinggeber juristischer und wirtschaftlicher Eigentümer des Leasinggegenstandes ist. Die Bilanzierung des Leasinggegenstandes ist beim Leasinggeber vorzunehmen.4 Beim Finanzierungsleasing gestaltet sich die Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums komplexer. Da im Handelsrecht keine praktikablen Abgrenzungskriterien zur Zuordnung der Leasinggegenstände existieren, ist die handelsrechtliche Bilanzierungspraxis durch die steuerlichen Leasingerlasse des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) geprägt.5 Die einzelnen Leasingerlasse fügen sich zu einem differenzierten und präzisen System zusammen, das die Zuordnung weitgehend anhand von quantitativen Kriterien festlegt.6 Wird der Leasinggegenstand dem Leasinggeber zugerechnet, erfasst der Leasingnehmer die Leasingraten im Zeitpunkt ihrer Zahlung als Aufwand. Ist der Leasingge1
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Die vom BilMoG ausgehenden Auswirkungen auf die handelsrechtliche Bilanzierung von Leasingverhältnissen sind derzeit noch nicht endgültig abschätzbar. Vgl. Stibi/Fuchs (2008), S. 12; Kühne/Keller (2008), S. 14f. Vgl. ED-SME BC62. In einer von DRSC/Haller/Eierle durchgeführten Befragung gaben ca. 93% der Respondenten an, gar nicht bis selten als Leasinggeber aufzutreten. Vgl. DRSC/Haller/Eierle (2007), S. 19. Vgl. Perridon/Steiner (2004), S. 459f. Vgl. Förschle/Kroner (2006), § 246 HGB, Rn. 38. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2007a), § 246 HGB, Rn. 392. Für eine detaillierte Darstellung der steuerlichen Zurechnungsregeln siehe: IDW (2006), Abschn. E, Rn. 2738.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
genstand hingegen dem Leasingnehmer zuzuordnen, so hat dieser den Leasinggegenstand in Höhe des Barwerts der künftigen Leasingraten zu aktivieren und in den Folgeperioden gegebenenfalls planmäßig abzuschreiben. Korrespondierend zur Aktivierung des Leasinggegenstandes ist eine Verbindlichkeit in gleicher Höhe zu passivieren. Die Leasingraten sind in einen Tilgungs- und einen Zinsanteil aufzuspalten. Der Tilgungsanteil mindert die Leasingverbindlichkeit, der Zinsanteil ist als Aufwand zu erfassen.1 Im Gegensatz zum deutschen Bilanzrecht richtet sich die Zuordnung des Leasinggegenstandes in den IFRS allein danach, ob das Leasingverhältnis als Finanzierungsleasing oder OperatingLeasing klassifiziert wird. Beim Finanzierungsleasing wird der Leasinggegenstand dem Leasingnehmer zugeordnet (IAS 17.20). Liegt Operating-Leasing vor, ist der Leasinggegenstand nach IAS 17.49 beim Leasinggeber zu bilanzieren. Ein Leasingverhältnis ist als Finanzierungsleasing einzuordnen, wenn im Wesentlichen alle mit dem Eigentum am Leasinggegenstand verbundenen Chancen und Risiken auf den Leasingnehmer übertragen wurden (IAS 17.4).2 Zur weiteren Konkretisierung zählt IAS 17.10f. beispielhaft einige Vertragskonstellationen auf, die einzeln oder in Kombination regelmäßig zu einer Klassifizierung als Finanzierungsleasing führen.3 Die Beispiele haben jedoch nur Indiziencharakter, entscheidend für die Einordnung des Leasingverhältnisses ist stets der ökonomische Gehalt der Vereinbarung. Im Sinne einer Negativdefinition stellen alle Leasingvereinbarungen, die nicht als Finanzierungsleasing qualifiziert werden, Operating-Leasing dar (IAS 17.4). Im Rahmen eines Operating-Leasingverhältnisses erfasst der Leasingnehmer die Leasingraten abweichend von der handelsrechtlichen Vorgehensweise nicht im Zeitpunkt ihrer Zahlung als Aufwand, sondern verteilt den Betrag der insgesamt geschuldeten Leasingraten unabhängig von Zahlungsfluss linear über die Laufzeit des Leasingverhältnisses als Aufwand. Der Leasingnehmer darf eine andere Verteilung wählen, wenn diese den Verlauf der wirtschaftlichen Nutzung zutreffender abbildet (IAS 17.33f.). Beim Finanzierungsleasing hat der Leasingnehmer den Leasinggegenstand zum niedrigeren Wert aus beizulegenden Zeitwert und Barwert der Mindestleasingzahlungen zu aktivieren. Simultan ist eine Schuld in gleicher Höhe zu passivieren
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Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 706f. Risiken liegen z.B. im Ausfall oder technischer Überholung des Leasinggegenstands. Chancen betreffen gewinnbringenden Einsatz während der wirtschaftlichen Nutzungsdauer oder Gewinne bei Verwertung des Gegenstandes nach Vertragsablauf (IAS 17.7). Dies sind im Einzelnen: Eigentumsübertragung auf Leasingnehmer am Ende der Vertragslaufzeit, Leasingvertrag enthält günstige Kaufoption, Laufzeit des Leasingverhältnisses umfasst den überwiegenden Teil der Nutzungsdauer, Barwert der Mindestleasingzahlungen entspricht zu Beginn mindestens dem beizulegenden Zeitwert, Beschaffenheit des Leasinggegenstandes ist an die spezifischen Bedürfnisse des Leasingnehmers angepasst, Verlustübernahme durch Leasingnehmer bei vorzeitiger Kündigung, Leasingnehmer trägt Gewinne/Verluste aus Schwankungen des beizulegenden Restzeitwertes, Mitverlängerungsoption bei geringen Leasingraten.
5 Leasingverhältnisse
157
(IAS 17.20).1 In den nachfolgenden Perioden wird der aktivierte Vermögenswert nach den einschlägigen Vorschriften des IAS 16 bzw. IAS 38 abgeschrieben (IAS 17.27). Die Leasingzahlungen werden wie in der handelsrechtlichen Rechnungslegung in einen Zins- und einen Tilgungsanteil aufgespalten. 5.1.2
Abbildung nach IFRS for SMEs
Die bilanzielle Abbildung von Leasingverhältnissen nach originären IFRS und IFRS for SMEs stimmt im Wesentlichen überein. Auch nach ED-SME 19 ist die Differenzierung in Finanzierungsleasing und Operating-Leasing für die Zuordnung des Leasinggegenstandes zum Leasingnehmer bzw. Leasinggeber von entscheidender Bedeutung. Die aus der Zuordnung folgenden Ansatz- und Bewertungsregeln des IAS 17 und des ED-SME 19 sind grundsätzlich deckungsgleich. Abweichungen ergeben sich lediglich bei der Zugangsbewertung von Leasinggegenständen aus Finanzierungsleasingvereinbarungen. Im Gegensatz zu IAS 17.20 hat der Leasingnehmer den Leasinggegenstand und die korrespondierende Verbindlichkeit gemäß ED-SME 19.8 stets mit dem beizulegenden Zeitwert zu Beginn des Leasingverhältnisses zu bewerten. Eine Bewertung mit dem gegebenenfalls niedrigeren Barwert der Mindestleasingzahlungen ist nicht vorgesehen. 5.2
Würdigung der bilanziellen Abbildung
Um der Kontroll- und Prognosefunktion der Rechnungslegung gerecht zu werden, hat sich die Bilanzierung von Leasingverhältnissen am wirtschaftlichen Gehalt der Leasingvereinbarungen zu orientieren. Dient ein Leasingvertrag primär der langfristigen Finanzierung eines Vermögenswertes, sollte seine bilanzielle Abbildung der einer regulären kreditfinanzierten Anschaffung entsprechen. Die Kriterien der Vollständigkeit und Vergleichbarkeit verlangen eine Aktivierung des Leasinggegenstands und eine Passivierung der korrespondierenden Leasingverbindlichkeit beim Leasingnehmer. Aus diesem Grund schreiben die IFRS zur Klassifizierung eines Leasingverhältnisses eine rein ökonomische Betrachtung vor, die unabhängig von der formaljuristischen Gestaltung der Leasingvereinbarung vorzunehmen ist. Der handelsrechtlichen Rechnungslegung liegen hingegen typisierende und weitgehend quantitative Zuordnungskriterien zu Grunde, die vom Bilanzierenden durch gezielte Wahl bestimmter Vertragskonstellationen verhältnismäßig einfach umgangen werden können. In der Praxis werden Leasingverträge in der Regel so gestaltet, dass eine Bilanzierung des Leasinggegenstands beim Leasingnehmer nicht in Frage
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Die Mindestleasingzahlungen sind diejenigen Zahlungen, die vom Leasingnehmer während der Laufzeit verpflichtend zu leisten sind (IAS 17.4). Die Diskontierung erfolgt mit dem Zins, der dem Leasingverhältnis zu Grunde liegt (IAS 17.20).
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
kommt.1 Ziel der internationalen Normen ist, durch die abstrakten und interpretationsfähigen Klassifikationskriterien Ausweichhandlungen der Leasingnehmer zu verhindern und so tendenziell eine umfassendere bilanzielle Abbildung von Leasingverhältnissen zu bewirken. 2 Gerade die mangelnde Konkretisierung der Zuordnungsregeln eröffnet den Bilanzierenden jedoch umfangreiche Gestaltungsspielräume. Bei gezielter Ausübung der Gestaltungsspielräume und entsprechender Vertragsgestaltung kann die Zuordnung der Leasinggegenstände auch nach IFRS bewusst manipuliert werden.3 Zur Auslegung der qualitativen Klassifikationskriterien der IFRS werden in der Bilanzierungspraxis zunehmend die quantitativen Kriterien der US-GAAP herangezogen.4 Im Ergebnis obliegt die bilanzielle Abbildung von Leasingverhältnissen in beiden Rechnungslegungssystemen zu weiten Teilen dem Ermessen des Bilanzierenden. Sowohl die handelsrechtlichen als auch die internationalen Rechnungslegungsnormen erfüllen die Anforderungen einer informationsorientierten Rechnungslegung nur unzureichend. Aus diesem Grund wird die Leasingbilanzierung bereits seit Mitte der 1990er Jahre intensiv diskutiert. Im Juli 2006 hat das IASB zusammen mit dem FASB ein Leasing-Projekt initiiert.5 Vor dem Hintergrund der derzeit unbefriedigenden Situation, ist den Informationsbedürfnissen der Adressaten durch Anhangangaben Rechnung zu tragen. Aufgrund der leichteren Operationalisierbarkeit in der Bilanzierungspraxis, sind die Vorgaben der präzisen steuerlichen Leasingerlasse den abstrakten internationalen Zurechnungsregeln vorzuziehen. Im Rahmen der Bewertung von Leasingverhältnissen bestehen nur wenige Unterschiede zwischen Handelsrecht und IFRS. Für das Operating-Leasing sieht IAS 17.33 unabhängig von den tatsächlichen Zahlungen eine lineare Verteilung des Leasingaufwands über die gesamte Vertragslaufzeit vor, sofern der Nutzenverlauf nicht durch eine andere Systematik zutreffender abgebildet wird. Dies führt im Vergleich zur handelsrechtlichen Vorgehensweise zu einer besseren Vergleichbarkeit und schränkt die Möglichkeit bilanzpolitsicher Maßnahmen durch Vertragsgestaltung ein.6 Beim Finanzierungsleasing ist der Leasinggegenstand beim Leasingnehmer nach IAS 17.20 mit dem niedrigeren Wert aus beizulegendem Zeitwert und Barwert der Mindestleasingzahlungen zu aktivieren. Handelsrechtlich ist der Leasinggegenstand stets mit dem Barwert der Leasingzahlungen anzusetzen. Der potenzielle Ansatz zum Fair Value eröffnet Ermessensspielräume, die dem Objektivierungserfordernis zuwiderlaufen und den
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Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 706. Vgl. Pellens et al. (2008), S. 651. Vgl. Vater (2002), insbes. S. 2095-2097; Küting/Heller/Brakensiek (1998), S. 1470. Vgl. Förschle/Kroner (2006), § 246 HGB, Rn. 219. Für eine aktualisierte Project Summary siehe http://fasb.org/project/leases.shtml. Bzgl. detaillierterer Informationen siehe Fülbier/Pferdehirt (2005), S. 275-285. Die Definition von Leasingverhältnissen gemäß IAS 17.4 umfasst sämtliche Mietverträge und mietrechtsähnliche Verträge. Würde eine lineare Verteilung des Leasingaufwands auch handelsrechtlich kodifiziert, so würde dies eine gleichlautende bilanzielle Behandlung sämtlicher Mietverträge erforderlich machen.
5 Leasingverhältnisse
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Aufwand der Bilanzierung erhöhen.1 Der im Handelsrecht vorgeschriebene Wertansatz in Höhe des Barwerts der zukünftigen Leasingzahlungen ist objektiviert und dürfte bei rationalem Handeln des Bilanzierenden auch nicht das Nutzenpotenzial des Leasinggegenstandes übersteigen. Sollten sich dennoch Anzeichen hierfür ergeben, wäre der aktivierte Leasinggegenstand einem Wertminderungstest zu unterziehen. Die Bildung stiller Lasten würde so in jedem Fall verhindert. Im Gegensatz zu den originären IFRS sehen die Vorschriften des IFRS for SMEs eine verpflichtende Aktivierung des Leasinggegenstands zum Fair Value vor. Dies ist vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen abzulehnen. Insgesamt ergibt die Analyse der bilanziellen Abbildung von Leasingverhältnissen im Hinblick auf die Eignung der bereitgestellten Daten für Prognose- und Kontrollzwecke ein ernüchterndes Bild. Aufgrund der leichteren Operationalisierbarkeit der Zurechnungskriterien und der damit verbundenen höheren Wirtschaftlichkeit, sind die handels- bzw. steuerrechtlichen Vorschriften zu präferieren.
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Ein erhöhter Aufwand resultiert aus der u.U. komplexen Ermittlung des Fair Value und aus dem Erfordernis, zwei Wertansätze zu bestimmen.
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5.3
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
Zusammenfassung und Empfehlungen
Die nachfolgende Übersicht bietet eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der vergleichenden Würdigung der bilanziellen Abbildung von Leasingverhältnissen. Bilanzielle Abbildung von Leasingverhältnissen Würdigung Zuordnung der Leasinggegenstände Sowohl die nationalen handelsrechtlichen Rechnungslegungsnormen als auch die IFRS erfüllen die Anforderungen einer informationsorientierten Rechnungslegung nur unzureichend. Aufgrund der höheren Praktikabilität der handelsrechtlichen Zuordnungskriterien und der damit verbundenen höheren Wirtschaftlichkeit ist im Sinne einer mittelstandsorientierten Rechnungslegung eine Anwendung der handelsrechtlichen Normen zu empfehlen. Operating-Leasing Im Rahmen des Operating-Leasing ist die vom tatsächlichen Zahlungsfluss unabhängige lineare Verteilung des Leasingaufwands gemäß IFRS-Rechnungslegung zu befürworten. Finanzierungsleasing Die Aktivierung des Leasinggegenstandes nach handelsrechtlichen Vorschriften mit dem Barwert der zukünftig zu zahlenden Leasingraten ist aus Gründen der Objektivierung und Wirtschaftlichkeit der Bewertungskonzeption der IFRS überlegen. Der IFRS for SMEs stellt mit der verpflichtenden Aktivierung zum Fair Value keine adäquate Weiterentwicklung der originären IFRS dar. Gesamturteil Sämtliche Rechnungslegungssysteme erfüllen die Anforderungen einer informationsorientierten Rechnungslegung nur unzureichend. Insgesamt sind die nationalen Rechnungslegungsnormen wegen ihrer höheren Praktikabilität den internationalen Rechnungslegungsvorschriften vorzuziehen. Empfehlung Eine mittelstandsorientierte Rechnungslegung sollte die in den IFRS vorgeschriebene Verteilung des Leasingaufwands über die Vertragslaufzeit aufgreifen. Im Falle von Finanzierungsleasing ist eine Aktivierung des Leasinggegenstands in Höhe des Barwerts der zu leistenden Leasingraten zu empfehlen. Um eine zweckgerichtete bilanzielle Zuordnung der Leasinggegenstände zu gewährleisten, bedarf es weiterer Forschung. Tabelle 11: Würdigung der bilanziellen Abbildung von Leasingverhältnissen
6 Vorräte
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Vorräte
6.1
Unterschiede in der bilanziellen Abbildung
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Unterschiede in der bilanziellen Abbildung von Vorräten ergeben sich zwischen HGB und IFRS und zwischen HGB und BilMoG. Die Rechnungslegungsnormen der originären IFRS und des IFRS for SMEs stimmen überein.1 6.1.1 Abbildung nach IFRS und HGB Die Vorschriften zum Bilanzansatz von Vorräten gehen in der handelsrechtlichen und internationalen Rechnungslegung im Wesentlichen konform.2 Divergenzen bestehen im Rahmen der Zugangsbewertung. Nach IFRS und nach handelsrechtlichen Normen sind Vorräte bei Zugang mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu aktivieren (§ 253 Abs. 1 HGB; IAS 2.9). Während der Umfang der Anschaffungskosten in beiden Regelungskreisen im Wesentlichen deckungsgleich ist,3 weichen die Vorschriften zur Ermittlung der Herstellungskosten erheblich voneinander ab. ƒHerstellungskosten Der unterschiedliche Umfang der Herstellungskosten nach HGB und IFRS wurde bereits eingehend im Rahmen der Würdigung der bilanziellen Abbildung von Sachanlagen thematisiert.4 Die dortigen Ausführungen gelten grundsätzlich analog für die Vorratsbewertung. Nach IFRS beinhalten die Herstellungskosten der Vorräte im Gegensatz zu denen der Sachanlagen verpflichtend Kosten der allgemeinen Verwaltung und Kosten des sozialen Bereichs, sofern diese dem Produktionsbereich zuzurechnen sind (IAS 2.12).5 Da nur für die auf den Produktionsbereich entfallenden Kosten eine Aktivierungspflicht besteht, müssen sämtliche Kosten den einzelnen betrieblichen Funktionsbereichen zugeordnet werden. Als Verteilungsschlüssel kommt der Grad der Unterstützung der jeweiligen Funktion in Betracht.6 Im Ergebnis geht der Her-
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Die Vorschriften des IAS 2 (Vorräte) finden ihre Entsprechung in Abschnitt 12 (Vorräte) des IFRS for SMEs. Im Gegensatz zum Handelsrecht sind Betriebsstoffe, die nicht innerhalb des Fertigungsprozesses verbraucht werden, nicht dem Vorratsvermögen zuzurechnen (IAS 2.8). Mit Verweis auf den in Rahmenkonzept in R.29f. formulierten Grundsatz der Wesentlichkeit kann auf eine Untergliederung der Betriebsstoffe jedoch verzichtet werden. Vgl. Kümpel (2005b), S. 4f. Siehe Kapitel II 2.2.2.1. Unterschiede können sich durch die verpflichtende Berücksichtigung von Fremdkapitalkosten nach IFRS ergeben, die jedoch ausschließlich sog. qualifying assets betrifft. Qualifying assets zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Versetzung in einen gebrauchs- oder verkaufsfähigen Zustand einen beträchtlichen Zeitraum in Anspruch nimmt. Vorräte dürften diese Voraussetzung idR. nicht erfüllen. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2007b), Abschn. 15, Rn. 47. Für eine detaillierte Darstellung vgl. Kapitel V 3.2. Für Kosten des sozialen Bereichs existieren keine gesonderten Regelungen. Aufgrund des Vollkostenprinzips der IAS ist jedoch von einer Aktivierungspflicht auszugehen. Vgl. Kümpel (2005a), S. 1155. Vgl. Ellrott/Pastor (2006), § 255 HGB, Rn. 586.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
stellungskostenumfang der Vorräte über den der Sachanlagen hinaus, da Vorräte mit sämtlichen produktionsbezogenen Kosten zu bewerten sind. Im Hinblick auf die Aktivierung der fixen Gemeinkosten kommt dem Angemessenheitsaspekt im Rahmen der Vorratsbewertung besondere Bedeutung zu. Nach dem Grundsatz der Angemessenheit hat sich die Zurechnung der fixen Gemeinkosten an der Normalbeschäftigung zu orientieren, wobei unter Normalbeschäftigung nach IAS 2.13 das durchschnittliche Produktionsvolumen der vergangenen Perioden zu verstehen ist. Somit wird verhindert, dass Leerkosten infolge einer Unterbeschäftigung in die Herstellungskosten einbezogen werden. Die Berücksichtigung von Leerkosten würde zu einer Überbewertung der Bestände führen. Liegt das Produktionsniveau oberhalb der Normalbeschäftigung, begrenzt der Grundsatz der Angemessenheit die Verrechnung der Gemeinkosten auf die Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten.1 ƒAußerplanmäßige Wertminderung Die Folgebewertung von Vorräten basiert sowohl nach IFRS als auch nach HGB auf dem strengen Niederstwertprinzip, wobei die inhaltliche Ausgestaltung des Niederstwertprinzips divergiert. Nach IAS 2.9 i.V.m. IAS 2.28 sind Vorräte zwingend auf den Nettoveräußerungspreis abzuschreiben, wenn dieser am Bilanzstichtag unterhalb der Anschaffungs- oder Herstellungskosten liegt.2 Die verlustfreie Bewertung soll verhindern, dass Vorräte mit einem Betrag aktiviert werden, der über dem durch ihren Verkauf realisierbaren Wert liegt (IAS 2.28). Die Herleitung des Korrektivwertes erfolgt grundsätzlich absatzmarktorientiert. Grundlage der Schätzung des Nettoveräußerungspreises sind Börsen- oder Marktpreise bzw. im Falle bestehender Liefer- und Leistungsverträge die vertraglich vereinbarten Preise (IAS 2.30f.). Die absatzmarktorientierte Bewertung gilt auch für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, obwohl diese nicht zum Verkauf, sondern für den weiteren Produktionsprozess bestimmt sind. IAS 2.32 untersagt die Abwertung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, falls das aus ihnen hergestellte Endprodukt erwartungsgemäß zu einem Preis oberhalb seiner Herstellungskosten verkauft werden kann. Liegt der Nettoveräußerungspreis des Endprodukts unter den Herstellungskosten, ist eine Abwertung vorzunehmen, wobei ausnahmsweise die Wiederbeschaffungskosten als Indikator für den Nettoveräußerungspreis maßgeblich sind. Begrenzt wird die Abwertung durch die Höhe des drohenden Verlustes aus dem Absatz der Fertigerzeugnisse.3 1
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Vgl. IAS 2.13. Bzgl. der handelsrechtlichen Rechnungslegung vgl. Moxter (1999), S. 190; Wohlgemuth/Ständer (2003), S. 207. Unter dem Nettoveräußerungswert wird gemäß IAS 2.6 der voraussichtliche unter normalen Geschäftsbedingungen realisierbare Verkaufserlös abzüglich der zu erwartenden Kosten für Vertrieb und die endgültige Fertigstellung verstanden. Vgl. Bieg (2006c), S. 424.
6 Vorräte
163
Auch im deutschen Bilanzrecht sind nach dem Niederstwertprinzip Abschreibungen auf einen sich aus dem niedrigeren Börsen- oder Marktpreis ergebenden Wert vorzunehmen (§ 253 Abs. 3 Satz 1 HGB). Ist ein Börsen- oder Marktpreis nicht feststellbar, ist ersatzweise auf den beizulegenden Wert abzuschreiben (§ 253 Abs. 3 Satz 1 HGB), der in der Regel durch Wiederbeschaffungskosten, Wiederherstellungskosten oder durch den retrograd ermittelten Nettoveräußerungspreis konkretisiert wird.1 Im Gegensatz zu den IFRS kann die Ermittlung des niedrigeren Korrektivwerts im Handelsrecht in Abhängigkeit von der Art der Vorräte sowohl absatz- als auch beschaffungsmarktorientiert erfolgen. Für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe ist der Zeitwert grundsätzlich aus dem Beschaffungsmarkt und für unfertige und fertige Erzeugnisse aus dem Absatzmarkt abzuleiten. Zur Bewertung von Handelswaren ist der niedrigere Wert aus der Beurteilung von Absatz- und Beschaffungsmarkt maßgeblich.2 Vergleichbar zu den Vorschriften der IFRS gilt, dass nicht der Preis als solches, sondern der Absatzpreis abzüglich der bis zum Verkauf anfallenden Kosten bzw. der Anschaffungspreis zuzüglich Nebenkosten heranzuziehen ist.3 Die Bewertung von unfertigen und fertigen Erzeugnissen nach HGB und IFRS ist demnach weitgehend deckungsgleich. Die Bewertung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen unterscheidet sich hingegen beträchtlich. Während die IFRS die Abwertung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen von den Absatzpreisen der Fertigerzeugnisse abhängig machen, orientiert sich die Bewertung in der handelsrechtlichen Rechnungslegung an den Beschaffungsmarktpreisen. Laut IAS 2.32 stellen gesunkene Wiederbeschaffungskosten zwar einen Indikator, aber keinen hinreichenden Grund für eine Abwertung dar.4 Entfallen die Gründe der Wertminderung, ist nach IAS 2.33 auf den niedrigeren Wert aus Anschaffungs- oder Herstellungskosten und revidiertem Nettoveräußerungswert zuzuschreiben. Das Handelsrecht sieht in Abhängigkeit von der Rechtsform ein Zuschreibungswahlrecht für Nicht-Kapitalgesellschaften und ein Zuschreibungsgebot für Kapitalgesellschaften vor (§§ 253 Abs. 5; 280 Abs. 1 HGB). Im deutschen Bilanzrecht sind zudem Abschreibungen zur Vermeidung zukünftiger Wertschwankungen sowie Abschreibungen im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung
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Vgl. Ellrott/Ring (2006), § 253 HGB, Rn. 515. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2007a), § 253 HGB, Rn. 488f. Ausnahmen können sich bei unfertigen und fertigen Erzeugnissen, für die Fremdbezug möglich ist und im Falle von Überbeständen an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen oder unfertigen und fertigen Erzeugnissen ergeben. Vgl. Ellrott/Ring (2006), § 253 HGB, Rn. 513, 518. Vgl. Kümpel (2005a), S. 1157.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
gestattet, die den niedrigeren Korrektivwert noch unterschreiten § 253 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 4 HGB).1 Nach den IFRS sind diese Abschreibungswahlrechte unzulässig. ƒBewertungsvereinfachungen Die Ermittlung der Anschaffungs- und Herstellungskosten von Vorräten hat in der handelsrechtlichen und in der internationalen Rechnungslegung nach dem Grundsatz der Einzelbewertung zu erfolgen (§ 253 Abs. 1 Nr. 3 HGB; IAS 2.23f.). Während der Lagerung und Produktion von Vorräten kommt es oftmals zu einer Vermischung von Beständen aus unterschiedlichen Beschaffungsvorgängen (z.B. bei Flüssigkeiten oder Schüttgüter), so dass bei schwankenden Preisen überhaupt nicht oder nur unter prohibitiv hohem Aufwand bestimmt werden kann, welche Vermögenswerte verbraucht sind und welche sich noch im Bestand befinden. Um dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit Rechnung zu tragen, sind deshalb zur Bewertung von Vorräten vom Grundsatz der Einzelbewertung abweichende Vereinfachungsverfahren zulässig.2 Die Anwendungsvoraussetzungen der Vereinfachungsverfahren nach IFRS und HGB entsprechen sich grundsätzlich.3 Als Vereinfachung kommen insbesondere die Verfahren der Sammelbewertung in Frage, die zur Bewertung der Vorräte eine fiktive Verbrauchs- bzw. Veräußerungsfolge unterstellen. Im Handelsrecht werden als Sammelbewertungsverfahren explizit das Fifo-Verfahren (first in - first out) und das Lifo-Verfahren (last in - first out) genannt (§ 256 Satz 1 HGB). Darüber hinaus werden im Schrifttum diverse weitere Verfahren als zulässig erachtet.4 Die IFRS gestatten zur Sammelbewertung ausschließlich das Fifo-Verfahren und die Methode des gewogenen Durchschnitts (IAS 2.25). Die Anwendung des handelsrechtlich zulässigen Lifo-Verfahrens ist seit der Überarbeitung des IAS 2 im Jahr 2003 grundsätzlich untersagt.5 Unabhängig von der Auswahl des Bewertungsvereinfachungsverfahrens ist im Handelsrecht und in der internationalen Rechnungslegung stets das Niederstwertprinzip zu beachten. Somit ist pflichtgemäß abzuwerten, wenn der Nettoveräußerungspreis bzw. der beizulegende Wert unterhalb des mittels Bewertungsvereinfachungsverfahren berechneten Wertansatzes liegt.
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Abschreibungen im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung bleiben Kapitalgesellschaften untersagt (§ 279 Abs. 1 Satz 1 HGB). Das deutsche Bilanzrecht kennt als Vereinfachungsverfahren die Gruppen- und Festbewertung (§ 240 Abs. 3 und 4 HGB) sowie die Sammelbewertung (§ 256 HGB). Die Fest- und Gruppenbewertung ist nach IFRS zwar nicht vorgesehen, nach herrschender Meinung aber zulässig. Vgl. Bieg et al. (2006c), S. 423f. m.w.N. Sammelbewertungsverfahren werden in IAS 2.25 explizit als Vereinfachungsverfahren genannt. Vgl. Pellens et al. (2008), S. 403. Bzgl. der Anwendungsvoraussetzungen siehe auch Coenenberg (2005b), S. 205. Eine Darstellung der diversen Verfahren findet sich bei Ellrott (2006), § 256 HGB, Rn. 56-75. Das Lifo-Verfahren darf eingesetzt werden, wenn es der tatsächlichen Verbrauchsfolge entspricht (IAS 2.BC19).
6 Vorräte
165
6.1.2 Abbildung nach BilMoG Die Novellierung des Handelsrechts durch das BilMoG ändert die Vorschriften zur Ermittlung der Herstellungskosten und der außerplanmäßigen Abschreibungen. Darüber hinaus begrenzt es den Umfang der zulässigen Bewertungsvereinfachungsverfahren. ƒHerstellungskosten Wie bereits thematisiert erweitert das BilMoG die bisherige handelsrechtliche Bewertungsuntergrenze der Herstellungskosten. Nach § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB-E umfassen die aktivierungspflichtigen Herstellungskosten zusätzlich zu den Einzelkosten zukünftig auch angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Werteverzehrs des Anlagevermögens. Die bisherige Bewertungsobergrenze bleibt bestehen. Wie zuvor gestattet § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB-E angemessene Teile der fixen Gemeinkosten in die Herstellungskosten einzubeziehen, sofern sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen.1 ƒAußerplanmäßige Abschreibungen Das bisher in § 253 Abs. 3 Satz 1 und 2 HGB kodifizierte strenge Niederstwertprinzip für Vorräte wird sachlich unverändert in § 253 Abs. 4 HGB-E übernommen. Der Begriff des „Börsen- oder Marktpreises“ wird aus redaktionellen Gründen durch den gleichbedeutenden Begriff des beizulegenden Zeitwertes ersetzt. Der beizulegende Zeitwert entspricht laut dem neuen § 255 Abs. 4 HGB-E dem Börsen- oder Marktpreis. Die bisherige Herleitung des niedrigeren Korrektivwertes auf Basis der Preise des Beschaffungs- und/oder Absatzmarktes bleibt unangetastet.2 Mit Neufassung des § 253 Abs. 5 HGB wird das bislang geltende Wertaufholungswahlrecht für außerplanmäßige Abschreibungen durch ein rechtsformunabhängiges Wertaufholungsgebot ersetzt. Während sich für Kapitalgesellschaften keine Änderungen ergeben, sind zukünftig auch Genossenschaften, Personenhandelsgesellschaften und Einzelkaufleute zur Wertaufholung verpflichtet. Darüber hinaus streicht der Gesetzgeber das Abschreibungswahlrecht zur Vorwegnahme zukünftig erwarteter Wertschwankungen gemäß § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB und untersagt Abschreibungen im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nach § 253 Abs. 4 HGB. ƒBewertungsvereinfachungen Durch die Neufassung des § 256 Satz 1 HGB wird die Zulässigkeit der auf eine Verbrauchsfolge zielenden Bewertungsvereinfachungsverfahren auf das Lifo- und das Fifo-Verfahren 1
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Unter fixen Gemeinkosten versteht der Gesetzgeber Kosten der allgemeinen Verwaltung und Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu §§ 253 und 254 HGB. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu §§ 253 und 254 HGB.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
begrenzt. Weitere in der Literatur diskutierte und anerkannte Bewertungsverfahren sind in Zukunft explizit von einer Anwendung ausgeschlossen. 6.2
Würdigung der bilanziellen Abbildung
ƒHerstellungskosten Selbst hergestellte Vorräte sind wie Sachanlagen sowohl nach IFRS als auch nach HGB mit Herstellungskosten zu bewerten. Während der Umfang der Herstellungskosten nach IFRS verpflichtend die produktionsbezogenen Vollkosten umfasst, ist im Handelsrecht eine Wertuntergrenze in Höhe der Einzelkosten und eine Wertobergrenze in Höhe der Einzel- und Gemeinkosten kodifiziert. Die IFRS erreichen durch die Vollkostenaktivierung eine weitgehend erfolgsneutrale Abbildung des Produktionsvorgangs, wodurch die Aufwendungen der Periode zugeordnet werden, in der die hergestellten Endprodukte veräußert und somit die aufwandsverursachenden Leistungen und die korrespondierenden Erträge realisiert werden. 1 Die periodengerechte Erfolgsermittlung gewährleistet die intertemporale Vergleichbarkeit der ausgewiesenen Werte. Im Gegensatz dazu begünstigt die im Handelsrecht zulässige Teilkostenaktivierung die Bildung stiller Reserven, da die sofortige aufwandswirksame Erfassung der Gemeinkosten während des Lageraufbaus zu negativen Ergebniseffekten führt, die erst bei der späteren Veräußerung durch zusätzliche positive Erfolgsbeiträge kompensiert werden. Die Teilkostenaktivierung verzerrt die Abbildung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit eines Unternehmens und vermindert die Vergleichbarkeit des Periodenerfolgs im Zeitablauf. Insbesondere im Mehrjahresvergleich resultiert aus der Vollkostenaktivierung tendenziell eine Gewinnglättung, während die Teilkostenaktivierung Gewinnschwankungen als Folge kurzfristiger Absatzschwankungen intensiviert.2 Die Eliminierung vorübergehender Schwankungen ist zu begrüßen, da sie die Indikatorfunktion der Rechnungslegung stärkt. Darüber hinaus sind die umfassenden Aktivierungswahlrechte der handelsrechtlichen Rechnungslegung zu kritisieren, da sie die zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit beeinträchtigen. Insgesamt erhöht der verpflichtende Vollkostenansatz der IFRS die intertemporale und zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit und ist aus Perspektive des Vollständigkeitskriteriums zu befürworten. Gleichwohl kann aus der Aktivierung von Vollkosten ein Rückgang an Objektivität resultieren, da der Vollkostenansatz die Schlüsselung von Gemeinkosten bedingt. Damit die Schlüsselung der Gemeinkosten den Anforderungen einer objektivierten Rechnungslegung gerecht wird, hat sie willkürfrei und intersubjektiv nachprüfbar, das heißt auf Basis eines nachvollziehbaren Verfahrens und mittels plausibler Bezugsgrößen, zu erfolgen. Im Gegensatz zu den 1 2
Vgl. Baetge (1996), S. 64. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2006), S. 212.
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Herstellungskosten von Sachanlagen umfassen die Herstellungskosten des Vorratsvermögens nach IFRS auch produktionsbezogene Teile der allgemeinen Verwaltungskosten und der Kosten des sozialen Bereichs. Gerade die Zuordnung allgemeiner Verwaltungskosten und sozialer Kosten dürfte regelmäßig mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden sein, da die Kosten keinen oder nur einen indirekten Bezug zum Produktionsvorgang aufweisen.1 Bei mittelständischen Unternehmen wird die Ausgestaltung der Kostenrechnung in vielen Fällen keine willkürfreie Aufteilung der Verwaltungskosten zulassen. Zudem ist die differenzierte Schlüsselung der Kosten mit hohem Aufwand verbunden, dem nur ein unwesentlicher Nutzen gegenübersteht.2 Aus Gründen der Objektivierung und der Wirtschaftlichkeit ist deshalb eine Ausdehnung des vom IASB für Sachanlagen bestätigten Aktivierungsverbots allgemeiner Verwaltungskosten auf die Vorratsbewertung zu fordern. Dennoch ergeben sich in den internationalen Standards aufgrund des im Regelfall vernachlässigbaren Umfangs der produktionsbezogenen allgemeinen Verwaltungskosten und Kosten des sozialen Bereichs nur unwesentliche Gestaltungsspielräume, denen nach HGB und BilMoG jeweils explizite Wahlrechte gegenüberstehen. Bei der Verrechnung von Gemeinkosten auftretende Gestaltungsspielräume werden zudem durch den Grundsatz der Angemessenheit eingeengt, der die Einbeziehung von Gemeinkosten zeitlich und sachlich eingrenzt.3 Das Angemessenheitsprinzip verbietet den Einbezug von Leerkosten in die Herstellungskosten. Unterschreitet das Produktionsniveau die Normalbeschäftigung, darf nur derjenige Teil der fixen Kosten berücksichtigt werden, der den tatsächlich genutzten Kapazitäten zuzurechnen ist. Übertrifft das Produktionsniveau hingegen die Normalbeschäftigung, sind maximal die tatsächlich entstandenen Herstellungskosten zu aktivieren.4 Das Angemessenheitsprinzip verhindert eine Überbewertung der Vorräte. Gleichzeitig unterbindet es eine willkürliche Gewinnmanipulation durch zusätzliche Produktion auf Lager, da es der Verrechnung der Fixkosten eine objektivierte Obergrenze setzt. Im Ergebnis bleibt die bereits für die bilanzielle Abbildung des Sachanlagevermögens konstatierte Überlegenheit der IFRS-Rechnungslegungsnormen gegenüber der handelsrechtlichen Rechnungslegung bestehen. Das BilMoG stellt eine begrüßenswerte Weiterentwicklung der handelsrechtlichen Vorschriften dar. Die internationalen Rechnungslegungsnormen sind den durch das BilMoG avisierten Normen überlegen, da das BilMoG weiterhin ein Aktivierungs-
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Vgl. Küting/Harth (1999), S. 2394f.; Kümpel (2005a), S. 1155. Kümpel plädiert mit Verweis darauf, dass die produktionsbezogenen allgemeinen Verwaltungskosten und Kosten des sozialen Bereichs regelmäßig eine vernachlässigbare Größe darstellen, für eine Aufwandsverrechnung der Kosten in vollem Umfang. Vgl. Kümpel (2003), S. 2612. Vgl. Wohlgemuth/Ständer (2003), S. 207 und 210f. Vgl. Ellrott/Pastor (2006), § 255 HGB, Rn. 486. Da die IFRS nicht angeben, bis zu welcher Grenze eine Abweichung von der Normalbeschäftigung toleriert werden kann, eröffnet sich für die Bilanzierenden ein bilanzpolitischer Spielraum bei der Verrechnung der fixen Gemeinkosten.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
wahlrecht für sämtliche fixen Gemeinkosten enthält. Gleichwohl reduzieren sich die Divergenzen zwischen BilMoG und IFRS im Rahmen der bilanziellen Abbildung des Vorratsvermögens dadurch, dass auch die IFRS den Bilanzierenden durch das Aktivierungsgebot für allgemeine Verwaltungskosten und Kosten des sozialen Bereichs Gestaltungsspielräume eröffnen. ƒAußerplanmäßige Wertminderungen Die beschaffungsmarktorientierte Bewertung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen in der handelsrechtlichen Rechnungslegung führt im Vergleich zur konsequenten absatzmarktorientierten Bewertung der IFRS zu einer verzerrten Darstellung der wirtschaftlichen Lage. Die Abschreibungen auf den niedrigeren Beschaffungsmarkpreis erhöhen den Aufwand der aktuellen Periode, obwohl sinkende Beschaffungsmarktpreise der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe eine Verbesserung der zukünftigen Erfolgsaussichten indizieren. Negative zukünftige Erfolgsbeiträge können nur aus rückläufigen Absatzmarktpreisen resultieren.1 Eine am Absatzpreis der Endprodukte orientierte Bewertung erhöht somit die Relevanz der Rechnungslegungsinformationen. Die Umsetzung der absatzmarktorientierten Bewertung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen gestaltet sich in der Praxis kritisch. Ursächlich hierfür sind verschiedene Problembereiche. 2 Im Regelfall gehen in die Herstellung eines Endprodukts mehrere Verbrauchsstoffe ein, so dass der Absatzpreis des Endprodukts einer Kombination von unterschiedlichen Verbrauchsstoffen mit ihren differierenden Kosten gegenübersteht. Des Weiteren werden nur selten alle Lagerbestände zur Herstellung einer geplanten Anzahl von Fertigprodukten verbraucht. Ferner wird ein Rohstoff oftmals zur Herstellung verschiedener Fertigerzeugnisse eingesetzt. Die einzelnen Fertigerzeugnisse verzeichnen in der Regel unterschiedliche Gewinnmargen. Eine retrograde Bewertung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe ausgehend von den Verkaufserlösen der Fertigprodukte kann nur mit Hilfe des unternehmensinternen Produktionsplans erfolgen. Mit dem Produktionsplan wird festgelegt, welche Produkte in welcher zeitlichen Reihenfolge hergestellt werden sollen. Mit Hilfe des Materialflussplans kann anschließend eruiert werden, in welchem Umfang die vorrätigen Stoffe für die Herstellung der einzelnen Fertigerzeugnisse verwendet werden.3 Es ist augenscheinlich, dass sich die Prüfung bzw. Ermittlung des Abwertungsbedarfs in vielen Fällen äußerst aufwendig gestaltet. Für Unternehmen mit einer hohen Fertigungstiefe oder einer Vielzahl von Produkten mit identischen Einsatzstoffen, ist eine absatzmarktorientierte Bewertung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe nahezu ausge-
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Ausführlich: Leffson (1987), S. 362-369. Vgl. nachfolgend: Leffson (1987), S. 398f. Vgl. Kümpel (2005b), S. 88f.
169
6 Vorräte
schlossen.1 Zudem wird eine detaillierte Produktionsplanung regelmäßig - insbesondere bei kleineren Unternehmen - nicht vorliegen. Probleme ergeben sich auch, wenn ein Unternehmen über einen hohen Lagerbestand, aber nur über einen geringen Auftragsbestand verfügt. Mit Hilfe des Produktionsplans kann dann keine Aussage über die zukünftige Verwendung der Verbrauchsstoffe getroffen werden. Die Bewertung müsste sich allein auf die Erwartungen des Bilanzierenden stützen.2 Bei der retrograden Bewertung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe beeinflusst der Bilanzierende durch den von ihm selbst festgelegten Produktionsund Materialflussplan oder direkt durch seine Erwartungen die Bewertung der Vorräte. Eine gebotene Abwertung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe ist weder intersubjektiv nachvollziehbar noch nachprüfbar. Aus Gründen der Objektivität und der Wirtschaftlichkeit ist die absatzmarktorientierte Bewertung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen abzulehnen. Gegen diese Schlussfolgerung mag eingewendet werden, dass die komplexe Ermittlung des Abwertungsbedarfs der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe nur in denjenigen Fällen erforderlich ist, in denen überhaupt ein Verlust aus dem Absatz eines Endproduktes droht. Dem ist zwar zuzustimmen, jedoch ist gerade im Falle drohender Verluste ein besonders hoher Grad an Objektivität unabdingbar. Bezüglich der Bewertung von unfertigen und fertigen Erzeugnissen besteht zwischen den Normen des Handelsrechts und der IFRS weitgehende Kongruenz. Für Handelswaren erscheint die in den IFRS geforderte absatzmarktorientierte Bewertung angemessen. Aus Vorsichtsgründen den niedrigeren Wert aus Beschaffungs- und Absatzmarkt anzusetzen, wie im Handelsrecht üblich, würde eine im Bestand befindliche Handelsware mit einer noch nicht bestellten Handelsware gleichsetzen und somit die unterschiedlichen Dispositionsmöglichkeiten außer Acht lassen.3 Die
Aufhebung
der
handelsrechtlich
zulässigen
Ermessensabschreibung
nach
§ 253 Abs. 4 HGB und der Abschreibung zur Antizipation zukünftiger Wertschwankungen § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB durch das BilMoG ist ohne Einschränkungen zu begrüßen. Die Abschreibungswahlrechte ermöglichen die willkürliche Bildung stiller Reserven. Sie verletzten sämtliche Anforderungskriterien und sind strikt abzulehnen. Gleiches gilt für das Wahlrecht von Nicht-Kapitalgesellschaften bei Wegfall der Gründe einer außerplanmäßigen Wertminderung gemäß § 253 Abs. 5 HGB, den niedrigeren Wertansatz beizubehalten. Die rechtsformunabhängige Pflicht zur Wertaufholung der IFRS, die auch im BilMoG vorgesehen ist, ist aus Gründen der Vergleichbarkeit und Objektivität zu begrüßen. Sie stärkt die Informationsfunktion der Rechnungslegung.
1 2 3
So auch: Kümpel (2005a), S. 1157. Vgl. Leffson (1987), S. 404. Vgl. Leffson (1987), S. 407.
170
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
ƒBewertungsvereinfachungen Bewertungsvereinfachungsverfahren sind unverzichtbar, weil die Einzelbewertung des Vorratsvermögens in vielen Fällen sehr aufwendig oder nahezu ausgeschlossen ist. Die Anwendung der Bewertungsvereinfachungsverfahren eröffnet dem Bilanzierenden Gestaltungsspielräume, wenn er aus diversen Verfahren frei wählen kann. Während die Auswahl in der internationalen Rechnungslegung auf das Fifo-Verfahren und die Durchschnittsmethode begrenzt ist, kommt im Handelsrecht neben der Durchschnittsmethode eine Fülle unterschiedlicher beschaffungszeit- und beschaffungspreisbestimmter Verfahren in Frage. 1 Dabei sind beschaffungspreisbestimmte Verfahren2 aus Gründen mangelnder Objektivität und Vergleichbarkeit abzulehnen. Ihr Ziel liegt nicht in einer realitätsnahen Abbildung der Verbrauchsfolge, sondern in der Legung bzw. Auflösung stiller Reserven. Als beschaffungszeitbestimmte Verfahren werden in der Praxis das Lifo- und das FifoVerfahren eingesetzt. Das Lifo-Verfahren ist in der internationalen Rechnungslegung seit dem Improvement Project in 2003 nicht mehr gestattet. Das IASB begründet das Verbot zu Recht damit, dass die Verbrauchsfolgefiktion des Lifo-Verfahrens nur in wenigen Fällen haltbar sei und die Bewertung mittels Lifo-Verfahren deshalb keinen zutreffenden Einblick in die Vermögens- und Ertragslage gewährleiste.3 Im deutschen Bilanzrecht ist das Lifo-Verfahren weiterhin anwendbar. Da die Auswahl des Bewertungsvereinfachungsverfahrens im Handelsrecht unabhängig von der tatsächlichen Verbrauchsfolge zulässig ist,4 kann das Lifo-Verfahren sogar genutzt werden, wenn es der tatsächlichen Verbrauchsfolge widerspricht. Das LifoVerfahren unterstellt, dass zuletzt erworbene oder hergestellte Vorräte zuerst verbraucht oder veräußert werden.5 Das Verfahren gewährt bei steigenden und bei fallenden Preisen einen verlässlichen Einblick in die Ertragslage, da die Bewertung des Verbrauchs stets zu gegenwartsnahen Preisen erfolgt. In seiner praxisrelevanten periodenbezogenen Version ermöglicht es dem Bilanzierenden jedoch, den Periodenerfolg bei steigenden Preisen mittels zusätzlicher Beschaffungen gezielt zu reduzieren.6 Darüber hinaus verzerrt das Lifo-Verfahren die Darstellung der Vermögenslage, da im Falle steigender Preise stille Reserven entstehen. Diese können durch bilanzpolitisch motivierten Lagerabbau gezielt aufgelöst werden.7 Die mit dem Einsatz des Lifo-Verfahrens verbundenen Gestaltungsspielräume verletzten das Kriterium der
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6 7
Darüber hinaus existieren konzernspezifische Verbrauchsfiktionen. Z.B. Hifo (Highest in - first out) oder Lofo (Lowest in - first out). Vgl. IAS 2.BC10. Vgl. Ellrott (2006), § 256 HGB, Rn. 41 m.w.N. Beim Lifo-Verfahren ist zwischen permanentem Lifo-Verfahren und Perioden-Lifo zu unterscheiden. In der Praxis wird fast ausschließlich das einfachere Perioden-Lifo eingesetzt, bei dem die Bestände nur am Bilanzstichtag bewertet werden. Vgl. Veit (2002), S. 236, 247. Vgl. Siegel (1991), S. 1943. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 370; Zülch (2004), S. 155; Veit (2002), insbes. S. 250.
6 Vorräte
171
Vergleichbarkeit und das Objektivitätserfordernis. Im Ergebnis beeinträchtigen die vermittelten Informationen die Indikator- und Kontrollfunktion der Rechnungslegung. Das Fifo-Verfahren folgt der Fiktion, dass zuerst erworbene oder hergestellte Vorräte zuerst verbraucht oder veräußert werden. Diese Fiktion entspricht nicht nur regelmäßig der tatsächlichen Verbrauchsfolge, sondern gibt im Gegensatz zum Lifo-Verfahren auch die hinter einem Lagerauf- und -abbau stehende ökonomische Logik wieder. Unternehmen erwerben Vorratsgegenstände im Hinblick auf eine geplante Verwendung. Darauffolgende Beschaffungen beruhen auf weiteren geplanten Verwendungen, so dass jedem Vorratsgegenstand eine Beschaffungsentscheidung zuzuordnen ist, die wiederum durch eine geplante Verwendung ausgelöst wurde. Insofern bildet - unabhängig von der tatsächlichen Entnahme aus dem Lager - ausschließlich das Fifo-Verfahren die zu Grunde liegenden ökonomischen Zusammenhänge richtig ab.1 Im Gegensatz zum Lifo-Verfahren führt das Fifo-Verfahren zu einer stichtagsnahen Darstellung der Vermögenslage, wodurch bei steigenden und fallenden Preisen die Bildung stiller Reserven vermieden wird.2 Die Ertragslage wird dagegen verzögert abgebildet, da die Aufwandsverrechnung bei Preissenkungen oder -erhöhungen zu überholten Preisen erfolgt.3 Verglichen mit dem Lifo-Verfahren begrenzt das Fifo-Verfahren bilanzpolitische Spielräume, so dass es insgesamt einen höheren Grad an Objektivität und Vergleichbarkeit gewährleistet. Darüber hinaus ist die Anwendung des Fifo-Verfahrens mit geringerem Aufwand verbunden.4 Die Durchschnittsmethode stellt bei steigenden Preisen ein Kompromiss zwischen Fifo- und Lifo-Verfahren dar. Mit ihrer Auswahl lassen sich kaum bilanzpolitische Ziele verwirklichen, da die Durchschnittsbewertung im Vergleich zur Einzelbewertung zu niedrigeren, aber auch höheren Bewertungen führen kann.5 Gleichwohl ergeben sich Gestaltungsspielräume, da die Bewertung mit Hilfe der Durchschnittsmethode im Falle steigender Preise die Bildung stiller Reserven bewirkt.6 Ferner ist beim Einsatz der Durchschnittsmethode eine Gewinnmanipulation durch zusätzliche Beschaffungen denkbar.7 Im Gegensatz zum Fifo-Verfahren resultieren aus der Anwendung der Durchschnittsmethode Gestaltungsspielräume. Im Vergleich zum Lifo-Verfahren sind diese jedoch erheblich geringer. Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die bilanzielle Abbildung der vereinfachten Vorratsbewertung nach IFRS der bilanziellen Abbildung nach handelsrechtlichen Vorschriften 1 2
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Vgl. hierzu im Detail: Siegel (1991), S. 1942f. Bei fallenden Preisen werden stille Reserven zudem durch die Anwendung des Niederstwertprinzips verhindert. Vgl. Ellrott (2006), § 256 HGB, Rn. 61 m.w.N. Vgl. Teichgräber (1977), S. 39. Vgl. Veit (2002), S. 225. Vgl. Teichgräber (1977), S. 28. Vgl. Siegel (1991), S. 1943.
172
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
überlegen ist. Im Gegensatz zu den IFRS erlaubt die handelsrechtliche Rechnungslegung den Bilanzierenden aus einer Fülle unterschiedlichster Verfahren frei zu wählen, sogar wenn die Verfahren offensichtlich der Verbrauchsfolge widersprechen. Insbesondere die nach HGB zulässigen beschaffungspreisbestimmten Methoden und das Lifo-Verfahren sind aus informationstheoretischer Perspektive abzulehnen. Die durch das BilMoG avisierte Neufassung des § 256 Satz 1 HGB ist zu begrüßen. Sie begrenzt den Umfang der zulässigen Bewertungsvereinfachungsverfahren auf das Lifo- und das Fifo-Verfahren. Die IFRS bleiben den handelsrechtlichen Rechnungslegungsnormen dennoch überlegen, da auch die reformierten handelsrechtlichen Vorschriften eine Wahl zwischen Lifo- und Fifo-Verfahren sowie Durchschnittsmethode zulassen. Es scheint empfehlenswert, die zur Bewertungsvereinfachung zulässigen Verfahren auf das Fifo-Verfahren zu begrenzen und nur in begründeten Ausnahmefällen eine Bewertung mit der Durchschnittsmethode zuzulassen. Die Bewertung mit Hilfe des FifoVerfahrens führt im Vergleich zu den anderen Methoden zu einer höheren Relevanz der Rechnungslegungsinformationen und ist mit geringerem Aufwand verbunden.
6 Vorräte
6.3
173
Zusammenfassung und Empfehlungen
Die nachfolgende Übersicht bietet eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der vergleichenden Würdigung der bilanziellen Abbildung von Vorräten. Bilanzielle Abbildung von Vorräten Würdigung Herstellungskosten Die nach IFRS verpflichtende Zugangsbewertung selbst hergestellter Vorräte mit produktionsbezogenen Vollkosten ist den handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften überlegen. Die avisierten Regelungen des BilMoG stellen eine erhebliche Weiterentwicklung der handelsrechtlichen Vorschriften dar. Aufgrund der verbleibenden Aktivierungswahlrechte sind sie den internationalen Standards unterlegen. Außerplanmäßige Wertminderung Die beschaffungsmarktorientierte Bewertung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen in der handelsrechtlichen Rechnungslegung ist im Vergleich zur absatzmarktorientierten Bewertung der IFRS objektiver und wirtschaftlicher. Die absatzmarktorientierte Bewertung von Handelswaren nach IFRS ist der Bewertungskonzeption des deutschen Bilanzrechts überlegen. Die handelsrechtlich zulässigen Ermessensabschreibungen und Abschreibungen zur Vorwegnahme zukünftiger Wertschwankungen stellen im Vergleich zu den IFRS einen deutlichen Nachteil dar. Die Aufhebung der Abschreibungswahlrechte durch das BilMoG ist eine begrüßenswerte Verbesserung. Das rechtsformunabhängige Wertaufholungsgebot der IFRS und des BilMoG ist den aktuellen handelsrechtlichen Vorschriften vorzuziehen. Bewertungsvereinfachungen Die Vorschriften der IFRS sind gegenüber denen des Handelsrechts zu präferieren, da die IFRS den Kreis der zulässigen Bewertungsverfahren auf die Fifo- und Durchschnittsmethode eingrenzen. Im Gegensatz dazu, eröffnet das HGB erhebliche Gestaltungsspielräume, da es eine freie Auswahl aus diversen Verfahren ermöglicht. Die Novellierung durch das BilMoG stellt eine Verbesserung der handelsrechtlichen Rechnungslegung dar, geht aber nicht weit genug, da das abzulehnende Lifo-Verfahren weiterhin zulässig ist. Gesamturteil Abgesehen von der verpflichtenden absatzmarktorientierten Bewertung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen nach IFRS, begründen die dargestellten divergierenden Rechnungslegungsnormen eine deutliche Überlegenheit der IFRS. Der IFRS for SMEs stellt keine Weiterentwicklung der originären IFRS dar, die wesentlichen Regelungen sind identisch. Das BilMoG führt hingegen zu einer beträchtlichen Verbesserung der handelsrechtlichen Rechnungslegung. Leider geht es in einigen Bereichen nicht weit genug. Empfehlung Ein mittelstandsorientiertes Bilanzrecht sollte die Gestaltungsspielräume in der Zugangsbewertung selbst hergestellter Vorräte durch den verpflichtenden Ansatz der Vollkosten reduzieren, wobei Kosten der allgemeinen Verwaltung und Aufwendungen des sozialen Bereichs von einer Aktivierung ausgeschlossen werden sollten. Im Rahmen der Folgebewertung ist eine beschaffungsmarktorientierte Bewertung der Roh-, Hilfsund Betriebsstoffe und eine absatzmarktorientierte Bewertung von Handelswaren und Fertigerzeugnissen angezeigt. Ermessensabschreibungen im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung und Abschreibungen zur Antizipation zukünftiger Wertschwankungen sind abzulehnen. Ein rechtsformunabhängiges Wertaufholungsgebot ist empfehlenswert. Darüber hinaus sind die zur Bewertungsvereinfachung zulässigen Verfahren auf das Fifo-Verfahren zu begrenzen und nur in begründeten Ausnahmefällen eine Bewertung mit der Durchschnittsmethode zuzulassen. Tabelle 12: Würdigung der bilanziellen Abbildung von Vorräten
174
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
7
Langfristige Fertigungsaufträge
7.1
Unterschiede in der bilanziellen Abbildung
Unterschiede in der bilanziellen Abbildung langfristiger Fertigungsaufträge ergeben sich im Wesentlichen zwischen HGB und IFRS. Die Novellierung des Handelsrechts durch das BilMoG verändert die bilanzielle Abbildung langfristiger Fertigungsaufträge ausschließlich durch die bereits thematisierte Anpassung der Herstellungskostenuntergrenze. Die Rechnungslegungsnormen der originären IFRS und des IFRS for SMEs stimmen überein.1 Unter langfristigen Fertigungsaufträgen wird die auftragsbezogene Herstellung von Vermögenswerten verstanden, wobei Beginn und Ende der Herstellung in unterschiedliche Rechnungslegungsperioden fallen.2 Kennzeichnend für die langfristige Auftragsfertigung ist, dass der Verkaufsakt vor Herstellungsbeginn liegt. 3 Unter die langfristige Auftragsfertigung sind auch Dienstleistungsverträge zu subsumieren.4 Die bilanzielle Abbildung unterscheidet sich nach HGB und IFRS hinsichtlich der Gewinnrealisation und des Umsatzausweises. Im Handelsrecht darf der Gewinn aus einem langfristigen Fertigungsauftrag aufgrund des in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB kodifizierten Realisationsprinzips erst bei vollständiger Fertigstellung des Auftrags und Abnahme durch den Auftraggeber realisiert werden (CompletedContract-Methode). Auch der Umsatzausweis findet erst im Zeitpunkt des Gefahrenübergangs statt. Während des Herstellungsprozesses sind die unfertigen Erzeugnisse bzw. unfertigen Leistungen in Höhe ihrer Herstellungskosten gemäß § 255 Abs. 2 und 3 HGB zu aktivieren. Mit Einschränkungen sind anfallende Vertriebskosten für die Auftragserlangung und -vorbereitung im Rahmen der langfristigen Auftragsfertigung ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach
als
Sondereinzelkosten
der
Fertigung
zu
qualifizieren
und
gemäß
§ 255 Abs. 2 Satz 2 HGB in die Herstellungskosten einzubeziehen.5 Teilgewinne dürfen handelsrechtlich nur vereinnahmt werden, wenn der Gesamtauftrag in vertraglich vereinbarte 1
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3 4
5
Die Vorschriften des IAS 11 (Fertigungsaufträge) finden ihre Entsprechung in den Paragraphen 22.17-22.27 des Abschnitts 22 (Erträge) des IFRS for SMEs. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 685. Ein Fertigungsvertrag ist nach IAS 11.3 ein Vertrag über die kundenspezifische Fertigung eines Vermögenswertes oder mehrerer Vermögenswerte, die in Bezug auf Design, Technologie, Funktion oder Verwendung aufeinander abgestimmt oder voneinander abhängig sind. Vgl. Coenenberg (2005b), S. 215. Nach IAS 11.5 umfassen Fertigungsaufträge i.S.d. IAS 11 auch Dienstleistungen, die in direktem Zusammenhang mit der Fertigung eines Vermögenswertes stehen. Für Dienstleistungsverträge, die nicht im Zusammenhang mit einem materiellen Fertigungsauftrag stehen, ist IAS 18 maßgeblich. IAS 18.21 verweist jedoch darauf, dass die Bilanzierung langfristiger Dienstleistungsverträge grundsätzlich analog zu den Regelungen des IAS 11 zu erfolgen hat. Für Vertriebskosten besteht gemäß § 255 Abs. 2 Satz 6 HGB grundsätzlich ein Aktivierungsverbot. Im Rahmen der langfristigen Auftragsfertigung dürfen bestimmte Vertriebskosten aktiviert werden, wenn diese einem Auftrag direkt zurechenbar sind und der Fertigungsauftrag am Bilanzstichtag erteilt war oder bis zur Abschlusserstellung erteilt wird. Vgl. Ellrott/Brendt (2006), § 255 HGB, Rn. 455f.; Adler/Düring/Schmaltz (2007a), § 255 HGB, Rn. 213f.
7 Langfristige Fertigungsaufträge
175
Teilleistungen zerlegt wird, die einzeln abgerechnet und vom Kunden abgenommen werden.1 Die Zulässigkeit einer Teilgewinnrealisierung in Abhängigkeit vom Projektfortschritt ohne vertragliche Fixierung von Teilleistungen wird von der herrschenden Meinung abgelehnt.2 Resultiert aus dem Fertigungsauftrag voraussichtlich ein Verlust in Form eines Aufwandsüberschusses, so ist dieser nach dem Imparitätsprinzip sofort mittels Drohverlustrückstellung gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB zu antizipieren. Im Gegensatz zum deutschen Bilanzrecht ist der Gewinn in der internationalen Rechnungslegung grundsätzlich mit dem Leistungsfortschritt des Fertigungsauftrags auf die Perioden der Leistungserstellung zu verteilen (Percentage-of-Completion-Methode). So schreibt IAS 11.22 vor, die in Verbindung mit dem Fertigungsauftrag anfallenden Kosten und Erlöse nach Maßgabe des Fertigstellungsgrads als Aufwendungen und Erträge zu erfassen (IAS 11.25), wenn das Gesamtergebnis des Fertigungsauftrags verlässlich geschätzt werden kann.3 Die Gewinnrealisierung erfolgt unabhängig davon, ob ein rechtlich durchsetzbarer Anspruch auf Gegenleistung besteht.4 Mit Vereinnahmung des Gewinns wird eine Umsatzrealisierung fingiert, so dass es in der Bilanz nicht zu einem Ausweis unfertiger Erzeugnisse, sondern zu einem Forderungsausweis kommt (IAS 11.42).5 Zur Ermittlung des Fertigstellungsgrads kommen in Abhängigkeit von der Vertragsart unterschiedliche Methoden in Betracht (IAS 11.30). Am weitesten ist die Cost-to-Cost-Methode in der Bilanzierungspraxis verbreitet.6 Die Cost-toCost-Methode unterstellt eine zum Kostenanfall proportionale Gewinnrealisierung, so dass sich der Fertigstellungsgrad aus der Relation der zum Bilanzstichtag kumulierten Auftragskosten und der voraussichtlichen Gesamtkosten des Auftrags berechnet. Zu den Auftragskosten zählen alle dem Fertigungsauftrag direkt und indirekt zurechenbaren Kosten sowie sonstige Kosten, die vertragsgemäß an den Kunden weiterbelastet werden dürfen (IAS 11.16).7
1
2
3
4 5
6 7
Vgl. stellvertretend: Krawitz (1997), S. 890. Die Teilgewinnrealisierung durch Zerlegung des Gesamtauftrags wird in der Literatur an restriktive Voraussetzungen geknüpft, die eine Umsetzung in der Bilanzierungspraxis auf wenige Fälle beschränken. Zum Teil wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, die langfristige Auftragsfertigung begründe u.U. einen Ausnahmefall nach § 252 Abs. 2 HGB, der eine Durchbrechung des Realisationsprinzips rechtfertige. Vgl. Krawitz (1997), S. 891f.; Ellrott/Brendt (2006), § 255 HGB, Rn. 460 m.w.N. Fertigungsaufträge werden gemäß IAS 11.6 in Festpreis- und Kostenzuschlagsverträge unterschieden. IAS 11.23 und 11.24 enthalten differenziert nach der Auftragsart verschiedene Bedingungen, bei deren kumulativer Erfüllung das Gesamtergebnis des Fertigungsauftrags als verlässlich schätzbar gilt. Vgl. Bigus (2005), S. 602. Ausführlich: Kühnberger (2006), S. 658f. Der Bilanzausweis umfasst die kumulativen Auftragskosten zuzüglich vereinnahmter Gewinnanteile und abzüglich verrechneter Abschlagszahlungen und entstandener Verluste (IAS 11.43f.). Bei negativem Saldo ist der Fertigungsauftrag als Verbindlichkeit zu bilanzieren (IAS 11.42). Vgl. Pellens et al. (2008), S. 390. Forschungs- und Entwicklungskosten sowie Kosten der allgemeinen Verwaltung sind nur dann Bestandteil der Auftragskosten, wenn für sie eine Erstattung durch den Kunden vereinbart wurde. Vertriebsgemeinkosten sind explizit von einer Aktivierung ausgeschlossen (IAS 11.20). Die anzusetzenden Auftragserlöse sind in IAS 11.11-11.14 definiert.
176
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
Kann das Gesamtergebnis eines Fertigungsauftrags nicht verlässlich geschätzt werden, schreibt IAS 11.32 eine erfolgsneutrale Bilanzierung des Fertigungsauftrags vor. Der Gewinnausweis wird vermieden, indem die Ertragsrealisierung auf die Höhe der angefallenen erstattungsfähigen Auftragskosten begrenzt wird (IAS 11.33). Die Vorgehensweise ist vergleichbar zur handelsrechtlich anzuwendenden Completed-Contract-Methode. Im Gegensatz zum Handelsrecht, das einen Umsatzausweis erst im Zeitpunkt des Gefahrenübergangs gestattet, sehen die IFRS einen Umsatzausweis während des Herstellungsprozesses vor.1 Entfallen die Unsicherheitsfaktoren der Schätzung zu einem späteren Zeitpunkt, ist zwingend die Percentage-of-Completion-Methode anzuwenden (IAS 11.35). Unabhängig von der eingesetzten Bilanzierungsmethodik sind erwartete Gesamtverluste aus einem Fertigungsauftrag analog zu den handelsrechtlichen Regelungen sofort in voller Höhe erfolgswirksam zu berücksichtigen (IAS 11.36). 7.2
Würdigung der bilanziellen Abbildung
Langfristige Fertigungsaufträge können die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens aufgrund ihrer Wertdimension entscheidend beeinflussen.2 Durch die formal-juristische Betrachtungsweise des Handelsrechts werden Gewinn und Umsatz aus langfristigen Fertigungsaufträgen in Form eines Wertsprungs in der Periode der Abnahme vereinnahmt. Dies führt zu einer verzerrten Darstellung der Ertragslage, da der ausgewiesene Gewinn nicht allein auf den in der Abnahmeperiode erbrachten Leistungen, sondern zum überwiegenden Teil auf Leistungen der Vorperioden beruht. Gleichzeitig werden die Perioden der Herstellung durch Zwischenverluste in Höhe der nicht aktivierten Selbstkosten belastet, 3 obwohl die Unternehmung profitabel arbeitet und die Selbstkosten durch den insgesamt gewinnbringenden Auftrag gedeckt sind. Die buchtechnischen Zwischenverluste sind umso größer, je näher die Bewertung der unfertigen Aufträge an der handelsrechtlichen Herstellungskostenuntergrenze liegt. Im Ergebnis ist der Jahreserfolg durch eine hohe Volatilität geprägt, die nicht ökonomisch begründet ist.4 Die Abbildung der Ertragslage widerspricht der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens und konterkariert die Vergleichbarkeit des Jahreserfolgs im Zeitablauf.5 Darüber hinaus entstehen durch die umfangreichen Einbeziehungswahlrechte bei Ermittlung der Herstellungskosten erhebliche Gestaltungsspielräume, 6 welche die zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit erschweren. Die Kontroll- und Indikatorfunktion der Rechnungslegung werden beeinträchtigt. 1 2 3
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Vgl. Pellens et al. (2008), S. 398. Vgl. Krawitz (1997), S. 886. Zwischenverluste entstehen dadurch, dass die gesamten Kosten der Auftragsausführung Aufwand darstellen, den Aufwendungen aber nur Erträge in Höhe der aktivierungsfähigen Herstellungskosten gegenüberstehen. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 686; Kümpel (2005b), S. 120. Vgl. Leffson (1987), S. 279; Zieger (1990), S. 173. Siehe Kapitel V 4.2 und Kapitel V 6.2.
7 Langfristige Fertigungsaufträge
177
Die IFRS versuchen den Nachteilen der handelsrechtlichen Bilanzierung durch eine fertigungsbegleitende Gewinn- und Umsatzrealisierung zu begegnen, nach der sämtliche Aufwendungen den alimentierten Erträgen zugeordnet werden sollen. In der Konsequenz tritt eine der ökonomischen Realität entsprechende Gewinnglättung ein, welche die intertemporale Vergleichbarkeit der Periodenergebnisse gewährleistet. Gemindert wird die Vergleichbarkeit durch Auftragszwischenverluste, die auch nach IFRS nicht gänzlich ausgeschlossen werden.1 Damit die Ertragsrealisierung nach Maßgabe der Percentage-of-Completion-Methode mit dem Objektivierungserfordernis vereinbar ist, knüpfen die IFRS ihre Anwendung an die Bedingung, dass Auftragserlöse und -kosten sowie Fertigungsstellungsgrad verlässlich geschätzt werden können. Faktisch entsteht hierdurch ein Wahlrecht, da sich der Bilanzierende je nach bilanzpolitischer Zielsetzung auf die Erfüllung bzw. Nichterfüllung der Bedingung berufen kann.2 Im Regelfall dürfte der Gesamtgewinn eines Fertigungsauftrags ex ante nur mit beachtlichen Unsicherheiten quantifizierbar sein, da die langfristige Fertigung aufgrund ihrer Individualität und technischen Komplexität sowie der mehrjährigen Abwicklungszeit der Projekte mit erheblichen Risiken verbunden ist.3 Risiken bestehen sowohl auf der Kosten- als auch auf der Erlösseite. Die Kostenschätzungen sind mit hoher Unsicherheit behaftet, da sie aufgrund der Individualität des Projektes nicht auf Markt- oder Erfahrungswerten basieren. Zudem entstehen durch die langfristige Preisentwicklung (z.B. Material- und Lohnpreise) Unwägbarkeiten. Die Schätzung der Erlöse geht mit Unsicherheiten einher, da die Abnahme der Projekte vielfach an vereinbarte technische Spezifika geknüpft wird, die erst nach Inbetriebnahme überprüft werden können. Bei Verfehlung der Vereinbarungen drohen Nachbesserungen, Erlösschmälerungen oder Pönalien, die den Auftragserlös deutlich mindern. Infolge der ausgeprägten Risikosituation stützt sich die Schätzung des Gesamtergebnisses zu großen Teilen auf subjektive Erwartungen und Wertungen des Bilanzierenden. Die Ermittlung des Fertigstellungsgrads erweitert die Ermessensspielräume, da der Bilanzierende durch freie Wahl einer Ermittlungsmethode die Ertragsrealisierung beeinflussen kann. In Abhängigkeit von der Ermittlungsmethode dürften sich die zur Bestimmung des Fertigstellungsgrades maßgeblichen Parameter weitgehend der intersubjektiven Nachprüfbarkeit entziehen.4 Die Ermessensspielräume und Wahlrechte schmälern die zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit und verhindern eine ausreichende Objektivierung. Die Vorverlagerung rechtlich noch unrealisierter Gewinne birgt die Gefahr, dass Gewinne ausgewiesen werden, die sich in den nachfolgenden Perioden als doch nicht realisierbar herausstellen. Das hohe Risiko eines
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Gemäß IAS 11.20 sind Vertriebskosten kein Bestandteil der aktivierungsfähigen Auftragskosten. Vgl. Paulitschek/Wiese (2006), S. 635. Vgl. Leffson (1987), S. 284-286; Krawitz (1997), S. 886, 889, 891; Kümpel (2002), S. 907. Dies gilt insbesondere für die so genannten outputorientierten Methoden, welche auf die Relation der am Bilanzstichtag erreichten Leistung zur Gesamtleistung abstellen.
178
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
verfrühten Erfolgsausweises dürfte die Vorteile der exakteren Periodenabgrenzung überkompensieren. Ein solch unsicherer und manipulierbarer Gewinn kann die Kontrollfunktion der Rechnungslegung nicht unterstützen. In der Kreditvergabepraxis werden die Effekte der Percentage-of-Completion-Methode deshalb durch Anpassungen des Eigenkapitals korrigiert.1 Darüber hinaus erfordert die Anwendung der Percentage-of-Completion-Methode ein differenziertes Projektcontrolling, welches die Ermittlung des Leistungsfortschritts, die Schätzung der Auftragserlöse und -kosten sowie die laufende Überprüfung der Schätzungen gewährleistet und in ausreichendem Maße dokumentiert.2 Mittelständische Unternehmen verfügen vielfach nicht über ein adäquates Controlling,3 so dass die benötigten Informationen nicht oder nur unter hohem zusätzlichem Aufwand bereitgestellt werden können. Die fertigungsbegleitende Ertragsrealisierung scheitert somit auch an der Wirtschaftlichkeitsrestriktion.4 Insgesamt weisen sowohl die handelsrechtlichen als auch die internationalen Rechnungslegungsnormen in der bilanziellen Abbildung langfristiger Fertigungsaufträge Schwächen auf. Die Überlegenheit eines Systems kann aufgrund der in beiden Rechnungslegungssystemen vorhandenen Wahlrechte und Gestaltungsspielräume kaum festgestellt werden. Die Kreditvergabepraxis deutscher Banken indiziert eine Überlegenheit der nationalen Normen. Die höchste Zielkonformität im Hinblick auf einen Einsatz in der mittelständischen Rechnungslegung weist die Variante der erfolgsneutralen Abbildung langfristiger Fertigungsaufträge nach IFRS auf. Die handelsbilanzielle Abbildung unter weitgehendem Einbezug der Gemeinkosten und Vertriebskosten führt zu einem vergleichbaren Ergebnis. Die Novellierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung durch das BilMoG erhöht aufgrund der Erweitung der Herstellungskostenuntergrenze die zwischenbetriebliche und intertemporale Vergleichbarkeit. Gleichwohl verbleiben Gestaltungsspielräume und Auftragszwischenverluste.5 Durch eine Aufteilung langfristiger Fertigungsverträge in vertragliche Teilleistungen können die aktuellen Schwächen der bilanziellen Abbildung nicht überwunden werden. Eine Zerlegung der Aufträge ist nur in Ausnahmefällen möglich und könnte durch Vertragsgestaltung mühelos umgangen werden. Die Weiterentwicklung der bilanziellen Abbildung liegt in einer Kompromisslösung, welche in der Eliminierung der Auftragszwischenverluste durch verpflichtende Aktivierung der Selbstkostenbestandteile besteht. Die Aktivierung der Selbstkosten führt zu einer erfolgsneutralen Abbildung der Auftragsfertigung im Zeitraum der Herstel-
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Vgl. BdB (2005), S. 26. Vgl. IAS 11.9; Wagenhofer (2006b), S. 8; Ull (2006b), S. 88, Bigus (2005), S. 603. Vgl. Ossadnik/Barklage/van Lengerich (2004), S. 626; Berens/Püthe/Siemes (2005), S. 190; Oehler (2005), S. 212. Vgl. Buchholz (2002), S. 1281; Kahle (2004), S.320; Kalina-Kerschbaum/Steggewentz (2007), S. 216; DRSC/Haller/Eierle (2007), S. 42. Gestaltungsspielräume entstehen durch die Aktivierungswahlrechte für fixe Gemeinkosten. Auftragszwischenverluste resultieren aus dem Aktivierungsverbot für Vertriebskosten.
7 Langfristige Fertigungsaufträge
179
lung, so dass der Gewinnsprung im Jahr der Leistungserfüllung ausschließlich den reinen Auftragsgewinn enthält. Durch den Verzicht auf alternative Ermittlungsmethoden würde die zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit erhöht und insbesondere den Anforderungen der Objektivität und Wirtschaftlichkeit Rechnung getragen werden. Einschränkungen der intertemporalen Vergleichbarkeit müssen mit Hinweis auf das Objektivierungserfordernis hingenommen werden. Sie würden im Falle kontinuierlicher Auftragsfertigung erheblich gemindert. Verbleibende Informationsverzerrungen wären mittels Anhangangaben zu korrigieren.1 7.3
Zusammenfassung und Empfehlungen
Die nachfolgende Übersicht bietet eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der vergleichenden Würdigung der bilanziellen Abbildung langfristiger Fertigungsaufträge. Bilanzielle Abbildung langfristiger Fertigungsaufträge Würdigung Das deutsche Bilanzrecht wird den Anforderungen einer mittelstandsorientierten Rechnungslegung nicht gerecht. Die Wahlrechte im Rahmen der bilanziellen Abbildung langfristiger Fertigungsaufträge eröffnen Gestaltungsspielräume. Die Abbildung erschwert die intertemporale und zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit des Periodenerfolgs. Die Novellierung der Vorschriften zum Herstellungskostenumfang durch das BilMoG führt aus informationstheoretischer Perspektive zu einer Verbesserung. Gleichwohl verbleiben Kritikpunkte. Die bilanzielle Behandlung langfristiger Fertigungsaufträge nach IFRS ist mit erheblichen Ermessensspielräumen verbunden, aus denen sich Schwächen in der zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit und der Objektivität der vermittelten Informationen ergeben. Der mit Anwendung der Percentage-of-Completion-Methode verbundene Ausweis rechtlich nicht existierender und ökonomisch höchst unsicherer Erträge ist abzulehnen. Zudem verursacht die Anwendung der Percentage-of-Completion-Methode einen erheblichen Aufwand beim bilanzierenden Unternehmen. Gesamturteil Die bilanzielle Abbildung langfristiger Fertigungsaufträge ist sowohl nach handelsrechtlichen Rechnungslegungsnormen als auch nach den Standards des IASB unbefriedigend. Das BilMoG bewirkt eine Verbesserung der handelsrechtlichen Vorschriften. Die Regelungen des IFRS for SMEs stimmen mit denen der originärer IFRS überein. Empfehlung Die Objektivierungsrestriktion der mittelständischen Rechnungslegung untersagt einen Ausweis von Gewinnen, die rechtlich unrealisiert sind und zu einem großen Anteil auf Schätzungen der Bilanzierenden beruhen. Als Lösung ist deshalb eine verpflichtende Bewertung unfertiger Aufträge mit ihren Selbstkosten zu empfehlen. Eine Ertragsrealisation in Höhe der Selbstkosten wird den Anforderungen der zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit, der Objektivität und der Wirtschaftlichkeit gerecht. Einschränkungen der intertemporalen Vergleichbarkeit können nicht gänzlich ausgeschlossen werden, werden aber im Vergleich zur klassischen Completed-Contract-Methode vermindert. Tabelle 13: Würdigung der bilanziellen Abbildung langfristiger Fertigungsaufträge
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Vgl. Moxter (1995), S. 427; Krawitz (1997), S. 889.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
8
Finanzinstrumente
8.1
Unterschiede in der bilanziellen Abbildung
Unterschiede in der bilanziellen Abbildung von Finanzinstrumenten ergeben sich zwischen HGB und IFRS, originären IFRS und IFRS for SMEs sowie zwischen HGB und BilMoG. Die Standards zur bilanziellen Abbildung von Finanzinstrumenten gehören zu den kompliziertesten und umstrittensten Regelungen der internationalen Rechnungslegung. 1 Aufgrund der Komplexität der Rechnungslegungsnormen ist eine kritische Würdigung an dieser Stelle nur mit Einschränkungen möglich. Die Ausführungen stellen einige grundsätzliche Sachverhalte heraus. Keine Berücksichtigung findet die bilanzielle Abbildung von Hedge Accounting, das für mittelständische Unternehmen in der Regel nicht von Bedeutung ist.2 Die aus der Eigenkapitaldefinition des IAS 32 resultierenden Konsequenzen für die Abgrenzung von Eigenund Fremdkapital werden in einem separaten Kapitel analysiert und gewürdigt.3 8.1.1 Abbildung nach IFRS und HGB Im Rahmen der Zugangsbewertung von Finanzinstrumenten ergeben sich zwischen HGB und IFRS keine wesentlichen Abweichungen. Die Zugangsbewertung erfolgt nach IFRS zum beizulegenden Zeitwert (IAS 39.43), der in der Regel dem Transaktionspreis und somit den nach HGB maßgeblichen Anschaffungskosten bzw. dem Rückzahlungsbetrag entspricht.4 ƒZeitwertbewertung Für die Folgebewertung ist anders als nach HGB nicht die Einteilung in Umlauf- und Anlagevermögen entscheidend, sondern die Zuordnung zu einer der folgenden Bewertungskategorien (IAS 39.45 i.V.m. IAS 39.9): (1) Ausleihungen und Forderungen: Unter diese Kategorie fallen nicht derivative finanzielle Vermögenswerte mit determinierbaren Zahlungsströmen, die nicht an einem aktiven Markt notiert sind. 1
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Vgl. stellvertretend: Heintges/Härle (2005), S. 173. Das IASB hat im März 2008 das Diskussionspapier „Reducing Complexity in Reporting Financial Instruments“ veröffentlicht, das die Neugestaltung der Bilanzierungsregeln für Finanzinstrumente thematisiert. Abrufbar unter http://www.iasb.org. Vgl. Oehler (2005), S. 64; Mandler (2004), S. 44; Pottgießer (2006), S. 9; DRSC (2008), S. 2; empirisch bestätigend: DRSC/Haller/Eierle (2007), S. 21f. Sofern überhaupt derivative Finanzinstrumente zu Sicherungszwecken eingesetzt werden, handelt es sich in der Regel um globale Sicherungsstrategien, mit denen eine Risikopositionierung erreicht werden soll, ohne dass die Derivate Teil einer Bewertungseinheit nach HGB sind oder die Voraussetzungen zur Anwendung des Hedge Accounting nach IAS 39 erfüllen. Vgl. Heintges/Härle (2005), S. 174f.; Klaus/Pelz (2008), S. 24f. Vgl. Kapitel V 10. Vgl. Wolz (2005), S. 143; Bieg et al. (2006), S. 164. Wenn der Effekt einer Diskontierung wesentlich ist, sind unverzinsliche oder niedrig verzinsliche Forderungen sowohl nach IFRS als auch nach HGB mit dem Barwert anzusetzen. Vgl. Coenenberg (2005b), S. 238, 248. Verbindlichkeiten sind nach IFRS ebenfalls mit ihrem Barwert zu bilanzieren. Im deutschen Bilanzrecht ist eine Abzinsung von Verbindlichkeiten hingegen nicht gestattet. Vgl. Hoyos/Pastor (2006), § 253 HGB, Rn. 698.
8 Finanzinstrumente
181
(2) Bis zur Endfälligkeit zu haltende Finanzinvestitionen: In diese Kategorie sind nicht derivative finanzielle Vermögenswerte mit determinierbaren Zahlungsströmen und fester Endfälligkeit einzustufen, die das Unternehmen bis zur Endfälligkeit halten will und kann. (3) Erfolgswirksam zum Fair Value bewerte Finanzinstrumente: Die Kategorie umfasst zu Handelszwecken gehaltene Finanzinstrumente und finanzielle Vermögenswerte, die beim erstmaligen Ansatz freiwillig in die Kategorie designiert wurden. Derivative Finanzinstrumente gehören zwingend zum Handelsbestand, es sei denn, auf sie sind die Vorschriften des Hedge Accounting anzuwenden. Die nachträgliche Umwidmung in eine andere Kategorie ist grundsätzlich ausgeschlossen.1 (4) Zur Veräußerung verfügbare finanzielle Vermögenswerte: Die Kategorie stellt einen Auffangtatbestand für alle nicht derivativen finanziellen Vermögenswerte dar, die keiner der vorgenannten Kategorien zugeordnet wurden. Überdies kann das bilanzierende Unternehmen sämtliche Vermögenswerte, unabhängig von der Verwendungsabsicht, als zur Veräußerung verfügbar klassifizieren.2 (5) Sonstige finanzielle Verbindlichkeiten: Die fünfte Kategorie wird nicht explizit in IAS 39 aufgeführt, ihre Notwendigkeit ergibt sich implizit aus den Vorschriften zur Folgebewertung. Sie nimmt grundsätzlich alle finanziellen Verbindlichkeiten auf, die nicht unter die dritte Kategorie fallen (IAS 39.47).3 Finanzielle Vermögenswerte der ersten beiden Kategorien und finanzielle Verbindlichkeiten der fünften Kategorie werden gemäß IAS 39.46 und IAS 39.47 zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertet.4 Die Amortisation eines Agios oder Disagios ist auf Grundlage der Effektivzinsmethode auf die Perioden der Laufzeit zu verteilen.5 Eigenkapitalinstrumente, die nicht öffentlich gehandelt werden und deren Fair Value sich nicht verlässlich bestimmen lässt, sowie Derivate auf solche Eigenkapitalinstrumente werden stets zu Anschaffungskosten bewertet (IAS 39.46(c)).6 Abgesehen von konzeptionellen Unterschieden in der Folgebewertung, stimmen die konkreten Vorschriften der dargestellten Bewertungskategorien weitgehenden mit denen des Handelsrechts überein. Konform mit den IFRS-Vorschriften werden Fi1
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Die freiwillige Designation von Finanzinstrumenten ist auf bestimmte in IAS 39.9 aufgeführte Fälle beschränkt. Die Reklassifizierung ist in IAS 39.50-54 geregelt. Finanzinstrumente des Handelsbestands können nicht in die vierte Kategorie eingeordnet werden, sie sind stets der dritten Kategorie zuzuordnen (IAS 39.9) Vgl. Hoyos/Pastor (2006), § 253 HGB, Rn. 697. Die fortgeführten Anschaffungskosten entsprechen den ursprünglichen Anschaffungskosten abzüglich Tilgungen und etwaiger außerplanmäßiger Wertminderungen unter Berücksichtigung der kumulierten Amortisation eines Agios oder Disagios (IAS 39.9). Gemäß der Effektivzinsmethode werden die erwarteten künftigen Ein- und Auszahlungen mit dem Zinssatz diskontiert, der unter Einbeziehung der Anfangsauszahlung zum Nettobuchwert des finanziellen Vermögenswertes oder der finanziellen Verbindlichkeit führt (IAS 39.9). Derivative Verbindlichkeiten auf nicht öffentlich gehandelte Eigenkapitalinstrumente, deren beizulegender Zeitwert nicht verlässlich bestimmt werden kann, sind ebenfalls mit Anschaffungskosten zu bewerten, wenn sie nur durch Andienung erfüllt werden können (IAS 39.47(a)).
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
nanzinstrumente auch im Handelsrecht grundsätzlich mit ihrem Erfüllungsbetrag bzw. ihren Anschaffungskosten unter Berücksichtigung von Tilgungen und außerplanmäßigen Wertminderungen bilanziert. Unterschiede ergeben sich in der bilanziellen Abbildung eines Agios oder Disagios. Während Verbindlichkeiten nach IFRS in Höhe des erhaltenen Betrags angesetzt werden und ein Agio bzw. Disagio mittels Effektivzinsmethode jährlich ab- bzw. zugeschrieben wird, sind Verbindlichkeiten im Handelsrecht stets mit ihrem Erfüllungsbetrag zu passivieren. Ein Disagio darf nach § 250 Abs. 3 HGB aktivisch abgegrenzt werden. Ein Agio ist in den passiven Rechnungsabgrenzungsposten einzustellen.1 Die Rechnungsabgrenzungsposten sind dann über die gesamte Laufzeit der Verbindlichkeit erfolgswirksam aufzulösen.2 Wesentliche Divergenzen zwischen IFRS und HGB ergeben sich für Finanzinstrumente, die nach Maßgabe der dritten oder vierten Kategorie folgebewertet werden. Diese Finanzinstrumente sind zum Fair Value zu bilanzieren (IAS 39.46),3 wobei Wertänderungen des Fair Value von Finanzinstrumenten der dritten Kategorie erfolgswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung abgebildet werden und Wertänderungen der zur Veräußerung klassifizierten finanziellen Vermögenswerte (vierte Kategorie) erfolgsneutral im Eigenkapital zu erfassen sind (IAS 39.55(b)).4 Grundsätzlich können sämtliche Finanzinstrumente zum Fair Value bewertet werden. Zwar hat das IASB die erfolgswirksame Zeitwertbewertung aufgrund umfangreicher Kritik gewissen Restriktionen unterworfen,5 gleichwohl kann jeder finanzielle Vermögenswert, welcher nicht erfolgswirksam zum Fair Value bewertet werden darf, als zur Veräußerung verfügbar klassifiziert und erfolgsneutral zum Zeitwert bilanziert werden.6 Im Gegensatz zu den Vorschriften der IFRS ist der Ausweis unrealisierter Gewinne, die sich aus einem höheren beizulegenden Zeitwert ergeben, im deutschen Bilanzrecht nicht gestattet. Nach § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB stellen die Anschaffungskosten unabhängig von der Einordnung des Finanzinstruments in Anlage- oder Umlaufvermögen die Wertobergrenze dar. ƒFinanzderivate Unter den Begriff des Finanzinstruments sind nicht ausschließlich originäre Finanzinstrumente, sondern auch derivative Finanzinstrumente zu subsumieren (IAS 32.11). Typische Beispiele für derivative Finanzinstrumente sind Futures, Forwards, Optionen oder Swaps
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Vgl. Hoyos/Ring (2006), § 253 HGB, Rn. 91, 94. Wird das Aktivierungswahlrecht für das Disagio nicht in Anspruch genommen, ist der Betrag als Aufwand zu erfassen. Vgl. Ellrott/Krämer (2006), § 250 HGB, Rn. 58, 79. Bzgl. der Ermittlung des Fair Value wird auf die allgemeine Darstellung in Kapitel II 2.2.2.3 verwiesen. Leitlinien zur Fair Value-Ermittlung sind IAS 39.AG69-82 zu entnehmen. Sie werden im Rahmen der Würdigung der bilanziellen Abbildung diskutiert. Die kumulierte Wertänderung ist im Zeitpunkt der Ausbuchung des Finanzinstruments erfolgswirksam in das Periodenergebnis umzubuchen (IAS 39.26). Ausführlich hierzu: Kuhn (2005), S. 1341-1348; Eckes/Weigel (2006), S. 416-421. Vgl. Pellens et al. (2008), S. 546.
8 Finanzinstrumente
183
(IAS 39.AG9).1 Warenterminkontrakte fallen nur in den Anwendungsbereich des IAS 39, sofern keine Versorgung mit Waren, sondern ein Ausgleich in bar oder durch andere Finanzinstrumente angestrebt wird (IAS 39.5). Nach IAS 39.14 ist ein Finanzinstrument grundsätzlich dann anzusetzen, wenn das bilanzierende Unternehmen Vertragspartei des Finanzinstruments wird. Unerheblich ist, inwieweit die Vertragspartner ihren Verpflichtungen bereits nachgekommen sind. Entgegen dem deutschen Handelsrecht sind deshalb auch schwebende Geschäfte ansatzpflichtig. Bei Zugang sind derivative Finanzinstrumente mit ihrem beizulegenden Zeitwert zu bewerten; dieser entspricht den Anschaffungskosten (IAS 39.43).2 Im Rahmen der Folgebewertung gehören Finanzderivate, sofern sie nicht unter die Vorschriften des Hedge Accounting fallen, automatisch zum Handelsbestand (IAS 39.9). Sie sind somit in die dritte Kategorie einzuordnen und erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert zu bilanzieren (IAS 39.46 und 39.47(a)). Da im deutschen Bilanzrecht keine konkreten Vorschriften zur Bilanzierung von Finanzderivaten bestehen, richten sich Ansatz und Bewertung nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung.3 Dementsprechend sind Derivate nur anzusetzen, wenn sie einen Vermögensgegenstand im Sinne des Handelsrechts darstellen.4 Liegt ein Vermögensgegenstand vor, so ist er gemäß § 255 Abs. 1 HGB in Höhe seiner Anschaffungskosten zu aktivieren. Im Gegensatz zu den Vorschriften der IFRS sind positive Wertänderungen vor Veräußerung oder Ausübung des Derivats nicht zu erfassen, da die Anschaffungskosten als Wertobergrenze gelten. Ein erheblicher Teil der Finanzderivate stellt schwebende Geschäfte dar und ist somit handelsrechtlich bis zur Glattstellung oder Lieferung bilanzunwirksam. 5 Droht ein Verlust aus dem Halten eines Finanzderivats, wird dieser nach § 249 Abs. 1 HGB durch Bildung einer Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften antizipiert.6 ƒAußerplanmäßige Wertminderungen Für Finanzinstrumente, die nach der dritten Kategorie des IAS 39 erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden, erübrigen sich außerplanmäßige Wertminderungen und Wertaufholungen, da solche Wertschwankungen ohnehin direkt in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen werden. Für die verbleibenden finanziellen Vermögenswerte ist zu jedem Bilanzstichtag zu prüfen, ob substanzielle Hinweise auf eine Wertminderung vorliegen
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Zum Begriff des Finanzderivats siehe IAS 39.9. Finanzderivate weisen i.d.R. Anschaffungskosten von null auf, da sich die Rechte und Verpflichtungen aus dem Geschäft bei marktgerechten Konditionen gegenseitig kompensieren. Positive oder negative Anschaffungskosten entstehen im Falle marktabweichender Vertragsbedingungen oder bei Zahlung von Optionsprämien. Vgl. Wolz (2004b), S. 401. Vgl. Wolz (2004b), S. 397. Siehe Kapitel II 2.2.1.1. Vgl. Wolz (2004b), S. 398; Pellens et al. (2008), S. 573. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 715.
184
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
(IAS 39.58).1 Im Falle einer Wertminderung sind finanzielle Vermögenswerte, die zu (fortgeführten) Anschaffungskosten bewertet werden, auf den Barwert ihrer erwarteten künftigen Cash Flows erfolgswirksam abzuschreiben (IAS 39.63 und IAS 39.66).2 Eine spätere Wertaufholung ist erfolgswirksam bis maximal zu den planmäßig fortgeführten Anschaffungskosten vorzunehmen (IAS 39.65). Für finanzielle Vermögenswerte, die zu historischen Anschaffungskosten bilanziert werden, ist eine Wertaufholung nach IAS 39.66 untersagt. Bei finanziellen Vermögenswerten, die in die vierte Kategorie klassifiziert wurden, werden Änderungen des beizulegenden Zeitwertes grundsätzlich erfolgsneutral im Eigenkapital abgebildet. Liegt hingegen eine dauerhafte und deutliche Wertminderung vor, die nicht auf die Volatilität des Marktes zurückzuführen ist, ist der zuvor im Eigenkapital erfasste kumulierte Betrag in entsprechendem Umfang erfolgswirksam aufzulösen.3 Darüber hinausgehende Wertminderungen sind erfolgswirksam gegen das Aktivum zu buchen (IAS 39.67f.). Eine spätere Wertaufholung ist im Falle von Schuldinstrumenten erfolgswirksam und im Falle von Eigenkapitalinstrumenten erfolgsneutral vorzunehmen (IAS 39.69f.). Im Handelsrecht ist hinsichtlich der bilanziellen Behandlung von Wertminderungen nach Anlage- und Umlaufvermögen zu differenzieren. Für Finanzinstrumente des Anlagevermögens besteht gemäß gemildertem Niederstwertprinzip bei vorübergehender Wertminderung ein Abschreibungswahlrecht. Bei voraussichtlich dauernder Wertminderung ist zwingend auf den sich
aus
Börsen-
oder
Marktpreis
ergebenden
Wert
abzuschreiben
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(§ 253 Abs. 2 Satz 3 HGB). Bei Finanzinstrumenten des Umlaufvermögens ist nach Maßgabe des strengen Niederstwertprinzips bereits bei vorübergehender Wertminderung eine Abschreibung vorzunehmen (§ 253 Abs. 3 Satz 1 und 2 HGB). Darüber hinaus sind im Umlaufvermögen Abschreibungen zur Antizipation zukünftiger Wertschwankungen gestattet (§ 253 Abs. 3 Satz 3 HGB). Ferner sind für das Anlage- und Umlaufvermögen über die planmäßigen und außerplanmäßigen Abschreibungen hinausgehende Abschreibungen im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung erlaubt (§ 253 Abs. 4 HGB).5 Nach den IFRS sind diese Abschreibungswahlrechte unzulässig. Stellt sich in den Folgeperioden heraus, dass die Gründe für die außerplanmäßige Abschreibung nicht mehr bestehen, sieht das Handelsrecht in Abhängigkeit von der Rechtsform, aber unabhängig von der Einordnung ins Anlage- oder Umlaufvermögen, ein Zuschreibungswahlrecht für Nicht-Kapitalgesellschaften und ein Zuschreibungsgebot für Kapitalgesellschaften vor (§§ 253 Abs. 5; 280 Abs. 1 HGB).
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IAS 39.59 nennt exemplarisch Sachverhalte, die als objektiver Hinweis zu interpretieren sind. Bezüglich der maßgeblichen Zinssätze siehe IAS 39.63 u. 39.66. Vgl. Wolz (2005), S. 144; Coenenberg (2005b), S. 249. Nach § 279 Abs. 1 Satz 2 HGB gilt das gemilderte Niederwertprinzip auch für Kapitalgesellschaften. Abschreibungen im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung bleiben Kapitalgesellschaften verwehrt (§ 279 Abs. 1 Satz 1 HGB).
8 Finanzinstrumente
8.1.2
185
Abbildung nach IFRS for SMEs
Der IFRS for SMEs stellt den Unternehmen frei, zur bilanziellen Abbildung von Finanzinstrumenten die mittelstandsspezifischen Regelungen des IFRS for SMEs oder die Vorschriften des IAS 39 jeweils in vollem Umfang zu befolgen (ED-SME 11.1). Unterschiede zwischen originären IFRS und IFRS for SME ergeben sich vor allem im Rahmen der Klassifizierung der Finanzinstrumente (ED-SME BC73).1 Die bilanzielle Abbildung von Derivaten ändert sich durch die neuen Klassifizierungsvorschriften des IFRS for SMEs nicht. Auch die bilanzielle Behandlung von außerplanmäßigen Wertminderungen und Wertaufholungen entspricht den Vorschriften des IAS 39 (ED-SME 11.18 bis 11.23). ƒZeitwertbewertung Entgegen den Vorschriften der originären IFRS, die eine Einteilung der Finanzinstrumente in vier Kategorien vorsehen, beruht die Klassifizierung im IFRS for SMEs lediglich auf zwei Kategorien. In Abhängigkeit von der Zuordnung zu den beiden Kategorien kommen zur Folgebewertung entweder die Bewertung zu (fortgeführten) Anschaffungskosten oder die erfolgswirksame Bewertung zum beizulegenden Zeitwert in Frage (ED-SME 11.8). Zu (fortgeführten) Anschaffungskosten werden gewöhnliche Forderungen, Verbindlichkeiten und Kredite bewertet, sofern sie seitens des bilanzierenden Unternehmens in die Kategorie der zu (fortgeführten) Anschaffungskosten bewerteten Finanzinstrumente designiert werden und die in ED-SME 11.9 kodifizierten Bedingungen zur Designation in diese Kategorie kumulativ erfüllen ((ED-SME 11.7(a)).2 Eigenkapitalinstrumente, die nicht öffentlich gehandelt werden und deren Fair Value sich nicht verlässlich bestimmen lässt, sind stets zu Anschaffungskosten zu bewerten. Dies gilt auch für derivative Finanzinstrumente, die an solche Eigenkapitalinstrumente gebunden sind und nur durch Lieferung eines solchen beglichen werden können (ED-SME 11.7 (c)). Die Ermittlung der fortgeführten Anschaffungskosten erfolgt analog zu IAS 39 unter Anwendung der Effektivzinsmethode.3 Sämtliche Finanzinstrumente, die nicht in die Kategorie der zu fortgeführten Anschaffungskosten bewerteten Finanzinstrumente eingeordnet werden, sind zum beizulegenden Zeitwert zu bilanzieren. Änderungen des beizulegenden Zeitwertes sind unmittelbar in der Gewinn-
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Die Definition eines Finanzinstruments (ED-SME 11.2) und die Vorschriften zum Ansatz finanzieller Vermögenswerte und Schulden (ED-SME 11.6) stimmen in beiden Regelwerken überein. Vgl. auch Kuhn/Friedrich (2007), S. 926f. Nach ED-SME 11.9 hat das Finanzinstrument einen festen Fälligkeitstermin aufzuweisen und die Rendite in einem fixen Betrag, einer festen oder variablen Verzinsung (in Bezug auf einen Referenzzinssatz) oder einer Kombination aus fester und variabler Verzinsung zu bestehen. Zudem darf keine Vertragsvereinbarung existieren, die zu einem Verlust des Betrags/der Zinsen führen kann oder die eine vorzeitige Rückzahlung an ein zukünftiges Ereignis knüpft. Vgl. Lorenz (2007), S. 15.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
und Verlustrechnung zu erfassen (ED-SME 11.8).1 Eine erfolgsneutrale Erfassung von Wertänderungen im Eigenkapital, wie es IAS 39.55(b) für zur Veräußerung gehaltene Vermögenswerte vorsieht, kennt der IFRS for SMEs nicht. Im Gegensatz zu den originären IFRS besteht für SMEs die Option, sämtliche Finanzinstrumente einer erfolgswirksamen Fair ValueBilanzierung zu unterziehen. 8.1.3 Abbildung nach BilMoG Die Zugangsbewertung von Finanzinstrumenten bleibt von der Novellierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung weitgehend unberührt. Die Änderungen der Bewertungsvorschriften für den Zugang von Verbindlichkeiten haben ausschließlich klarstellenden Charakter. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung sind Verbindlichkeiten zukünftig gemäß § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB-E nicht mehr zum Rückzahlungsbetrag, sondern zum Erfüllungsbetrag anzusetzen. Hiermit bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass nicht nur Geldleistungsverpflichtungen, sondern auch Sachleistungs- oder Sachwertverpflichtungen den Ansatz einer Verbindlichkeit begründen können. Diese Auffassung entspricht der aktuellen Bilanzierungspraxis.2 ƒZeitwertbewertung Der neu gefasste § 253 Abs. 1 Satz 3 HGB-E schreibt für Finanzinstrumente, die zu Handelszwecken erworben werden, eine über die Anschaffungskosten hinausgehende erfolgswirksame Bewertung zum beizulegenden Zeitwert vor. Dies impliziert eine Durchbrechung des Anschaffungskosten- und des Realisationsprinzips, weshalb der Einzug der Zeitwertbewertung in deutsches Bilanzrecht im Schrifttum mitunter als „revolutionär“ bezeichnet wird.3 Mit der Neufassung des § 253 Abs. 1 Satz 3 HGB-E führt der Gesetzgeber den Begriff des Finanzinstruments in das deutsche Bilanzrecht ein. Auf eine Definition des Begriffs verzichtet er mit Verweis auf die „Vielfalt und ständige Weiterentwicklung“ der Finanzinstrumente. 4 Der Gesetzgeber weist jedoch darauf hin, dass Derivate, wie z.B. Optionen, Futures, Swaps oder Forwards grundsätzlich als Finanzinstrumente zu klassifizieren sind.5 Finanzinstrumente fallen nur dann unter die Bewertung zum beizulegenden Zeitwert, wenn sie zu Handelszwecken erworben werden. Hiervon ist auszugehen, wenn im Erwerbszeitpunkt die Absicht besteht,
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Vgl. Bieker (2007), S. 1209. Die Vorschriften zur Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts finden sich in EDSME 11.14 bis 11.17 und Appendix B von Abschnitt 11. Vgl. Hoyos/Ring (2006), § 253 HGB, Rn. 51. Obgleich ihrer Passivierung zum Erfüllungsbetrag sind Verbindlichkeiten weithin nicht abzuzinsen. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu §§ 253 und HGB; Fülbier/Gassen (2007), S. 2610. Beide Zitate: Fülbier/Gassen (2007), S. 2608. BilMoG-RegE Begr. zu §§ 253 und 254 HGB; Böcking/Torabian (2008), S. 265. Bzgl. der hieraus resultierenden Auslegungsfragen siehe Klaus/Pelz (2008), S. 25. Ein Abstellen auf die Definition des IAS 32 wird als sachgerecht eingestuft. Vgl. Gemeinhardt/Bode (2008), S. 172. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu §§ 253 und 254 HGB; Stibi/Fuchs (2008), S. 11.
8 Finanzinstrumente
187
aus kurzfristigen Preisschwankungen Gewinne zu erzielen.1 Ein derartiger Handel bedingt die Existenz eines aktiven Marktes. Finanzinstrumente, deren beizulegender Zeitwert ausschließlich anhand finanzmathematischer Bewertungsverfahren bestimmt werden kann, sind von der Zeitwertbewertung ausgeschlossen.2 Die Zuordnung zum Handelsbestand hat im Erwerbszeitpunkt zu erfolgen und kann nachträglich nicht revidiert werden. Diese mit den Vorschriften des IAS 39 übereinstimmende Regelung soll bilanzpolitisch motivierte Umwidmungen von Finanzinstrumenten des Handelsbestands verhindern. Der Betrag der zum beizulegenden Zeitwert ausgewiesenen Finanzinstrumente ist mittels „davon-Vermerk“ für jeden Bilanzposten anzugeben (§ 253 Abs. 1 Satz 5 HGB).3 ƒ Finanzderivate Finanzderivate stellen zwar handelsrechtlich eine Untergruppe der schwebenden Geschäfte dar, sind aber gleichzeitig unter den neu eingeführten Begriff des Finanzinstruments zu subsumieren. In Verbindung mit der in § 253 Abs. 1 Satz 3 HGB-E kodifizierten Zeitwertbewertung, ergibt sich eine Ansatzpflicht für Derivate, sofern sie zu Handelszwecken gehalten werden. Die Novellierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung führt somit zu einer Einschränkung des Grundsatzes der Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte. Die bilanzielle Abbildung schwebender Geschäfte wird wie in IAS 39 auf diejenigen Derivate begrenzt, deren Ausgleich in Geld beabsichtigt ist.4 Inwieweit ein schwebendes Geschäft als Finanzinstrument zu klassifizieren ist, ist anhand seines wirtschaftlichen Gehalts im Einzelfall zu beurteilen.5 Ob die oben skizzierten Bewertungsvorschriften die Rechnungslegung mittelständischer Unternehmen tangieren, ist jedoch fraglich. Der Gesetzgeber betont in der Begründung zum BilMoG, dass Derivate im Handelsrecht entgegen der internationalen Rechnungslegungsstandards nicht automatisch zum beizulegenden Zeitwert zu bewerten seien. Auch bei derivativen Finanzinstrumenten sei die Handelsabsicht maßgeblich. 6 Die Spekulation mit Finanzinstrumenten dürfte indes auf einen kleinen Kreis von Unternehmen, insbesondere Kreditinstitute begrenzt sein. Mittelständische Unternehmen sind von den Konsequenzen der Neuregelung demnach kaum betroffen.7 Wie bereits zu Beginn des Kapitels kurz angedeutet, dürften Fi1 2
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Zur Abgrenzung des Handelsbestands siehe Schmidt (2008a), S. 5-7. Die Frage, inwieweit die Zeitwertbewertung auf Finanzinstrumente zu beschränken ist, die auf einem aktiven Markt gehandelt werden, war in der Diskussion des Referentenwurfs des BilMoG noch umstritten. Vgl. Böcking/Torabian (2008), S. 267. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung stellt klar, dass die Zeitwertbewertung zwingend einen aktiven Markt voraussetzt. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu §§ 253 und 254 HGB; VMEBF e.V. (2008), S. 362. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu §§ 253 und 254 HGB. Vgl. hierzu auch: Schmidt (2008a), S. 4. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu §§ 253 und 254 HGB. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu §§ 253 und 254 HGB. Vgl. Schmidt (2008a), S. 1; Göllert (2008), S. 1171; Klaus/Pelz (2008), S. 24; Gemeinhardt/Bode (2008), S. 74.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
nanzderivate in mittelständischen Unternehmen ebenfalls nicht unter die Vorschriften zum Hedge Accounting fallen. Sie erfüllen die zur Bildung von Bewertungseinheiten nach § 254 HGB erforderlichen Voraussetzungen regelmäßig nicht, da Derivaten in mittelständischen Unternehmen eher eine langfristige ökonomische Sicherungswirkung zukommt.1 Gleichwohl ist die Klassifizierung von Sicherungsgeschäften aufgrund der enormen Komplexität nicht trennscharf möglich, so dass bilanzpolitische Spielräume verbleiben. 2 Im Ergebnis dürfte sich die bilanzielle Abbildung von Finanzderivaten für den weit überwiegenden Teil der mittelständischen Unternehmen im Vergleich zu den bisherigen handelsrechtlichen Regelungen nicht ändern. Schwebende Geschäfte sind im Regelfall bilanzunwirksam. Sofern Derivate einen Vermögensgegenstand im Sinne des HGB darstellen, sind sie weithin unter Berücksichtigung des Anschaffungskosten- und des Imparitätsprinzips zu bilanzieren. ƒAußerplanmäßige Wertminderung Während das Abschreibungswahlrecht im Falle voraussichtlich nicht dauernder Wertminderungen für immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens und Sachanlagen durch ein Abschreibungsverbot ersetzt wird, bleibt es für Finanzanlagen unverändert bestehen (§ 253 Abs. 3 HGB). Aufgehoben werden das Abschreibungswahlrecht zur Vorwegnahme zukünftig
erwarteter
Wertschwankungen
im
Umlaufvermögen
gemäß
§ 253 Abs. 3 Satz 3 HGB und das Wahlrecht der Nicht-Kapitalgesellschaften zu Abschreibungen im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nach § 253 Abs. 4 HGB. Das bislang geltende Wertaufholungswahlrecht für außerplanmäßige Abschreibungen wird mit Neufassung des § 253 Abs. 5 HGB durch ein rechtsformunabhängiges Wertaufholungsgebot ersetzt. 8.2
Würdigung der bilanziellen Abbildung
ƒZeitwertbewertung Die Folgebewertung von Finanzinstrumenten zum beizulegenden Zeitwert soll durch einen zeitnahen und objektivierten Vermögensausweis sowie einer periodengerechten Erfolgsermittlung zu einer höheren Relevanz der Rechnungslegungsinformationen beitragen.3 Nach den Vorschriften der IFRS ist es deshalb gestattet, Finanzinstrumente erfolgswirksam bzw. erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert zu bewerten. Während die Fair Value-Bewertung von immateriellen Vermögenswerten und Sachanlagen bereits an früherer Stelle als un-
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Die Bildung von Bewertungseinheiten wird an diverse Bedingungen geknüpft. Für eine Darstellung im Detail siehe Wiechens/Helke (2008), S. 27f. Vgl. Herzig/Breckheimer (2006), S. 1451, 1453. Vgl. Baetge/Lienau (2005), S. 71f.; Wagenhofer (2006a), S. 33.
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zweckmäßig bemängelt wurde,1 zeichnet die Analyse der Fair Value-Bewertung von Finanzinstrumenten ein disparates Bild. Zur Würdigung ist zwischen den einzelnen Gruppen von Finanzinstrumenten zu differenzieren, da die Relevanz der durch die Zeitwertbewertung vermittelten Rechnungslegungsinformationen durch die tatsächlichen Merkmale der Finanzinstrumente und ihre geplante Verwendung determiniert wird. So birgt die erfolgswirksame Zeitwertbewertung finanzieller Verbindlichkeiten die Gefahr eines „reziprok zur Bonität verlaufenden Erfolgsausweises“, 2 da ein Rückgang der Bonität eine Barwertreduktion der eigenen Verbindlichkeiten bewirkt, aus der wiederum ein liquiditätsunwirksamer Ertrag resultiert. 3 Die Zeitwertbewertung finanzieller Verbindlichkeiten suggeriert im Fall einer negativen Unternehmensentwicklung einen der ökonomischen Realität widersprechenden Anstieg der Ertragskraft, der das frühzeitige Erkennen drohender Zahlungsunfähigkeit erschwert. Gleichsam fraglich erscheint die Relevanz der Zeitwertbewertung von Finanzinstrumenten, die nicht zu Handelszwecken gehalten werden. Die Zahlungsströme dieser Finanzinstrumente sind in der Regel unabhängig von zwischenzeitlichen Wertänderungen fixiert,4 so dass der Ausweis flüchtiger Zeitwertgewinne zu einem „(unrealisierten) nicht extrapolationsfähigen Anstieg der Ertragskraft“ führt. 5 Die bilanzielle Abbildung läuft einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zuwider, da die hinter der Finanzinvestition stehende ökonomische Intention gerade nicht in der Realisation kurzfristiger Gewinne besteht. Die infolge der erfolgswirksamen bzw. erfolgsneutralen Erfassung solcher Wertänderungen erhöhte Ergebnis- und Eigenkapitalvolatilität ist ökonomisch nicht gerechtfertigt. Im Ergebnis beeinträchtigt die Fair Value-Bewertung von finanziellen Verbindlichkeiten und langfristig gehaltenen Finanzinstrumenten die Eignung der Rechnungslegungsinformationen für Kontroll- und Prognosezwecke. Werden Finanzinstrumente hingegen wegen ihrer kurzfristigen Halteabsicht dem Handelsbestand zugerechnet, entspricht der Ausweis aktueller über den Anschaffungskosten liegender Zeitwerte der ökonomischen Intention des Bilanzierenden, da das Ziel der Transaktion in der Realisierung kurzfristiger marktpreisbedingter Wertsteigerungen besteht. Somit kann auch der Verweis auf eine extern durch die Kapitalmärkte induzierte Ergebnis- oder Eigenkapitalvolatilität nicht als Ablehnungsargument überzeugen. Die Wertschwankungen repräsentieren vielmehr „das Ergebnis der - richtigen oder falschen - Halteentscheidung der Unternehmensleitung“.6 Sie sind Bestandteil des operationalen Erfolgs. Ist eine Wertsteigerung realisierbar, wird aber nicht realisiert, um die Finanzinstrumente zu einem noch günstigeren Zeitpunkt zu 1 2 3 4 5 6
Vgl. Kapitel V 3 und V 4. Küting/Döge/Pfingsten (2006), S. 605. Vgl. Larenz (2007), S. 16; Kuhn (2005), S. 1341f.; Bittermann/Gabriel (2005), S. 264. Vgl. Zülch/Nellessen (2008), S. 205. Vgl. Hommel/Hermann (2003), S. 2506. Bieker (2006), S. 204.
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veräußern, ist der absichtliche Verzicht auf die Realisierung der Wertsteigerung in der bilanziellen Abbildung mit einer erneuten bzw. erstmaligen Investitionsentscheidung gleichzusetzen. Sofern der Zeitwert eines Finanzinstruments objektiv feststellbar ist, indem er als Preis eines aktiven Marktes ablesbar ist,1 resultiert aus der Zeitwertbewertung de facto eine Einschränkung des bilanzpolitischen Gestaltungspotenzials. Die Bilanzierung zu Anschaffungskosten führt bei steigenden Zeitwerten zu stillen Reserven, die der Bilanzierende in beliebigem Ausmaß und jederzeit vereinnahmen kann, indem er die fungiblen Finanzinstrumente vollständig oder partiell erfolgswirksam zum Marktwert veräußert und sie anschließend mit dem höheren Veräußerungspreis zurück erwirbt. In diesem Fall stellt das Realisationsprinzip ein faktisches Wahlrecht dar, das den Bilanzierenden die gezielte Manipulation des Jahreserfolgs erlaubt.2 Die obige Argumentation bedingt indes die Existenz eines aktiven Marktes. Der Marktpreis eines aktiven Marktes gilt im IAS 39 als die beste Approximation des Fair Value.3 Besteht kein aktiver Markt, hat sich die Schätzung des Fair Value gemäß der mehrstufigen Bewertungshierarchie des IAS 39 zunächst an der jeweils zeitnahesten Transaktionen zu orientieren (IAS 39.48A).4 Bestehen Unterschiede zwischen dem Bewertungs- und dem Referenzobjekt bedarf es der Anpassung der Marktpreise (IAS 39.AG77). Wie eine solche Anpassung zu erfolgen hat, lassen die IFRS weitgehend offen, so dass sich erhebliche Ermessensspielräume ergeben.5 Noch weitaus komplexer gestaltet sich die Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes, wenn dieser weder durch einen Marktpreis abgeleitet noch auf Basis von Marktinformationen geschätzt werden kann. In diesen Fällen ist der hypothetische Marktpreis mit Hilfe anerkannter Bewertungsverfahren zu simulieren; beispielhaft verweist das IASB auf DiscountedCash-Flow-Verfahren und Optionspreismodelle (IAS 39.AG74). Bereits die Freiheiten in der Wahl des Bewertungsverfahrens gewähren dem Bilanzierenden Gestaltungsspielräume, die jedoch bei Anwendung der Verfahren selbst noch übertroffen werden. Die in die Modelle eingehenden Parameter sind nicht ohne subjektive Erwartungen und Wertungen bestimmbar, so dass die finanzmathematischen Bewertungsverfahren aufgrund der methodenimmanten Subjektivität und der damit verbundenen Manipulationsanfälligkeit sowie der inhärenten Schätzproblematik und damit einhergehenden Prognosevarianz nicht mit den an eine mittelständi-
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Ein aktiver Markt für Finanzinstrumente zeichnet sich dadurch aus, dass Preise durch die Börse, Händler, Brachenverbände, Preisberechnungsagenturen oder Aufsichtsbehören bereitgestellt werden und diese Preise zeitnahe und regelmäßige Markttransaktionen zwischen unabhängigen Dritten repräsentieren (IAS 39.AG71). Vgl. Schmidt (2008a), S. 2. Zur Kritik der Verwendung von Marktpreisen als Fair Value-Surrogat siehe Schildbach (2006b), S. 17; Pfaff/Kukule (2006), S. 543-546. Ausführlich zur Bewertungshierarchie des IAS 39: Bischoff (2008), S. 40-44. Vgl. Streim/Bieker/Esser (2005), S. 102f.; Küting/Döge/Pfingsten (2006), S. 607.
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sche Rechnungslegung zu stellenden Objektivierungsanforderungen vereinbar sind.1 Aus Gründen der Objektivierung ist die Existenz von Marktpreisen aktiver Märkte unverzichtbar. Während die Fair Value-Bewertung von Sachanlagen und immateriellen Vermögenswerten an dieser Anforderung regelmäßig scheitert, bestehen gerade für Finanzinstrumente des Handelsbestands oftmals repräsentative Marktpreise. 2 Ist ein Marktpreis nicht objektiv feststellbar, ist eine Bewertung zu (fortgeführten) Anschaffungskosten vorzuziehen. Da sich die Zeitwertbewertung von nicht zum Handelsbestand gehörenden Finanzinstrumenten als irrelevant erwiesen hat und es der Zeitwertbewertung mittels finanzmathematischer Verfahren an der erforderlichen Verlässlichkeit mangelt, sind die Anforderungskriterien der Vergleichbarkeit und Verständlichkeit in diesen Fällen nicht mehr zu analysieren. Gleichwohl ist es evident, dass sich eine aus der Anwendung der Bewertungsverfahren resultierende Bandbreite plausibler und nicht widerlegbarer Wertansätze kaum für eine zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit eignet.3 Aus Perspektive der zwischenbetrieblichen und intertemporalen Vergleichbarkeit ist auch die Klassifizierungskonzeption des IAS 39 zu kritisieren. Diese gestattet den Bilanzierenden, die Fair Value-Option unabhängig von früheren Entscheidungen und für jedes Finanzinstrument individuell entsprechend der bilanzpolitischen Zielsetzung auszuüben.4 Erfolgt die Zeitwertbewertung des Handelsbestands zwingend, sobald die Finanzinstrumente auf einem aktiven Markt gehandelt werden, ist die Vergleichbarkeit der Wertansätze in jeder Hinsicht gewährleistet. Darüber hinaus entsteht kein nennenswerter Ermittlungsaufwand, da die Preise frei zugänglich sind oder direkt von den betreuenden Kreditinstituten zur Verfügung gestellt werden.5 Der IFRS for SMEs versucht die Komplexität der Vorschriften zur bilanziellen Abbildung von Finanzinstrumenten zu reduzieren, indem er entgegen den originären IFRS nur zwei Bewertungskategorien vorsieht. Die Vergleichbarkeit der Rechnungslegungsinformationen erhöht sich durch die Einschränkung der Wahlrechte indes nur marginal, da der Bilanzierende weiterhin sämtliche Finanzinstrumente gemäß seinen bilanzpolitischen Zielsetzungen zum beizulegenden Zeitwert bilanzieren kann. Die Modifizierungen des IFRS for SMEs ermögli-
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Zu den entobjektivierenden Elementen der finanzmathematischen Bewertungsverfahren siehe: Pfaff/Kukule (2006), S. 546-548. Bestätigend: Wagenhofer (2006a), S. 34; Schildbach (2006b), S. 20f.; Lüdenbach/Freiberg (2006), S. 442f.; Baetge/Lienau (2005), S. 76; Kley (2001), S. 2261. Vgl. Velte (2008), S. 72; Bieker (2006), S. 195; Lüdenbach/Freiberg (2006), S. 438. Vgl. Hommel/Hermann (2003), S. 2506; Küting/Döge/Pfingsten (2006), S. 607; Lüdenbach/Hoffmann (2004b), S. 87. Die mangelhafte Vergleichbarkeit räumt das IASB in den Basis for Conclusions des IFRS for SMEs ein. Vgl. ED-SME BC71f. Die Bewertungsstetigkeit für das einzelne Finanzinstrument ist durch die restriktiven Voraussetzungen für die Umwidmung in eine andere Bewertungskategorie sichergestellt. Eine einheitliche Bewertung aller Finanzinstrumente - zumindest auf Gruppenbasis - folgt hieraus dennoch nicht. Die Fair Value-Ermittlung mittels finanzmathematischer Bewertungsverfahren verlangt im Gegensatz dazu einen erheblichen Arbeits- und Zeitaufwand sowie umfangreiches Know-how. Vgl. Heintges/Härle (2005), S. 174; Oehler (2005), S. 68.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
chen mittelständischen Unternehmen zwar Finanzinstrumente tendenziell in größerem Umfang mit fortgeführten Anschaffungskosten zu bewerten, wodurch sich der Bilanzierungsaufwand der Unternehmen verringert.1 Einen vollständigen Verzicht auf den Einsatz von Bewertungsverfahren bedeutet dies aber nicht. Aufgrund der restriktiven Voraussetzungen zur Bilanzierung mit fortgeführten Anschaffungskosten besteht vielfach eine Pflicht zur Fair ValueBilanzierung, auch dann, wenn keine repräsentativen Markpreise vorliegen. Die Regelungen des IFRS for SMEs stellen nur einen kleinen Schritt in die richtige Richtung dar. Die Zeitwertbewertung wird weder auf den Handelsbestand begrenzt, noch setzt sie die Existenz eines aktiven Marktes voraus. Die obigen Ausführungen haben gezeigt, dass die nach den IFRS gestattete, in bestimmten Fällen vorgeschriebene Fair Value-Bewertung von Finanzinstrumenten nur bei solchen des Handelsbestands zu einer höheren Relevanz der Rechnungslegungsinformationen führt. Die sich aus den Rechnungslegungsnormen der IFRS ergebenden bilanzpolitischen Gestaltungsspielräume und das damit einhergehende hohe Manipulationspotenzial kompensiert diese positiven Effekte, so dass die handelsrechtliche Abbildung auch unter Inkaufnahme möglicher stiller Reserven den internationalen Standards überlegen erscheint.2 Eine wesentliche Verbesserung tritt mit Umsetzung der durch das BilMoG avisierten Vorschriften ein. Das BilMoG sieht für Finanzinstrumente des Handelsbestands zwingend die Bewertung zum beizulegenden Zeitwert vor, macht die Zulässigkeit der Zeitwertbewertung aber zugleich von der Existenz eines aktiven Marktes abhängig. Ist kein aktiver Markt vorhanden, hat die Folgebewertung zu (fortgeführten) historischen Kosten zu erfolgen. Die Vorschriften des BilMoG erhöhen die Vergleichbarkeit und Verständlichkeit der Rechnungslegungsinformationen. Zugleich berücksichtigen sie das Objektivierungserfordernis und die Wirtschaftlichkeitsrestriktion. ƒFinanzderivate Derivate erfordern grundsätzlich keine bzw. eine sehr geringe Anschaffungsauszahlung. Aufgrund ihrer Hebelwirkung unterliegen sie jedoch erheblichen Wertschwankungen. Nach Maßgabe der IFRS sind derivative Finanzinstrumente in der Bilanz anzusetzen und in den Folgeperioden zum Fair Value zu bewerten.3 Im Handelsrecht sind Derivate als schwebende Geschäfte bilanzunwirksam; fallen Anschaffungskosten an, bilden diese die Wertobergrenze, so dass nach handelsrechtlichen Vorschriften bei steigenden Zeitwerten stille Reserven in be-
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Vgl. Lorenz (2007), S. 15. Dies wird durch den field test des IFRS for SMEs in Deutschland bestätigt. Vgl. DRSC/BDI/PwC (2008), S. 12. Im Handelsrecht sind die Manipulationsspielräume zumindest auf den Umfang der stillen Reserven begrenzt. In der internationalen Rechnungslegung gehen sie unter Umständen weit über diesen Umfang hinaus. Vgl. stellvertretend: Lüdenbach/Hoffmann (2002), S. 1173-1175. Nicht zu bilanzieren sind Derivate, die abgeschlossen wurden, um den eigenen Einkaufs-, Verkaufs- oder Verbrauchsbedarf zu decken. Siehe Kapitel V 8.1.1.
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trächtlichem Umfang entstehen können.1 Sofern die Derivate auf aktiven Märkten gehandelt werden und veräußerbar sind, kann der Bilanzierende den Periodenerfolg durch Verkauf und Rückkauf der Derivate gezielt beeinflussen. Der Bilanzansatz von derivativen Finanzinstrumenten und ihre Bewertung zum beizulegenden Zeitwert würden die Möglichkeiten zur Bilanzpolitik wirksam begrenzen. Derivative Finanzinstrumente können zu Handels- oder zu Sicherungszwecken erworben werden.2 Nach den Vorschriften des IAS 39 sind Derivate zwingend dem Handelsbestand zuzuordnen und somit stets erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert zu bewerten, es sei denn sie fallen unter die Vorschriften des Hedge-Accounting. Die Regelungen des BilMoG sehen keine Klassifizierungspflicht in den Handelsbestand vor. In der Tat werden derivative Finanzinstrumente in mittelständischen Unternehmen selten zu Spekulationszwecken erworben. Ihnen kommt eher die Aufgabe einer langfristigen ökonomischen Sicherungswirkung zu.3 Die Voraussetzungen zum Hedge Accounting gemäß IAS 39.88 oder zur Bildung von Bewertungseinheiten im Handelsrecht erfüllen die Sicherungsbeziehungen dennoch in der Regel nicht.4 In diesen Fällen lässt die imparitätische Bewertung der handelsrechtlichen Vorschriften die ökonomisch beabsichtigte Kompensation der gegenläufigen Wertänderungen von Derivat und Grundgeschäft unberücksichtigt. Sie führt bei jeder Marktbewegung zu einem einseitig negativen Erfolgsausweis.5 Die Darstellung der Vermögens- und Ertragslage wird verzerrt. Die Fair Value-Bewertung von derivativen Finanzinstrumenten kann die Verzerrung der ökonomischen Vermögens- und Ertragslage zumindest bei steigenden Zeitwerten der Derivate beheben. Dabei ist es unerheblich, ob sich ein Teil der Sicherungsbeziehung als ineffektiv erweist, da für diesen Teil eine Klassifizierung als Handelsbestand gerechtfertigt ist, sofern das Unternehmen potenzielle Gewinne aus dem Derivat jederzeit vereinnahmen kann. Die höhere Entscheidungsrelevanz der Fair Value-Bewertung des Handelsbestands wurde bereits an anderer Stelle belegt. Die Bewertung zum beizulegenden Zeitwert stößt immer dann an ihre Objektivierungsgrenze, wenn in Ermangelung repräsentativer Marktpreise, die in den einschlägigen Vorschriften geforderten finanzmathematischen Bewertungsmethoden zum Einsatz kommen. Die hieraus resultierenden Möglichkeiten der Gewinnmanipulation nehmen für derivative Finanzinstrumen-
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Auch nach BilMoG dürfte der überwiegende Teil der Derivate in der Rechnungslegung mittelständischer Unternehmen nicht abgebildet werden. Vgl. Kapitel V 8.1.3. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 711. Vgl. Heintges/Härle (2005), S. 174; Kapitel V 8.1. Die Voraussetzungen zur Bildung einer Bewertungseinheit werden im Regierungsentwurf zum BilMoG konkretisiert. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu §§ 253 und 254 HGB. AK „Externe Unternehmensrechnung (1997), S. 637.
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te ein noch größeres Ausmaß an.1 Wird zur Zeitwertbewertung auf die Preise eines aktiven Marktes abgestellt, bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Objektivierung der Wertansätze. Auch aus Perspektive des Vollständigkeitskriteriums ist die bilanzielle Abbildung derivativer Finanzinstrumente zu befürworten, da ein Bilanzansatz die Existenz des Derivats für den externen Adressaten erkennbar macht. Die zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit wird durch die Orientierung an Marktpreisen gewährleistet. Die intertemporale Vergleichbarkeit ist ebenfalls gegeben, da die erfolgswirksamen Wertänderungen des Derivats durch die erfolgswirksame Wertminderung der Grundgeschäfte kompensiert wird. Findet keine Kompensation statt, werden die jederzeit realisierbaren Kursgewinne - wie im Falle des Handelsbestands - folgerichtig als Ertrag ausgewiesen. Aus der Zeitwertbewertung resultiert kein erhöhter Bilanzierungsaufwand, da die Preise leicht an Terminbörsen ermittelbar sind. Oftmals teilen die betreuenden Kreditinstitute den Unternehmen die beizulegenden Zeitwerte der Derivate zum Bilanzstichtag mit.2 Obwohl die Fair Value-Bewertung unter obigen Bedingungen grundsätzlich im Vergleich zur Bilanzierung mit Anschaffungskosten zu einer höheren Relevanz führt, sind die handelsrechtlichen Vorschriften den IFRS-Vorschriften vorzuziehen. Die internationalen Standards verletzten das Objektivierungskriterium, da sie die Fair Value-Ermittlung nicht von der Existenz eines aktiven Marktes abhängig machen. Sie eröffnen ein nicht hinnehmbares Manipulationspotenzial. ƒAußerplanmäßige Wertminderung Während die IFRS im Fall einer Wertminderung stets die erfolgswirksame Abschreibung auf den niedrigeren Wert vorsehen, gewährt das Handelsrecht den Bilanzierenden bei vorübergehender Wertminderung im Anlagevermögen ein Abschreibungswahlrecht. Das Abschreibungswahlrecht bleibt auch nach der Novellierung durch das BilMoG erhalten. Durch das handelsrechtliche Abschreibungswahlrecht ergeben sich insbesondere im Bereich des Wertpapier- und des Beteiligungsvermögens weitgehende bilanzpolitische Spielräume.3 Die Beurteilung, ob eine Wertminderung vollständig oder zumindest partiell als dauerhaft einzustufen ist, liegt weitgehend im Ermessen des Bilanzierenden. Wenn nicht einmal der niedrigere Börsen- oder Marktpreis als Indikator der Nachhaltigkeit einer Wertminderung dienen kann, er-
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Lüdenbach/Hoffmann zeigen dies eindrucksvoll an der Bewertung von Optionskontrakten mit Hilfe des Black-Scholes-Modells. So erhöht sich der Optionswert bei einem zehnjährigen Call-Options-Kontrakt (aktueller Preis von 100, Ausübungspreis von 200, Zinssatz 5%) bei Verdopplung der angenommenen Volatilität von 5% auf 10% um das Siebenfache von 0,8 auf 5,4. Wird anstatt eines zehnjährigen ein zwanzigjähriger Kontrakt abgeschlossen, steigt der Optionswert von 5,4 auf 30.8. Vgl. Lüdenbach/Hoffmann (2002), S. 1173. Der field test des IFRS for SMEs in Deutschland bestätigt, dass die Bewertung der Derivate i.d.R. kein Problem darstellt, weil die emittierenden Kreditinstitute die beizulegenden Zeitwerte bereitstellen. Vgl. DRSC/BDI/PwC (2008), S. 12 Vgl. Lüdenbach/Hoffmann (2004b), S. 85.
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öffnet sich dem Bilanzierenden eine große Bandbreite nicht widerlegbarer Wertansätze. 1 Wird eine Abschreibung unterlassen, droht zudem die Gefahr, dass stille Lasten entstehen. Das Abschreibungswahlrecht und die damit verbundenen bilanzpolitischen Gestaltungsspielräume sind nicht mit dem Objektivierungserfordernis vereinbar. Sie erschweren die Vergleichbarkeit der Rechnungslegungsinformationen und beeinträchtigen ihre Eignung zu Prognose- und insbesondere Kontrollzwecken. Das Abschreibungsgebot der IFRS erscheint hier überlegen, insbesondere wenn ein objektiv feststellbarer Wert in Form eines Börsen- oder Marktpreises vorliegt.2 Die
Aufhebung
der
handelsrechtlich
zulässigen
Ermessensabschreibung
nach
§ 253 Abs. 4 HGB und der Abschreibung zur Antizipation zukünftiger Wertschwankungen gemäß § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB durch das BilMoG ist ohne Einschränkungen zu begrüßen. Die Abschreibungswahlrechte ermöglichen die willkürliche Bildung stiller Reserven. Sie verletzten sämtliche Anforderungskriterien und sind strikt abzulehnen. Gleiches gilt für das Wahlrecht von Nicht-Kapitalgesellschaften bei Wegfall der Gründe einer außerplanmäßigen Wertminderung gemäß § 253 Abs. 5 HGB, den niedrigeren Wertansatz beizubehalten. Das rechtsformunabhängige Wertaufholungsgebot der IFRS, das auch im BilMoG vorgesehen ist, ist aus Gründen der Vergleichbarkeit und Objektivität zu begrüßen.
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Vgl. Lüdenbach/Hoffmann (2004b), S. 88. Gleichwohl gewährt auch das Abschreibungsgebot der IFRS gewisse bilanzpolitische Spielräume. Vgl. Pellens et al. (2008), S. 557. IAS 39.58 macht die Wertminderung von der Existenz objektiver Hinweise abhängig. IAS 39.59f. gibt hierzu lediglich Beispiele, aber keine abschließende Aufzählung. Inwiefern ein objektiver Hinweis anzunehmen ist, liegt somit auch im Ermessen des Bilanzierenden.
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8.3
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
Zusammenfassung und Empfehlungen
Die nachfolgende Übersicht bietet eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der vergleichenden Würdigung der bilanziellen Abbildung von Finanzinstrumenten. Bilanzielle Abbildung von Finanzinstrumenten Würdigung Zeitwertbewertung Obwohl die Zeitwertbewertung unter Umständen zu einer höheren Relevanz der Rechnungslegungsinformationen beitragen kann, sind die handelsrechtlichen Vorschriften zur bilanziellen Abbildung von Finanzinstrumenten den internationalen Rechnungslegungsstandards überlegen. Die IFRS erfüllen nicht das an eine mittelständische Rechnungslegung zu stellende Objektivierungserfordernis, so dass die handelsrechtlichen Rechnungslegungsnormen auch unter Inkaufnahme potenzieller stiller Reserven vorzuziehen sind. Der IFRS for SMEs führt kaum zu Verbesserungen. Er stellt nur einen kleinen Schritt in die richtige Richtung dar. Die Regelungen des BilMoG sind hingegen eine Weiterentwicklung des Handelsrechts mit Augenmaß. Sie stärken die Informationsfunktion der Rechnungslegung. Finanzderivate Auch hier sind die handelsrechtlichen Vorschriften denen der originären IFRS und des IFRS for SMEs überlegen. Die Überlegenheit ist jedoch nicht auf die Zielkonformität der handelsrechtlichen Vorschriften zurückzuführen. Ursächlich für diese Einschätzung sind vielmehr die eklatanten Objektivierungsmängel der internationalen Standards. Außerplanmäßige Wertminderung Im Bereich der außerplanmäßigen Abschreibungen sind die IFRS und der IFRS for SMEs den handelsrechtlichen Vorschriften deutlich überlegen. Die Regelungen des BilMoG sind zu begrüßen, da sie die Abschaffung der Ermessensabschreibungen nach § 253 Abs. 4 HGB und der Abschreibung zur Vorwegnahme zukünftiger Wertschwankungen gemäß § 253 Abs. 3 HGB beinhalten. Negativ ist zu beurteilen, dass das Abschreibungswahlrecht bei vorübergehender Wertminderung im Anlagevermögen auch nach der Novellierung durch das BilMoG bestehen bleibt. Gesamturteil Das deutsche Bilanzrecht ist den internationalen Rechnungslegungsstandards dank seiner höheren Objektivierung geringfügig überlegen. Die mit Abstand höchste Zielkonformität erreichen die Regelungen des BilMoG. Der IFRS for SMEs stellt einen ersten zaghaften Schritt in die richtige Richtung dar. Empfehlung Dem Anforderungskriterium der Objektivität kommt in der mittelständischen Rechnungslegung eine übergeordnete Bedeutung zu. Eine Bewertung mit beizulegenden Zeitwerten sollte deshalb immer von der Existenz eines aktiven Marktes abhängig gemacht werden. Liegt ein objektivierter Marktpreis vor, führt die Zeitwertbewertung bei Finanzinstrumenten des Handelsbestands und bei Derivaten zu einer höheren Relevanz der Rechnungslegungsinformationen. Für Verbindlichkeiten und Finanzinstrumente, die nicht zu Handelszwecken gehalten werden, ist die Zeitwertbewertung abzulehnen. Bei außerplanmäßigen Wertminderungen ist ein Abschreibungsgebot empfehlenswert. Für den Fall, dass die Gründe der Wertminderung in den nachfolgenden Perioden wegfallen, erscheint ein Wertaufholungsgebot zweckmäßig. Tabelle 14: Würdigung der bilanziellen Abbildung von Finanzinstrumenten
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Latente Steuern
9.1
Unterschiede in der bilanziellen Abbildung
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Unterschiede in der bilanziellen Abbildung latenter Steuern ergeben sich zwischen HGB und IFRS sowie zwischen HGB und BilMoG. Die Vorschriften des IFRS for SMEs zur Bilanzierung latenter Steuern wurden nur redaktionell überarbeitet. Erleichterungen resultieren aus einer verständlicheren und übersichtlicheren Darstellung. Inhaltlich sind die Regelungen des IFRS for SMEs mit denen der originären IFRS identisch. 1 9.1.1 Abbildung nach IFRS und HGB Während die internationalen Normen des IAS 12 zur Bilanzierung latenter Steuern rechtsformunabhängig anzuwenden sind, gelten die handelsrechtlichen Vorschriften des § 274 HGB ausschließlich für Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften im Sinne des § 264a HGB sowie für Genossenschaften und Unternehmen, die unter das Publizitätsgesetz fallen.2 Zur Bilanzierung latenter Steuern kommen zwei unterschiedliche Ansatzkonzeptionen - das Timing-Konzept und das Temporary-Konzept - in Betracht. Im Handelsrecht erfolgt die Verrechnung latenter Steuern auf Grundlage des Timing-Konzepts.3 Gemäß Timing-Konzept werden in die Steuerabgrenzung nur diejenigen Ansatz- und Bewertungsdifferenzen einbezogen, deren Entstehung und Umkehrung sich in der Gewinn- und Verlustrechnung niederschlägt.4 Dabei werden in Abhängigkeit vom Zeitraum ihrer Umkehr zeitlich begrenzte, quasi-zeitlich begrenzte (quasi-permanente) und zeitlich unbegrenzte (permanente) Differenzen unterschieden. Während sich zeitlich begrenzte Differenzen in den Perioden nach ihrer Entstehung automatisch ausgleichen, ist die Umkehr quasi-zeitlich begrenzter Differenzen von einer unternehmerischen Disposition abhängig. Regelmäßig erfolgt ein Ausgleich erst mit Liquidation des Unternehmens bzw. der Vermögensposition.5 Zeitlich unbegrenzte Differenzen bleiben dauerhaft bestehen.6 Das Timing-Konzept erfasst ausschließlich zeitlich begrenzte Differenzen. Quasi-zeitlich begrenzte und permanente Differenzen finden bei der Ermittlung
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Vgl. Schween (2007), S. 18, 23; Lüdenbach/Hoffmann (2007), S. 352. Die Vorschriften des IAS 12 (Ertragsteuern) finden ihre Entsprechung in Abschnitt 28 (Ertragsteuern) des IFRS for SMEs. Alle übrigen Unternehmen dürfen die Vorschriften des § 274 HGB sinngemäß anwenden. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2007), § 274 HGB, Rn. 7f. Vgl. Hoyos/Fischer (2006), § 274 HGB, Rn. 5; Klein (2001), S. 1451. Vgl. Wendholt/Wesemann (2008), S. 49; Coenenberg (2005b), S. 432. Vgl. Pellens (2008), S. 119f. Vgl. Klein (2001), S. 1451; Schween (2007), S. 19.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
latenter Steuern keine Berücksichtigung.1 Im Gegensatz zum deutschen Bilanzrecht legt IAS 12 der Steuerabgrenzung das bilanzorientierte Temporary-Konzept zu Grunde. Hiernach wird grundsätzlich jede Ansatz- und Bewertungsdifferenz zwischen den in der IFRS-Bilanz und der Steuerbilanz ausgewiesenen Vermögenswerten und Schulden in die latente Steuerabgrenzung einbezogen, sofern sie nicht als permanente Differenz zu klassifizieren ist. 2 Somit führen auch quasi-permanente und erfolgsneutral entstandene Ansatz- und Bewertungsdifferenzen zum Ansatz latenter Steuern. 3 Im Vergleich zum Timing-Konzept sieht das Temporary-Konzept eine umfassendere Abgrenzung latenter Steuern vor.4 Unabhängig von der Ansatzkonzeption schreiben sowohl HGB als auch IFRS den verpflichtenden Ansatz passiver latenter Steuern (§ 274 Abs. 1 HGB; IAS 12.15) vor. Das Ansatzgebot wird in der internationalen Rechnungslegung auf aktive latente Steuern ausgedehnt (IAS 12.24). Aktive Steuerlatenzposten sind jedoch auf den Umfang zu begrenzen, in dem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zukünftige Steuerverbindlichkeiten entstehen, gegen welche die aktive Steuerlatenz geltend gemacht werden kann (IAS 12.27).5 Im Gegensatz zu den Vorschriften der IFRS enthält das Handelsrecht in § 274 Abs. 1 HGB ein Ansatzwahlrecht für aktive latente Steuern. Die Bewertung latenter Steuern beruht sowohl nach Handelsrecht als auch nach IFRS auf der Liability-Methode,6 so dass es zu einer weitgehenden Kongruenz in der Bewertung kommt. Die Liability-Methode strebt eine möglichst exakte Abbildung des bilanziellen Reinvermögens an.7 Steuerlatenzen sind daher mit dem im Zeitpunkt ihrer Umkehr gültigen Steuersatz zu bewerten (IAS 12.47). Aus Gründen der Objektivierung ist im Regelfall auf aktuelle Steuersätze abzustellen (IAS 12.48).8 Die Anpassung an neue Steuersätze hat in beiden Regelwerken grundsätzlich erfolgswirksam zu erfolgen (IAS 12.60).9 Deutsche Kapitalgesellschaften haben bei der Steuerabgrenzung die Gewerbeertrag- und die Körperschaftsteuer zu berücksichtigen. Für Einzelunternehmen und Personenhandelsgesellschaften ist nur die Gewerbeer1
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Die Behandlung quasi-zeitlich begrenzter Differenzen ist im Schrifttum strittig. Nach herrschender Meinung sind quasi-zeitlich begrenzte Differenzen nicht in die Steuerabgrenzung einzubeziehen. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2007), § 274 HGB, Rn. 16; Hoyos/Fischer (2006), § 274 HGB, Rn. 9; Coenenberg (2005b), S. 433; Förschle/Kroner (1996), S. 1638. Vgl. IAS 12.15 und 12.24; Baetge/Lienau (2007), S. 16. Eine erfolgsneutrale Entstehung von Differenzen resultiert z.B. aus der Neubewertung von Vermögenswerten oder Schulden, die im Steuerrecht untersagt ist. Vgl. Coenenberg (2005b), S. 437f., 459f.; Petersen/Zwirner (2008b), S. 206. Das Wahrscheinlichkeitskriterium gilt als erfüllt, wenn die künftige Steuerentlastung mit einer über 50% liegenden Wahrscheinlichkeit eintritt. Vgl. Küting/Zwirner (2007), S. 557 m.w.N. Das HGB schreibt die Anwendung der Liability-Methode nicht explizit vor. Nach herrschender Meinung ist sie jedoch maßgeblich. Vgl. Klein (2001), S. 1453; Küting/Zwirner (2003), S. 303. Vgl. Küting/Zwirner (2007), S. 556. Änderungen der Steuersätze sind in Deutschland zu berücksichtigen, nachdem der Bundesrat einem Steuergesetz zugestimmt hat. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu § 274 HGB. Vgl. Klein (2001), S. 1453. Ausgenommen sind die Fälle, in denen die Steuerlatenz auf einer erfolgsneutral entstandenen Differenz beruht (IAS 12.60).
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tragsteuer von Bedeutung, da die Einkommensteuer den Privatbereich der Eigner bzw. Gesellschafter betrifft und nicht zwingend in der Handelsbilanz abgebildet wird.1 Weder nach IFRS noch nach HGB ist der Betrag der latenten Steuern zu diskontieren (IAS 12.53).2 Die Saldierung latenter Steuern ist nach IFRS generell verboten, unter bestimmten restriktiven Voraussetzungen verpflichtend (IAS 12.74). Handelsrechtlich können latente Steuerforderungen und -schulden saldiert werden.3 Wie im Handelsrecht sind latente Steuern auch nach internationalen Vorschriften getrennt von anderen Vermögenswerten und Schulden auszuweisen (IAS 12.69f.). Ein wesentlicher Unterschied zwischen deutschem Handelsrecht und IFRS besteht im Ansatz aktiver latenter Steuern auf steuerrechtliche Verlustvorträge. Verlustvorträge stellen ökonomische Vorteile dar, wenn sie in nachfolgenden Perioden durch Verrechnung mit erzielten steuerpflichtigen Gewinnen zu einer Steuerminderung führen. 4 Die IFRS schreiben die Abgrenzung latenter Steuern auf Verlustvorträge in IAS 12.34 explizit vor, sofern die Verlustvorträge in Zukunft mit entsprechender Wahrscheinlichkeit nutzbar sind. Grundsätzlich sind zur Bilanzierung aktiver latenter Steuern auf Verlustvorträge die allgemeinen Kriterien für die Bilanzierung aktiver latenter Steuern heranzuziehen. Im Falle regelmäßiger Verluste in der jüngeren Vergangenheit des Unternehmens, ist die Realisierbarkeit des Verlustvortrags darüber hinaus mittels substanzieller Hinweise zu belegen (IAS 12.35). Im Rahmen handelsrechtlicher Bilanzierungsgrundsätze ist die Bildung latenter Steuern auf steuerrechtliche Verlustvorträge nach herrschender Meinung unabhängig von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens untersagt. Aktivische Steuerabgrenzungen können bei Vorliegen werthaltiger steuerlicher Verlustvorträge allenfalls den Ansatz passiver latenter Steuern mindern. 5 9.1.2 Abbildung nach BilMoG Die reformierten handelsrechtlichen Vorschriften zur bilanziellen Abbildung latenter Steuern weichen in erheblichem Ausmaß von den bisherigen Vorschriften und ihrer Auslegung in der Kommentarliteratur ab. Sie führen zu einer weitgehenden Konvergenz mit den internationalen Rechnungslegungsstandards. Mit Neufassung des § 274 HGB wird ein Übergang vom bisher maßgeblichen TimingKonzept auf das in der internationalen Rechnungslegung anzuwendende Temporary-Konzept
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Aufgrund divergierender Hebesätze kann die Gewerbeertragsteuer variieren. In diesen Fällen ist ein durchschnittlicher Steuersatz zu Grunde zu legen. Vgl. Coenenberg (2005b), S. 444. Vgl. Loitz/Rössel (2002), S. 645. Vgl. Hoyos/Fischer (2006), § 274 HGB, Rn. 10f., 57. Gleichwohl erfordert die Ermittlung der Steuerabgrenzung eine Differenzierung nach aktiven und passiven Steuerlatenzen. Dies wird in der Gesetzesbegründung zum BilMoG bestätigt. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu § 274 HGB. Vgl. Baetge/Lienau (2007), S. 18. Vgl. Petersen/Zwirner (2008b), S. 207; Adler/Düring/Schmaltz (2007), § 274 HGB, Rn. 28f.
200
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
vollzogen.1 Nach § 274 Abs. 1 Satz 1 HGB-E führt jede Differenz zwischen handelsrechtlichen Wertansätzen und ihren korrespondierenden Wertansätzen in der Steuerbilanz zu einer Abgrenzung latenter Steuern, es sei denn, es handelt sich um eine permanente Differenz. Der Gesetzgeber weist ausdrücklich daraufhin, dass auch erfolgsneutral entstandene Differenzen und quasi-zeitlich begrenzte Differenzen zu berücksichtigen sind. 2 Das Ansatzgebot für passive latente Steuern bleibt unverändert bestehen. Das bisherige Aktivierungswahlrecht für Steuerentlastungen wird im Zuge des BilMoG durch eine Aktivierungspflicht ersetzt (§ 274 Abs. 1 Satz 1 HGB-E). Die in § 274 HGB-E kodifizierte Bewertung latenter Steuern entspricht der nach herrschender Meinung bereits heute anzuwendenden Liability-Methode. Eine Diskontierung der latenten Steuern wird explizit ausgeschlossen (§ 274 Abs. 2 HGB-E). Gemäß § 274 Abs. 1 Satz 1 HGB-E sind latente Steuern als Sonderposten eigener Art unter der Bezeichnung „aktive latente Steuern“ (§ 266 Abs. 2 D. HGB) bzw. „passive latente Steuern“ (§ 266 Abs. 3 E. HGB) auszuweisen. Eine Saldierung ist somit nicht mehr zulässig.3 Obwohl steuerliche Verlustvorträge keine abzugrenzende Differenz im Sinne des § 274 HGB darstellen, sind auf den aus steuerrechtlichen Verlustvorträgen resultierenden ökonomischen Vorteil laut § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB zwingend aktive latente Steuern zu bilden. Wie nach IAS 12 ist der Umfang der aktiven Steuerlatenzen auf die erwartete (wahrscheinliche) Verlustverrechnung zu begrenzen. Folglich erhält das im Schrifttum vielfach kritisierte Wahrscheinlichkeitskriterium des IAS 12 Einzug in das deutsche Bilanzrecht. 4 Um gleichwohl eine hinreichende Objektivierung des Ansatzes zu gewährleisten, dürfen aktive latente Steuern auf Verlustvorträge im Gegensatz zu den Vorschriften der IFRS nur berücksichtigt werden, wenn sie voraussichtlich innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren zur Verlustverrechnung herangezogen werden (§ 274 Abs. 1 Satz 2 HGB).5 Kleine Kapitalgesellschaften werden durch die größenabhängigen Erleichterungen des § 274a Nr. 5 HGB-E von sämtlichen Regelungen des § 274 HGB-E befreit. Für sie richtet sich die bilanzielle Abbildung latenter Steuern nach den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen, so dass bei Vorliegen der entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen eine Rückstellung nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB zu passivieren ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen dürften in-
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Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu § 274 HGB; Karrenbrock (2008), S. 329. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die erfolgsneutrale Erfassung von Wertänderungen im Handelsrecht nicht zulässig. Klarstellend in diesem Punkt: BilMoG-RegE Begr. zu § 274 HGB. Zur Kritik am Wahrscheinlichkeitskriterium siehe Kapitel V 9.2. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu § 274 HGB.
9 Latente Steuern
201
des nur bei zeitlichen Differenzen erfüllt sein, da es im Falle quasi-zeitlicher Differenzen an einer rechtlichen und faktischen Verpflichtung fehlt.1 9.2
Würdigung der bilanziellen Abbildung
Der Ausweis des effektiven, am steuerrechtlichen Ergebnis bemessenen Steueraufwands führt bei divergierender handels- und steuerbilanzieller Abbildung einzelner Sachverhalte zu einer verzerrten Darstellung der Ertrags- und Vermögenslage im handelsrechtlichen Jahresabschluss. Durch die Bilanzierung fiktiver (latenter) Steuern soll der mit dem handelsrechtlichen Ergebnis korrespondierende Steueraufwand ausgewiesen und so der Einblick in die Ertragslage verbessert werden. Die Korrektur des Steueraufwands erfolgt durch den Ansatz von Steuerabgrenzungsposten in der Bilanz, die ihrerseits einen zutreffenden Einblick in die Vermögenslage sicherstellen sollen.2 Im Bestreben, die aus der divergierenden steuerbilanziellen Abbildung resultierenden Verzerrungen der Ertrags- und Vermögenslage möglichst umfassend zu korrigieren, schreiben IAS 12 und BilMoG die Anwendung des Temporary-Konzepts vor. Das Temporary-Konzept führt im Vergleich zum handelsrechtlich maßgeblichen Timing-Konzept zu einer weiterreichenden Steuerabgrenzung, da es auch quasi-permanente und erfolgsneutral entstandene Differenzen erfasst. Da die erfolgsneutrale Erfassung von Wertänderungen weder in der handelsrechtlichen Rechnungslegung zulässig noch im Sinne einer mittelstandsorientierten Rechnungslegung empfehlenswert ist, reduziert sich die potenzielle Überlegenheit des TemporaryKonzepts auf die Berücksichtigung quasi-permanenter Differenzen.3 Quasi-permanente Differenzen zeichnen sich dadurch aus, dass der Zeitpunkt ihrer Umkehrung am Bilanzstichtag ungewiss ist.4 Ansatz und Bewertung latenter Steuern erfordern indes jährlich wiederholte und differenzierte Steuerplanungen,5 da aktive Steuerlatenzen nur in dem Umfang angesetzt werden dürfen, in dem zeitgleich latente Steuerlasten oder ein zu versteuerndes Ergebnis zur Verfügung stehen (IAS 12.24; § 274 Abs. 1 HGB-E).6 Gerade dieser Planbarkeit entziehen sich latente Steuern auf quasi-permanente Differenzen aufgrund ihres ungewissen Umkehrzeitpunkts. Die zeitliche Zuordnung der aktiven und passiven latenten Steuern zueinander oder zu den tatsächlichen Steuerbe- und -entlastungen ist weitgehend ausgeschlossen. Die Abgrenzung aktiver latenter Steuern auf quasi-permanente Differenzen ist nur eingeschränkt objekti1 2 3
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Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu § 274 HGB. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 543f. Darüber hinaus kann die Berücksichtigung erfolgsneutral entstandener Differenzen den Informationsgehalt des Jahresabschlusses negativ beeinflussen. Hierzu ausführlich: Schildbach (1998), S. 931-943. Oft tritt ein Ausgleich erst mit Liquidation des Unternehmens ein. Vgl. Kapitel V 9.1.1. Vgl. Schildbach (1998), S. 944. Dabei ist die Werthaltigkeit der aktivierten latenten Steuern jährlich zu prüfen (IAS 12.56; § 274 Abs. 2 HGB-E). Zudem sind die aufgrund fehlender Voraussetzungen nicht bilanzierten Steueransprüche jährlich neu zu beurteilen (IAS 12.37).
202
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
vierbar. Im Gegensatz zum Temporary-Konzept gestattet das Timing-Konzept den Ansatz aktiver latenter Steuern nur bei zeitnaher Vereinnahmungsmöglichkeit. Es gewährleistet einen höheren Objektivierungsgrad.1 In Bezug auf die Ansatzkonzeption ist somit eine geringfügige Überlegenheit des Handelsrechts gegenüber IFRS und BilMoG zu konstatieren.2 Unabhängig von der zu Grunde liegenden Ansatzkonzeption unterscheiden sich auch die konkreten Ansatzvorschriften in den Regelwerken. Während das Handelsrecht den Ansatz aktiver latenter Steuern wahlrechtlich erlaubt, sehen IFRS und BilMoG grundsätzlich ein Ansatzgebot vor. Der Ansatz wird auf das Maß begrenzt, in dem zukünftig mit hinreichender Wahrscheinlichkeit steuerrechtliche Gewinne vorliegen. Die Einschätzung, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit im Einzelfall gegeben ist, ist mit umfangreichen Ermessensspielräumen verbunden.3 In der Praxis dürfte vielfach eine Bandbreite von Wertansätzen zu rechtfertigen sein,4 so dass die Vorschriften der IFRS und des BilMoG eher einem faktischen Ansatzwahlrecht entsprechen. Eine Überlegenheit gegenüber dem expliziten Ansatzwahlrecht des Handelsrechts ist mit Hilfe des Vergleichbarkeits- und Objektivierungskriteriums kaum begründbar. Zusätzlich zur Abgrenzung latenter Steuern auf Ansatz- und Bewertungsdifferenzen sehen IAS 12 und BilMoG eine Aktivierung latenter Steuern auf steuerliche Verlustvorträge in Höhe der wahrscheinlichen Verlustverrechnung vor.5 Die bereits thematisierten Einwände gegen das ermessensbehaftete Wahrscheinlichkeitskriterium wiegen im Falle der Aktivierung latenter Steuervorteile aus Verlustvorträgen ungleich schwerer. Die Werthaltigkeit der Steuerlatenzen ist nur dann gegeben, wenn zukünftig in entsprechendem Umfang steuerliche Gewinne erzielt werden, gegen die der Verlustvortrag verrechnet werden kann. Gerade die den Bilanzansatz der Steuerlatenzen begründenden Verluste sind jedoch als Indiz einer schlechten Ertragslage des Unternehmens zu werten und ziehen die Realisierbarkeit des Verlustvortrags in Zweifel.6 Inwieweit dennoch ein steuerpflichtiges Einkommen zu erwarten ist, muss anhand einer detaillierten steuerlichen Planungsrechnung nachgewiesen werden.7 Da die steuerliche Planungsrechnung auf Prognosen der Bilanzierenden beruht, stellt sie eine „stark subjektive Kontrollgröße“ dar.8 Gestaltungsspielräume und Prognoseunsicherheiten erhöhen sich da-
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Vgl. Klein (2001), S. 1452. Quasi-permanente Differenzen treten nur in geringem Umfang auf, so dass Temporary- und Timing-Konzept in der Bilanzierungspraxis regelmäßig zu übereinstimmenden Ergebnissen führen. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu § 274 HGB; Peemöller (2008), S. 47. Vgl. Schildbach (1998), S. 944; Küting/Zwirner (2003), S. 304. Vgl. Petersen/Zwirner (2008b), S. 208. Handelsrechtlich ist die Bildung aktiver latenter Steuern auf Verlustvorträge nach herrschender Meinung untersagt. Vgl. Kapitel V 9.1.1. Vgl. Schildbach (1998), S. 945; Karrenbrock (2008), S. 330. Vgl. Langenbucher (2005), S. 25f. Baetge/Lienau (2007), S. 19.
9 Latente Steuern
203
durch, dass der Prognosezeitraum in IAS 12 nicht begrenzt wird.1 Im Ergebnis eröffnen die Ansatzkriterien „einen fast grenzenlosen Freiraum für die Bilanzpolitik zum Nachteil des Informationsgehalts“.2 Die Voraussetzungen zur Aktivierung der Steuerlatenzen dürften für mittelständische Unternehmen vielfach eine unüberwindbare Hürde darstellen, da die Unternehmen über keine oder nur sehr kurzfristige steuerliche Planungsrechnungen verfügen. 3 Die Aktivierung latenter Steuern auf Verlustvorträge ist insbesondere aus Perspektive der Kreditinstitute abzulehnen, da die ausgewiesenen Verluste durch die Aktivierung der Steueransprüche gemindert werden. Tritt die erwartete Ergebnisverbesserung in den nachfolgenden Perioden nicht ein, wird der Periodenerfolg zusätzlich durch die Wertberichtigung der aktiven latenten Steuern belastet.4 Es kommt zu einer sprunghaften Verschlechterung der Ertragslage, auf welche die Gläubiger nicht mehr rechtzeitig reagieren können. Bei mittelständischen Unternehmen ist die Werthaltigkeit aktiver Steuerlatenzen auf Verlustvorträge im Vergleich zu diversifizierten Konzernen mit höherer Unsicherheit verbunden, da Mittelständler über weitaus weniger Verrechnungsmöglichkeiten mit zukünftigen Erträgen verfügen. 5 Die Aktivierung latenter Steuern auf Verlustvorträge ist weder mit dem Objektivierungserfordernis noch mit der Forderung nach intertemporaler oder zwischenbetrieblicher Vergleichbarkeit vereinbar. Insgesamt sind die handelsrechtlichen Vorschriften zur Bilanzierung latenter Steuern den internationalen Standards und den durch das BilMoG avisierten Regelungen überlegen. Die Abgrenzung aktiver latenter Steuern auf quasi-zeitlich begrenzte Differenzen und Verlustvorträge mag für kapitalmarktorientierte Konzerne angemessen bzw. geboten sein, für mittelständische Unternehmen ist sie abzulehnen. Generell ist der Ansatz aktiver latenter Steuern mit hohen Risiken und Gestaltungsspielräumen verbunden und entzieht sich weitgehend der intersubjektiven Nachprüfbarkeit. Zu bedenken ist ferner, dass die erfolgswirksame Erfassung von Steuersatzänderungen im Rahmen der Liability-Methode in der Periode ihrer Berücksichtigung zu erheblichen Veränderungen der Vermögens- und Ertragslage führen kann, ohne dass sich die wirtschaftliche Situation des Unternehmens verändert hat. Kontroll- und Prognosefunktion werden erheblich beeinträchtigt. Demnach überrascht es nicht, dass die Rechnungslegungsadressaten der bilanziellen Abbildung latenter Steuern kaum Bedeutung beimes-
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Im Gegensatz zu IAS 12 ist im BilMoG ein Prognosezeitraum von fünf Jahren kodifiziert. Zur Diskussion des nach IAS 12 maßgeblichen Prognosezeitraumes siehe Hauck/Prinz (2007), S. 412-415 mit Replik Berger. Zum Teil wird die Ansicht geäußert, dass latente Steuern bei unbegrenzt vortragsfähigen Verlusten und der Annahme der Unternehmensfortführung grundsätzlich aktiviert werden müssen. Vgl. Karrenbrock (2008), S. 331. Schildbach (1998), S. 945. Ähnlich: Küting/Zwirner (2007), S. 588. So auch die Ergebnisse der Feldstudie zur Anwendung des IFRS for SMEs. Vgl. DRSC/BDI/PwC (2008), S. 18. Siehe hierzu auch: Ull (2006), S. 80. Vgl. Göllert (2008), S. 1167. Vgl. Oehler (2005), S. 81.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
sen.1 Kreditinstitute als dominierende Adressatengruppe neutralisieren die Effekte aktiver latenter Steuern im Rahmen ihres Ratings.2 Die Bilanzierung latenter Steuern stellt in der Praxis „eine der schwierigsten Regelungen der Rechnungslegung“ dar.3 Mit Einzug der internationalen Vorschriften in das deutsche Bilanzrecht und dem damit einhergehenden Übergang zum bilanzorientierten Temporary-Konzept würde sich die Komplexität der Normen weiter erhöhen. 4 Die Verfolgung der einzelnen Ansatz- und Bewertungsdifferenzen im Zeitablauf und die Dokumentation ihrer Entwicklung sowie die unabdingbare Steuerplanung stellen für viele mittelständische Unternehmen sehr hohe Hürden dar, die nur mit erheblichem Aufwand überwunden werden können.5 Der hohe Aufwand lässt sich nicht durch entsprechende Informationsinteressen der Rechnungslegungsadressaten rechtfertigen, so dass die bilanzielle Abbildung latenter Steuern grundsätzlich zu hinterfragen ist.6 Die EU-Kommission hat im Rahmen ihrer Initiative zur Reduzierung der Bürokratiekosten vorgeschlagen, sämtliche Angabepflichten zu latenten Steuern in Bilanz bzw. Anhang für kleine und mittlere Unternehmen aufzuheben.7 Einen ersten Schritt in diese Richtung hat der deutsche Gesetzgeber mit der in § 274a Nr. 5 HGB-E kodifizierten Befreiung für kleine Kapitalgesellschaften bereits vollzogen. Im Sinne einer mittelstandsorientierten Rechnungslegung ist ein genereller Verzicht auf die Bilanzierung latenter Steuern zu empfehlen.8 Passive latente Steuern mit Rückstellungscharakter sind von dieser Forderung selbstverständlich ausgenommen.
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Vgl. Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über ein vereinfachtes Unternehmensumfeld in den Bereichen Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung und Abschlussprüfung, KOM(2007) 394 v. 10.07.2007, S. 20. Vgl. Massenberg/Borchardt (2007), S. 352; Guthoff (2006), S. 184. Loitz (2008), S. 252. Vgl. auch Wendholt/Wesemann (2008), S. 52; Küting (2007c), S. 14; Langenbucher (2005), S. 23; Knorr/Zeimes (2005), S. 21. Vgl. ED-SME BC84; Petersen/Zwirner (2008b), S. 210; Loitz (2008), S. 250, 255f.; DStV (2008), S. 7; Mayr (2005), S. 4. Auch nach HGB ist aufgrund der Bewertung mittels Liability-Methode zum überwiegenden Teil eine Einzeldifferenzenbetrachtung erforderlich. Vgl. Karrenbrock (2008), S. 33; Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 564. Vgl. DStV (2008), S. 8. Vgl. KOM(2007) 394, S. 20. Zustimmend hierzu: VMEBF e.V. (2008), S. 362f. Eine Umsetzung dieser Forderung würde die Prinzipienorientierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung fördern. Aktive latente Steuern stellen keine Vermögensgegenstände dar. Eine Aktivierung führt demnach zu einer von den allgemeinen Grundsätzen abweichenden Kasuistik.
9 Latente Steuern
9.3
205
Zusammenfassung und Empfehlungen
Die nachfolgende Übersicht bietet eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der vergleichenden Würdigung der bilanziellen Abbildung von latenten Steuern. Bilanzielle Abbildung von latenten Steuern Würdigung Ansatzkonzeption Das im Handelsrecht maßgebliche Timing-Konzept ist dem nach IFRS anzuwendenden Temporary-Konzept geringfügig überlegen. Das Timing-Konzept gewährleistet einen höheren Grad an Objektivität, da es quasipermanente Differenzen von der Steuerabgrenzung ausschließt. Gleichwohl führen Timing- und TemporaryKonzept in der Bilanzierungspraxis regelmäßig zu übereinstimmenden Ergebnissen. Aktivierungswahlrecht Während das deutsche Bilanzrecht ein explizites Aktivierungswahlrecht enthält, erweist sich das Aktivierungsgebot der IFRS und des BilMoG in vielen Fällen als implizites Aktivierungswahlrecht. Die Überlegenheit eines Regelwerkes ist nicht feststellbar. Verlustvorträge Das handelsrechtliche Ansatzverbot aktiver latenter Steuern auf steuerrechtliche Verlustvorträge ist dem in IFRS und BilMoG kodifizierten Ansatzgebot vorzuziehen. Die Abgrenzung latenter Steuern auf Verlustvorträge zeichnet sich generell durch hohe Unsicherheiten und Gestaltungsspielräume aus, die mit der Forderung nach Objektivierung und Vergleichbarkeit nicht vereinbar sind. Die Kritikpunkte treten in der mittelständischen Rechnungslegung verstärkt auf, da mittelständische Unternehmen vielfach nicht über eine ausreichende steuerliche Planungsrechnung verfügen und im Vergleich zu diversifizierten Konzernen weniger Verlustverrechnungsmöglichkeiten besitzen. Gesamturteil Die handelsrechtliche Rechnungslegung ist den IFRS aufgrund des Aktivierungsverbotes latenter Steuern auf steuerrechtliche Verlustvorträge überlegen. Die Bildung latenter Steuern auf Verlustvorträge ist im Sinne einer mittelständischen Rechnungslegung strikt abzulehnen. Der IFRS for SMEs stellt keine materielle Weiterentwicklung der originären IFRS dar, da er lediglich redaktionell überarbeitet wurde. Die Novellierung des Handelsrechts durch das BilMoG würde zu einer Beeinträchtigung der Kontroll- und Prognosefunktion der Rechnungslegung führen. Gegen die Änderungen durch das BilMoG bestehen erhebliche Einwände. Empfehlung Die bilanzielle Abbildung latenter Steuern ist durch eine enorme Komplexität und damit einhergehendem Bilanzierungsaufwand gekennzeichnet. Gleichzeitig besitzen die Informationen für die Rechnungslegungsadressaten zum überwiegenden Teil keine Relevanz. Dementsprechend sollte ein Verzicht der Bilanzierung latenter Steuern in der mittelständischen Rechnungslegung in Erwägung gezogen werden. Tabelle 15: Würdigung der bilanziellen Abbildung von latenten Steuern
206
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
10
Eigenkapital
10.1
Unterschiede in der bilanziellen Abbildung
Bei der bilanziellen Abbildung von Eigenkapital ergeben sich zwischen deutschem Bilanzrecht und internationalen Standards in Abhängigkeit von der Rechtsform der Unternehmen mitunter gravierende Abweichungen. Die Vorschriften des IAS 32 zur Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital stoßen im deutschen Mittelstand seit Jahren auf scharfe Kritik, da es nach IAS 32 bei Personenhandelsgesellschaften und Genossenschaften regelmäßig zu einer Umqualifizierung des handelsrechtlichen Eigenkapitals in Fremdkapital kommt.1 Die nachfolgenden Ausführungen fokussieren auf den Problemkreis der Kapitalabgrenzung, der exemplifizierend anhand der Bilanzierung von Anteilen an Personenhandelsgesellschaften erläutert und gewürdigt wird. Die Darstellung ist grundsätzlich auf alle kündbaren Gesellschaftsanteile übertragbar.2 Die in IAS 32 geregelte Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital wird unverändert in den IFRS for SMEs übernommen.3 Die handelsrechtliche Eigenkapitalabgrenzung wird im Rahmen des BilMoG ebenfalls nicht modifiziert. 10.1.1 Abbildung nach HGB In Ermangelung einer Legaldefinition ist der Begriff des Eigenkapitals im deutschen Bilanzrecht unter Berücksichtigung des Rechnungslegungszwecks durch Auslegung abzuleiten.4 In den vergangenen Jahren hat der handelsrechtliche Eigenkapitalbegriff eine weitergehende Konkretisierung durch die Rechtsprechung erfahren. Mittlerweile haben sich allgemein anerkannte Kriterien zur Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital herausgebildet. Voraussetzung für die Qualifikation als Eigenkapital ist demnach die kumulative Erfüllung der beiden nachfolgenden Kriterien:5 -
Verlustteilnahme und
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Nachrangigkeit des überlassenen Kapitals.
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Die Regelungen betreffen unter Einschränkungen auch die Rechtsform der GmbH. Vgl. Schildbach (2006a), S. 330. Soweit für Genossenschaften abweichende Beurteilungen gelten, wird auf diese nicht eingegangen. Für eine ausführliche Analyse siehe: Heyd/Beyer (2007), S. 53-59. Die entsprechenden Vorschriften finden sich in Abschnitt 21 (Eigenkapital) des IFRS for SMEs. Vgl. Lutter (1993), S. 2441; Adler/Düring/Schmaltz (2007a), § 246 HGB, Rn. 80. Vgl. IDW RS HFA 7, Rn. 14; Scheffler (2006), S. 25; Berger/Grünewald/Kolb (2005), S. 83.
10 Eigenkapital
207
Das Kriterium der Verlustteilnahme gewährleistet, dass Verluste des Unternehmens zunächst mit dem Eigenkapital zu verrechnen sind, bevor sie die Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger mindern. Die Verlustteilnahme ist unabdingbare Voraussetzung für die Klassifizierung als Eigenkapital. Sie wird durch das Qualifikationsmerkmal der Nachrangigkeit ergänzt. Nachrangigkeit bedeutet, dass die zur Verfügung gestellten Finanzierungsmittel im Insolvenz- oder Liquidationsfall erst ausgezahlt werden dürfen, nach dem die Ansprüche der vorrangigen Gläubiger der Gesellschaft befriedigt wurden. 1 Die Kriterien der Nachrangigkeit und der Verlustteilnahme sind eng miteinander verbunden, so dass sie als „Abgrenzungseinheit“ fungieren.2 Im Schrifttum wird zudem die Forderung nach Dauerhaftigkeit der gewährten Mittel als Voraussetzung der Eigenkapitalklassifizierung diskutiert.3 Die Dauerhaftigkeit ist indes nicht essentiell für die Klassifizierung als Eigenkapital.4 Ausreichend ist bereits eine längerfristige oder zeitlich unbestimmte Kapitalüberlassung. 5 Der Klassifizierung als Eigenkapital steht auch nicht entgegen, wenn die Gesellschafter Entnahmen oder Gewinnausschüttungen zu Lasten des Eigenkapitals jederzeit beschließen können.6 Darüber hinaus werden in der Rechtsprechung und im Schrifttum weitere Abgrenzungskriterien genannt, die für eine Klassifizierung als Eigenkapital und einen entsprechenden Bilanzausweis zwar nicht konstitutiv sind, jedoch als Indizien der Eigenkapitalqualität interpretiert werden können. In diesem Kontext sind die Gewinnabhängigkeit der Vergütung, die Einräumung von Mitwirkungs-, Kontroll- und Informationsrechten sowie die fehlende Vereinbarung von Sicherungsabreden anzuführen.7 Selbst klassische Finanzinstrumente erfüllen nicht sämtliche Kriterien, so dass sie sich oftmals nicht einer idealtypischen Eigen- oder Fremdkapitalposition zuordnen lassen. Über die bilanzielle Klassifizierung ist dann unter Berücksichtigung der vertraglichen Ausgestaltung im Einzelfall zu entscheiden. 8 Ausschlaggebend für eine Klassifizierung als Eigenkapital sind letztendlich die Verlustbeteiligung und die Nachrangigkeit der Kapitalüberlassung.9 Bei Personenhandelsgesellschaften wird das Eigenkapital grundsätzlich den einzelnen Gesellschaftern zugerechnet. Nach § 120 Abs. 2 HGB besitzt jeder Gesellschafter ein variables Kapitalkonto, auf welchem Einlagen, Entnahmen und anteilige Gewinne bzw. Verluste erfasst 1 2 3 4
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Vgl. Küting/Dürr (2005), S. 1530; Baetge/Brüggemann (2005), S. 2147. Vgl. Müller/Weller/Reinke (2008), S. 1110. Vgl. stellvertretend: Küting/Dürr (2005), S. 1530. Nach Auffassung vom HFA des IDW ist die Dauerhaftigkeit der Mittelüberlassung „keine notwendige Voraussetzung für die Qualifikation als Eigenkapital“. IDW RS HFA 7, Rn. 15. Auch Lutter lehnt die Dauerhaftigkeit als Abgrenzungskriterium ab. Vgl. Lutter (1993), S. 1446. Vgl. Scheffler (2006), S. 26. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2007a), § 246 HGB, Rn. 82f. Vgl. Müller/Weller/Reinke (2008), S. 1110. Im Zweifel hat ein Ausweis als Fremdkapital zu erfolgen. Vgl. Förschle/Hoffmann (2006), § 247 HGB, Rn. 160. So auch Lutter (1993), S. 2446.
208
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
werden. Abweichend von den gesetzlichen Vorgaben können gesellschaftsvertraglich weitere Kapitalkonten vereinbart werden. Bei der Offenen Handelsgesellschaft werden konstante und variable Kapitalkonten vielfach getrennt geführt. Das konstante Kapitalkonto enthält die Einlage. Auf dem bzw. den gesonderten Kapitalkonten werden die Kapitalbewegungen (Entnahmen, weitere Einlagen sowie anteilige Gewinne und Verluste) verbucht. Bei der Kommanditgesellschaft bildet das Kapitalkonto des Kommanditisten die bedungene Einlage ab. Ist die Kommanditeinlage voll geleistet, sind darüber hinausgehende Gewinnanteile als Verbindlichkeit auszuweisen (§ 167 Abs. 2 HGB). Für den Komplementär kann - wie in der Offenen Handelsgesellschaft - ein variables Kapitalkonto oder ein festes Konto in Verbindung mit einem variablen Konto geführt werden.1 10.1.2 Abbildung nach IFRS Der für die Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital maßgebliche IAS 32 wurde im Februar 2008 in überarbeiteter Version veröffentlicht. Nachfolgend wird zunächst ein Überblick über die bis zum 31. Dezember 2008 gültigen Regelungen des IAS 32 (rev. 2003) gegeben. Anschließend werden die neuen Vorschriften in IAS 32 (rev. 2008) vorgestellt. 10.1.2.1 Abbildung nach IAS 32 (rev. 2003) In den IFRS wird Eigenkapital als Residualgröße definiert, die nach Abzug der Schulden von den Vermögenswerten eines Unternehmens verbleibt (RK.49(c), IAS 32.11). Konkretisiert wird die Definition durch IAS 32.16, nach dem ein Finanzinstrument als Eigenkapital zu klassifizieren ist, wenn es weder eine Verpflichtung zur Übertragung von Zahlungsmitteln noch eine Verpflichtung zum Tausch von Finanzinstrumenten unter potenziell nachteiligen Bedingungen beinhaltet.2 Liegt eine solche Verpflichtung vor, ist die Einordnung als Fremdkapital verbindlich. IAS 32 stellt zur Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital nicht auf die Fähigkeit des Kapitals zur Verlustdeckung oder dessen Nachrangigkeit, sondern allein auf den Residualcharakter des Eigenkapitals ab, der sich aus der Negativabgrenzung zu finanziellen Verbindlichkeiten ergibt. Entscheidend ist für die Kapitalabgrenzung ausschließlich das Kriterium der potenziellen Zahlungsverpflichtung. Erfolgt eine Kapitalüberlassung mit vereinbarter Laufzeit oder besitzt der Kapitalgeber ein ordentliches Kündigungsrecht, das einen Abfindungsanspruch gegen das Unternehmen begründet, liegt stets eine finanzielle Verbindlichkeit vor, da sich der Emittent der Zahlungsverpflichtung nicht entziehen kann (IAS 32.17f.). Dabei ist unerheblich, ob die Rückzahlungsverpflichtung fest determiniert ist oder dem Inhaber des
1 2
Vgl. IDW RS HFA 7, Tz. 31 bis 49. IAS 32.16(b) formuliert darüber hinaus Bedingungen für den Fall, dass das Finanzinstrument in Eigenkapitalinstrumenten des Unternehmens erfüllt werden kann.
209
10 Eigenkapital
kündbaren Finanzinstruments ein Residualanspruch an den Vermögenswerten des Emittenten zusteht.1 Nach IFRS kommt es bei deutschen Personenhandelsgesellschaften regelmäßig zu einer Umqualifizierung des gesellschaftsrechtlichen Eigenkapitals in Fremdkapital,2 da der Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft über ein ordentliches gesetzliches Kündigungsrecht verfügt, das ihm nicht entzogen §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB).
Mit
werden kann (§ 723 Abs. 1 und 3 BGB;
Kündigung
steht
dem
Gesellschafter
nach
§ 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB i.V.m. § 738 BGB eine Abfindung zu, die eine Zahlungsverpflichtung des Unternehmens auslöst.3 Nach den dispositiven Vorschriften des § 738 Abs. 1 BGB hat die Abfindung in Höhe des anteiligen Unternehmenswertes zu erfolgen. Begrenzt werden kann der Abfindungsanspruch durch die Fixierung von Abfindungsklauseln im Gesellschaftsvertrag.4 Die gesellschaftsvertraglichen Regelungen unterliegen jedoch einer gerichtlichen Angemessenheitskontrolle, welche die Abfindung im Falle eines groben Missverhältnisses zwischen vereinbarter Abfindung und Unternehmenswert korrigiert. Die Rechtsprechung der vergangenen Jahre zeigt, dass die Wirksamkeit gesellschaftsvertraglich verkürzter Abfindungsansprüche in höchstem Maße unsicher ist. Für die Ermittlung des Abfindungsanspruchs dürfte deshalb der Unternehmenswert oder gegebenenfalls ein Wert zwischen Buch- und Unternehmenswert maßgeblich sein.5 Die Bewertung der Abfindungsverpflichtung erfolgt beim erstmaligen Ansatz mit dem Barwert der Verpflichtung (IAS 32.23), dessen Höhe in der Regel nur mit Hilfe des DiscountedCash-Flow-Verfahrens ermittelbar ist (IAS 39AG74).6 Auf eine Diskontierung kann verzichtet werden, da die Kündigung bei Gesellschaften, die auf unbestimmte Zeit eingegangen worden sind, jederzeit möglich ist; bei der OHG zum Ende des Geschäftsjahres mit einer Frist von sechs Monaten (§ 723 Abs. 1 BGB i.V.m. § 132 HGB).7 Gewinne und Verluste aus Wertänderungen des Abfindungsanspruchs sind in den Folgeperioden erfolgswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen (IAS 32.41).8 1
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6 7 8
Dies gilt nach IAS 32.25 auch, wenn die Zahlungspflicht von zukünftigen Ereignissen abhängt, deren Eintritt außerhalb des Einflussbereiches von Emittent und Inhaber liegt (bspw. Änderung von Indices, Zinsen oder dem Periodenergebnis). Vgl. Hennrichs et al. (2007), S. 61 m.w.N. Der Abfindungsanspruch besteht gegenüber den verbleibenden Gesellschaftern. Erfüllen die Gesellschafter den Anspruch nicht, hat die Gesellschaft für die Verpflichtung einzutreten. Vgl. Bömelburg/Landgraf/Luce (2008), S. 143. In Frage kommen z.B. Buchwertklauseln, nach denen der ausscheidende Gesellschafter von der Teilhabe an den stillen Reserven der Gesellschaft ausgeschlossen wird. Ausführlich hierzu: Hennrichs et al. (2007), S. 63-66. Nach Lüdenbach/Hoffmann stellt die „Buchwertabfindung […] die absolute Ausnahme dar“. Lüdenbach/Hoffmann (2004c), S. 1042. Dies bestätigend: Schildbach (2006a), S. 328f. Vgl. Löw/Antonakopoulos (2008), S. 263; Küting/Wirth/Dürr (2006), S. 73. Vgl. Löw/Antonakopoulos (2008), S. 263. Vgl. Schildbach (2006a), S. 329; Berger/Grünewald/Kolb (2005), S. 85.
210
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
10.1.2.2 Abbildung nach IAS 32 (rev. 2008) In der überarbeiteten Fassung des IAS 32 wird die aktuell anzuwendende Konzeption zur Kapitalabgrenzung in ihren Grundsätzen unverändert übernommen. Bislang als Eigenkapital zu klassifizierende Finanzinstrumente stellen auch nach IAS 32 (rev. 2008) Eigenkapital dar. Kündbare Finanzinstrumente sind weiterhin grundsätzlich als finanzielle Verbindlichkeiten zu klassifizieren.1 Im Gegensatz zur bisherigen Version des Standards sieht IAS 32 (rev. 2008) Ausnahmen von der Abgrenzungsregel vor, die einen Eigenkapitalausweis von kündbaren Finanzinstrumenten und Finanzinstrumenten mit Anspruch auf das anteilige Nettovermögen im Liquidationsfall erlauben (IAS 32.16 (rev. 2008)).2 Die entsprechenden Ausnahmen beziehen sich ausschließlich auf die bilanzielle Behandlung. Die Definition finanzieller Verbindlichkeiten wird nicht modifiziert.3 Voraussetzung für die Qualifizierung kündbarer Finanzinstrumente als Eigenkapital ist die kumulative Erfüllung der nachfolgenden Kriterien (IAS 32.16A bis IAS 32.16B):4 -
der Inhaber verfügt über einen beteiligungsproportionalen Anspruch am Nettovermögen des Unternehmens im Liquidationsfall,
-
das Instrument ist der nachrangigsten Klasse von Instrumenten zugehörig,
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die Instrumente in der nachrangigsten Klasse weisen identische Merkmale auf, das heißt,
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das Instrument beinhaltet keine weiteren vertraglichen Zahlungsverpflichtungen,5
-
die dem Instrument zurechenbaren Cash Flows beruhen substanziell auf dem Jahresergeb-
sie sind alle kündbar und ihre Wertermittlung folgt der gleichen Berechnungsmethodik,
nis, Nettovermögensänderungen oder der Änderung des Unternehmenswerts,6 -
darüber hinaus darf der Emittent keine weiteren Finanzinstrumente oder Verträge abgeschlossen haben, deren Cash Flows substanziell auf dem Jahresergebnis, Nettovermögensänderungen oder der Änderung des Unternehmenswertes beruhen. Dies soll verhin-
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5
6
Vgl. Schmidt (2008b), S. 434; Müller/Weller/Reinke (2008), S. 1113. Im Hinblick auf den hier diskutierten Problemkreis werden nachfolgend ausschließlich die Regelungen dargestellt, die kündbare Finanzinstrumente betreffen. Ebenso Petersen/Zwirner (2008a), S. 1063. Die Bildung von Analogien ist dementsprechend untersagt (IAS 32.11, 16, 96B (rev. 2008)). Kündbare Instrumente liegen auch vor, wenn Finanzinstrumente infolge eines unsicheren zukünftigen Ereignisses oder dem Tod bzw. Rücktritt eines Inhabers automatisch an den Emittenten zurückfallen. Vgl. Schmidt (2008b), S. 435. Eine Zahlungsverpflichtung, die aus der gleichzeitigen Stellung des Gesellschafters als Arbeitnehmer resultiert, ist unschädlich, sofern die Verträge marktüblichen Konditionen entsprechen. Vgl. Bömelburg/Landgraf/Luce (2008), S. 146. Ab welcher Korrelation die Voraussetzung erfüllt ist, bleibt unklar. Es ist aber davon auszugehen, dass eine deutlich über 50% liegende Korrelation gegeben sein muss. Vgl. Schmidt (2008b), S. 436.
10 Eigenkapital
211
dern, dass der residuale Anspruch des kündbaren Instruments durch andere Finanzinstrumente oder Verträge „abgeschöpft“ und so begrenzt oder fixiert wird.1 Im Regelfall dürften die Modifikationen des IAS 32 (rev. 2008) zu einem Eigenkapitalausweis der kündbaren Gesellschaftereinlagen bei Personenhandelsgesellschaften führen.2 In Bezug auf die GmbH & Co. KG stellt IAS 32.AG14G klar, dass die Haftungsvergütung für die als Komplementär fungierende GmbH gesondert von etwaigen Zahlungszuflüssen zu sehen ist, die aus der gleichzeitigen Stellung der GmbH als Anteilseigner resultieren können. Demnach gelten auch für die GmbH & Co. KG sämtliche Bedingungen eines Eigenkapitalausweises als erfüllt.3 Sofern eine Gesellschaft Finanzinstrumente gemäß den Ausnahmeregelungen als Eigenkapital bilanziert, hat es die spezifischen Angabepflichten des IAS 1.136A (rev. 2008) zu beachten. Hiernach sind unter anderem der voraussichtliche Rückzahlungsbetrag der kündbaren Instrumente und die der Bewertung zu Grunde liegenden Annahmen anzugeben. 10.2
Würdigung der bilanziellen Abbildung
Der Kapitalabgrenzung kommt aus Sicht der bilanzierenden Unternehmen und ihrer Adressaten erhebliche Bedeutung zu. Zum einen hat das Eigenkapital als wesentliche Determinante der Kreditwürdigkeit entscheidenden Einfluss auf die Kreditkonditionen und den Zugang zu Fremdkapital.4 Zum anderen wirkt sich die Abgrenzung des Kapitals direkt auf die Ertragslage aus, da Zahlungen aus Fremdkapitalinstrumenten aufwandswirksam erfasst werden, während Zahlungen aus Eigenkapitalinstrumenten unter Gewinnverwendung fallen und erfolgsneutral mit dem Eigenkapital zu verrechnen sind. Auch für die Folgebewertung hat die Klassifizierung des Kapitals Konsequenzen. Wertänderungen von Fremdkapitalinstrumenten sind in den Folgeperioden erfolgswirksam anzupassen. Eigenkapitalinstrumente werden unverändert in Höhe ihres erstmaligen Ansatzes folgebewertet (IAS 32.36). Entsprechend der Eigenkapitalabgrenzung des IAS 32 sind kündbare Inhaberanteile an Personenhandelsgesellschaften regelmäßig als Fremdkapital auszuweisen. Kapitaleinlagen der Gesellschafter von Kapitalgesellschaften stellen indes Eigenkapital dar. 5 Die Anforderungskriterien der Relevanz und Vergleichbarkeit verlangen eine rechtsformneutrale Kapitalabgrenzung, die nicht allein durch die formalrechtliche Ausgestaltung eines Finanzinstruments determiniert wird, sondern den wirtschaftlichen Gehalt des Eigenkapitals reflektiert. Eine divergie-
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2 3 4 5
Vgl. Schmidt (2008b), S. 438. Unschädlich für die Klassifizierung als Eigenkapital sind solche Verträge, die mit Dritten zu marktüblichen Konditionen vereinbart wurden. Ausführlich hierzu: Petersen/Zwirner (2008a), S. 1065; Baetge/Winkeljohann/Haenelt (2008), S. 1521. Vgl. Schmidt (2008b), S. 435. Vgl. Kapitel III 3.2. Vgl. Heintges/Härle (2005), S. 177.
212
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
rende bilanzielle Abbildung des gesellschaftsrechtlichen Eigenkapitals verschiedener Rechtsformen ist demnach nur gerechtfertigt, wenn die Kapitaleinlagen in ihrer wirtschaftlichen Qualität differieren. Eigenkapitalgeber unterscheiden sich von Fremdkapitalgebern dadurch, dass sie an den Chancen des Unternehmens partizipieren, aber auch die Risiken tragen.1 Eigenkapital kommt eine Funktion als „Verlustpuffer“ zu, da die Ansprüche der Eigenkapitalgeber gegenüber denen der Fremdkapitalgeber nachrangig sind. 2 Gerade für die Gläubiger als dominierende Adressatengruppe einer mittelstandsorientierten Rechnungslegung ist die Verlustausgleichsfunktion des Eigenkapitals von entscheidender Bedeutung, mindert sie doch ihr Kreditrisiko. Dabei ist es unerheblich, ob das Eigenkapital dem Unternehmen dauerhaft überlassen wird oder der Eigenkapitalgeber einen in der Zukunft liegenden Rückzahlungsanspruch hat. Entscheidend ist vielmehr, dass der Eigenkapitalgeber die bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens verursachten Risiken trägt und die Gläubiger nicht durch kurzfristige Rückforderung des Eigenkapitals schädigen kann.3 Vergleicht man die ökonomische Funktion des jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Eigenkapitals, so werden zwischen dem Eigenkapital von Personenhandelsgesellschaften und dem anderer Rechtsformen kaum Unterschiede deutlich. 4 Auch bei Personenhandelsgesellschaften sind die Ansprüche der Eigenkapitalgeber nachrangig. Hinsichtlich des Rückzahlungspotenzials von Gesellschaftervermögen an die Anteilseigner sind Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften gleich einzustufen. Warum bei Kapitalgesellschaften eine Kapitalherabsetzung oder Ausschüttung erst im Zeitpunkt ihrer Ausübung zum Fremdkapitalausweis führt, das Abfindungsrecht bei Personenhandelsgesellschaften bereits vor seiner Ausübung einen Ausweis als Fremdkapital bedingt, ist ökonomisch nicht begründbar. 5 Dies gilt in besonderem Maße, wenn die Kapitalrückzahlung durch Auflagen zugunsten der Gläubiger begrenzt ist.6 Aus diesem Grund werden die Kapitalkonten der Gesellschafter im Rahmen eines Ratings stets dem Eigenkapital zugerechnet. 7 Die Kapitalabgrenzung nach IAS 32, die sich ausschließlich auf die Zahlungsverpflichtung als Abgrenzungskriterium stützt, lässt die rechtliche und ökonomische Funktion des überlassenen Kapitals außer Acht. Die divergierende bilanzielle Abbildung ökonomisch vergleichbarer Sachverhalte ist mit der Forderung nach In-
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6 7
Vgl. Baetge et al. (2006), S. 2134. Scheffler (2006), S. 3. ebenso Petersen/Zwirner (2008a), S. 1062; Pawelzik (2006b), S. 160. Vgl. Baetge et al. (2006), S. 2135; Pawelzik (2006b), S. 158. Im Falle zeitlich begrenzter Eigenkapitalinstrumente (z.B. Genussrechtskapital) ist eine Angabe der Restlaufzeit erforderlich, damit die Gläubiger diese in ihrer Entscheidung berücksichtigen können. Vgl. Lüdenbach/Hoffmann (2004c), S. 1044f.; Scheffler (2006), S. 64f. Vgl. Lüdenbach/Hoffmann (2004c), S. 1044f.; Hoffmann/Lüdenbach (2005a), S. 409; Pawelzik (2006b), S. 155. So auch die Kritik im Field Test zum ED-IFRS for SMEs, vgl. DRSC/BDI/PwC (2008), S. 16. Vgl. Scheffler (2006), S. 64. Vgl. Guthoff (2006), S. 184f.
10 Eigenkapital
213
formationsrelevanz nicht vereinbar und verhindert eine rechtsformübergreifende zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit. Bereits bei wirksamen Buchwertklauseln sind Personenhandelsgesellschaften gezwungen, ihr handelsrechtliches Eigenkapital nach IAS 32 vollständig als Fremdkapital umzuqualifizieren.1 Bemisst sich die Höhe der Abfindung am anteiligen Unternehmenswert, entsteht sogar ein negatives Eigenkapital, das ökonomisch einem passivisch ausgewiesenen originären Goodwill inklusive stiller Reserven entspricht.2 Ohne eine Reklassifizierung des Fremdkapitals in Eigenkapital wäre die Finanzlage eines Unternehmens nicht interpretierbar. Unternehmen wären regelmäßig bilanziell überschuldet. Dadurch, dass die gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen zur Abfindung die Höhe des zu bilanzierenden Fremdkapitals beeinflussen, wird zudem die zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit bei Unternehmen derselben Rechtsform erschwert. Aus dem Ausweis des Abfindungsanspruchs als Fremdkapital folgt, dass bei einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens die damit einhergehende Steigerung des Unternehmenswerts gleichzeitig zu einer Erhöhung des als Verbindlichkeit dargestellten Abfindungsanspruchs der Gesellschafter führt, welche sich in der Gewinn- und Verlustrechnung als Aufwand niederschlägt. In der Konsequenz ist die Abbildung der Unternehmenslage in Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung desto negativer, je positiver die Unternehmensentwicklung ist.3 Selbst das IASB bezeichnet dies als „apparently anomalous“.4 Die Vorschriften der IFRS verfehlen die Anforderungskriterien der Relevanz und Vergleichbarkeit. Dementsprechend erübrigt sich die weitere Analyse der Objektivität, Verständlichkeit und Wirtschaftlichkeit der Normen. Gleichwohl ist es evident, dass die vorgestellten Regelungen für die Rechnungslegungsadressaten kaum verständlich sein dürften. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Kapitalgesellschaften Eigenkapital ausweisen, Personengesellschaften hingegen ausschließlich über Fremdkapital verfügen. Ebenso verwirrend ist, dass eine gute Unternehmensentwicklung einen Anstieg der Schulden verursacht. Insgesamt überrascht es nicht, dass die Kapitalabgrenzungskonzeption des IAS 32 in Deutschland nahezu einhellig abgelehnt wird.5 Auch das IASB kommt zu dem Ergebnis, dass durch die Eigenkapitalabgrenzung des IAS 32 unter Umständen ein „lack of relevance and understandability“ entstehen kann (IAS 32 BC51).
1 2 3 4 5
Vgl. Schildbach (2006a), S. 331. Vgl. Löw/Antonakopoulos (2008), S. 263. Vgl. Wiedmann/Beiersdorf/Schmidt (2007), S. 336; Hoffmann/Lüdenbach (2006b), S. 1797. IASB (2004b), S. 2. Küting/Dürr bezeichnen die Eigenkapitalabgrenzung nach IAS 32 als „widersinnig und betriebswirtschaftlich nicht zielführend“. Schildbach erkennt in der Abgrenzungskonzeption „form without any substance“ und Scheffler kommt zu dem Ergebnis, dass IAS 32 entscheidungsrelevante Informationen „vernebelt“. Küting/Dürr (2005), S. 1530; Schildbach (2006a), S. 337; Scheffler (2006), S. 46.
214
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
Um das „lack of relevance and understandability“ zu schließen, ringt das IASB seit Jahren um eine Überarbeitung der Konzeption zur Kapitalabgrenzung. Die im neuen IAS 32 (rev. 2008) eingefügte Ausnahmeregelung dürfte im Regelfall zu einem Eigenkapitalausweis der kündbaren Gesellschaftereinlagen bei Personenhandelsgesellschaften führen.1 Die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung ist jedoch an die Erfüllung eines umfassenden Kriterienkatalogs gebunden, durch den die Regelungen komplex und wenig praktikabel werden. Die Kriterien erweisen sich zum Teil als überflüssig oder nicht sachgerecht. So ist abzulehnen, dass ein Finanzinstrument für den Ausweis als Eigenkapital zwingend der nachrangigsten Klasse von Instrumenten angehören muss und sämtliche Instrumente in der nachrangigsten Klasse identische Merkmale aufweisen müssen. Dies verhindert einen Eigenkapitalausweis, wenn eine Gesellschaft mit kündbaren Anteilen gleichzeitig nicht kündbare Instrumente besitzt (z.B. ewig laufendes Mezzanine-Kapital), die ebenfalls der nachrangigsten Klasse von Instrumenten zugeordnet sind. Dabei ist es aus ökonomischer Perspektive unerheblich, ob die Instrumente der nachrangigsten Klasse angehören oder ob sie kündbar sind. Wie die obige Analyse der wirtschaftlichen Funktion des Eigenkapitals zeigt, ist es ausreichend, wenn die Eigenkapitalinstrumente gegenüber den Gläubigeransprüchen nachrangig sind und dem Unternehmen nicht willkürlich gläubigerschädigend entzogen werden können. Somit kann es nach den Vorschriften des neuen IAS 32 zu Fällen kommen, in denen wirtschaftliches Eigenkapital als Fremdkapital zu klassifizieren ist. Auch die zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit ist nicht sichergestellt. Die Konkretisierung der Ausnahmeregelungen ist durch Verweise auf Üblichkeiten und marktübliche Drittvergleiche gekennzeichnet, wodurch sich Ermessensspielräume ergeben, die der Objektivität und zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit entgegenstehen. Nach IAS 32 (rev. 2003) waren Personenhandelsgesellschaften aufgrund der pflichtgemäßen Bilanzierung des Abfindungsanspruchs als Verbindlichkeit in der Regel zu einer Unternehmensbewertung gezwungen. Auch nach IAS 32 (rev. 2008) sind die Unternehmen nicht von der Ermittlung des Unternehmenswertes befreit. Die neuen und erweiterten Angabepflichten sehen einen Ausweis der potenziellen Rückzahlungsverpflichtung im Anhang vor. Da es sich um eine Information handelt, die im Anhang publiziert wird und nicht Bestandteil der Bilanz oder Gewinn- und Verlustrechnung ist, kann eine Ablehnung allein durch Verweis auf die mit einer Unternehmensbewertung einhergehende Subjektivität und Schätzungsunsicherheit nicht begründet werden.2 Gleichwohl sollte im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeitsrestriktion hin-
1 2
Vgl. Kapitel V 10.1.2.3. Die mangelhafte Objektivität der in Frage kommenden finanzmathematischen Verfahren wurde bereits an früherer Stelle belegt. Vgl. Kapitel V 8.2.
10 Eigenkapital
215
terfragt werden, ob der Nutzen einer solch subjektiven und unsicheren Information den hohen Aufwand rechtfertigt, der mit ihrer Ermittlung in der Praxis verbunden ist.1 Insgesamt stellt die überarbeitete Fassung des IAS 32 einen Schritt in die richtige Richtung dar, weil sie die aus der Eigenkapitalabgrenzung des IAS 32 folgenden Anomalien zumindest in Teilen korrigiert. Leider konzentriert sich das IASB nur darauf, die Symptome zu kurieren, anstatt ihre Ursache zu beheben. Die kasuistischen Ausnahmeregelungen dienen als pragmatische Übergangslösung. Sie dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass die Kapitalabgrenzung nach IAS 32 nach wie vor konzeptionelle Schwächen aufweist, die es zu beseitigen gilt. Nur eine konsequente Reform, die den Ausweis des Eigenkapitals am ökonomischen Gehalt der Kapitalüberlassung orientiert, kann langfristig Abhilfe schaffen. Erforderlich ist eine Abgrenzungskonzeption mit möglichst wenigen, aber aussagekräftigen Kriterien, die eine leichte Operationalisierbarkeit gewährleistet und im Wesentlichen auf Drittvergleiche verzichtet. Das deutsche Bilanzrecht verfügt mit den durch die Rechtsprechung und Auslegung konkretisierten Kriterien der Verlusttragung und Nachrangigkeit über eine Abgrenzungskonzeption, die dieses Anforderungsprofil weitgehend erfüllt. Das IASB strebt eine endgültige Lösung der aufgezeigten Probleme langfristig im Rahmen des Gemeinschaftsprojektes mit dem amerikanischen Financial Accounting Standard Board (FASB) an.2 Dass das IASB selbst erhebliche Defizite in der aktuellen Kapitalabgrenzung des IAS 32 sieht, belegt die Tatsache, dass es obgleich der überarbeiteten Regelungen des IAS 32 (rev. 2008) weiterhin an einer Verbesserung der Klassifikationskriterien arbeitet. Im Februar 2008 hat das IASB der Öffentlichkeit das Diskussionspapier „Financial Instrument with Characteristics of Equity“ zur Kommentierung vorgelegt.3 Bereits im Januar 2008 publizierte das DRSC gemeinsam mit anderen europäischen Standardsettern und der EFRAG das Diskussionspapier „Distinguishing between liabilities and equity“, welches als Alternativvorschlag zur Eigenkapitalabgrenzung der IFRS dienen soll.4 Das Diskussionspapier präferiert die Verlustteilnahme als alleiniges Abgrenzungskriterium (Loss Absorption Approach), wodurch es große Ähnlichkeit zum tradierten Eigenkapitalbegriff des deutschen Bilanzrechts aufweist. Das im Diskussionspapier betonte Verständnis von Eigenkapital als Risikokapital gewährleistet eine an der ökonomischen Funktion des Eigenkapitals ausgerichtete Kapitalabgrenzung. Der Loss Absorption Approach könnte eine rechtsformneutrale und sachgerechte Lösung darstellen.
1 2 3 4
So auch: Baetge/Winkeljohann/Haenelt (2008), S. 1521f. Vgl. Bömelburg/Landgraf/Luce (2008), S. 148. Das Diskussionspapier ist unter http://www.iasb.org abrufbar. Das Diskussionspapier ist unter http://www.drsc.de abrufbar.
216
10.3
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
Zusammenfassung und Empfehlungen
Die nachfolgende Übersicht bietet eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der vergleichenden Würdigung der bilanziellen Abbildung des Eigenkapitals. Bilanzielle Abbildung des Eigenkapitals Würdigung Die Kapitalabgrenzung nach IAS 32 stützt sich ausschließlich auf die Zahlungsverpflichtung als Abgrenzungskriterium. Die IFRS lassen die ökonomische Funktion des Eigenkapitals außer Acht, so dass wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte bilanziell abweichend behandelt werden. Sie verstoßen gegen die Anforderungskriterien der Relevanz und Vergleichbarkeit. Insbesondere die Folgebewertung führt zu einer mitunter paradoxen bilanziellen Darstellung, welche die Eignung der vermittelten Informationen für Prognose- und Kontrollzwecke in erheblichem Ausmaß beeinträchtigt. Die überarbeitete Fassung des IAS 32 versucht die Schwächen durch die Implementierung von Ausnahmenregelungen zu korrigieren. Gleichwohl verbleiben Kritikpunkte. Die handelsrechtlichen Abgrenzungskriterien der Verlustteilnahme und Nachrangigkeit gewährleisten eine an der ökonomischen Funktion des Eigenkapitals ausgerichtete Kapitalabgrenzung und führen zu einer sachgerechten Abbildung in Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung. Gesamturteil Die Vorschriften des nationalen Bilanzrechts sind den internationalen Rechnungslegungsstandards deutlich überlegen. Leider hat das IASB die Chance nicht genutzt, die aus Perspektive des deutschen Mittelstands erheblichen Schwächen in der Kapitalabgrenzung im Rahmen des SME-Projektes zu beheben. Es hat die Vorschriften der originären IFRS unverändert übernommen. Empfehlung Eine mittelstandsorientierte Kapitalabgrenzungskonzeption sollte mit wenigen, aussagekräftigen Kriterien zu einem rechtsformneutralen, den ökonomischen Gehalt des überlassenen Kapitals reflektierenden Bilanzausweis führen. Vor dem Hintergrund des mittelständischen Adressatenkreises ist eine an der Verlustausgleichsfunktion des Eigenkapitals orientierte Abgrenzung zu empfehlen. Die aktuellen Bemühungen des IASB und FASB zur Weiterentwicklung ihrer Kapitalabgrenzungskonzeptionen sind zu begrüßen. Von deutscher Seite ist angeraten, weiterhin intensiv auf die Standardsetter einzuwirken. Eine besondere Stellung in der Diskussion kann dem vom DRSC unterstützten Loss Absorption Approach zukommen. Tabelle 16: Würdigung der bilanziellen Abbildung des Eigenkapitals
217
11 Rückstellungen
11
Rückstellungen
11.1
Unterschiede in der bilanziellen Abbildung
Unterschiede in der bilanziellen Abbildung von Rückstellungen ergeben sich zwischen HGB und IFRS sowie zwischen HGB und BilMoG. Die Vorschriften der originären IFRS stimmen mit denen des IFRS for SMEs überein.1 Die bilanzielle Abbildung von Pensionsrückstellungen wird in einem gesonderten Kapitel dargestellt und gewürdigt. 11.1.1 Abbildung nach IFRS und HGB Die Rechnungslegungsnormen des internationalen und des deutschen Bilanzrechts weichen sowohl auf Ebene des Ansatzes als auch der Bewertung voneinander ab. ƒAufwandsrückstellungen In der internationalen Rechnungslegung sind Rückstellungen zu passivieren, wenn die in IAS 37.14 kodifizierten Ansatzkriterien kumulativ erfüllt sind. Die Ansatzkriterien entsprechen den an früherer Stelle dargestellten, im Rahmenkonzept enthaltenen, Kriterien zur abstrakten Passivierungsfähigkeit.2 Wie die Analyse der Vorschriften zur abstrakten Passivierungsfähigkeit gezeigt hat, sind sowohl nach IFRS als auch nach HGB ausschließlich Außenverpflichtungen, also faktische oder rechtliche Verpflichtungen gegenüber Dritten, abstrakt passivierungsfähig. Beide Regelwerke führen somit zu einem weitgehend übereinstimmenden Rückstellungsansatz.3 Erhebliche Unterschiede entstehen durch die konkreten Passivierungsvorschriften des deutschen Handelsrechts, nach denen, zusätzlich zu den abstrakt passivierungsfähigen Rückstellungen für Außenverpflichtungen, auch die Bildung
von
Aufwandsrückstellungen
gestattet
bzw.
vorgeschrieben
ist.
Aufwandsrückstellungen liegen weder faktische noch rechtliche Verpflichtungen gegenüber Dritten zu Grunde.4 Sie stellen als Innenverpflichtung eine „Verpflichtung des Bilanzierenden gegenüber sich selbst“ dar.5
1
2 3
4 5
Die Vorschriften des IAS 37 (Rückstellungen, Eventualschulden und Eventualforderungen) finden ihre Entsprechung in Abschnitt 20 (Rückstellungen und Eventualposten) des IFRS for SMEs. Vgl. Kapitel II 2.2.1.2. So auch Wolz (2005), S. 193. Mit Einschränkungen kann der Umfang der nach deutschem Handelsrecht passivierten Rückstellungen den nach IFRS überschreiten. In beiden Regelwerken erfordert die Passivierung einer Rückstellung, dass die aus der Verpflichtung resultierende wirtschaftliche Belastung hinreichend wahrscheinlich ist. Nach IAS 37.23 liegt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit vor, wenn „mehr dafür als dagegen spricht“. Nach herrschender Meinung trifft diese Auslegung des Wahrscheinlichkeitsbegriffs auch auf das nationale Bilanzrecht zu. Mitunter wird die Auffassung vertreten, dass eine bereits deutlich unter 50% liegende Wahrscheinlichkeit für den Ansatz einer Rückstellung ausreichend ist. Die Diskussion besitzt jedoch eher theoretischen Charakter, da sich ein Wahrscheinlichkeitsurteil im Rückstellungsbereich ohnehin nicht derart exakt quantifizieren lässt. Vgl. Kapitel II 2.2.21.2. Vgl. Küting (2008), S. 1332. Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 413; ähnlich: Adler/Düring/Schmaltz (2007a), § 249 HGB, Rn. 188.
218
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
Das Handelsrecht kennt mit den Rückstellungen für Instandhaltungen, Abraumbeseitigung und
für
ihrer
Eigenart
nach
exakt
fixierte
Aufwendungen
drei
Arten
von
Aufwandsrückstellungen. Für unterlassene Instandhaltungsaufwendungen, die im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres nachgeholt werden, besteht eine Rückstellungspflicht (§ 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB).1
Aufwendungen
für
unterlassene
Instandhaltungs-
maßnahmen, die nach dem ersten Quartal, aber innerhalb des folgenden Geschäftsjahres realisiert werden, dürfen gemäß § 249 Abs. 1 Satz 3 HGB angesetzt werden. Darüber hinaus ist es zulässig, ihrer Eigenart nach genau umschriebene Aufwendungen, die dem Geschäftsjahr oder einem früheren Geschäftsjahr zuzuordnen und am Abschlussstichtag wahrscheinlich oder sicher, aber hinsichtlich ihrer Höhe oder des Zeitpunkts ihres Eintritts unbestimmt sind, nach § 249 Abs. 2 HGB bilanziell als Rückstellung zu erfassen. Hierunter können auch Aufwendungen für Instandhaltungsmaßnahmen fallen, welche die zeitliche Befristung des § 249 Abs. 1 Satz 3 HGB überschreiten.2 In den IFRS ist die Passivierung von Aufwandsrückstellungen explizit untersagt (IAS 37.63). Aufwendungen für künftige unternehmerische Tätigkeiten können nach IFRS keine Rückstellung begründen. Zur Bildung einer Rückstellung werden nur Verpflichtungen gegenüber unternehmensexternen Parteien anerkannt, die aus vergangenen Ereignissen resultieren und unabhängig von der künftigen Geschäftstätigkeit bestehen (IAS 37.18 bis IAS 37.20).3 ƒAbzinsung und künftige Preisentwicklung Entgegen den handelsrechtlichen Bilanzierungsnormen, nach denen eine Diskontierung der Rückstellungen grundsätzlich untersagt ist (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB),4 sind Rückstellungen gemäß IAS 37.45 zwingend mit dem Barwert anzusetzen, sofern der Zinseffekt wesentlich ist.5 Als Zinssatz ist ein laufzeitkongruenter Marktzins vor Steuern zu wählen (IAS 37.47). Die diskontierten Rückstellungen erfahren im Zeitablauf durch die Aufzinsung eine periodische Erhöhung des Barwertes, die als Zinsaufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung auszuweisen ist (IAS 37.60).
1
2 3
4
5
Gleiches gilt für unterlassene Abraumbeseitigung, die im nachfolgenden Geschäftsjahr durchgeführt wird (§ 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB). Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2007a), § 249 HGB, Rn. 196. Eine Ausnahme hiervon stellen unter Umständen Rückstellungen für Restrukturierungsmaßnahmen dar (IAS 37.70 bis IAS 37.83), deren Bildung jedoch sehr restriktiven Voraussetzungen unterworfen ist (IAS 37.72). Siehe hierzu: Matena (2007), S. 5-8; kritisch äußern sich: Schildbach (2002c), S. 791-797; Lüdenbach/Hoffmann (2005), S. 2344-2349. Rückstellungen dürfen im Ausnahmefall abgezinst werden, wenn die ihnen zu Grunde liegenden Verbindlichkeiten einen Zinsanteil enthalten (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB). Im Regelfall dürfte eine Abzinsung erforderlich sein, sobald die Rückstellungen eine Laufzeit von einem Jahr überschreiten. Vgl. Pellens et al. (2008), S. 424.
11 Rückstellungen
219
Darüber hinaus sind zukünftige Ereignisse, welche die Verpflichtungshöhe beeinflussen, gemäß IAS 37.48 in die Bewertung einzubeziehen, falls ihr Eintritt durch objektive Hinweise belegt werden kann. Ob bzw. inwieweit künftige Preisentwicklungen bei der Bemessung des Rückstellungsbetrages nach deutschem Recht zu beachten sind, ist strittig. Nach herrschender Meinung sind die voraussichtlichen Preisverhältnisse im Erfüllungszeitpunkt maßgeblich.1 11.1.2 Abbildung nach BilMoG Die handelsrechtliche Rechnungslegung erfährt durch die Novellierung sowohl im Ansatz als auch in der Bewertung von Rückstellungen erhebliche Änderungen. ƒAufwandsrückstellungen Durch die Aufhebung des § 249 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 HGB gilt zukünftig ein generelles Ansatzverbot für die fakultativen Aufwandsrückstellungen. Die Passivierungspflicht des § 249 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB für unterlassene Instandhaltungsaufwendungen, die innerhalb von drei Monaten nach Bilanzstichtag nachgeholt werden, bleibt hiervon unberührt. ƒAbzinsung und künftige Preisentwicklung Im Bereich der Rückstellungsbewertung sind die Anpassungen nicht minder umfangreich. Nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB-E sind Rückstellungen zukünftig in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrags zu bewerten. Mit der Verwendung des Begriffs „Erfüllungsbetrag“ beabsichtigt der Gesetzgeber klarzustellen, dass für die Bewertung von Rückstellungen die Verhältnisse zum Erfüllungszeitpunkt maßgeblich sind, das heißt künftige Preissteigerungen in die Bewertung einzubeziehen sind. 2 Die Annahmen bezüglich der Preisentwicklung sind mittels objektiver Hinweise zu rechtfertigen. Die Implikationen der Klarstellungen entsprechen der herrschenden Meinung zum geltenden Handelsrecht.3 Der Berücksichtigung der Preis- und Kostentrends kommt vor dem Hintergrund des gleichzeitig in § 253 Abs. 2 HGB-E eingeführten Gebots zur Abzinsung der Rückstellungen besondere Bedeutung zu, da ansonsten eine Unterdotierung der Rückstellungen droht. Nach Maßgabe des neuen § 253 Abs. 2 HGB-E sind alle Rückstellungen zu diskontieren, die eine Restlaufzeit von mehr als einem Jahr aufweisen. Zur Abzinsung ist der durchschnittliche Marktzinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre, unter Beachtung der jeweiligen Restlaufzeit der Rückstellung, heranzuziehen. Die entsprechenden Zinssätze werden
1 2 3
Vgl. Hoyos/Ring (2006), § 253 HGB, Rn. 160; Schulze-Osterloh (2003), S. 352 m.w.N. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu §§ 253 und 254 HGB. Vgl. Kapitel V 11.1.1.
220
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
monatlich von der Deutschen Bundesbank ermittelt und publiziert (§ 253 Abs. 2 Satz 5 HGBE).1 Grundlage sind Null-Koupon-Zinsswaps.2 Um die bereits bei der Würdigung der Finanzinstrumente beschriebene Gefahr eines reziprok zur Bonität verlaufenden Erfolgsausweises zu verhindern, ist die Berücksichtigung des individuellen Bonitätsrisikos des bilanzierenden Unternehmens untersagt.3 Erträge und Aufwendungen aus der Abzinsung sind - wie nach IFRS in der Gewinn- und Verlustrechnung gesondert unter dem Posten „Sonstige Zinsen und ähnliche
Erträge“
bzw.
„Zinsen
und
ähnliche
Aufwendungen“
auszuweisen
(§ 253 Abs. 2 Satz 4 HGB-E). Insgesamt führt die Novellierung des Handelsrechts zu einer Angleichung an die internationalen Rechnungslegungsnormen. Durch die handelsrechtliche Passivierungspflicht von Instandhaltungsaufwendungen, die innerhalb des ersten Quartals des Folgejahres nachgeholt werden und durch die unterschiedliche Ermittlung der Zinssätze zur Diskontierung der Rückstellungen, verbleiben gleichwohl Unterschiede. 11.2
Würdigung der bilanziellen Abbildung
ƒAufwandsrückstellungen Aufwandsrückstellungen sollen der periodengerechten Erfolgsermittlung dienen, indem sie den Erträgen des Geschäftsjahres die zu ihrer Erzielung erforderlichen, aber noch nicht getätigten Ausgaben, als Aufwand zuordnen.4 Mit Hilfe von Aufwandsrückstellungen können beispielsweise Aufwendungen für Instandhaltungsmaßnahmen auf diejenigen Perioden verteilt werden, in denen der Instandhaltungsbedarf durch den Einsatz des Vermögenswertes verursacht wurde.5 Die damit einhergehende „Egalisierung aperiodisch anfallender Aufwendungen“6 führt zu einer den ökonomischen Verhältnissen entsprechenden Gewinnglättung, welche die intertemporale Vergleichbarkeit der vermittelten Informationen und damit ihre Eignung für Prognose- und Kotrollzwecke erhöht. Diese auf den ersten Blick überzeugende Argumentationskette lässt einen entscheidenden Sachverhalt außer Acht. Das Unternehmen kann sich der vorgesehenen Instandhaltungsmaßnahme durch Planänderung zu späterem Zeitpunkt entziehen. Die Instandhaltung wird zum Planungszeitpunkt nicht deshalb durchgeführt, weil sie in der Vergangenheit geplant wurde, sondern weil sich der Bilanzierenden durch die Maßnahmen einen zukünftigen Nutzen erwartet. Seine Entscheidung bezieht sich entscheidungs1
2
3 4 5 6
Die Deutsche Bundesbank ermittelt die durchschnittlichen Zinssätze für ganzjährige Restlaufzeiten zwischen einem und fünfzig Jahren. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu §§ 253 und 254 HGB. In der Gesetzesbegründung wird angeführt, dass die Verwendung hochklassiger Industrieanleihen aufgrund des geringen Umlaufvolumens im langen Laufzeitbereich und die Verwendung von Anleihen der öffentlichen Hand wegen des mangelnden Ausfallrisikos nicht sachgerecht seien. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu §§ 253 und 254 HGB. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu §§ 253 und 254 HGB. Vgl. stellvertretend: Wolz (2005), S. 189. Vgl. Naumann (1989), S. 114-117; Hoyos/Ring (2006), § 249 HGB, Rn. 4.
221
11 Rückstellungen
logisch auf die Zukunft. Die Instandhaltungsaufwendungen alimentieren nicht Erträge der Vergangenheit, sondern zukünftige Erträge. 1 Durch die Bildung von Aufwandsrückstellungen kommt es zu einer Vorverlagerung von Aufwendungen, welche die periodengerechte Erfolgsermittlung konterkariert und die Relevanz der vermittelten Informationen beeinträchtigt. Darüber hinaus verschaffen Aufwandsrückstellungen den Bilanzierenden umfangreiche bilanzpolitische Gestaltungsspielräume, da abgesehen von den pflichtgemäß zu passivierenden Rückstellungen
für
Instandhaltungsmaßnahmen
und
Abraumbeseitigung
nach
§ 249 Abs. 1 Satz 2 HGB, im deutschen Handelsrecht für sämtliche Aufwandsrückstellungen ein Passivierungswahlrecht besteht. Über eine Ausübung des Wahlrechts kann für jeden Sachverhalt einzeln entschieden werden. Ein einheitliches Vorgehen ist nicht erforderlich. Auch ist keine periodenübergreifende Stetigkeit geboten. 2 Wurde die Bildung einer Aufwandsrückstellung in einem Geschäftsjahr unterlassen, kann sie zu späterem Zeitpunkt nachgeholt werden, unabhängig davon, welchem Geschäftsjahr die Aufwendungen zuzuordnen sind.3 Zusätzlich zu den Gestaltungsspielräumen, die sich durch das explizite Passivierungswahlrecht ergeben, erweitert sich der bilanzpolitische Spielraum dadurch, dass die Abgrenzung der Aufwandsrückstellungen gemäß § 249 Abs. 2 HGB an allgemeine, wenig restriktive Kriterien gebunden ist, welche die Subsumtion einer Vielzahl von Sachverhalten erlauben. Aufwandsrückstellungen lassen sich deshalb kaum von fiktiven Selbstverpflichtungen unterscheiden.4 Im Einzelfall ist nicht zu erkennen, ob sich die Rückstellung auf ein spezifisches Rückstellungsobjekt bezieht, oder ob sie eine „unzulässige allgemeine Vorsorge mit Rücklagecharakter“ darstellt.5 Durch das Passivierungswahlrecht in Verbindung mit den umfangreichen Ermessensspielräumen entsteht ein erhebliches Manipulationspotenzial. Der Ansatz von Aufwandsrückstellungen ist durch Dritte weder nachvollziehbar noch nachprüfbar. Das Passivierungswahlrecht als solches sowie die mangelhafte Objektivität beeinträchtigen die zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit. Gleichzeitig konterkarieren sie mit der intertemporalen Vergleichbarkeit das gewichtigste Argument für die Bildung von Aufwandsrückstellungen. Nicht nur beim Ansatz der Aufwandsrückstellungen, sondern auch im Rahmen ihrer Bewertung bestehen „massive (dem bilanzrechtlichen Objektivierungsprinzip widersprechende) Ermessensspielräume“.6 Die Zuführung zur Rückstellung darf vollständig oder sukzessive erfolgen. Sie kann sogar der Ergebnissituation angepasst und so gezielt zur Glättung des Jahresüberschusses eingesetzt werden.7 Zudem kann sich der Bilanzierende den zurückgestellten 1 2 3 4 5 6 7
Vgl. Siegel (1986), S. 842. Vgl. Veit (2002), S. 142; Adler/Düring/Schmaltz (2007a), § 249 HGB, Rn. 198, 217. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2007), § 249 HGB, Rn. 218. Vgl. Baetge/Kirsch (1995), Rn. 271. Hoyos/Ring (2006), § 249 HGB, Rn. 302. Rüdinger (2004), S. 44. Vgl. Rüdinger (2004), S. 164; Adler/Düring/Schmaltz (2007), § 249 HGB, Rn. 219 bis 221.
222
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
zukünftigen Belastungen durch entsprechende Planänderungen vollständig oder partiell entziehen.1 Die Ermessens- und Gestaltungsspielräume ermöglichen eine nahezu willkürliche Bildung stiller Reserven, die zu einem späteren Zeitpunkt - z.B. bei negativer Unternehmensentwicklung - ebenso willkürlich und damit gläubigerschädigend aufgelöst werden können. Aufwandsrückstellungen fehlt aufgrund ihres Charakters als Innenverpflichtung ein objektivierendes Element. Das Merkmal der Außenverpflichtung dürfte sowohl auf den Ansatz als auch die Bewertung stark objektivierend wirken. In einer mittelstandsorientierten Rechnungslegung sollte die Bilanzierung von Rückstellungen stets durch eine Leistungsverpflichtung gegenüber Dritten objektiviert werden. Sind Vermögenswerte aufgrund unterlassener Instandhaltungen in ihrem Wert gemindert, erscheint es sachgerechter, die Wertminderungen durch außerplanmäßige Abschreibungen abzubilden. Diese Vorgehensweise gewährt eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Darstellung der Vermögens- und Ertragslage.2 Die zwingende Zuordnung der Aufwendungen zu einem bestimmten Vermögenswert bewirkt eine Objektivierung. Der Bilanzierende kann sich dem verursachten Aufwand nicht durch Planänderungen entziehen. Es zu begrüßen, dass der Ansatz der fakultativen Aufwandsrückstellungen durch die Novellierung des Handelsrechts untersagt wird. Gleichwohl lässt der Gesetzgeber in seiner Entscheidung die notwenige Konsequenz vermissen. Das Passivierungsgebot für unterlassene Instandhaltungsmaßnahmen gemäß § 249 Abs. 1 Satz 2 HGB bleibt unverändert bestehen. Da es sich um ein Gebot zur Passivierung handelt, sind die bilanzpolitischen Gestaltungsspielräume im Vergleich zu den fakultativen Aufwandsrückstellungen einschränkt. Auch wird der Ansatz durch die (willkürliche) zeitliche Befristung der Nachholung und die Bindung an einen spezifischen Sachverhalt objektiviert. Gleichwohl ist die Relevanz von Aufwandsrückstellungen generell fraglich und sind die für Innenverpflichtungen charakteristischen Objektivierungsschwächen zu konstatieren. Vor dem Hintergrund des Verbotes der fakultativen Aufwandsrückstellungen könnte es zur Vorverlegung von Instandhaltungsmaßnahmen in das erste Quartal kommen.3 Insgesamt ist die Beibehaltung des Passivierungsgebotes abzulehnen. Eine generelle Abschaffung von Aufwandsrückstellungen fördert die Prinzipienorientierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung, da die Passivierung von Aufwandsrückstellung nicht den allgemeinen Grundsätzen entspricht.4
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Vgl. Küting (2008), S. 1332. Ausgaben für Großreparaturen oder Revisionen vollständig im Jahr ihrer Durchführung als Aufwand zu erfassen, verzerrt den Einblick in die Ertragslage. Da die Aufwendungen zukünftige Erträge alimentieren, ist anstelle der sofortigen Aufwandsverrechnung eine bilanzielle Abbildung als Vermögenswert zu präferieren. Siehe Kapitel V 4. Vgl. Velte (2008), S. 68f. Aufwandsrückstellungen erfüllen nicht die Kriterien der abstrakten Passivierungsfähigkeit. Sie sind allein aufgrund der konkreten Ansatzvorschriften passivierbar.
11 Rückstellungen
223
Die IFRS knüpfen den Ansatz von Rückstellungen grundsätzlich an die Existenz einer Außenverpflichtung. Sie sind deshalb nicht nur dem geltenden deutschen Bilanzrecht, sondern auch den Regelungen des BilMoG überlegen. Die im deutschen Schrifttum mitunter vorgebrachte Kritik, die Vorschriften des IAS 37 seien aufgrund ihrer Unbestimmtheit und Ermessensspielräume abzulehnen,1 kann nicht überzeugen. Auch die handelsrechtlichen Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB können bilanzpolitisch genutzt werden. Die Bilanzierung von Rückstellungen ist stets mit Ermessensspielräumen verbunden, da Ansatz und Bewertung infolge unvollkommener Informationen zwangsläufig auf subjektiven Schätzungen des Bilanzierenden beruhen. Eine vollständige Objektivierung der bilanziellen Abbildung von Rückstellung ist aufgrund der ihnen immanenten Unsicherheit utopisch. Die handelsrechtlichen Aufwandsrückstellungen unterscheiden sich von anderen Rückstellungen durch zwei wesentliche Punkte: Ihr Ansatz basiert auf einem expliziten Wahlrecht und sie sind nicht durch eine Außenverpflichtung objektiviert, sondern von internen Planungen abhängig, die jederzeit revidiert werden können. ƒAbzinsung und künftige Preisentwicklung Im deutschen Handelsrecht gilt ein grundsätzliches Abzinsungsverbot für Rückstellungen. Nach IAS 37 und BilMoG sind Rückstellungen zu diskontieren, wenn ihre Restlaufzeit ein Jahr überschreitet.2 Die Bewertung von Rückstellungen mit ihrem Barwert führt zu einer zutreffenderen Abbildung der realen Belastungen eines Unternehmens. 3 Durch die Bildung von Rückstellungen werden Finanzmittel gebunden, die dem Unternehmen einen Zins- und Liquiditätsvorteil verschaffen.4 Die Rückstellung stellt zum Bilanzstichtag deshalb nur in Höhe des abgezinsten Betrags eine wirtschaftliche Last dar. 5 Die Passivierung der Rückstellungen zum Nennwert würde einem wirtschaftlich verfrühten Verlustausweis entsprechen, 6 welcher der intertemporalen Vergleichbarkeit des Periodenerfolgs zuwiderläuft. 7 Aus theoretischer Perspektive wäre die Verwendung der internen Unternehmensrendite als Diskontierungsfaktor zu fordern, da diese den tatsächlichen Finanzierungseffekt der Rückstellungen unternehmensindividuell abbildet. Aus Perspektive der Bilanzierungspraxis ist die Unternehmensrendite als Diskontierungsfaktor wegen ihrer mangelhaften Objektivierbarkeit abzulehnen. 8 In Betracht kommt letztlich nur ein laufzeitadäquater Marktzins. Sowohl nach den Vorschriften des
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So Moxter (1999b), S. 524f.; Schildbach (2002c), S. 791-797; Lüdenbach/Hoffmann (2005), S. 2349. Vgl. Kapitel 11.1.1 und 11.1.2. Vgl. Stibi/Fuchs (2008), S. 11; Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft (2008), S. 209; VMEBF e.V. (2008), S. 361. Vgl. stellvertretend: Siegel (1994), S. 2242. Vgl. Schulze-Osterloh (2003), S. 354. Dieser Argumentation wird in der Gesetzesbegründung zum BilMoG gefolgt. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu §§ 253 und 254 HGB. Siehe auch: IAS 37.46. Vgl. Lüdenbach (2003), S. 837. Vgl. Siegel (1994), S. 2245. Vgl. Naumann (1989), S. 295. Darüber hinaus dürften unrentable Unternehmen keine Abzinsung vornehmen.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
IAS 37 als auch nach denen des novellierten Handelsrechts wird der Rechnungszins als Marktzinssatz definiert. Nach den Regelungen des BilMoG werden die maßgeblichen Zinssätze zentral von der Deutschen Bundesbank vorgegeben. Die mit der Bestimmung des Zinssatzes verbundenen Gestaltungsspielräume werden somit wirksam eingeschränkt. 1 In der Konsequenz zeichnen sich die Wertansätze durch eine hohe Objektivität und zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit aus.2 Gleichzeitig werden die Unternehmen von der Bestimmung angemessener Zinssätze befreit, wodurch sich der Aufwand der Bilanzierung verringert. Zur Abzinsung ist nach § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB-E grundsätzlich der durchschnittliche Zinssatz der vergangenen sieben Jahre heranzuziehen. Die IFRS schreiben die Diskontierung mit dem stichtagsbezogenen Marktzins vor. Die Verwendung eines Durchschnittszinssatzes erweist sich zur Bewertung langfristiger Verpflichtungen - wie die Ausführungen des nachfolgenden Kapitels zeigen - als vorteilhaft. Bei kurzfristigen Rückstellungen ist die Abzinsung auf Basis langjähriger Durchschnittszinssätze nur mit Einschränkungen überzeugend, da sie einer zeitnahen Bewertung entgegensteht. Auf der anderen Seite verhindert die Verwendung von Durchschnittszinssätzen hohe Bewertungsgewinne oder -verluste, die allein auf die Zinsentwicklung und nicht auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens zurückzuführen sind. Auch könnte eine Differenzierung in der Bewertung von kurz- und langfristigen Rückstellungen nur willkürlich getroffen werden.3 Einheitliche Bewertungsvorschriften für sämtliche Rückstellungen erleichtern die Umsetzung in der Bilanzierungspraxis. Da der Marktzins ohnehin nur als objektiviertes Surrogat der internen Unternehmensrendite dient, erscheint sowohl der Einsatz des Stichtagszinses als auch eines mehrjährigen Durchschnittszinses ökonomisch vertretbar. Im Ergebnis erweisen sich die Normen der IFRS und des BilMoG aufgrund des Abzinsungsgebotes als überlegen. Dank der Verwendung eines einheitlichen, zentral vorgegebenen Zinssatzes zeichnen sich die Vorschriften des BilMoG im Vergleich zu den internationalen Rechnungslegungsnormen durch einen höheren Grad an Objektivität und Vergleichbarkeit aus. Als Pendant der Abzinsung sehen IFRS und BilMoG im Rahmen der Rückstellungsbewertung die Berücksichtigung künftiger Preissteigerungen vor. In Bezug auf das geltende Handelsrecht besteht im Schrifttum keine Einigkeit. Nach mittlerweile herrschender Meinung sind zur Bewertung von Rückstellung die im Erfüllungszeitpunkt erwarteten Preisverhältnisse maß-
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Zu den Ermessensspielräumen bei der Ermittlung des Diskontierungssatzes nach IAS 37 siehe Rüdinger (2004), S. 117. Vgl. Naumann (1989), S. 292; Göllert (2008), S. 1170. Im Referentenentwurf des BilMoG sollten Rückstellungen mit einer Laufzeit von über fünf Jahren mit dem Durchschnittszinssatz der vergangenen fünf Jahre diskontiert werden. Für die übrigen Rückstellungen war eine Abzinsung mit dem Stichtagszinssatz vorgesehen. Diese Regelung wurde im Schrifttum kritisiert, vgl. Rhiel/Veit (2008), S. 1510f.; DSR (2008), S. 13.
11 Rückstellungen
225
geblich.1 In der Bilanzierungspraxis wird gegen diese Forderung oftmals verstoßen. 2 Bleiben künftige Preissteigerungen bei der Bemessung der Rückstellung unberücksichtigt, führt dies zu einer Verletzung des Vollständigkeitskriteriums. Insbesondere vor dem Hintergrund eines Abzinsungsgebotes droht eine Unterdotierung der Rückstellungen. Die Klarstellung durch das BilMoG ist somit zu begrüßen. Der Vorwurf, die Regelung sei nicht mit dem Objektivierungserfordernis vereinbar,3 ist nicht haltbar. Die Schätzung des Erfüllungsbetrags hat auf hinreichend wahrscheinlichen Erwartungen zu beruhen.4 Sichere Preissteigerungen, z.B. in Form tarifvertraglich fixierter Lohnsteigerungen, sind unzweifelhaft in den Wertansatz einzubeziehen.5 Bei erwarteten Preissteigerungen sind die den Erwartungen zu Grunde liegenden Annahmen mit objektiven Hinweisen zu belegen. Insbesondere bei individuellen unternehmens- oder projektbezogenen Entwicklungen, ist die Plausibilität der Annahmen nachzuweisen. Verbleibende geringfügige Ermessensspielräume erscheinen vor dem Vorteil eines vollständigen Schuldenausweises akzeptabel.6
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Vgl. Kapitel 11.1.1. Vgl. Drinhausen/Dehmel (2008), S. 38. Vgl. Rüdinger (2004), S. 108f. Vgl. Schulze-Osterloh (2003), S. 352. Vgl. Rüdinger (2004), S. 111. Die Vereinigung zur Mitwirkung an der Entwicklung des Bilanzrechts für Familiengesellschaften (VMEBF) e.V. schlägt vor, dass die Bundesbank zukünftig als Untergrenze der Inflationierung einen Preissteigerungsindex veröffentlicht. Vgl. VMEBF e.V. (2008), S. 361. Dies würde zu einer weitergehenden Objektivierung der Annahmen beitragen.
226
11.3
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
Zusammenfassung und Empfehlungen
Die nachfolgende Übersicht bietet eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der vergleichenden Würdigung der bilanziellen Abbildung von Rückstellungen. Bilanzielle Abbildung von Rückstellungen Würdigung Aufwandsrückstellungen IFRS und IFRS for SMEs machen den Ansatz einer Rückstellung grundsätzlich von der Existenz einer Außenverpflichtung abhängig. Sie sind den Ansatzvorschriften des deutschen Bilanzrechts damit überlegen. Die Novellierung des Handelsrechts durch das BilMoG führt zu weitgehenden Konvergenz der deutschen und internationalen Vorschriften. Kritisch ist zu bewerten, dass das Passivierungsgebot für unterlassene Instandhaltungsmaßnahmen und Abraumbeseitigung gemäß § 249 Abs. 1 Satz 2 HGB bestehen bleibt. Abzinsung und künftige Preisentwicklung Im Rahmen der Bewertung von Rückstellungen sind die Regelungen der IFRS/IFRS for SMEs und des BilMoG denen des aktuellen Handelsrechts vorzuziehen. Die handelsrechtlichen Vorschriften führen zu einer verzerrten Darstellung der Vermögens- und Ertragslage. Gesamturteil Im Vergleich mit dem HGB erweist sich die bilanzielle Abbildung von Rückstellungen nach IFRS/IFRS for SMEs als überlegen. Die Regelungen des BilMoG sind denen des internationalen Bilanzrechts im Ansatz geringfügig unterlegen und in der Bewertung geringfügig überlegen, so dass sich im Rahmen der Würdigung ein heterogenes Resultat ergibt, welches keine eindeutige Aussage zulässt. Empfehlung In einer mittelstandsorientierten Rechnungslegung unterliegt die Bilanzierung von Rückstellungen hohen Objektivierungsanforderungen. Aus diesem Grund ist zu empfehlen, die Bilanzierung der Rückstellungen durch das Merkmal der Außenverpflichtung zu objektivieren. Im Rahmen der Bewertung ist auf die Preisverhältnisse im Erfüllungszeitpunkt abzustellen. Die Erfüllungsbeträge sollten abgezinst werden. Tabelle 17: Würdigung der bilanziellen Abbildung von Rückstellungen
12 Pensionsrückstellungen
12
Pensionsrückstellungen
12.1
Unterschiede in der bilanziellen Abbildung
227
Unterschiede in der bilanziellen Abbildung von Pensionsrückstellungen ergeben sich zwischen HGB und IFRS, zwischen HGB und BilMoG sowie zwischen originären IFRS und IFRS for SMEs.1 12.1.1 Abbildung nach IFRS und HGB Im Gegensatz zu den IFRS sind im deutschen Bilanzrecht, abgesehen von den Ausnahmevorschriften im Einführungsgesetz zum HGB (EGHGB), keine detaillierten Bilanzierungsvorschriften für Pensionsrückstellungen kodifiziert. Dementsprechend muss auf die allgemeinen Ansatz- und Bewertungsgrundsätze zurückgegriffen werden.2 Laufende Pensionen und Anwartschaften, die auf unmittelbaren Zusagen des Unternehmens beruhen, fallen unter die Passivierungspflicht des § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB für ungewisse Verbindlichkeiten. Die sich aus der abstrakten Passivierungsfähigkeit in Verbindung mit dem Vollständigkeitsgrundsatz ergebende Passivierungspflicht wird durch Art. 28 EGHGB zu einem Passivierungswahlrecht, wenn der Pensionsberechtigte seinen Rechtsanspruch vor dem 1. Januar 1987 erworben hat.3 In diesem Fall spricht man von so genannten Altzusagen. Nach den Vorschriften der internationalen Rechnungslegung sind sämtliche Pensionsrückstellungen zwingend zu passivieren. Ihr Ausweis erfolgt in Höhe des Nettowertes der Pensionsverpflichtung, der sich aus der Saldierung des Barwerts der Pensionsverpflichtung mit dem zum Marktwert bewerteten Planvermögen ergibt (IAS 19.54).4 Die Vorgehensweise zur Bewertung der Pensionsverpflichtungen ist in beiden Regelwerken grundsätzlich gleich. Die Pensionsverpflichtungen sind mit ihrem nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ermittelten Barwert zu bewerten. 5 Sowohl nach IFRS als auch nach HGB ist der Pensionsaufwand denjenigen Perioden erfolgswirksam zuzuordnen, in denen der Arbeitnehmer den Anspruch auf die künftige Leistung durch seine Arbeitleistung erdient.6 Bei 1
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Die anschließende Darstellung und Würdigung bezieht sich ausschließlich auf die Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen, die nach IAS 19 als leistungsorientierte Pläne zu klassifizieren sind. Beitragsorientierte Pläne i.S.d. IAS 19 sind in Deutschland aufgrund der in § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG fixierten Subsidiärhaftung des Arbeitgebers kaum möglich. So Rhiel (2008), S. 158; Berger/Walter (2008), S. 1280. Vgl. Wolz (2000), S. 1373. Vgl. Meier/Recktenwald (2006), S. 709; Postert/Wolz (1999), S. 2174. Planvermögen dient der Finanzierung der Pensionsverpflichtungen. Es umfasst langfristig ausgelegte Fonds und qualifizierte Versicherungspolicen. Siehe IAS 19.7; Ellrott/Rhiel (2006), § 249 HGB, Rn. 293. Vgl. IDW (2006), Abschn. E, Rn. 173; Wolz (2000), S. 1373; Pawelzik (2005), S. 734. Vgl. Wolz (2000), S. 1373. Dabei unterscheiden sich die Verfahren zur Berechnung der Pensionsverpflichtung. Während im Handelsrecht das Teilwertverfahren oder das Gegenwartswertverfahren in Frage kommen, sieht IAS 19.64 die Anwendung der Projected Unit Credit Method (Anwartschafts-Ansammlungsverfahren) vor. Für einen Vergleich der Methoden: Wolz (2000), S. 1373-1375.
228
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
der Ermittlung des Barwertes sind biometrische Wahrscheinlichkeiten, z.B. Invalidisierungsund Fluktuationsrate oder Sterblichkeitswahrscheinlichkeit, zu berücksichtigen. Nach IAS 19 sind zur Berechnung der Pensionsverpflichtung zusätzlich zu den biometrischen Wahrscheinlichkeiten Trendannahmen bezüglich der Renten- und Gehaltsentwicklung zu unterstellen.1 Im deutschen Bilanzrecht sind die Preisverhältnisse am Bilanzstichtag maßgeblich, so dass ausschließlich rechtsverbindliche Anpassungen bei der Bestimmung der Verpflichtungshöhe Beachtung finden.2 Der zur Diskontierung der Verpflichtung anzuwendende Rechnungszinssatz kann aus einer Bandbreite zwischen 3% und 6% gewählt werden.3 Die Rechnungslegungspraxis orientiert sich oftmals an den steuerlichen Vorschriften, die in § 6a EStG die Verwendung des Teilwertverfahrens mit einem Rechnungszins von 6% vorschreiben.4 Nach den Regelungen des IAS 19.78 hat sich der Rechnungszins an der Rendite hochwertiger Industrieobligationen zu orientieren, deren Laufzeit und Fristigkeit mit denen der Pensionsverpflichtungen übereinstimmen.5 Durch die Verwendung des aktuellen Marktzinssatzes variiert der Rechnungszins von Stichtag zu Stichtag, wodurch sich mitunter erhebliche Auswirkungen auf den Verpflichtungsumfang ergeben. In Deutschland verbietet der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit eine jährliche Änderungen der Zinssätze (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB). Der Pensionsaufwand wird nach deutschem Recht zum Ende des Geschäftsjahres ermittelt. Nach den internationalen Rechnungslegungsnormen ist der Pensionsaufwand (laufender Dienstzeitaufwand, Zinsaufwand, Erträge aus Planvermögen) zu Beginn des Geschäftsjahres anhand von Erwartungswerten zu bestimmen.6 Abweichungen der erwarteten Entwicklung von der tatsächlichen Entwicklung werden als versicherungsmathematische Gewinne bzw. Verluste deklariert.7 Während Änderungen des Verpflichtungsumfangs im abgelaufenen Jahr nach deutschem Handelsrecht grundsätzlich zum Bilanzstichtag und in voller Höhe erfolgswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen und in der Bilanz auszuweisen sind, sieht IAS 19 zur bilanziellen Abbildung versicherungsmathematischer Gewinne und Verluste insgesamt drei Optionen vor: (1) Korridor-Methode (IAS 19.92f.): Nach Maßgabe der Korridor-Methode sind nur diejenigen Gewinne und Verluste erfolgswirksam zu erfassen, die kumuliert 10% des Maxi1
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Vgl. Baetge/Haenelt (2006), S. 2414; Gohdes/Baach (2004), S. 2572. Hierfür sind u.a. die Inflation, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit, Beförderungen sowie die Angebots- und Nachfragestruktur am Arbeitmarkt zu berücksichtigen. Vgl. Postert/Wolz (1999), S. 2174. Vgl. IDW (2006), Abschn. E, Rn. 173; Ellrott/Rhiel (2006), § 249 HGB, Rn. 201. Vgl. Gohdes (2006), S. 992; Meiner/Recktenwald (2006), S. 709. Ist der Markt für solche Industrieobligationen nicht ausreichend liquide, ist ersatzweise auf die Marktrendite von Staatsanleihen zurückzugreifen (IAS 19.78). Vgl. Wolz (2000), S. 1380; Pawelzik (2005), S. 736. Vgl. Gohdes/Recktenwald (2006), S. 1022. Der Einbezug von Zeitwertabweichungen des Planvermögens in die versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste ist irreführend, da diese nicht aus einer Änderung versicherungsmathematischer Parameter resultieren.
12 Pensionsrückstellungen
229
mums aus dem Barwert der Versorgungsverpflichtung und dem Zeitwert des Planvermögens übersteigen. Der Teil der kumulierten Gewinne und Verluste, der die Korridorgrenze überschreitet, wird erfolgswirksam über die Dauer der durchschnittlichen Restlebensarbeitszeit aller im Plan enthaltenen Arbeitnehmer verteilt.1 (2) Sofortige erfolgswirksame Erfassung (IAS 19.93, 19.95): Alternativ zur Verrechnung mittels Korridor-Methode darf jedes systematische Verfahren angewendet werden, das zu einer schnelleren Vereinnahmung der versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste führt. Somit ist es auch zulässig, sämtliche versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste unmittelbar erfolgswirksam abzubilden. (3) SORIE-Methode (IAS 19.93A bis 19.93D): Bei Inanspruchnahme der SORIE-Methode werden die versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste im Geschäftsjahr ihres Anfalls erfolgsneutral im Eigenkapital erfasst. Die erfolgsneutral verrechneten Beträge sind gesondert in einem Statement of Recognised Income and Expense (SORIE) auszuweisen. Sind Änderungen des Verpflichtungsumfangs nicht auf versicherungsmathematische Gewinne oder Verluste zurückzuführen, sondern resultieren aus Planänderungen, stellen sie nachzuverrechnenden Dienstzeitaufwand dar. Dieser wird gemäß IAS 19.96 linear über den durchschnittlichen Zeitraum bis zum Zeitpunkt der Unverfallbarkeit der Anwartschaft allokiert. Ist die Anwartschaft im Zeitpunkt der Einführung oder Änderung bereits unverfallbar, ist der Dienstzeitaufwand sofort erfolgswirksam zu erfassen. Die Vorschriften zur Auflösung der Pensionsrückstellungen sind in beiden Rechnungslegungssystemen im Wesentlichen deckungsgleich.2 12.1.2. Abbildung nach IFRS for SMEs Analog zu den originären IFRS wird die bilanzielle Abbildung von Leistungsverpflichtungen gegenüber Arbeitnehmern im IFRS for SME gesondert von den anderen Rückstellungen in einem eigenen Abschnitt geregelt. Die Vorschriften zur Bilanzierung der Verpflichtungen gehen grundsätzlich mit denen des IAS 19 konform. Zu einer Abweichung kommt es im Rahmen der Erfassung versicherungsmathematischer Gewinne und Verluste. ED-SME 27.12f. sehen die sofortige erfolgswirksame Verrechnung versicherungsmathematischer Gewinne und Verluste vor. Entgegen der sonstigen Standardkonzeption werden die in den originären IFRS enthaltenen Wahlrechte nicht an
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Nicht erfasste Gewinne/Verluste werden in einem Nebenbuch fortgeschrieben und in den Folgeperioden erneut gemäß Korridormethode verrechnet. Vgl. Wolz (2000), S. 1382.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
die SMEs weitgegeben. Die Bilanzierungsalternativen des IAS 19 zur Abbildung der Bewertungsgewinne und -verluste entfallen im IFRS for SMEs.1 12.1.3. Abbildung nach BilMoG Auch nach der Novellierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung bleibt das Passivierungswahlrecht für Altzusagen, also unmittelbare Versorgungszusagen, die vor dem 31. Dezember 1986 getätigt wurden, bestehen.2 Das in § 253 Abs. 2 HGB-E kodifizierte Abzinsungsgebot, welches die Diskontierung von Rückstellungen mit einem laufzeitkongruenten durchschnittlichen Marktzins der letzten sieben Jahre vorschreibt, gilt auch für Pensionen und Anwartschaften auf Pensionen. Dem handelsrechtlichen Grundsatz der Einzelbewertung folgend, ist jede Pensionsrückstellung einzeln unter Verwendung eines individuellen Abzinsungssatzes zu bewerten. Aus Gründen der Vereinfachung gestattet § 253 Abs. 2 Satz 2 HGB-E den Bilanzierenden, zur Bewertung pauschal den durchschnittlichen Marktzinssatz zu Grunde zu legen, der sich bei fünfzehnjähriger Laufzeit ergibt. Wird die Vereinfachungsoption in Anspruch genommen, ist sie unter Beachtung des Gebotes der Bewertungsstetigkeit beizubehalten.3 Wie bei anderen Rückstellungen sind auch bei der Bewertung von Pensionsrückstellungen zukünftig Kostensteigerungen zu berücksichtigen; in diesem Falle in erster Linie vermutete Rentenanpassungen und Gehaltstrends bei gehaltsäbhängigen Zusagen. Ein bestimmtes versicherungsmathematisches Verfahren zur Bewertung der Pensionsrückstellungen wird im Rahmen des BilMoG nicht festgelegt. Dementsprechend können weiterhin die in Deutschland üblichen Teilwertverfahren bzw. Gegenwartswertverfahren zur Anwendung kommen. Denkbar ist auch die Anwendung der nach IFRS vorgeschriebenen Projected Unit Credit Method. Das Berechnungsverfahren und die versicherungsmathematischen Annahmen sind im Anhang anzugeben.4 12.2
Würdigung der bilanziellen Abbildung
Während nach den IFRS sämtliche Pensionsrückstellungen zu passivieren sind, besteht im deutschen Bilanzrecht für Altzusagen, die bis zum 31. Dezember 1986 gegeben wurden, ein Passivierungswahlrecht. Das Passivierungswahlrecht gestattet, jeden beliebigen Wert bis maximal zum Gesamtwert der tatsächlich erwarteten Verpflichtung anzusetzen. 5 Darüber hinaus ist es möglich, Zuführungen zu bereits gebildeten Pensionsrückstellungen, z.B. bei schlechter
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Das IASB rechtfertigt den Verzicht auf die Wahlrechte mit dem Verweis auf deren Komplexität. Siehe EDSME BC89. Vgl. Höfer (2007), S. 2797. Die Vereinfachungsvorschrift darf nicht angewendet werden, wenn sie zu einer unzutreffenden Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage führt. Vgl. BilMoG-RegE Begr. zu §§ 253 und 254 HGB. Vgl. Rhiel/Veit (2008), S. 1512. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2005), S. 436.
12 Pensionsrückstellungen
231
Ertragsentwicklung, zu unterlassen.1 Die Vorschriften gewähren dem Bilanzierenden somit ein erhebliches bilanzpolitisches Gestaltungspotenzial, welches sowohl die zwischenbetriebliche als auch die intertemporale Vergleichbarkeit beeinträchtigt. Das Passivierungswahlrecht verstößt gegen das Vollständigkeitskriterium, da mitunter nicht alle Schulden in der Bilanz ausgewiesen werden. Die Darstellung des Schuldendeckungspotenzials wird verzerrt. Für Adressaten dürfte die unterschiedliche bilanzielle Abbildung ökonomisch identischer Sachverhalte eher irreführend als verständlich sein. Umso erstaunlicher ist es, dass das Passivierungswahlrecht für Altzusagen auch nach der Novellierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung durch das BilMoG bestehen bleibt. Aus informationstheoretischer Perspektive ist eine Aufhebung des Passivierungswahlrechts zu empfehlen.2 Gleichwohl ist zu konstatieren, dass das Passivierungswahlrecht in der Bilanzierungspraxis kaum noch genutzt wird,3 und zukünftig weiter an Bedeutung verliert. Bei der Bewertung der Pensionsverpflichtungen sieht IAS 19 zwingend die Berücksichtigung der Einkommens- und Rentenentwicklung vor. Im deutschen Bilanzrecht sind die Verhältnisse am Bilanzstichtag maßgeblich. Künftige Einkommens- und Rentensteigerungen gehen nicht in die Berechnung des Verpflichtungsumfangs ein, obwohl davon auszugehen ist, dass die Arbeitsentgelte der Arbeitnehmer langfristig steigen und dieser Anstieg durch § 16 BetrAVG auch die Höhe der Altersversorgung beeinflussen wird. 4 Die handelsrechtlichen Vorschriften verletzen das Vollständigkeitskriterium. Es droht eine Unterdotierung der Rückstellungen, die insbesondere aus Perspektive der Gläubiger kritisch zu beurteilen ist. Sowohl die Einkommensentwicklung als auch die Rentendynamik korrelieren mit der Inflationsentwicklung, deren Prognose sich am langfristigen Inflationsziel der EZB von knapp zwei Prozent zu orientieren hat.5 Ermessensspielräume der Bilanzierenden sind folglich begrenzt. Ist die Anpassung der Renten nicht von der Inflationsentwicklung abhängig, sondern kommen Garantieanpassungen nach § 16 Abs 3 BetrAVG zum Tragen, wird der Prognosespielraum weiter eingegrenzt.6 Bei der Einschätzung der künftigen Einkommensentwicklung verbleiben zwangläufig Ermessensspielräume, da die Einkommensentwicklung unter anderem durch unternehmensindividuelle Gegebenheiten determiniert wird. Vor dem Hintergrund des sehr langfristigen Zeithorizonts stellt die Inflationsentwicklung jedoch eine Kernkomponente der 1 2
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Vgl. Veit (2002), S. 156. Eine Aufhebung des Passivierungswahlrechtes würde zudem die Prinzipienorientierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung erhöhen, da die Rückstellungen abstrakt passivierungsfähig sind und nur aufgrund konkreter Vorschriften von einer Passivierung ausgeschlossen werden dürfen. Vgl. Rhiel/Veit (2008), S. 1514. Nach § 16 Abs. 2 BetrAVG sind die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung mindestens an die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes in Deutschland oder an die Nettolohnentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmergruppen anzupassen. Vgl. Thurnes/Vavra (2007), S. 2727f. Aufgrund der zunehmenden Relevanz von Kapitalzusagen und Zusagen mit fixer 1%-Anpassung nimmt die Bedeutung des Rententrends ab. Vgl. Rhiel/Stieglitz (2007), S. 1655.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
Einkommenssteigerungen dar. Darüber hinausgehende zukünftige Erhöhungen sind von Seiten der Unternehmen zu begründen und zu belegen, so dass Ermessensspielräume begrenzt werden. Die Berücksichtigung von Einkommens- und Rententrends ist folglich mit dem Erfordernis der Objektivität und der zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit vereinbar. Die Langfristigkeit ihrer Prognose schließt die Beeinflussung der Bewertungsparameter durch kurzfristige Schwankungen weitgehend aus,1 so dass die intertemporale Vergleichbarkeit gewährleistet ist. Im Ergebnis werden Prognose- und Kontrollfunktion der Rechnungslegung gestärkt. Die Rechnungslegungsnormen der IFRS und des IFRS for SMEs sind dem deutschen Bilanzrecht in diesem Punkt überlegen. Das BilMoG führt zu einer Egalisierung des Vorteils, da es die verpflichtende Einbeziehung künftiger Kostentrends beinhaltet. Eine weitere wesentliche Determinante der versicherungsmathematischen Berechnung ist der Rechnungszins.2 Die deutschen Vorschriften geben bei der Auswahl des Zinssatzes lediglich eine Bandbreite zwischen 3% und 6% vor, wodurch sich dem Bilanzierenden bilanzpolitische Gestaltungsspielräume eröffnen, die das Ziel der zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit konterkarieren. Intertemporale Vergleichbarkeit wird durch den Grundsatz der Bewertungsstetigkeit sichergestellt, der alternierende Zinssätze ausschließt. Nach IAS 19 hat sich der Rechnungszins an der aktuellen Rendite hochwertiger Industrieobligationen zu orientieren. In der Bilanzierungspraxis divergieren die verwendeten Rechnungszinsen nur minimal,3 so dass die Vorschriften des IAS 19 - obgleich der inhärenten Ermessensspielräume -4 de facto eine hohe zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit erzielen. Die Verwendung stichtagsbezogener Marktzinsen führt jedoch zu einer erheblichen Volatilität der Zinssätze und damit des Verpflichtungsumfangs.5 Um zu verhindern, dass hohe Bewertungsgewinne oder -verluste, die nicht auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens zurückzuführen sind, der intertemporalen Vergleichbarkeit und Prognoserelevanz des Periodenerfolgs entgegenstehen, erlaubt IAS 19 die Streckung ihrer erfolgswirksamen Verrechnung mit Hilfe der Korridor-Methode. Der Korridor-Methode liegt die Annahme zu Grunde, dass sich kurzfristige Schwankungen der Bewertungsparameter langfristig umkehren und durch die gestreckte Erfassung der versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste eine Approximation an den langfristigen Trend erreicht wird. In Bezug auf die Änderung des Rechnungszinses ist diese Annahme
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Vgl. Thurnes/Vavra (2007), S. 2725. Vgl. Rhiel/Stieglitz (2007), S. 1653. In 2006 betrug die Spanne zwischen dem niedrigsten und dem höchsten beobachteten Wert bei den 50 größten deutschen kapitalmarktorientierten Konzernen 0,6% (2005: 0,5%). Vgl. Thurnes/Vavra (2007), S. 2726. Zu vergleichbaren Resultaten kommen Rhiel/Stieglitz (2007), S. 1653. So bspw. Schildbach (1999b), S. 969. Zum 31.12.2007 ist das Zinsniveau gegenüber dem Vorjahr um ca. einen Prozentpunkt gestiegen, wodurch sich bei gemischtem Bestand aus Anwärtern und Rentnern eine Absenkung der Verpflichtungswerte um 10% bis 14% ergibt. Siehe hierzu Höfer/Früh (2007), S. 2438.
12 Pensionsrückstellungen
233
durchaus plausibel, da die Zinsentwicklung mehrjährigen Zyklen unterliegt. 1 Pensionsrückstellungen verfügen in der Regel über sehr lange Laufzeiten, so dass sich ein durch Zufallselemente oder kurzfristige Übertreibungen geprägter Zinssatz zur Abbildung der langfristigen Risiken aus Pensionszusagen als irrelevant erweist. Paradox ist in diesem Kontext, dass das Erfordernis der Ergebnisglättung durch die verpflichtende Verwendung aktueller Marktzinsen nach IAS 19, also durch die IFRS-Rechnungslegung selbst, hervorgerufen wird. Sofern Einigkeit darüber besteht, dass kurzfristige Zinsänderungen zu eliminieren sind, erscheint es ratsam, feste oder geglättete Zinssätze zu verwenden. Zumal nicht sämtliche mit der KorridorMethode verrechneten versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste auf die Volatilität des Rechnungszinses zurückzuführen sind. Resultieren versicherungsmathematische Verluste aus Änderungen der biometrischen Wahrscheinlichkeiten, ist eine gestreckte Vereinnahmung ökonomisch nicht zu rechtfertigen, da eine Umkehr der Effekte äußerst unwahrscheinlich ist.2 Ähnliches gilt für versicherungsmathematische Gewinne und Verluste aus der Entwicklung des Planvermögens. Da Gewinne und Verluste nach Maßgabe der KorridorMethode innerhalb des 10%-Korridors überhaupt nicht und darüber hinausgehend nur zeitverzögert vereinnahmt werden, wird der Verpflichtungsumfang in der Bilanz unvollständig ausgewiesen.3 Den Adressaten wird der Einblick in das tatsächliche Schuldendeckungspotenzial verwehrt. Der Bilanzausweis kann lediglich unter Zuhilfenahme der Anhangangaben interpretiert werden. Aus diesem Grund präferiert das IASB schon seit längerem die Alternative der sofortigen erfolgswirksamen Erfassung aller versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste, konnte diese mit Rücksicht auf die Konvergenzbestrebungen mit den US-GAAP aber nicht als allein zulässige Methode durchsetzen.4 Gegenüber der Korridor-Methode hat die unmittelbare erfolgswirksame Verrechnung den Vorteil, dass in der Bilanz die tatsächliche (Netto-) Pensionsverpflichtung dargestellt wird. Die stetige Anpassung der Bewertungsparameter führt jedoch zu einer hohen Ergebnisvolatilität, welche das Ziel der intertemporalen Vergleichbarkeit kontrastiert. Mit der SORIE-Methode lässt sich die Ergebnisvolatilität vermeiden und ein vollständiger Schuldenausweis erreichen. Ökonomisch zu rechtfertigen ist es indes nicht, dass die zu Periodenbeginn geschätzten Belastungen erfolgswirksam und die am Bilanzstichtag festgestellte Abweichung erfolgsneutral zu buchen ist, obwohl beides Pensionsaufwand dar-
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Vgl. Rhiel/Veit (2008), S. 1510; Pawelzik (2005), S. 738; BilMoG-RegE Begr. zu §§ 253 und 254 HGB. Es ist nicht anzunehmen, dass sich die Effekte der stetig gestiegenen Lebenserwartung in den nächsten Jahren umkehren. Auch Renten- und Gehaltssteigerungen, welche die Erwartungen übertreffen, gleichen sich in der Regel nicht in den nachfolgenden Perioden aus, sondern führen zu dauerhaft höheren Niveaus. Vgl. Pawelzik (2005), S. 738. Vgl. Schildbach (1999b), S. 971; Gohdes (2006), S. 991; Berger/Walter (2008), S. 1278. Vgl. Baetge/Haenelt (2006), S. 2417.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
stellt.1 Ob die erfolgsneutrale Ergebnisvereinahmung und das Nebeneinander von Gewinnund Verlustrechnung, Gesamtergebnisrechnung und Eigenkapitalspiegel die Verständlichkeit für den Adressaten erhöhen, darf bezweifelt werden.2 Aus der Anwendung der SORIEMethode folgt zudem ein dauerhafter Kongruenzverstoß, da die erfolgsneutral im Eigenkapital erfassten versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste zu keinem späteren Zeitpunkt erfolgswirksam werden.3 Dies ist vor dem Hintergrund der prospektiven Ermittlung des Altersversorgungsaufwands äußerst kritisch zu beurteilen. Die Schätzung der versicherungsmathematischen Annahmen und insbesondere der Renditeerwartungen des Planvermögens ist mit erheblichen Ermessensspielräumen verbunden.4 Da die zu Beginn des Geschäftsjahres geschätzten Größen stets erfolgswirksam abgebildet werden, kann der Bilanzierende die Darstellung der Vermögens- und Ertragslage in höchstem Maße manipulieren. Zum Bilanzstichtag festgestellte Abweichungen von den geschätzten Werten werden nach der SORIE-Methode dauerhaft erfolgsneutral verrechnet, so dass eine erfolgswirksame Umkehr der bilanzpolitischen Maßnahmen in den nachfolgenden Perioden ausgeschlossen ist. Auch bei Anwendung der Korridor-Methode werden die Abweichungen entweder überhaupt nicht oder nur partiell und zeitverzögert korrigiert. Dieses enorme Manipulationspotenzial ist nicht mit dem Anforderungskriterium der Objektivität vereinbar. Zugleich werden die Kriterien der intertemporalen und zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit konterkariert. Allein die Methodenvielfalt des IAS 19 zur bilanziellen Abbildung versicherungsmathematischer Gewinne und Verluste führt zu einer Beeinträchtigung der Objektivität und zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit.5 Wie die detaillierte Betrachtung der einzelnen Bilanzierungsmethoden zeigt, resultieren aus diesen mitunter erhebliche Informationsverzerrungen. Der Rechnungslegungsstandard ist aufgrund der verschiedenen Ergebnisglättungsmechanismen durch eine hohe Komplexität gekennzeichnet.6 Selbst das IASB sieht in den Vorschriften zur Verrechnung der versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste eine der wesentlichen Ursachen für die Komplexität des Standards (ED-SME BC88f.). In seinem im März publizierten Diskussionspapier schlägt das IASB vor, sämtliche Änderungen der Pensionsverpflichtungen oder des korrespondierenden Planvermögens in der Periode ihrer Entstehung zu erfas-
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Vgl. Küting/Keßler (2006), S. 202. Vgl. Baetge/Haenelt (2006), S. 2417. Zum Kongruenzprinzip: Schildbach (1999a), S. 1813-1820. So auch: Wolz (2000), S. 1378; Eiselt/Steinkühler/Wulf (2007), S. 641. In 2006 lag die Realisierung der prognostizierten Rendite des Planvermögens der im DAX gelisteten Unternehmen zwischen 10% und 229%. Vgl. Rhiel/Stieglitz (2007), S. 1654. Vgl. Küting/Keßler (2006), S. 199; Vgl. Berger/Walter (2008), S. 1278. Pellens et al. (2008), S. 447.
12 Pensionsrückstellungen
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sen.1 Geradezu bezeichnend ist die Tatsache, dass das IASB im IFRS for SMEs entgegen ihrer grundsätzlichen Vorgehensweise ausschließlich die unmittelbare erfolgswirksame Vereinnahmung versicherungsmathematischer Gewinne und Verluste zulässt. Die bilanzielle Abbildung der Pensionsverpflichtungen im IFRS for SMEs führt damit aus informationstheoretischer Perspektive zu einer Verbesserung gegenüber den originären IFRS. Die Bedeutung des vollständigen Ausweises der Pensionsverpflichtungen zeigt sich auch dadurch, dass Ratingagenturen die Effekte der Korridor-Methode im Periodenerfolg und Eigenkapital bereinigen.2 Das deutsche Bilanzrecht schreibt die erfolgswirksame Erfassung versicherungsmathematischer Gewinne und Verluste zwingend vor, wodurch es stets zu einem vollständigen Ausweis der Pensionsverpflichtungen kommt. Gleichwohl entstehen stille Lasten, da der handelsrechtliche Wertansatz Einkommens- und Rentenentwicklung ausblendet. Ergebnisvolatilität wird durch die Verwendung eines festen Rechnungszinses vermieden, dessen Auswahl jedoch Gestaltungsspielräume eröffnet. Dem HGB sind die zahlreichen expliziten Wahlrechte zur Abbildung versicherungsmathematischer Gewinne und Verluste sowie die Ermessensspielräume durch prospektive Ermittlung des Pensionsaufwands fremd. In der Gesamtbetrachtung weist die bilanzielle Abbildung von Pensionsrückstellungen in beiden Rechnungslegungssystemen beträchtliche Schwächen auf,3 wobei die deutschen Normen aufgrund ihrer geringeren Komplexität und damit einhergehenden höheren Wirtschaftlichkeit im Rahmen einer mittelstandsorientierten Rechnungslegung vorzuziehen sind. Einen erheblichen Fortschritt markieren die Regelungen des BilMoG. Das BilMoG vermeidet Ergebnisvolatilität durch die Verwendung des Durchschnittszinssatzes der vergangenen sieben Jahre. Die Volatilität des Verpflichtungsumfangs wird bereits durch die Bewertungsparameter vermieden, so dass nachträgliche Glättungsmechanismen wie nach IAS 19 obsolet sind. Der angestrebte Glättungseffekt ist auf die unerwünschten Zinseffekte begrenzt und durch eine relativ simple Methode sichergestellt. Da die Zinssätze von der Bundesbank vorgegeben werden, werden Unsicherheiten bei der Zinssatzwahl und Ermessensspielräume ausgeschaltet. Während sich die nach IFRS maßgeblichen Rechnungszinsen nach der Datenübermittlung an den Aktuar bis zum Bilanzstichtag regelmäßig noch ändern, kann bei einem Durchschnittszinssatz schon einige Monate vor dem Bilanzstichtag der endgültige Wert sehr
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Offen ist, ob die Erträge und Aufwendungen vollständig erfolgswirksam vereinnahmt werden sollen oder, ob bestimmte Bestandteile erfolgsneutral mit dem Eigenkapital zu verrechnen sind. Zum Diskussionspapier: Rhiel (2008), S. 156-161; Meyer-Schell/Zimmermann (2008), S. 433-443. Das Diskussionspapier ist unter http://www.iasb.org abrufbar. Vgl. Berger/Walter (2008), S. 1282. Auch Lachnit/Müller halten eine Bereinigung im Rahmen der Bilanzanalyse für erforderlich, vgl. Lachnit/Müller (2004), S. 500. Finanzanalysten haben sich wiederholt für eine sofortige erfolgswirksame Erfassung der Bewertungsänderungen ausgesprochen. Vgl. Baetge/Haenelt (2006), S. 2415. So auch Lachnit/Müller (2004), S. 497, 500, 506.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
gut approximiert werden.1 Aufwendige prophylaktische Alternativrechnungen entfallen. Unverständlich ist hingegen, dass der Gesetzgeber den Bilanzierenden gestattet, Pensionsrückstellungen pauschal mit dem Zinssatzsatz zu diskontieren, der sich bei fünfzehnjähriger Laufzeit ergibt. Dies führt zu einer Durchbrechung des Grundsatzes der Einzelbewertung, nach dem jede einzelne Zusage individuell mit einem laufzeitadäquaten Zinssatz abzuzinsen ist. Die vom Gesetzgeber angeführten Vereinfachungsgründe können hier nicht überzeugen.2 Die Ermittlung der Pensionsrückstellungen erfolgt in der Regel mittels versicherungsmathematischem Gutachten. Die beauftragten Aktuare bedienen sich standardisierter Programme, so dass die Berechnung auch unter Berücksichtigung individueller Zinssätze keinen hohen Aufwand verursacht.3 Die Nachteile einer beeinträchtigten zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit aufgrund des expliziten Wahlrechtes und eines potenziell unvollständigen Schuldenausweises sind mit dem geringen Vereinfachungseffekt nicht zu rechtfertigen. Positiv ist zu werten, dass künftige Einkommens- und Rentensteigerungen nach den Vorschriften des BilMoG in die Bewertung einzubeziehen sind. Da sämtliche Änderungen des Verpflichtungsumfangs erfolgswirksam erfasst werden, ist ein vollständiger Schuldenausweises gewährleistet. Im Gegensatz zur IFRS-Rechnungslegung wird die intertemporale Vergleichbarkeit durch die erfolgswirksame Vereinnahmung nicht gefährdet, da kurzfristige Zinsschwankungen durch die Verwendung mehrjähriger Durchschnittswerte eliminiert werden. Die Regelungen des BilMoG erweisen sich nicht nur aus informationstheoretischer Perspektive als überlegen, sondern zeichnen sich zudem durch eine geringe Komplexität aus.
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Vgl. Höfer (2007), S. 2795f. Siehe: BilMoG-RegE Begr. zu §§ 253 und 254 HGB. Vgl. Naumann (1989), S. 299.
12 Pensionsrückstellungen
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Zusammenfassung und Empfehlungen
Die nachfolgende Übersicht bietet eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der vergleichenden Würdigung der bilanziellen Abbildung von Pensionsrückstellungen. Bilanzielle Abbildung von Pensionsrückstellungen Würdigung Passivierungswahlrecht für Altzusagen Die Ansatzvorschriften des HGB und des BilMoG sind den Normen der IFRS und des IFRS for SMEs aufgrund des handelsrechtlichen Passivierungswahlrechts für Pensionsaltzusagen unterlegen. Die Relevanz des Passivierungswahlrechtes ist in der Bilanzierungspraxis jedoch gering. Bewertung Im Rahmen der Bewertung von Pensionsrückstellungen ist die Einbeziehung von Einkommens- und Rententrends zu befürworten. Die Normen der internationalen Rechnungslegung und des BilMoG sind denen des geltenden Handelsrechts in diesem Punkt vorzuziehen. Die Konzeptionen zur Ermittlung des Rechnungszinses erweisen sich sowohl nach IFRS/IFRS for SMEs als auch nach HGB als unzulänglich. Die vom BilMoG vorgeschriebene Verwendung eines von unabhängiger Stelle ermittelten Durchschnittszinssatzes ist zu begrüßen. Zur bilanziellen Behandlung von Bewertungsänderungen der Pensionsverpflichtungen erscheint nur die sofortige erfolgswirksame Verrechnung sachgerecht. Diese ist im HGB, BilMoG und IFRS for SMEs die einzig zulässige Methode. Die Regelungen der originären IFRS ist strikt abzulehnen. Gesamturteil Die Regelungen des BilMoG sind den Normen der anderen Rechnungslegungssysteme deutlich überlegen. Die Vorschriften des geltenden Handelsrechts sind angesichts ihrer geringeren Komplexität besser für die mittelständische Rechnungslegung geeignet als die der IFRS. Der IFRS for SMEs ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Empfehlung Im Rahmen einer mittelstandsadäquaten Rechnungslegung ist es von hoher Relevanz, dass der Verpflichtungsumfang aus den Versorgungszusagen vollständig in der Bilanz ausgewiesen wird, damit das tatsächliche Schuldendeckungspotenzial erkennbar ist. Darüber hinaus sollten die Vorschriften zur Bestimmung der versicherungsmathematischen Bewertungsparameter und zur Erfassung von Bewertungsänderungen eindeutig und in der Praxis leicht umsetzbar sein. Tabelle 18: Würdigung der bilanziellen Abbildung von Pensionsrückstellungen
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
Zusammenfassung der Ergebnisse
Die Auswertung und Zusammenfassung der vorhergehenden Würdigung erfordert eine strukturierte Zusammenstellung ihrer Ergebnisse. Die folgende Tabelle bietet eine Übersicht der wesentlichen Ergebnisse der Würdigung, differenziert nach den untersuchten Bilanzierungssachverhalten. Bilanzierungssachverhalt
Würdigung der Rechnungslegungssysteme
Die Würdigung der Rechnungslegungsnormen ergibt für den Sachverhalt der immateriellen Vermögenswerte kein einheitliches Bild. Insgesamt dürften die Normen des geltenden Handelsrechts den anderen Rechnungslegungssystemen überlegen sein. Die Vorschriften des BilMoG sind dem IFRS for SMEs und den originären IFRS vorzuziehen. Zwischen IFRS for SMEs und originären IFRS ergeben sich kaum nennenswerte Unterschiede. Sachanlagen Ein Gesamturteil ist aufgrund der Heterogenität der Ergebnisse nur eingeschränkt möglich. Insgesamt besteht eine geringfügige Überlegenheit der Regelungen des BilMoG vor denen des HGB, der originären IFRS und des IFRS for SMEs. LeasingSämtliche Rechnungslegungssysteme erfüllen die Anforderungen einer informationsoriverhältnisse entierten Rechnungslegung nur unzureichend. Insgesamt sind die nationalen Rechnungslegungsnormen dank ihrer höheren Praktikabilität den internationalen Rechnungslegungsvorschriften vorzuziehen. Vorräte Abgesehen von der verpflichtenden absatzmarktorientierten Bewertung von Roh-, Hilfsund Betriebsstoffen nach IFRS, begründen die dargestellten divergierenden Rechnungslegungsnormen eine deutliche Überlegenheit der IFRS. Der IFRS for SMEs stellt keine Weiterentwicklung der originären IFRS dar. Das BilMoG führt hingegen zu einer Verbesserung der handelsrechtlichen Rechnungslegung. Langfristige Ferti- Die bilanzielle Abbildung langfristiger Fertigungsaufträge ist sowohl nach handelsrechtgungsaufträge lichen Rechnungslegungsnormen als auch nach den Standards des IASB unbefriedigend. Das BilMoG bewirkt eine Verbesserung der handelsrechtlichen Vorschriften. Die Regelungen des IFRS for SMEs stimmen mit denen der originären IFRS überein. Finanzinstrumente Das deutsche Bilanzrecht ist den internationalen Rechnungslegungsstandards geringfügig überlegen. Die mit Abstand höchste Zielkonformität erreichen die Regelungen des BilMoG. Der IFRS for SMEs stellt einen ersten zaghaften Schritt in die richtige Richtung dar. Latente Steuern Die handelsrechtliche Rechnungslegung ist den IFRS überlegen. Der IFRS for SMEs stellt keine materielle Weiterentwicklung der originären IFRS dar. Gegen die Änderungen durch das BilMoG bestehen erhebliche Einwände. Eigenkapital Die Vorschriften des nationalen Bilanzrechts sind den internationalen Rechnungslegungsstandards deutlich überlegen. Leider hat das IASB die Chance nicht genutzt, die aus Perspektive des deutschen Mittelstands erheblichen Schwächen in der Kapitalabgrenzung im Rahmen des SME-Projektes zu beheben. Rückstellungen Im Vergleich mit dem HGB ist die bilanzielle Abbildung von Rückstellungen nach IFRS/IFRS for SMEs zu präferieren. Der Vergleich der internationalen Normen mit den Vorschriften des BilMoG lässt aufgrund der Heterogenität der Ergebnisse keine Aussage über die Vorteilhaftigkeit eines Regelwerkes zu. PensionsDie Regelungen des BilMoG sind den Normen der anderen Rechnungslegungssysteme rückstellungen deutlich überlegen. Die Vorschriften des geltenden Handelsrechts sind angesichts ihrer geringeren Komplexität besser für die mittelständische Rechnungslegung geeignet als die der IFRS. Der IFRS for SMEs ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Tabelle 19: Zusammenfassung der Ergebnisse Immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens
13 Zusammenfassung der Ergebnisse
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Die Würdigung der Rechnungslegungssysteme zeigt ein heterogenes Bild. Keines der untersuchten Regelwerke erweist sich in allen für die mittelständische Rechnungslegung relevanten Bilanzierungssachverhalten als ausnahmslos überlegen. Selbst innerhalb der jeweiligen Bilanzierungssachverhalte ergibt sich mehrfach keine durchgängige Überlegenheit eines Rechnungslegungssystems. Gleichwohl verdeutlicht die vorstehende Übersicht, dass die IFRS den Rechnungslegungsnormen des deutschen Handelsrechts im Hinblick auf die Anforderungen einer mittelstandsadäquaten Rechnungslegung nicht überlegen sind; sie sind ihnen noch nicht einmal ebenbürtig. Entscheidend für dieses Ergebnis ist nicht allein das im Schrifttum oftmals angeführte Argument der hohen Komplexität der IFRS und des damit einhergehenden Bilanzierungsaufwands.1 Zweifellos wird die hohe Komplexität der IFRS durch die Würdigung bestätigt. Ausschlaggebend für das Gesamturteil ist jedoch, dass die Rechnungslegung nach IFRS im Vergleich zu der des HGB vielfach Informationen vermittelt, die für die Adressaten mittelständischer Unternehmen von geringerer Relevanz sind. Zurückzuführen sind die Defizite der internationalen Rechnungslegung auf diverse Ursachen. Die IFRS weisen im Vergleich zum Handelsrecht einen geringeren Objektivierungsgrad auf. Da die IFRS eine konsequente Ausrichtung an den Informationsbedürfnissen der Adressaten kapitalmarktorientierter Konzerne verfolgen, streben sie danach, den Unternehmenswert möglichst vollständig bilanziell abzubilden und die Prognose des Residualeinkommens zu ermöglichen. Deshalb werden mitunter Erfolgspotenziale ausgewiesen, deren Realisation höchst unsicher ist. Anzuführen sind hier unter anderem das Aktivierungsgebot für originäre immaterielle Vermögenswerte, die Bilanzierungsvorschriften für aktive latente Steuern oder die bilanzielle Abbildung langfristiger Fertigungsaufträge. Die Gläubiger als dominierende Adressatengruppe mittelständischer Rechnungslegung sind auf ein Instrument angewiesen, das ihnen verifizierbare und damit vertrauenswürdige Informationen liefert. Das Informationsbedürfnis der Gläubiger ist primär auf den frühzeitigen Ausweis negativer Unternehmensentwicklungen gerichtet. Informationen über unsichere, weit in der Zukunft liegende Ertragspotenziale, sind für sie von sekundärer Bedeutung, da sie aufgrund ihrer vertraglich fixierten Zahlungsansprüche im Gegensatz zu den Eigentümern nicht am Residualeinkommen partizipieren.2 Mithin drängt sich das Gefühl auf, dass sich das IASB bei seiner Jagd nach dem Phantom einer optimalen Rechnungslegung mit einem Maximum an Informationsrelevanz gehörig verläuft. Das Bestreben, die Bilanzierungssachverhalte möglichst exakt und getreu dem Ziel der wirtschaftlichen Betrachtungsweise abzubilden, ist grundsätzlich zu befürworten, führt aber bei extensiver Vorgehensweise zu einer äußerst hohen Komplexität der Abbildungsregeln. 1 2
Vgl. Kapitel III 5. Vgl. Kapitel IV 4.2.2.
240
V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
Um den individuellen Gegebenheiten der Unternehmen gerecht zu werden, werden Wahlrechte und umfangreiche Ermessensspielräume in Kauf genommen. Ein Paradebeispiel ist die bilanzielle Abbildung von Pensionsverpflichtungen. Die zahlreichen Wahlrechte zur erfolgswirksamen Vereinnahmung versicherungsmathematischer Gewinne und Verluste sowie die umfangreichen Ermessensspielräume im Rahmen der prospektiven Ermittlung des Pensionsaufwands sollten ursprünglich die Relevanz der vermittelten Informationen stärken. Letztendlich beeinträchtigen sie die intertemporale und zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit, die Objektivität, die Vollständigkeit und die Verständlichkeit der Informationen. Bei der Suche nach der Relevanz liegt der Schlüssel in vielen Fällen in „the replacement of the goal of maximizing with the goal of satisficing, of finding a course of action that is ‚good enough’.“1 Dies gelingt dem IASB in der bilanziellen Abbildung von Pensionsrückstellungen nicht. Auch in der Folgebewertung von Sachanlagen erlaubt es die auf den ersten Blick aus Gründen der Relevanz verlockende Fair Value-Bewertung, ohne zu bemerken, dass eine derart entobjektivierte Berichterstattung nicht zu einer höheren Relevanz führt, sondern die Relevanz konterkariert. Geradezu paradox mutet es an, dass aus Zufallsschwankungen resultierende Zeitwertänderungen erfolgswirksam erfasst werden sollen, das IASB aber gleichzeitig höchste Anstrengungen unternimmt, solche von Zufallsprozessen geprägte Erfolgsbestandteile im Rahmen der bilanziellen Abbildung von Pensionsrückstellungen zu korrigieren. Am Beispiel der bilanziellen Abbildung von Pensionsrückstellungen zeigt sich eine weitere Ursache der Defizite internationaler Rechnungslegungsstandards: Die Politik! Bedingt durch die Zusammensetzung des Boards, die Finanzierung mittels öffentlicher und privater Quellen und die Legitimation durch die EU ist das IASB den Einflüssen diverser nationaler Standardsetter, Gesetzgeber, Interessenverbänden, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Unternehmen ausgesetzt. Eine unabhängige, an der Sache orientierte Entscheidungsfindung erscheint nur begrenzt möglich. Die Rechnungslegungsnormen werden im Sinne partikularer Interessen beeinflusst.2 Beispielhaft ist die Einführung der SORIE-Methode zu nennen. Diese stellt eine Konzession an den britischen Standardsetter dar, dessen Normen in FRS 17.57 und FRS 59 ebenfalls eine erfolgsneutrale Verrechnung der versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste vorsehen.3 Unabhängig von der Würdigung der SORIE-Methode, beeinträchtigt allein die nachträgliche Einfügung einer weiteren Bewertungsalternative die Relevanz der bilanziellen Abbildung. Gleichzeitig verdeutlichen die obigen Beispiele die zahlreichen Inkonsistenzen des internationalen Bilanzrechts. Die Inkonsistenzen treten auf, da es den IFRS an einer den Grundsätzen
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Simon (1957), S. 204f. Vgl. Schildbach (2007a), S. 10-12. Vgl. Höfer/Lüschper/Verhuven (2006), S. 289.
13 Zusammenfassung der Ergebnisse
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ordnungsmäßiger Buchführung entsprechenden Deduktionsbasis fehlt. Das Rahmenkonzept wird dieser Aufgabe bei Weitem nicht gerecht,1 so dass es bisweilen zu einer „konzeptionslosen, rein pragmatischen Kasuistik“ kommt.2 Die Überlegenheit des über Jahre gewachsenen deutschen Bilanzrechts resultiert somit auch aus seiner konzeptionellen Überlegenheit. Mit dem IFRS for Private Entities möchte das IASB seinen Einflussbereich auf die Rechnungslegung nicht kapitalmarkorientierter Unternehmen ausdehnen. Der entsprechende Standardentwurf wurde nach langen Diskussionen im Jahr 2007 noch unter dem alten Projektnamen IFRS for SMEs publiziert. Wie aus der Würdigung der Bilanzierungssachverhalte ersichtlich, sind die Modifikationen der originären IFRS im Standardentwurf marginal ausgefallen. So wird aus dem impliziten Aktivierungswahlrecht der originären IFRS für immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens im IFRS for SMEs ein explizites Wahlrecht, welches gleichsam abzulehnen ist. In der bilanziellen Abbildung von Finanzinstrumenten führt die Reduzierung auf zwei Bewertungskategorien zwar zu einer geringeren Komplexität der Bilanzierungsvorschriften, die hieraus folgenden Vorteile sind aus informationstheoretischer Perspektive jedoch äußerst begrenzt. Bei der Bilanzierung von Leasingverhältnissen bewirken die Modifikationen des IFRS for SMEs gar eine Schwächung der Informationsfunktion. Die einzig nennenswerte Weiterentwicklung des IFRS for SMEs ist in der bilanziellen Abbildung von Pensionsverpflichtungen zu sehen. Gleichwohl verbleiben auch hier eklatante Schwächen. Symptomatisch ist die Tatsache, dass sich das IASB aufgrund der konträren Ansichten der Board-Mitglieder nicht einmal beim Problem der Eigenkapitalabgrenzung zu einer Neuregelung durchringen konnte. Das IASB hat mit dem IFRS for SMEs eine große Chance verpasst, die IFRS „mittelstandstauglich“ auszugestalten. Es scheint fast so, als habe das IASB das SME-Projekt nur initiiert, da es sich gezwungen sah, auf die aktuellen Diskussionen über die Anwendung der IFRS im Mittelstand zu reagieren. In der Vergangenheit ließ das IASB kaum eine Gelegenheit aus, die Qualität der originären IFRS und ihre Eignung für sämtliche Unternehmen zu betonen. So stellt das IASB dem EDSME BC27 in fett gedruckten Buchstaben voraus: „Adoption of an IFRS for SMEs does not imply that fully IFRSs are not appropriate for SMEs“. Anschließend wird noch mal darauf hingewiesen, dass „The Board believes that the objective of financial statements as set out in the Framework is appropriate for SMEs as well for entities required to apply full IFRSs.“ Doch allein die Entscheidung, das aktuelle Rahmenkonzept der IFRS als Ausgangsbasis für die Entwicklung eines IFRS for SMEs zu wählen, ist unverständlich. Wie sollen substanzielle Modifikation der Ansatz- und Bewertungsvorschriften unter Rückgriff auf das Rahmenkonzept der originären IFRS begründet werden? Beiden Rechnungslegungssystemen liegt mit 1 2
Vgl. Euler (2002), S. 876; Bieker (2006), S. 235. Schildbach (2007a), S. 16.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
dem Rahmenkonzept dieselbe Deduktionsbasis zu Grunde. Umfassende Modifikationen in Ansatz und Bewertung sind ausgeschlossen. Es stellt sich die Frage, wie der Bedarf nach mittelstandsorientierten Rechnungslegungsnormen aus Sicht des IASB zu rechtfertigen ist, wenn eine umfassende Überarbeitung der Rechnungslegungsvorschriften für nicht erforderlich erachtet wird. Die Antwort liegt im Selbstverständnis des IASB. Den offenkundigen Grund, dass die IFRS im Mittelstand nicht angewendet werden, weil sie den Bilanzierungsvorschriften des HGB unterlegen sind, zieht das IASB überhaupt nicht in Betracht. Die Lösung ist nach Ansicht des IASB deshalb nicht in der Verbesserung der Standards, sondern einzig in der Reduktion ihrer Komplexität zu suchen.1 Dementsprechend werden die im Rahmenkonzept der originären IFRS formulierten Anforderungskriterien unverändert in den IFRS for SMEs übernommen.2 Einer formalen Übernahme der Kriterien steht zwar nichts im Wege, die vorliegende Arbeit beweist jedoch, dass ihrer inhaltlichen Konkretisierung entscheidende Bedeutung zukommt. Hierfür ist eine detaillierte Analyse des Adressatenkreises und seiner Informationsbedürfnisse unabdingbar. Diesem Erfordernis kommt das IASB nur unzureichend nach. Es versucht mit Hilfe formal und inhaltlich unveränderter Kriterien ein „neues“ Rechnungslegungssystem für einen grundsätzlich unterschiedlichen Anwender- und Adressatenkreis zu schaffen. Dass eine solche Vorgehensweise zum Scheitern verurteilt ist, liegt auf der Hand. Verfügt das IASB über Kenntnis der Adressatenbedürfnisse, ignoriert es diese weitgehend. In ED-SME BC81 teilt das IASB mit: „Bank lending officers told the Board that information about capitalised development costs is of little benefit to them, and that they disregard those costs in making lending decisions." Bedenkt man nun, dass Fremdkapitalgeber als bedeutsamste Rechnungslegungsadressaten des Mittelstands gelten, ist es nicht nachvollziehbar, dass an einer Aktivierung von Entwicklungskosten wahlrechtlich festgehalten wird. Bei der Entwicklung des IFRS for SMEs hat das IASB seine Hausaufgaben nicht gemacht oder - wahrscheinlicher - nicht machen wollen! Ein erheblich besseres Zeugnis darf man dem deutschen Gesetzgeber ausstellen. Die avisierten Rechnungslegungsnormen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes können als Synthese des über viele Jahre fortentwickelten und konzeptionell ausgereiften deutschen Bilanzrechts und der „modernen“ IFRS überzeugen. In vielen Punkten (bilanzielle Abbildung von Sachanlagen, Vorräten, Finanzinstrumenten, Rückstellungen und Pensionsrückstellungen) führt das BilMoG im Vergleich zum geltenden Handelsrecht zur angestrebten Stärkung der Informationsfunktion. An einigen Stellen hätte der Gesetzgeber noch intensiver auf die Bedürfnisse der mittelständischen Unternehmen und ihrer Rechnungslegungsadressaten eingehen und mehr Mut beweisen müssen. So wäre ein grundsätzlicher Verzicht auf die bilanzielle Abbildung la1 2
Vgl. Bieker (2007), S. 1207. Vgl. Kapitel II 4.2.4.2.
13 Zusammenfassung der Ergebnisse
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tenter Steuern empfehlenswert. Gleichzeitig darf der Gesetzgeber nicht der Versuchung erliegen, den hohen Objektivierungsgrad der deutschen Rechungslegung, zugunsten einer Annäherung an die IFRS und ihrer vorgeblich höheren Relevanz aufzugeben. So führt das Aktivierungsgebot für originäre immaterielle Vermögenswerte nicht zur beabsichtigten Stärkung der Informationsfunktion, sondern beeinträchtigt die Relevanz der vermittelten Informationen und geht mit deutlich erhöhtem Bilanzierungsaufwand einher. Auch die Novellierung der bilanziellen Abbildung latenter Steuern ist nicht angemessen. Von allen untersuchten Rechnungslegungssystemen erweisen sich die Normen des BilMoG als die „besten“. Wie die Untersuchung zeigt, können auch die novellierten handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften nicht durchgängig überzeugen, sondern sind den konkurrierenden Rechnungslegungssystemen in der Abbildung einiger Bilanzierungssachverhalte unterlegen. Somit besteht weiterhin Reformbedarf. Im Fokus der Weiterentwicklung des Bilanzrechts muss stets die Funktion der Rechnungslegung als objektiviertes Informationsinstrument stehen. Nur so kann die Rechnungslegung ihrer Indikator- und Kontrollfunktion gerecht werden. Den hohen Anspruch an die Objektivität aufzugeben, würde die Relevanz der Informationen für die Kreditinstitute als dominierende Adressatengruppe beeinträchtigen. Dies würde der mittelständischen Rechnungslegung ihre Existenzberechtigung als Informationsinstrument entziehen.
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V Würdigung der Rechnungslegungssysteme
Nachfolgend werden die wesentlichen Empfehlungen, die im Verlaufe der vorliegenden Untersuchung erarbeitet wurden, nochmals kurz und übersichtlich dargestellt. Bilanzierungssachverhalt
Empfehlung
In der bilanziellen Abbildung immaterieller Vermögenswerte des Anlagevermögens ist ein Aktivierungsverbot für originäre immaterielle Vermögenswerte zu fordern. Die Folgebewertung sollte zu (fortgeführten) Anschaffungskosten erfolgen. Die Anwendung der Neubewertungsmethode ist abzulehnen. Sachanlagen Im Rahmen der bilanziellen Abbildung von Sachanlagen ist der Ansatz selbst hergestellter Sachanlagen in Höhe ihrer Vollkosten zu empfehlen. Dabei sollten allgemeine Verwaltungskosten und Kosten des sozialen Bereichs von einer Aktivierung ausgeschlossen werden. Die Folgebewertung hat auf (fortgeführten) Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zu basieren. Vorräte Bei der Zugangsbewertung selbst hergestellter Vorräte ist der verpflichtende Ansatz zu Vollkosten überzeugend. Hierbei sollten Kosten der allgemeinen Verwaltung und Aufwendungen des sozialen Bereichs von einer Aktivierung ausgeschlossen werden. Im Rahmen der Folgebewertung ist eine beschaffungsmarktorientierte Bewertung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und eine absatzmarktorientierte Bewertung von Handelswaren und Fertigerzeugnissen angezeigt. Darüber hinaus sind die zur Bewertungsvereinfachung zulässigen Verfahren auf das Fifo-Verfahren zu begrenzen und nur in begründeten Ausnahmefällen eine Bewertung mit der Durchschnittsmethode zuzulassen. Langfristige Ferti- Für langfristige Fertigungsaufträge ist die Bewertung in Höhe ihrer Selbstkosten zu empgungsaufträge fehlen. Finanzinstrumente Die Bewertung von Finanzinstrumenten mit beizulegenden Zeitwerten ist stets an die Existenz eines aktiven Marktes zu knüpfen. Liegt ein objektivierter Marktpreis vor, führt die Zeitwertbewertung bei Finanzinstrumenten des Handelsbestands und bei Derivaten zu einer höheren Relevanz der Rechnungslegungsinformationen. Für Verbindlichkeiten und Finanzinstrumente, die nicht zu Handelszwecken gehalten werden, ist die Zeitwertbewertung abzulehnen. Latente Steuern Da die bilanzielle Abbildung latenter Steuern durch eine enorme Komplexität und damit einhergehendem Bilanzierungsaufwand gekennzeichnet ist, für die Rechnungslegungsadressaten aber kaum Relevanz besitzt, sollte ein vollständiger Verzicht auf die Bilanzierung latenter Steuern in der mittelständischen Rechnungslegung in Erwägung gezogen werden. Eigenkapital Eine mittelstandsorientierte Kapitalabgrenzungskonzeption muss mit wenigen, aussagekräftigen Kriterien zu einem rechtsformneutralen, den ökonomischen Gehalt des überlassenen Kapitals reflektierenden Bilanzausweis führen. Vor dem Hintergrund des mittelständischen Adressatenkreises ist eine an der Verlustausgleichsfunktion des Eigenkapitals orientierte Abgrenzung zu empfehlen. Rückstellungen Der Ansatz von Rückstellungen sollte durch das Merkmal der Außenverpflichtung objektiviert werden. Im Rahmen der Bewertung ist auf die Preisverhältnisse im Erfüllungszeitpunkt abzustellen. Die Erfüllungsbeträge sollten abgezinst werden. PensionsFür eine mittelstandsadäquate Rechnungslegung ist es von hoher Bedeutung, dass der rückstellungen Verpflichtungsumfang aus den Versorgungszusagen vollständig in der Bilanz ausgewiesen wird, damit das tatsächliche Schuldendeckungspotenzial erkennbar ist. Demnach ist eine sofortige erfolgswirksame Erfassung von Bewertungsgewinnen bzw. -verlusten unumgänglich. Zur Diskontierung sollte ein mehrjähriger Durchschnittszinssatz verwendet werden. Tabelle 20: Zusammenfassung der Empfehlungen Immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens
13 Zusammenfassung der Ergebnisse
VI
245
Fazit und Ausblick
Die Globalisierung schreitet unaufhaltsam voran. Mit der zunehmenden Internationalisierung der Güter- und Kapitalmärkte werden auch die Rufe nach einer weltweit einheitlichen Sprache in der Rechnungslegung immer lauter. Das IASB hat sich die weltweite Verbreitung und Anwendung ihrer Standards zum Ziel gesetzt. In der Vergangenheit ist tatsächlich eine zunehmende Bedeutung dieser Standards, ausgelöst durch einen Wandel der rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen, zu beobachten. Sowohl der nationale Gesetzgeber als auch die mittelständischen Unternehmen stehen vor der Herausforderung über die freiwillige bzw. verpflichtende Anwendung der IFRS zu entscheiden. Um eine fundierte und sachgerechte Entscheidung zu treffen, ist eine detaillierte Analyse und Würdigung der Rechnungslegungssysteme unabdingbar. Entscheidend für die Güte eines Rechnungslegungssystems ist letztendlich, inwieweit es den Anforderungen der betroffenen Unternehmen gerecht wird und die Informationsbedürfnisse ihrer Adressaten befriedigt. Ein Verweis auf potenzielle Kostenund Nutzeneffekte, die sich weder quantifizieren lassen, noch empirisch nachgewiesen sind, ist hierfür nicht ausreichend. Vielmehr ist es angezeigt, die Würdigung anhand systemunabhängiger Ziele und Anforderungen vorzunehmen, welche die spezifischen Anforderungen mittelständischer Unternehmen und ihrer Adressaten berücksichtigen. Genau dieser Aufgabe widmete sich die vorliegende Arbeit. Dabei wurden die IFRS sogar „in ihrem Lichte“1, nämlich anhand ihrer ursprünglichen und ausschließlichen Zielsetzung - der entscheidungsnützlichen Informationsvermittlung - gemessen. Fragen der Ausschüttungsbemessung oder Maßgeblichkeit, denen das deutsche Bilanzrecht darüber hinaus dient, wurden vollständig ausgeblendet. Gleichwohl liefert die Untersuchung eine eindeutige Antwort auf die zu Beginn der Arbeit aufgeworfene Frage nach der Eignung von IFRS und IFRS for Private Entities für die mittelständische Rechnungslegung: Weder die IFRS noch der IFRS for Private Entities sind für die Rechnungslegung mittelständischer Unternehmen besser geeignet als die Normen des deutschen Bilanzrechts. Der deutsche Gesetzgeber hat sich als Reaktion auf die zunehmende Bedeutung der internationalen Rechnungslegungsstandards deshalb zu Recht für eine Modernisierung des geltenden Handelsrechts entschieden. Die Novellierung des deutschen Handelsrechts durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz ist zu befürworten. Sie führt zu einer Stärkung der Informationsfunktion der Rechnungslegung.
1
Wüstemann/Kierzek (2007), S. 358.
246
VI Fazit und Ausblick
Sicherlich bietet dieses Fazit Stoff für kontroverse Diskussionen. Die normative Diskussion über Rechnungslegungsvorschriften ist stets mit Wertungen verbunden und liefert kein mathematisch ermittelbares, exakt quantifizierbares Resultat. Aber gerade darin liegt der Reiz dieser Diskussion, gerade dies macht die Rechnungslegung so spannend. Das Gesamturteil darf nicht dahingehend interpretiert werden, die internationalen Rechnungslegungsstandards pauschal als unterlegen oder gar minderwertig zu verurteilen. Die differenzierte Betrachtung offenbart, dass sowohl das deutsche Bilanzrecht als auch das internationale Bilanzrecht über einzelne im Vergleich zu den anderen Rechnungslegungssystemen überlegene Abbildungsregeln verfügen. Somit verbleiben für sämtliche Regelwerke Optimierungspotenziale, wobei sich eine Verbesserung bereits durch die Vereinigung sinnvoller Elemente der untersuchten Rechnungslegungssysteme verwirklichen lässt. Dass sich Elemente der internationalen Rechnungslegung in deutsches Bilanzrecht integrieren lassen, zeigt nicht zuletzt das BilMoG. Aber auch die Entwicklung der IFRS und des IFRS for Private Entities schreitet voran. Im Verlaufe der Arbeit wurden viele Sachverhalte dargestellt, die das IASB für die nächsten Jahre auf seine Agenda gesetzt hat. Von deutscher Seite ist angeraten, sich nicht auf dem BilMoG auszuruhen, sondern die Reformen des Handelsrechts weiter zügig voranzutreiben. Gleichzeitig gilt es, intensiv auf die Standardsetter einzuwirken und die Entstehung und Aktualisierung der Rechnungslegungsstandards zu beeinflussen. Fest steht: „Die HGB-Bilanzierung ist noch lange kein Auslaufmodell.“1
1
Küting (2007b), S. 1.
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